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Mitteilungen
aus dem gerinaiiisclien Nationaliuuseuin,
herausgegeben vom Direktorium.
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Jahrgang 1890. '
Mit Alil)ll(luiiij;(M).
Nürnberg, 1890.
V<'i'liii?s('ii;<'ii1nni lies irrnnanisclioii Miisouins.
In l\iiiiiiiiis>iiMi hei F. A. Brockhaus in Lcip/it;.
101
Die Kaiseriirkuiulen des »eriiiauischeii Natioiialniiiseiiiiis.
11 dem Entwürfe einer Reichsreg-imentsorihniug', welchen Kurfürst Berthohl
von Mainz im Jahre 1493 auf dem Tage zu Worms den Ständen iles
i^ Reiches zur Beg'utachtung" vorlegte, befand sieh eine Bestimmung", durch
welche auch das g-ar sehr im Arg'en liegende Reichsarchivwesen einer gereg-elten
Verwaltung-, festen, geordneten Verhältnissen entgeg-engeführt werden sollte:
es wurde damals beantragt, dafs der neu einzusetzende Reichsrat »alle Register,
Briefe und Urkunden über des Reiches Händel und Gerechtigkeiten, wo und
bei wem sie auch seien, an sich nehmen und mitsamt den zukünftig entstehen-
den Archivalien treulich verwahren und zur Nothdurft des Reiches gebrauchen
solle«' *). Leider gelangte dieser Entwurf mit seiner Fürsorge für die Urkunden
und Akten des Reiches niemals zur Ausführung. Und auch als wenige Jahre
später Kaiser Maximilian das Reichsregiment wirklich ins Leben rief, blieb der
Gedanke einer Errichtung eines Reichsarchivs unausgeführt. Maximilians Vor-
gängern war wo] ohne Ausnahme eine solche Idee überhaupt fremd geblieben,
obgleich man denken sollte, das Bedürfnis nach einem stabilen Aufbewahrungs-
orte aller auf das Reich bezüglichen Schriftstücke müfste sich um so eher ein-
gestellt haben, je weniger feststehend der Sitz der Zentralregierung war. Doch
die Geschichte des Archivwesens zeigt einen dem cerade entü'eii'cnü'esetzlen
Entwickelungsgang: nicht die Staaten, welche in fortwährender Umbildung und
Ausarbeitung ihrer Verfassungsformen begriffen waren, wie Deutschland. Frank-
reich, Italien, die in heftigen inneren Kämpfen doch niemals zu einer festen
Gestaltung ihrer Verhältnisse gelangen konnten, sondern diejenigen politischen
Gebilde, in denen straffe Zentralisation herrschte, beg-annen frühzeitia; mit einer
staatlichen Ordnung des Archivwesens. Freilich ist diese Erscheinung nicht
ganz so verwunderlich, wie es auf dem ersten Blicke erscheinen möchte: es
fehlten ja in den genannten Ländern selbst die geringsten Anlange einer wirk-
lichen Verwaltung, und besonders das heilig(> römische Reich deutscher Nation
war vermöge seiner förderativen Verfassung, innerhalb deren das königliche
Haupt lediglich als oberster Richter und oberster Heerführer Platz fand, weniger
als alle anderen ein Staat nach modernen Begriffen, wo das Prinzip der staat-
lichen Fürsorge, kurzum die Verwaltung, die entscheidende Stelle einnimnit.
Dazu kommt nun noch die eigentümliche Entwickelung der Rechtsverhältnisse:
das Volksgerichl. wie es aus dem allfränkischon mallus entstand, kannte keinen
Urkundenbeweis, den erst das rrunische Hecht in vollem l'infanu-e einluhrtt>.
Wozu sollte man also Urkunden aufheben 1
1) Dali, de [nuf puljüca S. 838, § 20.
Diiii't'iicn lialtcii die Sluiilfii. Uflclic ciiH' ilfi- all i-i"iiiiisc|irii iiaili^uriiililL'li',
N'i'rwalliiiiir lifSiilsL'u. schon tViilizi'ifig' ihn' .\rclii\t' /.u (irdiH'ii Ix'iioiinen: so
kiinii iiiati die Ht'U'i-iiiiduiii:' des val ikanisrhrii Archiv'^ in das vierte Jahrhundcr!
/ui'Cickthd irren -'I. und am-li das Noiinannisrli-Si/ilischc Reich konnte am Sil/r
i\i-y Zcnlcahidiinni^lralinii ein \v(dg'eordneles .\n-lii\ anl'ueisen '^j. Das deulsche
Keicli kcnni ähnliche Kiirsnij'i'. wie liereils g-esajil. nichl : hier iehh-n alle An-
tanji-e einer Vei'waltunii' dei- ri'knndenschäl/e. Der K'fWiiii'. von Pia!/, /n J^lalz
ziehend, liilirle /war eine Anzahl von l'iknnden und Aklen niil sich herum,
(liesellien waren aher lediij'licli durch Zulall zusannneng-ewürfell und wurden
durchaus nichl sor,iifäliii>' bewahr! : dem Zulalle war es auch anlieinifi'eg-eben. ol)
sie verloren wurden ^^i\*'V erlialli'ii hlielM'ii. uinl in dei Thal sind auf diese Weise
<>:ewirs reiche Schätze unterg'eg'ang'en. Nur unler den Jvar(ilin_i>ei-n wird ein
ar(dM\ium oder armarium saci'i palalii als Aurbewahrungsort von Uesetzeu.
Teslamenlen der lleri-s(;her. Konzilsbcsehlüssen . Verträgen. S(direil)eii aus-
wärtiger Kiuslen. Abschririen cinzelnei-, besonders wicliligei- l\ö?iigsurkunden
liie und ila erwähnl. uml die Pfalz zu Aachen als zeitweise, ständige Residenz
des Kftnigs barg wol dieses Archiv. Wie wenig berechtigt aber dieser Name
isl . bei dem wir doch auch an eine Ordnung der Archivalien denken, geht
daiaus h(M'V(U'. dals. als Al)l Ansegis v(ui Sl. WandriUe, damals sogar nnl dem
Aachenei- IMalzaml i)etraul. im -lahre 82J7 seine Kapitulariensammlung anlegte,
nichl einmal alle (jesetze dorl zu llinlen waren ^). Nicht anders ging es unter
den (lltom'n. den Saliei-n und Siaut'ern '') und ohne bemerkenswei-te Besserung
auch nach tlcm Inlerregnum bis auf Maximilian herab").
Ks ist klar, dals durch ein solches, Jahi-liunderte lang fortgesetztes Ver-
l'alwen alles, was an Dokumenten die kaiserliche Kanzlei verliefs, alsbald einem
willkürlieh wallenden Geschicke anheimliel. LTiul da infolge des Fehlens eines
Reichsurchives an eine svstematische Sammlung und Aufbewahrung der Kon-
zepte und Voiakte. an Anlegung von Registern, die in dem wolgeordneten
vatikanischen Archive einen so hervorragenden Plalz einnehmen, nicht gedacht
wurde, so ist es nalürlich. dals nur ein verhältnismäfsig recliL geringer Bruch-
teil aller im Namen des Königs ausgestellten Urkunden [bis auf unsere Tage
"2) Nai'li (lein Lilici' l'diitifu'alis soll hcrcils {'apsl Anln-us f:2.So 23H) für Sannidinip:
iiMil Aufhcwahrimy der Märtyroraklcii AiioriliuniKcii j;cin>lioii lialieii. Zuvci-Iässige Nach-
liilili'ii iilicr (las Archiv Ijeginncii erst lUÜ Jahre später: eine Inschi'ifl an der Basilica
S. liorcii/.u in l'iasiiia besagt, dals Papst Dainasiis I. (366 — 384) an dieser Stelle ein Jicues
tiaus liir (his Archiv erltaiit habe. V^ergl. Bcefslaii. Ilaiidhucli (\or Urkundenlehre I,
S. lii) IT.
ü) Breis lau. a. a. U. 8. lo7 IT. Leidci- isl von den lieständeji des Palermitaner
Aiiiiivs al)Solut niclits. uieJir crJiallen.
4) Brefslaii. a. a. 0. S. 133, 134.
ö) Wenitrslens in Denischlaiid iriiii;-en die Slaid'er vom allen Schlendrian nicht ah;
in Sizilien lial liekanidlich Friedrich Ji.. jedenfalls nach noj'inannischein iMusler. ein Archiv
hepründel, das daini iinirr den an{i,iovinischen Königen weiter geführt wurde. Brcfslan,
a. a. 0. S. 138.
6) Die Krhaltung eiin'i- Anzahl von Urkunden Heinrichs VIT. in Pisa, die als »Archiv
Heinrichs« hezeichnet werden, ist eint- durchaus znta!li«e. Auch die Register Ludwig des
Bayern kann man nicht »Archiv«' nennen.
übei-koiuiueu ist mul ilaIV, was erhalten blieb, über alle grofse und kleine,
öffentliche und private Archive und SaiuuiUmg-en Deutschlands und Italiens
zerstreut ist.
Mannigfaltig- sind die Schäden, welche der Wissenschaft, der (jeschichte
und ihren Hilfswissenschaften durch diese Verhältnisse erwachsen sind: nament-
lich in der Entwickelung'sg'eschichte der Urkundenlchre machen sie sich beson-
ders deutlich fühlbar. Denn naturg-emäfs niufste die wissenschaftliche Behand-
lung urkundlicher Dokumente, das Forschen nach Gesetzen und Regeln, unter
die man den Urkundenstoff etwa bring-en könnte, von den erhalten gebliebenen
König-surkunden ') ausg-ehen. da diese in einer geordneten . nach bestimmten
Reg-eln geleiteten Kanzlei entstanden, leichter ein allgemeingültiges Ergebnis
liefern konnten, als die ungefüge Masse von Privaturkunden. Und da. wie
bekannt, die Geschichte der Urkundenlehre in unmittelbarem Zusammenhange mit
der Geschichte der Urkundenfälschungen steht, so ist es klar, dafs man sich
zuerst mit den aus der königlichen Kanzlei hervorgegangenen Diplomen be-
schäftigte, die ja auch vermöge ihres Inhaltes und des Gewichtes ihres Ansehens
vor anderen zu Fälschungen und Xachbildungen reizten.
Ks kann hier nicht meine Aufgabe sein, die Geschichte der Diplomatik in
ihrer allmählichen Entwickelung. von den bescheidenen, gleichsam unsicher
tastenden Anfängen bis zur heutigen Höhe eingehend zu behandeln: das ist in
unseren Tagen in mustergiltiger und erschöpfender Weise von Harry Brefslau
in seinem schon iUters erwähnten «Handbuch der l'rkundenlehre für Deutsch-
land und italien« geschehen. Im zweiten Kapitel tlieses Werkes zeigt uns der
Autor in fesselnder, vorzüglicher Weise den Urs})rung unserer Wissenschaft,
die ersten Versuche eines Laureutius Yalla und Aventin, die schon zielbewufsteren
Arbeiten ■Mabillons. Bessels un»! Schönemanns. endlich den grofsartigen Auf-
schwung diT Diplomatik in den letzten Jahrzehnten duich die grofsen Werke
Theodor von Sickels und Julius Fickers. Es würile also eine blofse Wieder-
holung des von Brefslau gesagten sein, wollte ich hier bei Besprechung iles
Schatzes von Königsurkunden, welchen das germanische Xationalmuseum be-
wahrt, gleichsam ab ovo mit der Geschichte der Diplomatik l)eginnen. Vielmehr
wird es meine Aufgabe sein, bevor ich zur Besprechung der Urkunden selbst
gelange, in kurzen Umrissen ein Bild von iler neueren Entwicklung und dem
Stande unserer Ketuilnis dci- Ivitniglichen Kanzlei und der aus ihr hervorge-
gangenen Dipbune zu geben.
Bevor man freilii.'h hierin zu ei'scli(>|ifen(len . theoretisehen Krgebnissen
gelangen konnte, war es nödig. dafs man das vorhandene Material, welches dem
Forscher auf di-in Gebiete der Königsurkunden zur N'erliigung steht, seinem
ganzen, gewaltig grofsen Umfange nach kennen lernte. Sammlungen von Königs-
7j Ks (lüilli' IVii;,dicli sein, oli uiaii iiiil iiiclii' ili'i'iil ilie im iNiUiu'ii dos (Icutsflicii
Küiiijis ihkI niiniscIitMi Kaisers ausgelVrlij,4cii Ir-idnidcii Kaiser- oder Köiiinsiirliinideii neiiiuMi
sdII. Urcfsiaii in scincni borcils mchrf'ai'h aiifc«'zt){ji'ii('n VVorkc ;!:('l)raiu'hl dmvlinänniy; dii'
BczcichnuntJ »Künitrsuikiindcu ■ : ebenso l-'ickei' in seinen " iUMiriigeii zui' l'rkiuuleniclire.,
Dagci^eji linden sicli liei SicUel liiidi> |{ezeieiimfM}j;i'n. (Kaise rurkunden in Ahbildungon.
Kön i jjs urkniiden in Ada ret^uni el iniperalornni Kandinufnni. ) Ks lassen sieh l'nr nnd
wider jede der iK'iden Bezeiclinun;(en lasl gleiciiviel (iründe anrüiii-en.
iirkiinilt'ii uan-n schon im voiipMi -laliiliiimlt'rlo crschiciuMi : ao enlhäll der
(li|>ltiiiialischt' Toil des lllr sfinc Zeil niclil iiiihi'iIculiMKlcii Prai-htworkes") Johann
(lonr^'' Ht'sst'ls. Ahlt's des nit'dcriisici Tficliischcn lirncdiklincrkloslcrs Göttweig",
die rrkundt'M dt-r rinzi'lncn dculschcn Ktitiigc von Koiuad I. his auf Friedrich II.,
sopir Mul t'int'r Anzahl IVcilifh iinjjrt'nng-cndor Faksiinih's g-eziort. Nach Bessel
isl der Mldorln- IniviTsilälsprofcssor .lohan.ii lliniiiiiiin von TeuLschenbrunn
/.ii nennen, welchrr in eijieni zweibänihg-en WtM'ku ") diu Urkunden der Karo-
linger altdriickle und hesprach und zwar in einer Weise, welche eine nichi
g-eringe Fifi'dcrung- der .Melliodik unserer WissenschaH hedeutel. trotzdem Heu-
mann niemals eine ( Iriginalnrknndi' Karls des (irolsen oder seiner Nachfolger
zu (iesiehl liekani! (iar viele K<".nigsurkunden hat auch Jiiinig- in «einen zahl-
reichen Foliaiden erslnuilig edierl. nicht minder Senckenberg:, freilich in einer
Weise, die eine UiMiiilzung- zu wissenschafilichen Arbeiten nicht nui in Folge
ilii rnbehiiriichkeit und L'nbe(|uendichkeil der g-anzeu Anlage, sondern auch
ilurch oll weitgehende rn/.ulänglichkeilen in der Text Überlieferung- erschwerte,
ja iinmiiglich mai-hle.
Kin l'mscliwung in diesen Verhältnissen trat ein. als nach dein Zusanunen-
bruclii' des heiligen römischen Reiclies Säkularisationen und Mediatisierung'cn
von Klöstern und iiistüniern an der Tag-esordnuug- waren; hierdurch g:elangte
ein grofser Teil des uns erhaltenen Vorrats von mittelalterlichen Urkunden in
den He>«il/. iler sianllichen Archive, wurde neu geordnet, und zahlreiche, bis
dahin ungekannte Schätze an Diplomen deutscher Könige kamen so au das
Tag-eslichl. so dafs die Notwendigkeit einer libersichtlicheren Zusammenfassung
dt's bekannten und zugänglichen Jlaterials sich immer dringender geltend machte.
Von dieser Ansicht ausgehend, schuf Johann Friedrich Böhmer seine grolsen
Regesten werke: 1831 erschienen von ihm die Urkunden der Könige von 911— 1313,
I.S33 die Urkunden der Karolinger und der burgundischen Könige, endlich 1839
ilie Fortsetzung bis 1347. Es hiefse Eulen Dach Athen tragen, wollte ich hier
noch etwas zum Lobe des rastlos thätigen Forschers und seiner grofsen Arbeiten
sagen, die gröfsere diplomatische Untersuchungen überhaupt erst möglich
machten. Indessen, so bahnbrechend die Bestrebungen Böhmers auch waren,
es wurden in Folge iler bedeutenden Fortschritte in unserer Wissenschaft doch
Neubearbeitungen jener Regesten nötigt"), die zum Teile Böhmer selbst noch
iiegonnen hat. Aufserdeni hat Karl Stumpf 1865 eine Neubearbeitung der Ur-
kunden von 919—1198 unternommen"), als Anhang zu dem leider unvollendet
gebliebenen Werke über die Reichskanzler des 10.— 12. Jahrhunderts.
S) ('.hronieon Gotwiconse seu aiinales libcri et cxempti iiiuiiasterü (lotuiceiisis, — —
Toinus prodromus de codiciljus antiquis uianuscriptis, de impcralorum ac rogurn Geruianiae
dipiomaliluiti — — — Tegernsce, 1732.
9) Coninientarii de re diplomatica iinperalorum ac reguui Gernianorum lade a Caroli
.Mapiii fenipnrihas rtdnriiati.JJ,lNürnl)erg, 1745 — 53.
10i .Naili Böhmers Tode hat Julius Ficker die Leitung de.s ganzen Unteruebniens
übcrnouimen; von seiner Hand erscliien eine abermalige Beai'beituug der Regesten von
1198—1273, wähi'cnd eine ebensolche für die Karolingerzeil durch E. Mühlbacher aus-
geführt wurdi'.
llj CIn'onologisches Verzeichnis der Kaiser -Urkunden des X.. XI. und XII. Jahr-
hnnderts. Innsbruck. 1865.
Sind diese Reg:esten\vei-ke aus dorn Bedürfnisse einer g-enügenden Übersicht
über den Umfang des Materials entstanden nnd als solche von unschätzbarem
Werte, so ging-en sie doch in theoretischer lie/iehung anf unrichtigem NYeg-e
vor: Es ist die Frag;e nach der Echtheit oder LInechtheit eines Diploms, au
welcher Böhmer und Stumpf scheiterten ; sie wollten alle aus der königlichen
Kanzlei hervorgegangenen Urkunden unter einen Hut bringen, d. h. aus einer
gröfseren Anzahl Urkunden, die ihnen durch die Hände gingen, suchten sie
übereinstimmende Merkmale abzuleiten und stellten diese als allgemein giltige
Regeln auf. Fand sich dann ein Diplom, welches sich diesen Regeln nicht fügte,
sondern eine oder mehrere Abweichungen von der Normalurkunde aufwies, so
wurde es einfach für gefälscht erklärt und ohne weiteres aus dor Reihe der
Regesten gestrichen oder als verdächtig gekennzeichnet. Es ist klar, dafs diese
Methode Stumpfs nur zu scheinbar sicheren Ergebnissen führte: man ging
von der Voraussetzung aus, dafs das ganze Mittelalter hindurch, selbst zu
Zeiten, wo alle ölfentlichen Verhältnisse im Reiche in gröfster Unordnung sich
befanden, das Kanzleivvesen des Königs stets wol geordnet gewesen sei. Aber
obwol diese Voraussetzung nach Lage der Dinge schon an und für sich als
unrichtig erscheinen mufste, suchte man sich doch einen Beweis dadurch zu
konstruieren, dafs man alle Urkunden, welche in jene geträumte Ordnung nicht
hineinpafsten, einfach für unecht erklärte.
Aus diesem unglücklichen circulus vitiosus wurde die Diplomatik durch
die Bemühungen zweier Männer gerettet. Zunächst wies Julius Ficker'-) in
überzeugender Weise nach, dafs die Annahme einer vollkommenen Ordnung
des mittelalterlichen Urkundenwesens weiter nichts als ein Traum sei. Im Zu-
sammenhange hiermit zeigte er, dafs eine Unzahl von Unregelmäfsigkeiten an
einzelnen Urkunden sich viel leichter und zwangloser aus der Entstehungsge-
schichte der betreffenden Urkunde erklären liefs, als aus der Annahme eines
Überlieferungsfehlers oder einer Fälschung, welche bei Stumpf sich nur zu
oft vorfindet. Ficker lehrte also, bei Beurteilung eines Diploms alle inneren
und äufseren Merkmale in Betracht zu ziehen und vor allem keine Unree,-el-
mäfsigkeit von vornherein für unmöglich /u halten.
Von einem anderen Gesichtspunkte aus hat Theodor Sickel '■') das System
Stumpfs erschüttert, ja vernichtet. Bereits in den Anfangszeiten der Diplomatik
hatte man erkannl. dafs wirklich sichere Regeln für Entscheidung der Frage.
ob eine zw(!ifelhafte Urkunde echt oder unecht sei, aus der Untersuchung zwei-
fellos echter, d. h. originaler Stücke alizuleilen seien. Auf diesen Kardinalpunkl
der Diplomatik ging Sickel zurück um! /iMgle. indem er sein System /unäehst
auf die Urkunden der karolingischen. dann aurji d(M- sächsischen Kaiser aul-
baute, dafs ein sicheres Kriterium zur Entscheidung jener Frage sehr wol ge-
funden werden klinne, wenn nämlich mehrere Urkumlen desselben Ausstidlers.
aber für vers('hie(lene Em|ifäiiger. so z. B. flir einen lothringiscIuMi Edlen und
ein italieruscbes Kloster, oder für eine Kirche in Franken oder einen Laien in
Sachsen, genau dieselben Schrifizügt! aufweisen, also von der gleichen Hand
geschrieben scheinen, so ist daniil die Enislehung der Urkunden in iler Kan/.lei
12) .1. !•' i (■ l< I' r. üi'ilriitfc zur l'rluinilfiili'liii-. Iimsliiiiik. isT.'i.
I."}) Sickel. ;itl;i iviiniliiicriiiii. Wien. IS(}7.
des Aiis.slt'llcr.s uiili«'(liii_ul erwiesen, thi iiiiiii tlueh irewils iiidil aiiiieliiiieii Kaiiii.
t'in Külschei- krume alle diese vei-seliiedenarli^'eii l>iplttiiH' lierj^estelll haben.
.Mil dit'seiii Satze Inrderl also Siekel in allcrorstor Linie Schiil'lvcrirloic'hiing- als
vt)rin'liMisles ninl untriijrliehstes lliUsniiltel dei- l)i|il(iniatik.
Diese liehic Sickels fand wirksame rnlersintzuiiü- und Anwendung;" in dem
\ttn Siekel sejltsl im Verein mil K. \(in Syl»el lieiaiisiroj»"('boiu'n Werko '*). der
Sammliniir vdti dfeiimndeil leehnisdi \(dlende|ei- nnd v(dlkf)mmon g-etreuer,
mit erliiulerndem K'itmnn'idare veiseliener Ahliildiiniien von rrkunden dontsclior
KTiiiiiTe nnd Kaiser ans der Zeil von l'i|i|>in liis anr.Ma.Nimilian. her Standpunkt
Kiekt'rs dagegen, der mit der Leine Siekels vereinigt w(d ersi den rechten AVeg
ztMgt. erlbi-dert eine \(dlkommen genaue, wortgtilren nach dem Originale ge-
arheilele Wiedergabe des Textes, daniil der Forscher nidil wie bisher mit der
nningelhalten ('berlieferung des Wdrles /n kitni|ifen hat ''). Eine solche allen
wissensehatl liehen Aid"oiderungen entsprechende Ediernng sämtlicher bekannten
KTmigsurkunden strebt die Diplomala - Alileilung der Monumenta (Ternianiae
Mistoriea an. deren Li-ilung im 'lahi-e l.S7o Siekel übernommen hat. Eisher sind
tlie Urkunden Koniads 1.. Heinriehs 1.. Ottos I. und Ottos II.'") erschienen,
so dafs an einem Stolle von etwa 800 Diplomen die Möglichkeit sicherer Unter-
seheidung von Schreibern und Verlassern dargethan wird '^).
Durch diese beiden grofsen Werke, den »Kaiser Urkunden in Abbildungen«
und der Diplonuita - Herausgabe in den Monumenta Grermaniae, werden aber
Arbeiten kleineren l'mlanges nicht überllüssig, welche dem oben angedeuteten
l'rinzipe Kickers folgeiul die Kaiserurkunden eines bestimml begrenzten Gebietes
nielil nur ihrer äufseren Erscheinung, sondern auch ihrem AA'ortlaute und In-
halte nach, endlich in ihrer Enlslehungsgeschichte einer eingehenden diplo-
matischen Untersuchung unterwerten, wobei man allerdings der Di))lomata-
.\usgabe der Monumenta vorgreifend, einzelne Stücke, die bisher nur in
nningelhatter Weise überliefert waren, einem Neudrucke wird unterziehen
müssen.
Von diesen Gesichtspunkten ausgehend habe ich es unternommen, die
Kaiserurkunden, welche im Archive des germanischen Nationalmuseums ver-
wahrt werden, auf oben angegebene Art zu bearbeiten. Wer die Entstehuugs-
gesehielite des Ai-ehives. richtiger der Urkundensammlung, im germanischen
Nationalmuseum kennt, weil's. wie allmälig durch (i(>schenke hochherziger Gönner
sowie durch Ankäufe die Schätze desselben zusaminenüebracht und auf diese
I'h Kaiscriii-l<ini(J('ii in Aliliildim-icii, Ijerausson-olien von K. v. Sylid und Tiiondni-
Sicki'l. Berlin, 1880 IT. Erscliioncn sind IjIs jel/l acht LieCcriinsfon. wiilirond das jranzc
l'idiint'luncii auf zehn LicIVruiigL'n tjcrcclinct ist.
io) Sind docli .seliisl die nciicron Piiltliivalioncii. wie die eines Lacnnitilet. Huillard-
Ürdiol Ics II. A.. nicIil IVci von Fiditern. von den oft kaum zu «reiiraiiclicndeii Te.xlen iiei
liünJ!; etc. j^arr^ zu ^feselnveigcn.
l(»l Diplonialuni rej^uni et inii)eratoruui Gerinaniae tonii 1 pars iirim-. secunda. leilia.
lonii II pars i)rior. Hannover, 188^ — 88.
17) Verjrli'iclie die Austulirun{,ren Sickels ülter »Proücaiiiiii u\n\ Insiruklion der
Diploniata-Abilieilunj;« im >ieuen Arcliiv ilei- Oscilscliafl für äiloic ili'utschc Gesciiiclils-
kunde Band I (IS7r.|. S. 427—498.
— 9 —
Weise dem einem grofsen Teile drohenden Untergang'e entzogen wurden. Es ist
selbstverständlicli und dem Principe eines deulschpn Zentralmuseums entsprechend,
welches ja das gesamte Vaterland, All-Deutschland umlassen soll, dafs dieses
Prinzip auch in unserem Archive zur Geltung kommt. Sein Inhalt an Archi-
valien ist Aveder durch zeitliche, noch durch örtliche Grenzen eingeschränkt, aus
last allen Gauen Deutschlands, aus den einen in gröfserer, aus den anderen
in geringerer Anzahl, sind Urkunden und Akten bei uns zusammengekommen.
Auch die Kaiserurkuudeu umfassen die ganze Zeit des Bestehens des heiligen
römischen Reiches deutscher Nation: nur wenige fehlen in der langen Reihe
deutscher Könige und Kaiser und, was zwar auf den ej-sten Blick merkwürdig
genug erscheint, dadurch aber, dal's unser Archiv in dem Bewahren einzelner,
versprengter Urkunden vor gänzlichem Untergange seine Hauplaufgabe erblickt,
erklärlich wird, es linden sich Stücke darunter, die bisher noch unbekannt und
ungedi'uckt waren, was wol schon allein meine Arbeit rechtfertigen dürfte.
Natürlich sind die inedita zum gröisten Teile aus dem späteren Mittelalter sowie
aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, aber auch einzelne höclisi interessante
aus der friiheriMi Zeit.
Ich teile mein Material in drei Teile:
I. Karolinger. Sächsische utul Salische Kaiser.
II. St aufer.
III. Vom Interregnum bis auf unsere Zeit.
Karolinger, Sächsische und Salische Kaiser.
König Ludwig das Kind bestätigt einen Tauschvertrag zwischen dem freien
Manne Joperht und dem Kloster Altaich über benannte Orte. 9Ü;i, April :29.
Von Karolingerurkunden enthält das Museum nur diese eine des Königs
Ludwig. Dieselbe. Hnlimer. ri'gesta Karolorum Xr. I:2ü(). .M ü hl buch er
Nr. 1988, abgedruckt in den Monumenta Boica XI, S. 130, freilich in einer
Weise, die den erneuten Abdruck an dieser Stelle rechtfertigt. Es fehlen nicht
nur Zeileneinteilung und Recognilion. sondern es sind auch verschiederie Lese-
fehler zu verzeichnen.
Die Urkunde ist aus iler deutschen Kanzlei Ludwigs her\drgegangen "^),
in welcher das I^rzkapellanat damals in den Händen des Erzbischofs Theotmarus
von Salzburg war'") (gestorben 9ü7, 'limi :^S). Als Notar wird Lngil|M'ro ge-
nanid , drr vorher Notar König Arnulfs gewesen war-"). Über die Schrift
dieser Urkunde ist wenig zu sagen, sie zeigt alle die rjiainkicristischen Merk-
male der späteren fränkischen Schrill: schmale, lange. Buchstaben, die sehr
nahe aneinander g(>riicK't werden, in der ersbMi und in der Suhskriptionszeile,
18) Unter Tjudwi^; (li'iii Kinde wiirdi' liOtliriiiücn wieder niil dem deulsclien Ueiciio
verlmiiden. Aller die Soiulei.steiliin;,^. die das Jiiuid wäiirend der Ue^ierun^c Karls III. und
Arniiirs unter Zwentihold eiiij^enoinnien, dauerle in gewisser Be/.ioliini}j; fort, so dals es aueli
eine tn|jn'in<?isclic Kanzlei pal).
IDJ Mü hl ha eil er Nr. !'.»;?:;. l'.tSS.
20) M lihlhaeiier Nr. 17HI, l'.MI;!.
3IitteiliiiigciL aus dem geniinii. Natiotialniuscuni. IS'.MK II.
Costo, diuitliclit' Hiirlisliilirii im Kdiilr.xl. hiiiiciii'ii ist sie olTcnhar wt^dcr von
ilem (iriiTS l)t'p>^m'iiileii Sclu't'ilx'r Siiiinn noch \(iii i!i iiustus, sondern hriclisl-
waliiscliciidicli im pm/cn \(iii l';n<>'il|i('r() scllisl geschricljcn. (Das signiini
rcfo^-iiilionis nnl dm lironiscdicn Nidcn d(\s Schreibers ist zur llälllt' (hircii-
rissen.) Das woleihaltenf Sie^-el /,eii;l den KiMiiji; mit Schild und S[)eer und
Irilirl die rnis.-hiin ilLVDoV VICVS UKX.
'r>'
C. X In mwnini' sam-liM' rl imliiiidnai' ti'iinlalis. I lluduuuicus diuma fauente
rhMneidia rex. nninc sciliccl ipidd inicr dnas partes sani consilii utriusque
<'()in|HMi(hi dininiliim linril. pi-odesse x propter euitanda liiliira nialiunloruni
Jurii'ia cnnscriplioius uinniln dldiiian'. lii ideo cuncti lideles nostri praesentes
uidclicet et lulnri f(i<i'nosfanl. ipialiler ipiidaiii liliei' hfuno noniinc Joperht per
licenliani noslrani | et cnnsensuni Tidonis ucncrabilis ei)iscoi)i Lradens^') jiroprie-
talorn suani (luam hahuit ad Strupin^un et Sinipliechani ad sanctumMaurieiuni hoc
ad monasteriiini ipiod dicitur Allalia coni[daeiLauit sibi vxorique suae Vastradae
de relius i eiusdeiii niartyris *^) locum Utiiing'a noncupatuni, quamdiu viuerint
retineinbiMi. (|uo perado duas cartulas pari tcnore conscriptas inde fieri iussimus
in i|uiliiis hoc niddii cinil iiichir '-'*) : tradidit ig-itur quidam liber nomine | Joperht
ad sanetuin Mauricium {)roprietateni suam qualem -*) habuit in diiobus locis
Struping-a et Simpliccha nominatis cum aedificiis, curtilibus, terris, pratis, pascuis,
sihiis, aquis, molinis el omnibus ad eadem loca iure pcrtinentibus | cum mancipiis
efiani ita nonunatis, Adalrih, Timo, Diotuni , Pero, Sneihart, Ering-oz, Grotalind,
Irminsuind, Vuiilipirc, Liutker in perpetuam proprietatem in manum uideücet-'^)
Herigolti aduoeati. Econtra uero iussu ex nostro ] praesente iam dicto episcopo
et caeteris fidelibus nostris eodemque aduocato retradentc accepit idem Joperht
de rebus saucti Mauricii locum qui dicilur Otilinga cum ecclesia et ceteris
aedificiis mansisquc duobus et molina una omnibusque mancipiis ad idem | bene-
ficium pertinentibus, cxceptis eis si quac -") in curte aliqiia ad opus nostrum
pertinente utilitcr coniuncta fuerint, ut hoc potestatiue utatur usu fructuario
usf(ue ad obitum suum et Vastradae uxoris suae. Post discessum uero am |
borum vtraeque-') res, id est proprietas quam dedit et beneficium quod accepit,
in ins et potestatem praedicti monasterii cum omni integritate redeaut, nullo
obsistente, nemine contradiceute. Jussimus enim hoc praesens | reg-alitatis nostrae
praeceptum exinde conscribi vi eadem complacitatio ita per omnia semper firma
et incorrupta, sicut hie et in carlis habetur, persistat. Et ut haec auctoritas
nostra inuiohibilem oldineat slabilitatis lirmitudinom et a cunctis fidelibus
nostris uerius credaiur ac dilig'cntius obscruetur manu nostra subtus eam robo-
rantes anuloque nostro iussimus sig-illari.
Sig-num domni Hludouuici piissimi reg'is. Eng'ilpero notarius ad uicem
Diotnuiri recog-noseci ^^).
:21) Dil? Monuiiionia Boica haben traflidil.
22) Moii. B. : iiiatris. 23) Moii. 15.: hoc modo in (luibiis.
24j Mon. B.: (|iiani. 23) Mon. B.: sciliceL
26) Mon. B. : (jua. 27) Mon. B. : ulraciue.
28) sie!
Datum III. kalendarum raaiarum die anno doniinicae incarnationis DCCCCV
indictione VIII anno uero reg-ni pii reg'is Hludouuici VH. actum Regina eiuitate
in Christi nonnne feliciter amen.
Otto I. sclienkt der bischöflichen Kirche zu Chur den königlichen Hof Zizers
und g-estattet ihr, ein .Schiff auf dem Walensee zu hallen. Dornhurg-, 9oö,
Dezember 28.
Stumpf reg. Nr. 236.
Data V. kal. ian. anno incarnationis domini DCCCGLXXVI indictione XV
reg-nante pio reg-e ^^) Ottone anno XXL; actum Dornpurhc in domino feliciter amen.
Sieg-el wolerhalten.
Aufzeichnung" über eine Verhandlung- im König-sg-ericht, betreffend den Hof
Zizers, sowie über erneute Schenkung- dieses Gutes an die Churer Kirche
durch Otto I. Ohne Daten; aufg-esetzt zu Konstanz 972, Aug-ust 18.
Mit teilweise erhaltenem Siegel.
Die.se beiden Urkunden Ottos I., die einzigen des grofsen Sachsenkönigs,
welche das Museum besitzt, gehören zusammen und sind daher einer gemein-
samen Betrachtung- zu unterwerfen. Sie sind indessen von Sickel ediert ^**) und
einer sehr eingehenden Besprechung gewürdigt worden, so dafs ich mich auf
eine kurze Rekapitulierung der von Sickel gewonnenen Ergebnisse beschränken
kann ^^). Die erste Urkunde gibt vor allem durch die Datierung zu Bedenken
gegen ihre Echtheit Anlafs: es heifst data — anno — 97(3, während in diesem
Jahre Otto I. ^^) bereits seit drei Jahren tot war. Auch andere Unregelmäfsig-
keiten fallen auf: so ist das Rekognitionszeichen allzuweit in die letzten Zeilen
des Kontextes hineingeschoben, daher der Schreiber ihm ausweichen mufste und
kaum Raum für die letzten Worte der Korroborationsforjnel fand. Ei)enso ver-
dachterregend ist die gegen die gebräuchlichen Normen Ottonischer Urkunden
ungewöhnliche Invokationsformel. Doch den letzteren Einwurf erklärt Sickel
mit grofser Wahrscheinlichkeit so, dafs der Notar Liulolf. von dem unser Stück
herrühit, aus Lothringen in die Kanzlei Ottos kam und von tiort die Invokations-
formel in nomine dei omnipotcntis et salvatoris nostri Jesu Christi, die sich seit
den Tagen l^othars T. hauptsächlich im Trierer Sprengel erhalten hatte, mit-
i)rachte ^^). Was die falsche Datierung anbelrilTt , so ist sie durt-haus kein
sicherer Verdachtsgrund, da noch andere Beispiele von unrichtigen Aerenjahren
in völlig unanfechtbaren Originalurkunden Ottos I. vorkommen^*). Sickel ent-
scheidet sich schlieCslich für die Echtheit des Diploms, weil vor allem die gra-
l>iiischen Merkmali' uiiwiderspreclilirli auf die Zeit Ottos 1. hinw risrn. Dunli
i\i) Siekfl, Jifilrä^n' ziii- Diploiiiiilik. \'l. Wien. IS77. sciilicrsl dii' hidikliuiiszalil.
sowie die Woiic; rct^nianlc |)ii» i'c^c in Klaniiiiciii ein. ddcli fand icli licidi's ikh'Ii als ji'aiiz
{jciil crkciiiiliai-.
30) Das üükunii'nl .\i-. r! war miiiIciii iiiilickannt ; os i.sl diiicli Ankaiif des ^i'M-
iiili WolkcnsIciiisiliiMi Ai'cliivs in drn IJrsilz i\cü .Miisciiins ül)ei'j^ogaii;;i:t'n.
.-51 j Sickel. a. a. ().
32} Dals Olio 1. uiiliedin^;! dej- ,\ii>slell("i- sein iiiiirs. ^olil daraus liorvui". dafs er als
IJrudcr des ErzliisclKirs Rinn he/.eichiiel wird.
33j Sir k ei. a. a O. S. IS.
34j So Sliiiii|)f Nr. .;(i;;. .-{Kl. ;!17. .i'iO.
«lic .-^riii 111. Ulf (iiMcli (lif iiichrf'aclitMi Ahwciclmniicii von (l(;ii /iiineist heobach-
li'ltMi Nuiiiicii. crvvcisl sie sich als dio Arl)nil (jiiies .\ranno.s, welcher als Schreiber
von !)i|i|uMit'n Kir weil von einandei- ahlieg'ende und unter sich in keinen Be-
ziehiinp'n slehend(^ Slirtiiniicn. wii' Fischheck einerseits nnd (lliur-ICinsiedeln
andererseits, der k.iiii^lichen Kaii/Ici ang-ehfu-t hal)eii imiCs^'^).
\iideror Naiur ist das zweile Schrilislück; hier lehleii vor allem Datierung,
(ihiiMnon. Hekoirnilion ; ferner wird im p]ingan£»'e, welcher der g-ewohnten Fas-
sung- di'r l)i|donie enlsprichl. der Kaiser als selbstredend eing'el'iihrt. während von
Zeile (*» an blos von dem im|K'ralor erzählt wird, in Zeile 9 endlich Otto selbst
wieder sprechend eiiigcluhrl ist, ein AVechsel für den es kein Beispiel aus
dem 10. .lahrlmndert g-iebt. Schliefslich kommt ein äiifscrst bedenklicher Wider-
spruch vor, indem neben Bischof Hartbert von Chur zum Schlüsse bereits sein
Nachfolgei- Ilildibaldus g-enannt wird.
Dagegen wird andererseits durch äufsere Merkmale bezeugt, dafs das
SchrillsKick zum Teile in der kaiserlichen Kanzlei entstanden sein müsse: so
erkennt man das Pergament in einer Weise zum Beschreiben vorbereitet, wie
sie nur in der Kanzlei üblich war. Dann ist von grofsem Gewichte, dafs sich
tue Schriflzüge der ersten Zeile durch Vergleichung als von der Hand des
Notars Willigis B. herrührend herau.sstellen. Schliefslich ist auch das Siegel
für echt befunden woi'den. Somit kann von einer Fälschung keine Rede sein.
Vielmehr ergiebt sich aus den eingehenden Erörterungen Sickels, dafs unser
Schrinslück lediglich ein Konzept zu der noch erhaltenen und von Sickel ab-
gedruckteir'") Originalurkunde, Stumpf reg. Nr. ol6. vom 18. August 97ä ist
(Original im Kloster St. Paul im Lavanttale) : Otto 1. erneuert die Schenkung
des Hofes Zizers an die Churer Kirche, nachdem auf Grund einer Verhandlung
im Kr«nigsgerichte der Spruch erfolgt ist, dafs ihm zur Zeit der ersten Schenkung
das Verfügungsrecht über Zizers zustand. Dafs dieses Präzept, das doch keine
Urkunde ist, ndt dem kaiserlichen Siegel versehen w^urde, erscheint zwar auf-
fällig, aber doch dadurch erklärlich, dafs Bischof Hildebold, bevor er das
Originaldiidom erhielt, wenigstens ein gültiges Zeugnis zur Geltendmachung
seinei' Ansprüche besitzen wollte-^').
otio II. bestätigt der Mecbthild, Äbtissin des Klosters Essen, das freie W^ahl-
rccht, alle Besitzungen, sowie die Immunität. Aachen, 973^^), Juli 23.
Stumpf reg. Nr. 597.
Mit dem (.)riginale völlig übereiustinunend abgedruckt in den Diplomata
Ottonis II. Nr. 49.
Vuilligisus cancellarius vice Rodberti archicapellani notavi.
Data X. kal. aug. anno incarnatioiiis dominicae DCCGCLXXIIII, indiclione I,
anno regni domni Ottonis XIII, imperii VI; actum Aquisgraui; in dei nomine
feliciter amen.
3oJ Sickel. a. a. (). S. 40,
30 1 Siclicl, a. a. (). S. 53.
37) Sickel, a. a. 0. S. 78.
3«) Die Urkunde eiilliäll zwar das Jahr 974. aljer die indictioii I. sowie die Rq-
^rieninirsialire 1.'! iiiid C. weis<'ii zweifelsülino auf 97.S hin.
— 13 —
ö. Otto II. g-euehiuig-t die Verlegung' des unter seinen persönlichen Sehutz g-e-
stellteu Klosters Thancniai-sfeide nach Nienburg und verleiht demselben das
Recht freier Abtswahl, sowie die Immunität. Magdeburg-, 97;i, Juni 28.
Stumpf reg. Nr. 662.
Mit dem Originale übereinstimmend abgedruckt in den Diplomata Ottonis IL,
Nr. 114.
Folcmarus cancellarius vice Uuilligisi archicancellarii notavi.
Data IUI. kal. iulii anno dominicae incarnationis DCCGCLXXV. indictione III.
anno vero regni domni Ottonis XV, imperii autem VIII; actum Magadaburg;
in dei nomine ieliciter amen.
6. Otto III. bestätigt dem Abte Fingenius des Klosters S. Felicis bei Metz alle
Besitzungen des Klosters, wie sie Otto II. bereits dem Abte Cadroelis bestätigt
hatte. Xierstein, 991. Mai 1.
Stumpf reg. Xr. 943.
Nach dem Originale gut abgedruckt •'''') bei Mabillon. de re diplo-
matica, 577.
Rotbertus cancellarius ad uicem Heriberti archicancellarii recognovi.
Anno incarnationis domini DCCGCXCI, imperii anno domni tertii Ottonis XIIII,
indictione IUI, actum kal. Mai publice in palatio Xeristem.
7. Otto III. gewährt dem Abte Adaidagus des Klosters zu Xienburg das Recht,
in dem Orte Hagenenrod Münze und Markt zu halten. Dornburg, 993, Juli 29.
Stumpf reg. Xr. 1004.
Mit nur wenigen Fehlern*") bei Leibniz, annales imperii III, S. 590
abgedruckt.
Hildibaldus episcopus et cancellarius uice Willigisi archiepiscopi re-
cognoui.
Dala Uli. kal. Aiii>'. anno dominicae incarnationis DCJUULXOllI. indictione
\'l. anno autem tertii Ottonis regnantis decimo; actum Durniburu': i\>liciter amen.
S. Konrad 11. schenkt ihm Kanonikern des Hochstifts Ohur sämtliche Oüter und
Besitzungen der beiden Brüder Wilhelm und Roger, die diese in der Graf-
schaft Cleven halten und deren sie ihrer Verbrechen weg'en durch Urteils-
Spruch lür vtMJustig erklärt worden waren. Benevent, 1038. Juni 8.
Stumpf reg. Xr. 2112.
Mit dem Originale übereinstimmend abgedruckt Ihm Mohr, codex diplo-
malicus Rbät. I. Nr. 84.
Datum \ I. id. iiiii.. iiidiclioiic \ I. aiitio incarnationis MX.X.WIll. anno
domni riiUDuradi rcgiii XUll, imiterii Xltl; daluin KtMUMKMiti: feliciter amen.
9. llt'iiuicl) IV. git'bt dem Fischöle Theoderich von Veidun drn Besitz des Hofes
Divra im Uurgovve, in der ürafschaft des Gerharil, zu cigi'u. Kaiserswerth,
1057, April 26^
Ineditum.
Dieses bisher gänzlich unl)ekannl(! Diplom ist ein wolerhaltenes, schön
geschriebeus Pergamt'iil. d;is in den äutseren llauiitrdi'iticn diMu am 25. .Mai d(>s-
39) Nur Zeile ('• von iilieii i.sl .-<lall siili iiioiiastprio sim iiioiiastci'io zu lesen.
40) So ist liri Leiliiii/. S. SiMt, Zeile (i von milcii. .stall iii.s i|isiiiii ccck'siae
ins ip.sius ecele.siae zu lesen; ferner S. ;)'.)!. /.eile (1 vi)n olien. ddniinationis slalt donalionis
solbtMi .Iiilufs y.n K'uiscrsworlh iius^^ostollti^i l)i|il(>inc dos jung-en Könit^s für
Kr/l>isrlior Adallti'rt von Mrcmci). di"- (irarsclmCI in den Gauen Hiinnesg-o und
Kivilg'a iM'Irt'tlVnd, iUinlidi isl*'). K'an/.lcr ist Winilhcrius. der von lü56--lUo8
di''ses Amt versah; er i-ekdu-nos/ieri vice i^iulpolds, Erzbischols von Mainz,
(Kr/kan/ler l();i() loä'.)). Kl was (llter den Schreiber zu ermitteln, ist mir bisher
nicht irehinp'M. da die aus demselben .lahre stammenden Diplom»,' im nii<^inaie
nicht erhalten sind, i'as Siciiid ist abgerissen.
Ci. y in nomine sunclae el indiniduae Iriiiilatis. Heinricus diuina Ikuente
dementia rex. y Si loca (Muinis cullibns mancjpala more aniecessorum nostrorum
reii-um et imiteratorum ditare et sublinuire sludeamus diuinani retribulionem
nobis inde semper praesentem spcramus. Ono circa omnium Christi nostrlque
tidelium lam lulurorum i|u;un praesenliniii iioucrit industria qualiter Tbeo-
(lerieus Virdunensis episcopus sue prouectum desiderans ecclesiae nostram pro
({uodam praedio inlerpellauit maiestatem. (luius laudandae | petitioni libenti
animo act|uiescentes ob amorem dei sanetaeque suae g-enitricis et pro reniedio
palris m)stri Heinriei beate memorie imperatoris augusti et ob interuentum
dileclae malris nostrae ! Agnelis imiteratricis aug-ustae, niemores etiam lldelis
et fre(|uentis sui seruicii in ([uo patri nostro bene coraplacuit eandem quam
ilesiderauit curtim nomine Divram in i»!igo Rurg-ovve | in cömitatu Gerhardi qui
dicilur Stegvla ad usum ecclesiae praenominate in proprium tradidimus et
condonauimus inui manso excepto et duobus seruientibus et his bonis que
antecessores nostri A(iuisgrani tradiderunt | ad ecclesiara ad usum f'ratruni, idem
ecelesia (juc et in eadem uilla Divra cum omni utilitate que ad eam ecclesiastico
iure pertinet et nona omnium reruni parte que ad dominicalem aream pertinent.
Cetera autem omnia cum omnibus | pertiuentiis id est cum mancipiis utrius-
(jue sexus, areis, ediüciis, terris, cultis et incultis, agris, pratis, pascuis, campis,
siluis, aquis aquarumque decursibus, molis, molendinis, piscationibus, exitibus et
reditibus, uiis et inniis. ([uesitis et | inquirendis et cum omni iure ac utilitate
(|U(,' ullomodo poterit inde prouenire ad usum praedicte Virdvnensis ecclesiae
in proprium concessimus et confirmauimus ea uidelicet ratione ut praedictus
episcojtus suecessores([ue ] illius de supradiclo jiraedio libcram deinceps potes-
latem babeant tenendi dandi commutandi vel quicquid illis placuerit inde
faciendi. Kt ut hec nostra regalis traditio stabilis et inconuulsa 1 omni perma-
neat euo hane cartain inde conscriptam manu propria ut inCra uidetur corro-
borantes sigilli nostri impressione iussimus insig-niri.
Signum domni Heinrici quarti reg'is.
Ouinitherius cancellarius uice Liutbaldi archicancellarii et archiepiscopi
recog:noui.
Data VI. kal. .Mai anno dominice incarnationis ML Vit indictione X anno
autem domni Heinrici quarti reg-is ordinationis tercio regiii primo actum Werede
in dei nomine feliciter amen.
Nürnberg:. Dr. M. Bendiner.
41 J SliMii|ir Nr. 2Ö40. Al)g(Htruckl l)ei Lüiiig, Reidisarchiv XVI h, S.S.
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10 —
Das (irabiiial des Apothekers Mkolaiis llol'mair in der St. }Iorizkirclic
zu Augsbur«^.
(Hiezu Tafd I.)
US Grabdenkmal, Relief in Marmor, von dem hier eine Abbildung- geg-eben
ist, befindet sieh in der St. Morizkirche zu Aug-sburg- gleich links von
ä] dem östlichen Eingänge; das germanische Museum verdankt den Ge-
meindebehörden Augsburgs einen Gypsabguf's desselben, der eine Zierde seiner
Sammlung von Grabdenkmalen bildet. Das Grabmal ist unzweifelhaft von be-
deutendem künstlerischen, sowol wie auch kunst- und kulturgeschichtlichem
Werte und hat auch schon verschiedentlich die Aufmerksamkeit von Kunst-
kennern und Kunstforschern auf sich gezogen ; namentlich hat v. Hefner-
Alteneck in seinem Trachtenwerke bereits eine Veröffentlichung desselben ge-
bracht. Der Name des Meisters ist leider nicht überliefert. — Indes ist das
Werk, abgesehen von dem Kunstwerte, auch sachlich von Interesse, so dafs
ein paar weitere Erläuterungen vielleicht manchem willkommen sein dürften ^).
Über die Persönlichkeit, die hier in der Tracht eines vornehmen Mannes
aus dem Beginne des 14. Jahrhunderts dargestellt ist, gibt zunächst die rings
um die Marmorplatte laufende Inschrift einige Auskunft:
Anno . d¥i . M . CüCG . XXYlI. jar . an :
sant . Johans . apposlel . achtent . starb . Claus . hofmair
. den . man . nent . appoteker . anno . dm
M . CGGC . XY . jar . an . d . kidlach . achtet starb . sin . wirtin bra
d. h. also: Anno domini im 1427. Jahr an der Oktave von St. Johannes dem
Apostel (= 3. Januar) starb Ghius Hofmair, den man nennt Apotheker, und anno
domini im 14iö. Jahr an der Oktave des Unschuldige-Kindlein-Tages starb seine
Ehewirtin Barbara.
Wer aber war dieser Claus oder Nikolaus Hofmair, genannt Apotheker?
Unterziehen wir zuvörderst die auf dem Monumente belimllichen Wtippen einer
kurzen Betrachtung. Die vier kleineren Wappen an den Ecken des bteiues sind
natürlich die Wappen verschwägerter Familien: links oben, immer vom Be-
schauer gerechnet, das Wappen der Yögelin (weifser Adler iui schwarzen Fehle)
oder, was weniger wahrscheinlich, das der Konzelmann (schwarzer Adler im
weifsen Felde), links unten das der Ilsung, alles alte Augsburger Patrizier-
geschlechter-). Das Wappen rechts oben ist mir unbekannl. Der schreitende
Vogel in dem Wappen recbis unten stellt einen Pfau vor; einen schreitenilen
1) ÜbiT ilit' 'rriiclil v;;l. v. II crii (• i'-A 1 I !• II (M'k , Triiclilcii. Kimslwci'kc u. Goräfscliafloii
vom tViilicii .Millrhillci- bis Kiuh' di's LS. JiilirliiiiHlcrl.s ; ± Aull. ( Frank furl , ISS.i) IV. S. I;!
iiiiil Tal'. 243. Wäiicrc Aiisriiliriiii!^- iiml !>i';;'i'iin(liiM^;- iIcs I''(i1;,m'iicIi'u in einer liiii;:ereii .\li-
liamliiiiiii;: mIop Apotliekcr Mkolaiis liuriiiair, die Aiiy:sliiir;,n'i' ApnllK'ki'r im I 'l. .lalirliimiier!
und .Matiisler Ulrich llurmair. l'ndniiolar Kaiser [jiidwi^rs ili's liayerii" in der Zeitsciii-. de.s
iiislor. Ycriiiiis für Scliwaiieii und Neulniri:: .lalir;?. XVI.
2) V}?1. l'aiil V. Stellen. (Icscliichle der adeligen Gcschlechlor in Augshurg 17G2,
S. 82, II.-!. 107.
n; —
Plaii alM'i- miirlt' die Ulmer Palrizicrriiiiiilio von HuH"'), von der, wie es scheint,
inclirero .Mitijliedfi- im W. Julirliiiridert«' zu Aug-sburg: ansülsig- waren. Das grofse
\Vai.|»(Mi links V(Hi der dari^vslelllen Fiii'ur, aul" welches diese (he Fing-er der
re<-lilen Hand leiil . isl das gewöhnliche Wappen des Aug'sburg:er Palrizier-
p's<-hlechtes Hotmail-, wie es Paul v. Stetten in seiner »Geschichte der adelichen
(Jeschlechh'r in Angshing'" Tai'. \', n. iO. ahhildet und welches Nikolaus Hof'niair
urkniiillirh nachweisbar im Sieg-el liiliile •»).
Was aber hal nun geg-enüher, rechls von der Fig-ur, das eig-entümliche
Wappen mit dem halben Adler und der mehrmals sich wiederholenden Hof-
mairschen Lilie zu Itedeuten? Ein g'anz ähnliches Wappen ward im späteren
Mittelalter Karl dem (Jrolsen zug-eschrieben. Bei dem bekannten, spätestens
(li'iii Beu-inne des 14. Jahrhunderts entstammenden Brustbilde dieses Kaisers
itii .\achener Domschatze ist das Gewand mit Reichsadlern übersät; das Posta-
ment aber zeigt die französische Lilie, die tleur de lys, welche sich von der
Holmairsrhen hauptsächlich dadurch unterscheidet, dafs sie nach unten mit
cinn- leichten Verschiedenheit in verjüng-tem Formate noch einmal wiederkehrt,
in zahlreichen Wiederholungen, wobei, wie auf unserem Steine und auch in
dem alten französischen KiUiigswappen, das Muster am Rande des Feldes jedes-
mal abgeschnitten ist.
AVie kommt nun dieses seltsame Wappen auf unseren Grabstein? Die Lilie
deutet ofienbar auf einen nahen Zusammenhang- mit dem Geschlechte der Hof-
mair: doch wird jedermann zunächst an ein Allianzwappen denken: das Wappen
unter der rechten Hand des Claus Hofmair ist sein eigenes, das g-egenüber-
stehende wäre demnach das seiner Frau, bezw. des Vaters derselben. Für den
(hing- der Untersuchung- ist es unbequem, daCs zwar der Taufname der Frau,
Barbara, nie indes deren Familienname genannt wird; dafür aber finden wir
das g-esuchte Wappen auf dem Siegel einer Urkunde von J343, Sampztag nach
sant Barthelmenstag = 30. August: Meister Ulrich der Hofmair, drei Welser
und noch zwei andere Patrizier verkaufen einen Garten vor dem Gögginger
Thore, den sie von Frau Walpurgen, der alten Welserin sei., ererbt^). Das erste
von den, ursprünglich sechs, anhängenden Siegeln — vorhanden sind nur noch
drei - - das des Meisters Ulrich Hofmair, welches bis auf die Umschrift: »[S.]
M[a]gislri Ulrici [dicti H]ofma[ir]« wol erhalten ist, zeigt mit ein paar ganz
ä) Gütige AlitU'ilung von Herrn Prof. Dr. Vecsenmeyer in Ulm. Ein Heinricli
l'liiiwcnh-itl. ()i'r in einer Urliunde vom 14. kal. Julii 1302 (Monuni. Boic. XXXIII. 1, S. .S0r3j
at.s Verwandter oder Freund der ältesten Augsburger Apotlieker erscheint, halte, gütiger
Mitteilung von Herrn Keichsarchivrat K. Primbs zufolge, gleichfalls einen schreitenden Pfau
im Siegel und war vielleicht ein Mitglied jenes Ulraer Geschlechts.
4) Z. B. an einer Urkunde von 1401 »Donrstag vor sant Vitstag« , im Augsburger
Stadtarchive. Aussteller sind INikolaus der Apotheker und seine Frau Barbara. Bei dem an-
härifjendcn, ziemlich wolerhaltencn Siegel fehlen nur in der Umschrift: [»S. Xi]colai dcti
Hofmair« ein paar Buchstaben. Ein leichter Unterschied im Bilde — auf dem Siegel läuft
nämlich das mittlere Blatt der Lilie spitz zu, während es auf dem Steine mit einem Knopf
endet — ist ganz unwesentlich.
H) Im Augsburger Stadtarchive, vgl. Urkundenbuch der Stadt Aug.sburg, herausgegeben
von Dr. Cliri.stian Mevcr 1884. I. n. 400.
— 17 —
unwesentlichen Abweichung-en *) unser AYappen. wie es auf dem Steine zu sehen
jst — siehe die untenstehende Abbihhuisr. In einer Urkunde von i;^;^l g-eschieht
der Frau des Mag-ister Uh'ieh Hofniair gelegentliche Erwähnung- "j ; und da Claus
Hofmail', der Apotheker, in den Augsburg:er Steuerreg-istern schon von 1362 an
aufaetiihrt wird, in diesem Jahre also bereits ein erwachsener Mensch g-ewesen
sein mufs, so hätte die Annahme, Meister Ulrich Hofmair sei sein Schwieg-ervater
gewesen, soweit keine Schwierig-keit. Hiermit stehen wir jedoch alsbald vor
ein paar neuen Fragen : Wer war denn nun jener Meister oder ^lag-ister Ulrich
Hofniair? und aufweiche Weise mag- er zu dem Wappen gekommen sein?
In Urkunden und Chroniken kommt von l.lr{ 1 — 18415 als Sekretär iiiid
Protonotar oder oberster Schreiber von Ludwig- dem Bayer sehr häutig- vor ein
Magister Ulricus de Augusta oder Meister Ulrich von Augsburg,
ein paarmal auch Meister Ulrich der Hofmair von Augsburg genannt,
der als ausgezeichneter Dekretist gerühmt wird und während des erwähnten
Zeilraumes zu ili'ii IhMvon-agviidslcn Staatsmännern dieses Kaisers gehörle:
iiaiiifnllifji wiirdi' rr ("iIIits in (iesandtschafleii an d<Mi Papsl in A\igMon und
an den KTmig \'on Kraidvrcich xciwcndcl ""l. Kr s(dl auch, nadi glauliharicr
Angabe, rjnc /i'il lang an drr IniNcrsitäl \(in Paris als Lehrer gcwirkl unil
(lif NVürdr eines Proknrators der englischen Nation luddeidet haben ").
('Ihm- sein Wappen freilich wissen wir nichts. Allein hei (dnem kaiser-
lichen Proloiiolar liätle. die N'cnnehrung des KamilitMiwa|i|»ens mit dem hallicn
T) ) Das .Milli'llihill der IJlic liiiiH auf ilciii Sio^jcl s|iil/ /ii. wälircnii rs aiiT dem Steine
l^iiepl'ui'ti},' ali.sclilielst. jiei'adc wie wir- das aiicli itei dem Wappen des ('laus liid'maii- jreselieii
liaiioii: soilaiin uiederliell sicli die latie auf dein Sleiiie iiat-ii iiiileii. älinlirii wie liei der
tieur de Ivs: und aiirsiM-ileni ist das \V\\t\ auf detn Sie'n't <it'ler wiederliotl als an!" dorn Steine.
7| N'"!. .\il;^sli. t ikiindeiili. I. ii. .11:
und ejid niat;islei- l'lricns ilet'inaitii'r (am
Si'liliil'se der I rkiinde - 1 Idliiiaiei'" jjesclifi'dn'ii I . . . roiisensii d \ olii ii lal i' dcniiiiie iixeris ttiee. . .
Si S. n. liie/.lei' liat in einer scliarl'sinnitreii i%leinen Aldiandliiny : ■ivaiser laidwi;;' def
liaier. Meistei' l liicli der Wilde and Meisler l Iricli dei' llidiriaier" die l'ersönliclikeil dii'ses
.Mannes au.s allerhand satrenlialleii und MTWoi-rcnen riierliereriiny:(Mi l\lar und sicher hei-ans-
tieliisl, vy;l. deidsche l"(ii-si'linii;;eii ,\l\', S. I 17.
9| Mie/Ii'r. dculsche Fnrschuny:en \\\ . S. 10.
Mitteiliiiigeii ans dein gerinaii. Natioiialiiiiiseiiiii. ISUO.
111.
- IS -
Aill.T am Kriilo nichts Aiinällifi:o.s ; und von einem Manne, der Frankreich
kunnli'. il'T :iMi IVanzösisiduMi lioCf Monato hing- Aufenthalt g-enoinmen, beg'reift
fs sich, wif VI- (la/Ai koniincii konnte, auf seinem Siegel das Wappenbild seines
(i('schl.M-hi«'s in diTselhen Weise, wie er das bei der ähnlichen lleur de lys jeden-
lalls (ilt grnui:' (Jeleg-enheit g-ehaJil halle /,ii sehen, niusterartig- zu ordnen,
irhMi'hviel ol» it es aus eig-ener MachtvoUkonmienheit Ihat oder dazu autorisiert
war. Cbrign-ns deutet auch schon die in Aug'sburg- g-an/ ungewrihnliche äufsere
Form des Sieg-els auf nichteinheimische Kinllüsse. Das Wappenhild steht niun-
lich in einem runden, mit sternartigvr Fnirahmung- geziertem Felde. Fnter
hiinderlen von Sieg-eln Aug-sbui-gcr Jiürger aus dem 14. Jahrhunderte, die in
dem Stadtarchive noch vorhanden sind, findet sich nichts Ähnliches^").
Dals also der Meister Ulrich der Hofmair Jener ürkunrle von [Mo und
dt-r kaiserliche Protonotar g-leichen Namens und Titels eine und dieselbe Person
sei. tlCirne. wiewol die Urkunde selbst darüber ni<hls sag-t, als feststehend zu
helraehien sein.
Der kaiserliche Protoiuitor Meister Ulrich llofmair soll nun al>er g-eisl-
liclit'ii Shindes g-ewesen sein, wofür in der That einige Umstände zu sprechen
scheinen; er hätte demnaeh keine Tochter haben können, wonig-stens keine leg'i-
time Tochter, die das Wappen des Vaters führen durfte. Zwar vrird in einer
Urkunde von 1331, wie wir oben g-esehen haben, der Frau eines »Mag-ister
Ulricus dictus Hofmair« Erwähnung- g-ethan. allein das hillt uns nicht weiter.
denn es isl kaum zu bezweifeln, dals es um jene Zeit in Aug-sburg; thatsächlich
zwei verschiedene Personen gab, welche beide Meister oder Magister Ulrich der
Hofmair g-enannt wurden. Gleichwol läfst sich bezüglich des Protonotars
Meister Ulrich Hofmair, wie ich glaube, mit ziemlicher Sicherheit der Beweis
erbringen, tial's er ein verheirateter Mann war und Kinder hatte. Ich will an
dieser Stelle nur die Hauptpunkte der sehr umständlichen Beweisführung kurz
hervorheben und verweise für alles Nähere auf die bereits erwähnte umfäng-
lichere Abhandlung in dem 1(5. Jahrgange der Zeitschrift des historischen Vereins
für Schwaben und Neuburg.
Zunächst also zeigt sich, dafs bei dem zweit:en Meister Ulrich Flofmair das
Wort Hofmair nicht Familiennamen ist, sondern Bezeichnung des Amtes.
Der -Maim war Hofmeier des Bischofs, d. i. Oberverwalter der beträchtlichen.
lOj Man (liirf wol auiiclniieii. dafs Moi.stor t liicli den Siogcl.stock vciii ciiiiMii Aags-
liuPKer Mcisfcr antci-tigen licfs, iiiclil von ciiieiii t'ranzö.sischon. Sollte er vicllciclit iioili an-
dere AnrcfjUMfren in die Heimat gidiraclit lialjen ? t*'r\viilint sei liier hücIi. dafs mehrere
angesehene Augshur}i;er Goldschmiede des 14. Jalirluiuderts ziu' llofmairsclicn Vervvandtscliat't
Kohorten. Die älteren von ihnen, Hans und Konrad Riedrer. lebten um die Mitte des Jalir-
lumderts und jedenfalls nmli mit Meister ülricii Hofmair. der i.S4G starb, zusammen. Die
Thätijjkeit der beiden anderen, des Heinrich Vögelin und des Hans Hofmair, fällt etwas
später, in das Ende des 1 i. und den Begiini des 15. Jahrliuiiderts. Hans Ilofnuiir bekleidete
bis 1420 das hocliansehnlicbe Amt eiin-s Münzmeisters in Augsburg. Auch er führte ein
Siegel von ungewdhidicher P^orm, vgl. z. B. Urkunde von 1410 »S. Ambrosiitag dcz heil,
lererst (im Stadtarchivej. In einem ovalen, aber andcn Langseiten etwas ausgebauchten Felde
sieht, schief gerichtet, das Schild mit der Hofmairschen Lilie. L'ber der nach obenstehendeu
Kcke desselben erhehl sich dei- Helm mit Flügeln und Itelm/.ier.
19
im Stadlg-ebiete lieg-enden bischöflichen Okonoiniegüter ^') ; und es liegi nicht
ilei" leisi^ste Grund vor, in ihm einen Verwandten des Hofmairschen Geschlechtes
zu erlilicken. Im Gegenteile, sein Sieg-el, weiches an einer L'rkunde von 1339.
»donerslag- vor s. Jacobstag-« = 22. Juli,
häng'l
zeigt einen einfachen sechs-
slrahligen Stern mit der Umschrift: «S. Mag-istri ülrici Hofmair de Aug'usta^f,
siehe die untenstehende Abbildung'*'^), also iiidit den entferntesten Anklang an
das Hofmairsche Familienwappen. Wir wissen ferner aus einer Angabe des Chro-
nisten Heinrich von Rebdorf, dafs der Protonotar Meister Ulrich Hofmair 1346
starb ^^) und in dem Augsburger Steuerregister von eben diesem Jahre finden wir
unter der Rubrik »Uf dem Graben« : Item relicta nuigistri Ulrich Hofmair Herborl
liliaster suus; also die Witwe von ]\lagister Ulrich Hofmair und sein Schwieger-
sohn Herbort, d. i. Herwart. Späterhin wird in den Steuerregistern sowol wie in
Urkunden und anderen Dokumenten auch noch ein Sohn aufgefülirt . welcher
»Uhicus Hofmair dictus Richter«^ genannt wird'*). Hofmair ist demnach hier
zweifellos Familienname, und Ulrich Hofmair genannt Richter kann unmöglich
der Sohn eines bischöflichen Hofmeiers sein, der nicht zur Familie Hofnutir
gehörte. Als \'aler bleild also nur iler Prolonotar übrig. Der Meisler L'li'ich
der Hofmair Jener Urkunde von 1343, weh-her seines eigentümlichen Siegels
halber kein anderer gewesen sein kann, als der Protonotar des Kaisers, mufs
ferner in nahen Beziehungen zu einigen Mitgliedern des AVelserschen Ge-
schlechtes gestanden haben, da er gemeinschaftlich iiiil iliesen von deren .Müller.
Walpurg der \Yelserin, etwas erbte: dieselben nahen Beziehungen aber erkennen
wir nachher bei Ulrich Hofmair genannt Richter und seiner Mutter, der in dem
Steuerregister von 134(5 angeführten Witwe von Magister Ulrich Hofnuiir.
Meister Ulrich der Hofmuir, Kaiser Ludwigs oberster Schreiber kaulte 1344 eiiu'n
Zt'hnl in Nordendorf '•■^). und späterhin IrelTen wir Ulrich den Hofnuiir, Bürger
von .Vugsburg. der kein anderer gewesen sein kann als Ulrich Hofnuiir genannl
Richter, denn in den Steuerregistern des ganzen Zeitraumes kommt kein anderer
vor, im Besitze eines Zehenl in Xordcndorf *")•
11) Vpl. fiiK' iMscIiüfliiiu' Lrkiiiulc viuii iS. Fclii'iiar l.'J.")7, wo es lioilsl . . . maislor
l Iricli unser lluriniiii- . . . Aiitijsi). Urkiimli'iili. I. ii. .iii'l.
12) Nach oiiu'i" vnii I*. v. Slcllcn im^orortiji^li'ii. in iln- /ucitcii NiiiIiIi'm- /.ii lirr so^-.
llor\Viirlscti<'ii UrkiiiKloii.saiimiiiiii;;- loiii. I, ji. I'i7, licrnKlIirlirii Zoieliiuiiiji. Das Original silirinl
vericfil zu sein, ist jcijcnfails iiiclil zu linden, vjjl. .Viij^^sl». l'rkiinilenii. I, n. oD.'J.
l."5j Ji ü ii III e r. i'oiiii'S liernin (lernianicanmi IN'. '.'>1S.
14) Ya\. ■/.. h. I). I' rasch. Kpilapliia Aiijjnslana IC:*'!. 11, S.
• 15) Muniini. linic. .WXiil. II. p. Inf,.
ir>'i .Miiniiin. r.iiic. .\.\\'l\. I. |i. (■>(;.
_'ll —
Mai:- aiifli. liii' >i(.-li allein ^ciuiimiit'ii , in jedem diesef .Moiiirnlc ikmIi lin
Wo! soll l'nsielieilicil, slecken : in üinT (ifsanilln'il liildm sie eine feste Posilion.
die si-h\vt'r zu durrhlircrlicn sein diiillr.
Dec kaiserlii-lh' l'rnlnnohir .Mafi'ishT L.lrirji linlniuii' wäri' alsD idenlisch
ndl dem im SI('U('rn'<:«islor von I.J'K) noiiei-len Mag'isici' l'iiich Holniair, von dem
eim' Witwt'. ein Schwieg-ersolin und ein Sohn erwidml werden: und es slünde
somit ijer Annaliine. ciiu' Toehler \on ihm sei iiiil unserem Claus Hol'mair, g'e-
nannl A|>ollu'ker. vei'iieiralet gewesen, ni(dds mehi- im Weg-e. Jedenfalls die
einfachste und nalütliehsle Ki'kläi'ung' Inr die Heikuiill seines WaifjuMis auf
dem liiahmal.
\\ '\v sind hiermit wieder hei der auf dem liraljuiaie dargeslellLen Person
angelangl. Wer war (daus Hol'mair ? und weshalh nannle man ihn Apotheker"?
Wie wir gesehen, war er mit den \-oinehmslen H'umilien der Stadt verschwägert
und entstamnde selbst einem angesehenen l'alriziergeschlechte. Hans Hofmair
lieherltergte 1418 in seinem Hause am Kindermarkt, jetzt B. ^68, den Kaiser
Sigmund ''). und Sigmund Hofmair erwarb sich den Dank seiner Mitbürger,
indem er bei der (ietreideteuerung von 1488 grol'se Massen von Korn teils zu
billigem Pi-eise verkaufte, teils unter die Annen verteilte '"). Unseren Claus
Ib'fmair aiier nannte man Apothekei*, weil er eben iliatsächlich Apotheker war,
was immer damals unter einem Apotheker verstanden wurde; dies erhellt schon
zur Ceuüge aus der Art und Weise, wie er in Urkunden gelegentlich benannt
wird. z. H. »Nicolaus der Hofmair ze den zelten appotecker ze Auspurch« und
ähnliches ^"j.
In den Steuerregistern steht sein Name, wie gesagt, zuerst 186ä. Von
18(34 an tindet er sich sodann regelmäl'sig bis zuletzt 14f(3 unter der Rubrik
"Von des Riusers hus« (von 1880 an «An der Pfattengass«) genannt. Danach
ninls sein Haus, die Apotheke, unfern der St. Morizkirche irgendwo auf
dem Grunde und ßoden gestanden haben, den jetzt die Marienapotheke und
der Ciasthof zur goldenen Traube einnehmen. Es war, wie gleichfalls aus den
Sleuerregistern ersichtlich wird, jedenfalls bis in das zweite Dezennium des
l.'i. Jahrhunderts, möglicherweise sogar noch etwas später, die einzige Apotheke
in Augsburg. Vor Claus Hofmair safs ebenda sein Vater ^-her Fridrich der
Hofmair appotecker ze zVuspurch« wie er in Urkunden mitunter genannt wird^").
Vor diesem werden noch zwei, genau genommen drei Augsburger Apotheker
aulgeführt, ^-her Liutfrid der appentecker«, auch «her Liutfrid in der apotektf
genannt, zuerst 1283'-'), sein Sohn «Liutfridus juvenis appotecharius,« nur ein-
mal, im Jahre 18U2, erwähnt-) uml «her Johans der appotecker« seit 1802 ^3).
Die Apotheker Johans und Liutfried zählten zweifellos zu den Geschlechtern,
denn sie kommen, ebenso wie Friedrich Hofmair, öfters in Urkunden als Zeugen
1
17) Chruiiik tli's BurkartI Zink in deulsclic Slätllechroiiikrn V, S. 148.
18j Dfulsche Stäfltcchronikcn V, S. 162.
lÜJ 10. Mai lSy-2, v},4. AuiTsb. Urkunden]». II. ii. 773.
'20) Z. B. Urkunde vom 4. Februar 1332, im Stadlarihivc.
±1} AuKsb. Urkundenli. I. ii. 79.
±2) Mon. Boic. XXXIK. ], p. SüS.
iS) Mon. Buir. XXXIII. I. p. 308.
- il —
voi- 1111(1 slfiKMi dann i-eii'elniäfsig" unter den Putriziern : hänlig' uiid ihren Xaincn
(iiich das Prädikat »her« vorg'eset/J und Johans bekleidete sogar einnial, 1318—10.
die hiM'hste Würde in der Stadt, das nur Patriziern zuii'ängliehe Stadt ptleg-er-
aiut. Ihr . Familienname indi's liill nirg-ends zu Tag-e. wie das ja auch bei
Friedrich unil Nikolaus Hol'mair nur j^auz ausnahmsweise £i-eschieht — g'ewöhn-
licb heilst es j'Fridrich« und »(-laus« oder »Nicolaus appoteker.« LiuH'rid sowol
wie .lolians g'ehörten Ncrmullicli ebenfalls dem Hofmaii'schen Geschlecbte an,
und es dürfte dann W(d auch ihre Apotheke in dem nämlichen Hause g-eweseu
sein, wie später.
Über Art und Hcschatfenheit des Augsburg'er Apolhekei-g-eweibes in den
alleren Zeiten sind iiiii' sehr wenige deutliche Naclu'ichten überliefert. Indes
darf man annehiiu-n. dal's sich die Knt Wickelung- hier in ähnlicher Weise voll-
zogen habe, wie in anderen Städten. Ursprünglich verstand num unter apotheca
eine Bude, einen baden, worin alles mrigdiche verkauft werden konnte, doch
scheint das Worl allmählich mil \'orliebe in Bezug' auf stddie Läden gi'braiicht
worden zu sein, in denen Gewürze, Spezereien, Sämereien und ähnliche l)ing-e
zu hallen waren. Erst seit dein 18. Jahrhunderte beg-annen sich die Apotheker
von den übrigen Gewürz- und Spezeieikrämern zu scheiden, indem sie sich
vorzug'sweise. keinesweg-s aber ausschlielslich. auf Bereu ung- und Verkauf von
Arzneien und Heilmilleln verlegten -*). Daneben Jedoch wurden in Apotheken
noch sehr lange vielerlei andere Dirig-e hi Verschleifs g-egeben, wie Gewürze,
Federn, feinere Efswaren, Konfekt, Warbs u. s. w. -'') Für eine Stadt war es
beg-reiflicherweise von gTofsem Interesse, eine derartige Heilbude in ihren
^lauern zu besitzen, man g-ewährle daher dem Unternehmer oder Errichter einer
solchen gerne allerhand Vorrechte, wie elwa Steuer- und Wachtfreiheit und
sonstige Vergünstigungen-'*) und hieraus erwuchs dem Apolheker. umsoimdir
da sein Beruf gewisse, den meisten unverständliche Kejuiinisse erforderte, leicht,
im Verglei(die zu andern Ki-ämei n und Kleinverkäufern, eine sehr bevorzugte
Stellung.
Schon die ältesten bekannten Augsburger Apotheker heben .-ich deutlich
i'rkeiinbar aus dei" Heilie ilcc ( iewiir/häiidler liei-\iir: *\{'un sie wan'ii Palrizier
und es gab nur eine A[»otlu'ke in der Stadt. Liutfrid,' der älteste von ihnen,
führte in seinem Siegel einen Mörser mit darin stehendem Stötsel'-'l. woraus er-
laubt ist, den Schluts zu ziehen, dat's diese beiden Insirumente schon damals
eine bedeutende Rolle in der Apothekerkunst ges|tielt haben. Aus den ältesten
vorhandenen Stadtrefdmungen (von 1320 — 31) ersehen wir. dat's die Stadt ge-
legentlich hei .Idliaiis dein .\pollieker kleinere Quantitäten italienisidien Weines
und bei Kiicihich Hofmair Gewürz und Konl'ekl kaiitte. tünmal aindi verkaiilte
man an ihn liüchsiMi und andere Sachen für die .\iMilheke. wuiaus hei\(»r/ii-
±'l-) Vul. .1. <;. C CM n I rr-, ilfulsclie Sljuihiilils-.MliMliiiiicr ISS_>. S. I iii uikI ICO.
'2o) Vn'l. (1. I,. I\ i- i e' {>• Iv , ilrulsclii'.s Bür^'i'iinin im M iUrhillcr. mil In snmlcicr üe/.iij;--
iiidiiiic auf l'raiikriiil a. .M. IS(iS. S. CO IT.
■H',) Vn|. Cmi -Icr. a. a. 0.
il) (liiii^r .\hlli'iliiiiLr vuii llcnii iSciciisaniiivial i\. I' r i in ji.s. Das Sii';;rl liiiii;;! an
L'iiior. .Meli. I'.nii-. .\.\.\lll. I. |). ,1().S. alijiftli'iicklcii l'rkiiinli' mihi IS. ,|imi I.SOi. .Mörser inid
Slörsc'l waii'ii Will ilas liaiHirl.s/.ciclHMi ilc^ .\ [ii>l lictici'.s, sriiw eiljch alnT .sein l'"aiiiiliein\ a|i|n'ii.
-)■)
irt-hfii sclii'iiil. ihilV ilir Ki'li.'iidt'ii iiii ilri- rjrhl io-,.|i Aiisslallun^^ und Einrichtung:
ilt'i' .\|inllii'kc t'ini'ii g'cwissfii Aiilril iiiiiimcn. l-iisl suis (Im Zeilen unseres Nikolauy
ll(»rnniir ahcr. und /war aus dem .laluc IM'I. Iial --icji ein lukundiiches Zeuiznis
ilafür i-rhalltMi. dal's dt'i- A|i(il hckfi- nach der Ndiscluin des Ar/tes HeiinuUcl
/.u hcrciicn pllcii-lc '-''). (MTcnl)ar Jedoch isl. hier nichl V(Mi einer Neuerunii' (he
Wi'dc, sondern von einer Sache, ihe läni^'st in Übuny war; und es haben
w(d auch (he h'iiheren A|Milliekcr nach iUn\ UezepLen der Arzle Arzneien her-
freslelll.
\'(in Nikolaus lloTinair wissen wir aulsenleni aus den Sladirechnung-en,
(hils er idlers (iiisle derSladI ])eherberi>'le und verkfÄslig-le: er führle also augen-
scheinhch neben der A|M)lheke eine (jlaslwirlschari. wie das violh'ichl seine Vor-
iriiniier gleichfalls sclnui gdhan iiaben niTig-en. J)as Anwesen, wehdies die A)io-
Iheker zu Jenen Zeilen inne hallen, war wol schon im 14. Jalirhunderl eine
(ilTenilii'lic llei-bergv, Jedenfalls wini es im Ki. -lahiliunderl »g'eineiner ShuH
lierberg'" grenannt und I(il8 von der (ieineinile an einen Wirl verkauft.
Seildeni i^l es iinler dem Xamcii Zur (Joldenen Tiauhe slels ein Gasthof ge-
blieben.
Zufoige ikn Sladlrechnung-en von 14Uö, liUü, 14U7 bezog- der Aiiolhoker
damals, eiienso wie (he beiden Ärzte, einen Jjohn von vierteljährlich fünf Gulden.
Im Jahre 1417 stellte der Rat nnt einem Jahressolde von 3011. rheinisch einen
neuen Apotheker an, welcher Meister Peter oder Petrus genannt wird'-"). Dabei
wurde eine gewisse Beaufsichtigung- der Apotheke von Seiten des Arztes vor-
gesehen, was iniles wol längst herkömmlich war.
Es isl ungewifs, ob Meister Petrus eine zweite Apotheke in Augsburg be-
gründete, oder nur die J)ereits bestehende des Claus Hofmair üjiernahm. ]n
lelztereni Falle hätte sich dieser, der ja bereits ein hohes Alter erreicht, da-
nnils zur Ruhe gesetzt. Allerdings niül'ste dann auch sein Sohn gleichen Na-
mens, »Claus der jüngere Hofmair, den man nennet appenteker« , wie er in Ur-
kunden heifst^"), wenn überhaupt derselbe wirklich Apotheker war, gleichfalls
das Geschäft aufgegeben haben. Jedenfalls aber fand im Laufe der nächsten
Jahrzehnte eine Vermehrung der Apotheken in Augsburg slatl, und es scheint
fast, als ob im Zusammenhange damit eine Minderung der sozialen Stellung der
Apotheker eingetreten sei. Apotheker, die Patrizier waren, hat es späterhin in
Augsburg nicht mehr gegeben.
A u g s b u r g.
Adolf 13 uff.
"2H) In (iciii Uieiistvertrag'c der Stadt Augsbiiry; iiiil iIimii .Viv.le Mcislri- lli'iiiiicli vdii
Diilidjicn, (1. (t. ±1. .März 136:2, fieifst es unter anderen: . . . l5c(l('nlTI iuuli i\cy siecli . . . irc-
li'ancki'.s. duz .s(jl er (der Arzt nämlich) hu auch hesorgeu gen dem aijpoteckei- iiini tiaizzen
macheji so er nclist mag ann gcverde . . ., Augsh. Urkuudeidj. il. S. 110.
29) Kleines Hatsprotokoll 1417, d. 4. Mai.
30j Z. B. Urkunde vom 2'6. Juni 14Ü7, im Öladlarcliive.
— r^ -
Znci Buntpapiere Im i^eriiiaiiisclicii Natioiialmiiseuiii.
|n unserem Artikel über alte Buntpapiere in den Samnilung-en des g-er-
manisehen Museums im I. Bande, S. 1:21 ff., dieser Mitteilungen, haben
wir auf S. 185 bemerkt, dafs wir die hervorrag-endsten Typen der g-old-
g-eprefsten Buntpapiere veröffentlicht hätten. AVir haben uns damals eines
Versehens schuldig g-emacht, das wir durch diese Zeilen wieder g-ut machen
wollen. Es ist nämlich derjenigen Papiere nicht gedacht worden, welche den
Charakter der Stoffmuster des 18. Jahrhunderts tragen und, wie diese, einzelne,
unregelmäfsig aufgestreute, teilweise völlig naturalistisch durchgebildete Blatt-
und Blumenzweige auch Früchte zeigen. Im 17. Jahrhunderte tindet sich diese
Übereiustimnumg der Musterung der Papiere mit jener der gewebten Stoffe
nicht: sie ist daher als ein(> Kig((iiliindichkeit des 18. Jahriuinderls zu be-
lra(diten. Das erste di-r bii'i- abgt'bildelen Muster ist rjn Ireinicbes BiMspiei
der (jieschmacksrir'hlung tl^'s IS. Jalirliuiidcrls. Der HolzM'hnill gibi den ganzen
Bogen in ' .i der OriginalgriWse wieder. I)ie gauzr Fläche ist durch willkür-
lich, ohne j(>de Symmetrie, nidteneimindcr gesetzte, freiliegende, hübsch gt'zeicli-
n<>te Zweige mit Klätlern. Mliiten und l^iiiclilcu bedeckt, die mu- das eine
(jesciz iieobai'lilrii. dii> gauze Fläche des l'apieres gleichmäl'sig auszufiilleii und
nirii'eiids ü'rürsere liücken otfen zu lassen. |)(»cli siinl die Hlüller und Blumen
noch stilisiert : das Musler üehrirl al^d iler i'beru'anii'szci! zu den .Muslern in
üänzlicli nalurali<lisc|ier' Weise au. Ks isl niil <in|i| auf weifses. einen etwas
m —
jjfclhliclion Ton /('ip:!mlt's Paiiici- i'0|»ro(st. so tlal's dassclljc lieiuahe wie KH'eu-
lii'iii iiiil \'i'ri:(tl(liitiii- crscliciiil iiiid einen sehr ang-enelunei) Kindiur-k niaehl.
Der (ii'iiMil. aul' welelieni sich das .Muslei' ahhehl. ist niehl iilall. sondern /eig-t
dichl aneinander ifeceihle einzelne gohlene Punkle, die wie Funzieiinii;- wiiken.
Das Papier lräi»l die Aiirsehiill : »Aucsiiuii»- hey Johann Michael Munk. N. 34« ^).
Verwendel wurde dieses i*a|nei' im -hthn' I7;i8.
\ ie| natnralistiselier isl die Mnslei"U?iii' des zweilen Papieres. welches wir
hier ahliilden. das also später sein solMe, wie das vorbeschriebene, aber doch
sehon im 'lalire 1741) in (lebi.nndi ii'enominen wurde. Es \<\ dies ein neuer
Beweis, dals die alleren Musiei" el)en so lana'e herg-estelll wurden, als die
IMalleii aushiellen. Ja dals diese wol auch, wenn sie abg-enntzl. waren, nach-
iiTschnillen wurden. Das zweite Muster — in ^/s der naliirlichen (jröfse — zeigt
densellaMi (Iharakler wie das erste, nur sind die Jilall-. lilülen- uinl Frucht-
zweig'e in viel kleinerem Jrafssl.abe ausg-eCühi-l. Kinzeliie kleine J.ücken. welche
der Musterzeichner niehl durch uninolivierle Jilällc)- oder IMülen ausfüllen
wollte, hat er in nicht slörender Weise durch eingeselzle .Sternchen erg'änzi.
Tnser Holzschnitt g'ibt zwar die ]\fusleruüg' richlig' wieder, niehl aber die
Karbe des Papieres, denn im Originale erscheinen die P)lalt- und P)lülenranTfen
iii''ld lieh! aul' dunklem (irunde, sondern umgekehrt: schwaiz aul' goldenem
(irunde. Die Fabrik dieses Papieres isl uns niehl bekannt.
Ähnliche g-(ddg'epi-efste Papiere, wie die liier abg-ebildelen. herrscIuMi in der
zweiten Hälfte des J8. Jahrhunderts vor; nur sind dieselben niehl mehr mil der
Sorg-fall ausgeführt, wie ihre Vorg'ängTr. sondern zeig-en immer rohei-e Arbeit.
Auch diese beiden Abbildung'cn verdanken wir Herrn Karl ilofniann.
Herausg-elier der Papierzeitung- zu l^erlin.
Xürnberg'. Hans P.üsch.
\) LIkt die Muiick s. .Mitleilunufcn aus (li'iii ocriii. >'atiimaliiiii-^. t>(l. I S l->7
Verzeichnis der ȟrzhiirger ^laler. Bildhauer und Glaser vom
15. — 17. Jahrhundert.
^ im Jahre 1859 der k. preufs. Steuerinspektor C. Becker in Würzburg-,
I namentlich bekannt als Mitherausgeber des Hefner-Alteneckschen Werkes
«Geräthschaften des Mittelalters und der Renaissance« , verstarb, hatte
das germanische Museum Gelegenheit, aus dessen Nachlafs eine Pergament-
handschrift zu erwerben, die aus neun Blättern in Schmalfolio besteht und ein
Verzeichnis AVürzburger Maler, Bildhauer und Glaser enthält. Auf Blatt la
findet sich die Überschrift »Die nomen der moler vnd glaser« , worauf die ein-
zelnen Namen nebst Angabe des Berufes, zunächst ohne Jahreszahlen — das
zweite Blatt beginnt aber mit 1522 — , dann von 1367 an mit solchen, folgen.
Auf Blatt 5a, einem eingehefteten Papierblatte, steht der weiter unten ange-
führte Titel der zweiten Abteilung der Handschrift, in welcher die »Knaben«
verzeichnet sind, welche bei den einzelnen Meistern gelernt haben. Die dort
angeführte Jahreszahl — 1301 — gibt die Zeit der Herstellung der Handschrift
an Stelle der verlorenen Register bekannt. Man kann wol annehmen, dafs die
erstangeführten Meister des ersten Verzeichnisses teilweise noch bis gegen die
Mitte des lo. Jahrhunderts zurückgehen, es ist dann — vom siebenten Namen
(Hans Lang) auf der zweiten Seite an — bis 1642, natürlich von verschiedenen
Händen, fortgeführt. Das Verzeichnis der Lehrlinge dürfte kaum weit über die
Zeit der Anlage der Handschrift hinausgehen.
Eine Anzahl der mitgeteilten Namen hat Niedermayer in seiner Kunstge-
schichte der Stadt Wirzburg (Wirzb., 18G0) bereits veröffentlicht, andere finden
sich in dem Artikel Beckers »Nachrichten über ältere Küusfler in Würzburg«
im deutschen Kunstblalte 1831, S. 404 ff., angeführt; aber vollsfändig sind die
Namen noch nicht publiziert worden, und da bei Niedermayer manche derselben
verstümmelt erscheinen — einzelne sind dagegen bei Niedermayer offenbar
korrekter wiedergegeben als in unserem Verzeichnisse, das von den alten
Meistern geführt wurde, die zwar meist sehr geschickt mit Pinsel und Meisel,
weniger gut aber mit der Feder umzugehen vermochten — , so wird der Ab-
druck dieses Verzeichnisses als Beitrag zur fränkischen, speziell Würzburger
Künstlergeschichte keiner Rechtfertigung bedürfen.
Der frühere Besitzer, C. Becker, hat einer Reihe von Künslleniamen un-
seres Verzeichnisses mit Bleistift handschriftliche Noten beigesetzt, die teilweise
Auskunft über das Jahr geben, in welchem die Betreffenden Meister wurden,
teils deren Todesjahr bezeichnen, teilweise auch mil Werke hinweisen, welche die-
selben geschaffen. Wir sind nicht, oder nur ausnahmsweise, in din- Lage, die
Richtigkeit dieser Anmerkungen zu kontrolieren , können daher eine (iarantie
für dieselben nicht übornchmtMi: da wir anderseits aber auch keinen Grund
haben, die Korrekt heil derselben zu bezweifeln, so glaubt cii wir die Noten wie-
dergeben zu sollen, soweit dieselben Becker nicht schnii im deutschen Kuiist-
blatte veröffentlicht hat. Es geschieht dies in Form von Anmerkungen, welchen
wir den Namen »Becker« vorsetzen.
Mitteiliiiigcn aus dem gcnnan. Niitioiuilniuseum. ISDO. IV.
D
— 2G —
[\\\. la) Dil' iioiiii'ii der molcr viid ^luser.
l'uiH'Z iiioler ') — Oll Wvlaiil i^las(>r — Hans von Franckfurt nioler *) —
S\\rhv\ lUvtlcl ^Hasor Anna srin liawßlVaw — Pauls Gocz g-laser Kathe-
rinu sein liau|MVa\v - Concz Wilaiil-) g-laser Barbara sein haußfiaw —
ilaii(5 Keg-er'} Jlargri'lli sein haiißt'raw — Lucas von Breßlaw moler i) — Simon
inolor'J — Sig-niuiul Plisler molcr') — Hans Weygand moler 0 — Michel
Wcyß scliniczer ') — Petter iiKilci') — Virich Hagenfurter schniczer") —
Aliciicl Hawr glaser") — Claus moler ^) — üall nioler*) — Philips Schmidt
moler -- Hans [jippart moler'') — 'hicob Schneydenwint glaser — Jörg Stackel
„lolci- __ Dyl Kimenschneyder schniczer — Balthasar Goi)polt glaser ') — Hans
Mcrcz nioler") — StelTan Dylmer nioler ^) — Lorencz glaser — Hans Zirbel
^.l;iser») — Eckart Wcyß raoler — (Bl. 1 b) Petter Fus glaser — Hans Erhart
glaser — Jörg Hirschfickel glaser — Hans Wageuknecht moler '°) — Hans
Pllstcr von Ypphouen moler'') — Küncz Wylant der jung glaser — Hans Lang
moler — Petter Beyer vom Ochsenfurt moler — Hans Lipphart maller '') —
Killian Strwn maller — Balthaser Smucz moler ") — Wolfgang Rencs sniczer '-) —
Jocob Sneidewindt glasser — Petter Strudt glaser — Endres Emerdt moler ^'') —
Hans Zirbel glasser der jung") — Hans Schubert glasser — Kuncz Rauchschart
glasser — Philips Üitmcr moler ^) — Casper Ducher glasser — JostSpis glasser —
Jörg Stol glasser — Jörg More schniczer — Peter Seger maier — Hanß Harcz
schniczer '■') — Erhard Graf maier — Peter Fuß glasser — Jost Stumpf schniczer
— Hans Stengler glaser.
(Bl. 2 a) Valentin! anno 22 iar.
Anthenich Wylandt glasser — Endres Arnalt glasser — Hans Holog
glasser — Jörg Rimesneider ^*) schniczer — Friderig Küuradt glasser — Hans
Beczman ey(n) moler ^'') (der geren wy drinckt ^*') — Jörg Bawman ey gla-
ser — Hans Weber eyn glaser — Pauls Smid glasser — Veydt Zirbel glaser '') —
1) Deutsches Kunstblatt 1851, S. 405. Niedemayer S. 244 ff.
2) Niedermayer S. 244.
3) Bei Niedermayer S. 244 heist es fälschlich »Keyel«
4) Nicflcriiiayer S. 246.
5) Deutsches Kunslljlall 1851, S. 405. Bei Niodcrmayer S. 247 wird er »Hagelfutter«
genannt.
6) Bei Niedermayer S. 244 steht Baum statt Bauer.
7) Niedermayer S. 247.
8) Bei Niedermayer S. 247 lieist es fälschlich »Metz«
9) Über die Zirbel siehe Niedermayer S. 247.
10) Niedermayer bezeichnet im Register seines Werkes Lorenz und Haus Wagenkuecht
als Steinmetzen.
11) Becker: Meister iin Jahre 1502.
12) Becker : Meister im Jahre 1508. Nach Niodermayer S. 248 lebte 1552 noch Woifg.
Bentz der BildJiaucr.
13) Becker : Meister 1520. Niedermayer S. 248.
14) »Dilf ist ausgestrichen und darüber »Rimesneider« gesetzt. Kunstblatt 1851, S. 405.
Niedermeyer S. 257. Becker: 1532.
15) Niedermayer S. 248. Becker: 1523. f 1528.
16) Ist von anderer Hand heigesetzt.
— 27 —
Werner Geckes moler^^) — Hans Wylandt glaser — Jörg- Heyßner glaser —
Jörg: Zyrbel g:laser ^) — Hans Crißraät g-laser — Hans Beychman derr g-laser —
Wilhelem Züg-eler maier ^^) — Peter Dell pilhauer^^) — Wilhelem Staunn rao-
1er ^^) — Bastian Hall glaser — Merten Heil inolor — Asimus Koch glaser —
Michel Seycz g-laser — Hans Schumczer g-laser — Balthaser Herwirt glasser —
[Bl. 2b) Mertten Seger moler '^^) — Haus Stang- g-laser der jung- ^^) — Hans
Habel g-laser — Lorencz Helffer moler — Jörg Weydenbusch glaser ^^) — Petter
Mager glaser — Lorencz guntter glaser — Petter Dell schniczer -^) — Valten
Stang glaser — Petter Fuß glaser stum — Jörg Brychel glaßer — Thoma
Kysner bydthauer ^*) - Hans Betzman moler der jung -^) — Kargas Hopffer
glaser — Palthaser Pfyster glaser — Palthaser stengle glaser — Dauitt Eck
glaser -") — Merte Rott moler — Meilchior Bhusch glaser — Hannß AVidman
moler '-■') — Killian Fueß g-laser — Balthasar Reiff moler — Hannß Pauman
glaser — Jeroninms Leippolt moler ^^) — (Bl. 3a) Gafpar Koeler glaßer
— Yald. Ernst moler — Hanns Gristman glaßer — Ghristoff Schnebach pil-
hauer — Michel Hümer glaser — Tiebolt Iimdaller raoler — Yeytt Baum-
hauer pilthauer ^*) — 1567 Jacob Kain maier ^®) — 67 Frantz (jasaman glaser^*^) —
67 Simon Ganßeder moler''") — 71 Hannß Rodle pildhauer ^^) — 7Ü Alexander
Muller maier — 71 Fritz Günrad glaser ='") — 72 Jacob Zigeler glaser — 72
AI wert Weiostogk glaser — 72 Valten Zürrel glaser (sein frav'^) — 72 Hans
Diettman glaser^*) — 73 Wolf!" Bop bilthauer — 74 Jeorg AVidtman maier —
78 Glaudius Michel Schnitzer ^^) — 78 Andreas Herneyssen moler ^*') — lö8l
17) Ausgestrichen. 18) Nicdormaycr S. 248.
19j Deutsches Kunstblatt 1831, S. 40ö. Der Verffrliger des Grabmals in der Marion-
kapellc könnte aber auch Peter Dell der Jüngere sein, der ISSl Meister Avurde,
s. Anmerk. "). Niederniayer S. 258 (Dill), Becker : Scliüler Dill Rienicnschneiders.
S. a. S. 29 dieser »Mitteilungen«.
20) Becker: Meister lö30, f lo52. Sollte dieser Willi. Staunn etwa identisch mit dem
3Ialer Wilh. Sturm bei Is'icdermayer S. 248 sein ?
21) Deutsches Kunstblatt 1851, S. 403. Becker: malte die Bilder in der Friefs'schen
Chronik. Hicher gehört auch die handschriftliche Psotiz Beckers, die er irrtündicli
i)ei Martin Seger dem .lungeren — der erst 1581 Meister wurde beigesetzt bat :
malle 155Ü das Ziflei-hlalt am Grafeneckertiirm.
22) Niedermayer führt im Register seines Buciies J. Weidenbusch, Glasmaler, S. 242 an,
er findet sich jedoch auf derselben iiichl.
23) Becker: Jleister 1551. S. a. Anmerkung '■').
24) Becker: Köstner, Meister 1553.
23j Becker: Meister 1350. Kiedermayer S. 248.
26) Niedermayer S. 248. Im Register dieses Werkes wird er als Schnit/er bezeichnet.
11) B.xker: 135i).
28j Deulsches KiiiisIblatI IS5I. S. 405. Niedermayer S. 254. üecker: .lacid» Gay.
29j Becker: aus Lützen. INiedermayer S. 254: Gal'smann.
30j Kin Stejihan Ganseder war Formschneider in Nürnberg, s. iid. II dieser »Mit-
teilungen«, S. 1 :l.
31j Bei Niedermayer S. 248: Hans tlödlein.
32) Bei Niedermayer im Register als Maler bezeiclinel. .S:5) S|iiiter beigesetzl.
34) Über die Dietmann s. Niedermayer S. 27(t.
33) Becker: aus Metz. Bei Niedermayer S. 248 als Michael Claudius angefülirt.
36) Deutsches Kunstblatt 1S5I. S. 405. Niedermayer S. 248, 2(;9.
— 28 —
Ellias Dittwar g'lasmaler — I08I Thomas Eisensr-hmidt bildhaner — I08I Jörg
Maurer bildliaucr — Merte Segor inoler '") — (Hl. rJb) 8i Melchior Burgk ma-
Icr "") (sein l'rav ") — 82 lialthusor Pleiclier glaser — 83 Michel Fingerer
glasor — 8'i- (lerg Wcidebuschs der jung glaser — 85 Niclas Scheller glaser —
87 Jacob Büchner glaser — 88 Paulus Michel billhaur 1G03 — 89 Hanns Metz-
ler glaser — 9U Sigmund noii Wurmbs glaser — 9ü Michel Zailmeir maller —
93 Cunral Kundlnum glafiinaller — 93 Michel Vogel glaser — 93 GhristofT Plister
biltschniczcr — 93 Christ ofT Fridrich Klöijfl'er maier — 94 Hanns Hartman
glaser — 95 Michel Heüsler maller 3») — 9Ü Ami)roi:) Scheffer maller ""0 — 97
Hudolff Specht glaser — 97 Jörg RudolH" Henenberg maller*^) — 97 Hanns
(iasman glaser — 16UÜ Jörg Neithart biltschnitzer ■'^) — 1(JUU Jörg Keller gla-
ser — lOUU Wollt" Megner glaser — 1003 Hanns Gebhart glaser — 1(303 Paulus
Dielman glaser''*) — 1604 Sigmund Baur glaser"'") — 1604 Christoff Roll gla-
ser — (Bl. 4a) 1604 Hanns Radenmacher maller") — 1606 Hanns Dietman
maller glaser vml gla|5maller ^*) — 1606 Michel Kern bilthauer ") — 1610 Hart-
man KIü|tf(Vl glaser — 1610 Jeremias Schelhorn maller — 1610 Jörg Kopie
niallcr — 1611 Hanns Stümer maller *°) — 1611 Zacharias Juncker bilthaur ") —
1611 Merlin Müller maller***) — 1611 Hanns Zürel glaser — 1618 Hanns Ylrich
Büller (starb des geen dodes **) — 1621 Jörg Schlela glaser — 1622 Bartolme
Klose maller — 1622 Anthoni Otth glaser — 1622 Hans Jörg Hübner maller —
1622 Veitt Koller glaser — 1623 Hanns Konrat Hierschi maier — 1624 Valtin
Megner glaser — 1624 Hanns Hieronimus Deürlein maller *''^) — 1626 Hanns
Zorn glaser — 1627 Paulus Specht glasser — 1628 Gürg Dietman glasser ^*) —
1640 Hanns Lieblein glaser — 1640 Abraham Luft niahler ***) — 1640 Daniell
Hössel glaser — 1641 Hanns Mathes Holtzman glasser — 1642 Adam Hoffman
mahler *^).
(Bl. oa) 500 vnd jm ersten jor.
I u disrm register steu alleknaben die den meysteren diser
czeyt jngedenck sein gewest xv« vnd jm ersten ior wan der register
sein ein theyl verloren worden vnd diser zeytt wider vernewert
durch Hansen Wagenknecht moler i") vnd Hanser (!) Zirbel ^) glaser
der czeyt geschworne jm xv° vnd jm ersten.
(Bl. 6 a) Simon moler') bot gehabt Steffan Dithmer ') — Bastian Hel-
37) Über Peter Seger d. Ält. s. Anmerk. 21).
38) Nicdorinayer S. 269, im Register daselbst aber als Maler bezeichnet.
39) Becker: Kanzel im Dom.
4UJ Niedermayer S. 269.
41) Becker: fertigte einen Altar in Aschatfenburg. Niederniayer S. 269.
42) Niedermayer führt S. 269 einen Sigmund Bauer als Baumeister an.
43) Deutsclies Kunstblatt 1851, S. 405. Kiedermayer S. 269. Über die Bildhauerfamilic
Kern s. Deutsche Biographic XV, S. (iS.S ff.
44) Später beigesetzt. S. a. deutsches Kunstblatt 1831, S. 414. Niedermayer S. 269.
45) Deutsches Kunstblatt 1851, S. 414.
46) Einen Joh. Luft erwähnt Niedcrmayer S. 361, einen Franz Luft S. 366.
47) Nicdermaycr S. 361.
— 29 —
bert *«) — Cristoffel Zeller — Merthen Beyel '^) — Philip Schreck — Bernhart
herrn Jörgen von Grumbachs knecht -- Kylian Stewn *^).
Cuncz Wylant der alt glaser 2) hott gehabt Peter Füs ^^) — Balthasar
Goppollt ').
(ßl. üb) Ylrich Hage u f ürtter schuiczer") hott gehabt Hanns Merc/en ^)
— Pauls Bolsterer ') — Hans "Wagenknecht ^") — Lorencz Wagenkuecht ^'^).
Michel Weyß schniczer ^) hott gehabt Linhart von Kiezing — Diecz von
Arnstein"^).
Claus moler hot gehabt Michel von GoßmeßtlorfF — Henslein Rappolt ').
(Bl. 7a) Lorencz glaser hot gehabt Philips Schelen von Heydingßlelt —
Balthasar Hütter (ist vnredlich abgeschiden ^•^).
Philips Schmidt moler hat gehabt. .. ■^").
(Bl. 7b) Hans Lippart moler') hott gehabt...^-).
Jacob Schneydenwint ^^) glaser hot gehabt Wolffganck Beyel von
Eyfelstat — Werner.
(Bl. 8a) Dyl Rimenschneyder schniczer hot gehabt Wilhelm von
Kohl (ist vnredlich abgeschiden ^^) — Hans Bravn von Geyselherge ^*) jn
Beyern — Hans Gottwalt ^■') von Lör — Henrich Schusler von Newenstat —
Augiistin Rey{S von Yphouen — Henßlein Fries von Mergethem — Waltassar
Rapitolt — Gabbriheil Schreiber von Landen — Linnhardt Friß von Nergethen —
Assimuß von Hasfurdt — Petter Dell von Würczburgk ''^).
(Bl. 8b) Balthasar Goppolt^) glaser hott gehabt Hans Weinbronner
von Murstat.
Hans Mercz**) moler hat gehabt... ^^).
(Bl. 9a) Petter Füs^") glaser hot gehabt Ambrosius Schiler von Arn-
stein — Jörg Ochs von Gramstatt 1511.
Steffan Dittmer") molcr hot gehabt Wilhelm Schneyder — Endres Emert").
Petter Sawdt hat sich ferdingt auf Purkardy anno ym 9 iar und hat sein
vatter gelobt dem geschworen meister, meister Haussen Zirwelt '') daß er in mit
der cleidung (und den) schuen halten wol und nemlich funlT yar ferdingt auch
dem handwerck zu geben ein j guhlen i,] Fb wasch ^^)
(Bl. 9a) Hans Wagenkneciit iiioier ^") lioll gehabt Henßlt'in Xesor
Fricz Neser gebruder — Jörg Mor — Petter Schwartz.
Hans Z i r b e 1 P) glaser hott gehabt . . . •'-')•
Nürnberg. Hans H Tis eh.
48) Bei Niedcrmayor »Sebastian Ilellwarl«.
49) jN'irtlcriiiaycr riilirt S. !247 nach einer uns niclil liekaiinicn Quelle elieiit'alls siehon
rialscliliih .saj^l er aclitj Lelirlinjjje ile.s .Maler.s Siiiion an, au.s dem Zeller isl alier
liei iiiiii ein Heller, aus Beyel ein Peysel, aus Sehreck ein Schecke geworden. Stall
SlelTan Ditliiiier hal er Hans Weyssel von Ha^lller^,^
oOj Als erster aui' S. 1 h des Verzeichnisses der Meister ati;j,eliilirl.
51) iNiederniayer S. 247 heisl es »Krilz von Arustein«.
o"!) JNanien fehlen. 53) Darüher steht 4Htytl«. 54) Gcisclhörin{>:.
55) Bei iS'iederniayer S. 257 "(luttvell«.
5G) Das Verzeichnis der Schüler ilieniensclineiders isl von verschiedenen Händen j^e-
scliriehen.
57) S. ]}1. (Ja und iNiederniayer S. 2i7 . woselhst es »Endres Linhart« stall »Endres
Enierl« heisl.
08) Steht lur »Wachs«, das hiuilig an Stelle df<, hären (leides als Ahgahe vorkommt.
— 30 —
Ww Kaisoriirkiiiiddi des <;ermanisclioii >atioiinliiiiiseiiiiis.
II.
Kaisor aus dein Hause der llolio ns taufen.
ic lii'liandlunji' der mir zu (icbolo stehondeii L'rkuiidoti. welche aus der
|{fi;ieruiii;siu'rii)ile der Holienslaui'eukaiser staiuiiieu, stöl'st auf erhebliclie
[fc!»!*i55 j^chwierig-keiten. Vor allem ist zu betonen, dafs auch für diesen Ab-
schiiill sii'li keine einheitliche (irujipe von J)ii)lomen zusammenstellen liefs,
welche eine ausführlichere, allg-cmein g-ehaltene theoretische Erörterung erlaubt
haben würde. Es sind vielmehr wenige, aber zum Teil hervorragend inte-
ressante, zum Teil auch bisher unbekannte Stücke, welche ohne Jeden inneren
Zusammenhang sich über das ganze Säkulum von Friedrich I. bis zum Tode
Friedrichs 11. verteilen, für die verschiedensten Empfänger in Deutschland
und Ilalicn bestimmt sind und dadurch eine gemeinsame Behandlung unmöglich
nuichcii. Dieser Übelstand, dafs das vorhandene Material kein einheitlich Ganzes
darstellt, wai- zwar auch im vorigen Kapitel fühlbar, diente aber dort eher zur
P'örderung als Hemnuing der zu lösenden Aufgabe: sowol das Kanzleiwesen der
Karolinger als auch das der Sächsischen und Saliscben Kaiser ist durch die
grofsen Arbeiten Sickels und Brefslaus') in einer so vollkommenen Weise
ilurchforscht und ergründet, dafs mit Recht gesagt werden kann, hier steht der
Diplomatiker auf festem, wolgefUgtem Boden, und Ergänzungen vermögen sich
hier leicht einzufügen.
Ganz anders liegen die Verhältnisse bei den Urkunden der ersten Staufer:
für diese vermifst man eine grundlegende Arbeit, welche Spezialuntersuchungen
im beschränkten Rahmen der vorliegenden zu fruchtbringenden gestalten
kiuinte. Auch Brefslau G:iebt die Geschichte des kaiserlichen Kanzleiwesens in
erschöpfender und abschliefsender Weise nur bis Konrad III., die Zeit Friedrichs I.
und seiner Nachfolger behandelt er kurz und andeutend, weil, wie er selbst
sagt, die Urkunden dieser Periode einer genügenden Durcharbeitung noch ent-
behren-'). Erst mit dem Interregnum beginnt in genanntem Werke wieder die
eingehende Darstellung. Aus denselben Gründen, und dadurch jede Unter-
suchung über .diese Zeit noch erschwerend, fehlen in den »Kaiserurkunden in
Abbiblungen« gerade die vier ersten Staufer; das Hilfsmittel der Schrift-
vergleichung anzuwenden, ist demnach nur wenigen Forschern vergönnt, mir
insontierheit, dem Urkunden anderer Archive nicht zu Gebote standen, war es
vollkommen unmöglich gemacht. — Erst bei den Urkunden Friedrichs II. be-
tritt man wieder angebauten Boden: das Kanzleiwesen dieses Kaisers, sowie das
seines Sohnes Heinrich und Konrads IV., ist in einem vortrefflichen Werke von
F. Philippi ^) behandelt, einer Arbeit, welche in jeder Beziehung eine grund-
J) Neben den wiederholt angefühiien Werken sind hier noch die einzehien Teile des
erklärenden Textes der »Kaisenirkunden in Abbildungen« zu nennen, welcher jeder i'iir sich
eine vortreniiche Arbeit darstellt, iiäiiilich: Urkunden der Kai'oIiMiior von Sickel, ilor
Salier von Brefshiu, Heinrich II. von V. Bayer.
2) BreTslau, a. a. 0. S. 360, Anmerkung 2.
3) F. Philippi. zur Geschichte der Reichskanzlei unter den letzten Staufern
Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV. Münster, 1885.
— 31 —
leg-ende geuaiint werden darf, imd welche durch die beig-eg-ebeuen Tafeln mit
Proben von Urkunden und Siegeln der drei letzten Staufer noch erhöhten
Wert erhält.
Ist somit eine Bereicherung- und Ergänzung- unserer Kenntnisse der
Reichskanzlei unter den Hohenstaufenkaisern in wesentlichen Punkten von den
nachfolgenden Diplomen nicbt zu erwarten, so erfährt doch wenigstens das
Material, welches einer zukünftigen, erschöpfenden Arbeit über diese Zeit in
vollem Umfange zu Grunde gelegt werden mufs, einige Vermehrung.
Es würde zwar zum besseren Verständnis der mancherlei Einzelheiten
dienlich sein, einen Überblick über unsere bisherige Kenntnis der Eiurichtungea
in der Kanzlei während der staufischen Regierungsperiode zu geben, indessen
würde das etwas zu weit führen; ich verweise daher auf den betreffenden Ab-
schnitt in Brefslaus Handbuch und wende mich nur gegen einen Punkt jener
Ausführungen.
Brefslau sagt nämlich, aufgrund einer Stelle in den Annalen des Vinzenz
von Prag sei zu schliefsen*), dafs das Amt des Reichskanzlers, des eigent-
lichen Leiters der Kanzlei sowie der diplomatischen wie politischen Geschäfte des
Reiches, in der Form lehensrechtlicher Investitur vom Kaiser übertragen wurde,
eine Annahme, die mir nicht berechtigt erscheint. Zwar wenn man die Worte
des Chronisten in ihrem Zusammenhange betrachtet, so mufs allerdings die Be-
ziehung des Wortes Investit sowol auf Christian von Mainz als auch auf den
Kanzler Philipp als auffällig bezeichnet werden, da es nämlich feststeht, dafs
Kaiser Friedrich wirklich auf seinem Zuge nach Italien in Brixeu Christian die
Investitur als Erzbischof von Mainz erteilte. Vinzenz von Prag stellt also die
»nennung des Erzkauzlers der Belehnung des Erzbischofs als rechtlichen Vor-
gang vollkommen gleich, eine Darstellung, welche allerdings die Annahme der
oben angeführten Ansicht Brefslaus nahe legen würde. Indessen sind dagegen
mehrere schwerwiegende Gründe in das Feld zu führen. Erstens ist aufser der
angeführten keine einzige Stelle, sei es in Chroniken, sei es in Urkunden be-
kannt, welche einen weiteren Beleg für diese Konjektur bieten würde, trotzdem
allein unter Friedrich I. neun, unter Heinrich VI. vier Kanzler ernannt wurden.
Zweitens ist Vinzenz von Prag zwar ein treuer und zuverlässiger Geschichts-
schreiber, welcher im Gefolge des Bischofs Daniel von Prag olt am Hofe des
Kaisers weilte'^), ob er aber als slavischer Priester einen so tiefen Einblick in
das deutsche Lehenrecht gehabt hat, um die Bedeutung des Wortes investire in
ihrem ganzen Umfange würdigen zu können, erscheint doch mehr als zweifel-
haft. Drittens — und dies ist entscheidend — gab es im Reiche bereits seit
dem Anfange des zwölften Jahrhunderts kein Amt mehr, welches als solches,
ohne Zusamineidiang mit EinkUnfleii und Gütern, Lehensgegenstand gewesen
wäre. Die Kanzler erhielten zwar Pfründen, Propsteien und dergleichen genug,
aber diese waren nicht mit dem Amte selbst verbunden, sondern traten nur
accessorisch als persönliche Benefizicn liin/u. Ks ist demnach un/ulässig. die
Übertragung des Kanzleramtes in ilcr Konn Icliensrechtlicher lnv(>stitur an-
zunehmen, vielmehr erfolgte lediglich cim' Krnennung des Kanzlers.
4) Vincentius Pratensis, S. S. XVII, G83 : Kristiiiiiinn ;iiihiopiscopiilu MuguiiUno et
Philippum cancellario inveslit.
5j Wattenliiuli, Deutschlands Geschiclits(iiii'llon II. Aullaye 4, S. 240.
— 32 —
Unter deni Kanzler sieliL der Protnnotur fprntnnotarius aulae imperalis),
ein Ami. welches uiilcr Krictlricli I. g't'schallen wurde, unter diesem arbeiten die
Notare. Leider sind wir üijer die Art der (JeseliäCLsi'Uhrung' in der Kanzlei,
weh'he Obliegenheiten dem Prolonotar vorbehalten waren, was die Notare zu
lluin hatten, gar nicht unterrichtet, und Immiii :iii( li in dieser Beziehung- erst
eine umlassende Arbeit auf Grund des g-esaniten Materials Aufliärung ver-
schallen.
Über die Arten der vorkonunenden Urkunden, den Unterschied zwischen
Privilegien und Mandaten, welcher für dii; Zeil ilcr Hnhenstauicn erhöhte Be-
deutung- erlang't, soll erst bei den einzelnen Urkuiuleu einiges g-esagt werden.
to. Kaiser Friedrich 1. nimmt das Kloster Jirondolo, welches der heilig-en Drei-
einigkeit und dem Erzengel Michael geweiht ist, mit allen seinen Besitzungen
und Untertanen in seinen persönlichen Schutz. Im Gebiete von Turin, 1162,
August 13.
Ineditum.
Diese bisher noch iii(,'ht gedruckte und nirgends erwähnte Urkunde ge-
.hört dem Schatze von Urkunden an, welche auf das Kloster Brondolo in Yeneilig
Bezug haben und welche dem Museum im Jahre 1881 von einem hochherzigen
Gönner, dem Herrn Privatier Georg Lotter zu Nürnberg, geschenkt wurden").
Dieselbe, auf italiänisches Pergament geschrieben, ist 3ä cm. hoch, 2G cm.
breit und zeigt weder in Schritt noch Inhalt Eigentümlichkeiten, die irgend-
welche Bedenken gegen ihre Echtheit erwecken könnten. Sie ist ihrem
meri torischen Inhalte nach mit der Urkunde Heinrichs VI. Nr. 12 identisch,
in welcher auch auf die vorliegende Bezug genommen Avird. Bemerkenswert
ist noch, dafs in beiden Urkunden in der Strafandrohungsformel die Stadt
Padua namentlich vor Verletzung des kaiserlichen Privilegs gewarnt wird,
ein Vorgang, der äufserst selten ist, aber in der gerade damals sehr heftigen
Feindschaft Paduas gegen Venedig seine Erklärung findet. — Was die
äufsere Form anbetritft, so ist zu bemerken, dat's die erste Zeile in grofsen
Buchstaben und mit besonderer Sorgfalt geschrieben ist, jeder Strich wurde
doppelt gezogen, einzelne Buchstaben mit Buckeln versehen. Die zwei Zeilen
der Datierung sind sehr klein und eng geschrieben, man erkennt, der Schreiber
hatte Mühe, Platz genug für das Siegel übrig zu behalten. Rekognition fehlt;
das Siegel ist abgerissen. Die Datierung »post destructum Medyolanum« ist
nicht gerade selten, sie konunt noch in den Urkunden Stumpf reg. Nr. 3939,
3940, 3941, 3933 vor.
X Fredericus dei gratia Romanorum Imperator augustus x Apud nostram
maiestatem deuotio et fides cum sinceritate semper locum habuit, nota quoque
religiosorum | et digne praeces fidelium in suis desideriis iuste merentur exau-
diri. Eapropter cognoscant vniuersi | tideles imperii per Ytaliam constituti,
quod nos diu ine retributionis respectu atiiue venerabilis abbatis Milouis ] pia
praecum instantia monasterium sancte trinitatis sanctique Michaelis archangeli
6) Es sei mir gestattet, an dieser Stelle einen Irrtum zu verbessern, welcher sich im
ersten Teile eingeschlichen hat: Das Dokument Nr. 3 Ottos I. stammt nämlich nicht aus dem
Wollcensleinischen Archiv, sondern wurde gesondert, allerdings gleichzeitig, von Antiquar
Überbacher in Bozen angekauft.
de Brondulo quod antecessor noster | dive memorie imperator Karolus dicitur
construxisse ciii etiam noster fldelis praediclus abbas Milo praeesse diDoscitur].
res etiam et possessioues eiusdem monasterii ipsunique abbatem et mouachos
eius homines quoque monasterii et vniuersam eins familiam | sub nostram im-
perialem protectiouem ac defeusionem suscepimus et quia praefatus abbas bomi-
nivm nobis fecit et imperio fide | litatem iurauit de omni iure et honore suo
inuestitiam ei lecimus et concessimus. Preterea quascunque res uel pos | ses-
siones praedictum monasterium in praesenti iuste possidet uel in posterum deo
iuuante iusto modo poterit adipisci nostra | imperiali auctoritate roboramus et
eidem monasterio confirmamus. Statuentes quoque firmiter praecipimus ne de
cetero aliqua ] ciuitas siue Padua siue alia ne([ue episcopus neque dux uec
marcbio uec comes uel vicecomes nulla potestas uulla etiam | persona magna
uel parva praedictum monasterium in aliquo disuestire uel res eius aut posses-
sioues inquietare uel molestare ! audeat nullumque fodrum nee exactionem nee
bandum nee albergariam ab ipso monasterio uel eius bominibus exig-ere uel
accipere | praesumat excepta nostra persona uel nostro certo misso. Si quis
uero contra hoc nostrum praeceptum ausu temerario uenire uel aliquid | facere
praesumpserit auri optimi L libras pro pena componet dimidium lisco nostro et
dimidium praefato monasterio.
Datum in territorio Taurinensi anno dciminice incarnationis MCLXII in-
dictione X, regnante domino Fredei'ico Romanorum imperatore | victoriosissimo
anno regni eius X imperii uero VllI post destructum Medyolanvm VllI idus
Augvsti.
il- Kaiser Friedrich I. bestätigt die Gründung des Klosters Aue bei Bozen durch
den Grafen Arnold von Greifenstein und bestimmt, dafs bei vollständig freier
Propstwahl genanntes Kloster dem Bischöfe von Trient unterstehen soll. Zu
erblichen Vögten ernennt er die Grafen Friedrich und Heinrich von F.ppan
»ad defendendum non ad exspoliendunK^ Trient, 11(36, Oktober 31.
Stumpf reg. Nr. 4078.
Mit dem Originale vollständig überelnstimmond bei BonoUl. notlzie
istorico-crltlche della chlesa dl Trento III, S. 1B(3, 1(J7.
Datum Tridenti II. kal. nouenbris anno dominlce incarnationis MCLXVI,
indictione XIIII, regnante Frederico Romanorum imperatore inuictissimo, anno
regnl eius Xllll, Iniporll uero XII, In Christo feliciter amen.
Das Siegel ist abgerissen.
Dieses Dljilom ist nach der Einteilung Brefslaus^), welcher für die Ur-
kunden dei' slaulischen Zeit feierliche und einfache Privilegien, allgemeine und
Spczialnumdate unterscheidet, ein einfaches Privileg; wenigstens Ist ihr Iidialt,
eine Verfügung, welche auf die Dauer erlassen wurde, das rlchllgsle Kriterium
für ein Privileg, während Ihre äufsere Gestalt mehr der eines Mandates ent-
•spricht: nur die erste Zeile »Fredericus dei gratla Romanorum Imperator
augustus« ist, ähnlich den Urkunden »Iit träiiklscluMi Periode, mit etwas grül'sereu
Buchstaben als der Kontext, alicr durchaus nicht zierlicher geschrieben. Das
Amen am Schlüsse ist über die ganze Breite der Urkunde ausgedehnt. Die
Rekognition fehlt gänzlich.
7) Brefslau, a. n. 0. S. '61.
Mitteiluiigeu aus dem gcrmau. Xatiuiialmusouin. 18DÜ. V.
— 34 —
\-2. Kaiser llrimirli \ I. licsüilij,''!, dciii Kloster Broiiiiolo zu Venedig- alle seine Be-
sitzunj^eii uiid Rechiv und slclll es unter seinen persönlichen Schutz. Lucca,
IHM, Februar ä3.
Inedituin.
Aurji diese Urkunde ist dem oben erwähnten Schatze der lirondoio-
l rkuudeii enhioiiunen und bisher unbekannt g-ewcsen. Sie ist 22 cm. hoch, 27 cm.
breit, deutlicli und scliiin g-eschrieben, und giebt zu Bedenken keinerlei Aulafs.
Rekognition fehlt auch hier. Ebenso ist das Siegel abgerissen, doch sieht
man gerade, \vi(^ l»ei der Urkunde Nr. 10, in der Mitte des Pergamentes die
beiden vorschrittsmäl'sigen Lücher, in denen das Siegel einst gehangen hat.
X Heinricus sextus dei gratia Romanorum rex et semper augustus. x
Licet ad uniuersas ecclesias dei et personas ecclesiasticas maiestatis nostre
tuitio generaliter debeat extendi eas tarnen specialioris fauore benignita j tis
non immorito decreuimus amplecti quas amplioris debitum lidelitatis certiori
nobis deuotione commendauit. Quapropter notum sit vniuersis | imperii fidelibus
per Ytaliam constitutis tarn presentibus quam futuris (juod nos pro remedio
animc nostre et parentum nostrorum atque venerabilis abbatis Milo 1 nis pia
precum instantia monasterium sancte tritiitatis sanctique Michaelis archaugeli
de Brondulo quod antecessor noster diue memorie Imperator Ka | rolus dicitur
construxisse cui etiam fidelis noster predictus abbas Milo preesse diuoscitur
res etiam et possessiones eiusdem monasterii ipsum (juoque abbatem etmo | uachos
eins homines quoque monasterii et vniuersam eins familiam sub nostram regalem
protectionem ac dei'eusionem suscepimus secundum quod de hiis omnibus in?
clite I memorie pater noster Fredericus Christianissimus imperator sepedictum
abbatem legiter inuestiuisse. Preterea quascumque res uel possessiones predictum
mouaste | rium in presenti iuste possidet uel in posterum deo iuuante iusto
modo poterit adipisci nostra regali auctoritate roboramus et eidem monasterio
con I lirmamus. Statuentes quoque tirmiter precipimus ne de cetero aliqua ciuitas
siue Padua siue alia neque episcopus neque dux nee marchio nee comes | uel
vicecomes nulla potestas nuUa etiam persona magna uel parua predictum mona-
sterium in aliquo disuestire uel res eins aut possessiones inquietare uel | mole-
stare audeat nulluni ([uoque Ibdrum nee exaetionem aliquam nee bandum nee
albergariam ab ipso monasterio uel eius hominibus exigereuelaecipere pre | sumat
excepta nostra persona uel nostro certo misso. Si quis uero contra hoc nostrum
preceptum ausu tejaierario uenire uel aliquid iacere presumpserit auri op | timi
L libras pro pena eomponat dimidlum tisco nostro et dimidium prefato mo-
nasterio.
Datum Luce anno dominice iucurnationis MCXCl. iudictione Villi, VII
kal. Martii.
13. Kaiser Heinrich VI. nimmt die Abtei S. Arnulfi zu Metz in seinen besonderen
Schutz und bedroht jeden, der sie zu verletzen wagt, mit einer Strafe von zehn
Pfund Goldes. Strafsburg, 1193, April 9.
Stumpf reg. Nr. 48Ü8.
Mit diin Originale übereinstimmend^) bei Stumpf, acta imperii Nr. 411.
8) Stumpf hat die Urkunde nicht nach dem Originale, sondern nach einem Manuskripte
der Stadtbibliotliek zu Metz »Histoii-e de Metz par les Ben6dictins, Vol. VII «; herausgegeben.
— 3S —
Datum aput Arg-entinam anno dominicae incarnationis MGXGIII, indictione
XI, Y idüs Aprilis.
Rekog-nitiou fehlt. Das Siegel ist abgerissen.
14. Kaiser Friedrich 11. erläCst eine Verordnung- gegen die Autonomie der bischöf-
lichen Städte und bestimmt: 1) um die Freiheiten und Rechte der Reichsfürsten,
welche berufen sind, an seiner RegierungspHege teil/Ainehmen, ungeschmälert
aufrecht zu erhalten, dafs in jeder Stadt Deutschlands die Gemeinde, der Rat,
die Rürgermeister und andere Beamte, welche von den Bürgern ohne Ge-
nehmigung der Erzbischöfe oder Bischöfe bestellt worden, zu kassieren seien;
2) dafs alle Bruderschaften und Gesellschaften jeglichen Handwerks, wie sie
genannt werden mögen, zu vernichten und aufzulösen seien ; 3) dal's in jeder
Stadt, in welcher Geld geschlagen wird, Waren und Lebensmittel nicht nach
Silbergewichl, sondern nur nach den Münzenge- und verkauft werden, welche
dort in Gebrauch sind; 4) dafs auch ferner die Verwaltung der Städte und
aller Güter, die vom Reiche zu Lehen lühren, den Erzbischöfen und Bischöfen,
sowie deren Beamten, zustehen solle; o) erklärt demgemäfs alle Privilegien,
ofi'ene und geschlossene Briefe für null und nichtig, welche er selbst, seine
Vorfahren am Reiche, die Krzbischöfe und Bischöfe wegen Gesellschaften, Ge-
meinden oder Ratsmannschaften, Einzelnen oder Städten gegeben haben möchten;
6) verkündigt, dafs diese Verordnung oder Salzung nach dem Ausspruche der
Fürsten mit seinem Willen mit Urleil gegeben worden sei; 7) verbietet, dafs
Niemand hiergegen jemals etwas zu thun sich unterfange, bei Verlust seiner
Huld und einer Strafe von fünfzig Pfund Gold. Pordenone, 1232, Mai.
Böhmer- Ficker reg. Nr. 1917, 1934, 1933. Monumenta Ger-
iiiaiiiae, leges 11, S. 286, 287.
Diese interessante und sowol für die Reichsgeschichte, als auch für die
Geschichte des deutschen Städtewesens hochwichtige Verordnung wurde auf ilem
grofsen Reichstage zu Ravenna, welcher vom Dezember 1231 bis zum .März 1232
tagte, erlassen und ist in zehn Ausfertigungen für zehn verschiedene Städte
auf uns gekomnu'u. Abgedruckt ist sie mit Anlührung aller in den einzelnen
Urkunden vorkommenden \';iiiaiileti in dem zweiten Bande der (lesetze der
Monumenta Germaniae. Die dem Museum gehörige Urkunde war für Melz be-
stimmt und wurde in Pordenone im Mai 1232 ausgefertigt. Sie zeigt alle
die .Merkmale eines feierlichen Privilegs aus der JvanzhM Friedrichs 11.: schöiu\
regelmäfsige Schrift itn Texte, grofse zierliche Buchstaben in der ersten Zeile
wie in der Unterschiil'l. Das Siegel isl abgerissen.
P]go SitVridus Uatisponensis episcopus imperialis aule cancellarius uire
ildiiiini S. veni'rabilis Magunliiii archiepiscopi el locius Germaniae archicancel-
larii recognovi.
Acta sunt hec arum dnmiiiice incarnaridriis millesimn duccidesimo liicesimi»
secumio, mens(! nniii, (fiiinte iDdirliotiis. impei-anle domino uosIim» Kiidcrico
sccundo dei gralia inuidissimo Udiiianorum imperatore semper auguslo. -leru-
salom et Sicilie rege, iiiino Romaiii imperii eins duddiM-imo, regni Jerusah-in
septiiiio el regüi Siriljc Iriccsimo ijuarlo felittiler amen.
Dal um aput Port um Nannis anno, mensc et iniUctiunc proscriptis.
— 36 —
i:;. Kaiser Friodricli 11. iiiiiiiiil das Kloster Offenbach "), welches bisher der Abtei
S. Vinccii/, iiiilerslt'lll war, in seinen ])t'rs()nlifht'n Schutz zuriick und g-ebietet
dem Propste von Kaiserslautern, ühcr die Wollalut des g-enannten Klosters zu
wachen. Ohne Ort und Datum.
Inedituni.
Dieses kleine Mamlal des Kaisers P'riedrich war bisher unbekannt, wenig-
stens hat esFicker in seinen Reg-esten nicht. Es ist auf ein Perg-amentblättchen
von 14 cm. Länge und 4 cm. Höhe geschrieben, das Siegel hing an Pergament-
streifen, ist aber jetzt abgerissen. Die Schrift hat viel Ähnlichkeit mit der in
einer Urkunde Friedrichs für Goslar vom 7. September 1227 i"), welche Philippi
auf Tafel 4 seines Werkes in Faksimile bringt, weshalb ich geneigt bin, die
vorliegende Urkunde derselben Zeit zuzuweisen; doch kann dies nicht mit Be-
stimmtheit konstalierl werden, solange nicht eine gröfsere Anzahl Urkunden
Friedrichs in Faksimile veröffentlicht ist.
F. dei gratia Romanorum rex semper augustus omnibus has litteras in-
specluris gratiam suam et omne bonum. Scire | uolumus iiniuersos quod nos
Itrioratum de OlTenbach ad abbaciam sancti Vincencii Metensis attinentem 1 cum
personis et omnibus appendeiciis ") ipsius sub protectione nostra recepimus.
Tibi autem preposite Lutrensis | sub obtentu gratie nostre precipimus ut uice
nostra locum ipsum sollicite conseruare satagas ut nullum ] in personis seu in
rebus detrimentum ab aliquo paciatur.
16. Heinrich (VII.) nimmt, da er in Goslar Hof hält, das von Giselbert, ehemals
Vogt daselbst, zum Unterhalte der Armen dort gebaute und mit genannten
Gütern dotierte Hospital auf Bitte des Stifters und seiner Freunde in seinen
Schutz und überträgt die Pflege desselben den Äbten von Walkenried und
Riddagshausen sowie dem Dekan der Hauptkirche zu Goslar. Goslar, 1227,
August 26.
Böhmer-Ficker reg. Nr. 4073. Abgedruckt bei Huillard-BrehoUes,
historia diplomatica Friderici secundi HI, 342.
Am Texte Huillards sind folgende Verbesserungen vorzunehmen:
Seite 342, Zeile 2: statt Romanoruni rex, semper augustus — Romanorum
rex et semper augustus. Zeile 4 von unten: nach sustentationem pauperum
ist einzuschalten: hospitale quoddara in ciuitate Goslariensi. Zeile 3 von unten:
statt exstruxit — coustruxit. Seite 343, Zeile 12 von unten: nach decumbentes
ist einzuschalten: et deseruientes. Zeile 9 von unten mufs esheifsen: Ut autem
hec nostra.
Actum anno incarnationis dominice MGCXXVII. Datum apud Goslar VII.
kal. septembris, indictione XV, regnante domino Henrico Romanoruni rege VII.
17. Heinrich (VII.) giebt die Heilig- Geistkapelle zu Königsbrück den dortigen
Brüdern, dergestalt, dafs der Gottesdienst daselbst von denselben versehen und
das Gedächtnis der königlichen Vorfahren, welche die Kapelle erbauten, gehalten
werde. Goslar, 1227, August 29.
B(>hmer-Ficker reg. Nr, 4075.
9) Celia S. Maria iji Offenbach an der Glan (Nebenflufs der Nahe).
10) Böhmer-Ficlior, reg. Nr. 1709.
11) Das c ist durchstrichen.
— 37 —
Mit dem Orig'iiiale ühereinstimmend abgedruckt bei Huillard-BrchoUes
III, 344.
Actum anno incarnationis dominice millesimo CCXXVII. Datum apud
Goslar III. kal. septembris, indictione XV.
Diese beiden Urkunden sind fast an dem gleichen Tage für verschiedene
Empfänger in der Reichskanzlei ausgestellt worden, sie eignen sich also ganz
besonders zu einer Vergleichung und Besprechung. Die erste ist ein Privileg
in feierlicher Form mit Invokation, Arenga und Zeugenanführung, mit der
ganzen damals üblichen Ausstattung auf ein grofses Pergament geschrieben
[45 X 30 cm.]; die andere dagegen nähert sich durch Weglassung aller über-
llüssigen Worte, durch Kürze unil Prunklosigkeil, der Form des Mandates, trotz-
dem auch hier ein dauernder Rechtszustand fixiert werden sollte. Daher wird
man die zweite Urkunde zu den einfachen Privilegien zu rechnen haben, wobei
noch die Thatsache ins Gewicht fällt, dafs an beiden Diplomen die gleichen
Siegel hängen, nämlich das grofse Siegel Heinrichs, welches den König mit
Szepter, Apfel und Krone auf dem Throne sitzend zeigt, und welches Philippi auf
Tafel IX, unter Nr, 2 abgebihlet hat. Die Schriftzüge auf l)eiden Urkunden sind
in vielen charakteristischen Punkten gleich, so dal's ich die Annahme nicht ab-
weisen kann, dafs ein Schreiber beide geschrieben hat; es ist eine grofse,
ungeschlachte Schrift, die von der Schrift der Kanzlei Friedrichs IL, soweit mir
Proben aus letzterer bekannt geworden sind, erheblich abweicht.
18. Heinrich (VII.) schenkt den Nonnen zu KönigsbrUck im Heiligenwald sein dort
gelegenes GüLlein, unter Beifügung einer weitläullgen Geschichte dieses Gütleins,
wobei auch die fünf ersten Äbtissinnen erwähnt wertlen, und eines vor den
Ministerialen des Königs zu Hagenau geführten Rechtsstreites. Bei Hagenau,
1227, November 13.
Böhmer-Ficker reg. Nr. 4090.
Mit vielen Fehlern abgedruckt bei Hui I lard-Breholles III. 359.
Diese Urkunde verdient in mehr als einer Hinsiclil nwcn erneuten Ab-
(hii'k; zunächst linden sich im Texte Hiiillai-ds zahlreiche und sinustörende
i''chler, aus denen man erkennt, dal's der genaiuite Forscher die Urkundi^ nie-
mals gesehen, sondern ihren Worllaut dem Abdrucke in Schöpflin, Alsatia
diiilomatica I, 3131, entnommen iial. Sodann ist die ganze Urkunde eine einzige,
groCse Ausnahme von den gebräuchlichen Kanzleiregeln, so dals man fast zu
der Annahme gelangen könnte, es liege eine Fälschung vor, trotz der (huvh-
aiis zeitgemäi'sen Schrift, trotz des erhaltenen grofseu Siegels Heinrichs. Ficker
sagt in einer Anmerkung zu seinem Kegeste: »Der Text zeigt eine vom Brauche
der Kaiizit'i viclfacli abweicdiende Fassung und mag in dieser mii- mit drn
SchlursfornKdn, ZiMigrn und Siegel versehen sein."
Wäre dii'se Ansii-Iit Kickers richtig, ^o mül'sle ein l'ntei'sdiieil in diT
Sclirill zwischen den Wdilen des Textes und denen der Zeugen und der Srldul's-
Ininiil erkennbar sein. Dies isl aber durchaus inchl i\r\- VnW. Die ganze
Urkunde erscheint von einei' Mand geschrieben, in reslen. sicheren und sidi
gleichmälsig bleibenden Zügen mit Ausnalune der Inlilulalio. Ich wertle
weiter unten darauf zurückkommen, Jetzt solhii erst die grofseu Unregelmäfsig-
keiten der Urkunde hervorgehoben werden.
Der Text zei-nilll offonl)ar in zwei Teile: Der erste ganz kurze enthält in
der üblichen Weise die Schenkung* des Gutes an die Cisterzienserinnen von
Krinig-shrücit und sclilicfsl mit den Worten sijiillo nostro decreuimus com-
ninniri. Dainil wäre eig-onilich die Urkunde zu Ende, statt dessen kommt jetzt
eine sehr auslühriiehe Besc-hreibung des Vorganges, wie das (int überhaupt
in die Hände des Königs gelangte. Es geschah dies durch ein Urteil der
könighchen Ministerialen von Hagenau »unter der Eiche Vechenheim«,
au!' welche dir beiden streitenden Teile, die Nonnen von Königsbrück und
der derzeitige Inhaber des Gutes, Heinrich von Cochenheim, kompromittiert
halten. Dieser ganze Vorgang ist höchst seltsam, und wird es noch mehr
durch die sonderbare Art der Erzählung, in welche ganz belanglose Züge aus
der Geschichte des Klosters selbst eingellochten sind. Man erkennt deutlich,
dieser Teil des Textes ist so unbeholfen und wenig klar, daCs seine Abfassung
in der königlichen Kanzlei wol ausgeschlossen erscheint. Wie konnte man
auch in der Kanzlei den ganzen Hergang in allen seinen kleinen Einzelheiten,
wie sie da erzählt werden, so genau wissen, und sicher hätten auch die könig-
lichen Beamten es nicht gewagt, den Urteilsspruch der Ministerialen in solch
naiver Weise unmotiviert zu lassen.
Auf welche Weise kann nun die Urkunde entstanden sein"? Gegen die
Annahme einer Fälschung möchte ich mich von vornherein erklären: Wie
schon erwähnt, ist die Schrift vollständig zeitgemäfs, das Siegel Heinrichs (das-
selbe wie bei den zwei vorhergehenden Urkunden) ist zwar nicht ganz so schön
als die zwei anderen, die ich zur Yergleichung habe, indessen wüfste ich
gegen seine Echtheit nichts anzuführen. Sodann stimmt die Zeugenreihe unserer
Urkunde mit der in dem unzweifelhaft echten Diplome, Ficker Nr. 4089, vom
12. November 1227, überein. Schliefslich, und das ist ausschlaggebend, sind die
W^orte Henricus dei gratia Romanorum rex et semper augustus ganz unzweifel-
haft von einer anderen Hand als wie die übrige Urkunde geschrieben, was bei
einer Fälschung doch gewifs nicht der Fall wäre. Aber es läfst sich auch er-
kennen, wo diese Worte geschrieben w^urden: nirgends anders als in der könig-
lichen Kanzlei. Es sind dieselben unbeholfenen und unregelmälsigen grofsen
Buchstaben mit allen den Eigentümlichkeiten, wie sie bei den zwei vorher-
gehenden Urkunden beobachtet werden konnten. Damit stellt sich die Ent-
stehung der Urkunde folgendermafsen dar: In der königlichen Kanzlei W'Urden
die ersten acht W^orte geschrieben sowie das Pergament mit dem Siegel ver-
sehen. Das Übrige, die Schenkung selbst und die Darstellung des Streites
nebst dem Urteile der Ministerialen wurde erst nachträglich hinzugefügt und
zwar offenbar von den Beteiligten, den Nonnen, unter Assistenz der Mini-
sterialen. Der König war eben nur wenige Tage in Hagenau (vom 13. bis
16. Novefiiber), so dafs die Zeit zu kurz war, um von der Kanzlei selbst eine
regelrechte Urkunde zu erlangen. Man ti'ug also dem Könige den Fall vor.
und dieser schenkte den Nonnen das Gut, während die Kanzlei die Ausfertigung
der Urkunde ihnen überliefs.
X Heinricus'-) dei gratia Romauorum rex et semper augustus x omnibus
hanc paginam litterarum intuentibus gratiam suam et in eterni regis mansione
12) llem'icus, l)ri lluillard.
— 39 —
perenniter ^^) gloriari. Quia rerum gestarum meinorie ordinem aduersatrix
obliuio perturbare uel ^*) mortaliuni mentibus penitus eripere consuetum, idcirco
que leg:itime g-eruntur in tempore litterarum | solent beneficio perpetuari ^■').
Nouerit itaque uniuerse successionis posteritas ({iiod nos regio habito consilio
diuiiia se interstillante ^^) opitulatione praediolum apud Regisponteiu | situui
sanetiinouialibus ibidem ia houore dei et saucte matris eius die noctuque ser-
uieutibus sub speciali titulo concessionis subiug-auimus alfirmantes idem prae-
diolum sub tali iuris | reg'ula iug-ere sub qua sacra silva acteiius permansit
illud etiam addeates quod si aliquis siuc clericus siue laicus uiuens sub regi-
mine eiuili uel spiritali ^') in praedicto praediolo sanctiraoui | ales impulsauerit
uel aliquo grauamine concusserit decimas uel iura aliqua ab eis exigeudo off'en-
sam regiam se sciat ineurrisse. Yt hec autem concessionis causa legitima a
eunctis maueat | inconuulsa exaudita peticioue sanctimonialiuiu sigillo uostro
decreuimus communiri ; nee hoc reticeudum est quomodo aut qualiter hoc prae-
diolum maiestati nostre ^*) sit subiugatum. Vir nomine Vlricus | bona eonver-
sationis praediolum sepedictum primus cepit excolere et ante constructionem
cenobii Regii pontis in eodem nouale plantauit; postea sanctimoniales eundem
locum ceperunt excolere et inhabi | tare ^^). Prima abbatissa eiusdem loci Adel-
heidis nomine fuit de Vechenheim. cui successit germana sua nomine Agnes
sub cuius tempore frater quidam nomine Remboldus -*') idem nouale excoluiLI
Tercia vero abbatissa fuit -^) Yta -^) nomine sub cuius tempore quidam pres-
byter Rodolfus nomine in eodem nouali uineam plantauit. Quarta uero abba-
o
tissa Agnes nomine fuit de Rode. Quinta abbatissa \ ta nomine fuit de | Sur-
burc sub cuius regimine nos cum ante dicto praediolo cenobium in Regisponte
legitimatione perpetua forma concessionis dotauimus. Nee hoc est praeter-
mittendum (juod iste quinque abbatisse | de nouali sepedicto decimas nullas
persoluerint, sed Heinricus plebanus de Cochenheim sub tempore quinte abba-
tisse de praedicto nouali decimas exegit, quibus negatis sicut Cistercei ordinis
norma | exposcit ad Metensem ciuitatem abbatissa ■-^) ap[tellauit. Scultetus uero
mens de Hagenowe conuocatis partibus utrisque ad dilfiniendam appellatiouis
causam diem constituit hanc uiris | discretis cum consensu partis utriusque
committens scilicet Conrado Hoselino et Heinrico militi de ^Yinstein et
Rischardo "*) Lamperto de Steigen ut ipsi secundum ministerialium meoruni
sentenciam | terminarent. Heinricus vero de AYinstein ad diem praeordinatam
non uenit, sed responsalem ■■') misit, cuius absentiam plebanus de Cochenheim
uidens litis causam a prenominatis uiris Cvnra | do et Lamperto et Riscardo '-")
non permisit dilliniri. Ministeriales uero mei plebanum sub tali forma ex-
13) fehlt bei Iluillard. 14) ct. 15) perpctrari.
16j iiistillaiitc. 17j spiritiüiti. IS) iiostri.
IDj Der j^aiizc i'as.siis von ci'i)il excolere liirf inliahilare l'ehlt hei ii.
20) Reiiiholdus. U) fehlt hei' II. 2-2) Ulla.
23) ahbalissain. Das ürij^iiial /.vlal zwar iilier ilem a eiiiiMi Abivür/.uiitfssirich, doch
ist dcrscli)e entschieden fehlerhaft, wie der Sinn des Salzes deutlich zei;;! : lleinricns de
(-ochi'ntieiin hatte zum erstenniale einen Zehiden von dem ^cenannieii (liilchen bezahlt, da-
gegen erhob die Äbtissin Einspruch.
24) Uichardos. 25) responsorialeni.
26) Huillard bat Uichardo Lamperto.
— 40 —
hortuntes ut cenobiiini sepedictum omni occasione sepulta in sui iuris re ] g-ula
perniitteret perseiierai-e. Quo noii concedente surrexit Conradus Hoselin '^'') et
u presenlibus dilig-enler"'^'') sciscilabatur si iudieio nostro ad obtinenda iura
repilia posset praesidcrc qui | una uocc et conimuni consilio annuerunt. His
ita ^estis WoICelinus sujjor plel)anuni ol su'os conii)licGs eorani üvnrado nioucns
• luerinioiiiiini quod iura nostri predii iuni duduiii ol)uubilassent j et quicumiue
in bo(.' proposito uellet perseuerare eum a lali proposito eo quod iuris sentencia
dic'laret uellet reuocare, ciii data sentencia idein Wolfelinus cum sex uiris dis-
cretis Gerardo scilicet de Grriez -") Trutmanno de Sveichusan ^"3 Erlvwino de
PlalVnhoven Folchelino el lilio suo Rvdeg-ero Yasuach et per priuileg-ium sancte
Adelheidis iuramenio attestanle | sepedictum prediolum ad niaiestatem reg-iam
pertinere comprobauit. i^rimo placito interfuit Via abbatissa cum generali
capitulo in decoUatione Johaiinis baptiste et plebanus de Cochen [ heim cum
suis parrochianis quorum nomina sunt hec Fridericus Schrodel, Wiiiniarus,
Diemarus''*) cum duobus filiis suis, Conradus senex cum filio suo, "Wolfelinus
de Litheim omnesque de Rieth | a maximo usque ad rainimura, Rvdolfus frater
hospitalis^-) de Stephesuelt, Cvnradus Meisa, Cvuradus decanus de Selsa,
\ Iricus decanus de Surburc. Secundum placitum fecit in | vigilia Mathei ewau-
geliste cui interfuit Wiricus cellerarius ile Salsa ^^) ferens priuilegiura sancte
Adelheidis cuius tenore Sigeboto^^) plebanus de Sveichvsan sub quercu Yechen-
heim | cunctis audieutibus recitauit in quo omnia iura regalia declarabantur
assignans fines predii nostri in Cochenheimerbrucca^^). His ita gestis et predio
ab illatis iniur | iis enucleato Wolfelinus ad memoriale sculpsit cruceiu Cvn-
radus in alia arbore Folchelinus assignauit lapidem in uia publica et alium
lapidem in cliuo cui due cruces | sunt intexte ligneam uero crucem posueruut
in Cochenheimerbrucca^") et sie auctoritate nostra litem que uertebatur inter
sauctimoniales et Heinricum plebauum de Co | chenheim nullo rennuente discus-
serunt. Testes huius rei sunt hü Cvnradus mouetarius, Gotfridus gener cius^^)
Cvnradus Rosenbergere^**), Wernherus senex, Volquinus Sumer | de Betensdorf,
Otto de Rotershoven et frater eins Heinricus de Rentershoven, Cvnradus Preco
de Hatene, Berhtoldus et fdius eins Anseimus ^^), Fridericus de Svuelheim,
Walterus scolas 1 ticus de Selsa et prior de Novocastro. Vt autem hec com-
posicio rata permaneat et inconuulsa praesens exinde priuilegium conscribi et
sigillo nostro iussimus communiri. | Cuius rei festes sunt Berngerus Spirensis
episcopus, Cvno abbas de Wizeuburc, Cvuradus praepositus de Tanne, Cvnradus
pincerna de Winterstetin, Fridericus dapifer de Wal | burc, Heinricus de
Rauensburc, Cvno et Albertus fratres de Svmerovve et alii quam plures.
Actum apud Hagenowe anno dominice incarnationis MCCXXYH idus
Nouembris indictione prima.
Nürnberg. Dr. M. Bendiner.
27) H. hat Hoselinus. 28) fehlt bei H. 29) Gries.
30) Schweigusen. 31) Dicuiarus. 32) hospitalarius.
3.3) coUariiis de Selsa. 34) fohlt bei II. 3o) Cocheiiheiiii.
36) Cochenheimer Bruna. 37) Goltefridus gener ipsius. 38) Risenberger.
39) Die JN'amcu von Heinricus de Rentcrshoven bis Anseimus fehlen bei H.
41 —
Zivei römische Inschriften des germanischen Xatienalmuseums.
as g-ermanische Nationalmuseum in Nürnberg besitzt die beiden römischen
Inschriften, welche ich nachstehend mit Beifügung einer Nachzeichnung
' veröffentliche.
1) Fragment eines Bronzetäfelcheus (bis 67 mm. hoch und bis 72 mm. breit)
»gefunden in der Grafschaft Mansfeld« (R. 336). — Die erste Mitteilung über das-
selbe erhielt ich durch Dr. Karl Schumacher, welcher mir im Jahre 1884 eine
Abschrift nebst einem Abdrucke überbrachte. Die Museumsdirektion schreibt
mir auf Befragen : »an der (oben angegebenen) Fundnotiz ist, soweit wir wissen,
nicht zu zweifeln«. Schwerlich aber gehörte die Inschrift, welche etwa aus
dem 2. Jahrhunderte oder aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts stammt,
ursprünglich in jene weit von der römischen Reichsgrenze liegende Gegend.
Man wird vielmehr annehmen müssen, dafs sie aus dem römischen Gebiete,
z. B. den Rheinlanden, in neuerer Zeit dorthin verschleppt worden und dann
verloren gegangen ist. In den sechziger Jahren wurden auf der Domäne Peukeu-
dorf im Sondershäusischen römische ßronzemedaillons ausgeackert, die aber
Julius Friedländer als moderne (paduaner) Fälschungen erkannte : sie stammten
vermutlich aus der Sammlung eines früheren Domänenpächters und waren mit
dem Kehricht auf den Acker gelangt.
\ N 15
An der unteren und der rechten Seite ist der Rand iles Täfolchons er-
hallen. Dasselbe war anii-cnau'clt , wie der rechts olien vorhandene Uosl eines
Loches erkennen läfsi. Die Buchstaben, welche die llülu' von 8, bozw. 7 und
o mm. besitzen, sind ganz in der von vielen Bronzen bekannten NVeisc ein-
geschlagen, und an iinoiii römischen Ursprünge kann nicht gezweifelt werden.
Das 0 in Zeile 2 ist etwas mifsraten, wovon sich bei solchen Rundungen auf
Bronzen auch sonstige Beispiele finden. Der zweite Buchstabe derselben Zeile
Mitteiiuugoii aus dorn goriiiaii. Nutionuliiiuseum. 18t)ü.
VI.
— 42 —
ist otwas ubp:orichen iiinl. \vio auch das V von Zeile 3, durch harten, vermutlich
von oinoni daniufliegfemicn eisernen Gegenstande herrührenden Rost etwas
verdunkelt; es scheint mir aber kaum zweifelhaft, dafs ein 1 dasteht; wenig
wahrscheinlich wäre die Annahme eines T, es sei denn, dafs der Horizontal-
slrich sciir schwach gewesen wäre. Der darauf folgende kleine Strich ist wol
zufälhg. Über den drei Zeilen sieht man breite und tiefe Linien: diese sind
otrenbar niclit als Buchstabenreste, sondern als Verzierungen oder vielleicht
Hoste einer llgürlichen Darstellung zu betrachten. Die füiil' senkrechten, sehr
feinen Linien sind vom Bronzearbeiter wol nur vorgezogen zur Einteilung oder
einem ähnlichen Zwecke.
Füi- die Ei'gänzving lassen sich selbstverständlich nur unsichere Ver-
mutungen aufstellen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Votiviuschrift
und war das Täfelchen an dem dedicierten Gegenstande angeheftet. Auf dem
verlorenen oberen Teile hätte dann der Name der Gottheit gestanden ; darauf
Iblgten unten 1) die Namen des Dedicanten, z. ß. C. Val(erius) 6'omMVNlS
FI ¥(iUus) — oder FI (fllius) ¥(ecit) — PROMIS 1 sum
pro sal(ule) «VA oder PROMIS sum, cum coniuge s\A oder dergl.
]n der zweiten Zeile könnte auch der Name der Centuria gestanden haben:
[> ru ?*] FI. Zu fecä promissum läfst sich die Inschrift Corp. Inscr.
Lat. VIII n. 9020 vergleichen: »votum promissum cum lulia Donata coniuge
. . . aram constituit«. Aber der Ausdruck ist ungewöhnlich. Domaszewski
denkt anffecit) pro mis[sione s]ua mit vorhergehender Angabe des Truppenteiles.
2) Bleierner Ring (R. 492), 9 mm. breit, 53 bis 56 ram. im Durchmesser grols,
weniger als 1 mm. dick, auf der Rückseite platt, oben zwischen zwei erhabenen
Handlinien eine Aufschrift in erhabenen, rückläufigen, durch Guts hergestellten
Buchstaben zeigend. Das Blei ist durch das Museum im Jahre 1888 von einem
Wiener Händler, welcher über den Fundort keine Auskunft geben konnte
oder wollte, als Zugabe zu einem Kaufe erworben worden.
Ohne Zweifel ist zu lesen:
DIN • DA • RI • VI • VASET • INVIDIS MENTLA
Dindari vivas et invidis ment(u)la(m) .
— 43 —
Von der hier zu Anfang' verwendeten syllabarischen Interpunktion finden
sich viele Beispiele. Dindari ist offenbar der Vokativ von Dindaris, einem sonst
zwar, wie es scheint, nicht vorkommenden, aber ganz korrekt g-ebildeten weib-
lichen Personennamen. Wie Dardanius und Dardanis nach den Dardani, so ist
Dindaris von den Dindari genannt. Diese Völkerschaft wohnte in Dalmatien
nach Plinius n. h. III § 143 und Ptolem. II 16 § ö, deren Schreibung- des Namens
durch dieses erste epigraphische Zeugnis bestätigt wird. — Die apotropäische
Bedeutung des Phallus gegenüber den Einwirkungen des bösen Blickes, in
welchem vor allem der Neid sich äufsert, ist bekannt genug. Vgl. Otto Jahn,
über den Aberglauben des bösen Blickes, in den Berichten der Sachs. Ges. 1853,
S. 68 ff. — Ähnliche Bleiriuge sind am Niederrhein zu Tage gekommen : ein
unbeschriebener in Zülpich und zwei beschriebene in Xanten und Gleve, von
denen jener eine griechische, dieser eine lateinische Aufschrift trägt. Die
beiden ersteren sind besprochen in den Bonner Jahrbb. 47 S. 137 ; 30 S. 133
und 66 S. 94 (mit Abbildungen), der letzte ebeudas. 61 S. 76 und 66 S. 94.
Aus diesen Funden hat sich ergeben, dafs solche bleierne ringförmige Streifen
die Fassung für den Glasdeckel eines Gefäfses bildeten nach Art des Ringes
eines Uhrglases. An dem Zülpicher Exemplare ist der Glasdeckel, wenn auch
zerbrochen, noch erhalten. Der Xantener Ring sitzt auf einer viereckigen Blei-
platte auf, welche offenbar den oberen Gefäfsrand bedeckte : zwischen beiden
stecken noch Splitter des Deckels. Die in solchen Gefäfsen oder Büchsen ent-
haltenen Substanzen scheinen zu Heil- oder kosmetischen Zwecken gedient zu
haben. Die griechische Aufschrift von Xanten wird von Rumpf (Bonner Jahrbb.
30 S. 133 ff.) erklärt: xuXix(tO'.ov) toutsc [i= xoutc] v6a(ov) dv'.ap(av) eAaxTO) Tioer.
Auf dem Exemplare von Gleve hat mau gelesen : ciipe pigniis amoris Albanus
fecü es, doch scheint die Erklärung beider Stücke noch nicht völlig gesichert.
Heidelberg. Karl Zangemeister.
£iue karoliugische Elfeubeiutafcl.
fas Kloster St. Gallen erhielt aus dem Schatze des Erzbischofs Hatto I.
von Mainz (891—913) ein Elfenbeindiptychon, das, ehedem inwendig mit
Wachs überzogen, Karl dem Grol'sen bei seinen Schreibübungen diente.
(Einhardi Vita Karoli M. XXV.) Eine dieser Tafeln war schon geschnitzt, die
andere wurde durch des berühmten Sanct Gallenser Mönches Tuotilo Hand ver-
zierf In dieser Tafel des Tuotilo, welche durch zwei Inschriftenreiheii in drei
Abteilungen geteilt ist, erscheini in der Mitte die Himmelfahrt Maria, in der
unteren Abteilung eine Scene aus dem Leben des heiligen Gallus. In dem
oberen Felde der Tafel hat der Künstler nicht eine Figurenkomi)osilion ange-
bracht, sondern die Fläche mit einem ansprechenden Ornaiiienl beleitt. Dem
Akanthus entfernt ähnelndes Blattwerk füllt in anmutiger Bewegung das Feld
aus. Es ist nicht zu bezweifeln, dafs der Meister das Ornament nachgeahmt
hat, welches den oberen Teil der anderen Diptychonplatte ziert: dii' lilatlformeu
und Motive sind vidlig gleich, unil doch ist aul' der Tafel des Tuotilo die Be-
wegung des Ornamentes klarer und manche häl'sliche Stauchung der Hlälter
vermieden.
_ 44 —
Rührt min diese Tafel sicher von Tuotilo her, so sind ihm auch die
ScliiiitzortMen dor Eiroiibeiiiplatlo zuzuschreiben, welche den f]inband des Codex
Nr. (5(1 in Sl. (jullon zieren. Die g-lciche Art des ranicenden Ornaments mit den
identischen lilutUbrmen begeg-net uns auch hier').
Damit war der Kreis der Denkmäler bisher g-eschlossen, welche die künst-
lerische Bedeutung- Tiiotilos bestimmen sollten. Das g:ermanische Nationalmuseum
hat nun vor Jahresfrist von den Gebrüdern Bourg'eois in Köln eine Elfenbein-
tafel (K. P. 2153) erworben, welche unzweifelhaft in enger Verwandtschaft zu
diesen Sanct Gallenser Werken steht. Sie ist durch schmale Quersi reifen in drei
Felder g-eteilt, jedes in der Anordnung- eines Vierecks, durch Zierg-ebilde von
reichem, stilisierten Blattwerk gefüllt.
Dieses Blattwerk erbringt dafür den besten Beweis, dafs nicht nur die
klassischen Motive übernommen wurden: am wirksamsten tritt die Übernahme
der Gesetze klassischer Ornamentik in den Vordergrund. Schon die Abgrenzung
der einzelnen Felder ist dafür ein unverkennbarer Zeuge. Wol grenzte auch
die irische Buehornamentik durch schmale Leisten die einzelnen zur Flächen-
füllung benützten Motive von einander ab, aber vergebens sucht man hier nach
einem feinen Verständnisse für das organische Leben der Formen. Die karolingische
Ornamentik dagegen ging bei der antiken in die Schule: die harmonische Aus-
gestaltung und Abschliel'sung jedes Motives, so dafs es auch ohne äufsere An-
deutung als Ganzes wirkte, ist unmittelbar unter antikem Einflüsse gereift.
Enthalten auch die einzelnen in sich abgeschlossenen Felder verschiedene Mo-
tive, so herrscht doch unter den einzelnen Motiven selbst ein unverkennbarer
innerer Zusammenhang: die Umrahmung bildet also keinesfalls ein Gewalt-
mittel, um für ein völlig neues Motiv Raum zu schaffen, sie gliedert vielmehr
einen einheitlichen Gedanken, läfst denselben in verschiedenen Feldern mit
künstlerischem Empfinden verschiedenartig zur Aussprache gelangen.
Unwillkürlich drängen sich hier kunstarchäologische Fragen bedeutsamer
Art auf: die Kunst des 0. Jahrhunderts hatte ihre Heimat in Byzanz — Elfen-
beinschnitzereien aber treten erst nach der Gründung Konstantinopels auf.
Lehrreich ist ein Vergleich des Reliefstils der gleichzeitigen römisch-christ-
lichen Sarkophage im Lateran u. a. a. 0. mit gleichzeitigen Reliefen der Bildhauer
am Bosporus in den Mauern von Konstantiuopel und aus dortigen Kirchen ver-
schleppt nach Venedig, nach Cheropotamos auf der Athoshalbinsel und ander-
wärts. Das Prinzip der Reliefierung ist hier dasselbe wie in den Konsular- und
verwandten Diptychen, während die Elfenbeinreliefe des Mittelalters den Stil der
römisch-christlichen Skulpturen aufweisen.
Bei dem Streben, den Zusammenhang der Bildwerke mit der Kultur des
Mittelalters, wie sie uns in litterarischen Denkmälern entgegentritt, nachzu-
weisen, gilt als Grundbedingung- für erfolgreiche Forschung die Scheidung-
dekorativer Darstellungen von den historischen.
In dem vorliegenden Falle haben wir es mit einer dekorativen Wieder-
holung ursprünglich bedeutungsvoller antiker Motive zu thun, — die Frage
1) W. Lübke erklärt allerdings diese Tafel für das antike Vorbild, nach welchem der
klö.slerlichc Künstler gearbeitet habe. Vergl. seine »Geschichte der Plastik« III. Auflage.
1. Bd., S. 307.
— 45 —
i!ii.iwwiii[|L;.::^'j;^gtiii^
mj!;'ii»iyii^!i;ii(|iilij,]ijfj[[f!i,,l^lij^i|ft<ii!i»j|
^iiiiiii:;!'i!!i!i;iit;N '
iu^:iii.!;iiiiiiiiJi,
>iiiiiim'iiriiii'M'iPiiiiiiiiHiiiiiiiiiiini]i!iii
'iniRMflffliiimfirflBfe^g^
— 46 —
nafh (l(Mii fnhiille der Diu-stollmi,^' hilUe uns deshall) cig'cnilich weniger zu be-
scliiirtii:;eii, wenn nicht die Hezi(;hunf»-en zu den St. (jallenser Bildwerken dies
verlaiiiilon. Kein leg-endarischer Stoß" hat auf der Tafel Verwendung gefunden
— nur Pnanzenonumient, Hankenwerk und eine Tiergestalt, wie sie ähnlich in
der sitätröniischen Kunst vorkommt; aber diese Formen tragen das eigentümliche
Gepräge jener Kulturperiode, welche als die Auferstehung der Kunst des Alter-
tums betrachtet wird.
Was man der Tuotilotafel nachrühmt: dafs sich in ihr die Wiedergabe
dos Pflanzenornaments am glücklichsten zeigt, kann man auch von unserer
Klfenbcintafcl behaupten. Und die St. Gallenser Bildwerke dürften in ihrer
Art nicht so ganz vereinzelt dastehen und nicht so ohne allen Einllufs auf die
Entwickelung der deutschen Elfenbeinplastik geblieben sein, als dies z. B. Wil-
helm Bode in seiner »Geschichte der deutschen Plastik« annimmt. Unsere Tafel
kann wol mit Recht dafür als Zeuge gelten. Ein Vergleich des oberen Feldes
der einen Tuotilotafel ^), mit dem unteren Felde unserer Tafel zeigt, wie die
prächtigen Akanthusranken der St. Gallenser Tafel in dem weit kleineren Felde
zwar eingeschränkt und deshalb in der eigenartig frischen Entfaltung des
lebendigen Motivs, im schönen Schwünge der Linie, bedeutend beeinträchtigt
erscheinen, aber die charakteristische Formenbildung des Akanthusblattes der
St. Gallenser Tafel läfst sich trotzdem auch hier noch erkennen. Namentlich
das an beiden Tafeln verwertete Motiv eines Bandstreifens, welcher dazu be-
stimmt ist, parallel laufende Ranken zu verbinden, ist in dieser Richtung
von hervorragender Bedeutung. Im Übrigen ist jedes der beiden Felder aus
regelmäfsiger Wiederkehr derselben Ornamente entstanden; die streng beobach-
tete Anordnung des Ornaments im Quadrat verleugnet nicht dieses Streben
nach Symmetrie. Das mittlere Feld, im bekränzten Medaillon den Adler bergend,
der seine Schwingen ausbreitet, zeigt ebenfalls eine überraschend geschickte
Anordnung; gerade hier finden wir die ganze Summe ornamentaler Erfahrungen
verwertet: kein stummes Spiel mathematischer Elemente, sondern die künst-
lerische Bewältigung des Lebens, der Organismen — allerdings in ornamentaler
Äufserung, ohne ängstliches B'esthalten an den natürlichen Formen des Laub-
werks. Die Initialornamentik der Karolingerzeit lehrt uns, dafs sie in den
ersten Jahren des Mittelalters eine Blüte der Verzierungskunst zeitigte, die
später nie mehr erreicht ward: ähnlich ist es auch mit der Elfenbeinplastik.
Das Gefühl für ornamentale Schönheit zeigt sich bei ihr in hohem Grade ent-
wickelt, obgleich es sich nur an der Nachahmung antiker Vorbilder geltend
macht. Wenn auch in der Karolingorzcit eine bedeutende Kunstthäligkeit sich
zu entwickeln begann, so hatte sich tloch ein eigentümlicher, nationaler Kunst-
stil in der Klfenbeinplastik noch nicht gebildet. Man hielt sich, wie im Grofsen
und Ganzen für die Gesammtbildung, so für die Kunst, an die Überlieferungen
der römischen Kultur, ja man blieb teilweise selbst für den Ausdruck der Ge-
danken an die Anschauungsweise der Antike gebunden.
Der 30. Brief Einhards gibt darüber Kunde, dafs er einen Schrein mit
elfenbeinernen Säulcheu von zeitgenössischen Künstlern anfertigen liefs, — das
2) Vergl. Abbildungen in W. Bode »Goschicbte der deutsclien Plastik« S. 8;
W. Lübke »Gesdiiclite der Tlastika (]]\. Aufl.) 1. Bd., S. 397; Alwin Scbullz, Tuotilo
von Sl. Gallen, in üolimes »Kunsl und KüusUcr« I, S. 29.
- 47 —
Testament des Grafen Eberhard, des Schwiegersohnes Ludwigs des Frommen,
nennt unter den an die Kinder des Erblassers zu verteilenden Kunstg-eg-en-
ständen zwei Elfenbeintafeln, einen elfenbeinernen Pokal, ein Schwert mit
elfenbeinernem Griffe und einen mit f]lfenbeinreliefen verzierten Köcher, — aus
»Flodoardi Eccl. Remensis historia« wissen wir, dafs Hincmar, Erzbisehof von
Reims, im Jahre 845 die Werke des hl. Hieronymus mit Elfenbeinplatten und Gold-
rändern versehen und ein Lectionar mit Decken aus Elfenbein und Silber
schmücken liefs; — eine Reihe noch vorhandener Elfenbeinwerke spricht deut-
lich für die sorgfältige Pflege, welche die Elfenbeinplastik der Karolingerepoche
gefunden hat.
Ganz im Geiste der St. Gallenser Werke gearbeitet und offenbar unter
unmittelbarem Einflüsse derselben entstanden, kann auch wol die Elfenbeintafel
im germanischen Museum sich zu jenen karolingischeu Denkmälern gesellen,
welche die Bedeutung St. Gallens für die Kunstgeschichte bestimmen.
Nürnberg. ' Franz Friedrich Leitschuh.
Einige FeiierYvaffen des 14. und 15. Jahrhunderts.
]ie Gruppe der Feuerwaffen des 14. und 13. Jahrhunderts im germanischen
.Museum hatte jüngst den Zugang von sieben Stück zu verzeichnen,
welche durch Vermittlung des Herrn Hofantiquars Drey in München
bei der im März d. J. zu Rom erfolgten Versteigerung der Sammlung Richards
erworben wurden, wo sie fast sämtlich als dem 14. Jahrhunderte angehörig be-
trachtet und im Kataloge verzeichnet waren, was nun freilich teilweise richtig
zu stellen ist.
Wir haben auf S. 49 des zweiten Bandes unserer Mitteilungen Herrn
General Köhler das Wort gegeben, sich über einige der ältesten Feuerwaffen
auszulassen, und er hat das dort Gesagte in seiner »Entwickelu ng des
Kriegswesens und der Kriegführung in der Ritterzeit« (Breslau,
Kühner) in der ersten Abteilung des 3. Bandes wiederholt berührt und an
beiden Stellen die Wichtigkeit unserer Dresdener Büchse betont. Nach seiner
Angabe ist für die Büchsen des 14. Jahrhunderts eine Länge des Rohres von
sechs Seelenwciten charakteristisch. Ob dies so ganz genau zu nehmen ist?
Jene (Nr. ö34 des Auktionskataloges) unter den neu erworbenen Büchsen,
die wir für die älteste halten unti in das 14. Jahrhuiulert setzen iiiöchten^),
1) Es ist allerdings scIiwit. solche Stücke /u dalieivii. Es sind clirii Jly|n)tliescii, die
wir hier aufslellcn können. In dem genaniden Buche »Knhvickeluntr des Kriegswesens«
macht schon Köhler darauf aufmerksam, dals hei keiner von ihm dem l'i. Jahrhunderte zuge-
wiesenen Büchsen ein positiver, iiufserer Beweis für diese Ursprungszeil aufgehrachl werden
kann. Für die einzige Tannenherger Büchse, für welche ein so gut wie urkundlicher Beweis
vorliegt, will er denscihen nicht gelten lassen und sie wesentlich Jünger ansehen. Ist es
nun Ketzerei, wenn wir glauhen, dafs er die Stücke fast sändlich um einige Jahrzidmte zu
jung datiert? Seine Keilienfolge der Ktdwickelung kann t.'ilil wo! hcsldieii iilcihen und
doch die Tannenherger vor 139U gesetzt werden, wt^nn das Aller auch seiner ührigen um
zwei his drei .Jahrzehnte höher angenommen wird; denn die Aidialtspunkle aus den rohen
Handschriftillustrationen sind ehen doch auch keine gar zu zuveriiissigen, weil gerade die
wiclitigste Handschrift, der Münchner Codex üUO, ehen doch nicltl datiert ist, und dessen von
— 48 —
hat eine otwas gröfsere Läng-c als sechs Seelendurchmesser, nämlich gegen-
über den (j,;) Diuchmessern der Dresdemr liüchsc etwas über 7, da bei
einem Durchmesser von 4.7 ein. die Röhre eine lichte Länge von 33.3 cm.
^^4v<^'./-'}^^>K^mkMämM^:^'.^-.^^^^^
r;y- ,>^-^>^f''\'/v/.///////^//////7:'.>j.'/.v^/^/,-,!iji>.'}y/'ii'
Fig. 1.
hat. Eine Kammer ist nicht vorhanden, so wenig als bei der Dresdener,
Jjuxemburger und Linzer. Das neu erworbene Stück ist aus Eisen geschmiedet
und seine Zusammensetzung aus einzelneu Eisenteilen hinlänglich ersichtlich.
Verschiedenen abweichend ci'folgte Bestimmung um mchi' als 100 Jahre auseinander geht.
Während ihn Rettberg in den Beginn des 14. Jahrhunderts setzt, wir in den Schlufs, ist er
im ülTiziellcn Kataloge dem 15. Jahrhundert zugesclirieben. Al)or wer wollte auch auf Grund
der llüclitigen und ungeschickten Zeichnungen als ganz sicher anzusehende Detailschlüssc
daraus ziehen ? Auch die erhaltenen Originaldenkraale sind roh gearbeitet, ihre Unregel-
mälsigkeit ist so grofs, dal's geometrische Zeichnungen sie gar nicht richtig darsteUeu können.
Die Verjüngung der Tannenbergcr Büchse ist z. B. so gering, dafs sie gar nicht in Betracht
kommt und ebensowol von Ungcnauigkeit der Arbeit herrühi'en kann, als von der Absicht,
sie konisch zu machen. Gerade so halten Avir die Genauigkeit und Schärfe der Zeichnung
in dem Wiener Codex 141, von der wir auf Tafel Vlll des zweiten Bandes unserer Mit-
teilungen eine Reproduktion gegeben haben, nicht für hinlänglich sorgfältig, um festzustellen,
dafs die Büchse dort nicht leicht konisch sei. Wann kommen überhaupt die ersten ver-
jüngten Röhren auf?
Aber, müssen wir tragen, wüi'dc man übei'liaupt sich das ganze 14. Jahrhundert lang
mit den Feuerwaffen abgegeben halten, würde man nicht die Anwendung überhaupt ver-
worfen haben, wenn man bis zum Jahn" 1.S90 nicht einmal zu Resultaten wie die Tannen-
berger Büchse gekommen wäre? Denn dafs überbaupl «rst dann die Büchsen leistungsfähig
waren und zu weilerem Streben nach Vervollkommnung anregen konnten, wenn sie auf
diesem Standpunkte sicli fanden, liegt auf der lland. Hätte man ein Jahrhundert lang sich
ohne jedes Resultat abgemüht, so würden wol die Feuerwaffen damals ganz bei Seite ge-
lassen worden sein.
— 49 —
Die Erhaltung ist eine recht gute. Zu innerst befindet sich eine über einen
Dorn geschmiedete, zusammengerollte Platte, um welche Ringe herumgelegt
sind. Das Gewicht beträgt 16,o kgr. Am mittleren Ringe ist oben ein Ansatz
für einen beweglichen Ring, um das Stück, wenn es auf einem Holzblocke be-
festigt war, tragen und auch dirigieren zu können. Wenn, wie Köhler sagt,
die genannten Büchsen Bleikugeln schössen, so ist es auch von dieser wol anzu-
nehmen. Zu einer besonderen Bemerkung gibt aber die Ungleichheit im Inneren
der geschmiedeten Seele Veranlassung. Entweder mufs bei der Herstellung die
Platte nicht dicht um den Dorn geschmiedet worden sein, um denselben leichter
wieder herausziehen zu können, oder die Seele ist durch das Aufschweifsen der
plattenförmigen Ringe, welche die äufsere Verstärkung bilden, aus der Form
gekommen, wenn diese Verstärkung erst aufgeschmiedet wurde, nachdem der
Dorn entfernt worden war. Die Ungleichheit ist so stark, dafs an einzelnen
Stelleu der Durchmesser ganz merkbare horizontale, an anderer Stelle vertikale
Ellipsen bildet. Es sei hier nebenbei bemerkt, dafs auch die Seele unserer
Dresdener Büchse eine fast noch ungleichere Innenlläche zeigt, die wir ebenfalls
der Art der Herstellung zuschreiben. Obwol Eisentechniker, die wir befragt
haben, nicht unsere Ansicht teilten, glauben wir doch, dafs die Herstellung
nicht anders erfolgt sein könne, als dafs in den glühenden Eisenblock ein
eiserner Klotz von vorne hinein geschlagen worden ist. Dieses Schlagen oder
etwa Auffallen des Klotzes auf die Mündung des rot- oder weifsgl übenden
Blockes wurde so oft wiederholt, bis die Seele ihre Länge hatte, und da die
Seele nicht ausgebohrt ist, so blieb die naturgemäfs entstandene Ungleichheit,
denn dafs die Büchse weder gegossen, noch über einen Dorn geschmiedet und
aus einer Platte zusammengeschweifst ist, ist klar; ein Dorn hätte bei solcher
Unregelmäfsigkeit der Seele gar nicht herausgezogen werden können; auch
würde kaum ein Stück von solcher Stärke, wie sie die Dresdener Büchse hat,
so aus einer Platte geschweifst werden können, dafs die Zusammensetzung
nicht sichtbar würde. Und gar die Aufschweifsung des Bodens müfstc ebenso
erkennbar werden, wie sie an unserer hier in Fig. 1 abgebildeten neu erworbenen
Büchse erkennbar ist, die wir im gleichen Mafsstabe mit der Dresdener auf
S. 50 des 2. Bandes dieser Mitteilungen gegeben haben, in V* der Originalgröfse.
Die Stadt Perugia liefs im Jahre 1364 fünfhundert Bombarden von der
Länge einer Spanne anfertigen. Sie mögen etwa der Art gewesen sein, wie zwei
Fig. 2.
Stücke, die aus der Richardsschen Sammlung (Nr. G4l) und
641 des Auklionskataloges) zu uns gekommen sind, deren
eine in Fig. 2 abgebildcl ist. Ihre Seele lial bei einem Dureh-
messer von 2 cm. eine Länge von 19,(5 cm., die äufsere Länge be-
trägt mit dem Boden 2."i cm., an letzterem ist noch eine Tülle von
15,4 cm. Länge befestigt, in welche ein Holzstiel von beliebiger
Mitteilungen aus dem gennuii. Nalioiiulinusouni. 1890.
VII.
— öü —
Ijiiiifrt' liint'ing'cslnckt wcnlcii kniinti'. Diis Uewichl ohne Holzstiel beträgt
3/.i:i kfi:r.
Die hier iil)f,''el)il(l('l(; Hlichse ist aus einer über einen Dorn zu-
suinnjcngesrhweifsten Hüjjre mit unigeleg-ten Verstärkungen hergestellt; sie
hiil noch um vordersten Hinge oben einen Ansatz mit einem Loche für einen
King, der bei der zweiten, die dieser fast gleich ist, fehlt. Die Arbeit ist gleich-
falls aufsen und innen im hfichslen (irade unglcichmäCsig und roh. Nun weifs man
.ja, dals die Schlosserarbcifen des Mittelalters eine hohe Vollendung der Schmiede-
technik zeigen; indessen dürfen wir die Arbeiten der Kunstschlosser nicht als
Malsstab für jene der Büchsenschmiede betrachten, dürfen aber doch wol in der
ungleichen Ausführung ein Zeiclu'ii verhältnismälsig hohen Alters sehen. Freilich
haben wir in den ältesten Abbildungen geschalteter Handbüchsen diese Form nicht
vertreten; aber es darf doch nicht vergessen werden, daCs, was uns an Denkmalen
und bildlichen Darstellungen erhalten ist, durchaus den Kreis dessen nicht er-
schi'ipft. was voi-handen war, und dals das ganze 14. Jahrhundert eine Zeit der
Versuche war. In welche Zeit sollten denn diese spannenlangen, rohen Büchsen
gehören, wenn nicht in die erste Periode. Betrachten wir die Tannenberger
Büchse (deren bi.sher angenommenes Alter zwar Köhler nicht gelten lassen will,
die aber doch, selbst wenn wir iliiii nMJit geben wollen, was wir uns doch noch
vorbehalten müssen, nicht zu tief in das Ib. Jahrhundert hereingehen kann)
mit ihrer Kammer und ihrer sorgfältigen Bohrung, mit ihrer Länge; betrachten
wir die Zittauer Büchsen, Mitteil. IL Bd., S. 52, so kr»nnen wir kaum denken,
dals später so rohe Büchsen geschmiedet wurden, wie unsere beiden eben er-
worbenen Stücke.
Nicht minder interessant scheint uns eine vierte Büchse zu sein (Nr. 533
des Auktionskataloges); eine lange Köhre (Fig. 3, ^,7 der Originalgröfse), die offen-
bar nicht auf eine eigentliche Schaffung berechnet war, sondern frei
aus der Hand benützt werden sollte. Dafs sie erst dem L5. Jahrhun-
derte angehört, scheint nicht zweifelhaft. Aber sicher gehört sie doch
zu den ältesten Röhren von solcher Länge. Sie ist gleichfalls von
Eisen geschmiedet, und es läfst sich ihre Zusammensetzung erkennen.
Auch hier ist ein Rohr hergestellt und durch weitere, teils einfache,
teils doppelte. Umlegung verstärkt. Die Seele ist innerlich glatt, nicht so zwar,
als ob sie ausgedreht wäre, wie die Tannenberger, aber doch so glatt, als sie
um einen festen Dorn mit Sorgfalt geschmiedet werden kann, und dafs immer-
hin eine in einen weichen, gefetteten Lumpen gewickelte Kugel sie passieren konnte,
ohne zu sehr aus der Richtung gebracht zu werden. Sie ist äufserlich achteckig,
und zwar ist diese Form durch alle Verstärkungen und Gliederungen durch-
geführt, was auch nur durch sorgfältiges Schmieden erreicht werden kann.
Das Ende bildet eine konische Verlängerung hinter dem Stofsboden, einem Dorne
nicht unähnlich, hinter einer kapitälartigen Gliederung. Im grofsen Rundstabe
dieses Kapitals ist das Zündloch eingebohrt, unmittelbar hinter dem Mündungs-
— Ol —
i'ing-e ist ein starker Ring- mit einem nach unten stehenden Haken umg-elegt.
Die Gesamtläug-e beträgt lÜ9em., die Läng-e der Seele 9ö cm, deren Durchmesser
2,4 cm. Das Gewicht des Stückes ist 9,6o kg-r.
Kürzer gehen wir über das fünfte Stück (Nr. 639 des Auktionskataloges)
hinweg: die Röhre einer aus Eisen geschmiedeten, mit verstärkenden Ringen
umlegten Büchse, von jenem Systeme, das wir auf S. 27 des ersten Bandes
unserer Mitteilungen abgebildet haben, jedoch wesentlich länger. Sie ge-
hört zu den besterhaltenen und schönsten Exemplaren ihrer Art. Die dazu
gehörige, bewegliche Kammer fehlt leider, doch sind noch die beweglichen
Ringe, jederseits zwei, teilweise vorhanden, mit denen sie auf dem Blocke
befestigt war. Ihre Länge beträgt 145 cm., die lichte Weite 5,1cm., das Gewicht
63 kgr. Dagegen ist als sechstes Stück eine Kammer (Nr. 335 des Auktions-
kataloges) dazu gegeben, die zu einem anderen etwas kleineren Exemplare
gehört und sich nicht an das vorhergehende bringen läfst. Auch hier ist die
aufserordentliche Unregelmäfsigkeit im Inneren bemerkenswert. Länge des
Inneren 33,5 cm., Gewicht 14,5 kgr.
Als siebentes Stück tritt ein Gewehrlauf (Nr. 643 des Auktionskatalogcs)
hinzu, für richtige Schaffung berechnet, mit grofser Pfanne an der Seite des
Stofsbodens, der dem Ende des 15. Jahrhunderts angehören mag.
Leider sagte weder der Katalog der Sammlung ein Wort über die Herkunft
der Stücke, noch war darüber etwas zu erfahren. Die Sammlung war ja indessen
bekannt und vielleicht ist irgend ein Leser dieses Blattes in der Lage, über ein
oder das andere Stück Auskunft zu geben.
Nürnberg. A. v. Essen wein.
Der Notpfennig' der Stadt Ingolstadt.
m vergangenen Jahre wurde in Köln eine Pergamenthandschrift für die
Bibliothek des germanischen Museums (Nr. 57 557) erworben, in welcher
8 über einen Notpfennig berichtet wird, welchen sich die Stadt Ingolstadt
vom Jahre 1497 an zurücklegen wollte, da sonst zu befürchten wäre, dafs die Stadt
»kunftigklich in mercklichen naclilail, wa kriegslewff, oder ander widerwertig-
kait entstund, kommen möcht.« Den Mangel an Mitteln, welcher mancher Stadt
zu grofsem Verderben, Schim|)t' und Spott gereicht, liefsen sich die Väter der
Stadt Ingolstadt, folgend der Ermahnung des hoehbcrühmten Poeten Virgilius.
zur Warnung dienen und verordneten, dafs jedes Jahr eine bestimmte Summe
Geldes, je nach Gelegenheit und Vermögen, in eine eiserne Truhe gelegt, in das
vorliegende Register eingetragen und davon nichts ohne besondere grofse Not
ausgegeben werde.
Wir lassen weiter unten den Wortlaut dieses Registers folgen, das zu-
nächst Nachricht über die Begründung dieses Schatzes, sodann über dtii Fort-
gang de.sselben bis zum Jahre 1567 giltt. Nach nun' Notiz aiil' 1^1. liM» sollen
vom Jahre 1557 an besondere Zettel über die zurückgelegten Gelder geschrieben
worden sein.
Der Stadt Ingolstadt ward die Anlage dieses Spari^l'ennigs aber ziemlicli
sauer a-emacht. Sieben .iabi-e hindiii'cli war es ihr infiglieli. dieser Verordnung
- 52 -
naeli/ukotiimon, aber bereits l.'JOO eulscbultlig-tcn sich die Herren, dafs sie nur
»miticrnius« eiii^eb^fi-t hnlnMi. und 1504 nuiCsLe damit jianz ausgesetzt werden;
Ja der liayerisclie l\ricy verscldaiig' soj;;'ar die bis daliin ersparten Gelder. Im
Jahre 1508 wurde wieder mit der Zurüciiieg-ung- des Notpfennigs beg'onnen; doch
mulste schon lälü abermals davon abgesehen werden. Recht voll ist die eiserne
Truhe nie geworden: einmal konnte wegen der Landsteuer, dann wegen des
Türkenzuges nichts eingelegt werden, ein andermal lieh man dem jjandesfürsten
das Geld, oder man mulste der fortwährenden Kriege wegen, sowie zum Schutze
der Stadt, für Bauten derselben u. s. w. Ausgaben machen. Im Jahre ioöO legte
man soviel Geld in die Truhe, dafs ihr Inhalt sich im ganzen auf eintausend
Gulden belief. Der Schatz der süddeutschen Festung Ingolstadt hatte also nicht
das mindeste gemein mit demjenigen, welchen heute die norddeutsche Schwester-
festung an der Spree birgt. Erst in den letzten Jahren, aus welchen sich Ein-
trüge in der Handschrift linden, werden ganz bedeutend höhere Summen ein-
gelegt. Über den etwaigen Fortgang und das Ende des Sparpfennigs ist uns
nichts bekannt ; wenn er nicht schon vorher sein Ende erreicht hat, so hat ihm
sicher, wie so vielem anderen, der dreifsig.jährige Krieg den Garaus gemacht.
Ehe wir nachstehend den Inhalt des Registers als Beitrag zum Finanzwesen
der deutschen Städte zum Abdrucke bringen, wollen wir noch einen Blick
auf dieses selbst werfen. Die Handschrift besteht aus drei Lagen von zweimal
zwei und einmal drei Doppelblättern von Pergament in Kleinfolio, welchen ein
Umschlag von Schweinsleder zum Schutze dient. Die erste Seite ist leer ; auf
der zweiten sind in AVasserfarben neun Wappen gemalt, nämlich diejenigen
von Bayern-Pfalz und Ingolstadt, dann die Wappen des Bürgermeisters Veit
Beringer'), des obersten Steurers Wolfgang Schramm-), des Hans Weigel ^)
und des Erasmus Wieland vom äufseren Rate, des Lucas Planck*) und Georg
Innst von der Gemeinde und des Stadtschreibers Andres Zayner, der, wahr-
scheinlich der Verfasser des einleitenden Textes, sich bescheiden nur mit den
Buchslaben A. Z. bezeichnet hat"). Auf Bl. 2a beginnt der Text der Hand-
schrift. Auch diese Seite erfreut sich farbigen Schmuckes durch eine Miniatur,
w^elche aus einer auf goldenem Grunde in Blau mit Rot ausgeführten Initiale
besteht, von der Ranken, dem vorderen Rande entlang, auslaufen.
Die Handschrift hat folgenden Wortlaut:
[Bl. 2a.] In dem Namen der Hailigen Triueltigkait Gottes Amen. Zewissen
sey geton allen nachfolgenden erweiten Stewrern*'), Nach dem in diser loblichen
Stat Ingolstat Camer ^) kain Gelt bisher fürgespart noch funden deshalben zu-
1) Sammelblatt des tiist. Vor. in u. i". Inj^olstadt II, S. 46.
2j Ebendas. S. Gl.
3) Das hici* befindliche Wappen Wcigcls weicht vua dem im Sammelblattc S. 71 be-
schriebenen darin ab, dafs es nicht auf schwarzem Dreiberge, sondern auf einem dem Schaber
der Gerber ähnliclien Gegenstände steht.
4) Sauimelblatt II, S. 47.
5) Sein Wappen besteht in einem blauen Schilde, der durch einen goldenen Zaun
(juer geteilt wird. Der Knaljc, weichen das Zaynersche Wappen nach Sammelblatt 11, S. 74f.,
enthalten soll, ist hier noch nicht vorhanden.
6) = Sli'uerorhcbern, Steuereinsammlern.
7) =: ölfeulliche Kasse.
— o3 —
besorg-en ist, das gemaine Stat kunftigklich in mercklichen nachtail, wa krieg-s-
lewflf, oder ander widerwertig-kait entstund kommen möcht, Solchs zufurkomnien.
Nach dem Virg'ilius der hochberümbt poet spricht, Das der Mensch hie im
Zeit g'lückhatrt vnd selig- sey, der sich bey fremder leute schaden lernt hätten
vnd warnen, alsdann in etlichen Steten vil vnfals in ernietung ^) der emplössung
der Camer bisher entsprung-en , das jn zu g-rossem verderben vnd nachtail
schimpf vnd spot g-eraicht, vnd kommen ist, darumb auch vnd nit vnpillich durch
die Philosophy wol g-esprochen wurt, das in solchem ain wissen zehaben ernie-
tung:^) manig-erlay geschichten vnd vbels in dem menschen Fürsichtig-kait zu
betrachtung- vnd furdrung* g-emaines nutz entspring', Also haben die Ersamen
weysen Veit Bering'er, dertzeit Burgermaister, Wolfgang- Schramm als Obrister
Stewrer. Hanns Weig-el. Erasm Wieland des äussern Rats Lucas Planck vnd
Georg- Innst der g-emain vnd all erweit Stewrer vnd einsamler des gemainen
g-uts diser loblichen Stat, solchs betracht vnd zühertzen g-enomen, Darauff
dise loblich Ordnung- angefangen Ynd bitten all vnd yed nachkommend Stewrer
als liebhaber g-emaines nutz, vff das allerhöchst vnd vleissig'ost ermanende, das
Sy alle Jar vnd yedes besunder, so die Stewr beschlossen ist, ain Suma grelts
nach geleg-enhait vnd vermug-en der Camer hin hinder (!) in die Eysin Truhen
leg-en von Jar ze Jar in dits Register einschreiben, dauon nichzit weder wenig
noch vil, on sunder mercklich grosse not vnd anligen gemainer Stat nemen,
das also gehaim der Stat zu ainem sundern schätz behalten vnd ain yeder
handeln als Er Got dem herrn am Jüngsten tag darumb antwurt geben vnd
Ion empfahen will, dann solch gut zu aufeuthaltung gemaines nutz, nicht-
sunnder dann der kirchen guter nach [Bl. ab] gaistlichen vnd weltlichen
rechten genennt wirdet, vnd ist das erst gelt durch die obgemelten Stewrer
von der Stewr gelegt worden des Jars als man zeit hat von geburt Cristj
vnnsers lieben herrn Tausetvierhundert Nuntzig vml Siben Jare. Nemlich an
altem giittem gold zwenundachtzig guldin reinisch , an swartzer Bairischer
muntz") eingewegen Fünfhundert Funfundfunfzig pfund, an Sechsern^") zeit
zwayhundert guldin.
98.
Vff Sampstag vor dem Hailigen Cristag Anno domini etc. Lxxxx octauo,
haben die vorgemelten Stewrer vf!" die vorgemelt hoch crmanung zu furdrung-
gemains nutz in die Eisin frühen gelegt an guten guUlin in Gold Sibenund-
dreissig guldin reinisch, an grossen Etzern ^') hundert dreyvndsechzig guldin
tut also in gantzer Suma Zwayhundert guldin,
99 Jar.
Vff Sampstag nach Trium regum Anno des gnadenreichen Jars im Kunf-
zehenhundcrsten Jars haben die Ersamen weysen Veit Beringer, Hanns Greiff
des jnnern Rats, Erasm Wieland, Hanns Weigel des äussern Rats, Lucas Planck
8) in Ühuni"^. durch Gowolnilicit. Koiiiitiiis u. s. w.
9) UlxT die baycrischoii oder schwarzen IMViiiiigc s. SclmiclIer-FnuimiaiiM. bayer.
Wörterbuch 1, S. 429.
10) Sechskrcuzerstückcn.
llj Wol für Klschern stehend, von (bnen nach Schuieller-Fronnnann I. S. 17S. (U-r
Etsch^^-osch Ao. 1487 in Bayern IS du., der Klschkreu/er ;! dn. ^iiH-
— 54 —
vml rieorfc Innsl, viul doch im mild in die Rat g-enommen. als Steurer vff die
vorjit'imdlo [Hl. .1a] liohon (M-maimnj,^ zu Inrdning' gemaineH nutz in die Eysin
li-idiiMi g-elegl. Uli swai'l/er munt//'j glatlen ßohmischon vnd achtern Neunund-
viei-t/,ig' g-uitlin. vnd an grossen Sechsern hundert ainundt'unt'zig- g-uldin tut also
zwayhundert giildin.
Anno ddmiiii .\v''Jar. Item von der Statstevvr beraeltes Jars haben
die verordneten Siewrer mitnamen Hans Greilf, Ylrich Vischer des jnnern Rats,
Georg Innst, Lucas Planck des äussern Rats, Georg- Schober vnd Thoman Moser
der g-emaind vtV die vorbedacht hoch ernumung; zu furdrung vnd aufent-
iiaitung genuiins nutz in die Truhen g'cleg't an Sechsern j^ gülden vnd ist die
vrsach des einleges mitlermas bescheen das des vergangen Jars ain lantsteur
gewest, darJiHi gemainer Stat ain Suma geltz aus der Stat Gamer zubezalen
auterlegt ist, als Sy auch bezalt haben.
Anno domini xv^ain Jar. Iteni von der Statsteur bemeltes Jars
haben die verordnten Stewrer mitnamen Veit Beringer, Hanns Greiff des Innern,
Georg [nnst, Lucas Planck des äussern Rats, Georg Schober vnd Thoman Moser
der gemaind auf die vorig hoch ermanung zu furdrung vnd aufenthaltung ge-
maines nutz in die trüben gelegt, wie nachfolgt, vnd ist die vrsach solchs
einleges mitlermas bescheen das Sy von der heurigen Stat Steur vber das Sy
meim gnedigen Hertzog Georgen die Statsteur heur betzalt, die halb mul von
der Federlin erkaulTt abge- [Bl. 3 b] lost haben wol vmb viijc guldin vnd tut
des Einleges vorbemeltes Jars in gantzer Suma an Sechsern vnd Swartzer
niuntz j^xxxiiij guldin.
Anno domini xv*^ zway Jar. Item von der Statsteur bemeltes Jars
haben tlie verordnten Stewrer mit namen Veit Beringer, Hanns Greiff des Innern,
Georg Innst, Lucas Planck des äussern Rats, auff die forig hoch ermanung ze
furdrung vnd aufenthaltung gemaines nutz, in die trüben gelegt, wie nachfolgt,
vnd ist die vrsach solchs einlegens mitlermas gescheen, das Sy von der heurigen
Statsteur vber das Sy meinem gnedigen herrn Hertzog Georgen die Statsteur
betzalt, ain tail an der mul betzalt vnd ain keler bey dem prewhaws nach Inn-
halt des Steurbuehs, vnd tut des Einleges vorbemeltes Jars in Suma allerlay
muntz Lxxvij guldin.
Anno domini xv^ drew Jar. Item von der Statsteur bemeltes Jars
haben die verordnten Steurer mitnamen Hanns Greiff, Georg Kaiser des Innern,
Georg Jnst, Lucas Planck des äussern Rats, Georg Schober vnd Thoman Moser
der gmaind auff die forig hoch ermanung zu furdrung vnd autfenthaltung ge-
maines nutz in die trüben gelegt [Bl. 4a] wie nachfolgt, vnd ist die vrsach
solchs einlegens mitlermas bescheen das vnnser gnediger herr Hertzog Georg
loblicher gedechtnus als der letzer (!) seins lands ^-) mit tod abgangen vil
costung vber gemaine Stat mit soldnern geschos vnd ander wer gangen ist,
vnd tut solch einlegen an Sechsern, j*^xxv guldin an niaylendern der drey
ain guldin geben für viiij guldin für ij guldin gros Insprucker gelt ainer
xij creitzer vnd J guldin vngrisch, tut in gantzer Suma j^xxxvij guldin.
Anno domini xv^ vier Jar Sein zu Steurern furgenomen Hanns
Greiff vnd Georg Kaiser des Innern, Hanns Sehmid, Ludwig Kungsfelder des
Irij Mit Herzog Georg slarh dio Linie Baycni-Laiid.sliiil aus.
— S5 —
äussern Rats, Hanns Widenman vnd Thoman Moser der Gemain, vnd haben aus
angezaig'ten vrsachen nach hiut des Stewrbüchs bemelten vierten Jars nichts
in die Eysiu truhen legen mögen. — Nichil.
Anno domini etc. quinto Sein zu Steurern furgenonien Hanns Greiff,
Georg' Schober des Innern, Hanns Schmid, Ludwig- Kung-sfekler des äussern
Rats, Hanns Widenman vnd Thoman Moser der Gemain. haben auch aus den
angezaigten vrsachen nach laut des Steurbuchs bemelten fünften Jars nichts zu
ainem Vorrat eingelegt. — Nichil.
[Bl. 4b.] Anno domini etc. Sexto Sein zu Ste.urern furgenomen
Lucas Planck, Georg Schober des Innern, Hanns Schmid, Ludwig Kungsfclder
des äussern Rats, Hanns Widenman vnd Thoman Moser der gemain vnd haben
aus den vrsachen so nach lengs im Steurbuchs des vierten Jars geschriben
sten, nichts eingelegt. — Nichil.
Anno domini etc. Septimo Sein zu Stewrern furgenomen Veit
Beringer, Georg Kayser des Innern. Hanns Schmid, Ludwig Kungsfelder des
äussern Rats, Peter Bamfelder vnd Sigmund Birmair der Gemain die haben aus
den Vrsacben so im Stewrbuch bemelten Jars angetzaigt sein, nichts eingelegt.
— Nichil.
Summa Totalis der ailff Jar So die Steurer laut dits bucheis souil Sy ze-
samen eingesamelt vnd in vergangem Bairischen krieg widerumb ausgeben
haben, tut . . . .^^).
[ßl. Da.] Hernach folgt was aus vorangezaigten beweglichen
vrsachen Inn betrachtung gemaines nutz züuoran, das wider den-
selben gemainen nutz zu ausleschung desselben vnd derselben
Burgerschaft gehandelt widerumb eingesamelt jst alles hernach
begriffen vnd gantz not, das ain yeder die vorred dits buch les,
wol vberles vnd dem folg thw.
Anno domini etc. Octauo. Item Zu Stewrern sein furgenomen Georg
Kayser, Georg Schober des Innern. Hanns Schmid, Ludwig Kungsfelder des
äussern Rats, Peter Bamfelder vnd Sigmund Birmater der Gemain, vnd haben in
Crafft vorgemelter Ordnung zu furdrung vnd gemains iiulz in die Kysin truhen
gelegt Nemlich ijc guldin Reinisch.
[Bl. ob.] Anno domini etc. nono Sind zw Slourernn Furgenomen
Georg Kayser, Lucas Blangk des Inneren, Ludwig Kunigsfelder vnnd Peter
Baumfelder des ausserenn Rates, Hanns Widman vnnd Sigmundt Bermater von der
Gemaindt, Andres Zayner, Statschreiber, der in disem Jar gestorben ist, dem
got genad, haben n in die Eysnen Truhen gelegt an montag sannd Erasmus tag
Ao. x° ijc guldin Reynisch. (l)ise zwaihunderi gülden sein herauß genomen
vnd vnnsserem gn. h. gelihen worden a" xij freitag vor Gallj '••).
Anno domini etc. x" Sinnd zw steuren furgenomen worden. Georg
Kayser, ]jucas Planngk des Inneren. Ludwig Kungsfelder. Peter Buumfelder des
äusseren rats. Eranciscus Burgkliardl slalschreilter, vnnd ist von wegen das
vnuser gn. li. Iiertzog Wilhaim elc. ain lanndtstcur angelegt hat nichs liinder-
sich gelegt worden.
13) Der Betrat! ist iiiilil aiisycsolzl.
14) SpätcnM- Zusiilz.
- 56 —
A II II 0 domini etc. x j ". p]r\velt steurer Georg- Kayser, Hanns Schmidt
des Inntnon, Ludwig- Kiin^sfcldcr, Peter Baumfelder des äusseren Rats, Fran-
ciscus Miirirliai-dt slalsclH-(!il)('r. Vnnd ist heur von vveg:en das v "^ gülden auff
die üolsclicii "'j g-clichen worden, so man die widerg-ibt sollen eingelegt werden.
[BI. 6a.] Anno dominj etc. xij '"» haben meine Herrn die Stewrer mit
Namen Lucas Planckh, Ludwig Kunigsfelder des Innern, HansMertz, Hans Widman
des p]wsscrii Hals. Sigmund liirmenter vnd Wolf'gang Zaglhamer von der gemain
Alal Ileus Spilberger Statschreiber, auf ditz Jar von wegen das sie vnserm gne-
digen Hcrtzog Willialm i.j.f' gülden auf ain verschreibung gelihen nichtz hinder
sich gelegt.
Anno dominj etc. xiij'"° Sind die nachsluorgeschriben herru, widerumb
■/.[[ sieweren erweit worden, vnd haben ditz jars von wegen das sie zu der
Thunaw baw vnd pastein etwo vil gelts aufj der Gamer geben auch nichtz
hindersich jn die Eyssen Truchen gelegt.
Anno dominj etc. xiiij'° Sind zu Stewerern Erweit Georg Kayser,
Ludwig Kunigsfelder des Innern, Asn ") Planckh, Hans Widman des Eussern
Rats, Sigmund Birnienter vnd "VVolfgang Zagelhamer von der gemain, Matheus
S[iilberger, Statschreiber, haben jn die Eyseu Truchen gelegt am montag vor
Johannis Babtiste anno etc . . . xxj gülden.
[ßl. 6b.] Anno etc. xv*° haben meine herrn die erweiten Stewrer mit
Namen Georg Kayser, Hans Schmid des Innern, Asn Planckh, Hans Widenman
des Eussern Rats, Wolfgang Zagelhamer, Georg Vischer der gemaind vnd
Matheus Spilberger Statschreiber jn Craö't obgeschribner Ordnung jn die Eysen
Truchen gelegt Nemlich Ix gülden.
Anno etc. xvj*° haben die verordneten Steurer mit Namen Georg Schober,
Ludwig Kunigsfelder, des jnnern, Asn Planckh, Haus Widman des Eussern Rats,
Wolfgang Zagelhamer, Georg Vischer der gemainde und Matheus Spilberger
Statschreiber vber die landsteur Erspart vnd in die Eysnen Truchen gelegt
p gülden an schwartzen Pfenningen.
[Bl. 7a.] Anno etc. xvij haben die verordneten Statsteurer mit Namen
Georg Schober, Ludwig Kunigsfelder des Innern, Erasn Planckh, Hans Synninger
des Eussern Rats, Wolfgang Zagelhamer, Georg Vischer der gemaind vnd
Matheus Spilberger Statschreiber ditz Sibenzehend Jar nichtz jn die Elysscn
Truchen gelegt aus vrsachen das sy Ettlich Zentner Pley zu Nürnberg zu der
Stat gegenwere erkaufft auch vnsern gnedigen herrn den Landsfursten zu abfer-
tigung Fraw Zosanna ^') Irer gnaden Swester die Margraf Casimir zu Branden-
Inirg verheyrat worden gelihen haben acht hundert gülden R. — Nichil.
Anno etc. decimo octauo haben vorgenant Herrn Steurer ditz Jars
abcrmalen nichtz jn die Eysen Truchen gelegt aus vrsachen, das gemaine Stat
Ix fuesknecht drey monat lang vnsern gu. herrn den fursten zu der kriegsnot
vnderhalten muessen wider den Hertzog von wirtenberg, haben auf dieselben
Soldner bezalt vij^ vnd xx gülden. — Nichil.
15) Ol) hier an Golsch, eine Art Leinwand zu denken ist ? (Scliin.-Fr, BWB. 1, 893.)
16) Asn =z Erasn, Erasmus.
17) Susanna, vermählt den 14. August 1518 mit Kasimir Markgrafen von Branden-
burg (t mri).
— 57 -
[Bl. 7b.] Anno etc. decimo Xono haben die verordneten Statsteurer
mit Kamen Georg Schober, Ludwig Kunig-sfelder des Innern, Erasn Planckh,
Hans Synning-er des Eussern Rats vnd Matheus Spilberger, Statschreiber von
wegen das ditz xviiijte"jar aiu Laudsteur gewest nichtz hindersich jn die Eyssen
Truchen gelegt — Nichil.
Anno etc. vicesimo haben die obgemelten Steurherren jnhalt obge-
schribner Ordnung jn die Eyssen Truchen gelegt an tag exaltationis sancte
crucis anno etc. xxj Nemblich an Creutzern 200 guldea (Vorgemelt Zway hun-
dert gülden haben Georg Kayser, Ludwig Kunigsfelder als verordnet Steurer
vnd Mathes Spilberger Statschreiber aus beuelh ains jnnern Rats Beden vnsern
gn. herrn gegen ainem Schuldbrief gelihen vnd Jnen an den Zehen Tausent
gülden, so gemaine Landschafft benanten vnsern gnedigen herrn von wegen des
Zugs wider die Francken bewilligt auferlegt geraicht actum an freytag vor
Egidij anno etc. 22 ^^).
[Bl. 8a.] Anno etc. vicesimo primo haben die verordneten Steurrer
mit namen Georg Kayser, Ludwig Kunigsfelder des jnnern, Erasn Planckh, Sixt
Rosner des Eussern Rats, Thoma AYidman, Sigmund Birmeuter der gemain vnd
Matheus Spilberger Statschreiber jnhalt vorgehaltner Ordnung jn die Eysnen
Truchen gelegt an Maylendern dreyssigern vnd gold 58 gülden.
Anno etc. Vicesimo Secundo Haben die verordnetten Steurer mit
Namen Georg Kaiser, Ludwig Kunigsfelder des Innern, Sixt Rosner vnd Michel
Bambfelder des Eussern Rats, Thoman Widman vnd Sigmund Beham von der
gemain vnd Matheus Spilberger Statschreiber jnhalt vorgehaltner Ordnung jn
die Eisnen truchen gelegt — Nichil.
[Bl. 8b.] Anno etc. Vicesimo Tercio Haben die verordenten Steurer
mit Namen Ludwig Kunigsfelder, Georg Kaiser des jnnern, Sixt Rosner vnd
Michel Bambfelder des Eussern rats, Jacob Pracher vnd Georg Surch der ge-
main vnd Albrecht Wiser Statschreiber jnhalt vorgehaltner ordnurg jn die
Eisnen truchen gelegt an Mailandern an Saltzburgern vnd golt 71 gülden.
Anno etc. Vicesimo Quarto Haben die verordenten Steurer mit namon
Gorg Schober, Ludwig Kungsfelder des jnnern, Michel Pambfelder vnd Sigmund
Beham des eussern rats, Jacob Pracher vnd Georg Surch der gemain vnd
Albrecht Wiser Statschreiber jnhalt vorgehaltner Ordnung jn die eisneu truchen
nichts legen mögen der kriegsleutfhalben.
[Bl. 9a.] Anno etc. xxv jar Haben die verordnetten Steurer mit
namen Ludwigen Kungsfelder vnd Wolfgang Zaglhamer des jnneren, Michel
Pamfelder vnd Sigmund Peham des Eussern rats, Jacob Pracher vnd Jörg Surch
der gemain vnd Albrecht Wiser Statschreiber jnhalt vorgemelter Ordnung jn
die eisnen truchen der peuerischen kriesleuffhalben (!) '") nichts einlegen mcgen.
Anno etc. xxvj jar Haben die verornetten Steurer mit namen Ludwig
Kungßfelder sambt andern nachstgeschriben herron jnhalt der Ordnung jn die
eisnen truchen der landsteur oder turgkischen hilfgellzlialben nichts einlögen
mögen.
[Bl. 9b.] (Vnno etc. 27»"° auch 28"° iiaiicn die vm-ordnotten Steur-
herrn mit Namen Ludwig Kungsfelder. Wolfgang Zaglhamer des jnnern, Michel
18) Später l)oi;!:<'S<'t'/.t. 19) des Biuipriil<rio;rs liallxT.
Mitteilungen aus dem geriiian. Nationalmu.seuiii. 181)0. Vlll.
— 58 —
PanifV'Ulor vnd Sig-mund Jk'ham Jiihiilt der Ordnung ,jn die eisnen truchen ge-
legt — Niuhil.
Anno etc. Trict^si iiio Soxlo lliilieu die verordenlen Shitsteurcr niil
nunuMi (Joorg Schober Micdud J^unieldor des jnnorn. Georg Surch vnd Hans
Slrobl des eussern rats widrninil) imgcfangen \ iid Jii dj eysnen liuchen
gelegt etc. viid il/ V(m dein Ü)''" jare bis auf bestimbte Zeit nichts eingelegt
worden jst aus nachuolgunden vrsachen der krigsleutf turgken Zug lantsteur
vnd andcrni obligunden etc. geseheen. Nemlicher zu dem schiessen so des
28'"" jars gehalten, hat gemaine stat nach geben muessen 300 H.
[Bl. lüa.] Item des 29""» jars ist aulT besoldung vnd den Turgken zu
gangen GOO 11. Mer des 3a*'=" jars auch an turgken Zug gen München geantburt
300 11. Item ander lantsteur so gemaine stat bisher gegeben die aber zumtail
von gemainer purgerschaft eingepracht ^'^).
Die benanten steurcr haben dis 36*enjars jii dj truchen eingelegt an aller-
laj golt 53 n. mer an sechsern 47 H. mer an Zeheukrcutzern 100 tl. thuet 200 il.
Aus vrsachen das des 37*^'! vnd 38 *e" jars nichts jn die eisnen truchen
gelegt ist, dan es sind lantsteur gebest.
[Bl. 10 b.] Als Wolfgang Zablhamer vnd Michel Pamfelder Jörg Surch
vnd Hans Strobl des rats, Caspar Kueffer vnd Peter Karl der gemain steurer
gebest haben sy des 38*en jai-g in truchen gelegt 400 fl.
Anno etc. des 39'^" jars sind steurer gebest Wolfgang Zablhamer, Michel
Pamfelder, Hans Strobl, Casper Kueffer, Peter Karl, Jörg Ruell.
Anno etc. des 40'«° jars sind auch die obgemelten steurer gebest.
Anno etc. jm 41*<=" sind steurer gebest wie das vorder jar dan dz Hans
Pamberger des jnnern rats gebest.
Anno etc. jm 42*«° jst Zalblhamer, Pamfelder, Strobl, Kueffer, Jung,
Schober vnd Karl steurer gebest.
Aus vrsachen die lantsteur, turgkenhilff auch dz etlich gult abgelost jst
die 4 jar nichts in dj eisnen truchen gelegt worden.
[Bl. Ha.] Von dem 38'«° jare bisher auff 46*^° jars jst nichts jn dj truchen
gelegt, haben dj lantsteur gemainer stat gepeu-") vnd ander obligungt gemacht
Aber yetz des 46^'=° jars ist eingelegt an sechsern vnd toplsechern (!) GO tl. reinisch.
Anno etc. des 43 44 45 vnd W^'^ jars sein steurer gebest Wolfgang
Zaglharaer, Michel Pamfelder, Caspar Kuetfer, Erhart Hamerl des rats, Jörg
Schober vnd Peter Karl der gemain vnd ist diß jar von wegen der lantsteur
gemainer stat gepeu vnd kriegslaulf nichts jn dj eisen truchen gelegt worden.
Auf dj vor erlegte suma ist noch jn dj truchen gelegt also das dj suma
n tausend gülden eraicht actum mitwoch vor herrn fasnacht anno etc. jm
5()ten jare
Anno etc. jm 47*^'» jar sein steurer gebest Michel Pamfelder, Jörg Schober,
Caspar Kueffer, Erhart Hamerl, Michel üemel, Sebastian Stachl.
[Bl. Hb.] Anno etc. jm 48*«'! jar sein Steurer gebest Hans Ganser, Jerg
Schober des jnnern, Caspar Kueffer, Michel Derael, Sebastian Stachl vnd Hans
Stogkmaier.
20) Till Jalirc lö39 wurde mit der Neiil)efestigung von Ingolstadt begonnen; A'gl.
Ger.slner, Goschiclile der Stadt Ingolstadt (Müiiclicn, 185r}J S. lG4'ir.
— 59 —
Anno etc. jin 49*'^'' Steurer Hanß Ganser, Jerg- Schober, Caspar Kueffer,
Michel Deuiel, Sebastian Stachl vud Hans Stog'kmair.
Anno etc. jm 5U*"^ sein Steurer gebest Hans Ganser, Jerg Schober, Caspar
Kueffer, Michel Deniel, Sigmund Grabumller.
Anno dorainj etc. jm öl*^" jar steurer gebest Wolfgang" Zaglhamer, Hans
Ganser des jnnern, Caspar Kueffer, Michel Deniel des äussern rats, Hans Stogk-
niair vnd Simon Grabumller der gemain.
Von den tausent gülden so /u aintzins jn dj truchen gelegt, sein heraus"
von wegen der steur vnd kriegsleuff genomen jm ;J2*en jar iiö 11.
[Bl. 12 a.] Anno domiuj etc. jm d^'"?" jar sein Statsteurer gebest Wolf-
gang Zaglhamer , Caspar Kueffer , des jnnern , Michel üemel , Hans Stogk-
maier des eussern rats, Sigmund Grabumller vud Liephart Hafelen der gemain,
vnd Albrecht Wiser Statschreiber.
Anno domiuj 1553 steurer Caspar Kueffer, Jacob Pracher, Michel Demel,
Hans Stogkmaier, Liephart Hafelen, Lienhart Reitzner vnd Albrecht Wiser stat-
schreiber.
Anno domiuj 1554'^" Sein steurer gebest Cafpar Kueffer, Jacob Pracher
des jnnern, Sebastian Stachl, Hans Stogkmaier des eussern rats, Ludwig Schwand
vnd Liephart Hafelen der gemain, vnd Albrecht AViser statschreiber.
Anno domiuj 1555*en jar sein statsteurer gebest wie hieuor ju dem
1559*6" jai-.
[Bl. 12b.] Anno dominj 1556*"^ sein steurer gebest Cafpar Kueffer,
Jacob Pracher des jnnern, Sebastian Stachl, Hans Stogkmaier des eussern rats,
Ludwig Schwand, Hans Korer der gemain vnd Albrecht Wise (!) Statschreiber.
jn dem bestimbten 56*«" jar sind ju die eisnen truchnen an golt vnd talern ge-
legt worden vngeuerlich vierthalb tausent gülden, mer an patzn vud halben
patzn 990 fl.
Anno dominj 1557'o" jar isl jn dj truchen gelegt 2130 11.
(Gilt alles nichts mer. Hergegen in truheu erlegt, laut der Zettel -^).
[Bl. 13a.] Anno etc. 63. Seien zu Steurhern furgenomen, Georg Schober,
Hanß Storkhmair des jnnern, Michael Demel, Hanß Zerer des Eussern Rats,
iMarx Deniel, Steffan Stcngelnuiir der gmain, vnd haben jn Crafft vorgemclter
(»idnung zu funh-ung vud gemaines nutz in dj Lysen Truhen gelegt Nemlich
wider zu anlang furgenomener Ordnung 859 11. (Ist zergrenzt worden-'-^).
Ao. 6 6 Seien zu Steurhern furgenomen Georg Schober, Hanß Vischer des
jimerii, Michl Demel, Leopolt Hefelin des Eussern Raths etc. vnd haben in crafft
obgemrltcr ordming zu furderung vnd Gnuiines nutz in dj Eiseu frühen gelegt,
wider zu anfang lurgenomener Ordnung laut der Zetel 700 11.
ji)!. 131>.] Ao. 67. Seien zu Steurhern furgenomen her Georg Schober,
Ihuiß Vischer, L(M)|i(ilt llaCclin. .Marx Demel, Thonia l^enesch (•?) vnd Hanß Philip
IMami vnd haben in iTalTl oliliemeller ordnung vnd fuderung Genuiines >sulz
in dj Kiscii trüben gelegt wider zu aufang furgenouuier Ordnung laut der
Zetei diß jar nach 1000 11.
21) Von antloror lliiiid {icsi'hrirlicn . dni-cli (im vorstcluMKloii Kiiitnii;- auf dieser Seite
i.sl ein Stricti gcniiicld.
22j Zusatz, der vorstehende Absatz ist ebenrails durclistriclien.
Nürnberg. Hans Bosch.
— 60
Mit llol/scliiiitlcii Ix'kIclHc Scliaclitclii und kästclicii im gcrmanisclieii
II II se um.
ir lUK'li in der (iog'ciiwai't , so liaitu man auch schon im Miltchilter in
Joilom Ilaushallo das licfhiil'nis, eine Anzahl Kästciien und Schachteln
/u hesilzon. wrh-hc zur Aiirbcwahiiing- aMcr mfiglichen Kleinigkeiten
des täglichen Gcbiamlics, vom Nähzeug-e liis zu kostbaren Schmuckgeräten, zu
dienen hatten. Je nach dem Stande der Besitzer waren diese hölzernen Behält-
nisse in g-eringer oder g-rüCserer Zahl vorhanden, waren sie entweder von gänz-
lich schnuickloscm Aul'seren oder mit Schnitzereien, später auch mit Einlag-en
mit mehr oder weniger reichem Beschläge versehen, ilann aber auch mit Dar-
stellungen in Elfenbein, mit geprcCsten Messingverzierungen, mit in Blei ge-
gossenen, manchmal vergoldeten Zierraten belegt, oder namentlich, wenn sie
im Dienste ihr Kirche zur Aufbewahrung von Reliquien Verwendung fanden,
Ulli getriebenem, oft emailliertem, mit edeln Steinen, Perlen und Filigran be-
setztem Edelmetall auf das Kostbarste ausgestattet. Einfacherer Natur als diese
Meisterwerke der Goldschmiedekunst waren die Schachteln und Kästchen, welche
mit Leder überzogen wurden, in welche von geschickter Hand der schönste
ornamentale und tigürliche Schmuck eingeschnitten oder herausgetrieben wurde.
So mannigfach diese Verzierungsarten waren, so prächtige Werke mit
Hilfe derselben gefertigt wurden, konnten sie wegen ihrer verhältnifsmäfsigen
Kostspieligkeit doch nicht dem Verlangen des einfachen Mannes nach einem mit
bunten Farben geschmückten, aber doch wolfeilen Geräte genügen. Wir sehen
daher wie im 15. und 16. Jahrhunderte verschiedene neue Techniken zur Ein-
führung gelangten, um diesem Bedürfnisse zu entsprechen. Eine Hauptrolle
spielte dabei das Papier, das überhaupt schon in früherer Zeit eine vielseitigere
Verwendung fand, als man gegenwärtig anzunehmen geneigt ist.
Man nennt unser Zeitalter mit Vorliebe das »papierene*^ in Folge des
riesigen Verbrauches dieses Materiales in der Gegenwart und besonders auch
wegen der mannigfachen Verwendung des Papierstoffes zu technischen Zwecken.
Bei näherer Betrachtung findet man aber, dafs die Keime hierzu, wie eine An-
zahl von Gegenständen in den Sammlungen des germanischen Museums bezeugt,
teilweise schon in sehr früher Zeit zu linden sind. So kann man als einen Vor-
läufer der Verwendung des Papierstoffes in der Architektur die quadratischen,
aus Papier hergestellten, bemalten Füllungen (A. 1530) betrachten, in welche
ein Löwenkopf eingeprefst ist, und die, noch gotischen Charakter zeigend, zum
Schmucke der Decke eines Hauses in der Winklerstrafse zu Nürnberg gedient
hatten. Eine aus Papiermasse geprefste ovale Platte (H. G. 3969), welche reich
mit ornamentalen und figürlichen Reliefvcrzierungen geschmückt und bemalt
ist, Ijcweist, dafs die Verwendung des Papieres zu Geschirren bis in die zweite
Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückreicht. Schon zu Beginn des 15. Jahr-
hunderts wurde die Papiermasse zum Schmucke von Kästchen und Schachteln
verwendet; sie wurde in Formen geprefst und dann die Geräte damit belegt
und bemalt. Eine Handschrift des 15. Jahrhunderts in der Nürnberger Stadt-
bibliothek enthält eine Anleitung zur Herstellung solcher Verzierungen aus
Papiermasse, die heute mit dem Namen Papiermache bezeichnet wird.
— 61 —
Aber nicht von den Kästchen, die mit dieser Masse g-eschmücki wurden,
soll hier die Rede sein, sondern von denjenii>-en , welche mit kolorierten Holz-
schnitten, die eig-ens für diesen Zweck geiertii^t wurden, beklebt sind. Von
diesen kleinen Möbeln hat sich in den verschiedenen Museen noch eine nicht
unbeträchtliche Anzahl erhalten, und auch das germanische Museum ist im Be-
sitze von 11 Stück derselben. Sie gehören sämtlich der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts an ; wir müfsten an der Verwendung- des Holzschnittes zu der-
artigen Zwecken in der ersten Hafte des 16. Jahrhunderts zweifeln, wenn nicht
lilätlcr vorliegen würden, die, wie selion die Limralinuing erkennen läfst, ganz
sicher zur N'erzierung von Deckeln runder Schachlein bestiniml gewesen waren.
Der bekannteste dieser Holzschnitte ist das Frauenbad von Hans Sebald Beham
(B. 167'). Es existiert auch noch eine Menge kleinerer Holzschnilte in Me-
(iaillonlonn aus derselben Zeil, die leilweise Bildnisse fürsllichei- i'ersonen. teil-
1) Neu ali^!,r(liu(kl bei Dcrschiui 3. Lit'l". , Ahl. 15. }\v. S.! , wiedorjtjcf^cbL'ii in Ilirlhs
kulturgcschiclill. ßiitlcrbuche I, Nr. 347.
- Oi -
weise iiucli crotisi-he Darstellungen cDlliallfn uiul /.um Teil g'leichfalls zu Hans
ScliaUl iieliiiiii in Beziehung ge])raclit werden, welche vielleicht ebenfalls zum
Scliiiiuckt' ruiuler Schäclilelcheii, dann aber auch als Vorlagen für die Verzierung
VOM ßrellstciiH'ii bestininil waren. Denn zu irgend einem ]»rak(ischen Zwecke
müssen diese Hlättchen doch unzweifelhaft gedient haben!
Ebenfalls in die erste Hälfte des IG. Jahrhunderts gehört, und noch älter
wie das Frauenbad von Beham ist ein nicht beschriebener anonymer Holzschnitt,
der sicli in den Sammlungen des germanischen Museums befindet (H. 659). In
einem Hunde sitzt ein mit Kapuze bekleideter, bärtiger Alter, vor ihm steht ein
Landsknecht; sie halten das Zwiegespräch miteinander, das auf dem Rande des
lilalles verzeichnet ist. Wir haben diesen Holzschnitt in Dreiviertel der (3riginal-
gröfse auf der vorhergehenden Seite wiedergegeben. J)ie Ausführung des Schnittes
wie die Mundart des Textes weisen auf Alemannien, etwa auf das KlsaCs hin.
Unter den (leräten des Museums, welche mit den ausnahmslos kolorierten
Holzschnitten bekleljt sind, Ijetindcn sich sieben runde, hölzerne Schachteln. Der
Durchmesser derselben schwankt zwischen 17 und 36 cm., die Höhe zwischen 3 und
13 cm., der Deckel greift 1,5— 3,3 cm. über die Schachtel. Eine achte Schachtel
(H. G. 3r-!6) ist oval; sie hat eine Breite von 19,3, eine Länge von 30,4cm. bei
einer H()he von 15,6 cm. Aufserdem besitzt das germanische Museum noch
zwei truhenähnliche Kästchen mit Deckel, welche eine Länge von 20,8, bezw.
22 cm., eine Tiefe von 12,5 und 13,5, sowie eine Höhe von 9,2 und 10 cm. haben.
Lin drittes Kästchen von 25 cm. Länge und 16 cm. Tiefe (H. Gr. 4079) hat durch
eine halbzilindrische Auflage auf dem Deckel und durch Zinnbeschläge die
Form eines Koffers erhalten. Die Höhe dieses hübschen Möbelchens beträgt 18 cm.
Die Holzschnitte, welche diese Kästchen und Schachteln zieren, sind, wie
bereits bemerkt, zu diesem Zwecke besonders gefertigt worden. Es erhellt dies
daraus, dal's Abdrücke derselben als Einzelblätter nur sehr selten, nur aus-
nahmsweise vorkommen, und dann aus der sehr llüchtigen, oft recht rohen Art,
in welcher die Holzschnitte ausgeführt sind. Man sieht, dafs sich der Künstler
bei der Anfertigung dieser Blätter durchaus nicht besondere Mühe gab, dafs
in seinen Augen für diese Schachteln alles gut genug war. Als den Haupt-
verfertiger dieser Holzschnitte dürfen wir Jost Amman Ijctrachten, da nicht
aliein alle bestimmbaren Blätter auf den Schachteln von ihm herrühren, son-
dern auch die nicht bestimmten, die ganz ähnlichen Charakter zeigen, ihm
nahe stehen dürften, vielleicht teilweise Kopien nach seinen Arbeiten sind.
Der fruchtbare Meister, der um des lieben Broterwerbs willen mehr
Werke illustrierte als irgend ein anderer Künstler, lieferte den Nürnberger
Schachtelmachern auch die von diesen benötigten Darstellungen, d. h. er entwarf
sie , und irgend ein Nürnberger Formschneider führte die Zeichnung in
Holzschnitt aus, den ein Briefmaler druckte und kolorierte 2). Nürnberg dürfen
wir als den Hauptsitz der Anfertigung dieser kleinen Möbel ansehen, welche
eben zum Nürnberger Tand gehörten. Hier hatte ja auch Jost Amman dauern-
den Wohnsitz genommen, und zum Überftufse ist in einem der Kästchen (H. G.
2) Ein Schachtelmaclier, Liiihart rür.slciiliaiicr, setzte es, unterstützt scheint es von den
Kauflcuten, die des gesuchten ModeartikeLs eifrig benötigten, doch durch, dafs er, entgegen
dein Verlangen der Bricfmaler, zum Anstreichen und Malen der Schachteln seihst Gesellen und
Lehrjungen halten durfte. Vgl. Baader in Zahns Jahrhüchcrn f. Kunstwissensch. I, 228 f.
— Ü3 —
260) HANS . SPORL . ZV . NÜRNBERG als Yerfertig-er genannt. Verschiedene
Ang-ehorig-e der Nürnberg-er Familie Spörl werden unter den Nürnberg-er Form-
schneideru ang-eiuhrt, so 1Ö81 Konrud Spörl, 16iU Jobst Spörl (wahrscheinlich
Vater und Sohn), 1621—1630 Hans Spörl. IGlO-KiiM wird der Brieimaler
Marx Spörl genannt^). Eine reichg-eätzte Rüslung vom Jahre 1607, die mit
der Sulkowskischen Sammlung in das germanische Museum gelangle, trägt
ebenfalls den Namen Hans Conrad Spörel.
Was die Arten der Darstellungen der Holzschnitte betritlTt, die sich auf
diesen kleinen, gar nicht übel aussehenden Möbelchen linden, so können wir
sagen, dafs unter denselben, — mit Ausnahme vielleicht der Bildnisse und iler
Darstellungen historischer Begebenheiten, die sich im germanischen Museum
wenigstens nicht finden, — alle Gattungen vertreten sind. Von biblischen und
religiösen Darstellungen ist Sodom inul Gomorrha zu nennen, ein Holzschnitt,
der vielleicht dem Jost Amman ebenfalls zugeschrieben werden kann, da die-
selbe Schachtel (H. G. 324) noch mit 11 alttestamentlichen Szenen, namentlich
aus der Geschichte des Tobias (Andresen 29—39), dann dem reichen Manne und
dem armen Lazarus (Andr. 42) und dem heiligen Abendmahle (Andr. 43), letztere
beide in einem grofsen Rund, sämtlich von Jost Amman, geziert ist. Diese
Schachtel ist überhaupt die reichst geschmückte der ganzen Sammlung; während
die übrigen nur aufsen überzogen sind und innen das blanke Holz zeigen, ist
bei dieser auch das ganze Innere geschmückt, in welchem sich die Holzschnitte
auch so gut erhalten haben, dafs sie wie neu erscheinen. Auf einer anderen
Schachtel (H. G. 32o) findet sich der arme Lazarus gleichfalls auf dem Deckel,
während die Aufsenwand der Schachtel fünf Darstellungen aus der Geschichte
des Joseph zeigt, die sich auf der ovalen Schachtel (H. G. 326) wieder-
holen, auf deren Deckel die Taufe Christi aufgeklebt ist ; letzterer Holzschnitt
zeigt ein aus A, J und K gebildetes Monogramm. Das von Spörl gefertigte
Kästchen ist gleichfalls mit alttestamentlichen Szenen, namentlich die Geschichte
des Propheten Elias darstellend, geschmückt.
Unter den Darstellungen weltlichen Inhalts nehmen die im Freien sich
erlustierenden Gesellschaften, die »Wein, Weib und Gesang<( eifrigst verehren,
sich mit Liebeleien, Spiel und Tanz (He Zeit vertreiben, den ersten Hang
ein; eine solche um einen Tisch sitzende nuisizierende Gesellschall, vor
welcher der unvermeidliche Kühleimer steht, wiederholt sich und findet sich
nochmals auf einem Deckelboden (H. G. 332), der von einer Schachtel allein
übrig geblieben und auf uns gekonuncn ist. Ebenso ist ein und tiieselbe Wild-
schweinjagd, ein Fries in der Weise der Jagden des Virgil Solls, auf zwei ver-
schiedenen Schachteln (H. G. 326 u. 328) zur Verwendung gekonunen. Auf
einem Schachteiilcck(;l sind je zwei BTigen über einander gestellt, unter deren
jedem wahrscheinlich je ein Tänzer[)aar sich bewegt. Es läl'st sich dies nicht
genau feststellen, da die Schachtel H. G. 2.")3, wie manche andere, st) schmutzig
geworden ist, dafs die Zeichnungen niclil mehr zu erkennen sind. Diese Schachtel
ist im Inneren durch Pap[)deckel in Fächer eingelrill uinl difiile. wie die jetzt
noch darin befindlichen Stolfe erkennen lassen, als Hausapotheke. Der starke
Geruch, der heute noch anderen unserer Schachteln beim OtTnen entströmt,
3) BiiiuliT in Zaluis Jalirliüclicrii l'iir Kmist\vis.scnscliai'l I, S. i.il tV.
— ()4 —
thnitoi (laniuf hin, dafs dieselben auch zur Aufbewahrung? von Gewürzen und
Thee ^ediont halxni.
in das (i('l)irl der Mytholoj^-ie ^^v.hnvl das Llrleil des Paris (H. G. 828),
in das der Ailoj>-orien und Spollbilder die sieben Weil)er, die sich um eine
Mannshose schlagfen, ein Vorwurf, den schon italienische und deutsche Stecher
(Ic.*; I."». .lalirhunderls znr Darstell iiiiii' brachlcn. Ein flieg-endes Band enthält
die darauf bezüg'liche Inschrift: «Ist das nil krigs genug, es schlugen sie (!)
7 weilier vinb ein prüg. es wer auch meins fugs des duchs.« Zu den Allegorien
<i-ehi"irl ein ebenfalls noch auf der AuCsenwand derselben Schachtel (H. G. 330)
angebrachter llolzschnill, der eine Mühle darstellt. Auf dem Spruchbande steht:
»Zwey seltzame ding wie das kern ist. als fo gibt es auch mell.« Zur Thüre
bringt einer einen Karren mit Narren herein, darüber steht: »Hie bring ichs.«
Statt des Mehls lallen auch wieder Narren aus der Mühle heraus. Ein dritter
Holzschnitt stellt ein Liebespaar dar mit einer schmausenden Gesellschaft im
Hintergrunde. Das beigegebeue Spruchband hat folgenden Inhalt: »Junger gsel
ich schenck euch das krenczlein ich sag euch danck zart jungfrawlein.«
Das Ornament vertreten einige Bordüren , von welchen eine zwischen
Laub- und Rankenwerk Medaillons, Engel und Schwäne enthält, eine andere aus
Maskarons mit auslaufendem Blattwerke besteht. Diese Bordüren wurden vor-
zugsweise zum Überziehen der senkrechten Aufsenwände der Schachteldeckel,
aber auch dann verwendet, wenn der Holzschnitt auf der Aufsenwand der
Schachtel dieselbe nicht ganz bedeckte. Die grofsen runden Holzschnitte, wie
Sodom und Gomorrha, der arme Lazarus und das Abendmahl sind von dreifachen
l^ordüren eingerahmt, von denen offenbar, wenn für eine kleinere Schachtel ein
Holzschnitt gebraucht wurde, je nach Bedarf ein, zwei oder auch drei Einfassungen
weggeschnitten wurden. Man wufste sich überhaupt bei dem Ausschmücken
dieser Schachteln auf mancherlei Art zu helfen und trug kein Bedenken, das-
selbe Bild auch dreimal neben einander zu verwenden, ganz ebenso wie in den
Druckwerken jener Zeit ein und dieselbe Darstellung in dem gleichen Buche
wiederholt abgedruckt wurde.
Aufser den hier bereits erwähnten Holzschnitten hat Jost Amman noch
eine Anzahl anderer Schachtelverzierungen geliefert. So den Tanz der Israeliten
um das goldene Kalb (Andr. 27), die Mutter, welche den Trajan um Gerechtig-
keit anfleht (Andr. 61), Belustigungen von Standespersonen im Freien (Andr. 7ö),
die übel belohnte Nachtmusik (Andr. 7(5), die lustige Gesellschaft zu Tisch in
einer Säulenhalle (Andr. 77) und die Mahlzeit mit dem Lautenspieler im Freien
(Andr. 79). Derschau (3. Lief., Abt. D, Nr. 33 und 36) hat auch noch zwei
kleine ovale Schachtelvcrzicrungen abgedruckt, deren eine die bekannte im
Freien musizierende Gesellschaft, deren andere einen Vogelherd darstellt, auf
welchem Frauen den Männern nachstellen.
In das 17. Jahrhundert dürfte kaum eines der besprochenen Geräte hinüber
reichen ; die Kästchen scheinen also bald wieder aus der Mode gekommen zu
sein, woran aber kaum der Rückgang des Holzschnittes in Deutschland die Schuld
tragen dürfte. p]s scheint, dafs der Geschmack der Zeit sich den mit Wismut-
malerei geschmückten Kästchen zuwandte. Jedenfalls dürfen wir aber in den Holz-
schnittschachteln des 16. Jahrhunderts den Beginn der heute in manchen Orten
unseres Vaterlandes so Hervorragendes leistenden Kartonagefabrikation betrachten.
Nürnberg. Hans Bosch.
65 —
Über einige röuiische («läser im geruiaiiisclieii Nationaliiiiiseuiii.
ie Samiiilung- rüuiischer Denkmäler, wie sie auf' Gebieten gefunden werden,
die später wieder in deutschen Besitz kamen, ist im germanischen Museum
nur klein. Die weite Entfernung' von den Hauptfundstätten am Rheine
ist gröfseren und billigeren Erwerbungen nicht günstig. Es ist daher auch
kein Wunder, dafs die hiesige Sammlung römischer Gläser nicht mit denjenigen
der Museen am Rheine, ja nicht einmal mit den der meisten dortigen Privat-
samndungen sich messen kann. Und doch muCs zugegeben werden, dafs die
kleine Kollektion, es sind etwa 20 Gläser, aulser einigen oft interessanten
Scherben, hochwichtige Stücke enthält.
Die kostbaren vasa diaireta, jene Gläser, wo das meist andersfarl)ige Über-
fangglas mit dem Schleifrad mühsain ausgeschliffcn wurde, und woran ein Ar-
beiter oft ein .lahrzchnt und länger thälig war. dihren hier allerdings nicht
gesucht werden.
Aber einige Beispiele jener pseudodiatretischen Gläser, wo der Glasmasse
ein Netzwerk oder dergl. nur aufgeschmolzen wurde, finden sich auch in ilieser
Sammlung. Das am meisten interessierende Stück dürfte ein 2:2. ;> cm. hohes
grünliches Standglas (R. iilo) sein von grol'ser Dünne des Glases und, soweit
erhalten, von nicht ungefälliger Form. Wir geben das Gelafs in zwei Fünflei
der Originalgröfse vorstehend hier wieder.
Um den Kern, das eigentliche Glas, legt sich ein grünbräunliches Netzwerk
Mitteiluugeu aus dein gcrmtm. Natioiialmuscum. 1890.
IX.
— 66 —
aus paruUel zu einander gezog-enen Glasfaden, die sich rechtwinkelig- schneiden.
Es läl'sl, sich nur unschwer verkennen, es ist eine klare, aber auch erfindungs-
ariue Natur, die sich zu solcher Arl Verzierung verstieg. Und kaum mag der
dürltige Ansatz zur Gliederung, wie sich diese in der Verschiedenheit der
Zwischenräume der unleren, dem Hoden parallel laufenden Fäden und in der
das N(Uzwerk nach oben ahschlierseiuleii Kanicn Verzierung bekundet, dafür ent-
schädigen. Die Technik ist zudem rechl unbeholfen, die Fäden sind nicht immer
von gleicher Stärke, und die beabsichtigte Regel mäfsigkeit ist auch nicht be-
ständig erreicht. An eine enge Zusammenstellung mit den teilweise reizenden
Formen, wie sie in der Westdeutschen Zeitschrift II, Taf. III, 1 u. 8; IV, Taf. VII, 4
u. ü sich finden, wie Prof. E. aus'm Weerth im Bonner Jahrbuch 1883, S. 63 ff., und
Froehner, la verrerie autique S. 71 ff. sie nachbilden, kann nicht gedacht werden.
Das Gefäfs wurde 1886 von dem Andernacher Antiquitätenhändler Jakob
Schmitz bei seinen Ausgrabungen zu Mayen einem Uömergrabe entnommen.
Die Arbeit ist somit zweifellos römisch und wol die eines provinzialen Glas-
bläsers, wenn wir auch iliese Art Technik nach der Publikation von Froehner
nicht mehr auf die speziell gallisch- oder germanisch -römischen Gebiete be-
schränken dürfen, wie es im Bonner Jahrbuch LXIV, S. 17 ausgesprochen zu
sein scheint. Andererseits wird aber auch eine so geradlinige Netzverzierung,
welche in dieser Art nur sehr selten vorkommen dürfte, frei von germanischem
Einllusse sein, denn, wenn auch die Baudverzierung einer grofsen Vorliebe bei
den Barbaren begegnete, so wurde sie doch immer freier gehandhabt, als vt^ir
sie hier sehen.
AVeit gefalliger in seinen Formen, wie in seinen Bandverzierungen, die in
gleicher Weise hergestellt sein müssen, ist ein milchweifses Glas (R. 429) mit
Henkel, von 13,5 cm. Höhe, verziert mit weifsen und blauen Linien. Wenn auch nicht
geradezu identisch, zeigt es doch mit dem bei Froehner a. a. 0. Nr. lOo abgebildeten
Gefäfse eine überraschende Ähnlichkeit. Das im hiesigen Museum beündliche
Glas soll in Köln gefunden sein, das bei Froehner abgebildete betindet sich in
Köln ; und in Wiesbaden und Bonn werden ähnliche Gefäfse bewahrt, so dafs
man es also mit einer sehr beliebten Form, was bei deren Gefälligkeit nicht zu
verwundern wäre, zu thun hätte; Kühnere mögen wol gar auf eine gemein-
same rheinische Fabrik schliefsen.
Da diese Band Verzierungen an Gefäfsen in der nachfolgenden Periode noch
eine grol'se Rolle spielen, und über gewisse Formen derselben noch Kontroversen
zwischen den Autoritäten dieses Gebietes (vergl. Bonner Jahrbuch LXXIV,
S. 88 f., S. 194 f., LXXVI, S. 63 ff., Westd. Z. VI, S. 354) hinsichtlich der Zeit, ob
sie römisch oder schon fränkisch sind, bestehen, so wird es nicht uninteressant
sein, zu erfahren, dafs in den für das Museum von Dr. Mehlis zu Eisenberg
in der Rheinpfalz ausgehobenen Römergräbern ein weifses, zerbrochenes Gefäfs
von ganz ähnlicher Form und ähnlichen Verzierungen sich findet, wie das im
Bonner Jahrbuch LXXIX, Taf. II, Nr. 1 abgebildete Gefäfs. Prof. E. aus'm AVeerth
nimmt für das hier verglichene Gefäfs an, dafs die Bandverzierungen auf-
geschmolzen, also später hinzugefügt seien als der eigentliche Gefäfskern. Karl
Bone, der im Bonner Jahrbuch LXXXI, S. 49 ff. die Gläser der Sammlung
Merkens in Köln einer Besprechung unterzieht, erklärt diese Technik dahin,
dafs die Glasfäden «vor dem Fertigblasen des Bechers aufgelegt, dann in das
— 67 —
entstehende Gefäfs schmelzend ehigesunken shid«, da diese Linien an einem be-
schriebenen Get'äfse (Kr. 7) auch im Inneren als leichte Erhebung fühlbar sind.
Auch für die beschriebenen Grefäfse des g-ermanischen Museums ist wol schlechter-
dings keine andere Erzeugung-sart denkbar als die des Aufschmelzens, wie
auch bei dem Gefäfse, welches Prof. E. aus'm Weerth Bonner Jahrbuch LXXVI,
Tafel II, Nr. 2 abbildet. Bei den übrigen läfst sich aber aus einer blosen Ab-
bildung kein Urteil gewinnen, doch wird Professor aus'm Weerth wol mit seiner
Annahme auch für diese Gefäfse Recht haben.
Ebenso scheint ein reizendes »blaues Trinkglas« (G. F. 362) erzeugt zu sein
welches schon früher in den Mitteilungen des germanischen JSIationalmuseums
Bd. I, S. 172 f. veröffentlicht wurde. Dieses ist gleichfalls mit einem Fadennetz
geschmückt, das dem au dem Eisenberger Glase in seiner Formengebung ver-
wandt ist. Beim Aufschmelzen ist das Glas dann wol dem Feuer zu lange aus-
gesetzt worden, so dafs die Fäden teilweise stark ausgelaufen und mit dem
Glaskerne stärker verschmolzen sind, als beabsichtigt war. Wir reproduzieren
hier nochmals die Abbildung des 9 cm. grofsen Gefäfses. Es wurde in einem
alemannischen Grabe bei Pfalheim gefunden. Professor K. M. Xurtz hielt es
für römischen Ursprungs, aber andere Stimmen haben sich entschieden für
einen germanischen Fertiger ausgesprochen.
Einige weitere Gefäfse, welche freier gebildete Ornamente haben (R. 423
u. oll), die auch aufgeschmolzen sind, übergehen wir, weil sie höchstens die
Vielheit der schon bekannten römischen Gläser nur noch mehr illustrieren dürften.
Eines von diesen gleicht überraschend dem bei Froehner a. a. 0. Nr. 84 abge-
bildeten Glase. Auch die sogen. »Thränen-Krüglein«, und einige kleinere Am-
phoren dürften nicht wesentlich Neues bieten.
Als die Perle der hiesigen Sammlung mufs aber w(»l das Geflifs mit dem
Doppelgesichte einer Frau, — der Charakter des dargestellten Kopfes ist freilich
nicht mit absoluter Sicherheit anzugeben, — ausgesprochen werden. (R. ö09.)
Die Hiihe des umstehend in -5 der OriginalgröCse abgvliildeten Glases be-
trägt 24,5 cm., der grüfste Durchmesser 11 cm. Das Material ist ein grün-
licher Glasllufs. Das Glas wurde, wie die Nähte zwischen den Ohren der beiden
Gesichter kiiiid Ihun, in eine Form geblasen. Jakob Schmitz in Andernach fand
es gleich dem erslcn von uns beschriebeneu Gefäfse bei seinen AurdtH-kungen
zu Mayen. Die Gesichtsbildung, die Haartracht bekunden augenscheinlich
römische Arbeit.
Schon griechische Töpfer hatten gern ihren Werken die Form wirklicher
Naturgegenstände gegeben, und auch die Doppelköpfe sind unter der Fülle ihrer
Gefäfsformen nicht selten (vergl. nur Jaciiuemart, hisloire de la ceraniique,
Paris 1873. Blümner, das Kunstgewerbe im Altertum, Leipzig -Prag 1885,
— 68 —
I, S. 71 If. I. I)i(^ i-rtmis(3ho Well hat. diese Formen bei der wachsenden Technik
auch in iHe Ulasindustrie ein^-etührt. SUide , cataloguc of the collection of glass,
London 1871, bildet S. 29 in Tafel V, 4 zwei 7\nipullen ab, die eine mit einem
einziehen Gesichte, die andere mit einem Doppelg'csichte ; er bezeichnet sie als
rt'unisch- ägyptische Arbeit, was mindestens bei dem Getafse mit dem Doppel-
g-esichte unzweiCeliiaft ist. Allein bei diesen beiden Beispielen treten die Gesichte,
ohwol Hochrelief. no(^h gegen die seitlich hervorquellende fjlasmasse zurück.
Tafel \'l, I gibt Slatle die Abbildung eines mattgrünen Gefäfses, welches in seiner
Gesamtheit den Kopf eines »youthlul Afrikan« (also eines Negers) mit steifen
Locken und Kpheukranz um die Stirn darstellt. Froehner a. a. 0. S. 60 f.
führt eine Reihe weiterer Glasgefäfse mit solchen Darstellungen an, und die
Fundorte lassen keinen Zweifel, dafs diese Vorwürfe im ganzen römischen Welt-
reiche Geltung hatten. Froehner bemerkt übrigens, dafs das Doppelgesicht der
Medusen am häufigsten Verwendung gefunden habe, und dafs Vasen, welche nur
einen Kopf darstellen, sich seltener fänden als solche mit Doppelgesichten oder
mehreren Köpfen.
Grofse nahe Verwandtschaft weist mit unserem Gefäfse ein bei Froehner
Nr. 83 abgebildetes Glas auf, welches zu Saint Mainsuy bei Toul aufgefunden
wurde und einen doppelten Kinderkopf darstellt.
— 69 —
üafs auch an der g-eriuanisehen Grren/e diese Darstellung'eu nicht unbe-
hebt waren, zeigen die hier gemachten Funde. So rührt aus einem Kölner
Grabe eine Glasflasche, ein »fratzenhaft verzerrtes Gesicht mit g-rofsen Backen-
knochen« vorstellend, her, welche in der Westdeutschen Zeitschrift VI, Tat. VII, 1
publiziert wurde, und eine völlig- gleiche wurde bereits früher zu Köln auf-
gedeckt, welche das Bonner Jahrbuch VI, Tafel V — VI bringt. Zu Trier wird ein
in der Nähe ausgegrabenes Glas mit Medusenhaupt auf jeder Seite bewahrt (vergl.
Westd. Z. II, Tafel XI). Und in Worms wird neben einigen anderen Gefäfsen
dieser Art auch eines gezeigt, welches dem unseren ganz und gar gleichen und
aus derselben Form stammen soll; dieses ist noch völlig intakt. Immerhin gehören
die Gefäfse, welche einen Kopf vorstellen, zu den Seltenheiten ; aber es liegt kein
Anlafs vor, anzunehmen, dafs alle diese Gläser etwa über die Alpen gekommen
seien. Dem provinzialen Glasbläser werden solche Vorwürfe wol gerade so
nahe gelegen haben, wie dem provinzialen Töpfer, der so gern seine wunder-
lichen Gesichtsurnen formte.
Von sonstigen Gefäfsen in Naturformen hat die hiesige Sammlung nur
noch ein weifses Glas, welches eine Weintraube darstellt. (R. 211.) Es war die
Traube ein sehr beliebter Vorwurf der rheinischen Glasbläser; so bewahrte
die ehemalige Disch'sche Sammlung (Bonner Jahrbuch LXXI, Tafel VI) zwei
solcher Gefäfse, welche als »hervorragende Werke der Formbläserei« von Pro-
fessor aus'm Weerth bezeichnet werden. Auch die Merkenssche Sammlung birgt
ein solches Glas, welches in Köln gefunden ist. An dem letzteren befindet sich
zwischen den Henkeln eine erhöhte Linie, welche auf eine zweigeteilte Form
hinweist, in welche das Glas geblasen wurde. Diese Gefäfse, welche zweifellos
alle aus deutschen Gegenden stammen, — das hiesige soll auch zu Köln ge-
funden sein, — haben eine grofse Ähnlichkeit mit einander, sie sind alle zwei-
henkelig, ihre Grofse ist annähernd gleich, sie beträgt iSV-jcm., resp. 17^2 und
17 cm. Das hiesige mifst 17 cm. und ist zweifellos auch in eine Form geblaseli,
wenn gleich keine Nähte zu sehen sind.
Schliefslich mag noch auf zwei grofse Gefäfse, die ganz gleicher Form sind,
hingewiesen werden. (Li. ili2 u. 1213.) P]wier \veitläutig(Mi Beschreibung glauben
wir, uns überheben zu können, da eine prächtige Abbildung dieser Gattung bei
Froehner Tafel XXIV sich findet. Fs sind zwei Graburnen mit Deckel und zwei
Henkeln aus grünem Glase, das nun stark irisi(M'l ; die Höhe beträgt 34cm. (resp.
33,7 cm.), der grölste Duichmesser 27 cm. (resp. 27 cm.). Gegenüber der bei
Froehner wiedergegebenen Urne besitzen die hier licijndlichcn eine gröfsere
Höhe und eine weit gröfsere Breite. Die Urnen, welche von Bürgermeister
Thcwall in Köln oi'stand(Mi wurden, sind wol provinzialen Ursprungs, wenn
gleich auch Italien solcht^ fertigte. Froehner lieinerkl hieiiiber a. a. (>. S. 80:
»Die GraburiH3 mit bald kreisrundem, bald cyliiulrischem, bald eckigem Bauch
erreicht oft gewaltige Formen. Man findet deren viele in England, die Gräber
Galliens und der Rheinlande haben Überniils daian. aber ich glaube nicht, dafs
Grieclieiilaiid iiihI der (»lienl Jemals eiru.' einzige geliefert haben Um die Er-
haltung des Glases zu eiiniigliclieii, setzte man sie in eine Sleinkiste oder einen
Bleiverschlufs; einigenuile ist es auch nur eine einl'iiclie Terrakottavase oder
ein gemauertes Steinwerk, welches den Schulz gewährt. Der Bauch der Urne
ist oft hohl und mit Sand gefüllt. Der-Deckel ist in Glas oder Blei eingesetzt.«
— 70 —
Es wird hiernach nidil verwiirulern, dafs in der Disch'schen Sammlung: drei
Exem|)hire solcher Urnen sich hefanden, welche wol meist aus Köln oder der
Umg-egcnd slanimlen (vergl. Catalogue de la 'collection de feu Charles Damian
Disch Oll. .1. .M. Heherle-[Lempertz Söhne] Colog-ne 18H1). Die Merkenssche Samm-
lung- hat sog-ar acht solcher Urnen, von denen eine im Bonner Jahrbuch LXXXI
abgebililet ist. Diese stammt aus Trier, wo sie g;efnnden ist, und gleicht sehr
der unseren, wenn schon der Deckelaufsatz abweichend ist. Beachtung verdient
vielleicht, dafs sowol die bei Froehner, wie die eine im Bonner Jahrbuch aus
der Merkensschen Sammlung- abgebildete Urne die gleiche Henkelbildung haben,
nämlich umgekehrt w- förmig, und dafs unsere zwei Gefäfse diese Eigenschaft
teilen. Von den in der Merkensschen Sammlung befindlichen acht Urnen haben
nui- zwei diese Henkel, und wie die abgebildete stammt auch die andere
Urne mit dem umgekehrten w- Henkel aus Trier. Die übrigen sind aus Köln,
Mainz und Italien. Von den Urnen der Disch'schen Sammlung haben zwei diese
gedoppelten Henkel. Die Höhe der Urnen in den fremden Sammlungen schwankt
zwischen 16*2—38 cm.
Nürnberg. Ernst Gasner.
Nürnberger Büchsenmeistor, Bücbsouscliiiüede und Fenerschlossmacher
des 16. Jahrhunderts.
jra Anschlüsse au die Verzeichnisse von Namen Nürnberger Künstler und
der Kunst nahestehender Handwerker, welche wir dem der Bibliothek
^^^ des germanischen Museums angehörenden Totengeläutbuche von St.
Sebald (Nr. 6177. 2.) entnommen und an dieser Stelle veröffentlicht haben, geben
wir aus derselben Handschrift nachfolgend die Namen einer Anzahl von Per-
sonen, die sich im 16. Jahrhunderte in Nürnberg mit der Herstellung von
Geschützen und Gewehren oder einzelner Teile der letzteren befafsten.
Nicht mit der Anfertigung, sondern mit der Benützung und dem Ge-
brauche der fertigen Waffen, hatten sich die Büchsenmeister zu beschäf-
tigen, die meist in allen technischen Künsten wol erfahren waren. Von diesen
sind drei in der genannten Handschrift erwähnt.
Hyrsl)ach, Bernhard, f 15:27.
Götz, Mathos, vor Plassenbui'g ersctiossen 1534').
Rennck, Setiald, zu Hafsfurt f 1S54.
Den Büchsenmeistern folgen in unserer Handschrift chronologisch zuerst
die Büchsenschmiede, welche sich vorzugsweise mit der Herstellung der
eisernen Handfeuerwaffen beschäftigt haben dürften. Als Büchsenschmiede
oder Witwen solcher werden genannt :
Rosner, Linhardt, bei dem neuen Salzhaus, f 1S43.
Rösnerin, Katharina Hans, beim innern Lauferthor, f 1548.
II II -II er, Peter, vor dem innern Laui'erlhor. f 1557.
1) Der in Ileilmanns Kriegsgeschichte von Bayern, Franken, Pfalz und Schwaben von
1506 — 1651 (München 1868) I, S. 140 erwähnte Büchsenmeister, der am 24. November 1553
vor Plassenburg^getötet wurde, kann dieser Mutlies Götz nicht wol sein, da dieser unter
den zwischen dem 15. Mai und 18. September 1553 zu Nürnberg Verstorbenen ange-
führt wird. «
— 71 —
Roßner, Hans, f 1357 S8.
Woflyii (Wölfin?), Anna Hans, die Elter, Wittfraw. f 1558 59.
Rcßnerin, Katharina Hans, auf dem Laufer Platz, f 1358 59.
Rosner, Jörg, aufm Platz, f 1559.
Paur, Cuntz. f 1560.
Straufs, Hans, am Spitzenberg, f 156061.
Herder, Sebald, der Elter, beim Frauenthor. f 1563.
Letzterer wird nicht nur als Büchseuschmied, sondern auch als ßüohseu-
g'iefser bezeichnet, was sein Sohn ebenfalls war. Von Büchseug-iefsern wer-
den in dem Toteug-eläutbuche überhaupt nur Angehörige der Familie Herder
genannt. Aufser dem älteren Herder noch:
Hirderin, Barbara Sebald. Puchsengiefserin beim Frauenthor. | 1555.
Herder, Sebald, der jünger, Puchsengiefser beim Frauenthor, f 1559.
Trotz der abweichenden Schreibweise ist erstere vielleicht als die Frau des
älteren Sebald Herder anzusehen, der also Frau und Sohn ins Giab hätte sinken
sehen. Die Familie Herder hatte sich schon früher mit dem Geschützvvesen befafst,
denn bereits lo23 wurde der Zeugmeister Matern (Marteu ?) Herder von der
Stadt Nürnberg samt mancherlei Geschütz dem Schwäbischen Bunde geliehen ').
Noch jetzt existierende Werke der Herder sind uns nicht bekannt geworden.
Über ein wol untergegangenes Stück haben wir eine freundliche Mitteilung- von
Herrn kgl. sächs. Archivrat Dr. jur. Th. Distel zu Dresden erhalten; unter den
Geschützen nämlich, welche bei der Feuersbruust zu Dresden im Jahre 1601 an-
geschmolzen wurden, fand sich auch eine Arbeit von Sebald Härter (Hertter,
Herder) aus Nürnberg vom Jahre 1538: eine Nürnberger Kartaune, welche
20 Pfd. Eisen schofs und deren Rohr 51 Ztr. 31^2 Pfd. wog. (Kgl. S. Haupt-
staatsarchiv: Locat. 14 566 f sub j-j-f Bl. 1.) Heilmann gedenkt^) in seinem
Werke verschiedener Geschütze, die 1554 Sebald Hurter, Büchsengiefser zu
Nürnberg, gegossen hat. Sollte hinter diesen Hurter unser Herder, Härter
stecken? Oder gab es auch noch einen Büchsengiefser Sebald Hurter, dessen
Frau etwa die 1555 verstorbene Barbara Hirderin gewesen?
Obgleich unser Totengeläutbuch bereits mit dem Jahre 1518 beginnt,
kommt in demselben doch erst im Jahre 1543 der erste Büchsenschmied vor,
während der letzte einen solchen betreffenden Eintrag vom Jahre 1563 her-
rührt, das Verzeichnis aber doch bis 1572 fortgeführt ist. Noch später als die
Büchsenschmiede erscheinen in demselben die Feuerschlofsmacher, von welchen
1554 zum ersten Male einer angeführt wird. AVie man aus dem nachfolgen-
den chronologischen Verzeichnisse ersehen wolle, waren sie zahlreicher als
die Büchsenschmiede, die von 1563 an den Feuerschlofsmacheru vollständig
Platz machen.
Als Feuerschlofsmacher werden in dein Tolengeläutbuche verzeichnet:
Wonsitzer, Heinrich, an der obern Sciimidgaß. f 1554.
Stre itor, Hans, f 1564.
P reu sin, Elisabeth Wolf. | 1565.
Reinhart, Hatis, in der liitilern Beckschlagergaß. ]■ 1565.
Jlcsull, Zachai'ias, an dn- l'ecksfhlagergaß. f 1507. ,
Denl/.lin. Anna Hans, iiirilcr S. Laurenzen, f 1567.
2) Vgl. Quellen z. Geschichte der FcuirwalTeii S. (i(i. Anzeiger f. Kdc d. d. Vorzeil
1866, Sp. 3 und 4. 3) a. a. 0. S. .-557.
— 72 —
Schot, Hans, unter der Vcsten. f 1569.
Sewseriii, Elisabet Quirinus, am Spitzenborg, f 1569.
Sto ji I cri n , Ursula Wolf, an der Carloii.sorp:asst'n. f loG9 70').
Dentzlin, Anna Hans, an S. Katharina Graben, f 1570.
Seh erb, Hans, aufm Laufer Platz, f 1572.
Wie iimii sieht, wiiieu diese Feuerschlolsniacher zu nicht gering-em Teile
in denselben alten, nicht weit von der ]\yivp: g-cleg-enen Gassen sefshait, in
welchen auch der gröfste Teil der Plattner seinen Wohnsitz hatte. Vielleicht
halte sich mit der fortschreitenden Vervollkoninmung- der FeuerwafTen ein Teil
der Phitlner gerade auf die Herstellung- der ihre Erzeugnisse allmählich über-
llülsig- machenden Jiüchsen geworfen, da nach Baader'^) das Büchsen- und
FeuerschloCsmachen zu Nürnberg im 1(5. Jahrhunderte eine freie Kunst war,
also von allen Denjenigen getrieben werden durfte, die kein anderes Gewerbe
hatten und sich bei den Behörden als Büchsen- oder Feuerschlofsmacher an-
gemeldet hatten. Sie hatten keine Handwerksordnung, durften ihre Arbeiten
ungehindert verkaufen und Handel damit treiben, mufsten aber ihre Büchsen
zum Beschiefsen und Zeichnen in die Schau bringen.
Aufserdem findet sich in der fraglichen Handschrift noch der Büchsen-
macher Simon Helm, wohnhaft an der äufsern Laufergasse, der 1567 starb,
verzeichnet, während seine Frau Anna bereits 1366 gestorben ist. Weitere
Personen , die mit der Anfertigung von FeuerwafTen sich beschäftigt hätten,
waren in dem Kodexe nicht zu finden, wenigstens waren sie nicht als solche
bezeichnet.
Nürnberg. Hans Bosch.
Albrecht Dürer als Nachbar.
S^s^^er grofse Künstler, von dessen Schaffensdrang, unermüdlichem Fleifse
y ^y J und Zeitausnützung seine zahlreichen Werke lautes Zeugnis geben, fand
.C64— <^/ dennoch Zeit zu kleinen Gefälligkeiten, wie sie ein guter Nachbar gerne
dem anderen erzeigt. Einen Beleg hiefür bildet eine Urkunde im germanischen
Museum vom 12. Mai 1519 (Perg.-Urkunden Nr. 7758), in welcher Ritter Hanns
von Obernitz, Schulthcifs, und die Schötfen der Stadt Nürnberg bestätigen, dafs
Margreth, Heinrich Recken, des Becken und Bürgers hinterlassene Wittib,
üuntzen Süsßner dem Becken und Margretha seiner Ehewirtin, ihre Behausung
bei dem Thiergartner Thor, zwischen Hannsen Amman und Hans Duckel Schu-
sters Häusern gelegen, um 335 fl. rheinisch verkauft habe. Als sonderlich ge-
forderter und erbetener Zeuge dieses Geschäftes wird Albrecht Durer neben Jörg
Winckler genannt, und zwar wird Dürer ohne jedes Prädikat und erst nach
Jörg W^inckler angeführt. Das Eintreten Dürers ist also als etwas ganz Selbst-
verständliches betrachtet worden. Da alles was Dürer betrifft, oder zu ihm in
Beziehung steht, von allgemeinem Interesse ist, so glaubten wir, auch diesen
kleinen Zug hier mitteilen zu sollen.
Nürnberg. Hans Bosch.
4) Baader berichtet in Zahns Jalirbüclicrn für Kunstwissenschaft I, S. 256 von einem
Nürnberger Büchsenfasscr Hans Stopler.
5) Zahns Jalu'b. f. Kunstwissensch. I, 257, woselbst auch nocli verschiedene, hier
nicht vorkommende Büchsenschmiede und Büchsengiefser verzeichnet sind. \
— 73 —
Die kaiscriirkuudcu des geriiiauischeii iVatioualuiuseuuis.
III. *)
Vom luterrcg-num bis zum Tode Ruprechts. 1256—1410.
jie Bespreclmug- der Kaiserurkundeu des g-ermauischen National museuins
ist in zwei Abteilungen (S. 3 ff. und 30 ff. dieses Jahrg-ang-es) ^) bis zum
Schlüsse der staulischen Periode g-eiuhrt worden. Als dritte Abteilung
war ursprüng-lich die Zeit «vom Interregnum bis auf unsere Zeit« iu Aussicht
genommen worden. Jedoch die Wahrnehmung, dafs in späterer Zeit die Fülle
des Materials stetig steigt, sein historischer wie sein Seltenheitswert dagegen
im selben Mafse abnimmt, mufste eine Beschränkung der gestellten Aufgabe
nahelegen. Die in ermüdender Fülle und Eintönigkeit wiederkehrenden Lehens-
briefe, Konfirmationen, Mandate, Wappenbriefe des 16.— 18. Jahrhunderts ver-
mögen in ihrer Bedeutung den Vergleich mit den urkundlichen Zeugnissen
früherer Zeit eben so wenig auszuhalten, wie die leeren Schatten und Theo-
rieen des späteren Reichsrechts mit der lebendigen Macht- und Kraftfülle des'
älteren Kaiser- und Königtums. Das urkundliche Material ist ein getreuer
Spiegel der reichsgeschichtlichen Eutwickelung.
Allerdings kann eine solche von subjektiver Wertschätzung ausgehende
Abgrenzung unserer Aufgabe keine objektive Geltung beanspruchen und bleibt
dem Vorwurfe der Willkürlichkeit ausgesetzt. Indessen wenn wir unsere Be-
sprechung bis zum Ende Maximilians I. und zur Wahl Karls V. führen, so fehlt
es doch hierfür nicht an innerer Berechtigung. Das Ende der alten Reichs-
verfassung, die Umwandlung der kaiserlichen Gewalt kann mit dem Augen-
blicke als unwiderruflich entschieden und besiegelt gelten, wo das römische
Kaisertum deutscher Nation mit der spanischen Monarchie in eine, wenn auch
nur vorübergehende Verbindung trat, und gleichzeitig die Reformation dem
deutschen Territorium Aufgaben und Ziele erölt'nete, bei deren Verfolgung sein
Gegensatz zur Zentralgewalt immer schärfer, immer unversöhnlicher wer-
den mufste.
Dagegen ist die Scheiilung innerhalb dieser vom Interregnum bis zur
Wahl Karls V. reichenden Periode mit dem Tode Rui)rechis alleriliiigs eine rein
äufserliclie. Einen inneren AbsclmiLL iu dem Kanzlei- und Urkundenwesen
des Reiches bildet derselbe nicht.
Darstellungen des Urkundenwesens unserer Epoche bietet aul'ser den
einschlägigen Abschnitten in Bresslaus »Handbuch der Urkundenlehre«-)
*) In der Person dos Boarhcitt'rs dieser Aursät/c liat seil der WTonViiliicIiuii^i- dos
II. durch Auslritl des Dr. Kciidinei-, an (iesseii Stelle Dr. Weiidl nclreleii isl, ein Weelisel
slullgerundin Die Red.
\) Zu diesen Al)leiluiij;en isl zu liemerken, dafs die Sliickc 9, 10 und 12, welche der
iieruustjeber derselhen als bisher unhekannl ho/.oichnel halle, beroils gedruckt sind, und
zwar Nr. 9, Urkunde Heinrichs IV. für den JJischof von Verduii vom 12G. April 1057, in '.Mit-
Icilungen des Instiluls inv österreichische Geschichtsforschung« VII, 459, Nr. 10, L^rkunde
Friedrichs I. ü\v das Kloster lirondolo vom 1.'?. August 1102, und Nr. 12, Urkunde Hein-
richs VI. für dasselhc Kloster vom 2r?. FtduMiar 1191, in «INeues Archiv der Gesellschaft
für ältere deutsche Geschichtskunde« Bd. XI, S. 390 IL
2) Namentlich S. 59 IT., 109 IT., 381—419.
Mitteilungen aus dem geniiau. Nalluiialiauäeum. ISDO. X.
— 74 —
für die Luxcniburg-ischen König-e und Kaiser, namentlich das Werk Lind-
ners "Das Urkundeiiwesen Karls IV. und seiner Nachfolger« , so dal's unsere
Darstellung sich uiil' die bei den einzelnen Urkunden sich ergebenden Be-
iiiiMknnii'i'ii lieschrilnken kann.
A. Das Interregnum. 1256—1273.
19. Kine Uriginahukuiide der Könige jener Zeil besiLzl das M'useuni nicht,
nur eine deutsche Übersetzung des Privilegs König Richards für das Stift zu
Worms, betrclfend Ungeldfreiheit, vom 20. April 12ü9. Dieselbe ist gedruckt
(nach einer Konlirmation des Kaisers Mathias vom 16. Oktober 1613) bei Lünig,
))Reichsarchiv(( XXI, 1314, ferner ))Monumenta Germaniae« Leges II, 382,
Boos, »Urkundenbuch der Stadt Worms« I, 223, Nr. 346; Regest bei Böhmer,
• . Reg. Richards Nr. 111. In unserer Übersetzung bildet die Urkunde einen Teil
der Konlirmation Karls IV. für Bischof Dietrich von Worms vom 24. Juni 1364.
(Vgl. diese, Nr. 51.)
B. Rudolf von Habsburg. 1273—1291.
20. 1274 April 21, Rothenburg o. T. König Rudolf gebietet seinem Vogte Ulrich
zu Crenkingen-"'), zu Ercingeu ^) keine neuen Zölle zu erheben. — Orig. Perg.
Auf der Rückseite Siegelreste.
Dieses kleine Mandat, ebenso wie das folgende, an Inhalt und Form ihm
ähnliche, fehlt bei Böhmer; beide scheinen bisher unbekannt zu sein. Gestalt
(23 cm. Breite, 10 cm. Höhe und 24 cm. Breite, 9,5 cm. Höhe) und Schrift beider
sind gleich, ebenso das Siegel. Dieses, ein braunes Wachssiegel, ist, soweit die
vorhandenen Reste erkennen lassen, mit dem bei Heffner »Die deutschen
Kaiser- und Königssiegel« S. 17 des Textes unter Nr. 75 beschriebenen, auf
Tafel Vll unter Nr. 60 abgebildeten Siegel Rudolfs identisch.
Rudolfus dei gratia Romanorum rex seraper augustus. aduocato suo in
Crenkingen. Vlrico. gratiam suam | et omne hon um. Iuris est regula appro-
l)ata ne id. nostro nomine tleri patiamur. a quo alios ex regiminis | nostri
debiLü prohibere tenemur. Cum igitur vniuersis regui nostri subditis iu-
iusta thelonia et inconsueta | necessario duxerimus prohibenda. ea si nostro
nomine pateremur recipi foret incouueniens. et iudicaretur indignum. | Quare
tibi sub obtenlu gratie nostre precipimus llrmiter et districte. quatinus in villa
• Ercingen. debitis antiquis | et approbatis theloniis sis contentus. ultra a trans-
euntibus nichil cxigas vel requiras. si nostre maiesta i tis offensam volueris
euitare. Datum Rodenburch XI kal. Mail regni nostri anno primo.
21. 1274 April 21, Rothenburg o. T. König Rudolf gebietet seinem Vogte zu Ensis-
heim ^), keinerlei Zölle und Steuern zu erheben. — Orig. Perg. Auf der Rück-
seite Siegelreste.
Rudolfus dei gratia Romanorum rex semper augustus. aduocato suo in
Ensigisheim. gratiaui suam et omne ] bonum. Iuris dictat regula ne id nostro
nomine fieri patiamur a quo alios ex olTicii nostri debito prohibere | tenemur. Cum
3) Krcnkingcn, Grofshcrzo{,diuii Baden, O.A. Botulorl'.
4) Egginji;en, Bilden, O.A. Eondori".
5) Im Elsafs, Kreis Gebwciler,
- 75 -
ig'itur vniuei'sa telonia pedag-ia seu quitagia indebita eL inconsueta omnibus
uostro I subiectis imperio ex officii nostri debito duxerimus non immerito prohi-
benda. tibi sub obteiitu gratie nostre preci ] pimus quatinus ab omni thelouio-
ruiii seu pedag-iorum reeeptione abstineas. transeuntes sine molestia i et offen-
diculo quolibet dimittendo. Datiini Rodenburch. XI kal. Maii. regni nostri anno
primo.
22. 1274 Sept. 10. Kaiserslautern. König- Rudolf beauftragt den Sehultheifs zu
Kaiserslautern mit dem Schutze des Klosters Ofifenbach am (ilan. — Orig-. Perg.
Braunes Wachssieg-el an Pergamentstreifen.
Böhmer, Reg-esten Rudolfs Nr. 113. Richtig- abg-edruckt bei Crollius
»De cella in Offenbach« S. 42. Dort ist nur in Zeile 6 statt coenobiuni: con-
ventum zu lesen.
Dieses Mandat kommt den beiden erstg-enannten an Gröfse (9,5 cm. Höhe,
22 cm. Breite) und Schrift nahe. Das Sieg-el zeigt den bei Heffner a. a. 0. S 17
unter Nr. 74 besprochenen, auf Taf. YII als Nr. 59 abg-ebildeten Typus.
23. 1281 Juli 5. Regensburg-. König- Rudolf beurkundet den auf die Anfrag-e der
Gesandten des Erzbischofs Friedrich von Salzburg in seiner Gegenwart durch
den Bischof Heinrich von Regensburg-, die Herzöge Ludwig- und Heinrich von
Bayern u. a. gefundenen Rechtsspruch, dals irgend welche zu einem Fürsten-
tume gehörigen Güter von den Fürsten zum Schaden ihrer Nachfolger nicht
veräufsert werden dürfen. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
Böhmer, Regesten Rudolfs Nr. 593. Mit unserer Vorlage überein-
stimmend gedruckt bei Ried, »Cod. dipl. Ratisbonensis« I, 575; danach in
»Monuraenta Germaniae« Leges IL 426.
Diese Urkunde existiert noch in einer zweiten Ausfertigung im k. k.
Haus-, Hof- und Staatsarchive zu Wien, von welcher Herzberg-Fränkel in
den »Kaiserurkunden in Abbildungen« Lieferung- VIII, Tafel 18b ein
Faksimile gibt. Dieselbe unterscheidet sich von der unserigen durch ihre ge-
ringere Gröfse (die unserige hat 12cm. Höhe, 21cm. Breite), ferner dadurch,
dafs nur die Regierungsjahre, nicht die Jahre der christlichen Ära angegeben
sind. Das Datum, welches beide Ausfertigungen geben: »III Non. Junii« ist
in: III Non. Julii« abzuändern, einmal weil das im Texte angegebene Datum:
»sabbato infra octavam apostolorum Petri et Pauli« den 5. Juli ergibt, dann
weil Rudolf (vgl. Böhmer »Regesta imperii« 124(5—1313 S. 106) noch am 4. Juni
in Usterhofen und erst vom 12. Juni bis 6 Juli in Regcnsburg urkundet.
24. 1286 Januar 27. Augsburg. König Rudolf verleiht dem Bischof Romboto von
Eichstätt den Wildbann im Stcinberger Forst. — Orig. Perg. Siegel fehll.
Fehlt Böhmer; Regest bei Leflad, »Regesten der Bischöfe von Eichstätt«
Nr. 675, nach unserem Originale.
Rvdolfus dei gialia Romanorum rex sempor auguslus viiiucrsis sacri im-
perii Romatii üdelibus presentes litteras inspecluris graliam [ suam et omno
bonum. Ad vniuersilatis vestre notitiam lenore prestMiliimi cuiiiiniis peruenire
quod cum Uemboto venerabilis episcopus Eysletensis princoiis | noster karissimus
nobis exposuerit quod in nemore illo diclo Slainl)ergorvorst el aliis circumia-
centibus siue occlesiam suam siue moiuisterium in Halsprunne j nulli principum
ius forcstarum quod vulgo wilpant dicitur comi)etal nee competierit ex anliquo
- 76 —
pehens hiimililei- xl sibi in locis illis ins huiiisiiiodi eon | cedere dignareinur.
Mos ipsius pi-ccibus annucntes in iiniiiic nostre et prog-enitorum noslrorum re-
niediuin sibi et ipsi ccclesie sue suistjue successoribus in antedicto nemore|
Stainbcrgervorst et oiiiniluis siliiis adiacentibus quemadniodum superius est ex-
pressuni ins forestaruni quod wilpant vulg-o vocant donavinius et Iradidiinus
do I nanius et tradinius iUi ([uod absquo ipsius episcopi Rembotonis uel suorum
successonini licentia speciali nulli boniinuni cuiuscunque dig-nitatis condicionis
siuc Status fucrit | lieeat venari rotia tendere pedicas abscondeic aut vlla alia
arte cuiuscunque gcneris feras in locis decipere supradictis duniraodo nulli
pi'incipum | aut nobiliuni hoc de iure competat aut nulli alteri a nobis uel pre-
decessoribus imperatoribus aut regibus in locis superius expressis concessura
hoc existat | Nulli ergo oniiiiiio honiinum lieeat hanc nostre concessionis paginam
inl'ringere uel ei in aliquo ausu temerario contraire. Quod qui fecerit grauem
nostre | maiestatis ofTensam se nouerit incursurura nee non compositurum decera
libras auri mcdietatem camere nostre et alteram mcdietatem ipsi episcopo uel
suis I successoribus persoluendam. In cuius rei testimoniuin presens scriptum
exinde conscribi et maiestatis nostre sigillo iussimus communiri. Huius rei|
testes sunt venerabilis RudolfusSalzburgcnsis archiepiscopus Henricus Basiliensis
Wernhardus Pattauiensis Hartmannus Augustensis et Heinricus Ratisponensis|
episcopi nee non illustres Ludowicus palatinus comes Reni et Heinricus frater
eius duces Bauwarie Albertus et Rudolfus fratres Austrie et ] Styrie duces filii
nostri predilccti. Fridcricus lantgrauius Thuringie et nobilis vir Maynhardus
comes Tyrolensis et alii quam plures tlde digni. Datum \ Auguste VI kal. Febr.
Ind. XIIII Anno domiui MGCLXXX sexto regni vero nostri anno tertio decimo.
G. Adolf von Nassau. 1292—98.
25. 1292 Dez. 2. Hagenau. König Adolf überläfst den Burgmannen zu Friedberg
die Hälfte des Ungeldes der Stadt Fr. zum Zwecke der Ausbesserung und Er-
haltung der Burggebäude. — Kop. Perg.
Böhmer, liegesten Adolfs Nr. 70. Gedruckt bei Lünig, ))Reichsarchiv(f
Bd. Xll, Abs. m, S. 103.
Unser Text steht auf einem offenbar aus einem Urkundeubuche heraus-
geschnittenen Blatte; die Schrift weist auf das 15. Jahrhundert. Vorher ging
eine deutsche Urkunde des Jahres (12?)87, deren beide letzten Zeilen noch er-
halten sind. Auf der Rückseite steht (von anderer Hand) unter der Zahl 1400
der Anfang einer Urkunde, durch welche Friedrich von Echtzel und seine Ehe-
frau Grete ihr in der Burg Friedberg innerhalb der Ringmauern bei dem hin-
tersten Turme gelegenes Haus der Burg zu Friedberg verkaufen. Der Text
unserer Kopie stimmt im wesentlichen zu dem Lünigs, nur fügt ersterer in
Zeile 5 nach dilectos: et fideles hinzu.
26. 1293 Mai 5. Nürnberg. König Adolf verleiht dem Bürger Bernhard zu Nürn-
berg das dortige Schrotamt. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
Fehlt bei Böhmer sowie in lokalen Quellensammlungen; scheint bisher
unbekannt zu sein.
Adolfus dei gratia Romanorum rex semper augustus vniuersis sacri
Romani imperii | fideliluis prcsentes litteras inspecturis gratiam suam et omne
bonum. Prudens vir 1 Bernhardus ciuis de Nuremberg dilectus uoster fidelis
— 77 —
nostre cclsitiidini humiliter 1 supi)liciiuit quod otTiciuni dicLuiii schroliiiupi iu ciui-
tate Nvi-eiiiberg- ([uod quoiidain Hein | ricus dictus Vigil •') de Nvreniberg suus
socer sibi ab inclite recordaciouis Friderico Ronianoruin 1 imperatore esse con-
cessutii asseruit ei concedere dig'naremur potissime cum Agnes ipsius | Benibardi
legittima dicti Heinrici Yig'ilis filia patri in eodem officio successisset. \ Nos
vero predicti Bernhardi precibus inclinati tanien de nouo nicbil sibi conferimus|
in euni quicquid iuris Agnete sue legittime in diclo officio schrotanipt com-
peliii I transrundimus volentes et ei concedentes vt dicto officio schrotanipt
gaudeat | et vtatur sicut Heinricus et Agnes sepedicti Heinrici Vigilis pueri
hactenus | sunt gauisi presentiuni testimonio litterarum. Datum in Nvremberg
III Nonas | Maii Ind. VI anno domiui MGGLXXXXIII regni vero nosti'i anno
primo. ,
D. AI brecht I. 1298—1308.
27. 1299 Febr. IB. Frankfurt. König Albrecht übersendet dem durch Krankheit
am persönlichen Erscheinen verhinderten Bischof Gerhard von Metz die Hegalien,
mit der Bedingung, dafs derselbe zunächst dem Grafen von Heunegau, Johann
V. Avesnes, als Vertreter des Königs, den Treueid leiste und denselben dann
binnen 2 Jahren vor ihm selbst persönlich wiederhole. — Orig. Perg. Siegel
fehlt; Siegelfäden (rotbraune, stark verblafste Seidenfäden) erhalten.
Böhmer, Regesten Albrechts Nr. 137; ziemlich korrekt gedruckt bei
Galmet, «Histoire de la Lorraine« (1. Ausgabe) II, S. DLL
Der Text Galmets ist an folgenden Stellen abzuändern : Z. 4 vor Imperii
add : Roniani ; Z. 23 hinter ecclesieadd: suae ; Z. 28 statt Haynon: Haynoniensi;
Z. 32 statt supradictus : sepedictus ; Z. 33 statt quam : quuui ; Z. 41 statt Fran-
kenvart: Franckenvurt ; hinter decimo quarto add: kal.
28. 1299 März 28. König Albrecht bestätigt einen zwischen Bischof Sigfrid von
Ghur und dem Edlen Johann von Vaz geschlossenen Vergleich. — Orig. Perg.
Rest eines braunen AVachssiegels an Pergamentstreifen.
Fehlt 1mm lirilimer. Gedruckt bei Th. v. Mohr, »Godex diplomaticus.
Sammlung der Urkunden zur Geschichte Gur-Rätiens und der Republik Grau-
biinden'f Band U, 148— 15U.
Die l'rkundi' wird boi v. .Mi^lir als im bischöflichen x\rchive zu ("-hur be-
liiullidi rrwälmt, belindcl sich aber sclion seil geraumer Zeit neben vielen
andeiTii das I)is1um (iliur betrellendeii Stücken im Besitze des Museums. Das
Siegel ist uai-li dem rrliallrncu Reste nicht näher zu besliiiiiiii'u. Ileffner
a. a. (I. S. iS fiijiil iiucli mir einen Typus für das Majeslätssiegel Albrechis l. an.
Dei- Text V. Molirs enlliäll auf Zeile 6 von S. 149 einen sinnstöremlen
Lesefehler: v. Mohr las am Schlüsse derselben statt dictus quoipie 'Kl: dielum
((uo(iue 'lo. und bezeichnete diesen Zusatz, den ei' auf das vorhergehende: Mar-
quardum de Schellnberg bezog, als unverständlich mit einem »sie.« Das dictus
([uoi^K! Jo. bezieht sieh auf Johannes de Vazze (S. 148. Z. 4) und palst voll-
ständig in den Zusammenhang. Sonst ist noch zu ändern: S. 149, Z. 1 om.:
(■> .Irilciit'alis: NVelffcl; Nacliriilili'n iihci- dicsos Gcschleclit },nlil u.a. Würfel in »Nacli-
riclilcii zur Ki-Jiuitci-im«;- der Niiriilicr^MScIicii Sladt- uinl .Vdcis^jo.scliiclitc- I. 'Ml. wo der
Weiler uiitcii {fi'iiaiiiilc lleiiiricli Weip'l der Jüngere iiudmcew ie.son wird.
— 78 —
parle; Z. lU sUitl. conii>oniloros: compnsiloros ; Z. 22 vor de Wnll'iii't add :
dicimii; Z. 33 statt i>i'erali: pietalis.
K. Heinrich VII. 1308—1313.
29. 1300 März 12. Speier. König- Ileinrieli \ll. verleiht dem Nonnenkloster König's-
brück (bei Sels) Cistercienserordens, in Beslätig-un^ einer Verf'üg-ung- seines
.Vorg-äng-ers Adolf, das Holz- und Weiderecht im Reichswalde Heilig-enforst.
— Orig-. Perg. Gelbbraunes Wachssieg-el an rotgelben Seidenfäden.
Fehlt bei Böhmer.
Dieses Privileg- beirifft dasselbe KiosliM- wie die unler Nr. 18 (S. 37 ff.)
besprochene und abgedruckte Urkunde Kiung- Heinrichs, des Sohnes Kaiser
Friedrichs II., vom 13. November 1227, in welcher die Griindung-sg-eschichte des
Klosters nul auffallender Ausfidudichkeit erzählt wird. An demselben Tag-e wie
unsere Urkunde stellt Kfliug- Heinrich VII. dem Kloster Königsbrück zwei andere
Privilegien aus, deren Regesten Böhmer, Reg-esten Heinrichs Nr. 53 u. o4,
nach Originalen in Karlsruhe mitteilt. Unsere Urkunde scheint bisher^ungedruckt
zu sein; ihr Aufseres g'ibt zu Bedenken nichl Anlafs. Das am unteren Rande
etwas beschäthgte Sieg-el zeig't den von Heffner a. a. 0. S. 19 unter Nr. 85 be-
sprochenen, auf Tafel X unter Nr. 68 abg-ebildeten Typus.
Heinricus dei g;ratia Romanorum rex seraper aug-ustus vniuersis sacri
Roniani imperii (idelibus presentes litteras inspecturis gratiam suam et omnei
bonum. Volentes honorabiles et relig'iosas personas abbatissam et conuentum
sanctimonialium in Kuneg-esbruke in Heiligenforst or ! diids Cysterciensis deuotas
nostras dilectas quarum ordinem commendabili llore florentem indelicientis cari-
tatis ardore sincere dilig'imus veluti | beuedictionis eterue lilias celebis vite fra-
grancia choruscantes fauore et g-ratia semper prosequi speciali eisdera ad instar
diue recor | dacionis Adolli Romanorum reg-is antecessoris nostri '') de benig-
nitate regia indulgemus vt pecora sua parua et magna seu pecudes i et specia-
liter porci sui siluara Heiligenforst nostram et imperii intrare debeant et nu-
triri ualeant de pascuis et glaudibus silue | eiusdem. Et quod eedem abbatissa
et conuentus in dicta silua Heiligenlbrst ligna sine contradictione qualibet
secare possint et | educcre pro suis necessariis ediüciis et cottidianis ignibus
oportuna. Omnibus nostris ofiiciatis forestariis et eorum famulis hoc edicto]
regio districtius inhibentes ne quis predictas abbatissam et conuentum contra
teuerem nostre gratie molestare presumat vel quomo j dolibet impedire presen-
tibus ad nostrum beneplacitum duraturis. In cuius rei testimonium haue litteram
nostro sigillo fecimus | communiri. Datum Spire IUI Idus Marcii anno domini
millesimo trecentesimo iiono regni nostri anno primo.
30. 1309 Aug. 25. Speier. König Heinrich YIl. beauftragt den Landvogt Lothar
V. Isenburg, Schultheifs, Rat und Bürger zu Esslingen und Reutlingen mit dem
Schutze des Klarissinnenklosters zu Pfullingen. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
Pergaraentstreifen noch vorhanden.
Böhmer, Regesten Heinrichs VII. Nr. 143. Gedruckt bei Glafey, »Anec-
7) Die hier anj>'ezogonc Verfügung ist cnlhallen in einer Urkunde König Adolfs vom
28. Dezember 1596, gedruckt bei Scliöpflin, »Alsatiu di|)li»ni:ili('a« W, 05; Regest bei
Böhmer, Ilegestcn Adolfs Nr. 337.
— 79 —
dotorum S. R. I. historiam . . . illustraiitiura collectio« 344, und v. Ludewig-,
»Reliquiae manuscriptorum etc.« X, 164 f.
Der Text v. Ludewig-s ist an folgenden Stellen zu verbessern: Z. S st.
civitatibus: ciuibus; Z. 6 nach Ezzelingen add: et in Rutelingeu, st. nostris:
suis; Z. 13 st. celebris: celebis; Z. 14 st. insignivit: insignit; Z. 18 st. suppor-
tatos: supportatas; Z. 23 st. fidelitate : fidelitati; S. lOo, Z. 3 nach molestare
add: Harum testimorio harum (sie) nostre maiestatis sigilli robore signatarum ;
Z. 4 st. Spiris : Spyre.
31. 1313 Juni 11. Pisa. Kaiser Heinrich VII. erläfst folgende Verfügungen zu
Gunsten der Bürger zu Nürnberg: der .jedesmalige SchultheiCs daselbst soll
die dortigen Reichsstrafsen schirmen ; SchultheiCs und Bürger dürfen jeden, der
es verlangt, als Bürger aufnehmen; der Schultheifs soll jährlich einmal dem
Rate schwören, nach dem Wahrspruche der Schöffen gerechtes Urteil sprechen
zu wollen ; der Schultheifs soll jeden gefangenen Bürger gegen Bürgschaft der
Haft entlassen, Ausnahmefälle vorbehalteu; kein Nürnberger Bürger soll vor
ein auswärtiges Gericht geladen werden dürfen; Bürger und Fremde sind ver-
pflichtet, die Verfügungen des Rates und der Schöffen in Handelsachen zu be-
obachten; der Inhaber der Burg zu Nürnberg und des dazu gehörigen Turmes
soll sich verpllichten , diese den Bürgern bei Erledigung des Reiches zur Ver-
fügung zu halten ; der Schreiber des Landgerichts soll in Nürnberg wohnen
und auch dem Schultheifsen dienstbar sein; beim Landgerichte sollen nur Ritter
und Bürger Recht sprechen dürfen; die Bürger Nürnbergs und ihre Güter
sollen in allen den Städten Zollfreiheit haben, welche dieselbe auch in Nürn-
berg geniefsen. — Gop. coaet. Perg.
Böhmer, Regesten Heinrichs VII. Nr. 548. Fehlerhafte Drucke bei Lüuig,
»ReichsarchivrtXIV,87;(Wölckcrn,) »HistoriaNorimbergensis diplomatica« S. 227.
Unsere Kopie steht auf einem 25 cm. hohen und 27 cm. breiten Perga-
mente ohne Umschlag und Siegelspuren; Kanzlei- oder Kopialvermerke fehlen.
Die Schrift ist mit keiner der in »Kaiser Urkunden in Abbildungen«
Lief. VIII, Taf. 8a b, und 9 gegebenen Proben identisch, wenn auch eine ge-
wisse Verwandtschaft mit 8a unverkennbar ist. Die Entstehung unserer Kopie
in der kaiserlichen Kanzlei ist also zwar möglich, aber nicht mit Sicherheit
zu behaupten.
Das Original ^) stimmt mit unserer A^orlago, abgesehen von oini<z-(Mi otTen-
baren Sclireiblehlern letzterer, durchaus überein.
Die wichtigeren Abweiclmngen unseres und dos originalen Textes (A),
von denen Wölckerns (B) und Lünigs (C) sind: Gol. 1. Z. IG''), G: agendas,
A, H: augendas; Z. 26 A: nmli scmel add. in: Z. 31 A: nach secundum
fehlt iustam; Gol. 2, Z. I B, G: inodt'ralioiu'. A: modcraiiiine; Z. 2 K. G: inlia,
A: infra; Z. 7 A: narh (|iiiii fehlt et; lunter castruin \\. (1: simi. A : cl ; Z. 9
B, G: Roniano, A: Honuuinniin : Z. 12 I'. (- ; dcvolvalur. A: dcinihianlnr: Z.
27 A: liinttir fiicrunt fcblt cl : Z. .'i.l A: hinicr slaluinius add.: cl cos \si[ue
ad nostre voluntatis beneplacituin uaiiUirus esse ilecernimus; Z. 3S B, G: pre-
sumatur, A: presumat.
8) Im Rpichsardiivi- zu .Miiiiclu'H, von ilor Diicklioii tli'&.SL'lbt.'ii uns IVcmiillicIisl zur
Vt'rj!;l('ichuu{^ ülicrlasst'ii.
9j Die Zcilcnziililuiijx ist dein Alxirufkc li<'i Lüiiip. al.-^ «Iciu zuj^änj^Iiclu'ri'ii, onliutnunon.
— 80 —
32. Aufscr den ang-elulirlen nrig-imilurkundeii Kaiser Heinrichs VII. besitzt das
Museum noch eine, wie es scheint, fast g-leichzeitige Saiumelhandschrif't,
welche Abschriilen der l'iivilcüiiii des genannten Kaisers für die Stadt Reg-ens-
burg- enlhäh. und drrcii Jnliall und Form hier kurz l)esprochen werden mag-.
Die Handschrift steht auf beiden Seiten eines 62 cm. langen und 20 cm.
breiten Pcrg-amcntstreifens; die feine und zierliche Schrift weist auf die erste
Hälfte des 14. Jahrhunderts hin. In der Mitte und auf beiden Seiten befinden
sich in g-leichcu Abständen je zwölf wag-rechte Einschnitte zum Durchziehen
von Bändern, was auf eine einstmalige Verpackung- und Versendung unseres
Stückes schlielseu läfst. An der Spitze steht die Überschrift: «Hec sunt
privilegia ciuibus Ratisponensibus tradita a serenissimo domino Hainrico inclito
Romanorum regi semper augusto«. Darauf folgen die Privilegien in 17 Ab-
sätzen. Jedem Absatz ist von einer Hand des späteren 14. oder des 13. Jahr-
hunderts ein deutsches Regest hinzugefi'gt. Nur das in Absatz 1 enthaltene
Privileg ist vollständig wiedergegeben, bei den andern ist das Protokoll weg-
gelassen. Sie beginnen meist mit der Arenga und schlicfseii mit der Sanctio.
Das Privileg des Absatzes 4 enthält nur Narratio und Dispositio.
Der Absatz 1 enthält das Privileg König Heinrichs vom 12. Mai 1310, dem-
zufolge kein Regensburger Bürger vor ein fremdes Gerieht gezogen werden soll.
(Regesten bei Lang, »Regesta Boica« V, 175 Nr. 5, Böhmer, Regesten Hein-
richs VII. Nr. 234; erwähnt bei Gemeiner, «Regensburgische Chronik« I, 474.) —
Der zweite Absatz enthält die Urkunde vom 5. Juli 1309 (Böhmer Nr. 114, Ge-
meiner I, 471), welche verbietet, einen Regeusburger Bürger aufserhalb der
Stadt zu pfänden. — Darauf folgt die Urkunde vom 7. Mai 1310 (Laug V,
175Nr.3, Böhmer Nr. 231, Gemeiner 474): König Heinrich erlaubt denBürgern
von Regensburg, zur Besserung ihrer Brücken , Wege und Mauern ein Ungeld
von Wein, Meth, Tüchern und anderen trockenen Waaren zu erheben. — Das ■
vierte Privileg, ebenfalls vom 7. Mai 1310, gestattet den Bürgern von Regens-
burg, Räuber und andere schädliche Leute, innerhalb und aufserhalb ihrer
Stadt, auch in den Gerichtsbezirken der Herren, zu fangen und zu richten.
(Lang V, 173 Nr. 4, Böhmer Nr. 232, Gemeiner 471). — Darauf folgt eine
zweite Urkunde vom 3. Juli 1309: König Heinrich bestätigt den Bürgern von
Regensburg alle von seinen Vorgängern am Reiche erhalteneu Privilegien.
(Lang I, 156 Nr. 7, Böhmer Nr. 114, Gemeiner 471.)
Die in den folgenden 12 Absätzen enthaltenen Bestimmungen vermögen
wir in Urkunden König Heinrichs VII. nicht nachzuweisen. Jedoch finden sich
einzelne derselben: über den Gerichtsstand geistlicher Leute, das Verbot der
Muutleute, die Befreiung von der Grundruhr, die Verpllichtung der Bürger zum
Gehorsam gegen den Rat, bereits in älteren Privilegien der Stadt Regensburg,
namentlich in dem Friedrichs II. vom Jahre 1230 (Gemeiner I, 321 ff.).
F. Ludwig der Bayer. 1314—1347.
33. 1325 Mai 2. München. König Ludwig verleiht dem Chunrad dem Helbeling,
genannt von Strazfriden, und seinem Sohne Ulrich die bisher von Hiltprant
von Perchtingen innegehabte Probstei. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
Fehlt bei Böhmer.
— 81 —
Wir Ludowich von gois g-nadeii Römischer chunig- ze allen zeiteu merer.
dez riches. verie | heu ©ffenlich an diseiu briefe. daz wir dem vesten manne
Chuuraden dem Helbeling- genant | von Strazfriden vnserm lieben getruwen
vnd Vlrichen seinem süne ^°) von vnser ehuniclicher milte verlihen
haben vnd verleihen | zu seinen ^^) lebtagen. die j)robestay die wilent Hiltprant
von Perchtingen bette von vnsern valer | vnd bruder saeligen mit allen iren
rechten vnd nützen die darzo gehören!, darvber zv vrchund | geben wir in
disen brief mit vnserm insigel versigelten. Der geben ist zv München an
dem I Pllntztag vor dez heiligen crüces tag als ez fünden wart, do man zalt
von Cristes | gehurt dreutzehenhundert jar. darnacli in dem tinnt" vntl zwein-
tzigistem jare. in dem \ eyliften jare vnsers riches.
34. 1328—47 ?? Kaiser Ludwig ernennt den Conrad von Biinna'-), Sohn des
Magisters Wilhelm, zu seinem und des Reiches Hofschreiber, erteilt ihm Zoll-
freiheit auf dem Rheine und andere Rechte und Privilegien. — Perg.
Fehlt Böhmer.
Äufsere wie innere Gründe verbieten, ein Original anzunehmen. Die
Urkunde steht auf einem 34 cm. breiten und nur 11,4 cm. hohen Pergamente.
Dieses weist einen sehr breiten, fast die Hälfte der Schrift verdeckenden Um-
schlag, aber keinerlei Spuren von Besiegelung auf. Die Schrift ist flüchtig.
Der Text ist an mehreren Stellen, wie es scheint durch Auslassungen, bis zur
Unverständllchkeit entstellt, weshalb seine Wiedergabe hier unterbleiben kann.
Die Datierung fehlt. Ein datiertes Original dieser Urkunde wird von Böhmer
nicht aufgeführt.
33. 1330 Mai 29. Speier. Kaiser Ludwig bestätigt dem Rate und den Bürgern zu
Oppenheim alle von seinen Vorgängern am Reiche erhaltenen Freiheiten und
Rechte und bedroht alle Zuwiderhandeluden mit Strafe. — Kop. Perg. Auf
der Rückseite Siegelreste.
Böhmer, Regesten Ludwigs Nr. 2727.
Unsere Urkunde ist eine in der Stadt Oppenheim selbst, anscheinend wenig
später, entstandene und, wie eine SchluCsnotiz besagt, mit dem Stadtsicgel be-
glaubigte Kopie des mit der Goldbulle versehenen Originales, von dem jedoch
die Arenga bis auf die ersten Worte weggelassen ist. Mit Böhmers Vorlage,
einer »gleichzeitigen Abschrift in Wnrms^c, dürfte die unsere, ebenfalls aus
Worms stamnumde, identisch sein.
Lvdowicus . quartus dei gratia Romanorum imperator semper auguslus
prudentibus viris | consulibus ceterisque ciuibus vniuersis opidi nostri in Oppen-
heim suis et imperii tldelibus dilectis gratiam | suam et onuie bonum. Kam
decet nostram imperialem clenientiam etc. Vnde ob fauo | rem specialem ipiem
erga vos non immerito gerimus. vobis vestris(iue successoribus et posteris | vni-
uersa et singula priuilcgia, Jura, concessiones et gralias cmunitales liberlates|
et laudabiles consuetudines. (juas a nobis ac aliis diuis Romanoniin prin('ipil)us
predecessoribus | nostris hactcniis hal)uistis vcl possetiistis \v\ in piesentia
habetis vel possidetis aut qui | bus vsi fuistis. presentis scripli palrocinio per-
petuo valituro confu-mamus ai)proi»amus | ratiricamus ac eliam de nouo conce-
dinuis et innouanuis vniuersis el singulis regibus | ducii)us maichionibus comi-
10) Diese Worte sind ültcrgo.sclirii'l)i'ii. II i Diitür vi'rl)i's.si'rl : ir. \i) Hriimi ^ Imuiii y
. Mitteiliingeii aus «lern gcnnjiii. Nalionaliiiiiseiiin. 1S1>0. \I.
— 82 —
tibiis baronibus cclerisque ollicialis ae aliis personis in | ferioribus quibus-
cimque cuiuscmiijue stalus exislant districtius iiihibentes giatie et fauoris
iiosirc I sub obtendi ne vos vestrosquc successores ac posteros conlia dictas
p:ratias nostras concessas ali | ([iio iikkId molcstent iinpediant aut perturbent
imnio vos ^^) poiius in oisdeni inanuteneant | et defendant. Nulli ergo oninino
boniinuni lieeat hanc nostre concessionis ordinationis et | confirraationis pag-inain
inrringvrc aut ei aiisu temerario conti-aire. Si quis auiem boc | presumpscrit
|)i'eter iiidiii-iiationoni nostrain quam (euni) incurrere voluinu.s ipso facio penanij
cenluin libiaiuni auri puri (luaiuin nicdietatem lisco id est nostre iinperiali
caniere | reliquam vero iniuriarn passis applicare volunius se nouerit incursurum.
In cuius rei testimo | iiiiini presentes conscribi et nostra bulla aurea sig'no([ue
consueto iussimus comniuniri. Datum | Spire feria teitia post diem sanctum
Penthecostes anno domini APCGC tricesimo. reg 1 ni nostri sextodecimo imperii
vero tertio. Sig'illata autem est hec presens copia nostre civi | talis sigillo
tergotenus applicato.
36. 1334 April 2. Nürnberg. Kaiser Ludwig dankt dem Probste, Dekan und Kapitel
zu Wimpfeu, Diözese Worms, dafs sie auf Grund seiner »ersten Bitten«^ den
Ulrich von Wirtemberg, Probst zu St. Wido in Speier, als Kanonikus auf-
genommen hätten und erklärt alle seine früheren Verfügungen zu Gunsten
anderer Personen für ungültig. — Orig. Perg. ; in der Mitte durchschnitten.
Siegel fehlt. Pergamentstreifen noch vorhanden.
Fehlt Böhmer.
Liidowicus dei gratia Roraanorum Imperator semper augustus honorabilibus
viris . . preposito . . decano ] et capitulo ecclesie Wimpinensis Wormatiensis
dyocesis deuotis suis dilectis gratiam suam et orane bonura 1 Yestre deuotioni
regratiamur super moduni quod virum honorabilem Vlricum de Wirtenberg
prepositum Sei. | Widonis ciuitatis Spja^ensis sincere uobis dilectum regalium
primariaruin precuni nostrarum virtute in vestrum rece I pistis canonicum et
confratrem et cum eeilem preces primarie prime sub titulo regali per nos date]
fuerint omnes preces alias datas postmodum sub eodem titulo et specialiter Got-
frido de Nideck ac fratri | Rudigeri de Baunestat tenore presentis articuli penitus
reuocamus nobili viro Vlrico comiti de Wir | tenberg avunculo nostro karissimo
cetcrisque ofTieiatis nostris ac cunctis imperii fidelibus tradentes firmius | in
mandatis quatinus vos vestramque ecclesiam ac bona vestra sub pena indig-
nationis nostre ab inuasu | quorumcunque executorum seu defensorum aliarum
precum primariarum quarumcunque defendant omnimode vosque | contra huius-
modi offendentes aut oiTensare voleutes manuteneant totis suis conatibus atque
posse. I Datum in Nurenberg Sabbato ante Dominicam qua cautatur Quasi
modo geniti regni | nostri anno vicesimo imperii vero septimo anno domini
MGCGXXXIIIL
37. 1337 Juli 12. Frankfurt. Kaiser Ludwig verlängert den am nächsten Sonntag
zu Mittenfasten ablaufenden rheinischen Landfrieden auf zwei Jahre und erläfst
zugleich Bestimmungen über den bisher zu Mainz erhobenen Landfriedenszoll,
je nachdem die Bürger zu Mainz die weitere Erhebung desselben in ihrer Stadt
zulassen wollen oder nicht. — Kop. Perg.
loj L bcrgcsclu'icben.
— 83 —
Böhmer, Reg-esten Ludwig:s Nr. 1845; g-edruckt bei Würdtweiü, »Sub-
sidia diplomatica« IV, 283.
Unsere Vorlage ist ein dünnes, mehrfach durchlöchertes Pergament; die
Schrift ist annähernd gleichzeitig. An der Spitze steht der Vermerk: Datum
per copiam.
38. 1341 März 13. Landshuf. Kaiser Ludwig empfiehlt dem Kloster Schönthal auf
Grund seines Rechtes der «ersten Bitte« den Priester Ulrich Fräs für eine
Pfründe zu Rechtz '*). — Orig. Perg. Siegel fehlt. Pergamentstreifen noch
vorhanden.
Fehlt Böhmer. Gedruckt von C. V\\]\ im »Anzeiger für Kunde der deut-
schen Vorzeit« 1864, Sp. 133 f.
39. 1342 Jan. 28. München. Kaiser Ludwig bestätigt alle die Urkunden, welche
sein Sohn ^larkgraf Ludwig von Brandenburg den edlen Leuten in der Graf-
schaft Tirol in Anerkennung ihrer verbrieften Rechte gegeben hat. — Kop. Perg.
Böhmer, Regesten Ludwigs JSt. 2222. Gedruckt bei Hormayr, »Archiv
für Süddeutschland« I, 139; ebenso (im wesentlichen richtig) bei Sinnacher,
»Beyträgc zur Geschichte der bischöflichen Kirche Sähen und Brixen« V, 267 f.
Unsere Kopie dieser Urkunde, durch welche Kaiser Ludwig die Herr-
schaft seines, damals gerade mit der Margarethe Maultasch vermählten Sohnes
Ludwig in dem den Luxemburgern entrissenen Tyrol zu befestigen suchte, ist
enthalten in einem 11 Pcrganientblätter zählenden Urkundenbuche, welches
Simon Abt von Etal am 24. Juli 1458 für den Ritter Ulrich von Fronsperg
vidimiert und besiegelt hat. Das Siegel, ein schönes rotes Siegel spitzovaler
Gestalt an rotweifser Seidenschnur, ist erhalten. Mit unserer Urkunde beginnt
das Buch; darauf folgt der in ersterer erwähnte Bestätigungsbrief Markgraf
Ludwigs für »alle Gotteshäuser und Kdelleute in der Grafschaft Tyrol« vom
gleichen Tage (Regest bei Böhmer a. a. 0.). Daran schliefst sich eine unter 40
zu besprechende Urkunde Kaiser Ludwigs vom 6. März 1343 und eine zweite
Urkunde ^larkgraf Ludwigs, vom 9. Januar 1352. Den übrigen Inhalt des
Buches bilden 10 Urkunden der Herzöge Leopold, Ernst, Friedrich des Älteren
und des Jüngeren, Albrecht und Sigmund von Österreich aus den Jahren 1406—56.
40. 1343 .März 6. Ratteiiberg. Kaiser Ludwig verspriiiil dmi Eckharti von Vilanders,
dessen Nachkommen und Freunden, sowie allen Edlen und Unedlen in iler Graf-
schaft Tyrol, alle ihre verbrieften Rechte, selbst diejenigen, die sie von Johann,
dem Sohne des Königs von Böhmen, erhalten haben, unverletzt zu erhalten: er
versichert, allen gegen sie erhobenen Beschuldigungen keinen (ilauben schenken
zu wollen, und gestattet ihnen, Beschwerden über die Regierung seines Sohnes
an ihn selbst zu bringen. — Kop. Perg.
Bö Inner, Regesten liudwigs Nr. 2313, nach einer Papierabschrift des
16. Jaliiliunderls.
Die Inliallsangabe liöjnnei-s ist nicht ganz vollständig; es iVJill in ihr der
letzte, chai'akleristischstc Punkt, welcher zeigt, wie voUstämlig die Regierung
des Markgrafen unter der Vormundschal't und Kdulrolle des Kaisers .^land.
'H. 1347 Febr. 16. Innsbruck. Kaiser Ludwig bestätig! die von seiiuMU Sohne,
Markgraf Ludwig, dem Friediii-Ii drni Mautlner zu Hall und Innsbruck ver-
14j Rotz, Beziriv Waldmüncticn, Kreis Ohorpfalz.
— 84 —
liohone Pliinilscliaft und bofiehll drm Enii-elinar von Vilanders, Pfleger und Haupt-
mann in der Herrschan Tvrol. diesen in dem Pr:nidl)esitze zu schützen. — Orig.
Perg;. Sieg-el lehU.
Fehlt bei Böhmer.
Wir Tjudowii^' vim yots i^enaden rumischer kaiser ze allen Zeiten merer des
ricirs he , chennen oll'enlich mit disem brief. Vmb die pfantschaft. die vnser
sun der hohgeborn Lud(e\vlgO | marg-rave ze Prandenburg-. dem vesten manne
Fridrich dem Mauttner vnserm dieuer. ze | Hall vnd ze Insprug getan lial nach
der brief sag. die er von dem vorgenanten vnserm | sun. darüber hat daz daz
vnser gut wille wort, vnd guust ist vnd gebieten | dem vesten manne Engelmar
von Vilanders. vnsers suns des margrauen von Pranden | bürg, ptleger. vnd
hauptman in der herschaft ze Tyrol. vnd allen andern vnsers suns | amptlüten
vesLiclich bei unseru hulden. daz sie den vorgenanten Mauttner vf der selben
pfantschaft | schirmen vnd nicht gestatten daz in dar an iemand irre hindere
noch beswar in dhein | wis. Mit vrcluind diss briefs der geben isl. ze Insprugk.
an fritag nach der vasnaht | nach Gristus gebürt driutzehenhundert iare. vnd
in (h'm siben vnd viertzigstem iare. | In dem dri vnd diizzigstem iare vnsers
richs. vnd in dem zweintzigistem des kaiser | tums.
42. 1347 März 18. Nürnberg. Kaiser Ludwig bestätigt dem Engelmar von Vilanders
auf Lebenszeit Nutznielsung und Pfandbesitz genannter Besitztümer in Tyrol.
— Orig. Perg. Siegel fehlt. Pergameutstreifen noch vorhanden.
Felilt Böhmer.
Über den Empfänger dieser Urkunde, Engelmar von Vilanders, finden sich
einige Angaben in der »Neuen Zeitschrift des Ferdinandeums für Tyrol und
Vorarlberg« Bd. 11 (1843), wo unsere Urkunde jedoch nicht erwähnt wird.
Vgl. auch Böhmer, Regesten Ludwigs Nr. 2212—14.
Wir Ludowig von gots genaden römischer keiser ze allen ziten merer
des richs. verleben für vns. vnd für vnser nachkomen. vnd für alle | vnser
erben, olfenlichen mit disem brief. daz wir verheizzen vnd wellen, daz vnser
getruwer Engelmar von Vilanders. belibe bi den zwein | steten. Sibidat vnd
Felters. vnd bi den vesten die dar zu gehörnt. Alpage. Sand Petersperg.
Tschymell. Rokke. vnd Chlause die | dar vnder gelegen ist. ze Sand Victor vnd
Prymyer. die man \on den selben steten verpurchhütten und behütten müz.
vnd bi dem tal. ge | heizzen Inagerd vnd bi der chlause daselben. vnd bi ajlen
den eren. wirden. nutzen, vnd rechten, vnd bi alle den vnd zu den vorgenanten!
stukken in dheiner wise geliört. vnd gentzlich. als er die in nutz vnd in ge-
werde, inne gehabt vnd her braht hat. ez si gelt. lüt. oder | gut. vnd ob er
iht mer da zu gewunne. daz dar zu gehorte, vnd wie er des geniezzen mag.
vnd bi der vestt Griezz. ampt. vnd geriht | da selben, vnd och bi den guten
die weilent des Aufensteiners ^^) gewesen sind, vnd bi dem gericht ze Matray.
vnd bi alle der. vnd zu | ir iglichem gehört, vnd als er daz och inne hat. vnd
in nutz vnd in gewer her bracht hat. Pei den selben vorgeschriben stucken allen,
sol er I beliben. vnd die inne haben vntz an sinen tot. mit alle der vnd dar zu
15) Gemeint ist jedenfalls Konrad von Aufcnstcin , Hauptmann in Kärnten, der 1324
»seinem Diener Engelmar von Yillanders« den Turm zu Treven verlieh (Neue Zeitschrift des
Ferdinandeums Bd. XII, S. 149j und 1339 starb.
- 85 —
gehört, als vor g-eschriben stet, vud sol er noh sin erben von | den obg-enanten
stukken. gulte. vnd nutzen, niht verraitteu. verantwurtten. g-elten. noh wider
g-ebeu. vnd lediglich daz inne haben. Vnd wann i er niht enist. so haben wir
g-ewalt. die vorg'eschribeu stuck von sinen erben ze losen, als tewr si dar vf
habent. nah irer brif vnd | hantfest sag'e. die si dar vmb inne habent. Auch
sullen die selben sin erben, nah sinem tode. bi den obg-enanten steten, vesten.
g'üten. arap | ten. vnd g-erihten beliben vnd in nutz vnd in g-ewer behalden.
mit alle der vnd zu ir ig-lichem g-ehört. vnd als vor geschriben stet. | vnd sullen
si da von nimmer verkern. noch verstozzen als lang, vntz in allez daz gelt
geben vergolten vnd in geantwurt wirt. daz si | vf den obgenanten stukken
habent. nah irer brif vnd hantfest sage, die si dar vmb inne habent vnd sulln
si och da bi. vnd j dar an fristen, schirmen vnd behalten vor gewalt vnd vnreht,
wie ii^des not beschehe gen aller manniklich. vnd waz er der | obgenanten
stucke, nah siuer vordem nehsten raittung die er getan hat. geuozzen vnd ein-
genommen hat. vntz vf disen tag. des sol er | vnd sin erben, och ledig vnd los
sin. daz si da von niht schuldig sin ze verraitten. verantwurtten ze gelten noch
ze wider geben. \^nd waz brief er vf die selben ampt hat. die sullen in. bi
aller irer macht vnd kraft beliben. Ze urchund diss briefs der | geben ist ze
Nurenberg versigelt mit vuserm keiserlichen insigel. an dem sunntag Judica.
nach Ghristes Geburt driuze | hen hundert iar. vnd in dem siben vnd vierzigstem
iar. in dem dreiunddreizzigstem iar vnsers reichs. vnd in dem zweinzig 1 stem
des keysertums.
G. Karl IV. 1346—1378.
43. 1349 Oktober 4. Nürnberg. König Karl IV. verkündigt einen bis zum 23. April
13ol währenden Landfrieden für die Gebiete genannter Herren und Städte in
Franken. — Orig. Perg. Hellbraunes Wachssiegel au Pergamentstreifen.
Regest in »die Regesten des Kaiserreichs unter Karl IV.. aus dem Nach-
lasse Böhmers herausgegeben von Huber« Ni". 1178. Abgedruckt bei
Michelsen, «urkundlicher Beitrag zur Geschichte »h'r lüindfrieden in Deutsch-
land« Nürnberg 1863, S. 2911.; ferner in «Mo ii ii iiicn La Boica« XXXXI, S.
409 ff. Besprochen bei Werunsky, »Geschichte Kaiser Karls IV.« II. 1, S. 2U7 f.
Unsere Vorlage steht auf einem 5ücm. breiten, 67cm. hohen linierten
Pergament; das Siegel zeigt den bei Heffner S. "li unter Nr. 103 besprochenen,
auf Tafel XI als Nr. 82 abgebildeten Typus. Der Text der iMonumenta Boica
(anscheinend Würzburger Herkunft) zeigt , abgesehen von orthographischen
Eigcnliiirdichkeiien, im^hrere Abweichungen, die es bedauern hissen, dals der
vielfach bessere Text ^Michelsens dort nicbl berücksichtigt ist.
Von solchen Abweichungen seien mir folgende ei-wähnt: M. B. S. 410,
Zeile 19 fehlt der Nanie des Vin-tretcrs drr Herzöge von Bayern im Landfrieden;
unser Text gibi ihn: Heinrich Steinlinger. Z. 24 ist für den Vertreter Roten-
burgs statt Dietrichen Conden : Dietrichen von Landen zu lesen. Der von dem
Verhällnisse des neugegründelen fräidvisehen LiindfriediMis zu dem von Schwaben
handelnile Absalz ;> anC Seih' 'il.'i zeiul in nnseicni Texle eim^ sachlieh wichtige
Abweichung. Derselln- hmh l hiei' (.MieheJM'n S. .!|. Z. K»— IS): »Wei- "•) auch.
16) M. 15. : Mer.
— 86 —
(laz sich (lisor laiitCi-ido mit dorn hinlfViil»' zu Swoben. vnd iener lantfrit her
wider iiiil iüm-iii hiiillVido zu Fi'ardvcii. vereinten so sullen si denn heiderseit ^■')
iiinander hehoUen sein etc.« liier w iid alsf» das nähere Verhältnis beider Land-
frieden als ein nur niriülicli(>s, dort als ein schon bestehendes bezeichnet.
44 1349 Nov. ID. Prag'. König- Karl IV. verleiht dem Ulrich Stromaier dem
JüngH'ren, Bürger zu N[irni)crg\ das Judenhaus zu Nürnberg, welches bisher
Isaak von Schehselilz '■'*) innegehabt hat, g-elegen neben des Eysenkastners
Haus und der Badstube am Zotenl)erg'. — Orig-. Perg-. Braunes Wachssieg-el
an Pergamentstreilen.
Böhmer-Hub er Nr. 1193. Gedruckt bei AVürfel, «Nachrichten von der
Judengemeinde zu Nürnberg'« S. 130. Erwähnt von Hegel in »Städtechroniken« I, 9.
Das Siegel stimmt mit dem von Nr. 43 überein. Der Text Würl^els ist
an folgenden Stellen abzuändern : Z. 3 statt den: dem; statt burgkern: burger;
Z. 8 statt an den: an ander; Z. 17 om. ili(\
4ö. 1350 Mai 28. Nürnberg. König Karl IV. verleiht dem Ulrich Stroraair, Bürger
zu Nürnberg, die Hofstatt zu Nürnberg, welche der Jude Grottschalk von Stein
bisher innegehabt hat. — Orig. Perg. Braunes Wachssiegel an Pergamentstreifen.
Bö hm er- Hu her Nr. 1303. Gedruckt bei Würfel a. a. 0. S. 131. Er-
wähnt von Hegel a. a. 0.
Das am rechten Rande beschädigte Siegel stimmt mit dem von Nr. 43 überein.
Bei AVürfel Z. 10 ist hinter Schefslitz eine Zeile ausgefallen: die wir im
ouch furmals geben als er darvbir hat ander vnser briefe. Z. 11 hinter be-
halden add : vnd.
40. 1350 Juni 1. Nürnberg. König Karl IV. bestätigt den Zeidlern in seinem und
des Reiches Walde bei Ntlrnberg alle ihre genannten Rechte und Freiheiten. —
Erhalten in einem Bestätig'ung's])riefe König Sigmunds vom 21. Januar 1415.
(In einem Vidimus des Landgerichts Nürnberg vom 22. August 1419.)
Böhm er-Huber Nr. 1308. Gedruckt bei Lünig, »Reichsarchive XIV,
93; (VV öle kern,) »Historia Norirabergensis diplomatica« 346.
Unsere Vorlage stimmt im Ganzen mit dem Texte Wölckerns überein;
nur die Stelle S. 347 von Z. 7: »zehn pfund haller und einen haller« . . . bis
Z. 10: »und dem des der boum gewesen ist« ist in unserem Texte durch die
Flüchtigkeit des Abschreibers ausgefallen.
47. 1355 Aiiril 5. Rom ^"). Kaiser Karl IV. erneuert dem Ulrich Stromeir dem
Jüngeren, Bürger zu Nürnberg, die Schenkungsurkunde über zwei Juden-
häuser zu Nürnberg, von denen das eine Gottschalk von Stein (vgl. Nr. 45)
und das andere Isaak von Schehslitz (Nr. 44) gehört hat. — Erhalten in einem
Originalstranssumpt des kaiserlichen Hofrichters Przemysl Herzogs von Teschen
vom 13. März 1361.
Böhmer-Hubcr (nach unserer Vorlage) Nr. 2055.
Das Transsumpt ist besiegelt iiiil dem Hofgerichtssiegel Kaiser Karls
(Heffner S. 23 unter 108; Abbildung: Tafel XI, Nr. 88) an einem Pergament-
17) mit disem . . . Ijcidcrseit tVlill M. B.
18j Sctiefslitz, Bezirlv Bamberg.
19) Am Tage der Kaiscrkrönuug.
— 87 -
streifen. Auf der Rückseite ein verkleinertes Abbild des Sieg-elbildes. — Wir
geben hier nur die inserierte Urkunde des Kaisers, nicht das Transsumpt
selbst, wieder.
Wir Karl von gotes genadeh romischer cheiser ze allen ziten merer des
richs vnd kung ze Beheiiu. verleben oftenlichen vnd tun kuiil mit | diseni
brief. das für vnser keiserlich gegenwurtikeit chom vnser lieber getruwer
Ylrich Strotueir der junger burger ze Nvremberch. vnd hat vns gebeten mit
gantzem | vlizze und dienuitikeit. daz wir im sin brief die er von vns hat mit
dem kunchlichen insigel. versigelt vber ein Juden hofstat. diu etwenn gewesen
ist Got I Schalks von dem Stein, eins Juden vnd vber ein Juden hus. das et-
wenne gewesen ist Isakkes von Schehslitz. auch eins Juden, vnd die wir im
vnd sinen erben | ze behalten vnd ze besitzen vnd ze einen rehten erbe vnd
eygen gegeben haben, als die selben brief haltent. vnd luten die wir im dar-
über gegeben haben von vnserer | keiserlichen gewalt vnd milticheid. vnd von
besunderen genaden. besteten contu'miren vnd vernuwen geruchen. Des haben
wir angesehen den getruwen dienst, den der selb Ylrich | Stromeir vns vnd
dem riebe vnd auch allen andern, die vns zv gehören offt vnuerdrozzenlichen
getan hat. vnd in künftigen ziten getun mag. vnd auch sin selbes redlich be-
scheiden ! bet. die er gen uns getan hat. so haben wir dem vorgenanten. Ylrich
Stromeir dem jungen vnd sinen erben, alle sein brief. die er vnd sin erben
von vns vormals gehabt haben | vber die vorgenant Juden hofstat vnd haws
vnd die wir im gegeben darüber haben mit fjisenn kunchlichen Romischen
insigel. versigelt, in allen iren artikeln vnd puncteu vnd | als die von wort ze
wort gescriben stent vnd in aller der mazze. als die selben brief in allen iren
Worten vnd artikeln vnd in disen brief. gegenwurticlich begrilTen wern vnd
ge I scriben stunden, niit wolbedahten müt vnd rat vnd mit rehter wizsen vnd
mit vnserer keiserlichen mäht vnd gewalt bestetigt vernuwet vnd contlrmirt
vnd bestetigen vernuwen vnd | conürmiren im die selben brief so wir best
raügen mit craft. diser vnserer keiserlichen brief vnd wir wellen, das die
selben vorgenanten brief. die wir im bestetigt vnd conflrmiret haben ewi | clichen
vnverruket craft vnd mäht haben sullen. vnd wir wellen, das witler die ol)genanten
brief. vnd alles das darinne gescriben stat nieman er si hob oder nider frevent-
lich tun solle oder getun. | Vnd wer da wider iht tet oder tun freventlichen
witll der sol in vnser vnd des richs swer vnd grozz vngenad vnd dar/u zweinlzig
[iliiiil goldes ze pene vnd ze buzz sein vcrvalleii. also daz | das halbteil, des
selben goldes in vnser keiserlich camern. vnd das ander halMeil dem voi'-
genanl Virich SIrojneir. vnd seinen erben werden sol vnd gevallen. \ nd des
ze urkiind geln'ii wir ! disen brief versigelt mil vnserm keiserlichen insigtd.
der geben ist ze Rom in sant Peters munsler an dem heiligen Oslerlage als
wir erste ze keiser gekronet waren, da man zall | von Crishis geburl driulzehen-
hundei'l iar vml darnach in dem funlien vnd fünfzigstem jar. vnserer rieh in
dem nnndcn \ihI des keisortums im ei'slcn jar.
13.'i7 .liili .'). Prag. Kaiser K'ail l\. Iiesläligl, dals die edle Krau Agnes, Wilwe
seines Kammerers Johann Krenl/lin. ihren \'ater Sbinrn \uii llazzenburg, seinen
obersten Kämmerer, zu ihrem und ihrer Kinder Viuniuml crnannl hat. (h'ig.
Perg. Siegel fehlt.
ßiih mer- II u her Nr. ^1177, nach unserer \ orlage.
— 88 —
Kamills qiiaii US diiiina faiionto clonioiitia Roiiianniiiin iniperator ' seniper
aiijiiislus Ol, Hoomie ro.x. notilicamus | tciioro prrseiilimii vniuersis. quod sicut
iKiltilis. Aji'iies. relicta Jnliaiinis. (luniidam Frenlzlini camerarii. lilia | nobilis.
Sbinconis do Hazzenhiirii'. suiuciiii iiiag-islii. cainere nostre. (idelis nostri dilecti.
maliira dflihc ' ratioiic |in'lialiila. ipsuiii Sliineoneni j^eiiitorem suuiii. in viia
siia ac ctiarii posi iiiorlrin in Inldiciii | el lidrlnn i^'idicnialortMii sunin. nee mm
orplianoruin et bonorum suorum oinnium. rile et prouide. diiioscitur eleg-isse. |
IIa eonsideraln. ([und profatus Sbinco. ex iiiclinatione naturali. et paterua dilec-
linne. diele Ayiietis orpliauoruinque | et bonorum eius fldelissimus et utilissi-
mus. tulor et g'ubernator. esse potest. electionem tutele et g-uber | nacionis.
huiusmodi per ipsara factam. ({uomodolibet in personam dicti Sbinconis. omni
eo modo et Ibrma. prout | lacta est auctorizamus. et de speciali celsitudinis
nostre gratia. approbamus. Et nichilominus. de innata | iiobis beuig-nitatis
dementia, prelate Agneti. indulg-emus gratiosius. quod exnunc. et in articulo.
seu puncto | mortis sue. omnia et sing-ula. bona sua. dotalieialia. in quibus-
cunque consistant. quibusue specialibus noniinibus | desig-nari valeant. prefato
Sbincoui. g-enitori suo. in toto uel in parte, douare valeat. uel de eisdem | alio
quouis modo disponere. prout sue placuerit et expedire videbitur voluiitati.
ratum gTalum et lir | muni habere volentes. quidquid per ipsam. de prescriptis
bonis suis, dotalicialibus. dispositum seu ordi I natum fuerit. ([uomodolibet sit
factum, prosenlium. siil) nostre maiestatis sig'illo. testimonio litterarum. Datum |
Frage anno domini niillesimo. ^'ecentesimo quinquag-esimo septimo. die quinta
mensis Julii | regnorum uostrorum. anno, vudecimo imperii vero tertio.
Per dominum Mindensem episcopum ^°) Johannes de Glatz -^). Auf der
Rückseite: R^") Yolpert ").
49. 1359 Januar 25. Breslau. Kaiser Karl IV. g-ebietet allen Reichsstädten, mit ihrer
Kaufmannschaft die alten Sliafscn durch das Bistum Ghur zu benutzen und
dessen Strafsen und ZiHle nicht zu umg'ehen. — Orig'. Perg*. Rotes Siegel in
(zum Teil zerbrochener) g-elber Wachskapsel an Perg-amentstreifen.
Regest bei Jäger »Regesten und urkundliche Daten« etc. in »Archiv für
Kunde österreichischer Geschichtsquelleu« XV (1856), S. 350; Böhmer-Huber
Nr. 2895. Richtig gedruckt bei v. Mohr, »Codex diplomaticus . . . zur Ge-
schichte Cur-Rätiens etc.« II, 345.
Auch diese Urkunde erwähnt v. Mohr, ebenso wie Nr. 27, als im bischöf-
lichen Archive zu Ghur befmdUch. Das Siegel ist das bei Heffner S. 23 unter
1U9 beschriebene Sekretsiegel.
50. 1361 April 25. Sulzbach. Kaiser Karl IV. bestätigt dem Abte und dem Kloster
zu Kempten. Diözese Konstanz, den von Alters her ihnen verbrieften Besitz
von Burg und Stadt Kempten, so dafs Amman, Rat und Bürger der Stadt dem
Abte als ihrem rechten Herrn gehorsam sein sollen, vorbehaltlich der Vogtei-
20) Erscheint nach Lindner »das Urkundcnwesen Karls lY. und seiner Nachfolger«
S. 26 erst seit 1360 als böhmischer Kanzler.
21) 1353—1358 als Notar nachzuweisen; Lindner S. 22.
22) Registratuin.
23) 1354—1357 Ecgislrator; Lindner S. 11).
— 89 —
rechte des Reiches, für die der Abt jährlich SO Mark lötigen Silbers zahlen
soll, die ihm jedoch um 1220 Mark Silber verpfändet sind. — Orig. Perg-.
(an drei Stellen durchschnitten.) Siegel fehlt.
Böhmer-Haber Nr. 368S, nach unserem Originale. Erwähnt beiHaggen-
müller, »Geschichte von Kempten« I, S. 143 f.
Die vorliegende Urkunde bezeichnet nur eine kurze Episode in dem jahre-
langen Kampfe um die Reichsfreiheit, den Kempten, wie so viele andere Städte,
zu führen hatte. Sie steht mitten zwischen zwei entgegengesetzten Verfügungen
des Kaisers, vom 21. September 1360 und vom 9. Juli 1361 -*), deren letztere
die Reichsfreiheit der Stadt dauernd feststellte. Wenige Monate nach Aus-
stellung unserer Urkunde wurde der Abt von Kempten gezwungen, alle sein
Eigentumsrecht auf die Stadt begründenden Dokumente, darunter wol auch das
vorliegende, wieder herauszugeben.
Wir Karl von gots gnaden römischer keyser ze allen zeiten merer des
reichs. vnd kunig ze Beheim. bekennen vnd tun kunt otfenlich mit disem brife.
allen den die in sehent. oder horent lesen, daz wir | gote zu lobe vnd zu eren.
vnd vmb daz gotes dienst, dester baz gemeret werde, dorzu wir allezeit geneiget
sein, mit wolbedachtem mute, mit rechter wizzeu. vnd mit rate aller kürfürsten.
geistlicher vnd | weltlicher, eintrechtiklich vber ein komen sein, daz wir die
aptye. vnd daz gotshaus zu Kempten, sant Benedicten ordens in Costnitzer
bystüm gelegen, die von vnsern vorfarn. an dem reiche römischen | keysern.
vnd kunigen gestiftet sint. vnd von etzlichen Sachen sich also sere vervallen
habent. daz sie wol bedurffen keyserlicher hilfe. vnd auch genade, davon wellen
wir sie wider in sazze bringen | in der weise als hernach geschribeu stet. Von
erst geben wir wider der aptye vnd dem gotzhaus zu Kempten, vnd weisen
ouch an sie. die eygeuschaft der burk vnd stat zu Kempten, also daz der
amnian. | der rat. vnd die burger gemeinlich zu Kempten, sullen ewiclich dem
apt zu Kempten der zu zeiten da ist. liulden. sweren. warten, gehorsam, vnd
vndertenig sein in allen Sachen, als ander burger yren | rechten erblichen
herreu. pflichtig sint zu tun. wan die bürg vnd stat. zu Kempten, also von
alter an die aptey vnd das gotshaus doselbest gehöret hant. als wir des mit
iren hantfesten vnd brifen. wol | kuntlich vnd clarlich vnderweiset sein, doch
in sulcher bescheidenheit. daz die vogtey vnd alles vogtrecht zu Kempten, viul
waz dorzu gehöret, ewiclich bei dem römischen reich, sol beleiben, vnd sol
ouch I ein ieglich apt. der zu zeiten zu Kempten ist. einem ieglichen römischen
keyser. vnd kunig der zu zeiten ist. davon ieriglich vf sant Andres tag. an
hindernuzze. vnd widerred geben funftzig mark 1 lötiges silbers. als daz von
alter gewesen ist. Auch ist dem egenanten apt. vnd dem closter zu Kempten
dieselbe vogtey. vnd vogt recht, vnd ir zu gehörung. für zweH'huiuierl. viul
zweintzig mark lötiges | silbers verpfant vnd versetzt, also, daz der vorgeiianl
apt vnd sein nachkomen. die aptey. vnd daz gotshaus zu Kempten, die ege-
nanten vogtey. vnd ir zugchöriing. innehaben, besitzen, vnd der geruweclichen 1
gebi'uehen sullen. als lang, biz wir oder vnser nachkomen an dem reiche, römi-
sche keyser vnd kunige. in die egenanten summen gidli's. ane abslag. genlz-
24) Haggenmüllcr a. a. 0.
Mitteilungen aus dem gennan. Nationalnuiseiim. 1890. XII.
— 90 —
lieh l)ezalen. vnd wclloii oucli dcnsolbcn sipl die | aploy vnd daz g'olshaus /u
Koniptoii. l)oi iivii j>-uLen. rechten. Ireiheilen. i^'naden. hantiesten. vnd briefen.
j'-tMiodiclich liantliahen. vortedinjj:en. schirmen, vnd befriden. als ander vnser.
vnd drs lieilig-en | reichs fursten. vnd viKh'ilane. Fiirbaz nier wellen vnd g-e-
bieten wir von weg'en des heiligen reichs. daz die burger. vnd die stat zu
K'('in|>l('n. ruri)az keyn verpuntnuzze machen, mit herren oder mit | steten, sullen.
vnd betten sie dheine verpuntnuzze. mit iemand itzunt getan, das verpuntnuzze
sol unkrel'lig-. untuglich. vnd abe sein zu male. Wer oz aber, daz wir oder
vnser vnrg'enanten nachkomcn an dem reich | vmb des landes not. oder vmb
dhein ander sache. die herren oder die stete zu Swaben. einen lantfrid teten
machen, oder sich vnder eyn verbinden, mit des reichs hant. so sol der apt.
der zu zelten zu | Kempten ist. wann wir oder vnser nachkomen an dem reiche
in (hiz heizzen. in daz verpünt. vnd in den landfrld komen. vnd sol darinne
sein, so wie er daz. von vns. vnd vnsern cg'enanten. | nachkomen wirt ge-
heizzen. Vnd die stat zu Kempten sol dem apt. der in Zeiten (sein) wirdet.
g-ehorsam sein, als irem rechten erblichen herren. dieselben lantfrid oder pünt-
uuzze zu enden vnd zu volfuren | . Wer ez ouch daz die burg-er. vnd die stat
zu Kempten, von vns. oder vnsern cg-enanten vorfarn an dem reiche, oder von
yemant anders, dheine brile betten, die da weren wider recht, g'nade hant|
festen, brife. oder freiheit des egenanten aptes. seiner aptey vnd des gotshauses
zu Kempten, die brief sullen tod. vnd unkreftig- sein, vnd sullen dheine macht
nicht haben, vnd nemeu sie g'entzlichen | abe. mit volkoraenheit keyserlicher
mechte. Auch sullen die vorg'enaut burk vnd stat zu Kempten, vns. vnd allen
vnsern nachkomen römischen keysern, vnd kunigen. vnd dem heiligen römi-
schen I reich, allezeit wider allermeniclich otfen sein, zu allem unsern willen
und nöten. vnd mugen wir. vnser nachkomen. vnd daz reich, dar auz vnd dar
eyn. wider aller menlichen vns behelfen. zu | allen unsern nöten. vnd an alle
widerred. vnd sol der apt. der zu zeiten ist zu Kempten, wider vns. vnser
eg'enanten nachkomen. vnd wider daz reich, nymmerme getun. noch sich zu
iemant veri)inden. | dann derselbe apt. sol vns vnd vnsern eg'enanten nach-
komen. vnd dem heiligen reich, mit der vorg-enanten burk vnd stat zu Kempten.
ewiclichen warten, beig-estendig'. vnd geholfen sein, wider | allemenlichen nymand
vz zu nemende. vnd g-etrewelicben dienen, als ander g-etrewe fursten. vnd manne.
Iren rechten herren. vnd beinamen dem heiligen römischen reiche, mit iren
vesten. die sie | von iren herren hant. warten vnd dienen, vnd schuldig- sein
zu warten an alle g-everde. Vnd wer do wider tete. ez wer der apt selber gen
dem reich, oder die burger gen dem apte. der sol in vnser | vnd des heiligen
reichs vngenad swerlicheu sein vervallen, vnd dorzu setzen wir. die pene hun-
dert mark goldes. die bezalt werden sol. als oft do wider geschihet. in sülcher
meynunge. tut der | apt wider vns. vnd daz beilige reich, daz vns. vnd des
reichs camer die pene gar ge Valien sei. tut aber die stat wider yn. vnd wider
vnser keyserlich gebot, als dovor begriffen ist. so sol die ] pene halb vns vnd
des reichs camern. vnd halp dem egenanten apt vnd dem closter zu Kempten
vnvertzogenlich gevallen. Mit vrkund ditz brifes. versigelt mit vnserm keyser-
lichem ingesigel. | Der geben ist zu Sultzbach. nach Cristus geburt dreuzehen
hundert jar. darnach in dem eyn vnd sechtzigistem jar. an sant Marcus tag.
vnser reiche in dem ünnfzehen. vnd des keysertums | in dem sibenden jare.
— 91 —
Dominus Mindensis de verbo ad verbum litteram audivit. | Rudolphus de
Frideberg' -'^).
Auf der Rückseite : R(eg-istratu)m : Johannes Budwicensis ^^).
1364 Juni 24. Budweis. Kaiser Karl IV. bestätigt dem Bischöfe Dietrich von
Worms ein Privileg- König- Richards vom 20. April 1269. — Kop. Pap.
Böhmer-Huber Nr. 4033; Schaunat, »Historia VVormatiensis« 11,8.179;
Boos, »LFrkuudenbuch der Stadt Worms« II, S. 379, Nr. o91.
Unsere Yorlag-e, eine deutsche Übersetzung- des 15. Jahrhunderts, steht
auf einem 90 cm. langen und 20 cm. breiten Streifen starken Papiers. Die im
ürig-inal mit aufgeführten Urkunden Heinrichs (VII.) vom 23. Januar 1231,
Friedrichs IL vom Januar 1232 und Heinrichs (VII.) vom Jahre 1224 sind weg-
gelassen. Die Übersetzung ist im Ganzen wortgetreu; nur ist als Datum der
2o Juni angegeben. (Vgl. oben S. 74, Nr. 19.)
1370 Okt. 6. Kaiser Karl IV. befiehlt Bürgermeister, Rat und Stadt zu Schwein-
furt, dem edlen Fuchs von Dornheim, dem er das Amt zu Schweinfurt übertragen
habe, gehorsam zu sein. — Orig. Pap. Auf der Rückseite rote Siegelspuren.
Fehlt Böhmer-Huber.
Der in unserem Mandate genannte Fuchs von Dornheim ist Hartmut
Fuchs, der in Urkunden von 1374 und 1378 als königlicher Amtmann und
Reichsvogt erscheint '^~).
Wir Karl von gots gnaden romischer keiser zu allen zeiten merer des
reichs vnd kunig zu | Beheim embieten dem schultheizzen dem burgermeister
dem rat vnd den burgern gemeinlich | der stat zu Sweinfurt vnser vnd des
reichs lieben getrewen vnser gnad vnd alles gut. | Wann wir dem edlen Fuchs
von Dornheim unserm diener vnd lieben getrewen daz ampt zu | Sweinfurt
empfolhen haben dauon gebieten wir euch ernstlich vnd vesticlich daz ir ym
damit | gewartet vnd gehorsam seit vntz an vnser widerruffcn vnd wa ir des
nicht entut so \volle(n) | wir daz ir ym geben vnd anlwurten sullet alle unser
vnd des reichs gult vnd gevelle die \ wir zu Sweinfurt haben ez sey au zollen
oder wa sie sust geuallen oder liegen | vnd lat des nichs als liebe ir vnser
vngenad wolt vermeyden. Geben zu Sultzbaeh an dem | Suntag nach saut
Frantzisses tag vnser reiche in dem funffvndtzweintzigstem vnd des | keisertums
in dem sechzehendem jare.
Per dominum B de Rysemburg Conr. de Gysenheim ^^).
1372 Juli 24. Sulzbach. Kaiser Karl IV. verpfändet dem Hans von Hausen zu
VVeisseuburg drei JMühlen tlaselbst, eine Wiese und mehrere Lehen, »auf denen
25) Erwähnt bei Lindner a. a. 0. S. 22 unter 21. Erscheint in Urkunden 1834—1367.
26) Erscheint l.'?60 und 1.361. Lindner S. 20.
27j Stein, niMuiiumeiita Suinfurlensia liistorica« Nr. liU iiiul io2. — Die von Stein
a. a. 0. S. 427 tV. herausgegebene »Alte Chronik von SchweinfurU hat zum Jalirc 1373 den
Eintrag: i-llaitimil l'iichs von Donilnim, Ritter, Anilnianii /u Schweiid'urt«. Soll sich diese
Notiz auf die Ernennung Fuclis' beziehen, so ist sie, wie unsere Urkunde zeigt, unriclilig. —
Ferner wird daselbst zum Jahre 13ül ein Urteilslirief des »Uartniulh Fuchs -zu Dornheiin,
Uilter und zu Zeiten Kaiser Wenceslai Amtmann zn Scliwi-inlnlirl« angeführt. Aber in
dieser (a. a. O.Nr. ISI) gedruckten Urkunde spriciit dei- .Aussteller nicht als derzeitiger,
sondern als gewesener Amtnumn, ist es also 131)1 nicht mi-lir.
28) Notar 1308—1361. i'n.tonolar 1370—1376; Lindner S. 23 unter 33.
— 92 —
er auch vormals Geld gehabt hatc^ für SOO Pfd. Heller. — Orig-. Perg, Gelbes
Wiich.ssiogel mit rotem Gegensiegel.
Fehlt bei Böhmer-Huber.
Das Siegel entspricht dem bei Hei't'ner S. ^:2 unter 105 beschriebenen und
auf Tafel X und XI unter Nr. 83 und Nr. 84 abgebildeten; der linke Rand ist
stark beschädigt.
Wir Karl von gots genaden romischer keiser zu allen zeiten raerer des
reiclis vnd i kunig zu Beheim bekennen vnd tun kunt offenlieh mit diesem
brieve allen den die | yn sehent oder horent lesen daz wir vnserm üben ge-
trewen Hansen von Hawsen | gesezzen bey Weisseraburg verpfendet haben vff
vnsern vnd des reichs guten, bei Weis | semburg. gelegen, mit nanien den
dreyn mulen die man nennet (he lewpoltzmul | hertrichsmül und hoenpergersmul
vnd vir der wisen die man heisset der prül 1 vnd ouch etlichen lehen. vff den
er ouch vormals gelt gehabt hat als man spricht | nach lutte seiner brive die
er doruber lial. funffhundert pfunt haller. vnd ym i die vftgeslagen haben vff
dieselben gute, also bescheidenlich. daz wir oder unser | nachkomen an dem
reiche, dieselben gute von ym vnd seinen erben wider losen | mügen vmb sovil
gelts als sie yn steen nach lute sulcher brive die sie doruber | beweisen rangen.
Mit vrkunt dicz brives versigelt mit vnserra keiserlichen raaiestat | insigel. der
geben ist zu Sultzbach nach Cristus gepurte drewtzehenhundert jare | dornach
in dem czvveyvndsibentzigisten jare an sante Jacobs abend, vnserer reiche,
des romischen in dem sibenvndtzweutzigstem. des beheraischen in dem sechs-
vndtzwen | tzigislen. vnd des keisertums in dera achttzendem jare.
Ad relationem domini B. de Riseraburg Nicolaus Garaericensis prepositus ^^).
Auf der Rückseite : R(egistratu)m Johannes Lust ^'*).
H. Wenzel. 1376—1400.
54. 1376 August 4. Nürnberg. König Wenzel nirarat das Katharinenkloster zu
Nürnberg in seinen besonderen Schutz und gebietet naraeutlich dem Burg-
grafen Friedrich zu Nürnberg, das genannte Kloster mit keinerlei Steuer oder
sonstiger Leistung zu behelligen. — Orig. Perg. Gelbes Wachssiegel mit rotem
Gegensiegel an Pergaraentstreifen.
Das sehr schön erhaltene Siegel entspricht dera bei Heffner S. 23 unter
Nr. 112 beschriebenen. Das Gegensiegel ist daselbst Tafel X unter Nr. 89 abgebildet.
Wir W'entzlaw von gotis gnaden Roraischer kunig zu allen czeiten raerer
dez richs. vnd kunig zu Beheira. bekennen vnd | tun kunt offenlichen mit
diesem brieff allen den die in sehen oder hören lesen. Wann wir von ange-
borner gute kuniglicher | mechte dorczu gebor(n)en sein allen luten gnade zu
beweisen doch sunderlichen raere. die die werlt versraehet haben, vnd in ] geist-
lichem orden leben, vnd wann wir zu den erbern vnd geistlichen der priorinne
vnd andern jungfrawen der gan | czen saraenunge des closters zu sand Katherinen
zu Nureniberg prcdiger orden gelegen in dera bistura zu Babenberg | sunder-
liche gnade haben vnd sie nieynen gnedicleichen ze bedenken des daz sie fur-
bazme deste geruwlichen gote dem | almechtigen zu dinste kunien rangen,
dovon ]niL wolbedachtem mute vnd rait rechter wissen vnd kunigeleicher machte |
haben wir sie. vnd ires closters lute vnd gute, in vnsern vnd des heiligen
29) Über ihn Lindner S. 17 u. 23 f. (unter 48). 30) Lindner S. 20.
— 93 —
reiches schirm vnd schuczunge g-nedicle | ichen genomen vnd empfangen vnd
wollen von kuniglicher mechte volkomenheit. daz sie furbasme ewicieichen |
dheinem vnserm lantuogte. noch nymant anders wie der sey genant, oder in
welchen weseu vnd wirden der sey | dheynerlei dicnste. bete vnd stewer tun
sullen nemen oder heißchen. dann vns vnd dem heiligen Romischen reiche.
Dor i umb gebieten wir allen fursten geistlichen vnd werltlichen. vml mit
namen dem edlen Friderich burggralen zu | Nuremberg. vnd allen seynen naeh-
komen burggralen 5ju Nuremberg vnd andern graten, freyen. lantuogten. vog-
ten. j pflegern. rittern. knechten vnd allen andern edlen vnd vnedlen vnsern
vnd des reiches lieben getrewen. wie | die genant sein daz sie die vorgenanten
die priorinue. vnd daz gantze conuent des closters zu saud Katherinen | ire
leute vnd gute mit dheinerlei stewer bete gäbe oder andere voderunge füre
dienste oder mit wagenfurte | noch mit dheinen andern dieusten mit nicht be-
sweren. noch bekrenken sullen. sunder wir wollen von kunig | lieber mechte.
daz sie aller sulcher dienste douon sie. ire lute. vnd gute besweret möchten
werden, frey vnd | ledig sein sullen. vnd wer dowider freuelichen tete. der sgl
in vnser vnd dez reichs vngeuade swerlichen verfallen i seyn. Mit vrkuut dicz
briefs versigelt mit vnserm kuniglichem Maiestat ingesigel der geben ist zu
Nuremberg | nach Crists gehurt dreuczenhundert jar darnach in dem sechs vnd
sibenczigisten jar an sand Domiuicus | abend des heiligen beichtigers. vnser
reiche des Beheimscheu in dem vierczenden jare vnd des Romischen in | dem
ersten jare.
De mandato domini regis dominus archiepiscopus Pragensis^^).
R(egistratum) Wenceslaus de Jenikow^^).
J. Ruprecht von der Pfalz. 1400—1410.
1400 Dez. 21. Heidelberg. König Ruprecht nimmt von Bischof Ekhard von
Worms die neue Burg und einige (iüter zu Obirkeim ^^) zu Lehen. — Orig.
Perg. Siegel fehlt. Pergamentstreifen noch vorhanden.
Fehlt bei Chmel, «Regesta .... Ruperti regis Romanorum«.
Wir Ruprecht von gots gnaden Romisciier konig zu allen czyten merer
des I richs bekennen offenbar mii diesem brieff. Als wir vns vnd vnsern erben
pfaltzgrauen | by Rine die nuwe bürg zu Obirkeim vnd etliche gütere vmbe
Bechlolt Vetzer von | Obirkeim erbelich gekaulTl han. mit gutem willen vnd
verhengniß des erwirdigen i Kdiards bischoff /u Woniiß vnsers vnd des richs
fürsten wann dieselbe bürg vntl | guter, von yiii \iu[ demselben syme stiffte zu
leben rurent vnd gent darvmbe | sollen vnd wollen wir vnd vnser erben pfaltz-
grauen by Rine die obgenanicn buig | vml gütere von demselben biseholT
Echard vnd syme stitft vorgenant zu leben | haben vnd I ragen vnd dauon ver-
bunden sin als von andern lehen. die wii- von | ynn' vnd synio slitfle ojigenant.
von vnser |)faltz liy Kine wegiii zu lelirn liuii ane | alle geuerde Vrkunde dißs
In'ieffes versigell mil \nscrm. königlichem anliangendtMn | ingesigel. lieben zu
Heidelberg off sant Thomas des heiligen a|iostelen lag | nach Cristi geburte
dusent vnd vierhundert jare vnsers richs in dem erstcji jare. -- Registr(atum).
31) Erster Leiter der Knnziri Wrnzcls; UihIimt S. iS.
32) vgl. r.iiMliicr S. ±). ;{;!) (H)iij.rlifiiM. Baden. A. .Moabadi.
— 94 —
56. 1403 März 6. Niirnl)Ci'g-. König- Rupre(*ht bestätigt den Zeidicrn im Reichs-
walde bei Nürnberg- ihre Rechte und Privileg-ien. — P^rhalten in der unter
Nr. 46 erwähnten Konürination König- Sig-niunds vom 21. Januar 1415.
Chmel a. a. 0. Nr. 1444 (mit dorn Datum: März 8).
57. 14ü4 Juli 20. Heidelberg-. König Ruprecht gestattet dem Hartman von Husen-
stein 32 Morg-en Wiese und 13 j\Forg-en Acker, g-elegen zwischen Carbe und
Druckelwil, welche Reichslehen sind, dem Johann Frosch, 13ürg-er zu Frankfurt,
zu verpfänden.
Chmel Nr. 1814.
Wir Ruprecht von gots g;naden Romischer kung- czu allen czyten merer
des richs bekennen viid dun kuni ofTcnbar | mit diesem briefe. das wir haben
ang-esehen g-etruwe danckneme dienste. die vnser lieber g-etruwer Hartman
von I Husenstain vns vnd dem riebe ofTt williclich g-etan hat. vnd auch l'urbaß
dun sol vnd mag- in künftigen czyten. vnd haben 1 yme darumb von besundern
gnaden g-egunnet vnd erlaubet, gunnen vnd erlauben yme auch in crafft diß
brieffs | dise nachg-eschriben gude. mit namen zwenvnddrissig- morgen wisen.
vnd dryczehen morgen ackers zwuschen Garben | vnd Druckelwile-''*) by Garben
vfT der Nyede gelegen, die derselbe Hartman von vns vnd dem riebe zu leben
hat. vnd | des geliehen Eberhart von Husenstaine sin bruder auch so vil von
vns. vnd dem riebe czu lehen hat. czu versetzen | vnd czu uerpfenden. Johann
Frosche vnserm vnd des richs burger czu Franckfurt vnd lieben getruwen für
czwey ! hundert guldin vff widerlosunge nach vßwisung der brieffe. darüber
gemacht, doch vnschedelichen vns vnd dem | riebe an der manschafft. vnd
lehenschaflft. derselben gute ane alle geuerde. Orkund dij5 briefs versigelt mit
vnserm | kuniglichen anhangendem ingesigel. Datum Heidelberg dominica ante
Sancte Marie Magdalene Anno domini millesimo | quadringentesimo quarto Regni
vero nostri anno quarto.
Ad relacionem Reinhard! aduocati in Heidelberg Emericus de Mosscheln'"^).
R(egistratum) Bertholdus Durlach •"'^).
58. 1406 Mai 28. Heidelberg. König Ruprecht verleiht den Gebrüdern Heinrich
und Beringer Schütze die Reichsieheu zu Tennenlohe ^■'), die ihr Vetter Walther
Seh. bisher innegehabt hat, doch vorbehaltlich der Rechte Jörg Dorrigels. —
Orig. Perg. Siegel fehlt.
Ghmel Nr. 2161.
Wir Ruprecht von gots gnaden Römischer künig zu allen zyten merer
des richs bekennen olTenbare mit diesem brieff. das für | vns komen sind vnsere
lieben getruwen Heinrich vnd Beringor die Schützen gebruder vnd hant vns
demüticlich gebeten. ] das wir yn diese nachgeschrieben lehen. mit namen den
hoffe zu Dennelohe die fursthube genant, das gerede uff dem walde. | den
furstehabern. die forstkese. die forsthunre. das houig zu Prücke ^^) vnd ein
dienst fische daselbes. die Walther Schutze ire | vetter gehabet hetde. vnd ledig
worden weren. vnd von vns vnd dem riebe czu lehen rurten. zu uerlyhen
gnediclichen geruchten. j Des haben wir angesehen derselben Heinrichs vnd
Beringers der Schützen, flißige vnd redeliche bete, vnd auch trüwe vnd | dienste
34) Chmel: Durkelwilc. 38) Liiidiicr S. 32. 36) Lindner a. a. 0.
37) bei Nürnberg. 38) Chmel: Bücke.
— 95 —
als sie vns vnd dem riebe furbaz in künfftigen zyteu. dun vnd bevvisen sollen
Yiid haben yu au den obg-enanten leben | verlyhen vnd lyhen yu auch in crafft
diß briefs. waz'wir yn von rechte daran lyhen sollen vnschedelicb doch vns
dem hei | lig-en riebe vnd eime ig-licben an sinen rechten, vnd nemlich Jörgen
Dorrig-el. dem wir dieselben leben für ein verfallen leben | nach dem er vns
das furbraeht vnd auch demuticlichen g-epeten hat. yme die zu uerlyben. vor
verluhen haben an sinem rechten. [ daran, vnd wollen auch ob vns dieselben
leben ledig" vnd veriullen sint. als vns derselbe Jorg-e furbraeht hat. das yme
danne | diese g-einwurtige vnser verlyhung-e an denselben leben kein schade sin
solle in deheine wise. Die vorg'enanten Heinrich vnde | Bering-er hant vns auch
von der obg-enanten leben wegen huldunge getan, mit glubden vnd eyden. als
gewonlich vnd billich ist. | vns vnd dem riebe von solicher leben wegen zu
tun. Orkunde diß briefs versiegelt mit vnser kuniglieher maiestad anhan | gen
dem ingesigel. Datum Heidelberg feria sexta ante festum Peuthecostes. Anno
doniini milles4mo quadringentesimo sexto. Regni ] vero nostri anno sexto.
Ad mandatum domini regis Emericus de Moschein.
R(egistratum) Bertboldus Durlach.
1408 Oktober 27. Nürnberg. König Ruprecht erteilt dem Ulrich Mynner zu
Brück an der Reduitz die Genehmigung zur Übertragung mehrerer seiner Güter,
die Reichslehen sind, an die Peterskirebe zu Brück. — Orig. Perg. Hellbraunes
Wachssiegel an Pergamentstreifen.
Chmei Nr. 2666.
Das mehrfach beschädigte Siegel stimmt zu dem Heffners S. 24, Nr. 118,
Tafel Xn, Nr. 93.
Wir Ruprecht von gots gnaden Römischer kunig zu allen ziten merer des
richs bekennen vnd tun kunt offinbar mit diesem brieff | allen den die yn sehent
oder horent lesen, das vns furbraeht ist. von Avegen vnsers lieben getruwen
Ylrich Mynners geseßen | in dem dorffe zu Brücke an der Reditzc gelogen, das
diese nachgeschrieben gute, mit namen. das Seidengut zu Brücke gelegen I aii
der Stcynen brücken, da Heintz Reinhart vlTsitzet. das gilt sechtzig pfonniiige
zwelfif kese vnd dru hunre Hern das Seidengut | gelegen an dem pfarrbotf. das
Guntz Nytharts erbe ist gilt nuntzig pfenninge zwelff kese vnd vier bünre Item
der teile | an dem nuwen zehendlin der des Wylerspaehers was. gilt by einem
vierteil kmris eins Nuremberger Syraerns Item ein | acker gelegen an der
Schon, der des Fritzen Sniders was Item ein acker gelegen an Puckenhofer
wege den der becker innhat | vnd ein teile in dorn vierteil zehende, der des
Cuntzen Hoffmans was gilt andorhalb pl'unt wahs. von vns vnd dem heiligen |
riebe zu leben imh'imi vnd gen. die derselbe Virich von vns vnd dein ridu' zu
lehen habe, vnd die vv mcyne an die pfarkirche | daselbsl zu Urueke. die ge-
wyhet sy in die ere des heiligen zwellfbolen sant Peters zu wenden, vnd sin
darumbe von sinen wegen | demuticlich gepeten. das wir dieselben guter, der-
sellten pfarkircbcn gt'bi'ii aikI eigenen wellen, wani wir im siindcrliili ge-
nei 1 get sin /u lurdernde die ding, damide goles ilinslc vnd lolic gfinerret
möge werden. Iicrvndie so bau wir angesehen des | obgenanten Virichs redliche
vnd llißige bete. | vnd haben dem almecbligen gote zu lobe vnd aui-h zu eren
dem heiligen zwellfbotcm | sant Peter dieselben guter samentlicb vnd besunder.
mit allen nutzen vellen vnd zugehorden. der obgenaiil plarrkirchen zu Brücke |
— % —
zu fryen eyg-en lodiclich g-egebon. vnd grben yr die auch in crafft dioß brioffs
vnd Romisrbcr kuu^'-lichcM- mochte vollckomonheide | nach dem dann der obge-
nunl Vliicli das vermacht vnd vcrschrieixMi hat. Orkunde dieß brieffs versig-elt
mit vnsei- kuniglichen | maieslal anhaug-endem iiige.sigel Geben zu Nuremberg
mich Cristi geburte viertzehonhundcrl. vnd darnach in dem achten jare vf!" der
heiligen zwcUrbolt'n Symnnis vnd ')mlr abende vnsers richs in dem nundea jare.
Per dominum K. episcopum S|)irensera ■"*) Johannes Winheira.
R(cgi.stratum) Berthoklus Durlach.
00. 1410 Januar 21. Heidelberg. Kimig l{u|>rccht gebietet den Landesherrn an der
Ktsch, genannten Nürnberger Juden und Jüdinnen, über die auf Grund eines
liolgerichtsspruches die Reichsacht verhängt worden sei, keinerlei Vorschub zu
leisten. — Orig, Perg. Aul' der Kückseite Reste eines hellgelben Wachssiegels.
Fehlt Ghmel.
Dem 14,0 cm. hohen, 29,5 cm. breiten Pergamente unserer Urkunde fehlt
der untere Hand, welcher jedenfalls den Kanzleivermerk trug.
Wir Ruprecht von gotes gnaden Römischer kunig zu allen ziten merer
des richs embieten. den edeln allen | vnd iglichen. Landesherren von der Etsche.
vnser gnad. vnd alles gut. vnd tun euch kunt mit disem briet', das die | ersamen
. . burgermeistere. vnd die bürgere gemeinlich des rates der stat zu Nürnberg
vnsere. vnd des richs | lieben getruen. vflf Jutten Judinn. ettwenn Jacobs Juden
genant Rappe von Nürnberg wybe. Hendlinn Judinn ir i beder tochter. vnd
kücheln. Lazarus, vnd Mosse Juden, des itzgenanten Jacobs sune. an vuserm.
vnd des heiligen Romischen | richs hofgerichte souerre geclaget. vnd ouch mit
rechter vrteyle erlanget haben, das dieselben Juden, vnd Judinn. in | vnsere.
vnd des itzgenanten richs ahte geurteylet sind, als desselben hofgerichtes recht
ist. vnd das wir sy dorumb | in solich ahte getan vnd gekündet haben, als das
solich ahtebrieue doruber gegeben eigentlicher vffwisen. | Dorumb von Romischer
kuuglicher mäht vnd gewalte, begeren wir von euch, vnd gebieten vch ouch.
by vnsern | vnd des heiligen Romischen richs rehten. vnd gehorsamkeite ernst-
lich vnd vesticlich mit disem brief. das ir \ die vorgenauten Juden, vnd Judinn.
vnsere. vnd des heiligen Romischen richs ehtere in ewern slossen. steten |
landen, vnd gebieten, furbassmere. weder husen. noch houen. etczen. noch
trenken. noch keinerley gemeinschaft | mit in haben lasset in keinerley wise.
sunder den vorgenanten . . burgermeistern. vnd burgern. vnd ouch den iren |
vff dieselben ehtere nach lute der vorgenanten ahtebrieue getrulich. vnd ernst-
lich beholfen sin sollet, als vil | vnd als lange bis das sy in vnsere. vnd des
heiligen Romischen richs gnade, vnd gehorsamkeyte wider | komen sind, als
reht ist. CTeben zu Heidelberg, vnder vnserm. vnd des vorgenanten hofgerichtes
vfgedruktem insi | gel. Nach Grists gehurt vierczenhundert jare. vnd dornach
in dem czehenden jare des nehsten dinstags | nach sant Antonii tage, vnsers
richs in dem czehenden jare.
Nürnberg. Dr. Heiur. Wendt.
S9) Bi.sciiuf Kaban von Speier, Kanzler König Ruprechts während dessen ganzer Re-
gierung; Lindner S. S2.
— 97 —
Die Kaiseriirkiiudcu des gcrmauischeii Nationaliiiiiscuius.
lY.
Vom Tode Ruprechts bis zur Wahl Karls V.
1410—1319.
ercits innerhalb dieses letzten Abschnittes unserer Publikation zwingt
der namentlich nach Umfang- aber auch nach Inhalt veränderte .Gha-
ij rakter des Materials ^) zum Abweichen von der bisherigen Behand-
hmgsweise.
Wurde bisher das Verfahren beobachtet, jedes Stück, welches wir als
bekannt nicht nachzuweisen vermochten, im Wortlaute vorzuführen und
nur von bereits gedruckten Urkunden die blofsen Regesten zu geben, so werden
wir uns in dieser Abteilung durchgängig mit Regesten begnügen müssen, wo-
bei jedoch spätere vollständige Wiedergabe einzelner bedeutsamerer Stücke
vorbehalten bleibt. Auch die Litteraturangaben werden, da zusammenfassende
Vorarbeiten für unsere Zeit teils ganz fehlen, teils an Vollständigkeit und Zu-
verlässigkeit viel zu wünschen übrig lassen, nicht einmal den bisherigen Um-
fang erreichen können und sich auf das unmittelbar Nächstliegende beschränken.
Schlietslich werden auch in den Mitteilungen über die äufsere Gestalt der Ur-
kunden: Beschreibung der Siegel, Angabe der Kanzleivermerke u. ä., vielfache
Beschränkungen einzutreten haben.
A. Sigmund. 1410—1437.
61. 1413 Januar 21. Konstanz. König Sigmund bestätigt den Zeidlern im Reichs-
walde bei Nürnberg die Privilegien König Karls IV. vom 1. Juni 1330 (vgl.
S. 86, Nr. 46) und König Ruprechts vom 6. März 1403 (vgl. S. 94, Nr. 36). —
Erhalten in einem Vidimus des Landgerichts Nürnberg vom 22. August 1419.
62. 1413 Februar 18. Konstanz. König Sigmund nimmt Oswald von Wolkenstein
zu seinem Diener und Hofgesinde an mit einem Jahrgehalte von 300 ungarischen
Gulden. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
Gedruckt nach unserem (h'iginale von Noggler in der »Zeitschrift des
Ferdinandeums für Tirol und Vorarllicrg« 3. Folge, Heft 27 (1883), S. 20.
Diese Urkunde ist die erste aus dem reichen Schatze an Kaiserurkunden
unserer Periode ^), welchen das im Jahre 1873 vom Museum erworbene Wolken-
steiner Archiv birgt. Der Zweig des genannten Tiroler Geschlechtes, dessen
Überlieferung dieses Archiv in sich schliefst, ist die von dem bekannten ^detzten
Minnesänger« Oswald von VVolkenstein begründete Linie der AVolkenslein-
Rodenegg. Daher enthält das Archiv namentlich tüi- die Geschichte Oswalds,
der auch Kmidanger der vorliegenden Urkunde ist, sehr wertvidle Belege.
63. 1413 April 8. Konstanz. König Sigmund erteilt dem Jakob Rudoli'. Bürger und
KauCniann zu Isny, ein Wapjien. — Orig. Perg. Siegel fehlt,
64. 1413 Mai 13. Konstanz. König Sigmund präsentiert dem Kapitel der St. Jo-
hunniskirche zu Konstanz auf Grund seines Rechtes der »ersten Ritten« den Georg
Mönch, Geistlichen Konstanzer Diözese, als Kanonikus. — Orig. Perg. Rotes
1) Über diesen vj^l. S. 73. 2)'Dicsi^li)eii .siiul im t'oljjomloii init \\ . A. iKv.oiiliucl.
Mitteilungen aus dem gcrman. Nationalmusoum. 1890. XIII.
— 98 —
Sieg'cl ilh'iriior. »Die doiitschen Kaisoi- imd Ivönig-ssiegel« S. 26, Nr. 130,
Talbl XIV. Nr. Ki.'i) in i;i'll)rr Kapsel an Juciteiii Perg-araentstreifen.
Auf der Hüekseite beliiidot sich die gleichzeitig-e Notiz: »Item graf schnider
lial di(5 lifief liiiider mich g-elol das ich sy niemand hiiiavßg-ebe on ains burger-
maislers haisseu.rt
(ji). I'il7 .)nli H. Konstanz. König Sig'mund erteilt dem Herzoge Friedrieh von
Osterreich, der au seinen Hof nach Konstanz koninicn Avill. freies Geleit. — Perg.
Unbesieg-eU.
Keg-est (nach einer Vorlage des k. k. Haus-, Hol- und Staatsarchivs zu
Wien) bei Lichnowsky, »Geschichte des Hauses Habsburg« Bd. Y, S. CLVH,
Nr. 1725; ferner bei Aschbach, »Geschichte Kaiser Sigmunds« Bd. IV,
S. 322.
Unsere Urkunde macht, abgesehen davon, dafs ihre Identität mit der Vor-
hige Lichnowskys, welche Original sein dürfte, wenig wahrscheinlich ist,
auch an sich nicht den Eindruck eines Originals. Allerdings weist sie an. dem
unteren, beschnittenen Rande einen Siegelschnitt auf; aber ein Teil der Ränder
ist von einer gleichzeitigen Hand mit Notizen theologischen Inhalts beschrieben.
Ferner steht auf der Rückseite, anstatt des Registraturvermerkes, ein Zeichen,
das als Kassierungsvermerk aufzufassen sein dürfte. Wir haben es also jeden-
falls mit einer — warum, läl'st sich, namentlich ohne Kenntnis des Originals, nicht
entscheiden — später unterdrückten älteren Ausfertigung zu thun.
Inhaltlich gehört die Urkunde in den während des Konstanzer Konzils
sich hinziehenden Streit Herzog Friedrichs mit König Sigmund, dessen Bei-
legung erst im nächsten Jahre erfolgte. Über die Yergleichsverhandlungen,
auf welche unser Geleitsbrief schliefsen läfst, vermag Lichnowsky^) nichts
Näheres beizubringen.
66. 1417 September 28. Konstanz. König Sigmund teilt Oswald von Wolkenstein
mit, dafs er mit seinem Heere am Sonntage vor Simonis und Judä (24. Oktober)
in Feldkirch zu sein beabsichtige. — Orig. Pap. Form des geschlossenen
Briefes^). W. A.
Gedruckt nach unserem Originale von Noggler in der »Zeitschrift des
Ferdinandeums« 3. Folge, Heft 27, S. 63.
67. 1419 April 1. Prefsburg. König Sigmund erteilt dem Oswald von Wolken-
stein zur Rückkehr von seinem Hofe in die Heimat treies Geleit. — Orig. Pap.
Rücksiegel. W. A.
Erwähnt nach unserer Vorlage von Noggler in der »Zeitschrift für
deutsches Altertum« Bd. 27, S. 181.
3) a. a. 0. S. 181.
4) Kennzeichen rief geschlossenen Briefe (in den folgenden Studien mit G. B.
bezeiclinetj, welche seit der luxemburgischen Zeit von den olfen versandten Privilegien und
Mandaten als besondere Urkundeaart sich abheben, sind: Das Siegel wird nicht angehängt
oder in der Mitte der Vorder- oder Rückseite aufgedrückt, sondern an den Rändern der
Rückseite, als Verschlursmittel, angebracht. Der Name des Empfängers ist nicht in den Text
vertlochten, sondern steht als Adresse auf der Rückseite. Elbenso bilden Namen und Titel
des Ausstellers nicht mehr einen Teil des Textes, sondern stehen als Überschrift, meist in
zwei Zeilen gegliedert, an der Spitze. — Vgl. Brefslau, »Handbuch der Urkundcnlehre« I, S. 60.
— 99 —
68. 1422 September 11. Nürnberg'. König Sigmnnd ernennt den Peter Truchsefs
von Bomersfelde, Ritter, zum Beisitzer an seinem und des Reichs Hofgerichte
mit einer jährlichen Besoldung von oÜO Gulden rhein. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
69. 1422 Dezember 6. Prefsburg. König Sigmund urteilt, dafs der Anspruch
des Herzogs Friedrich von Österreich an Oswald von Wolkenstein auf Zahlung
von 6000 Grulden, für welche dieser, um sich aus der Grefangenschaft des Herzogs
zu lösen, Bürgen gestellt hat, unbegründet und der Herzog gehalten sei, Oswald
und seinen Bürgen ihre Yerschreibungen wiederzugeben. — Orig. Perg. Rück-
siegel. W. A.
Eine genaue Inhaltsangabe und eingehende Darstellung des Zusammen-
hanges, in den unsere Urkunde gehört, gibt Noggler in der «Zeitschrift des
Ferdinandeums« 3. Folge, Heft 26, S. 142 f. Über die Gefangenschaft des Dichters
vgl. auch Zingerle in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie, philoso-
phisch-historische Klasse, Bd. 64 (1870), S. 661 f.
7U. 1424 September 29. Totes (in Ungarn). König Sigmund entläfst auf Bitten des
Hermann Wallud die Stadt Stade aus der Reichsacht. — Orig. Perg. Braunes
Siegel mit rotem Rücksiegel an Pergamentstreifen.
Das Siegel ist das Hofgerichtssiegel König Sigmunds, Heffner S. 26.
Nr. 126, Tafel XIII, Nr. 99 u. 100.
71. 1424 Dezember 13. Ofen. König Sigmund verspricht dem Oswald von Wolken-
stein, ihm seine Bitte um Fürsprache bei Herzog Friedrich von Österreich zu
erfüllen. — Orig. Pap. G. B. W. A.
Erwähnt von Noggler in der »Zeitschrift des Ferdinandeums« Heft 26,
S. 149.
72. 1429 September 9. PreCsburg. König Sigmund verleiht den Brüdern Lienhart,
Lorenz und Martin Stromer, Bürgern zu Nürnberg, genannte Reichslehen bei
Nürnberg. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
7;}. 1430 Juli 31. Wien. König Sigmund beglaubigt den Oswald von Wolkenstein
zu einer Sendung an das heimliche Gericht"). — Orig. Pap, Rücksiegel. AV. A.
7.'). 1430 Oktober 23. Nürnberg. Körnig Sigmund verleiht dem Hans Vogt von
Wendelstein ein Viertel des dortigen Gerichtes. - Orig. Perg. Siegel fehlt.
Eine weitere in unserem Besitze belindliche Originalurkunde Kaiser Sig-
mufids über dasselbe Reichslehen datiert vom 23. April 1434.
76. 1431 Juli 10. Nürnberg. König Sigmund urleilt, dals in dem Streite der Stadt
Halberstadt mit einigen ihrer früheren Bürger, Amniendorf. Tangen und Ge-
nossen, über erstere die Reichsacht zu Unrecht verhängt worden sei, und hebt
dieselbe daher auf. — Orig. Perg. Gelbes Wachssiegcl (Heffner S. 2o, Nr. 124,
Tafel XIV, Nr. 98) an schwarzgelber Seidensrhnur.
Gedruckt von Schmiiil in iN-ni »l'rkiindiMibuch der Stadt Halbersiadl«
Teil II, S. 154 ff., Nr. 845.
5) Über die Bcziclmiitron Oswalds zu drii f'n'iniM'iciilcii v^'l. (ieii Aiil'sal/ von 1. i iid ii c r.
«Die Fragen dos Königs Uiiprccld üImt die Vcincgcrichlc.. in I5d. I. S. Ill'i IT. dieser Mil-
Iciiungcn«.
— 100 -
Dom Drucke von Sclniiidl ist nicht unsei' Original, sondern «wegen des
hoiinal liehen Ursprungs« ein Transsumpt des Abtes Heinrich von Huysburg- vom
\. August 1434 zu (irundo gelegt. Abgesehen von dialektlichen Besonderheiten
weicht dieses (buch Auslassung mehrerer Worte vom Originale ab. Aufser den
von Schmidt bereits nach unserem Texte gemachten Zusätzen ist noch anzu-
führen: S. loa. Zeile 9: hinler beraubt unde add. ouch; S. Iö6, Zeile 13: hinter
liir uns add. und: S. 157, Zeile 28: hinter teil add. brief. S. 136, Zeile 34: be-
hartung statt behaltung, und S. 137, Zeile 18: des statt der, dürften wol nur
Druckfehler sein.
77. 143ä ]\lai IV>. Parma. König Sigmund ermahnt alle Obrigkeiten und Unterthanen
im Reiche, den Oswald von Wolkensteiu, welchen er in seinen besonderen
Schutz genommen habe, in keiner Weise zu benachteiligen. — Orig. Perg.
Siegel fehlt. W. A.
78. 1434 Februar 26. Basel. Kaiser Sigmund bestätigt der Stadt Reutlingen alle
ihre Rechte und Privilegien. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
79. 80. 1434 Mai 7. Basel. Kaiser Sigmund ermahnt die Stadt Erfurt, seinem und des
Reiches Erbkämmerer, Konrad von Weinsberg, der mit Vollstreckung der Reichs-
acht gegen die Stadt Halberstadt beauftragt worden sei, hierbei zu unter-
stützen. — Orig. Pap. Siegel auf der Vorderseite.
Erwähnt nach unserer Vorlage von Schmidt a. a. 0. II, S. 167, Nr. 861.
Ein gleiches in unserem Besitze befindliches Mandat erging an die Stadt
Quedlinburg.
81. 1434 Juni 14. Ulm. Kaiser Sigmund beauftragt den Oswald von Wolkenstein
mit Einziehung aller Strafgelder, die durch Übergriffe gegen das Kloster der
regulierten Chorherren zu Neustift, Augustinerordens, Diözese Brixeu, verwirkt
werden. — Orig. Perg. Rotes Siegel (Heffner S. 27, Nr. 131, Tafel 14, Nr. 106)
in gelber Kapsel an Pergamentstreifen. W. A.
Erwähnt (ohne Inhaltsangabe) bei Aschbach, »Geschichte Kaiser Sig-
munds« Bd. IV, S. 498. Gedruckt bei Lünig, »Reichsarchiv^c, Spie, sec. II, S. 1339,
Zu dem Kloster Neustift an der Eisack, dessen Schutze die vorliegende
Urkunde gewidmet ist, halten die Wolkensteiner von jeher enge Beziehungen,
Oswald selbst ist dort begraben. Das Denkmal an der Domkircbe zu Brixen,
welches den Minnesänger darstellt (abgebildet u. a. in dem »Jahrbuch des
Heraldisch-genealogischen Vereins Adler« Bd. l, Tafel XIX), ist kein Grabstein,
sondern von Oswald im Jahre 1408, fast 40 Jahre vor seinem Tode, wahrschein-
lich zum Gedächtnisse an seine Stiftung zweier Kapellen im Dome, errichtet.
Vgl. die »Mittheilungen der k. k. Central -Gommissiou zur Erforschung und
Erhaltung der Baudenkmale« Bd. II, S. 181.
82. 1433 Januar 4. Prefsburg. Kaiser Sigmund bestätigt der Stadt Halberstadt alle
ihre Rechte und Privilegien. — Orig. Perg. Schönes hellgelbes Münzsiegel
(Heffner S. 25, Nr. 123, Tafel XIII, Nr. 96u.97) an schwarzgelber Seideuschnur,
Nach unserem Originale gedruckt von Schmid t a. a. 0. II, S. 172 f., Nr, 867,
83. 1437 JMärz 19. Prag. Kaiser Sigmund bezeugt dem Martin, Domprobste zu
Bamberg, dafs derselbe den in einer Klagesache der Elisabeth Haufslaib und
des Gregor Heymberg, Lehrers beider Rechte, gegen ihn angesetzten Termin
wahrgenommen habe, — Orig. Pap. Siegel (wie Nr. 81) auf der Vorderseite,
— lOi —
B. Albrecht II. 1438-1439.
84. 1439 Juni 19. Ot'en. König- Albrecht teilt der Stadt Wiiidsheim **) mit, dafs er
des von ihr für den 25. Juli g-eforderten Kriegs Volkes zur Zeit nicht bedürfe,
da unter Vermittlung der päpstlichen Legaten zwischen ihm und dem Könige
von Polen ein AYaffenstillstand geschlossen worden sei, bittet sie aber, für den
Fall, dafs die unternommenen Friedensverhandlungen scheitern sollten, sich zur
Hülfe bereit zu halten. — Orig. Pap. G. B. Das Siegel entspricht dem Heffners
S. 21, Nr. 133, Tafel XIV, Nr. 108.
Dasselbe Mandat erging u. a. an Frankfurt (gedruckt bei Janssen,
»Frankfurts Reichscorrespondenz« Bd. I, S. 483, Nr. 862) und an Breslau (ge-
druckt bei [Klose,] ))Dokumentierte Geschichte von Breslau« Bd. II, S. 430—432;
Regest bei Lichnowsky a. a. 0. Bd. V, S. CGCLXXI, Nr. 4346).
G. Friedrich III. 1440-1493.
83. 1442 März 18. Innsbruck. König Friedrich ladet Oswald von Wolkenstein zur
Verantwortung wegen angeblicher Beraubung einiger Leute. — Orig. Pap. G. B.
W. A.
86. 1442 August 18. Frankfurt. König Friedrich ermahnt Bürgermeister und Ral
zu Halberstadt, ihre Judenschaft zur Zahlung des ihm bei seiner Thron-
besteigung gebührenden «dritten Pfennigs« anzuhalten. — Orig. Pap. G. B.
Gedruckt nach unserer Vorlage von Schmidt a. a. 0. Bd. II, S.214, Nr. 927.
87. 1443 Juni 28. Wien. König Friedrich verleiht Peter und Hans Rieter von
Nürnberg ein Gut zu Affeiterbach'). — Orig. Perg. Rotes Siegel (Heffner
S. 29, Nr. 139, Tafel XVL Nr. 117) an Pergamentstreifen.
Regest bei Ghmel, »Regesta . . . Friderici III. Imperatoris« Nr. 1484
(ohne Datum).
88. 1443 November 12. (Wiener-)Neustadt. König Friedrich bittet Bischof Georg
von Brixen, da er (der König) sich demnächst nach Graz und von dort als-
bald nach der Etsch zu begeben beabsichtige''), um Nachrichten über den
letzten Landtag zu Meran und um Rat darüber, ob er seinen Weg durch das
Innthal oder über Bruneck **) nehmen solle. — Orig. Pap. G. B. W. A.
■ 89. 1444 September 25. Nürnberg. König Friedrich beliehlt der Stadt Winiislu'im.
auf Grund der Beschlüsse des Nürnl)erger Reichstages, zur Abwehr des »frenulen
Volkes aus Frankreich« ^*'), das in Deutschland eingebrochen sei und namentlich
den Kurfürsten Ludwig von der Pfalz bedränge, auf den Tag St. Galli (16. Oktober)
ihr Kontingent von 10 Reisigen nach Stral'sburg zu schicken. — Orig. I'aii. <i. 1^
Dieses Ausschreiben des Königs erfolgte auf (irund des ersteren der
beiden in Nürnberg zur Bekämpfung der Armagnaken beschlossenen Reichs-
gesetze, des der Defensive dienenden »kleinen Anschlages.« Nach diesem halhMi.
6) In Franken. 7) Climcl: AiTaltorliacli.
8) Letztere Absiclil liat der KTmi^^ iiiclil aiisjjtcrülirt ; wir können ihn i nai-li ticn ans-
j;estelUen Urkunden) vom -26. Novenilier liis zum 13. Dezeml)er in (.Iraz. dann wiilirend der
foljrenden Monate in Kärnten narliweisen. Vj,d. C liniel a. a. 0. S. l.'iCitV.
9j lui Pustertinilc, an der llienz.
10) Der Armajcnaken.
■o"-
— 102 —
wie (lor Frankfurlor Rcichslaji-s^osandlo Walter Schwarzenberg seiner Stadt
bericlüt'l "), diosi' iiiul Spoier je 4U, Worms, Main/,. Konslanz und Reg-ensburg-
je .'iü, L'lin 1111(1 st'iiic JJundesstädfc 20ü, Augsburg und Nürnberg Je JiU Reisige
/u slelk'ii. Sclutii am "SO. September verhingt der König, nach dem zur Offen-
sive, zum »Zuge«, bestimmten »grofsen x\nschlage«, von der Stadt Frankfurt
eine KriegshUlfe von ;)00 JMann zu Uol's und zu Fufs ^^).
110. 1 4IS März II. Wien. König Fricdiidi i)el]ehlt Herzog Sigmund von Österreich,
den flitrg von Wimdingen bei ilen von König Sigmund gegen Vogt Ulrich
von Metscli uinl l'li ich Herren zu Melsch, beide Grafen zu Kirchberg, erlangten
Urteilssprüchen handhaben zu wollen. — Orig. Perg. Rücksiegel. W. A.
Erwähnt (ohne Datum) aus den Repertorien des Schatzarchives zu Inns-
bruck von Ladurner in der «Zeilsclirilt des Ferdinandeums« 3. E'olge, Heft 17
(IS7:^). S. 214 f.
DI. 144H Juli 2ö. (Wiener-) Neustadt. König Friedrich spricht Jörg und Hans
von Vilamlers der Summe von lUO Mark Goldes, die sie ihm schuldig waren,
und sonstiger Ansprüche, die er im Namen Konrad Ascbbachs an sie zu machen
hatte, los und ledig. — Orig. Perg. Siegel fehlt. W. A.
1)2. 1449 Januar 2ü. Neustadt. König Friedrich erlaubt der Stadt Judenburg ^•■'),
jährlich zwei Jahrmärkte abhalten zu dürfen. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
93. 1449 Dezember 29. Neustadt. König Friedrich erteilt den Nürnberger Bürgern
Niklas und Jakob Muffel eine Wappeubesserung-. — Orig. Perg. Gelbbraunes
Münzsiegel an rotgrünen Seidenfäden.
(jedruckt mit dem Datum: 14oÜ Dezember 21 von Würfel in den »Nach-
richLcn zur Erläuterung der Nürnbergischen Stadt- und Adelsgeschichte«
I, S. 406 fr.
Der in der Mitte unserer Urkunde für das Wappenbild, auf welches im
Texte verwiesen wird, bestimmte Raum ist nicht ausgefüllt. Das sehr schön
erhaltene Siegel ist bei Heffner S. 27, Nr. 134 beschrieben, Tafel XIV, Nr. 109
und 110 abgebildet. Zu Füfsen des Königs ist in rotem Wachse das bei
Heffner S. 28, Nr. 133 beschriebene Ringsiegel aufgedruckt.
94. 1450 November 30. Neustadt. König Friedrich verleiht dem Dyetz Recken-
berger ein Anwesen zu Nürnberg in der Vorstadt. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
9ö. 1453 Juni 4. Graz. Kaiser Friedrich bestätigt die von Hedwig, der Witwe
des Wilhelm von Berneck, der Pfarrkirche zu Graz gemachte Stiftung. — Orig.
Perg. Siegel fehlt.
90. 1453 Oktober lö. Neustadt. Kaiser Friedrich weist die Stadt Weifsenburg ^^)
an, ihre am Martinstage (11. November) fällige Stadtsteuer an den Erbmarschall
Heinrich von Pappenheim zu zahlen. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
1)7. 1454 .März 16. Neustadt. Kaiser Friedrich verleiht den Gebrüdern Hans, Bal-
thasar, Andreas und Jörg Dürrer genannte von dem Fürstentume Kärnten zu
Lehen rührende Grundstücke. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
11) Janssen a. a. 0., Bd. [l, S. 74 f., Nr. 103.
12) Janssen II, S. 73 f., Nr. lOo.
13) In Steiermark.
14) Im Nordgau.
— 103 —
98. 1456 Juni 9. Neustadt. Kaiser Friedrich verleiht dem Heinz Wölfel zu Heuch-
ling- ^-^j mehrere Güter daselbst. — Orig. Perg-. Rotes Siegel (Heffner S. 29.
Nr. 141, Tafel XVIII, Nr 118) in gelber Kapsel an Pergamentstreifen.
99. 1456 August 16. Neustadt. Kaiser Friedrich verleiht dem Ludwig Grruber,
Bürger zu Nürnberg, genannte Reichslehen daselbst, die bisher Paul Pirkheimer
innegehabt hat. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
-104. 1460 Februar 20. AVien. Kaiser Friedrich, als ältester Fürst des Hauses Öster-
reich, gibt seine Zustimmung zu der Verpfändung des Schlosses Ivano ^®) durch
Herzog Sigmund von Österreich an Jakob Trapp. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
W. A.
Schlofs und Herrschaft Ivano, die nach einer dem AVolkensteiner Archive
angehörigen Urkunde König Maximilians vom 10. Februar 1492 (Orig. Perg.)
im Plandbesitze der Jörg, Jakob und Karl Trapp, wahrscheinlich der Söhne des
hier genannten Jakob Trapp, erscheinen, verpfändete König Maximilian bahl
darauf, laut zweier Urkunden des Wolkensteiner Archives vom 9. März und vom
11. April 1492 (Orig. Perg.) seinem Rate, Kämmerer und Feldhauptmanne, Veit
von Wolkenstcin, für 22000 Gulden. Durch eine weitere Urkunde des Wolken-
steiner Archives vom 2. März 1494 erhöhte der König diesen Pfandschilling
wegen baulicher Veränderungen, die der neue Pfandinhaber am Schlosse hatte
vornehmen müssen, um 500 Gulden.
105. 1461 Juli 18. Graz. Kaiser Friedrich fordert Bischof Johann von Fichstätt
auf, zum St. Lorenztage (10. August) Gesandte zur Verhandlung mit seinen
Vertretern, den Markgrafen Albrecht von Brandenburg und Karl von Baden,
sowie Ulrich Grafen von Württemberg, nach Nürnberg zu entsenden. — Orig.
Pap. G. B.
Entsprechende Ladungen, jedoch auf den Bartholomäustag (24. August)
lautend, ergingen u.a. an Herzog Wilhelm von Sachsen (J.J.Müller, »lieichs-
tagstheatrum« Bd. 11, S. 55) und an Frankfurt (Janssen II, S. 161 f., Nr. 261).
106. 1461 September 1. Graz. Kaiser Friedrich teilt der Stadt Windsheim mit, dals
er dem Bischöfe Johann von Würzburg, welcher, trotz seiner Verbote, den
sogenannten Guldenzoll im Lande Franken weiter einnehme, das Landgericht
des Herzogtums Franken, das Zentgericht und das Brückengericht zu Würz-
burg entzogen habe. — Orig. Pap. Rücksiegel.
107. 1461 September 27. Leoben''). Kaiser Friedrich erteilt Niklas Teschler von
Ravelspurg, seinem Münzmeister zu Wien, eine Wappenbesserung als Ijohn für
die bei der Verteidigung eines Thurmes am Stubenlhore zu Wien gegen Herzog
Albrecht'®) bewiesene Tapferkeit. — Erhalten in einem Vidimus des Sehull-
heifsen und der Schölten zu Nürnberg vom 23. August 1566.
109. 1464 März 20. Neustadt. Kaiser Friedrich inalml die derzeitigen Iidiabcr ge-
nannter Reichslehen bei Nürnberg, welche Sebolt Graser zu Li'lu'ii griiahl lial,
15) Bei Lauf. Hiiyein. Bez. lTorsl)iiici<.
16) Im Val Sutruiia, dem Tliale der oliei'H |{i'ciila.
17) Steiermark, an der Mur.
18) Über den llaiidstreifli . den HerzotJ Alliiiclil in si'ini'u Kämpfen mil dem Kai.ser
Kegen die SladI Wien und spiv.icil j^ej^en das ijcnannic Tluir versiiclile. \jrl. I, i c li n dw s k y
a. a. 0. Bd. VII, Ö. 48 1'.
— 102 —
wie ilt'i- FruiiMiiilcr KciL-lisla.y-sgosandio Waller Scliwarzenberg' seiner Stadt
bericlilct "), ilii'sr iifiil Spricr Jti 40, Worms, Main/, Konstanz und Rcg-ensburg-
je ao, lim und seine Jiundcssliidle 200, Auii'shurg' und Nürnberg je 50 Rcisig-e
zu slelli'n. Schon am .1(1. Seplcmlier verlang! der K'iWiig, nach dem zur (»Uen-
sive. zum »Zuge«, beslimmlen »grolsen Anschlage«, von der Sladt Frankfurt
eint' K'riegshUlfo von iiOO Mann zu Hofs und zu Fufs ^-).
IJO. l'i'iS Miirz II. Wien. Ki'nig Friedricli beliehlL Herzog Sigmund von Osterreich,
den 'Inrg von Wendingen bei den von König Sigmund gegen Vogt Ulrich
von Metsch und Tlrii-h Herren /u Melsch, beide Grrafen zu Kirchberg, erlangten
Urteilssprüchen liandhalitMi zu wollen. — Orig. Perg. Kücksiegel. W. A.
Krwähiü (ohne Dalum) aus den Repertorien des Schatzarchives zu Inns-
bruck von Ladurner in der »Zeitsciu'in des Ferdinandeums« S.Folge, Heft 17
(1872), S. 2141".
91. 1448 Juli 2ö. (AYiener-) Neustadt. König Friedrich spricht Jörg und Hans
von Yilamlers der Summe von 100 Mark Goldes, die sie ihm schuldig waren,
und sonstiger Ansprüche, die er im Namen Koni'ad Aschbachs an sie zu macheu
hatte, los und ledig. — Orig. Perg. Siegel fehlt. W. A.
92. 1449 Januar 20. Neustadt. König Friedrich erlaubt der Stadt Judenburg "),
jährlich zwei Jahrmärkte abhalten zu dürfen. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
93. 1449 Dezember 29. Neustadt. König Friedrich erteilt den Nürnberger Bürgern
Niklas und Jakob Muffel eine Wappenbesserung. — Orig. Perg. Gelbbraunes
Münzsiegel an rotgrünen Seidenfäden.
Gedruckt mit dem Datum: 14;)0 Dezember 21 von Würfel in den »Nach-
richten zur Erläuterung der Nürnbergischen Stadt- und Adelsgeschichte«
I, S. 40011.
Der in der Mitte unserer Urkunde für das Wappenbild, auf welches im
Texte verwiesen wird, bestimmte Raum ist nicht ausgefüllt. Das sehr schön
erhaltene Siegel ist bei Heffner S. 27, Nr. 134 beschrieben, Tafel XIV, Nr. 109
und 110 abgebildet. Zu Füfsen des Königs ist in rotem Wachse das bei
HelTner S. 28, Nr. 135 beschriebene Ringsiegel aufgedruckt.
94. 14o0 November 30. Neustadt. König Friedrich verleiht dem Dyetz Recken-
berger ein Anwesen zu Nürnberg in der Vorstadt. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
9ö. 1453 Juni 4. Graz. Kaiser Friedrich bestätigt die von Hedwig, der Witwe
des \Yilhelm von Berneck, der Pfarrkirche zu Graz gemachte Stiftung. — Orig.
Perg. Siegel fehlt.
90. 1453 Oktober 15. Neustadt. Kaiser Friedrich weist die Stadt Weifsenburg ^^)
an, ihre am Martinstage (11. November) fällige Stadtsteuer an den Erbmarschall
Heinrich von Pappenheim zu zahlen. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
97. 1454 März 16. Neustadt. Kaiser Friedrich verleiht den Gebrüdern Hans, Bal-
thasar, Andreas und Jörg Dürrer genannte von dem Fürstentume Kärnten zu
Lehen rührende Grundstücke. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
11) Juiidscu a. a. ()., Bd. il, S. 74 f., Nr. 103.
12J Janssen II, S. 75 f., Nr. lOS.
13) In Steiermark.
14) Im Nordgau.
— 103 —
98. 1456 Juui 9. Xeustiidl. Kaiser Friedrich verleiht dem Heiuz AViiliel zu Heiich-
ling- ^^) mehrere Grüler daselbst. — ürig-. Perg. Rotes Siegel (Hefl'ner S. 59.
Nr. 141, Tafel XVIII, Nr 118) in gelber Kapsel an Pergamentstreifen.
99. 1456 August 16. Neustadt. Kaiser Friedrich verleiht dem Ludwig Gruber,
Bürger zu Nürnberg, genannte Reichslehen daselbst, die bisher Paul Pirkheimer
innegehabt hat. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
100—104. 1460 Februar 20. Wien. Kaiser Friedrich, als ältester Fürst des Hauses Öster-
reich, gibt seine Zustimmung zu der Verpfändung des Schlosses Ivano ^^) durch
Herzog Sigmund von Osterreich an Jakob Trapp. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
W. A.
Schlofs und Herrschaft Ivano, die nach einer dem Wolkensteiner Archive
angehörigen Urkunde König Maximilians vom 10. Februar 1492 (Orig. Perg.)
im Pfandbesitze der Jörg, Jakob und Karl Trapp, wahrscheinlich der Söhne des
hier genannten Jakob Trapp, erscheinen, verpfändete König Maximilian bald
darauf, laut zweier Urkunden des Wolkensteiner Archives vom 9. März und \ (uii
11. April 1492 (Orig. Perg.) seinem Rate, Kämmerer und Feldhauplmanne, Veit
von Wolkenstein, für 22000 Gulden. Durch eine weitere Urkunde des Wolken-
steiner Archives vom 2. März 1494 erhöhte der König diesen Pfandsehilling
wegen baulicher Veränderungen, die der neue Pfandinhaber am Schlosse hatte
vornehmen müssen, um 500 Gulden.
105. 1461 Juli 18. Graz. Kaiser Friedrich fordert Bischof Johann von Eichstätt
auf, zum St. Lorenztage (10. August) Gesandte zur Verhandlung mit seinen
Vertretern, den Markgrafen Albrecht von Brandenburg und Karl von Baden,
sowie Ulrich Grafen von Württemberg, nach Nürnberg zu entsenden. — Orig.
Pap. G. B.
Entsprechende Ladungen, jedoch auf den Bartholomäustag (24. Augustl
lautend, ergingen u.a. an Herzog Wilhelm von Sachsen (J.J.Müller. »Reichs-
tagstheatrum« Bd. II, S. 55) und an Frankfurt (Janssen II. S. 161 f. Nr. 261).
106. 1461 September 1. Graz. Kaiser Friedrich Icill der Sladl W ind>-heim mit, dals
er dem Bischöfe Johann von Würzburg, welcher, trotz seiner Verbote, den
sogenannten Guldenznil im Lande Franken weiter einnehme, das Landgericht
des Herzogtums Franken, das Zentgericht und da^ Brückengericlit zu Würz-
hurg entzogen habe. — Orig. Pap. Rücksiegel.
luT. 1461 September 27. Leoben ''). Kaiser Frieih'ich erteilt Niklas Teschler von
Ravelspurg, seinem Alünzmeister zu "NVirii. cim- Wappenbessi-rung als Lohn für
die bei der Verteidigung eines Thurnies um Slubcnlhcuv zu Wien gegen Hei-zog
Albrecht *^) bewiesene Tapferkeit. — Erhalten in einem Vidimus des Schult-
heifsen und der Schölten zu Nürnberg vom 2.1. August 1566.
>H. 109. ri64 März 20. Neustadt. Kaiser Friedrii-h mahnl die dei-zeiligen Inhaber ge-
nannter Reichslehcn bei Nürnberg, welehe Sebolt Graser zu Lehen gehabt hat,
13) Boi Lauf. Bayern. Ue/.. Ilcislniick.
lOj Im Val Sii^aiia, (lein Tliali' iIit nlMT.ri üti-iita.
17) SleifTiiiarii. an der .Mur.
18) l lici- (li'ii ll;iii(isjn'icli. den llrr/n^r Allinclil in seinen Kiimpifn niil dem Kaiser
jjcfren die Sladl Wien und spivii'll tci';cen das ncnanidr llnir versuchte. vt;l. li i r li n n w sk y
a. a. 0. Md VII. S. 'iS f.
— 104 —
iinil (li(^ Jolzl Koiiiiid Weil's u\u\ lllricli Slaiirspiich verliehen worden sind, diese
(iüirr den (icnjinnU'u soloi-l /,ii vfiahColg-en. — Orig. Pap. Rücksiegel (wie
Xr. 1)8).
Diosolho Malnning- orgelil um ^iO. Ang-iisl d. .1. namentlich an Peter Hanns
liüiigfril/ iiiiil (Idiil/ l*(»pp (Orig. I*ap., in nnscrcin Archive).
11(1. riCi'i -Inli •). Neusladl. Kaisci' Kricih'ich erleill seinem Rate Philipp von Sirck,
hiMiiprdhsle zu Trier, die i^lrhiiiiinis. drii ihm von Friedrich als K()uig' verliehenen
Anli'ii all diin lihoinzolle zu Jinppard veräuCsern zu dürfen. — Orig'. Perg".
Sieg'oi Ichll.
Chmcl Nr. 4092.
III. 141)5 November 4. Neustadt. Kaiser Friedrich erleill Hans Schmidrnair zu
Nürnberg' ein Wappen. — Orig'. Perg". Glelbbraunos Münzsiegel (Heffner
S. 2S. Nr. 18;). Talel XVI, Nr. 11!) an roter Seidonschnur.
Diese Urkunde gehört dem im Museum deponierten freiherrlich v. Scheurl-
schcn Familionarchive an.
11:^. 14GÜ -lunuar L'i. Neusladl. Kaiser Frictii'ich crmahnt die SladL Windsheim,
seinem Diener Heinrich Zeulein das Erbteil seines Vetters nicht vorzuenthalten.
— Orig. Pap. G. B.
113. 14(j6 Aug'ust 21. Graz. Kaiser Friedrich sendet der Stadt Windsheim einen
Inhibitionsbrief an das Landgericht zu Franken zur Kenntnisnahme und Weiter-
beförderung. — Orig. Pap. Rücksiegel.
111 III). 14(56 September 14. Graz. Kaiser Friedrich verleiht dem Jörg Gralant zu
Xürnberg vier Güter, die Reichslehen sind, zu Erlenstegen bei Nürnberg. —
Orig. Perg. Rotes Siegel (wie Nr. 98) in gelber Kapsel an Pergamentstreifen
(Scheurlsches Archiv).
Chmel Nr. 4638.
Über dieselben Reichslehen besitzt das Scheurlsche Archiv noch originale
Pergamenturkunden Kaiser Friedrichs vom 10. August 1469, 16. November 1469
(Chmel Nr. 5818), 22. Dezember 1472, König Maximilians vom 26. Juni 1494 und
vom 27. November 1516 (letztere aufserdem noch iji einem Transsumpte vom
12. Januar 1521).
120-132. 1466 September 16. Graz. Kaiser Friedrich verleiht Guntz Pruckell und Fritz
Gerung von Oberlindelbach ^^) eine »die Schürstäbin(( genannte Wiese an der
Schwabach-*'). — Orig. Perg. Rücksiegcl (Heffner S. 29, Nr. 140) teilweise
erhalten.
Chmel Nr. 4640.
Über dieses Reichslehen, welches später durch Kauf an die Familie Löffel-
h(dz zu Nürnberg kam, sowie über sonstige Reichslehen des genannten Ge-
schlechtes besitzt das im Museum deponierte freiherrlich v. LölTelholzsche
Archiv noch folgende originale Kaiserurkunden aus unserer Periode: Urkunden
Kaiser Friedrichs vom 23. Juli 1471, 7. Mai 1473 (zwei)', 14. März 1487 (Chmel
19) Bayern, Bez. Gräfonberg.
:20) Goineinl i.sl liirr jc(li'nt;dl.s niclit drr linke Zuflufs der llciiniiz, an welchem die
Stadt ^leidioii Nauieiis liegl, sondern der von rechts, wen!«;- unterhalb Erlangcns, ein-
uiündeude jN'ehcnnufs.
— 103 —
Nr. 7935); Urkunden König; Maximilians vom 4. Juni, 26. Juni und 26. August
1494, 10. Juli 1302, 12. Mai und 17. November 1311, 9. Februar 1312, 28. Mai 1313.
.33. 134. 1467 März 26. Aussee. Kaiser Friedrich verleiht dem Reinprecht von Walsee
die peinliche Gerichtsbarkeit in dessen Marktflecken Swanns. — Orig. Perg;.
Rotes Sieg-el (im Bilde dem Heffners S.'29, Nr. 144 entsprechend, jedoch mit
abweichender Umschrilt) in gelber Kapsel an Pergamentstreifen.
Bei Chmel Nr. 4930 und 31 werden zwei andere Privilegien vom selben
Tage für denselben Empfänger angelührt (vgl. auch Lieh no ws k y Bd. VII,
Nr. 1164), jedoch nicht das unserige.
Das hier genannte Gericht verleiht König Maximilian in einer Urkunde
unseres Archives vom 17. Januar 1494 den Söhnen Gotthards von Starhemberg.
i33. 136. 1468 Juni 7. Graz. Kaiser Friedrich verleiht dem Johannes Reynolt, Bürger zu
Nürnberg, einen Hof zu Weyerspuch -^). — Orig. Perg. Siegel fehlt.
Chmel Nr. 3422.
Dasselbe Gut betrifft ein unserem Archive angehöriger Lehensbrief König
Maximilians vom 24. Juli 1494.
137. 1470 November 23. Graz. Kaiser Friedrich erteilt dem Heinrich Buchner von
Koburg ein Wappen. — ürig. Perg. Schönes gelbbraunes Münzsiegel (wie
Nr. 111) an roter Seidenschnur.
138. 1470 Dezember 20. Graz, Kaiser Friedrich erteilt den Brüdern Sebolt, Ludwig
und Bertolt Pfhizing, sowie Ludwig Pf. dem Jüngeren, Ludwigs Sohne, eine
Wappenbesserung. — Erhalten in einer Vidimalion des Abtes Johannes von
St. Ägidien zu Nürnberg vom 8. November 1473.
130. 1471 Juli 3. Regensburg. Kaiser Friedrich nimmt den Sebald Schreyer von
ifürnberg in seinen und des Reiches besonderen Schulz. — Erhalten in einer
Notariatskopie vom 27. Juli 1471 (Scheurlsches Archiv).
Chmel Nr. 6233.
40. l'il. 1471 August 9. Regensburg. Kaiser Friedrich befiehlt der Stadt AVindsheim,
in Ausführung der Beschlüsse des Regensburger Reichstages, bis zum St. Agulion-
tage (1. September) zwei Mann zu Fuls und vier Mann zu Rufs zum Türken-
kriege nach Villach '-'^) zu entsenden. — Orig. Vd\K G. B.
Wie bei den Beschlüssen des Nürnberger Reichstages von 1144 (vgl.
Nr. 89) haben wir uiirh licim Uegensburger Reichstage von 1471 einen im
wesentlichen zur Defensive bestimmten »kleinen Anschlag« von 4000 .Mann und
den zur (»Ifcnsivi!, einem »Zuge«, dienemlen »grofsen Anschlag" von liKiOO .Mann
zu unltTscIiciden. Über lelzt(!ren vgl. die .\ngaben Chmel s »niter Nr. 6'i3l und
die dort ziüertcn nucllen; feiner jjch m a n n - K u chs. »Chronik iler Stadt Speier"
S. 890. Auf dem kleinen Anschlage dagegen beruht unser Schreiben. el>enso
wie der bei Janssen II. S. 267, Nr. 434 mitgeteilte Krial's an Krankfurt, nach
welchem dieses 20 Mann zu Uols und 30 zu Fuls zu stellen hatte. Übrigens
müssen sich beide Adressal<'ii. das grol'se Ki'ankfurl so gut wie das kleine
Wiiidsheim, als säumig erwiesen haben, denn sie erhalten d. d. WitMi 1172
21) Bei NiinilKTtr.
22) In Känil.-ii
Mitteilungen uns doni gerinuii. Nalioualniuseuni. islK), XIV.
— 10(3 —
Januar H». .Malinschrcibon. Das an Fnuikfml izvrichtete erwähnt Janssen
(a. a. 0. S. 273, Nr. 4'il|: das Schreiben an Windsheim (Orig-. Pap.) befindet
sich in unserem Anluve -•■^j.
142. l'iTl Aug'ust 28. Nürnberg. Kaiser Friedrich quittiert der Stadt Nürnberg über
lUOU Uulden jähidicher Reichssteuer. — Orig'. Perg-. Braunes, zum Teil be-
schädig-tes Münzsieg-el (wie Nr. 111) an Perg-amentstreifen.
I W. 144. 1471 September 3. Nürnberg-. »Kaiser Friedrich g-ibt dem Andreas Greuder,
ßnrg:or zu Nüi-nberg-, die Freiheit, dafs er und seine Vettern, die den Herolds-
berg- ■-^) als Kiüchslchen innehaben, wie auch ihre Erben, ihre Gerechtigkeit
darauf ihren Hausirauen, Söhnen, Töchtern, Verwandten geben und zuwenden
können.«
Dies Regest ist Ghmel Nr. 6452 entnommen, da von der unsere Vorlage
enthaltenden Konfirmation König Maximilians vom 13. Februar 1304 gerade der
die Urkunde Kaiser Friedrichs enthaltende Teil fast ganz weggeschnitten ist.
145. 1472 August 11. Neustadt. Kaiser Friedrich gibt seine Einwilligung zu dem
Verkaufe des Amtes Kollmann im Eisackthale durch Herzog Sigmund von
Österreich an Oswald von Wolkenstein für 1979 Mark Meraner Münze. — Er-
halten in einem Vidimus des Domprobstes Anton Paumgartner von Brixen vom
14. September 1491. W. A.
Der Empfänger dieser Urkunde, Oswald von Wolkenstein, ist der älteste
Sohn des Minnesängers. Die Söhne dieses Oswald des Jüngeren : Hans, Christof,
Veit und Michel, werden uns in unseren Urkunden, namentlich der achtziger
und neunziger Jahre, noch öfters begegnen.
14(3. 1475 März 1. Andernach. Kaiser Friedrich ermahnt Dekan und Kapitel zu Bam-
berg, den Schaunberger, Vitzthum ihres Stiftes zu Wolfsberg ^'0, zur Be-
friedigung der Ansprüche des Andreas von Ernau an die St. Jakobskirche zu
Villach anzuhalten. — Orig. Pap. G. B. ^
147. 1478 Januar 15. Graz. Kaiser Friedrich fordert die Stadt Windsheim auf, das
Vorhaben genannter fränkischer Edelleute, welche das Schlofs Rotenberg bei
Lauf oder Schnaittach -■^) von Pfalzgraf Otto gekauft haben, um es zu be-
festigen und daselbst eine Ganerbschaft einzurichten, hintertreiben zu helfen. —
Orig. Pap. G. B.
148—152. 1478 Oktober 4. Graz. Kaiser Friedrich erteilt dem Sigmund Haller zu Nürn-
berg und allen seinen Nachkommen das Recht freier Verfügung über ihre
Reichslehen. — Erhalten in einem Vidimus des Abtes Johannes von St. Ägidien
zu Nürnberg vom 5. Mai 1494, ferner in einer Konfirmation König Maximilians
vnjn 2. Mai 1494.
Kaiser Friedrich erneuert dem Ruprecht Haller das obige Privileg durch
eine Urkunde vom 18. Oktober 1487 (Ghmel Nr. 8108), welche ebenfalls in
23) An dieser Stelle sei bemerkt, dafs wir die au die Stadt Wiadsheim während des
Reichskrieges gegen Karl den Kühnen gerichteten kaiserlichen Befehle und Mahnungen zur
Heeresfolgft hier übergehen können, da dieselben in dem Aufsatze von Hans Bosch, »Die
Windsheimer im Burgunderkriege. 1474 — 1475« (»Mitteilungen aus d. germanischen ISational-
museum« Bd. I, S. 11 IT.) angeführt und in völlig erschöpfender Weise verwertet worden sind.
24) Kordöstlich von Nürnberg.
25) In Mittellranken.
— 107 —
einer Kontirmation Maximiliuns vom 2. Mai 1494 eriialteii ist. Aufser deu g-e-
nannten zwei KonfuTiiatJonen besitzen wir von König- Maxiniilian noch einen
Lehensbrief für die Haller vom 2S. Februar 1494.
UiS. 1479 März 10. Graz. Kaiser Friedrich ladet die Stadt AVindsheim auf einen
am Montag'e nach Trinitatis |7. .Iimii zu Nürnberg- weg-en der Türkeng-efaiir
abzuhaltenden Reichstag-. — Orig-. Pap. (i. B. ^
Entsprechende Schreiben erg-ing-en u. a. an die Herzög:e Ernst und Albrecht
von Sachsen (Müller, »Reichstagstheatrum« II, S. 7:29 — 730), an Frankfurt
(Janssen II. S. 382, Nr. 544) und an Reg:ensburg- (Gemeiner, »Rcg-ens-
burg-ische Chronik« Bd. III, S. (322).
154. 1480 Juni 18. Wien. Kaiser Friedrich verleiht Peter Liephart ein Wappen. —
Orig. Perg. Braunes Münzsieg-el (wie Nr. 111) an roter Seidenschnur.
liiö. 1482 Mai 5. Wien. Kaiser Friedrich verspricht dem Michel von Wolkenstein,
ihn g-eg-en Zahlung- von 220 Pfund Pfennig- als Plleg-er zu Greiffenberg- -") an-
zunehmen. — Orig-. Pap. Sekretsieg-el auf der Vorderseite. \V. X.
156—138. 1483 Juni 14. Graz. Kaiser Friedrich fordert die Insassen der Herrschaft Grün-
berg- auf, seinem dortigen Plleger, Hans Wolkensteiner, über die SteuerpHicht
der Leute des (Bischofs?) von Bamberg- und Gandolf Kienberg-ers, sowie über
die Besitzverh-ältnisse des Seebaches unter der Kieuburg-') Auskunft zu erteilen.
— Orig. Pap. Rücksiegel. W. A.
Der Bruder des hier g:euannten Hans von Wolkenstein, Michel Freiherr
zu W\, erscheint als Pfleg-er der Herrschaft Grünberg- in zwei dem Wolken-
steiner Archive angehürig-en Mandaten König Maximilians (^Orig. Pap.) vom
23. März 1494 und vom Ü. Febi'uar 1497.
159-ltU. 1480 Mai 1. K/dn. Kai.ser Frie.lrich fordert von der Stadt Windsheim, auf
Grund der Beschlüsse des letzten Reichstages zu Frankfurt, den auf sie ent-
fallendi'n Beitrag von 93(5 Gulden'-^) zur »eilenden Hülfe" gegen König .Mathias
von Ungarn. — Orig. Pap. Rücksiegel.
Entsprechende Mahnungen an Windsheim (('i-ig. Pap.) besitzen wir vom
12. Januar und vom 9. Oktober 1487 (zu letzterer vgl. Gemeiner 111. S. 758).
1(J2. 1487 September 10. Nüridx'rg. Kaiser Friedrich mahnt die Stadt Windsheim
um 70n (iuliicii laliige Reichssteuer. — Orig. Pap. G. B.
|t;3 1(35. riH8.Mai 19. .\aclieii. Kaiser Friedrieh benachrichtigt die Stadt Windsheim
von der Befreiung seines Sohnes Maximilian aus der Haft (zu hrüggei und
bittet sie zugleich, ihre mich Flandern geschickte Hülfe noch länger im Felde
zu lassen. - Orig. Pap. (I. R.
Wiederholt wird diese hillc in Je einem .Mandate Kaiser Friedrichs und
Kiiiii«;- .Maximilians (Orig. Pa|i.. in unseirm Arehive) vom 12. .\ugust liSS.
lt')t>. I'i!t(> .\ugiist 31. liinz. Kaiser Fi-iedrieh sehcnkt dem Veit \on W(dkenstein.
Kalo und Kämmerer seines Sohnes .Maximilian, ilas Schhiis Scliailem'ek. t)-ühei-es
26) Tirol. U.Z. Uri.x.Mi.
27j Tin.l. He/,. WiiKlisrii-.Müfroi
28) rsiicli (Ictii lifi Li'ii iiiunii - I' II i- li s . »(ilirdiiilv iIit Sliull S|icicT. .*> '.H.'.f. mil-
j;flciHi'ii Aiischiugi' liiilli- Wiiid.slioiiii IdOd (iiiidiMi zu zaiili-n.
— 108 —
Besitztum des Ulrich von Graveneck, welcher wegen der König Mathias von
Unpirn gegen den Kaiser geleisteten Dienste seiner Güter verlustig gegangen
ist. — Orig. Perg. Siegel fehlt. W. A.
K'-T. 14ÜU November 27. Linz. Kaiser Friedrich mahnt die Stadt Windsheim. ilim
bei der. Verteidigung des Königreichs Ungarn gegen König Ladislaus von Polen
behiiinich zu sein. — Orig. l'ap. Kücksiegel.
Entsprechende Ausschreiben ergingen u. a. an Frankfurt (Janssen II,
S. o48, Nr. 683) und au Kegensburg (Gemeiner III, S. 78U).
I()8. \M)i Januar 23. Linz. Kaiser Friedrich gebietet der Stadt Windsheim, den
iMarkgrafen Friedrich von Brandenburg, Burggrafen zu Nürnberg, bei Voll-
streckung der Reichsachl gegen die Stadt Regensburg, welche sich dem Reiche
entzogen und Herzog Albrecht IV. von Bayern als Landesherren anerkannt
habe, zu unterstützen. — Orig. Pap. Rücksiegel.
Dasselbe Mandat erhielten u. a. Frankfurt (Janssen II, S. SS3, Nr. 700)
und Bischof Rudolf von Würzburg (Gemeiner HI, S. 789).
109. 170. 1492 Juni 4. Linz. Kaiser Friedrich befiehlt Michel von AVolkenstein, Pfleger
zu Greiffenberg, dem Erasnuis Ortmair, Pfleger zu Gurintz -**), eine Summe
Geldes, die derselbe zu Arbeiten für Schiffbarmachung der Drau nötig habe,
baldigst auszuzahlen. — Orig. Pap. Auf der Vorderseite Sekretsiegel, auf
der Rückseite gröfseres Siegel (wie Nr. 133). W. A.
Eine Forderung des Kaisers zu dem gleichen Zwecke betrifft ein Mandat
an denselben Empfänger vom 7. März 1493 (Orig. Pap., W. A.).
171. 1493 Mai 29. Linz. Kaiser Friedrich benachrichtigt die Stadt Windsheim von
der über genannte Personen wegen Befehdung des Bischofs Wilhelm von Eich-
stätt verhängten Reichsacht. — Orig. Pap. Rücksiegel.
172. 1493 Juli 31. Linz. Kaiser Friedrich erlaubt dem Jörg Slauderspacher, Bürger
zu Graz, von dort wegzuziehen. — Orig. Perg. Siegel (wie Nr. 133) an Per-
gamentstreifen.
D. Maximilian I. 1486—1519^«).
173. 1487 November 19. Antwerpen. König Maximilian bestätigt dem Bischöfe
Ortlieb von Chur und dessen Stifte alle ihre Rechte und Privilegien. — Orig.
Perg. Siegel fehlt.
174. 1490 Februar 11. Linz. König Maximilian verspricht, Michel von Wolkenstein
am nächsten Michaelistage (29. September), oder auch dann, wenn derselbe später
zu ihm komme, als seinen Kämmerer annehmen zu wollen. — Orig. Perg. Eigen-
händige Unterschrift des Königs, aber keine Spur von Besiegelung. W. A.
Die in unserer Urkunde verheifsene Ernennung scheint bereits vor dem
hier festgesetzten Termine erfolgt zu sein, da in dem unter Nr. 166 erwähnten
Schenkungsbriefe Kaiser Friedrichs vom 31. August 1490 Michel bereits als
Kämmerer bezeichnet wird.
29) In Kärnten, vermutlich im Drauthale.
30) Mehi-ere Urkunden König Maximilians, die hercils zusammen mit inhaltsverwandten
Stücken Kaiser Friedriclis besprochen worden sind (unter Nr. t Ol— 104, 118, 119, 123—132,
134, 136, 144, 149, ISl, 152, 157, 158, 1G5) , werden im folgenden nicht mehr besonders
erwähnt werden.
— 109 —
[75—177. 1490 September 22. Innsbruck. König- Muxiniilian ladet Simon und Anton von
Thun zu einem Termine in Sachen der Klage des Jörg- Wagmeister g:enanut
Pfiesl geg-en sie. — ürig-. Pap. Kücksieg-el. W. A.
Noch zwei andere, dieselbe Sache betreffenden Orig-inalmandate des König-s,
vom 7. Dezember 149(J und vom 15. Januar 1491, besitzt das Wolkensteiner Archiv.
78. 179. 149(1. Oktober 25. Im Lager bei Kement ^*). König- Maximilian präsentiert dem
Bischöfe Ulrich von Trieut für die St. Paulskirche zu Eppan •''-) auf Grund
seines Patrouatsrechtes -^^j den Christof von Wolkenstein. — Orig. Perg-. Sieg;el
fehlt. W. A.
Vom 30. November d. J. datiert ein dem Wolkensteiner Archive an-
g-ehörig-er entsprechender Präsentationsbrief des König-s (Orig-. Perg.) an Marcus,
Kardinalbischof von Präneste tit. S. Marci, Patriarchen von Aquileja.
180. 1491 Aug-ust 16. Nürnberg-. König- Maximilian nimnit Christof Scheurl. Bürger
zu Nürnberg-, unter seine Diener und sein täg-liches Hofgesinde auf. — Orig.
Perg. Rotes Siegel (Heffuer S. 31, Nr. 152^^, Tafel XIX, Nr. 125) in gelber
Kapsel an Pergamentstreifen (Scheurlsches Archiv).
Der hier genannte Christof Scheurl ist der Vater des berühmten Huma-
nisten gleichen Namens. Die in unserer Urkunde ausgesprochene Ernennung-
dürfen wir wo] mit einem Darlehen in Verbindung- bringen, welches der König
im Jahre 1491 von Chr. Seh. empfing. Vgl. »Mitteilungen des Vereins
für Greschichte der Stadt Nürnberg« 5. Heft (1884), S. 17.
ISl. 1491 Oktober 9. Innsbruck. K'önig Maximilian setzt der Stadt Windsheim eine
letzte Frist von 14 Tagen, um ihren Anteil an dem von dem letzten Nürnberger
Reichstage festgesetzten Anschlage dem Rate zu Nürnberg gegen (Jnittung
einzuhändigen. — Orig. Pap. Rücksiegel.
182. 1492 März 13. Innsbruck. König Maximilian bekennt, dem Hans Fuchs und
Jobst Uppich zu Nürnberg 1010 Gulden schuldig zu sein. — Erhalten in einer
Vidiniation des Abtes Johannes von St. Agidien zu Nürnberg- vom 14. Jan. 1493.
Ibo. 1492 März 10. Innsbruck. König Maximilian quittiert dem Bischöfe HvMnrirh
von Chur über 390 Gulden rhein., die derselbe statt dos auf dem letzten Reichs-
tage in Nürnberg zur Hilfeleistung gegen die Könige von Frankreich und
Böhmen ihm auferlegten Kontingentes von drei Mann zu Fuls utul neun Mann
zu Kofs gezahlt hat. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
b'^'i. 1492 September 21. Innsbruck. König ^Maximilian sendet dem Oswald von Wdl-
kenstein einen Pfandbrief übi'r das bisher Hans von Wolkenstein verjtlaiulete
Gericht Kastelrut ^*), in welchem er, ohne die Irühere Plandsummc zu kennen,
die künltige auf 1000 Gulden angesetzt halte. Weiche der bisherige Pfand-
schilling hiervon ab. so solle (>. don IMandbricr ziirürksiMidiMi. — Orjo-.
Pap. G. B. W. A.
31) Nifllciclil iu'iiiulcii ; zwei OrU- dieses Naiin-iis in Üslcrrcieli. \'i;l- Öslcrlcy,
>IIislürisch-{fcograi)liisches Wöili'rhiicli flos (loiitscIuMi .Mitlclftllcrs« S. 887 li.
32) Im Etschthale.
38) Über dieses vgl. Shirt'j.'r. «Das dciitsclic Tirol iiml Vorarlhei-g« M. II. S. SOI).
SV) Im Eisaclvthale.
— HO —
Is;;. I'i'.i.l Jaiiiiiir :l Kruiiiz' Miiximilian Irill der SladI \Viii(lslii;iiii mit. dals er den
in dem Koblenzer Abschiede'''') in Aussicht genommenen Reichstag zu Frank-
furt wegen Friedensverhandlungen, die er mit dem Könige von Frankreich dem-
näciisl in Kolmar vorzunehmen gedenke, verschieben müsse, und fordert sie
auf, ihre Gesamltcn nach Kolmar zu senden, — Orig. Pai). 0. J3.
Den nämlichen Tag zu Kolmar betreffen zwei Ausschreil)en König Maxi-
milians an Frankfurt vom 14. Februar und vom 2ö. März 149ö, welche bei
Janssen II, S. ;)(jS ff., JSr. 718 und 719 mitgeteilt sind. Die in unserer Urkunde
erwähnten Verhandlungen führten schliefslich zu dem Frieden von Senlis am
rs. Mai 1493.
186. 1493 April 1. Freiburg i. Jir. König Maximilian ermahnt die Stadt Wiudsheim
zur Kriegshülfe gegen Frankreich. — Orig. Pap. Gr. B.
187. 1493 August iS. Innsbruck. König Maximilian verleiht Oswald von Wolken-
stein und allen seinen Erben das Recht, dafs sie, um die Verzettelung ihres
Familieugutes zu verhindern, ihre Töchter nur mit baarem Gelde ablinden
dürfen. — Orig. Perg. Siegel fehlt. Erhalten aufserdem noch in einer Kon-
lirmation Erzherzog Ferdinands von Österreich vom 18. März 15G(5. W. A.
188. 1493 September 10. Innsbruck. König Maximilian verleiht seinem Rate, Käm-
merer und obersten Feldhauptmanne, Veit von Wolkenstein, in Anerkennung
der ihm namentlich bei seiner Gefangenschaft in Brügge und im Feldzuge
gegen König Mathias von Ungarn geleisteten Dienste, Schlots, Herrschaft und
Stadt Zissersdorf in Österreich''«). — Orig. Perg. Siegel fehlt. W. A.
IS9. 190. 1493 Oktober 20. Wien. König Maximilian empfiehlt der Stadt Windsheim auf
firund seines Rechtes der »ersten Bitten« den Ulrich Zorn für die nächste vakante
Pfründe. — Orig. Pap. G. B.
Ein Schreiben KJhiig Maximilians in der gleichen Angelegenheit (Orig.
Pap.) besitzen wir vom ö. Juli 149d.
191. 1493 Dezember 9. Wien. König Maximilian quittiert der Stadt Hagenau über
entrichtete Reichssteuern. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
192. 1493 Dezember 23. Wien. König Maximilian teilt seiner Verwaltung der
Domänen und Finanzen in den Niederlanden mit, dafs er seinem Kämmerer und
Rate, Veit Freiherrn zu Wolkenstein, eine jährliche Pension von 500 Livres
flandrischer AVährung verliehen habe, welche sein Generaleinnehmer Simon
Longin demselben auszuzahlen gehalten sein solle. — Orig. Perg. In fran-
zösischer Sprache. Siegel auf der Vorderseite. W. A.
193. 1494 März 20. Innsbruck. Köniü' Maximilian verleiht seinem Rate und obersten
Feldzeugmeister, Hans Kaspar von Laubenberg, die Veste Bernwag ^'') nebst
genannten Zubehörungen. — (h'ig. Perg. Siegel fehlt.
194. 1494 Mai 8. Kempten. König Maximilian befiehlt der Stadt Windsheim, zur
Beilegung der Fehde zwischen den Kurfürsten Berthold von Mainz und Philipp
von der Pfalz Hilfe zu leisten. — Orig. Pap. Rücksiegel.
35) Gedruckt in »Neue Sammlung der Reichsabschiodc« Bd. I, S. 294—296.
36) Bez. Geras.
37) Borwaüg, Bayern. Bi/.. Kempten ?
— 111 —
Das Regest des etilspreehenden Mandates an FrankCuil liil^t .1 aussen
II, 8. 383, Nr. 726. Vgl. auch Klüpfel, »Urkunden zur Geschichte des schwä-
bischen Bundes« Bd. 1, S. 174 f., Ghmel, »Urkunden, Briete und Aktenstücke
zur Geschichte Maximilians l.« in der »Bibliothek des Litterarischen Vereins in
Stuttgart« Bd. X, S. 28 ff., Nr. XXXVI, XXXVIII— XLI, ferner Würdin ger,
»Kriegsgeschichte von Bayern, Franken , Pfalz und Schwaben« Bd. II, S. 9o f.
195. 1494 August 26. Löwen ^^). König Maximilian verleiht den Brüdern Sebolt und
Hans Gärtner zu Nürnberg mehrere Reichslehen bei N. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
96. 197. 1494 September 23. Mecheln. König Maximilian verspricht seinen Räten Philipp
Grafen zu Nassau, Martin Herrn zu Polheim, Michel Freiherrn zu Wolkenstein
und Heinrich Prueschenk Freiherrn zu Stettenberg, sowie seinem burgundischen
Schatzmeister Johannes Bontemps, welche für ihn bei Nicola Spinola, Bürger
zu Genua, um eine Schuld von 10000 Gulden Bürgschaft geleistet haben, sie
für alle aus dieser Bürgschaft entspringenden Leistungen schadlos halten zu
wollen. — Orig. Perg. Rotes Siegel (im Bilde entsprechend dem Heffnors
S. 31, Nr. 133. Tafel XIX, Nr. 126, jedoch mit abweichender Umschrift) in gelber
Kapsel an Pergamentstreifen. AV. A.
Über eine ähnliche Bürgschaftssache der königlichen Räte besitzt das
Wolkeusteiner Archiv eine Urkunde König Maximilians (Orig. Perg.) vom
II. Oktober 1495.
198. Undatiert (1494?). König Maximilian bestätigt den Müllern an der Traysiu''')
eine bereits von seinem Vater Kaiser Friedrich genehmigte Ordnung, enthaltend
Bestimmungen über die Errichtung einer geistlichen Genossenschaft im Kloster
Herzogsburg*'') und eine Reihe von Handwerksvorschriften. — Perg.
Unsere Vorlage ist wahrscheinlich eine gleichzeitige Abschrift. Ob sie
besiegelt war und einen Kanzleivermerk trug, ist allerdings nicht mit Sicher-
heit zu entscheiden, da der untere Rand beschnitten zu sein scheint, Jedoch
dürfte schon das Fehlen des Registraturvermerkes und der ihilii'iimg für An-
iiuhine einer Kopie sprechen. Die Rücksoilc trägt die Notiz »Österreichisch
Lehenbrief und Konlirmationes Wienn 1494«. welcher das oben vermutungs-
weise beigefügte Datum entnommen ist.
199. 1493 Februar 6. Breda. König Maximilian ([uittiert dem Herzoge Ludwig .Maria
Sforza über 20000 Dukaten als Mitgift seiner Gennddin Ulaiira Maria. Tochter
des Herzogs. — Orig. Perg. Kigenhändige Unterschrift. Siegel fehlt. W. \.
H). 2()1. I 'ili;; August 28. Worms. Kiinig Maximilian weist die Stadt Windsheim an,
dem .Michel von Schwarzenberg das Oberrichterami in iliicr Stadt zu belassen. —
Orig. I'u|i. li. I'..
hl Sachen desselben ( ilieirieliteniiiite^ sdireilit der König aneli am 13. Sep-
tcmlier l.")(i:^ an WiiHMn'im (('rig. I'ap.. in unserem .\nliive).
38) Nach dem von Stalin in den » Korsciiuii^'cii /.iir (iiMilscIien (iesfliiilile. IM. I,
S. .{'i'.MT. aulV^t'sli'llIrn llincr;iic König Ma.xiniiiiiins ist (icrst'IlM- am I'.'k um! Hl An^rusl in
Mccholn und er.sl vom S. 10. Septomlier in Limmmi.
tV,)) Traiscn. n-clder Nohenniifs der Kunaii
4ü) ästorreicii, Bez. rollen.
— 112 —
20:2. lUlj) Soplember ö. Worms. König Maximilian g'ibt seine lehensherrliche 6e-
nelimigiMiii' dazu. ilaCs Hallhasar (iraf zu Schvvarzburg- seiner Gemahlin Anna
aul" S(;hlors und SladI Ijciiclilcnliori»-, die er vom lleiche zu Lehen trägt,
400(1 (lulden verschrieben lial. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
203. IV.).") Okiober 24. Frankfurt. K(Jr)ig Maximilian i'mi)lielilt dem R., Kardinalpriester
lil. S. Vilalis, den Georg von Limberg, seinen Gesandten an den Papst. —
Miig. I'ap. G. B.
204. 14'.)G Juli 27. Glurns*'). König Maximilian verleiht dem Vigili Malfac, Bürger
zu Glurns, die dortige Salzwage. — Orig. Perg. Siegel felilt.
20.'). 201). I4t)7 März 11. Innsbruck. König Maximilian verleiht dem Rudolf von Hoheneck,
zugleich als Lehensträger seiner Vettern xVndreas und Mal Inas. Schlofs und
Stadt Vilseck und Vils*^). — Orig. Perg. Siegel fehlt.
Ein weiterer Lehensbrief Maximilians für die von Hoheneck, der unserem
Archive angehört (Oi-ig. Perg.), datiert vom 5. November 1514.
207. 1497 April 1:3. Innsbruck. -König Maximilian verleiht dem Blicker von Gem-
mingen die Befugnis, in seinem Dorfe Hutfenhart ■*■'') ein Halsgericht mit Sto(,'k
und Galgen einzurichten. — Erhalten in drei Bestätigungsbriefen: Kaiser Maxi-
milians 11. vom 18. Mai 1566, Kaiser Mathias' vom 22. Februar 1613 und Kaiser
Ferdinands II. vom 4. April 1621.
208. 1497 Septembers. Innsbruck. König Maximilian erteilt Hans Pimel ein Wappen. —
Orig. Perg. Rotes Siegel (bei Heffner nicht zu linden) in gelber Kapsel an
blauweifsroter Seidenschnur.
209. 210. 1498 September 11. Freiburg i. Br. König Maximilian bestätigt eine (wörtlich
inserierte) Urkunde, d. d. Freiburg 1498 September 3, durch welche Veit Frei-
herr von Wolkenstein seinem Bruder Michel, unter Vorbehalt jährlicher Zahlungen
an ihn selbst und an seine Vettern Gotthard und Oswald von W., seine Schlösser
Rodenegg**) und Ivano abtritt. — Perg. Unbesiegelt. W. A.
Unsere Vorlage zeigt weder Spuren von Besiegelung noch Kanzleiver-
nierke, stimmt aber in Schrill und sonstiger äufserer Erscheinung mit Original-
urkunden König Maximilians so vollständig überein, dafs wir sie nicht als Kopie,
sondern als eine in der königlichen Kanzlei entstandene, aus irgend welchen
Gründen nicht vollzogene Ausfertigung anzusehen haben werden. Das Original
des in unsere Urkunde eingefügten Schenkungsbriefes Veits von W. vom
3. September d. J. betindet sich gleichfalls im Wolkensteiner Archive.
Veit, der seine Schenkung mit der »BHuligkeit« seines Leibes motiviert,
muls bald darauf, noch im Jahre 1498*^), gestorben sein. In einer Urkunde
des Wolkensteiner Archives vom 2. Januar 1499 bestätigt König Maximilian
auf P]rsuchen Michels von W. das am 29. September 1498 zu Freiburg i. Br.
ausgestellte Testament weiland seines obersten Feldhauptmannes Veit von W.
41) An der oberen Elsch.
42) Tirol, im Lechthalc. — Die Ilerrschan Niiscck war bereits seit der Slaufcrzcit im
Besitzi- der von Jiolienecl^. Vgl. Slarfior a. a. 0. I, S. 283.
43) IIütTciihardl, Baden, Amt Necliarbisehofslieiin.
44) Im Eisackthale.
45) Nicht erst 1499, wie in lloriuayr, »Taächen bucli für die va Icrländi s che
Geschichte. Bd. XXXIV (1845), S. 158 angegeben wird.
— 113 —
211. 1498 September 18. Freibiirg- i. Br. König- Maximilitin verleiht Hans Ploden
ein Wappen. — Orig'. Perg. Siegel fehlt.
Kanzleivermerk: Ad mandatum domini regis proprium Bertoldus epis-
copus Moguntinus archicancellarius**^).
, 2[S. 1499 Juni 20. Pfunds^'). König Maximilian beurkundet, dafs er dem Diepolt
von Slandersperg, als Entschädigung für die in dem gegenAvärtigen Kriege**)
erlittenen Verluste, aus den Besitzunü'en des Bischofs von Ghur. welche, infolge
der Feindseligkeit desselben gegen ihn (den König), ihm verfallen seien, alle
nutzbaren Rechte des Bischofs im Müusterthale für die Dauer des Krieges über-
tragen habe und Diepolt nach Beendigung des Krieges anderweitig entschädigen
werde. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
Einen weiteren Beitrag zur Geschichte des Schweizerkrieges besitzen wir
in einer an Wolfgaug Graf zu Öttingen gerichteten Mahnung zur Heeresfolge
vom 11. September 1499 (Orig. Pap.).
, 215. 1500 August 27. Augsburg. König Maximilian ernennt Michel Freiherrn zu
Wolkenstein zum Landhofnieister von Tirol bei dem soeben zu Innsbruck ein-
gesetzten Regimente und verleiht ihm ein Jahrgehalt von 1000 Gulden, sowie
Privilegien verschiedener Art. — Orig. Perg. Siegel fehlt. W. A.
Ein weiteres, an seine Stellung als Landhofmeister geknüpftes Privileg
erhält Michel von AV. durch eine Urkunde vom 15. September d. J. (Orig.
Perg. W. A.)
2l(j. 1501 April 2. Nürnberg. König Maximilian mahnt die Stadt Windsheim wieder-
holt, den durch den Abschied des Augsburger Reichsiages ihr auferlegten Ver-
pflichtungen gerecht zu werden. — Orig. Pap. Rücksiegel.
Das entsprechende Schreiben au Frankfurt ist gedruckt bei Janssen
Bd. II, S. 663 f., Nr. 817.
7—219. löol August ('). Innsbruck. König Maximilian gebietet Tischler, seinem Maut-
ner zu Lienz. die Maut daselbst, welche er an Michel von Wolkenstein verkauft
habe, diesem zu überlassen. — Orig. Pap. Rücksiegel. W. A.
Über den Verkauf der Herrschaft Lienz im Pusterthale an Michel von
Wolkenstein, zu dem iTu! vorliegende Urkunde einen Beitrag bildet*"), besitzt
das Wolkensteiner Archiv noch zwei andere Zeugnisse. Das eine, ein Schreilien
vom 1. September 1501 (^'h'ig. Pap.), in welchem der Kiuiig Michel biltel. den
mil ihm abgeschlossenen Verkauf der Herrschaft Lienz doch Ja nichl rückgängig
zu machen, da das Kaufgeld bereits zur Deckung dringender Bedürfnisse an-
gewiesen worden sei, dient zugleich zur Illustration der bekannten ewigen
(ieldni>le des Kruiigs. Das andere, eine Pergamenlurkunde Kiuiig iMaximilians
vom 17. Juli 1504, hat kein allu'emeineres Interesse.
46i Diese Urkunde ist die einzifre dfr in unserem Hesilze Itelindliclirn l'ikini(iiMi iiaili-
.sliiiilisclier Zeil, wclclie nocli iti allrr Wei.se von dem Kr/kanzicr seihst . stall von einem
Beamten der tvöniniiclien Kanzlei nnterferliyt i.st. \ii\. Urefslan. •> llandluu'ii iter riknnden-
ieiire. Hd. 1, S. 397 f.
47) Aiu Inn.
48) Gegen die Schweizer.
49) Vgl. aucli llormayrs »Tas die n im cli i-tc.« a. u. 0. S. 158.
Mitteilungen aus dem gcrniau. Nati<»nalinnseiiin. 1S<)(). XV.
- 114 —
i'2i). I.'itil OktolxM- 25. lio/.on. K'imii:' .Maxiiiiilian vorlcihi dem Wolfgang- Seil zu
Hniiieck ein (iiil im (.iuLzenberg mnl einen Zins zu Neunhäuser"*'). — Orig.
Vevix. Siegel fehlt.
i'iM. liidl' -hiiiuai- li'). liiiishnicK-. KTmi-i' Ahi.ximirum iiiahiil die Stadt Wiudsheini zur
Tin-keidiüMV. - ••iJü'. Pu|.. (J. IV (.Mit i)eiliegen(lein Zettel.)
i±2. l."iiii' Aiu'ii ri'i'. Kuufheuren. Kimiu' Ahiximiliaii selzl den (Jehrüdern von Lüchau
eine Frist von 14 Tagen, um ihre iingehli(;hen Ansprüche an die Stadt Nürn-
l)erg wegen widerrechtlicher Zerstörung ihres Schlosses Bronn geltend zu
machen. — Orig. Pap. JÜicksiegel.
m. l;ior^ Juni 14. Freihurg i. Br. König Maximilian nimmt die zu Ehren Maria
Himmelfahrt gestiftete Kapelle in der Kirche zu Hall im Innthale in seinen
Schutz. — Erhalten in einem Vidimus des Abtes Leonhard von Wüten, Brixener
Bistums, vom Kl. Oktober löU3.
224. iöU3 Juni H;. Kiviburg i. Br. König Maxijuilian ge.stattet dem Dietrich Spät
die Abhaltung eines Wochenmarktes in seinem Dorfe Zwiefalten^'). — Orig.
Perg. Siegel fehlt.
225. 1504 August 31. Ulm. König Maximilian erteilt Hans Smaller, Schultheifs zu
Regensburg, eine VVappenbesserung. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
226. 1ÖÜ4 Dezember 24. Linz. König Maximilian verschreibt der Stadt Judenburg
für eine Forderung von 4000 Gulden rhein., welche die Stadt noch vom
ungarischen Kriege her an ihn hat, verschiedene Zinse mit einem Gesamtertrage
von jährlich 11 Pfund. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
227. loOÜ April 16. Graz. König Maximilian beauftrag! Johann Peter Grafen zu
Mensachs. Pfleger zu Goldenstein '^-j, mit der Entscheidung eines Rechtsstreites. —
Orig. Pap. G.'b. W. A.
228. 1307 August 10. Konstanz. König Maximilian bezeugt der Stadt Worms, dafs
er bei der soeben auf dem Reichstage zu Konstanz vollzogenen Übergabe der
Regalien an Bischof Reinhard von Worms die Rechte und Privilegien der
Stadt Worms vorbehalten habe. — Perg. Unbesiegelt.
Unsere Urkunde ist kaum als Original anzunehmen, da sie weder Siegel
noch Kanzleivermerke, dagegen mehrfache, ungeschickt ausgeführte Korrekturen
aufweist; in der kaiserlichen Kanzlei scheint sie jedoch entstanden zu sein.
Der Lehensbrief des Königs für den Bischof vom 11. August ist gedruckt
bei Schannat, »Historia episcopatus AVormatiensis« Bd. II, S. 292 ff.
22S). I;)07 August 12. Konstanz. König Maximilian mahnt die Stadt Windsheim unter
Darstellung der augenblicklichen milil arischen und politischen Lage um Zahlung
ihres 270 Gulden betragenden Anteils an den auf dem Reichstage zu Konstanz
zum Romzuge ihm bewilligten 120000 Gulden. — Orig. Pap. G. B.
Nach dem unserem Mandate zu Grunde liegemlen Anschlage hatte, laut
der entsprechenden Schreiben an Frankfurt (Janssen II, S. 741, Nr. 923) und
50) Alle drei Orte im Ricnztlialc.
51) Württemberg, 0. A. Müiisingcn.
52) in Kärnten, Bez. Kötscliacli.
— 115 —
an Reg-ensbiirg- (Gemeiner Bd. IV, S. 120), ersteres 1040, letzteres 870 Gulden
zu zahlen.
230. 1508 Februar 13. Klausen"^). Maximilian, erwählter römischer Kaiser ^*), ent-
bietet das Aufgebot der Gemeinde Steinkirchen ■'^) zum Zuge gegen die Vene-
zianer nach Toblach. — Orig. Pap. G. ß. W. A.
231. 1508 August 5. Augsburg. Kaiser Maximilian erteilt den Gebi'üdern Peter
und Sigmund Härtung eine Wappenbesserung. — Erhalten in einer Notariats-
kopie vom 8. August 1G30.
232. 1508 Dezember 30. Mechehi. Kaiser Maximilian befiehlt dem Landhofmeister
Michel Freiherrn zu Wolkenstein, an einer Beratung über die Befestigung der
Pässe zwischen Niederndorf°*^) und Lienz teil zu nehmen. — ürig, Perg. G. B.
AV. A.
233. 1509 März 14. Lyer in Brabaut ■^■'). Kaiser Maximilian bestätigt den Gebrüdern
Humpis ihr Wappen und gestattet ihnen, sich Humpis von Waltrams zu nennen.
— Orig. Perg. Stark beschädigt. Siegel fehlt.
1510 Januar 12. Bozen. Kaiser Maximilian beurkundet einen in dem Erb-
schaftsstreite des Michel von Wolkenstein und des Anton von Thun am 24. Sep-
tember 1502 zu Innsbruck abgehaltenen Termin, in welchem beschlossen worden
ist, die Sache der Entscheidung des Kaisers vorzubehalten. — Orig. Perg.
Siegel fehlt. W. A.
Über denselben Erbstreit besitzt das AVolkensteiner Archiv eine weitere
Urkunde des Kaisers (Orig. Perg.) vom 28. Juli 1516.
236. 1510 März 10. Augsburg. Kaiser Maximilian befiehlt der Stadt Windsheim,
ihre Reichssteuer an Friedrieh Ziegler, dem sie von Sigmund von Dietrichstein,
seinem Erbschenkeu in Kärnten, auf Lebenszeit verschrieben worden sei, zu
entrichten. — Orig. Pap. G. B.
237. 1510 Mai 17. Augsburg. Kaiser Maximilian genehmigt die Übertragung des
Zinses von einem Garten zu Nürnberg am Treiberg, welcher Reichslehen ist,
durch Michel Beheim den Älteren, Bürger zu Nürnberg, auf Felicitas. flillpoll
Koptfs Tochter. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
238. 1510 Juli 7. Augsburg. Kaiser Maximilian verleiht deiii Georg von Leonrod
für die bisher vou ihm und seinen Eltern innegehabte Schenkstätle zu Mugen-
hof bei Nürnberg Erblichkeit und Bannrecht im Umkreise von \i 31eile. — Orig.
Perg. Siegel fehlt.
1510 August 24. Berneck"*). Kaiser Maximilian gebietet dem Reichskainmer-
gerichte, eine Api)ellsache Aov Voi-müiidor -lörg Hallers gegen Hans llalK'r zu
Nürnberg möglichst zu fördern. — Orig. Pap. (i. U.
83) Wahrsclii'inlirli Klausen an dei' l'j.saci<. — Nach dfiii iliiici-aro Släliiis (a. a. 0.
S. 367) war Maximilian \<iin S. I'i. i'\'hniar in Unzen.
ö4) Weni^ic Tage voriier, am 4. Feltniar zu Trieni. Iialle .MaximiliaM diesen Tilel aii-
geiioimuen.
55) [n Öslerrcich.
56) Tirol, im Pustertliale; vioiioiciit handeji es sirli liier um die IL'l)in'gäiige vom
Pusterthalo nach dem Val dAmpczzo, einem NcbcuUialc des Piavettiales.
57) Lier, Belgien, Prov. Antwerpen. 58) In Tirol.
— HC, —
Zwei iindcre Gerichlsliric^le Kaiser Maxiinilians (Orig-. Pap.), betreffend
Koclilsslreitig-keilen der Familie Haller, besitzen wir vom 7. April 1513 und vom
18. September 1516.
rill'. I51I Juli 1^1). Iiiiisbriick. Kaiser Maximilian gebietet allen Prälaten, Edelen,
Städten, (Jerichfen, Zins- uiid (liimdbesitzern der Herrschaft Lienz im Puster-
tlialt', von den ."{(10 .Mann, die sie nacli den Beschlüssen des letzten Landtages
zu Silian^'") zur Verteidigung der dortigen Pässe gegen die Venezianer auf den
4. August nach Toblach schicken sollten, nur 100 dorthin, 200 aber zu dem
ilbi'igen Aufgebole der Grafschaft Tirol »gen Jkn-n oder in das Veld« abgehen
zu lasse?). — Orig. Paji. Rücksiegel. W. A.
üJW— :247. 1511 Oktober 4. Lienz. Kaiser Maximilian spricht dem Antonio Savorgnani
seine Freude und seinen Dank aus, dafs derselbe die Sache der Venezianer,
»seiner und des ganzen Adels« gemeinsamen Feinde, verlassen habe und zu ihm,
seinem rechtmäl'sigen Herrn und Kaiser, übergetreten sei. - - Orig. Pap. G. B.
über das Verhältnis Kaiser Maximilians zu dem Venezianer Savorgnani
gehen uns noch vier Originalbriefe des Kaisers, von denen die drei letzt-
genaniden, wie der vorliegende, aus dem gräflich TrauttmansdortTschen Archive
in den Besitz des Museums gelangten, weiteren Aufschlurs.
Am 17. Dezember d. J. teilt der Kaiser von Gmunden aus »seinem Rate«
Savorgnani iiiil. daCs er das Verbleiben desselben in Friaul billige und ihm
vorschlage, sich dem kaiserlichen Heere in Görz und Gradlska anzuschliefsen.
Aus Wiesbaden am 2. März 1512 beantwortet Maximilian einen Brief
Savorgnanis vom 20. Februar, in welchem dieser dem Kaiser seine Ankunft in
Innsbruck mitgeteilt und die Gründe hierfür auseinaadergesetzt haben mufs.
Maximilian fordert Savorgnani auf, sich nach Villach zu begeben und seine
dortigen Räte und Kommissarien bei der Vorbereitung eines neuen Zuges gegen
die Venezianer mit Rat und Thal zu unterstützen.
In einem vierten Briefe, (].i\. Trier 1512 April 15. verweist Maximilian auf
ein gleichzeitiges Schreiben seines Sekretärs A. de Banisis an S. Er teilt ferner
mit, dafs er sich demnächst an den Hof seines Enkels Karl begeben und dort
die seinem Schutze anvertrauten Neffen Savorgnanis, sowol Karl selbst, als
auch dem Herzoge Maximilian Sforza empfehlen werde.
Ein fünfter und letzter Brief des Kaisers, vom 2. Juli 1512, ist an
Antonios Sohn, Nicolo Savorgnani, gerichtet. Maximilian drückt seine Trauer
über den soeben erfolgten Tod Antonios aus, rühmt dessen Treue und Verdienste
und verspricht Fürsorge für die Hinterbliebenen.
248. 1511 Oktober 19. Silian. Kaiser Maximilian macht allem Kriegsvolke bekannt,
dafs Christof Bischof von Brixen von ihm mit dem Schutze genannter Ort-
schaften, die si(di ihm (dem Kaiser) ergeben hätten, beauftragt worden sei. —
Orig. Pap. Ijn Texte Form der offenen Briefe, aber Verschickungsschnitte. W. A.
24i). 1512 April 18. Trier. Kaiser Maximilian mahnt die Stadt Windsheim zur Be-
schickung des Reichstages zu Trier. — Orig. Pap. G. B.
250. 1512 Juni 4. Brüssel. Kaiser Maximilian erklärt den Michel Hagele zu Donau-
wörth wegen Befehdung des Klosters Kaisersheim ^'') in die Reichsacht. — Orig.
Perg. Rüeksiegel.
59) Im Pusterllialc, un der Drau. 6()J Bei Donauwörth.
— 117 —
251. 1312 September 9. Köln. Kaiser Maximillaa verleiht dem Peter Totzier, Lehre
der Rechte, ein Wappen. — Orig*. Perg. Siegel fehlt.
2d2. 1S12 November 23. Speier. Kaiser Maximilian vidimiert auf die Bitte des Wicker
Knoblauch von Frankfurt, Einwohners zu Speier, eine Verkaufsurkunde vom
21. Aug-ust 1332 über ö Pfund Heller Zins von dem Hause »Zum Schwert« am
Obstmarkte zu Speier. — Orig-, Perg-. Kleines rotes Siegel (bei Heffner nicht
zu fmden) in gelber Kapsel an Pergamentstreifen.
233. 1514 Januar 19. Innsbruck. Kaiser Maximilian verleiht dem Ulrich von Habs-
berg, seinem Rate, Hauptmaune der vier Waldstädte am Rhein und Vogt zu
Lauffenburg, das Schlofs Isenburg"^) mit Zubehör. — Orig. Perg. Siegel fehlt.
254. 1314 Oktober 14. Innsbruck. Kaiser Maximilian bestellt Michel Freiherrn zu
Wolkenstein und Jörg von Firmian zu Pflegern der Franziskanerklöster in
Schwaz und Bozen, — Orig. Perg. Rücksiegel. W. A.
235. 1515 August 2. Wien. Kaiser Maximilian bestätigt dem Thomas Löffelholz seinen
Adel und vermehrt ihm sein Wappen. — Orig. Perg. Rotes Siegel (wie Nr. 180)
in gelber Kapsel an schwarzgoldener Seidenschnur (Löffelholzsches Archiv).
256, 1516 Juli 17. Füssen. Kaiser Maximilian verfügt auf die Beschwerde des Mark-
grafen Kasimir von Brandenburg Stillstand eines Prozesses vor dem Reichs-
kammergerichte zu Worms, — Orig. Pap, G, B.
237. 1518 März 11. Ohne Ort. Kaiser Maxioiilian bestätigt das am 21. Januar 1508
(18?) von dem Kammergerichte der niederösterreichischen Lande in der Klagsache
des Klosters St. Bernhard*^-) gegen Michael von Eytzing wegen Steuerfreiheit
der Güter des Klosters zu Waitzendorf*'^) gefällte Urteil. — Orig. Perg,
Rotes Siegel (bei Heffner nicht zu finden) in gelber Wachskapsel. —
Die vorstehend verzeichneten zwei und ein halbhundert mittelalterlicher
Kaiserurkunden sind (mit Ausnahme der den Beständen des Wolkensteiuschen
und der hiesigen Privatarchive der Familien Löffelholz und Scheurl entnom-
menen Stücke) fast alle vereinzelt und selten aus ihrer ehemaligen Heimat,
sondern oft von Orten weit aulserhalb Deutschlands, teils als Geschenke von
Freunden unserer Anstalt ihr zugesandt worden, teils durch Kauf, namentlich
aus den in früheren Jahrzehnten so ergiebigen Vorräten der Goldschläger in
Fürth, schon durch Freiherrn v. Aufsefs, später durch das germanische Museum
erworben und so vom Untergange gerettet worden. Ihi' Inhalt ist zwar mannig-
faltig und bunt; aber es sind doch wichtige Stücke zur Geschichte des Reichs,
wie zu der einzelner Stände desselben, darunter, und aus ihnen allein schon läfst
sich die Bedeutung und Wichtigkeit des Archives unseres germanischen Museums
als Rettungsanstalt nachweisen. Wo würde aber selbst das VVolkensteinsche Ar-
chiv heute sein, würde es überhaupt mir noch existieren, wenn nicht das ger-
manische Museum die nötige Kleinigkeit aufgewendet hätte, um es zu erwerben f
Eine ähnliche Reihe von Papsturkundeu wird gelegentlich in ähnlicher
Weise besprochen werden.
61) »Württemberg, O.A. Horb. 62) (Xslonvicl., lUv,. llorn,
63) Mehrcrc Orte dieses Namens in Osteiii-iili ; \'^\. (Islerlcy n. n. 0. S. IUI f.
Nürnberg. Dr. Heinr. Wen dt.
Re
gister
zum Jahrgang 1890
der
3Iitteilinigen «aus dem gerinaiiiselieii Nationalmuseiiiii.
Apotheker: Nikolaus Hofinair, zu Augsburg
15 n:
Augsl)urg, St. Morizkirche : Grabmal dos JN'i-
kolaus ilofinair 15 fl".
Bildhaurr, Würzlturger, vom 15. — 17. Jahr-
huiulcrl 25 iV.
Bücliscn meister, Nürnberger, des 16. Jahr-
hunderts 70 ff.
B ü c h s e n s c h in i (^ d e , Nürnberger, des 16. Jahr-
liunderts 70 iT.
Buntpapiere 23 f.
Dürer, Albrecht, als Naclibar 1±
E 1 f e n b e i n t a f e 1 . karolingische 43 tf.
F euerschlolsju acher, Nürnlicrger, des lü.
Jahrhunderts 70 IT.
Feuerwaffen des 14. und 15. Jahrli 47 ff.
Gläser, Würzburger, vom 15. —17. Jahrhun-
dert 25 ff.
Gläser, römische 65 ff.
Gralniial des Apotheken Nikolaus Hofmair
zu Augsburg 15 ff.
Hofmair, Nikolaus, Apotheker zu Augsburg:
Grabmal 15 IL
Holzschnitte auf Schachteln und Kästchen
60 ff.
Ingolstadt: Notpfennig der Stadt 51 IT.
Inschriften, römische 41 If.
KaiserurkundiMi des germanischen Museums
Sü: soff. 7.Sff. 97 ff.
Karolinger zeit: Elfenbeintafel 43 ff.
Kästchen: beklet)t mit Holzschnitten 60 ff.
Maler: üöi-er, Albrecht 72.
— Würzburger, vom 15. — 17. Jahrhundert
25 ff.
Notpfennig der Stadt Ingolstadt 51 ff".
Nürnberg: Büchsenmeister, Büchsenschmiede
und Feuerschlofsmacher des IG. Jalu-hunderts
70 ff.
Papiere, bunte 23 f.
Römische Gläser 65 ff.
— Inschi-iften 41 ö".
Schachteln: beklebt mit Holzschnitten 6011".
Urkunden der deutschen Kaiser 3 ff. 30 tt".
73 ff. 97 ff.
Würzburg: Maler. Bildhauer und Glaser vom
15. — 17. Jahrhundert 2511".
Mitteilungen
aus dem gernianisehen NationalmiLseimi,
lierausgegelben vom Direktorium.
Jahrgang 1891.
Mit Abbildungen.
Nürnberg, 1891.
Verlagseigeiitum des gernuiiiisclieii Museums.
^lith'iliiiiiii'i) aus doni {rennan. Xat.-Miis. IS'.M
Taf. I.
Eembrandts Paulus im Geinaclie.
Rembraiults Paulus im Gemache.
(Hierzu Tafel I.)
enn Renibrandt auch allen Waiullung-en und Schwankung-en des ästhetischen
Geschmacks zum Trotze zu allen Zeiten im Mittelpunkte des Sammler-
interesses der deutschen Kunstliebhaber gestanden hat, so ist doch erst
in neuerer Zeit das eig-entlich historische Interesse für den gTol'sen Niederländer
erwacht. Es ist ja bekannt genug-, dafs selbst zu einer Zeit, als Winkelmann
dem klassischen Schönheitsideal zu Liebe die Zeichnung-, »den schönen Contourc
in allen Tonarten pries und als Lessing- glaubte, das \Yesen der niederländischen
Kunst zu treffen, wenn er sie mit dem derben Worte «Kotmalerei« abfertigte,
dafs damals überall in Deutschland mit fast leidenschaftlichem Eifer Rem-
brandtsche Arbeiten gesammelt wurden, ja, dafs selbst 23 Jahre nach dem Er-
scheinen der »Gedanken über die Nachahmung der Alten«, als die Prinzipien
des Klassizismus volle Zeit gehabt hatten, auf den Geschmack der Gebildeten
zu wirken, Goethe schreiben konnte: »ich lebe ganz mit Rembrandt«, ohne
damit in Opposition zu der Geschmacksrichtung seiner Zeitgenossen zu treten.
Aber es hat lange, sehr lange gedauert, bis der bewundernde Liebhaber das
Bedürfnis fühlte, der Entwickelung des Meisters nachzugehen, und noch länger
hat es gedauert, bis auch den Anfängen des Künstlers eine eingehende Auf-
merksamkeit geschenkt wurde. Wilhelm Bode gebührt in erster Linie das Ver-
dienst, mit feinem Spürsinne die Wege nachgewiesen zu haben, die der junge
Rembrandt gegangen ist, und — gestützt auf die Augenscbärfe des künst-
lerischen Physiognomikers und auf eine umfassende Autopsie — die Entwickelung
jener Frühjahre bis zum Auswachsen der vollen Eigenart aufgedeckt zu haben.
»Abseits von der grofsen Heerstrafse der Galleriebesucher, zuweilen aber auch
in allbekannten Sammluni>'en. habe ich eine nicht unbeträchtliche Zahl von
Jugendwerken Rembrandts gefunden, die das Bild seiner ersten Entwickelung
während des Aufenthalts in seiner Vaterstadt sehr vervollständigen, ja eigen! -
lieh ci'st ausprägen«^).
Unter diesen Werken befand sich auch das (icmälde, das vor kurzem
von dem gei-manischen Nationalmuseum aus der freiherrlich von Bodeck-
Ellgauschen Gemäldegallerie ersteigert wurde, und das zweifellos zu den be-
deutendsten Gemälden aus der FrUhzeit des Meisters gehörl. Der Auklions-
katalog nannte das Bild (Holz. II (»he 48, Breite 39 cm.): 'd)er heilig<> Paulus
studierend« und erklärte es. auf Geheinu-at \V. IUkIc bezug nehmend, für »ein
hochinteressantes Werk von koslbarer lu'hallung".
Da dem fiemälde die Datierung und die Künsllerbezeichnung fehlt, auch
das Sujet bei aller Kinfachheit der Darslelliing verschiedene Auslegungen zu-
1) Bodc, Studien zur (lOschiclile der tiulländisclu'n Malerei S. 364,
_ 4 _
/nziilassen scheint, so ist es vorauszusehen, dafs der Scharfsinn der Kenner und
liit'lihaber sich noch oft an demselben üben wird. AVenig'stens scheinen die
Akten über (heses Werk Rembrandts noch keineswegs g-eschlossen, und es ist
vielleicht berechtigt, an dieser SIelle auf einige — in anbetracht der Bedeutung
des Objektes — wol nicht ganz bedeutungslose Punkte hinzuweisen, in denen
sich schon heute eine Zwiespältigkeit der Ansichten bemerkbar macht.
Zunächst sei es gestattet, ein Wort über den dargestellten Gegenstand zu
sagen.
Bodo vermeidet in seinen »Studien zur Geschichte der holländischen
Malerei« jede Bezeichnung. Er sagt: »Ein bejahrter Apostel, den näher zu be-
stimmen die Abwesenheit jedes Symbols verhindert, sitzt sinnend vor seinem
Schreibtisch« (S. 3(56). In dem 4. Hefte des 11. Bandes des »Jahrbuchs der
Königlich PreuCsischenKunstsammlungen«^) nennt er das Bild hingegen »Paulus«,
fügt aber in Klammern hinzu: »oder Petrus?«. AVoraufsich die eingeklammerte
Vermutung .stützt, ist nicht ersichtlich. Der flüchtige Gedanken, es könnte in
dem vorliegenden Werke ein Pendant zu dem Stuttgarter Bilde »Paulus im
Gefängnisse« gesehen worden sein, ist schon deshalb hinfällig, weil die Gröfsen-
verhältnisse der beiden Bilder völlig verschiedene sind. Die Bezeichnung
«Paulus« 3), die ja auch bei Bode mit gröfserer Sicherheit auftritt, dürfte ent-
schieden vorzuziehen sein; zumal für die Charakterisierung eines Petrus oder
eines der übrigen Jünger noch weniger in dem Bilde gethau ist als für die
Charakterisierung eines Paulus. Der sinnende, für einen tiefen Gedanken die
klare Fassung suchende Blick des Greises hat weit mehr von dem hochgebil-
deten, philosophierenden Paulus an sich als von dem aufbrausenden Sprudel-
geist des Petrus; und auch die beiden messerartigen Schwerter*) am Gebälke des
Hintergrundes könnten weit leichter auf das symbolische Doppelschwert des
Geistes und der Hinrichtungsart des Heidenapostels gedeutet werden, als auf
das Schwert, mit dem Petrus in aufwallendem Zorne Malchus das Ohr abhieb.
Es dürfte daher berechtigt sein, an der Bezeichnung »Paulus« festzuhalten
und ihr, vielleicht zur Unterscheidung von dem Stuttgarter »Paulus im Ge-
fängnisse«, die Fassung »Paulus im Gemache« zu geben.
Eine solche Unterscheidung würde um so mehr am Platze sein, w^enu in
der That die starke Verwandtschaft zwischen diesen beiden Bildern vorhanden
ist, die man gefunden zu haben glaubt. In den »Studien zur Geschichte der
holländischen Malerei« wird das Bild des germanischen Museums als »im Gegen-
stand wie in der Auffassung und Behandlung fast wie ein Gegenstück« des
»Paulus im Gefängnisse« geschildert, in dem Aufsatze des Jahrbuches wird von
einer »starken Verwandtschaft« gesprochen, die verbiete, das Bild später als
1628 zu datieren. Doch dürften die Ansichten über diesen Punkt recht ge-
teilte sein.
2) Seile 207.
3) Auch der Katalog der Ausstellung von Werken der Kiederländischen Kunst des
siebzehnten Jahrhunderts, Bei'lin 1890, braucht dieselbe, s. Nr. 222.
4) Da das eine derselben in der Scheide steckt, die nackte Klinge des anderen von
dem Lichte, das der Arbeit des Apostels leuchtet, scharf getroifen Avird, würden dieselben
Aveitercn Auslegungen zu Gunsten der Paulusdeutung nur entgegenkommen.
In dem Stuttgarter Bilde sitzt der Apostel »sinnend über einem Buclie,
im Bee-rifTe. einen Brief an eine seiner Gemeinden aufzuzeichnen. Volles Sonnen-
licht füllt durch das Gitterfenster links auf seinen Oberkörper und hebt den
kühl gefärbten Kopf von der voll und warm beleuchteten AVand energisch ab.
Bücher und Schwert liegen ihm zur Seite, weniges Stroh zum Lager zu seinen
Füfsene^). Mit peinlichster Genauigkeit ist jede Zeile des Briefes, jeder Stroh-
halm, jedes Härchen gezeichnet. Der rechte Fufs hat sich des Schuhes entledigt
und zeigt — ebenso wie die Rückseite der linken Hand — eine minutiöse Treue
in der Wiedergabe des feinen Geäders. »Die Behandlungsweise ist sorgfältig,
zum Teil noch trocken und ängstlich. << Es trifft durchaus die Sache, wenn
Alfr. \Voltmann*5) von einem »bleiernen Ton bei ziemlich schwerem Vortrag«
spricht, wenn er den Lichtstrahl »etwas plump und grell nennt.« Die Licht-
wirkung begnügt sich daher auch mit den starken Effekten am Gemäuer; von
einer Verteilung, von einer malerischen Verwertung des Lichtes für die Gestalt
des Apostels ist kaum die Rede; alle Partien sind mit der gleichen nüchternen
Genauigkeit dargestellt. Der Rock und der zurückgeworfene Mantel haben in
ihrem Faltenwurf etwas Lehmig-Gedrücktes; die Haltung der Gestalt erinnert
unwillkürlich an das Modell.
Man vergleiche damit den beigefügten Lichtdruck des »Paulus im Gemache.«
Nicht der leiseste Zug läfst an eine Abschrift der Natur denken. Die
Haltung ist völlig — man möchte sagen: aus dem Inneren herausgewachsen.
Das Momentane der nachsinnenden Überlegung kann nicht charakteristischer
und geistvoller wiedergegeben werden.. Der Wille scheint sich der Herrschaft
über die Muskeln des Körpers für einen Augenblick völlig begeben und sich
ganz auf das Gebiet geistiger Arbeit beschränkt zu haben. Der Kopf ist etwas
na(.'h vorn gesunken, der Körper leicht zusammeugelVillen ; der lasch über die
J.ehne des Stuhles hängende Arm und die auf Daumen und Zeigelluger auf-
gestützte linke Hand erscheinen als interimistische Stützen, um den greisen
Apostel nicht noch mehr zusammensinken zu lassen. Der rechte Arm, dessen
Lage wegen des Druckes der Lehne wider den Oberarm gar nicht ein behaglich-
langes Ausruhen gestattet, deutet ebenso wie die ungewohnte, keineswegs
zur Ruhe einladende Anspannung der linken Daumenmuskel darauf bin. dal's
hier nur eine Pause in dem Aufzeichnen der Gedanken, nicht eine Pause in
der geistigen Arbeit tnngetretcn ist. — Der sinnende »Paulus im Gefängnisse«
hat seinen rechten Ellbogen aufs Knie gestützt und fal'st mit der vollen Hand
das Kinn; es ist das eine normale Pose für scharfes Nachdenken, gewisser-
mafsen die alltägliche Verbildlichung des Begriffes Nachdenken. In der Figur
des »Paulus im (iemache« ist die Charakterisierung des sinnenden .Vibcitens von
jeder Formel weit entfernt, durchaus eigenartig und doch von zwingender Über-
zeugungskraft.
Und nun sehe man die Ausführung! So gewissenlialt auch die Technik
ist. so exakt die Zeichiumg: die Zeit der Lehrjahre ist vorbei, die Gewissen-
halligkeit des nachzeichnenden Schülers hat der Frcilicil und Sicherheit des
Meisters Platz gemacht. Nirgends str»rt das Hctoiicn nebensächlicher Dinge.
b) Bodc, Sliidicn clc. S. 365.
6) In il.T Zt-ilsdirin für l.ihicmic Kiiiisl iST-i, S. 46.
— ß —
Der aiif^^estlUzloii IJaml IV'hlon die Adern, die das Sluttg-aitei- Bild zeig't, und
(loL-li ist es eine wahrere und charakteristischere Greisenhand als es jene ist.
Bart und Haar sind ohne peinliche Detaillierung-, weich und flaumig-, wie es
dem sparsameren Haare des Alters eigen ist. Und dunkie Schatten legen sich
über die ganze untere Hälfte des Gemäldes, die Füfse und alles, Avas für die
geschlossene Wirkiing des Bildes unwesentlich ist, bedeckend. — Alles Gegen-
sätze zu dem Stuttgarter Bilde; und zwar Gegensätze, die sich nur aus dem
Weiterschreiten des Künstlers in Rembrandt erklären lassen. Man wird das be-
sonders dann emptinden, wenn man die Lichtwirkung in beiden Bildern auf-
merksamer betrachtet. Während in das Gefäng-nis durch das sichtbare Fenster
ein blendend scharfer Lichtstrahl hineinfallt, sind in dem Nürnberger Bilde die
beiden Lichtquellen verdeckt. Von links her fällt in breitem, ruhigem Strome
ein mildes Tageslicht in das Gemach, während hinter dem Bücherberge auf
dem Tische ein Licht zu stehen scheint, dessen Reflexe von der Hand, dem
Ärmel und von der linken Wange des Greisenantlitzes zurückstrahlen. Das
durch diese zwiefache Beleuchtung hervorgerufene Schattenspiel ist von aufser-
ordentlicher Feinheit. Nirgends ist aufser acht gelassen, dafs die Lichtwirkung
der Tageshelle eine gleichmäfsig kühlere, aber zugleich weittragendere ist,
während die verborgene Kerze schärfer, wärmer und flackernder leuchtet, ihre
Wirkung aber auf einen engeren Kreis beschränkt ist.
Die Aufzählung so mancher trefflichen Qualitäten des Rembrandtschen
Gemäldes könnte als Parteinahme für das Bild des germanischen Museums er-
scheinen, wenn nicht die beigefügte. Phototj^pie — die nur in Bezug auf die
Wiedergabe der Beleuchtung etwas zu wünschen übrig läfst — die Genauig-
keit des Berichtes kontrolieren liefse.
Eine Wiedergabe des Stuttgarter Bildes, welche die Berechtigung der
Zweifel an einer näheren Verwandtschaft der beiden Gemälde darzuthun ver-
mag, beflndet sich in der Zeitschrift für bildende Kunst, Jahrgang 1874, neben
Seite 46.
Wenn aber die Beziehungen der Bilder wirklich so wenig intimer Natur
sind, so ergibt sich daraus als notwendige Folgerung, dafs der »Paulus im Ge-
mache« nicht in das Jahr 1627 und 1628 gesetzt werden kann, es müfste denn
sein, dafs der »Paulus im Gefängnisse« unter den künstlerischen Leistungen der
Zeit eine Ausnahme bildete. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Es bedarf
auch nur des flüchtigsten Blickes auf den »Geldwechsler von 1627« und die »Ge-
fangennahme Simsons« vom Jahre 1628'^), um zu sehen, wie grofs der Abstand
in der Beherrschung der Technik zwischen diesen Bildern und dem »Paulus
im Gemache« ist, wie unvergleichlich viel ausgebildeter Rembrandts Kunst der
Beseelung des Menschen sich in der Gestalt des Paulus zeigt, als in den Figuren
jener Werke, wol der einzigen datierten Gemälde dieser Jahre.
Vielleicht würde mau annähernd das Richtige treffen, wenn mau das Bild
des germanischen Museums in die Zeit setzt, in welcher der »Greis am Ein-
gange einer Grotte« (Petersburg), der »Petrus im Gefängnisse« (Paris) s), und der
7) Reproduktionen finden sich in den »Graphischen Kiinslen- III. .lalirgang, 1881,
S öo und ;i6.
S) Aliuialurnacliliildunt^cn a. a. 0. S. 49 u. S. 72.
— 7 —
»heilige Anastasius in der Zelle« (Stockholm) entstanden sind, also in die Jahre
1630 oder 1631. Was in dem Leben eines Künstlers von der Beg-abung Rem-
braudts drei Jugendjahre bedeuten, das wird jedem klar, der neben die Werke
aus den Jahren 1627 und 1628 diese Bilder stellt.
In allen drei Werken, die sich auch in der Gröfse dem ;)Paulus im Ge-
mache« nähern, hat Rembrandt das innerliche Leben einer einzelnen Persön-
lichkeit und zwar stets eines Greises künstlerisch zu erfassen gesucht. In dem
j>Petrus« stellt er »mit ergreifender Wirkung das volle Aufgehen in der An-
dacht« ^1 dar, in dem »Greis am Eingange einer Grotte« gibt er die träumende
Versenkung in den stillen Schmerz der Resignation wieder, in dem »Anasl;asius«
charakterisiert er die Vertiefung des Gelehrten in seine Bücherwelt. Hier be-
finden wir uns also in der gleichen, geistigen Atmosphäre, in die uns der Nürn-
berger »Paulus*^ führte. Berücksichtigt man ferner, dafs in den genannten drei
Bildern ebenso wie in dem Bilde des germanischen Museums jedes Sich-
verlieren ins Detail vermieden ist, dafs auch hier dem Lichte eine hervorragende
malerische Rolle zugewiesen ist, dafs — trotz bedeutender Differenzen in der
Färbung — derselbe lichte grünlich-braune Ton, den der »Paulus« zeigt, auch
in diesen Gemälden, wie selbst in den gröfseren Werken der betreffenden Jahre,
vorherrscht:, dann wird man zum mindesten die Wahrscheinlichkeit zugeben,
dafs der »Paulus im Gemache« der gleichen Zeit angehört und damit aus den
Regionen tastender Schülerarbeiten heraustritt. Es mufs einer erneuten und
eindringlichen Vergleichung der erhaltenen Rembrandtwerke überlassen bleiben,
diese W^ahrscheinlichkeit zu erhärten oder triftige Gründe für eine andere
Datierung beizubringen. Verlieren wird das Bild bei einer eingehenden Prüfung
keiuenfalls, vielleicht aber an äufserem AVerte gewinnen.
Nürnberg. Dr. Th. Volbehr.
Ein Keliqiiiciiglas toiu Jahre 1519.
^^^ekanntlich verlangt die katholische Kirche, dafs in jedem Altare Reli-
t50# "^^l^icn ruhen. So finden wir denn in den mittelalterlichen gemauerten
?~^ Mensen der Altäre entweder in der Deckplatte oder unterhalb derselben
an der Vorderseite des Altares regelmäfsig zugerichtete Ötfnungon. sepulcra,
worin die Reliquien niedergelegt wurden, deren Achthcit durch eiu bischölliches,
mit Siegel versehenes Zeugnis bestätigt sein mufs. Seilen sind diese Reliquien
einlach in das Sepulcrum eingelegt; meist sind sie in irgend einem Behälter
nebst der Urkunde eingeschlossen, der sodann versiegelt ist, so dafs bei einem
etwaigen Zweifel die Untersuchung nur eben darauf gerichtet zu sein braucht,
ob dies bischöfliche Siegel unverletzt ist. Mitunter ist dieses Gefäfs sehr ein-
fach. Seilen ist es besonders kunstreich, da ja die Sepulcra zugemauert wurden,
und nur ausnahmsweise ist überhaupt künstlerischer Aufwand gemacht. Unser
Museum besitzt von solchen Ausnahmen Beispiele, Es ist das in Form eines
Hauses gebildete, mit gei)refstem Silber belegte Kästehen, welches aus Metz
stammt, dann der reizende kleine Reliquienbchällcr aus Zinn, welcher unsere
9j Büdc, Sluilicn S. 38Ü.
— 8 —
Sammliuig-en zierL *), und einem Altare der Pfarrkirche zu Kledrich entnommen
ist. Von einem älteren, kleinen l?cli(|uienkäst(;hen unserer Sanniilung- in Form
einer ovalen Büchse mit g-ewülbtenj Deckel, etwa dem 10.— 11. Jahrhunderte an-
gehörig-, in Bronze gegossen und vergoldet, mit flachen Pilastern und da-
zwischen stehenden Figuren belebt, vermuten wir, dafs auch es ehemals in dem
Se|)ulcrum eines Altares stand. Häufiger aber sind es blos rechteckige, glatte
Bchäller aus Blei, der Form des Sepulcrums angepafst, die nach Einlegung
der Reliquien und der ihre Authentilät bestätigenden, als Umhüllung daran ge-
siegelten Urkunde verlötet wurden, so dafs äufserlich gar nichts erkennbar ist
und erst nach Aufbrechen des BIcikästchens sich die Reliquien leststellen lassen.
Nicht selten wurden auch Gläser dazu benützt, in ihnen Reliquien für
Altäre zu bergen, Gläser wie sie eben im Haushalte unserer Vorfahren sich
vorgefunden haben dürften und die deshalb ganz passend befunden worden sein
mögen, weil sie, durchsichtig, die eingeschlossene Urkunde einigermafsen er-
kennen und lesen liefsen, ohne dafs man den Verschlufs und das ihn bestätigende
Siegel löste. Für die profane Kulturgeschichte haben diese Gläser deshalb eine
nicht unbedeutende Wichtigkeit, weil aus den Urkunden sich eine genaue
Datierung derselben ergibt. Man kann annehmen, dafs jedes solche Glas, wenn
es zur Bergung von Reliquien verwendet wurde, neu war, dafs man aber das
nächste beste heimische für den Zweck geeignet fand. Die in den verschiedenen
Museen Deutschlands, in den Sammlungen der historischen Vereine oder in
Privatsammlungen aufbewahrten mittelalterlichen Gläser stammen gröfstenteils
aus Altären, und wenn nicht der Verschlufs dieser Gläser beseitigt worden
Aväre, oder -wenn man mindestens den Inhalt der Urkunden beachtet und notiert
hätte, so würden wir zur Geschichte der Glasgefäfse nach Form und Farbe,
sowol in Bezug auf die Zusammengehörigkeit der Stücke zu Lokalschulen, als
auf die Chronologie, wichtige, vielleicht gentjgende Anhaltspunkte besitzen. In-
dessen ist dies selten geschehen. Die meisten dieser Gläser sind durch ver-
schiedene Hände gegangen, die Spuren waren verwischt bis sie in öffentlichen
Besitz gelangt sind, und heute sieht Niemand mehr ihnen an, aus welcher Zeit
und Gegend sie stammen; man begnügt sich mit der Thatsache, »gotische«
Gläser vor sich zu haben. Das älteste solcher Gläser, auf welches wir z. Z. als
datierbar hinw^eisen können, gehört dem Schlüsse des 13. Jahrhunderts an und
befindet sich in der Sammlung des historischen Vereins für das württembergische
Franken zu Schwab. Hall. Es wurde vor nicht langer Zeit erst dem Altare
einer Dorfkirche in der Nähe Halls entnommen und wird hoffentlich bald ver-
öffentlicht werden. Indessen werden ja gewifs noch weit ältere vorhanden sein,
da die Glasfabrikation, obwol wir nur wenig sicheres darüber wissen, an so
vielen Orten Deutschlands während des ganzen, auch des früheren Mittelalters
betrieben wurde.
Vor kurzer Zeit fand der Verfasser ein solches . Glas und erwarb es für
die Sammlung kirchlicher Altertümer des germanischen Museums. Dessen Ver-
schlufs ist noch unberührt. Es ist dem Altare einer Kirche im Vinstgaue
entnommen worden. Das Gefäfs ist aus hellem, blaugrünen Glase, ersicht-
lich dünn geblasen und hat die Gestalt einer kleinen Tonne mit niedrigem.
Ij Vgl. Correspondenzblatt d. Gesam mtverei ns d. d. Gesch.- u. AUcrthsv. 1874, S. 76 f.
- 9 -
karnisförmig-en Mündung'stricbter. Unten ist ein g-ewundenes Band aus dem-
selben Glase aufgeschmolzen, das einen Fufs bildet; unter dem Mündung-sraude
ist ein dünner Faden aufg-elegt und um den Körper zwei ung'leicbe Reihen von
je sechs Patzen, die in spitze AVarzen ausgeben. Wo das Glas dick ist, wie
bei den Patzen, sieht es entsprechend dunkel aus, und da es heute nielil mehr
g-anz durchsichtig-, sondern leicht oxydiert ist, da es g-elullt und zug-edeckt
ist, so macht es den Eindruck, als sei die Glasmasse selbst dunkler als sie in
der That ist. Der Verschlufs ist durch einen Deckel gebildet, welcher aus
freier Hand von g-ewöbnlichem, g-elben Wachse geformt wurde und sich fest um
den Mündungstrichter des Glases legt. Man kann deutlich die Hautabdriicke
der formenden Finger sehen. An einer Stelle ist ein rundes Stück roten
Wachses, offenbar flüssig, in eine vorgerichtete Mulde des gelben Wachses ein-
gegossen und darin ein Siegel eingedrückt. Dasselbe zeigt einen Wappenschild
mit gebogenem Arme und drei Sternen unter einer Mitra, neben welcher ein
Stab hinter dem Schilde steht. Um den Rand hat das Siegel ein o])en offenes,
an Slab und Mitra mit umgerollten Enden anstofsendes Spruchband, dessen Mitte
von dem Schilde bedeckt ist und worauf in gotischen Minuskeln die Inschrift
steht: »S • Steffani — epi belline«. Das Glas ist sehr leicht, es hat mit dem
Wachsverschlusse eine Höhe von 8,3 cm., der Durchmesser des Glases selbst
beträgt 5,7 cm., jener des Fufses 3 cm., des unregelmäl'sigen Wachsdeckels un-
gefähr 7 cm.
Der Inhalt besteht, soweit, er sich von aut'sen erkennen läfst, zunächst
aus einer auf Pergament geschriebenen Urkunde, die gendll ist. um Platz zu
finden. Obwol so der vordere Teil der sechs Zeilen vci'dccki ist. liilVI sirli ilocli
lesen, dafs im Juii des Jidires 1319 der Bischof Bruder Stefan aus dein i're-
dic-erordcn den Altar zu Klii'cn der heil. Michael. Ursula und iler li Notlielfer
geweiht und Rcli(iiiii'ii (K's licil. Stefan, sowie der heil. Ursula und ihrer Ge-
nossinnen cingL'scIilossen habe.
millesimo quingentesimo decimo nono die
mensis Julii nos frater steffanus ordinis predicatorum
Mitteihiiigeu aus dein gonnaii. Nationaliiiuseuiii. 18i)l.
II.
aposlolicc g'i'acia episcopus Bellineiisis consccravimus
iti hoiiorc sancti Michaelis et sancle Ursale et sancto
(ieciin auxiliatoruiu et inclusimus eo reliquias
Steilanl et sancte Ursale et sodalium ejus.
Teilweise lose, teilweise in einem Leinwand(?)päckchen unter Beig-abe
eines Pergainenlstreifens, dessen Schrift nicht sichtbar ist, befinden sich die
Keliquieii im Inneren.
Drr Tilel des Bischofs Ikllinensis bietet einiges Interesse. Nach einer
gijligen iMillcilung des Herrn kaiserlichen Rates v. Schönherr in Innsbruck
führten die Weihbisehöfe von Brixen häulig den Titel Episcopus Belinensis.
Der Episcopus Belinensis, der auch Taneensis liiefs, war Sutfragan des Erz-
bischofs von Tims. 1517 war der Weihbischof Johannes von Brixen Episcopus
Belinensis. Unser Stefanus findet sich jedoch 1521 als Generalvikar des Bischofs
Paulus von Chur, al§ welcher er am 25. Mai zwei Seitenaltäre und den Friedhof
von Partschins bei Meran weihte. Da der Vinstgau, woher unser Reliquien-
glas stammt, bis in die neuere Zeit herein zur Diözese Chur gehörte, so ist die
Weihe auch jenes AltareS,- dem es entnommen ist, durch den Churer Generalvikar
sehr natürlich, der als Nachfolger des Brixener Johannes inzwischen in die
Reihe der Bischöfe von Tanea in parlibus iniidelium eingerückt war.
Gries bei Bozen. A. v. Essenwein.
Eine Rarlsb.idcr Kur vor 300 Jahren.
ntcr den Heilquellen, welche schon seit Jahrhunderten Tausenden und
aber Tausenden Genesung von schweren Leiden brachten, nehmen die
Karlsbads eine ganz hervorragende Stelle ein. Die Zahl derjenigen, die
dort ihre Gesundheit wieder zu erlangen suchen, nimmt jährlich zu; es wird
daher allen Verehrern dieser heilkräftigen Quellen von Interesse sein, zu ver-
nehmen, welche Anweisungen im Jahre 1571 ein Nürnberger Arzt einem seiner
Patienlen gab, als sich dieser auf seinen Rat von wegen seines »bösen Magens«
zur Xur nach Karlsbad begeben wollte. Der Arzt war Volcherius Coiter (Goei-
ter), welcher in Will-Nopitschs Nürnbergischem Gelehrtenlexikon ^) als der erste
bisher bekannte »Zergliederer« in Nürnberg bezeichnet wird. Er wurde Feld-
medikus des Fürsten Kasimir von Anhalt und starb 157(3 in der Champagne
bei dem Grafen von »Bryen« an der Schwindsucht. Der Patient, Wolf Flenntz,
dürfte ein Nürnberger Kaufmann gewesen sein, vielleicht der Grol'svater des
Kaufmaiuis Hans Flenz, der 1590 geboren ist und dessen Bildnis im Jahre 1669
von J. F. Leonnart gestochen wurde. Der Messingherr Andreas Flenz war
im Jahre 1596 Genannter-). Trechsel ^) beschreibt das Grabmal unseres Wolf
Flenntz; leider fehlt aber die Angabe des Jahres, in dem er gestorben. Auf der
1) V. Teil, S. 187.
2) Roth, Gcscliichle d. IMürnbcrj;-. llaiidcls I, S. 218, woscibsl iiucli ein iui Julire 1590
gestorbener Kaufmann Hans Flens angcfülirt wird.
3) Erneuertes Gedächtnis des Nürnbergischen Johannis- Kirch -Hots (Frankfinl inid
Leipzig 1735.)
- 11 —
c
Bronzeplatte stand bei ihm nur: »An. — den — verscliid« etc., dann folg-t das
Todesjahr seiner Frau Anna, geborene Leng-enfelderin, die 1383 verschieden ist.
Als das Epitaph nach deren Ableben g-efertig't wurde, hat also ihr Mann offenbar
noch g-elebt, und sollte der Raum, welcher für das Datum seines Ablebens frei
geblieben, später ausgefüllt werden — eine ja ziemlieh häufig vorkommende Sitte.
Die Karlsbader Kur scheint Flenntz also sehr gut angeschlagen zu sein. Er ge-
brauchte sie zu gleicher Zeit mit Erzherzog Ferdinand von Tirol und dessen
Gemahlin Philippine Welser, die nach Low*) ebenfalls im Jahre 1371 die Quellen
Karlsbads aufgesucht hatten. Die Anweisung Coiters hat sich in der Huntl-
schrift Nr. 7137 der Bibliothek des germanischen Museum erhalten; wir lassen
dieselbe nachstehend in ihrem Wortlaute ohne jede Kürzung folgen, um ihr
nichts von ihrer Originalität zu rauben, welche gerade, wie wir hoffen, den
heutigen Besuchern Karlsbads Freude machen und sie zu Vergleichen mit den
heutigen ärztlichen Anordnungen veranlassen wird.
(Bl. 1 a.) Y 0 m R e c h t e n Gr e b r a u c h d e ß G a r 1 s P a d t b e y E 1 1 e n b o g e n.
Anno. 1371. Denn 20. May.
(Bl. 2a.) Achtbarer, günstiger lieber Herr Wolff Flenntz dieweil ihr euch
mitt meinem Radt ins Garlsbadt vonn wegen eures bösen magen, vnnd von
wegen kelde derenn eusserlichen glieder zuebegeben enndtschlossen seidt, hab
ich khürtzlich alles so zum Rechten gebrauch (wo au nicht wenig gelegenn)
dinstlich zue wissen vnnd zu thun von nfUten werdt sein, wöllenn verfassenn.
wie alhie volgt.
Vom gebrauch des wildtbadts ^). Dreierlay weise gebraucht man
des Garlsbadt, zum ersten drinckht man daruon, zum andern badett man, zum
dritten lest man es vffs haubtt fallen n.
Vom h'incken. Erstlich vom trinckhen, nach dem ihr mehr durch
schwechaitt derenn jnnerlichen glieder eine jnnerliche Gura bedürfftig seidt.
Sehe ich für Radtsam ein, das ihr mit dem drinckhen anfahett, zue diesem
fhall muß man achtung haben auf drei stückhe Zum Ersten wie man sich be-
raitten muß zum Trinckhen Zum Andern wie man sich verhalden muß, dieweil
man Irinckht, Zum dritten wie man sich nach der tzeith muß hallcnn.
(Bl. 2b). Wie man sich Beraitten muß zum Badt. Souiel dem
belanget so von nötten ist anzusehen vor dem gebrauch des badts. muß mau
erstlich ansehen den orth do man trinckht, welcher nicht zu kaldl noch zu warm
muß sein, dann inillolmessig warme stuben sein, vnnd deswegen solche Stubenn
Ijcsthenn, do der lutTt nicht wol khann zu khommen. jnnsonderhailh wen es
feuchtt ist.
Zum anndern muß der leib woll rain vnnd gepurgirlt sein, wie ich be-
sonnders mitt euch geredt hab. Item ihr müst auch von wegen des reissenus
nicht Matth sein, So müst ihr alle sorge bekhümernus vnnd anfechtung des
geniüdt auch auß dem hertzen schlagen, vnnd also jm Namen Gottes die sachenn
mil frülichem geinüdl angreiffenn oder anfhahen, das ist von beraitung.
4) Kurzf^cfafstc, alMn- vülisUindif^o Chrniiilc drr uolllicrüliiiitrn lüir- umi Biulosladl
Karlsbad S. 4.
5} Die gesperrt j^edruckten hilialtsangalieii der einzelnen Absätze sind in der Iland-
selirift auTsiMi ani lUuide verzeichnet; wenn sie sicli im Texte alter wiedei'lioien . so haben
wir die lUuulnolen weggelassen,
— [2 —
Jcl/, \vi(> ihr euch iiiiist hallen, diewcil Jhr drinckht jmi diesem Püiiüen
jiiasl ilir achtung- haben auf sechs stuckhenn, zum ersten wie man das wasser
Irinckhen muji, zum andern wicuiel jhr Trinckhen müst, zum dritten die gestaldt
des wasers, zum vierdien wie lanng- man trineklicn muß, zum fünften wie man
sich mitt essen vnd (h-inckhcn haltenn muß, die weil man drinckhett, zum sech-
sten, wen sieh ettwas büß zutregi, wie (Bl. 3a) man den zufhelen muß ftir-
kliommen, vnnJ helffenn. Jetz will ich verzaichnen wie ihr euch jiui ainem
Jegiichen mCist haltenn.
Zum Ersten müst ihr zue morg-ens früe aufsthen vnnd den leib zur
Hainig'ung durch die Stüel, brunnen '^) vnnd auszureispeln '') bewegeun, darnach
g-hen ein wenig- hin vnnd wider inu der Stubenn spacirenn, biß der leib ein
wenig- ist erwermt, nach Verrichtung- des müst ihr allg-emach anfahen zue
trinckhenn, aber nicht viel auff ein mall, als nemblich das ihr thailett jnn 4. ö.
(). oder 7. becherlein was ihr aufT einen morgen sollett trinckhen, vnnd ein
becher besunder allain für sich ein drinckhenn, nach dem trinckhenn des eins
becherlins müst ihr ein wenig- hin vnnd wider vber die stubenn g-henn spa-
cirenn, nach dem spaciren müst ihr wider ein becher voll drinckhenn, vnnd
wider darauff spacirenn, so nach allen bechernn, biß die vorg-eschribene maß
Wassers außg-etrunckhenn ist, als dann wan ihr nicht matth werdett, müst ihr
noch spaciren g-hen, biß ann essenns zeith, damith das wasser avoU vonn euch
khomme.
(ßl. 3b.) Essens tzeidt werdt ihr erkhennen auß dreierlay zaichenn,
wann das wasser in g-leicher Quantitet oder gleich souiel als ihr g-etrunckhenn
habtt, von euch ist durch die Stüle oder brunnen khommen, oder ein wenig-
wenig-er, zum anndern wiewoll nicht souiel ist vonn euch khommen, dennoch
wenn man sihett das die brunnen nicht mehr weiß sindt, sonder g-elblicht ist
gewordenn, zum dritten wen das waser durch die stüel außg-ehtt vnnd die stüel
verstopfft werdenn, Letzlich wiewoll das wasser durch die Stüel, noch durch denn
Harm sein Ausgang- hatte, jnn 4 stunden raügt ihr dennoch essenn, dan das
vberige wasser gehett nach mittag-, oder zue nacht hinweg-, jnn suma man muß
4 stunde zum wenigsten warttenn mitt dem essenn, deswegenn müst ihr ettwas
früer aufsthenn, vnd euch desto eher niderlegenn.
Zum Anndern, wieuiel jhr trinckhen müst jnn diesem fhall muß
man sich nach die Natura richten, wann ettliche khönnen viele vertragenn, ett-
liche auch wennig, derhalben müst ihr mitt wenig anfaheun, vnnd alle tag niit
ainem becher oder zwen vffsteigen, also würdt die Natura das gewohnnen,
nemblich denn ersteun tag mist ihr ettwas vber ein seidel trinckhenn, vnnd
wan ihrs (Bl. 4a) ohne beschwernus trinckhett am anndern tag annderthalb
seidel, auch ettwas darüber, am drittenn tag aine maß, am vierdten tag andert-
halb maß, am fünfften tag zwo maß, am sechsten tag anndertthalb maß, am
sibenden tag ain mas, vnnd lassenn es darmith beruhenn, wann ihr das wasser
ohne beschwernuß khünnet trinckhen, mügt ihr am anndernn tag eine maaß
trinckhen vnnd beim seidel auffsteigen, biß das ihr auff 2 maß kommett, vnnd
trinckhen am vierdten tag 2 maß so auch am sechsten tag.
6) Urin, Harn, 7) räuspern.
— 13 —
Ziiiu drilleu voiiu des wassers g-eslaldt, ji- [uüst das wasser nicht
kaldt sonnder warm drinekheii daiuilh der magen vnnd die niren das wasser
besser anneiuen. Sich (sehe) ich für guth an, das ihr vonii annfang- ein wenig"
Zuckhers jnii ain tägiichenn becher thutt, wenn das wasser woll abg-ienug",
müg't ihr es trinckhenn ohnne Zuckher.
Zum vierdten, muß mann wissen n wie laniig mau muß vom
wasser trinckhenn, nemblich man muß ansehen wie helftig- die kranckhaith
ist, vnnd wie lanng- sie gewhertt hatt; vor euch werdenu genung- sein 12 tag-e.
(Bl. 4b.) Z um Fünfften wie man sich raitt essen \nd drinckheun
hal tenn muß, souiel das essen belannget mU'st ihr achtung- haben aufif 4 stuckh
nemblich auff die g-estaldt der speise, zum anndern, wieuiel ihr esseun müst,
zum dritten auff welche zeith, zum virtten was für ein Ordnung- ihr haltenn müest.
Die Qualitct oder des Essenns g-estaldt mus sein, Speise vonu g-utter sub-
stanntz, ringdewlich *) nicht zehe oder hertt, als jung- hüner flaisch, kalbflaisch,
vög'el, vnnd derg-leichenn, kaine fisch ist sonderlich vngesundt, aber junge
hechtleiu, pirsing- ^) fohreu ^'') g-rundel möcht jhr biß weiln ein wenig essenn, so
auch vonn Ayern, ausserhalb ") die so jm schmallz zueg-ericht seindt.
Alles was vonn keß, milch, obs, daich zug-ericht ist, ist büß; des g-utteun
essens miest ihr souiel essen als die Natura ohne beschwernuß woll khann
dewen.^2) vonn ainer maltzeith zue der anndern, damith aber der mag-en zu mor-
gens früe, wen ihr driuckhett oder badett lehr sey, miest ihr auff die nacht
mitt dem essenn ettwas messig-er halten, denn zu mittag-; es ist auch g'uth, das
jhr allemal mitt lust auffhörett.
(Bl. 5a.) Euer zeith zue essenn muß nicht als baldt sein nach dem
badt, sonnder ihr müst erst ein wenig geruhett habenn, nach dem badt, vnnd
ettwas küler sein, jtem es wer auch guth jhr liessett nach dem morgen essenn
8 stundt fürüber ghenn, ehe das ihr zu nacht essett, oder zum wenigsten 7 stunde.
Souiel die Ordnung im essen belanngt, müest jr waiche vnnd riiig-
dt'\vli(;he speise anufenglich essenn, daraulT hartte schwer dewliche *'').
Euer trannckh mus sein ein gutter zeittiger lieblicher wein, der dennoch
nicht starck ist, des weins müst ihr dennoch nicht zuuiel trinckhen, wann jmers
der durst so groß were, möcht ir ein Neckherwein, oder ainen geringen wein
drinckhen, es ist nicht guth als baldt auff das badt drinckhen, besser ist es
(daß) man ei-sllicli ein wenig esse, schedtlich ist es auch zwischen dem mal zu-
trinckhen, so auch das essenn niill dein drinckhen anfahen, nach essenns muß
man ruhen, dennoch ohne schlaffenn, vor allem miest ihr allain alle Iraurig-
khaith bekhümernuß auß dem hertzen schlagenn, meiden alles was zu zorn,
erwockbcn khann. frölich miest ir sein, vnnd nach essens ein khurtzweil mitt
spieln oder inilt gulhe finlidie liebliche gesprech haben, oder milt iMIwaz
änderst dartzu ihr dann hisl habll. dennoch ohne drinckhenn.
S) leicht vordiuilicli . vom inlid. ii. iiiillclil. riiij^'c ^^ loiclil . iinsiliw er : Wcit^ainl. d.
WB. ± Aull. J, S. ;j(Ji.
DJ Bcrschiing, Birscliliiij^^, Bii-sclillin^', auch Bars udor Uörti, Slichliug; Schaiellor-
Fioiiiiiiaiin B.WB. f, :28Ü.
10) Fondicii. -Jj) auspfononiraen.
i±) verdauen. l.S) schwer verdanliclie.
— 14 —
(ßl. ."ib.) IIl'111 ir iiiüiii auch woll nach essens, wan es g'iilli lustig- weiter
ist, ein wenig: spaciren reitteu oder Iharen, oder ghenn vnnd ein zimbliche
guthe vbung thun.
Itein gutb ist es das ihr eure nattürliche Stüie alle tag hettett, so nicht,
niUest ihr sie machen mitt den verordnetten Pillen.
Jetzundt will ich khürtzlich anzaigenn, wie man die bösen zuihellenn ^*) so
euch jm trinckhen oder badcnn möchten begegnen, muß widersthen vnd für-
khomen, nemblich schwachaith des magenns, brechenn oder vndewen, zum
dritten das das wasser jm leib blQibe, vnnd khaincn ausgang gewinen khann,
zum vierdten grosse schlaff jnsonderhaith nach dem morgen essen, zum fünflften
die kremptr jnu den schenckheln, zum sechsten grosse mattigkhaith jm
gauntzen leib.
Fiir schwachaith des magens, ist guth, das man den raagen aus-
wendig fein warm halte, so auch denn ganntzen leib vnnd die füsse, jr müest
euch auch hüttenn für kaltem essenn, vnnd Trinckhenn, im fhall aber das ihr
neben der schwachaith empfündett grossen turst, müst jr killende ding . ge-
brauchen, nemlich S: Johans berleln safft, weichsei safft, roseu zuckher^") vnd fBl.
Ga) dergleichen, im fhall aber ir neben der schwacheith des magenns khainen
turst emplindet, vnnd auch khaine hitz, müst ihr ein magen lattwerglin ge-
brauchenn, vnnd ein wenig gewürtz vnnder euer essenn thun, als zimetrinden,
muscatnus, muscat blüe, negelein, galgant ^^), Calmes, Enis, Fennchel vnnd der-
gleichen.
Wen ihr das wasser nicht könnett behalten, miest irs die erste
mall nicht achten, wen der magen würdt offt dardurch gerainigt, aber Aven es
das annder vnnd dritte maal geschieht, muß man Radt pflegenn, zum ersten
miest ihr stuel zepftlin gebrauchcnn, damith das wasser nider werde getzogen,
zum andern wen es nicht helffen will, ist es guth, das man ein grossennlaßkopff^^)
auf!' den magen setz, ohnne schrepffeun, oder an statt ein Pflaster auö" den magen
legen, wie volgt, nemett ein Sauerteig nemblich 3 loth, thutt dartzu j loth
deimenten^^) gedörth, vnnd klain zerstossenn negelleiu^^) 2 quintlein, vermischett
es vnnder einander mitt AVermutt ÖU vnnd schlagett es Pflaster weiß vber vnnd
machts woll warm, jtem jn diesem fhall mag man auch woll die obgemelten
würtz^") gebrauchen, vnntter dem essen, wen diß nicht helffenn will, miest ihr
mitt dem drinckhen ablassenn, für das vbrige schlaffen, ist guth, das man das
haubt warm halte, jtem das man wcinrautten jnn der hanndt halton vnd ruhen
darvon (darvor?).
14) Zufälle.
15) Eingemachte Rosen. Matthiolus, ncw Kreutorbuch (Prag 1563), S. 6J C: »Dieser
Rosenzucker ist ein köstliche külung in den hitzigen fejjern , er sterckt das hertz, haupt,
\nid alle jnnerlicho gliedor«.
IGj Eine ostiudisclie Wurzel, IVülier als Gewürz und als Arzueiuiittel verwendet.
Grimm, d. WR. lY, 1, S. 1164.
17) Schröpf köpf.
18) Gartcnniünzo, dessen Kraut nach Matthiolus S. 290a »dem Magen gut und bequem,
die natürliche Wcrli Ijcweget und alle Gliedor stärket«.
19j Gewürznelken. jJOj Gewürze.
— 15 —
(Bl. 6b.) Item es ist auch g-uth das man die achseln vniid armen mitt
warmen tüchernn reiben lasse biß das sie woU warm werdenn.
Zum krampff ist g'utb (daß) man die schenckhel schmire mit Gamillen
Uli, oder mitt weiurautten oll, oder lorber öll, oder das ihr sie waschelt mitt
eim wein, jn welchem weinrautten Gamillen blüe gesotten seindt.
Für die mattiglibait deren gliedern ist guth, das man mitt dem trinclihen
aussetze, vnnd das man es darnach noch eins versuche, wan je die mattig-
khaith nicht autfhörenn will, muß man gantz vnnd gar das trinckhen vnnder-
weü'cn lassenu.
Das ist genuug von dem gebrauch des wildbads im trinckhenn , jetz
(folgt) wie ihr euch halten soldt nach dem trinckhenn.
Damith die Gura ein bestanndt habe, ist von nötteu das ihr euch mit der-
selbigenn gestählt, mitt essen vnnd trinckhenn haltett, wie an der tzeidt, do ihr
das Wasser habtt getrunckhenn, ein monath schir lanng.
Nach dem (vom) trinckhen genungsam geschrieben ist, will ich khürtzlich
antzaigenn, alles was zum baden n gehörig ist, zu diesem gehören schir alle
diese stückhenn, so im trinckhen vermeldett, derhalbenn will ich die nottürff-
tigisten stückh antzaigenn.
(Bl. 7a,) AVann ir mitt dem trinckhen schir ferdig seidt, miest ir ainen
tag ruhenn, vor das ir anfahet zue badeno, vnnd darnach aine stundt nach dem
gar auß-^) zu morgens früe, jnns badt ghen, aber ich sehe für guth an, das ir
zuuor eure Pillulen gebraucht, damith so ettwas wassers wher bey euch ge-
bliebenn, das selbige von euch kheme, diß khann geschehenn denn letzten tag
eures trinckhenu, wen ihr euch niderlegt zue schlaffenn.
Der Orth do ihr euch badett muß woU vor regen vnnd wiudt be-
whardt sein, wan man badett muß man achtung geben, auff fünff" stuckh, nemb-
lich autr die gebrauch, zum andern autf die gestählt, zum dritten auff' die zeith,
zum vierdten wie lanng man baden muß, zum lüntrten auif die zufhele.
Erstlich miest ihr zu morgens früe aufsthen vnnd den leib mitt denn
stülen vnnd härmen zuereinigen bewegenn, vnnd vor ehe das ir euch Jnns
badt setzett ein wenig hin vnnd wider ghenn, vber die Stubenn Spacirenn,
nach dem Spaciren miest ihr das haubt woll verwharen mitt ainer schlatThaulien.
vnnd jnns badt ghenn. ir müest nicht ghelich noch [diilzlich darein fallenn,
sunder algemach (Hl. 7b) Erstlich biß vber die knie darnach ettwas tiefer
biß ir schir biß ann hnis darein kombtl, damith aber (his wasser weniger dempif
gebe, muß man das nieht viel rüren oder bewegenu, sonder slili lassenu.
Im badt ist gar vnngesundL zue essen oder zue TrinckhiMin. so
auch wan man zu früe (h'inckhet vnnd aulT die nadil badelt jnn Suma Jim
ainem tag mueß man nur ains verrichten, drinckhen oder badcnn.
Deß Wassers gestählt muß nicht zu haiß sein, sonnder anfenglich muß
es woll leidtlich sein, vnd alle tag ettwas wenni r hiß so warm als Jrs gednl-
den khündL vnnd bey diMU also bleibenn Iass(Mui, es muß nichl so warm si'in.
das ainer mallh daiiiun werde, oder sehr dauon scliwilze.
Die zeith des badenns ist zue nu)rgens fiüf, wie vom liintlvhcn ge-
meldt ist, es ist guth das ihr nüchtern jnns badi gehett, vnnd wen ir eui-h
21) Das Gcliiiili' um (Irii Aiifgan^i' (aiicli Xii'(li'rj:;aii;i) der Simiuv
- 16 -
fiii" iiiiitliii-kiiailli besorglt, niiisl ihr ersL elu' ilir jnns l){idt gehett, ein löffel
voll oder zwcn weinberlein esseiiii. oder ein schniitlein brodts g-ebehell in ein
wein, oder ein stlicivhlein raarceban . oder ein wenig von aim rosen znckher,
vnd dergleichen. Item ir inügl auch woll ein frisch ay bey eini feuer ge-
bratten cssenn.
(Bl. 8a.) Es ist nichl guLli ihis ihr alle lag gleich laung badett, sonnder
aulenngllch ein wenig, vnd alle tag ein ganntze oder halbe stundt zunenien,
darnach irs geduldcnn khündt, wann ihr je auch wollett nach essenns baden,
müst ihr zu niiltag wenig essenn vnnd setzen euch 3 stundt nach dem morgen
essen ins badl. W(Min ihi- also 15 oder lO läge badett würde es meines erach-
tenns genug sein, dennoch möcht ihr des badts Natura nach ghenn.
Wenn ir auß dem badt gehett, müst ihr euch woll vor der kelte vnnd
lütfLe hültenu, vnnd in ainer warmen stuben woll abdrückhnen lassenn \'^id
darnach in ain beth legenn.
"Wann ir schwitzen könnet, ohne grosse mühe, mügtt ir woll ein wenig
schwitzenn, irnfhall ihr aber nicht schwitzet, müst ihr dennoch einwenig im
bethe ruhen, ehe das ir essett. Fürnemblich müest ir achtung habenn auff
das haubtt, das es im ausgang des badts woll getrückhnnett werde, mitt dem
essen vnnd trinckhen müest ihr euch haltenn wie oben ,jm trinckhen ver-
meldet ist.
(Bl. 8b.) Souiel die böse zuefhellenn belanugt, sein deren ann der
zall achte, zum erstenn, grosse hit;5 vnd endtzündung des gauntzen leibs, zum
andern grossenn durst, zum dritten groß schwitzen, zum vierdtenn verlierung
des appetits, zum f'ünfften abkrefftenn, zum sechsten whetag vnnd schwerig-
khaith des haubts, zum siebenden wachenu, zum achten schneiden der brunen.
Wann euch grosse hitz wie ein iieber anstossenn, miest ir mitt dem
badenn auffhören vnnd nachlassenn biß die hitz verganngen ist, vnd juu der
zeith külennde ding prauchenn, als S: Johannesberlein Safft, weichsei safft,
gersten müslein, haberniQslein , Erbesbrüe, flaisch brüe, jnn welcher sawer-
amplTer, wegwart, vnnd der gleichenn gesotten ist; die lebernn muß man
schmiren mitt dem leber selblein.
Vor grossenn turst müest ihr die obgemeldt stückhenn zu der hitze
verordnett gebrauchen, so auch zwetschken, die sonnst bey euch im gebrauch
seindt, als dann müest ihr auch ein geringen wein trinckhenn, als Rosen
Zuckher, ist auch in diesem l'hall sehr guth, das raans jm mundt halte, so
auch kandel Zuckher.
(B[. 9a.J Das schwitzenn ist nicht vndinsllich, es sey dan das ihr
sehr schwach dauon werdett, wenn das geschech miest ihr khüler einsitzen
vnnd weniger zeith badenn.
Zum appetitt vnnd lust zum essenn sindt guth külennde vnnd saure
ding, die zusamen zehen, jtem dieselbigenn dienen auch zu abkrelTten ^-).
Zu Verstopfung des leibs sindt guth eure Pillulea, Zwetzschken,
weinberlin vnnd guthe Haisch briellein.
Der Whe tag des haubts kombtt gemainglich von die dempffe so aulT-
steigenn, im haubtt, deßwegen deshalbeun müst ir allemall nach dem essen
22) Wol entkräfton ; das Gofiihl clor Schwücho. reizt zum Essen, macht Appetit.
— 17 —
ettwas essenn, das die dempffe nider khann druckhenn, oder ihr aufsteigeu
khann verhinderu, nemblich ettwas von aim Rosen Zuekher, oder von ein-
g-emachte kütteun, oder Quittenn lattwergen oder vberzogenn Coriannder.
Das waehenn verhiudertt mau wie obengemeldt, so auch das brennen
des harms.
Souiel essenn vnnd trinckhen belanng-tt müst ihr euch haltenn, wie ver-
tzaichnett ist jm trinckhenn, ir müest euch auch endthalten vor kelte , so auch
vor grosser hitz.
Souiel vom baden.
Jetzunder wie manu das wasser auff das haupt g-iessen muß
zur trückhung- vnd sterckhung: des haupts, man mus ein hiltzes schefflin zwo
spannen hoch vom haupt hennckhenn vnd wau das ihr im badt seidl, das
wasser darin ir badett in das selbig-e schefflein giessenn, vnd durch ein henlin,
so weith das aines klains lingerHn halb groß darein ghenn mag, dasselbig
wasser aulT das haubt also warm fallenn lassenn das muß geschehenn ein
wenig vor ehe das ihr auß dem badt woldt ghenn, Erstlich müst ihr das wasser
fallenn lassen vornen auf das hauptt, ein hanndt braith von der stirnn.
letztlich binden ein banndtbraith vom knieckh, das müst ihr treibenn so lanng
ir badett; ehe ir auß dem badt ghett, müst ir das hauptt mitt warmen tüchern
woll reiben vnnd truckheun lassenn, vnnd ettwas vmb das haubtt wickhelnn,
damith es woll warm Bleib.
Thue euch damith jnn schütz des Allmechtigen, der euch durch seinen
segen vnd genaden glückhseligkhlich vnnd gesundt woll wider haim fhüren.
E: A: dinstwilliger
Yolcherus Coeiter
Baide leib vnnd wundt Artzeney üoctor zu Nürnnberg.
(Bl. 10a) Yerzaichnus deren Stüc-khen so ir im Carls badt
mitt euch miest nemen.
Zum ersten vonn allerlay Confecten wie vbertzogen Enis, fennchel,
Coriander, vbertzogen zimetrinden, neglin, Paradys körnlin -•'') viiml dergleichen.
Zum annderii allerlay labung vnd eingemacht ding, als eingemachte weichsein,
eingemachte S : Johanns berlin, eingemachte muscateller birlin, eingemachte
Pomerantzcn schelifenn, vnnd der gleichenn, jtem Quitten eingemacht, Quitten
Safft, Quitten lattwerglin, weinberlein, gutte Zwetschckhen. Item Trisonett-*)
vnnd dergleichen, so ir zu sterckhung im gebrauch habtt, jtem ihr mügt auch
woll ettwas von ein marceban iiiill nemen vnnd manndeln.
Vom gebrauch deren Stuckhen so ich iu die Appodeckhen
verordnet habe^"').
Zum erstenii bnb ich ein lattwergle vor denn durst mit A: vertzaichneit,
verordnctt, von welciienn ir biß weilnn, wen euch dürslell müst ein wenig
essenn, als nemblitdi eine haljje l("»frel voll, oder ein ganntze lölTel voll. (Bl. lüb)
23) Viclleichl die riiriskörncr = Cardamoraum. die iiacli Matlliioliis S. 220 C für die
mit ilerzziUcni, Scliwiiidi'l, Ohiiniaclil BcliaftottMi gut sind, aiicli den Mutzen slärken u. s. w.
24) Mit Zncker jyeniisclites Gewür/.pulvcr, Lexcr, mhd. Wörterlnicli II, lolG. Naclr
SclinioUer-Frommanus bayer. Wörlerliucii I. 67o ein in Wein Kolriinkles (udiück.
23) Der vorsichtige ärztliche Ualgeber liielt es also für iKilwcndij;,', seinem l'alienten
sogar eine Hausapotheke mit ins Ead zu gehen.
Mitteilungen aus dem gernian. Natioiuilmuseuni. ISDl. III.
18 —
Zum anndorn ein Purg-ier laüworg-lin, raitt B: vertzülchnett, vonn welchem ir
bey /wuylolh inCiest einenicn, uin tag- vor ihr anfahett, oder also einessenn oder
in ainer' orbi|5 brüe '") eindrinckhen. Ilcni ir müest merckhenn, das ihr diß
worglin ann Statt deren jm regimendl: gemeltcn pilen mügt gebrauchenn.
Item wenn ihi- liardt vcrstoptl't seidt (wie es sich ofllernials jnnsonder-
hailh vonn weg-en des badenns zutregtt) mügt ihr dasselbige Lattwerglin auch
gebrauchen n
7Aun dritten hab ich mag-cnscheulTclein ") mit G ver/aichnet verordnetfc,
welchen ir niiest gebrauchonn wie Jm Regimendt vertzaichnet ist.
Zum vierdten Ilaubtg-rubenn28j, mit D vertzaichnett, von welchen ir müst
allemall nach dem morgenn vnud nacht essen einen essenn vnud (weder) essenn
noch drinckhenn darauff.
Zum Fünirten ein leberselblin mitt welchen vonn weg'en der hitzen der
lebernn ir allemals, wen ir auß dem badb khommett müst die lebern schmirenn
als kaldt, so auch wenn euch von wegenn des drinckhens eine hitz anstossete.
(Bl. IIa.) Zum G. vermischette Connfect Zuckhern mit F: verzaichnnett,
vonn welchenn ihr jnn schwachaitten des magens vnd an kräfTtenn miest ein
wenig essenn.
Nürnberg. Hans Bosch.
26) Erbsenbrühe.
27j Mit Zucker bereitetes Arzneimittel für den Magen in Form von Täfetchen.
28)- Grieben für das Haupt. Als Grieben Avurden die Confectiones in forma solida
(:= Ar/.neistofTc zu Zuckcrkügclchen verarbeitet) bezeichnet.
Aus dem LcluMi Liulnigs von Hiittcii.
jer hervorragende EinHufs, den auf die (jeschicke Ulrichs von Hütten dessen
^1 Vetter Ludwig von Hütten ausgeübt hat, ist von allen denen, die das
i^^mi Lebensbild unseres grofsen Dichters und Patrioten darzustellen unter-
nommen haben, gebührend gewürdigt worden.
Ludwig von Hütten, bischütlich würzburgischer Rat und Erbamtmanu zu
Trimberg ^), gleich ausgezeichnet durch reiche Erfahrung, weite Verbindungen
und ein ansehnliches Vermögen, hat sich, obwol einem anderen Zweige des
Huttenschen Geschlechtes angehörig 2), Avährend der bewegten Jugend- und
Wander jähre Ulrichs als ein stets hilfsbereiter Wohlthäter und Gönner des mit
seinem Vater zerfallenen, oft genug von allem entblöfsten Jünglings erwiesen^),
wofür der Dichter in seinen Werken wie in seinen Briefen oft und gern seinem
Danke mit warmen Worten Ausdruck leiht. Und nicht nur mit Worten : Als die
P^rmordung von Ludwigs Sohne Hans durch Herzog Ulrich von Württenjberg
nicht blos dem Vater Schmerz und Schimpf brachte, sondern das ganze Aveit-
verzweigte Geschlecht in hellem Zorne auflodern und sich zur Rache verbinden
1) Unterfranken, Bez. Ilammctbui'g.
2) Eine Übersicht über die Verzweigung des Geschlechtes gibt Landau, »Die hessischen
Ritterburgen und ihre Besitzer« Band Tlf, S. 189 ff; vgl. besonders S. 292 ff. und die Ge-
schlechlstafel.
3J Vgl. Straufs, »Ulrich von Hütten« Bd. I, S. G u. 34.
— 19 —
liefs, da eilte auch Ulrich, die alte Dankesschuld abzutragen und sein Talent
dem g-emeinsameu Rachewerke zur YerfUg-ung- zu stellen.
Eines der frühesten hierdurch veranlafsten Produkte von Ulrichs Feder
ist vielleicht das wenige Monate nach dem Morde erlassene merkwürdig-e Aus-
schreiben Ludwigs von Hütten an alle Stände des Reiches. Von diesem besitzt
unsere Kupferstichsammlung' einen Abdruck (H. B. 2747), dessen ungemeine
Seltenheit eine etwas eingehendere Beschreibung wol rechtfertigt.
Derselbe, ein Einblattdruck, steht auf einem Blatte von ö2,5.cm. Höhe und
36 cm. Breite, umgeben von einem 2 cm. breiten Rande. Den gröfsten Teil des
Blattes füllt der Text des Ausschreibens, gegliedert in 10 Absätze und 83 (ca.
0,3cm. von einander abstehende) Zeilen, deren erste und letzte lauten: „Allen
vnd yeden Chürfursten Fürsten Gaistlich vnd wetlich (sie!) Prelaten Grauen
Freyherru Ritterschafft Steten vnd gemeinden, Aujigeschlossen dem nachbenan-
ten thyranischen Her(tzog) hirfurgetrücktem Insigel auf Sambstag saut
Merlins des heyligen Bischofs abendt, Nach Christi vnsers lieben hern gepürdt
Tausent Fünffhundert vnd darnach im funftzehenden jare." Bis auf die eben
angeführte Datierung (10. November 1515) stimmt der Text, in welchem Ludwig
in kraftvollen Worten über die dem Ermordeten und seinem ganzen Hause
angethaue Schmach bittere Klage führt, im wesentlichen zu der bei Ar et in*)
wiedergegebenen, von Straufs^) besprochenen Rezension, welche indessen das
Datum ,,auff saut Margarethen tag" 1316 aufweist.
Unmittelbar an den Text, aber nicht dessen ganze Breite erfüllend, schliefst
sich ein 1^4,5 cm. breiter, 9,5 cm. hoher, kolorierter Holzschnitt an. Derselbe, in
Stacke's „Deutscher Geschichte" (Bd. H, S. 69) nach unserem Originale ziemlich
getreu abgebildet, zeigt in der rohen, aber charakteristischen Darstellungsweise
der Flugblätter jener Zeit den Herzog, wie er sein Opfer mit seinem Gürtel
an ein ihm zu. Häupten in den Boden gestofsenes Schwert anknüpft, als Symbol
der entehrenden Strafe des Stranges. In der linken, unteren Ecke des Holz-
schnittes hat der Meister desselben seine Initialen J. P. angeltracht.
Wenn auch die Urheberschaft Ulrichs für dieses Ausschreiben nicht akten-
mäfsig zu beweisen ist, so bleibt dieselbe doch bei der nahen Verwandtschaft des
Schreibens mit den späteren gewaltigen Anklagereden des Dichters gegen Herzog
Ulrich höchst wahrscheinlich, und jedenfalls hat kaum ein anderes Ereignis in
Ulrichs Leben einen so nachhaltigen Einllufs auf seine geistige Entwickelung
und litterarische Produktion geübt, wie eben dies häusliche Leid seines Vetters
und Wohlthüters Ludwig.
Bei dieser Bedeutung Ludwigs von Hütten darf wol auch ein anderer,
nicht unwichtiger, wenn auch mit den Geschicken dos Dichters nicht in direkter
Berührung stehender Beitrag zu seiner Lebcusgeschichte eines gewissen In-
teresses sicher sein.
Unser Archiv besitzt eine Urkundt; vom Montage nach St. Ulrichstag
(7. Juli) 1477, durch welche Konrad von Hütten der Allere und Konrad und Lud-
wig seine SiUine, die Ausstattung der Margarete von Hütten, geborene Spetin,
Ludwiürs (icinahün, sicher sielien. Diese Ausstattung- besteht einmal in der 1000
(iuldcn rhein. betragenden lleimsteuer (Mitgift) Margaretens. welclie deren Brüder
Kaspar, Ludwig und Eberhard ihrem Schwager Ludwig anvertrauen, damit er sie
4) »Boiträge -/.. Goseli. ii. ■f.illriatiir« Bd. IV, S. 399—409. 5) a. a. 0. Bd. I, S. 121.
— 20 —
für seine Gull in in ReiiLen anlege ß). Aufserdeni erhält Margarete von Ludwig
selbst eine Widerlegung, d. h. eine der Mitgift entsprechende, meist ihr au Höhe
gleichkoniniende Ausstattung der Frau durch den Mann'), im Betrage von
lUUU (Julden sowie 3UÜ Gulden als Morgengabe, welche ebenfalls in Renten an-
zulegen sind. Im Ganzen verschreiben also Ludwig, sein Vater und sein Bruder
Margarete für 2300 Gulden Renten, im Gesamtwerte von io4 Gulden, was dem
Weiler unten Margarete zugesicherten Zinserträge 1 von 15 oder 6^/30/0 ent-
spricht. Die nach dem damaligen Geldwerte nicht unbeträchtliche Höhe dieser
Summen zeigt, dafs beide Beteiligte begüterten und angesehenen Familien an-
gehören. Das Geschlecht der Spet, welchem die Frau Ludwigs entstammte, ist
eins der ältesten Rittergeschlechter Oberschwabens und bekleidete das Erbtruch-
sessenamt im Herzogtume Württemberg. GemäCs dieser seiner Verschwägerung
mit Ludwig von Hütten nahm das Geschlecht später an der Vertreibung Herzog-
Ulrichs von AVürttemberg hervorragenden Anteil.
Nicht nur als Beitrag zur Lebensgeschichte des Wohlthäters und Förderers
eines der hervorragendsten Geister unseres Volkes, sondern auch als Probe der
bei dem Abschlüsse derartiger Rechtsgeschäfte üblichen Formen möge unsere
Urkunde ihrem vollen Wortlaute nach hier ihre Stelle tinden:
Ich Connradt vom Hütten Ritter ich Conradt vud ich Ludewig vom Hütten
gebruder sein eliche sone bekennen offmlichen für vns vnd für alle vnser erben j
vnd thun kunth allermeniglich. Als ich itzuudt genandter Ludwigk vom Hütten
mich nach rat der vor genanten meyns lieben hern vaters vnd bruder auch [
ander meyner fründe verheyrath vnd vermahelt han mit der edeln vnd ersamen
Margrethen vom Hütten geborn ein Spetin der edeln vnd vesten | Caspers
Ludewigs vnd Eberhartten der Speien gebruder eliche swester di mir nu zu
der seibin ir swester zu heyradt gut tausendt Reinisch gülden geben | haben
dawider vnd da gegen ich ir zu widerlegunge auch zu gefugt vnd gegeben
han tawsendt Reinisch gülden vnd dreyhundert Reinisch gülden zu morgen |
gäbe das alles zu gelt widerlegunge vnd morgengabe sich an einer somme
gepurt zweytausendt vnd dreyhundert Reinisch gülden derselbin somme ich ,
sie uff di nachgemelten stücke vud gute dl dann von dem stifft zu Wirtzpurgk
heyr rurende vnd kauffguter sindt auch mit vorwilligunge der | seibin kauffhern
laudt eins britfs in dar über gegeben mit namen uff einem haws zu Kissige^)
des Aufeß vnd zu Ewerdorff^) hundert vnd ein ] gülden vnd uff Ramstal 1°) ein
vnd dreissig gülden vnd uff AAvera^^) newnhalbin gülden vnd uff Engeltal acht
6) Eine andere Form der Mitgiftserteilung, nach dtu- die Summe derselben nicht dem
jungen Ehemanne ausgezahlt wird, sondern Zinsbriefe nnd Anweisungen in entsprechender
Höhe der gröfseren Sicherheit lialber bei einem gemeinsamen Yertrauensmanue deponiert
werden, begegnet uns z. B. in einem unserem Archive angehörigen Ehekontrakte Philipps
von Redern mit Anna Krieg von Altheim, datiert: Mosbach, 4. September 1430, wo der Vater
der Braut, Rudolf Krieg, eine Anweisung über 1000 Gulden auf Konrad Schenk zu Erpach
bei dem Abte Kuuo von Seligenstadt hinterlegt.
7) Vgl. Schröder, »Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland« Bd. II,
S. 81, wo die ältere Bedeutung der Widerlegung: eine Sicherheitsstellung für spätere Rück-
zahlung der Heimsteuer, von unserer jüngeren: einer Zugabe zur Heimsteuer, unter-
schieden wird.
8) Jedenfalls Kissingen a. d. fränk. Saale. 9) Euerdorf, Unterfranken, a. d. Saale.
10) Ramsthal, Uaterfranken, Bez. llammelbiu-g. 11) Aura, a. d. Saale, unweit Kissingen.
— 21 —
g'iilden vnd ein ort^-) viid utT Triinperg'^) im thale fünf g-ulden vud ein ortt
wi dann di an dem heyradt verweyßbriff vnd verschreybung-e ir \videi'leg'ung;e
vnd morg-engabe halb von | mir versig-elt außg-angen auch beg-riffen seindt etc.
Also geraden g-eloben vud versprechen wir obg-eraelten Conuradt vom Hütten
ritter Conrath | vud Ludewig* voui Hütten gebruder sein eliche soue alle drey
für vns vnd vnser erben in g-antzen guten waren trewen ob das geschech vnd |
sich fug:ete das solich obgeschriben kauffguter vnd stuck dar auff ir dann di
zweytause(n)t vnd dreyhundert Reinisch gülden ir widerlegunge vnd | morgen-
gabe verschriben vnd verweyst ^^) ist als durch di kauff'hern widerkaufft vnd
gelost wurde laudt deß haubtbriues etc. das wir dan diselbin | sommen wider
anlegen sollin vnd wollen vnd sie danne der obgemelten zweytausendt gülden
widerlegunge vnd dreyhundert gülden morgengabe in | massen wy sie ytzt vnd
nach nottorfft versorgt wider darauff beweyßen vnd vergnügen oder aber wo
solich gelt in der zeyt nicht angelegt würde | sie sunst in obgemelter zeyt uff
anderen mein Ludevvigs genantes besatzten '^^) gutem verweysen damit sie ir
wide(r)legunge vnd morgengabe habehafft gewyß | vnd sicher sey das sie nemlich
je von funffzehen gülden ein gülden zins wol haben möge sie auch vnd ir
trager ^''•) in tragers weyß dar vrab mit | briffen gewerschafft verschreybungen
nach aller nottortrt wi itztgescheen dar vmb versehen versorgen vnd versigelt
übergeben on alle Widerrede. | Wo aber wir oder vnnser erben das nicht tettin
daran sewniig wern oder ir sunst mit oder durch recht an solicher irer ver-
weysunge widerlegunge | vnd morgengabe etwas bruch hett oder zu schaden
gepracht wurde wie oder in welche weyß sich das also fugete dar vmb sollin
vnd wollen | wir vnd alle vnser erben alle drey vnuerscheydelich dar auffgeweru
sein mit recht vertretten vollenden außrichten nachkomen vnd gnüge thuu |
on alle furwordt Widerrede vnd außzuge in alle weyß. Wo das nicht beschech
so haben sie ir erben vnd trager in tragers weyß viid alle ir | helffer allezeit
dar nach wanne sie wollin vollen gewalt vnd gut recht on gericht vnd on clage
oder ob sie wolliu mit hoff- kamern- oder landt | gerichten oder andern geistlichen
vnd werntlichen gerichten vnd mit clage vnser oder vnser erben gemeyniglich
vnd vmierscheidelich oder | vnser ein oder mer insunderheyt welche oder welchen
sie dan vnder vns wollen an allen vnsern slossen lewten ligenden vnd faren-
den i guten gemeniglich oder sunderlichen dar vmb anzugreytfcn zu nolen zu
pfenden zu uerbyeten aufzuhalten cinzunemen innezuhaben zu uerkeuffen | oiler
zu uersetzen in steten slossen merckten dorffern uff wasser oder uff dem lande
wie vnd wo sie wollen können oder mögen vnd in aller | best füget uugefreuelter
dinge gegen allen lewten vnd gerichten geistlichen vnd werntlichen vnd gegen
aller meniglich jemcr so lange vil | vnd gnug vntz "') daz in alles das deß sie
danne nach inrüialt vnd außweysunge diß brids volzogen volferliget außgericht
gnuge gethan | vnd bescheclien snndei' vmb alle geldru coslen vml seheden tlar
auff ergangen gewerdL viid bczall ist ou alle fuiwoidl \ iid außzuge genizlichen |
011 allen iren schaden. Dauor auch viis \ ml vnnser rrliin nucli illicin \ iiscr slos
It'wl liu'ctiill n()(-li varendl gut inchlznil '') frevcn frieden decken \ schützen
schirmen noch hinschiben sol dhein freyheit freyunge fride glail gewalt
12) V* Gultleii. 13) angewiesen. 14) d. Ii. verpaililoloii.
15) Anwalt, Voilreler. 16) liis. 17) diirohaus nichts.
gesetz gebot noch verbot noch dhoin vereynunge geselschafft püntnüß | g-nade
Ireyheit noch jirinih^g so wir von dem heiligen Stule zu Rome von den
Concilien von Komischen keysern koningen oder andern fursten | herren oder
statin erworben oder innehetten oder furhin erwerben mochten noch besunder
kein lioC- kamer- oder landtgericht noch ilhcin andere geistlich | noch werntliche
gerichl noch sach wi man di da wider erdencken oder suchen niocht in alle
weyß denn wir vns liir iiinc für vns vnd ] vnnser erben aller gnade freyheit
recht appellirens aller hillT vnd alles schirms damit wir vns wider alle vnd
igliche in suntler obgeschriben artickel | stuck vnd sach gesetzen reden fundt
list oder anßzuge suchen mochten mit disem briffe gentzlich verzihen ^^) vnd be-
geben haben verziehen vnd | begeben vns auch de(5 alles itzt wissentlichen nach
ordenunge der recht in alle weyse. Vnd deß vnd aller vorgeschriben Sachen
bey vnnsern guten | trewen an eydestat gewunlich nach zu konien vnd zu halten
zu warem vrkunde so haben wir alle drey vnser eigene insigel für vns | vnd
vnnser erben oflßnlich an den briffe lassen hencken. Der geben ist nach Cristi
vnsers lieben herrn gepurt tausent vyerhundert vnd | im sibeu vnd sibizigesten
jar uff montagk nach Sandt Virichs tage deß heiligen bischoues.
Orig. Perg. Alle Siegel fehlen.
Nürnberg Dr. Heinr. Wendt.
18) verzichtet.
Fastiiachtsbi'lustigiiug im Jalirc 1657.
»g^^^nter dem ritterlichen Kaiser Maximilian I. nahm das Turuierwesen einen
neuen Aufschwung, der aber nicht sehr lange anhielt. Die Freude an
den ritterlichen Spielen liefs verhältnismäfsig bald nach; es traten die
Ringelrennen, Quintanrennen u.s. w. in den Vordergrund, an welchen sich nun-
mehr Fürsten und Adel ebenso ergötzten, wie früher an jenen. Dabei kamen Spiele
auf, die man sogar als Spott auf das Turnierwesen ansehen könnte, w^enn sie
nicht von Turnierfähigen selbst betrieben oder protegiert worden wären. Zu
diesen gehörte das sogen. Kübelstechen, bei w^elchen sich die Kämpfenden in
hölzerne Kübel oder Bottiche steckten und in dieser Ausrüstung gegen einander
anritten, um auf ihre eigene Kosten den Zuschauern Stoff zum Lachen zu
bieten. Die Kübelstechen mögen zuerst von den Dienern der Turnierenden
gegen ein gutes Trinkgeld der Herren diesen zum »gnädigen Spasse» auf-
geführt worden sein. Nach Schmeller - Frommann ^) schenkte der bayerische
Hof im Jahre 1571 den Schäfflergesellen »von wegen, dafs sie ein Küblgestäch
triben« vier Gulden. Unter den Festlichkeiten, welche 1596 zu Stuttgart
gelegentlich einer herzoglichen Kindstaufe abgehalten wurden, wird auch ein
Kübelstechen erwähnt. »Am MilLwucheu den 10. merzens hult man den kübel-
turnier. es zogen nach essens 20 rütter, zechen wirtembergisch, zechen marg-
grefisch, uf den renblatz, hatten anstatt der helmcn grofse kübel oder sester
uf, gemolt, an di ristungen . . . stark angebunden, waren gepecht und gar
wol usgefietret . . . halUin hölzene lange sper, davornen stumpf wie wein-
stößel« u. s. w. ^).
1) Bayerisches AVörterhuch I, 1218. 2) Grimm, deutsches Wörterbuch V, 2489 f,
— 23 —
Über ein Kübelstecheu, das im Jahre 1637, vielleicht von Ang-ehürig-en des
oberpfälzischen Adels in übermütig-er Fastnachtslauue abgehalten wurde, sind in
einer Handschrift (Nr. 7103. 2^) des g-ernian. Museums einige Nachrichten enthalten.
Dieselbe ist betitelt: »Miscellaneagenealogica In welche verschiedene Geschlechts
Nachrichten von mehreren hierinen benannten Familien . . . zusammengetragen
worden« ; angelegt wurde die Sammlung 1787 von Johann Georg Freiherrn von
Gobel auf Hofgiebing und Kulmaiu, »Sr. Churfürstlichen Durchlaucht zu Pfalz-
baiern etc. wirklichen Kammerer, Regierungsrath und Landrichter, dann Land-
hauptmann zu Amberg, wie auch eines bairischen hochadeligen Scti. Michaelis
Ritterordens Groskreuz«. Auf Bl. 412 bis 414 finden sich zwischen den genea-
logischen Nachrichten, die von verschiedenen Händen des 17. und 18. Jahrhunderts
herrühren, die das Kübelstechen betreffenden Schriftstücke, ohne dafs aus den-
selben hervorgeht, zu welcher der Familien, die in dem Buche berücksichtigt
sind, dieselben in Beziehung stehen. Und doch darf wol mit Sicherheit an^-e-
nommen werden, dafs aus dem Kreise dieser Geschlechter unsere Mitteilungen
kamen, die wir als einen Beitrag zur Geschichte der Fastnachtsbelustigungen
der adeligen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts und der Derbheit der Sitten, die
in derselben damals noch herrschte, nachstehend veröffentlichen.
An die Spitze derselben stellen wir die Einladung, welche auf einem Quer-
folioblatt in Mandatform niedergeschrieben ist. Es handelt sich dabei um einen Zwei-
kampf zwischen dem Bacchus und seinem »getrew gewesten Sauffbrueder« ; als die
Veranlassung zu demselben wird die vermeintliche Überlegenheit des letzteren im
Essen und Trinken über Bacchus angegeben. Die Einladung hat folgenden Worthiut:
»Kundt vnd zuwisßen seye Jedermenigl ich. Das weilen zu
dißer Faßnachtzeit sich der dickhe Pachus mit seinem getrew gewesten
Sauffbrueder : wegen daß er jme in Essen vnd Trinnkhen, allerdings nichten nach-
geben: sondern Jhme damit vorgehen will, hefftig erzürnet, vnd entzwayet. Solcher
zwyspalt aber, vngeacht man sich starckh bemüehet, Sie beede wider in güete
zu verainigen, nicht beigelegt werden khan. Derowegen gedachter Pachus. vnd
vorgedacht sein Sauberer brueder entschlossen, Solch jres ernstlichen Streitts
halben, ein oflendliches Kiblstechen, wie man vor äugen soeben würdt, zuhalten.
Ersuechen demnach alle liebhabende zuesecher, vnd Faßnachtsgenossen, disem
jreni Ritterlichen Kiblstechen mit geduldt zuezusechen, vnd welcher vnder
jnneu beeden obsigen würdet, die erhaltene Victori vnd Ehr : zuuergonnen. auch
in diser lieben Faßnachtszeit, Jrer mit freuiidIlichriH angedenckhen nit zuuer-
gessen. Daß wollen Sie jhreni Prasserischen gebrauch nach, alß redliche Bider-
leith, so Tag alß Nachts, in stetwehrendem wollusst, souil jnnon ni(iglich Ihi'ou-
herzig verschulden. Geben in der Faßnacht Ao. 16;)7«.
Auf einem zweiten Blatte steht, von anderer Hand, die (hihiung i\c<. Kübel-
stechens, die wir nachstehend wiedergeben.
»Verzaichnus oder Gartcll, wie man sich bey dem Kibelstechon
zuuerhal l en.
1. Erstlichcn geschehen 3 Ritt, die sich vnder solchem Keilten um bcssten
halten, andere herunder Stosscn , vnnd selbst nit herunder fahlen, sondern vf
dem Rosß sizen verbleiben, haben den damkli. i. Wann zwcen oder mehr gleich
werden, Muessens widerumb mit einander stüchen, biß Ihr 3 !Maister: dann 3 ge-
— 24 —
w'iinoler sein. 3. E(5 soll sich aber khciiicr am Rosß in die Mohin einheben ^),
khfjn Pech oder ander vni>asßierliclie Vorthcil brauchen, dan sonst sein Ritt ver-
lohrcn. \. Ing'leichcin (hi sich ainer mit der Stangen erhielt, hals 9benmessig'e
nuiimiiii^', (hi(5 der Rill nit g'ültig-. 5. Solle sich auch kheiner von denen so die
Roß führen, oder (durch) andere heben lassen, da er g-etrofTen vnd im fallen ist.
(). Daß Schlag^en mit der Stangen ist g-anz verbotten, vnd g-estrafft vmb alle drey
Uitl. 7. Sondern solle ein ieder sein Stang- vber sich führen, darmit seinen gegen-
theil vf den Kibl stossen, dan auf den leib gilts nit, 8. Daß Eysen Stängl, so
vber zwerch durch ilie Stangen gehet, mueß aines thails vber die Prust, vnd
daß anckir Iheil vorher deß armbs stehen. 9. Der Stoß mit der Stangen mucß
in deß Pferdt Trab geschehen. 10. Solle woll in obacht genommen werden, daß
kheiner anreit, biß Ihmc mit dem Hörn die loßung geben wirdt, vnd Ihne sein
Patrin') jnit dem Kartcnplats nammcn, so Kr am Kibl hat, er fordert«.
Als letztes Aktenstück geben wir die Ordnung des Zuges, der immerhin
sich stattlich repräsentiert haben mufs, Sie lautet: '
»Zugordnung deß Kübelstöchens, so gehalten worden in der
Fas nacht den 12. Febr: a''. 1()57.
I. Erstlich Reit der vorreiter vnd blast auf ainem Khüehorn. — 2. Hierauf
Voigt der Leyrer^) auch reitent. — 3. 12 Zani^) deren jr 6 Grien vnd 6 Schwarz
Claidt zu Fueß, allerlay Posßen treibent. — 4. ain Nar so hin der sich auf ainem
ößl reit, mit einem grossen Pierpöcher. — S. ain grosß Gamel darauf ain
SackhpfeitTer vnd ain Teorbanist^). — 6. ain Glain Gamel darauf eiji Äff mit ainer
Paukhen. — 7. 3 Zani so Kolben tragen. — 8. die B Judices. — 9. 2 pautelon
mil wunderlichen Instrumenten. — 10. wider 2 panteloni vff ainem ößl sizent,
mit zusammen khertem Rukhen, hinder vnd für sich raitent. — 11. Bacho. —
12. 2 stangentrager. — 13. 4 grobe Pfeiffer. — 14. Der Erste patrin'^). —
15. Dienner. — 16. ain Panierführer mit löKübelstöhern Namens mit den Karten-
plütern, so Ihnen an die Kübel angeuaglet. — 17. aber 2 stangentrager, —
18. 4 der Glainen Pfeiffer. — 19. Der ander patrin. — 20. ö Dienner. — 21. der
Panierführer mit 16 Kübelstöchern, Namens mit den vf die Kübel genagleten
Kartenplütern. — 22, 2 Posßierliche Narn, — 23. 4 Sadl vnd Riemergsöln mit
jrem werckzeug«.
Leider besitzen wir über den Verlauf des Stechens selbst keinerlei Nach-
richten, das nach dem, was wir aus der Einladung und den Ordnungen erfahren
haben, wohl unter allgemeiner Lust und Freude verlaufen ist.
Nürnberg. Hans Bosch,,
ä) d. i. an der Mäline aiihaUoii.
4) Nicod. Friscliliii scIiriMbt in soincn »Sieljcn Büclicr, Von der Fürstlichen Würtem-
bergischen Hochzeit« (Tiibinj;cn 1578) S. 289 am Rande »die Patrin oder vorreitende Wall'en-
treger«, d. i. Wappenträger, und im Texte:
»Darnach lier rillen die Palrin *
Geivleidet all in lauler grün
Zu dem Thnrnir verordnet fein,
Dafs sie autseher sollen sein.«
Die Palrin scheinen also die Ordner und Konimandanten jeder Ahleiinng gewesen zu sein,
oj Wol einer, der die Leier spiellc (} ) Zanni, italien., Hanswurst, Harlekiji.
7) Der Spieler der Theorbc, d. i. einer Balslautc von 14 — 16 Saiten,
— Ti
Über ältere Dachzicgeleiudeckiiiigeii
nach den Mustern in der Sammlung von Bauteilen des germanischen Museums.
ehts ist auf Erden klein und unbedeutend, weil an allem und jedem,
I was es auch sei, irgend Jemand Interesse hat. Ist nun auch ein üach-
I zieg-el kein Schatz, so ist er doch eigentlich für Niemanden bedeutungs-
los, der, ob arm oder reich, ein sicheres, schützendes Dach über sich haben
will. Wenn die flüchtigen Besucher, welche unsere ausgedehnten Samm-
lungen so rasch als möglich besichtigen wollen, damit sie mit dem nächsten
Zuge weiter fahren können, sich bei den aufgestellten Dachziegeln nicht lange
aufhalten, so ist uns doch noch keiner vorgekommen, der mit gleichgiltigem
Gesichte daran vorbei gegangen wäre. Wol aber hat schon mancher im raschen
Yorüberfliegen seinem Begleiter, einfach das Wort »Dachziegehf aussprechend,
verständnisinnig zugenickt; es waren jedenfalls Hausbesitzer; denn jeder Haus-
besitzer weifs von seinem Dache ein Lied zu singen. Es ist schon ein altes
Lied von den Schmerzen, welche die Dichthaltung des Daches machen, von den
Kosten, welche der Hausbesitzer damit hat, und von der Unzuverlässigkeit der
Dacharbeiter, die oft bei Reparaturen mehr verderben, als sie gut machen. Die
Dächer bedürfen beständiger Aufsicht und gehen doch viel zu rasch, trotz der
Reparaturen, zu Grunde, bis die ganze Deckung, dem Besitzer viel zu früh, voll-
ständig herabgenommen werden mufs, weil man den Schaden nicht recht findet,
worauf bei der neuen Deckung das alte Lied wieder von vorn anfängt. Es
ist aber wirklich ein altes Lied, denn Väter und Glrofsväter sangen es schon
vor Jahrhunderten. Wir dürfen also hoffen, das Interesse viele unserer Freunde
anzuregen, wenn wir uns über alte Dachdeckungen mit ihnen unterhalten, denn
sie vermuten wenigstens alle, dafs doch die alten Dächer besser waren, als die
jetzigen. Wir wollen indes zunächst nur an unseren Beispielen zeigen, wie
dies und jenes gemacht wurde, nicht darüber belehren, wie heute ein gutes
Dach gemacht, wie es erhalten werden soll, und wie Reparaturen so zu bewerk-
stelligen sind, dafs nicht das gesamte übrige Dach dabei zu Grunde geht.
Könnten wir dies auch, es hätte keinen Zweck, denn unsere Vorschläge würden
doch den Dachdeckergehilfen nicht gefallen, und gerade sie sind ja oft genug
die Quelle des Übels. So wird wol auch bei unseren Kindern und Enkeln das
alte Lied noch lange neu bleiben !
Unsere von grauer Vorzeit her uralte, heimische und somit gewifs acht
nationale Bauweise ist jene aus Holz mit Dächern von Stroh. Sie hat sich
auf dem Lande in den meisten Gegenden Deutschlands erhallen, bis die neu-
zeitlichen behördlichen Mafsregeln ihr ernstlich der Feuergofährlichkeit wogen
den Krieg erklärt haben. Noch ist man auf dem Lande aber nicht ganz mit
ihnen fertig geworden, und selbst in kloinen Städten findet sich in Deutschland
wol noch da und dort ein Strohdach. Ebenso ist es niil den Schindeldächern,
sicher der ällostcn Deckungsart für steinerne Gebäude in Deutschland. Aber
die Mehrzahl der Stroh- und Schindohlächor ist, so feuergefährlich sie auch
sind, doch nicht durch Feuer zu Grunde gegangen, sondern verfault und ver-
wittert. Die Deckung mit Schiefer war in früherer Zeit natürlich auf jene
Gegenden beschränkt, in welchen er gebrochen wurde, oder die nicht weit
Mitteilungen aus dem gernian. Nationalmuseuin. 18i)l. IV.
— 26 —
davon lap-en. Ihn dui-ch die Lande zu führen, wäre zu teuer geworden. Da
war denn im gTüfsten Teile Deutschlands, wo man ein ordentliches, soweit als
inög-lich »feuersicheres« Dach haben wollte, der Zieg-el das geeignete Material.
Reste von Stroh- und Schindeldächern, die aus dem Mittelalter stammten, haben
wir nicht mehr. Auch von Schieferdächern dürften wenige wirklich sehr alte
Reste mehr vorhanden sein.
Am meisten ist uns noch von Ziegeldächern, sowie von einzelnen Ziegeln
des Mittelalters erhalten geblieben. Wir haben zwar auch da wol kein Dach
mehr, welches nicht später wiederholt repariert und umgedeckt worden wäre;
aber es sind doch noch deren so viele erhalten, bei welchen die Mehrzahl der
Ziegel noch aus dem Mittelalter stammt, dazu so viele einzelne Ziegel, sowol
gewöhnliche als Schmuckziegel, dals wir ein recht langes Kapitel über die
Ziegeldeckung des Mittelalters schreiben könnten.
Es sind vorzugsweise zweierlei Deckungsmethoden, die uns entgegen-
treten, und welche vom Beginne des Mittelalters, bis über dessen Schlufs hinaus,
nebeneinander hergingen. Die eine knüpft an die antike Dachdeckung an, wo
Platten mit aufstehenden Rändern Verwendung fanden, welche so neben ein-
ander gehängt wurden, dafs über die benachbarten Ränder von je zwei Platten
ein Hohlziegel gelegt wurde. Man nahm jedoch statt der unterliegenden Platten
ebenfalls Hohlziegel, so dafs die deckenden Hohlziegel ziemlich dicht nebenein-
ander stehen. Man hat heute, und schon länger her, für diese Deckungsweise
die wenig schöne, technische Bezeichnung ^'Nonne« und »Mönch« ; dafs diese Be-
zeichnung aber schon im Mittelalter gebräuchlich war, bezweifeln wir. Die
Mafse, in welchen die einzelnen Steine ausigeführt sind, sind sehr verschieden,
teilweise recht beträchtlich, und es scheinen gerade die älteren die gröfsten zu
sein. In der Sammlung des germanischen Nationalmuseums befinden sich welche,
die 62 cm. lang und 27 cm. breit sind, dabei ein Gewicht von 10,7 Kgr. haben.
Denkt man sich diese selbst mit etwas schmäleren, die im Museum ein Gewicht
von 1,65 Kgr. haben, überdeckt und gut vermörtelt, so erhält der Quadratmeter
ein Gewicht von ca. 97 Kgr. Es war dies ein recht beträchtliches Gewicht,
und es bedurfte starker Dachstühle, wie sie auf kleinen Häusern selten waren,
um sie zu tragen. In Nürnberg findet sich daher nicht selten der Fall , dafs
man bei \"erwendung kleinerer und dünnerer Hohlziegel die oberen Deckreihen,
die »Mönche«, ganz wegliefs und durch gutes Mörteln der Fugen mit den
»Nonnen« allein ein dichtes Dach erzielte. Dabei ist zu bemerken, dafs die
»Nonnen« an den Nasen, welche jeder Hohlziegel hatte, auf die starke Lattung
aufgehängt wurden, die »Mönche« dagegen meist ohne Nasen darauf gelegt
wurden, weil das Dach sonst zu unruhig bewegt ausgesehen haben würde,
wenn von jedem sichtbar werdenden Ziegel die Nase emporstehen würde. Da
diese Nase aber doch zur Befestigung desselben auf der Lattung resp. auf den
unteren Ziegeln nicht dienen konnte, so konnten sie leicht abgeschlagen werden,
wenn nicht ohne Nasen hergestellte zur Verfügung standen. Zur Befestigung
der »Mönche« war ohnehin nur ein Mittel vorhanden, nämlich ein Loch in
dieselben mit einem spitzen Instrumente zu schlagen, und sie durch Eisennägel
auf der Lattung zu befestigen. Fig. 1 gibt in der oberen Ansicht, Fig. 2 und 3
im Durchschnitte, diese Deckungsweise in allen Stadien des Aufhängens und
der Mörtelung wieder.
— 27 —
at. !l cd.
n
1
Fig. 2.
Fig. 3.
— 28 —
Dieser ersten allg-enieinen Deckung-sart sland von früher Zeit her eine
zweite g-c^enUber, jene mit Platten, da und dort auch »Taschentf, »Pfannen«
und anders genannt, deren Ursprung- in den hölzernen Schindeln zu suchen
ist, an deren Stelle sie traten. Sie haben im Laufe der Zeiten und der Gej^en-
den verschiedene Formen erhalten, nach denen sich, wie bei den Schindeln,
eine verschiedenartige Zeichnung auf dem Dache bildete. Sehr alt sind die in
Fig. 4 dargestellten Ziegel aus der Bodenseegegend, wol dem 12.— 13. Jahrhun-
Fig. 4.
derte entstammend, von denen sich im Rosgartenmuseum zu Konstanz eine be-
trächtliche Zahl findet, und einzelne als Dupletten zu uns gekommen sind. Sie
verjüngen sich von oben gegen die Spitze hin, sind verhältnismäfsig stark und
ihre übertläche gewölbt. Sie lassen, nebeneinander gelegt, a, einen dreieckigen
Raum zwischen sich offen, den nun jene der nachfolgenden Schichte b nicht
vollständig decken, sondern erst die der dritten Schichte c. Deshalb wurde
ein Strohbüschel eingelegt, damit nicht Luft und Wind in die Öffnung zwischen
a und c eindringen und durch das offene Dreieck über a in das Innere des
Dachbodens gelangen konnte.
Fig. 5.
In Nürnberg waren während des Mittelalters für solche Ziegelplatten
zweierlei Formen im Gebrauche, von welchen es schwer fallen würde, zu be-
stimmen, welche die ältere ist, die Schuppenziegel (Fig. 5), oder die Spitzziegel
— 29 -
(Fig-. 6 und 7). Wenn wir erstere für etwas älter halten, und dem 14. Jahr-
hunderte zuweisen, so hat dies seinen Grund darin, dafs sie meist etwas mehr
gewölbt sind, als die Spitzzieg-el, welche teilweise vollkommen flach angefertigt
wurden. Diese mög-en wol vom Beginne des lo. Jahrhunderts an vorkommen.
Die Deckung- mit Schuppenzieg-eln bildete ein sehr ansprechendes Muster, ist
aber, wenn die AYülbung der Überfläche der einzelnen Platten so stark ist, wie
dies bei denen zutrifft, welche wir gerade für die ältesten halten, nicht sehr
luftdicht, da wol die Strohunterlag-en hier nie gebräuchlich waren. Wenn
jeder Ziegel bei a rechts und links auf der höchsten Stelle der darunter liegen-
den Ziegelreihe aufliegt, so fällt die Spitze b über den tiefsten Teil und es
kann somit unter b die Luft und insbesondere die Kälte in den Dachboden-
raum eindringen. Da ja die Ziegel nie mathematisch eben sind, sondern auch
der beste ein klein wenig windschief ist, so wird ja ohnehin die Ziegeldeckung
nie vollständig luftdicht.
Es ist bekannt, dafs am unteren Rande, wie am Dachfirste und bei den
Anschlüssen an die Giebel, Bruchstücke von Ziegeln nötig sind, welche heute
Fig. 6.
Fig. 7.
die Dachdecker durch Hauen ganzer Ziegel sich verschafTon. Im Mittelalter
formte uoel brannte man diese Teile eigens. Um also ein S[titzziegeldach (vgl.
Fig. 6 und 7) herzustellen, brauchte man für ilen unteren Rand die Schaufeln a,
für Anfang und Ende derselben halbe Schaufeln b; hierauf von den gewöhn-
lichen Ziegeln c so viel, als eben das Dach erforderte. Am Firste waren zwei
kurze Reihen d und e erforderlich, welche nicht auf Latten, sondern auf der
obersten Reihe der gewöhnlichen Ziegel c aufgehängt wurden. Wie nun der
Durchschnitt (Fig. 7) erkennen läfst, ist darauf mit Mörtel eine Reihe Hohl-
ziegel aufgesetzt, welche den First bildet. Es geht aus diesem Durclischnilte
auch hervor, dafs ein solches Dach immerhin [2 — löcm. über die Sparrenober-
fläche aufträgt, dafs an jeder Stelle, vom unteren Rande abgesehen, die Ziegel
dreifach auf einander liegen. Es ist also immerhin noch ein recht schweres
30
Dach, wenn auch nicht so schwer, als das von mittleren Hohlzieg^eln. Das auf den
einzelnen Zieg-el fallende Reg-enwasser läuft ahwärts bis zum Rande. An dem-
selben läuft jedoch ein grofser Teil entlang bis zur Spitze und fällt erst dort
auf den darunter lieg-enden Zieg-el. Es würde daher am Rande, wenn g-ewöhn-
liclie halbe Ziegel verwendet würden, ein grofser Teil des Wassers gegen den
Giebel geleitet werden und dieser dadurch feucht werden. Deshalb hat man
noch besondere Ziegel, f, gebrannt, bei welchen die Spitze vom Rande weg auf
die Fläche des darunter liegenden Ziegels geleitet ist. Für die Gräte und
Kehlen konnte man Ziegel nicht im Vorrat fertigen, da sie bei jeder verschie-
deneu Steigung des Daches verschieden werden mufsten und Normaldachprofile
nicht existierten.
Fig. 8.
Was die nürnbergischen , mittelalterlichen Dachziegel besonders aus-
zeichnet, das ist die Sorgfalt der Arbeit. Es ist offenbar der Thon auf das sorg-
fältigste geschlemmt, dann ist er von jeder schädlichen Beimischung, auch
von groben Kieskörnern, vollständig frei und aufserordentlich gleichmäfsig und
fein durchgearbeitet. Die Ziegel sind natürlich in Formen geschlagen, die
Nasen sehr sorgfältig aus der Hand modelliert und fest angesetzt, so lange der
Ziegel noch in der Form war, so dafs durch festes Andrücken die Nase mit
der Platte verbunden werden konnte, ohne dafs der Ziegel die Form änderte.
Sie müssen nicht zu feucht, dagegen mit ziemlicher Kraft in die Form geprefst
und sehr langsam getrocknet worden sein. Wenn sie etwa halb getrocknet
— 31 —
waren, wurde die Oberfläche wieder genetzt und mittels eines Pinsels, oder der
Hand so vollkommen als möglich geglättet. Dieser Manipulation ist es zu
danken, dafs alle Poren der Oberfläche ausgefüllt sind und infolge dessen sich
keine Algen und Mose, aber auch kein Schmutz auf die Oberfläche der Ziegel
setzt, welchen nicht der nächste Regen wieder abwaschen würde. Die Ziegel
haben so ihre tiefrote Farbe bis heute bewahrt, und mau kann an ihr jeden
mittelalterlichen Ziegel eines Daches von den bei Reparaturen dazu gekommenen,
späteren Ziegeln unterscheiden, weil alle späteren, auch wenn sie die alte Form
beibehielten, weniger sorgfältig gearbeitet und daher schwarz geworden sind.
Die beiden in Nürnberg heimischen Formen von Dachplatten sind nicht
an Nürnberg gebunden; sie kommen auch anderswo in ganz ähnlicher Art vor;
an der Arbeit aber und der roten Farbe sind die Nürnberger stets zu erkennen.
Auch unten halbrunde, flachrunde und ganz gerade finden sich anderwärts
nicht selten und sind in unserer Sammlung vertreten. Fig. 8 zeigt einen dem
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Fig. 9.
15. Jahrhunderte angehürigen Ziegel, sowie die Zeichnung der damit zu erzie-
lenden Ducheindeckung, wie wir mehrere solche Ziegel in Kloster Heilsbronn ge-
l'iindtMi haben; der Ziegel ist aber, trotz der Nähe Nürnliergs^ schon weit weniger
sorgfältig gearbeitet, als wir dies soeben an den nürnbergisehon gerühmt haben.
Die von den in Fig. 4—8 dargestellten abweichend geformten Ziegel unserer
SaMiniiinig, mit Ausnahme der unten hall)runden Schuiipenziegel , welche aus
Schwäbisch Gmünd stammen, gehören wol alli' drin 17. 'lalirliinidrilc an, widi-
rcnd man im ganzen 1(3. an ihn Formen des 14. und 15. 'lalirliiuiderls, iiisbeson-
dcrc in iNürnberg, l'esthiidl. Fig. 9 gibt eine, gerade in Nüi'iilti'rg, aber auch
anderwärts im 17. Jahrhunderl nicht seltene Form der Ziegel: die mi! solchen
ausgeführte Deckung zeigt eine den Hienenzellen ähnliche Zeichnung. Zu be-
merken ist, dafs schon im 17. Jahrlumderle die in dieser Form ausgefiihrlen
Ziegel gerade so wie jene, welche den älteren nachgebildet sind, die sorgfällige
Arbeit des 14. — 16. Jahrhunderts nicht mehr zeigen.
Aus allen diesen Beispielen geht hervor, wie vielfältig- die Schmückung
des Daches durch die Form der Ziegel allein erfolgen konnte. Nun kam aber
noch die Farbe hinzu. Man überzog, insbesondere in Schwaben, Bayern, Öster-
reich, Tirol, der Schweiz und Elsafs die Ziegeltcile, welche bei der Deckung
sichtbar blieben, mit farbiger Glasur, namentlich mit Grün, Rotbraun, Gelb
und Weifs, und konnte so farbige Streifen, Kauten und Zickzackmuster, sowie
ähnliche, einfache Teppichzeichnungen auf dem Dache bilden. In Frauken, wie
in Norddeutschland, kommt diese Glasur nicht vor.
Damit hängt auch das Vorkommen besonderer, ornamental ausgebildeter
First- und Gratziegel zusammen, sowie Eckspitzen, statt deren man in Nürn-
berg die grofsen kupfernen Kugeln mit Wetterfähnchen aus Kupfer hatte, welche
in späterer Zeit durch die vielstrahligen Sterne ersetzt wurden, welche in ihrer
Vergoldung lustig von den Spitzen der Dacherker herableuchteteu, aber auch
schon zum gröfsten Teile verschwunden sind.
An glasierten Firstziegeln mit besonderer (h'namentik bietet unsere
Sammlung zur Zeit noch keine Proben; ebenso fehlen uns solche Spitzen aus
¥ig. 10.
Fig. 11.
Fig. 12.
brannten! Thone, wie sie die Ecken der Dächer schmückten; dagegen haben wir
mehrere recht schöne Gratziegel. Einzelne derselben sind im Anzeiger für
Kunde der deutschen Vorzeit 1874, Sp. 329 f. abgebildet und es seien hier die Ab-
bildungen wiederholt. Fig. lU und 12 sind aus Schwäbisch Gmünd, beide grün
glasiert, Fig. 11 ist aus Villingen im Schwarzwalde und gelbbraun glasiert.
Der untere Haken ist abgebrochen.
Vielleicht ist Jemand in der Lage, urkundliche Beiträge zur Geschichte
der Nürnbergischen Ziegeleien zu liefern und, was wir als Techniker aus dem
Fabrikate schliefsen konnten, auch aus schriftlichen Quellen zu bestätigen.
Noch mehr aber würde es uns freuen, wenn sich Jemand entschlösse, Ziegel
von der alten Güte des 14.— 16. Jahrhunderts in Nürnberg zu fertigen, so dafs
man nicht genötigt wäre, die Deckung mit Ziegeln ganz aufzugeben.
Gries bei Bozen. A. v. Essenwein.
— 33 —
Ein Beitrag zur («escbichtc des Schmalkaldischeu Krieges.
j^s ist eine g-eschiehtlich hoch hedeutsame, bei dem weiteren Fortschreiten
der Forschung- immer deuthcher hervortretende Erscheinung-, dafs die
^^ eigentliche Entscheidung- des g-rofsen Kampfes zwischen dem zugleich
die alte Glaubenseinheit und die Idee des mittelalterlichen, römischen Reiches
deutscher Nation verfechtenden Kaisertume Karls V. und der für ständische
wie für religiöse Freiheit eintretenden Opposition des schmalkaldischen Bundes
nicht einer der Führer dieser entgegengesetzten Parteien herbeigeführt hat,
nicht Karl selbst, nicht Philipp von Hessen oder Johann Friedrich von Sachsen,
sondern ein Mann wie Moritz von Sachsen, der, nur auf seinen und seines
Hauses Ruhm und Vorteil bedacht, beiden weltbewegenden Prinzipien gleich
kühl, gleich innerlich abgewandt gegenüberstand.
Immer deutlicher erkennen wir, in wie günstiger Position die deutschen
Protestanten im Beginne und während der ganzen ersten in Oberdeutschland
spielenden Periode des schmalkaldischen Krieges sich dem Kaiser gegenüber
befanden^). Mehr als einmal schien sich ihnen die Gelegenheit zu bieten, durch
mutigen Augi-iff auf die ihnen kaum gewachsene Streitmacht Karls den Krieg
mit einem Schlage zu beenden und dem stolzen Weltherrscher ihre Bedingungen
vorzuschreiben, und auch dann, als der Sommer des Jahres 1546 zu Ende
gegangen war, ohne dafs man eine dieser Gelegenheiten benutzt hätte, zeigte
sich die Lage der Schmalkaldener als keineswegs hoffnungslos. Wenn man
sich während des Winters damit begnügte, weitere Fortschritte des Kaisers in
Oberdeutschland zu verhindern, um im nächsten Sommer, gestützt auf die
Hilfsquellen des vom Kriege noch unberührten protestantischen Mittel- und
Norddeutschlands, den Kampf an der Donau zu erneuern, war ein glücklicher
Ausgang immer noch denkbar.
Da aber erfolgte die entscheidende Wendung-, welche zur Katastrophe
des deutschen Protestantismus führte. Während die Truppen des schmalkal-
dischen Bundes Oberdeutschland räumten, und die Buudesglieder im Süden:
Württemberg, die mächtigen Reichsstädte Augsburg, Ulm, Strafsburg u. a.
dem Kaiser preisgegeben wurden, sah sich der wackere V'orkämpfer der Schmal-
kaldener, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, durch seinen Vetter Morilz
im eigenen Lande angegriffen. Damit begann die zweite Periode iles schmal-
kaldischen Krieges, welche mit der Schlacht bei Mühlherg, der Gefangennahme
der Häupter des schmalkaldischen Bundes, dem allerdings nur vorübergehen-
den, für diin Augenblick aber um so vollständigeren Triiiniplie des Kaisers
über die protestantisch-reichsständische Opposition endete.
Mochte der Kurfürst auch einige Monate hindurch, so lange .Moritz noch
ohne Unterstützung des Kaisers und des Königs Ferdinand kämpfte, die Oberhand
behau])ten. ja Morilz fast ganz aus seinem Lande VfiMrciluMi ; als das kaiser-
lich(! Heer im FriUiJahrc Lii? in Sachsen erschien, war -loliann Friedrichs
Niederlage entschieden, und Moritz erlangte als Preis seiner wertvollen Hülfe
die Kur und einen groCsen Teil der Lande seines Vetlers.
1) Bosondcrs dciillicii ist tlicsi-i' (iiMliiiil<c (liirclit^n-riiiirt iiiul im Imii/.i'Iiu'h Ijcgrüiuicl
in (Icni Aiir.siil/n von J^i-nz, »dii' Ki-iL'ij;,rii!iriMij;- der Sclinialkaldoncr liegen Kiirl V. an der
Donau« in drv »Historischen Zcilsclu-il'l«, lierau.sgogoluMi von v. Sy liei Bd. 49 (1883), S. 385 fl".
Mitteiliiiigou aus dem gerniaii. Nutiüiialmiisciiin. 18i)l. Y.
— 34 —
Aus der Zeit des Übcrg-ewichtes des Kurfürsten, vor Ankunft des kaiser-
lichen Heeres, besitzen wir ein nicht uninteressantes Aktenstück, welches über
die (ianialig-e Stimmung Johann Friedrichs, die Versuche der mehr oder minder
Neutralen, zwischen ihm und Herzog- Moritz zu vermitteln, endlich auch über
Kriegsereignisse jener Wochen mancherlei Aufschlüsse bietet. Es ist dies ein
vor kurzem durch das Museum angekaufter Brief des Kurfürsten Johann Fried-
rich an seinen Rat Eberhard von der Thann aus seinem Lager zu Altenburg
vom 11. Februar lö47.
Das Schriftstück, fast vier Folioseiten (zu 20 Zeilen) füllend, ist von einer
Kanzlcihand geschrieben, aber vom Kurfürsten eigenhändig unterzeichnet. Die
Rückseite des Umschlages trägt die Adresse: »Unnsenn rath vnd libea getrewenn
Eberhardten von der Thann itzo zu Thann zu banden«; darunter Siegelspuren.
Der Adressat, Eberhard v. d. Thann, früher Amtmann auf der Wartburg, zählt
zu den hervorragendsten Räten und Vertrauten des Kurfürsten. AVährend der
vierziger Jahre finden wir ihn nicht selten bei Gesandtschaften und anderen
Anlässen als kursächsischen Bevollmächtigten. So vertrat er auch u. a. seinen
Herrn bei dem xVbschlusse der verhängnisvollen Doppelehe des Landgrafen
Philipp von Hessen im März 1040^).
Der Brief des Kurfürsten beginnt mit einer Danksagung für die durch
Thann ihm übermittelte »Kundschafter über die angebliche Ansammlung von
(wahrscheinlich kaiserlichen) Truppen um Essen, sowie über »den von Büren«,
d. h. den Grafen Maximilian von B., der aus den Niederlanden dem Kaiser ein
Hüfskorps zuführte und mit diesem die westdeutschen Protestanten, so auch
den Landgrafen Philipp von Hessen 3), stark bedrohte. Sodann bespricht der
Kurfürst, auf einen (nicht näher bezeichneten) Vorschlag seines Vertrauten für
eine Verständigung mit Herzog Moritz eingehend, sein Verhältnis zu diesem. Er
klagt, wie der Herzog bisher jeden Versuch der Verraittelung durch den Land-
grafen Philipp*), durch dessen Schwester, die Herzogin Elisabeth v. Rochlitz^)
und den Kurfürsten Joachim von Brandenburg^) zurückgewiesen »vnd dan die
ding vff den haubthandel, wan der zwuschen dem kayßer konige vnd vns ver-
tragen, gestelt« habe.
Es entspricht dies durchaus dem, was wir aus anderen Quellen über die
damalige Politik des Herzogs Moritz wissen. W^ährend er in regen Unterhand-
lungen mit seinem Schwiegervater, dem Landgrafen Philipp, blieb und diesen
eifrig zum Anschlüsse an den Kaiser zu überreden suchte'^), lehnte er jede
Verwendung Philipps für den Kurfürsten, jede Sonderverhandlung mit Johann
Friedrich ab, bis zu dessen Versöhnung mit dem Kaiser. Dabei hütete er sich
wol, um diese Aussöhnung, die ja nur zu leicht auf Kosten des Moritz zu-
2) Vgl. Lenz, »der Briefwechsel Landgraf Pliilipps des Grofsinütigen vou Hessen mit
Bucer. Bd. I, S. 204, 334. 3) Lenz a. a. 0. Bd. II, S. 477.
4) Eine Übersicht über die damaligen Verhandlungen des Landgrafen mit Moritz gibt
Lenz, »die Schlacht bei Miihlberg« S. 14f. — Übrigens war Ebcrliard von der Tliann selbst erst
vor kurzeiM in Sachen dieser Vermittlung vom Kuri'ür.slen zu dem Landgrafen geschickt
worden. Vgl. Philipps Antwort an ihn bei Rommel, »Urkundenband zur Geschichte Philipps
des Grofsmütigen» S. 183 ff.
5j Über diese vgl. Voigt, »Moritz von Sachsen« S. 333 f. 6) Voigt a. a. 0. S. 319.
7) Lenz, »die Schlacht hei .Alühlborg« a. a. 0.
— 35 —
gesicherten Gewinnes erfolgen konnte, sich selbst ernstlich zu bemühen. Da-
gegen erfahren wir aus unserem Briefe, dafs der Kurfürst Joachim von Brandenburg
durch seine und kursächsische Räte Artikel habe aufstellen lassen, um auf Grund
derselben eine Verständigung Johann Friedrichs mit dem Kaiser herbeizuführen.
Angesichts dieser Haltung Moritzs klagt der Kurfürst nicht ohne Grund,
dafs jener ihn und seine Kinder um ihre »Ehren, Lande und Leute« bringen wolle.
Über die derzeitige militärische Lage hören wir, dafs starker Schneefall
die Entscheidung durch eine Schlacht, die der Kurfürst für wünschenswert
hält, unmöglich macht. Ferner beklagt sich der Kurfürst bitter über die grau-
same Kriegführung Moritzs, der die Vorstadt von Zwickau und 14 Dörfer der
Umgegend^) habe niederbrennen lassen und berichtet von seinen eigenen da-
durch veranlafsten Repressalien. »Dan wir wollen dir nicht bergen, das die
vergangene tage hertzog Moritz die vorstad zu Zwickau vnnd bis in viertzehen
dorffer vmb Zwickau gar außgebrand. Wie freundliche vnd christliche hand-
lungen, domitt wir bis here seine gewesene vndterthanen verschonett, solchs
sein, hastu zu bedencken. Weil aber er Wolf vom Ende, Ritter, als dießer zeitt
beuhelhaber in Zwickau denn prand angeschafft vnd beuholen, haben wir zur
gegenschantz ^) nicht kennen vndterlassen, ime dem von Ende, vnnd nicht den
armen vnschuldigen vndterthanen, sein behaußung Rosperg^^) hinweder austzu-
prennen lassen, seind aber weiter nicht preunen zu lassen geneigt, wan nur
vff jenem teil stillergestandeu wirdet. Geschieht es aber, wollen wir es auch
nicht sparen.«
Diese beiderseitigen Brandstiftungen veranlafsten alsbald einen erbitterten
Schriftwechsel zwischen beiden Parteien, deren jede der anderen die Verant-
wortlichkeit hierfür zuzuschieben suchte. Die Beweisführung der Kurfürst-
lichen deckte sich mit den oben angeführten Worten Johann Friedrichs. Die
Herzoglichen behaupteten dagegen, die Mafsregeln in Zwickau seien zur mili-
tärischen Sicherung der Stadt schlechthin unvermeidlich gewesen, wogegen sie
die Verbrennung von Rochsburg für einen durch nichts zu rechtfertigenden
Frevel erklärten ^^). Nun mag wol an der sittlichen Entrüstung auf beiden Seiten
die Erbitterung gegen die Widersacher, der Wunsch, ihnen etwas anzuhängen,
ihren reichlichen Anteil haben; immerhin bleibt es aber ein erfreuliches Zeichen
der Zeit, dafs die Brandstiftung, von der kaum hundert Jahre vorher Markgraf
Albrecht Achilles zu sagen pllegte, sie »ziere« den Krieg »wie das Magnilikat
die Vesper«, und die doch noch in den Feldzügen des 17. Jahrhunders eine grofse
Rolle spielte, hier als ein unerlaubtes, moralisch verwerfliches Mittel der Kriegs-
führung erscheint.
Somit bietet uns unser Brief, dessen sachlich bedeutsamer Inhalt mit dem
Gesagten erschöpft ist, nicht blos mannigfache, die bisherige Kenntnis be-
stätigemle und ergänzende Aufschlüsse über die politische Lage während Jener
für die Geschicke unseres Volkes so verhängnisvollen Krisis, sondern auch ein
schönes Bild der Denkweise und Gesinnung Johann Friedrichs des Grofsmütigeu
von Sachsen.
Nürnberg. I>r. Heinr. Wen dt.
8) Voigt S. 310 ist nach anderen Quellen von l.'i tS Dörfern die lUd«'.
9) d. h. Vcrgcltunsj:.
10) Nach Yuigt: Uüclishurg, l)ci Penig. 11 j Voigt S. 318 f.
— 36 —
Zwei Rjulicriingen toii Wenzel Jamitzer.
(Hiezu Taf. II und III.)
I.cit otwu lüiifzehn Jahren beschäfligi sich die deutsche Kunstwissenschaft,
die Formen- und Schmucken twiciiehmg- der (ioldschniiedewerke, ihre
künstlerische Eigenart, die ihrer Muster und deren Wechselbeziehungen
festzustellen, das Überkommene zu sichten.
Mit Wenzel Jamitzer, dem seit seiner Zeit bis heute der bedeutendste
Ruf folgt, der noch heute als der kunstreichste deutsche Goldschmied des
i6. Jahrhunderts geschätzt wird, hat sich in obiger Beziehung auffälligerweise,
das Werk von Bergan ausgenommen, die moderne Forschung bisher weniger
beschäftigt. Abgesehen von den Veröffentlichungen v. Leitners in dem Jahrbuch
der Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses sind es meist vereinzelte,
aber nicht minder wertvolle Mitteilungen, mit denen der alte Bestand gelegent-
lich bereichert wird. Die Anzahl der wenigen erhaltenen Werke des Meisters
ist wesentlich durch Rosenbergs Forschungen bestimmt und beschränkt worden.
Hierdurch, wie durch erhaltene Zeichnungen, so der Tafelbrunnen zu Basel und
Coburg, des verscholleneu Reliquiariums (Abb. Bayer. Gew.-Z. 1890 und Anz. f.
K. d. d. Vorzeit 1877), ist die Beurteilung des Jamitzerstiles wesentlich ge-
schärft worden.
Zur Vollendung der Charakteristik Jamitzers ist demnach jede mit ihm
zusammenhängende, künstlerische Äufserung bedeutungsvoll, vorwiegend seine
Bethätigung auf tlem Gebiete des Kupferstiches.
Wie alle seine Zunftgenossen verstand und übte W. Jamitzer die Kupfer-
stechkunst, Doppelmayr bestätigt dies zum Überflufs. Ihre Technik hängt mit
der schmueklichen Fortges'taltung der Goldschmiedewerke innig zusammen.
Aber Jamitzersche Kupferstiche oder Radierungen waren bislang nicht be-
kannt. Man hat daher den Meister vom Jahre lool mit ihm identifizieren wollen,
und Bergau hat auch angenommen, dafs Jost Ammans Holzschnitte teilweise auf
Jamitzer zurückgehen (Hlust. zu Rivius). Doch i.st Jost Amman genügende
Selbständigkeit zuzuschreiben, und die wenig geistvolle äufserliche Behandlung
der Strichführung des Meisters von 15ol stimmt nicht mit der Jamitzers
überein. So weist auch Reimers (Peter Flötner, 1890) berechtigt das Urteil
Bergaus bezw. Lichtwarks zurück, dafs der unbekannte Meister vom Jahre
1351 (bezw. 1338) sowie Solis die betreffenden Blätter bei Bergau a. a. 0. nach
Japiitzers Zeichnungen gefertigt habe, während L. Grüner ohne Begründung
in seiner »Dekorativen Kunst*, in welcher er die meisten der im kgl. Kupfer-
stichkabinette zu Dresden befindlichen Blätter des Meisters von 1351 (bezw. 1558)
veröffentlicht, du Val (welchen? Sebastian?) als Erfinder der Gefäfse nennt,
welche weit mehr zu Flötner als Jamitzer führen.
Unter Jamitzers erhaltenen verbürgten Arbeiten besitzen wir in dem Dres-
dener Astrolabium (kgl. mathem.-physik. Salon Nr. 201) eine, deren Dekoration
nur durch den Grabstichel erfolgt ist. Das von mir schon im Jahre 1877 im
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit unter Angabe des im Dresdener
kgl. Hauptstaatsarchive befindlichen, von mir zuerst aufgefundenen bezüglichen
Schreibens besprochene Werk, dann 1885 von G. Gurlit im Deutschen Kunst-
Mitteilung-en aus dem Ji-ernian. Kat.-Mus. 1891.
Taf. II.
<^cjc>3xric»:,<s>is>(S^d>)(Sia)^s>ai<s.
(3:><Sc3?CiJ^3^<sS><SC£^v^<:^>gpx!XSgaC°)<^g^C^O
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0 Wemczzl ' Camhi C Z E. B~^ " (Q
"Q^^
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K
Radierung: von Wenzel Jamitzer
im kgl. Kupferstichkabinette zu Berlin.
Mitteilungen aus dem g-erman. Nat.-Mus. 1891.
Taf. III.
^^(^.m^^)i^^^)5iä!^il3feu^^^gl^^^^^
■ £xg)cS(S>(?^ca <S c3<?)(j.^ c^o^^t^f'<i^o^)cy)f^^c^c-^)0>i<^^:^ct^(&(.«>bc°vc^ri,vo^f^^
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rybfnM>f^ ps^s-yiw^tiT^ ) y T 1 "r)"^
Radieriinf^ von Wenzel Jaiiiitzer
im germanischen Museum.
— 37 —
gewerbeblatt 8. 31 veröffentlicht, ist bezeichnet »Durch Wentzel jamnitzer
Goldschmidt zu Nürmberg verfertigt: MDLXXVIII«. Die übrigen, im Schreiben
erwähnten A)etzlich Geometrisch Instrumente«, welche Jamitzer dem Kurfürsten
August zugleich lieferte, sind leider nicht mehr festzustellen. Diese figürlichen
Gravierungen fertigte Jamnitzer demnach wol selbst, während er aber, nach
eigener Aussage im Vorwort, die Stiche seiner Perspectiva corporum regu-
larium von Jost Amman fertigen liefs.
Unter diesen Umständen sind die hier in Original gröfse wiedergegebenen
zwei Radierungen^) wertvoll, von welchen Nr. I auf Taf. IJ länger bekannt und
von Bergau als Titelschmuck seines Jamitzer- AVerkes benutzt, sich im kgl.
Kupferstichkabinette zu Berlin befindet, während Nr. II auf Taf. III, seit wenig
Jahren erst in den Besitz des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg
gelangt, bisher nur den Wenigsten bekannt und hier zum ersten Mal veröffent-
licht wird.
Beide Blätter sind bis jetzt als Unica zu bezeichnen. Die Gleichartigkeit
der Durchführung des Striches, wie der gleiche Mafsstab ergeben zweifellos,
dafs beide von gleicher Hand gefertigt sind. Deshalb ist die Verschiedenheit
in der Anordnung der Schriftzüge überhaupt, wie der Schreibweise des Meister-
namens auffällig. Taf. II zeigt den Namen ;)GAMNICZER«, auf Taf. III lese ich
„Jamniczer". Wer ist der Stecher? Schon Nagler vermutet für das Berliner
Blatt mit Recht Jamitzer selbst. Dem widerspricht auch nicht die rein äufser-
liche Verschiedenheit der Unterschriften, da der Meister seinen Namen bekannt-
lich selbst verschieden schreibt, beispielsweise in seinem Testamente: »Wenntzel
Jamitzer«, auf dem Dresdener Astrolabium »Wentzel jamnitzer<f. Trotz der ver-
schiedenen Wahl der Schriftzeichen sind die zwei Blätter doch wol als Teile
einer Folge, etwa von Vorbildern, aufzufassen.
Für die Bestimmung der Blätter sind einige Umstände geeignet, deren
Bedeutiuig zu steigern. Hauiitmalse, Höheneinteilung, Hauptgesims, Glie-
derungen und deren Flächenschmuck sind auf beiden Blättern genau die gleichen.
Nur die mittleren Hauptteile sind verschieden ent-worfen. Die Blätter erscheinen
demnach als Studien des Künstlers. Dem entsprechen auch die überschüisigen
Linien auf dem Nürnberger ^Blatte. Und doch wiederum läfst das über dem
Stecherzeichen des Berliner befindliche I das Blatt als den Anfang einer Folge
von Blättern erscheinen, je nachdem man I als Zahl, nicht aber als Buchstaben
(und was sollte er bedeuten?) aiiffafst. Dem könnte freilich entgegenstehen,
dafs das Nürnberger Blatt das Stecherzeichen überhaupt nicht Irägt. Nagler
(Monogrammisten) gibt das Zeichen ungenau als 'JWC wieder und erklärt es.
mit Übergeluing von I, als das eines Meisters W, der sich als (laelator-Ciseleur
habe bezeichnen wollen, sagt irrtümlich, dafs der Meister irrig Gamniczer ge-
nannt würde, und BruUiot (I Nr. 2(Kllj das Zeichen ungenau ediert habe, welcher
es gleich mir OWG = Wenzel Gamnitzer liest. Ich meine, dafs die letztere
Lesung allein berechtigt ist. Sonach ist eine aufsergewöhnliche Marke des
Künstlers zu verzeichnen. Bemerkenswerter Weise geht aus Nagler hervor,
i) Beide Rcprodulilioncn sind in den AVcrk.ställon der Rcichsdriiclvoivi in Berlin her-
Kesiellt, und wir sijrcclieii der Verwaltuii!; de.s ka\. Kupferslielikaltinetles v.u Uerlin iinsoron
üaiilv für die Gciiehinifcung der ISacliliiidiin^ ilires Sliclics aus. Die Beduklion.
— 38 —
dafs Bnilliot schon eine der Nürnberger g-leiche Radierung kannte, falls nicht
die Nlirnberg-er selbst, so inüfste der Beg-riff Unicum^) für dieselbe fallen.
Hut die Forschung- durch das Nürnberger Blatt eine Bereicherung für
.laniitzers SchalToi) /u verzeichnen, so sind die beiden Blätter auCser dem
Interesse ihrer Herslelkingsweise noch von weiterer künstlerischer Bedeutung-
Beide stehen mit zwei Kunstwerken des Grünen Gewölbes zu Dresden in Ver-
l)indung und diese gleichfalls mit Jamitzer.
Die genannte Sammlung bewahrt im Silberzimmer unter Nr. 115 einen
Schmuckkasten, welchen der Katalog als Arbeit Wenzel Jamitzers vom Jahre
lo(5J) bezeichnet und welcher im Jahre 1595 in die hiesige Kunstkaramer ge-
langte. Die äufsere Dekoration desselben entspricht in ihren Hauptteilen der
Seitendekoration, den mit Säulchen geschmückten Vorsprüngen, wie schon
Bergan a. a. 0. sagt, dem Berliner Blatte. Dieses Dekorationsmotiv steht unter
der Einwirkung oberitalienischer Vorbilder, wie solche in mehreren damals
verbreiteten Kunstbüchern, so in Serlios Regeln der Architektur enthalten sind.
Dieses zuerst von Peter Goecke in das Holländische übertragene Werk wurde
ja durch die bekannte deutsche Übersetzung vom Jahre 1542 von bedeutendem
Einllusse auf die deutschen Goldschmiede. Unwesentliche Abweichungen aus-
genommen bezüglich des Schmuckes der Säulenschäfte, der durch Putten er-
setzten weiblichen Zwickeltiguren und des Untersatzes tragen die genannten
Teile des Kastens genau gleiche Verhältnisse und Gliederungen. Am auffallendsten
äufsert sich die Ähnlichkeit mit in dem beiden gemeinschaftlichen, triglyphierten
Hauptgesimse. Den Triglyphenschmuck benutzte bekanntlich W Jamitzer mit
Vorliebe (vgl. seinen Pokal im Besitze des deutschen Kaisers, zwischen 1562—72
gearbeitet). Mit verbürgten Arbeiten Jamitzers hat der Kasten ferner die freien,
gegossenen Figuren von Heupferden, Eidechsen, sowie den freien Pflanzen-
schmuck gemein. Auch Charakter und Ausführung der den Kasten bekrönen-
den weiblichen Figur entspricht den an Jamitzers Werken befindlichen Figuren.
Doch all das Aufgeführte genügt nicht allein, die Urheberschaft Jamitzers zu
begründen im Hinblick auf die damaligen arbeitlichen und künstlerischen Ver-
hältnisse, die Wechselwirkungen und das gemeinschaftliche Benützen von Mo-
dellen der Nürnberger Goldschmiede, wie den einheitlichen Zug ihrer Arbeiten.
Für die Urheberschaft eines anderen Künstlers als Jamitzers erscheint von
charakteristischer Wichtigkeit das Fehlen der zwei Triglyphen der Bogen-
umrahmung und des kleinen, gleichfalls triglyphierten Untersatzes in der Nische.
Jamitzer würde beides bei der Ausführung schwerlich aufgegeben haben. Die
Jamitzer-Radierung scheint sonst von einem anderen Künstler als Vorbild be-
nützt zu sein. Aber auch die künstlerische Behandlung der aufgelegten reichen
Zierrate spricht weniger für Jamitzer als für T. Hoffniann, den Mitarbeiter des
berühmten Nürnberger Goldschmiedes Krenberger. In der That trägt auch die
innere Silberbeklcidung des Kastens Hoff'manns Marke, im Übrigen ermangelt
der Kasten Jedes Zeichens. Nachweisbar ist demnach die Urheberschaft Jamitzers
keineswegs. Auch der Umstand, dafs die Fufsleiste des Kastens unmittelbar
2) WähreiuJ des Druckes sdireibt uiir die lledaklion, diiCs das Nürnberger Blatt von
einem Händler zu München erworben wurde. Da Brulliot in München lebte, mag ihm
gerade dieses Blatt vorgelegen haben und wäre dann sicher als Unicum zu bezeichnen.
— 39 —
seinen Charakter träg't, bestätig-t nur, dafs Jamitzer gelegentlich seine Modelle
an andere abgab.
Das Nürnberger Blatt auf Taf. III unterscheidet sich von dem Berliner
durch Verzicht auf Architektur und zeigt gröfsere Einfachheit. Den Mittelteil
bildet ein Rahmenwerk mit energischer edler Kartuschierung und dem bezeich-
nenden Schmucke der zwei Löwenköpfchen. Der Entwurf äufsert gegenüber
Taf. II mehr selbständige deutsche Art, auch im Schmucke der Brüstung. Die
Moreske des Fufses haben beide Blätter genau gemein, desgleichen, wie schon
gesagt, die triglyphierte Bekrönuug. welche hier freilich wenig gelungen, mit
dem Rahmenstück verbunden ist.
Bei dem besprochenen Schmuckkasten ist die Hängeplatte der Bekrönung,
abweichend von beiden Blättern , mit einem erhobenen Kreisfriese verziert,
während die einfache, den Blättern genau entsprechende Bekrönung an einem
zweiten im Grünen Gewölbe zu Dresden befludlichen Schmuckkasten vorhanden
ist (Nr. 163 Pretiosensaal), welchen der Katalog als Arbeit Jamitzers vom Jahre
1S62 aufführt, dessen Marke er trägt. Nach dem Inventare der kurf. Kunst-
kammer vom Jahre 1640 (vergl. Katalog d. Gr. Gew. S. 118) enthielt der Kasten
ein Tintenfafs und Streusandbüchslein, diente also wol als Schreibzeug. Dem-
nach erscheint der Kasten fast identisch mit dem »silbern Schreibzeug«, über
welches Kurfürst August am li. Dezember 1580 an seinen in Nürnberg weilen-
den Leipziger Hausvoigt von Dehn (vergl. den oben angef. Aufsatz Kuustgew.-
Blatt 1885, S. 51) schreibt, dafs Jamitzer es »wiederumb verneuerte«. Von dem
erstbesprochenen Kasten unterscheidet sich dieser durch gröfsere Einfachheit
bedeutsam. Beide sind aber wiederum verbunden durch die edlen, sie bekrönen-
den weiblichen Figuren. Ihre durchaus gleiche künstlerische Art und Hoheit
teilen sie aber auch mit der Figur am Merkeischen Tafelaufsatze W. Jamitzers
und mit den beiden als Trinkgeschirre zu benützenden Daphnefiguren. Von
diesen trägt die (Abb. Kunstgew.-Blatt 1887, S. Sii) im Besitze der Baronin
Salomon Rothschild zu Paris Wenzel Jamitzers Zeichen, die Dresdener (Grünes
Gewölbe, Silberzimmer Nr. 260) aber Albrecht Jamitzers Zeichen. Ob ein Dritter
der Künstler dieser seltenen Figuren oder ob, wie ich vermute, Albrecht dieser
Urheber ist, und ob er vorzugsweise in dieser plastischen Richtung als Mit-
arbeiter seines Bruders aufzufassen, damit hängt Wenzels Verhältnis zu ver-
schiedenen Bildhauern, wie -lakob Strada, (v. Schönherr, W. Januiitzer in Mit-
theil, d. k. k. Inslit. f. ö. Gesch. XI, Heft 2) zusammen, doch wäre dies erst
durch weitere Forschungen nachzuweisen.
Dresden. R. Steche.
Zur Ocscliiclite <t<T (ilasiiidiistric im Spossart.
ie Nachrichten ühcr (he Geschichte diT (iiasiabrikalioii im Spessart
lliefsen bis jetzt nur sehr spärlich. Uns sind nui' die von WiolamP)
^J mitgeteilten Regesten bekannt, (hirunler aUcrdings (li(> wicht ige Mit-
teilung über die am 23. 'lull \M){] erfolgte Aufrichtung einer <'i(|iiiuig aller
Glaser (d. i. Glasmacher) auf um! um den S[)essart vor ihrem Herrn dem Grafen
Ludwig V. Rieneck; dann die kurze Notiz bei Lobmayer'*), tlal's im Spessart
1) Archiv d. liisl. Ven'iiics v. üiilerrraiiiu'ü u. A.NcluilVciiljui-ji; 13(1. XX, S. 263,.S-22.3"27u.3oG.
2) Die Glasindiisirie, ilire Gcsiiiiclitc de. Slultguii 1874. S. 111.
— 40 —
1502 weifses Glas in einer dem Grafen Reiniiard v. Reineck (soll heifsen:
Rieneck) zu Rappersborn bei Franimersbach g-ehörigen Hütte gemacht wurde,
welche gegen 25 Gulden jährlich verpachtet war. Da jeder Beitrag will-
kommen sein dürfte, der Licht auf die Geschichte dieser Industrie in dem ge-
nannten Waldgebirge wirft, so geben wir nachstehend den Inhalt einiger
Aktenstücke iui Archive des germanischen Museums (Acta, Gewerbe- und
Handwerke in Franken betr., 1502—1596) wieder, welche sich darauf beziehen.
Das erste Stück ist undatiert und ohne Adresse; aber offenbar ent-
weder an den Grafen Reinhard v. Rieneck (1497 — 1518) oder an den Grafen
Philipp V. Rieneck (1518—1559), den letzten seines Geschlechtes, gerichtet.
In demselben ersucht der Leibangehörige Balthasar Wentzel, Inwohner zu
Franimersbach, den freigewordenen vierten Teil der Glashütte, genannt die
Raupertshütten^), deren übrige drei Teile seine Brüder Conz, Endres und Jakob
inue haben, ihm zu verleihen. Von Interesse ist der Eigenname «Wentzel^,
der vielleicht auf den böhmischen Ursprung dieser Glasmacherfamilie deutet,
bei welcher der aus der ursprünglichen Heimat gebrachte Taufname in der
neuen zum Familiennamen geworden sein mag.
Aus den beiden anderen Schriftstücken, dem Jahre 1516 angehörend, geht
hervor, dafs die Glasmacher auf dem Spessart zu dieser Zeit noch im Besitze
einer Ordnung, vielleicht noch der am 23. Juli 1406 aufgerichteten, waren.
Das eine Schreiben ist von Hans von Stotternheim, Amtmann zu Lohr, an Graf
Reinhard zu Ryueck, Vizthum zu Aschaffenburg, gerichtet. Er schreibt, dafs
er zu Frammersbach gewesen, avo ihn Hoff Glas von wegen seines verstorbenen
Bruders Hoff Contzs Söhne vorgestellt habe, dafs sie sich »vntherstehen glaser
zu werden als sie dan solche macht von jrera vatter Hoff Gonntzen haben^f,
ihre »Alitgleser« sie aber nicht zulassen wollen, da ihr Vater selig einen Tag
»als vff pfingst montag zum Bechlefs« nicht besucht, was sich aber nicht be-
linden würde. Der Graf möge schreiben lassen, damit sie am künftigen Ptlngst-
montag auch zugelassen werden. Hans v. Stotternheim fragt ferner, wie er
sich gegen Gonntzen Weyganten zu Frammersbach; der zu einem Obmanne ge-
setzt ist, halten solle.
Das letzte Stück ist das Konzept eines Schreibens des Grafen Reinhard zu
Rieneck an den Forstmeister auf dem Spessart. Dasselbe lautet: ;)Nachdem die
glesser vlfm Spechssart etlich Ordnung vnndgerechtigkeit haben, welche sie szo es
die notturft ersheischt, vff dem Spechssart vffm Bechlicz jn bey sein eins forst-
meisters vnnd der vnnsernn geschickten vff den plingstmontag anzeigen. Do-
neben szo sich gebrechen zwuschen den glesern des bundts erhalten, ist von
alther herkomen das meister vnnd gesellen der glafsner einen vff sein ansuchen,
aus crafft des bundtsrechts zuuerhelffeu schuldig seyn.« Der Überbringer
des Briefes, vielleicht ein Sohn des obenerwähnten Hoff Conntz, hatte eine Be-
schwerung, deshalb sollte der Forstmeister die ^»gleßer« einberufen, der Ver-
sanuulung beiwohnen und auch der Graf wollte Jemand dazu senden. Dem
Kläger hatte er »gleidt für gewalt vnnd nit für recht vff die zeit zugesagt.«
Es wäre erfreulich, wenn diese Mitteilungen Veranlassung zur Auftindung der
so frühen, sicher nicht uninteressanten Ordnung der Glasmacher auf dem
Spessart geben würden.
Nürnberg. Hans Bosch.
.S) Ruppertshütien im A.-G. Lohr.
— 41 —
Ein rheiiiisclicr Stollciischraiik des IG. Jahrliiiiidorts.
enn auch das g-ermaniscbe Museum in deu letzten zwanziii' Jahren, erst
im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, dann in den Mitteilungen
aus dem germanischen ]\Iuseum, so manches Werk verütrentlicht hat,
welches seine Sammlung-en ziert, so wird es doch noch einige Jahrzehnte nötig
haben, um damit zum Ende zu gelangen, selbst wenn es sich auch nur auf das
beschränkt, was als das wichtigste gilt. Aber unser Blatt hat auch nur den
Kreis der eigenen Freunde des Museums, und deshalb gelangt nicht alles, was wir
verötfentlichen, in die Hände aller Jener, welchen es nützlich sein könnte. Es
ist daher erfreulich, dafs auch von anderen Seiten manches veröffentlicht wird,
das sich bei uns befindet, und dafs dadurch auch andere beitragen, unsere Schätze
der Öffentlichkeit zugängig zu machen. So hat in recht dankenswerter, auch
von uns freudig und freundlich begrüfster Weise das bayerische Gewerbemuseum
in Nürnberg zuerst in seiner Zeitschrift »Kunst und Gewerbetf und dann in der
an deren Stelle getretenen »Bayerischen Gewerbe-Zeitung« manches aus unseren
Sammlungen gebracht. Da aber auch diese Zeitschrift wieder nur ihren eigenen
Kreis hat, und den wenigsten Lesern dieser Mitteilungen zu Gesichte konunt,
da nur eben mitunter in den Fächern der Lesezimmer von Anstalten, weU'lie
mit unseren beiden Museen in Tauschverbindung stehen,' beide Zeitschriften
nebeneinander liegen, so sind wir wiederholt ersucht worden, doch dahin zu
wirken, dafs auch die Leser unseres Blattes Kenntnis von jenen Werken aus
unserem Museum erhalten, welche dort veröffentlicht werden und die Freunde
unserer Anstalt auch interessieren, weil sie eben uns gehören. Wir möchten
nun zwar in erster Linie unsere Freunde darauf aufmerksam machen, wie viel
auch in der »Bayerischen Gewerbe -Zeitung^ überhaupt an geschichtlich inte-
ressantem Materiale den Lesern geboten wird, konunen aber auch den geäufserten
Wünschen um so lieber nach, als die Direktion des Gewerbemuseums, wie die
Redaktion der Zeitschrift, gleich freundlich sich bereit erklärt haben, uns
Cliches zur Verfügung zu stellen. Wir werden daher in nächslcr Zeil
manches bringen und führen heute unseren Lesern einen Schrank vor, welcher
in Nr. 16 des Jahrg. 1890 der »Bayerischen Gewerbe-Zeitung« abgebildet war.
Er ist von Schülern der hiesigen Kunstgewcrbeschule seiner Zeit aufgenommen
und von jener Anstalt der Zeitschrift des Gewerbemuseums zur Verfügung
gestellt worden. Auch zum Wiederabdrucke in unserem Blatle hal die kgl.
Direktion der Kunstgcswerbeschule gerne zugestimmt, so dafs wir aurh ihr
freundlichst zu danken haben.
Es ist einer unserer rheinischen Sloijciiscliränkr. welchen wii- A<.'u Lesern
vorführen. Wir liiibcn \(>n solchen Scju'iinken im erslen Uamle unscrei' ^lillci-
lungen S. 182 und 193 gesprochen und weisen auf das durl gesagte hin. Auch
der hier abgebildete (H. G. o;)90) wunle seiner Zeil von W. Abist in Ki'An erwor-
ben und nach dein Kaufe V(ui ihm reslaurierl. Kr zeigl, gleich jenen, noch ganz
die iniltelalleiiiclie Konsl ruktionsweise der (Jegend. hal noch die gerollten
Pergamenibläller in den Füllungen an der Seite, wie ilie gotischen Schränke,
aber im Schnitzwerke der Front ist reicher Renaissancestil zur Anwendung ge-
kommen; aber trotz seines Reichtums ist das OrnanuMit steifer und härter als
bei den von uns damals vcröffenllichlen anderen, mehr an die Hand eines lland-
Mitteiliiiigcii aus dem germaii. Natioiiulmuseum. 1801. , VI.
42
43
_ 44 —
werkei-s, als eines Künstlers erinnermi. wenn auch der Zeichnung ein künst-
lerischer (lodanke tliirchaus nicht lehlt. Es mag- vielleicht vorher ein anderer
Meisler solch einen Schrank erdacht und ausgeführt halben, welcher von unserem
Hanihverker dann kopiert worden ist, vielleicht ülter kopiert, denn der Schutz
des geistigen Kigenlunis auf dem Gebiete des Handwerkes war ja damals noch
iiiclil erfunden. Wie bei allen diesen Schränken, so hat auch beim vorliegen-
den der Schlossrrmeister an dm Formen der rheinischen Gotik festgehalten und
in dieser seine Beschläge gebildet. Der Schrank hat in seinem oberen Teile,
beim Thürchen gemessen, eine lireite von 89cm. bei einer Tiefe von 49,3cm.
Die Höhe beti-ägt L48m. Einzelne Ornamentmotive deuten darauf hin, dafs
er nicht zu ilcii jüngsten dieser Schränke gehört und wol um 1550— loGO ent-
standen is(.
N ii r n b e r g. A. v. E s s e n w e i n.
riiillVicite BrH'fc aus <lcr 7At des Rcgeiisbiirgcr Ucichstags von 1041.
3 as germanische National museuni besitzt zwei interessante, gröfsten teils
chilTrierte Schriftstücke aus der letzten Zeit des dreifsigjährigen Krieges,
deren Abdruck bei der Bedeutsamkeit ihrer Beziehungen zu den mit
dem Nürnberger Kurfürstentag neu eröffneten Friedensverhandlungen i) an-
gebracht sein dürfte. Während der erste Brief sich fast ausschliefslich mit dem
»hochnotwendigen Friedenswerkh« beschäftigt, gibt uns der jüngere aufsertlem
bemerkenswerte Aufschlüsse über die derzeitigen Verhältnisse auf dem nord-
deutschen Kriegsschauplätze.
Der wichtigste und umfangreichste, vom G. März 1641, ist ein Stück aus
der, wie aus dem Eingange hervorgeht, ziemlich lebhaften Korrespondenz
der Kurfürsten Maximilian I. von Bayern und Anselm Kasimir von Mainz. Er
klärt uns über einen wichtigen Teil der Friedensverhandlungen, insbesondere
über den damaligen Stand der sogen. Amnestiefrage auf, die die Aussöhnung
derjenigen Reichsstände zum Gegenstand hat, »welche der Kaiser, die im Prager
Nebenrecefs vorbehaltcnen Befugnisse ausdehnend, von der im Prager Frieden
gewährten Amnestie ausschlofs« 2). Maximilian war schon auf dem Nürn-
berger Kurfürstentage »durch das Gefühl der Unsicherheit im Besitze der Kur-
würde zur Rücksichtnahme auf die beiden protestantischen Kurfürsten genö-
tigt« 3) und, so dürfen wir im Hinblicke auf unser Schriftstück hinzufügen,
von aufrichtiger Friedenssehnsucht erfüllt, für eine weitgehende Amnestie ein-
getreten. Auf dem Regensburger Reichstage haben dann seine Gesandten im
Vereine mit Köln, Brandenburg und Sachsen einen dahingehenden Majoritäts-
beschlufs gefafst, zu dessen Unterstützung Maximilian den Erzbischof in dem
uns vorliegenden Briefe zu bestimmen sucht. Die zweideutige Politik des
Mainzers, der einerseits »die Gröfse der von Frankreich drohenden Gefahr so
1) Vgl. über die YorliaiKlluiigen zu Nürnberg und I{ei;ensburg: Brockhaus, der Kiir-
fürstcntag zu Kürnberg hu Jahre 1640. Leipzig 1883. Theatr. Europ. lY, S. 296 ff. Ver-
handlung über die Amnestie Oktober 1640 ebendas. S. 327, Januar 1641 S. 398 ü".
2) Brockhaus, a. a. 0. S. 110.
3) S. 264.
— 43 —
gut erkannte, wie der bayrische Kurfürst«, andererseits den Grundsatz ver-
folgte, »nichts, was irgend das JMifsfallen des Kaisers erregen könnte«*), zu
thun, findet sprechenden Ausdruck in der von Maximilian getadelten zweideu-
tigen Instruktion der kurmainzischen Reichstagsgesandten, um deren Korrektur
er im Interesse des »hochnotwendigen Friedenswerkhs« dringend ersucht. Der
Rest des Schrittstückes bietet nichts Bemerkenswertes.
Auch der zweite Brief, den der kaiserliche Kommandant des belagerten
Wolfenbüttel, Oberst Freiherr von Rauschenberg, an Anselm Kasimir s) richtet,
bezieht sich in seinem Hauptteile auf die Friedensverhandlungen, die durch
den im Jahre 1640 erfolgten Anschlufs Hessen -Kassels und Braunschweigs an
die Schweden und Franzosen jede Aussicht auf Erfolg verloren zu haben schie-
nen. Als Hauptgründe des Bündnisses mit Schweden gab der Braunschweigi-
sche Gesandte beim Nürnberger Kurfürstentage an : »die Verzögerung des
Reichstages am Kaiserhofe, ferner Drohungen, die, wie versichert wurde, von
dort gegen das Haus Braunsehweig ausgegangen seien, sowie den Heran-
marsch der streitenden Armeen und die Vorenthaltung Wolfenbüttels« ^). Der
letztgenannte Punkt, in dem keine der beiden Parteien nachgeben wollte, bil-
dete das Haupthindernis eines günstigen Abschlusses der Verhandlungen mit dem
Kaiser''), die trotz des Kriegszustandes nie abgebrochen worden waren. Man hoffte
noch immer beim Reichstage, sämtliche Stände unter sich und mit dem Kaiser
aussöhnen zu können, um dann mit vereinten Kräften die Fremden aus dem
Lande zu werfen. Auch nach dem Tode Herzog Georgs (xVpril 1641) erlitten
die Verhandlungen keine Unterbrechung. Aber der Kaiser wollte AVolfenbüttel,
das von Oberst Rauschenberg besetzt gehalten wurde, und das ihm als wich-
tigster Stützpunkt in Norddeutschland diente, nicht aufgeben, während die
Herzöge nichts von einem Frieden wissen wollten, der ihnen die Stadt vor-
enthielt. Ein eigenes Verhältnis! Die Lüneburger berannten AVolfenbüttel,
verhandelten aber zugleich mit dem Kaiser wegen ihres Anschlusses an den
Prager Frieden und wollten von einer Vereinigung mit ihren herannahenden
Bundesgenossen nichts wissen, betrieben sogar eifrig deren Entfernung, um ihr
Land von der drückenden Eimjuartierung zu befreien und die anmarschierende
kaiserliche Entsatzarmee abzulenken. Piccolomini dagegen , der Befehlshaber
der letzteren, befahl, das Braunschweigische Land möglichst zu schonen, um
die Herzöge nicht den Schweden in die Arme zu treiben. Die Fintscheidung,
vor der die Lüneburger jetzt standen, da einerseits die Schweden und Weima-
raner bis auf ca. 2 Meilen an Wolfenbüttel herangerückt waren, andererseits
die kaiserliche Armee, jetzt unter dem Kommando des herbeigeeilten Erzherzogs
Leopold Wilhelm stehend, eine Schlacht herbeiführen zu wollen schien,
konnte, wie ja auch Hauschenberg voraussieht, niclil zweifclhalt sein. Sie
waren zu eng niil den Verbündeten »eingenochten«. um plötzlicli ins andere
Lager überzugehen, »es seye denn", — und daran wai- nicht zu denken —
»da(5 alles nach ihrem wuntsch und wilen placidirL werde«. Rauschenberg,
4) Brockhaus a. a. 0. S. 264.
5) Die Übcreinstiuiniung der Sclirill ilrc Aiiriösiinsjeii in licidcii HridVii läfsl mit Hi--
stinimlhoit selilicf.scii, dals .sie beide iiii dieselbe Adresse gerichlet sind.
6j Brockhaus a. a. 0. S. :2I'i.
7) Vgl. darüber Thcalr. Jiurui). IV. Ö. 597 IT.
— 46 —
ein orbiüerler Feind der Braunschvveigcr Fürsten 8), verhüll sich im vorliejj;en-
(icii Briefe ihren Anerbietungen g-cg-enüber durchaus skeptisch. In versteckter
Weise beschwert er sich (hirüber, (hifs er, der doch mit den Verhältnissen und
StrünuiMii'en vertniut ist, vom Grafen Piecoloniini ohne Nachricht über die
schwchcndon Vorhandlung-en g-classen wird, und warnt zugleich den Empfänger
des Schreibons, etwas auf die Zusicherungen der Braunschweig^er zu gelten,
die, Avenn sie auch wollten, den Gang- der Ereignisse nicht mehr aufhalten
kruuiten. Die Nachrichten am Schlüsse des l')rit'fes beziehen sich auf die Be-
wegungen der feindlichen Armeen vor Wolfenbüttel und auf die Lage der be-
rannten Festung. Zur Z(Mt, als Oberst Rauschenberg aus den Berichten der
schwedischen Gefangenen auf eine Konjunkiion der Schweden und Lüneburger
schlofs, war dieselbe bereits erfolgt"). Wenige Tage später erschienen von
verschiedeneu Seiten Kaiserliche sowol , wie Schweden, Lüneburger und Wei-
maraner vor der Stadt. Es kam zu einer blutigen Schlacht, die vorerst die
Hessen und Lüneburger wieder enger an die Schweden knüpfte. Allein schon
wenige Wochen später wurden von selten der letzteren die Verhandlungen
wieder aufgenommen, die zum vorläuligen Abschlufs vom 16. Januar 1642 und
endlich zum Hauptrecefs vom 16. April desselben Jahres führten, durch den
Hraunschweig unter den günstigsten Bedingungen dem Prager Frieden beitrat.
Lim die Richtigkeit der Auflösung, die von einer otl'enbar gleichzeitigen
Hand , etwa der eines Kurmainzischen Kanzlisten , auf dem Rande der Schrift-
stücke niedergeschrieben ist, zu kontrollieren, war es nötig, den Schlüssel der
Geheimschrift aufzusuchen. Die Vermutung, dafs sich derselbe in München,
wo doch der erste Brief in der kurfürstlichen Kanzlei verfafst wurde, finden
müsse, bestätigte sich nicht. Unleserliche ZilTern und die im Briefe Maximilians
häufig angewendeten Abkürzungen erschwerten die Aufgabe. In der Voraus-
setzuiig, dafs beide Geheimschriften nicht nur einmal gebraucht wurden, und
dafs vielleicht ihre Auflösung späteren Bearbeitern der Geschichte jener Zeit von
einigem Nutzen sein könnte, geben wir in folgendem die gefundenen Schlüssel.
Schlüssel zur Geheimschrift des Briefes vom 16. März 1641.
a
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8"
30
ö
0
42 t Ö2
Abkürzungen :
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E. L.
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Schlüss
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[ft des Briefes vom
12.
Juui 1641.
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25 26 27
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b
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35 66 67
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81
82
83
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9 10-)
n
164
8) s. die KoiTcsi)ondenz clor Herzögt', mit dem Kaiser und llauschejiberg und die
Briefe des letzteren. Tlieatr. Europ. IV, S. 273 ff.
9) Thealr. Europ. S, 399. 10) Kommt Jiicht vor.
— 47 —
Interpunktionszeichen fehlen. Die Abkürzungen im ersten Briefe werden
angedeutet durch einen Punkt über den betreffenden Ziffern, die Verdoppelungen
in beiden Briefen durch einen wagerechten Strich über den Ziffern. Letztere
Abkürzungsart findet auch dann Verwendung, wenn von zwei aufeinander-
folgenden AYorten das erste mit demselben Buchstaben endet, mit dem das
zweite beginnt, z. B.
34 12 48 34 30 18 4Ö" 34 32
— . , = übrigen nit
ü b r 1 g e n 1 t
Offenbar bedeutungslos sind gewisse Zeichen (9 9 und Z 9 Z Z Z *.)) die
sich an zwei Stellen des kurfürstlichen Briefes finden. Sie dienen einmal zum
Verdecken falsch geschriebener Ziffern, das andere mal zur Ausfüllung der
Zeile.
Die AufliJsung der Geheimschriften ergab, dafs der erste Entzifferer in
vieler Hinsicht sehr obernächlich verfuhr: Änderungen in der Orthographie
Auslassungen, Mifsverständnisse, Kürzungen und eigenmächtige Zusätze machten
eine erneute, genauere Auflüsung erforderlich, deren Resultate wir im folgenden
zum Abdrucke bringen.
I. Brief des Kurfürsten Maximilian I. von Bayern an Erzbischof
Anselm Kasimir von Mainz vom ß. März 1641.
Unser freundtlich Dienst, auch was Wir mehr Liebs vnd guels | vermögen
alzeit zuuor, hochwirdiger in Gott Vatter, besonder 1 lieber Freund, j
Daß E. L. all Unser schreiben (sonderlich aber daß vom 30. Januarij
I negsthin) biß dato zurecht erhalten, daß haben wir auß dero | selben schreiben
vnderm 21. negstverwichnen monats februarij | gern vernommen. Vnß seindt
seithero die Irige alle zumal, ausser 1 daß so wir vnderm dato den 7. erstermei-
ten monats Februarij | erwartet, wol vberbracht worden; Ob nun solches von dem
I Feindt vnderwegs intercepirt und aufgefangen, oder sonsten | bei den Posten
anderwegs verlohren worden, stet zuerwarten.
(Das Folgende ist chiffriert. Die ersten Zeilen geben wir zur Probe
mit den Chiffern.)
43230 18 34401 (5327834403438341 2483430 184034 32 78 18 4034 130 1848
V II (I sein d t w i r i m v b r i g e ii n i t w e n i g e r
1 0 3 4 1 4 3 2 3 8 3 4 3 2 1 (i 4 1 6 1 8 4 8 3 8 1 0 3 4 4 0 3 4 4 0 3 0 1 8 3 0 4 0 1 8 §1? 1 1 8 4 0
a u c h m i t E. \i. d e r m a i n u n g e s n e mm e n
die geferligkeiten im heyl. | rrm). I^cich, wie guete vertröstun | g man auch
dessetwegen an einem vnd an | dein Ofl geben will, derzeit gar iiil | aii.
sondern von tag zue tag nur mehrers | zue vnd zwar dergestallcn vber-
handt, | daß wo nit bakll darzue gcthon wirdt, | lesllicii (zulotzl) wcdtM'
rhat noch hilf vbr i ih (sl. vi)rig) '^) sein werde. Inmassen sich dan der
I feindt diser winterlicher Zeit | sohdiergeslallen bedient und ein | es WnWs
nach dem andern sich be | mechligt^-), daß, wo nit andere crspri | esliche miltcl
vnd eilfertige Verfassungen auf das allerschlciinigi | s( ergriffen werden, wir
11) verchricbcn 32 stall rlü, li sl. t;-.
12) Gesc]iriclj(Mi kurz nach Bauers Regensburgcr Üborrull.
— 48 —
wol die b I eisorg- (Sorge, Besorgnis) tragen, er, der feindt, werde | aus deine
anjozo geCasten avantage | nit so leichtlichen wideruniben zue | treiben sein,
sondern wol olicnder \ das ganze heyl. röni. Reich in ent | liehe combustion,
rnin viul vndergang | gestirzet werden niiessen. Dahero | dan und weil sich
anderer orth \ en neue gefahrn anspinnen, vnd wie man | jezt am Rhein und in
Wirllenberg er | fahren thuet. schon allbereit herau ] sbrechen ^•'') vnd vber-
handt neiTien, vmb so | vil mehrers dahin zue trachten, wie | das innerliche
mistrauiMi drr gesa | mbten stendten des heyl. Reichs doch | einisl iiufgehebt,
die gemieter wi | derumben genoilien vnd dadurch das alte | teutsche vertrauen
wideruniben r 1 educirt (zurückgeführt) vnd damit auf das vvenigist | die inner-
liche ruelie zucwegen gebra | cht vnd erhalten werden mechte. Dan es | ist je
gewis vnd gibts die erfahrung I nur gar zue vil, daß auf der auswerti ; gen Poten-
taten vnd Comunen hilf vnd | raht gar nit zue gehn , sondern daß sei | bige
vilmer auf eignes Interesse | das absechen haben vnd ihnen der st | endt
im n'iiii. Reich alzuevil vberhand | genomens mistrauen vnd dissension | zue
ihrem vortl wol wissen zue nuz zue (m) ^^) machen. Dahero man dan auch
ursa I ch vber vrsach hat auf allerlei mi | tl vnd weg sich zue bemiehen,
daß auch | anseilten (vonseiten) des heyl. röm. Reichs vnd de | ro glidern
auf ihr selbst eignen | nuzen ohne alle fernem respect | vnd absechen zielen,
bevor aber dahin | trachten , wie der werte frieden du | rch weckrückhung ^^)
allerhandt ve | rhindernus ^^) doch einist erhalt | en vnd die von jedermenigk-
jich so h I och desiderirte ruehe vnd einigke | it widerumben zuewegen ge-
brach I t werde. Wie denn E. L. sehr löblich ge | thon vnd ir hierdurch bei
der wer | ten posteritet nit einen gerin | gen nachruemb machen, daß sie
ihren | zue Regenspurg anwesenden räthen | in puncto amnistiae gemessnen i
bevelch aufgetragen haben, sich n | unmer demjenigen, was bereits | in dem
churfürstl. Collegio von 1 Ghurkülns, Saxeu vnd Brandenb | urgs L. L. L., wie
von Uns per maiora i geschlossen vnd bei sogestalteu | extremitetten am dien-,
räth- vnd nüz [ lichisten erachtet worden, gleik ] falls vnd allerdings zue con-
formini. Inmassen wir dan garnit zw | eitlen, ohnerachtet wir erst bei | diser
ordinari von den Vnsrige | n berichtet werden, daß noch derzi | et ^'^) E. L.
abgeordnete vorgeben , sie h | ierzue allein cum certis reservat | is zue ver-
stehen vnd zwar dieses nit pe | r modum voti, sondern allein discu | rsweis
ein- vnd anderorths zue erö | ffen (eröffnen), bevelcht sein (seien), es werde ^^)
sei 1 ther dieser E. L. gemessner bevelch | deroselben abgeordnete ohnzwe 1 itlich
zuekhoiueu sein, vnd sie dar | durch auch ihrestheils dis so lan | g gesteckhte
hochnotwendige fr | iedenswerkh , (Uircli dessen weitei'e | verlengerung (Ver-
zögerung) leichtlicli ein di | ssolation des reichstags ervolgen | mechte, zue
befirdern ihnen angcl | egen sein lassen ^^).
(Ende des chiffrierten Teiles.)
13} heraur st. heraus, 48 st. 50. 14) Aus Yerselien das m (36) doppelt gesofzl.
IS) Das Wort ist durcti Verwochsclung vcrsctiiodcncr Zifffirn völlis»- vcrstünimolt; die
Auflösung: crgit)t »welikhriikoluiiiga ; es ist aber entweder mit dein ersten Enl/ilVerer zu lesen
»wegtrücliung« (vielmehr »weclclrüclvhung«) oder »weekrückung«.
UV) Irrtümlich stellt 14 st. 18, vcrliindeniis statt verli.
17j Wahrscheinlich ist zu lesen 18 ^4 st. 34 18, derzeit st. derziet, s. o. derzeit etc.
18) Nach »werde« und »lassen« die oben erwähnten bedeutungslosen Zeichen 9 9 u.
7 9 1119.
— 49 —
Im vbrigen bedanckhen wir Vn(5 der vberschribneii zeiliiug- | halber
frcundtlich, vnd haben zwar bereits auch anderortshero | von denen in dein
Königreich franckhreich sich ereigneten | newen Rebellion ^^) etwas uachrichts
erhalten; aber biß dato 1 vnd waß eigentlich an den Sachen seye, nichts ge-
wüssrs verronien. Werden also E. L. Vn(5 ein ang-eneiTies g-e | lallen thuen,
wan Sye Vnß Ireni gethonen f'reundtlichen | erbietten nach, daß Jenig-e, waß Iro
hieuon nach vnd nach | weiter bestendiges zuekhombt, zu vberschriben Iro
ge I fellig' sein lassen werden. Der enden hat sich seit new | lieber ordinari
des Kriegswesens halber khein verendunge (Veränderung) | zuegetragen, ausser
daß Mir berichtet worden, alß | solte Panner, der noch in iler Persohn
zu Camb (Cham) sich mit der | maisten arniee betundet, etliche Trouppen in
Böheimb | habe gehen lassen vnd der enden nach vberfallung etlicher ] orth
vnd Plaz fast Tyranisch gehaust haben. So wir E. L. | in antwort ohnverhalten
lassen wollen. Vnd verbleiben i dBroselben angeneme freundtliche Dienst zu be-
zaigen | bereit. Datum München den 6. Martij A. D. 1641.
Von Gottes genaden, Maximilian, Pfalzgraue | bey Rhein, Hertzog in Ober:
vnd Nidern Bayrn, | des Heyl : Rom : Reichs Ertztruchseß vnd Churürst
E. L.
dienstwilliger freundt altzeitt
Maximilian m. p.
Dem hochwirdigen in Gott Vatter, hern Anselm | Casimir, Ertzliischouen
zu Maintz, des Heiligen Römischen Reichs durch Germanien KitzCantzlern vnd
Churfirsteu, Vnserm besonder lieber Freundt. Mainiz.
IL Brief des Obersten von Rauschenberg an Erzhischof Anselm
Kasimir von Mainz vom 1^. Juni 1G41.
Hochwürdigister Churfiirst, genedigister Herr pp.
Waß Euer Churfiirstl. Gn. vom 22. Passato an Mich genedigst abgehn
lassen ] solches habe (ich) zusambt den Beylagen mil ge|uilirendter ehrerpie-
tung 1 erhoben.
(Das Folgende ist chilVriert.)
6 9 2 8 8 4 2 9 6 8 2 3 2 7 (5 3 ü '.) 8 1 ä 1 r, 2 () .1 0 9 8 4 8 1 3 0 2 7 2 6 6 818 0 (5 1
von de m h a u s H r a ii ii s c h w e i g
8 08 12 5842 83 02722088 084(J803842 90802 08 118 02220 408,02 09840 1
i s I II 0 c h k e i ii c a n d e r e e r k I e i' u n g
als von mihr vor acht talgen niilcilniigist -") bfrifhlrl (Miikuliiiicii. Dirsclln'ii
sollen sich i (wie ich berichtet), zu Iractateu iTpnlcii und del'swegen bey Ih'in «iiaf
Pic 1 colomini umb Pas vor die ihri | ge, so sie darzue zuschicken \ov halicns.
ansuchen lassen haben, | wiewol hochgedai-hter Her feil | marschal davon in
dero jUng ] sten an mich aligangenem schrei | ben noch keine meidung ge-
Ihan. I Es scheiudt, daß allerhandL pro | telationes gesucht werden. | Unler-
l'Jj Der Vülksaulstiuid v.mi IC-idii wo^n-ii iler Stiniorln'driiokuiiun'ii,
20} Die ganze Stolle ist in der itsIcii .Viiriösiing sclir gckür/.l.
Mitteilungen aus dem genuun. Nutioiiainiuseuui. IS91. \ M.
— yO —
dessen g-cbea sie sovil | zu verstehn, daß, dafern die | Kays, und Reichswaffen
weiter | herein und auf diese hmden | g-ehen sollen, sie zur coniun | etion
mil den Sciiweden g-enüL | lig't würden. Sonsten sie erpic | ten, dieselben
(die Schweden) zum friden zu dispo | nircn und die teutschen officier | an
sich zu bringen '-'). Warauf, dis | angesehen, und ob nicht etwan fran ] zö-
sisehe inventioues darun | ter verborg-en, davon läse (ich) an | dere iudiciren,
bevorab liocli | gedachte Herrn Herzogen ire | aig-nen vülcker (von welchen
Jüngst etliche compagnien | nieuteniert) nicht erhalten kü | nnen. Sovill aber
ist au I s allem abzunehmen, daß sie si | eh nicht accomodiren, noch von
ih I ren aliirlen, mit denen sie vil | zuweit eing-ellochten, separ | iren werden
oder wollen, es | seye dan, daß alles nach ihrem | wunisch und wiien placi-
dirt I werde.
(Ende des chiffrierten Teiles.)
Bey der Schwedischen Armee wirdl der | Torsten Sohn mit Volkh er-
warttet; dieselbe befindet sich ietzo \ um den Kipitz- und Hcssendamb ^2), soll
Vorhabens sein, erstestags | ferner herein auff Scheppeustetl, 2 Meill bey hießig-er |
Veslung' zu g"ehn, die Lüneburg-ischen Völkher (deren zwei Reg-i | menter Ligne
Vnd etliche comnumdirte Infanterie 2^) ] ligen eine stundt von den Schwedi-
schen, der Coniunction aber, will | mann nicht gestehn, da doch von 2 Schwe-
dischen Reutern so | gestrig-es tags von den Meinigen ertapt worden Berichtet, |
daß deß'tags zuuor sowoU von den Lüneburgischen alß | Schwedischen vndter
einem Obrist Leutenandt auf die Khayserischen | zu recognoscirn comraandirt, Vnd
von denselben 14 ge | fangen ins Lager Bracht^"*), es soll auch daselbst ins]
gemein die red gehen, daß die Hössischen zu den Schweden | (welches Ich doch
schwerlich glauben khan^ö) stoßen werden, | Alliier vor der Vestung continuirt
der Feindt die schwel | lung des Wasers, vnd ist Noch der hoffnung, die Schwe |
dische Armee dießerendts standl halte, oder In die Khayserischen vnd | Reichs-
wafTen diverlirt, vnd anderer Örtten zu gehn | genöttigt werden soll, damit khein
succurfs erfolgen 1 könne, Vnd Er Sich also dießer Vestung beraechtigen möge,
Lebe 1 aber der Zuuersicht, es werde Negst Göttlicher genediger Verleihung
baldt ein anders, Weillen Ihro Ertzfürst. durchlaucht | Herr Leopoldt Wil-
helnib Ertzhertzog zu Österreich etc. Nunmehr | bey der khayserischen Vnd
Reichs Armada mit beyhabendten ] Völkhern glickhlich angelangt sein werden,
zu uernehmen sein. 1 Euer Churfürsl. Gnaden beharrlicher Churfürstlichen hulden
21) Sowol die Woimarischcn Offiziere im französischen Heere (s. Lelaboureur, hisloire
de marechal de Guöijriant. Paris I606 fol., S. 2()4), als auch die deulscheii Offiziere des
schwedisdieji nacli dem Tode Baners (Lelaboureur S. 311) waren unzuverl;issij>-. Die Wei-
maraner standen in Unterhandlung niil Erzlicrzog Leopold Wilhelm. Marscliail Guebriant
fiircbtclc »die Deutschen möchten einmal ciiiii;- werden« (Lelaboui'eur S. 340).
22) s. Theatr. Europ. IV, S. oDÖL
23j Nach Tlieati". Europ. drei lie^nmenler Kavallerie und einige Infanterie, nacli Le-
laboureur a. a. 0. zwei lleilcrre^imenlei- oder 1300 Mann.
24) Gemeint ist das Gefcchl, das Oberst Spiegel von den Kaiserlichen den Schweden
lieferte. Tliealr. Eur. S. 599.
25) Er irrl, die Hessen unter Graf Eberstein sind im Anmärsche; vgl. Theatr. Europ.
a. a. 0.
— 51 —
und Gnaden | Mich damit Vudtertheuigist cmpfehlendl. Dal. Wolfenbüttel den
12 Jiinij A. D. 1641.
Euer GhurfUrstl, Gnaden Vnterthenigster trew-
gehorsambster ....
J. Rauschenberg" m. p.
Eine Adresse fehlt. Auf der letzten freien Seite befindet sich, von einer
fremden Hand geschrieben, die Aufschrift »Reuschenberg- etc.«
Nürnberg. Jul. Reinh. Dieterich.
Ein Stuhl des 12. Jahrliiiiulcrt^s.
^ er Druck des Kataloges irgend einer Abteilung des Museums giebt dem
Direktorium schon während der Vorbereitungen stets noch besonderen
Anlafs, die Abteilung sorgfältig zu studieren, insbesondere die Lücken
derselben zu erforschen und deren Ausfüllung so weit als thunlich zu ver
suchen. Das gleiche geschieht während des Druckes. Man lebt mehr in dieser
Abteilung als in anderen. Wenn aber der Druck beendet ist, und das Heft sich
in den Händen aller Freunde der Anstalt befindet, da sehen andere die Lücken,
sehr rasch, und während dieser oder jener über solch lückenhafte Sammlung
die Achseln zuckt, kommt doch mancher auf den guten Gedanken, behilflich
zu sein, die Lücken zu füllen, und während uns einzelne auf ganz unerreich-
bare Stücke mit der Bemerkung aufmerksam machen, dafs es uns als Vertreter
eines nationalen Institutes ja leicht fallen müsse, sie zu erhalten, sind andere
praktischer und bieten uns um bestimmte Summen solche Objekte zum Kaufe
an, welche Lücken unserer Sammlung füllen, und so wird stets schon während
des Druckes und bald darnach die Abteilung gemehrt.
Der gleiche Fall ergab sich und ergiebt sich noch bei unserer Skulpturen-
sammlung, deren Katalog jüngst gedruckt wurde. Ihr Bestand an Werken der
vorgoLischen Periode und selbst der frühgotischen beschränkt sich auf wenige
Nummern, die zu mehren wir eifrig bemüht sind, so dafs wir hoffen, wenn
einst ein neuer Katalogdruck nötig wird, mit Stolz gerade auf diesen Teil
derselben blicken zu können.
So haben wir auch u. a., nachdem der Druck des Katalogs bereits beendet
war, unlängst aus der Sammlung des Antiquars G. Bohl er in München eine
sitzende, weibliche Figur erworben, welche dem Schlüsse des 12. Jahrhunderts
angehört, vielleicht schon in das 13. Jahrhundort hineingeht. Sie soll eine
Madonna darstellen, welcher leider das Kind fehlt, dürfle aber, wie die sehr
alten nicht gerade idealen Züge zeigen, eine andere Heilige sein und zwar
möchten wir auf eine heilige Anna schliefsen, welche zwei Kinder, eines zu
jeder Seite, auf den Armen hielt. Dies näher zu untersuchen und zu liciiiüiulcn,
ist indessen nicht die Aufgabe, welche wir uns hi'uh> gestellt lialu'ii.
Sic hat eine Höhe von GÜcm., unten eine Breite von 3U und eine Tiefe
von 17 cm. Vom Verkäufer erfuhren wir, dafs sie aus Tirol slammt. Die
Figur bielel uns noch ein anderes Interesse als jenes, welches si(> als Heilrag
zur Geschichte der Skul[ilur für uns hat. Der Stuhl, auf welchen sie sil/J,
giebt uns einen nicht ganz unwesentlichen Beitrag zur Geschichte des häus-
lichen Lebens, insbesondere des Ahibiliars aus dem Schlüsse der romanischen
Kunstperiode. Der Bildhauer hatte olleidtar ein Vorbild vor Augen, welches in
— 52 —
seinen wosonl liehen Teilen g-edrechsell ist und jene vielfällig'en Einschnitte in
seinen runden Teilen zeigt, die dann wie aus Kug-eln, Jlach gedrückten und aus-
einander gezogenen, kugelähnlichen KJonienten gebildet erscheinen, welche wir
Ja auch in späteren Kunstepoclien und seihst heute gebräuchlich finden, w^nn
(liM- Drcfhsler bei Herstellung: der i\loJ)ilien thätig ist.
In der zweiten Hallte des 12. 'lalirlumderls scheinen solche gedrechselte
Möbel nicht selten gewesen zu sein, denn Herrad von Laudsberg bildet in den
Darstellungen zum hortus deliciarum deren mehrere ab, sogar eine Bettstätte.
Wenn man nicht ans anderer Zeit auch solche Möbel kennen würde, würde
man sie, im Gegensätze zu der Schwere der sonst von Herrad dargestellten
Möbelstücke, für eiserne Geräte halten, so dünn sind sie in den einzelnen Ele-
— 53 -
mcnten gezeichnet. Indessen waren ihre Malereien so wenig* realistisch, tlafs es
immerhin ernster Versuche bedürfte, ob es gelänge, geometrisch richtige Zeich-
nungen herzustellen, nach denen solche Möbel gefertigt werden könnten, welche
uns ein Bild gäben, das wir als richtig anerkennen könnten. Etwas besser sind
wir in dieser Hinsicht beim Bildhauer daran, als beim Zeichner. Er ist genötigt,
weil er körperlich arbeitet, doch manches richtiger darzustellen als der Zeichner
und ist nicht durch mangelhafte perspektivische Kenntnisse veranlaCst, uns
manches Räthsel aufzugeben. So würde uns wol kaum ein Zeichner des 12. Jahr-
hunderts den Stuhl, auf welchem die Figur sitzt, so richtig wiedergegeben
haben wie der Meister, welcher unsere heilige Anna geschnitzt hat. Aber er
hat freilich auch nicht gerade übermäfsig genau geai'beitet. Er konnte seine
säulchenartigen Stützen nicht drechseln; er mufste sie aus dem gesamten Holz-
klotze aus freier Hand schnitzen, und das bot für die Gleichmäfsigkeit der
Durchführung Schwierigkeiten. Manches ist schief ausgefallen und seine säul-
chenartigen Stollen sind alle verschieden; alles ist stumpf, um so stumpfer, als
er das Holz noch nach Beendigung des Schnitzwerkes mit Pergament über-
klebte, um darauf die Bemaluug aufzutragen; auch hat er, da er aus dem
Vollen herauszuschneiden hatte, alle Einzelheiten etwas kräftiger und dicker
gehalten, als sie der Drechsler wol einst herstellte. Was infolge der Dünne
der einzelnen gedrechselten Stützen solchen Möbeln an Tragfähigkeit abgeht,
ist durch die gröfsere Zahl ersetzt. Vor dem Stuhle befmdet sich ein abgerun-
detes Trittbrett, dessen Rand durch eine Zickzackverzierung belebt ist. Der
Stuhl ist vollständig mit den Farben Rot, Gtrün, Gtelb und Weifs bemalt.
Das deutsche Leben entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte in grofser
Mannigfaltigkeit; Elemente aus allen Zeiten erhielten sich da und dort oder
tauchten auch, wo sie entschwunden waren, da und dort wieder einmal neu auf.
So zeigte die Gegend um Kassel und Marburg sowie andere Teile Kurhessens
bis zur Mitte unseres Jahrhunderts beim Landvolke Stühle, die unter Vor-
herrschen von Blau und Rot bemalt sind und ebenfalls teilweise aus gedrech-
selten Stollen, sowie aus kleinen gallerieartigen Füllungen bestehen, gerade wie
unser Stuhl. Sind es also Reminiszenzen, die sich da so lange forlerhaltcn haben?
oder ist es bioser Zufall, dal's solche Elemente, die vor Jahrhunderten um! zwar,
wenn unser Antiquar uns in seine Geheimnisse hat blicken lassen, im deutschen
Südosten lebendig waren, sechshundert Jahre später im Westen wieder auf-
lauchlen? \Venn auch die Tradition in Hessen alt sein sollte, so können wir
sie doch dort kaum über unser Jahrhundert hinauf verfolgen. Jetzt ist sie wie-
der auch dort geschwunden und nur noch Sammler in aller AYclt bewahren
solche äuCserst lebendig und anmutig aussehende Möbelstficke.
Aber noch mehr, Stühle, genau wi(> der hier abgebildete, aus gc-
ilrechsclten Elementen gebildet, wenn auch nicliL ganz neue, so doch iiii-hl über
ein bis zwei Jahrhunderte^ all. hat einer unserer Freunde aus dem Kaukasus
mitgebracht, wo sie unft-r drin Kinllussc byzantinisciicr Kunst (Milstanden sinn
möigen. Sollte aiK'li byzanlinisclicr Kinnul's seiner Zeil lliiilig gewesen sein, in
Deutschland diesen Miibelslil zu Jjegründen, oder ist er n\\ Kest merovingischer
und karolingis(.'her, auf römiisi-her, resp. spätgermanischer Tradition lierulien-
(ler Kunst Übung?
Nürnberg. A. v. Kssenwein.
— 54 —
Mrinn'zcpU' des IS. JalirliiiiKlcrts.
ic Hczii'liung'cii diT Deutsclioii zum liiere sind weit ältere als die zum
Weine; und last will es scheinen, als seien sie auch — soweit das
li eigentliche Bürgertum in Frage kommt — durch all(3 Jahrhunderte
hindurch intimere, man könnte sogar sagen herzlichere, gewesen. Wenn auch
die hülischen Dichter und der eine oder andere aus dem Kreise der Gelehrten i)
mit Geringschätzung von dem Biere sprachen, wenn üherhaupt die Litteratur
des Bieres eine dürrtigere ist, als die des Königs der Getränke, so giebt es doch
eine Thatsache, die für die allgemeinere Wertschätzung des Bieres sehr ver-
nehmlich spricht, die Thatsache nämlich, dafs Fälschungen, Verpanschungen
des Bieres vor dem Gesetze und im allgemeinen Bewufstsein zu allen Zeiten als
strafwürdig erschienen, während man der ^) Fabrikation« des Weines iiiil der
denkbar gröfsten Gelassenheit zusah, sie sogar aus Gründen des Geschmackes
und des Geldbeutels wünschte.
Justus Stengel zu Waltershausen, ein gewiegter Kenner der Bierbereitung,
schreibt 1626^: »es ist aber das Bicrbrawen eine herrliche Kunst I vnnd ein
Subtileß Inventura, mitten auß dem Kern der Philosophey gezogen«, aber die
Ingredienzien, die ihm für seine herrliche Kunst einzig und allein von Nöten
schienen, bestehen lediglich in den fünf Dingen:
»1. Ein gut Hoplfen. ] , < i «. • • i ' t ..■ <.
-. T- 1 Tir ij^ ^0 rechtschaften seyn, Avie sichs gebühret,
2. Km gut Maltz, j •' o '
3. Ein gut Wasser, vnd dessen nicht zu viel,
4. Ein guter Himmel vnd Lufft,
5. Ein guter Brawmeister, der an ihme nichts erwinden lest, was zu
Verfertigung eines guten Biers gehöret.«
Einer ähnlichen Bescheidenheit in den Zuthaten zum Weine befleifsigt
sich kein Kellermeister. Jede »Weinbawer-Practick und Kellerraeisterey-Kunst«
erzählt mit naiver OfTcnheit, was alles »gut« sei, um dem Weine diese oder
jene Untugend zu nehmen, ihm die eine oder die andere treffliche Eigenschaft
zu verleihen; die Mittel aus allen Reichen der Natur sind Legion.
Aber immerhin kann man hier keineswegs von einer bewufsten Fälschung
sprechen; man will der Natur zu Hülfe kommen, dem Weine eine Arznei geben,
die ihm angeblich vortrefflich bekommt, nichts weiter. Anders scheint sich
die Sache zu gestalten, wenn die Rezepte die ausgesprochene Absicht haben,
bestimmte edle Weine aus minderwertigen Weinen, wol gar aus Wasser, »zu
machen«.
Die Bibliothek des germanischen Nationalmuseums besitzt eine Handschrift
(V. 411) aus dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts, die eine gröfsere Anzahl
solcher Rezepte enthält. Der Ton derselben spricht es deutlich aus, dafs ihr Erfinder
auf seine Bemühungen zum Besten der Weinhändler und der Weintrinker sehr
stolz ist. Meint er doch, dafs ein »Tucceyer-Wein« aus »schlechten AVeinen«,
Muskatnufs, Rosinen und Zucker nebst einigen anderen Zuthaten dem »besten
Tucceyerwein gleich« sei, aber »an Gesundheit« ihn übertreffe. Und er glaubt,
es zu Wege bringen zu köjuien, aus Wasser W^ein zu machen, der »für einen
guten Ungarischen Wein passieren mufs dem besten Koster« : sind nur die In-
i) vgl. Wackernagol, fil. Schriften Bd. 1, S. 86 ff. 2) »Bewerte Bicrküuste«. Erfurt, 1626.
V y
gTedienzien richtig: g-ewählt, {lann wird sich der Trinker »verwundern über der
Gute und AnnehmHchlveit«.
Solchen Ungeheuerlichkeiten g-egenüber wird man nur dann den richtig-en
Standpunkt einnehmen, wenn mau sich erinnert, daCs erst in unserer Zeit auch
in Deutschland Sinn und Interesse an »reinen» Weinen erwacht isl. Das
Mittelalter und die ganze Folgezeit^) wollte einen gemischten AVein; Je
würziger und süfser der Wein, desto besser mundete er, und niemand fragte
darnach, ol> Sonne und Boden den würzigen Gehall in die Traube gelegt hatten
oder ob derselbe ein gewissenhaftes Präparat tles Kellermeisters war. Die
AVendung »aus schlechten Weinen den und jenen Wein zu machen« will daher
nichts weiter besagen, als: ein Getränk aus schlichten, gewöhnlichen AVeinen
herzustellen, dns im Geschmacke dem und jenem Weine gleichkommt. Von
einer Nahrungsmittelfälschung im modernen Sinne kann kaum die Rede sein.
Im folgenden geben wir eine Reihe der betreffenden Rezepte:
»Tucceyerwein zu machen, aus andern schlechten AA'^einen.
Erstlich nimm einen Aymer schlechten AVein, thue ihn in ein reines Faß.
rauche solches zuvor wol aus mit einer Muscaten Nuß, welche bestecket ist
mit Zimmet und Negelein, leget diese Nuß eine Nacht in Spiritu A'ini. dann
zünd es an, und schlaget das Faß zu, thut auf 1 Aymer Wein iO Pfuml
schlechten Kochzucker, schwancket das Faß wol untereinander, so lang biß der
Zucker zergangen ist, so in 2 Tagen geschihh, dann nimm grofse Zibeben') oder
Roßin, die recht frisch sind, säubere solche erst von Stengeln und Kürnern
30 Pfund, thut solche zum Zucker und AVein, rühre alles wol untereinander,
Sommerszeit stelt man die Fäßer an die Sonne, in Winter aber an den Offen,
wenn nun der AA''ein 4 biß S Tage gelegen mil Zucker und Zibeben, so thut
man auf einen Aymer 2 Loth Oleum Tartari per deliquiuiii. und I hoth Recti-
tircirtes Oleum AMtrile, jedes unlereinander, täglich 3 mal, biß er anlangt zu
gähren, dann höret man auf zu rittein und last den AVein ausarbeiten, welches
gemeiniglich in 40 Tagen sich endiget, alsden zihet man den AVein ab, presset
die Rosin aus, und thut den Satft wieder auf den AVein, last ihn 1 Monat lang
ligen so kan man solchen schon trincken, je älter der Wein, je besser er wird,
an Geruch starck, den besten Tucceyer wein gleich, aber an Gesundheit über-
trifft dießer AVein den Tucceyer«.
Ein zweites Rezept für den gleichen AVein schliefsl mil ilon AA^'ortcn:
j)N. B: man kann ihn auch wohl lassen vergähren mil den Roßinen alsdan aus-
preßen, und dasjenige ausgepreßte auf den abgezogenen Wrin liegen lassen, -la
man kan auch rein gewaschene kleine Kißel steine gleich in Anlaiig ohngefehr
30 biß 40 glüend in den AVein hinein werffen, so bekomm! er den Erd (icschmack
welche nuui abei- alsdann wann die Gährung voi'bey isl. wiedei- von den I\(i|.miu'ii
scparirel um! wegthul. Kein einziger Mensch, er nnig sein so klug er will, der
dießen Wein nichl liii- das beste Gewächß ansehen wird \o\\ Tockayer NVeiii".
»Muscaten Wein '/a\ machen, aus schjeclilen.
Mache alles wie oben gelebrci, be\ drin Tucceyer, au|5er daß man S oder
10 Tage zuvor, ehe der AVein zu fennenliron anl'hrti'el. in einen Säckb'in auf
3) Die NürnbergiT ührij^ons slaiideii da schon IViilic auf iimdcnicm Slaiidpimkit', denn
sie siiclitcii den »tioscliniicrtoii« Wi'iii auf und litM'scn ihn in die l'c^iiiil/, laiifm. (Mi es
l'roilich aller war/ denn hekannllicii hioiiyen sie keinen, den sie nichl hallen.
4) Zihehen (Ziwcbeii), die Cubohc, grofse Kochrosine. Schni.-Fr. Jl, lOT.'l.
— öü —
1 Ayiinr 'i Ijifs 3 Lot frische oder au schatten g-edürte hollonder Blüthe, Schar-
hichhletter, ii. riii wenig orasilicuni Kraut, zusaminen hineinhencken u. ibigends
mit vergähren hissen, so wiiil tlcf Wein iiheraus heblich und starck und wird
auch schmecken wie der besle Muscaten wein oder Muscadcller. Über den Rest
der Cibolx'ii, kann man wieder 1 Ayiner Wein gief5en, darzu 12 Pfund Farinzucker,
ein paar Tilg ungeschwenkt biß der Zucker all zergangen ist, nach diesen
1 Lot Oleum Tartari u. 1/2 Lot Oleum Vitrile hinzugethan u. wieder fermentiren
lassen wie zum ersten mal, als den den Wein abziehen, wie mit den ersten
proeed; so gibt es ein extra guten Tisch wein, die gepresten Koßin, kan man
bey den Brandweinbrennern distilliren lassen, bekomt man einen herrlichen
Spiritum viui, Aus den Stengeln und Körnern, von denen Ro[5inen kann man
einen herrlichen schärften Weinessig, — man siede 1 Aymer Wasser, thue den
30 Pfund Stengeln, klein gestof5en hinein, 2 Lot Weinsteinühl, 1 Lot Vitriolöhl,
laß ßeydes miteinander durch die Fermentation gehen an der Wärme so laug
biß er sauer wird. Prob. E:
Frontiniac Wein zu macheu.
Nimm 20 Pfund Cibeben, 15 Pfund Zucker, procediret in allen wie beym
Tucceyer Wein, henckt 8 oder 10 Tage vor Ende der Gührung, halb so schwer
von Museadeller Blumen in ein Säcklein hinein in den Wein, lasset solchen ver-
c-Uhron so bekomt er die Natur des besten Frontin.
Canarien Zeck.
Nimmt man 2 Theil Farin Zucker, auf daß er schön weiß aussehe, und
1 Theil Cibeben: procedire in allen wie bey den Tucceyer Wein.
Spannischen Wein.
Man nimmt eben das Gewicht, wie bey den Canarien Zeck, an statt weißen
Farin Zucker nimmt man gelben Farin Zucker.
Lacrinia Christi di Napoli.
Man nimmt von vergührten Canari Zeck — mische darunter den Sirup
von schwarzen süßen Kirschen, ohne die Körner.
Wie man einen geringen Landwein machen kan, daß er in kurzer
zeit ein vortrefflicher und wie 15. ja 20. jähriger Wein ist.
Erstlich nimmt man frische Uoßin, von Stengeln wol gesäubert 10 biß
12 Pfund (je) nachdem man den Wein angenehm machen will, darauf gieße 3 biß
4 Kannen Most, laß zusammen V2 Stundt in einen neuen Geschirr sieden, damit
sich die Süßigkeit derer Roßinen, recht in den Most ziehet, alsden laße es
erkalten, gieße solches in einen Aymer schlechten Landwein, samt den Roßinen,
wie zugleich auch 8 biß 10 Lot Spiritus Yini, der über Sal Tartari rectiliciret
ist, oder so aus der Wein hälfen gebrand ist worden, laße alles zusamm in
Keller verjühren, wie andere Weine, zihe hernach den Wein zu gehöriger Zeit
ab, warte den Wein wie einen andern Wein, so wird daraus ein unvergleich-
licher, gleich den besten ältesten Reinwein, wenn man aber den Wein nicht so
gar gut machen will, so kan man slatt 1 Aynior 2 Aymer aus dießer Species
machen.
Dergleichen aus schlechten Wein den besten Moßler zu machen.
Man muß gleich bey der Gührung in einen Aymer 6 Lot schwarzes Pech
in ein Säckiein hencken, 10 Pfund Roßin, laß es zusamm vergühren, so kriegt
der Wein einen natürlichen Geschmack wie der beste Moßler«.
Nürnberg. Tb. Volbehr.
— 57 —
Zwei geätzte Pruukharnische im germaiiisclieii )Iuseum.
(Hiezu Taf. lY bis VIII.)
nter den Rüstiiug-en, welche aus der Sulkowskischeu Sammlung- in
Feistritz in das germanische Museum gekommen sind, befinden sich
mehrere aus dem 16. und 17. Jahrhunderte stammende, die mit Atz-
malereien geschmückt sind. Unter diesen erregen insbesondere zwei Halb-
harnische aus den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der
Beschauer durch den Reichtum des Schmuckes, welcher sie zu Werken ersten
Ranges stempelt. Beide sind nürnbergisehen Ursprunges und waren einst be-
sondere. Zierden des Zeughauses, obwol die, allerdings sehr kärglichen, Nach-
richten über dasselbe von diesen Rüstungen schweigen. Wir bilden sie Fig. 1
und 2 auf Taf. IV in ^/lo der Originalgrüfse hier ab.
Beide bestehen aus je einem Ringkragen i) mit zwei Halsschienen und aus
fünf Schienen zusammengesetzten Oberarmstücken, dann einer Brust (Vorder-
stück oder Bruststück von Wallhausen genannt) mit zwei Bauchschienen (von
Wallhausen vorderes Leibstück genannt) und einem Rücken mit einem hinteren
Leibstück. An die vorderen Leibstücke sind die aus 7 Streifen bestehenden
Beinschienen oder Taschetten angeschnallt. Je eine Sturmhaube mit Backen-
schienen vollendet die Ausstattung. Beide Harnische sind in gutem Staude, die
einzelnen Schienen mit aufgenieteten Lederriemen aneinander gehalten und
be\\eglich gemacht. Die oben sichtbaren Schnallenriemen sind mit messingnen
Rosettchen befestigt. Von diesen Riemen, Rosettchen und Nieten sind
freilich manche im Laufe der Zeit, bis zuletzt, erneuert worden. Der Bau ist
der gewöhnliche leichter Rüstungen jener Zeit. Sie sind aber ofTenbar jede
einem bestimmten Manne »auf den Leib gebaut«, wie Wallhauscn sagt: »alles
wol nach dem Leib deß Armantis, welches einem Armato nit wenig Vortheil
gibt, daß er ein wol angesuchte, gerechte, allenthalben anligende vnnd an-
schliefsende Waffen oder Kuhriß habe, beydes vmb zlerlig- Wie auch Bequemmig-
vnd Behendigkeit.« Das Gewicht der Fig. 1 beträgt mit der Haube 10 kgr.,
.jenes der Rüstung Fig. 2 11,65 kgr. Der reiche Schmuck zeigt, dafs beide
nicht die Bewaffnung eines gemeinen Reiters, sondern etwa solche eines Feld-
hauptmanns oder sonstigen Befehlshabers bildeten, der sie wol nur zur Parade
trug. Indessen ist kein Zeichen daran, welches über die ehemaligen Träger der
WafTen Aufschlufs gäbe.
Die in Fig. 1 dargestellte Rüstung hat das Nürnberger Beschauzeichen
auf dem Rücken in der Mitte des oberen Randes, als Zeichen des Waffen-
schmiedes ist auf der Brust eine Marke mit drei Ringen am oberen Rande
nicht ganz in der Mitte eingeschlagen.
Die in Fig. 2 dagestellte Rüstung hat ihr Nürnbergisches Beschauzeichen
ebenfalls am Rücken, oben in der Mitte, und tiabei ein Meisterzeichen, welches
aus ^''P besteht. Am oberen Rande des Bruststückes ist die Markt« .K nicht
N
d) Vgl. Kriegskunst zu rfordt, Darinnen gelehrt werden, die inilia vnd rundainriila
der Cavallery, . . . Gcpracticiret, beschrieben vnd inil schönen ivünstliclien Kupfl'erslücken
angewiesen von Johann Jacobi von Wallhausen, d(|p löblichen Stall Danlzig heslelten
Obristen Wachlm: vnd llauplnian. Dcdruckl zu Franckfurt am Mayn, bey Pauli Jacohi,
In Verlegung Johann-Tlieodori de Ery. MDCXVI. Seile 6.
3Iitteiluiigeii aus dem germaii. Niitioiialmuseiim. 18J)1. YIII.
- 58 —
vollstiitulig- in der Mitte, so daCs also wol ang-enommen werden mufs, dafs aus
irgend welchem Grunde zwei Plattiicr an ilcr Rüstung gearbeitet haben. Viel-
leicht starb der Meister K (1009) und hatte nur eben die Brust g-eschlag-en,
wahrend ein anderer F D die übrig-en Teile schlug.
Besondere Autnierksaiiikeit verdienen jedoch die Alzinaler, welche beide
Kiistung-en g-eschinUckt haben. Der Harnisch Fig-. 1 zeigt aufser der Piattner-
niarke der Brust die Inschrift »Hans Conrad Spüret fecit 1607« auf dem vorderen
Rande der Haube 2). Auf der in Fig. 2 abgebildeten Rüstung ist auf dem lichten
Unterrand des Vorderstückes »Hans Keiser. 1610« eingegraben. Die Figur des
Ninus von Assyrien hat die Jahreszahl 1609 und auf dem Schilde das Künstler-
wappen mit den Initialen des Künstlers HK^). Die Ausfühiung der Ätzmalerei
beider Harnische ist sorgfältig, jene des Hans Keiser freier, aber unruhiger
und derber, jene des Harnisches Fig. 1 künstlerisch feiner. Auch die That-
sache, dafs zwar Brust und Rücken bei dem Harnische Fig. 1 vollständig mit
Malerei bedeckt sind, die Arm- und Beinschienen jedoch nur in der Mitte
einen breiten Streifen Ornament aul' lichtem Grunde haben, wirkt feiner als
die reichere Gestaltung des Harnisches Fig. 2, dessen Arm- und Beinschienen
vollständig mit Ornamenten bedeckt sind. Ebenso ist b^i Fig. 1 nur ein
fein gezeichnetes Ornament am Ringkragen, der bei Fig. 2 vollständig mit
Ornament bedeckt ist. Das Gleiche ist bezüglich der Anordnung der Sturm-
hauben zu bemerken. Fig. 3 auf Taf. V giebt die Armschienen des ersten
Harnisches, Fig. 5 auf Taf. VI die Beinschienen von Fig. 2. Fig. 3 zeigt die
Anordnung des einfachen, aber wirkungsvollen Ornamentes, das sich bei nor-
maler Stellung der geschobenen Schienen als Ganzes darstellt; bei unserer
Figur sind die Schienen so weit, als es angeht, auseinander gezogen, um er-
kennen zu lassen, wie sich das Ornament gliedert. In Fig. 3 zeigt jede Schiene
ein selbständiges Ornament, doch ist die Komposition so eingerichtet, dafs die
Hauptlinien dieser einzelnen Streifen sich derart zusammenschliefsen, dafs doch
eine einheitliche Wirkung sich ergiebt.
Die Atzmaler waren Künstler und mögen in der Regel ihre Ornamente,
wie die figürlichen Darstellungen selbst erfunden haben; insbesondere scheint
dies bei unseren beiden Harnischen der Fall gewesen zu sein; aber sie kannten
doch die Arbeiten der hervorragenden Stecher und Illustratoren ihrer Zeit
und benützten sicher auch deren Arbeiten, wo dies nur anging. Der Rücken
Fig. 6 auf Taf. YII, ebenso wie die Brust Fig. 7 auf Taf. VIII zeigen Anklänge
an Theod. de Bry, an Collaert, an Etienne de Laune u. a., ohne dafs es uns
indessen gelungen wäre, direkte Vorbilder zu finden. Auch au die Arabesken-
!2j Die Spörl kommen in mehreren Gliedern als »Bricfmaler« vor, welche nach einem
später in die Ordnung der Flachmaler aufgenüinmenon Naciitrage ebenfalls, zum mindesten
in späterer Zeit, den Malern angehört haben, wie die Kupferstecher resp. Ätzmaler.
3) Nagler berichtet in seinem Künstlerlexikon von einem Dichter und Künstler im
Dienste des Herzogs Albrecht V. von Bayern, Namens Joh. Kayser, der 1575 einen Stamm-
baum des Hauses Bayern auf Pergament malte und sich '-Marmelstein und aller Metall Etzer,
Müdisl und lUuminisl« nannte. Es ist kaum anzunehmen, dai's derselbe 35 Jahre nach Her-
stellung des Stammbaumes noch solch umfangreiche Werke, wie die Ätzung unserer Büstung,
zu schaffen vermochte ; doch hat *sich vielleicht die Kunst des Ätzens aller Metalle vom
Vater auf den damals ja sehr häufig gleichnamigen Sohn vererbt.
Mitteiliumeii aus dem uerinaii. Nat.-Mus. 1891.
Taf. IV
Irambouer X.A Vbo
Trambauer XA. H/bg
Fig I.
Mitteiluuo'en aus dem i>erman. Xat.-Mus. 1891.
Taf. Y.
^'ig- 4.
Tra/r.öauer ^A '^9
Trarrjnuer X i
Mitleiliiiiii'C'ii ans dem germ. Nat.-Mus. 1891.
Taf. VT
^'H- 5-
Mitteiluiiti'en au8 dem uermau. Kat.-Mus. 1801.
Taf. vn.
Fig. (>.
iMittoiliinj,'oii aus dem <rt'nnaii. Nat.-Mus. 1801.
Taf. ^TII.
— 59 —
dekoration der italienischen Faiencen finden sich Anklänge. Die drei bildlichen
Darstellungen auf der Brust und dem Rücken der Fig-. 1 sind jedoch Jos.
Ammans Illustrationen zur römischen Geschichte nach Livius entnommen'^). Die
beiden auf der Brust stellen Horatius Codes und Mutius Scaevola, jene des
Rückens Marcus Gurtius dar. Der Schild des Horatius Codes zeigt, abweichend
von Jost Amman, das Künstlerwappen ; hinter Marcus Curtius steht ein Krieger,
auf dessen Schilde sich die Initialen Spörls H C S untereinander stehend finden.
Die Darstellung der vier Weltreiche durch ihre Repräsentanten, welche
auf der Brust und dem Rücken der zweiten Rüstung sich finden, scheinen da-
mals in Nürnberg bei den offiziellen Kreisen sehr beliebt gewesen zu sein, denn
wenige Jahre später, 1617, fertigte Leonhard Keru^) dieselben vier Figuren
liegend für die beiden Seitenportale des neu erbauten Rathauses an: Ninus mit
dem geflügelten Löwen als Repräsentant von Assyrien, Cyrus mit dem Bären
als solchen von Persieu, Alexander mit einem vierköpfigen und vierflügeligen
Panther für Macedonien und Julius Cäsar mit einem zehnfach gehörnten AVolfe
für Rom. Christoph Jamnitzer, selbst als Kupferstecher thätig, mag die
Embleme in dieser Gestalt dem Rate vorgeschlagen haben, denn sein Einflufs
war ja bei diesem Figurenschmucke ausschlaggebend.
Noch haben wir einige Worte den Sturmhauben zu widmen, von welchen jene
der Fig. 1 in Fig. 4 auf Taf V abgebildet ist. Sie haben die in jener Zeit all-
gemein gebräuchliche Form und Konstruktion. Schon die Grundform des
Hauptkörpers, eine Halbkugel, aus welcher der hohe Kamm scharf und dütiii
herausgetrieben ist, ist, wie alle ähnlichen, ein Meisterwerk. Der Schirm ist
aus demselben Stücke mit herausgetrieben, der Nackenschutz angesetzt. In
Scharnieren ist beiderseits eine Schiene als Backenschutz angesetzt, an wel-
chem eine Fortsetzung des Nackenschutzes hervorgetrieben ist. Auf diesem
Backeuschutz ist jederseits ein Greif dargestellt. Auch auf der anderen Sturm-
haube ist ein zum Kampfe erhobener Greif an derselben Stelle angebracht,
jedoch nicht von derselben Schönheit und Schneidigkeit der Zeichnung, aber
reich in Ornament eiugesponnen. Eine adlerartige Verzierung mit ausge-
breiteten Flügeln hat der Gesichtsschirm von Fig. 4. Ebenso ist beiderseits
vom Kamme ein zartes, aus dem Leibe von Seepferden wachsendes Ornament mit
Harpyien dargestellt, während bei der zweiten der ganze Kopf mit wildem
Ornamente überzogen ist. Der Kamm der ersten Rüstung hat sein eigenes, von
den Flütnerschen ajjgeleitetes, geometrisches Ornament, wie es auch Wenzel
Jamnitzer so reizvoll zu verwenden wufste.
4) NEüwe Liuische Figuren. Franltfuit a. M. 1573.
o) Vgl. Das Ratliaus in Nürnberg von Ern.st MuninuMihotV. Nürnborg ISOl. S. 138,
Nach gicichzeiligcr ErkliiruniK liedculot der zwoinügcligc liöwc des Ninus die llaupireichc
Assyrien and lial)yloiiien. Des Cyrus' Bär hal unter sciiu'ii Zahnen (h'ri l\iii|n'ii. widilic
die drei vornehmsten Könige bezeichnen: (lyrus. Darius und Xerxcs. Die vier Ko|)fo und
Flügel des Tieres Alexanders d. G. sldlrn dii' viiT l.ämici- dar. aus wekdien er sein ^V('lt-
reicli l)ildctc, und in welche es wieder zerliel : Griechenland, Asien. Syrien und Ägypten.
Die zehn llörner des römisciien Wolfes steilen die vier alexandrinischen lU'iche dar, dazu
Afrika, Spanien, Frankreich, Italien, England und Deutschland, das mittlere alter den Türken,
welcher von den vordersten Hörnern ahgcstofsen wird, wie Asien und (irierlienland, die er
inne hat.
— 60 —
Die Ätzung des Eisens als Schmuck der Flächen war gerade zur Zeit, als
unsere R(lstung-en entstanden, bei der höchsten Blüte ang-elaug"t und fand nicht
blos für Hüstungen, sondern auch für Schmuck- und sonstige Kästchen, für
Schlolsblcche, für jede Art Eisengeräte überhaupt, reichste Verwendung. Damit
mag es zusammenhängen, dafs die Ätzmaler zugleich mit den Flachmalern*'),
die miteinander zu einem Handwerke vereinigt wurden, im Jahre 1597 eine ge-
meinsame Ordnung vom Rate erhielten. Leider läfst sich aus derselben über
die künstlerische Seite des Gewerbebetriebes der Ätzmalerei gar nichts ersehen.
Die Ätzmaler sind wol identisch mit den Kupferstechern, und es ist wol anzu-
nehmen, dafs der Rat jene, die eigentliche Künstler waren, gleich den Flach-
malern von der Ordnung ausnahm, falls sie nicht «Meister« hier zu werden
getlachtcn. So mag es gekommen sein, dafs die Kupferstecherkunst hier in
Nürnberg durch alle Zeiten, vom 15. Jahrhunderte an, eine bleibende Stätte
behielt.
Nürnberg. A. v. Essen wein.
Zu Gabriel Krämer.
^^^^^ nih'csen führt in dem 111. Bande seines deutschen Peintre-Graveur als
^^k'ili ^^'"^^ Werk des Gabriel Krammer, wol richtiger Kramer, nur zwei Stücke,
tiääß^ das Buch von der Architektur und das Schweifbüchlein, auf. Im vorigen
Jahre hat nun das germanische Museum von einem hiesigen Sammler ein Blatt
erworben, das diesen beiden Folgen nicht angehört, aber doch mit dem Namen
Gabriel Kramers bezeichnet ist. Es führt den Titel »Eygentlicher Bericht der
füntr Seulen, wie dieselbigen von Marco Vitruvio vnd andern Romanischen
Meistern, wie imgleichen von allen Kunstreichen Meistern gebraucht worden,
durch Gabriel Kram er, R. K. M. Leib-Trabant, und GuardipfeilTer ins Werck
gerichtet.« Das Blatt zeigt die Ordnung der fünf Säulen und die Aufeinander-
setzung der Säulen in Aufrissen, Konstruktion und einzelnen Teilen, jedoch
abweichend von den Säulen in der Architektur, die Andresen unter 1 aufführt.
Rechts unten zwischen der zusammengesetzten und der aufeinandergesetzten
Säule findet sich die Inschrift »Gabrel Kramer | Ano Do: no. | 1649«, darüber
ein Pfeil mit zwei Sternen, über welchen ein AVinkelmafs, ein Sohnitzmesser
und ein Meifsel gekreuzt sind. Vor diesen Bezeichnungen findet sich ein aus
V S und R gebildetes Monogramm und sculptor. Es liegt also nicht ein Original-
stich von Gabriel Kramer vor (der nach Andresen 1610 auch schon gestorben
gewesen sein soll), was schon die Technik der Radierung, die vollständig von
6) Beiträge zur Kunstgeschichte Kürnlicrgs von J. Baader, kgl. Archivs-Conservator.
Nördlingen 1860. S. 40 ff. Die Flachuiah'r waren ofl'enbar jene, Avelche Tafelbilder lualteu,
was der Rat trotz der Ordnung stets als freie Kunst bezeichnete. Höchst bemei-kenswert
ist, dafs (S. 43) »die Je zu Zeitten hierher kommenden frembden Maliler aus den Nider-
landcn vnd andern ortten, welche sonderliche Künstler seindt, vnd vor andern etwas können,
In diesem Gesetz dergestalt ausgenommen sein, wan sie nicht alhie zu pleiben oder meister
zu werden begeren, das sich Ir einer ein zeittlang, so lang es Ime ein Erbar Kath zu giebt,
seiner freyen kunst, als mit Couterfeten vnd anderer arbeit alhie vnder der Burgerschafft
gebrauchen möge, doch das er füi- sich selbst kainen aigenen rauch fhüre, wie andere
Maister.t
— 61 —
derjenig'en der Architektur und des Schweifbüchleins abweicht, viel härter als
jene ist, darthut, sondern die Kopie eines verloren geg-ang-cnen Originales Kramers,
das in Radierung, vielleicht auch nur in Zeichnung ausg-eführt war. Die Radierung-
hat von Plattenrand zu Plattenrand g-emessen eine Breite von 31 ein. und eine
Höhe von 23,3 cm.
Unter diese Darstellung- ist ein Blatt in g-leicher Gröfse angeklebt, das
in Tj^pendruck in vier Spalten die Erklärung- zu den Zeichnungen gibt and
als Überschrift den obenang-eführten Titel hat. Über den Verleger des Blattes
g-iebt die Inschrift am Schlüsse: >)Zu linden bey Paulus Fürsten, Kunsthändlern
in Nürnberg-» Aufschlufs. In der Beschreibung- der Säulen wird die toskanische
von weg-en ihrer Stärke mit einem groben Bauern verglichen, die dorische
dagegen »vergleicht einem starcken Helden« ; bei der jonischen Säule zieht der
Verfasser keinen Vergleich, während er die korinthische »einer schönen Jung-
frauen, von wegen ihres herrlichen außsehens« vergleicht.
Bei dieser Gelegenheit bemerken wir, dafs das Exemplar der zweiten Aus-
gabe von Kramers Architektur, welches das germanische Museum jüngst von
L. Rosenthal in München erworben hat, wirklich die Jahreszahl 1606 trägt, nicht
1608, wie Andresen mit einem Fragezeichen (wol nach der Notiz in Naglers
Monogrammisten) in Klammern beisetzt. Die Blätter dieser Ausgabe sind nicht
unten links, wie in der dritten Ausgabe, sondern oben rechts bezeichnet.
Von dem genannten Antiquariate hat das germanische Museum auch das
Schweift)üchlein von Gabr. Kramer erworben und zwar in einer Ausgabe von
1602, die Andresen nicht kannte, dem nur die von Job. Bussemacher in Köln
veranstaltete Ausgabe von 1611 vorlag. Es scheint diese eine Kopie, nicht ein
Neudruck der Ausgabe von 1602 zu sein ; hiefür spricht nicht nur der Umstand,
dafs Bussemacher im Vorworte bemerkt, dafs er das Buch aufs Neue in Kupfer
gebracht habe, sondern auch die abweichende Orthographie des Titels und das
Vorkommen des Monogrammes oder des Namens des Künstlers auf jedem der
Blätter, während nach Andresen in der Ausgabe von 1611 nur auf Bl. 9 Kramers
Zeichen gefunden wird.
Wir geben nachstehend eine kurze Beschreibung- des "Werkes, da diese
erste, offenbar sehr seltene Ausgabe unseres Wissens noch nirgends beschrieben
ist. Der Titel lautet: »SGHWEIFF-BVECHLEIN ] Manicherlei Schweiff, laubwerk|
Rolvverk, perspectif, vnd sonder» | liehe gezierden, zv vilerhand | arbeit auf dis
vorgehende AR- | CHITEGTV^R büchlein | gerichtet. | Durch gabriel Krammer.l
dischler und Ir Rom. Kays | May : leib trabanten | guardi pfeilfer, jelz | zu präg.!
Ano. 1 1602. I Mit Rü : Kay : May : gnad vnd freihcit, in fünf | Jaren nicht nach zu
Irulvcn.« Das Titelblatt ist unbczeichnet, die übrigen 23 Blätter tragen oben
rechts die Bezeichnung folio (auch luli. lul. fo. und f) 1—23. Jedes der- 23
Blätter trägt das Zeichen des Künstlers, meist auch eine Jahreszahl. Lediglich
das aus G und K gebildete Monogramm lindcl sich aiil' Blatt 3, 9, 13. 18;
diisselhe mit der Jahreszahl 1600 z(Mgl Hl. I und 2, inil I6U1 Bl. 6. H;. 17.
11), 20 und 22; dann findet sich auf den Bl. 1. ;i. 7. I»i. II. 14, i;i un.i i'l
neben dem Monogranuno die olfenbar aus 1600 und 1601 koniliinierte Zahl lOOnl.
auf Bl. 23 ein aus G A und B bestehendes Monogramm inii K und 1601 und
auf Bl. 12 — dem Al|ihabete — der ganze Name: Gabriel Krammer und auf
Bl. 8 derselbe mit 1601. Ein Text ist tlem besprocheneu Exemplare nicht bei-
— 62 —
gegeben; dag-egen finden sieh auf einigen Blättern Verse, die teils (Bl. 14 und
17) das Verständnis der Darstellungen vermitteln sollen, teils moralisierender
Tendenz sind (Bl. 10 und 2.1.)
Nürnberg, Hans Bosch.
Rottcii1i<imiiiers ..Krönung itlariae'^
(Hiezu Taf. IX.)
ulcr (Ion wenigen Künstlern, deren Wertschätzung in allen Schwan-
kungen des Geschmackes nahezu unberührt geblieben ist, nimmt Johann
Roltenhammer einen hervorragenden Platz ein. Huldigte man auch zu
keiner Zeit seiner Kunst in sonderlich überschwänglichem Mafse, so hat man
sich doch zu keiner Zeit veranlafst gefühlt, mit Geringschätzung auf ihn herab-
zusehen. Während es selbst Künstlern wie Raphael, Dürer, Rembrandt nicht
erspart geblieben ist, im Laufe der Jahrhunderte neben bewundernden Lob-
preisungen recht abfällige Beurteilungen zu erfahren, wird man in allen Er-
wähnungen Rottenhammers vergeblich nach einem Ausdrucke des Mifsfallens
Umschau halten. Dafs er in seiner eigenen Zeit einen grofsen Ruf als Künstler
genofs, bezeugt nicht nur Sandrart^), der ihn »eine grofse Summa Golds von
Kaysern, Königen und andern grofsen Liebhabern« verdienen läfst, sondern vor
allem die Thatsache, dafs der Bürgermeister von Augsburg sich weigerte, den
berühmten Mitbürger zu bestrafen, als Graf Ernst von Holstein-Schaumburg ihn
um Inhaftierung des kontraktbrüchigen Meisters ersuchte 2). Und dieser Ruhm
erhielt sich durch das ganze 17. und 18. Jahrhundert, ja — was mehr besagen
will — bis in die Zeiten des erwachenden Klassizismus und darüber hinaus,
bis in die Periode der altertümelnd- romantischen Kunstrichtung im ersten
Viertel unseres Jahrhunderts. Nicht nur der Freund Winckelmanns, Füfsli,
findet in seinem Künstlerlexikon Worte der Anerkennung für Rottenhammer,
auch das Campesche Künstlerlexikon (1833) nennt ihn einen »trefflichen Künstler«
und preist ihn als den »ersten Deutschen, der Zierlichkeit und Grazie in seine
Werke zu bringen wufste.«
Der Grund für diese auffallende Übereinstimmung des Urteils ist wol
darin zu suchen, dafs Rottenhammer keine stark ausgeprägte Eigenart besitzt,
dafs der formellen Eleganz seiner Werke alle markanten Züge fehlen, die ge-
eignet sein könnten , in dem einen oder dem anderen ästhetischen Lager Oppo-
sition hervorzurufen. Die virtuose Beherrschung der Form, der geschickte
Eklektizismus in Inhalt und Ausführung hält die Werke Rotteuhammers auf
einer sicheren Mittelstrafse, wo die Gelegenheit, Anstofs zu erregen, eine sehr
geringe ist. Schon diese Stellung der Kunst Rottenhammers in der Geschichte
der deutschen Kunstanschauungen würde es in hohem Grade wünschenswert
erscheinen lassen, der Gemäldesammlung des germanischen Nationalmuseums
1) Tcutsche Acadeuiie der Edlen Bau-, Bild- und MaWerey-Künste 1675—79. 11. Teil,
ni. Buch, 15. Gap.
2) Nach archivalischen Millt'iluugcn des verstorbenen Dr. Knochenhauer in Bückehurg,
die sich in der Bibliothek des german. .AUiscums belinden, und welche wir um des Interesses
willen, das sie für die Geschichte des Meisters bieten, hier unten folgen lassen.
Die Redakt ion.
Mitteilungen aus dem gernian. Nat.-Mus 1891.
Taf. IX.
IIcl. V. IC. Nister, Nürnberg.
ROTTEiNIIAMMKH'S KRÖNUiNG AlAlilAE.
— 63 —
ein Werk des Meisters einzuverleiben. Von noch g-röfserem Belange erseheint
uns jedoch die Bedeutung- Rottenhammers für die Charakteristik der Kunst
des Zeitalters, in dem er lebte. Johann Rottenhammer ist ohne Zweifel der
talentvollste Vertreter derjenigen Kunstrichtung*, die der süddeutschen Malerei
an der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts das Gepräge giebt: er ist typisch
für die anschmiegende Hinneigung zu der Kunst Italiens, typisch für die vir-
tuose Behandlung der Technik und typisch für die elegante Oberflächlichkeit
des Ausdruckes.
Es ist hier nicht der Ort, nachzuweisen, wie es kam, dafs dem Zeitalter
Dürers und Holbeins noch vor den Schrecken des 30 jährigen Krieges ein Zeit-
alter der Fremdländerei in der Kunst folgte; wir begnügen uns mit der Beto-
nung der Thatsache. Für eine Sammlung, die es sich zur Aufgabe gestellt
hat, eine Darstellung der Entwickelung des deutschen Kulturlebens zu geben,
ist es aber unerläfslich, auch solchen Zeiten durch Beibringung gewichtiger
Zeugnisse gerecht zu werden; und die Freunde der Anstalt werden es sicher
mit grofser Freude begrüfsen, dafs es dem germanischen Museum durch die
freundliche Vermittlung des Herrn Geheimrat W. Bode gelungen ist, in einem
trefflichen Werke Rottenhammers einen charakteristischen Repräsentanten jenes
Zeitalters zu erwerben.
Das auf Kupfer gemalte Bild Rottenhammers (Höhe 58 cm.. Breite 39 cm.),
die »Krönung der Maria« darstellend, ist bezeichnet Gio. Rottenhammer. Über
dem Namen befindet sich die Datierung, deren Zahlen wol als ;>1602<f gelesen
werden dürften. Völlig deutlich ist nur die »2« am Schlüsse. Da nun aber
die ältesten aus Venedig datierten Bilder des Meisters die Jahreszahl 1594
tragen, und Rotteuhammer schon seit 1007 seinen ständigen Aufenthalt in
Augsburg genommen hat, da die »Krönung Mariae« ferner intime Beziehungen
zur Kunst Bolognas und Venedigs zeigt, von den in späteren Werken wahr-
zunehmenden deutschen Einflüssen hingegen nichts zu bemerken ist, so wird
man schwerlich fehlgehen, wenn man die »2« in der angegebenen Weise er-
gänzt; zumal die Rudimente der ursprünglichen Zahlen sich zwanglos zu den
Formen der Zahlen 1, 6 und 0 vervollständigen lassen.
Die »Krönung Mariae« zeigt demnach — wenn wir mit Sandrart das Jahr
1564 als Geburtsjahr Rottenhammers annehmen — ein Werk des 38jährigen
Künstlers, die Mittagshöhe seiner Leistungsllibigkeit Von Einllüssen seines
Vaters und des »gemeinen Malers Danauwer«, dessen Unterricht er bis 1590 in
München genossen, ist nichts mehr zu verspüren. Rotteuhammer hat die Kunst
der späten Venezianer und der Caraccisten voll auf sich wirken lassen, nur in
der Landschaft zeigt er eine gewisse Annäherung an niederländische Darstel-
lungsweise. Eine direkte Mitwirkung Paul Brils, der an manchen seiner Werke
in ähnlicher Weise wie Jan Brueghel als Landschafter I hat ig war, ist hier wol
kaum anzunehmen, aber der starke, etwas gowaltsaiue Farbongegensatz der
tiefblauen Ferne und des lichtgrünen Vordergrundes dürfte entschietlen auf
das Vorbild dieses in Italien heimischen Niederländers zurückzuführen sein.
Die Art der Anordnung in dem dargestellten Vorgange und die charak-
teristische Behandlung des Himmels erinnern lebhalt an die Bologneser Schule,
speziell an Guido Reni , während die Färbung und dii' Zeichnung des Details
an Tintoretto gemahnen.
— 64 —
Der Iliiiinicl hat sich g-eöffnel ; in dem etwas schweren, gelben Tone des
weilen l^iunies schwebt die heilige Jungfrau, demüiig iuit massigen Wolken
knicend, unterstützt von anniuligen Putten. Zur Rechten sitzt auf den Wolken
Gott Vater, das Symbol seiner Herrschaft, die durchsichtige Kugel des Weltalls,
in der Linken tragend und hält gemeinsam mit dem zur Linken sitzenden
Christus die Krone über dem Haupte der Maria. Aus der strahlenden Höhe
senkt sich der heilige Geist in Gestalt der Taube hernieder.
So geschmackvoll die Anordnung des Ganzen ist, so fehlt doch jede Ver-
innerlichung der Darstellung. Maria hat träumerisch die Augen gesenkt, der
ideal-schöne Christus blickt traumverloren in die Weite, und auch Gott Vater
scheint einen wenig lebendigen Anteil an dem weihevollen Akte zu nehmen.
Wir haben weniger eine geschlossene Handlung vor uns, als eine Gruppe von
»Existenzfigurenc, um den Ausdruck zu gebrauchen, den Goethe mit Vorliebe
und mit lebhaftester Anerkennung von den Werken der späteren italienischen
Kunst brauchte. Diese Vorliebe für Armut der Hand4ung, für Leidenschaft-
losigkeit ist ungemein charakteristisch für alle die Zeiten, die nach der einen
oder der anderen Seite durch Superlative des Gefühles übersättigt worden sind.
Was im 18. Jahrhunderte das unwahre, deklamierende Pathos in der Kunst zu
Wege brachte, das war im Ausgange des 16. Jahrhunderts nach dem wilden
Kampfe der Gemüter eingetreten : eine Sehnsucht nach Ruhe. Würdigt man
das Werk RottenhammervS von diesem Standpunkte des Zeitcharakters aus, dann
wird man ihm volle Anerkennung widerfahren lassen und sich nicht durch
unberechtigte Vergleiche mit seinen Vorgängern in Deutschland und seinen
Vorbildern in Hallen die historische Bedeutung des Bildes verrücken lassen.
Nürnberg. Dr. Th. Volbehr.
Aus dem Lc1)cii des Malers Joliauu Rotteuliammer.
(Mitgeteilt von Dr. Knocliciihau er f.)
ie Korrespondenz zwischen dem Grafen Ernst zu Holstein-Schaumburg
und dem Maler Johann Rottenhammer oder vielmehr dem Gastgeber
Leonhard Lorentz zur Traube in Augsburg, aus der wir im Folgenden
einen kurzen Auszug geben wollen, beansprucht nicht, über die künstlerische
Bedeutung jenes Augsburger Meisters vom Ende des 16. Jahrhunderts irgendwie
einigen Aufschlufs zu geben. Es ist vielmehr lediglich der kulturhistorische
Gesichtspunkt, von dem aus die Mitteilung dieser im Archive der ehemaligen
Grafschaft Schaumburg befindlichen Aktenstücke einen gewissen Wert besitzt,
und um dessenwillen ihr wol in diesem Blatte ein bescheidener Raum gestattet
werden darf.
Johann Rottenhammer ^) gehört bekanntlich einer Periode an, in welcher
die deutsche Malerkuust sich nicht eben auf einer an sich bedeutenden Höhe
ihrer Ausbildung befunden hat, sondern vielmehr einen im Ganzen wenig er-
freulichen und anziehenden p]indruck gewährte. Es ist jene Periode, in der sich
1) Vgl. G. F. AVaageii, Handbucli der tleutschoii und niederländischen Malerschulen I,
329. Allgemeines Künstlerlcxicon, Zürich, bei Ürcll, Füfsli& Co. 1809, II, 1363.
— 63 —
die deutschen Maler, angezogen durch die imponierende Gröfse der italienischen
Kunst, mehr oder weniger ganz unter deren überwältigendem Einflüsse begaben
und in der Nachahmung derselben eine zwar formell und in mancher Richtung
ausgezeichnete Ausbildung erlangten, gleichwol aber des vollen natürlichen
und selbständigen Lebens und Strebens ermangelten. Aber unter den Vertretern
dieser Periode, wenigstens der späteren Generation derselben, zählt Rottenhammer
zu den Namhaftesten und Bedeutendsten. Geboren zu München im Jahre 1364,
erlangte er zunächst in seiner Vaterstadt, dann zu Rom und darauf besonders
zu Venedig seiae künstlerische Ausbildung. Namentlich war es hier Tintoretto,
den er sich für Kolorit wie für die Zeichnung der Figuren vorzugsweise zum
Muster nahm; in seiner Manier hat er, nach dem gewöhnlichen Urteil sogar in
allzu engem Anschlüsse, die zahlreiche Reihe seiner Werke ausgeführt. Später
liefs er sich dauernd in Augsburg nieder und verfertigte hier auf Auftrag oder
auch wol für Gemäldehändler eine grofse Menge gröfserer wie kleinerer Bilder. —
Was seine Lebensumstände betrifft, so scheint er trotz bedeutenden Verdienstes
nie zu Wolstand gelangt zu sein. Seit seinem Aufenthalte in Venedig ver-
heiratet und mit Kindern gesegnet, lebte er, nach der Angabe von Sandrarts,
zufolge seiner unordentlichen und verschwenderischen Lebensart in beständigem
Mangel, so dafs nach seinem Tode selbst die Begräbniskosten von seinen Freun-
den zusammengeschossen werden mufsten.
Gerade in der letzteren Rücksicht bietet der uns vorliegende Briefwechsel
eine treffende Illustration, Er wirft zugleich ein interessantes Licht auf die
Art und Weise, in welcher zu damaliger Zeit ein fürstlicher Besteller von
Gemälden mit dem ausführenden Künstler zu verkehren pflegte, auch wenn der-
selbe, wie Johann Rottenhammer, sich eines bedeutenden Rufes zu erfreuen hatte.
Graf — seit dem Jahre 1619 Fürst — Ernst zu Holstein-Schaumburg, aus
dem alten Geschlechte der Grafen von Schaumburg, hat während seiner zwanzig-
jährigen Regierungszeit (1601—1622) in verschiedenartigen Schöpfungen ein sehr
lebendiges Interesse für Kunst und Wissenschaft bethätigt. Die Stiftung eines
akademischen Gymnasiums in seiner Residenz Stadihagen, das einige Jahre später
von ihm als Universität nach Rinteln verlegt wurde und das in der Universität
zu Marburg auch heute noch fortbesteht, hat in wissenschaftlicher Rücksicht
seinem Namen ein dauerndes Andenken gesichert; in künstlerischer Hinsicht
bietet die von ihm angelegte, höchst interessante GrabkapcUe zu Stadtiiagen,
ein von den Männern des Fachs noch zu wenig gewürdigtes Baudenkmal, das
sprechendste Zeugnis von seinem Kunstsinne und Geschmack.
Graf Ernst war es auch, der die gräfliche Residenz von Stadthagen nach
Bückeburg verlegte und für den Ausbau und die Verzierung des dasigeu Schlosses
Sorge trug. Für seine Schlofskapelle daselbst war das Gemälde bestimmt, dessen
Anfertigung Johann Rottenhammer übernommen hatte-). Graf Ernst, der mit
dem Maler schon von früher her in Verbindung stund und ihm seine Gnade
vielfach durch Woll baten, wie es in den Briefen heifsl, bewiesen hatte, wird
dasselite während eines Aufenthaltes in Augsburg persöidich bei ihm bestellt
haben 3). Der Gegenstand war eine Darstellung des jüngsten Gerichts.
2) Brief vom 6. August 1(518.
3) Dies bestätigt das Sclirciben vom 20. Nov. 1017, woraus der Aufejilhalt Grat Eriists
in Augsburg hervorgeht.
Mittoiluiigeii aus dorn gcniiaii. Naüoiialimiseum. 18!)1. IX.
— 66 —
In einem in Konzept und Abschrift erhaltenen Lieferungsreverse Rotten-
hainmcrs, ilatiert zu Augsburg- 21. August 1615, verpflichtet er sich, für
Graf Ernst »nach (seinem) allerh()chsten flciß vnd besten verstände dafi jüngste
gcrichte nach gege])ener maß vnd grüße zu mahlen vnd zuuerfertigen«. Üie
»gegebenen« Mafse des Bildes sind uns nicht bekannt, nur dafs es lang und
schmal gewesen sei, erfahren wir'*). Als Lieferungstermin wurde Michaelis
k. J.. als Herstellungspreis die Summe von 300 Reichsthalern ausbedungen.
Indes kam die Ausführung dieses Kontraktes nicht ganz zustande. Rotten-
hammor hielt die Lieferungsfrist nicht ein. »Oh ich mich nun wohl« schreibt
er selbst am 18. Oktober 1617 an Graf Ernst, «alles vleiß dahin starckh bemühet,
auf die in erster meiner gegebenen handtschrilTt (bestimpte zeit ^j mit solchem
statlichen werckh fertig zu werden. So hat es doch, weiß Gott, in solcher kurzen
Zeit, des werckhs wichtigkeidt vnd deß darzue gehörenden großen vleiß, müehe
vnd Arbeit halben. Ja nit sein können noch mögen, sondern ich habe wieder
meinen willen mit stetigen speculationibus vndt ^'ueten, schönen, zierlichen
inuentionibus von tag zu tag daran Je lenger Je mehr in höchster diligenz
dermaßen gearbeit, daß es sich vber die erstlich bestimpte Zeit erstreckht hat.«
Gütlicher Übereinkunft zufolge wurde demnach die Lieferungsfrist verlän-
gert. Am 14./24. August 1617") schreibt Graf Ernst an den Gastwirt Leonhard
Lorentz zur Traube in Augsburg, der ihm auch sonst manches besorgte, dafs er
das Bild, dessen Lieferungszeit laut Reverses nunmehr zu Bartholomäi abgelaufen
sei, von Rottenharamer in Empfang nehmen und wol verwahrt dem gräflichen
Kanzleidiener, der eigens dazu nach Augsburg geschickt wurde, übergeben
möge, dagegen hatte sich umgekehrt der geldbedürftige Künstler bereits
zweimal aus der wolgefüllten gräflichen Kasse Vorschufs gewähren lassen, zu-
erst 100 Reichsthaler, vermutlich gleich im Anfange als Handgeld, dann noch
100 Gulden als eigentlichen Vorschufs. In eben jenem Schreiben verspricht
der Graf Rottenhammer den rückständigen Rest »zu rechter Zeit«, jedoch erst
»nach Besichtigung der Arbeit« auszuzahlen.
Es war, wie Rottenhammer selbst gesteht, neben äufserem Zwang der
letztere Punkt, der das Selbstgefühl und die Geldsorge des Künstlers heraus-
forderte und ihn zur Widerspenstigkeit bewog. »Aufs höchst beschmerzt, das
(sein) mühe vnd arbeit bey diesem Mann so wenig ersprisen wollen«, meldet
unterm 8. September der Gastgeber Lorentz seinem hohen Auftraggeber, dafs
Rotteuhammer für alle seine Ansuchen und Vorstellungen unzugänglich ge-
blieben sei und »endt- vnd beschließlichen« erklärt habe, erst nach Entrich-
tung der vollen versprochenen SOO Reichsthaler werde er »das stuck, vnd
ehender nit aus banden geben«. Selbst den Gütevorschlag des Wirts, dafs er
ihm noch einmal 100 Reichsthaler auf Abschlag sogleich erlegen, den Rest
aber binnen vier Wochen »richtig machen« wolle, hatte der eigensinnige
Künstler kurzer Hand zurückgewiesen.
Jetzt war umgekehrt Graf Ernst an der Reihe, in fürstlichem Selbstgefühle
zu entbrennen. Der wolgezielte Schlag, mit welchem er den ihm von dem
4) Brief vom 25. Februar 1618.
5) Die Worte iu ( ) fehlen in der Handschrift, sind aber offenbar hier zu ergänzen.
6) Die gräfliche Kanzlei rechnet sonst durchweg nach dem Datum alten StUs.
— 67 —
Maler ang-ethanen »affront« erwiderte, traf aber den guten Rottenhammer gerade
an seiner verwundbarsten Stelle.
»Ihre g-naden können sich«, so heifst es in dem Antwortschreiben an
Loreutz vom 17. September, »nicht genugsamb wegen groben vnuerstaudts
vnd vnbescheidenheit des Rotenhamers verwundern, «umall der von ib. gn.
große woltbaten empfangen.« Dafür soll ihm der Wirth neben der gebühr-
lichen Verweisung anzeigen, Graf Ernst sei nunmehr »bedacht, sein verfertigts
stuck genzlich zu pertiren (sie) vnd möge er darumb seiner besten gelegenheit
verfahren, das ih. gn. es nunmehr nicht wirdig achten, solchs in dero kirchen
zu gebrauchen«; — »dan ih. gn. das stuck nicht zu gebrauchen, viel weniger in
ewigkeit zu sehen begehren.« Dagegen soll sich Lorentz von Rottenhammer so-
wol die lOORthlr. als den Vorschufs von 100 fl. zurückzahlen lassen und im Weige-
rungsfalle mit der Zuhilfenabme des Augsburger Rates drohen. — Aber auch
damit war der durchlauchtige Zorn gegen den Künstler noch nicht erschöpft
und machte sich in verschiedenen Zusätzen in sehr unzarter AVeise Luft. Der
Graf zweifle nicht, dafs die Augsburger Ratsherren »hier die pillicbkeit andern
zum exempell werden statuiren, vnd da er nicht hat zu bezahlen, werden sie
ihr. gn. das hundelock, ihne der gebühr damit zu tractiren, almanu herleihen,
vnd soll vff den fall der Rotenh. nicht desto weniger, so ih. gu. ihme hiemit
sancte promittiren, pro recordatione dieserwegen hernach geburlich recom-
pensirt werden, wozu er sich gewißlich zuuerlaßen, dan ih. gn. nicht gemeint,
ein solchen affront von einem solchen heilosen kerll ( vnd bestien '') vff sich
ersitzen zu lasen, damit er lerne, ein ander mall hern beser zu respectiren;
darnach sich Rotenh. einß für aU zu richten.« — Der Wirt erhielt Auftrag,
dies Schreiben selbst dem Maler, »so viel ilme concernirt« , vor Zeugen
vorzulesen.
Freund Rottenhammer geriet durch diese Eröffnungen in die gröfste Be-
drängnis; der Augsburger Gastwirt macht davon in seinem Berichte vom
19. Oktober eine sehr anschauliche Schilderung.
Erst auf wiederholte Aufforderung habe sich der Maler bei ihm , ileiu
Gastwirte, eingefunden. »Wie nun«, schreibt er, »E. Gn. Intention, will vnd
mainung er Rottenhaimer von mir vernummen, wirt er gantz schambroth,
abblaichent wie ain leilach, windet die Händl hin vnd her, vnd mil vergießung
haisser treuen vermeldt, wisse anjetzo weder aus noch ein, stehe in grosser
gefahr, bit vmb Gottes barmherzigkait willen , E. Gn, wolle Ime diß nit in so
hochem, zwar woluerschuldten vngnaden an: vnd aufnemmen, focht (sie) mir
hierribert erst recht an zu beichten, vnd vermcldl, das ehs sein schuldt nit,
das E. Gn. er besagts werck, wie gern ers gethon, nit gesaut habe, sondern
derjenigen, die jme zue seiner nottrugenhait (sie), die zeit herr als er daran
gemacht, ain stattliches darauf geliehen, vnd auf diß jnen die endtliche Ver-
tröstung gethon habe, sollichs stuckh nicht aus händen haben lassen wollen;
darauf jch jme jnn antwurt gegeben, warumben er solliches nit anfenckhlich
vermeldt habe, dan wie man beicht, also eruolgl die absolution, vnd vielleicht,
da man diß wissenscbaffl gehabt hette, möchte der sachen and(>rst Gchdltfcn
7) Die beiden Worte .simi in das Konzept iiocii iiactitrüKlieh eingetragen.
— 68 —
wordten sein, seyn aber mit disem nit außg-ericht, könne sich auch disfals halber
weder entschuldigen noch purgieren, vnnd bette seinen verstandt wol besser,
als eruolgt, g-ebrauchen mögen.« — Auch die Rückgabe des vorgeschossenen
Geldes hatte Loreutz, seinem Auftrage gemäfs, von dem Künstler verlangt; darin
aber war, wie schon die erwähnte Verpfändung des Hildes an die Gläubiger
bezeugt, kaum eine Aussicht auf Erfolg vorhanden. »Wie ich aber siehe, spire
vnd vernemme« , schreibt Lorentz selbst, »so ist aus disem Mann wenig zue
dreschen, dan heut gewungen, den tag zuuor, in vertrawen vermeldt, empfangen
vnd gleichsamb vorgegessen broth; drage derowegen höchlichen sorg, wol jn
langem von jmc nichts würdet zue bringen sein, ehs eruolge dan mit gewalt,
jedoch entgegen sein Capital dan khlain.*
Diesem Schreiben des Gastwirts liegt ein Bittschreiben des Johann Rotteu-
hammer selbst an Graf Ernst im Originale bei, datiert vom 18. Oktober, zu
dessen Absendung ihn Lorentz seinerseits ermutigt hatte; der Brief ist jedoch
nicht in so jämmerlichem Tone gehalten, als man nach Lorentz' Schilderung
vermuten sollte. Der Maler entschuldigt sich zuerst noch einmal wegen der
Nichteinhaltung des ersten Terraines, streicht dann aber sein nunmehr vollen-
detes Kunstwerk sehr lebhaft heraus, wie »insonderheit hiesiger Stadt furneme
herren«, schreibt er, »solches hohe vndt trefliche werckh mit grofser contem-
plation, admiration vndt eifer gesehen haben.« Er hofft, dafs der Graf, sobald
er das Bild sehe, seinen Zorn fallen lassen werde; »wie ich dan gantz vnder-
thenig vmb gnadt vndt mit dem Königlichen Propheten Dauidt zum höchsten
gehorsarablich bite, Ne intres in Judicium cum servo tuo, dan ich verhotTe
genzlich, es wurdt dieß werckh zu erkennen geben, das mein vleiß vnd kunst
den vorzueg widerumben wurdt compensiren vndt erstaten.« — Sodann kommt
Rotteuhammer auf seine Geldnot zu sprechen. Notwendig habe er, während
er, und zwar ausschliefslich das Bild unter Händen gehabt habe, »mit (seinen)
weih, kindern vndt schweren haußwesen« existieren müssen. Da haben denn
»guthertzige Personen .... an gelt vndt Victualien allerhandt hergeschoßen«,
die dann dafür auf das Gemälde ihrerseits Beschlag gelegt haben. Setze der
Graf einen Zweifel in seine »kunst vnd arbeit«, so wolle er es gern dem Urteile
Kunstverständiger zur Besichtigung unterwerfen. Schliefslich wendet sich der
Maler an S. Gn. »angeborues miltes vnd 'heroisch gemüeth«, das »mir«, schreibt
er, »vndt meniglich dermaßen bekandt, daß Sie mein als eines schlechten manß
schaden gnedig gar nit begehren thuen«; in Erinnerung an frühere »viel große
gnaden vndt wohlthateu«, da er auch selbst S. Gn., der er »gebürenden vnder-
thenigen respect« schuldig sei, »nicht gern offendiren, viel weniger dieselben
zue vngnaden — commouiren wolte«, hoffe er auf Wiedererlangung der gräf-
lichen Gnade und Auszahlung des Restes der oOO Rthlr.
Aber Graf Ernst war so wenig durch dies eigenhändige Gesuch des Künst-
lers, als durch die Empfehlungen, mit denen es der gutmütige Gastwirt dem
»vom Gott hocherleichtem verstandt« des Grafen zu »genuegsamber Gonsidera-
tion . . . ains vnd anders« anempfahl, in seinem Zorne zu erweichen. Am
29. Oktober schreibt er an Lorentz zurück, dafs er trotz der erhaltenen »Schar-
teken vnd vermeinten entschuldigung« Rottenhammers bei seinem vorigen Be-
schlüsse stehen bleibe. Der Maler solle die Vorschüsse zurückzahlen, »oder vff
wiedrigen fall in den Schultthurmb geworffen werden, l)iß er den letzten heller
— 69 —
bezahle; — den ih. gn. sein stuck wegen beschehenen affronts weder zu sehen
ader zu haben begehreu.«
Mit diesem Gegensätze der beiderseitigen Ansprüche ist der Inhalt des
Konfliktes zwischen Grraf und Künstler im Wesentlichen erschöpft; die folgen-
den erhaltenen Schreiben bezeichnen den weiteren Gang desselben, er verläuft
schliefslich im Sande. Aber einzelne x\ufserungeu auch in diesen Briefen
sind auch aufser dem sonstigen kulturhistorischen Interesse dadurch anziehend,
dafs sie auf die Persönlichkeit und die persönlichen Verhältnisse unseres
Malers ein noch helleres Licht werfen, als das Vorhergehende.
So, wenn Gastwirt Lorentz in seinem nächsten Briefe, vom 20. November,
meldet, wie Rottenhammer, »welicher sich am Podegram jbel befunden«, auf
die Anzeige von der eingelaufenen gräflichen Antwort j)sich hoch beckhlagt
vnd gleichsam mit weinenden äugen gesagt (habe): Ach Gott, Ich hab doch
vermaint, jr gnaden werde mein gannz diemietig- bitten vnd flehen angesehen
haben, dhan mein schuldt anfengkhlich nit gewest«; — ebenso, wenn Lorentz
beschreibt, wie Rottenhammer ihn früher, so oft er jenen besucht und beim
Malen des Bildes getroffen habe, jedesmal um Geld angegangen habe, und der
väterlich wolwollende Wirt ihm dann erwidert: «Mein herr Rottenhaimer, seit
fleisig! Macht Ir das Stuckh halt auß, so habt Ir palt Ewer gelt, vnd Ich
kan Ir gnaden al(5 meines gnedigsten herrn beuelh nit jbergehn, der hat mir
ein gewises euch zue geben genedig beuolhen. Der Rest wirt euch vil lieber
sein mit einander, als wan jrs nach vnd nach Ein nimbt.« — In der That
scheinen die Verhältnisse des Malers durch eigene Schuld sehr derangiert, sein
Ruf schon zweifelhafter Art gewesen zu sein. »Aber bey hochester warheit«,
schreibt über ihn der Augsburger Gastwirt, »Eß (ist) mit jm so misere be-
schaffen, daß man seine Khleider, Haußrath , Schöne Stuckh vmb ein miseria
wegen der schuldtner, so Er alhie hat, verkauffen mues«; und Graf Ernst
(Schreiben vom 27. Dezember 1617) behauptet direkt, er habe das Bild Rotten-
hammers unbesehen unmöglich nehmen können, »zumall weill er vermutlich
wegen vieles saufTens vnd zittern der hende jtzo nicht wirt praestiren können,
waß er woll zuuor gethan.«
In der Sache hatte Rottenhammer an Lorentz erklärt, er sei bereit, das
Geld zurückzuzahlen, sobald er das Bild anderweitig verkauft habe, war dieser
Erklärung auch vor einem, von Lorentz ihm zugeschickten Notar geständig,
verweigerte es aber doch, sie vor dem Bürgermeister von Augsburg, vor den
ihn Lorentz zitiert hatte, zu wiederholen. Hier, vor dem Bürgermeister, erfuhr
die Sache des Malers überhaupt keine ungünstige Wendung. Auf den Verhafts-
antrag Lorentz' erklärte jener, während er Rotfenhammer seinen Undank und
die VViderspänstigkeit gegen Graf Ernst verwies, gleichwol , dafs er gegen den
Künstler »Nichts vrtailen, vill weniger jn einziehen lassen« könne. Rotten-
hammer fafste darauf hin sohdie Zuversicht. (hiCs er chis Weitere ganz vom
Augsburger Rate erwarten zu wollen erklärte: »er wolle eines ganzen Kher-
samen Rats Decret Erwarten . . . vnd die herrn von der Statt, vnder wellicher
schütz er sey, werden In nit gleich verderben vinl jnß Ellendt stirzen.« — Da-
zwischen sucht er sich freilich wegen seines Verfahrens ge'^cn Graf Ernst
möglichst zu entschuldigen und ersucht auch den Wirt, es für ihn bei diesem
selbst zu Ihun: die Auszahlung des noch rückständigen Kaufgeldes sei ihm
- 70 -
bei Ahschlufs des Kontraktes bestimmt versprochen worden, und dazu sei er
bange gewesen, wegen Versäumung des ersten Lief'erungstermines werde ihm
von Graf Ernst ein Abzug gemacht werden. Auch durch andere Mittelspersonen
bemühte er sich, die Gunst desselben wieder zu erlangen.
Eben durch die wolwollende Haltung der Augsburger Ratsherren gegen
ihren bcrübmten Milhürger sah Graf Ernst die Erfüllung seines Wunsches
nach schnellem Verfahren längere Zeit hinausgeschoben. Am 6. August 1618
schrieb er deshalb selbst an den Rat mit dem Regehren schleuniger Rechts-
hilfe und bat, Rottenhammer »durch ernstliche Zwangsmittel« nicht allein
zur Rückzahlung des Geldes anzuhalten, soiulern sein »vnredliches beginnen«
auch gebührend zu bestrafen. Nicht sowol um das »geringschctzige Geldt«
sei es ihm zu thun, als darum, da(5 »ein solcher leichter vogell erinnert werde,
was es autr sich habe, herren in Contracten wollen hinters Liecht fuhren.« —
An Ergiel'sung seines Unwillens lieCs es der Graf auch sonst nicht fehlen.
Bereits am 27. Dezember 1G17 hatte er dem Maler durch Lorentz bedeuten
lassen: »Da ihne hiruber (abgesehen von dem rechtlichen Verfahren) in kunfT-
tigh ein scharffer windt wurd anwehenn, daj5 er sich solches nicht zuwieder
sein laßen, Sondern nur kuhnlich die gedancken machen solte, daß der von
Buckeburg komme vnd er selber den erregett vnd sich zugerichtett hette.«
Aber der Augsburger Rat willfahrte dem Ansuchen des Grafen nicht,
sondern legte vielmehr (13. September) eine Interzession für den bedrängten
Maler bei jenem ein, dorn auch ein ausführlicher Gegenbericht Rottenhammers
selbst, gezeichnet: »Hans Rotenhairaer, Mahlertf, beigegeben wurde. Graf Ernst
wies dieselbe (24. September) kurzer Hand zurück. — Auch das letzte in
dieser Streitsache erhaltene' Schriftstück, ein Schreiben Graf Ernsts vom B. Jan.
1619, dringt auf nachdrücklichere Verfolgung des Rechtsverfahrens gegen den
»leichtenn vogell«.
Das »Jüngste Gericht« Rottenhammers ist denn auch nicht nach Bücke-
burg gelangt. Zwar befindet sich in der hiesigen Schlofskapelle, für die es
bestimmt war, allerdings eine Darstellung jenes Vorwurfes, die auch in den
Mafsen, der Länge; und Höhe dem von Graf Ernst bestellten Bilde ent-
sprechend ist; dieselbe rührt aber, obgleich ihr Autor sonst nicht bekannt ist,
nach sachkundigem Urteile nicht von Johann Rottenhammer her. — Dagegen
werden bei FüCsli und v. Saudrart in der Zahl seiner Werke mehrfach auch
Darstellungen des jüngsten Gerichtes aufgeführt, deren eine das in Rede
stehende Gemälde sein mag.
Deutsche Briefe des Grafen Rudolf von Halisburg- Laufenburg
aus dem Jalire VMli,
ie ältesten, uns seither bekannten deutschen Briefe, die wirklich prak-
ischen Zwecken dienten und nicht, wie so viele poetische Liebes-
episteln aus früherer Zeit, die Briefform lediglich als künstlerische
Einkleidung wählten, stammten aus den ersten Jahrzehnten des vierzehnten
— 71 —
Jahrhunderts ^). Die ersten deutschen Privaturkunden fallen ein Jahrhun-
dert früher. Da nun Brief- und ürkundenwesen eng: zusammenhängen,
und die Briefschreiber, in vielen Fällen mit den g-ewerbsmäfsigen ürkunden-
verfertig-ern identisch, nicht so streng an die lateinische Sprache gebunden
waren, von deren Anwendung bis zur Zeit Rudolfs von Habsburg die recht-
liche Giltigkeit der Urkunden abzuhängen pflegte, so dürfen wir mit grofser
Wahrscheinlichkeit den Gebrauch der deutschen Sprache in der Korrespondenz
ebensoweit zurückdatieren wie im ürkundenwesen. Die grofse Bedeutung der
Urkunden macht es erklärlich, dafs ihrer mehr und ältere erhalten sind. Des-
halb ist aber nicht ausgeschlossen, dafs einmal deutsche Briefe auch aus früherer
Zeit als aus dem Beginne des 14. Jahrhunderts zum Vorschein kommen.
Dr. Georg Steinhausen 2) nimmt an, dafs uns in der Korrespondenz des
Mystikers Heinrich von Nördlingen und der Nonne Margareta Ebner die ersten
»wirklichen<( deutschen Briefe erhalten sind. Unter dem neuerdings aufgearbei-
teten Materiale des Archives im germanischen Nationalmuseum, das auch dem
Verfasser der Geschichte des deutschen Briefes reiches Material bot, fanden
sich zwei üriginalbriefe, die Jahrzehnte älter sind, als diejenigen, die man bis
heute für die frühesten Originale hielt, und die demnach als die ältesten von
sämtlichen bisher bekannt gewordenen deutschen Origiualbriefeu bezeichnet wer-
den dürfen.
Graf Rudolf von Habsburg- Laufenburg -Rapperswyl (1270 — 1315) richtete
sie am 9. März 1313 an König Johann von Böhmen und Polen und desen Rat,
den Grafen Bertold von Henneberg. Es ist bedeutsam,, dafs die ersten deut-
schen Urkunden, — die der Brüder Ludwig und Johann von Mülinen vom
12. November 1221 3) und der Teilungsvertrag zwischen den Grafen Albrecht IV.
und Rudolf III. von Habsburg aus der Zeit um 1240'*) — , ebenfalls aus der
Schweiz stammen, wo auch zuerst, wie überhaupt in Oberdeutschlaud ^), die
deutsche Sprache die lateinische aus den Urkunden verdrängte.
Dem Abdrucke der nicht nur kulturhistorisch wichtigen Briefe seien
einige Bemerkungen über das Äufsere und eine Rechtfertigung der Datierung
vorausgeschickt. Schmale Pergamentblätter (16 : 8 und 16,5 : 8,8 cm.) bilden
das Schreibmaterial. Die Schrift, beide Briefe sind von einer Hand ge-
schrieben, ist auffallend geläufig und weicht derart von der Urkuutlenschrift
jener Zeit ab, dafs man fast an eine eigenhändige Ausfertigung durch den
Grafen denken könnte. Beide Briefe sind in völlig gleicher Weise zweimal zu-
sammengefaltet und mit Einschnitten für den Pergamentstreilen versehen, der
durch die Briefe gezogen, und dessen Enden durch das Siegel zusammengehalten
wurden, »um die Unverletzlichkeil zu erreichen« ^). Spuren der aufgedrückten
Siegel (Durchmesser 6 cm.) sind noch vorhanden. Einfach wie das Äufsere ist
auch der Stil. Man vergleiche z. B. die Anrede und Adresse an König Johann
mit späteren Formehi. Datiert sind beide Briefe gleichmäfsig: der brief wart
geben zvrich an dem nv'ndcn tage merzen. Aus dem Inhalte geilt hervor, dafs
die zu ergänzende Jahreszahl keine andere sein kann als 1313. In diesem
1) Man vergleiche über das l'olgciidi- das Ircniitlie Werk von Dr. G. Sli'iiiliauson,
»Geschichte des deutschen Briefes«, Berlin, R. Gärtner 1889. 2 Bde.
2) S. 14 ff. 3j II. Brdslau, Handbucli (Um- Urkundenlelirc I, S. 988.
4) S. 604. 5) S. 605. 6) Steiuhausen S. 32.
— 72 —
Jahre oder frühestens Ende 1312 wurde dem Grafen von Habsburg die Reichs-
vog'tei in den oberen Landen durch Kaiser Heinrich VlI. entzogen'). Sein
Nachfolger »der von Bürgion« (Eberhard von Biirglen) wird zum erstenniale
in einer Urkunde vom 24. April 1313 ^j als Reichslandvogt (phleger) genannt.
Graf Eberhard von Henneberg sowoP), wie König Johann von Böhmen und
Polen befanden sich Frühjahr 1313 in Süddeutschlaud und in der Nähe von
Konstanz 1°). Von einem Aufenthalt des Königs in dieser Stadt, der vielleicht
auch nur geplant wurde, ist nichts bekannt. Er liefse sich übrigens ohne
Zwang in sein Itinerar einfügen.
I. Brief des Grafen Rudolf von Habsburg an König Johann
von Böhmen und Polen.
Dem hohgebornen erwirdigen, vnd minen genedigen herren von Gottes
gnaden | kung Johans von Behein vnd ze polan, Graven ze Lvtzelenburg. embvt
I ich Gravc Rvd. von Habsburg minen willigen vnd filzigen dienst bereit | zallen
dingen. Ich tvn vch kunt, das min herre der keiser vwer vater mir | genomen
hat die phlegnvst, die er mir verlihen hatte, vnd hat si verlihen | dem von
Bürgion, vnd da von bedurlint ir min vmb de hein ander sache | danne von
der phlegnust wegen, swie krank ich danne bin au dem libe so \ kum ich gerne
zvz vch gegen Costentz, als ir mir mit vwerm brieve habt | embotten. Der
brief wart geben zvrich an dem nvnden tage merzen. |
Adresse: Hlustri Regi Bohemie.
II. Brief des Grafen Rudolf von Habsburg an Graf Bertold
von Henneberg.
e
Dem edeln herren vnd minen liben Oheime . . . von Hennemberg embüt |
ich Grave Rvd. von Habsburg herre ze Rappchzwile minen flizigen dienst | vnd
alles gvt. Ich tun vch kunt, das mir der keiser die phlegnust genomen | hat,
die er mir hatte verlihen, vnd hat si dem von Bürglen verlihen, da hatte
mir der kvng Beheim embotten das ich zvz im keme, so ich sinen brief | erst
gesehe, ist das er min von deheiner ander sache wil danne von der phlegnusti
wege, swie krank ich danne si an dem libe so kum ich gerne züz im ze Go|
stentze, das han ich im embotten, vnd si das ir mir vtes gehelfen | mugit gen
im das mir du phlegnust belibe, das schaffent als ich vch ge | trvwen, wan
es och die stette vnd das lant alles gerne sehe, das ich da bi be | libe. Da zvt
was ir mugit iemer dur minen dienst. Der brief wart 1 geben zvrich an dem
nvnden tage merzen.
Adresse: Dem Graven B^ von Hennenbere:.
Die Zahl der Urkunden, die über die von Späteren mit so vielen sagen-
haften Zügen ausgestattete Losreifsung der Schweiz von Österreich sichere
7) vgl. den sagenhaften Bericht in Tschudi, Clu-un. IIclv. cd. Iseliu I, S. 260, der die
Enthehung in die Zeit »umh den Neujahrstagc 1313 vedegt.
8) ebenda S. 261, Kopp, Gesch. der Schweiz. Elgenossenschaft IVa, S. 102, Anmerk. 8.
9) Urk. Nürnberg Jan. 6. 1313. Lang, Reg. Boica V, S. 241.
10) Böhmer, Regcsten S. 486 f., 1313 Jan. 6 Reichstag in Nürnberg (Chmel, die Hand-
schriften der k. k. Ilofbibliolbek II, S. 325), Urk. vom 21., 23. und 23. Januar 1313 in
Nürnberg (Lang V, S. 243). Febr. 8 Augsburg. Mürz 29 wieder in Nüi"nberg.
— 73 -
Aufschlüsse geben, ist sehr g-eriug-. Trotzdem der thatsäcliliche Inhalt der
oben abg'edruckteu Briefe sehr dürftig- ist, mufs uns deshalb auch dieser kleine
Zuwachs zur Kenntnis jener Zeit willkoiniuen sein. Das Ausstellungsjahr, 1313,
das von jüngerer Überlieferung sogar als Anfangstermin der Erhebung be-
zeichnet wird^^), der Wechsel in der Person des Reichslandsvogtes, die Ein-
mischung des Bühmenkünigs führen auf bedeutsame F'ragen, deren Beant-
wortung in folgendem versucht werden soll.
Die Reichslandvogtei (phlegnust, advocatia) in den Waldstätteu wird zum
erstenmale am 3. Juni 1309 erwähnt ^^). Die älteste uns bekannte Urkunde, des
Grafen Wernher von Homberg, «phlegers in dien Waldstettencf, trägt das Datum
des 22. Juni ^^). Im Elsafs und in Schwaben bestand die Vogtei nach neueren
Forschungen^*) seit dem Interregnum. Sie wurde wahrscheinlich eingerichtet,
um das Reichs- und staufische Haasgut in Oberdeutschland, nach dem in jenen
Tagen der Verwirrung zahh'eiche gierige Hände griffen, zusammenzuhalten.
König Rudolf und seine Nachfolger bildeten die Institution weiter aus. Im Früh-
jahre 1309 liefs der neue König, Heinrich von Luxemburg, grofse Veränderungen
in der Besetzung der Vogteien eintreten. Es bestanden zur Zeit eine elsässi-
sche, zwei schwäbische, je eine in der Wetterau und im Speiergau, vielleicht
auch im Zürichgau. Der neu gewählte König wechselte mit den Landvögten,
indem er Anhänger seines Hauses an Stelle der Beamten seines Vorgängers
setzte ^^). Zur 'selben Zeit soll auch eine neue Reichslandvogtei in den Wald-
stätten begründet worden sein, die aber in der oben erwähnten Urkunde vom
3. Juni als schon bestehend vorausgesetzt wird ^^).
Reichslandvögte werden nur über solche Landesteile oder Städte gesetzt,
die nicht der Landeshoheit eines Territorialherrn unterstellt sind^'^). Die Be-
stellung eines Pflegers in den Waldstätten schlofs demnach eine Anerkennung
der Reichsunmittelbarkeit in sich, die den Urkantonen aufserdem noch in
drei fast gleichlautenden LTrkunden^^) vom selben Datum (3. Juni 1309) be-
stätigt wurde. Die Vogtei wurde, wie Rilliet ganz richtig bemerkt i^), ein das
Bewufstsein der Zusammengehörigkeit in den drei Thälern förderndos Bindemittel.
Über die Befugnisse des Reichslandvogtes ist man noch vielfach im Un-
klaren ^o). Im Allgemeinen steht fest, dafs ihm, neben richterlichen und mili-
tärischen Funktionen, tlie V^erwaltung von Reichssteuern und -Zöllen, ferner die
llj Vgl. I'iillicl-Hriiniu'r. d. Ursprung d. Schweiz. Eidg. Aarau 187S. S. 2oG IT.
12) ebenda S. 377, Urk. XYI. Tschudi a. a. 0. S. 246.
13) Rochliol/, die IloinlK^rger Caiit^n-afcn, Argovia XVI, Regest Nr. 12S. S. 71. Kopp.
Urkk. z. üe.scli. d. eidg. üuiulc I, S. 1U7. Derseiiie, Gesch. d. eidg. iJiiiuie IN'a. S. ü8.
Eidg. Abschiede I2, S. 388. G. v. Wyss, Graf Wernher v. lloniberg (iMilteiiungcn der antiqiiar.
Gescllsch. in Zürich XIII, 2 a.) Zürich 18(;0. Reg. Nr. 18.
14) vgl. besonders Teiisch, z. Gesell, d. schwäh. u. i'ls. Reichslandvoglcieii im i.K.laluh.
l'.onn 1880, S. 14 i'l". Meister, die IlohenstauiVn im Klsals. Mainz 1880. S. lO.-nV.
lüj Kopp, Gesch. IV a, S. 44/45. Teusch S. 43.
16) s. Anmerkung 12.
17) vgl. AValtcr, Dculsche Reciitsgesch. Uoiiii Is;i7. Rd. I, § 211. 290. 311.
18) Rilliel S. 376/77. Nr. XVa. b. c.
19j S. 127.
20) s. die Litlerahir bei Teusch S. 1 IT. .Mosliaek. di<' lleiclislandvoglei i. <l. Wdleraii S. (ilT.
Mitteiluiigeii ans dein gernuin. Naiioiialimisoiim. IS'.M. X.
— 74 -
Aufsicht über die Reichsg-ütcr und Reichspfandschai'len oblag. Ob der Vogi
mit dor Einziehung: aller oder nur der aufserg-ewühnlichen Steuern betraut war,
ob er üboruU den Blut- und König-sbann ausübte, wie weil in dem einzelnen
Falle und in den verschiedenen Gegenden seine Bef'ug-nisse ging-en, in welcher
Weise die Vogteien gegen einander abgegrenzt waren, darüber mufs von Fall
zu Fall die Si'iezialforschung entscheiden. Während für alle übrigen Vogteien
ein reiches Material an Urkunden etc. vorliegt, müssen wir uns für die Schweiz
mit wenigen Andeutungen begnügen.
Der richterlichen Gewalt wird in der öfter erwähnten Urkunde vom
3. Juni 1809 mit folgenden Worten gedacht: »Eurer Beunruhigung zu begegnen
und Euren Vorteil zu fih'dern huldvoll gewillt, (doch unter dem Vorbehalt,
dafs den über Euch Klage Führenden der Zoll der Gerechtigkeit nicht verweigert
wird) bewilligen Wir Euch durch Gegenwärtiges gnädigst, dafs Ihr vor keines
weltlichen Kichters Stul (ausgenommen natürlich Unserer Majestät Hofgericht)
um irgend welcher Rechtssachen oder Geschäfte willen aufserhalb der Grenzen
vorgenannten Thaies gezogen werden dürft, unter der einen Bedingung, dafs
Ihr vor Unserem Landvogt innerhalb der Grenzen dieses Thaies bereit seid zu
Recht zu stehn und zu (hun, was das verordnete Recht gebietet« 2^). Von
welcher Art der Gerichtsbarkeit ist hier die Rede? AVegelin^'^) weist dem
Reichsvogte den Blut- und Königsbann zu. Man kann auch daran denken, dafs
die Entscheidung der Streitigkeiten der Urkantone mit benachbarten landes-
herrlichen , insonderheit österreichischen Städten und Bezirken gemeint sei.
Darauf scheint die Wendung von den ȟber Euch (die einzelnen Kantone als
Gemeinschaft, universitas, gedacht), Klage Führenden« hinzudeuten (dum tarnen
de vobis querulantibus iusticie debitum non negetur). Besonders die Her-
zöge von Habsburg-Österreich als Vögte der benachbarten Klöster, so des seit
langer Zeit mit Schwyz verfeindeten Stifts Einsiedeln, und als Herren von
Luzern, das mit Schwyz wegen der Schiffahrt auf dem Vierwaldstättersee
haderte, versuchten wol die Urkantone, auf die sie noch weitergehende An-
sprüche geltend machten, vor ihr Gericht zu" ziehen. Den Klagen darüber, die
Tschudi^^) als historisch hinstellt, ohne Beweise dafür beizubringen, hätte dann
der kaiserliche Erlafs abgeholfen. Wenige Tage nach dem 3. Juni wird unter
dem V'orsitze des Reichslandvogtes, des Grafen von Homberg, der Streit zwi-
schen Schwyz und Luzern geschlichtet ^-i). In dem Zwiste, der zwischen ersterem
21) vcsiris inquicludiniljus obuiarc^ cominoditafilniS(iue prospicere fauorabilitcr cu-
picntt'S, dum tanien de vobis (|ucrulaiitibus iusticie debitum non negctui", vobis per prosentcs
concedimus graciose, quod ad nullius secularis ludids Tribunal, iwstre Maicstatis Con-
sistoriü dumtaxat excepto, super quibuscumque causis seu negocijs extra terminos valiis
prediete pertrahi debeatis, duniniodo coram Advocato nostro prouinciali intra fines eiusdein
valiis parali sitis stare juri et facere quod didauerit ordo juris.
22j Gründl. histor. Beridit v. d. Kayserl. u. Rcidis-Landvogtey in Sdnvaben. Lindau
1755. Bd. I, S. 95 ff. Vergl. ferner Sdiöpflin, Alsatia illustrata. Strafsburg 1761. Bd. il,
S. 286 u. 557. Teusdi a. a. 0. S. 56 ff. Moshadi a. a. 0. S. 36 ff. Der erste Bundesvertrag
1291, Aug. 1. (Riliiet S. 371, Urk. XI) gibt genauere Bestimmungen über die Pflege der Justiz,
ohne des Landvogts zu gedenken.
23) S. 246.
24) s. Anmerkung 13.
— 7S —
und Zürich ausbrach, weil die Schwyzer die Eutschädig-ung- der Züricher ver-
weigerten, die sich für die Einhaltung des durch Zürich vermittelten Aus-
gleiches zwischen Schwyz und Kloster Einsiedeln verbürgt und infolge der
Hartnäckigkeit der Schwyzer unnütze Geiselschaft geleistet hatten '^^), spielt
der letzte Landvogt unter Heinrich VII., der Freie Eberhard von Bürgten, die
Rolle des Schiedsrichters-^). Die Vertretung der Interessen des Vogteibezirkes
gegen Fremde scheint demnach eine weitere Befugnis des Vogtes gewesen
zu sein.
Der Pfleger nahm den ihm untergebenen Städten und Bezirken den Hul-
digungseid im Namen des Königs ab. Hierfür ist uns in der schweizerischen
Landvogtei nur ein Beispiel aus der Zeit Ludwig des Baieru bezeugt ■^'^).
Eine Führung des Heerbanns durch den »phleger des römischen Richs«
dürfte der Vertrag der Herzöge Friedrich und Leopold von Österreich mit
Zürich vom 2. August 1309 voraussetzen: «Were ouch daz, ob sich Graue
Wernher von Homberk ald die Waldstette dur miitwillen gegen vns ze velde
wolten legen vor dem Hus ze Snabilburg^s)^ so haut die burger von Zürich
gelobt, de si in dekein Spise geben an die stat« ^^).
Üb der Reichsvogt in den Waldstätten auch die direkten Steuern ver-
waltete, wie Teusch^o) füi» Schwaben und Elsafs nachzuweisen versucht, oder
nur, wie Moshack^^) für die Wetterau feststellt, aul'sergewöhnliche Umlagen
einzog, können wir nicht entscheiden, da nur wenige, ganz allgemein gehaltene
Zeugnisse für die Thätigkeit des Landpflegers auf diesem Gebiete vorliegen.
Im Frühjahr 1313 ist Eberhard von Bürglen, der letzte Reichsvogt unter Hein-
rich VII., mit der Eintreibung einer Beisteuer zur Reichshülfe für den König
betraut 3^). Am 11. Mai 1313 quittiert er der Stadt Konstanz den Empfang von
100 Mark Silber ^3). In einem wahrscheinlich aus dieser Zeit stammenden Brief-
chen**) erläfst er denen von Schwyz 60 Pfund Pfennige, die sie an ihn. doch
wol in seiner Eigenschaft als Landvogt, zu zahlen verpflichtet waren.
Die Zahl der Reichsgüter in den Waldstätton mufs sehr beschränkt ge-
wesen sein. Ganz fehlten sie nicht, wie uns die Verpfändung des Reichszolls
zu Flüelen durch Heinrich Vll. an Graf Wernher von Homberg vom 21, Januar
1313 beweist*^). Nur eine Urkunde zeugt von der Thätigkeit der Reichsvögte
23) Vgl. Urkk. Zürich 13H, März 14. 1311. Juni 19 bei Tschudi S. 255 ft". Hilliot
S. 135. Kopp, Urkk. IJ, S. 187. Gi-sch. IV a, S. 244 IT.
26J Eiolcii 1313, April 24, s. Tschudi S. 261 ff. Kopp. Gösch. TV a. S. 253.
27 j Tsciiudi S. ±mi. v^l Tcusch S. 44.
28) Schnabc'ilniri^ wurde von den Österreichern in ticiii Kachekriepe gegen die iMörder
König Albrcchls belag<Tl uiiil zcrstürl. Kopp, Gesch. IV a, S. G2.
29j Hoclihülz a. a. O. Ar. 129, S. 71. Tschudi S. 248. Kopp, Urkk. 11. S. 5(5. Gesell,
a. a. 0. S. ü2.
30J S. 45 IT. 31 j Ö. isir.
32) Urk. Ziiricli 1.113, April 23. Kopj), Urkk. II. S. !!I7, Gesch. I\ a. S. 244. Archiv
\'üv Kunde (islcrr. Gcscliiclilsiini-ili'n \'l. S. I'.t7.
iS) clienda Ö. 198. Kopp, Urkk. 11, S. 198. Gesell IV a. S. 243.
34J ehenda S. 254. Urkk. a. a. 0. Archiv a. u. (.).
35j Uochlud/,, Nr. 147, S. 81. Kopp, (lesch. IV a, S. 25G. His dahin scheint der Zoll
dem Kaiser direkt und darnil aiuli dr.sscn l,andvogt unlerslandcn zu liiihcn.
— 76 —
iiul' iliesem Gebiete. Am 22. Juli 1811 bestätig't König- Heinrich VII. im Lager
vor Bresuia dem Ritter Walther von Casteln eine Pfandschaft auf die Vog-tei
der Dörfer Richenbach und Helfetswiler bei Gonstaiiz, die noch aus der Zeit
König- Albrechts herrührte. In derselben ^ß) befiehlt er dem Grafen Rudolf von
Ilalisburg- »caeterisque advocatis nostris prouincialibus«, den Inhaber der Pfiind-
schaft in seinen Rechten nicht zu hindern, noch zu kränken. Dafs mit der
Verwaltung- der Reichsg-üter auch die Aulsicht über die Reichspfandschafien
verbunden war, g-eht aus verschiedenen Verfüg-ung-en Heinrichs VII. her-
vor^'). Schon der Zusatz caeterisque advocatis nostris prouincialibus zeigt,
dafs es sich nicht, wie Tschudi annimmt, um eine Feindseligkeit gegen den
Grafen von Habsburg handelt. Die Vog-tei des Ritters von Casteln, sicherlich
eine der dem Reichslandvogte unterstellten Unter vogteien, wird einfach der
Oberaufsicht des LandpHcgers entzogen. Letzterem stand sonst das Recht zu,
die Untervögte ein- und abzusetzen. Doch kam es öfters vor, dafs der König
über seinen Kopf hinweg die Stellen neu besetzte 3^). Auch Verpfändungen
der Reichsvogteien, sowie ihrer Unterbezirke, sind nicht selten.
Aus der letzterwähnten Urkunde Heinrichs VII., in der er die Vogtei
über Richenbach und Helfetswiler dem von Casteln verpfändet, geht hervor,
dafs der Sprengel des Reichslaudvogtes Rudolf von Habsburg- Laufenburg weit
iiber die Grenzen der Waldstätte gereicht haben muls. Beide Ortschaften liegen
im heutigen Kanton SchafThausen. Man hat bisher mit Tschudi angenommen,
dafs Graf Rudolf seinem Stiefsohne Wernher von Homberg in der Reichsvogtei
über die Waldstätte gefolgt sei. Doch nennt ihn Tschudi auch Landvogt in den
oberen Landen. Während Wernher sich in der oft erwähnten Urkunde vom
22. Juni 1309^9) ausdrücklich «phleger des Römschen Richs in dien Waldstetten«
nennt, wird Graf Rudolf sovvol in der Urkunde vom 1. Mai ISlÜ'^oj^ {^ dej, q^ gum
erstenmale als Landvogt auftritt, als auch in der vom 22. Juli 1311 *i), ganz allge-
mein als advocatus prouincialis bezeichnet. Auch in der oben übersetzten Stelle
der Exemptionsurkuude Heinrichs für die Urkantone wird der Wirkungskreis
s
des advocatus prouincialis nicht näher umgrenzt. In den ülirigen Urkunden
des Laufenburgers aus der Zeit seiner Pflegschaft führt er den Titel eines Land-
vogts nicht. Eberhard von Bürglen, sein Nachfolger, nennt sich einmal einfach
»dez Römschen Keisers Lantuogt« ^^^^ ein andermal »Vogt zu Costenz«'^) oder
»im Costentzer Bistumb des Römischen Keisers Land -Vogt« ^*). Die Urkunde vom
23. April 1313'i5) beweist, dafs auch die Stadt Zürich in seinen Bezirk einbe-
griffen war. Damit stimmt überein, dafs sein Vorgänger, Graf Rudolf von
36) Miincfi, Rcgesten der Grafen voji Hahsburg, Laufciil)ui-gischer Linie, Argovia X,
Nr. 278, S. 173. Herrgott, Genealog, diplouiat. gentis Habsburg. Wien 1737. III, Nr. 714.
S. 602. Kopp, Gesch. IV a, S. 234.
37} s. z. B. Böhmer, Regest. Henr. VIL Addit. 1, Nr. 571, S. 399 (1310, Aprit 2, an
JolTrid V. Leiningen, Landvogt im Elsass). Nr. 516, S. 305 (1313, Jan. 2, an denselbeiij.
38} Tcusch S. 44. 39} s. Anmerkung 13.
40} Münch Nr. 271, S. 172. Herrg. III, Nr. 706, S. 597.
41} s. Anmerkung 36.
42} s. Anmerkung ä''!, vgl. ferner die Urk. Zürich 1313, Mai 19 (Arcliiv für Kuiule
österr. Geschichtsquellen VI, S. 198. Kopp, Urkk. II, S. 198, Gesell. IV a, S. 244;.
43} s. Anmerkung 33. 44} Tschudi S. 261. 45} s. Anmerkung 32.
— 11 -
Habsburg-, nach Ausweis seioer Urkunden '^^) während seiner Amtsführung- fast
ununterbrochen den Wohnsitz in Zürich g-ehabt haben niuCs. Von säiiillichen
durch ihn vom 1. Mai 1310 bis zum 1. Januar 1318 ausgestellten Schriftstücken,
elf an der Zahl, sind nur drei nicht in dieser Stadt ausg-efertig-t worden. Die
Vermutung- liegt nahe, der Sprengel des Grafen, der von seinem Vater die
Würde eines Landgrafeii im Züriehgau ererbt hatte'^''), habe sieh nicht nur
über den genannten Gau, sondern auch, wie der seines Nachfolgers, über die
ganze Ostschweiz, das Bistum Constanz, erstreckt. Die Benennungen der Reichs-
vögte und -vogteien stehen keineswegs fest. Der Amtsbezirk wird oft nach
einem Teile oder nach einer zugehörigen Stadt benannt. Es ist deshalb wahr-
scheinlich, dafs »der Vogt zu Costentz« oder im »Gostentzer Bistuinb« mit dem
»phleger in dien waldstettencf identisch ist.
Wir bemerkten bereits, dafs die Urkunde König- Heinrichs vom 3. Juni
1309, in der er die Urkantone von fremdem Gerichte eximiert, die Roichsland-
vogtei in jenen Gegenden als schon bestehend voraussetzt. Nun wird schon
unter König- Adolf von Nassau ein Vogt im Zürichgau oder advocatus Thuri-
censis'*^) erw'ähut. Es ist dies der Graf Eberhard von Katzenellenbogen, der noch
von Albrecht I. in einer Verleihung*^) als advocatus provincialis ohne Hinzu-
fügung des Wirkungskreises genannt wird. Der Annahme Wencks im 1. Band
seiner hessischen Geschichte, Eberhard sei Reichsvogt im Speiergau gewesen''"),
stehen aufser den beiden Urkunden von 1294 noch weitere Bedenken entgegen.
Allerdings hielt sich Eberhard nur vorübergehend in oder bei Zürich auf.
Unter König- Albrecht scheint ihm nur der Titel, nicht die Befugnisse eines
Landpilegers verblieben zu sein. Albrecht schaltete und waltete unmittelbar
in den seinen Erblanden benachbarten Kantonen. Unter König- Heinrich änderte
sich die Sache. Graf Eberhard von Katzenellenbogen starb in hohem Alter im
Jahre 1311-''^). Der neue Landvogt unter Heinrich VII. führte nicht nur den
leeren Titel. Mit der Urkunde vom 3. Juni 1309 wird ihm ein Teil der durch
König Albrecht zurückgezogenen Rechte wiedergegeben. Ist, wie Avir annehmen,
advocatus Thuricensis wirklich identisch mit dem »phleger in dien waldstetten«
und dem »Vogte zu Gostentz«, dann müssen wir auch die Begründung der Vogtei
in der üstschweiz in die Zeit König Adolfs, oder gar wie die der Landvogteicn
in Elsafs, Schwaben, Speiergau und Wetterau in die König Rudolfs und des
Interregnums zurückdatieren.
46) s. Münch S. 172 ff. Nr. 270-281, Nachtrag, Argovia XVIII, S. 65, Nr. 35.
47J s. z. B. Münch Nr. 263 ; ferner Nr. 222. 226. 227. 234.
48) Urk, Zürich 1294, Mai 22. Koi)]), Urkk. U. S. 148 : Viid ist licscliolioii mit aoiii
rulc inines gcnodigen Herren von gotte.s geiiaden Itiscliol' lleiiiriches von Kostanze, vnd mit
der ortfriuiiedo der (sc. des) edclen Herren grauen Kl)erhartes von Calzeneileli(i;j,cn juines
swagers, der Züricher Pfleger ist etc. Kopj), Gesell, lila. S. jo'i IT luill tue hei Neugarl.
Cod. dipl. Aleinanniai! |ip. I7'.)ii. 11. S. S40, Nr. ML! abü-edrnckle lat. L'rk. vom seilten Datum,
in der iiheriiard als advocatus Thuricensis genannt wird, l'üv einen dürftigen Auszug aus
der vorher angeführten.
49) Wenck, Hess. Landesgesch. I, Anhang S. 70. Urk. Nr. CVI.
oO) Nach dem Ciironic. Colmar. Mon. Germ, liist. XVII. S. 257 mul's er schon unter
König Huddif Landvogt gewesen sein. Die .Änderungen dei- Jahre 1296 (1297) und 1298 in
d(T Besetzung der Landvugteien heiiihi'ten ihn nicht. \'gl. I\(i|)|) lila. S. ±\:].
Sl) Wenck a. a. 0. S. 368.
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Über die Amtsführung des ReichsUindvogtos Rudolf von Habsburg-Laufen-
liiirg- ist uns nichts bekannt. Über seine Fähigkeit oder Unfähigkeit können wir
deshalb nicht iiilcilcn. Ein späterer Chronist niiniiil, wo! mit Lliirccht, Mifsbrauch
der Amtsgewalt als fjrund seines Sturzes an. Aus dem Briefe an den Grafen von
Henneberg geht hervor, dafs seine Untergebenen die Entsetzung bedauerten:
)'Wan es och die stette vnd das laut alles gerne sehe, das ich da bi belibe«. Auch
Tschmli bemerkt: »die von Zürich, die Waldstett und ander... haltend In lieb« ^2).
Stand er aber wirklich in so inniger Freundschaft mit den Waldstätten,
die nach Tschudi mil den Mördern König Albrechts sympathisierten, dafs seine
Vettern von Habsburg-Österreich, wie man annimmt, sich bewogen fühlen
mufsten, auf seinen Sturz hinzuarbeiten? Tschudi gibt als Grund seiner Ent-
hebung die Verläunnlung Herzog Leopolds und des Ritters Walther von Gastein
an, »die bim Kunig in Italia lagend«^^). Ein Aufenthalt Wall hcrs in Italien zur
Zeit der Absetzung Rudolfs ist unwahrscheinlich. Im Frühhorbst 1312^) be-
findet er sich noch bei Johann von Böhmen und den Herzogen von Österreich
in Mähren. Er wird von letzteren für grofse Dienste belohnt, die er ihnen
in jenen Landen geleistet hat. In einer Urkunde des Böhmenkönigs vom
13. September 1313 wird er Capilaneus Moraviae genannt^^). Zieht man hinzu,
dafs sein Name in den Zeugenreihen der in jener Zeit von Heinrich in Italien
ausgestellten Schriftstücke fehlt, so gewinnt die Annahme Wahrscheinlichkeit,
dafs er sich Anfang des Jahres 1313 in Österreich ständig in der Nähe seiner
Lehensherren, der Herzöge, aufhielt. Ein Aufenthalt Herzog Leopolds in Italien
um jene Zeit ist unuiöglich. Er urkundet noch am 5. November in AVien, am
13. in Linz und am 3. Februar wieder in Baden bei Wien^^). Ein Fehlen seines
Namens, wenn er in der Zwischenzeit wirklich im Lager des Kaisers gewesen
wäre, in den Zeugenreihen der italienischen Urkunden Heinrichs VII. jener Zeit
bliebe unerklärlich.
Die Vermutung einer Verfeindung Walthers von Casteln mit Graf Rudolf
kann nur auf der einzigen oben besprochenen Urkunde vom 22. Juli 1311 •")
beruhen. Rudolf hatte nur als Reichslandvogt, nicht als Graf von Habsburg-
Laufenburg Beziehungen zur Vogtei von Richenbach und Helfetswiler. Wir
sahen schon, dafs es falsch ist, in der Thatsache der Verpfändung eine Feind-
seligkeit gegen den advocatus provincialis zu suchen. Auch die Angabe
Tschudis^s), Walther von Casteln habe schon früher im Auftrage seines Gönners,
des Königs Albrecht, den Grafen von Laufenburg bekriegt, ist nicht zu erweisen.
Dafs Herzog Leopold bei der Bestätigung der Pfandschaft Walthers von
Casteln beteiligt war, ist ebenfalls zweifelhaft. Die Familie derer von Casteln
mufs in hohem Ansehen auch beim Kaiser gestanden haben , wie die Ver-
leihungen an Dietegen von Casteln, Reichslandvogt zu Augsburg, Ulm und
Überschwaben, beweisen'^"). Ebenso anfechtbar ist die Annahme eines Zwistes
zwischen Graf Eudolf und seinen Vettern von Habsburg-Österreich, insonderheit
Herzog Leopold. Im Frühjahre 1311 ist Rudolf mit seinem Vetter zusammen in
52) S. 260 61. 53) ebenda.
54) Urkk. 1312. Aug. 19. Lichnowsky, Gesch. des Hauses Habsburg III, S. CCCXLII.
55) Falckenstein. cod. dipl. Nordg. S. 135.
56) Büluiiei', Heg. iuip. Addit. II, S. 506 u. 511. LiL'liuow.sky, a. a. 0.
57) s. Amucrkung 36. 58) S. 258. 59j vgl. Kopp, Gesch. IVa, S. 199. 222 u. s. f.
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der Lombardei unter den Fahnen des König-s. Er kauft, mit ihm gemeinsam die
Rotenburg- bei Luzern und bekräftig'l nach seiner Heimkehr in einer Urkunde,
datiert Diessenboven tSll, Juli 11'^^), die mit Leopold in der Lombardei über
den Kauf getroffenen Vereinbarungen. Kurz nach der Entfernung- des Laufeu-
burg-ers von der Reichsvog-tei linden wir ihn in der Begleitung- seines Vetters
von Österreich. Er tritt Juli und August in nicht weniger als sechs Urkunden
Leopolds als Zeuge auf^). Der Gegensatz zwischen Habsburg-Laufenburg und
Habsburg-Österreich ist, wenigstens für die letzten Jahre des Grafen Rudolf,
von Tschudi künstlich konstruiert.
Sein Sturz bedarf weder der Annahme einer schlechten Amtsführung-,
noch der einer Verläumdung bei König Heinrich: er ist die naturgemäfse Folge
der luxemburgischen Politik. Seit der im Jahre 1309 erfolgten Aussühnung
hatten sich die Herzöge von Österreich als treue Anhänger des Königs erwiesen.
Besonders Leopold hatte ihm in Italien die wesentlichsten Dienste geleistet.
Als der Herzog 1311 Heinrieh um endgültige Entscheidung der zwischen seinem
Hause und den Urkantonen schwebenden Streitfragen ersuchte, konnte ihm der
König diesen billigen Wunsch nicht abschlagen und ernannte den Freien Eber-
hard von Bürglen zu seinem und des Reiches Vertreter in einem zu diesem
Behufe berufenen Schiedsgerichte, w^ährend Graf Friedrich von Toggenburg die
Ansprüche Österreichs wahren sollte '^^). Infolge der Kriegsläufe, vielleicht
auch einer Änderung in den Gesinnungen Heinrichs gegen die Österreicher,
verzögerte sich die Ausführung- der angeordneten Untersuchung. Da schlofs
König Johann, des Kaisers Stellvertreter in Deutschland, Sommer 1312 ein
Bündnis mit den Herzögen *^3) m^j verpflichtete sich in der Vertragsurkunde
vom 25. Juli 1312, seinen Vater an die gegebene Zusage zu mahnen
und, im Falle einer Weigerung desselben, selbst auf Grund seiner Stellung
als Reichsverweser nach Verlauf von sechs Monaten den Herzöi>-en zu ihrem
Rechte zu verhelfen. Heinrich VII., dessen Lage in Italien zur Zeit sehr
ungünstig war, durfte sich die mächtigen Habsburger nicht zu Feinden machen.
Er konnte sich der Mahnung nicht entziehen und schickte seinen Vertreter im
Schiedsgerichte, den Freien Eberhard von Bürglen, der sich noch Mitte Oktober
im kaiserlichen Lager befand*^), in die Heimat. Eine V^ertretung seiner Inte-
ressen durch den Grafen Rudolf, den Verwandten und Freund der Habsburger,
war ausgeschlossen. Zur Erhöhung der Autorität des Schiedsrichters bekleidete
der Kaiser den von Bürglen mit der Würde eines Reichslandvogts im Bistume
Constanz, nachdem er den Laufenburger seines Amtes enthoben hatte. Eine der
ersten Handlungen Eberhards von Bürglen war die Vermittlung eines Aus-
gleichs zwischen Zürich und Scinvyz. Die Fortsetzung des Friedonswerkes um!
endgültige Entscheidung der schwebenden Streitfragen hinderte der plötzliche
Tod Heinrichs VII.
Nürnberg. Jul. Rcinh. Diolorich.
60) Münch Nr. 277. Kopj), Url<k. II. S. is:;. IJniim.'r. Addil. II. S. 474.
Glj iMüiich Nr. 283-87. Niielifra^- Nr. JJO.
62) vkI. dir L'rk. hei llillirt S. 379, Nr. .Will.
63) Kopp, Gcschichlsblütlor I, S. 137 IT. Kur/, Oesterroirli iiiilir Frieilrirli d<iit
Scliüiioii S. 425. Licliiu)ws]<y a. a. 0.
G4) Bölimcr Nr. .'iU(), Lüiiitr. Ucicli.sanliiv XVlil. S. 414.
— 80 —
Nürnberger Schrank aus der zweiten Hallte des 17. .lahrliunderts.
(^Uiczu Tafel X.)
^ icser Schrank, dessen Abbildung- auf beiliegeuder Tafel eine Aufnahme
(Inicli die Schüler der hiesig-en kg-1. Kunstg-ewcrbeschule zu Grunde liegi
und die wir der «Bayer. Grewerbezeitung« entnehnien, wurde in jenen
Zeiten, als es sich noch lohnle, in Nürnberg sich nicht blos bei A.nti(iuaren,
sondern auch bei Trödlern umzusehen, wenn man gute, altertümliche Stücke
haben wollte, im Jahre 1863, vom damaligen I. Direktor, Geh. Rat Michelsen,
dem unmittelbaren Amtsnachfolger des Begründers unseres nationalen Museums,
zunächst nicht für die Sammlungen, wo ja damals nichts aufgestellt werden
sollte, das jünger war als 16S0, sondern für das Direktorialzimmer auf dem
Trödelmärkte erkauft und befand sich so lange daselbst, bis, lange nach dem
Amtsantritte des Unterzeichneten, die fortschreitende Entwickelung die Ver-
legung der Direktorialkanzlei in ein Lokal nöti^- machte, in welchem der
Schrank keinen Raum fand. Da wurde er als guter Vertreter seiner Zeit in
die Saiiniiluiigcn eingereiht, für welche mittlerw^eile die alte Zeitgränze gefallen
war. Was ihn dazu besonders geeignet machte, war der Umstand, dafs er
vollständig wol erhalten und in gar keinem Teile restauriert ist.
Wir haben auf S. 239 des I. Bandes dieser Mitteilungen von den älteren
Nürnberger Schränken gesprochen und gesagt, dafs sie bis ins 17, Jahrhundert
herein aus zwei aufeinander gestellten, niederen Schränken mit Thüren bestehen,
zwischen welche eine Reihe Schubladen eingelegt ist. Hier sind zwei R,eihen
Schubladen in dem Untersatze, darauf steht ein höherer, einheitlicher Kasten
mit zwei Flügelthüren. Als Schlagleiste dient ein Pilaster, wie deren zwei
ähnliche auf die festen Eckpfeiler aufgelegt sind. Den oberen Schlufs bildet
ein Gebälke von auffallender Kleinheit, insbesondere merklicher Dünne des
Gesimses. Trotz der grofsen Flächen sind auch alle übrigen Gliederungen, mit
Ausnahme der ThürfüHungsrahmen, dünn, und der Schrank würde einen sehr
nüchternen Eindruck machen, wenn er nicht verhältnismäfsig reich dekoriert
wäre. Diese Dekoration ist teils durch Einlagen verschiedenfarbiger Hölzer
bewirkt, teils durch Auflagen von Ornamenten, welche aus etwa 2 mm. starkem
Ahornholze mit der Laubsäge ausgeschnitten und aufgeleimt sind. Auch die
wellenförmigen Leisten, w^elche verschiedene Einfassungen bilden, tragen zur
Belebung bei. Die Bänder der Thüren befinden sich im Inneren und sind mit
blauangelaufener Verzierung mit eingehauener Zeichnung versehen. Aufsen
sind nur die Charniere sichtbar, sowie die zierlich ausgeschnittenen, verzinnten,
mit eingehauener Zeichnung versehenen Schlofsbleche, deren jedes mit einem
Zugknopfe verbunden ist. Auch an den Schubladen befinden sich eiserne, ver-
zinnte Zugknöpfe mit eingehauenen Verzierungen. Die Seitenwände sind ganz
glatt. Im Inneren des Schrankes ist ein horizontales Brett zur Auflage ver-
schiedener Gegenstände, da auch in diesem Schranke noch keine Vorrichtungen
zum Aufhängen von Kleidern oder dgl. getroffen sind, sondern alles darauf
berechnet ist, die aufzubew^ahrenden Gegenstände zu legen oder zu stellen.
Der Schrank ist oben am Gesimse 1,94 m. breit, 0,75 m. tief und 2,23 m. hoch
und trägt die Nummer H. G. 3432 unseres Inventares.
Gries bei Bozen. A- v. Essen wein.
ö
— 81 —
Exerzierregleiiicut und Dieusteiitteiliiiig des oberptalzischeu iusscliusses
TOU 1010.
as sechszehute Jahrhundert ist die Blütezeit der Landsknechte, deren
glänzendste Repräsentanten Georg- a-ou Frundsberg- und Sebastian Schärtlln
von Burienbach sind. Im letzten Viertel des Jahrhunderts rief die Ent-
artung der Mietsheere in Deutschland eine Reaktion hervor, die in den sogenannten
«Landrettungsaustalten« oder Yolksbewaffungen ihren Ausdruck fand.
Schon Macchiavelli hatte in seiner berühmten »Kriegskunst« (i sette libri
dell'arte della guerra, loäl^) die Nachteile des Söldnerwesens auseinandergesetzt
und ein Bürgeraufgebot warm empfohlen. Die grofsen Erfolge der Landsknechte
drängten vorerst weitere Erwägungen zurück. Erst in seinem um 1575 nieder-
geschriebenen »Kriegsdiskurs« trat Lazarus von Schwendi, der berühmte Feld-
hauptmann und Laudskuechtführer Kaiser Maximilians IL, von neuem aufs
eifrigste für die Volksbewalfnung ein. »Dann die frembden Leut seynd schier
nimmer so trew, gehorsam vnd so fertig als die Vuderthanen vnd kosten viel
mehr aufzubringen vnd zu vnderhalten.«
In den neunziger Jahren finden wir in einem grofsen Teile Deutschlands
Schweudis Theorie in die Praxis übertragen. Einer der ersten, der die Volks-
bewaffnung organisierte, war Graf Johann der Ältere von Nassau-Dillenburg,
der Bruder und treue Helfer Wilhelms von Uranien. Wie die meisten Prinzen
des nassauischen Hauses hatte er in den Niederlanden gegen die Spanier ge-
fochteu. Zwei seiner Brüder starben 1574 auf der Mookerheide den Heldentod,
seine Söhne fochten fast alle unter den Fahnen der Aufständischen, mehrere von
ihnen fielen im Kampfe für die Freiheit der Niederlande. Im Dienste der General-
staaten hatte Graf Johann die Überlegenheit der Volksbewalfnung über die
Mietsheere kennen gelernt. Deshalb griff er, gegen Ende des Jahrhunderts von
den Spaniern in seinen Erblanden bedroht, da ihm seine zerrütteten Finanzen
die Aufstellung von Söldnertruppen nicht gestatteten, zu dem letzten Mittel und
richtete eine allgemeine LandesbewatTnung ein. »Die sämtlichen streitbaren
Männer des Landes wurden nämlich unter Kommando des Grafen Johann des
Mittleren teils zu Pferd, teils zu Fufs dem Heerbann zugewiesen, der mit hin-
länglichen Waffen versehen, seine regelmäfsigen Übungen anzustellen hatte.«
In kurzer Zeit brachte es der Graf dahin, dafs er aus dem Ländcheu Dillcnburg
jederzeit 6—8000 waffengeübte Leute ins Feld stellen konnte '^).
Im Jahre 1600 bestanden bereits »Landrettungsanstalten« in Hessen-Kassel,
Kurpfalz und Bayern^). Herzog Maximilian I. hatte bereits 1599, in der Vor-
aussiclil , dai's ein Zusammenstols der verschiedenen Religionsparteien un-
vermeidlich sei, die Kommission der »zum Defensionswerk deputierten Räte
und Verordneten« eingesetzt. Am 4. Dezember 1599 erschien der Erlal's, der
die »Landesdefensionsausrüstung« befahl, iti Hessen hatte Lamigraf Moriz.
1) Vgl. üIkm- das Fült,^oii(l(' die betr. A lisch iiillt* des liririiclicii Werks von .liilins :
Geschichte der i<iMej;s\visseiisclial'lL'ii, vuriu'hmlich in IJculscIdiind. 1881) ff.
2} Vgl. Ki'ller, Geschichte Nassaus, Wieshaden 1864, S. 4G3.
S) Vgl. iilH'f die bayerische LandcshewalViuing den ausiuhrlichen Herichl in : iliilinaiin.
Kriegsgeschichte von Bayern, Franken, Pialz und Schwallen von l.'iüC— 1(551, München 1868j
II. Bd., S. 7i).1 tr.
MittoiluiigeiL aus dein goriiiaii. Natiuiialiiuiseiiiii. ISIM. \I.
— 82 —
crschi'eckl iliiiuh den Einfall der Spanier unter Mendoza ins Reich und die
Zuchtlosii'iveil des ihnen uiiler Graf Simon zur Lipjjc enl4i;'eg-eng'est eilten SfHdner-
lieeres, g'eg'en Ende des Jahres lüOü die Eiiiricliluiig' eines hessischen »Landes-
ausschusses(f g-elroffen und eing'chende Instruktionen über Aushebung, Bewaff-
nung-, Übung- i\. s. f. erlassen.
Der Landgraf stand , wie Jahns vvol mit Recht annimmt, in Hinsicht der
Voiksbewatfnuiig- unter dem Einflüsse ihres eifrig;sten Vorkämpfers, des Grafen
Johann des Mittleren von Nassau-Sieg-en, der, wie wir oben sahen, im Namen
seines Vaters, des älteren Grafen Johann, den nassauischen Aussehuf's ins Werk
g-eselzt hatte. Graf Johann der Mittlere ist einer der tüchtig-sten Soldaten seiner
Zeit. Als Militärschriftsteller steht er ohne Frage an erster Stelle. In den Nie-
derlanden unter den Fahnen seines Vetters, des Prinzen Moriz von Oranien,
des bedeutendsten Feldherrn seiner Zeit, zum Krieg-snianne gereift, hat er zuerst
die Ideen dieses Schöpfers der sogenannten »oranischen Taktik« eingehend ge-
würdigt. Eine Reihe anderer Schriften über die verschiedensten Gegenstände
des Kriegswesens zeugen für die Vielseitigkeit des begabten Fürsten. Der
wichtigste Teil seiner Thätigkeit liegt auf organisatorischem Gebiete. Er ist der
intellektuelle Urheber nicht nur der nassauischen, sondern wol auch der
meisten übrigen Volksbewaffnungen. Seit c. lo9o hat er seine Ansichten in
einer Reihe von Schriften niedergelegt, die, seither ungedruckt, gleich seinen
übrigen Werken im Wiesbadener Archive der Bearbeitung harren. Eingehende
Auszüge gibt Jahns in seiner »Geschichte der Kriegswissenschaften«.
Im Jahre 1599 wurde Graf Johann als Generalobristlieutenant nach der
Xur[)falz berufen und mit der Aufgabe betraut, »die Landrettungsanstalt ge-
hörig zu organisieren«. Nachdem er seit 1601 kurze Zeit im schw^edischen Dienste
als Feldoberst gegen Polen gefochten hatte, übernahm er 1607 die Regierung
von Nassau -Siegen, das ihm in der Erbteilung seines Vaters zugefallen war.
Schon im folgenden Jahre finden wir ihn wieder mit militärischen Organi-
sationen beschäftigt. Er nahm Teil an der Gründung der protestantischen Union
und machte in seinem »Discurs, das itzige Teutsche Kriegswesen belangendt«,
Vorschläge, wie man auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht die militärischen
Kräfte der evangelischen Stände heben könnte. 1609 führte ihn der jülich-
klevische Erbfolgekricg an den Niederrhein, wo er vom Pfalzgraf Wolfgang
Wilhelm von Neuburg und dem Kurfürsten von Brandenburg über die Land-
rettung und Einexerzierung des Landvolkes und andere wichtige militärische
Fragen zu Rate gezogen wurde*). Im Mai 1610 w^urde er von Kurfürst Friedrich IV.
von dfer Pfalz zum Befehlshaber der Truppen in den oberen Landen ernannt,
die durch den Ausschuss des Landvolks verstärkt werden sollten, und ihm der
Auftrag erteilt, die Oberpfalz gegen einen Einfall der in Passau versammelten
Streitkräfte der Liga zu schützen.
In diese Zeit fällt das nachstehend abgedruckte, im Archive des ger-
manischen Nationalmuseums befindliche Exerzierreglement (6 Blätter Folio,
undatiert und ohne Ortsangabe), das betitelt ist: »Berichtt, Wessenn Sich die
4) Briefe u. Akten zur Gesch. des dreifsigjälu-igen Krieges, II (Die Union u. Heiriricli IV.
V. Moritz Rittor, Münclien 1874), S. 488, III (der Jülictier Erl)folgekrieg- von Morilz llitter,
München 1877j, S. 8.
— 83 —
Beuelchshaber In Der Vbung zuuerhalten. die wort vnnd anders gebrauchen
SoUenn.« Der in dem Schriftstücke neben dem Grafen Johann von Nassau
genannte Graf Reinhard von Sohus-Hunger^), der gleich ihm 1601 in schwedischen
Diensten gestanden hatte, war seit 16U(5 als Kurpfälzischer Geheimer Rat, Christ
und Landrichter, mit der Pflegschaft zu Amberg, Hirschau und Freudenberg
in der Oberpfalz betraut. Vor der Ernennung des Grafen Johann hatte er als
oberster Beamter die Aushebung und Einübung des Landvolks besorgt. Am
S.Mai schrieb er an den Markgrafen von Ansbach, dafs er die Grenzen gegen
das Passauer Volk sichere^), und ilafs durch ihn »mit dem berait zur stellen
erforderten ausschufs und lantvolck an den notwendigsten orten versehung
beschehen« sei. Nach dem Eintreffen des neuen Kommandeurs teilte er sich
mit ihm in die Geschäfte der Landesvertheidigung.
AVie aus früheren und gleichzeitigen Kriegshandbüchern eines Frons-
perger, Wallhausen u. a. hervorgeht, war das Einexerzieren der Soldtruppen
äusserst mühsam und zeitraubend. Von dem einberufenen Landvolke konnte
nur das Einfachste verlangt werden. Man beschränkte sich, wie unser Reglement
zeigt, auf das Notwendigste (das »Fundament«)- Während der hessische und
bayerische Ausschufs nur an Sonn- und Feiertagen exerzierte und Schiefs-
übungen abhielt, stand das oberpfälzische Aufgebot, wenigstens zum gröfseren
Teile, im Jahre 1610 ständig unter Waffen und übte, wie die dem Reglement bei-
gegebene Diensteinteilung ausweist, an sämtlichen Wochentagen. ;)Sontag«
dagegen «soll man Vleifsig zur Kirchenn gehen, vnnd Gotteswortt hören.«
Ähnliche Dienstvorschriften hatte Graf Johann 1375 für das nassauische, 1399
für das pfälzische Landvolk abgefasst. Die Vermutung, dass die Instruktion
des Landgrafen Moriz ebenfalls auf ihn zurückzuführen sei^ wurde schon oben
ausgesprochen. Jahns schreibt dem Grafen ferner den Text zu den berühmten
»Wapcnhandelinge von Roers Musquetten ende SpieCsen« zu, die 1608 von dem
Kupferstecher Jacob de Gheyn herausgegeben wurde. Johann Jacobi von NVall-
hausen, der Verfasser der grundlegenden taktischen Werke: Corpus militare
Kriegskunst zu Fuss, Ritterkunst, Kriegskunst zu Pferd, Archiley-Kriegskunstetc,
war der Leiter der von Graf Johann dem Mittleren 1617 zu Siegen begründeten
Kriegsschule.
Wir lassen den Text des bisher ungedruckten Reglements im Wort-
laute folgen.
B e r i c h 1 1 ,
Wessenu Sich die Beuelchshaber In Der Vbung zuu erh:tl I cn . die
wort vnnd anders gebrauchen SoUenn,
I.) Soll man die Soldatten vor allen dingen dahin halten, da|i sie gleich
liintler; vnnd gleich neben einamler stehenn,
2.) Halbrechts daß ist, da|5 sie sich halb vi" die Rechte wendten. herstelt
euch, so stehen sie wider wie sie vorgestandlen sein.
3.) Halb Lincks ist wie halbrechts, jierstell euch,
4.) Gantzrcchls, So kehrn sie si(^ ganlz vC die R(>chlen himdl vndi. her-
stelt euch,
5) Vgl. über ihn Schaum, das Graieii- uml iMirsIciihaiis Solius, KraiiUriirt I.S4.S, S. :293 IT.
6j Moritz Ritter a. a. 0. III, S. 228.
— 84 —
ö.) Gr.innfzlinckhs, ist eben wie mit g-antz rechts, herstelt euch,
6.) Hechts doppelt Eure Grlieder, ein g-lidt vnib das ander, so bleibt das
forderste gliedt stehen, vnd g-ehdt ein gliedl vnib da(5 andere neben sein
Mann vf die Rechte hanndt,
7.) Lincks doppelt Eure Rayen, so g'chdt Jeder der eing-angen isl, /um Glider
doppeln, so g'eht Jeder hinder sein Mann, Vff die Linckhe Handt hinder
das Rappir, herstelt euch, so khommen sie wider neben einander, Linckhs
doppelt Eure Rayen, so g-ehen sie wieder hintter Einander,
8.) Zuruckh öffnet Eure Grlieder, so g-ehen sie zuruckh, vtiikI khommen wie
sie Erstlich gestanden sein, Linckhs doppelt Eure gliedcr, Ist eben wie
mit Rechts, Allein wan die g-lider Lincks g-edoppelt werdenn, miißen die
Rayen Rechts g^edoppclt werdenn,
9.) Ganntz Rechts kehrt Eure Rayen, sie') inüsßen sie ein wenig' fort Marschirn,
vnnd soll sich khein Gliedt wenden, es khom den an den ortt, wo sich
daß forderste Gliedt gewenndt hatt. So wenden sie sich alle vff die Rechte
Handt durch die Gasßen, vnnd wann sie khommenn, wo die Hinndern
gestanden seint, wenden sie sich wieder vf die Rechte Hanndt ganntz vmb,
gehen wieder durch die gasßenu , vnndt khommen wieder wie sie Vor-
gestandten seinn,
10.) Gauntz Linckhs khert Eure Rayen, ist Eben wie mit gantz Rechts,
11.) Schliest Eure Rayen, so bleibt die Mittler Rayen stehen, vnnd müßen die
vir beide Seiften zusammentrettenn, daß sie Hart neben Einander khommen,
doch daß sie sich Rühren künnenn,
12.) Öffnet Eure Rayen, So stellenn sie sich wieder, wie sie zuuor gestannden seinn,
13.) Schliesst Eure Rayen, so khommen sie wieder Hart Neben Einander wie
daß Ersteraahll,
14.) Schliest eure Glieder, so sollen sie mit geschlossenen Rayen ein gliedt
nach dem andern Hintter sein Mann der vor Ihm steht, bieß vff die
Rappier treffen^
15.) Zuruckh öffnet Eure Glieder, so gehen sie wieder mit geschlosßenenn
Rayen zuruckh, vnnd öffnets wieder wie sie geschlosßenn habenn,
16.) Schliefst Eure Glieder, so khommen sie wieder wie sie zuuor gestandten seindt,
17.) Darnach khan man üoppelsöldner Lasßenn die Spieß vff die 4. Candt stellen,
fort Marschirn vnnd zurückhweichen, Spieß vff Reütter feilen, oder was
man weitt-er mit Ihnen fürnehmen will,
18.) Ebener masßen khan man die Mußquettirer, neben den Doppelsöldner,
alß neben der patola^), glider weiß vohr sich, hinder sich, vff die
Seiften schießen Lasßenn, wie auch jn andern Stückhen mehr.
Doch Ist daß aller Nottwendigst. daß vff daß Fundament recht gesehen
werdt, alß daß die Mußquettirer Ihre wehr recht angreiffenn, gebrauchen,
Ihren Standt nehmen, vnnd Recht anschlagen, damit sie Ihm Fundament
71 so 8) battaglia, baluillc ? Es ist wol die gcschlossone Schlachtordnung der
l'iciueuiere gemeint, die in der Mitte stellen, während die Musketiere auf den I^'lügeln auf-
gestellt sind. "Vgl. die Schlachtordnungen in Wallhausens »lü-iegskunst zu Fufs« S. 98 ff.
Die seltsame Schreibung der Fremdwörter, die Wiederholungen und Auslassungen lassen
darauf schliefscn, dafs das Reglement nach Diktat niedergeschrieben wurde.
— 85 —
bleibenn, Doppelsöldner nniß man ebenmesßig: besehenn, daß sie Ihre Spieß
Recht irag-enn, Ihn der hübe vnnd vfiF der achßell, recht angTeiffeii viind
Teilen, wie auch vff den Schildt stechenn.
Auß Grnedig'en Beuelch, Der Hoch: vud Wolgeboruenn Grauen
vnnd Herrn, herrn Johann (irauen zue Nossaw, Gatzenelenbag-en. Vieanden vnnd
Dietz etc., Ghurfrl. Pfaltz vnnd der gesampt Vnirten Ghurlrl. Fürsten vnnd an-
dern Ständen^ deß Heilig'en Reichs General Oberisten Leüttenanipts, vnnd Reinhar-
den Grauen zu Solnis, Herrn zuMüntzenberg-, wildenfelß vnnd Sonnewaldt, Höchst-
gedachter Ghurfrl. Pfaltz Obristen, Soll hiernach gesetze Kriegs Vbung täg-
lichen mit den Soldatten Vorgenhomnien vnnd denselben beschriebener niasßen
doch beede ob hoch: vnnd wolgedachte Ihrer Ihrer Gn. Gn. solches zuniehren
vnnd mindern, Jederzeit vorbehalten, alles Yleißes nach gesetzt werden,
1.) Erstliohen sollen die acht tag vber, vnnd forderst die Soldatten alle tag
2 mahl, alß Nemblichen" die Mußquetirer Vor Mitag, die Doppelsöldtner
aber nach Mietag gevbt werdenn,
2.) Soll In wehrender Vbunng allezeit daß Fundament Ihnen Recht gewißen
werden, damit sie wisßen, Ihre wehr Recht zugebrauchen. Insonderheit
den Mußquettirern, wie sie Ihre Mußquetten vom Halß abnhemmen, die
Lunden aufsetzen, vnnd Ihm ganz ferttig machen, den Standt recht
Nehmmen, Recht vnnd wohll vff der Linckhen Prust anschlagen, Nach
gethaunen schuß, Ihnen wieder Recht gewießen werdenn, wie sie mit
' Lunden abnehmen, Pfanen abblaße, ZündtPuIuer auf schütten, vnndt daß
Fundament mit Laden Recht Lehrnen,
3.) Könden Montag vnnd Erichtag zum Anfang, wan sie gahr Ihre Prb (Prob)
gethan, aintzig mit ZündtPuIuer Schlangenweiß vff Einandei* anschlagen,
vnndt Ihre Prbschüß beweißenn,
4.) Die von den wachten abziehen, Sollen Ihre Rohr gliederweiß ohne schaden
loßprennen, doch soll Ihnen mit Ernst anl)efholen werdenn, tlaß sie nur
Renkhugeln^) vff die wachten einladenn, vnnd da einer große der Ander
khleine Kugeln hette, können sie solche woU wechßeln,
5.) Mitwoch Köndten sie nach der Prob deß Fundaments, Den Schuß inil
Puluer Schlangenweiß vff einander thuen,
6.) Donnerstags sollen sie wieder den Anfang deß Fundaments thuen, wie
Erstlich, darnach wieder ein Schuß Schlangenweiß vmid i^in durch die
Rayen, doch Aintzig,
7.) Freyttag soll wieder vohrnemmen des Pundameiils angefangen werden, lier-
nach ein Schuß Schlangenweiß, damit sie zum Scharmützeln abgerichtett,
ein schuß durch die Rayen, oder Glieilerweiß ihiich (he gasßenn thuenn.
8.) Sand)ßtag Köndte man sie In 2 Trofipen Itdircii. \iiii(l iWv Krsle l'inji
wieder mil Zundipuluer Schlangenweiß Ihnen Lasßeiiii. ilainil ni;in sehen
khai). Ob sie (die) sachen recht angrciffenn. Nach ilemselhen ivlian man sie
Lehrnen Letterirn^^), daß ist wiederlKdIen. Vorsieh, hindersirh. vnnd \l(lie
Seitten, auch ein schuß vber die Achßel, Ihuen Ijaßen, dann wann man
sie nit schiesßen lest, die Ersten wochen, wünlenn sie nichl haben n. vnd
9) Rcmikugcl = Lauf- ddcr l'asskup;cl. <i. Ii. klrinc. iiiiiiilcrvvci'lij;:!' Kiiy;t'l.
lüj vcrsilii'ii'licii slall repclicrt'ii ?
— 86 —
iiK'iiion iiKiii würde Sie nicht Schießen Lasßenn, vorauß waß zuuor Soldatten
g-ewest ^^),
9.) Sonntag- soll man Vleißig zue Kirchenn gehen, vnnd Gxottes wortt hörren.
D 0 p p e 1 s öl dtn e r ,
10.) Sollen alle tag, die 8 tag vber, nach Mittag gevbt, vnnd vor allen dingen
gewißen werden, wie sie Ihre Spieß Recht feilen, lim der Höhe, vnnd vff
den Achßeln tragen, auch wie sie bey den wachten Ihre Spieß gebrauchen
vnnd vff der Schildt: vnnd andern wachten dieselben halten,
lljDieße Stlickh müßen die 8 tag vber, alle tag gebraucht werden, doch
khan man alle tag ein stückh mit Ihnen weitter vornehmen, damit sie
daß Fundament Hecht Lehrnen, Vnndt Ihre Spieß Inn Allenn Stüekhen
zugebrauchen vviesßenn,
Die Andern Acht Tag Köndts Also gehaltten werden, damit
die Knecht hin Liist vnnd Vbunng bleiben,
1.) Montag allezeit zwo Copperalschaffl, so die wacht nicht habenn, Vor-
mittag die Mu|oquetirer gevbt werden, die von der wacht des abendt
zuuor gezogen. Vnnd Ihre Rohr geladen haben, sollen ohne schaden,
(j liederweiß lioßprennen, darnach wieder anfangs In Fundament hernach 2
gutte stundt gevbt werdenn,
2.) Dinstag sollen die Üoppelsöldtner vor Mittag IV2 stundt Inn Fundament
vnnd wieder In Stückheu geuebt werdenn,
3.) Mittwoch frühe wieder 2 CapperalschafTten Mußquettirer, die geladen haben,
Ihre Rohr ohne schaden Loßprennen , Vornen anfangen, vnnd hernach
recht Ihn 3 oder 4 Stuckh mit Zündt Puluer Loßprenen Lasßenn, doch
daß allezeitt das Fundament gesehen werdenn,
4.) Donnerstag die Pieckha^^) wider vormittag den anfang, vnnd Ihnn den
Stüekhen Recht gewießeun, wiß sie Ihre Spieß verbergen, vnndt vfi' die
Reutterey fellenn sollenn.
5.) Freyttag khönnen die Mußquetirer 4 Schuß In den furnembsten Stüekhen
thuen, 1 Grliederweiß Vorsieh, 1 Gliederweiß hintersich , 1 Vff die Seiften
Rayenweiß, vnnd 1 Vber die Achßel, auch zur scheüben schießen, oder
daß scheüben schießen biß vf den Sambstag Verbleiben Laßenn, dann mehr
an den Mußquetierern gelegen, alls an Piekha, dann genueg wan dieselben
die Wochen 4 mahl gevbt werden,
V b e r s c h 1 a g ,
Waß Innerhall) 8 tagen Vff solche Vbu n gen vnd wachten anPuluer
vnnd Lunden aufgehet!,
Demnach sich befunden, daß ein Mußquetierer auß 1 tt. puluer 32 Schuß
hatt, vnnd er ein wochen mit V2 ü- auß khommen khan, wo fern sie es nicht
Muetwil liger weiß verschießen,
Do sie auch muthwilliger weiß oder Vngeheissen, das Puluer Verplatzen
oder verschießen würden, sollen sie wieder anders an die Statt kauffenn. oder
khan Inen geben, Vnnd an Ihrer besoldung wieder abgezogen werden.
11) Es scheint ein Wort ausgefallen zu sein. 12) Piqueniere.
— 87 —
Die Lunden betreffendt, thuet 1 fb 12 Claffter, vnnd khominen vff V2 Gentner
600 Claffter thuett vff 100 Manu Jeden die wouhen 6 Claffter,
Wehrg'uet, daß alle Zeit Jedem Capitan vff' ein wochen Vorrath g-ebeu
wurde, damit wan was fürtiele man nicht erst den Zeugmeistern nachlauffen
müste, dau er sonsten In wehrenden Lerraen g-enueg- zu thuen hatt,
Vnnd soll leder haubtman so 100 Mu|5quetirer starckh, alltzeitt vff ein Monnatt
von den Verordtnetteu Zeüg-meistern abhollenn Laßenn 2 Centner Puluer vnd 2
Gentner Lunden.
Nürnberg. J- R. Dieterich.
Die Ätzmalcr Hans Koiirad Spörl und Hans Kciser.
u dem Artikel über zwei geätzte Prunkharnische im germanischen Mu-
seum i) werden als die Ätzmaler, welche den künstlerischen Schmuck
dieser beiden Rüstungen ausgeführt, Hans Conrad Spörl und Hans Keiser
genannt und die Jahreszahlen 1607, bezw. 1610 als diejenigen angegeben, in
welchen die Ätzmalerei vollendet wurde. Aus der Norikasamralung des Herrn
Gruido von Volckamer in München hat der Unterzeichnete nun vor Kurzem zur
Benützung eine Handschrift: »Der Mahler Ordnung und Gebrauch in Nürnberg«
erhalten, in welcher auch, mit dem Jahre 1600 beginnend, ein Verzeichnis
der Flachmaler und Ätzmaler steht, welche ihr Probestück gemacht und zu
Meistern erkannt wurden. Es finden sich nun darunter folgende Einträge:
»22. Hanns Conrad Spörl ein Ezmahler, hat sein Probstückh den 17. November
Ao : 1607 den Rugsherrn aufgelegt, vnd weilen es die Vorgeher vor Meisterlich
erkhant ist er zu Meister gesagt vnd erclärt worden«. Ferner: »Hanns Keyßer
ein Ezmahler hat sein gemachtes Probstückh den 9. Jenner 1610 vor den
Rugsherrn fürgewisen, Ist auch zue Meister darauf erkhant vnd angsagt wor-
den«. Am Rande findet sich die Note von anderer Hand: »Starb Ao. 1631«.
Keiser ist also wol der in Nürnberg im Jahr 1631 so schrecklich hausenden
Epidemie zum Opfer gefallen.
Man merke, dafs beide Künstler genau in den Jahren Meister wurden , in
welchen die Prunkharnische gefertigt wurden; es besteht also kein Zweifel, dal's
eben diese ihre Meisterstücke sind, die dann der Nürnberger Rat ob ihrer Vor-
trefflichkeit für sein Zeughaus angekauft haben mag.
Dasselbe Verhältnis können wir auch bezüglich eines dritten geätzten Har-
nisches der Sammlung des germanischen Museums feststellen, der gleichfalls
aus dem Nürnberger Zeughause stammt und mit der Sulkowskischen Samm-
lung in das Museum gekommen ist. Es ist dies eine viel weniger reich utnl
etwas handwerksmäfsig geätzte Rüstung, die auf S. 244 des Jahrgang ISSU des
Anzeigers dos germanischen Nationalmuseuins aufgeführt und u. a. auch mit
der Darstellung der sieben Planeten geschmückt ist. Auf dem Kanune des
gleichfalls mit Älzmalerei geschmückten Helmes lindet sich die Inschrift: »Jörg
Hardtman. das erstö. stüch. 1603«. Die erwähnte Handschrift enthält nun
folgenden Eintrag: »Georg Hartmann ein Ezmahler ist den 22. Seplember 1603
i) S ii1n'. dieser Milleiluiii'eii.
— 88 —
vor der Rüg" zu Meister erkhannt worden«. Es lieg-t also auch in dieser dritten
Rüsluüg- ein Meisterstück vor, wie auch seiioii die Worte »das erstö stüch« er-
kennen lassen.
Interessant i'-t es, an diesen drei Hiistung'cn die Steig-erung' zu verfolgen,
die hezüg'lich des' künstlerischen Schmuckes derselben innerhalb acht Jahren
wahrzunehmen ist. Die letzte der Rüstung-en hätte künstlerisch feiner, sicher
aber nicht mehr reicher verziert werden können; sie darf also unzweifelhaft als
der Höhepunkt der deutschen Harnischätzerei betrachtet werden. PJine noch
gröfsere Wirkung- hätte nur durch Anwendung- von Vergoldung- erreicht werden
können; eine weitere Steigerung- des Schmuckes durch Ätzung- war ausg-e-
schlossen.
Wir lassen nachstehend das Wenig-e folgen, was die oben erwähnte Hand-
schrift über die genannten Ätzmacher noch weiter berichtet. Hans Konrad Spörl
starb 1641; in den Jahren 1618—1621 war er Vorgeher; als seine Lehrlinge werden
Lienhart Negelein von 1604—1608 und Philipp Schuster genannt, der 1608 in
die Lehre trat, aber nicht auslernte. Hans Keiser war ein Sohn des Kandel-
giessers Heinrich Keiser; er gieng zu dem Flach- und Ätzmaler Hans Dorn von
1600 160Ö in die Lehre. Lehrlinge von ihm waren Georg Schatz von 1616 bis
16^1 und Stefan Rösian, der 1621 in die Lehre trat. Von Georg Hartniann wird
nur berichtet, dafs er Hensslein Mayr im Jahre 1603 und Nikolaus Körber vom
Jahre 1609 an zu Lehrlingen angenommen habe.
Sehr interessante Aufschlüsse aber gibt die Handschrift über das Ver-
hältnis der Flachmaler und Ätzmaler zu einander. Es beschwerten sich nämlich
die Flachmaler unterm 3. Juli 162Jd darüber, dafs die Ätzmaler Flaehmalergesellen
halten und zweierlei Werkstätten, eine für das Flachmalen und eine für das
Ätzen, führen, während sie als Meisterstück doch nur einen Harnisch ätzen, die
Flachmaler aber allein ein »Stückh von Ölfarben» machen müssen. Sie bean-
tragten daher, die Ordnung dahin zu erläutern, «dass die Ezer, so mit dem
Harnisch Ezen Meister worden, bei jhrem Ezen sollen verbleiben, hergegen die
Mahler, so ihr Probstückh von Öllfarben gemacht, auch bei dem Flachmahlen
gelas(5en werden, vndt allßo kein theill dem Andern inn seine Arbeit fallen solle.»
Aus der hierauf ergangenen, ebenso ausführlichen als kräftigen Erwiderung-
Hans Hauers, Flachmalers, Reissers und »Gratirers« geht u. a. hervor, dass auch
Hauer einen Harnisch in das Zeughaus geliefert hat, dass die Ätzmaler aller-
dings Kupferstecher sein konnten und vielfach auch waren, aber nicht sein
mussten, und dass sie sich vorzugsweise mit dem Ätzen von eiserneu Waffen
und Geräten, Harnischen; Messer- und Wehrklingen, Hellebarten, Putzscheereu,
Beutelringen, Auzügeln (?) und anderem Eisenwerke beschäftigten. Dieses Schrift-
stück gibt einen interessanten Einblick in das Kunstleben Nürnbergs zu jener
Zeit; erfreulich ist er jedoch nicht. Wiederholt wird in scharfer Weise einem
grofsen Teile der Flachmaler Unfähigkeit vorgeworfen. Wir werden den Streit
zwischen den Nürnberger Flach- und Ätzmalern an anderer Stelle ausführlich
behandeln, hier sei nur bemerkt, dafs der Rat verordnete, dafs auch künftig
jeder Meister das Flachmalen und Ätzen betreiben, Gesellen und Lehrlinge auf
beide halten dürfe, soferne er für beide Meisterftücke gemacht habe.
Nürnberg. Hans Bosch.
Register zum Jahrgang 1891
der
Mitteilimi?en aus dem srermanisclieii Natioiialmiiseum.
Atz mal er in Nürnberg 57 ff. 87 f.
Bayern, Maximilian I., Kurfürst: chiffrierter
Brief dess. 44 ff.
Beitrag zur Geschichte des Schmal kaldischen
Krieges 33 ff.
Böhmen, Johann, König: Brief an dens. 70 ff.
Briefe, chiffrierte, aus der Zeit des Regens-
burger Reichstages von 1641 44 ff.
Briefe, deutsche, des Rudolf Grafen v. Habs-
burg-Laufonburg 70 ff.
Dachziegeleindeckungen, ältere 25 ff.
Dien Steinteilung des oberpfälz. Ausschus-
ses von 1610 81 ff.
Exerzierreglement des oberpfälz. Aus-
schusses von 1610 81 ff.
Fastnaehtsbelustigung voju J. 1657 i22 ff.
Glas vom J. 1519 7 ff .
Glasi ndustri e im Spessarl: zur Geschichte 39 ff.
H a b s b u r g - Lau f c ii 1) u r g , R udolf Graf :
deutsche Briefe dess. von 1313 70 ff.
II a r n i s c li e , zwei geätzte 57 ff. 87 f.
Henneberg. BertoldGraf: Brief an dens. 72 ff.
Hütten, Ludwig von: aus dessen Lehen 18 ff.
Jamitzer, Wenzel.- zwei Radierungen dess.
36 ff.
Karlsbad: Kur daselbst vor .300 Jahren 10 ff.
Keiser , Hans, Ätzmaler in Nürnberg 57 ff. 87 f.
K r a m e r , Gabri el 60 ff.
K rie g, schmalkaldischer : Beitrag zu <h'nis. 33 ff.
Kübel stechen im J. 1657 22 tT.
Kupfers t i c hkun d (■: Beiträge zu ders. 36 ff.
()0 ff.
Kur in Karlsbad vor .SOO Jaiu'en 10 IT.
Mainz, Anselm Kasimir, Erzbischof: cliiffrierte
Briefe an dens. 44 ff.
Mariae Krönung von liollcnhniiiiiicr (»^ IT.
Möbfi 41 ff. 51 ü: SU.
Nassau, Johann Graf: Befehlshaber in der
Oberpfalz 81 ff.
Nürnberg: Ätzmaler das. 57 ff. 87 f.
— Schi-ank des 17. Jahrh. 80 f.
Oberpfalz, Ausschuis von 1610: dessen Exer-
zierreglement u. Diensteinteilung 81 ff.
Paulus im Gemache, Gemälde von Rem-
brandt 3 ff.
Polen, Johann König: Brief an dens. 7011".
Prunkhärnische, zwei geätzte 57 ff. 87 f.
Radierungen, zwei, von W. Jamitzer 36 ff.
Rauschenberg, Oberst von : chiffrierter
Brief dess. 44 ff.
Regensburg, Reichstag von 1641: cliiffrierte
Briefe aus der Zeit dess. 44 ff.
Reichstag von 1641 zu Regensburg: chiff-
rierte Rriefe aus dessen Zeit 44 ff.
Reliquien glas vom J. 1519 7tY.
Rembrandls Paulus im Gemache 3 IT.
Rezepte zur Weiubei'eitung, aus (hin IS.
Jahrh. 54 ff.
Rh ei n lande: Stollenschrank d. 16. Jahrli. 41 ff.
Rotten ham m e r , .loli., Maler: Krönung Ma-
riae 62 ff.
— aus dem Leben dess. 64 ff.
Schrank, Nürnberger, des 17. Jaiu'h 80.
Skulptur des 12. Jahrh. 51 ff.
Solms, Reinhard Graf: Obrist in der Ober-
pfalz 81 ff.
Spessarl: zur Gescliichlc der Glasindustrie
daa. 39 ff
Spörl, Hans Konrad. Ätzmaler in Nürnberg
57 ff. 87 f.
S toll en sehr an li. rheinischer, d. lOJalirii. 41 ff.
Sl Ulli des 12. Jahrb. 51 ff.
VVeinrczcpte des IS. .Iuhrh 54 ff.
Z i e g e I e i n d e c k u n g c ii , altere 25 ff.
Mitteilungen
aus dem gerinaiüselien Nationaliiiuseiini,
herausgegeben vom Direktorium.
Jahrgang 1892.
Mit Abbildungen.
Nürnberg, 1892.
Verlagseigentum des germanischen Museums.
Trincierbüclier des 17. Jahrhunderts ^).
as Rittertum hatte bereits seine höchste Blüte erreicht, als die erste
deutsche Hof- und Tischzucht erschien. Für Kreise berechnet , deren
i Mitglieder von Jugend auf zu höfischer Zucht angeleitet wurden, in
denen ein Verstofs gegen die Etikette, besonders bei Tische, strenge Bestrafung
seitens des überwachenden Truchsessen fand, zeigt sie verhältnismäfsig milde
Formen; die Vergehen, vor denen sie als unhöfische warnt, sind, wenn auch
nach modernen Begriffen überraschend, so doch für die damalige Zeit leicht be-
greiflich. Als aber mit dem Verfalle des Rittertums der Bürgerstand mehr in
den Vordergrund trat, als auch er zu einem hölischen Wesen sich emporarbeiten
wollte, mufsten die Tischzuchten, da sie mit einem wenig vorbereiteten Publikum
zu rechnen hatten, eine auf gröbere, den Kreisen der ritterlichen Minnesinger
unerhörte Dinge eingehende, schärfere Form annehmen. Sie gehen zwar alle,
obwol sie uns erst aus dem 14. und IS. Jahrhunderte erhalten sind, indirekt
auf Thomasin von Zirklaria zurück, zeigen aber in ihren Erweiterungen und
Umarbeitungen auf Schritt und Tritt, dafs sie für ein gröberes Holz gefertigt
worden sind. — Und wieder verschiebt sich ihre Aufgabe mit den Änderungen
der sozialen Verhältnisse. AVährend der höhere Bürgerstand, das Patriziat, in
vornehmer Abgeschlossenheit zu einer verfeinerten Lebensweise durchgedrungen
1) Es sind nur die im Besitze des germanischen Museums befindlichen Trincier-
bücher herücksichtigt worden. — Das Wort Trincieren, Trinciren (vom ilal. trinciare =
vorschneiden, die Speisen zei-legen) dringt erst mit den Trincierbüclicrn im 17. Jahrhunderte
in Deutschland ein. Im 16. Jahrhunderte ist es noch nicht gängig, man wendet die deutsche
Bezeichnung »zerlegen«, »vorschneiden«, »zerschneiden», auch blos »schneiden« an, welch
letzteres mhd. allein gebräuchlich ist. (Benecke -Müller mhd. WB. 2^, 437b. _ Colloquia
et Dictionariolum septcm Linguarum etc. Antverpiae. 1586. in »W. Seibt, Notizen zur
Culturgeschichte der 2. Hälfte des 16. Jahi-hunderts etc. Frankfurt a. M. 1874, S. 42 u. 44:
zerschneidet die veldthwier ; schneidet mi/r Fleisch: trenchez moy de la chnir. — Brant, de
moribus et facetijs mense (1490), Bl. 5'»: Und schnid das dinem herren für. ibid. Ob ander
speisen ouch sey not \ Das mans zerteil, glich wie dem brot \ Volhring diu ziicht, zerschnyd
das vin. — Grobianus (Ausg. Milchsack) v. 3428: Er dacht, sol ich das Jlnn zerlegen, \
All meine Kunst jiiiisz ich da regen; v. 3531 : (Dann wie sies soll zertheilet hon, | Wie sich
nach liojfzucht das gehört, \ Das rimr die gtit Fraw nil gelert . .). Doch kann die italienische
Form sich nicht behaupten gegenüber der französischen, welche noch im 17. Jahrhunderte
sich Geltung verschaflt, Miscliformen hervorruft niiii im 18. alleinherrschend ist. c. 1680,
Trenchier - Buch S. 4: Trenschierer : Thieme, Maus -Feld -Arzney -Koch -Kunst und Wunder-
Buch. 1682: Korn Trinchicren; Slieler, der Deutschen Sprache Stainiiiliaum und Fortwachs.
1691, 1117: Trinschiren; Marperger, Küch- und Kellfr-Dictionariimi. 1716. S. 12591' f.:
trenchiren; Kramer, das Königliche Nider-Hoch-Teutsch und Hoch-Nidcr-Teutsch-Dictionarium.
1719. II, S. 214 1j: transchken.
_ 4 —
ist, macht sich seit dem 15. uüd besonders dem 16. Jahrhunderle in den wol-
habenden Handwerkerständen, in der Studentenschaft und unter den Bauern,
zumal dort, wo der Einzelne nach wildem Ijandknecbtsdienste in die Heimat
zurückkehrt, eine unmäfsig-e Schlemmerei und »Säuerei« geltend, gegen welche
die althergebrachte Tischzucht machtlos war. Sie nimmt eine neue Gestalt an:
mit den Waffen der Satire und des Spottes sucht sie die Untugenden zu be-
kämpfen; es entsteht die Grobianuslitteratur, deren Anfäng-e noch ins 15. Jahr-
hundert fallen, die ihren Höhepunkt um die Mitte des 16. Jahrhunderts er-
reicht und das g-anze 17. in Neudrucken und Umarbeitungen überdauert.
Die letzte kurzgefasste Prosaausgabe des »Grobianus«, welche das germanische
Kationalmuseum besitzt, stammt aus dem Jahre 1710 und ist der alamodischen
Hobel -Banck von Waarmund beigedruckt (Bibliothek d. g. M. Gs. 2044 d).
Neben den Grobianusschriften halten sich ernstgemeinte Tischzuchten, die jedoch
nicht mehr zu gröfserer Bedeutung gelangen, da an ihre Stelle eine neue Er-
scheinung tritt. Schon das ausgehende 16. und vornehmlich das 17. Jahr-
hundert bringt eine bunte Reihe von Komplementier- und Zuchtbüchlein und
neben ihnen oder mit ihnen verbunden das Trincierbuch, welche beide aber,
entgegen der Grobianuslitteratur, für die feinere Gesellschaft bestimmt sind.
Hier waren die Vorschriften der alten Tischzucht längst aus dem Rahmen des
Zeremoniells herausgerückt und ein notwendiges, selbstverständliches Glied des
gesellschaftlichen Auslandes geworden — die aus Italien kommende Trincier-
kunst dagegen tritt, wie meist eine neue Sitte in der ersten Zeit, zunächst
durchaus zeremonienhaft bei Tafel auf.
Im früheren Mittelalter geschah das Trincieren in der Küche, war Auf-
gabe der Dienerschaft, welche die zerlegten Speisen den einzelnen Tischen zu-
trug. Selten nur finden wir ein Vorschneiden bei Tafel selbst durch ein Mit-
glied der Gesellschaft erwähnt (Rudlieb VII, 1 ; XI, 15). Erst zur Zeit der
Minnesänger tritt die Person des Vorschneiders, jedoch auch nur vereinzelt an
fürstlicher Tafel in den Vordergrund (K. Bartsch, Gesammelte Vorträge und
Aufsätze S. 243. A. Schultz, das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger, 2. Aufl.
Bd. I, S. 424 f. A. Pabst, Messer, Gabel und Löffel in Pallas VIII. Jhg., Nr. 3 u. 4)
Geflügel legt man sich meist gegenseitig vor unter Beobachtung der Galanterie
und der gesellschaftlichen Rangstufen. Eine weitere Ausbildung nach der zere-
moniellen Seite hin erfährt die Trincierkunst bei Tafel in der nächsten Zeit
nicht. Im 16. Jahrhunderte legt man bereits grofses Gewicht auf gutes und
vorschriftsmäfsiges Trincieren, auch in Bürgerkreisen, doch wird es selbst einer
Edeldame noch nicht sehr verargt, wenn sie mit einem Hechtkopfe nicht umzu-
gehen versteht (Scheidts Grobianus, Ausg. Milchsack, v. 3520 ff.) Auch vollzieht
sich allmählig, der steigenden Bedeutung der Trincierkunst entsprechend, eine
Umwandlung dahin, dafs es gröfsere Ehre ist, zum Vorschneiden aufgefordert
zu werden, als selbst vorgelegt zu bekommen. — An Fürstenhöfen waren Tran-
schiermeister aogestellt, welche die Edelknaben im Vorschneiden zu unterrichten
hatten. — Man benutzte in Deutschland zum Vorschneiden gewöhnlich zwei Messer,
ein spitzes, schmaleres, zum Festhalten des Bratens und ein breiteres zum Schnei-
den. Mit dem ersteren reichte man auch die zerlegten Stücke den Gästen zu. Zur
Anschauung wiederholen wir die Abbildungen zweier Vorlegmesser des 15. Jahr-
hunderts aus den Sammlungen des germanischen Museums^ welche im Anzeiger
— 5
für Kunde der deutschen Vorzeit, n. F.
Band 30. S. 322 bereits gegeben und be-
schrieben wurden. — Die Ausbildung- der
Trincierkunst und ihre Verbreitung wäh-
rend des 17. Jahrhunderts lehren uns die
Trineierbücher.
Im Jahre 1601 erschien in Rom das
erste Triucierbuch, dessen Verfasser Gia-
como Procacchi aus Ancona ist. Aus
seiner Vorrede erfahren wir, dafs die
Trincierkunst um jene Zeit in Italien be-
reits weit verbreitet war, dafs der Ver-
fasser selbst die hauptsächlichsten Städte
seines Heimatlandes bereist, dort seine
Beobachtungen gemacht und diese in sei-
nem Buche auf »inständiges Anhalten«
vornehmer, römischer Hofschranzen und
adeliger Studenten niedergelegt hat.
Auch von deutschen »Trincianten« weifs
er Einiges im 3. Kapitel zu berichten :
«Vnd ob wol die Trincianten in Deutsch-
land , wie ich mir von dessen Einwoh-
nern sagen lassen, mehr und gröfsere
instrumenta zu ihren vorlegen gebrau-
chen sollen . . Als bleiben wir billich auf
unser alten . . manier« — und diese Ma-
nier wurde, wie die deutschen Trineier-
bücher lehren, überall in Deutschland
eingebürgert, mit der dem 17. Jahrhun-
derte eigentümlichen Sucht nach Fremd-
ländischem nachgeäfft. Doch ist zu be-
merken, dafs dieser Brauch nur in den
vornehmen Kreisen Platz hat. — Ich habe
den Wortlaut aus Procacchis Werke nach
der Übersetzung angeführt, welche im
Jahre 1()20, also verhältnismäfsig spät
nach der römischen Ausgabe, durch
den Buchhändler Henning Grol's den
Jüngeren in Leipzig besorgt und von
dem sächsischen Maler Andreas Bret-
schneider inil Ku[)rerii geziert wurde
(Hibl. (1. g. M. üs. 1263).
Der vollständige Titel lautet: »Trin-
cier I Oder Vorleg-Buch, | Darinnen be-
i-ichtot wird, ] Wie man allerhand ge-
bratene I vnd gesottene Speisen, so auff
Fürst- I liehe und andere Taffein getra-
%
— 6 —
gen werden mögen, | Nach Italianlscher, vnd vornemlich Romanischer | Arth,
anschneiden, vnd aulT der Gabel zierhch | zerlegen soll. 1 Vor dessen, vonGia-
como. Procacchi. | In Italianlscher Sprach beschrieben. | An jetzo aber i In das
hochdeutsche trewlichen versetzet, vnd | mit den signirten Kupferstichen aulfs
best vnd | lleissigstc geziert, etc. | Leipzig, | In Verlegung Henning Großen des
Jüngern | Bucbhiindlers. [ Im Jahr M. DC. XX. « (2«- 8 u. 70 Seiten. 17 Kupfer-
lai'oln.) In der Einleitung erklärt uns Grofs , weshalb er das Bnch habe über-
setzen lassen: Jizumal weil dessen Contenta, alß das Vorschneiden an der Gabel,
nicht allein an Fürsten vnd Herren Höfen, sondern auch bey Adel vnd Vnadel,
heute zu tage sehr gebräuchlichen were.« Alle fürstlichen »Tafelschneider», deren
3Ieinung er über seinen Plan eingeholt hat, haben demselben lebhaft beigestimmt.
Den »politischen Hoffleuten, vnd löblichen Studenten« wird das Buch ganz be-
sonders empfohlen.
Der Inhalt beschäftigt sich zunächst mit der Person des Trincierers, und
es wird verlangt, dal's er »eine von Natur thatige und hurtige Person, uemiichen,
wol proportionirtes Leibes, guter gerader langen Armen, leichter und nicht
schwerer Hände sey. Auch dafs er beyde Arme zu gebührender zeit zierlichen
zuheben und zulegen wisse, Ingleichen dafs er zu den motionibus im schneiden
sich nur der zweyen fordersten gelencke an Händen, da die Pulsse schlagen,
gebrauche, und unter deß die Arme mit ihren Ellebogen ruhen lasse, und
welches sonderlich abschewlich stehet, sie nicht weit vom Leibe hindan sperre etc.«
Alle späteren deutschen Trincierbücher haben dieses Verlangen aufgenommen
und leiten es stets mit der Redensart ein: «Weil des Trincianten Ampt, an
Fürstlichen Höfen nit das geringste, sondern unter die fürnembsten gerechnet
wird, soll derselbe entweder vom Adel, oder sonsten gutes Herkommens., seyn.«
Dieses Gewichtlegen auf gute Figur, kräftige Arme und geschickte Hände wird
verständlich, wenn man bedenkt, dafs alle kleineren Braten, zu denen das Span-
ferkel, der Kalbskopf, Nierenbraten, Gans etc. noch gerechnet werden, in freier
Luft auf der Gabel zerlegt werden müssen, Bei Geflügel ist es sogar A^orschrift,
dafs die einzelnen Stücke am Skelett haften bleiben, dal's der Braten, trotzdem
er bereits zerlegt ist, als zusammenhängendes Ganzes auf den Kredenzteller ge-
legt wird. Die nebenstehende Abbildung, das Titelblatt eines noch zu erwähnen-
den Trincierbuches, zeigt den Vorschneider, wie er im Begriffe steht ein auf
der Gabel gehaltenes Stück Geflügel zu zerlegen. —
Zum Transchieren sind verschiedene Paare von Gabeln und Messern nötig,
auf welche ich weiter unten zurückkommen werde. Die ersten Übungen soll
der Trinciant an Holzmodellen vornehmen.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesem und den späteren Trincier-
büchern besteht in dem Zeremoniell, welches sie dem Vorschneider auferlegen.
Sehr umständlich, unglaublich geziert, ist in dieser Beziehung Procacchi — seine
späteren deutschen Bearbeiter wollen von allen den kunstvollen Wendungen und
Hantierungen vor dem eigentlichen Beginne des Zerlegens nichts wissen, da sie
es nicht für erbaulich halten, dort unnötig lange auf den Genufs zu warten, wo
der Bratenduft die Geruchsnerven bereits kitzelt. Ich füge als Beispiel die Vor-
schrift ein, welche Procacchi für die Zerlegung eines Kapaunes gibt: »Nachmals
wenn du ihn imbrocchiren wilst, so halte das Messer mit deiner rechten Hand
im Rumpff steckend, ziehe die Gabel aus dem Kappauueu, ein wenig zu deinem
— 7 —
Leibe zurücke, hebe ihn mit dem Messer im Rumpffe geraachsam auff, kehre ihn so
bald mit dem Messer einwärts zu deinem Leibe umb, das sein Rücken oben und
der Bauch unten kömpt, schiebe in deme die (jabel mit der Lincken band unter
den Kappauneu, daß er darauff ruhen möge, und lege ihn hernacher mit unter-
g-estützter Gabel und eing-estossenen Messer wiederumb in die Schüssel, als
denn halt das Messer noch immer in ihm steckend, ziehe die Gabel unter ihm
aufs new herfür, halt sie mit dem daumen und fördersten zweyen Fingern
zierlich in deiner Lincken band, laß die anderen zwey Fingern, als den Gold
und kleinen Finger etwas gekrümmt von der Gabel abstehen, erhebe geschwind
die Gabel unter sich gekehret über des Kappaunens Rücken, mache mit der-
selben, da du sie imbrocchiren wilst, zur gebräuchlichen Ceremoni, zwey kleine
geschwinde und enge Ringelein, Als denn setze die Gabel zum imbrocchiren
oben auff dem Rückgrad oder Gerüppe recht in der mitten an, uugefehr eines
guten daumens breit über dem gelencke, daran das gantze untertheil oder
Steis stehet, halt das Messer, so in des Kappaunens Rumpffe steckt, etwas wieder
die Gabel in die Höhe an, stos im selbigen tempo sie mit geraden lincken Armen
gleich unter sich in den Rumpff hinein, das die zwey spitzen der Gabel rorht
mitten auff der Brust, nicht weit oder fast gar nichts durchgehe, sondern ilie-
selben nahe an dem Brustbeinlein möchten erblicket werden, und also wirstu
auch den Kappaunen imbrocchiert haben.
Wann nun dieses verrichtet, so hebe gemelten Kappaunen mil unverrücklen
Messer und Gabel auff, kehre ihn einwärts zu deinem Leibe umb. das die Gabel
mit der Lincken band unten, das Messer aber mil der Rechten band oben komme,
streck alle zwey Annen mit den Kappaunen gerade von dir hinweg, und ini-
selbigen terapo drücke auch mit dem in Rumpffe eingestossenen Messer den
Kappaunen unter sich etwas fester an die Gabel an, Alsdann ziehe beyde
— 8 —
Armen zu dir, thu das Messer aus dem Rumpffe heraus, mache damit ein tempo,
oder ceremonien, und schiebe es letzlichen unter die Gabel hienunter, das der
Kappaunen darauff ruhe, und (hi dich im schneiden erholen oder respiriren
mögest. So wird denn auch mit diesen der Kappaun, zu seiner zertheilunjj;' an
der Gabel recht und wol erhoben seyn.« — Jetzt also beginnt erst die eigent-
liche Hauptsache, das Zerlegen des Bratens, bei welchem abermals unzählige
Vorschriften zu beobachten sind. Zum Transchieren des Kaj)auus sind 18, der
Gans 20. des Kalbskopfes ii, des indianischen Hahns 22 streng vorgeschriebene
Schnitte zu machen I —
Procacchi verspricht in einem weiteren Buche Anleilung zum Falten der
Tisch- und Tellertiicher, sowie zum Transchieren des Obstes zu geben, doch weifs
ich nicht, ob er seine Absicht zur Ausführung gebracht hat, da die Bibliothek
des germanischen Museums kein Werk auCser dem besprochenen von ihm be-
sitzt. Alle diese Dinge hat dagegen Matthias Giegher, ein Bayer aus Mosburg,
in seinem Trincierbuche verarbeitet, welches in italienischer Sprache verfafst,
im Jahre 1639 in Padua erschien (Bibl. d. g. M. Gs. 1264). In Deutschland
ruhte die Arbeit während der Stürme des 30jährigen Krieges, von 1620 bis
zum westfälischen Frieden scheint kein Trincierbuch erschienen zu sein. Dann
aber beeilt man sich, das Versäumte nachzuholen: in kurzer Zeit erscheinen an
verschiedenen Orten schnell nach einander eine Anzahl von Trincierbüchern,
welche alle Procacchi und Giegher als Vorbilder haben und dabei noch sich
gegenseitig nach besten Kräften ausschreiben, so dafs die Unterschiede zwischen
den Einzelnen im Kerne der Sache verschwindend sind. Das erste, welches
uns begegnet, ist 1648 erschienen, und nennt sich »Newes Compleraentir vnd
Trincir Büchlein. \ Rinteln. Gedruckt und verlegt bey Petro Lucio. | Typogr.
Acad. 1648« (qu. 8. Bibl. d. g. M. Gs. 2038) i). Es ist den Söhnen des Obristen
und Kommandanten auf der Veste Mansfeld, Georg Wetzel, gewidmet und
erlebte 1650 eine zweite Auflage (Gs. 1266). Das Complimentierbuch kann
hier nicht berücksichtigt werden; ich führe aus ihm nur an, was unser
Thema berührt. Auf Reisen mufste man sein Besteck mit sich führen, denn in
den Wirtshäusern gibt nicht der Wirt die Löffel, sondern jeder Gast bedient
sich seines eigenen Exemplares. Der Arme benutzt in solchem Falle die Rinde
des Brotes als Löffel. Interessant ist ferner die Bemerkung über die Trincier-
kunst in dem Kapitel »Von Jungfern Gomplementencc : »Zuweilen begiebt sichs
bey sothanen Gesellschaften, dafs einem oder dem andern das Trinciren vnd
Vorschneiden auffgetragen wird, darbey muß einer kein Mopsus seyn, sondern
frisch mit guter Bedacht, ohn Wanckel- oder Kleinmütigkeit darin verfahren,
jedoch wol gelernet haben. Quo gestu lepores & quo gallina secetur, einen Hasen
muß man nicht vorschneiden, wie einen Westphälischen Schincken, wovon man
ein gut Stück auß der Mitte kan schneiden, ist auch so bald kein Verstoß
dabey, wie bei einem Feldhun. Wie denn dabey auch das Leber-reimen nicht
ungebräuchlich zu seyn pflegt: etc.« Das Trincierbuch, dessen Sondertitel lautet:
»New Vermehrtes | Trincier-Buchlein: 1 Wie man nach rechter Italienischer
1) Auf der, Seite 7 gegebenen Abbildung des Titelblattes dieses Trincierbuches ist die
schwer leserliche 8 in der Jahreszahl 1648 bei der Reproduktion durch überflüssige Retoucbe
irrtümlich in eine 9 verwandelt worden.
— 9 —
auch itzig-er Art | vud Manier allerhand Speisen zierlieh zerschneiden, | vnd
hoflich fürleg-en soll: | Alles mit zug-ehorig-en Newen Kupfferstücken gezieret.
I Rinteln, | Druckts vnd verleg'ts Petrus Lucius, der Universität bestalter
Buchdrucker daselbst, i Im 1(348 Jahr.« (8*^. 32 Seiten), ist gegen das erste deutsche
von 1620 um die Kunst des Obstzerleg-ens erweitert, während erst die zweite
Ausgabe von 1050 das Falten der Servietten mit behandelt. In letzterer Kunst
scheint die damalige Zeit, nach den Abbildungen zu urteilen. Erstaunliches
geleistet zu haben.
Fächer, Schiffe, Fische, Vögel, Hunde, Löwen, Kaninchen etc. wufste mau
aus den »Fatscheinlein«, den Servietten, durch geschicktes Falten herzustellen;
man scheute sieh auch nicht kleine obszöne Szenen nachzubilden, so dafs ein
gedeckter Tisch ein durchaus eigenartiges, manirieries Aussehen bot. Die
vorstehende Abbihhing ist doin Werke von (jiegher entiiommon und stellt einige
Mustei'vorlagen für das Fallen tler StMvielloii dar. ßei Besprechung dieser
Fertigkeit versäumen es die Verlasser nie, an das Wort FatscheinUMn (Grimms
Wb. III, 1218: lacenellein. lalzenetli etc.: 1221): lacilet, lalzolin. lal/Anm-
lein ; 1365: fatzenei, latzild. Dürer, luliiinicn S. 78: fatzalet) rin Wortspiel
zu knüpfen: »Die FatscheinhMii. Hand- oder Tellertücher, können mit fug Fat-
oder Faltscheinicin gcntMinet werden, weil sie naclilblgender geslalt dii' Falten
scheinen machen, wie autV Königlichen und Fürstlichen Tafeln mit VerwnndtMung
anzuschauen. (f — Das entschiedene und scheinbar plötzliche Auftreten des Wortes
»Fatscheinlein« in den deutschen Trincieibüchern ist auffallend, zumal die
Mitteiluiigott aus dem goniiaii. Xatioiialmiiseiiiii. 1802.
II.
— 10 —
italienischen Vorbilder niemals mit fazzoletto, sondern stets mit tovagliolino
oder salvietta die Serviette bezeichnen, und aufserdem das vor dem 17. Jahr-
hunderte in Deutschland bereits g-ebräuchliche Wort fatzenet früher meist in der
allgemeinen Bedeutung »Tüchlein« und besonders »Schnupftuch« steht. Doch
hält es sich nicht lange, sondern weicht dem französischen seruiete. Marperger
(Vollständiges Küch- und Keller-Dictionarium. Hamburg 1716) erklärt unter dem
Artikel Servietten. S. IU88 b. Fatscheinlein für ein besonders in Xürnberü'
gebräuchliches Wort, während aber dieser Behauptung widersprechend Johann
Chri.stoph Thieme in seinem »Haus- Feld- Arzney- Koch- Kunst- und Wunder-Buch,
Nürnberg iüSi«, S. 1046 die Bezeichnung »der Serviet« anwendet. Serviette ist
übrigens auch schon im 16. Jahrhunderte gebräuchlich: in »Colloquia et Dictio-
nariolum septem Linguarum etc.«, Antverpiae 1386 (siehe W. Seibt, Notizen
zur Gült Urgeschichte der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts etc. Frankfurt a. M. 1874,
S. 38 b. Programml heifst es: gehe hole teller, becher und serueten.
Die Benutzung der Serviette kann vor dem 16. Jahrhunderte eine weitere
Verbreitung nicht gehabt haben, obwol man bereits in Reineri Phagifacetus
(Ausg. H. Lemcke, 1880) Vers 260 niantile als Serviette, oder wenigstens als
Handtuch, welches gleichzeitig die Stelle der Serviette vertrat, auffassen mufs
(vergl. dazu Vers o3)^). Für die Auffassung, daPs das Handtuch zunächst mit
als Serviette diente, dafs letztere sich aus ersterem entwickelte, scheint mir
aufser dem angeführten Grunde auch das Mittelbild des Altars in der Peters-
kirche zu Löwen von Dirck Bouts (1466) zu sprechen. Über den Schofs der
drei im Vordergrunde sitzenden Apostel ist ein schmales langes Leinentuch
gebreitet, welches offenbar als Handtuch resp. Serviette zu deuten ist. Gegen
eine weitere Verbreitung in früherer Zeit ist ihr seltenes Vorkommen in Schrift
und Bild beweisend. Die älteren Tischzuchten 2), bis gegen das Ende des
13. Jahrhunderts, erwähnen die Serviette nie und begnügen sich dort mit ande-
ren Vorschriften, wo jüngere Tischregeln den Gebrauch der Serviette verlangen.
Beispielsweise schreiben jene vor, wenn man bei Tische husten oder rülpsen
müsse, solle man sich umdrehen, oder mindestens die Hand vor den Mund halten.
Marperger dagegen sagt (nach la Civilite moderne, cap. 11) S. 203 a: »Sich mit
seinem Schnup-Tuche öffentlich, ohne das Serviet vorzuhalten, die Nase zu
putzen, oder den Schweisz des Gesichtes abzuwischen, den Kopf zu kratzen . . .
sind ünflätereyen, die einen Ecket erwecken«. — Man trug die Servietten, wie
1) Braut übersetzt im ersten Falle , v. 33, mantile uiit zwehel , v. 2ßO mit disctituch.
Kannte er die Serviette nicht, oder vertritt dischtuch hier ihre Bedeutung? Jedenfalls wäre
es auffallend, müJ'ste man dischtuch als tischlalcen nehmen, da dasselbe nach den Tischzuchten
nie zum Abwischen der Hände etc. benutzt werden darf, da man nicht einmal die grofseu
Weinkannen auf die Tafel stellt, um das Tischlaken nicht zu beträufeln.
2j M. Geyer, altdeutsche Tischzuchten. Altenburg 1882. Progr. S. 2i,v. 240: »An
saltz, brot, tischtuch, vmbleg gedenck« ; S. 24. (Köbelsche Tischzucht) v. 19: »Den tisch zu
decken sey nit treg; | Ein zwehel tleiszlich darum leg» ; hier ist vmbleg und zwehel offenbar
als Serviette zu nehmen, was durchaus mit meiner Erklärung des angeführten Altarbildes
übereinstimmen würde. Die Vocabularien des 13. und 16. Jahrhunderts geben »mantilc«
meist dui-ch »handzwehcl« , selten durch »tischzwehel« wieder. Daneben steht mantile auch
für Tischlaken, ebenso wie das einfache zwehel in der Bedeutung von Handtuch, Serviette,
bisweilen auch Tischlaken vorkommt.
— 11 —
noch heute, über den Schofs gelegt (vergl. das Gemälde von Bartholomäus
vanderHelst: Amsterdamer Schützenmahl zur Feier des westfälischen Friedens
im Rijksmuseum zu Amsterdam). —
Das ausführlichste der deutschen Trincierbücher ist das in Nürnberg bei
dem Kunsthändler und Kupferstecher Paul Fürst erschienene. Leider ist die
erste Ausgabe dieses AYerkes, welche das germanische Museum besitzt (Bibl. d.
g. M. (js. 1260), nur sehr unvollständig und auch bei der zweiten — 1652 aus-
gegebenen (Gs. 1267) — fehlt das Haupttitelblatt. Ich kann deshalb auf den Unter-
schied zwischen den beiden Auflagen nicht näher eingehen und bin gezwungen,
mich lediglich an die zweite Ausgabe zu halten. Nur zweierlei ist zu erwähnen:
die zweite Auflage ist mehr als doppelt so stark als die erste. Ferner sind in
dieser ein Gedicht und eine poetische Beschreibung von »der Götter Blumen-
mahl« mit G. P. H. (Georg Philipp Harsdörffer) gezeichnet, während in jener
diese Bezeichnung überall fortgefallen ist. — Das Buch beginnt mit einer
historischen Vorrede, in welcher uns von der Zerlegkunst bei den Hebräern,
den Griechen, Römern und alten Deutschen in der anekdotenhaft gelehrten
Weise des 17. Jahrhunderts erzählt wird. Für die Deutschen ist Opitz Gewährs-
mann und ein für die Anschauung der damaligen Zeit höchst charakteristischer
Kupferstich illustriert seine schönen Verse:
»Ob er gleich auf den Tisch die Ellenbogen stüzt,
und nicht mit steiffer Brust wie eine Jungfrau sizt,
so fasst Er doch den Krug mit allen beeden Händen,
trinckt auß der hellen Quell, biß daß er auß den Lenden
drauf Athem holen muß. Die Speiß ist bald zerlegt,
die Er nie hoch empor auf einer Gabel trägt etc.«
Die Gegenwart erhält folgende kurze Beleuchtung: »An den Türckischen,
Persischen und Moscowitischen Hof ist das Tafeldecken und Zerlegen unbewust,
weil selber Herren mehr auf Sau- als auf Schauessen halten. In Italiu aber,
die Erfinderin alles Wolstands, in Franckreich, die Pllegerin aller Höflichkeit,
und in England, die Handhaberin guter Sitten, ist besagte Kunst, von Tafel-
decken und zierlichen Spoißzerschneiden , so wol Manns- als Weibspersonen
nicht unbekandt.» Gegen den Schlufs der Vorrede werden die ängstlichen Ge-
müther von der Gottgel all igkeit der Gastereyen durch unzweifelhafte biblische
Belege überzeugt, deren vornehmsten Luc. 13, 28 bietet: »und da|5 sogar auch
das ewige Leben mit einem Mahl verglichen wird, wann die E'rommen mit
Abraham, Isaac und Jacob zu Tische sit zen werd en . .. als ist der
rechte Gebrauch der Gastereyen keines weges für gar verwerlflich und straflich
zu achten.«
Der erste Teil behandelt das Falten der Tischtücher und Servietten, gibt An-
leitung, wie man Wappen und Buchstaben in die Fatscheinlein drucken kann
Ulli! iierichlct endlich kurz über die »Ordnung der Speisen« : »Die Speisen sollen
dergestalt auf die Tafel gestellet werden , dafi niemals zwey gesottene Richten,
oder zwey Essen Fische nebeneinander zustehen kommen. Hat nuin Haubt-
richten, so müssen sie mitten auf der Tafel eingetheilet werden, und ist sehr
zierlich, wann man mit allerhand Blumen den Tisch als überstreuet, dal's jede
Schüssel ihren gewissen Platz gleichsam in einem Krantz stehend , IVey hat . .
Die Speisen, sonderlich die Fische, sollen mit andern Schüsseln bedeckt, und
— 12 —
mit einem Tellertuch zusammen g-ehalten, hoch daher getragen werden: Wie-
wohl dieser Gebrauch an den Höfen ungleich . . Bey grosser Herren ßancketen,
gibt man vor Aufftragung deß zweyten Gerichts, welches man auch den Gang
zu nennen pfleget, neugewaschne Servieten mit irischen Tellern zu reichen . .»
Erst der zweite Teil, welcher durch einige Harsdörffersche Verse »An
Herrn Grobian von Säuhausen« eingeleitet wird, handelt von der eigentlichen
Trincierkunst. Natürlich wird die Wichtigkeit dieser edlen Kunst kräftig
betont, wie sie nicht nur dem männlichen Geschlechte, sondern auch dem »hold-
seligen Frauenzimmer« zur Zierde gereicht. Und ganz ernsthaft läfst der Ver-
fasser den Dichter singen :
» . . Ja, der Allwasser-Stein
kann nicht so Kreidenweiß, gleich Ihren Armen, seyn,
denn Sie mit zarter Hand die Ermel autTgestreiffet,
und weil für Ihrem Ort die Messer sich gehäuffet,
setzt sie das Haselhun für sich und spisst es an,
weist wie Sie, nach der Kunst, so wol zerschneiden kann.
Die Finger spitzte Sie, liefs sich nicht lang erbitten,
in einem Augenblick hätt Sie das Hun zerschnitten,
und legte davon für, mit so beliebter Art,
dafs in derselben Stund mein Herz verwundet ward.
Die Lieb, die heisse Lieb, durchpfeilte meine Glieder,
durchnitte mir das Herz, und ich kann nichts darwider.
Ach Jungfrau lehrt mich doch : Ist nicht dort in der Mitt,
Wie man zu reden pflegt, der beste Pfaffenschnitt ?
Wir alle schauen zu, und werden noch heschencket ;
Recht ist, dafs man auch Ihr mit einem Glaß gedencket,
und die Gesundheit trinckt, der, die mit solchem Scherz,
mir von der Speise gibt, und nimmet mir das Herz.«
Ich weifs nicht, ob der würdige Harsdörffer auch diese Verse gereimt hat.
Über Amt undPerson des »Trincierers« ist schon oben das Nötige gesagt worden,
Neues fügt das Nürnberger Buch nicht hinzu. Es folgt jetzt die Beschreibung
der Messer und Gabeln, welche zum Transchieren nötig sind, doch zeigt das
häufig beigesetzte »eigentlich«, dafs wol selten die Vorschrift in dieser Be-
ziehung strenge gehandhabt wurde. Fünf Gabeln und vier Messer von
verschiedener Form und Gröfse werden verlangt; die gröfste Gabel hat am
besten eine lange und eine kürzere Spitze und dienl beim Vorlegen von Hasen
und Rehrückeu. Die kleinste Gabel und das kleinste Messer wird zum Obst
gebraucht. Aufserdem »wann von dem kleinsten Flügelwerck etwas zur Tafel
käme, und man die gantze Tafel damit bedienen solte, doch von demselben
einem jeglichen ein gantzes zu präsentiren nicht genug were, als pfleget man
6. oder 8. zugleich auf die Gabel zu fassen , und mit einem Schnitt sie alle
mitten durch die Gabeln entzwey schneiden, darzu man ein absonderliches
Messer, so gar schmal, und eine Gabel mit gar langen und dünnen Zaucken,
zu haben pfleget. Über das, hat man bey Fürstlichen Tafeln ein Instrument,
gar dünne, so das Credentzmesser genennet wird, mit welchem, so etwas von
Brosamen, oder sonsten auf dem Tafeltuch were abgenommen, und die Fisch,
so in Suppen gesotten, uns allbereit zerschnitten, vorgelegt werden . .« Diese
Gredenzmesser haben eine dünne, breite, ungeschärfte Klinge, Rücken und
— 13 —
Schneide sind g-leich und laufen bis zum obersten Ende parallel, wo sie zu einer
runden oder stunipfwinklig-en Endung- ausg-ehen. Endlich bedarf der Vorleger
eines Eierhalters, eines Markpfriemen und Marklöffels, des Ostrien- (Austern-)
Messers und des Wetzstahls. Der Eierhalter besteht aus einem Griff", in den
drei Stäbe beweg-lich eing-elassen sind, deren jeder in seinem oberen Teile halb-
kreisförmig- ausg-ebuchtet ist. Ein Ring- hält sie zusammen und gestattet durch
Hinauf- oder Herunterschieben ein Eng-er- oder Weiterstellen des Halters.
Markpfriemen, Marklöffel und Austernmesser haben die ihrem Namen ent-
sprechende Form, nur sind sie, gemäfs dem Zwecke, welchem sie dienen, sehr
widerstandsfähig- hergestellt. Nachstehend geben wir eine Abbildung dieser Ge-
räte; sie ist dem an letzter Stelle zu erwähnenden »Trenchir-Buch« entnommen
und zeigt in stark verkleinerter Form die Summe des Werkzeugs, dessen der
Vorschneitler bedarf. Nr. 7 stellt den Eierhalter, Nr. 8 den Markpfriemen, Nr. 9
den Marklöffel und Nr. 10 das Austernmesser dar.
Z33^3
Der Reichtum an Gabeln, welcher zum Vorlegen nötig war. führt auf den
Gedanken. daCs viele von den uns erhaltenen Fxemplaren. auch die kleineren,
nicht als El'sgabeln , sondern lediglich als Transchierwerkzeuge zu betrachten
sind. Und in der That beweisen uns die zahlreichen Gemälde des 17. Jahr-
hunderts, welche ein Gastmahl zum Vorwurfe haben, sowie die schrilllichtMi
Quellen, dals der Gebrauch der Efsgabel ein keineswegs allgemeiner war. ob-
wol er damals bereits eine Vergangenlicil von einem liallicn Jalirtauscnd hatte.
Kirche und Volk slräui)len sich gegen diese Sitte, und letzteres hält in vielen
Gegenden unseres Vaterlandes noch bis heule an der allen Gewohnheil fest.
Als zum erstenmale, nach unserer Kenntnis, eine einem venetianischen Herzoge
vermalte Byzantinerin gegen Ende iIcs 11. Jahrhunderts sich erlaubte, mit
einer Gabel zu speisen, da eiferte der ehrenfeste Petrus Daniianus gegen die
neue Sitte als gegen eine sündhafte Üppigkeit. Als Jahrhunderte später, zur
— 14 —
Zeit Heinrichs III. der Brauch in Frankreich in den Hofkreisen Einzug- hielt,
schrieb man Spottverse dag:eg'on : in England hiefs man im 17. Jahrhundert den
eine Gabel zum Essen Benutzenden höhnisch »furcifer« (Gabelträger, eine Strafe,
mit der im alten Rom die Sclaven belegt wurden) , und ob das von Stieler
S. G03 angeführte Wort »Gabeler, der, qui furcinula edendo utitur'^ nicht au("h
einen spöttelnden Beigeschmack ursprünglich gehabt hat , mul's dahingestellt
bleiben. — Wir können Herkunft und Verbreitung dieser Sitte mit einiger
Sicherheit verfolgen, doch möchte ich vorweg bemerken, dafs hier besonders
die Benutzung der Gabel beim Genüsse gröberer Gerichte in Betracht kommt,
da man Obst, Kompotetc. in Frankreich bereits im 18. Jahrhunderte mit kleinen
Gabeln zu sich nahm, ohne dafs aber auch diese Sitte meines Wissens weitere
Verbreitung gefunden hätte. Der erste Beleg weist auf Byzanz hin. W^enn
wir mit diesem den Reisebericht des Rubruk von 1233 zusammenstellen , der
die Tartaren das Fleisch mit Gabeln essen sah, so liegt die Vermuthung nahe,
dafs von diesen östlichen YfHkerschaften die Byzantiner die Sitte aufnahmen,
dafs sie von hier aus dem Handelswege nach Venedig folgte und von
Italien aus, allerdings sehr allmählig, Verbreitung in den übrigen Ländern
Europas fand. Des Weiteren verweise ich auf den schon angezogenen ausführ-
lichen Artikel von Dr. A. Pabst und führe hier nur noch an , dafs bereits in
einem Gerichtsbriefe über Erbteilung der Katharina Leramel und der Marg.
Tucher, Töchter des Paul Imhof, von 1314, eine grofse Anzahl von Messern
und Gabeln Erwähnung findet, während noch 1787 in einer Würzbmgischen
Ordnung für die Pfrüudner im Spitale zu Rothenfels am Main als Tischutensilien
nur Messer und Löffel, aber keine Gabeln genannt werden i). Auch hieraus er-
hellt, wie einseitig und langsam die Benutzung der Efsgabel fortschritt.
Und selbst als Tranchiergerät konnte die Gabel offenbar nur schwer Boden
gewinnen. Denn Marperger (1716) äufserst sich S. 338: »Eß- und Tisch- Gabeln
seynd diejenige, welche man beym Tische gebrauchet, um die Speisen damit zu
embrochiren, damit mans mit dem Messer desto besser schneiden könne; Weil
es unhöfflich stehet, der fast häufßg eingerissenen Weise nach, solche mit den
Fingern anzugreiffen, daß das Fett darzwischen durchrinne. . . Bey vornehmen
Tafeln aber ist diese Familiarität ausgebannet, und sollte sich billig manches
vornehmes Frauenzimmer, ihrer zarten Hände wegen, desfals auch nichts voraus
nehmen (wie doch ihrer viele thun). . . Am allerwenigsten befördert ein solches
Frauen- Vorschneiden den Appetit, wenn es durch eine alte runtzlichte Hand,
und bey triefenden Augen und Nasen, mit blossen Händen, ohne Gabel, ver-
richtet wird. Es sind aber die Gabeln zwey- oder nach heutiger Frantzösischer
Manier die silberne Gabeln, drey- oder vier-spitzige. . .«
Ich wende mich wieder zur Besprechung des Fürstschen Trincierbuches
zurück. An die Vorschriften über die Messer und Gabeln schliessen sich Be-
lehrungen über die Übungen an Holzmodellen und das Imbrochieren; darauf
beginnt die meist durch Abbildungen unterstützte genaue Beschreibung vom
Zerlegen des Kapauns, des gesottenen Huhns, des Fasanen, indischen Hahns,
welschen Hahns. Auerhahns, Rephuhns, jungen Huhns »in Stücken«, der Schnepfe
1) Wirtembergisch Franken. Zeitschr. d. bist. Vereins für das wirtembergische Franken.
Jbrg. 1868. VIII, S. 19.
— 15 —
der jungen Taube, des jungen Huhnes »ganz«, »in 2 Stücken«, der jung-en Taube
»in 4 Stücken«, von allerlei Kleingeflügel, der jung-en Taube »g-anz«, der Krick-
ente, AVachtel, Gaus, Ente, des Hasen, Kaninchens, Kalbskopfs, Wildschweins-
kopfs, der Schöpsenkeule, des Schinkens, des Lämnierbratens, des Nierenbratens,
Rückg-ratsbratens. Spanferkels, Krebses, der Forellen und anderer Fische^).
Danu folg-t die Behandlung- von Rindfleisch und g-esotteneni Fleische, von Pasteten,
abgesottenen Austern, Eiern, Artischocken, Torten, Marzipan, Konfekt und end-
lich das meist zu allerhand künstlerischen Figuren g-eschnittene Obst. — Wie
weit man in letzterer Beziehung- die Spielereien trieb, beweist nachstehende, dem
Fürst'schen Trincierbuche entnommene Abbildung-. — Den Beschlufs des zweiten
Teiles bildet eine freundliche Mahnung- an den Vorschneider: »Der Fürschneider
oder Trincianl wolle auch errinnert seyii, daß er vor Antrettung seiner Be-
dienung die Nasen wol g-ereiniget halte, für Husten und Hetschen sich hüte,
unter dem Fürschneiden oder Fürlegen nicht hinter den Ohren kratze, oder in
die Nasenlöcher stiere, dadurch den Gästen ein Eckel. und ihm ein böser
Nachklang entstehen möge.« —
Die weiteren Teile des Trincierbuches haben niil derivunsl des Vorschncidcns
sehr wenig zu thun, ich gebe deshalb nur in aller Kürze die Überschriften der
einzelnen Kapitel. «Deß vollständigen Trincir-Buchs HI. Theil. Von rochier
Zeitigung- aller Mundkoste, Oder Von dem stets wärenden Kuchen - Oalender.«
Vorrede. (Entwickelung und Bedeutung des Wortes »essen« etc.) Cap. I. >Von
1) Hans Sachs (Ein tisdi-zuchl) }fi('l)l iinGof?cnsat/c zu (Ion Trinciorbüclicni in Hcziig
auf die Fische die Vorscliril't, welche mehr unserer niodernen Gewühnheit entspricht; "Zer-
schneid das flaisch und hricli die lisch.«
— 16 —
den vierf'Qssigen Thieren.« (^ap. II. »Von zahmen und wilden Geflügel. (f
Cup. III. »Von den Fischen.« Gap. IV. »Von etlichen Eidg-evvächsen.(f —
»[-•aradoxon. Widersinniger Beweiß, daß der Geschmack der übertreftlichste
unter allen äußerlichen Sinnen seye.« »Vorstellung der VViderigen Meinung,
daß in dem Geschmacke keine warhatT'te Belustigung zu finden.« — IV. Theil:
»Von den Schauessen und Schaugerichten. Mit angefügter Erzehliuig der vor-
nemsten und kostbarsten Bancketen, so zu unsrer Vätter und unsren Zeiten
gehalten worden.« Vorrede (Von dem Wort Bancket). Gap. I. »Welcher Gestali
grosse Herren zu empfahen.« Gap. II. »Von den Schauessen und Schaugerichten.«
Gap. III. »Von den Schaugerichten.« Gap. I\". »Von den Schauspielen nach
den Gastereyen.« Gap. V. »Das Hochzeitliche Bancket deß Herzogen von Mantua,
gehalten in Mantua 1581.« Gap. VI. »Das Hochzeitliche Bancket deß Königs
Philippi II. in Hispanien, bey dem Königlichen Beylager der Princeßin auß
Franckreick gehalten.« Gap. VII. »Das Bancket des Pabsts Gregorii Xltl. etc.«
Gap. VIII— XII enthalten weitere ausführliche Beschreibungen von Bancketen.
»Der Götter Blumeumahl«, eine Harsdörffersche Reimerei, beschliefst den vierten
Teil.— »Füntrter Theil, Bestehend In Erörterung XXV. Gast- oder Tisch-Fragen,
von Essen, Trincken und dergleichen Sachen, die bey Mahlzeiten zu nützlichem
und erfreulichen Gespräch veranlassen.« Von den hier erörterten, meist recht
gleichgiltigen Fragen führe ich nur einige auf: Frage II. »Wie oft man den
Tag über essen soll?« Fr. IV. »üb alles, was den Menschen nehren soll, ein
Leben haben müsse?« Fr. IX. »Wie viel man Gäste laden soll?« Fr. XL »Wie
man die Speise aulTtragen und geniessen soll?« Fr. XIV. »Woher das Gesund-
heit Trincken entstanden?« Fr. XVII. «Ob zu einem guten Gespräche mehr
Verstand oder mehr Gedächtniß erfordert werde?« Fr. XIX. »Was dem H. Ghristo
an dem Greutz zu trincken gereichet worden?« etc.
Von den eigentlichen Trincierbüchern^) bleibt uns in der Bibliothek des
germanischen Museums aus dem 17. Jahrhunderte nur noch eines übrig, dessen
vollständiger Titel lautet: »Neu | Vermehrt Nützliches | Trenchier-Buch, | da-
rinnen zu befinden | Wie man nach itziger Art und Manierlichen Gebrauch,
allerhand | Speisen ordentlich auff die Tafel setzen, zierlieh zerschneiden und
vorlegen, i auch in guter Ordnung wieder abheben soll. ] Deme beygefüget
etzliche | Reden, Briefe und Reime | So bey Hochzeiten, Gevatterschatfteu und
Leichen-Begängnüfsen | zu gebrauchen, | Samt einer Beschreibung | Des Edlen
Weydwercks. | Gedruckt zu Kunstburg | In diesem Jahr.« | (c.l680) (9 u. 146Seiten,
8"). (Bibl. d. g. M. Gs. 1268). Aus der Vorrede geht hervor, dafs der Verfasser
in Jena studiert, und auf Ansuchen von Jenenser Studenten sein Buch ge-
schrieben hat. Aufser den schon im Titel zu ersehenden Zusätzen bringt der
Verfasser nur eine, gegen die übrigen Trincierbücher ausführlichere Anweisung
für die Verteilung und Auftraguug der einzelnen »Trachten oder Gänge«. Das
kunstvolle Falten der Servietten bleibt ganz unberücksichtigt, wir werden dafür
aber mit einer ganz aufserordentlichen Fülle von Leberreimen beglückt. —
1) In oQuellen und Forschungen etc.« H. 66 (A. Häuften, Caspar Scheidt. der Lehrer
Fischarts) finde ich S. 93 citiert: Georg Greflinger, Ethica couiplementoria, das ist Gomple-
mentir-Büchleiu mit angefügtem Trenchir-Büchlein. Amsterdam 1675. 8.
— 17 —
Ich kann jetzt die Trincierbücher verlassen und habe aus den Schätzen
unseres Museums für das 17. Jahrhundert nur noch ein Buch anzuführen,
welches die Regeln über die Trincierkunst vollständig' aufgenommen hat, das
schon angeführte Haus - Feld- Arziiey- Koch - Kunst- und Wunder- Buch. . von
Johann Christoph Thieraen; Achter Theil. Nürnberg 1682. 4». (Gs. 1224.) —
Das 18. und 19. Jahrhundert hat noch manche Transchierbücher gezeitigt i),
doch vermag ich nicht anzugeben, ob und wie weit sie auf die älteren zurück-
gehen, da mir kein Exemplar vorliegt. Wer sich heute über die edle Kunst
informieren will, mufs sich zur Kalenderlitteratur wenden: Der »Daheim-
Kalender« auf das Jahr 1892 bringt Seite 1S5 ff. einen Aufsatz: »Die Kunst
des Vorschneidens. Von L. Holle«, der mit unseren Trincierbüchern allerdings
nur den etwas selbstbewufsten Ton gemein hat. Sein erster Satz lautet: »Nicht
eher sollte ein junger Mann heiraten dürfen, als bis er jeden Braten geschickt
und zweckmäfsig zerlegen kann!« —
Nürnberg. Franz Fuhse.
Stiideutisclie Schlittenfahrteu im Karueval.
ine Seite des studentischen Lebens, die kulturhistorisch von grofser
Bedeutung ist und die dennoch kaum je Beachtung gefunden hat, ist
^^ der »erlaubte Zeitvertreib« in den Tagen des Karnevals. War man im
protestantischen Lager der Ansicht, dafs »Momraen und Butzen-Kleider vor
Gott ein grofser Greuel sei« und sah sich deswegen die Württembergische
Landordnung von 1698 bewogen, »ernstlich zu verbiethen, dafs niemand zu
einiger Zeit des Jahrs mit verdeckten Angesichtern oder in Butzen-Kleidern gehen
soll bei Straff des Thurms oder Narren-Häuslins« (Tit. 102, S. 219), so glaubten
die Oberen der »Herren Studenten« katholischer Stifter weitherziger sein zu
dürfen. Die Anschauung, der die Saehsen-Gothaische Landesordnung (1667)
Ausdruck gibt, dal's nämlich »alle Mummerey und alles Umblauffen in Fast-
nachts -Kleidern ein Heydnisches und Christen übel-anständiges Wesen« sei
(Part. 2. G. 4. Tit. 16, S. 234) konnte auf eine Weltanschauung, die auch den
J^runlv und schauspielerische Veranstaltungen in ihren Dienst zu stellen gewohnt
war, keine Geltung haben. Mufste sie doch gerade wünschen, durch gelegent-
liches Schaugepränge auf die schaulustige Menge zu wirken und so durch die
Berücksichtigung eines starken Volksbedürfnisses sich das Volk selbst enger
zu verbinden. Vielleicht bot sich dann hin und wieder Gelegenheit, ilurch Ver-
spotten gegnerischer Anschauungen und Gebräuche direkt auf das moralische
und religiöse Empfinden der Massen zu wirken.
So gestattete man den Studierenden gern, in allerlei Fastnachtsscherzen
vor die Augen der EinudliiuM- zu treten, zumal in der Form sog. Fastnachls-
schlittenfulirlcn , die vor anderen Veranshillungcn dcii Vorteil besafsen. die
1) Nach Heinsiu.s, uilgemeines BiicluM-liCxikdii : Trciicliikanl, dor gcscliickto. die loiclilc
Art dio Speisen zierlicli /ii zer.schiioidcii iiihI vor/.iili'j;cri. S. I.pz. 17.M. Treiichirkuiisl, voll-
vollkonuncnste ui.d ueucslc, in ciiior i^edoppclUMi Aiiwois. in. K. 8. Carlsrulic 17G9. Kocli-
l)uch, neues wohloinger. mit Trcnchirliucli. 8. Tüb. 1777. Trunchirkunst. neueste und voll-
kommene, od. Anleitung alle Gattungen etc. Speisen zu zerlegen. Wien. 180o.
Mitteilungen aus dem gennau. Nationalmuseum. 1R92. III.
— 18 —
gTülsle Zahl von Zuscliaueni zu erlauben. Derartige SchüLtenfahrten führleii
in der Kegel in geseiilosseneni Zuge ein Bild vor Augen, das der Phantasie
der staunenden Menge weiten Spielraum gönnte und die Augen durch die
Mannigfaltigkeit der Kostüme fesselte.
Die Bibliothek des germanischen Nationalmuseums befindet sich im Besitz
einer Reihe von gleichzeitigen Beschreibungen solcher Schlittenfahrten, die von
der studierenden Jugend in Landshut, München und Augsburg in Szene gesetzt
wurden. Dieselben verteilen sich auf einen Zeitraum von 17 Jahren (1750— 60)
und gestatten einen interessanten Überblick über den inneren und äufseren
Charakter dieser eigenartigen Schaustellungen. Vor allem scheint uns bedeutsam,
wie der Genius loci der jeweiligen Stadt auf den Gedankeninhalt der »Schlitten-
fahrten« einwirkt. Das »Churfürstliche Lyceum S. J. zu Landshut« zeigt sich
auch in dieser Beziehung philosophisch-dogmatisch angehaucht und verzichtet
in der Regel auf jeglichen Humor; bald benutzt es die Gelegenheit einer
Schlittenfahrt ihren Groll gegen Descartes, »welcher mit gefährlichen An-
schlägen auf den gäntzlichen Umbsturtz des Philosophischen Reiches umbginge«,
Ausdruck zu verleihen, bald begnügt es sich damit, in einem »Narren-Concurs,
da Eine Importante Charge V^acierend geworden«, scharfe Kritik an allerlei
menschlichen Schwächen zu üben. Dagegen zeigen die »Herren Studenten zu
München« eine ausgesprochene Vorliebe für substantiellere Vorwürfe. Ob sie
nun den »Pompösen Einzug des Gantz neu zum Leben erweckten Edlen Kredits«
oder eine »ordentliche Retirade der sich zu Land und Wasser auf Schlitten
zurückziehenden Utopischen Käuferen« zur Darstellung bringen, immer handelt
es sich um eine Verherrlichung materieller Lebensgüter. Die naive Freude am
Essen und Trinken äufsert sich dabei häufig in recht drastischer Weise. Augs-
burg ist unter dem vorliegenden Material nur durch die Beschreibung einer
einzigen Schlittenfahrt vertreten, aber schon diese eine scheint zu zeigen, dafs
die Karnevalsumfahrt der »Augspurgischen Herren Studenten« einen Charakter
trug, der im Wesentlichen durch die stolze Vergangenheit der Stadt bedingt
war. Statt eines humoristischen Aufzuges sehen wir ein Bild des Gewerbefleifses,
das mit den Jubiläumsunizügen der Gewerkschaften, wie die neuere Zeit sie liebt,
viel Ähnlichkeit hat; nur dafs man hier, um doch dem P'astnachtscharakter
einigerraafsen zu entsprechen, einige Götter in die menschliche Gesellschaft mischt.
Den inneren und äufseren Gegensatz dieser verschiedenen Schlittenfahrten
und gleichzeitig deren verwandtschaftliche Beziehungen werden wir am deut-
lichsten wahrnehmen, wenn wir einzelne derselben etwas eingehender betrachten.
Für München scheint uns besonders charakteristisch ein »Honorabler Ab-
zug Der zahlreichen Fleischmannischen Garnison Aus der Citadelle Kuchenburg;
Da selbe au die Trouppen des (Titl.) Herrn General Wallersee Und Dessen hohe
Alliirte per Accord übergangen. Zur Fast-Nacht-Zeit In einer Schlittenfahrt
Von denen Herren Studenten zu München vorgestellet Anno 17öl.« (Bibl Nr.
W. 1721 gb.)
Der Vorbericht der Beschreibung dieses Zuges erzählt ein tolles Märchen
von der Absicht des »bekannten Herrn General Wallersee,« mit frischen hol-
ländischen Truppen, »meistens aus denen S. T. Stock-, Fisch-, Häring- und
Blateisischen Reginienteren, welche ayf daselbstigen See-Küsten zu Prisonier
gemacht« und den Kontingenten anderer Länder zusammengesetzt, gegen die
— 19 —
berühmte Citadelle Kuchenbiirg: vorzugehen, und g-laubt, »dem Publico einen
sonderen Gefallen zu erweisen*, wenn er »den Verlauff dieser Attaque aufrichtig
und unpartheyisch« erzählt, ohne erst das Geschehen derselben abzuwarten.
Er bittet sich die Erlaubnis aus, »das Theatre in etwas zu veränderen, und durch
einen so — genannten Syncronismum von zukünftigen Dingen so zu reden, als
wären sie schon würcklich vergangen.«
Und nun wird erzählt, dafs der General von Fleischmann in der Citadelle
belagert wird, sich nicht mehr halten kann und kapituliert. Die Nachricht,
dafs die Garnison in 3 Tagen sich marschfertig halten soll, wird von der Be-
satzung mit Murren aufgenommen. Die einen sind »so sehr an die Citadelle
angebacken, dafs sie lieber Leib und Blut, als selbe, verlassen wollen,« anderen
ist die Frist zu lang, sie versuchen zu desertieren. General Fleischmann ist
darob aufs Höchste ergrimmt. »Er Hesse seine Leib-Guarde, so aus dem Kern
der ansehnlichsten, achtbarisLen, Ungarischen Metzgeren bestünde, alsogleich
auf dem Platz anrucken, mit geschärften Befehl, all und jede von der Garnison,
die ihnen in geringsten suspect wären, auf der Stelle niderzumachen; welche
dann dise Ordre auf das genauiste befolget. Aus denen ermordeten Cörperen
Hesse er einige spissen, andere in sied-heisses Wasser versencken, andere auf
villerley andere Weis peynigen, wie es ihme nemlich die Wuth uud äusseriste
Verzweiflung in den Kopf brachte.« Vervollständigt wird das Gemetzel durch
die Bürgerschaft, die heimlich mit dem Feind unter einer Decke steckt, und
bald diesen, bald jenen, in ihre Häuser lockt »ohne alle Barmherzigkeit ermordet
und Stuck-weis in die flnsteriste Magens-Winkel vergrabet.« So gehen die drei
Tage hin. Am Tage des Abzugs bereut der General seinen Jähzorn und wird
gleichzeitig von Unwillen über das Thun der Bürgerschaft erfüllt. Er beschliefst,
um »seinen Zorn recht enipündlich abzukühlen, und zugleich seinen Abzug
doch in etwas herrlicher, und zahlreicher zu machen . . . auch von denen er-
mordeten Cörperen nicht ein eintziges Stuck in der Citadelle und Stadt übrig
zu lassen. Liesse demnach durch öffentlichen Trommelschlag bey schwärer
Stratr ausruffen: alles, was von dergleichen der Garnison zustehenden Effecten
in denen Häuseren noch hinterhalten wäre, also gleich in die Citadelle zu liferen,
woselbst es in die, zu dem End in grosser Anzahl schon vorbereitete, Schifsl-
Couvert gar embsig eingehackt wurde.« Dann zwingt er die Bürgerschaft »all
dise Pagage mit ihren eignen Pferden und Schlitten (es wäre halt dazumahl
ein grofser Schnee gefallen) bis an die Gräntzen zu liferen«, und die Garnison
zieht mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel aus der Citadelle.
Dieser Einleitung folgt dann die Beschreibung des Festzuges mit nament-
licher Aufzählung der mitwirkenden Studenten.
Voran ziehen der Hegimentsquartiermeister, vier Trompeter, der Regiments-
metzger und die ungarische Leibgarde der Metzger; dann folgt als »Vortrapp«
im ersten Schlitten der Hauptmann Eber, »dessen unterhabendes Corpo fast
gäntzlich bis auf wenige Uberbleibslein, so nachnuihls zum Vorschein kommen
werden, ruiniret worden,« gelührt von dem Ober-Wildmeisler. im zweiten und
dritten Schlitten »zwei Edle junge Herren Schuncken aus Westphalien gebürtig,
welche Zweiflels ohne gleichfals ihr Grab in der Citadelle wurden gefunden
haben, wann sie sich nicht in einen Camin salvirl.« Ein »Regiments-Leyrer«
mit »seinen Scholairn«, die ein gar »anmüthiges Abschids-Lied« singen, bilden
— 20 —
die Ueberleitung zu den vier Colonnen, »deren die 3. erste fast in lauter Pagage-
Schlitten bestanden , doch unter verschidenen Bedeckungen. Die erste com-
mandirte der Herr Obrist-Lieutenant Voressen; die zweyte der Herr Ingenieur-
Obrist von Bratten; die dritte der Obrist- Wachtmeister Wildmann; die vierte
der Herr General Fleischmann selbst.«
In den Schlitten der einzelnen Kolonnen befinden sich natürlich die
wunderbarsten Dinge, die dem Namen des jeweiligen Anlührers entsprechen.
In den ersten vier Schlitten der ersten Abtheilung werden »4 wohl-einpallirte
Fleisch-Suppen« einhergefahren. »Man sagt, sie wären von besonderer KrafTt,
doch hätten sie einen Defect in Augen; dessentwegen sie dann sorgsam be-
decket worden, damit ihnen das allzugrelle Liecht nicht schade.« Die Begleitung
bilden »Lötfel-Krammer« aus den Weltteilen Afrika, Amerika, Asien und Europa.
Des weiteren 'folgen in dieser Kolonne Gefäfse mit eingemachten Lungen, Kälber-
füfsen und Eutern, Pasteten von Hühner- und Taubenfleisch, die — »damit nicht
gähling der rauhe LufTl der zarten Jugend schadete , hermetice geschlossen
worden«, — vier Schlitten »mit uuterschidlicher zur Artilleri gehörigen ilunition«,
als eine Kiste von »mit Speck gefüllter Knödl-Bomben, eine andere von Leber-
Granaten, die dritte von Schweinernen, auf den Rost zuvor wohl abgedörrten
Wurst-Lunden, die vierte von scharfTgeladenen Bluntzen-Patronen. Die Dräxler
und Sailler hatten hierbey die Convoy, jene, damit die Bomben und Granaten
der Runde nicht vergesseten, dise, auf dafs die Lunden und Patronen wohl
gebunden hüben.«
An diese schliefsen sich vier »grosse ansehnliche Tafl-Stuck« als »Viertl-
Cartaunen«, deren »LalTeten oder Vehicula gleichsam per modum eines Zu-
gemüfs die Kräutler herschaffen.«
»Bis daher nun erstreckte sich das Gommando defs Herrn Obrist-Lieutenant
Voressen, welcher jedoch aufs angebohrner Müdigkeit, damit zugleich seine
Pagage lüfftiger beförderet, und zugleich der Nachkommenden der Weeg er-
leuchteret wurde, weifslichist angeordnet, dafs seinen Zug weisse und braune
Bierschenck beschliesseten.« Eine durstige Musikantenbande fühlt sich von dem
»angenehmen Geruch dises Liqueurs« angezogen und bildet den Abschlufs der
ersten Kolonne und die Überleitung zur folgenden.
Diese, in der allerlei in- und ausländische Braten und ein Fafs Wein unter
sorgsamer Bedeckung geführt werden, ist in ähnlicher Weise angeordnet, des-
gleichen die dritte Kolonne mit einem Reichtume von Wiklpret und edlem Ge-
flügel. »2 Teutsche aus Burgund, und ein Frantzos aus Campanien und ein
Welscher dal raonte Pultiano« figurieren als Vertreter der Getränke ihres Landes.
In der vierten und letzten Kolonne aber befindet sich »nur allein die noch
frische, und der Massacre entzogene Trouppen. Weilen es aber meisten Theils
solche waren, die entweders zarten Jugend oder zähen Alters halber verschonet
worden, Hesse er auch dise nicht zu Fufs ausraarchiren, sonderen wurde ver-
schidenen aufgebotten, selbe auf Schlitten zu transportiren. Voraus führe der
General-Adjutant Herr von Oberkoch cum suo cognato.« Dann zieht Geflügel,
Stall vieh, Wild vor uns vorüber, von Bauern, Metzgern und Jägern eskortiert.
»Endlich beschlösse den gantzen Zug en suit defs zweyten Theil seiner Leib-
Guarde, und unter herrlichen Schall der Kuchenburgischen Trompeten und
— 21 —
Paucken, Ihro Excellenz Herr General Fleischraana in eigner schweren Persohn ...
in Bedienung 2 Lauffer . . . und 2 Heyducken. «
Der burleske Text schliefst mit den Worten: »Es ist aber mit keiner Feder
zubeschreiben, was grosses Leydwesen bey disen Abzug das gute Hunds- Volck
getragen: sie schreyeten und beuleten, als wolten sie von Sinnen kommen.
Ja, ich habe mir gantz glaubwürdig erzehlen lassen, der grosse Laelaps habe
hierbey die hell-liechte Zäher geweinet.
P. S. Eben jetzt lauffet die Zeitung ein, es seye Monsieur Surkruot mit
einem Detachement Häring denen Flüchtigen nachgeschickt worden, um alle
Bier- und Weinschenck widerum einzuheilen. Und dises gantz weislich: dann
wie kunten wir wohl ohne selbe durch die liebe Fasten subsistiren?«
Spricht uns aus dieser Fastnachtsschlittenfahrl ein lebenslustiger, dem
materiellen Genüsse keineswegs abgeneigter Humor an, der nichts weiter will,
als frühliehes Lachen erregen, so tritt uns in einer Schlittenfahrt der »Herren
Studenten zu Landshut« vom Jahre 1766 ein jeder Lebenslust abgewandter Sinn
entgegen. Die Darsteller wollen durch ihren kostümierten Umzug keine Heiter-
keit erwecken, sie wollen bekehren, vor den »falschen Propheten« warnen: ihre
Schlittenfahrt soll eine populäre Predigt ohne Worte sein. Das Thema derselben
lautet: »Antichrist Oder Der von dem Vater der Lugen gesandte After-Mefsias.«
Um keinen Zweifel darüber zu lassen, welches die Absicht der Studierenden,
verkünden sie in der Einleituug des beschreibenden Textes (Bibl. Nr. W. 1721 gl.)
»Antichrist, der aus lauter Bofsheit zusammen gemachte, und von der Höllen als
ein teuflisches Kunstuck ausgebrüttete Antichrist soll zu unseren Absehen
dienen. Dieses erbofste Gemüth, was es für ein Nater-Brut in seiner Brust
ernähre, können wir aus diesen, den After-Mefsias vorlauffenden Lugen-Propheten,
undvergiffteten Ertz-Ketzeren, die unsere H.Mutter mit einen mehr als teuflischen
Hafs zwar anfallen, aber nicht übergwältigen mögen, grossen theils ersehen.«
Vor diesen sei zu warnen, da sie ihre »Schalckheiten« unter den Schafsfcllen
verborgen halten. »Darum dann meine Herren Landshuter bitten wir euch:
Hütet euch von den falschen Propheten, die den unschuldigen Seelen nach-
stellen: und damit ihr euch von diesen abscheulichen Mifsgeburten zu hütten
wisset, werden wir euch dieselbe lebhafft, so viel es unsern geringen Verstand
möglich, und die Zeit zulasset, vor Augen zu stellen uns befleisseu.«
Der seltsame Zug beginnt mit »den drey Höll-Furien, welche mit einen
Fahnen, und Fackl bewaffnet den jänuuerlichen Krieg und erschröckliche
Niderlag des Antichristes ankünden.« Ein Musikantenschlitten trennt dieselben
von den drei Schwestern Sünde, Heidentum und Ketzerei »als grausame Vor-
bothen, die diesen vergilTteten Basilisken vorgeloffen sind.« Und nun IriK ein
buntes Gewürfel jener »grifsgramenden Wölfe« auf, die als Apostel des Anti-
christ bezeichnet werden. Die antike Well, das Zeitalter der Kirchenväter, die
kirchlichen Sekten älterer und neuerer Zeit stellen ihre Kontingente. Um die-
selben zu charkterisieren, greift man zu ilen wunderlichsten Mitteln. T)ie
»Sa[tientes oder die Weise genennet« erhielten zum Vorreiter einen Narren;
Wiclef, (loiti Vorläufer der Kirchenreformation, wurde ein Metzger als Begleiter
zugeteilt, ilu er »ein lauterer Ochs, dahero er nicht umsonst von Ochsfurt ge-
bürtig war«; Luther erschien in Begleitung eines Kochs, da er die Irrlehren
{'rubrer Ketzer »wieder aufgewärmet und für frische verkuuflet.« Dafs die
— 22 —
»Flag-ellantos oder die Geisler<f einen Wundarzt im Gefolge haben, ist immerhin
zu verstehen, ihr Auftreten im Zuge wird durch die Worte motiviert: »Haben
ihren Ursprung in Deutschland genommen, dieser Anfangs löbliche Brauch zu
Geislen ist endlich in eine Kezerey verwandlet worden.« Überraschend und
tirastisch aber wirkt die Einführung eines Kaminfegers als Geleiter der Puritaner.
Begründet wird dieselbe durch die scharfe Bemerkung: »Die Puritaner . . . wolten
für rein angesehen werden: stancken doch ärger als die Bück.«
Den SchluCs dieses höchst eigenartigen Aufzuges bildet die nähere Um-
gebung des Antichrist. »Die zwölf After Apostel; Jeder mit seinem Vorreiter.
Nach denApostelen folgen die Hocherleuchte Scilicet After Evangelisten. Nach
diesem endlich kommt weis GOtt wan! der Vater aller Erz-Ketzer, die . . . wind-
Grube^) aller Laster, nenilich der Antichrist. Dem rebellischen Sohne folgt der
Vater der Lügen.«
Um Jeder abfälligen Kritik von vornherein zu begegnen, wird hinter dem
Zuge in einem Schlitten »Zoilus an einer Hundes-Kette gefangen« einhergefahren
»zu zeigen, dafs die Beschnarcher zwar bellen aber nicht beissen könen.«
Bisweilen verflüchtigt sich der Landshuter Kampf- und Bekehrungseifer
zu einem ziemlich harmlosen Moralisieren, in dem aber doch von Zeit zu Zeit
die dogmatisierende Tendenz zum Durchbruche kommt. So in dem »Winter
und Somniei- moralisch und satyrisch in einer Schlittenfarth zu Landshut vor-
gestellt von denen Herren Studenten des Studii Generalis Thomistici den
28. Jenner 1768.« (Bibl. Nr. W. 1721 gn.) Hier besteht der ganze Zug aus
zwei Kolonnen — , jede angeführt durch einen »Musikalischen Vorzug« — , die
in einer stattlichen Reihe von Schlitten Personifikationen derjenigen Eigen-
schaften, die für den Winter und für den Sommer charakteristisch sind, dem
Publikum vor Augen führen. Der poetische Vorwurf hat den Verfasser der
erläuternden Beschreibung zu Versen begeistert, die vor allem die Aufgabe
haben, den oft etwas dunklen Zusammenhang zwischen dem Inhalt der einzelnen
Schlitten und deren kostümierten Vorreitern klar zu legen. Die ersten drei
Schlitten enthalten den Reif »mit einem kühlen G'spafsmacher«, den Schnee »mit
der Eitelkeit der Welt« und die Kälte »mit einem Zitterschlager«; ihnen folgt
»der Eiszapf mit einem vollgesoffenen Zapfen deren Vorreiter der Eislebische
Prophet mit seinem sogenannten Catechismusglafs«. Die etwas unklaren be-
gleitenden Verse lauten:
»Wann sich viele Tropfen mehren Solcher Zapfen wäre eben
Und in Frost zusammen kehren, Der Prophet vou Eisenlebeu
Nennt man es ein Zapf vou Eifs. Wie die ganze Weite weifs.«
Und nun folgen allerlei Mitgaben des Winters, die durch allgemein ge-
haltene,' moralisierende und didaktische Sprüche ihre besondere Prägung er-
halten. Der Nordwind wird mit der Hotfart verglichen, der Sturm überhaupt
mit den Ketzereien und Schwärmereien; das trübe Gewölk gibt Veranlassung,
denen eine Verwarnung zu erteilen, die »in beständig Neid und Grollen, Den
sie doch ablegen sollen, ja in stäten Zorn und Hafs« leben. Ein Schlitten fährt
den »kurzen Tag und lange Nacht, deren Vorreiter die Aegyptische Finsternufs.«
Der ermahnende Ton ist hier besonders eindringlich:
1) Die ersten Buchstaben dieses Wortes sind duixh das Beschneiden des Heftes
fortgefallen.
— 23 —
»Kurzer Tag das Leben neiget, Drum soll man in Lustbai'keiten,
Lange Nacht den Tod anzeiget Und in den erlaubten Freuden
Ja, den Weeg zur Ewigkeit. Denken an die Seeligkeit.«
Dann wird bildlich dargestellt, dafs der Winter in seinem Gefolg-e »Melan-
colie und Langweil« habe, der man durch die Freuden der Fastenzeit zu be-
gegnen suchen müsse. Es wird aber sofort ein Schitten angefügt, der »das
desperate Fastengesicht, dessen Vorreiter ein vacierender Koch« dem Volke zeigt.
Die Begleitverse bemerken:
»Vor den Thron des Höchsten tretten Dann schier allzeit Fastnacht liaben
Fasten, Wachen, Bussen, Betten Sich mit Fleisch und Würsten laben
Sollt boy Menschen öfters soyn : Trüg der Seele gar nichts ein.«
Den AbschluCs der Winterkolonne bildet ein Wagen mit Insassen, die
unter den Unbilden des Frostes leiden müssen ; zum Vorreiter ist ein Wundarzt
ausersehen. Dazu meint der erklärende Text:
»Hand, Füfs, Nasen, Barth und Ohren Aber G'fröhr in Kopf curiren
Sind im Winter gnug erfrohren, Ist kein Sach zum practiciren
Doch diefs alls noch heilbar scheint. Weil sie nicht zu heilen seynd.«
In der zweiten, der Sommerkolonne, zieht zunächst die heitere Luft,
»dessen Vorreiter die Sonn«, auf; Gärtner und Gärtnerin, Vogelsang, Hitze, Aus-
dünstung, Blitz, Donner und Regenschauer folgen. Die Ausdünstung erhält
zum Vorreiter einen Fackelträger. Die Reime suchen diese W^ahl zu erklären.
Blitz und Donner bieten Anlafs zu der Vermahnuug
»Nach den Donnern, nach den Knallen Bist vielleicht ohn dein Vcrhoffen
Nach den Blitzen, nach den Schallen Plötzlich von dem Streich gelroft'cn
Folgt der helle Sonnenschein: Schick dich nur gedultig drein.«
In ähnlicher Weise dient die Vorführung der »auf einmal gäher massen
eingefallenen grossen Sonnenhitze«, der Mondfuisternis, die sich im Juni er-
eignen würde, der Ernte u. s. w. zur Betonung der sittlichen Prinzipien. Da-
zwischen durch erhält dann auch das anspruchlose Behagen an den Freuden
des Sommers sein Recht. Der »abkühlende Schatten«, der »Sommerpalais«, der
»Merzenkeller<f erhalten Worte der Anerkennung, selbst die Jagd wird gefeiert.
Den Schlufs macht dann ein Wagen mit »Grafsmenschern, Heuleuthen,
Schnittern, Dreschern etc.«
Auch diesmal glaubt sich der Verfasser des Textes jede Kritik der fest-
lichen Veranstaltung verbitten zu müssen. Es lautet daher die Schlufsbemer-
kung: »Wer Lust und Lieb hat, diese Schlittenfarth entweder wegen der Ord-
nung, oder Kleidung zu tadlen. der ist höllichst eingeladen, sich in dieser Källr
um Mitternacht auf ofenilichen Platz zu stellen, dainit er seiniMi kritiscIuMi
Gedanken längere Audienz geben könne.« —
Es ist eine völlig andere Welt, in die uns die Augsburger Schlitlonfahrl
hineinführt. Schon der lateinische Haupttitel des beschreibenden Textes deute!
eine gewisse Feierlichkeit an. Dci' (Jesamltilt'! laute! : »Augusta commune oni-
porium Uder Augspurger Dult Von denen Augspurgischen Herren Studenten
in einer Schlitlonfahrl zur erlaubten Zeitvertreib vorgeslellt Im -lahr 17;);i.n
(liibl. Nr. W. 1721 d.) Und der Zug selbst nuicht den Eindruck, als hällon
die Studenten diese Gelegenheil weniger benutzt, um übermütiger Karnevals-
lust Ausdruck zu geben, als um ihre Freude an dem groCsslädtischen Handel
und Wandel der Stadt Augsburg zu zeigen. Charakteristisch sind die ein-
- 24 -
leitenden Bemerkungen: »Die breite Welt weist von Augspurg zu sprechen.
Wenig Länder seynd, welche nit ihre berühmte Künstler, und Künsten, grosse
Werbung und Handl mit selbst eigner ihrer Zierde und Nutzen bewunderen.
Wir haben geglaubt uns erlaubt zu sej'n zu einer wenigist geringer Ergötzung
der Augen und des Gemüths selbes in etwas, und in dem Schatten vorzustellen.
Wir bringen etwas von Gewerb, und von Künsten, wir führen für nähe, und
weit entlegene Nationes, so weit sich nemlich das gewerbliche Augspurg er-
strecket, wir machen sie einkauffen, und also mit Waaren beladen von disei-
allgemeinen Dult widerum nacher Kaufs kehren. Die Götter als grofsmächtigste
Gönner und Schützer der so schönen Künsten, und Bemühungen haben auch
Antheil zu nehmen geruht. Das Publicum herentgegen wird gebetten vieles
mit Dencken zu ersetzen, und wann wenig Zeit zu Lachen, gütig zu betrachten,
dafs auch wenig Zeit gewesen zu machen.«
Um doch wenigstens ein äufseres Zugeständnis an die Karnevalszeit zu
machen, gehen dem Zuge »2 Arlequins«, von 4 Trompetern begleitet, voraus.
Die eigentliche Einleitung bilden dann der Friede, der den Kriegsgott als den
»allgemeinen Stöhrer des freyen Handels und Wandels unter denen schönen
Künsten« gefesselt führt, Merkur »mit dem Titul: Die Götter verkauffeu alles
um die Arbeit« und mit dem »Geuius industriae« und als dritter Jupiter, »der
grosse Gönner und Schützer der schönen Künsten.«
Dann folgen Goldschmiede, Kaufleute, »ein gefährliche Stein-Klippen für
die Kautfarthey Schiffe, auf welcher sitzt der Herr Fallit ein grosser Wind-
macher«, Seidenhändler, Bildschnitzer, Wollenweber, Kürschner, Drechsler.
Perrückenmacher, Tabakhändler, Schlosser und Schmiede, Buchhändler, und
sonstige Gewerbtreibende; dazwischen bewegen sich die Götter, soweit sie zu
Kunst und InduvStrie in irgendwelcher Beziehung stehen, die personifizierten
Jahreszeiten, Türken, die mit ihrer Nationalmusik vom Markte zurückkehren.
Ausländer, die auf der Dult Kostbarkeiten erhandelt haben, und mancherlei
andere ungewöhnliche Erscheinungen.
Den Abschlufs der Hauptabteilung bildet ein »Bilder-Krammer«, der des
»Fortunati Wünsch-Hüetlein mit Gold und Silberschnitt .. . in die mifsverguügte
Welt« trägt.
In der Nachhut, »Gmisch, Gmasch, oder ordentliche Confusion« genannt,
befindet sich ein buntes Nebeneinander aller möglichen Berufsarten als Karten-
raacher, Schneider, Pfannflicker, Lederer, Saitenmacher, Sattler, Weber u. s. w.,
die von Marktschreiern mit Raritäten und allerlei Tand begleitet werden. Müfsig-
gaug, Faulheit und ein Schlitten mit »allerhand ligenden und fahrenden btrafs-
Gütlein als Contraband- Wahren, die denen guten Künsten nit anständig in
Narragonien« machen den Schlufs des Aufzuges.
Man wird nicht umhin können, den Münchener Veranstaltungen dieser
Art mehr Humor, den Landshuter mehr Originalität zuzugestehen, aber die
Augsburger Art und Weise wird wol dem modernen Geschmacke am meisten
Rechnung tragen. Sie bildet gewissermafsen den Übergang zu den modernen
Festzügen, die sich in historischen Reminiscenzen und in der Betonung des
gewerblichen Lebens gefallen, aber mehr und mehr aus dem engeren Rahmen
studentischer Vergnügungen herausgetreten sind.
Nürnberg. Th. Volbehr.
- 2-i
Die Helme aus der Zeit vom VI, bis zum Begiuue des 10. Jahrhunderts
im germanischen jVIuseum.
or Jahren schon hat der Verfasser dieses Aufsatzes im »Anzeiger für Kunde
der deutschen Vorzeit« Beiträge aus dem germanischen Museum zur Ge-
schichte des Waffen Wesens aus dem Mittelalter, aber auch einzelne Waffen
aus späterer Zeit veröff'entlicht, sowie einzelne, kleine, hieher gehörige Aufsätze
auch in diesen »Mitteilungen«. Es war dabei weniger darauf abgesehen, neue Ge-
sichtspunkte zu eröff'nen, noch Material zum ersten male zu geben, welches so
wichtig wäre, dafs es dasjenige in den Hintergrund zuschieben vermöchte, welches,
anderen Sammlungen entnommen, seither bei Betrachtung der Watfengeschichte
zunächst Berücksichtigung gefunden hätte, denn als ganz neu entstehende Samm-
lung hatte man bis dahin die des germanischen Museums gar nicht zu berücksich-
tigen gehabt. Es lag mehr daran, zu zeigen, dafs das Museum durch die Un-
ermüdlichkeit, mit welcher es sein Ziel verfolgte, nach und nach Einiges
erworben hatte, das der Beachtung wert war, dafs es aber nicht blofs in seinen
Waffenbeständen, sondern auch in Miniaturen und Handzeichnungen, in Original-
skulpturen und Abgüssen Material gesammelt habe, so dafs es immerhin damals
bereits nicht unwichtige Beiträge für das Studium Jenen bieten konnte, welche um
eines solchen willen die Waffensammlung und die sonstigen Museumssammlungen
betrachteten. Wenn auch kaum eine Abteilung schwieriger zu bilden und zu
vervollständigen war und noch ist, als die Waffensammlung, wenn die hohen
Preise uns nötigten, auf so manches zu verzichten, welches wir zu erwerben
Gelegenheit gehabt hätten, so war ja doch dem festen Willen manches erreich-
bar geworden, und was damals veröffentlicht wurde, war weitaus nicht alles,
was unser Museum bieten konnte. Es ist daher mehr dem Umslande zuzu-
schreiben, dafs die vom Museum herausgegebenen Zeitschriften auch anderen
Zweigen der Kulturgeschichte Rechnung zu tragen hatten, um unsere vielen
Freunde zu befriedigen, von welchen ja mancher anderen Zweigen mehr Interesse
entgegenbringt, als gerade der Waffensammlung, dafs jene Aufsätze abge-
brochen wurden. Nachdem nun aber bereits eine längere Pause eingetreten
war, als die Sulkowskische Sammlung erworben werden konnte, und zugleich
andere Bereicherungen erfolgten, so fafste der Verfasser sofort den Gedanken,
jene Aufsätze wieder aufzunehmen, um wieder eine Anzahl merkwürdiger
Watfenstücke den P'reunden der Anstalt vorzuführen, welche ja doch mit grofsem
Interesse diese Erwerbung begrüfst und sofort beträclilliilie Gaben der Anstalt
zugewendet haben und noch zuwenden, um ilii- Jene P^rwerbungen zu erleichtern.
Leider ist dieSanjmlungam'li durch diese Erwerbungen noch nicht so syste-
matisch abgerundet, dafs ein etwa jetzt schon in Druc.'k gegebener Katalog der-
selben ein Bild des Watfenwescns in seiner gesamten Entwickelung geben könnte.
Es mufste also die Bearbeitung eines druckfähigen Jvataloges noch immer ver-
schoben werden; doch ist das Material schon so reich, dafs es sich Idhiü, die
Aufsätze nicht mehr in solch bunter Reihe sich folgen zu lassen, als damals, son-
Alitteiluu^eu aus dem geriiiau. Nationaliiiuseum. 1892. l\ .
— 2() —
dern systematisch, als Vorarbeit zu dein Katalog-e, das gleichartige zusauinien-
zufassen. Es sollten also die sämtlichen Stücke der einzelnen Waffengattungen
zu (iruppen vereinigt betrachtet werden, wobei sich natürlich nicht vermeiden
läl'st, auf Einzelnes zurückzukommen, welches in den früheren Aufsätzen be-
trachtet ist. Es war beabsichtigt, z.B. die ganze Reihe der Gesamtrüstungen
im Zusammenhange zu betrachten, ebenso die Helme, die Schilde, die Schwerter,
die Speere und sonstigen Stangenwaffen , den Pferdezeug, den Turnierzeug,
Bogen und Armbrust, Geschütze und Handfeuerwaffen u. s.w. Der Verfasser be-
gann das Material für eine Reihe solcher Aufsätze zu studieren und zu bearbeiten.
Längst sollten die Arbeiten veröffentlicht sein, gewisserraafsen als Seitenstück
zu Viollet-le-Duc's Arbeit in seinem Dictionnaire du mobilier franc^ais; allein
Krankheit hinderte deren Fertigstellung, obwol teilweise nur wenig mehr daran
zu thun ist. Hier erscheint nun der erste Aufsatz. Ev würde wol nicht der
erste geworden sein, wenn nicht die Studien dazu am weitesten gediehen wären.
Ein zweiter, die Helme des 16. und 17. Jahrhunderts umfassend, wird hoffentlich
in nicht zu langer Zeit folgen dürfen, falls nur der Gesundheitszustand des Ver-
fassers es möglich macht, auch diese Arbeit zum Abschlüsse zu bringen.
Gelingt dies nicht, gelingt es nicht, weiter zu kommen, so möge ein noch mehr
Berufener die Sache in die Hand nehmen. Das Material ist interessant genug,
um auch den besten Bearbeiter anzulocken und die Dankbarkeit vieler Leser
wird ihm sicher sein.
Die ältesten Helme.
Wenn wir das Wort »Helm« nicht als Bezeichnung für eine oder mehrere
bestimmte Formen, sondern als Sammelnamen für alle eisernen, bezw. stählernen
Kopfbedeckungen auffassen, welche den Schutz des Trägers gegen Angriff
mittelst Waffen bezwecken, so tritt uns in der Waffensammlung des Museums
eine stattliche Reihe von Stücken, teils einzelner, teils zu ganzen Rüstungen
gehöriger, entgegen, welche dem Mittelalter entstammen, als dessen Abschlufs
wir noch, mindestens auf diesem Gebiete, die Zeit des letzten Ritters, Maximilians L,
anzusehen haben.
Die Zeit bis zum 12. Jahrhunderte ist, wie der Kundige weifs, schwer
zu vertreten, weil der metallene Helm überhaupt von der Völkerwanderung
bis zum 11. Jahrhunderte nicht jene Rolle spielte, wie später, und weil, da
olfenbar nur wenige solcher Helme überhaupt getragen worden sind, sich
nur eine ganz verschwindend kleine Anzahl überhaupt erhalten hat. So
grofs die Zahl der Gräber ist, welche man in den letzten Jahrzehnten geöffnet
hat, in denen germanische Krieger vom 4. bis 9. Jahrhunderte beigesetzt worden
sind und in welche man ihnen die im Leben geführten Angriffs- wie Verteidi-
gungswaffen mitgab, so reich die Ausbeute dieser GräberötTnungen an Waffen
und Waffenresten war, so vollständig wir demgemäfs das Waffenwesen jener
Zeit studieren können : der Helm ist uns daraus nicht bekannt geworden, weil
die Gräber keine Helme enthielten. Was uns die Miniaturen, die wir vom
9. Jahrhunderte ab zu Rate ziehen können, bieten, sind nur die allgemeinen
— 21 —
Formen; sie reg-en aber so manche Zweifel über Material und Konstruktion au,
und wir werden eben doch noch Funde erwarten müssen, bis wir berechtigt sind,
aus den Miniaturen allein mehr als Andeutungen entnehmen zu wollen. Soviel
geht freilich aus denselben hervor, dafs der Kampf mit blofsem, unbedecktem
Haupte, wie er ja auch aus manchen Darstellungen sich erkennen läfst und wie
er ursprünglich allgemein war, für die spätere Zeit nicht mehr als Regel gelten
kann. Es müssen also wol die Helme aus anderem, vergänglicherem Stoflfe
gefertigt worden sein. Von jenen wenigen Stücken , die man der in Rede
stehenden Zeitperiode zuschreiben zu können glaubt, hat das Museum
nichts. Aber auch andere Museen sind nicht besser daran. Ob wir jene Helme,
die zu Falaise gefunden sind, über welche Gh. d. Linas gehandelt i), und dia er
nordischen Seeräuberfürsten zugeschrieben hat, als solche jener Zeit be-
trachten dürfen , müssen wir dahin gestellt sein lassen. Wir würden in den-
selben eher Arbeiten der klassischen Zeit sehen, wie sie die römische Provinzial-
kunst hervorgebracht, oder vielleicht Barbaren unter dem Einflüsse der
klassischen Kunst gefertigt haben, als so späte germanische Arbeiten. Mit den
strengen, ernsten Formen der aus den Gräbern zu Tage gekommenen Waffen
harmonieren sie so wenig, als mit dem, was uns die Miniaturen zeigen.
Wir wissen aus den Schriftquellen der frühen Zeit von »Eberhelmen«.
Aber wie sie aussahen"? Im Museum zu Kopenhagen finden sich zwei Bronze-
täfelchen, deren jedes zwei Figuren enthält, und die wol als Grürtelschmuck
angesehen werden können 2). Aber aus welcher Zeit stammen sie? Die eine
Figur trägt als Larvenhelm ein Eberhaupt, welches wie ihr eigenes erscheint;
zwei andere tragen einen formlosen Helm, der oben durch eine Eberfigur über-
deckt ist. Irgendwelche weitere Anhaltspunkte für diese Form der »Eber-
helme« finden sich in keiner bildlichen Darstellung und wir müssen als die
älteste mittelalterliche Helmform jene ansehen, die in karolingischen Miniaturen
vorkommt 3). Wir möchten nicht annehmen, dafs sie aus Eisen sind, denken
vielmehr eher an Leder, vielleicht mit Filz gefüttert und mit Hörn überzogen.
Den Kamm können wir etwa aus Kupferblech getrieben ansehen. Hüte dagegen
haben sich gefunden, welcher dieser Zeit angehören und es wird unten davon
die Rede sein. Anders sind zwei Helme, welche in England gefunden wurden
1) Revur archeologiciuc. Nouvelle Serie, V, p. 225 u. Taf. V. Zitat von Viollet-le-Duc
in seinem Diclionnaire raisonn6 du mobilicr frangais de l'cpoque Carlovingienne ä la
Renaissance t. VT, p. 97, der sie abbildet und j;;oncigt ist, Linas zu f()lg:on.
2j Montelius, Fübrer durch das Museum vatoriändischer AlU'rliimer in Stockliolm.
Übersetzt von J. Mestorf. Hamburg 1876, S. 91.
3j Essenwein, kullurliistorischcr Bilderatlas II, Taf. XVII. AVcnn wir im Verlaufe des
Aufsatzes so oft als tliuiilicli dioson Band zitieren, so verweisen wir auf das, was wir in
demselben über seinen Wt^rt selbst gesagt haben. Da es sich hier jedoch nicht um beson-
dere historische Forschungen handelt, so werden uns die Leser dankbar sein, wenn wir
sie iiiclit nötigen, zu viele ()riginai(iiiellcti seihst diinli/.iiselien . und so viel als nuii^Hicli
dieselben schon vereinigt ihnen darhieten. — Es soll, wie die Westdeutsche Zeitschr. f. Gesch.
u. Kst. .Ihrg. X, Heft 4, S. IV.)0 meldet, in allerjün;i:ster Zeit ein kandingiscber Helm gefun-
den worden und in das l'aulusmuseum zu Worms gekommen sein; wir dürfen liotTentlich
auf baldige VerölVentlichung eines solch wichtigen Stückes rechnen.
— 2H —
miil doli iiiiCbewalii'l. werden'*). Es sind aus vier ira Scheitel sich treffenden
Büg-ehi ji-ebildete, g-lockenförmig-e Gerüste, die sich auf einer Stirnspange er-
heben. Aul" der Spitze des einen ist ein Eberbiid. Diese Glocke ist nur das
Gestelle l(ir einen Helm aus Leder, Hörn, Filz oder dgl. Erst mit diesen be-
finden wir uns auf ^Teilbarem Boden. An sie schliefst sieh der ähnlich g-elbrmte
»Helm Heinrichs des Löwen« an, welchen Lindenschmit mit Recht dem 10. Jahr-
hunderte zuschreibt •'^) und der aus sechs Spang-en von Bronze seine Kuppel
bildet, die mit Eisenplatten ausgefüllt ist. Dafs einige Helme, welche sich in
Kircheuschätzen erhalten haben und als Reliquien von Heiligen (so ein Helm
Fig. 1.
in Prag als jener des heilig-en VVenzeslaus) angesehen werden, in der That
noch dem 9. bis 11. Jahrhunderte angehören, ist ebenso sicher als die That-
sache, dafs sie, unter festem Verschlusse gehalten, dem Studium wenig zu-
gänglich sind, wie der Prager Helm, den Bock in seinem Werke über die
Reichskleinodien zu publizieren in der Lage war; leider nur von einer Seite.
Es scheint eine aus zwei Teilen getriebene Glocke zu sein. Ein Stirureifen ist
noch daran; ebenso ein Nasenschutz ^).
Die Darstellungen des 11. Jahrhunderts, insbesondere jene des Teppich-
werkes von Bayeux''), zeigen geradezu konische Helme mit Naseneisen, unten
4) Lindenschmit. Handbucli der deutsclien Altertumslcunde S. 256 u. 257.
5) das. S. 258.
6) vgl. Essenwein, kulturhistorischer Bilderatlas It, Tat. XIX.
7) das. Tat. XXV.
— 29 —
111 iL einem meist umg'eschlag'euen, senJirecbten Randfriese und vier im Scheitel
sich treffenden Büg-eln, wie solche der angebliche Helm Heinrichs des Löwen
hat. Nach einer Miniatur des 11. Jahrhunderts aus der im germanischen
Museum befindlichen Merkeischen Sammlung'^) geben wir hier in Fig. 1 einen
mit solchem Helme versehenen Krieger wieder, der auffallend jenen von Bayeux
ähnelt.
Das Museum darf es schon als besonderen Vorzug ansehen, dafs es ein
Stück besitzt, welches aus dem 12. Jahrhunderte stammt und die chronologische
Reihe eröffnet. Es ist der in Fig. 2 u. ,S abgebildete Helm , der aus Einem
Stücke besteht. Derselbe hat eine Höhe von 22 cm. und ein Gewicht von 1,91 kgr.
Er ist aus Eisen geschmiedet. Wir haben die Vorder- und die Seitenansicht
Fiff. 2.
Fig. 3.
desselben gegeben und zwai- gieicii allen folgenden in Vs der wirklichen Gröfse.
Von der Seite gesehen hat er eine ovale Form, wie solche einige Helme im
Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg zeigen^); von vorn dagegen ist
er beinahe als konisch zu bezeichnen und erinnert noch an den Helm des
heiligen Wenzeslaus. Er ist stark mitgenommen und in alter Zeit gellickt.
wobei er von seiner ursprünglichen Höbe etwas eingebülst hat. Man sieht
daraus, dafs er zur Zeit seines Gebrauches von seinem Besitzer geschätzt
und daher, als er im Kampf durch einen Schwerlhieb eine Beschädigung er-
halten halte, (iurcli welche wol der lliei) so geschwächt wurde, dafs er nicht
mehr in das Haupt des Trägers eindringen konnte. Non demselben nicht bei
Seite geworfen, sondern ausgebessert und ferner benützl wurde. Ohnehin halte
die grofse Höhe, die weil über den Scheitel emporstieg, den Zweck sicheren
Schutzes. Er hatte auf seiiuM- llrdie (tlTenhar (mikmi leichten Grat : die Form
8) Anzcijgor f. Kiimlc d. d. Vor/.cil IH^iJ, Sp. I.
9) Knjjelhariii , lIciTiid von Luiid.sjjcriK ... und iiir Werk: lldiliis dclicinniiii
garl 1818, Taf. III. VI.
Stillt-
- 30 —
iiiicli (Irii Seiten ist so g-ewähll, dtifs ilas Schwert des (jegners abgleiten sollte;
tluichliirl) (hisselljc aber in Folge der Wucht des Schlages den Scheitel des
Helms, so niulste es abwiirts gehend noch ein Stück dti' Vorder- und Rückseite
des Helmes durchschneiden, bevor es den Kopf traf, der sodann noch mit einer
Polsterung gedeckt war, so dafs es in der That eines tüchtigen Schwaben-
streiches bedurfte, um den Helm samt dem Schädel zu spalten. Die Reste einer
Reihe von Nieten belinden sich über der Stirne. Sie mögen dazu gedient haben,
die Polsterung zu befestigen. Der untere Rand ist etwas unregelmäfsig; man
könnte also annehmen, dafs er nicht mehr ursprünglich, sondern nachgehauen
ist, wobei auch der ursprünglich vorhandene Nasenschutz verloren ging^")
Es darf kaum angenommen werden, dafs der untere Rand eine Reihe von
Löchern neben einander hatte, in welche, wie bei den Beckenhauben, von
welchen sofort die Rede sein wird, das Ringgellechte der Brünne eingewoben
wurde; dal's ein Nasenschutz vorhanden war und derselbe nicht flach, sondern
annähernd nach der Form der Nase gebildet war, zeigt der Rest des kleinen
Hügels über der Nasenwurzel. Von Interesse ist eine Unebenheit auf der Seite,
ein klein wenig hinter der Mitte, aus welcher hervorzugehen scheint, dafs eine
Art von Sturmband, wol zur Befestigung des auf dem Kopfe balanzierenden
Helmes, vorhanden war, dessen Ansatz jene Spuren hervorgerufen und zurück-
gelassen hat. Wenn solches zur Verwendung gekommen ist, können wir nicht
annehmen, dafs das Ketteugeflechte am Helm befestigt war.
Verwandt mit diesem Helme ist ein ähnlicher im Musee d'artillerie zu Paris,
der, aus Kupfer hergestellt, vielleicht ein wenig höher war, im oberen Luftteile
über dem Kopfe aber einige Löcher hat, die wir nicht als ursprünglich ansehen
können, denn sie mülsten ja der Lanzenspitze des Gegners Gelegenheit gegeben
haben, den Helm zu fassen, mit Hebelkraft den darunter befindlichen Träger
aus dem Gleichgewichte zu bringen und vom Pferde zu werfen. Dafs solches
mitunter versucht worden sein mag, zeigt ein gleichfalls geflicktes Loch unter
der Spitze unseres Helmes, welches in dieser Form nur durch einen Speerstofs
entstanden sein kann, aber ebenfalls zu hoch ist, als dafs er noch den Kopf
selbst hätte treffen können. Auch beim Pariser Helme dürfte der untere Rand
nachgearbeitet und gekürzt seinC?), wobei wol der Nasenschutz ganz weg-
gefallen ist"). Von Nieten oder Löchern zur Befestigung eines Polsterfutters
ist nichts zu sehen. Die Helme sowol des Teppiches von Bayeux, als bei
Herrad, zeigen, dafs sie über die Haube der Brünne gesetzt sind.
IL
Die Becken ha üben.
Eine sehr interessante Erscheinung zeigt sich im 13. Jahrhunderte in
dem gleichzeitigen Aufkommen des Topfhelmes und der Beckenhaube, die über-
10) Wir haijcii in den Figuren 2 u. 3 diesen angedeutet, docti bemerken wir ausdrück-
lich, dafs wir keineswegs damit auch die ursprüngliche Form andeuten wollten, für welche
gar keine Anhaltspunkte vorliegen, vielmetir diese einfache formlose Darstellung gerade
deshalb gewäiilt haben, um nicht über eine Andeutung hinauszugehen. Der Helm ging aus
einer Wiener Sammlung in die unserige über.
llj Viollel-le-Uuc a. a. 0. Bd. VI, S. 103, Fig. 11.
— 31 —
einauder getrag-en wurden, so dafs die Beekenliaube aus leichterem Bleche auf
dem Kopfe lag, der Topfhelm aus sehr schwerem darüber gestülpt wurde.
Miniaturen und Skulpturen des 13. Jahrhunderts zeigen uns an der Brünne
eine Haube aus Kettengeflecht, welche den ganzen Kopf deckt, augewoben, über
welche jedoch die offenbar ritterlichen Träger derselben einen Helm nicht gestülpt
haben^^), die aber wol mitunter schwere Falten auf dem Kopfe bildete. Wir
brauchen deshalb jedoch nicht anzunehmen, dafs sie ohne Helm in den Kampf
gingen. Vielmehr können wir denken, dafs er erst im Augenblicke des Kampfes
über den mit Kettengeflecht bewehrten Kopf gestülpt wurde, und so mag es im
12. Jahrhunderte auch schon der Fall gewesen sein. Das Aufkommen des
weiten Töpfhelmes mag damit zusammenhängen, dafs eben dieser über die aus
Kettengeflecht bestehende, mit der Halsberge ein Ganzes bildende Haube bequem
im letzten Augenblicke gestülpt und deshalb gerne gerade so getragen wurde.
Fig.- 4.
Eine ähnliche Haube aus Kettengeflecht ist auch mil der Hrüiine des
Kriegers verbunden, welcher auf einer Alinialur iles gennanischcn Museums
(Miniaturensammlung Nr. 11) dargestellt ist, ohne über derseliteii einen Ht'lm
zu haben [Fig 4] ^^). Unter diesem Kettengeflechte wurde noch eine weiche
Polsterhaube getragen. Villard von Honnecourt gibt uns in seinem Skizzen-
buche die Zeichnung eines zu Pferde steigenden Hüters '^). Derselbe hat die an
der Brünne befestigte Ketteiihaid)e rückwärts faltig über die Schultern lierab-
12) Viollet-le-Diic a. a. 0. Bd. VI, S. 88, Fig. ß, nach Skuipliiivii uns Rlioims.
13) vgl. Anzeiger f. K. d. .1. V. ISSO, Sp. 237 u. 238.
I4j Kssenwein, kiilliirhistdriscliei- Milderallas II. Md.. Tal'. XX.Wli. \'\<i. 0.
- :M -
hängen und nur ein« Polsterhaubo iiul' den Kopf gebunden. So steigt er zu
Pferde. Erst wenn er oben ist, zieht er die Haube über die Polsterung des
Hauptes und schützt so dasselbe.
Mun aber sehen wir auf einmal im Laufe des 13. Jahrhunderts den
Scheitel dieser Kaputze ausgeschnitten und eine Hache, aus glattem Bleche her-
gestellte Haube in denselben eingesetzt und darüber dann den Topfhelm
gestülpt. Diese Haube wird als Beckenhaube bezeichnet. Der in Fig. o dar-
gestellte Kampf (Elfenbeinschnitzerei im germanischen Museum i^), zeigt den
Ritter nur mit dieser Beckenhaube geschützt.
Die Beckenhaube mag ganz einfach daraus entstanden sein, dafs man es
bequemer zum Tragen und billiger in der Herstellung fand, den Scheitel mit
flachem, schon nach der Form des Kopfes gebildeten Stahlbleche zu decken und da-
ran erst das Kettengetlecht zu knüpfen, als durch dessen etwaige Falten den Schädel
drücken zu lassen. Anfangs hatte diese Beckenhaube, welche uns die Ritter bei
abgelegtem Topfhelme zeigen, genau die Kopfform; nicht sie sollte vorzugsweise
den Schädel schützen, sondern der Topfhelm. Sie bedurfte daher auch keiner
Fig. 6.
besonderen Stärke, noch Höhe. Miniaturen zeigen ein einfaches, der Schädelform
anpassend getriebenes Blech, an dessen Rand in Löchern die ersten Ringe des
Halsbergegefiechtes befestigt sind. Da aber der Topfhelm sich hoch erhob, so
konnte auch die darunter liegende Beckenhaube höher werden, wie wir sofort
an mehreren Beispielen sehen werden. Fig. 6 gibt die Nachbildung einer solchen
Haube aus der AVaffensammlung des Museums. Sie ist schwach im Eisen und
hat demnach ein geringes Gewicht. War doch der darüber gestülpte Topfhelm
schwer genug! Unser Exemplar wiegt immerhin noch 0,70 kgr. Wir haben
dasselbe s. Z. von Herrn Pickert in Nürnberg erworben. Es ist daher wahr-
scheinlich, dafs es aus dem Dresdener Zeughause kommt.
AVir liegegnen hier in Fig. 6 zum ersten male und werden noch öfter
Reihen von Löchsrn begegnen, welche an den Rändern eingeschlagen sind.
Wozu dienten diese ursprünglich? Auf alten Abbildungen tiuden wir sie
nirgends. Wir können also nur annehmen, dafs sie dazu dienten, das Ring-
gewebe der Brünne hier anzuflechten, so dafs, wie heute noch bei den Tscher-
kessen, ein Stück Blech die Deckung des Hirnes bildet und, davon ausgehend,
eine Halsdecke und darunter ein Hemd mit Ärmeln aus Ringen geflochten
15) vgl. Anzeiger f. K. d. .1. V. 1886, Sp. L
- 33 -
wurde, eiue ähnliche Brüime entstand, deren obersten Teil die Becken-
haube bildete. Wir haben alsdann auch auf den Abbildung-en eine Be-
festig-ung- der Ring-e an der Haube nicht zu suchen, weil ja Ringe die
Löcher ausfüllen. Zwar ist bei der Beckenhaube Fig. 6 das Getlecht nicht mehr
vorhanden, und ebenso ist es bei anderen Beckenhauben, die ja ohnehin so
selten sind, nicht mehr da. Man könnte also, um so mehr, als noch zwei andere
Arten der Befestig-ung des Ring-getlechtes auftreten, die wir in Fig. 11 und
Fig. 14 sehen werden, annehmen, dafs in diesen Löchern das Polsterfutter
eingenäht worden sei. Allein abgesehen davon, dafs dieses Futter, je nach
der Person, welche den Helm trug, fester und dicker, oder elastischer werden
mufste, dafs man also jedesmal ein anderes Polster brauchte, so war es auch
bequemer, das Polster auf dem Kopfe selbst aufzubinden, als im Helme fest
zu haben. War das Polster unabhängig vom Helme selbst, so kamen auch die
auf den Helm fallenden Hiebe nicht so direkt auf den Kopf, wie beim festen
Polster. Nun haben wir aber auch den direkten Beweis, dafs das Futter nicht
mit der Kettengeflechthaube, also natürlich später auch nicht mit der Becken-
haube verbunden war, in dem aufsitzenden Reiter des Villard von Honnecourt.
Es ist zwar an unil für sich gar nicht wahrscheinlich, dafs wir, wenn wir
die Helme des Mittelalters in ihren verschiedenen Formen betrachten und sehen,
wie sich eine genetische Entwickelung von Form zu Form, Konstruktion zu
Konstruktion ergibt, auch das Recht haben, zu behaupten, es müsse diese genetische
Reihenfolge absolut mit der chronologischen stimmen, es müsse also in der
That aus jeder weniger entwickelten Grestaltung die nächst folgende, mehr ent-
wickelte, sich gebildet haben. Es kommen dabei doch die Individualitäten sowol
der WafTenschmiede, als der Träger der Helme, zu sehr in Betracht und man-
cher Helm von scheinbar älterer, weil weniger entwickelter Form mag erst
später entstanden sein, als ein jünger scheinender; allein annähernd im grofsen
Ganzen betrachtet, läfst sich doch wol nicht leugnen, dafs die Eriahrung zu
einer fortwährenden Weiterbildung geführt hat, die sich auch zeitlich an der
genetischen Formenfolge erkennen läfst. Wir glauben deshalb wol davon sprechen
zu dürfen, wie eine Helmart sich in eine andere umgestaltete; nur müssen wir
auch gelten lassen, dafs Helme der älteren Form noch lange neben der neuen
hergingen, dafs andere Waffenschmiede nur Einzelnes annahmen und solchergestalt
Zwischenstufen bildeten. Es läge nun nahe, anzunehmen, dafs durch Minderur.g
der Höhe der Helmglocke die Beckenhaube des 13. Jahrhunderts aus der Form
unserer Helmes Fig. 2 entstanden sei. Wenn indessen unser Helm über die Hals-
i)erge mit ihrer Haube oder Kai»ulze gestülpt und durch besondere .Sturmbäiider
am Kinn befestigt wurde, so liegt es näher, den ebenfalls übergeslülpten Toitfhelm
von dieser Form abzuleiten, was ja auch insoferne stimmt, als auch der Topfhelm
in allen seinen Formen ülicr den Kopf aufsteigt und teilweise eine ähnliche Spitze
zeigt. Die Formen desselben sind sehr verschieden. Altere Slindce sinil freilich
sehr selten und für manche der Formen hal)en wir nur aus den niciil zuver-
lässigen Bildern Anhaltspunkte von zweifelhaftem Werte.
Der Topfhelm war aber schwerfällig und halle als KriegswatTe beschränkte
Verwendung. Nur btii Turnieren erscheint uns in den Zeichnungen und.Miniaturen
das ungelenke Wail'enstück auf dem Kopfe des Mannes, welcher ja beim Turniere
nur ganz bestimmte, der Kegel genau entsprechende Stöfse und Hiebe zu er-
Mitteiluugüii aus dem germuii. Natiuiiulinuseiiiii. 1S92. V.
- 34 —
waiLcii hatte, denen er entgegensehen konnte, ohne daCs der Helm ihn behin-
derte, so dafs er diesen um so unbedenklicher tragen durfte, als er ja, wenn
gehörig auf dem Kopfe befestigt, Schutz gegen zufälliges Ausgleiten der Lanze
des Gegners gegen den Hals hin gewähren konnte. Die Siegel, diese reiche,
aber doch auch nur vorsichtig zu benützende Quelle der Belehrung, zeigen uns,
wie im 13. Jahrhunderte der Tnpfhelm im Kampfe getragen, anfangs nicht bis
zur Schulter reichte und wie von ihm eine Kette zur Brust des Mannes ging,
an welcher er hing und, so hängend getragen, erst im letzten Augenblicke auf
den Kopf gestülpt wurde. Nach und nach wurde der Topfhelni länger und
stand, wol nur der besseren Befestigung wegen, auf der Schulter auf. War
nun der Topfhelm noch mit flatternder Helmdecke und Zimier (Helmschmuck)
versehen, so war er ein solches Hindernis für den Träger, dafs er im Kampfe
unmöglich getragen werden konnte, ohne den Kämpfenden den schwersten Ge-
fahren auszusetzen. Er mufste im Kampfe abgelegt werden und so zeigt unseres
Wissens vom Beginne des 14. Jahrhunderts an keine deutsche Miniatur mehr
im Ernstkampfe den Ritter mit anderem, als etwa einfachem, kleinem Topfhelme,
meist sogar ohne denselben; VioUet-le-Duc indessen weifs eine Reihe solcher
bei Kriegern vorzuführen, die zum Ernstkampf gerüstet sind. Ob alle die
Formen, welche er gibt, wirklich in Gebrauch waren? Deutsche Bilderhand-
schriften zeigen- uns erst mit dem Schlüsse des 14. Jahrhunderts den Topf heim
wieder im Kriege, jedoch ganz anders ausgebildet und ohne den heraldischen
Schmuck. Das germanische Museum besitzt leider keinen solchen Topfhelm
des 13. und 14. Jahihunderts in Original.
Wie sodann im Ernstkampfe die Beckenhauben auch ohne den schweren ,
Topfhelm getragen wurden und demgeraäfs die weitere Entwickelung des Helmes
ganz von der Beckenhaube ausgeht, wie sie erst wieder höher wird, um wie
jener Helm des 12. Jahrhunderts dem Schwerte besser zu widerstehen, dann, wir
möchten sagen, dem Stile der Zeit entsprechend, die Rundung aufgibt und spitz
wird, wie sich dann ein Visier zum Gesichtsschutze damit verbindet, das können
wir im Museum an den Miniaturen, sowie an den Gipsabgüssen der Grabsteine
des 14. Jahrhunderts verfolgen, die in langer Reihe im Kreuzgange aufgestellt
sind; wie dann die Beckenhaube im Nacken und an den Seiten tiefer herab-
geht, wie das Kettengeflechte der Brünne, an besonderen Bügeln aufsen am
Helm befestigt, das Gesicht umrahmt, läfst sich ebenfalls aus diesen Grabsteinen
ersehen, auf denen meist der Topfhelm mit dem Kleinode der Familie unter dem
mit der Beckenhaube versehenen Kopfe liegt.
Wie mit der Entwickelung des engen, ledernen, über dem Kettengetlechte
getragenen Lendners, mit dessen nach und nach erfolgender Verstärkung durch
Platten die Halsberge, soweit sie mit der Beckenhaube verbunden ist, zu einem
Kragen wird, der auf dem Lendner liegt, wie sie sich endlich vom Helme ganz
löst und ohne Haube unter der eigentlichen Rüstung als Unterkleid getragen
wird, wie, nachdem das Visier sich entwickelt, auch Hals und Kinn noch ge-
schützt wird, darüber geben die plastischen und bildlichen Geschichtsquellen
jener Zeit ebenfalls Auskunft. B'ig. 7 zeigt den Kopf des Albrecht von Hohenlohe,
■}■ 1338, und Fig. 8 jenen des Otto von Pienzenau, f 1371, auf ihren Grabsteinen
nach den Abgüssen im Museum ^ß); ersterer noch mit der beinahe an die Helme der
16j Anzeiger für Kunde d. d. Vorzeit 1880, Sp. 327 und 328.
— 35 —
Herrad erinuernden Form der Beckenhaube, letzterer bereits mit der spitzig:en
Form und den tief an den Seiten des Kopfes zur Schulter herabg-ehenden Seiten-
wänden der Glocke, sowie der mittelst Schienen angesteckten Halsberg-e.
-Fis
Aus dem Miniaturenschatze des Museums geben wir hier in Fig. 9 zwei
Krieger mit der ßeckenhaube, an welche, ohne dafs sich indessen deutlich er-
kennen liefse, wie und aus welchem Materiale ein Kragen befestigt ist^'J. Aus
einem Gemälde der altnürnberger Schule vom Ende des 14., vielleicht erst vom
Beginne des 13. Jahrhunderts, den Kindermord darstellend (Gemälde Nr. o4)i8).
Fig. 8.
geben wir zwei Kriegskncchic wieder, Fig. 10, welche, wie Kig. U. /eigen, dafs
nichl blos die rilterlichen Kreise die Beckenhaube (rügen, sondern wol auch
Jeder Knecht, welcher sich eine solche ebenso gut beschalTen konnte, als einen
Kisenhul. von welchem unten die Rede sein wird. Wir dürfen also keines-
17) Anzeiger für Kunde d. d. Vorzeil 1880, Öp. Ml u. :242.
18j An/cijjci' für Kunde d. d. Viuv.eit KS82, Sp. löl, Fig. 1.
— 36 —
weji^s in jeileni Träg-ei- einer Beckenhaube einen Ritter sehen; sie wurden von
diesen wie von den Knechten getragen.
Wie die Helme des 10.— 12. Jahrhunderts ohne Ausnahme unten einen
horizontalen, ghitten Rand hatten und der Nackenschutz, von einzelnen Beispielen
abgesehen, wo eine dem Naseneisen ähnliche Metallspange rückwärts herabgieng,
nur aus der Brünne besieht, so sind auch alle primitiven Beckenhauben des 13. und
vorzugsweise des 14. Jahrhunderts mit unterem, horizontalem Rande über der Stirne
versehen und von da ab diente die Haube der Halsberge als Nacken-, Schulter-,
Fig. 9.
Hals- und Brustschutz (vergl. unsere Figuren 5, 8, 9 und 10). Greifbar wird die
Tendenz, die Beckenhaube mit bestimmtem Gesichtsausschnitte und stets tiefer
gehendem Nackenschutze auszubilden, im 14. Jahrhunderte, ohne dafs man
gerade eine bestimmte chronologische Entwickelung annehmen könnte. Am
Grabmale des Albrecht von Hohenlohe geht sie noch als Glocke mit
horizontalem Rande um den Kopf (Fig. 7). Dagegen ist im Balduineum, welches
noch dem Beginne des 14. Jahrhunderts angehört, die Rückseite der Becken-
haube, an welcher die Kettenhaube hängt, um ein kurzes Stückchen länger
als die vordere Seite, In der Welislawschen Bibel kommen einzelne Figuren
— 37 —
vor, bei welchen schon die Rückseite der Beckeuhaube bis iu die Mitte des
Ohres g-eht^^). Auf dem Grabsteine des Hans von Ybs^o) geht der Nacken-
schutz fast bis zum ünterrande der Wange. Indessen sind einzelne Becken-
Fip. H).
hunbon schon so, dal's auch iler g-esainto IIiiil('rko|)r gcschützl wird. Der
Ziniiiierinanu , welcher dW grofse Schleuder in Ik'wegung sol/,t. die wir in der
Fierabrashandsciirill zu Hannover nach Mitteilung: von Schultz in seinem höli-
19) Essonwoin. kiilhirliistorisclier Hililcrallas II. Taf. LM\. Kiy;. S.
20) (las. Taf LX.WIll, Kig. I.
— 38 —
sehen Loben kennen Irnicii, Uiigl keine inelallene Haube 2^); es ist eine solche
von Filz oder Loden am Kinne g^ebunden. Solche waren auch wol jene, die als
Polsterfuücr unter der Kopf'brünne g-etrag-en wurden. Das Material ist nicht
kenntlich, aber wol auch nicht Eisen wie bei der ähnlichen Haube' des Arinbrust-
schützen, welchen Schultz nach dem Manuskripte des Matthäus Parisiensis im
Benet- College zu Canibridg-e wiedergiebt^^) ^.m tiefsten herab geht der
Nackenschulz und sitzt auf der Schulter auf bei dem Krieger in Figur lU.
Wie wir gesagt haben , lälst sich eine chronologische Folge gerade hier nicht
annehmen; die rückwärts hinausgespitzte Haube zeigt durch ihre Form etwa
den Schluls des 14. Jahrhunderts an.
Wir besitzen jedoch ein Original, dessen eirunde Kopfform zeigt, dafs es
wesentlich älter ist als die Beckenhauben in Figur 9, denen es sonst am nächsten
Fi- 11.
Fig. 12.
Fig. 13.
steht. Es ist eine auf einem halbkreisförmigen, unteren Rande schräg hinaus-
getriebene, eirunde Glocke, von welcher ein auch annähernd halbkreisförmiger
Gesichtsausschnitt abgeschnitten ist. (Vergl.Fig.il — 13.) Der Rand ist an den
beiden so entstehenden unteren Ecken etwas auswärts gebogen und mehrfach
gerissen. Eine leichte Hämmerung, durch welche die Schlitze geschlossen
werden, müfste die ursprüngliche glatte Form, wie sie über der Stirne und im
Nacken noch vorhanden ist, ringsum ergeben. In Entfernung von 10 mm. vom
Rande, die sich an den unteren Ecken auf 20 mm. verbreitern, ist, ähnlich wie
bei Fig. 6, eine Linie von Löchern, die etwa 1 — 2 mm. haben, eingeschlagen.
Neun aus starken Blechen hergestellte Öhren dienen dazu, den Leder- oder
Drahtring aufzunehmen und anzuschnüren, an welche die Brünne angeflochten
war. Bemerkenswert ist, dafs diese Öhren durchaus ungleich eingenietet sind
und die obersten beiden fast in Gesichtsbreite auseinander stehen. In der
Mitte (man darf das Wort auch nicht zu genau nehmen) des Kreises dieser
Öhren ist ein drehbares Doppelhäkchen. Es läfst sich also annehmen, dafs an
dem unterem Teile der aus Ringgeflecht gebildeten Gesichtsbedeckung, wie
21) Essenwein, kullurhistorisclicr Bilderatlas ff, Tat". XXXXV, Fig. 1.
22J das. Taf. XXXXV, Fig. 11.
— 39 —
dies beim Grabmale Günthers von Schwarzburg der Fall ist, ein Plättchen in
das Geflecht eing-enietet war, welches ein Querloch hatte, das, wenn diese
Gesichtsbedeckung in die Höhe geschlagen war, das Doppelhäkchen horizontal
durchliefs, worauf es vertikal gedreht, den Gesichtsschutz wie ein Visier vor
dem Gesichte fest hielt.
Wir haben bei Figur 6 angenommen, dafs die Löcher ringsum am Rande
des Häubchens zur Einflechtung des Ringwerkes der Brünne dienten. AVir
können also konsequenter Weise auch hier nichts in denselben erblicken, als einen
ursprünglichen Zustand. Man fand es später, etwa im Schlüsse des 14. Jahrhun-
derts, nicht mehr bequem, dieses Geflecht am Helme fest zu haben, mau ent-
fernte es und brachte eine Vorrichtung an, welche das Aufschnallen des
Kragens möglich machte.
III.
Die Beckenhauben mit Visier.
In Figur 14 bis 17 ist eine Beckenhaube wiedergegeben, welche leider
durch langes Liegen in der Erde viel gelitten hat. Der Vorbesitzer erklärte,
dafs das Stück schweizerischen Ursprunges sei, dafs er dasselbe aus Händlers-
händen erworben habe und nicht in der Lage sei, den ursprünglichen Fundort
zu erforschen, was uns um so mehr leid thut, als wir glauben möchten,
dafs diese Beckenhaube vom Schlachtfelde zu Sempach stammt. Sie ist
infolge des Liegens in der Erde zerdrückt und zerschlagen und so stark
gerostet, dafs ihr jede Elastizität fehlt und es uicht mehr möglich ist, sie ohne
neues Schmieden so in die alte Form zu bringen, dafs man sie auf den Kopf
setzen könnte. Die verbogene Form des Visieres, wie die zerdrückte Gestalt
der Glocke würden auch eine Abbildung, wie wir sie von den übrigen Original-
helmen haben fertigen lassen, unmöglich macheu, weil die Zeichnung unver-
ständlich wäre. Es blieb uns also nichts übrig, als genau geometrische Kon-
turzeichnungen zu fertigen, wobei die leichikenntliche ursprüngliche Form
(vielleicht doch noch ein wenig zu schmal?) hergestellt wurde.
Der Helm besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste ist die aus einem
Stücke geschlagene, trefflich gearbeitete Glocke, die eigentliche Beckenhaube,
mit rückwärts bis zum Nacken herabgehender, auf der Schulter aufstehender Ver-
längerung und vollständig in eine scharfe Spitze getriebener Endigung (Fig. 1 'i u. lo).
Eine oben flache Gesichtsöfl'nung, in steiler Linie gleich von der Schulter be-
ginnend, ist, wie der untere Rand der Rückseite, vollständig mit einer Reihe
von Lüchern versehen, welche je l,ö mm. weit. 13 mm. vom unteren Rande und
je 12 mm. von einander entfernt sind. So dürfte der Helm ursprünglich in der
Mitte des 14. Jahrhunderts beschatfen und in den Löchern entweder der lederne
oder tilzene Kragen, die Reminiszenz an die Haube der Bii'iniie. oder ilas
Kettengeflechte derselben angenäht gewesen sein. Die Meliillslärko und das
ursprüngliche Gewicht dieser Beckenhaube aus dem jetzigen, stark vom Roste
zerfressenen Stücke zu bestimmen, dürfte schwer sein; wir möchten die Stärke
des Bleches im Durchschnitte mit l mm. annehmen.
Eine Veräntlerung wunle wol bald mit der lliuibe vorgenonunen zur
besseren J'iefesligung des Kragens, indem man wenig oberhalb der Liiclierreihe
— 40 —
eine Reihe Nieten im Helme befestigte, welche durchbohrt sind, und so es ge-
statteten, drtfs der Kettenkrag-en mit einem Drahte an jene Nieten befestigt
Fig. 14.
Fig. 15.
Fig. IT.
Fig. 16.
wurde, worauf eine durchlöcherte Schiene gelegt wurde, durch welche die
Nieten durchgritTen, so dafs alsdann ein durch die ÖH'nungen hindurchgezogener
Draht den ganzen Kragen befestigte.
- 41 —
Der zweite Hauptteil des Helmes ist das unserer Meinung nach ursprüng-
lich nicht dazu gehörige, sondern erst später dazu gekommene Visier. Es ist
ebenfalls, wie die Glocke, aus einem Stücke getrieben. Charakteristisch ist die
starke Spitze desselben. Wenn es geschlossen war, so bildete seine untere Öffnung
k 1 mit dem Rückteile der Haube b a eine ovale Öffnung, von welcher zur Spitze
des Visiers und zum Seitenrande am Ende der Augenschlitze h zwei, etw^as wind-
schiefe Flächen sich bildeten, während die Augenschlitze stark herausgetrieben, aber
enge, eine schöne Linie über die Mitte des Helmes bildeten, und der obere Teil wie
eine breite, glatte Stirnbinde über dem Helme lag. Die Sehschlitze sind nach
oben und unten von je einer Reihe von Löchern begleitet. Im übrigen ist die
ganze schnauzenartige untere Hälfte des Visieres von runden Löchern durch-
brochen, so dafs der Träger des Helmes nicht blos Athem genug schöpfen,
sondern selbst durch das Sieb hindurch blicken konnte.
Wenn auch die Metallstärke der gewöhnlichen Glocke wie Fig. 11 u. 14
genügend schien, um den Schädel gegen einen Hieb zu decken, so war doch
das Gesicht selbst ungedeckt gegen Hieb und Stich, so lange nicht der
Topfhelm aufgesetzt war. Je mehr dieser in Abnahme kam, je seltener er
im Kampfe getragen wurde, um so wichtiger war das Visier als Gesichtsschutz.
Man zog anfangs jenen Teil der Haube, welcher unter das Kinn in Falten
herabhing, wie beim vorigen Beispiele gesagt ist, in die Höhe, machte auf der
Glocke ein Knöpfchen und an der Mitte des herabhängenden Teiles der Haube
ein Blechplättchen fest mit einem Öhre, welches, wenn das Gesicht durch den
herabhängenden Haubenteil bedeckt war, an dem Knöpfchen befestigt wurde.
(So am Grabmale des Königs Günther von Schwarzburg.) Später legte man
eine einfache, ovale Platte von der Gröfse des Gesichtsausschnittes vor die
Öffnung im Gellechte auf und gab ihr oben an der Stirne ein kurzes Scharnier,
so dafs sie offen senkrecht in die Höhe stand, geschlossen über die Gesiehts-
öffnung herabhing. (So am Grabmale des Rudolf von Sachsenhausen.)
Um 1380 etwa setzte man, wie bei unserem Helme, ein von beiden Seiten
drehbares Visier an. Wir sehen in E'ig. 16 das aus einem doppelten Bleche ge-
fertigte Scharnier, welches sich um die Mitte der Rosette drehte. In dieses
Scharnier wurde jederseits das schuuile Ende des Visieres eingesteckt.
Man war, wie aus dieser Vorrichtung zu erkennen, noch vorsichtig. Man
hätte ja das Visier direkt an dem Helme befestigen können, wo es sich ebenso
gut um die Rosette gedreht haben würde; allein wenn das Visier aufgesteckt
ist, ist es nicht mehr möglich, den Topfhelm aufzusetzen. Dies unterlag aber
keiner Schwierigkeit, wenn man das Visier abstecken konnte; dann konnte man
ja verschiedene Topfhclme aufsetzen, solche wie den Pranckher Helm in der
VVaffensanunlung des allerhöchsten Kaiserhauses zu Wien, wie den in Tannen-
berg ausgegrabenen 2^), wie jenen im Museum zu Kopenhagen '■^), das Bruchstück
im Museum zu Linz, oder andere, wie sie teilweise niil heraldischem Schmucke
versehen, im Tuniicre vorkommen^^). Die mit V^isieren versehenen Heime
zeigen sich schon bei den Darstellungen des Balduineums. Es sind keine
23) vgl. Ilefner-Allcncck. die Burg Tanncnberi; iiiul iliic Au.sgraliungen (Frkl'l. 1850),
Taf. X.
24) vgl. Essi-nwoiii, kullurliislorisclior Bildoiatlas II. Tal". liXX, Fig. 4.
25) das. Taf. LXV, Fig. 2. Taf. LXVIII. Tig. 1. Taf. l.XIX. Fig. 1.
Mitteiluugoii aus dem gerniaii. Nutioiialmuseuiii. 18^2. VI.
Fig. 18.
— 43 —
anderen als Beckenhauben mit Visieren, welche unseren Helmen ähnlich sind
und wol ebenfalls abgesteckt werden konnten.
Wenn wir die Vermutung' ausgesprochen haben, dafs der Helm einmal
auf dem Schlachtlelde von Sempach gefunden worden sei , so gründen wir
unsere Meinung nicht blos darauf, dafs er gerade in diese Zeit (1386) passe,
sondern auch darauf, dafs in den verschiedenen Reihen der Bildnisse, welche
von den bei Sempach gefallenen Rittern uns erhalten sind, allenthalben die
Helme ganz den unserigen ähnlich gezeichnet sind. Wir haben auch eine dem
Ereignisse ziemlich gleichzeitige Darstellung der Schlacht, auf welcher eben-
falls die Ritter gerade diese Helmform zeigen ^^^ ])qy gleiche Helm findet sich
auch in einem angeblichen Verzeichnisse der bei Sempach Gefallenen mit Dar-
stellung ihrer Porträte in einem Kodex zu Linz (vgl. Anzeiger f. K. d. d. V.
1867, Sp. 193 ff. nebst Tafel).
Das Museum besitzt ein interessantes Denkmal für die Geschichte der Be-
waffnung in dem Kodex 973, einer deutschen Prosaerzählung des trojanischen
Krieges, entstanden in den letzten Jahren des 14. oder den ersten des 15. Jahr-
hunderts 2'). Freilich sind die Bilder sehr flüchtig gezeichnet, doch sind sie so
charakteristisch, dafs unsere Wiedergabe in Fig. 18 sehr bestimmt, neben
anderen Helraformen, sowol unsere Beckenhauben mit und ohne Visier, mit
den Kragen, dann aber auch eine Anzahl Topfhelme erkennen lassen, wie sie
in solcher Form im Kriege nun etwa hundert Jahre lang getragen wurden und
im Turnierzeuge zur Zeit Kaiser Maximilians I. eine Rolle spielten. Wir wer-
den ihnen unter der Bezeichnung »Stechhelme« dort begegnen. Auch in
unserem Kodexe von Konrads von Würzburg trojanischem Kriege von 1441
begegnen uns diese Stechhelrae im Kampfe, während die Beckenhauben voll-
ständig verschwunden sind^s), dagegen allerdings so manche an sie erinnernde
Formen zwischen der grofsen Mannigfaltigkeit sonstiger Helmformen überhaupt in
dem Kodexe erscheinen. Mit dem Schlüsse des 14. und dem Beginne des 15. Jahr-
hunderts wird das Visier zu einem konischen Kasten, welcher sich vor die fast
quadratische Gesichtsöffnung setzt und entweder oben ein einziges, oder an den
Seiten zwei Scharniere hat, um welche es sich dreht. Es haben sich auch davon
nur wenige Stücke iu Original erhalten; dagegen sind auch einige im Bilde er-
halten geblieben. So haben wir im Anzeiger f. K. d. d. V. 1866, Sp. 368 und bei-
liegender Tafel den Ritter Jörg Tumersdorfer nach einem Glasgemälde in der Kirche
zu S. Marien am Wasen bei Leoben veröirentlicht und verweisen hiemit auf diese
letzte Stufe der Fntwickelung der Beckenhaube. Wir werden bei iler Be-
trachtung der weitei'en Entwickelung der Helme im VII. Teile dieses Aufsalzes
auf diesen Gegenstand zurückkommen.
IV.
Die wälsclien Becken haubo ii.
Ganz ähnlich, wie in Deutsehlanil, vollzog sich die Kniwickclung aiicii in
Italien und davon sind bei uns interessante Beispiele zu sehen. Die Fig. 19 und
20 geben einen sehr stark beschädigten Helm, welcher ilem Museum aus einei-
26) vgl. Esscnwciii, kuilurhistdi-ischcr liildi-nitlas II. Taf. L.\.\.\VI
■il) Anzeiger i" K. d. d. V. 1880, Öp. 271 274.
28) das. Sp. 270-279.
_ 44 —
Wiener Sainmliii^ü: zugekommen ist. Rr niuii' iiiil seinem Grate dem 14. Jahr-
hunderle ang-chören. Er ist jedoch seiner Zeit in Tiiol iiiid zwar im deutschen
Teile, in Marg-reilh im Ktschthale hei Bozen, l)eim Abi)ruclie einer Mauer f>-e-
fundi'ii worden, kfuinte also in die deutsche iieiln! herein^'ehören, aber der
Kiindorl lieg-l doch so nahe an llalien, dafs die italienische Herkunft nicht wun-
dern kann, habe nun ein deutscher Tiroler sich die wälsche Waffe fertig:en
lassen, oder sei sie als Beutestück oder wie immer dalun j^ekomiuen. Wir
sehen auch hier die Glocke an den Seiten und rückwärts verlängert. Die Löcher-
reihe rührt hier doch wol von der Befestigung der Polsterung im Inneren
her. Freilich ist die enge Stellung der Locher alsdann schwer erklärlich. Von
einer V'erbindung mit dem Kettengellechte läfst sich keine Spur entdecken. Der
Helm ist also frei über der Brünne getragen worden, was in Deutschland doch
nicht der Fall gewesen wäre. Er ist verhältnismäfsig leicht im Eisen, wiegt in
jetzigem Zustande nur 1,6 kg. Von einem Waffenschmiedezeichen ist bei ihm
so wenig die Rede, als bei verschiedenen andern, hier abgebildeten Helmen.
/N^
Fig. 19.
Fig. 20.
In der weiteren Entwickelung werden nun diese ilalienischen Helme eben-
falls höher, so dafs ihr Scheitel nicht unmittelbar auf dem Schädel liegt, sondern
eine hohe Haube mit hübsch geschwungenem Grat sich darüber erhebt. Aber
auch im vollständigen Gegensatze zu den deutsclien Beckenhauben des 14. Jahr-
hunderts wird das antike Motiv wieder aufgenommen, auch die Wangen zu
schützen; die Helmwände wurden also hervorgezogen, so dafs nur eben ein
senkrechter Schlitz für den Mund und die Nase blieb, welcher sich oben zu beiden
Seiten zu Schlitzen für die Augen erweiterte. Doch ist dieser Schutz der Backen
nicht der Gesichtsforra genau angepafst, da der Helm nicht dicht auflag, son-
dern etwas vor die Gesichtsiläche trat, so dafs die Nase nicht aus dem Schlitze
hervorragte und die Wangen, wie der ganze Kopf, durch eine starke Polsterung
nicht blos Schutz fanden , sondern auch im Helme festgehalten wurden. Es
war also das Gesicht gegen Schwerthiebe geschützt, nur der Speer, welcher
doch damals im ritterlichen Kampfe etwas mehr zurücktrat und beinahe ganz
dem Schwerte Platz gemacht hatte , konnte das Gesicht treffen. Gerade diese
Helmform unterstützt also das Gewicht der Darstellungen, aus welchen wir auf
Siegeln schon am Schlüsse des 13. Jahrhunderts sehen, was dann das Balduineum
— 45 —
in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts vor Augen führt, dafs iium vorzug's-
vveise mit dem Schwerte kämpfte, sich also gegen Schwerthiebe im Ernstkampfe
ausschliefslich zu schützen ptlegte, während freilich die Entwickelung des Visiers
iu Deutschland zeigt, daCs auch der Speer noch thätig war. Auf Bildwerken
allerdings, insbesondere auf Grabsteinen , sehen wir auch in Italien, nicht blol's
in Deutschland, in den Händen des Ritters die Lanze mit dem mit dem Wappen-
bilde bemalten Fähnlein.
Ein sehr charakteristisches Beispiel, welches der zweiten Hälfte, vielleicht
dem Schlüsse des 14. Jahrhunderts angehört, bietet der sehr schöne Helm un-
serer Waffensammlung, welcher in Fig. 21 und 22 dargestellt ist. Er wurde in
Fig. 21.
Y\s. 22.
Belluno gefunden und ging von Antiquar Überbacher durch mehrere Walfen-
sammlungen, zuletzt jene Wiener, in die unsrige über, der auch das in Fig. 2
dargestellte Stück entstammt. Dieser Helm ist ziemlich stark im KistMi. trotz-
dem aber in schönen Linien entwickelt. Am unteren Rande ist er zu einem
Wulste umgebogen; der vordere Rand ist durch eine starke Eisenschiene um-
säumt, die wol vor Allem den Zweck der Ver-
stärkung hatte. Ziemlich grol's sind die Löcher,
welche die Nieten für die Polsterung aufzunehmen
halten. Zwei Nieten oberhalb der Stirnesiml cilialli'ii
geblieben und zeigen noch Untei-lagsplällclien um
einen gröCseren Teil der Helmlläche als einen einzigen
Punkt für die Befestigung in Anspruch zu nehmen. Der Helm zeigt m'ben-
stehende Watfenschmiedemarken, die grCtlsere Rosette zweimal, die kleinei'(> ein-
mal. Sein Gewicht beträgt 3,85 kgr.
Wesentlich kleiner als dies(M- Flelm. der beinahe wieder den (lliarakler eines
T()[)lhelmes angenomnnm hat, aber ih)ch entschieden Kampf-, nicht Turuierhejm
-- 46 —
ist, ist dei- Iblg-endc, ang-eblii-li aus Spilul in Kärnten stammende und aus Dresden
uns /up'knmmene, in Fig-. 2:i und M abg-cbildete. Er ist auch leichter; er hat
ein Gewicht von 2,20 kü;. und g-ehört vvol dem 15. Jahrhunderte an. J)a(s er eben-
lalls auf der Schulter aulVuhl, ist ersichtlich. In der Form weicht er nur durch
ilen Schwung- der Linien, vor allem Jener des Gesichtsschlitzes und die gering-ere
Höhe, vom vorangehenden ab. Während jener etwa gleich dem Topfhelme über
der Brünne und einer zweiten kleinen Beckeuhaube getragen werden konnte.
Fig. 23.
Fig. 24.
weshalb wir für ihn auch den Ausdruck Beckenhaube vermieden haben, so mufs
dieser unmittelbar auf dem Kopfe getragen worden sein, und, da die Höhe über
den Augenschlitzen sehr gering ist, mit seiner Schale ziemlich dicht auf dem
Schädel des Mannes gesessen haben. Eine Walfenschmiedemarke trägt er nicht.
V.
Die Eisenhüte.
Der Eisenhut ist nicht aus der Beckenhaube hervorgegangen, vieiraehr als
gleichzeitig entwickelter Kopfschutz anderer Grattung anzusehen. Er hat einen
älteren Stammbaum, er knüpft ohne Zweifel an jene hutähulichen, etruskischen
Bronzehelme an, welche eine über den Kopf in die Höhe steigende Kappe mit
rings umlaufenden, auswärts gebogenen Rändern haben, wie deren das Museum
ebenfalls einen besitzt, über desssen Herkunft nichts genaues bekannt ist, da
er schon zu einer Zeit in Nürnberg war, als die Sammler noch absolut un-
emptanglich für die Erforschung der Frage waren, woher irgend ein Stück
stamme. Er war alter Bestand der Pickertschen Sammlung und ist vor langer
Zeit aus dieser in jene des Museums übergegangen, eben weil in dem Stücke
ein V^orläufer der mittelalterlichen Eisenhüte zu erblicken sein dürfte.
So wenige metallene Helme des frühen Mittelalters uns erhalten sind, so be-
stehen an ICisenhüten doch zwei Stücke, welche hierher gehören. Der in Sesto
Galende gefundene, jetzt in dem arcliäologischen Museum der Kunstakademie zu
Mailand belindliche Hut, wol longobardischen Ursprunges, hat einen ringsum-
— 47 -
laufeaden Rand. Viollet-le-Duc, welcher denselben in seinem Artikel »heaume«
abbildet 29), hat versucht, ihn mit einem Kamme auszustatten, welchen er aus be-
maltem Kupfer hergestellt denkt, und damit in der That ihm ein Aussehen gegeben,
welches an die Abbildungen karolingischer Helme erinnert, ein sehr interessan-
ter, dankenswerter Versuch, der zu weiterer Verfolgung der Frage anregt, für
welchen jedoch die Belege, sowie das nötige Material noch fehlen. Die Grund-
form freilich bleibt eine andere als die der auf Bildern vorkommenden Helme der
Karolingerzeit, von denen wir oben gesprochen haben. Aber der Hut, Pileus,
wird von den Geschichtsschreibern der Germanen dem Helme, Galea. direkt
gegenübergestellt und gilt als fürstliche Kopfbedeckung 3*'). Einen Helm im
Artilleriemuseum zu Paris, gefunden zu Abbeville^^), welchen Viollet-le-Duc in
Abbildung mitteilt, möchten wir doch auch eher hierher zählen, als mit ihm
dem 12. Jahrhunderte zuschreiben, dem man gewohnt ist, alles zuzuteilen, für
das man keine richtige Zeitbestimmung geben kann; der Rand ist dort schmal,
vorne und rückwärts unterbrochen , um ein Naseneisen sowie ein Nackeneisen
anzubringen. Zwei über die Stirne herabgehende Flügel geben dem Helme ein
eigentümliches Aussehen, so dafs er an die antiken Gladiatorenhelme erinnert.
Eine Miniatur vom 13. Jahrhunderte im german. Museum, die Gefangen-
nahme Christi. Nr. 27 unserer Miniatureusammluug, zeigt einen Krieger mit einem
Eisenhute und zwar keine ritterliche Gestalt, so dafs wir annehmen dürfen,
der Eiseuhut sei vom 12. — 14. Jahrhunderte keine ritterliche Kopfbedeckung ge-
wesen ^2). Der Rand ist noch schmal; es scheint der ganze Hut aus einem einzi-
gen Stücke getrieben (Fig. 25). Er unterscheidet sich auf der Zeichnung deutlich
Fig. 25.
29) a. a. 0. Bd. VI, S. 100, Fig. 7 und 7 b.
30) vgl. Lindciisciiinil . Haii(lluicli der doutsi-lion Altcrtuni.skuiido I, S. :2.'iU IV. »Der
Helm«, wo Nachweise über reich ver/ierte, mit Edcisleiiien liesclzte und mit lieraldiiinpon-
den Zierbändern von Purpur gcscbinückte Hüte gegeben sind, wie gerade der in Abbeviile
gefundene Hut einen Apparat zur Befestigung rückwärts hcrabliängendcr Slofl'e lial.
.S1 ) das. S. 104., Fig. 12. 32) Anzeiger f. K. d. d. V. KSSl, Sp. 2.
— 48 -
von (Ich .lu.leiiliüh'n der Hoc-leilor. welche allerding's doch auch Krieg-sknechte
darstellen sollen. Miniaturrn vom Knde des 13., vielleicht vom 14. Jahrhunderte
zeig-en sclinii dtii K'and liiiilscr. So ist in einer Gruppe der Welislawschen
Biiderliilit'l zu l^rag' ein Arnibrustschütze mit gTolsem Eisenhute zu ersehenes).
Km solcher, dem Ende des 13. Jahrhunderts ang-ehörig-er, Eisenhut befindet
sich im Musoiim und ist hier in Fig-. 2ü im Malsstahe der übrigen Helme ahge-
/•>Bf--,
Fig. 26.
itihiel, nachdem er sclion ciiimal in diesen Mitteilung-en erschienen ist^*). Wir be-
richtigen hier sogleich die Angaben über die Herkunft desselben. Man fand in
Kärnten in der Umgegend von Friesach auf der Spitze eines Kirchthurmes einen
solchen Eisenhut als Schutz der Dachdeckung, welche unter seinem Rande zu-
sammenlief. Ein Loch, in der Spitze des Hutes roh eingeschlagen, liefs die eiserne
Stange des Turmkreuzes hindurch. Dadurch aufmerksam gemacht, liefs der
Sammler, in dessen Hände der erste Eisenhut gelangt war, noch andere Thürme
der Gegend untersuchen, und es ergab sich noch bei mehreren das gleiche Re-
sultat, so dafs er vier an Form verschiedene Eisenhüte bekam. Drei davon
gl engen an den Antiquar Überbacher in Bozen über, der nicht Auskunft ^-eben
konnte, wohin der vierte gelangte. Er überliefs unserem Museum diesen einen, zwei
andere gelangten in eine Wiener Privatsammlung. Unser Hut besteht aus einem
getriebenen Rande und einer nicht sehr spitzen Glocke, welche beide so ver-
bunden sind,' dafs der Kontur eine einzige, schön geschwungene Linie bildet.
Der Hut hat nur am hinteren Teile des Randes einen Grat, der sich auch ein wenig
in eine Spitze zieht und durch einen Wulst gesäumt ist. Die am Rande sicht-
baren Nieten dienten zum Festhalten einer Polsterung. Da wir wol anzunehmen
haben, dafs zur Zeit des Gebrauches der Hut von einem Knechte getragen wurde,
so ist nicht nötig, anzunehmen, dafs sich eine Kettenbrünne darunter befand; es
kann auch der Schutz des Kinnes und Halses durch eine lederne, selbst eine
wollene, faltige Kapuze oder einen Kragen gebildet worden sein. Trug etwa ein
Bogen- oder Armbrustsehütze, der nicht in vorderster Reihe stand, den Hut, so
war der Träger Lanzenstöfsen und Schwerthieben nicht ausgesetzt, sondern nur
33) Essenwein, kulturhistor. Bilderatlas II, Taf. LXIX, Fig. 8.
34) Bd. I, S. 23.
— 49 —
Pfeilen ; er bedurfte alyo auch einer Halsberg-e aus Ketteng-eflechte g-ar uiehl.
Wol eben deshalb ist er leicht im Eisen ; er wiegt bei einem Durchmesser von
46,5—49 cm. nur 2,70 kgr. Er raufste aber auf dem Haupte festgebunden wer-
den; es befanden sich deshalb im Inneren auf jeder Seite des Hauptes zwei ange-
nietete, mit runden Löchern versehene Plättcheu, an denen ein Sturmband von
Leder befestigt werden konnte. Eine Waffenschmiedemarke hat das, mit Ausnahme
des Loches im Scheitel und eines solchen im Rande, sehr wol erhaltene Stück nicht.
Es ist nicht sehr gewagt, anzunehmen, dafs ein Söldner der Bischöfe von Bam-
berg, der dortigen Landesfürsten und Besitzer der Burg zu Friesach, den Hut
getragen, der sodann, wann immer, wahrscheinlich nicht schon bei der Erbau-
ung, sondern erst bei einer späteren Umdeckung des Kirchturmes, auf seine hohe
Stelle erhoben wurde.
Etwas jünger, wol dem 14. Jahrhunderte, vielleicht der zweiten Hälfte des-
selben, angehörig, ist der in Fig. 27 abgebildete Eisenhut, bei welchem sich die
Fig. 27.
Spitz in die Höhe getriebene Glocke scharf von dem ilachen Rande trennt. Der
untere Rand ist nach aufsen umgebogen, nicht zu einem Wulste geroll I. Ihis
Gewicht des Stückes beträgt 1,60 kgr. Eine VVaffenschmiedemarke fehlt. Er ist
aus Neustift bei Brixen in eine Wiener Privatsammlung und von da zu uns
gekommen.
Nach und nach, wol schon im 13. Jahrhunderte, geht der Eisenhut von
der Bewaffnung der Knechte auch auf jene der Ritter über. Der weite Rand
liel's ihn auch für den Nahkami^f zum Schutze des Kopfes sehr geeignet erscheinen.
Viollet-le-Duc^'') gibt allerdings einen solchen schon auf einer ritterlichen Gestalt
eines Grabsteines von ungefähr 1195, die wir tief in das 13. Jahrhundert setzen
würden, aus dem Museum /u Niort, und erwähnt ähnliche Figuren nach Minia-
turen des 13, Jahrhunderts; aber er spricht gerade an dieser Stelle nicht vom
Eisenhute, wie auch nicht bei anderen von ihm komponierten Figuren, welchen
er den Eisenhut aufgesetzt hat^ß). Bei einer einem Manuskripte von ungerähi-
1350 nachgebildeten Darstellung liegt ein Eisenhut auf einer spitzigen Becken-
haube^'). Nehmen wir selb.st an, das Manuskript sei etwas zu früh datiert, so
38) Dictionnair.' du mobilicr V. l?fl., S. 70 und 80.
36) daselbst S. 155. Fi(f. 6 ii. n. AI) dasolbst S. 2üS. Fi};:. 1.
Mitteilungen aus dcni geruiait. Xatioiialniiiseiiin. lSi)2.
VII.
— 50 —
liahoii wir doch für die Krühzoit des 14. Jahihunderls Anhaltspunkte. Im Bal-
(hiiiiiiiiii sind unter den käniidenden Fürsten solche mit dem Eisenhute, auf
einem Bilde ist es Jialduin, der Krzbischof von Trier, selbst, welcher ihn trägt ^s).
Allenthalben, wo Viollet-le-Duc Eisenhüte g-ibt, haben dieselben nicht den
breiten Kand wie die unsrig'en, sondern derselbe ist wesentlich schmaler. Nur in
dem Artikel'^'-'), welchen er dem Eisenhute selbst widmet, sind solche mit breiten
Händern gegeben. In der weiteren Entwickelung zeigt er die Ränder insbeson-
dere steiler, teilweise auch nach und nach wieder schmaler werdend. Die Formen,
welche er nach den Miniaturen des 15. Jahrhunderts konstruiert , dürften wol
zum Teile nur in der Phantasie der alten Künstler bestanden haben und bewei-
sen uns nur eben, dal's neben den uns an Original waffen erhalteneu Formen noch
mannigfaltige andere vorgekommen sein müssen*'^), was uns auch ein neuer
Beweis dafür ist, dafs jede Waffe ein Individuum ist, und dafs, wenn wir ja auch
an vielfache Anfertigung von Waffen nach demselben Muster denken müssen, dies
doch nicht so weit ging, als bei der heutigen Ausstattung der Heere.
Fig. 28.
Die Museumssammlung besitzt einen Eisenhut, der in Fig. 28 abgebildet
ist, dessen Glocke rund, wie die oben beschriebenen, jedoch mit schmaleren
Rändern erscheint. Gleich den vorhin beschriebenen Stücken ist er aus leichtem
Metalle gefertigt. Der Rand, obwol in scharfer Linie von der Glocke sich ab-
hebend, ist mit derselben aus einem Stücke getrieben und unten zu einem Wulste
umgeschweist. Ein Grat ist nicht vorhanden. Die Einfachheit des Stückes macht
es sehr schwierig, eine Datierung dafür zu geben. Wir möchten die Wende
des 14. und 15. Jahrhunderts dafür annehmen. Er hat ein Gewicht von 1,46 kgr.
Das Museum hat ihn mit der Wolfschen Sammlung aus Altenburg erhalten.
Von den Kriegern unseres Manuskriptes des trojanischen Krieges von
Kourad von Würzburg, das 1441 fertiggestellt wurde, wird der Eiseuhut ziem-
lich häufig getragen, ohne dafs man zweifeln könnte, dafs die Betreffenden
38) Esscmvein, kulturhistor. Bildcratlas II, Taf. LXVIII, Fig. 1.
39j VioUet-lc-Duc a. a. 0. S. 265 IT., Fig. % 3, 4, 5.
40) vergl. oben Fig. 18.
— 51 —
Fürsten oder Ritter sind. Wir geben davon in Fig. 29 vier Figuren wieder.
(Vergl. auch Fig. 9 u. 18.) Die Verbindung des Eisenhutes mit der ritterlichen
Rüstung gibt eine Handzeichnung unseres Museums, welche etwa der Zeit um
FiL'. •>).
- 52 —
1420— l4iU aii^ehnil (Hz. 145) und welche hier in Faksimile darg-ostellL ist
(Fi^. 30). Der Hut hat hier eine bewegte Form, eine spitze Glocke mit einem
Grate, und einen nicht sehr breiten Rand mit zwei Sehschlitzen.
Fig. 30.
— 53 —
Der in Fig. 31 abg-ebildete. in der Form mit dem in Fig-. 28 dargestellten
fast identische Eisenhut ist ebenfalls aus der Wolfscheu Sammlung aus Alten-
burg in das Museum gekommen. Woher der eifrige Sammler Notar AVolf ihn
bekommen hatte, steht nicht fest; er hat ihn vvol von einem Antiquare in
Thüringen gekauft, woher doch die Mehrzahl seiner Stücke stammte. Was ihn
besonders interessant macht, ist vor allem die beträchtliche Metallstärke des
Hutes, welche ihm ein Gewicht von 6,20 kgr. gibt, sodann die Thatsache, dafs die
Löcher zur Befestigung der Halsbrünne (?) so weitaufsen am Rande sitzen. In der
Glocke selbst sind jederseits nur zwei angebracht, zur Befestigung eines Sturm-
bandes dienend. Die grofse Stärke sowol, wie die Befestigung des Schutzes für
Hals und Nacken ganz aufsen am Rande, mögen auf eine Benützung hinweisen,
die sich auf bestimmte Zwecke beschränkte; im eigentlichen Kampfe konnte das
Stück nicht dienen, da es den Träger sehr belastete. Wol aber mag es im Augen-
blicke eines Sturmes gedient haben, wenn der Träger eine Leiter erkletterte oder
Fig. 31.
etwa an Untergrabung einer Mauer arbeitete und von oben herabgeworfene Steine
oder herabgegossene heifse, vielleicht auch wenig wolriechende Flüssigkeiten
über sich ergehen lassen mufste. Als Zeit der Entstehung möchten wir den
Schlufs des 15. Jahrhunderts ansehen.
Noch besitzt das germanische Museum einige Eisenhüte, die vielleicht
ebenfalls in diese Periode fallen, die wir aber doch als erst dem weiter vor-
geschrittenen 16. Jahrhunderte angehörig ansehen und mit den Helmen des
16. Jahrhunderts nach der Zeit Maximilians zu betrachten gedenken.
Wenn die Eisenhüte von den Rittern , selbst von Kaisern und Königen
getragen wurden, so geschah dies wol stets in Verbindung mit einem Kinn-
scliutzc und sie wurden alsdann im Kam[)fe so tief über die Stirne vorgezogen.
dafs zwei Schlitze für die Augen im Uaiule angebracht werden mul'slen.
VL
Die Schal I (M-n.
Aus der letzterwähnten Gestall des Eisenhutes bilileten sich Übergänge
zur jetzt zu betrachtenden Form der Helme, zu den Scballern (Salade) heraus.
Das Museum bietet nun kein Beisj)ieK welches wir eher an den Schlufs der
Eisenhüte, als an den Beginn der Schallern reihen, das wir nicht besser mit den
— 54 —
Irl/.lrifii zng-l(^ich, als luil tlt'ii Kisenhüteii betrachten würden, aber doch möchten
wir glauben, dafs die überhaupt erst spät ausgebildete Form der Schallern aus
den Eisenhüten hervorgeg-angen ist, und dafs wir also die Schallern überhaupt
im Anschlüsse an die Eisenhüte folgen lassen müssen, wenn schon sich auch,
wie die folgende xVbteilung /eigen wird, Übergänge von der Beckenhaube zur
Schallern linden. Wahrscheinlich sind sie aus beiden zugleich hervorgegangen,
indem die ältesten als individuelle Produkte einzelner Waffenschmiede oder als
solche einzelner Ritler anzusehen sind. So zeigt das nachweislich älteste datierte,
uns bekannte Beispiel einer Salade, der Grabstein des Georg Schenken von
Erbach, 7 1481. in der Schlofskapclle zu Erbach (Abgufs im Museum, darnach
unsere Figur 32), den Ritter mit einer Kopfbedeckung, die ebensowol ein Eisenhut
Fig. 32.
mit Augenschlitz, aber sehr steilem Rande, als eine Salade sein kann, Der Rand
ist von der Glocke nicht scharf getrennt, wie bei einem Elsenhute, dessen Rand
etwas steil abfällt; nur eine leichte Ausbiegung ist am vorderen Teile des Randes,
um für den Sehspalt eine horizontale Fläche zu bekommen und denselben so für
Lanzenstöfse weniger gefährlich zu machen.
Einen ähnlichen Schallern-Eisenhut besitzen wir in Original. Es ist der
hier in Fig. 33 und 34 abgebildete, welcher, in Franken erhalten geblieben, jeden-
falls aus einer der schon damals so hochberühmten Nürnberger Werkstätten
hervorgegangen ist; er kam durch Hofantiquar S. Pickert, welcher ihn in Ans-
bach erworben hat. in unsere Sammlung. Fränkischen Ursprung dürfte auch
die von Georg Schenk von Erbach getragene Originalwaffe, welche auf dem Grab-
steine abgebildet ist, gehabt haben. Unser Helm, (wir wählen absichtlich dieses
allgemeine Wort, da wir das Stück weder zu den Eisenhüten rechnen wollen,
noch als Schallern gelten lassen müssen, weil sich doch der Rand in bestimmter
— 53 —
Weise von der (ilocke trennt), mag ungefähr gleichzeitig mit dem Erbachscheu
Grabsteine sein. Er hat einen scharfen geschwungenen Grat, einen SehschHtz,
der ebenfalls in einer schmalen horizontalen Fläche liegt; der Rand, dessen unte-
rer Saum umgeschlagen ist, ist schon in alter Zeit ausgebessert worden. Die
Fig. 33.
Fig. 3i.
Stärke des Eisens ist nicht zu bedeutend, so dafs er mit 3.30 kgr. Gewicht das
Haupt nicht zu sehr belastet. Eine Waffenschmiedemarke ist nicht vorhanden.
Daran schliefst sich eine aus einem Stücke getriebene Schallern, welche
wir in Fig. 33 und 36 abgebildet haben, bei welcher der Hauptunterschied von
3
^
FifT. ä').
Fiir. ;iü.
der vorigen darin besteht, daCs der Rand nicht mehr beslimmt abgeselzl ist.
wie in Fig. 33 und 34, sondern beide Teile in einer geschwungeniMi Linie in
einander übergehen. Aulserdom ist dieses Stück etwas schmäler und riu-kwärls
in eine mehr ausgesprochene Spitze gezogen; im Ül)rigen al)er sowol in Mezug
auf Konstruktion, als auf Form, dem vorhergehenden Stücke ähnlich. Das hier
fragliche hat eine Watfenschmiedemarke in Gestalt eines Kleeblatles wie
nebenstehend. Es dürfte daher das Erzeugnis eines der Angehörigen
der Innsbrucker Platlnerfamilie Treytz sein. Es stamml aus SiUltirol,
wo es sich in Neustift \\v\ l'.iixon erhalten hallo. Sein (iiMvicliI beträgt
2,23 kgr.
f
\^
- IW —
Zu allen diesen Schallern j^-chörl als ergänzender Teil die Barthanbe, und
es ist uns kein Beispiel bekannt, dals wir auf iig-end einer gleichzeitigen Abbil-
dung eines vollständig Geharnischten die Schallern ohne solche gesehen hätten.
Zu den ältesten Beständen des Museums gehört die in Fig. 37 und 38 abgebildete
Schallern, welche mit der l'reiherrl. v. Aufsefsschon Sammlung bei Begründung des
Museums in dieses überging. Auch hier ist fränkische, also speziell iS'ürn-
bergische Entstehung demnach wahrscheinlich. Bei ihr ist nach den Seiten und
nach vorn die stärkere Ausbiegung verschwunden; fast senkrecht stellt sie sich,
wenn der Mann sie zum Kampfe zurecht gerichtet, d. h. horizontal zurecht ge-
schoben hatte, so dal's er durch den Augenschlitz blicken konnte, vorn und zu
den Seiten über den Kand der Barthaube, und nur nach rückwärts steht die
Fig. 37.
Fig. 38
Nackenspitze über die Rüstung heraus, den Nacken gegen senkrecht von oben
kommende Würfe oder Hiebe schützend. Die Schallern Fig. 37 ist jedoch an der
\rorderseite ausgeschnitten, so dafs das Gesicht bis zur Stirne, so hoch es über
die Barthaube hervortritt, also vor allem Nase und Augen frei werden, bei
mancher anderen Barthaube wird auch der Mund frei. Um diese Teile zu
schützen ist ein bewegliches Visier angebracht, welches erst im letzten Augen-
blicke geschlossen zu werden braucht. Das Metall ist nicht stärker als bei den
meisten Stücken, das Gewicht beträgt 2,35 kgr. Eine Vorrichtung zur Befesti-
gung des Visiers fehlt. Ein Plattnerzeichen ist auch nicht vorhanden.
Tritt die Schallern in dieser Form auf, so möchte man allerdings geneigt
sein, die Entstehung derselben aus der Beckenhaube (vgl. Fig. 6) abzuleiten,
denn gleich der Beckenhaube liegt sie unmittelbar mit einer Polsterung dicht
auf dem Kopfe, und wenn man annehmen kann, dafs in ausnahmsweisen Fällen
eine kettengeflochtene Brünne^ oder Halsberge, vielleicht eine solche aus Leder,
Loden oder Wollenzeug zu dem Helme Fig. 33 und 35 getragen wurde, so ist
dies für Fig. 37 nicht wol denkbar, denn dal's zu der Schallern, neben der
Polsterung, irgend etwas anderes als die Barthaube getragen worden sei, ist uns
aus Abbildungen nicht bekannt geworden. Wenn auch unter jenen Platten-
rüstungen, zu welchen Barthaube und Schallern gehören, ein Keftengellecht
getragen wurde, so ist dies doch offenbar nur bis zum Halse gegangen, nach-
dem sich schon im 14. Jahrhunderte mit Eni Wickelung der Beckenhaube das an
— 07 —
derselben befestigte Kettengeflecht auf einea Krag-en beschränkt hatte, welcher
ganz vom Kettenhemde getrennt war und ganz wegQel , als zu den Platten-
harnischen die Salade gekommen war.
Spitziger als beim vorigen ist der Nacken schütz hinten ausgetrieben bei
dem jetzt zu betrachtenden Beispiele, der Schaltern von der Rüstung, die wir
früher veröffentlicht haben *i). Diese Schallern weicht von der vorhergehenden
aber vor allem durch die Art des Visiers ab, dessen Drehpunkt so hoch sitzt,
daCs oberhalb des Kopfes wieder mehr freier Raum bleibt, als zur Einlage der
Polsterung nöthig ist, und dafs über seiner Oberlinie noch ein Teil der Gesichts-
öffnung soweit frei bleibt, dafs dadurch der Sehspalt entsteht. Die Glocke ist
Fig. 39.
Fig. 40.
wie eine hohe, vortretende Stirne stark ausgetrieben und hat einen' breiten,
oben abgeflachten Grat. Das Gewicht beträgt 2,49 kg. Eine mit einem Knopfe
verbundene Feder auf der rechten Seite, unten am Rande, dient zur Feststellung
des Visiers. Ein Plaltnerzeichen stellt ein gekröntes U dar. Fig. 39 u. 40 zeigen
diesen Helm von vorn, sowie dessen linke Seite.
Zu demselben gehört die in Fig. 41 von vorn und in Fig. 42 von iler
t'ist. -11.
l-'itr. !•.'.
41) Anzeigjcr für Kiiiuli' der (Iciilsclion Vorzeil 1SS;2. Sp. fi. Sie ist ans dorn Hcsitzo des
Dr. Wiilieluii, wclclier dainals in lioriiii Icble, jeducli die lUisImn; in Siiddeulscliliuid orworlien
Mittuiliiiigoii aus dem gornuin. NatioiiahiniseniM. 1S<)2.
VIH.
— 38 -
Seite alti-el.ildcLe liurLliaube, welche aui' der IWusl des Harnisches festg:e-
steckt wurde.
Eine andere Schallern des Museums, in Fig. 43 u. 44 abgebildet, hat den
emporgetriebenen sluin[)ren Grat wie Fig. 39, dagegen die Visierbildung wie
Fi°-. 37. Sie hat die engste Stelle etwas unterhalb des Sehschlitzes und erweitert
sic^h gegen den unteren Ranri wieder. Die über den Nacken herabgehende
rückwärtige Spitze ist beweglich. An die Glocke ist ein Nackenblech derart
befestigt, dafs es um Nieten am Anfang und Ende sich drehen kann, an das-
selbe sind vier andere mit dem oberen Rande stets zurückbleibende Schienen,
ähnlich beweglich, angebracht. Man nannte diese Konstruktion, welche ja an
allen Teilen der damaligen Plattenrüstungen sich ßndet, ^)geschoben«. Die
technische Sprache bezeichnet also diesen Nackenschutz als viermal geschoben.
In unserer Zeichnung sind die Schienen sehr zusammengeschoben, da der Helm
auf einer Fläche aullag, als er gezeichnet wurde. Sich selbst überlassen sinkt
der Nackeuschirm vielleicht 10— lä cm. tiefer herab. Der Helm wiegt 2,70 kg.
Fig. 43.
Fig. 44.
Ein Loch im Scheitel des Grates diente dazu, eine Schmuckfeder oder sonst einen
Helmschmuck aufzustecken. Er hat kein Waffenschmiedezeichen. Vormals be-
fand er sich in der Bertholdschen Sammlung in Dresden und ist lange vor
deren Auflösung für das Museum erworben worden.
Die Schal lern sind spät entstanden und hatten verhältnismäfsig kurze
Dauer, wie die sogenannten gotischen Plattenrüstungen, zu denen sie gehörten,
obwol dieselben nicht gerade schwer waren. Sie wurden unter Kaiser Maximilian
verlassen, dauerten also etwa 60 Jahre. Sie waren elegant in der Erscheinung,
wie alles was dem Schlüsse des 13. Jahrhunderts angehörte. Kaiser Maximilian,
welcher sie noch, in jüngeren Jahren getragen und im Kriege erprobt hatte,
raufs sie unzweckmäfsig gefunden haben, so dafs er sich um Einführung anderer
Harnische und mit denselben anderer Helme lebhaft bemühte.
hatte, in jenen des Museums ül)ergegangen. Sie ist jedoch nicht ganz intalvt, sondern
restauriert und dies mit solchem Geschick, dafs man sie für vollsfündig neu halten liönnte.
Doch liahen Freunde, welche sie vor der Restauration kannten, geglaubt, alle allen Teile,
insbesondere auch die Schallern, als alt jetzt noch nachweisen zu können.
— Ö9 —
Eine Gratlung Sturmhauben, den Schallern verwandt, g'ing- als Kopfbe-
deckung der Fufsknechte neben dieser Helmg-attung her. Das germanische
Flg. 45.
Fig. 46.
Museum besitzt, ein Stück, welches der Verfasser im Zeughause zu Rhodus ge-
funden, wo es mit anderen mittelalterlichen Waffen als Überbleibsel der Ritter-
Fig. 47.
— (50 —
heiTSchal't sich crliulten hatte, miil von wohei' er dasselbe als Geschenk des
Suitaus Abdul-Aziz vor bald 25 Jahreu in das gerniauische Museum brachte.
Wir geben es hier in Fig. 44 u. 45 wieder. Das Gewicht beträgt 1,20 kgr. Auf
dem Bilde, welches den Kampf der Nürnberger mit dem Markgrafen von Branden-
burg vor den Thoren ihrer Stadt im Jahr 1002 zeigt, haben die niirnbergischen
Söldner ähnliche Hauben, während die Ritler meist andere Helmgattungen als
Schallern tragen, in Fig. 47 geben wir zwei Krieger aus diesem Bilde.
VII.
Die geschlossenen Visierhelme.
Wir haben die Schallern, welche ausschliefslich der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts angehören und im 16., wenn freilich von solchen, die nicht
die Mittel hatten, jede neue Mode im Kriegswesen mitzumachen, wol noch lange
getragen'*^), nicht mehr gefertigt wurden, als Fortsetzung der Eisenhüte be-
trachtet und sind daher ziemlich weit der geschichtlichen Entwickelung voraus-
gegangen, welche andere Helmgattungen durchgemacht haben, die gleichzeitig
neben den Eisenhüten und den Schallern herliefen. Wir kommen daher, wenn
wir auch diese Helme in ihrer Entwickelung verfolgen wollen, wieder auf die
spitzigen Beckenhaubeu zurück, die mit einem Kettenkragen verbunden waren,
welcher über dem ledernen, mit einzelnen Platten und Schienen belegten Lendner
getragen wurde, wenn wir die Entstehung des geschlossenen Helmes suchen,
welcher im Schlüsse des 15. Jahrhunderts besonders beliebt und begünstigt
wurde und in den verschiedensten Varianten, vom Beginne des 16. Jahrhunderts
an, die eigentliche ritterliche Kopfbedeckung bildete und als «Helm« kurzweg
bezeichnet wurde.
In Frankreich war mitunter schon im 14. Jahrhunderte ein Halsschutz, aus
einem hohen, plattenförmigen Ringe bestehend, mit der spitzigen Beckenhaube
verbunden worden, so dafs der aus Ringeln bestehende Kragen überflüssig
wui'de; teilweise wurde dieser, ba viere genannte, Halsschutz auch nur am vorde-
ren Teile des Halses und Kinnes getragen und deshalb am unteren Teile der
Beckenhaube befestigt, ebenso wie das Visier am oberen. Viollet-le-Duc gibt in
seinem Dictionnaire du mobilier fran(?ais im Artikel »Helm« mehrere Beispiele.
Aus Deutschland ist uns kein Beispiel aus so früher Zeit bekannt ge-
worden. Wir haben am Schlüsse der III. Abteilung dieses Aufsatzes noch auf
die letzten Helme aufmerksam gemacht, welche wir als Beckenhauben bezeichnen
möchten. Wir haben auf das Bild des Georg Tumersdorfer in dem Glasfenster
der Kirche S. Maria am Wasen bei Leoben aufmerksam gemacht *3j u^j knüpfen
hieran auch jetzt wieder an^ indem wir das von uns bereits veröffentlichte Bildnis**)
desselben hier in kleinerem Mafsstabe wiedergeben (Fig. 48). Besonders charak-
teristisch ist die durch drei horizontale Falten hergestellte Gliederung des Visiers.
42) vergl. A. Dürers »Ritter, Tod und Teufel« (B. 98) vom Jahi-e 1513, wo der
Ritter eine solche Schallei'n auf dem Kopfe trägt, sowie einige Gemälde dieses Meislers.
43) s. 0. S. 43. Schon nach dem Drucke der ersten Bogen dieses Aufsatzes ist es dem
german. Museum gelungen, noch zwei solche Beckenhauben aus derselben Quelle zu erwerben,
Varianten in der Form von Fig. 11 und 14, von welchen eine das Häkchen zeigt, welches
zur Befestigung der Insignie der Zopfgescllschaft diente.
44j Anzeiger f. K. d. d. V. 1866, Sp. 368 u. Tafel.
Die mittlere Falte spi'ing-t weiter vor, als die obere und uatere. Gerade dadurch
erhält das Visier jene fratzenhafte Bildung, wegen deren diese Helme den Namen
Hundshauben (Hundsgug-eln) erhielten. Der mittlere, spitze Teil, mit Löchern ver-
sehen, erscheint, wenn das Visier geschlossen, als Schnauze, die zwei horizontalen
Sehlöcher darüber als Augen und die hinter der Nase zurückliegenden unteren
Schlitze als Maul. Diese Gliederung in drei Falten ward sodann für das Helm-
visier auf längere Zeit mafsgebend. Der Kragen ist, wenn auch vielleicht mit
eisernen Einlagen, doch jedenfalls aus Filz oder Leder. Erst mit dem 13.
Fig- 4s.
Jahrhunderte sehen wir einen an der Beckenhaube befestigten Ivinnschutz aus
Platten. Wir verweisen hier auf die in Bronze gegossene Figur des Konrad
V. Weinsberg, 1 141(3, auf seinem Grabmale in Schönthal, wovon wir einen Ab-
gufs besitzen, und dessen Kojif wir hier (Fig. 49) wiedergeben. Es ist ersichtlich,
dals auch der Ketlenkragen durch Stalilphitten ersetzt ist. Keinen Anfschlufs
erhalten wir, ob die ganze Helingloeke aus einem Stücke beslehl (xlrr aus zwei
senkrechten, einem vorderm und einem hinteren, uuddli sodann der llals-
kragen ebenfalls aus zwei Teilen besteht noch wie solche verbunden sind.
In unserem Manuskripte des trojanischen Krieges vom Jahre 1441 fällt
die grofse Zahl verschiedener Helmformen auf. welche wir mindestens zum
- 02 —
übei'vviegendeü Teil als l)Cistehend annehmen müssen, so dafs wir in Fij^. oO eine
Zusammenslelhing' geben. Es ist bezeichnend, dafs, während in der Rüstung
des gesamten Körpers, wo solche auftritt, eine gewisse GleichmäCsigkeit sich
kund gibt, gerade der Helm solch groCse Verschiedenheiten zeigt. Freilich mag
unter den in unserer Figur gegebenen Helmen auch mancher sein, welcher älterer
Zeit angehört und so zeigt, daCs die damaligen Leute nicht so rasch mit der
Beseitigung von WafTen bei der Hand waren, an welche sie sich einmal gewöhnt
hatten; aber was die höchsten ritterlichen Kreise trugen, was selbst dem Achilles
und dem Hektor beigelegt wurde, das ist doch sicher die damals, im Jahre 1441,
Fig. 49.
neueste und für die beste gehaltene Art der Helme. Es ist daher interessant,
diese Bilder näher zu betrachten. Aus unserem jüngeren trojanischen Kriege
von 1441 können wir die allgemeine Bemerkung machen, dafs die Spitzen der
Beckenhaubeu, wenn wir dies Wort noch beibehalten dürfen, zwar noch nicht
ganz verschwunden sind, dafs aber die Glockenform auch häufig oben abgerundet
ist, dafs die Helme einen Kinnschutz haben, welcher sich mit dem Visiere um
denselben Punkt dreht, dafs die Visiere teilweise vielseitig durchlöchert sind,
wie Fig. 16 u. 17, teilweise aber auch senkrechte Schlitze haben. Auch die Reste
der Brünne, die Kettenkragen, schwinden mehr und mehr und es tritt ein
aus Platten geschmiedeter Halsschutz auf.
Zu den Lücken in der Waffensammlung des Museums, welche sich nur
schwer werden ausfüllen lassen, müssen wir nun auch jene rechnen, welche in
der Reihe bestehen, die den Übergang von der Beckenhaube zum geschlossenen
Helme vor Augen führen soll, und welche durch Helme aus der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts geschlossen werden müfsten. Wir haben, soweit wir sie
nicht noch zu den Beckenhaubeu selbst rechnen, nur ein Stück, welches diesen
Übergang zum Helme bezeichnet, aber wol der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
— 63 —
aug-ehürl, und, wenn auch bald nach des Mitte desselben zu setzen, schon zu den
späteren Stücken dieser Gattung zu rechnen ist. Es ist der in Fig. 51 — 34 zur
Darstellung gebrachte Helm. Er wurde vor Jahren, als die Mittel des Museums
es nur selten zuliefsen solch teuere Ankäufe zu machen, vom Antiquar Steiner
in Innsbruck erworben; woher dieser denselben bekommen, konnten wir nicht
Fig. 50.
erfahren und da er viel aufser Tirol einkaufte, so ist es auch leicht möglich,
dafs er diesen Helm von auswärts cingekaufl halte. Kr ist nicht schwer im
Metall; sein Gesamtgewicht beträgt 2 kgr. Va- besteht blol's aus zwei Stücl^en,
der gleich der Beckenhaube an der hinteren Seite heruntin- getriebenen Glocke,
welche der Koi)(form genau folgt, so dafs sie das Haupt des Trägers, wenn sich
innen eine Polsterung befand, genau umsehlol's. uinl dem Visier, welches das
Gesicht, zugleich das Kinn deckend, umschliel'st. Das Kehlen eines eigenen
— 64 —
Kinnstiickes isl ikmIi ein Morkiiuil. welches auf allere Zeit deutet. Die so genau
dem Kopfe ang-epurste Form der (jlocke deutet freilich vielleicht auf spätere Zeit,
(leim das Manuskript von 1441 zeigt solche Formen nicht. Das Visier ist durch
mehrere horizontale Gliederungen helebt, von welchen die mittlere etwas weiter
vorspringt, als die obere und die untere. Der mittlere, mit Löchern versehene
Vnrspniiig liedeckt die Naso. Der obere enthält zwei Sehschlitze, der untere
/
.- »?=^-
■*! =rT>?*fc:»^
-'--^, ;-'
mmttm-
^^ii:^A^^:Ss^
Fig. 51.
Fig. 53.
Fiff.' 54.
zwei Schlitze zur Lufteinnahme durch den Mund. Diese beiden, früher so be-
trächtlichen Vorsprünge sind in ganz geringe umgewandelt. Man wird sofort
erkennen, dafs es dieselbe Gliederung ist, wie sie die Visiere der sogenannten
Hundsgugeln zeigen, an denen jedoch noch die zum Kragen gewordene Brünne
befestigt ist. Das früher absteckbare Visier dreht sich hier nach oben um eine Niete.
An der linken Seite des Visiers ist ein Knopf mit einer Feder (auf der inneren
— 65 —
Ansicht [Fig. ö2] ist die scliräg-e Feder deutlich erkennbiii) zum Feststellen
desselben augebracht. Unterhalb der Schlitze ist noch eiue g-röfsere Öifnung
mit gezahntem Rande, vvol später erst im Visiere angebracht, um demselben, da
es keine Hundefratze mehr darstellen konnte, annähernd den Charakter einer Ge-
sichtsfratze zu geben, vielleicht aber auch, um mehr Luft zum Atmen einzulassen.
Der Scheitel und Hinterkopf zeigt mehrere Löcher, von denen die mittleren vvol
zur Befestigung einer Helmzier, etwa Straufsfedern, dienten, die übrigen für die
Helmdecke, welche hinten das Haupt umtlatterte. Die Polsterung mag gesondert
auf dem Haupte getragen worden sein. Die Löcher am unteren Rande dienten
zur Feststellung eines Verbindungsstückes mit Brust und Nacken. Wenn schon
der Helm ganz zur Benützung im Ernstkampfe geeignet scheint, so zeugt doch
nicht blofs die Vorbereitung zur Befestigung von heraldischem Schmucke auf dem
Helme, sondern auch seine Bemalung, dafs der Träger sich überhaupt heraldisch
schmücken wollte. Von dieser Bemalung sind freilich nur noch Reste vorhanden.
Doch ist er in der Mitte über den Scheitel \veg geteilt und noch zu erkennen,
Fig. 55.
Fig. 56.
dafs die rechte Hälfte mit (den bayerischen?) Wecken weifs und blau bemalt war,
während auf der linken Seite roter Grund sich erkennen läl'st. wobei allerdings
von einer etwaigen heraldischen Figur, welche vielleicht auf dem roten Grunde
stand, nichts mehr festzustellen ist. Es mag, wenn einzelne Spuren wirklich Reste
von Farbe sind, eine schwarze Figur (was jedoch gegen den heraldischen Ge-
brauch sein würde) gewesen sein, welche diesen Teil des Helmes schmürkle.
Der Helm, welcher in Fig. ;iö u. 56 abgebildet ist, zeigt nun diejenige
Form vollkommen ausgebildet, welche im Schlufse des 15. Jahrhunderts sich
gerade aus der vorangehenden Form entwickelt hatte. Was dort als Visier aus
einem Stücke gebildet ist, ist hier in zwei sich übereinander wegschiebende, um
denselben Drehpunkt bewegliche Teile zerlegt. Davon ist der unlere, ilas Kiini-
retr, noch mit einem Ansätze /iir Bedeckung des Halses versehen, der Nacken
ist durch einen kleinen (sonst meist dreinuilj geschobenen Ansatz aji ilem Helme
geschützt, welcher an unserem Exemplaie abhanden gekommen isl. Der obere
Teil des Visiers zeigt noch ilie Erinnerung an die Geslall der abgeschwächten
Hundsgugel; noch ist, wie beim vorigen Beispiele, ein spitzer Vorsprung für
Mitteilungen aus dem gorniau. Natioualinuseuin. IH1)2.
IX.
— 66 -
die Nase, darUbei- ein schwächerer mit den zwei Sehschlitzen; die untere Falle
vor dem Munde ist Jedoch verschwunden und das Visier geht vom Nasenvor-
sprunge bis zu in uii Irren Rande schräg; acht kleinere Schlitze, sowie eine An-
zahl Löcher, lassen die zum Atmen nötige Lnft eindringen. Der Helm ist aus der
Sammlung des Jetzt verstorbenen vormaligen Direktors des Salzburger Museums,
Jobst Schiirmaun, als er nach München übersiedelt war, zu uns gekommen.
Er gehört nicht zu den seltenen Formen und es ist daher nebensächlich, festzu-
stellen , woher er ihn erworben, wol aus der Gegend um Salzburg oder aus
Kärnten, woher SchilTnumn andere Rüstungsteile bekommen hatte. Er wiegt
1,80 kgr. Eine Waffenschmiedemarke ist nicht zu erkennen.
Um auch in diesem Abschnitte die chronologische Folge einigermafsen bei-
zubehalten, fügen wir noch in Fig. o7 ein Stück aus dem oben erwähnten Bilde
Fig. 57.
der Schlacht vor Nürnberg vom Jahre tö02 bei, um wieder die Mannigfaltig-
keit der damals getragenen Helmformen zu zeigen. Freilich ist die Zeichnung
so frei und tlüchtig, daCs es schwer fallen müfste, irgend einen Helm zu rekon-
struieren.
Deutlicher tritt der Helm an der Figur des Grafen Hermann von Henne-
berg auf dem bronzenen Grabmale in der Kirche zu Römhild'^^) hervor, welches,
ein Werk Peter Vischers, in Abgufs das germanische Museum ziert. Es ist
als gemeinsames Denkmal für ihn und seine Frau, Elisabeth von Brandenburg,
welche 1507 gestorben ist, gefertigt. Der Gatte liefs dasselbe wol sofort nach dem
Tode der Elisabeth fertigen und für seinen Todestag in dem Inschriftsfriese Raum,
so dafs alsdann, wenn auch er gestorben war, die Angaben aus dem Metalle
ausgehallen werden konnten. Er starb jedoch erst 1335. Der Meister brauchte
zur Ergänzung der Inschrift nicht den gesamten ausgesparten Raum , so dafs
45) All/,, f. K. (I. (1. V. 1882, Sp. 100 und Tafel.
— 67 -
beim rechten Ellbog-en noch ein Teil des für die Schrift stehen gebliebenen
Metalles bis heute unbenutzt ist. Wir erwähnen diese Thatsache ausdrücklich,
da aus ihr hervorg'eht, dafs das Grabmal schon bald, vielleicht sofort nach dem
Tode der Frau und nicht erst nach 1535 g-efertig't ist, dafs alfo der Helm hier unter
die Jahre 1507—1510 in die chronologische Reihe einzufügen ist. Er ist als Fig. 58
dargestellt. Ob indessen der Bildhauer den Helm ganz richtig modelliert hat?
Zwar erkennen wir die vorn bis zur Stirne rückwärts über den Hinterkopf weg
hinter dem Halse sich herabziehende Glocke; wir erkennen das um die Rosette
sich drehende Visier. Wir sehen das Kinnreff, aber wir können nicht sehen,
wie dieses beweglich war und doch ist dies ja unerläfslich. Wir sehen aber
auch, dafs der Hals und das Kinnreff unten zusammen einen hohlen Wulst
haben, in welchen der obere Rand eines dreimal geschobenen, aus vier Schienen
Fig. 58.
bestehenden liulskragens cingreifl, dci' auf dem lirusl hämische und ilcm
Rücken ruht, während der Helm einfach auf diesem Halsschut.ze, den oberen
Rand deckend, aufrulil. Was wir aus dem Hennebergschen Grabmale am deut-
lichsten sehen, das ist das Aussehen des Kopfes bei aufgeschlageniMii Visiere,
welches doch wesentlich von jenem abweicht, das sich hol. wenn das Visier der
Beckenhauben des 14. Jahrhunderts, insbesondere der Huiidsgugol, aufgeschlagen
war, das ja dauernd gar nicht offen gehalten werden konnte, ohm^ (mii unan-
genehmes Bild zu zeigen. (Vgl. Fig. 48.)
Wir sind mit den Helmen vom Ende i]vs 15. und Beginne dos lü. Jahr-
hunderts in das Zeitalter Kaiser Maximilians, des letzten Ritters, einu'etrelen.
welcher bekaiuitlich der Kntwickelung des ^^'affenwesens grofse Aufmerksam-
kril scilcnkli' nnil iM'isiinlicIi neue Kriindungen zu niaclieii bestrebl \\;\y. Kr
trug noch in seiner Jugeml die Schalleiii in Vorbindung mit der IMattenrüstung
jener Zeit und den spitzen Schuhschnäbeln. AufointMii Holzschnitte von Hurgk-
mair vom Jahre 1518 B. 32 (im Museum unter 11. Il>7 d(>s Kupfcrstiohkabinottes
Fig. 59.
— 69 —
vorhanden), welchen wir hier geben (Fig-. 59), trägt er einen Helm, welcher
jenem eben vorgeführten Hennebergischen fast vollständig gleicht. Bemerkens-
wert ist nur die Reihe Löcher um die GesichtsötTnung im Kinnreff, sowie der
heraldische Schmuck. Die Faltung des Visieres hat vier herausstehende Streifen.
Des Kaisers eigene Erfindung sollen nun die gestreiften Harnische gewesen
sein, zu denen natürlich auch gestreifte Helme gehören, aber bei Behandlung
des gesamten Harnisches werden wir zu zeigen haben, dafs diefs durchaus nicht
der Fall. Im Weifskunig, wo er in einem eigenem Kapitel seine Erfahrung in
der Plattnerei und seine Verdienste um die Umgestaltung derselben erwähnt,
spricht er nicht davon, die Arbeiter in der Plattnerwerkstätte fertigen keine
solchen und in dem ganzen Bande kommen nur ganz vereinzelt Reminiszenzen
solcher vor. .Merkwürdigerweise aber gehen diese auf jenem Blatte am weitesten.
Fi^. 00.
t'if?. (iL
WO der Kaiser im (jes[)räch(' mit einzelnen lombardischen Kriegern dargestellt
ist, von denen er lombardisch lernt, Krieger, welche man etwa als Mailänder
ansehen kann. Übrigens ist hier nicht der Orl zu solcher Untersuchung.
Wir bilden hier in Fig. 60 u. 61 den Helm^^) einer der schönsten unserer
kannellierlen Rüstungen ab, welche Gurlilt'^^) unter Nr. 68 beschreibt. Der Helm
hal zwischen den Kannelliorungen, welche, wie dies bei allen solchen die Regel
ist, nur den Scheitel der (jlocke decken, drei, vorn und hinten in eine einzige Spitze
zusammenlaufende, schi'äg gewundene Wulste. Der Schutz der Hinterseite
des Halses isl nii hl mit der Glocke aus demselben Stücke getrieben, sondern
am unteren Rande derselben aus eiiii'iii lirsoiultM-eii Stücke angenietet, wobei
der unlere Rand der Glocke selbst, die über das Nackenslück deckt, unten
in runden Bogen ausgezackt ist. .\ii dirsem Xackenschutzstücke und dem Kinn-
46) Der Harnisch, zu wclclioiu dieser llcliii jiclKn-i. kam (liircli V('niiilllun}r von Droy
in Münclicn aus drv .schon ölten erwiihnjeii Satiimhiiin' des Dr. \\ illiejnii . dainals in Horlin,
in die unsrige. Wir hahen dens(^lhen im An/eit^er 1". K. d. d. \. 1882, Öp. 97/98 ahtjehiliiet.
47j Dontsche TurnitM-e, lUisInn^cn und Plaltner t\fi< Kl .lalirhiiuderls. Dresden ISS'.I.
70 —
rt'llV' isl ein i^Torscr Wiilsl lür ilcii iiiilt'i-rii Huiul durch g'üwundeiie Treiliarbeil;
herg-eslellt, in welchciii der in den Wulst eing-reifende Kragen umgeht. Um
dieselbe Rosette, um welche sich das Kinnreff dreht, dreht sich auch das Visier,
welches zu vier Vorsprüng-en g-estaltet ist, hinter deren oberstem die Sehschlitze
lieg-en, während in den drei anderen Falten zwöH'LuftölT'nungen ang-ebracht sind.
Ein B'ederknnidchen zum Verschlusse des Visiers läCst sich auf der rechten
Seite des Helms aus der Zeichnung- erkennen , ebenso ein Griff der angefaCst
wurde, um das V^isier zu heben und zurückzuschlagen. Wir gel)en nebenstehend
die Marke, welche der J3rustharnisch träg't, da sie bei (Jurlitt nicht g-anz
korrekt wiedergegeben ist. Wendelin Böheim schreibt den Eisenhut,
I ^ aber in einem Schilde, dem Plattner Veit zu. Das Gewicht des Helmes
l)eträgt 2,75 kgT.
Einer sehr schönen, kannellierten Rüstung-, welche breite geätzte Streifen
(das erste Vorkommen der Ätzung in unserer Watfensammlung) zwischen schmalen
glatten trägt, gehört der originelle in Fig. 62 u. 68 abgebildete Helm an, welcher,
Fig. 62.
Fi!?. 63.
wie der vorige drei, so zwei Wulste (Grate) auf dem Scheitel hat, dessen Visier
aber zu einer Schembartlarve ausgetrieben ist, die freilich nur sehr naive Gemüter
zu schrecken vermag, im übrigen durch freundliches Grinsen eher einen er-
heiternden Eindruck macht. Die Augen sind neben der Treibarbeit noch durch
Gravierungen hervorgehoben, die Pupillen durchlocht, doch befindet sich ein
Sehschlitz erst oberhalb der Augen, während der Zaun der grinsenden Zähne
die Luft zum Atmen einläfst. Das Kinnreff dreht sich nicht auf- noch abwärts,
sondern öffnet sich in der Mitte des Kinnes und dreht sich mittelst Scharnieren
nach beiden Seiten ziemlich weit hinter den Kopf. Ein Haken schliefst dasselbe
wieder; ein Federknopf dient zum Festhalten des Visiers am Kinnreffe. Ein
Wulst am unteren Rande liefs den Helm im Kragen umgehen. Die Ätzung ist
reizend. Der Harnisch hat die Nürnberger Beschaumarke, zeigt also seine Her-
kunft von dort an. Er befand sich wol im Nürnberger Zeughause, ist
aus demselben nach Feistritz entführt worden und hat erst mit der Sulkowski-
schen Sammlung den Weg nach Nürnberg zurück gemacht. Das Gewicht des
Helmes beträgt 8,0o kgr.
— 71 —
Grleichfalls aus dem Nürnberger Zeughause rührt ein anderer Helm her,
welchen wir in Fig-. (34 u. 65 abbilden, der sich jedoch im Besitze der Stadt
erhalten hatte und von dieser unserem Museum mit einem gotischen Harnische
übergeben wurde. Er hat dieselbe Konstruktion wie der in Fig. 53 dargestellte,
Fig. 64.
h"\s. Gb.
geht jedoch nicht im Kragen um, sondern legt sich mit seinem kleineren Kragen
über den Halsschutz der Rüstung. Sein Nacken ist dreimal geschoben. Der
Schädel wulst (Grat) ist etwas höher, als bei dem vorhergehenden Helme. An
der rechten Wange befindet sich ein Stäugelchen, dessen eines Fnde um einen
KiL'. (')(■).
Fip. (V
Knopf drehbar ist, während es am anderen freien Ende einen gabelförmigen
Einschnitt hat. so dafs es aulg(!stollt und das Visier damit olTen gehalliMi werden
konnte. Er hat das Nürnberger Beschauzeichen und (hei Punivtr. Der Helm
hat ein Gewicht von 2,15 kgr.
— 72 -
Einigfe wenige Sireilen sind noch in den Scheitel der Glocke des nun in
unserer Sammlung folgenden Helmes einwärts getrieben , an die gestreiften
Rüstungen, welche in der That nur einer ganz kurzen Zeit angehören, erinnernd.
Wir bilden ihn in Fig. 66 u. (i? al). Kr hat, wie so viele vorher und nachher,
keinen Grat. Wenn er auch ein wenig gröfser ist, so gleicht doch seine Kon-
struktion vollständig jener des in Fig. Irö abgebildeten. Insbesondere ist die
Konturlinie des Visiers eine ähnliche. Der Harnisch, zu welchem er gehüi-t, trägt
in Ätzung die Jahreszahl lo22, zu welcher Zeit man also die alte Form noch
trug, welche älter ist als die Erfindung Maximilians und sie überdauert hatte.
Es ist der Helm jenes Harnisches, der, aus dem Nürnberger Zeughause nach
Feistritz gelangt, dort bis zuletzt als solcher des Götz von Bcrlichingen gegol-
ten hat. Das geätzte Wappen auf der Brust widerlegt jedoch diese romantische
Annahme. Es ist nicht das Götzens. Es ist mit seinen drei Rädern im Schilde
jenes der Familie Steinrück, gen. Steinau; auf Götzens Grabstein erscheint es
freilich auch; aber als das der zweiten Ehefrau seines Vaters Kilian, welche
dieser Familie angehörte, während Götz der dritten Ehe seines V'aters, mit einer
gebornen von Thüngen, entstammt. Der Brustharnisch trägt das Nürnberger
Beschauzeichen. Der Helm hat ein Gewicht von 2,60 kgr. Die Helme dieser Form
sind unter dem Namen Burgunderhelm, Bourgoiguon, bekannt und haben ihre
schönste Entwickelung in der folgenden Periode, wo noch viel von ihnen zu
handeln sein wird.
VIII.
Den Stech hei men ähnliche Kriegshelrae.
Unter den verschiedenen Helmformen, welche schon in den Bilderhand-
schriften des trojanischen Krieges vom Schlüsse des 14. Jahrhunderts und
Fig. 68.
von 1441 sowie auf dem Bilde der Schlacht bei Nürnberg lo02 sich zeigen, kommt
auch eine solche nicht selten vor, welche den alten Topfhelm in neuer Gestalt
vorführt. Wir geben hier in Fig. 68 einige solche Helme aus dem Trojanerkriege
- 73 —
von 1441 wieder. (Vergl. auch Fig. 18, Fig-. 29 u. Fig. 50.) Ein Beispiel eines
solchen, nicht mit den Turnierhelmen zu verwechselnden Kriegshelmes, besitzt
das germanische Museum ebenfalls und wir bilden dasselbe in Fig. 69 u. 70 ab.
Der Helm konute, gleich dem Topfhelme, nur von oben über den Kopf gestülpt
werden. Da er zur vollen Plattenrüstung getragen wurde, die herabgehenden
Enden auf dem Rücken und der Brust desselben befestigt wurden, so ist nicht
anzunehmen, dafs eine Beckeuhaube darunter getragen wurde, vielmehr wol blofs
eine Polsterkappe. Der Helm besteht aus zwei Stahlblechen, welche nach oben
erweitert, an der Seite vernietet und mit einem dritten bedeckt, eine feste Hülle
bildeten, die den gesamten Kopf umfafste. Eine kleine blattförmige Verdoppelung
am Hinterkopfe schmückt unser Stück mehr, als es dasselbe verstärkt. Das Glewicht
Fig. 69.
FiL'. 70.
beträgt 8,lö kgr. Das Stück, welches auf den Schultern, wie auf BrusL uiul
Rücken des Reiters aufruhte, beschwert also denselben genug, um ihn nicht
auch noch eine Beckenhaube dazu wünschen zu lassen. Die Stärke des Stahles
isL indessen nicht wesentlich gröfser, als bei den meisten Helmen. iMohr als
diese, macht ihn seine Gröfse schwer. Der obere Deckel verschliefst die Öffnung
des Helmes nicht ganz, sondern lüCst eine kleine Fläche vorn offen. Es ent-
steht so ein Sehschlil/, von l)ulrächl lieber Gröfse. Aber er liegt über der
Augenhöhe und das jjicht fällt senkrechl von oben ein, so dafs zwar der Kopf,
inshesondere das tiesicht gegen Hieb und Stich Schulz fand, aber der Träger
den Gegner nur sehen konnte, wenn er den Kopf zicMiilich tief lierabbtMigte.
Dann aber konnte ein Pfeil leicht das Gesicht treffen, wie Itoi Kig. 68 er-
sichtlich ist. Es mag ein hübsches Ohrensausen gegeben haben, wenn der
Mitteiluugeu aus dem güriiiuii. Natiuuuliiiuseuin. 1892.
X.
— 74 —
Kopf in dem eiseruen geschlossenen Zylinder steckte, der nur über dem Scheitel
eine Öffnung- hatte, den Sehschlitz, der 7Aig:leich den Lufteinlafs vermittelte.
Diese unangenehme Wirkung- auf die Ohren zu beseitig-en, diente ein Schlitz
auf der Seile g-erade ungel'ähr an der Stelle, wo das Ohr des Trägers sich be-
fand, und welcher als Gehürschlitz zu bezeichnen ist.
Eine Anzahl Lücher au dem Helme haben uns noch zu beschäftigen; ein
Paar Lck-her im Scheitel und ein solches Paar zu jeder Seite der Deckplatte
dienten zur Befestigung der Helmdecke und des Zimiers, falls der ritterliche
Träger dieses Helmes solche anzubringen beliebte. Auf den Abbildungen
Fig. 17, 48 u. 57 finden wir solchen Schmuck jedoch nicht. Die Polsterkappe
gab eine gehörige Wattierung des Kopfes ab, der nicht jeden Hieb fühlen
sollte, welcher auf den Helm traf, und auch den Druck des Helmes selbst
gemildert finden , sich dagegen vollständig fest in demselben fühlen sollte.
Diese Polsterkappe wurde unter dem Kinne festgebunden, hatte aber beiderseits
je zwei Paare Schnürriemen, deren freie Enden, durch Löcherpaare herausge-
schoben, es gestatteten, dafs der Helm noch jederseits an zwei Stellen mit der
Polsterkappe verknüpft wurde. In jedes Loch der Reihe, welche unten rings
um den Hals geht, griff ein an Brust und Rücken des Harnisches befestigter
Haken ein, so dafs der Helm von dem Harnische getragen wurde. Dafs etwa
eine Schraube in jedem Loch befestigt worden wäre, ist doch der Umständlich-
keit wegen kaum anzunehmen, höchstens eine oder mehrere auf der Brust
konnten etwa die Befestigung des Helmes an dieser und ähnliche auch jene am
Rücken bewirken. Vielleicht lief auch ein leinener oder lederner Schnürriemen,
ein Nestel mit messingenem Stifte an der Vorderseite und ein ähnlicher an
der Rückseite, welche beide an einem Polsterkragen befestigt waren, durch
den Ring von Löchern und wurden auf den beiden Schultern , wo doppelte
Löcher sind, herausgezogen und gebunden, so dafs doch der Kopf mit dem
schweren Helme nicht vollständig bewegungslos auf dem Körper safs, sondern
dafs die Elastizität des gepolsterten Kragens und der Polstermütze doch einige
Bewegung zuliefs. Das sehr merkwürdige Stück, welches keinerlei Marke trägt,
gehörte der Sulkowskischen Sammlung an. Ganz entgegengesetzt in vieler
Beziehung ist die Aufgabe der Turnierhelme , von welchen zu reden wir bald
Anlafs haben werden.
IX.
Hauben.
Kaiser Maximilian I. bildete in seinem Heere das Landsknechtswesen aus.
Es waren diese Landsknechte, wie das Wort sagt. »Knechte« und so grofs auch
deren Bedeutung war, so weit ihr Stolz ging, sie hatten doch knechtische
Waffen; die schwere, ritterliche Wehr durften sie nicht tragen, schon aus dem
Grunde nicht, weil ihre Beweglichkeit und Manövrierfähigkeit darunter gelitten
haben würde. Als Kopfbedeckung trugen sie meist das Barett aus Tuch. In-
dessen wollten auch sie eine eiserne Kopfbedeckung nicht stets missen und
wir sehen auf Abbildungen, dafs sie teilw^eise eiserne Hirnhauben trugen, welche
nichts anderes sind, als die alten Beckenhauben einfachster Konstruktion, wie
wir z. B. solche in unserer Fig. 6 kennen gelernt haben. W^ir sehen auch den
mit der Haube verbundenen Panzerkragen wieder auftauchen. In den Fig.
— 7ö —
71 u. 72 geben wir Nachbildungen der Köpfe solcher holzschnittlich verbreiteter
Landsknechtsfig'ureu , welche noch der Maximilianischeu Zeit angehören^ wenn
auch ihre Veröffentlichung durch H. S. Beham, Melderaaun, Guldenmund u. A.
noch ein bis zwei Jahrzehnte nach Maximilians Tod fortgesetzt wurde. Unsere
Fig. 71.
Fig. 72.
Sammlung hat aber auch solche Hirnhauben in Original. Da ist eine, welche wir
gar nicht abzubilden brauchen, weil sie beinahe mit Fig. 6 übereinstimmt, nur
dafs nicht der dichte Kranz von Löchern vorhanden ist. in welchem dort das
^^
Flg. 73.
Fig. 74.
Keltongenpchte angeschlossen war. Es sind vielmehr nur wenige Löcher, um
eine Polsterung und vielleicht einen woIIciumi oder ledernon ihilskragcn z\i be-
festigen. Wir haben das Stück einem Wiener Saiiniilcr zu daiikcii . der eine
71) —
jjrüfsere Zulil soU-hci- hcsafs. Es ist im Eisen ein ivleiu wenig- stärker, als das
in Fig-. 6 darg-estelltc und wiegt 0,75 kgr.
Dagegen bilden wir ein Häubchen ab (Fig. 73), welches sich nicht so
dicht dem Kopfe anschlieCst, vielmehr mit llachem Scheitel versehen, über
dem Haupte des Trägers etwas Luft läfst. Zu beiden Seiten hängen in Schar-
nieren runde Klappen als Schutz der Ohren und Wangen, zugleich zur Befesti-
gung von Sturmbändern aus Lederriemen, welche unter dem Kinne geschnallt
wurden. Wir besitzen deren einige Stticke mit leichten Varianten der Form
und teilweise mit getriebenen Verzierungen auf der Backenklappe. Sie stammen
Fig. 75.
i<ig. 76.
sämtlich aus der Rüstkammer der freiherrlich v. Künsbergschen Famihe zu
Wernberg in Oberfranken, jener in der Reihe der Förderer unserer Anstalt so
hervorragenden Familie, die durch geschenkweise Überlassung fast des gesamten
Bestandes ihrer Rüstkammer die Waffensammlung des germanischen Museums,
welche bis dahin nur wenige Stücke umfafst hatte, erst eigentlich begründete.
{Ebendaher kommen auch einige andere Hirnhäubchen, von denen wir eines
in Fig. 74 abbilden, die auf dem flachen Scheitel drei gewundene Wulste haben.
Sie sind nicht selten, w^aren meist mit rotem Sammet bezogen, so dafs nur eben
die blank geputzten Wulste aus dem Sammet hervorsahen, was diesen Waffen
ein ebenso elegantes als einnehmendes Aussehen gab, so recht geeignet, die
Landsknechte von der glänzenden Seite zu zeigen.
— / / —
Noch sei hier in Fig-. 75 ein anderes Häubchen tlargestelll, jenen nachge-
bildet, die in Sammt und Seide, mit Stickereien besetzt, von vornehmen Herren
als bürg-erliche Tracht g-etrag-en wurden (vergl. Fig. 76), wie gerade damals ja
auch die geschlitzten Hosen und Wämser der Landsknechte von treibkuudigen
Plattneru in Stahl nachgebildet wurden. Es war nur eben ein Schutz des
Hinterhauptes und auch so nicht schwer, nicht bestimmt, unter einer gröfseren
Kopfbedeckung getragen zu werden. Die Landsknechte sollten ja allseitig be-
weglich augreifen und durch Ungestüm des Angriffes siegen. Unser Stück hat
ein Gewicht von 0,75 kgr. Es ist gleich dem Scheitel der Helme «maximiliaui-
scher« Rüstungen kannelliert. Das Museum hat dasselbe vor Jahren von Pickert
erworben.
Mit diesem Häubchen ist alles abgeschlossen, was in Bezug auf Maxi-
milians L Zeit sich von den Helmen sagen läfst, die im Kampfe getragen
wurden und in unserem Museum vertreten sind.
X.
T u r n i e r h e 1 m e.
Noch haben wir aber eine Reihe von Helmen anzuführen, wenn jene des
Museums bis zur Zeit Kaiser Maximilians L besprochen werden sollen, die
Turnierhelme. Wir wissen ja, dafs gerade der Kaiser es war, dessen ritterlichem
Sinne die Turniere in der Form , wie sie damals zur Ausführung kamen , die
höchste Förderung zu danken hatten, wir wissen, dafs er der Umgestalter des
Turnierw^esens war, wie er dasselbe schützte und verbreitete. Das germanische
Museum ist durch die Erwerbung der Sulkowskischen Sammlung in den Besitz
sehr schonen und trefflichen Turnierzeuges aus Kaiser Maximilians Zeit in ziem-
licher Zahl gekommen, und das Direktorium hat jedenfalls Veranlassung, den
Freunden der nationalen Anstalt einmal im Zusammenhange von diesem Turnier-
zeuge zu erzählen, so dafs wir lange Bedenken trugen, hier blofs die Helme
zu betrachten, obwol es uns der Titel dieses Aufsatzes vorschreibt. Und doch
würde der Aufsatz ja eben unvollständig sein, wollten wir hier von den Turnier-
helmen absehen. Dazu kommt, dafs Schild und Helm eine Bedeutung haben,
welche weit über jene hinausgeht, die ihnen als Waffen zukonmit. da sie als Träger
des heraldischen Schmuckes als Grundlage der Heraldik anzusehen sind. So-
weit nun auch die Kunst des Wappenzeichnens sich gestattet, in ihren Formen
über die Grenzen hinauszugehen, welche jene beiden Waffenstücke in der histori-
schen Folge der Entwickelung des Waffenwesens innc gehalten haben . so hat
sie doch immer wieder auf die Originalformen zurückzugehen . welche die
Waffen selbst trugen und da stehen ihr naturgemäls keine näher, als jene,
welche im Turniere getragen wurden, dem ritterlichen Spiele, in welchem die
Heraldik eine so grofse KoUe spielte. Aber wir lassen jede Befrachtung der
Turniere uiul des Turnierzeuges im allgemeinen beiseite und halten uns lediglich
an die Helme.
Es sind nun vorzugsweise drei Formen di'r Helme . wrlclic den drei
Hauptgattungen des Turniers entsprechen, deren jede wieder mehrere Unterarten
entwickelt hatte. Alle dici sind sind im germanischen Museum vertreten. Sie
schliefsen alle an Helme an, welche uiieli im Ernslkampl dieiilen: in>|iriinglich
78
g-ab es wol ii:ar keine besonderen Waffen für tlie Turniere, denn auch der alte
Topfhelm wurde ja im Ernstkampfe getragen , nur dort bald aufser Gebrauch
gesetzt, während er im Turniere beibehalten wurde; aber zur Zeit Maximilians
ist der Turnierzeug bereits in charakteristischer Weise umgestaltet. So viel die
Helme im Ernstkampfe Sicherheit gegen Angriffe bieten sollten, so durften sie
doch die Beweglichkeit nicht zu sehr beeinträchtigen, sie durften nicht blofs
für die Defensive geeignet sein, sie mufsten auch dem Ritter die nötige Frei-
Fig. 77.
Fis
heit für den Angriff lassen, denn nur siegreicher Angriff konnte zum Erfolge
führen. Beim Turniere aber handelte es sich darum, nur gegen ganz bestimmte,
durch die Regeln allein gestattete Stöfse gerüstet zu sein; aber auch so gerüstet,
dafs sie für den Getroffenen unschädlich waren, denn auch der Helm konnte
getroffen werden; im sicheren Treffen des Gegners lag der Erfolg, wenn der
Stofs stark genug und richtig geführt wurde, aber der Getroffene durfte durch-
aus keinen Schaden nehmen , denn es handelte sich nur um eine ritterliche
— . 79 —
Übung zwischen Freunden, die auch nach der Übung Freunde bleiben
wollten und sollten.
Die erste Art der Helme sind die beim »Stechen« dienenden. Sie haben
sich aus den alten Topfhelmen des 14. Jahrhunderts entwickelt; sie gehen mit
den Stechhelmen parallel, welche für den Ernstkampf hergestellt wurden und
von denen wir in Fig. 69 ein Beispiel abbilden konnten. Für den Turnierge-
brauch wurden sie nun gefertigt, wie Fig. 77 u. 78, gleichfalls aus drei Platten
zusammengesetzt, sie zeigen. Unsere Figuren führen einen der zu ganzen
Turnierrüstungeu gehörigen Stechhelme des Museums vor Augen, deren sieben fast
ganz identische, nur eben durch Einzelheiten und die Plattnermarken von einander
unterschiedene zu uns gekommen sind, eine Fülle, auf welche wir vorher nie zu
hoffen gewagt hätten. Verglichen mit jenem in Fig. 69 abgebildeten, fällt vor allem
die gröfsere Stärke des Stahles auf, die unserem Turnierhelme ein Gewicht von
8,40 kgr. gibt, andere sind noch schwerer; die zweite Bemerkung, welche wir
machen, bezieht sich auf die geringere Höhe, die gröfsere Breite des Helms und die
breite Auflage desselben auf der Schulter. Nehmen wir dazu die sofort ersichtliche
andere Befestigungsart, so zeigt sich die Aufgabe des Turnierhelmes als eine von
jener beim Ernstkampfe ganz verschiedene. Dafs unsere Turnierhelme eleganter
gearbeitet sind, als der oben augeführte, verwandte Kriegshelm kaon nicht auftallen.
Wenn hier bei dem abgebildeten Helme die Kanellierung des Deckblechs , die
durch kleine Bogen gesäumten Ränder, der starke Grat, die messingenen
Rosetten um die Schnürlöcher, die Ausbildung der Gehöröffnung zu einem
gotischen Fenster, die Zierlichkeit der Schnallen uns auftällt, so zeigen alle
diese Kleinigkeiten, dafs man den Helm eben als Spielzeug vornehmer Herren
anzusehen hat. Auf dem Grate liegt oben ein schmaler federnder Blechstreifen
um die Helmdecke sowie die Helmzier zu fassen. Zwei Rosetten vor und zwei
hinter demselben auf dem Grate dienten zur weiteren Befestigung der damit
verbundenen Helmdecke und des mit ihr verbundenen Zimiers. Dazu dienten
noch je zwei Löcher auf jeder Seite des Deckbleches und des Schädelbleches;
die zwei horizontal nebeneinder stehenden unterhalb und oberhalb der Gehör-
öffnung dienten zum Festbinden einer Polsterhaube im Helme ^s), welche die
Stöfse milderte, die etwa auf den Kopf hätten wirken können. Besonders wich-
tig war aber die feste Verbindung des Helmes mit der Harnischbrust und dem
Rücken für die Sicherheit des Turnierenden. Brust , Rücken und Stechhelm
mufsten zu einer absolut unverschieblichen Einheit noch mit den Bauchreifen
verbunden werden, in welcher der Träger der Rüstung lose safs und deren Last,
vermittelt durch den Beinschutz, nur den Sattel beschwerte. Delshalb war am
Rücken eine ülTnung, in welche ein vom Helme tief herabgehender Hak(Mi eingrill'
und sodann durch Bewegung einer Schraube soweit in die Höhe gezogen wurde,
dafs er den in der Öffnung liegenden Teil des Rückenbleches fest fafste und so-
mit verhinderte, dafs der Helm sich vor- oder rückwärts neigen konnte. Drei
mächtige Schrauben mit grofsen, innen belindlichen Köjiten gingen von innen
48) Es lag zwar nicht viel daran, dafs diese Polslerliaubc atn lloltnc liofosliiit \vtir<lo;
allein sie konnte nicht gut auf dem Kopfe des Trägers bt'fi\sligt worden und so wurde sie
eben am Helme angeschnürt. Vier doppelte Bänder, zwei auf jeder Seite, waren daran
befestigt; die Haube wurde eingelegt und die Nesteln durch die Rosetten nach aul'seii ge-
schoben und alsdann aul'sen jedes solche Bäruierpaar festgeknüpft.
80 —
Fi^. 79,
Fig. 80.
XI.
— 82 —
tlurch drei, den in der Briisfplafle des Holmes entsprechende, im Bruststücke
des Harnisches bellndliche Lücher hervor, am freien vorderen Ende mit einem
Schraubong'owinde, in welches je eine gTofse Schraubenmutter pafste, die vorn
ani;o'^<"liiaubt wurde, so dafs der Helm vorn ebenso lest mit iler Brust ver-
bundeil wurde, als hinton mit dem Rücken, ohne daCs er auf den Schultern
des Turnierenden auflag', welcher auch seinen Kopf im Helme frei beweg-en
konnte. Ein LanzenstoCs, welcher auf den Helm traf, zog- dadurch den Kopf
des Trägers nicht ins Mitleid; es war g-anz genau so, als ob die Brust ge-
trofTen worden wäre; ja, die vielen Stöfse, welche an unseren Hehiien in der
Halsgegend ihre Spuren zurückgelassen, zeigen deutlich, dafs man gerade dahin
die Stöfse mit Vorliebe richtete. Auf der Schulter liegen Schnallen, an welchen
der Armzeug befestigt wurde, während zwei andere Schnallen an der Rückseite
Riemen trugen', die, um den Hals vorgehend und vorn geschnallt, den festen
Zusammenhalt des Helmes vermeinten. Zu erwähnen haben wir noch, dafs der
hier abgebildete Helm kein Meisterzeichen trägt, während die übrigen zu Harni-
schen gehören, welche durch das Nürnberger Beschauzeiehen, zwei überdies
noch durch Marken des Meistors Valentin Siebenbürger bezeichnet sind.
Für die heraldischen Zeichner blieb stets der Stechhelm die beliebteste
Helmform; indessen nahmen es die wenigsten sehr genau und, ebenso wie die
Formen der Schilde, so waren auch jene der Helme meist der Phantasie entnom-
men, selten einem Originale entsprechend. Nur auf Albrecht Dürers Wappen-
zeichnungen ist alles klar. Sein Wappen mit dem Hahn als Kleinod (B. 100)
zeigt uns die Nesteln aus den Löchern hervortretend und zusammengebunden.
Es zeigt den Stechhelm schräg von vorne, während bei dem Wappen mit dem
Todtenkopfe und einem Fluge (B. 101) als Helmzier der Helm ganz von der Seite
gesehen ist. Bei beiden Helmen raufs er die ornamental so reich ausgebildete
Helmdecke aus Leder modelliert gedacht haben. Bei dem Hahne hat er den
vorderen Teil abgeschnitten gezeigt, so dafs die zwei Rosetten auf dem Grate
leer, bei jenen auf dem Deckbleche die Nesteln blind aufgebunden sind. Er hat
dies lediglich, um seine Helmstudie genau verwenden zu können, gethan, denn
jeder Techniker wird erkennen, dafs eine solch schwere Helmdecke auf dem Helme
nicht halten kann, wenn nicht auch die drei vorderen Nesteln zur Befestigung
verwendet sind. Die Helmdecke und -zier hatten die Tendenz, vom Helme rückwärts
herunterzugleiten, und da der ganze Turnierzeug zu einer Einheit verschraubt ist,
diese Einheit und damit den Turuierenden nach rückwärts zu ziehen, gerade so,
wie es sein Gegner wünschen mufs. Wir geben in Fig. 79 das Wappen mit dem
Hahne wiederund stellen ihm in Fig. 80 jenes mit dem Totenkopfe gegenüber^^).
Aus diesem wird es noch deutlicher, was Dürer gemeint hat. Er wollte nicht die
Zeichnung des Helmes teilweise durch die bewegte ornamentale Helmdecke unsicht-
bar machen, hat daher nur die rechte Seite derselben gezeichnet, jene der linken
aber, die hier die V^orderseite wäre, ganz weggelassen, so dafs selbst der Grat
des Helmes sichtbar wird, da er gleichzeitig den Schmuck über den Helm in
die Luft gehoben. Die hinteren Rosettchen sind daher sichtbar und die Nesteln
gehen durch dieselben in der Luft in die Höhe. Die Schleife derselben mufs
49) Wir verdanlien die Ül)erlassung der Cliches zu diesen beiden Dürersclien Wapi)en
ebenso wie zu dcni Burgkniairschen Maximilian ilciiii Dr. (!. liiilli in Mündien.
— S3 —
zwischen den beiden Flüg-eln stehen, ist also nicht sichtbar. Von den anderen
Rosettchen läfst sich auf unserem Abdrucke nur eines mit einer Nestel er-
kennen. Es müssen derem auch zwei und ihre Schleife hinter dem aufge-
bog-enen platte in der Tiefe der Mulde sein, welche sich hinter dem vorderen
Rande des linken Flügels unseres Helmes bildet. Zu bemerken ist noch, dafs
Dürer es nicht unterlassen hat, die vom Helme herabhängende Rückenschraube
zu zeichnen.
Eine zweite Gattung Helme, von welcher wir ebenfalls vier Stück haben
und in Fig. 81 und 82 einen abbilden, sind jene für das Rennen. Sie gleichen
den Schallern und hiefsen »Rennhüte«. Auch sie hatten mit den zugehörigen
Harnischen im Anfange des Jahrhunderts den Weg nach Feistritz gemacht und
kamen mit der Sulkowskischen Sammlung in das germanische Museum. Zu
B'ig. 81.
Fig. 82.
jedem Rennhute gehörte die ßarlhaul>e, welche mit der Rennbrust verschraubl
war, während der Hut, aufser jeder Verbindung mit dem Harnische, auf dem
Kopfe ruhte. Wie die Zeichmiiigen ersehen lassen, ist der Rand des Hutes an
der Vorderseite von der Hehnglocke aus dem ihr anhaflenden Stahle abwärts
getrieben, an den Seiten und rückwärls ai)i'r ein Stück Melall herausgeschiiiticii
und dann der bleibende Kand diiich Nii'lcn un dem unti'n'ii Kaiuh' der Glocke
befestigt. Auf dem Scheiifl lirr Glocke isl ein lircitrr. naclicr Gral s<>hr sorg-
fältig ausgetrieben, auf dessen Scheitelhöhe ein blallarlig ausgeschnittenes,
federndes lilerli mit finciii Knopfe aufgelegt isl, welches die llelindecke, ilie beim
Turni(;re auch auf dem Kcnidiute lag, festhielt. Vier li(")clier dienen zum ßefestigen
des Zimiers, sowie unten am Hute solche zu weiterem Aiuiesteln desselben, so-
— 84 —
wie zum Aiinestelu der Polsterhaube, die um so sicherer befestigt sein mufste,
da ja ihre Elastizität sie allein festhielt. In den Turnieren des Freydal. d. h. den
Turnieren, welche Kaiser Maximilian I. selbst gekämpft, in denen er zumeist
auch gesiegt hatte, sehen wir nirgends, dafs einer der Rennenden seinen Renn-
hut verloren hätte, obwol dieselben oft genug hintenüber vom Pferde gestofsen
wurden. Er mufs also fest auf dem Kopfe gesessen haben. Die Zeitstellung der
Rennhüte unserer Samndung ergibt sich daraus, dafs zwei der dazu gehörigen
Brüsle die Jahreszahl 1498 tragen. An Meisterzeichen findet sich auf dem dar-
gestellten Rennhut neben dem Nürnberger Beschauzeichen das Zeichen Hans
Grünwalds, das wir nebenstehend genau wiedergeben, da es von
|^|?S[| anderen Wiedergaben etwas abweicht. Dasselbe Zeichen tragen noch
UmM zwei der Rennzeuge, während das vierte eine Arbeit Valentin Sieben-
bürgers ist.
Eine dritte Helmform kam zur Verwendung ])eim Turnieren mit dem
Kolben, eine Art, welche wir schon in unserer Handschrift des Wilhelm von
Orlens von Rudolf von Monfort, welche zu gleicher Zeit entstanden, 1441
dargestellt finden, die jedoch im Freydal nicht vorkommt. Über die Rüstung
selbst und deren Besonderheiten werden wir zu sprechen haben , wenn wir
über den Turnierzeug im allgemeinen handeln. Da die Kolben, welche übrig
geblieben, ziemlich leicht sind, so werden wol auch die Helme ursprünglich
keine besondere Stärke nötig gehabt haben. Die Helme knüpften an die Kriegs-
helme an. In der älteren Handschrift des Trojaner Krieges kommen keine vor,
welche wir als Vorgänger der hier in Betracht kommenden hätien erkennen
können. Im Trojanerkriege von 1441 dagegen finden wir (vgl. Fig. 50) wieder-
holt Helmformen, welche eine grofse, den ganzen Kopf deckende Beckenhaube,
teilweise spitz, meistens jedoch schon rund zeigen, an welcher ein Kinnschutz
und ein Visier sich befinden, das durch senkrechte Schlitze durchbrochen ist.
Unser Wilhelm von Orlens dagegen enthält die Darstellung eines Kolbenturnieres,
die um so wertvoller ist, je weniger wir sonst gerade diese Art der Ritterspiele
dargestellt sehen ^°). Wir finden volle Übereinstimmung der Helme mit den späteren
Originalen. Es scheint hier, als ob der Helm aus einem einzigen Stücke getrieben
sei. Indessen ist doch wol anzunehmen, dafs mindestens das mit sehr grofsen Öff-
nungen versehene Visier besonders eingesetzt oder angenietet war. Die Heraldiker
wenden Helme gerade nach der Zeichnung, wie Fig. 83 sie gibt, öfter noch in viel
späterer Zeit an. Von Originalhelmen sind uns zwar nur verhältnismäfsig
wenige, aber doch einige erhalten geblieben. Sie sind schwer und stark. Von
allen bekannten ist der unsrige (Fig. 83 u. 84) vielleicht der späteste, aber auch
der schönste. Ein württembergischer Händler brachte ihn uns vor etwa 10 Jahren
ins Museum und wir wurden bald handelseins. Wir vermuthen, dafs er aus
Ludwigsburg stammt. Er ist sehr grofs, so dafs eine tüchtige Polsterung des
Kopfes darunter getragen werden konnte, die wol vom Kopfe selbst festgehalten
war. Er besteht aus sechs Teilen, erstens der Glocke mit flachem, breitem Grate
und dem Halsteile, welcher an diese angenietet ist. Zwei weitere Teile bilden den
Kragen. Der rückwärtige Teil des Kragens ist mit Nieten an dem Halsteile der
Glocke befestigt. An der Glocke drehen sich um zwei durch Rosetten geschmückte
50) vergl. Anz. L K. d. d. V. 1880, Sp. 105 u. 106.
— 85 —
Zapfen die beiden letzten Stücke, das Visier und das Kinnreil'. an welches der
vordere Teil des Kragens angenietet ist. Das Visier kann durch einen Feder-
knopf am Kinnreff festgestellt werden, welches seinerseits durch einen ähnlichen
Knopf am Unterteile der Glocke gehalten werden kann. Das charakteristische
Zeichen des Kolbenturnierhelms besteht darin, dafs das Visier keine weitere
Gliederung hat, dafs nur von einem einzigen grofsen Ausschnitte aus seiner
Fläche eine Ötfnung gebildet ist, die durch ein Gitter verschlossen wird, welches
aus fünf senkrechten und drei horizontalen starken Rundeisenstangen gebildet
ist. Wie aller Turnierzeug, so ist auch dieser Helm sehr sorgfältig und schön
Fig. 84.
gearbeitet. Geätzte Friese bilden einen zierlichen Schmuck dieses vornehmen
Spielzeuges. Zur Befestigung an der Harnischbrust hat er drei Löcher unter
einander. Eine Waffenschmiedemarke trägt der Helm nicht. Kr wiegt 7,80 kgr.
Wir sind dadurch, dafs das Museum bis jetzl koino älteren Holme (H(>sor
Gattung besitzt, nur in der Lage, das vorliegende ßeispiel hier abzubilden und
zu besprechen. Die Gesamtform sowol wie die Verziiuung zeigen, dafs es wol
erst etwa um 1530 entstanden ist. Da wir jedoch die Helme des lO. und 17. Jaiu--
hunderts ohnehin einer üliiilichen Besprechung unterziehen udl'U. die unmittel-
bar den gegenwärtigen Aufsatz fortführen soll, falls wir die K'rafI behalten, die
schon vor längerer Zeit gemachten Studien zu einem Aufsalze abzurunden, so
bleibt es sich ja gleich, ob wir mit diesem Stücke unseren gegenwärtigen Teil
abschliefsen oder den folgenden damit beginnen.
— 86 -
Wir halten .iiioh für jiMien Zeitraum ein selten uinfang'reiches Material in der
Suinnilung: des germanischen Museums beisammen, mit .welchem gerade der Ver-
fasser sich so enge verbunden fühlt, weil er es gröfstenteils beschaffen zu
künnen, so glücklich war. Der Kenner des für die Kulturgeschichte so wich-
tigen Waffenwesens wird es zu würdigen verstehen, was es heifst, dafs ein
Bettelmann in diesen letzten Jahren es vermocht hat, bei den enormen Preisen
aller Einzelstücke, die ja blofs durch Aufsuchung und Benützung jeder Gelegen-
heit zu Erwerbungen überhaupt erlangt werden können, eine solche Serie zu-
sammenzubringen , sie werden des Verfassers Gefühle verstehen, mit welchen
er auf die Reihe der Helme blickt, deren erster Teil hier besprochen ist. Die-
jenigen, welche denselben bei Beschaffung des Geldes unterstützt haben, werden
die Tiefe seiner Dankbarkeit ebenso ermessen , wie Jene, welche beigeholfen
haben, das Material zu beschaffen, und welche so manches geschenkt haben.
Aber auch, dafs es dem Verfasser schwer wurde, zu scheiden von dieser
Sammlung, die noch so viele Lücken bietet, die noch lange des gleichmäfsigen
Interesses bedarf, wird jeder begreiflich finden, der da weifs, dafs der Verfasser
als Direktor seinen Stolz darein gesetzt hat, die Wünsche des deutschen Volkes
und aller Schichten ilesselben zu verstehen und zu erfüllen, da ihm wol be-
kannt ist, dafs die Nation zu keinem anderen Zwecke, als jenem, eine umfang-
reiche, belehrende Sammlung zu bilden, sich vereinigt hat, nicht aber damit er
und andere Gelehrte oder Künstler hier versorgt werden.
Der Verfasser hatte die Absicht, indem er zeigte, was auf einem kleinen
Einzelgebiete geschehen, was aber auch noch zu thun ist, bei seinem Rücktritte
Rechenschaft zu geben; er knüpft dabei die Bemerkung an, dafs er, soweit es
gelingen mochte, auf jedem anderen Gebiete ähnlich gearbeitet hat, dafs aber
auf allen auch heute noch ähnliche Lücken klaffen, die sich aber von Jahr zu
Jahr leichter füllen lassen, weil die Popularität der Anstalt stets wächst. Möge
auch des Verfassers Nachfolger erkennen, dafs dies der Weg ist, sie ferner zu
mehren; mögen die Herren, welche ihn zu wählen berufen sind, auch des Volkes
Wünsche erkennen, sodafs ein Mann berufen wird, welcher mit dem gesamten
Volke Berührung sucht und aus dem Boden des Volkes stets neue Kräfte schöpft,
der nicht die Stelle erstrebt, um eine Sinekure zu erhalten, die ja Mancher wol
reichlich verdient haben mag, sondern Jener, der die Gelegenheit zur Arbeit
sucht und der selbst vor persönlichen Opfern nicht zurückschrickt, welche heute
noch die Anstalt von ihrem Direktor fordern mufs.
Nürnberg. 1890/92. A. v. Essen wein.
Aus den lihehaltcbücheru des Paulus Bchaini.
]' aulus Behaim L (Lol9— 156S), Mitglied des Nürnberger Rats und Vorstand
1er Kriegsstube 1), war ein sehr gewissenhaCter und pünktlicher Herr, der
jeden Kreuzer, den er ausgab, nachTiteln ausgeschieden, in Bücher eintrug,
die mit dem Archive der froiherrlich von Behaimschen Familie in das germanische
Museum gekommen und von J. Kamann in den Mitteilungen des Vereins für
1) Über ihn vgl, .MiUciluiiKcn des Vereins lür Gcsdiiclite der Stadt Nürnbeii' III, 73 ff.
VI, ül.
— 87 —
Geschichte der Stadt Nürnberg-^) veröffentlicht worden sind. Sie bilden eine
reiche Quelle für die Kulturgeschichte, geben einen interessanten Einblick in
das Hauswesen und die Bedürfnisse einer Nürnberger Patrizierfamilie jener Zeit,
und sind namentlich auch für die Geschichte der Preise nicht ohne Bedeutung.
Am Schlüsse seiner V'eröffeutlichungen gibt Kamann auch recht beachtens-
werte Auszüge aus den beiden Ehehaltenbüchern Paulus Behaims, die von 1552
bis 1572 reichen, also nach seinem Tode und zwar von seiner Witwe Magdalena,
einer gebornen Römer, in kräftigen, energischen Zügen fortgeführt sind. Nie-
derschreibungen über die Dienstboten jener Zeit sind so selten, dafs wir uns
veranlafst sehen , die gegebenen Auszüge zu ergänzen. Wir bemerken dazu,
dafs bei Behaim eine Köchin 6 fl. jährlichen Lohn, die Untermagd einen solchen
von 4 fl., die Kiudsmagd aber 7 fl. und jede noch einen Leihkauf erhielt und nur in
Ausnahmsfällen eine geringe Mehrung oder Minderung dieser Beträge stattfand.
Es macht einen guten Eindruck, dafs der Dienstbote, dem die Kinder anvertraut
waren, den höchsten Lohn bekam. Über das Nürnberger Dienstbotenwesen hat
Kamann 2) Näheres mitgeteilt, auf welches wir hiemit verweisen. Es sei nur be-
merkt, dafs der Dienstbotenwechsel zu Nürnberg au Maria Lichtmefs, Walburgi,
Lorenz! und Allerheiligön stattfand, die Dienstboten immer auf eine bestimmte
Zeit, meist ein Jahr, gedingt, dieser Termin aber nur selten eingehalten wurde
und ein aufserordentlich starker Wechsel stattfand. War das Jahr herum, so
war der Dienst, sofern nicht wiederum gedingt wurde, eben auch abgelaufen.
Die Mitteilungen Kamanns und unsere nachstehenden geben zu erkennen, dafs
die Klagen über die Dienstboten durchaus nichts Neues sind; schade ist es nur,
dafs nicht auch die Aussetzungen der Dienstboten über die Herrschaft uns über-
kommen sind — erst hiedurch würden wir ein richtiges Bild erhalten.
Wir entnehmen den beiden Handschriften noch Folgendes:
Die Köchin Susanna war von Lichtmefs bis Walburgi, 1556, also nur
ein Vierteljahr im Dienst. Man liefs sie fahren, »umb (weil) das sy so gar faul
und langksam gewest«.
Die Köchin Kuen I ein N. stund von Laurenzi 1556 bis 20. Febr. 1557 im
Dienst: »ist von mir komen, umb sy mir im Haus lang kranck wart, auch sonst
nichts an ir war.«
Die Untermaid B erb lein diente von Allerheiligen 1557 bis 1559: »hat
ir mein weib urlaub geben, umb sy selbst urlaub oft begert, do maus aber ge-
peten hett zu pleiben, so wers pliben.«
Gredla N.. Köchin, diente von Allerheiligen 1558 bis 25. Januar 1561:
»hat ein landskuecht am dinst Hans Wagner von Vorcheim genomen, so ein
vischer gewest ist.«
Die Unterraaid Gredla »hat nit mar pleiben wollen«; sie diente von Wal-
burgi 15()0 bis Febr. 1562.
Die Köchin Clara »ist gar faul, frech und entwicht (unnütz) gewest«; sie
war vom 15. Sept. 1560 bis 10. Febr. 1561 im Dienst gestanden.
Die Untermaid Endlein, die Lichtmofs 1562 in den Dienst getreten,
wurde zu Lorenz! bereits wieder geurlaubt, »umb wegen, daß sy so kindisch
unachtsam gewest ist, und ir nichts zu vertrau(Mi grosser ungeschicklickeit
halben,«
1) VII, 39 IT. 2) a. u. 0. S. lül IT,
— 88 -
Die Köchin Eis Iral Lichimefs 1562 in den Dienst: »und nach dem ir
mutter zu Bamberg gestorben ist, hat sy vil Ursachen furgewendt nit zu plei-
beu, also hat sy mein weib adj 20. marcio 1563 faren lassen.«
Die Untermaid Juli an a trat Lorenz! I;i62 ihren Dienst an und ist am
29. Juli 1563 »geurlaubt worden, daß sy sich mit der kindsmaid nit hat können
betragen.»
Die Kindsmaid Eva tral Allerheiligen 1562 in den Dienst, »hat mein weib
itzt liechtmes 1563 wider geurlaupt, umb sy so gar pös und heftig ward.«
Die Kindsmaid Madalena Rinckauerin wurde zu Laurenz! 1563 ge-
dingt. Sie blieb bis Laurenzi 1565, »ist geurlaupt worden, von wegen, daß sy
unter mein kindern allein einem kind, dem P'ridrich, ist obgelegen, und ir die
andern zu vil sind gewest der zu warten.«
Die Köchin Ketterle von Bamberg diente von Laurenzi 1563 bis eben
dahin 1565. »Ist also geurlaubt worden, umb sy als bös gegen andern maiden
gewest und sonst nichts kenth hat.«
Die üntermaid Werble, ebenfalls eine Bambergerin, trat ihren Dienst
zu Laurenzi 1563 an, dem sie bis Laurenzi 1564 vorstand. »Ist geurlaupt wor-
den von wegen, daß sy sich mit der kochin nit hat können vertragen.«
Die üntermaid Berblein ist von Allerheiligen 1564 bis 14. August 1565
in Dienst gestanden: »ist geurlaupt worden, umb sy gar faul und nit arbeitsam
gewest.«
Die Kindsmaid Margrett diente von Laurenzi 1565 bis Lichtmefs 1566:
»hat sy mein weib faren lassen, umb sy ein gar grober püffel gewest ist.«
Die Untermaid Ger lein, die 1565 zu Laurenzi in den Dienst getreten,
wurde am 24. Sept. desselben Jahrs wieder beurlaubt: »umb daß sy der Eis
meiner kochin 2 halshemet gestolen hat.«
Ihre Nachfolgerin Werblein ward vom 24. Septbr. 1565 bis Walburgi
1566 im Dienste Behaims: »ist sy geurlaupt worden, umb sy gar geschwetzig
als ein Schwebin und fürwitz gewest.«
Die Kindsmaid Agnes war gar nur ein Vierteljahr, von Lichtmefs bis
Walburgi 1566, im Dienst: »Adi primo May 1566 hat solche kindsmaid ein
zimermansgesellen genomen.«
Die Köchin Eis diente von Lichtmefs 1566 bis ebendahin 1567: »ist geur-
laubt worden, umb sy zu einer kochin nichts kenth hat.«
Die Kindsmaid Mar gr et t trat zu Walburgi 1566 in den Dienst und ßeng
den 4. Februar 1567 zu kochen an. »Adj 25 Juni 1567 hat sy mein weib ge-
urlaubt, umb hurerey willen mit dem knecht Jobst, und daß sy auch nit treu
gewest.«
Nun kommt als ein weifser Rabe die Untermaid Endlein, die vom 1.
Mai 1567 gedient hatte: »hatt sich wol gehalten, die stiegen gern gefegt, hat
nit lenger ploiben wollen.«
Khüen, die Untermaid, diente vom 1. Mai bis 13. August 1567: »hat ir
mein weib urlaub geben, umb sy so gar faul, grob und ungeschickt gewest ist.«
Madlin Rinckauerin, die Kindsmaid, war vom 25. Juni 1567 bis 5.
Februar 1568 im Dienst: »ist auf die letzt gar einfeltig und kindisch gewest.«
Nürnberg. H a n s B ö s c h.
— 89 —
Yemegerichtsiirknnden aus Tirol.
as im Besitze des germanischen Nationalmuseums befindliche gräflich
Wolkensteinische Archiv birgt einen reichen Schatz von Urkunden, die
uns über Verhältnisse und Schicksale Oswalds von Wolkenstein, des
letzten Minnesäugers, Auskunft erteilen. In seinem tretflichen Aufsatze »Der
Wolkenstein -Haueusteinische Erbschaftsstreit und dessen Austragung unter
Oswald von VVolkeustein« (Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarl-
berg, 3. Folge, Heft 26, 1882, S. 99 ff.) hat uns der um die Aufhellung der viel-
fach verschlungenen Lebenspfade Oswalds verdiente tirolische Forscher Anton
Noggler , zum Teil gestützt auf die Urkunden des germanischen Museums,
wertvolle Aufschlüsse über eine der wichtigsten Perioden im Leben des Dichters
gegeben. Nachfolgende Urkunden, deren genauer Abdruck uns nicht nur im
Interesse der Litteraturgeschichte zu liegen, sondern auch nutzbringend für
Kultur- und Rechtsgeschichte schien, beziehen sich auf eine Episode des
Wolkenstein- und Hauensteinischeu Handels, die wir hier kurz nach Nogglers
Ausführungen wiederholen.
Im Spätherbst 1421 war Oswald von Wolkenstein durch seine Gegner,
die er, wie seine Vorfahren, an Gut und Habe empflndlich geschädigt hatte, mit
Hülfe seiner früheren Geliebten, Sabine Jäger, in eine Falle gelockt und ge-
fangen genommen worden. Der Führer der Gegenpartei, Martin Jäger, lieferte
ihn, da er einsah, dafs er allein nicht imstande sei, sich gegen den über-
mächtigen Wolkensteiuischen Anhang zu halten, dem alten Gegner der Wolken-
steiner und insbesondere des Dichters, Herzog Friedrich von Oesterreich, aus.
Dieser benutzte die Gelegenheit, den übermütigen Tiroler Adel, der sich zum Teil
in otTenem Aufstande befand, zu schädigen. Erst am 18. März 1422 entliefs er
Oswald gegen die Bürgschaft Michaels von Wolkenstein und der Herren von
Freundsberg, Vilanders und Velsegg seiner Haft. Die Bürgen mufsten sich bei
einer Strafe von 6000 Dukaten verpflichten, den Dichter, falls es nicht gelungen
sei, ihn bis zum kommenden Bartholomäustag mit der Gegenpartei auszusCdinen
und zu vergleichen, »zur Rechtsleistung wieder als Gefangenen dem Burggrafen
auf Tirol zu stellen. «f Oswald von Wolkensteiu verschrieb dagegen den Bürgen
»alle seine Habe, . . damit sie sich an derselben für jeden Schaden, den sie viel-
leicht ihrer Handlung wegen nehmen sollten, entschädigen könnten^)«.
Der eine der Bürgen, ein entfernter Vetter Oswalds, Hans von Vilanders.
nahm die Bürgschaft zum Vorwande, sich von dem bedrängten Dichter weitere
Vorteile zu sichern. Nicht nur, dafs er zu seiner Sicherstellung weitere Ver-
pfändungen von Geld und Gütern zu erlangen wufste, er scheute sich sogar
nicht, die Notlage des Verwandten auszunützen, um Darlohen von ihm zu er-
pressen. Über die Rückgabe der pfandweise überlassenon Summen, wol auch
des Darlehens, die der Schuldner auch nach Erledigung der Bürgschaftssache
in unredlicher Weise verzögerte, entstand bittere Feindschaft zwischen Hans
von Vilanders und denen von Wolkenstein. Eine Reihe von darauf bezüglichen
Mahn- und Gerichts-, Vergleichs- und Fehdebriefen, ilie bis ins Jahr 1465
reichen, befindet sich im Wolkensleinischeu Archive des germanischen Museums
1) Noggler a. a. 0. S. 130.
Mitteilungen aus dem gennan. Nationalmuscuni. XII.
— 90 —
Die interessantesten, auch schon von Lindner in seinem Aufsatz »Die
Fragen des Königs Ruprecht über die Vemeg-erichte« (Mitteilungen aus dem
germanischen NatiomUmuseum I, S. 200) erwähnten Schriftstücke dieses ür-
kundenbündcls beziehen sich auf den Versuch Oswahls von Wolkenstein, sein
Recht mit Hilfe der heiligen Veme zu erlangen. Oswald hat wol auf einer
seiner Reisen »die Freigerichte kennen gelernt und selbst die Wissenschaft er-
worben.« Herbst 1429 wendete er sich mit seiner Klage gegen den betrüge-
rischen und verläumderischen Verwandten an dieselben. In der ältesten Ur-
kunde bevollmächtigt er seinen »Diener<f (adeligen Knecht) Eitel Volmar, in
seinem Namen bei irgend einem Freigrafen gegen Hans von Vilanders Recht
zu suchen. Es folgen die Vorladungen des Beklagten vor die Freigeri(;hte von
Volmarstein und Arnsberg. Letztere wurde erlassen, nachdem Hans von
Vilanders auf die erste nicht geantwortet hatte. Wir fügen einen Brief Tiroli-
scher Adeliger, der sich auf dieselbe Sache beziehen dürfte, und die Vorladung
Eitel Volmars vor den Freistuhl von Villigst hinzu, der wegen der Ermordung
des bischüilich Brixener Rates Johann von Annenberg belangt und späterhin
auch wegen dieser That vervemt wurde 2).
L
Vollmacht Oswalds von Wolkenstein für Eitel Volmar, in seinem
Namen den Hans von Vilanders vor einem Freistuhl zu verklagen.
1429. Sept. 5.
or. chartac. lit. c. sig. impr. def.
Ich Oswalt von Wolckeustain, ain freyer schepf, dez allerdurchluchtigisten
Remschen küngs versprochener dener, enbütt allen freygrefen der freyen stüel
dez hairalichen gerichts, die got und dem hailigen rieh gesworen haben, den
diser briet gezaigt wirt, meinen freuntlichen willigen deinst, ich hab Ytal
Volmaler, meinen gegen wirtigen dener, etwas bepholhen von meinen wegen an
den fryen stül ze bringen, und besünderlich von graf Hanns Mainharts von
Görcz, dez bischoft von Brichsen, Hannfs von Vilanders wegen, und welchen
freygrefen der obgenannt mein dener gelangt, der mag im darumb aller sach
und furbringes geloben, im mas als ob ich selber gegenwirtig wer und beger
darumb gerichts und fürwendens, alz sich daz gebürt. och süllent ir wissen,
daz mir der obgenannt von Görcz sein brief, eir und sigel nicht gehalten hat,
der abgeschrift, die ir wo! hören werdent, und Hanns von Vilanders von mir
geret hat, ich hab mein treu und eir nicht gehalten, darumb in bayden von
dem freygrefen to Arnsporg vormals geschreben ist oder sy süllent sich umb
sölich obgenant Zuspruch iuer drein vierzenechten mit mir ainen. dez aber
nicht beschehen ist nach beser beschadung und under wissens meins gegen-
wirtigen deiners aller obgeschribner sach, alz ir daz wol vernemen wert, für
2) Beim Abdrucke der Urkunden wie in den Auszügen aus den Ehehaltenbüchern des
Paulus Behaliu S. 8G dieser Mitteilungen wurde zum ersten male von der seither in unseren
Publikationen üblichen diplomatisch treuen Wiedergabe der Orthographie und Interpungierung
des Originals zu Gunsten einer vereinfachten Schreibweise abgewichen, der mit geringen
Ausnahmen di(> von Weizsäcker im 1. Bande der Deutschen Reichstagsaklen aufgestellten
Regeln zu Grunde liegen. Wir werden auch bei künftigen Veröffenliichuiigi'n an dieser ver-
einfachten Schreibweise festhalten. D. R.
- 91 —
welchen freygrefe die klag: gelangt und g-eer darumb gericlils, as vär. versigelt
mit meinem aygen aufgedruchten iusigel. geben ze Briuhsen des meutags
vor unser lieben frouentag nativitatis anno vicesimo nono.
II.
Vorladung des Hans von Vilanders vor das Freigericht
zu Volraarstein. 1429. Okt. 3.
cop. chartac. coaev. Korrektiu-en mit anderer Tinte.
Sunderlix gute frunt. bey myr ist gewesen an dem freyenstule vur der
burch zu Volmestein für deim offenbar Ireye gerichte eyn vulmechtig cleger
met namen Eytel V'olraer und was dar clagende von wegen des wolgeboren
heren Öswalcz von Wolkenstain. welke clage endgande ist an eür gelyrap und
ere , darum^) daz ir deim egenanten heren Öswalt obergesait suUen haben dey
im dreffen an seyn lyp und an seyn ere, als ume syner breyve willen und gelcz,
daz er euch in geloben zu guter haut hatte gedan zu halden und ir im daz
furenchaldent weter got, ei-e und weter recht, dar euch auch vor zuden
warnunges breyf aufgescriben und gesant syt dar ir keyn antw(u)rt weder auf-
gescriben noch geben haut, daz sich nyt enpurde. hirum so wellen dem
egenanten heren Öswalt tun bynnen veyrzintagen , so ir im darum von eren
und von rechtes wegen ptlichtig sint zu tun. es seche das ir des nyt tun enwellent
und im des ausgan weit, komet dan der egenante her Öswalt von Wolkenstein
ofte der egenante cleger Eytel Volmer und eyschet myr gerychte ober euch zu
tun, so mos ich im nach der clage rychten alz recht ist und alz sich dan
gepurt und enmach des bey mynen eyden nyt laczen. hir weit euch nach
wißen zu richten myt deim besten und warnen euch mit düssen breyd'e, daz
ir des nycht darzu laczen komen ofte daz wolde men myt swarer gerichte an
euch forderen und wes ir hirzu tun weit, des beger eich eür bescriben antworde
weder by düssen boten brenger dus breyfs dar weis ich my nach zu rechte,
got sey niyi euch. gegeben vur der burch zu Volmestein an dem freyustül
des monendages nest Michahelis under meyn segel anno xxix.
[in verso] copiä Hannssen von Vilanders.
III.
Vorladung des Hans von Vilanders vor das Freigerichl
im Baumgarden zu Arnsberg. 14iJ9. Noy. 27.
or. chartac. lil c. sig. inipr. dol'.
Wettet Hans van Vlanders, dat eyn kleger vur my ghekomen ys lo demo
anderen male, also late ych yu weicu myt vcyr vrygen scheppen. dal gliy syn
to Arnsberg in deme bumgarden des neston mandags na sente agneten daglie vur
denie vrygen stolle in der hoiiirlil<tMi adilc to daghclyl ind antwerden dar deme
vurgenant kloger to yuwcr hogeslen achte onder konigsbannc. wyllycli kleger
genant ys (»swall van Wolkenstcyii. ind fiiwvilcri des dags nycht viiisumen,
wante uch dey klaglie au yu lylT ind rrc th-epcnde ys. wer zake dat ghy des
nycht eudeden ind vursumedeii den dach, wordc iny tlan vorder gheclaget, so
3) Mit andcri'r Tinte aui Hände.
— 92 —
moste ych vuri ryclilcn as ret-hi wer ind enmochtc des nycht laten. orider myn
ingliesig^el. (laliiiii aniio ddiiiiiii iii"ccccxxix des anderen donesiag's na sente
Martine.
[in verso] Dem edelen ind vesLen Gert dey Seyner vryg'reve to
Hannes van Vilanders. Arnsberg, myus genedig-en
lud (lassen bryf soll nemant lesen, heren van Golne.
hey ensy en recht vryschepye.
IV.
Brief des Jakol) von Trautsun u.a. an Oswald von VV o I kenste i n.
1430. Jan. 22.
or. diartac. lit. c. sig. impr. Wappen mit 3 Schrägbalken (der Gneusse?).
Unser willige dinst zuvor. Jacob Trautsun. Steffan Gneusse, Jorig Schenkch,
Fily von Tum, Ghunrat Vol , Hanns Swartz, Eitl Volmar, die haben den an-
dern schepfen, die hinab an den stul reiten w^erden, auf unsers genedigen herrn
von Osterreich gescheftbrief kuntschaft geben, die ir mitsambt Jacoben Trautsun
und Steffann Gneussen bcsigeln werdet, also bitten wir eu all als wir dann
vorbenenl sind, daz ir euer insigel durch unser aller fleizziger gepet willen
auf dieselben kuntschaft drukchet von euer und unser aller notdurft wegen.
Geben zu Stertzing an suntag vor conversionis Pauli anno xxx°.
[in versoy. Dem edlen vesten Jacob Trautsun. Steffan Gneusse.
Oswalden von Wolkenstein. Jorig Schenkch. Fily von Tunn.
Ghunrat Vol. Hanns Swartz.
Auf einem angeklebten Streifen'- Schreibet Jacoben Trautsun und dem Gneufsen, daz
sy von euer gepet wegen auch besigeln^ damit uns kain irrung auch darinn valle.
V.
Vorladung des Eitel Volmar vor das Freigericht zu Villigst.
1430. Mai 3.
or. cliiU'tac. lit. c. sig. iinpr. def.
Wetet Volmar, so als ich Johann van Essen, vrygreve des hoghebornen
Junckern Gerardes van Gleve, greve tor Marke, ind vrygreve des vryen stols
to Velgiste, gelegen vor Swerte, van wegen des vromen hern Diderichs van
der Reke, ritters, erfhere desselven egenanten vryen stoils iu by twen echten
vryen schepen under konynx banne geschriben ind enboden hadde von claghe
weghen Partzevole van Annenbergh , dey hey vor my in der hemliken achte
over iu clagede, dey iu galt an iu lyf ind an iu ere, ind dey in der hemelikeu
achte vemmeplichtich gewyst synt. ind hadde iu darop overnuts raynen brieve
ind by twen echten vryen schepen eynen rechten dynkliken plichtdach gelacht
ind betekent to rechte dagetyt vor den vryen stoll to Velgiste, gelegen vor
Swerte, dat y dar quemen op den dynxstach uu dem sundage raisericordia
domini to rechter tagetyt ind vorautworn dar iu lyf ind iu ere tegen den
egenanten kleger. also synt vor my gekomen twe echte vrye schepen dar ich
den egenanten vryen stol beseten hadde in des hilgen rykes hemeliken achte
ind bekanten dar vor my in der hemeliken achte op er ede, dey sey dem hilgen
ryke gedan hebn, dat sey dey eirsten bedinge an iu gedan hedden , als des
hilgen rykes hemeliker achte recht is. so ensyn y of neymant an uwer wegen
op dey vorschriben tyt dar nicht gekome'n ind hebn uwe lyf ind ere dar vor-
antwort, so late ich iu weten to dem andern male mit veir echten vryen schepen
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ind g-ebeide iu linder konynx banne, dat y syn des donrestag-s nest na unser
lieveu vrouwen dage visitationis nest tokomende op der rechter dinkliker stede
to rechter dagetyt vor dem vryen stole to Velgiste, gelegen vor Swerte, ind geven
dar dem egenanten Partzevole of eyme syner gewissen procuratore antworde
dar in des hilgen ryken hemeliken achte ind vorantworn dar iue lyf ind uwe
ere. ind dis entwilt nicht vorsümen. ind wert dat y dar nicht enequemen ind
dan dey egenante klegere mit ordele voirder gerichts an my gesunne, so meste
ich na säte ind rechte des rykes hemeliken achte ind van myner ede weghen
vorder gerichte over iu don, als sich dat geborde. dar wetet iu na to richten,
gegeven under myrae segele in dem jare onses hern dusent veirhondert ind der-
tich jar op des hilgen cruces dach, als dat gevuuden wart.
[in verso] An V'olmar des Wolkensteuers Johann van Essen vrygreve*
knecht komme disse brief ind disen des stoils to Velgiste.
briet' ensal neymant opbreken noch lesen,
hey ensy dan eyn vry echte schepen.
Nürnberg. J. R. Dieterich.
fiJevatterbriefe an die Reichsstadt Uiiidsliciiii.
er Hang zu übertriebenem Luxus, der sich namentlich im Mittelalter
geltend machte und zahlreiche Gesetze gegen die Ausschreitungen des-
^ selben veranlafste, erstreckte sich auch auf die Taufen, bei welchen
nach den verschiedensten Richtungen Übertreibungen, besonders auch hin-
sichtlich der Zahl der Gevatter, vorkamen. Schon Berthold von Regensburg
eiferte gegen die Unsitte, eine recht grofse Anzahl von Taufzeugen — bis zu
zwölf — sich zu erbitten und hält deren drei für mehr als genügend ^). In
Nürnberg ward bereits im 14. Jahrhunderte durch Gesetz bestimmt »daz nieman
er sei burger oder burgerin keinen gevattern zw sinem kinde mer gewinnen
soll, dann einen gevattern. Vnd wer daz vberfüre ez sei frauwe oder man der
muz geben von ie der persone funfe pfunt haller« '). Solchor Gesetze un-
geachtet nahm der Luxus bei den Taufen immer mehr überhand um! Hans
von Schweinichen berichtet, dal's er zu den Taufen seiner Kinder immer
gleich einige Dutzend Gevattern gebeten. Wol im lü. Jahrhunderte erst kam
die Sitte auf, nicht nur Personen, sondern auch Städte und Stände um die
Übernahme des Ehrenamtes eines Taufzeugen zu bitten. (Jing dieses Ersuchen
von dem eigenen oder einem benachbarten Laudesherren aus, so darf darin wol
ein Zeichen besonders gnädiger oder freundnachbarlicher Gesinnung gesehen
werden; andernfalls war es hauptsächlich auf das i'athengeschenk abgesehen,
mil dessen Hilfe man vielleicht einen Teil der Kosten der Taufe docken wollle.
wenigstens hat Hans von Schweinichen der Gesamtsumme der Geschenke immer
die Kosten der Taufe gegenübergestellt.
Auch in dem T(!ile des Archivi's der Uciclisstadl Windshrini in Krankon,
den das germanische Museum besitzt, llndon sich (Jesuche an die Stadt mit der
i) IkMllioiil von Kcjicoii.sliurjij. Vüllslüiuii{;c AiLSifiihc sciiii-i- l'n.'(lijtrkMi . . . von
Franz IMoitVer. (VVion , 18G^,J I, S. 3±.
2) Siebenlvees, Muterialien ziu- ISürnbergischcn GcschicJile. (Nürnhcrt;, ITJä.J 1, S. 48.
— 94 —
Bitte, um Ühcnuihine der Gevatlerschal't. Sie gehen von Nachbaren und Per-
sonen in Amt und Würden, die zu der Stadt irgendwelche Jieziehungen hatten, aus.
Der älteste dieser Gevatterbriefe ist leider nicht datiert; nach der Hand-
schrift dürfte er in den Schlufs des 16. Jahrhunderts fallen. Kr ist von
Hieronynius Lucius, »dcrozeit armer unwürdiger Seckhendörffischer pfarrer zu
Etzeiheim'f an den Bürgermeister und Rat zu Windsheim gerichtet und hat
folgenden charakteristischen Wortlaut:
»Ehrnveste, fürsichtige, erbare, wolweyse herrn burgermeistere und rhat,
insonders grosgünstige vilgeliebte herrn mecaenates und patres patriae sampt
und sonders. euer e. f. e. w. kan ich endsernander armer kirchendiener
hierneben meinem freundlichen grus und jederzeit bereitwillig gevlissenen
diensten, sampt wüntschung eines glückseligen freudenreichen neuen jars in
unterthenigkeit und demut nicht bergen, daß der getreue barmherzige gütige
gott nach seiner grosen unaussprechlichen gnad und baiiiiherzigkeit mein
liebes ehweib dermaleinst ihrer schweren leibsbürden entbunden und uns becde
arme eheleutlein in unserm wehrendem ehstande herwiderumben mit einem
jungen söhn (darfür ihme lob, prei|5 und dank gesagt) erfreuet. Wann dann
nach frölichem anblick bescherter junger leibsfrucht diß fürneralichen ampts-
halber frommen gotlesförchtigen eitern eignen und gebüren wil, daß sie mit
derselben zum fördersten und fürderli(;hsten der christlichen kirchen zueilen
und durch das sacrament der h: tauf Christo, seiner kirchen und reich incorpo-
riren lassen: solchs christliche hohe werk aber ohne gevattern, zeugen und
andere darzu gehörige mittelpersonen keineswegs kan verrichtet werden: als
haben wir beede eitern, wie gebreuchlich, billich auch noch ehester zeit uns
umb dieselbige bekümmern und umbthun sollen, dieweil aber anjetzo geschwinde
theure zeit und teuften, also daß fast ein jedweder ehrlicher mann, bevorab uf
dem land und in den gringen dörfern mit der lieben narung und haushaltung
zu schicken und zu schaffen, auch ein mancher (der es doch sonsten ganz willig
und gern thet) zu solcher zeit wol von herzen erschrickt, da man ihn zu einem
christlichen werk oder ehrendienst bittlich erfordern Ihut, also sind wir beede
eitern dißlialb nicht in geringen gedanken gestanden, wohin wir uns doch etwan
fürden selten, damit wir nur ehrliche, fromme, gottsförchtige und willfehrige per-
sonen antreffen, und ja niemand irgend solcher unser gevatterschaft halber sonder
beschwehrliche Unkosten utladen möchten, endlichen sind wir dann, uf vergangene
unsere einfeltige delibcration, gleiches sinnes worden, euer e. f. e, w., als unsere
grosgünstige hochgeachte vilgeliebte herrn in gesarabtem ganzem erbarn rhat diser
keyserlichen freyen reichsstatt, meines lieben Vaterlands, alhier mit Vertretung
solchs christlichen dapfern werks und gevatterschaft halber unterthenig zu be-
grüssen und bittlich anzusprechen, dero getrosten hoffnung und Zuversicht,
wie euer e. f. e. w. sonsten gottes wort lieb haben, auch allen treuen kirchen-
dienern mit allem günstigem geneigtem willen von herzen gewogen und zuge-
than : also würden dieselbe, in beförderung dises hohen und gott wolgefelligen
werks gewislichen sich auch gegen uns arme eitern wegen unsers unmündigen
kleinen kindleins (als welchem auch all sein heil und Seligkeit daran gelegen)
nicht ungünstig, sondern sehr geneigt und bereitwillig erfinden lassen.
Und zwar zu solcher zeit bei euer e. f. e. w, solchs christliche werk zu
suchen und zu werben, hat mir, als dem kindsvatern, sonderlich gebüren und
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zustehen wollen, aus der ursach, auf das nemlichen gegen euer e. f. e. w.. als
meinen allerseits hochgeachten grosg-ünstig-en und vil geliebten herrn bene-
factoribus, für deren vilfaltige hohe grose mir erzeigte wolthaten ich mich
hierdurch nicht allein etlicher massen dankbar erzeigen, sondern auch gegen
dieselbe mich jetziger Zeit armen unwürdigen kirchendiener sampt all den
meinigen gleich von neuem ferners zu allem günstigem geneigtem gutem willen
und getreuer beförderung anbefehlen und verbinden möge: sintemal in was
grose abgunst und unwilleu bei euer e. f. e. w. wir beede arme eheleutleiu
(leider) in ueuligkeit, allein durch andrer leute abgunste geriiaten und kommen,
das haben wir schon zur gnüg vermerkt. Derentwegen damit dieselbe in der
zeit nocli wider gestillt und abgetragen, uns auch hinfüro desto eher zu unserm
rechtmessigen billichen begern verholten werden möchte: als ist und gelangt an
euer e. f e. w. und gesamptem ganzen rhat alhier mein und meiner lieben
hausfrauen untertheniges hochvleissiges flehen und bitlen, euer e. f. e. w.
wollen uns beeden armen eheleutlein fürs erste von herzen verzeihen und ver-
geben alles dasjenige, was Unrechts und sträflichs gegen dieselbe wir etwan
in Worten oder werken sollen oder mögen begangen haben, dann und fürs
andere wollen euer e. f. e. w. auch ganz unbeschwert aus christlicher lieb und
niitleidentlichem herzen, ja umb gottes willen sich unsers armen unmündigen
Kindleins erbarmen und annemen, und dasselbe (wofern bey euer e. f. e. w. unsere
hohe bitte änderst mag statt finden) durch eine abgeordnete person aus dero
erbarn woUöblichem ansehnlichem mittel oder burgerschaft zu der h: christ-
lichen tauf befördern helfen, damit es auch ein Christ und kind gottes werden
möge, welchs hocherweisende gott wolgefellige christliche werk, dogegen euer
e. f. e. w. in gesamptem ganzem rhat und gemeiner statt alhier wir beede
arme eitern sampt unserm kind die zeit unsers leben entweder aus armut oder
Unverstand nimmermehr zu beschulden wüsten, so wirds doch der ewige all-
mechtige gott euren e. f. e. w. gewis in diser und jener weit unvergolten nicht
lassen, inmassen wir dann unsers theils bey demselben auch ganz vleissig und
embsig unterdessen für euer e. f e. w. langwüriges leben, bestendige leibs-
gsundheit und glückliche regierung bitten und anhalten wollen, nicht zweifleud,
gott werde in genadeu unser armes demütiges gebet erhören, und euer e. f e.
w. sampt uns allen ein glückseligs freudenreiches neues jar bescheren, hierauffer
empfelen euer e. f. e. w. sauipt dero ganzen statt wir dem lieben gott zu ganz
genodiger getreuer erhaltung und bewarung, und versehen uns keiner ab-
schlägigen anwort. sind wir so hoher vornemer gevatterscliafl nicht wlrdig,
so sind wir derselben ab(!r hochnohtdörftig.
E. e. f. e. w. untertheniger und willig gevlissener
Hieron ymus Lucius,
dero/A'it aiimr iinuüniij^or SecklKMiiiörniscIu'r
pfarrcr zu lilzclheiiii iii|) ■
Ob diese de- und wclinUithige Bittschrift einen Krfolg gidiabt, ist niclil
festzustellen; als ein Ausflufs der Neigung zum Luxus ist sie sicher nicht zu
betrachten.
Unterm 14. Oktober 1033 ersuchte Karl Ahirt.cnson, ^»Obr. Lcut.« auf dem
Schlosse ob Würzburg, die Stadt Windsheim, sein am lU. desselben MunaLs go-
bornes Söhnlein am 21. Oktober aus der Taufe zu heben.
— 96 -
Etwas theurer als diese Gevatterschaften dürfte der Stadt Windsheira die
bei der Tochter des Georg Friedrich Herrn zu Linipurg, des heiligen römischen
Reichs Erbschenk und Seniperfrei, g-ekomraen sein. Am 9. September lü39 theilte
dieser dem Bürg-ermeister iintl Rat mit, dass seine Gemahlin einer jungen Toch-
ter genesen. Unter Bezugnahme auf die freundnachbarlichen Beziehungen er-
sucht er Bürgermeister und Rat, »neben atulorn hierzu erpetenen sich mit der
gevatterschaft ohnbeschwert zu beladen, gestalt dann hiermit an dieselben unser
g. nachbarlich pitteu, sie wollen angedeuten Tag (22. Oktober) abends zuvor
jemanden aus ihrem mittel, dero belieben nach hiehero abordnen und bei die-
sem christlichen actu ihre stell vertreten lassen. (f
. Über die Kosten , welche durch diese Gevatterschaft der Stadt erwachsen,
gibt ein dem Schreiben beiliegendes Verzeichniss Auskunft. Dasselbe enthält
folgende Posten: »Item 2 iL 6 b. dem freyherrlichen abgeordneten verehrt
22. septembris. item 40 fl. 48 kr. Johann Conrad Lawrens (?) wittiben zu
Nürnberg für ein pocal von 2 Marc u. 13 loth verguldt. 1 fl. 3 b. für almosen
.... 2 11. 0 b. einer J. v. Rotenhan , so das kind getragen. 1 fl. 3 b. der
hebammen. 1 fl. 3 b. der säugammen. 2 fl. 6 b. dem pfarrer. 2 fl. 6 b. den
Spielleuten. 7 fl. 3 b. den koch, keilner, aufwarteru und cammerdienern.« Der
Stadt erwuchsen durch solche Gevatterschaften also ganz beträchliche Kosten.
Im Jahre 1648 am 10. Februar schrieb der Oberkommissarius Wolf Hafner
zu Weissenburg a. S. und bat Bürgermeister und Rath, bei dem ihm am selben
Tage geborenen Söhnlein »neben andern hierzu erbetenen vornehmen gevatters-
leuten« am 13. Februar Gevatter zu stehen. Am 16. bedankte sich Wolf Hafner
für die vom Rate ausgedrückte Bereitwilligkeit, »da nur die gelegenheiten
solches zugelassen bette.« Der Rat suchte sich also wol der Gevatterschaft
unter irgend einem Vorwande zu entziehen.
Der Rath von Weissenburg erkundigte sich 1687 bei dem Windsheimer,
ob er vielleicht auch vom Grafen Georg Eberhard Herrn zu Limpurg um die
Gevatterschaft gebeten worden sei, worauf laut vorliegendem Konzepte der
Windsheimer Rath unterm 31. Oktober erwiderte, dafs solches diesmal nicht
geschehen sei^ dafs er aber 1686 die ihm von Herrn Schenk VoUrath zu Speck-
feld und im Jahre 1685 die ihm von Graf Georg Eberhard angetrageneu Ge-
vatterschaften angenommen habe. Dem Überbringer der Ersuchschreiben hatte
der Windsheimer Rath zwei Thaler verehrt »und jedwedern frau gemahlin inner
der 6 wocheu «eine vergoldete Kanne zu je 30 Reichsthaler überschickt.
Den letzten der uns vorliegenden Gevatterbriefe an die Stadt Windsheim
hatte in militärischer Kürze Wachtmeister Johannes Leyenberger in Wenners-
heimb unterm 27. August 1696 an dieselbe gerichtet.
Die hier mitgetheilten Gesuche sind sicher — wie schon das Konzept des
Schreibens an die Stadt Weissenburg beweist — nicht die einzigen gewesen,
welche der Stadt Windsheim zukamen. Es ist wol recht oft eine solche Bitte
an den Bürgermeister und Rat herangetreten und die Ausgaben für Gevatter-
schaften mögen zu jener Zeit ein häufig wieder kommender Posten in den
Rechnungen der Stadt Windsheim, wie anderer Städte, gewesen sein.
Nürnberg. Hans Bosch.
— 97 —
Zur Frage uach Haus Sachs' Quellcu uud Stoflfeu.
ie Erforschung- der umfäng-lichen uud auch erstaunlich vielseitigen
dichterischen Thätigkeit von Hans Sachs hat in den letzten Jahren einen
äufserst erfreulichen Aufschwung" genommen. Drei Gelehrte besonders
förderten neuerdings das genauere Verständnis: allen voran Edmund Groetze, der
gründlichste Kenner der Daten sowie der handschriftlichen uud gedruckten
Texte, als Herausgeber, Bio- und Bibliograph, und in den letzten Jahren, von
ihm unterstützt. Victor Michels und Karl Drescher. Michels' archivalische
Forschungen in Nürnberg kamen besonders der theatergeschichtlichen Seite zu
gute, Drescher berücksichtigte mehr die rein litterarhistorische. Aber das
streng philologische Streben beider ging auf Ergründung von H. Sachs' Stellung
in der Litteratur seiner Zeit und zu seinen Vorgängern verschiedenster Art^).
Dreschers beide ergebnisreiche Bücher^) enthalten sogar im wesentlichen systema-
tische Quellenuntersuchungen, wie auch der Verfasser im Vorworte zum zweiten
bekanntgibt. Erst, wenn man für die überwiegende Mehrzahl aller gröfseren und
charakteristischen Dichtungen die Vorlagen aufgedeckt haben wird, kann ein
endgiltiges Urteil über H. Sachs' Gabe der Konzeption, der Fabelgestaltung,
der künstlerischen Komposition und Technik abgegeben werden. Behufs Fest-
stellung der gesamten einschlägigen Poesien des Dichters aus dem Umkreise
eines bestimmten Stoff'- oder Litteraturgebietes besitzen wir erstlich Emil Wellers
noch immer unentbehrliches Büchlein »Der Volksdichter Hans Sachs und seine
Dichtungen. Eine Bibliographie« (1868), dann das von Karl Goedeke, dem um die
Sachs-Bibliographie hochverdienten Vorarbeiter aller jüngeren Forscher^), ange-
legte Verzeichnis im »Grundrifs z. G. d. dtsch. D.« 2. Aufl. ü, S. 400-437*). Ein
äufserst wertvolles Hilfsmittel hinterliefs ja der Meister selbst in dem interessanten
Kataloge, den Goedeke nach dessen eigenhändiger Niederschrift^) als »Die Bücher-
sammlung des Hans Sachs« abgedruckt hat^). Hier gewinnt man zwar manchen
schätzbaren Anhalt, gerät aber doch des öfteren, falls man lediglich ilie dort
i) »Die uuifasseiidste und gründlichste Behandlung« fand aucli dieses Vei'hältnis in
der einzigen bis jetzt vorhandenen Sachs-Biographie, die wir (wie die ersten Biographien
Fischarls, Klopslocks. Herders, Jean Pauls, Chaniissos) einem Franzosen verdanken: Charles
Schweitzer, ün poete alleniand au XA'I'' siecle. Etudo sur la vie el les (euvres de Hans Sachs
(Paris und JNancy 1887; ausgegeben lS89j; die angol'ührle Ivi'itik slauiml von Karl Frouimann
(iun.J in seiner Neubearbeitung von Lützelbergers »Hans Sachs. Sein Leben und seine
üichtung« (1891), S. 39. Hierbei erlaube ich mir auf meine Rezension Schweitzers zu ver-
weisen: Literaturl)latt für germanische und ronianisdie Piiilologie XI (1890), S. 2S4 57.
1) Studien zu Hans Sachs I. fBerlin 1890/91); Studien zu Hans Sachs. Neue Kolge.
(Marburg i. H. 1891.j
S) Wie deren Füiirer Goetze, aucii hier wie beim »Grundrifs« gleichsam Goedekes
Tt!slamenlsvolistrecker, freudig anerkennt (Hans Sadis. Bamberg 1891. S. -i u. 6S, Anm.4.)
4j Dazu sind die von Goetze (nacli Allg. Dlscii. Biogr. XXX, 1:27) gesammelten iilirigen
Erwähnungen im l'x'^Hsfer S. .'597 !iinzuziifii;,nMi.
.Ti hl der »Summa aller meiner gedieht« (die zu den auf dem Zwickauer Halsarcliive
helindlichen Handschriften gehört) Bl. 122 f., in fünf Spalten, nach Goetze (Hans Sachs S. 38j
1562 über 100 Nummern.
6j Archiv f. Liigesch. VH. l-ß. Zum lulgemleii vgl. Orescln'rs 1. These hinter der
Dissertation rsi(>he unten Anni. 10).
Mitieiliiiigeii aus (Umii gurinan. Natioiialiiiiisciiiii. 1S{)2. \1I1.
— 98 —
vei-zeichiieleii ßUclier ins Aug-e lUlsK in dii; Ine. Ja, Hans Sachs, der bekamit-
lieli insoleni zu dm g-e\visseiihane8l.eu Litierateii aller Zeiten zählt, als er seinen
nächsten Gewährsmann zumeist iiiil Namen anlührt, l)eruft sich bisweilen auf
Vorbilder, die jener »nach (h'iii AIjc« {geordnete Katalog- nicht «verzeichnet«,
wo freilich auch »oft mer puecher dan ains zw samcu eitigepiinden sent in ain
puech«. Von derartig-en dem klassischen Altertume angehöreiuien Unterlag-en
sei beis|)ielsweise Lukians MivLnnog genannt, der in «Der Eygen nutz, das g-reu-
lich Thier, mit sein Zwüllf Eygenschaö'ten«') (1027) V. 28—25 wie folgt vor-
gestellt wird:
mein Nani heist Menipus
Der weyß Poet Lucianus
Von mir g-eschriben hat g-ar klug-.
Diese Stelle ist für die Zitlermelhode des H. Sachs bezeichnend, erweist aber
— durch die beiden Namenslbrmen — wol aufserdem ihrerseits, dafs er griechische
Schriftsteller nur indirekt, durch Vermittlung- lateinischer oder deutscher Über-
trag-ung-en oder Nachbildungen, benutzte^). Dies ist überhaupt ein Punkt, der
noch der völlig'en Aufklärung- harrt. Inwieweit H. Sachs überhaupt direkte
Eiusichtnahme fremdsprachlicher Darstellungen zuzutrauen und ob eine solche
in g-röfserer Ausdehnung- stattgefunden, ist im einzelnen bis jetzt noch ebenso-
wenig- ausgemacht wie bezüg-lich Shakespeares. Jedenfalls mufs mau, wie bei
letzterem auCser der Muttersprache nur das Französische und »ein wenig Latein«**),
bei ihm blofs Lateinisch und eine oberflächliche Ahnung- vom Italienischen
voraussetzen. Nötig- war ja damals bei dem mehr und mehr abschwellenden
Reichtume der Verdeutschungen eine thatsächliche Herrschaft über fremde
Idiome durchaus nicht, und die meisten zeitgenössischen Erzähler von Schwanken
mögen ihr Muster jenseit der Alpen nur nach deutschen Umarbeitungen nach-
geahmt haben, nicht wie H. Sachs direkt »Gento Nouella Johannis Bocacij«.
Von antiken Dichtern zog Ovid den Nürnberger Fabulisten am nachdrück-
lichsten an. Die Metamorphosen (»von verenderung der gestalt«) und die
remedia amoris (»von der lieb arzney«) führt er selbst in seinem Bücherregister
an. Dl Goetze's Auslassung Allg. Dtsch. Biogr. XXN, 121 bleibt undeutlich, ob
seines Erachtens H. Sachs Ovid nie im Original benutzt habe. Man geht hier
allerdings erst jetzt auf sicherem Boden, wo man Dreschers^") gediegene Ab-
handlung- »Hans Sachs und Ovid bis zum Erscheinen der Metamorphosenbearbei-
tung Jörg Wickrams«^^) (d. h. bis lo4o) zur Hand hat; denn mit Recht erötfnet
Drescher seine Darlegungen mit dem Satze: »Zu den noch völlig unerörterten
Fragen der Hans Sachsforschung gehört das Verhältnis iles Dichters zu Ovid«.
7j Mit dicsfin merkwürdigen Gedicht (Bibl d. i-orui. Mus. 17764) rechnet Hans Sachs
in die Physiologus-Litteratur; Abdruck Keller-Goetzt's Ausgabe III, 491.
8i Bei einer ganz anderen Gelegenheil diente mir (Germania XXXVI. 189) »der im
1(3. Jahrhundert wohlbeiiannle Lucian« (vgl. H. Förster im Arcliiv f. Litgesch. XIV, 337—363)
als Beispiel.
9) Nach der bekannten Charakteristik in Ben JonsoiK, poetischem Nekj-olog.
10) Der dies Problem schon in seiner vierten Promotionsliiese aufgewori'en hatte
(s. seine Dissertation »Hans Sachs und die Heldensage«, Berlin 1890, S. 41 ). wonuch Sachs
vor 134.'} keine »direkte Übersetzung der Metamorpliosen« benutzte.
lij Studien zu Hans Sachs. Neue Folge. S. ;ä8— 89.
— 99 —
Die im Verlaufe dieser Ausführung-en enthüllten merkwürdig-en ümslände, wie
z. B. die Aufnahme von blofs handschriftlich verbreiteten Sachs'schen Ovid-
Nachdich(ung-en in Wickrams Werk, leg-en die Frag-e nahe, wie sich die Sach-
lag-e mit dem Jahre lö4o, wo Wickrams bequemeres Hilfsmittel auf den Plan
tritt, ändert. Nun erhebt sich die Frage nach dem Entscheide des Dichters, ob
er dem alten Urtexte treu bleibt, der ihn so verläfslich durch zahlreiche Verse
g-eleiteti2-)_ o(^er sich zu der neug-emodelten Übersetzung- bekehrt. Da ich Drescher
(S. 89) unbedingt beiptlichte, dafs eine derartig-e Aufgabe zu lösen überhaupt
nicht mög'lich ist, ohne die stetig-e Heranziehung' des handschriftlieh erhaltenen
Materials, mir aber im g-ermanischen Nationalmuseum für diese Studien blofs
Folioausg-aben und eine Reihe von Einzeldrucken zur Verfügung' stehen, so will
ich hier nur auf zwei vortretl'lich verwertbare Belege für die bezügliche Be-
trachtung aufmerksam machen: »Das feindtselig Hauß des Neides, auß der
beschreibung Ouidij« (15o4^3j ^^^j ^j^s zweite Stück in »Dreyerley klagred dreyer
Weibsbild, Lucrecie, Thisbes^ vnd Virginie.«
Ersteres Gedicht behandelt natürlich die berühmte, von dem phantasievollen
Römer grausig ausgemalte Geschichte metamorph. II, 761 ff., die letztere das be-
kannte orientalische Volksmärchen von Pyramus und Thisbe. Der letztere Einzel-
druck, von dem Weller a. a. 0. S. 57 unter Nr. 102 drei Exemplare^^) nennt, ward
bisher noch nicht erneuert, obschon er es stofflich und litterarisch eher verdient
hätte, als manche weit gehaltloseren. Die Geschichte von der Lucretia beruht
ebenso wie die der Virginia auf «Thitus Liuius«, erstere daneben noch auf
Valerius Maximus, die Thisbefabel auf Ovid, alles nach des Dichters genauer
Angabe. Interesse gewinnt dieser, nur vier Blattei- umfassende Einzeldruck
(der auf dem Titel mit »Hans Sachs« bezeichnet und. obschon ohne Drucker-
und Druckortangube, den Typen zufolge zweifellos zu Nürnberg herauskam)
zunächst durch die Thatsachc, dafs H. Sachs die beiden livianischen Themata,
nachdem er in richtiger Erkenntnis ihres stark dramatischen Zuges sie längst
als Tragiidien bearbeitet hatte, hier nochmals in engstem Rahmen als sogenannte
apologi vorführt. Das Lucietiadranui (lo27) von H. Sachs ist ebenso wie
seine »Virginia«^^) (l;)8l)) die älteste dramatische Umgestaltung des betreffenden
Problems. Zwischen beide hat H. Sachs die mehr sagenhafte Figur der Thisbe
gestellt, mag sein lediglich vom al|)habetischen Standpunkte aus, mag auch sein
um ilic beiden tragischen ultr/imischen Historien durch die mildere, im Stile der
(irientaiischen .Märchen gehaltene, babylonische von Pyramus' und Thisbes un-
glückiii-licr Liebe zu trennen. Doch ei-scheint es allerdings fraglich, ob man dem
Dichter eine derartigverfciiierlc Ivünsthu'ischeÜberleguiigzutrauen soll. Dieäul'sere
Zusammenfassung der drei Stoffe ergab sich wol l)lols aus dem Umstände, dafs in
jedem cim' lit'iirnswüi'dige, sympalhische, Junge Frauensperson, in ihrem liiebes-
rechte gekränkt, durdi IVeiwilligcn Tod durch das Schwer! dem bevorstehenden
\i) Dresclier Icill als Aiiliiiii;; /.in- •..Neuen Folge« seiner Studien tireifsijr liislanj; reclil
unbekannte Texli' mil. vnn denen (i — 29 auf Ovid fufscn.
1;}) Er.sclieinutn^sjain' des Ein/eldruci\S (vj;;!. Weller S 74. iNr. löo; Hild. d. ^ei-ni. Mus.
I7.SUI); -iedietdel wurde das Werke he n am 1..Ian. l.'l'iS. nen-redruckt i)ei Kener-(i(tel/e 111. :l'V.).
14) Gernnmisches Museum fl 77S(lj, Stadlliildidlln-k iNnndn'r-i;. Köni^H IWidiolliek Berlin.
löj AlMlrnck hei Keller-Uool/.e II, 3.
— 100 -
Uiig'liicke enlg-ehl (um hier Jas Geiueinsaiue müg'liohst auf eine Linie /u bring-en).
Äul'sei'st lehrreich mrichle eine vergleichende Nebeneinanderstell ung der anderen
Bearbeihingen derselben Stoffe im 16. Jahrhunderte sich gestalten. Sie würde
auch aut H. Sachs' Genialität in der inventio materiae. wie die Rhetorik sagt,
auf seinen in der SlolTwahl bekundeten kühnen Wagemut manch neues Licht
werten. Ich habe seit mehreren Jahren behufs einer umfänglicheren Betrachtung
die Materialien zu einer solchen Parallelisierung gesammelt und auch bereits für
iilli' drei Fabeln gelegentlich einzelne Proben davon mitgeteilt: für Lucretia
Ztschr. f. vergleichd. Litteraturgesch. u. Renaissancelit. N. F. IV, 77 Anm. 2
und Litteraturbl. f. germ. u. roman. Philol. XII, 298 f.; für Thisbe Englische
Studien XV, 442—444, auch XVll 129; für Virginia Magaz. f. die Litteratur des
In- und Auslandes ;)9, 264 f. und Engl. Stud.\\VII. 122—124. Unsere Klag-
reden sind im Kreise der Litterarhistoriker fast völlig uiil»ekannl, was freilich
nienumden wunder zu nehmen braucht, wenn er hört, dafs selbst Spezialisten
die einschlägigen Dramen nicht kennen. Der sehr grümiliche und feinsinnige
Kenner der Renaissance, Gteorg Voigt, geht in seinem Aufsatze über »Die
Lucretia-Fabel und ihre litterarischen Verwandten« ^^) nicht auf Hans Sachs' Be-
handlung ein, wie auch Otto Rumbauer in seiner Breslauer Inaugural-Dlssertation
»Die Geschichte von Appius und Virginia in der englischen Litteratur« (1890)
in tler einleitenden Aufzählung der nichtenglischeii Bearbeitungen den Nürn-
berger nicht nennt. Für die Thisbegeschichte ist jetzt eine allgemeine Sammlung
der Belege von Georg Hart^'') vorhanden; doch erwähnt er H. Sachs, seineu
Landsmann, auf seinen 107 Seiten überhaupt nicht.
Übrigens hatte H. Sachs auch des unseligen Schicksals der Morgen-
länderin Thisbe schon früher in längerem, wenn auch nicht selbständigen Zu-
sammenhange gedacht. Sein ^^Faßnacht-spiel mit 4 personeu: Von der eygen
schafft der lieb« ^^), am 8. Januar iol8 entstanden, enthält folgende Stelle^^):
Wo aber rehte liebe leit,
Üb gleich ein klaffer etwas seit,
Dem glaubt sie nit, das es war sey,
Sie wont im stets in trewen bey
Und gieng bil's in den todt mit im,
Wie ich von Piramo vernim:
Da Thisswes (l)^^) in erstochen sach.
Da kam sie trewer liebe nach
Und zog das schwerdt aus seinem leib,
Stach das durch sich, das trewe weih.
16) in: Bcriclite d. ivönigi. Sachs. Gesellscti. d. Wissenschaft. Pliilut-liislur. Ivlassc. 1883.
17) I. Teil u. d. T. : Ui-sprung- und Verbreitung der Pyrainus- und Thisbe-Sago. Teil
einer Münchner Inaugurai-Dissei-talion. Beilage zum Jahresbericht der k. Kreisrealschule in
Passau pro 1889. Passau 1889. Verlag von Gust. Fock in Leipzig. II Teil u. d. T. : Die
Pyramus- und Thislie-Sage in Holland, England, Hallen und Spanien. Passau 1891.
18) Bei Keller-Goetze XIV, 12 ff.
19) Ebd. XVII, I, V. 14-23.
20j Auch in gleichzeitigen englischen Drucken gehen verschiedene Formen neben ein-
ander her; doch isl Thisswes, beziehenllich Thisbes (s. S. 101 unlenj, wol versehentlicher Genitiv.
— 101 —
H. Sachs hat hier tlen Thisbestoff schon zu einer Zeit bearbeitet, wo
von einer anderen Gattung- von Darstellung-eu desselben Motivs, die sonst mit
ihm Berührungspunkte haben mag, noch nichts verlautet. Ein eigenartiger
Holzschnitt, der die Schlufsszene der Thisbekatastrophe versinnlicht und ent-
schieden der Cranachschen Schule zugehört, taucht 132(3 im Titel von Sauronians
»Ein kurtze Vermanungc u. s. w. in dem Verlage der bekannten Wittenberger
Oftizin von Georg Rhau (Rhaw) auf und ziert seitdem eine Reihe von Büchern,
1553 auch ein Londoner Druckwerk. Darauf hat K. Th. Gaedertz (der insbesondere
seit Jahren für den Thisbestofi' sammelt) eine umfangreiche und geschickt ver-
teidigte Hypothese aufgebaut, die bekannte Pyramus- und Thisbe- Episode in
Shakespeares »A midsumraer night's dream« entstamme einem englischen Buche
über die Thisbefabel , das vorn mit eben demselben Cranachschen Holzschnitte
über den Tod Thisbes geschmückt gewesen sei , wie ein verlorenes deutsches
gleichen Stotfes aus G. Rhaus Verlag. Man findet diese Kette von Schlüssen
mit den zugehörigen Unterlagen in seinem Buche »Zur Kenntnis der alteng-
lischen Bühne nebst andern Beiträgen zur Shakespeareliteratur« (Bremen 1888),
Kapitel II, dem auch eine »Nachbildung von Lucas Granachs Pyramus" und
Thisbe« vorgesetzt ist. In den «Engl. Stud.« XV, 442 habe ich diese Vermutungen
zu prüfen versucht und u. a. den Mangel mancherlei erwünschten Materials
])edauert. Nun bietet der Hans Sachs'sche Einzeldruck der »dreyerley klagred«
auf dem Titel einen über ein Drittel der Seite einnehmenden Holzschnitt, der
sichtlich Thisbe in dem Augenblicke darstellt, wie sie verzweifelt das Schwert
des Geliebten sich in den Busen stöfst. Kostüm u. s. w. entsprechen ganz und
gar dem Stile des Cranach zugewiesenen Schnitts; nur ist alles wesentlich ver-
einfacht, die Szenerie arg zusammengedrängt, alle irgend entbehrlichen Reiiui-
siten fortgelassen. Es sei hier schliefslich noch darauf hingewiesen, dafs Lucas
Cranach d. Ä. den auf H. Sachs' Titelholzschuitt herausgegriffenen Höhepunkt
in Pyramus' und Thisbes tragischem Schicksal dreimal behandelt hat, worüber
mau, aul'ser Gaedertz a. a. 0., Joseph Heller, Lucas Cranach's Leben und Werke,
2. Aufl. (Nürnb. 1854), S. G(3, 81 und 92 einsehe. Die Lucretia malte Cranach
1532, 153(3, 1543, 1545 (zweimal), 154(3, also ausnahmelos zwischen Sachs' Drama
und Klagred über denselben Stoff"; man vergleiche die Notizen bei Heller a. a. 0.
35, 54, 61, 63, 67, 85, 88. 91, 94, 96, 101, 104, 108, ferner Schuchardt. Lucas
Cranach d. Ä. Leben und Werke H (1851). S. 25, 37, 43, 61, 96. 107, 140. 161,
1(36, 181 und III (1870) 270.
Ein kunsthi.^torischer Fund könnte hier unter Umständen Sachs mit Cranach
(den ja auch der Nürnberger Patrizier Antonius Tücher bcsrhäftigle!) verknüpfen,
ja, wer sich gern auf dem Felde der Wissenschaft in kühnen Träumen wiegt,
erblickt vielleicht schon die oft gesuchte Brücke zwischen H. Sachs und dem
groCsen stariimverwandit'ii Bühnendichter, der in H. Sachs' Todesjahr erst ein zwidf-
jähriger Knabe war, William Shakespeare. Nicht unwahrscheinlich komm! es mir
jedoch vor, dal'sder Altdorfcr Universitätsprofes.^or Daniel Schwenler (1585— 1636),
dessen für uns verlorenes Stück mit der Pyramus -Thisbe -Historie als Mittel-
punkt teilweise den Boden für Andi-eas Gryphius" IrelVliches Schim|»fspiel »Peter
Squenz« (zwischen 1647 und 1650) abgab, mit bei H.Sachs Anregungen empfangen
hatte. Allerdings ist für 1(304 eine »Flislorie vonn Thisbes^") vnndt [tyiamoff
belegt, für ilie neben anderen am 29. Januar dieses Jahres eine wandernde
— 102 —
8chauspielerlrii|)|»e Ikmiii Kalo der freien Keichssladt Nör(llinp:en die Konzession
nachsucht 2^). Aulserdem kann Schwenler sicli auch den StofT von einem fremd-
sprachlichen Muster g^eholl haben; denn, was für ein sprach kundigrer iMann er
war^ä), l)e\veist ein in meinem Besitze belindliches Autog-raph mit hebräischen
und persischen Zeilen.
Nürnberg-. iJr. Jjudwig- Franke).
21) Aufgefunden von Karl Trautuiann um! von iiini inilgeteill im »Archiv f. Litteratur-
gfschichte. XI, 626.
22) Dies tritt in seiner von Cantor verfal'stcn Biographie in der A!li^. Dtsch. ßiogr.
rXXXIlI, 413 f.) nicht zur Genüge hervor.
Her Nürnberger Hotscliniied Jakob Weiniiianii.
ni »Kataloge der im germanischen Museum befindlichen Bronzeetaphien
des lo. — 18. Jahrhunderts« haben wir unterer. 102—108 sieben Epitaphien
ang:eführt, die von einem Meister I VV, dem ersten der Nürnberg'cr Rot-
g-iefser, der seine Initialen auf den Epitaphien anbrachte, herrühren. Wir be-
merkten (]b.7.u, dafs es uns leider nicht möglich sei, anzugeben, wer sich hinter
diesen Buchstaben birgt. Bei einem Besuche des hiesigen Johannesfriedhofes haben
wir nun nicht weniger als einige Dutzend Epitaphien gefunden, die räumlich
nahe beieinander liegen, und in welche ebenfalls die Initialen I W eingeschlagen
sind. Sie fallen sämtlich in die gleiche Zeit, in der die unter Nr. 102—108
des genannten Kataloges angeführten gefertigt wurden. Mitten unter ihnen ist
aber auch noch eine Tafel, die sich durch ihre Gtrölse vor den anderen aus-
zeichnet und den vollen Namen ihres Verferligers »Jacob Weinman« einge-
schlagen trägt. Sie ist dem Andenken des 1623 verstorbenen Georg Rem. »beider
Rechten Doctor, seiner Vater-Stadt Augfpurg und der Republic Nürnberg Gon-
sulenttf gewidmet^). Es ist wol nicht zu zweifeln, dafs dieser Jakob Weinmann
auch der Verfertiger der lediglich mit I W bezeichneten Epitaphien ist, der aber
nur bei der grofsen Tafel es für notwendig fand, seinen ganzen Namen anzubringen.
Aus dem auf Seite 14 des genannten Kataloges angeführten Verzeichnisse von
Nüi-nberger Rotschmieden des 16. Jahrhunderts, das sechs Meister dieses Namens
aufführt, ist ersichtlich, dafs Weinmann einer alten Nürnberger Rotgiefserfamilie
angehörte. Sein hübsches Epitaph ist bei Trechsel^) ausführlich beschrieben,
sein Todesjahr aber nicht angegeben ; er hatte eine Katharina Finsterin zur
Ehewirtin.
Der Rotgiefser N VV, der das Epitaph Nr. 128 des Kataloges fertigte und
der zweite Rotschmied ist, der sich auf unseren Epitaphien nennt, ist vielleicht
ein Namensvetter des 1 W, also ein N. Weinmann gewesen, den wir allerdings
noch nicht nachweisen konnten.
Nürnberg. Hans Bosch.
1) Vgl. Joh. Marlin Trechsels Verneuertes Gedächtnis des JN ürnbergischen Johannis-
Kirchhofs (Frankfurt u. Leipzig 1735) S 137, Nr. 1428. ±) a. a. (). S. 126 I".
— 103 —
Kosteu einer Reise vou Nüruberj; iiacli Venedig 1581.
ü Band 1 dieser Mitteilung-eti haben wir auf S. äö3 i'. über einen Eilboten
berichtet, tler im Jahre 1494 innerhalb vier Tag-en und einiger Stunden
von Nürnberg- nai-h Venedig gereist ist. Heute wollen wir wiederum die
Aufzeichnungen über eine nicht ganz hundert Jahre später ausgeführte Reise
zwischen diesen beiden Städten bekannt geben, die zwar nichts Besonderes au
sich hat, aber ein Bild gibt, in welcher Weise sich solche Reisen gewöhnlich
abgewickelt haben dürften. Bei dem regen Verkehre zwischen Nürnberg und
Venedig haben wol sehr viele Bewohner der erstereu Stadt und Hunderte an-
derer Deutschen diesen Weg unter ganz ähnlichen Verhältnissen zurückgelegt.
Es war Friedrich Behaim (geb. lo63, f 1Ü13), der sich lo81, also im Alter
von 18 Jahren, von Nürnberg nach der Lagunenstadt begab. Seine Aufschrei-
bungen über die Ausgaben, die ihm dabei erwachsen, sind mit dem freiherrlich
von Behaimschen Archive in das germanische Museum gekommen. Wir geben
sie als einen kleinen Beitrag zur Geschichte des Verkehrswesens nachstehend
wieder.
»Rechnung über die 20 11., so ich auf der rai(5 von Nürnberg biß
auf Venedig verzert hab.
Adi 31 August zu Nürnberg 3 patzen^) (4 meilen) zuRhot 39 ^., (2 meilen'-)
zu Bleinfelt zu nacht 9 p. 12 ^., dem glaiter (Geleitsmanu) auf den Hannekamp
3 p., (4) Mauheim 3) zu mittag 22 kreuzer 6 ^., dem thurner alda 25 ^., (2) zu
Donawehrt 2 p. 9 4., dem sattler alda 38 4., (2) zu Wescheldortl'-*) zu nacht
9 p. 12 4., (4) zu Augfpurg den poten für mein velles^) zu füren 1 11.. item für
das mittagmal 25 kr., dem Sattler, den der sattel mitten voneinander war 6 p., (0)
zu Landt'perg zu nacht 11 p. 8 ^., (4) zu Schauingen ß) für die nuilzeit 25 kr.
8 ^., dem glaiter alda für die malzeit und Ihon 18 kr. 8 ^.. (4) zu Ammergaw
zu nacht 38 kr. 8 ^., (4) zu Mittewaldt 26 kr. 12 ^., (4) zu Zürla^) zu nacht
44 kr., (4) zu Matra») zu mittag 24 kr., (4) zu Stertzlingen zu nacht 3(3 kr., (4)
zu Brüxen zu mittag 22 kr., (5) zu Atzlwang zu nacht 4G kr., ^3) zu Bozna zu
mittag 25 kr., dem Schmidt alda für eisen aufzuschlagen 10 kr., (4) zu Salurna
51 kr., (5) zu Perßn^) zu mittag 29 kr., (4) zu Burg^'^j zu nacht 42 kr., dem
zollner 3 kr., (4) zu Zipmungi^) zu mittag 24 kr., (4) zu Schkalingien (?) 12 p.,
(3) zu Casselfranckeu^äj y p^ ^^-^ y^^^ Masiev^^) den schifman bifj gen Venedig
40 schil., dem iioten zu Venedig 3 IT.. das zeughauß zu Venedig zu sehen 20 schil..
des hertzogen pallast zu sehen 20 schil., den lluiiti zu s. j\!arx zu sehen 8 schil.,
für ein drunck malvasier 7 schil., dem schitfman \'uv mich und noch ein l(d-
metschen biß gen Master ^3) zu faren aUla zu meinem roß zu sehen 8 schil.. für
die malzeit für zwen 52 schil.. wider gen Venedig zu faren 10 schil.. dem l(d-
Ij Statt pat/.oii wird iiünlti}^ p. {gesetzt. 2) In diT Folgo lasstMi wir «lit' Bczoichmnitr
•»iiieilfiH Ixii (1(M' piiigi'klaiiiim'ftcn Zaiil wo^, wclclii' iiiiiiicr die l'liitrcnuiiiti des vor.^^tolu'iidcii
von dem iiaclisleluMidcii Oric aiit,niit. ;{J .Münlieini. 'n \Vi>l Weslomlorf, IJ.-A Wertint^cii.
Im .Munde i\rf .scliwähisclien Bevöliieruntc matt der iNanie de.s üi'le.s Beliaini st» j^eiiliMii^eii
liaiicu, wie <•!• ilin nieder.schricli. ;> i Kelleiseii. 0) Soll wol Sclionjiau liei,>^.sen. 7) Ziil am
Irin. S) Matrey. 'J) Peririni-. Kl) {{ortiit. die it-t/te von {{eliaini eiwiiiiiilc (»iL-^chari in Sild-
lintl. 11 J Ci.smon i liaiicu. \2) Ca.steilraiuMi. \:i) Ale.slrc.
— 104 —
nietschen ein driiik^'rll 2 \<.. dorn pnliMi ITii' ein brief 12 schil.. übpral ai'iiien
leiiten spendirl 3 p., suinina in allen l'.l 11. ."5 schil. 2ö 4-
Das mir hie an der rechnung- noch niang-elt, so vviß, das ich an den Nurn-
berg'ischen 3 verloren im Schvvabenland , dan wo i kreuzer stehet, hab ü ^
müssen geben, diweil es weise müntz ist. im Welschland gill I 11. 90 Schilling
und (isl) 1 irer 2 ^ werdt. darumb verstelle ich nodi niclil die recht colhdion
mit dem welschen und deutschen gelt«.
Wie lange ßehaim zu seiner Reise gebraucht liat, geht aus seinen Auf-
zeichnungen leider nicht hervor. Kr sagt nur bei acht Orten, dafs er über
Nacht geblieben ist, das letzte mal zu Borgo; aber sicher hat er auch noch
nachher, vielleicht auch schon vorher in Salurn, Nachtquartier genommen. Es
kämen also auf die Reise bis nach Mestre , von wo an er wol das Schiff be-
nützte, im ganzen eilf Tage.
Behaim sagt zum Schlüsse seiner Rechnung »tiarumb verstehe ich noch
nicht die recht collation mit dem welschen und deutscheu gelt.« Uns kommt
dies auch so vor; denn wenn wir die von Behaim angesetzten Beträge zusammen-
zählen iiml den (julden zu In Batzen, den Batzen zu 4 Kreuzer, den Kreuzer
zu 4 Pfennig und nach Behaim den Gulden zu 90 Schilling und den Schilling
zu 2 Pfennig rechnen, so bringen wir an Reisekosten 18 11. 40 Kr. 1 ^ und
87 Schilling heraus, also mehr wie Behaim. Wo die Differenz liegt, wissen wir
nicht, denn, wenn wir für die in Schwaben verausgabten Kreuzer 6 statt 4
Pfennig rechnen wollen, so ergibt sich eine noch höhere Summe.
Nürnberg. Hans Bosch.
Eiserner Thürklopter des 18. J<ahrhuuderts.
(Hiezu Tafel I.)
n den werth vollsten Erzeugnissen der Schmiedekuust des 18. Jahrhunderts
im germanischen Museum gehört der auf der beiliegenden Tafel abgebil-
dete, eiserne Thürklopfer (A. 1161), eines der wenigen Stücke Schlosser-
arbeiten, deren Verfertiger bekannt ist. Er gelangte im Jahre 1872 nebst Thür-
schloCs, Drücker und Schlüsselschild als Grescheuk des Schlossermeisters und
oberen Zunftdeputierten ü. A. Böckel in Kassel an das Museum, der ihm als ein
Meisterstück eines Vorfahren , des Hofschlossers J. Chr. Böckel in Kassel , vom
Jahre 1729 bezeichnete. Der aufserordentlich reiche Thürklopfer besteht aus der
durchbrochenen Unterplatte von kunstvoll getriebenem Bleche, die schon ur-
sprünglich in zwei Teilen angefertigt wurde, und dem darauf befestigten Klopfer,
bestehend aus einem Piedestal mit einer Büste, in dessen Sockel sich das Scharnier
des eigentlichen Klopfers bewegt, der durch zwei an eine Maske gekettete
ornamentirle Hunde, darunter ein Frauenkopf, nicht minder reich wie die Unter-
platte geschmückt ist. Durch die Befestigung des Piedestals auf die Unterlage
ist die Verbindung mit dieser hergestellt. Das Piedestal mit der Büste und der
eigentliche Klopfer sind in Eisen gegossen, der GuCs aber sorgfältig überarbeitet.
Die Höhe der ganzen Arbeit beträgt 69 cm., die Breite 44,8 cm. Die hübsche
Abbildung verdanken wir der Güte des hiesigen Bayerischen Gewerbemuseums.
N ü I- n b e i- g. Hans B ö s c h .
Mitteilungen aus dem german. Nat.-Mus. 1892.
Taf. I.
Eiserner Thlirklopfer des 18. .Talirliundorts.
— 105 —
Die )Ia(loiiii<i vom Woliiiliause des Veit Stofs.
ie zwanzig- Jahre, die Veit Stofs mit einer kurzen Unterbrechung- in
Kraifau thätig- war, brachte diesem nicht nur viele Ehren ein — 1484
wurde ihm seiner »Tug-end und Kunst willen« das Bürgerrecht der Stadt
Krakau verliehen und 1495, ein Jahr vor seiner Abreise, wird er in den Krakauer
Stadtakten als »Diag-ister mechanicorum« aufgeführt — , sondern verhallen ihm
auch zu einem ansehnlichen Vermögen, so dafs er sich-, nachdem er 1497 zum
zweitenmale geheiratet hatte, in der Lage sah, im Jahre 1499 von den Häusern
der ein Jahr vorher aus Nürnberg vertriebenen Juden »des alten Mair Johels«
Haus, als eines der gröfsten, um den Preis von 800 fl. rh. zu kaufen. Das an
der Ecke der Wuuderburggasse und des Prechtelsgäfschens gelegene Haus
besteht noch heute und trägt die alte Hausnummer S. 939. Möglicherweise ge-
hörte damals auch das daranstofseude Anwesen S. 940 dazu. Das Haus ist
unansehnlich und ziemlich schmucklos. Herrn Professor Fr. Wanderers Hand
verdanken wir die hübsche Darstellung des Hauses, nach seinem jetzigen Aus-
sehen, am Schlüsse dieses Artikels. Die einzige Zierde bildete bis vor Kurzem
ein an der Ecke angebrachtes Madonnenbild, das aber durch vielfachen Ölfarben-
anstrich so unscheinbar geworden war, dafs nur der geschulte Blick die unter
der Verhüllung verborgene Schönheit entdeckte. Als vor einigen Jahren das
Haus in neue Hände überging, bot der nunmehrige Besitzer die Madonna zum
Kaufe aus; der Stiftung zur Erhaltung Nürnberger Kunstwerke gelang- es, das
Schnitzwerk zu erwerben. Sie ging- aber auch die Verpflichtung ein, eine ge-
treue Kopie herstellen und als ihr Eigentum an dem Hause anbringen zu
lassen, damit die äufsere Erscheinung des Hauses nichts von ihrem Charakter
verliere, während das Original im germanischen Museum aufgestellt wurde. Hier
ward es von seinen Übermalungen befreit und entpuppte sich als ein Meister-
werk, das keinen anderen als Deutschlands gröfsten Bildschnitzer, Veit Stofs,
zum Urheber haben kann. Der im vierzehnten Jahrhunderte aufkommenden
und im fünfzehnten in Nürnberg allgemeiner Brauch werdenden Sitte folgend,
hat der Meister die Ecke seines Hauses mit dem Bilde Derjenigen geschmückt,
in deren Schutz er sich und die Seinen stellte, und die ebenso Irische wie feine
Ausführung des Werkes läfst darauf schliefsen, dafs wir eine durchaus eigen-
händige Arbeit von ihm vor uns haben. Die notwendige Restauration der
Figur wird unter Professor Fr. Wanderers Leitung von Bildhauer Gg. Leistuer
ausgeführt; letzterer wurde auch mit der Herstellung der Kopie betraut.
Die Zahl der mit Sicherheit als Stofsisch beglaubigten Arbeiten ist eine
verhältnismäfsig geringe. Die groCse iMasse der früher unter seinem Namen
vereinigten Schnitzwerke hat die Stilkritik schon in verschiedene Gruppen aus-
einandergelegt, aber um ein kiitisches Verzeichnis der Stofsischen Werke auf-
zustellen, haben wir noch zu wenig Anhaltspunkte. Zwar sind durch seine
beiden Hauptwerke, den um 1480 geschaffenen Marienallar in Kiakau und den
im Jahre 1518 ausgeführten englischen Grufs in der Lorciizkirche zu Nürnberg,
zwei wichtige Punkte gegeben, doch liegen diese, eine fast vierzigjährige Thätig-
keit in sich schliefsenden Puidde, zu weit auseinander, um zu einei' zuver-
lässigen und sicheren Orientierung zu dienen. Andere datierbare Werke sind
Mitteilungen aus dem gerniari. NatioRalmuseiini. 1892. XIV.
— 106 —
(Jio nach seinen Entwürfen ausgeführten Steinreliefe in der Sebalduskirche vom
.lahrt- 1499 und das in derselben Kirche befindliche Kruzifix mit Maiia und Jo-
hannes vom Jahre 1526, das die letzte Arbeit des ang-ebiich im fünfundneunzig'sten
Lebensjahre 1333 verstorbenen Meisters sein soll. Im übrigen liegt die Chrono-
logie der Stolsischen Werke noch ganz im Argen. Ein Vergleich des Krakauer
Altares mit dem Englischen Grufse läfst auf eine Entwicklung von Sturm und
— 107 —
Draug- zu Ruhe uud Abklärung- schliefsen. Wie uns Melanchthon von Dürer
berichtet, tlafs dieser als Jüng-liug- die bunten und vielg-estaltigen Bilder g-eliebt
und bei der Betrachtung- seiner eigenen Werke die Mannig-faltig:keit eines Bildes
besonders bewundert, dann aber als älterer Mann begonnen habe, die Natur zu
beobachten und deren ursprüng-liches Antlitz nachzubilden, und erkannt habe,
dafs diese Einfachheit der Kunst höchste Zierde sei, so wird es auch Veit Stofs
ergang-en sein. Deutlich nehmen wir in seinen Werken ein g-ewaltig-es Ringen
einer zwiespältigen Natur wahr, die, von gesundem und trotzigem Naturgefühl
erfüllt, mit den alten Idealen gebrochen hat, zugleich aber bemüht ist, auf dem
Grunde der Natur eine neue Idealwelt aufzubauen. Das war ja überhaupt das
Streben und Ziel jener Tage, das ist es ja, was der gewaltigen Renaissance-
bewegung in Deutschland wie in Italien das eigentliche Gepräge verleiht. Will
man unter den italienischen Meistern einen nennen, der mit Veit Stofs ver-
glichen werden kann, so ist es der gewaltige Donatello, nur dafs diesem neben
der Natur die von ihm mit seltenem Eifer studierte Antike als Führerin diente
und seinem unbändigen Naturgefühle die ideale und zugleich monumentale
Richtung gab, während für jenen nur die Gestalten der alten heimischen Kunst,
mit denen er sich selbst im Widerspruch befand, das Ideal darstellten, das zwar
nicht nachzuahmen sei, aber durch tiefes Eindringen in die Natur wieder zu
gewinnen sein müsse. »Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer
sie heraus kann reifseu, der hat sie«. Wenige Meister jener Tage haben so
ganz in dem Sinne, der in diesem tiefsinnigen Ausspruche Dürers steckt, ge-
arbeitet, wie Veit Stofs. Die Art, wie er die Natur künstlerisch zu bezwingen
suchte, gleicht in der That einem gewaltsamen HerausreiCsen. Aber durch die
Gewalt, durch die Unruhe und den Drang nach neuer Formgestaltung hindurch
ringt sich ein tiefes, aus einem nach Frieden und Klarheit sich sehnenden Ge-
müte entsprungenes Gefühl em|tor, das uns mächtig bewegt. Wir empfinden,
dafs hier der Geist Herr geworden ist über die Leidenschaften, und indem er
es that, das Schöne zeugte. Das ist es. was den von einigen wegen ihrer Innig-
keit und Zaj-theit der Kmplindung gepriesenen, von anderen wegen der un-
ruhigen Bewegtheit und des krassen Naturalismus verschrieeneu Schöpfungen
des Veit StoCs ihre Bedeutung verleiht, das ist es, was das von seinem Hause
stammende Marienbihi zu einem so anziehenden Werke macht.
Der Kojif der Maria ist kein Idealtypus, sondern reich an individuellen
Eigentümlichkeiten und es dürfte nicht schwer gewesen sein, sein VorbiUl unter
den Nürnberger Bürgei-innen zu linden, ebenso pulsiert ein warmes Leben in
dem mit einer Hand das Fül'schen umklammernden und mit der anderen eine
grofse Birne haltenden .lesusknaben, und auch die Hände der Madonna sind von
grofser Naturlebendigkcil. Auch si)ielt, gerade so wie bei den Werken Donalellos.
ich erinnere nur an den hl. Petrus in Or San Micchele zu Florenz, der Zufall
in der reichen Drapierung des Gewandes eine grofse Rolle und hat der Meister
hier, wie in der Mehrzahl seiner Werke, in der Wiedergabe des zufälligen, un-
ruhigen (Jefältels und (icknitters förmlich geschwelgt, aber daneben, welche
(irofszügigkeit und welcher Schwung der liiiiic, welche Holieil und Anmut zu-
gleich in der Haltung der zarten Gestall. ilii- niil ihren schmalen Schullern so
recht minnig und junglVäulich erscheint, und Irolz d(M- Bewegtheit einztdner
Partien, welch' ruhige Geschlossenheit iler Gesamtkomposition. Unil merkwünlig,
— 108 —
(las uns bei der Fieii'achtimi;' dei- Einzelheiten so nürnbergisch l)ürg'erlich an-
mutende, vom niederwallenden Lockenhaar umrahmte Haupt kann doch nur das
der Madonna sein, das würdig ist, die stattliche Krone zu tragen, und das mit
ihr zu einer so schönen Gruppe vereinigte Kind kann doch niemand anders sein
als das Jesuskindlein, vor 'dem die heil, drei Könige sich beugten. Und jenes
unruhige Gelaltcl, möchten wir es missen, oder dient es nicht vielmehr dazu,
durch Kontrastwirkung den Eindruck ruhiger Klarheit und schöner Harmonie,
den das Werk in uns hervorruft, zu verstärken'? Als besondere Eigentümlichkeit
sind noch die aus Zinn gegossenen Sterne zu erwähnen, die als anmutiger
Schmuck über den Mantel verstreut sind.
Wann das Werk entstanden ist, wissen wir nicht, doch steht der Annahme
nichts im Wege, dafs es jenen Tagen angehört, da der Meister sein Haus bezog,
also seiner mittleren Kunstperiode. In bezug auf seinen künstlerischen Charakter
hält es auch so ziemlich die Mitte zwischen der unruhigen Hast des Krakauer
Marieualtares und der ruhigen Klarheit des Englischen Grui'ses.
Nürnberg. Dr. Paul Johannes Re'e,
— 109 —
Disziplin im dreifsigjälirigen Kriege.
(Aus dem Archive der Reichsstadt AA'indsheim.)
I) seiner Geschichte VVallensteins stellt Ranke an einschlagender Stelle
die mannig'fachen Geg-ensätze dar, welche zwischen den Absichten Wallen-
steius als kaiserlichen Heerführers und der katholischen Lig-a bestanileu.
Von Wichtig-keit ist in dieser Beziehung' der auf Beschhifs der Lig-a im Scjd-
tember und Oktober des Jahres 16ä7 zu Mühlhausen abg-ehalteue Kolleg-ialtag
der Kurfürsten. Die Proposition, sag-t Ranke, betraf die Abstellung der Gewalt-
thaten, welche die undisziplinierte Soldateska im Reich allenthalben verübe. Mit
einer gewissen Beredsamkeit beklagte der Kurfürst Johann Georg von Sachsen,
dafs der Krieg infolge der Werbungen, Durchzüge und schweren Kontributionen
Deutschland ganz und gar zu veröden drohe. Er hütete sich sehr, blofs von
Wallenstein und den kaiserlichen Völkern zu sprechen, obschon die auf dem
Kollegialtag überlegene katholische Majorität ihre Propositiou direkt gegen
Wallenstein gerichtet hatte. Aber gegen den General der Liga, Tilly, liefen nicht
weniger laute und begründete Beschwerden ein, als gegen den kaiserlichen Heer-
führer. Vollkommen kam daher die Liga in Mühlhausen nicht zu ihrem Zwecke.
Zu einer eigentlichen Mission gegen Wallenstein entschlossen sich die Kurfürsten
nicht. Sie begnügten sich mit ermahnenden Schreiben an die beiden Generale
und einer schriftlichen Vorstellung an den Kaiser über die dringende Not-
wendigkeit einer Abhilfe der unerträglichen Beschwerden. In dem Schreiben
an Friedland bemerkte man einige Drohworte. Die brandenburgischen Ge-
sandten forderten die Weglassung derselben, denn sie würden den General nur
noch mehr aufreizen.
Unter dem in obiger Darstellung Rankes aufgestellten Gesichtspunkte mögen
einige kleine Aktenstücke der Beachtung nicht unwert erscheinen, welche sich,
vereinzelt und ohne geschlossenen Zusammenhang, in einem die Ereignisse des
dreifslgjährigen Krieges und zwar der Jahre 1616— 163S betreffenden Faszikel
des Windsheimer Archives im germanischen Museum finden.
Das erste Stück ist die Kopie eines Schreibens, welches Wallenslein aus
seinem Hauiitquartiere Dömitz an Don Verdugo richtet und welches schon vor
den Kollegialtag zu Miihlhausen fällt. Wir geben es mit der Aufschrift:
«Gopia herzogen zu Friedland Schreibens an don Guilelmo Verdugo de
(lato Dömnitz den 30. aug. 1627. Wolgeborner etc. Wiewol dcv herr ein ge-
raume zeit zu seinen Werbungen gehabt und er dahero iiiil dein volk gar \\(d
hat aufkommen können, als wurdet iler herr ohn ferneren verzug sein volk,
wenngleich die regimenter nicht complet, mustern, den ersten monalsidd,
weiln er solchen versprochen , selbst hergeben, und das volk dahin, wo ihiiie
von beirn gnd' WoIITl'U von Mansfeld ordinanz geben wurdl. üiluen lassen.
Weilen wir auch vernehmen, dafs seine oflicier von dem Fränkischen kreis die
contribution gar vom ersten iiia> /u extorciuiren sich underslehen. welches
uns nichl wenig wunder iiiiiibl, daß dassellie volk, so ihr kay. iiisl. noch nie
gedienet, solches begehren darf, zweifeln auch nicht, der lici r werde denselbigen
ernstlichen befehlen, damit sie die geldexactiones einstellen, und weder von
den sländen noch von i\rv ritterschaft einige contribution fordern, in widrigen
werden die ofticit'r nil allein die geldexactiones erstatten müssen, sondern
— 110 —
uucli weilten dieser exoiliiUiiilien ernstlich bestraft werden, verbleiben benebens
etc. Geben im haubtquartier zu Dümnitz den 3(J aug-. 1627. Albrecht.«
Das zweite Aktenstück, ein vom 7. November 1627 aus Nürnberg- datiertes
Schreiben, ist ebenfalls eine Kopie^j und scheinl rin Zeitungsausschnitt oder ein
Auszug- aus einem umfang-reicheren Berichte oder Briefe zu sein, dem die anders
woher entnommene Darstellung desHauptereig-nisses inseriert ist. Unterschrieben
»Catbarina Johann 2) Weinrich« zeig-t das Schriftstück eine ohne Zweifel männ-
liche Hand. Das Schreiben war vielleicht an ein Mitglied des Rates von
Windsheim gerichtet. Es g'iebt ein anschauliches Bild sowol von der bereits
eingerissenen Zügel losig-keit der Soldateska und ihrer Führer, wie von der
gegen dieselbe angewandten Strenge und Handhabung der Gerechtigkeit. Auch
der Stand der Offiziere schützte nicht davor, auf der Folter gereckt und
gewippet zu werden.
»Endurtheil wider den obr. von Gortzenich etc. Demnach den 9. octoberis
disses 1627. jahrs auf klag und antwort, auf red und Widerrede, auch uf aller-
hand eingezogene urkundschafi, gut- als peinliche gezeuguufä und dann
selbsteigenes bekani- und erkantnu|S wider des profossens hochbeinliche au-
klag beklagter obr. von Görzenich ganz nichts der erheblichkeit rechtlicher
notturft sich zu defendiren oder zu entschuldigen, vorzuwenden oder zu
exculpiren^) weder gewusst noch gehabt.
Als ist ihme beklagten obr. von Görzenich etc. wegen seines bößlichen
verübten ungehorsambs, veracht und hintansezung kays. salva guardia, auch
vielfeltiger fürstl. und sines deputirteu kays. herrn muester und quartir com-
missari, herr Johann Mezger ordinanz, allerhand insolentien, geltes extorsion,
blünderungen, intentionirten Straßenraubs und würklichen mord und anderen
ärgerlichen übelhalten, von den herrn praesidenten general Schultheiß und
den herren assessorn disses unparteyischen cammerrechtens, durch urteil und
recht zuerkandt und ausgesprochen worden, daß er dem profossen in seine
handfeste geliefert werden solle, welcher ihme einen beichtvater, so er den-
selben begehrt, deme er seine sünde bekenne, reue und leid darüber verführe,
des hochwürdig heyl. sacraments sich gebrauche und also sein letztes testa-
nient beschließe, beybringen, nachmalen ine obr. Görzenich dem henker über-
antworten,*) welcher ine endlichen uf einen freien platz führen und nach kays.
rechten mit dem schwerd vom leben zum tod und den körper uf das rath^)
legen, den köpf ufstecken, hinrichten 6), also dass der körper der grössere und
iler köpf der kleinere teil verbleibe; wenn solches beschehen, so ist den kays.
raalefizkriegsrechten, alsdann ihme zu wol verdienter straf und andern zum
exempel und absehen ein benügen beschehen. Actum im veltläger oder haubt-
quartier von Renßburg ut supra.
Darauf ist den ^ octoberis A." 1627 diß urteil im freyen feld bey Renß-
burg an dem obr. von Görzenich exequirt und vollstreckt worden.
1) Das m. [). am Schlüsse kann niclit irre führen, da es von dem Abschreiber mit
hinüber genommen wurde. 2) Bezeichnet wol die Ehefrau des Johann Weinrich, Namens
Calhariiia. So unterzcichncl z. B. die Gemahlin des Ballhasai- Baumgartner, Magdalena,
geb. Behaim, einen Brief vom 24. März 158S: Madelena Balteser Paumgartnerin. (Original
im ßehaimschen Archive.) 3) Im Text steht exupircn. 4) seil. soll. S) das Rad. 6) soll. soU.
— lli —
Es werden auch noch meher andere ofücirer in Verwahrung- gehalten,
darvon schon theils g-ereckt und gewippet worden; ihren sentenz und urteil
würdt die zeit auch eröffnen.
Extract us Leipzig- vom 2. novemberis 1627. Alhier wurdt auch stark
discurirt ein herzog- von Sassen , der in g-leicher tyranney als wie der obr.
Grörzenich liberal getrieben, den hohe Rom. kays. mayst. beiden churfr. zu
Mainz und Sachsen zu stroffen anheimb g-estelt. Dat. Nürnberg-, den 7. novem-
beris 1627. E. e. u. h. in ehren willige Gathariua Johann Weinrich. m. p.«
Im Anschluss an diese beiden Dokumente möge ein drittes Aktenstück,
demselben Faszikel entnommen, an dieser Stelle Aufnahme finden, da es, obschon
späterer Zeit angehörig, nämlich vom 28. Mai datiert, doch dem Stoffe nach
durchaus verwandt ist.
Es war die Zeit, in welcher die Gregner Wallensteins seine Entlassung
bereits dringend von dem Kaiser forderten. Die katholischen Kurfürsten in
Person und die Bevollmächtigten der protestantischen versammelten sich Ende
Juni 1680 in Regensburg, wo dann auch der Kaiser mit seinem ganzen Hofe
eintraf. Die Fürsten drangen hauptsächlich auf die Abstellung der Grewaltsam-
keiten. durch welche alle Reichsordnungeu über den Haufen geworfen wurden,
namentlich der Kontributionen, wie mau sie bis jetzt eintrieb, und auf die Ein-
richtung regelmässiger, auf die Kreise zu verteilender Leistungen, wozu dann
ein einheitliches Kriegsdirektorium notwendig sei. Alle diese Klagen zielten
gegen Wallenstein, der schlechterdings von dem Kriegsdirektorium entfernt
werden sollte. Er war, in der Absicht, den Krieg- gegen Frankreich vorzu-
bereiten, nach Memmingen gekommen und erließ von dort aus seine militäri-
schen Befehle.
Die nachfolgende Ordonauz, die auf Wallensteins Befehl erlassen wurde,
bewegt sich in den von den Kurfürsten geltend gemachten Tendenzen. Die
Wirkung, die sie an ihrer Stelle ausüben konnte, war aber nicht mehr imstande,
den Gang der Ereignisse, der zunächst zur Abdankung Wallensteins führte,
■/AI hemmen. Dennoch entbehrt das Schriftstück, ebenfalls Kopie, nicht des
historischen Interesses. Es hat folgenden Wortlaut:
»Nachdem die fürsten und stände des löblichen Schwäbischen crayszes
bey ihr fr. gn. herrn generaln etc. herzogen zue Mechelburg, Friittlandt und
Sagan etc. sich über die vorgchendte exorbitantien der kayßerlichen soldatesca
zum höchsten beclaget, also haben ihr f. gn. mir mit ernst befohlen, solches
zue remedijon, auch damit sich keiner der Unwissenheit zu entschuldigen habe,
gnedig bevohlen, den fürsten und ständen diese ordinanz otl'en zu ertheilen,
und ihnen zuzustellen, darmil sie solche den durchziehenden oflicirern könten
vorweisen und sie sich darnach zu richten hätten, dann i. fr. gn. entlich ent-
schlossen, da defswegeu einige gegründte clug ferner ihr li'n kduiiiMii sollte,
daß sie auf solchen fall die befehlshaber niil so ernstlicher strall" ansehen
wollen, darmit sich künftig ein anderer davon zu spiegeln haben werde, deß-
wegen sich ein jeder vor schaden und ungelegenheil zu hüeten wissen wirdt.
Erstlich daß sich ein jeder mit der verordneten commiss soll vergnügen
lassen und diu-chaus weder hohe noch niedere oflicirs viel weniger die gemeine
Soldaten etwas weilers, unter was Scheines auch beschehen kau. hegeren sollen.
— 112 —
Mail soll iiiich weder obrisLen noch andern officiren aujier was täglich in
der ordinanz dei»utirt, weder lalel zu halten, oder vor dasselbe, wie bisher
von etlichen beg-ert worden, also vors confect, noch anders den geringsten
heller noch das coiumissgeld nit geben, derentwegen sich keiner gelüsten lasse,
solches von l'ürsten oder ständen zu begehren.
Ferners da auch ein oder der ander ofücir zum andern zu gast gieng,
soll ihnie der wirth. bei dem er losiert, wegen seiner absents durchaus vor
den costen noch anders zu geben nichts schuldig sein.
Item befellen ihr fr. gn. ernstlich, daf5 man insonderheit vor die abwe-
sende officirs oder Soldaten uf der marche weder in vivers noch gelt nichts,
sondern allein vor ihre diener, so gegenwärtig, die verordnete proviandt
liefern sollen.
Da auch ein oder der ander soklat von den bauren oder unterthanen,
under was schein es gescheh&u kan, gelt heraus zu pressen sich unterstündte,
und da solches dem ofücir geclagt, wer die erstattung nit alsbald thun lassen
würde, dessen nahmen soll man ihr fr. gn. oder mir alsobald zuschicken, so
wollen sie wissen, gegen einen solchen zu verfahren.
Ingleichen da sich auch ein oder der ander unterstünde an heusern und
fänstern, Öfen, kisten und kästen zerschlagen, aufzubrechen oder wegzune-
men, sollen die stand und unterthanen es den befehlshabern und comman-
direnden derselben compagni anzeigen und clagen, würdt er nit alsobald solches
alles widerumb bezahlen, befehlen ihr fr. gn. solchen offlcir zur straf ihr
nahmhaft zu machen.
Wofern man aber einen oder den andern zum ofticirn zu clagen und selbst
mit ihnen zu reden, durch die schildwachten oder sonsten nicht lassen, sondern
verhindern wolte, so soll man es einen als den andern weg ihr fr. gn. avi-
siren, wollen sie dann solchen befehlshaber dessen und der excess halben
wissen zu strafen.
Insonderheit da einer oder der ander, er sei hoch oder gemeiner officir
und Soldat, einen ihr mayt. ihnen verordneten pladts-commissarien oder den
von den ständen geordneten den gebürenden respect entziehe, mit worten oder
werken, solchen wollen ihre fr. gn. ohne begnadigung ernstlich strafen.
Es soll auch kein officir sich unterstehen, einen unterthanen umb was
ursach es auch sey, gefenklich oder mit gewalt mit sich zu führen, sondern
da er etwas zu fordern oder an die statt und unterthanen zue sprechen, solle
er ordentlich an gehörigen orten clagen , den soll man alsdann nach beflndung
der Sachen zu seinen rechten behülllich sein.
Wegen des Vorspanns, so soll ein jeglicher offlcir bey ernstlicher straf
seine eigene pferd gebrauchen, da es aber ja die noth wegen fortbringung der
kranken erforderte, daß man etliche Vorspann und wägen haben müsste, so
soll man ufs höchst und mehrers nit, als 4 wägen uf ein compagnia geben,
aber sonsten vor den befehlshabern wegen ganz keine vorspannpferd.
Da auch einer oder der ander ein oder mehr vorspannpferd behielte,
und solches nit alsobald er ins quartier kommen, wider erstattete: so soll der
commandirende officir derselben compagni angezeigt und mit ihrer fr. gn.
herrn generaln etc. ernstlicher straf angesehen werden.
— 113 —
Es soll sich auch keiner understehen, die arme leut, so den Vorspann
hergeben oder selbsten mitfahren, zu schlagen oder etwas abzufordern, sondern
sie ohne hindernuss mit gueten Worten zurücklassen.
Da nun wider diese jetzt erzeblte puncten viel oder wenig clagen ein-
kommeu solten, wollen ihr fr. g-n. solches keineswegs ungestraft lassen hin-
gehen, er sey auch wer da wolle, deswegen sich ein jeder wol vorzusehen und
zu hüeten hat. Massen aus empfangenen gnedigen befelch ich solche ordinanz
verfertigen sollen, Memmingen, den 28. iunii A" 1630.
Rom: kay: may : kriegsrath und bestellter obrister, (L, S.) WolfT Rudolph v. Ossa.«
Nürnberg. R. S c h m i d t.
Register zum Jahrgang 1892
der
Mitteiliiii2en aus dein sermaiüsclieii Nationalmuseum.
'Ö^
B e c k c n li a u l» e II HO 11'.
Behaim, Paulus, aus dessen Ehchalten-
büchern 86 ff.
Dienstboten: zur Geschichte ders. 86 ff.
Disziplin im dreir.sipjiihr. Kriege 109 ff.
Ehehalteii bü eher des Paulus Bohaim 86 ff.
Eisenhüte 46 ff.
Eisenarbeit: Thürklopfer des 18. Jalii-h. 104.
Frage nach Hans Sachs' Quellen und Stoffen
97 ff.
Gabel: zur Gesch. ders. 13 f.
Gevatterbriefe an die Reichsstadt Winds-
heim 93 ff.
Hauben von Eisen 74 ff.
Helme vom 12. bis 16. Jahrb. 25 ff.
Karneval: studentische Schlittenfahrton 17 ff.
Kosten einer Reise von Nürnberg nach
Venedig 1581 103 f.
Krieg, dreifsigjähriger: Diszii)lin in dems. 109 ff.
M ad 0 n na vom Wohnhause des VcitStofs 105 ff.
Nürnberg: Reise nach Venedig 103.
— Rothschmied das. 102.
Reise von Nürnberg nach Venedig 103.
Rotschmied Jakob Weinmann 102.
Sachs, Hans: zur Frage nach dessen Quellen
und Stoffen 97 ff.
Schal lern 53 ff.
Schlittenfahrten, studentische, im Karne-
val 17 ff.
Serviette: zur Gesch. ders. 9 ff.
Skulpturen: Madonna von Veit Stofs 105 ff.
Stechhelme 72 ff.
Stofs, Veit: Madonna von dessen Wohnhaus
105 ff.
Studenten: Schlittenfahrten ders. im Karne-
val 17 ff.
Thürklopfer, eiserner, des 18. Jahrhdts. 104.
Tiroler Vemegerichtsurkunden 89 ff.
Trincierbücher des 17. Jahrhdts. 3 i'f.
Turnierhelme 77 ff.
Venedig: Reise von Nürnberg dahin 103.
Vemegerichtsurkunden aus Tirol 89 ff.
Visierhclme, geschlossene 60 ff.
Weinmann, Jakob, Rothschmied 102.
Winds heim, Reichsstadt: Gevatterbriefe au
dies. 93 ff.
Wolkenstein, Oswald von 89 ff.
Mitteilun2:eii
aus dem gerniaiiiselien Natioiialiiiuseuin,
herausgegeben vom Direktorium.
Jahrgang 1893.
Mil A1)1)il(liiim'en.
Nürnberg, 1893.
Verlaj^seigeiitiim des ji:<'rmsiiiisclieii Museums.
U.B.Ssbald.NUrnberg.
Zur (üescbiehte der technischen Verwendung des Papiers.
i ie Gegenwart verfügt nach landläufigen Ansichten über eine Reihe von
Objekten , durch welche sich mit Leichtigkeit die Stufe ermessen lassen
soll, welche die Kulturentwickeluug eines Landes erklommen. So soll die
Quantität der Seife, welche ein Land verbraucht, sehr geeignet sein, genaues
Licht auf den kulturellen Standpunkt, welchen dessen Bevölkerung einnimmt, zu
werfen. Und wer wollte daran zweifeln, dafs ein solcher Mafsstab nicht eine ge-
wisse Berechtigung hätte? Nicht minder wird die Zahl der Dampfkräfte eines Landes
als ein solcher Mafsstab betrachtet, und dafs die Verbreitung der Elektrizität
im vollsten Sinne des Wortes geeignet ist, Licht auf den Kulturzustand eines
Volkes zu werfen, wird wol kaum Jemand im Ernste bezweifeln. Als ein weiterer
Kulturmesser der Gegenwart wird der Papierverbrauch bezeichnet, und zwar
die Quantität desselben, denn wollte man die Qualität zu einem solchen Vergleiche
heranziehen, müfste die Zeit kurz nach Einführung der Papierfabrikation in
Deutschland als die goldene bezeichnet werden. Aber nicht allein die Frage, wie
viel ein Staat Papier konsumiert, sondern auch wozu er den Papierstoff verwendet,
spielt hiebei eine grofse Rolle. Er hat in der Neuzeit eine sehr umfangreiche
Verwendung für alle möglichen Zwecke gefunden, denen er früher fremd ge-
wesen sein soll. Man macht Eisenbahnräder aus Papierstoff, fertigt Geschirre
aller Art, die mancherlei Vorzüge haben sollen, stellt Leibwäsche aus ihm dar,
und es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht aus Amerika, der Wiege so vieler
neuzeitlicher Verwendungen des Papiers, die Nachricht eintrifft, dafs man dort-
selbst Brücken, Schiffe und Gott weifs was alles von Papier baut. Dafs solche
Nachrichten häufig nach einigen Monaten wieder als unbegründet bezeichnet
werden, wird natürlich oft übersehen, und es bleibt meist nur die erstero Meldung
im Gedächtnis haften. Die Aufgabe dieser Zeilen aber ist es, darzuthun, dal's
die Verwendung des Papieres und Papierstoffes zu anderen Zwecken als zum
Schreiben und Drucken, besonders zu technischen Zwecken, in ziemlich frühe
Zeit zurückreicht, und dafs die Anlange der moderneu Benützung des Papier-
stoffes im Beginne der neuen Zeit zu suchen sind.
Das wolfeilere Papier trat zunächst die Erbschaft des theuerern Pergaments,
das Ja auch zu technischen Zwecken Verwendung gefund(>n hatte, auch in dieser
Beziehung an. Hatte man vorher mit Mennig gefärbtes Pergament als Tnler-
lage für die zierlich getriebenen und durchbrochenen eisernen Thürbeschläge,
oder blaugefärbtes Pergament als Hintergrund vergoldeten Mafswerkes an Altären
verwendet, so gebrauchte man jetzt mit denselben Farben behandeltes Papier.
Ob die drei gemalten Engel, welche im Hintergrunde des Katharinenaltars im
germanischen Museum^) auf die Wand geklebt sind und einen burgundischen
1) Katalog der im germaii. Museum belindlichen Originalskulpluren Nr. 271 u. Taf. I.
_ 4 -
Teppich halten, auf Pergament oder Papier g-emalt sind, können wir ohne dieselben
zu beschädig-en, nicht entscheiden, weshalb wir von der Ltjsung dieser Frage
absehen müssen. Dagegen besitzt das germanische Museum in seiner Samm-
lung von Hausgeräten ein Kästchen, dessen ganzer Schmuck lediglich aus aus-
geschnittenem Papier besteht, mit welch einfachem Materiale es der Verfertiger
verstanden hat, ein ganz reizendes, höchst anziehendes Möbel herzustellen.
Wir geben von demselben die vordere Ansicht und eine Seitenansicht in der
Hälfte der natürlichen Gröfse unter Figur 1 und ä wieder.
Figur 1.
Wie aus der Abbildung zu ersehen, hat das Kästchen ganz die Gestalt der
grofsen gotischen Truhen; es besteht aus einem ziemlich hohen, ausgeschnittenen
Untersatze, auf welchem das eigentliche Kästchen, welches durch einen gesims-
artig übergreifenden Deckel verschlossen ist, aufgesetzt ist. An den Ecken und
Kanten läuft ein gewundener Rundstab aus Holz, die Flächen dagegen sind durch
graziöses, spätgotisches Mal'swerk auf das Ansprechendste geschmückt, das ledig-
lich aus ausgeschnittenem und aufgeklebtem, weifsem Papier hergestellt ist. Ist
schon die ungemeine Geschicklichkeit zu bewundern, die dazu gehörte, das Papier
in so aufserordentlich zierlicher uml korrekter Weise auszuschneiden, so steigt
die Bewunderung, wenn wir sehen, dafs um ein möglichst hohes Relief zu erzielen
und den Rippen eine Profilierung zu geben, drei- und vierfache Lagen ausge-
— s —
sohnittenen starken Papieres aufeinander geleg:t sind und auch g-anz ausgezeichnet
aufeinander passen. Die untere Lage ist natürlich die breiteste, die oberste am
schmälsten ausgeschnitten. Nur die Hauptlinien weisen eine vierfache Lage auf,
die dazwischen liegenden teils eine doppelte, teils eine dreifache, während die
auslaufenden Blättchen nur aus einer Lage Papier hergestellt sind. Es mufs ein
wahrer Tausendkünstler gewesen sein, der es verstanden hat, das Papier so aus-
gezeichnet zu bearbeiten. Das Papierrelief ist weifs angestrichen worden, wes-
halb es mehr geprefster Papiermasse gleichsieht, als ausgeschnittenem Papiere,
Figur
als welche es auch früher angesehen und im Kataloge (H. Cr. 802) angeführt
ist. Einzelne beschädigte Stellen , bei welchen sich die einzelnen Papierlagen
abblättern, lassen jiMloch keinen Zweifel, dafs man es mit verschiedenen T;agen
höchst kunstvoll ausgeschnittenen und aufeinander gelegten Papieros zu Ihun
hat. Um die Wirkung des aufgelegten Ornamentes zu erhfihen, ist das Holz
des Grundes, auf welchem dasselbe befestigt ist, in senkrechten 1^4 — l^/a cm.
breiten Streifen in verschiedenen Farben gef^irbt. Rosa, firün. Hot und Violett
Avechseln miteinander, aber nicht regelmäfsig, al); (irün und Violett sind
direkt mit dem IMnsel auf das Holz aufgetragen, Rosa und Rot durch aufge-
klebte Streifen Buntpapier in diesen Earl)en hervorgebracht. Krsten> Fariien sind
teilweise stark abgeblättert, letztere viel besser erhallen. Wir haben darauf ver-
— 6 —
/icliteL, auf der Abbildung die verschiedenen Farben des Hintergrundes durch
verschiedenartig-e Schraffierung anzudeuten, da dies zu unruhig erschienen wäre
und die Wirkung des Möbels beeinträchtigt hätte.
Die beiden Seitenteile des Kästchens sind gleichmäfsig verziert, die hintere
Seite desselben weicht aber von der vorderen, von uns in Fig. 1 wiedergegebenen,
vollständig ab. Durch die Pfosten des Fufsgestelles geht je ein reichverziertes,
grofses Mafsworkfenster, ähnlich wie bei den Pfosten der Seitenwände auf
Figur i, der Teil über dem Ausschnitte aber zeigt eine Gallerie von 13 einfachen
Spitzbogen, in welchen unten je ein Blatt auf zwei Stielen steht. Die Rückwand
des Kästchens selbst ist in sechs Rechtecke geteilt, deren jedes oben und
unten in regelmäfsiger Anordnung vier Fischblasenmuster und in der Mitte eine
Raute enthält. Ganz reizend ist auch der Deckel ornamentiert; um ein vertieftes
Feld läuft ein schmaler Rahmen, ähnlich verziert wie der abgebildete Fries des
Deckels; in der Mitte der Vertiefung ist eine grofse, reichornaraentierte Rosette,
die wie Filigranarbeit erscheint, daneben finden sich auf beiden Seiten in je zwei
kleineren Quadraten ebenfalls Rosetten, von welchen immer die zwei, die eine
Seite einnehmen, gleich sind.
Im Inneren des Kästchens ist an der einen Seitenwand, wie meist auch
bei den grofsen Truhen, ein kleines quergehendes Kästchen mit einem Klapp-
deckel angebracht, der, ebenso wie die Wand dieses Kästchens, in gleicher Weise
wie das Äufsere des Möbels verziert ist; dieser Schmuck ist hier noch viel besser
erhalten, da er ja gegen Staub und Schmutz bestens geschützt war und noch ist.
Das Deckelchen zieren zwei Rosetten, wie sie sich auch auf der Aufsenseite des
grofsen Deckels finden; die Wand schmückt einunddreiviertel des Rechteckes der
hinteren Aufsenwand, hier nur liegend, während es aufsen stehend angebracht ist.
Das Relief des Deckels ist ebenfalls ziemlich kräftig, wenn auch etwa um eine
Papierlage schwächer als das der Aufsenseite, das Relief der Wand des inneren
Kästchens ist dagegen nur zwei Papierlagen stark. Auf den violetten Streifen
des inneren Kästchens zeigen sich Spuren von Blattmetall ; vielleicht hat das Vio-
lett nur als Grund zur Auflage von solchem gedient. Im Inneren des Kästchens,
das sonst ganz schmucklos ist und das nackte Holz zeigt, ist das Rosa noch ganz
gut erkennbar, aufsen ist es meist mit Mennig später überstrichen worden, wie
Farbspuren auf den Zacken und Blättern des Papierreliefs, die mitbetroffen wurden,
bezeugen. Über die Herkunft des Kästchens vermögen wir weiter keine Auskunft
zu geben, als dafs es mit der Aufsefs'schen Sammlung in das Museum gekommen
ist. Seine Enstehung dürfte in die erste Zeit des 16. Jahrhunderts fallen. Den
modernen Kartonnagefäbrikanten aber möchten wir zu erwägen geben, ob es sich
nicht empfehlen dürfte, Kästchen, die in gleicher Technik durch gestanztes, durch-
brochenes Papier verziert sind, wieder herzustellen. Die Kosten würden sich
nicht sehr hoch belaufen, und dafs man ganz reizende Stücke damit fertigen
kann, zeigt unser Möbel. Allerdings dürfte dem Verfertiger neuer solcher
Kästchen derselbe Formen- und Schönheitssinn zu wünschen sein, wie dem
des alten.
Ein zweites Geräte, das in dieser Ausschneidetechnik verziert ist, besitzt
das germanische Museum aus so früher Zeit nicht. Ihre Blütezeit war aber be-
kanntlich das I.S.Jahrhundert, wo Jagden, Landschaften, figürliche Darstellungen,
nicht zu vergessen die Silhouetten aus schwarzem und weifsem, meist sehr
dünnem, daher leichter zu behandelndem Papier mit mehr oder weniger Ge-
schick in grofser Anzahl ausg-eschnitten wurden.
Das rote Buntpapier, mit dem der Grund der kleineu Truhe teilweise be-
klebt ist, und das auch dem durchbrochenen, ehemals vergoldeten Schlofsplätt-
chen als Unterlage dient, dürfte eines der ältesten Buntpapiere überhaupt sein.
Wie dieses damals angefertigt wurde, meldet eine Handschrift der Nürnberger
Stadtbibliothek 2), die ungefähr derselben Zeit wie die besprochene kleine Truhe
angehört. Da es nicht unmöglich, dafs diese Nürnberger Herkunft ist, so geben
wir nachstehend die Rezepte wieder, nach welchen vielleicht auch das Bunt-
papier des Kästchens gefertigt ist.
(B1.33a.) »Wie man färb macht aufzustreichen auf papir. Wiltu
färb machen, aufzestreichen auf papir, sie sey rot, plob oder grün, so temperir sie
mit essig und mit alaun. wiltu gute rote färb machen auf papir, so nym iiij lot
prisilg und 1 lot alaun und ein halbs lot kreyden, und ein seydel essigs; nym
die iiij lot (Bl. 33 b) prisilg und thu sie in ein neus hefelein und thu ein lot ge-
stossens alaun darunter und ein halbs lot geribner kreyden, und nym das seydol
essigs, und mach es warm, doch daß es nit syd und geuß es in die prisilg und
Sturz einen stürzen darüber, und verkleib es, daß kein dunst müg davon gyn, und
setz es an ein sunnen oder auf ein warmen ofen , und los es sten acht tag, so
wirt es schon rot als ein rote ros.
Plobe färb auf papir. Wiltu gute plobe varb machen auf papir, so
nym der ploben heydelper^) und zutreyb die zu einem muß, und thu ein gute
hant vol gestossens alaun darunter, und setz es an ein sunnen und los es
dürr werden, und nym es denn und geuß es (Bl. 34a) in ein tegelein, und thu
essig daran und ein wenig alauns darunter, so wirt es gut.
Grüne varb auf papir. Wiltu grüne färb machen auf papir, so nym
saftgrün, temperir den auch mit essig, und thu ein wenig alaun darunter, so
wirt es gar gut.
Gelbe färb auf papir. Wiltu gelbe färb machen auf papir, so nym
huntzper^) und los die dürr werden, und send sie in einem essig, und los sie
kalt werden und thu einen alaun daran, so wirt es gut.«
Diese Vorschriften zur Bereitung von Buntpapier, bezw. der Farbon für
solches, die mit dem Pinsel auf das Papier einfach aufgetragen wurden, dürften
wol zu den frühesten gehören, weshalb der Abdruck an dieser Stelle wol keiner
Rechtfertigung bedarf. —
Lange, bevor ausgeschnittenes Papier zur Verzierung von Flächen Ver-
wendung (and, wurde eine aus Öl und Kreide hergestellte Masse, die den Bild-
hauern und Malern durch den Kreidegrund auf Skulpturen und Bildern wolbc-
kannt war, zu diesem Zwecke benützt. Zu dieser seiir alten Technik , deren
2) Sie führt den Titel : »Das puchlein hat dreu taii, das erst tayl saget von iloii kl:ii-
dern, die dem gollichcn dinsl zugchorii . . . das ander loil . . . von aulTrucken siUtor und
goll und von wollen und von allon färben und wie man pild truck von papir . . . das tril-
toil . . . von glas /,u machen, als do ist gemolt j,Mas und scheybcnglas« (Ms. Cent. VI. 89. S*\
69 BU.) Es stauwnt aus dem Kalharinenkloster und zeigt auf Bl. ib den Kintra^;;: »Das
büchlein ist Margareta Bindtterin hat mirs dyo alt w. m. pryorin Magdfalena llolzschuchcrin
geschenkt MB (lö)lO.t
8) Heidelbeeren. 4) Ilundsbeeren.
— 8 —
Aiiwciiduu^^ mau im germanischen Museum an vcrschiedeuen Kästcheu und
Scliaehteln, dann au selbsLäudig-eu Skulpturen veriolgen i^ann, kam gegen Schlufs
des Mittelalters eine zweite, die Herstellung von teigartiger Masse aus Papier.
Auch von dieser Technik finden sich Proben im germanischen Museum. Wir
uenuen die runde, bemalte Pappschachtel vom Ende des 15. Jahrhunderts, die
bei Becker und v. Heiner ^j abgebildet und deren Deckelrelief, das Urteil des Paris
darstellend, dort als von Papier oder Papiermasse hergestellt, bezeichnet ist. Die
Sammlungen des Museums besitzen aber auch ein Stück, aus dem hervorgeht,
dafs man Papier oder Papiermasse zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Deutsch-
land in der Architektur verwendete, während diese Stofie in Italien, woher deren
Figur 3.
Technik wol nach Deutschland gekommen, schon früher in dieser Weise be-
nützt wurden.
Die hölzerne Decke eines Zimmers in einem Hause der Wunderburggasse zu
Nürnberg ist durch einfach profilierte Leisten in, der Brettbreite entsprechende,
quadratische Füllungen geteilt, mit grofsen, runden, eisernen Knöpfen an der
Kreuzung. In jedem der Felder ist nun eine den Raum ausfüllende, aus Papier
geprefste, quadratische Platte angebracht, welche in mäfsigem Reliefe einen
stilisierten Löwenkopf zeigt. In der Mitte jeder Seite befindet sich am Rande
eine kleine Öffnung, um die geprefste Platte aufnageln zu können, doch sind
S) Kunstwerke und Gcrätschal'leii des Milielalters und der ]lcnüis.sance 111. Bd. fFrank-
lurt a. M. 18Ü3) Tat. ÜU.
— 9 —
sie alle auf das Holz aufgeleimt. Durch die Beraalung — man kann noch die
rote Zung-e, sowie die g-emalteri Pupillen der Aug-en erkennen, während der
Kopf heute braun (ob schon ursprünglich?) ist — hat das geprefste, nicht sehr
starke Papier eine erhöhte Festigkeit erhalten und die direkt auf dem Holze
aufliegenden, nicht reliefierten, äufseren Teile klingen beinahe wie Blech. Von
dieser Decke ist ein Teil im Jahre 1880 als Geschenk des Hausbesitzers, Herrn
Fabrikanten Kästner, in das germanische Museum (A. 1530) gekommen, den
wir als Figur 3 in \8 der natürlichen Gröfse wiedergeben.
Über die Anfertigung dieser geprefsten Papierplatten gibt das obener-
wähnte, mit diesen gleichalterige Rezeptenbüchlein der Nonnen zu St. Katharina
in Nürnberg ebenfalls Auskunft, weshalb wir nachstehend die Anweisung zur
Herstellung von Papierreliefen wortgetreu wiedergeben.
(El. 23a.) »Zu tr u c k e n mit p a p ir. Item wiltu pild trucken, die der-
haben sein, von papir als (ob) sie von holz gesnitzet sint oder gewechs oder
rosen oder ander matery, welcherley das sey, so nym zwen pogen papir oder
drey wie vil du der matery geprauchen wilt, und die zureiß zu kleinen stucken,
und thu die in einen säubern hafen und geuß ein kalt wasser daran, und setz
es zu dem feur und laß es syden zwu stund, und darnach seyh das wasser herab
und pall es daraus und stoß sie in einem morser als lang bis sie bey einander
beleih; und nym denn ein form von kupfer oder von pley und nym die gestossen
matery und leg sie in (El. 23b) die form des ersten gar dünne und wenig und
subtil darein, darnach ye lenger ye paser alles dick du es haben wilt und stoß
es darein mit einer herten pursten und nym denn ein warm tuch und tunk es
gar hert hinen, damit so zeucht es die feuchtigkeit heraus und nym denn ein
ander warm tuch vier oder fünffach und leg es auf die form oder ein ticken filz
und leg ein pret darauf und leg es unter ein preß ein urteil einer stund und thu
es denn heraus und nym denn einen warmen zigelstein und leg ihn darauf und
las in ein weil da auf ligen (El. 24a) und darnach klopf an die form, so schelt
es sich herab und wirf scharpf gut«.
Von einem Überzug der gedruckten Bilder mit Firnis oder Ölfarbe, der
wol nie fehlte, ist in dem Rezepte nichts erwähnt.
Aus etwas späterer Zeit können wir die Verwendung des Papiers zur Her-
stellung von Greschirren nachweisen. In der Sammlung von Hausgeräten
(H. Gr. 3969) befindet sich eine ovale, reich mit Reliefen verzierte und bemalte
Platte der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts, die lediglich aus Papiermasse
hergestellt ist; wir geben sie unter Fig. 4 genau in V^ der Origiiialgröfse wie-
der. Der Rand der Platte ist durch vier doppelte, gekreuzte Füllhörner in
vier Felder geteilt, in welchen zwischen Rankenwerk Jagden auf AVildschweiue,
Hasen, Bären und Hirsche dargestellt sind, die an Virgil Solls' Stiche erinnern.
In der Mitte des P'onds der Schüssel erhebt sich ein von einer Kartusche um-
schlossenes Medaillon, das innerhalb eines Lorbeerkranzes einen ovalen, ge-
krönten, gevierten Schild enthält, welcher abwechselnd die sächsischen Rauten
mit dem Meifsenschen (?) Löwen und einen zweiten Löwen (von Thüringen?) zeigt.
Die Querbalken des sächsischen Wappens sind jedoch irrtümlich rot angestrichen.
Das Herzschildchen des Wappens ist leider so abgewetzt, dafs sich dessen Figur
nicht mehr fesistellen lüist. Die Kartusche in der Mitte ist umgeben von vier
ovalen Medaillons mit der Darstellung der vier Jahreszeiten, die Zwischenräume
Mitteilungen uns dem germuu. Nationalniusoum. 1893. II.
— 10
werden durch graziöses Blumenwerk ausgefüllt. Diese ganze Dekoration ist mil
verschiedenen Farben bemalt, der Grund gelb gehalten. Natürlich haben die
Farben im Laufe der Jahre stark gedunkelt,- so dafs sich die buntbemalten Reliefe
nicht mehr so abheben , wie dies bei der Anfertigung der Fall gewesen sein
mag. Die Rückseite ist rotbraun angestrichen.
Das Wappen in der Mitte deutet wol auf sächsischen Ursprung des Geschirres,
obgleich es einen etwas französischen Anstrich hat und die Verzierungen an
Figur 4.
Etienne de Laune, allerdings auch an Jost Amman erinnern; es kam im Jahre
1886 durch Kauf von Antiquar Drey in München, der über die Herkunft nichts
näheres mitteilen konnte, in das Museum. Es ist kaum anzunehmen, dafs für
unsere Papierschüssel die Form, in der sie gedruckt wurde, besonders herge-
stellt wurde; es ist vielmehr wahrscheinlich, dafs eine ältere, vielleicht für Zinu-
gufs oder Thonplatten bestimmte und auch schon ausgenützte Form schliefslich
— 11 —
zur Herstellung der Papierplatte gebraucht wurde. Hiefür spricht auch die
StumplTieit mancher der Dekorationen, die nicht der Abnützung des Geschirres,
sondern der Form zugeschrieben werden mufs.
Aus den Beschädigungen am Rande ist zu ersehen, dafs bei der Anferti-
gung in die Form zuerst einige ganze Bogen Papier eingelegt wurden und dann
erst die gekochte Papierraasse daraufgelegt und mit der harten Bürste sorgfältig
eingestofsen wurde. Wir wagen nicht zu entscheiden , ob wir es hier mit
einem zufällig entstandenen Stücke zu. thun haben , oder ob Papiergeschirre
auch schon damals in gröfseren Massen hergestellt wurden. Das Material, aus
welchem dieselben gefertigt sind, ist ein so vergängliches, dafs nur wenige
Stücke auf uns g-ekommen sein dürften; uns ist nur das hier beschriebene
bekannt. Jedenfalls ist es gelungen, ein ganz reizendes, selbstverständlich
leichtes Geschirr herzustellen, das als Brodschüssel ganz gut seinen Zweck erfüllte.
Eine Anweisung, wie man Geschirre aus Papier fertigt, findet sich in dem
Werke: »Die 1 so kluge als künstliche | von Arachne und Penelope | getreulich
unterwiesene | Hauß-Halterin, | Oder ! Dem Frauen-Zimmer wohlanständiger |
Kunst-Bericht 1 und Gründlicher Haußhaltungs-Unterricht« | (Nürnberg, 1703)
S. 135 (Bibliothek des germ. Museums Gs. 1228), im 29. Kapitel der 1. Abteilung:
»Wie aus Papier verschiedene Geschirre auf Gold- und Silber-Art zu machen.«
Der Vollständigkeit halber lassen wir das ganze Kapitel nachstehend folgen.
»Man trachte sich erstlich Mödel, die von Holz gedrehet sind, in der
Form wie silberne Schalen, Kannen oder Becher, jedoch nur ganz glatt, so
dann auch Mödel von Hafners Arbeit (zu verschaffen), diese müssen formiret
seyn wie die Blumen auf denen verguldeten Geschirren, und nachmal auf das
Glatte bevestiget werden: Ist nun dieses beysammen, so nehme man gemein,
oder, welches besser, zart Papier, wie es die Goldschlager pflegen zu gebrauchen,
solches weiche man in frisches Brunnenwasser, und lasse es über Nacht stehen,
dann süde'man es in einer Pfanne so lang, bis es wie ein Brey wird, alsdann
seihe man es ab, und zerstofse es in einem Mörsel, daß es so hart werde, als
ein Teig, hernach thue man es wieder in ein kaltes Wasser, und schlage es über
die Mödel, drucke es mit einem Schwammen auf, daß es aber fein in einer
Gleiche komme, auch schön dick und vest aufeinander liege, alsdann lasse man
es auf dem Model so lang liegen, bis es recht trocken und hart wird, dann
sonsten wirft es sich krumm. Wann solches geschehen, muß es 3 oder 4 mal
mit Leimwasser bestrichen werden. Nach diesem reibe man eine Kreide mit
Leimwasser auf einem Reibstein ab, gründe die Arbeit 4 oder 5 mal damit, und
lasse sie allezeit trocken werden. Zum letzten mal aber muß man solche über
Nacht stehen lassen, damit sie recht durchaus trocknen: alsdann überreibe man
sie mit gelindem Sand allenihalbcn wohl, hernach mit den Schachtelhalmen,
bis sie schön glatt werden, nachmahls überstreiche man solches Geschirr mit
dem Pollement, 4 bis 5 mal, doch a so, daß es inzwischen allezeit ertrockne;
letzlich aber wische man es mit einem wollenen Tuch iilso trocken wohl ab.
Inzwischen müssen die dazu gehörigen Blumen auch verfertigt werden:
hiezu drucket man den gestossenon Papierteig fein gleich in die gegläste ordene
Mödel, daß cr^an einem Ort so dick ist als an den andern, und lasset ihn gleich-
falls recht durchaus trocken werden, daß er nicht schwinden oder sich werfen
könne: sind sie nun gegründet, und mit dem Pollement bestrichen, wie zuvor
— 12 — .
g-emeldet, so schneide man sie mit einem scharfen Federmesserlein fein gleich
zu, daß sie ganz goheb auf dem Geschirr aufliegen, und leime sie mit gutem
Leim auf dassolbige recht an, doch müssen sie dabey mit etwas beschweret oder
fest aufgedrucket werden, da|5 sie nicht so leicht wieder in die Höhe steigen,
und abspringen können: ist nun dieses alles geschehen, so nehme man guten
Brandwein, bestreiche so viel damit an dem Geschirr, als man auf einmal ver-
giildeu kann, und lege das Gold gleich darauf, dann es trocknet schnell. Wann
es über Nacht gestanden, und recht durchaus getrocknet, so nehme man einen
reinen Hundeszahn, der im Holz eingefasset ist, wie es die Buchbinder ge-
brauchen, und polire das Verguldete damit, die weisse Blumen aber werden
matt gelassen, und mit Silber überleget, so kommet beedes recht schön.
Dabei ist noch zu merken , daß wann ein Geschirr, Kanne oder Becher
gemacht wird, solches auf beeden Seiten aufgeschnitten, von dem Model herabge-
noramen, und fein subtil wieder zusammgemacht werden müsse, sollte man es
aber etwan merken, daß er aus zweyen Stücken zusamragesetzet seye, kau man
solches mit dem Falzbein wieder verstreichen und nieder drucken, daß man es
nicht ferner siebet^
Zu welchem Zwecke man die papiernen, vergoldeten und versilberten Ge-
schirre benützte, geht weder aus dieser Anweisung, noch aus dem 4. Kapitel
des 2. Teils, betitelt »Von denen zur Haußhaltung gehörigen, und unter der
Aufsicht einer klugen Hauß-Mutter stehenden Zimmern, samt deroselben so
zierlich, als nützlichen Aus-staffierung« hervor, in welchem in höchst ausführ-
licher und lehrreicher Weise die Zimmer und anderen Räume, welche eine bessere
Familie um 1700 benötigte, und deren Ausstattung beschrieben sind. Wahr-
scheinlich wurden sie jedoch auf das Gesimse des Wohnzimmers zum Schmucke
desselben gestellt. Es heifst in dem Kapitel: »Die Gesimse pfleget man ge-
meiniglich mit Mahlereyen zu belehnen , manchmal Pyramiden , verguldete
Kugeln, antiquische von Holz geschnittene, oder nur von Gyps gegossene
Brust-Bilder , au(3h wohl von Porcellain gemachte , grosse Schalen dar-
zwischen zu stellen und aufzulehnen, wie es nemlich einem jeden beliebt, und
dessen Zustand und vermögen leidet.« Wo man vergoldete Kugeln aufstellte,
konnte man auch vergoldete Papiergeschirre brauchen. In einem der Puppeu-
häuser des Museums finden sich auf dem Gesimse aus Holz gedrehte und ver-
goldete Kugeln, die mit einem Fufse und einer Spitze versehen sind und da-
durch eine pokalähnliche Form erhalten. Solche Kugeln sind wol gemeint;
sie sind ebenso Surrogat wie die papiernen Geschirre. Man behalf sich also
schon vor 200 Jahren bei der Schmückuug der Wohnräume mit Imitationen,
was wir zum Tröste aller Jener hier besonders hervorheben wollen , welche
die Mode, sich »altdeutsche« Zimmer einzurichten, mitmachen, und vielleicht
Gewissensbisse darüber empfinden, dal's sie vielfach Imitationen zur Ausstattung
derselben verwenden. —
Einen Originalbeleg dafür, dafs man früher das Papier auch schon zur
Anfertigung von Wäsche oder Kleidern verwendete, können wir aus den Samm-
lungen des germanischen Museums nicht beibringen; bei der Vergänglichkeit
des Stoffes dürften solche auch kaum mehr existieren. Dagegen steht uns ein
literarischer Nachweis zur Verfügung, dafs in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahr-
hunderts in Prankreich von Damen papierne Kleider getragen wurden. Im
— 13 —
3. Teile der »Allg-emeinen Schatz-Kammer Der KaufFmannschafft Oder Vollstän-
diges Lexicon Aller Handlung-en und Gewerbe« (Leipzig 1742) 0) findet sich auf
S. 678 auch ein Artikel über papierne Kleider. In demselben wird zuerst über
die Kleider aus Spinneweben, aus welchen gefertigt Ludwig XIV. eine Weste
von dem Kammerpräsidenten Bon zu Montpellier erhalten hatte, berichtet und
bemerkt, dafs Gewebe dieser Art herzustellen, grofse Schwierigkeiten mache.
Sodann wird weiter gefahren: »Doch die französische Munterkeit ist fähig ge-
nug, bey dem Mifsrathen eines Vorschlages gar bald einen neuen zu gebähren.
Und wir beschreiben hier nicht eine Erfindung von Seide, doch von Kleidern,
welche vorher in Europa schwerlich in Gebrauch gezogen, aber im Jahre 1718
in Paris jung wurden, und die mehr die Bequemlichkeit, als den Nutzen zur
Absicht gehabt. Es sind solches Frauenkleider von Indianischem Papiere, wo-
von die Nachricht aus Paris zu Ende des Junius selbigen Jahres folgender Ge-
stalt lautete: »Zu Paris tragen die Dames bei dieser Sommers-Zeit Kleider von
Indianischem Papiere, welche aber nicht länger, als einen halben Tag halten.
Es hat diese Fagon von Kleidern der Spitzenbändler Boileau erfunden, welcher
selbige, mit allem, was dazu gehörig, als Manteaus, Jupes, Jupons, Gorsets, die
allein mit Leinwand gefüttert, Band und dergleichen für fünf und zwanzig
Livres verkauft.«
Mit Recht wird in dem Artikel vermutet, dafs es sich hier um chinesisches
oder japanisches Papier handelt. Am Schlüsse gibt der Herausgeber des
Lexikons seiner Meinung Ausdruck, dafs, wenn sich ein Mittel finden liefse,
dem Papier eine gröfsere Haltbarkeit zu verleihen, die Kleider aus Papier viel-
leicht eine Zukunft haben könnten. Er schreibt: »Es mag allerdings dieser Art
Kleidung bey heifser Sommerzeit dem Frauenzimmer eine gar angenehme Art
von Wedeln geben, nur dafs sie, wegen allzu kurzer Dauer, dem Beutel etwas
zu beschwerlich fallen dürfte. Doch wer weifs ob nicht ein Mittel auszufinden,
diesen papiernen Zeug etwas haltbarer zu machen. Zum wenigsten dürfte es
vielleicht noch geschehen, dafs man , wo nicht in diesem , doch andern sehr
dünnen Zeugen mit dem Lackiren einen Versuch zu machen belieben möchte,
weil doch diese schöne und nutzbare Kunst zu mehrerii Dingen gebraucht
wird, als man jemals geglaubt. Doch die Mode liebt in ihrer Erfindung eine
freie Hand, ob sie schon in ihrem Fortgange ihr Regiment mit einer unwider-
treiblichen Stärke ausübet, so, dafs man also die Zeit erwarten mufs, ob auch
in diesem Stücke dereinst der Lack in Gebrauch gezogen worden dürfte , wo
nicht in der Absicht einer grofsen Bequemlichkeit, doch vielleicht kraft eines
nicht verwerflichen Vortheiles.«
Nürnberg. Hans Bosch,
Ein Brief vom )laler )lüllcr an »icland.
?8p^ in Leben, dessen hoffnungsreichem Anfang die kärgliche Enlwickelung
a [|\?|^ nicht entsprach, ist ilasjenige des Dichters und iMalers Johann Friedrich
^i*«^ Müller, bekannt als Maler Müller. Geboren in Kreuznach, im Geburts-
jahre Goethes, begab er sicii iiiii das Jahr 1701) nach Zweibrücken, um das
6) Bibliothek d. g. M. 11. 7'J.
— 14 —
Malen zu eiloi-non. und verlehle hier seine Jugend unter dem Einflüsse des
Hoi'Iebens, künstlerisches wie dichterisches Talent, entfaltend. 1774 siedelte er
nach Mannheim über. P]ntscheidcnd für ihn war das Jahr 1778, in welches der
unten mitgeteilte, der Autographensammlung- des germanischen Museums an-
gehürige Brief von ihm an Wieland zu setzen ist. Im August dieses Jahres
verliefs er seinen, an geistiger Anregung reichen Wirkungskreis in der
pfälzischen Residenz, der Stätte seines Aufblühens, und ging nach Rom, dem
Ziele seiner Sehnsucht, welches seinen Kampf mit dem Leben, seine bittere Not,
seine Resignation auf den Beruf als Künstler, als Maler sah. Auch seine
dichterische Kraft entfaltete sich in Rom nicht in dem Mafse, wie man nach
den Anfängen seiner in Deutschland entstandenen Erstlingswerke und Ent-
würfe erwarten konnte. Das Feuer, die Natürlichkeit wichen einer gewissen
Kälte und Gezwungenheit. Auf dem Gebiete der Malerei verwandelte sich der
schaffende Künstler mehr und mehr in den gediegenen Kunstkenner. Vom
Jahre 1806 an scheint sein Leben nach Kämpfen und Entbehrungen härtester
Art gesichert und seine finanzielle Lage günstig geblieben zu sein.
Noch völlig den jugendlich kräftigen Geist des aufstrebenden Talentes,
»Sturm und Drang« atmet der vorliegende Brief. Die treffliche Biographie
Seufferts^) giebt ein ebenso knappes wie reichhaltiges Bild von dem jugend-
lichen Streben unseres Autors, von den mannigfachen Beziehungen, die er in
Mannheim auknü[)fen konnte und die in unserem Briefe zu Tage treten, von
seiner Stellung, die in der 1777 erfolgten Ernennung zum kurfürstlichen Kabi-
netsmaler sich charakterisierte. Unser Brief ist Seutfert unbekannt geblieben,
doch ist genau erkennbar, wo derselbe seinem Buche sich einfügt. Wir geben
zunächst den betreffenden Abschnitt der Biographie.
»Von der 1777 gehegten Neigung, zuvörderst in Paris zu studieren, war
Müller abgekommen, und dies wol durch den Umgang mit Lessing, der zur
Zeit seines Aufenthaltes in Mannheim noch voll der lebhaftesten Eindrücke
von Italien war. Dafs beide Dichter von Italien sprachen, bezeugt Müllers
mehrfache Äufserung, Lessing habe gewünscht, mit ihm den Rest seines Lebens
dort zu verbringen. Vielleicht war mit der Ernennung zum»Kabiuetsmaler
schon die Gewährleistung einer Unterstützung zur Ausbildung in Rom ge-
geben. Jedenfalls wufste man schon Ende August 1777 von Müllers Vorhaben,
dorthin zu reisen .... Doch sollte es nicht so rasch gelingen. Anfang 1778
stand die Ausführung der Reise noch so in der Ferne, dafs Müller noch vor
der Abreise sein Wrama »Genovefa« zu beenden gedachte. Allein so lange
verzögerte sich dieselbe doch nicht. Karl Theodor^) sicherte ihm eine Pension
zu, und da diese trotz der »beträchtlichen Erhöhung« von Müllers bisheriger
Besoldung unzureichend war, so eröffneten Müllers Freunde eine Subskription.
Der Erfurter Statthalter von Dalberg erliefs die Aufforderung dazu den 4. Mai
1778, der Weimarer Hof, Knebel, Wieland und Goethe leisteten derselben Folge.
Müller empfing 3ö0 fl.«
An dieser Stelle fügt unser Brief sich ein. Er trägt das Datum des
29. Juni, ohne Hinzufügung der Jahreszahl, und enthält den Dank für die er-
i) Maler Müller von Dr. Bernhard Seuffert. Berlin. Weidmannsche Buchhandlung. 1877.
2) der Kui-füi-st.
— 15 —
wähnte Pension. Aufser an Wieland richtet sich derselbe an das herzogliche
Paar, au Goethe und Dalberg. Von Interesse ist die Bezeichnung »der liebe
teure Goethe«. Sie paFst vortrefflich zu dem unmittelbar an Obiges sich an-
schliefsenden Urteile Seufferts über Müllers Stellung zu Goethe, dasselbe bestäti-
gend und ergänzend. Seuffert fährt nemlich fort:
»Es ist demnach durchaus nicht abzusehen, dafs Küpkes Vermutung,
welcher andere folgten, Müller sei aus Verstimmung von Deutschland geschie-
den, besonders voll Verdrufs über Goethes Superiorität , irgendwie begründet
ist. Im Gegenteil brachte man ihm von allen Seiten Wohlwollen entgegen und
hegte die besten Erwartungen. Der Herzog von Weimar, Karl Theodor^) von
Erfurt und Goethe sandten ihm ihre Silhouetten und Müller äufsert sich an
Heribert von Dalberg: »Sehr lieb sind sie mir alle drei und müssen hübsch
mit mir nach Rom reisen.« Er sendet dem Herzog Zeichnungen durch Goethe,
kurz, es ist keine Spur von Verstimmung aufzudecken; nur die Sehnsucht
nach dem Lande der Kunst rief ihn im August 1778 nach Rom. Freilich hatte
er eine Kunstreise geplant und nicht erwartet, dafs er die Heimat nicht mehr
sehen sollte.«
Unser Brief liefert für diese Sätze die Belege. Das Verhältnis Müllers zu
Goethe, die Ueberseudung der Zeichnungen, die Erwartung wieder nach Deutsch-
land zurückzukehren, Alles stellt sich in dem Briefe so dar, wie der aus-
gehobene Abschnitt der Biographie es ausspricht. Interessant ist der Stil des
Briefes. Ganz die Ausdrucksweise der Geister der Sturm- und Drangperiode,
z. B. an den Stellen, welche sich auf Müllers Auffassung von der' Kunst be-
ziehen. »Wenn anders einer sich ehrlichen Kerls genug fühlt, kein falsch
Zeugnis gegen Gottes Schöpfung abzulegen; Schöpfer und Kind zugleich sein,
der Natur gebieten und nachlallen« und Anderes. Manches erinnert an den
Stil des jungen Goethe, dessen am Schlüsse berührter Götz von Berlichingen
den edelsten Typus jener Periode darstellt, deren Geist auch dieser Brief nach
Auffassung und Ausdruck sich anschliefst. Wir behalten für die Wiedergabe
des Briefes die urspüngliche Orthographie und auch die charakteristische Inter-
[lunktion, die gröfstenteils in Gedankenstrichen besteht, bei.
Mannheim den 29t''" Juny.
Will Euch denn so lang und viel plaudern, dafs ihr halt ein rufen sollt —
vor allem aber wifst dafs ich drey Wochen schon nicht wohl bin, eines Adonis
wegen den ich in diesen uiierlräglich heifsen Sommertagen anfing in Lebens-
gröfse nach der Natur zu mahlen. Meister Gwibald'*) rief mir zu hifsts seyn
Bruder ihr haltets nicht aus werdet Euch all SäiTt di'über aus dem Leib
arbeiten. Meister Gwibald predigt' einem Dauben, Tuch und Skizze waren mal
fertig — so viel Gewalt hab ich noch nicht um den Hrey herum zu gehn bifs
er kalt ist — wenn man alles so gut i»räparirL vor sich findet, kurzum kdtuit
iiiicli nicht zurückhalten und im sechsten Tag lud ich ein Kiober am Hals —
8) Siehe Seite IG AminTkuu^ ö.
4) Nikolaus Guibal, t^vh. in Liinevillc, war Gallcricdirektor in Slultpirt. Kr war in
dieser Zoll besuchsweise in Maiinliciin. Vgl. SeulTerl, S. "H: Klotz (Hoftheulennalor in
Mannhoiinj führte Müller auch seiui-n lA-lirer, (iuilial in Slultgarl, hei dessen ücsucli in
Mannheim zu, an dem Müller einen herrliciien .Maler und noch herrlicheren Menschen erkannte.
— 16 -
Lieber Freund Wieland ihr wifst vielleicht nicht was hinter dem nach der
Natur mahlen steckt — g'laubt mir das ist das schwerste, wenn anders einer
sich ehrlichen Kerls genug fühlt kein falsch Zeug-nifs gegen Gottes Schöpfung
abzulegen — das mindeste nicht vorbeygehn läfst ohne sich selbst davon
Reclienschaft geben zu können — und wenn er obendrein einen Corrector im
Sinn trägt und dem gemäfs alle Formen bildet, Schöpfer und Kind zugleich ist,
der der Natur gebiethet und nachlallt — da wirds einem doch oft so schwind-
lich und eng ums Herz als ob man in einem heifsen Backofen verschlossen
säl's. Ach! was Ihr mir vor Freude gemacht — seyd doch herrliche Menschen
untereinander — Euer vortreftliches Herzogliches Paar, Euer Göthe und Dahl-
berg^)— ich kann nichts sagen mache eine verflucht dumme Mine wenn ich mich
über was bedancken soll — es ist so ganz herrlich was Ihr macht — mein liebster
Üahlberg hier^) zeigte mir alles weitläuftiger') — mein Herz war so gerührt
so voll davon — werde gewifs alles als ein ehrlicher Kerl thun und wohl mehr
noch als Ihr von mir begehret — Bitt Euch doch liebster legt meinen Dank
zu eures gnädigen Herren und eurer gnädigen Frauen Füfsen, sagt Ihnen wie
durchdrungen ich von Ihrer Güthe bin — gleichfalls Göthen meinem lieben
theuren Göthe und vortrefflichen Dahlberg an Mund und Wange — sagt Ihnen
in meinem Nahmen mein gröfster Stolz wärs Unterstützung von Ihren Händen
anzunehmen — es wird eine Zeit kommen wills Gott kehr ich wieder aus Italien
zurück ^) werd ich nichts Pressanteres zu thun wifsen als beyde ^) von An-
gesicht kennen zu lernen.
Künftigen März bin ich in Rom i'') jetzt copir ich einen Rubens 11 Schub
lang 9 hoch die Sabiner und Römer im Streit vorstellend zwischen die ihre
Weiber mit ihren Kindern sich stürzen — die Figuren in Lebensgröfse. Nach
diesem gleich fang ich einen van Dyk") an, die Marter des heil. Sebastians vor-
5) Geraeint ist der Bruder des Intendanten des Mannheimer Nationaltheaters, Karl
Theodor v. Dalberg, seit 1772 Geheimer Rat und kurmainzischer Statthalter in Erfurt, der
spätere Fürstprimas und Grofshcrzog von Frankfurt.
6) Heribert v. D., kurpfälzischer Geheimer Rat und Kämmerer, Präsident der deutschen
Gesellschaft, Intendant des Mannheimer Nationaltheaters. »Er war Müllers Gönner und
Freund noch über den Aufenthalt in Deutschland hinaus. Müller widmete ihm seine Niobe.«
Seuffert.
7) Bezieht sich wol auf nähere Mitteilungen über die »Weimarer Pension« und die
Art der Unterstützung.
8) Diese Zeit kam nicht. Müller blieb bis zu seinem Tode (182S) in Italien.
9) Das herzogliche Paar. Mit Goethe war Müller schon bei dessen Aufenthalt mit
Jacobi in Mannheim (vor dem 5. Februar 1773) bekannt geworden. Über Müllers Be-
ziehung zu dem Erfurter Dalberg entnehmen wir aus Seuffert: In der vorangegangenen Zeit
(vor dem 9. Juni 1777) scheint Müller viel gereist zu sein , man hört von Aufenthalten in
Heidelberg. Frankfurt, Mainz, Kreuznach, Erfurt, wo er gewifs Heribert v. Dalbergs Bruder
den Statthalter, kennen lernte.
lOj Seuffert S. 30. »Anfang 1778 stand die Ausfütu'uiig der Reise noch so in der
Ferne, dafs Müller noch vor der Abreise sein Drama »Genovefa« zu beenden gedachte.«
Müller glaubte demnach nach der unzweifelhaft richtigen Datierung unseres Briefes, die in
das Jahr 1778 zu setzen ist, noch am 29. Juni dieses Jahres, erst im März 1779 nach Rom
abreisen zu können, während die Abreise schon im August 1778 erfolgte.
11) Die Originalgemälde sind jetzt beide in der königlichen Pinakothek in München
— 17 —
stelleud, beyde Gemälde was Pinsel Spiel antrifft Meister Stücke in ihrer Art
— Sobald beyde fertig sind g-eh ich nach Stuttgart, dort mahl ich eine eigene
Composition unter Gwibalds Direction für den hiesigen Hoff — und dann zu
Anfang künftigen Märzen adjeu Deutschland.
Was mein Portefeul voll Zeichnungen betritt ^2) gtehts ganz allein bey
eurem gnädigsten Herrn ob Ers behalten will — ich halte mirs vor eine grofse
Gnade — fragte nur defswegen nach H. Graff v. Sickingen ^^) in Paris schrieb
mir ich möcht ihm einen Stofs Zeichnungen von mir zusenden, weil man defs-
wegen sehr bei Ihm nachgefragt — da ich nun Alles zu meiner italjeuischen
Reifse sammle — etc. — doch was plauder ich davon Ihr begreift das schon am besten.
Was eure alte Rosamunde macht, wolltet ihr gerne wifsen — die hat
auf Euch und eure Oprai"^) ziemlich renuncirt — wies natürlich ist weil die
Opra nicht gespielt wird und Ihr auch nicht mehr in Mannheim seyd^^) —
desto befser hat mann Euch bei Dahlberg, Gemingeu^^)^ Hecki'), Schwanns)
12) Vergl. die oben angefahrte Stelle bei Seuffert: er sendet dem Herzog Zeichnungen
durch Goethe.
13) Reichsgraf Karl Heinrich Josepb v. S., Sohn des Reichsgrafen Karl Anton v. S.,
Oberamtmanns zu Simmeni, war pfalzbayerischer Geheimrat und bovoUmächtigter Minister
des Kurfürsten am liöniglich französischen Hofe. Er ist Verfasser wichtiger Arbeiten auf
dem Gebiete der Chemie. 1778 wurden seine Versuche über das Platin in der Akademie vor-
gelesen. Sein Vater Karl Antou, ebenfalls der Alchemie ergeben, lebte später in Mainz und
sein Ende hat vermutlich den Stoff zu jener Begebenheit ii^ Schillers Räubern abgegeben,
wo Franz Moor seinen Vater bei Wasser und Brot gTifangen hält. Er verschwendete nemlich
mit seiner Goldmacherei so grofse Summen, dafs ihn die beiden Söhne, Karl Heinrich und
Wilhelm Friedrich (kurmainzischer Staatsminister), um nicht ganz zu Grunde gerichtet zu
werden, entführten und in einem Gewölbe der im Besitze der Familie beündlicben Sauer-
burg, im Sauerthal bei Lorch, gefangen hielten. Als der Kurfürst den Greis zu befreien
befahl, fand man ihn nicht mehr. Wie die örtliche Tradition spätor bestätigte, soll er in
einer Hütte am Fufse der Burg hinter eisernem Gitter verwahrt worden sein. Er starb um 1786.
14) Die fragliche Oper ist wol Wielands Alceste.
15) Wieland war Ende 1777 und Anfang 1778 in Mannheim.
16) Otto, Freiherr v. Gemmingen-Ilornberg, Hofkammerrat in Mannlieiiu, war eifriges
Mitglied dei' kurpfälzischen Gesellschaft. Er ist Verfasser der »Semiramis« , die Mozart
komponieren wollte. Bemerkenswert ist seine »Mannheimer Dramaturgie« für das Jahr 1779.
17) Über diese Persönlichkeit habe ich nichts tinden können. Auch die alle Rosa-
munde bleibt im Dunkel (vielleicht eine Sängerin der Mannheimer Bühne?, jedenfalls doch
wol ein Mitglied des hier besprochenen Kreises).
18) Christian Friedrich Schwan, Buchhändler in Mannheim, nahm besonders lebhaften
Anteil an der Gründung und Pflege des Mannheimer Nalionalthealers. Müller lernte ihn
schon von Zweibrücken aus kennen. Schwan ward später sein Verleger. Brietlicber N er-
kehr verbürgte die Dauer der Freundschaft auch nach Müllers Abreise von Deutschland,
und die Hochachtung für Scliwan währte bis zu Müllers Tode. (SeulTerl.) Über Schwan
heifst es in der Allgemeinen deutschen Biographie (der auch ein Teil der übrigen iSotizen,
über Sickingen u. a., entnoinnicn ist): Das gastliche Haus des vielgereisten Mannes von weiter
VVeltbildung scheint eine ijusundere Anziehungskraft gehabt zu haben. Als kenntnisreicher und
wolwollender Verleger und Buchhändler konnte der brave Herr llufkammerral (diesen
Titel cmpling er 1778j besonders jüngeren Schrifstellcrn mit Ital und That beistehen. Er
verkehrte mit J. N. Götz, Gotter, Lenz, Maler Müller, Schubart; auch Lessing, Wieland,
Herder, Goethe und Schiller dankten ihm manchen Frcuudschaflsdicnst und erlebten in
MitteiUiugeii aus dem geniiaii. Xatioiiuliuii.suiini. l8D>t. HI.
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uiitl iiudren Orten im IJedächlimrs. Ganiiabich ^^) liebt Euch herzlich und sein
Weib erkundigt sich bey jeder Gelegenheit nach Euch und eurem Wohlbefin-
den — die kleine Rose blüht täglich mehr auf ihre Wänglein werden alle
Tage lichter aber ihre Äuglein trüber das Mädchen schmachtet den Frühling
nicht durch — Sie wird sterben in der Liebesblüthe.
Das beste dartf ich nicht vergefsen, Verhelst^o) beklagt sehr, dafs euer
Drucker in "Weyniar nichts verstünde und das Papier an euren Abdrücken zu
schlecht war, macht sich anheischig Euch künftig die Drucke guth und rein
zu liefern , den Probedrucken gemäfs die ich Euch übersend — das 100.
Papir und Druckerlohn zusammen gerechnet ad 30 Xer — das scheint mir
nun sehr billig — ich dencke ihr werdet nicht säumen difs anerbithen an-
zunehmen weil euer Merkur augenscheinlich dabey gewinnt. Lalst mich eure
üedancken darüber wifsen.
Was Sickings^i) Kopf betrifft, sollt ihr ihn haben — ich bin ihm ziem-
lich auf der Spuhr und hoffe nächster Tage ihn gewifs habhaft zu werden,
will ihn dann selbst zeichnen und Verhelst zum siechen einhändigen.
Schick euch hier ein Programm zu einem Ballet, dafs mich die hiesige
Noblefse entwerfen liefs, um "es bei der Ankunft Ihrer Durchlaucht hier zu
geben , — allein es kamen Hindernisse dazwischen warum es nicht gegeben
werden konnte — — lafsts gefällts Euch so stehts zu euren Diensten es in
euren Merkur einrucken zu lafsen, doch mit der Note dafs ihr es von ungefehr
erhalten, weils die hiesige Reingesellschaft gerne in ihre Beyträge abdrucken
lafsen wollte und ichs ihr abschlug — geh Euch das Kind in den Windeln
nehmt nicht übel, wenn ihr die Hände ein wenig schmuzig dran macht.
Adjeu adjeu — Hebt mich und bleibt immer mein lieber guter Wieland —
Klinger 22) kam als kayserlicher Leutenant hier durch — er schnaubt nach
seinem Hause die angenehmsten Stunden. Er war es, der Schillers Bekanntschaft mit Dal-
berg vermittelte und dadurch den »Räubern« den Weg aufs Theater bahnte.
19) Christian Cannabich war Musikdirektor der Mannheimer Kapelle. Seine hier ge-
nannte Tochter Rosa, ein begabtes Mädchen, wurde von Mozart, der im Hause ihres Vaters
viel ein- und ausging, im Klavierspiel unterrichtet.
20j Egidius Verhelst oder Vereist, Sohn des Antwerpener, später nach München be-
rufenen Bildhauers gleichen Namens, wurde 1742 zu Ettal in Bayern geboren. Im Jahre 1765
erhielt er einen Ruf nach Mannheim, wo ihn der Kurfürst Karl Theodor zum Hofkupfer-
stecher und zum Professor an der Akademie ernannte. Er starb 1818 in München.
21) Über S. schreibt Georg Forster am 14. August 1784 von Wien an Thomas
Sömmering nach Mainz: der Graf S. ist auch hier; er sieht aus wie ein alter Liebhaber
in der französischen Komödie oder, ich möchte sagen, wie ein Charlatan , das er aber nicht
ist, oder wie ein Alchymist, der Mittel hat, auf sein exterieur was zu verwenden. Das letztere
pafst, denn man versichert mich, er laboriere. Ein gescheuter Kopf ist er aber. Er hat
ein Stück Platiuablech, das über einen Schuh ins Gevierte hält, es .sieht wie Silber aus und
ist völlig biegsam.
22) Über Friedrich Maximilian Klinger sei hier nur Folgendes bemerkt. Nachdem er
die Seylersche Schauspielergesellschaft, wo er Theaterdichter war, verlassen, wurde er, von
Schlosser empfohlen, Lieutenant in einem kaiserlichen Freikorps bei Ulm; er zog mit nach
Böhmen und wandte sich nach Beendigung des bayerischen Erbfolgekrieges in die Schweiz.
Den Maler Müller hatte er wol auf der Theaterkampagne, welche die Seylersche Gesell-
schaft in Süddeutschland (Mannheim, Mainz, Frankfurt) machte, in Mannheim kennen gelernt.
— 19 -
Pulver und Dampf, nun kann er vom Pl'erd herunter g'egen die preusischen
Kanonen Sturm und Drang- austoben wenn anders Sturm und Drang in seinen
Gebeinen brau fst — adjeu grüfst mir herzlich eure Rebecca und liebe Kinder-
lein und habt g-rofsen möchlichen Dank für euren Schach Lolo ^^) — ist ein
stattliches Ding- — eure Logogryphen sind Nüfse, woran manche Maufs und
Älster dran pickt und sich amüfsirt bin mit dem wärmsten Herzen
Euer Müller.
Wie^) kommt ihr aufn Gedanken — Meyer ^5) und Gothe — Sturm
V. Bocksberg- und Götz von Berliching-en — cloch man schriebs Euch — da
ists zu verzeyhen , sonst hätt mich entrüstet wenn ihr bedenckt
doch lieber Wieland was ich Euch schon sag-te, der Kerl ist nicht mehr im
Stand bei seinem Weib zu schlafen, ist lendenlahm, wie ists möchlich dafs
einer ein Publikum an sein Herz drücken will der seine Frau nicht mehr
erwärmen kann — dazu gehört ein ganz anderer Krebs — das ganze Ding
wenn ihrs noch nicht gelefsen habt ist nichts als eine Rüstkammer von alten
Schilden und WatTen, wohinter man die Ritter nicht sieht.
Viel Gomplimenten von Schwan und seinem lieben Weibe.
]S ü r n b e r g. D r. R u d o 1 f S c h m i d t.
Zur Ciescliiclitc des Reicbenlialler Salzhaiidels.
n die Sammlungen des Handelsmuseums im germanischen Museum ist
ii]i vorigen Jahre ein Quartheft, bestehend aus 18 Blättern, wovon
Bl. 14—18 leer sind, des 1(3. Jahrhunderts gekommen, in welchem auf
Befehl des fürstlichen Kammerrates Sebastian Preu in München die Aussagen
einer Reihe von Fuhrleuten niedergelegt sind, die sich über ihre schlimme
Lage in lebhaften Klagen ergehen. Aus ihren Aussagen geht hervor, dafs sie
Getreide aus der bayerischen Ebene nach Reichenhall brachten und dafür
Kochsalz als Gegenfracht mitnahmen. Das Salz wurde hauptsächlich nach
Landshut, Wasserburg und Traunstein, von einzelnen aber auch bis nach Augs-
bui-g und Nürnberg geliefert.
Allgemein ist die Klage der Fuhrleute, dafs alles was sie kaufen müfsten,
gar teuer sei, die Maut- und Zollgebühren übergrofs seien, die Forderungen
der Handwerker immer grölsere würden, alle Dinge auf der Welt auf das
Höchste gekommen seien. Als die Wurzel der schlechten Verhältnisse, in welche
die Fuhrleute gekommen seien, wird der Umstand bezeichnet, dafs Se. fürst-
liche Gnaden, d. i. der Herzog von Bayern, ilas Salzwesen zu sich genommen
habe und man für das Getreide, das in den fürstlichen Kasten abgeliefert wer-
23) Schach Lolo oder das göUliche Recht der Gewalllialicr, eine Diorgenläudisilio Er-
zählung. Im Teutschen Merkur 1778, 2, S. 97—130.
24) Das Folgende ist Randbemerkung.
25) Es scheint, als ob Meyers ScbiUispiel »Der Sturm von Roxberg« (erschienen 1777)
mit Goethes Götz von Rerlithingen verglichen oder anfangs gar (ioetbc zugesclirieben wor-
den ist. Jakob Meyer (geb. 17.'59 in MannbcMui, gestorben 17S4) war aulserdcni noch der
Verfasser des Trauerspieles »Fast von Strom berg« , welches 1783 erschien. Griifse (Lehr-
buch der allgemeinen Literärgeschiclite, 3. Band, 3. Abteilung, 1. Hälfte, g 88) bezeichnet
beide Stücke nebsL vielen anderen dieses Zeilrauiiies als Mvalirliafl absolienlicbes Zeug«.
— so-
llen müsse, zu wenig- bezahle, auch zu oft den Salz ändei-e. Die Herstellung
des fi-Uheren Zustandes wird als das beste Heilmittel für die obwaltenden
Schäden angegeben. Offenbar steckten hinter diesen Klagen auch die Salz-
sender, denen durch die Neuordnung der Dinge eine gute Einnahmequelle ver-
loren gegangen sein mag. Die Aristokratie der Fuhrleute verschmähte es aber
doch, trotz der schlechten Zeiten , in Bierbrauereien einzukehren — nur Wein-
schenken wurden dieser Ehre gewürdigt.
Die Handschrift scheint eine alte gleichzeitige Kopie eines Abschreibers
zu sein, der öfter nicht recht gelesen, hie und da Wörter ausgelassen hat, so
dals der Text oft so holperig und unbeholfen erscheint, als ob ihn einer der
Fuhrleute selbst niedergeschrieben hätte. Wir lassen nachstehend den Text der-
selben als einen kleinen Beitrag zur Geschichte des bayerischen Salzhandels,
dann zur Geschichte des Verkehrs und des Fuhrmannswesens jener Zeit folgen.
Bl. 1» 1588. Erfarung wie die fuerleut auf der Strassen bey
allen herbergen werden gehalten, und was sy sonsten furbeschwä-
rungen haben. Aus bevelch herrn Sebastian Freuen, fn. camerrats
zu München beschechen.
Bl. 3» 1588. Georg des wierts zu Ehartting, ausserhalb Ettingeni) gelegen,
ein geydafern^), diener, gibt auf beschechens anfragen antwort. Wie gespärrig
und klueg er zesein vermain, daß er kärglich zere, in den schlaf- oder andere
drunk sich ausser der ordenlichen malzeiten, die er täglichen zwo einneme, nit
bewegen lasse, so künde er doch seinem herrn nichts ausschiessen, was der
gewinn sein solle, muesse dahaim auf das ausfertigen, und vil mer darzu, dann
sein herr alle sachen vleissig ausrechne, gelegt werden, one das, und nit gerech-
net, indeme täglichen die roß nur elter, wägen und geschierr auch (Bl. 3^) zer-
schlaitfen und deglichen letzer ^) werden; nit allain die zerung, sonder alle an-
der ding, was doch einer haben oder machen lassen mueß. alles in hochem teu-
rem gelt bezalt werden. Ein gemaine malzeit so wol bey seinem herrn, als
anderer orten gebreuchig, vorderlich weil der wein nunmer, je lenger je mer,
teurer wirdet, (koste) per 15, 16 oder noch mer kreizer, darzu seye es wol bei
einem wiert der guete halben nit zuvil, aber wol bei dem andern, wegen der
schlechten gewiertung, mer als zuvil. Bey vier strich habern, oder wann es
wenig seye, vierthalben strich, mueß er ein nacht auf vier roß haben, den strich
per 14, 15, 16, 17 oder wol gar 18 kreizern, darnach das maß und die guete des
haberns, (Bl. 4*) alle nacht von einem roß ainen kreizer stalmuet; die weg und
landstrassen werden an einem ort guet, an dem andern ort wol wenig gemacht,
jedoch sein dieselben im Bayrlannst (I) noch umb ein guets besser, als ausser
lands, (daselbst) mach man gar nichts rains.
Jörg Stieff zu Friderfing*) Tittmaninger laudgerichts seßhaft, sagt, er
sey nunmer nechner bei 50 als bei 40 jarn , das fuerwerk gedenk er nie, als
jetzo so schlecht, und der namhaften fuerleut so wenig; er hab ir vil ge-
kennt, die in seinem leben gestorben und verdorben, (Bl. 4*) die eines gueten
vermugen gewest, das salz kun oder muge das grosse ausgeben, so einem
fuerman obligt, nit ertragen, es muessen die fuerleit bey disen schweren und
teuren jargengen verderben, man rait nie all ding genaug, vil tierens und
1) Altölting? Neuölting? 3) ein Landwirtshaus. 3) d. i. schadhafter.
4) Fridorfing, Landger. Tittmoning.
— 21 —
wenig- Ion sey irgewin und zum £>-e\vissesl(Mi. Dasg-elraid kaufen daussen im land
die fuerleut gar hoch und hie zal raans nach dem satz, den man auch stätigs
ender. dessen sy auch entgelten. Er und seines gleichen, die ein ganzes jar
auf der Strassen ligen und nur bei den weinwierten einkeren, den rossen
lautern habern, do sy änderst dieselben erhalten und aus dem land kommen
wollen, gnueg geben müessen, dürfen (Bl. 5'i ) wol ein merere aujigab als die,
so nur faren, wanns inen wolgefelt, wann sehen wetter und gueter weg vorhan-
denMst,jlie ir fuetterei selbs, so weit ir rais langt, mitfieren, bei den i)reuen5)
oder andern drucknen gastungen ring^) zeren. Nit allain die zerung, sonder
schmid, sattler, sayler, riemer und wägner, in suma was einer doch haben mueß,
ist in hochem wert, die, welche alles hoch muessen kaufen, schenkens alsdann
einem andern auch nit. Er künde gleich kainem wiert die schuld geben, obs
wol je mit der gewiertung etwas schiebt, so wirdet es doch andere malen wider
erstatt, (Bl. 5^) wann nur die roß mit guetem fuetter, hey und strey gnueg
versechen, sey ime zu einem drunk wein bald kocht. Der weg und landstras-
sen wolt er gleich geschw^eigen, wann nur sonsten mit der wagenfart ein ver-
dienen verbanden; daß die traydsatzung nit so oft geendert und ring^) angeschla-
gen würde, dahie seis salz auch teur, entgegen außer des lands nit gültig dar-
nach. Grleichwol wiß er diser zeythero nindert kain ort, da, wie vor zeiten
gewest, etwas zu erholen.
Dergleichen sagen alle andere fuerleut auch, es mug ninier, als es ge-
west, guet werden, alleding auf der weit sei auf das höchst kommen; der ge-
(Bl, 6a ) main man hab kain gelt, was er bedürfe, müeße er hoch zalen, groß
gülten und steur geben: es trelTe in w^as Unglück es welle, nicht desto weni-
ger dises und zals bar, haiß es jetzo.
Georg Streittwiser, Tittmaninger landgerichts, sagt umb das getraid alhie
geh und zal man zu wenig; sy müessens daussen zu Landtshuett und wo sys
bekommen in hochem wert annemen; oftmals, sonderlichen wann beses wetter
anfeit, daß die wog überall gar tief oder nit recht zugefroren sein, umb gar
ein schlechten Ion, jawol umbsonsten alher geen Reichenhail fiern. So schlag
man zu Lanndßhuet an der Scheiben''), wann ein anzal (Bl. 6^ ) Scheiben alda,
oder da der weg guet, oftmals ab, das komme dem fuerman zeschaden, künde
nichts erdienen. Die Scheiben allain ertragen den uncoslen und ausgab, die
einem auHaufe, bei weitem nit, wann er nit sonsten auf andern waarn auch
etwas erlang; es sey doch alles das, was einer docli haben und kaul'on mueß.
das wenigst sowol als (das) maist, in gar hochem wert, alle liWi aber gar klain:
der strich habern, einer in den andern gerechnet, gelt gemainlichen 10 und
12 kr.; also auch ein jede malzeil. ein gonieinen wein und drey ricbt^^). er und
seinesgleichen fUetern laulern babern, mischen kain geschnitten stro darunter,
es mechtens sonsten die roß nit ertaurn^) auf diser Strassen. Do einer gleich
das piermaP*^) einnembe. mueß doch derselb (Bl. 7« ) jelz auch bei ."i kr. darumbcn
5) Bierbrauereien. 6) gerinp:.
7) Salzscht'iben, von ungefälir aiuiertlialLi Zciiliifr (iowiclit, wolclu' (Jincli l'^iiislolscn
von Salz in eine cylindrischo, hölzt-rne Einlassuiif? die koinpakle Form einer Sclioii)C orliailcn.
Sctinieller-Frommann, iiayer. Wörter!). II, T61.
8) die einzeln aufgetragene Speise, das Gcriclil. 9) ausdauern.
lOj in einer üicrbräuert'i esse, s. o. Zeile S.
— 22 -
Zillen, aber i;-ar'^) werd einen liir tragen. Der nieuL^^) und zoll sein vil ühei'-
gros, von einem ro(5 ein nacht stalmuet (sei) 1 kr. zimblichen, werde hey und
strey daruniben hergeben ; die schmid, sayler, sattler, riemer und wägner wern
auch mit irem verdienen je lenger je teurer, und sei oftmals an den vvaaren
oder aber der arbet nit vil guets. Das treffe als^^) die/uerleut; wann nur das
l'uerlon besser würde, wollte er für sein person der weg und alles andern ge-
schweigen, im lands ßayrn werden die Strassen weit besser als ausser desselben
gemacht und unterhalten.
Hanns Ständschiel (f), Merttel Nie[5berger, Schmid von Lochen und Paur
am Schanramb. (Bl. 7'' ) all drey Tittmaninger landgerichts, im erzstift Saltzburg,
wonende, sagen eben wie hievor verstanden, es sei das fuerwerch gar verderbt,
überall nichts darmit zu erhalten, alle ding auf das höchst komen, des haberns
etzen sy vil, wellens änderst die roß auf der straß erhalten, ain strich auf ein
roß well nit klecken^*), ein nacht cost gemainlichen einer pey 10 oder 11 kreu-
zer, am morgens frue halb sovil.
Hanns Freybagen sagt, seyt das unser gn. f. und herr das salzwesen zu
sich genommen, seye es ime alle fört^^j umb einen gülden schad, den er sonsten
bey seinem wiert zu Wasserburg, der ein guet man, am Ion und der zerung
im vorteP^) gehabt; dann er hab im vil Scheiben zugefiert. Er halt ine noch
an (ohne) clag, aber vormals (Bl. 8^ ) wer im oft etwas nach gesechen worden,
des er jetzo bezalen mueß, das thun andere gleich so wol. Hievor haben auch
die fuerleut bey den salzsenderni'), leichen^^) und peyten^^), wannS einer bedurf,
im vortel gehabt. Er für sein person könude über nichte (!) clagen; es sey
alle ding teur, bey dem Widraan alhie «ere er das pfenwerth 2*^), was er begert,
das geh man ime, treffe gemainlichen bei 10 kr.; den habern fier er selbs mit
ime; bey dem Argl zu Deißendorff^^) über ein guts trucken mal 3, 4, oder 0 kr.,
darnach die zeit und das essen sey; der habern gelt je der mezen 30, wol nur
28 kr.; stalmuet, hey und strei auf dreir roß 3 kr. von danen auf die nacht haimb;
obbemelter sein wiert zu Wasserburg geh ime auch was er beger^ zwing ine
zu nichlen, zer er vil (Bl. S^>), so mueß er desto mer zaleu; nichtsmer sey
aller orten, die er wiß, zu gewynnen, an den wog und landstrassen, da es än-
derst guete Wetters zeit, sey nit ze clagen; windterszeiten, ee ein pan wierdt
und wann dieselb widerumben aufgee, mus es nit guet sein, besonder in den
nassen jaren.
Jörg Waldner von Neunkirchen 2^) im erzstift Saltzburg seßhaft, auf zuvor
beschechens anfragen gibt er antwort: er far mit guetern oder Scheiben geen
Lanndshuett, Nürberg, Auspurg, Wasserburg oder Traunstain ; seye der gewinn
schlecht; wann sy^^) einer eines mals zu ebens auspar (!), so sey es gewys, das
er das andermal mueß hinzugeben; wanns einer alls^^^ rechnen und bedenken
11) fertig. 1:2) Maulgebüliren. 13) alles. 14) genügen. 15) jede Fahrt. 16) Vorteil.
17) Salzsender und Salzfertigcr sind Spediteure, welche sich mit der Ausfuhr und Ver-
sendung von Salz befassen. Schru.-Fr. BWB. I, 761. 11, 273. 18) leihen.
19) zuwarten, bis einer bezahle. Schui.-Fr. BWB. I, S. 300.
20) d. h. er lieis sich einzelne Speisen reichen, nahm nicht an dem Mahle teil, oder
nach heutigem Sprachgcl)rauche: er speiste nach der Karte, nicht an der Tafel. Schm.-Fr.
BWB. 1, 432. 21) Teiseudort; Bez.-A. Laufen.
22) Vielleichl das heutige IN'euliirchen im Pf.-Al. Teisendorf. 23) sich.
- 23 -
wolle, in allem g-ee einem fuer(mann) (Bl. 9'0 vil (entgeg-en die einnamb gar
g-ering und auf den nagl gerechnet) auf, daß er sich verwundern nuieß, es thet
ime noch andern ain jeder nit einen handgriff umbsonsten. Die weg sein ainsteu
guet, das andermal bes, nach gelegenhayt der zeit und des wetters, ausser lands
sein dieselben aber gar nichts werdt und über die massen aller orten dief, man
mach wenig daran. Yber die zerung wij5 er gleich nit ze elagen; es dürf kainer
über die nottürftig Unterhaltung zeren, er oder andere, do solches durch sy
bescheche, hetten den gewin zeitlichen einglegt. Es gee schier alls^^) auf die
meut, roß und geschierr bei disen teuren und schweren jargengen, und wiß
nit zeraiten. wie dem zuvorkommen: alles sei auf das höchst kommen.
(Bl. 9^ ) Gristan Spickhenreitter zu Spickhenreytt, Lienndl Runckhner von
Kieming^*), Jörg Eder, Zwerchensfeldner Hueber von Ainhering, Caspar von
Richstetten und Haintzl Stockhamer in Deisendorffer gerieht wonends: wann
sy nach Wasserburg oder Traunstain Scheiben ze üern alhie aulladen, zeren sy
für ir personen nichts, als daß sy ein druckens prol kaufen und essen dasselb,
die ligerstatt in den stuben auf den penken oder bey den rossen im stall; beym
Ärgl zu Vnntterndeisendorff geb einer über das mal 3V2, 4 oder 3^2 kr.; das
fuetter etzen sy wenig, aber es sei überall teyr, dessen die fuerleut aber vil
zu erhaltung der roß müessen haben , den metzen per 28, 30 raer und weniger
kreyzer; welcher je kain gesott ^5) bei ime, oder dasselbe schon veretzt habe,
(Bl. 10^) der kauf den metzen alda per zwen oder dritthalben kreizer; die
stalmuett ist gering, von einem roß 1 4, dergleichen mainung hab es bey dem
Grüppel und andern drucknen gastungen, was er sonsten wil haben, das wirdet
ime gegen der bezalung gegeben. Zu Traunstain, weil die herrn den salzhandl
nit raer haben, spannen jetzo, des vor nit beschechen. die maisten pauru. umb
das sy kainen vortel mer ze suechen, gar die roß nil von wägen, sonder sobald
sy die Scheiben von den wägen gebracht und das fuerlon eingenommen, faren
sy auch ungezerl hinweg, jeder seiner glegenhait nach, oft ganz nacht, darnach
einer weit haimb ze faron; vorhin aber hat gemainlichen einer bei seinem
herrn, dem er die Scheiben geliert, (Bl. 10 'Jj eingestölt, je mer er im Scheiben
zu geliert, je besser er ine mit roß und geschierr gehalten, und ist ime gott-
willigkhemb^*') gewest, ime darzu, sonders welcher vast") gelarn. glichen
und gebitten^s), auch allerlay vorll und dienstwilligkait erzaigt, der kreizer
drinkgelL das wenigist gewest über den bestimbden Ion. Dises wolten sy und
andere noch zum liebsten haben, und nichts anders elagen.
Michael Weiß zu Friderling'*) im Salzburger land glegen : derzeit, daß es zu
Ueichonhall guet und besser als jetzt gewest. man hab einem fuernuin auf der
Scheiben (Bl. ll=ij uiul dem driltl körn einen Ion lassen, jetzt aber rech man
es als^^J dem fuerman auf das kluegest nach, damit sy kainen gewyn oder Über-
schuß haben sollen; nochmer, lummals, daß er mui aiideie, wann sy wie hievor
beschechen, mil Irayd iiacli Keichenhall unil» Scheiben zur gegenlailung faren
muessen, sy das lieb getrayd sowol (als) das salz iimh riiici) Ion. als vom drittel
traid 20 kr. uml von der Scheiben salz 18 kr., tieni, dariiri aber nichts als Ver-
derbens gewin; danoelit welle er liebers uiiih disen sohl dann hievor um funf-
24) Cliierning, B.-A. Traunsleiu. ^lo) d. i. Häcksel, lläckorling.
26) (i. i. {roHwilllioiimi. ein Mewillkoiiiiiiiiun;:sgriil's : .sei willkomiinMi I Scliiii.- Kr.
BWß. I, ÜOI. ±1) viel, Uli. 28) s. Aiimfikuiiyoii I8J u. l'Jj-
— 24 —
/eclieii krcizer die scheibL'n viui Keichenhall g'eeii ELtiiij^' luul von dauneri das
drittl traid geen Reichenhall i)er 20 kr., welches durch den (Bl. 11^) herrn
luaulner zu Etting iiiul N. Freidelsperger daselbs aug-estölt worden, faren,
dessen well er sich aber, so im mug-lich, verhüeten, destoweniger, wie es andere
auch tuen werden^ g-een Reichenhall kommen; doch verniaint er, das fuerlon
von der Scheiben 18 kr. und dem drittel traid 25 kr., wer wol sovil nihi , daß
etwas darbei zu erhalten, aber es wurden danocht etliche fuerleut uiub disen
Ion Taren, wievol liievor ein l'uerman, weil der das g'etrayd alhier auf dem fn.
casten, entgegen die Scheiben anderer orten seiner g:elegenhayt nach'verkauft,
,auch nit vil darbei gewin g-ehebt, danuen sey es ime nutzer als jetzo gewest;
wo es wider (würde), als vor gewest, wurden der fuerleut noch vil gefunden
werden, sonsten, (Bl. 12*1} und wie es derzeit geet, mugs niemand thun.
In suma was nachlengs hergeschriben, ist der fuerleut und paurn sagen
und clagen miteinander, wolten gleich weder zerung, Ion, meut, Strassen, noch
anders nicht anndtteu^'*), da es nur mit dem fuerwerch zu dem wie es hievor
gewest keme, also muge sich niemand erhalten, was auf der untern straß gesvest.
Habe je einer selbs ein getraid alher ze fieren und zu verkaufen gehebt, der an-
der sich sonsten beworben, daß er auf negstes ein ladung bekomen und nit gar
umbsonst knecht gewest seye, und der je die ladung, ausser deren man ime
kain Scheiben (Bl. 12 ^) alhie geben, zu Lanndshuett theur erkaufen, jemals wenig
daran zu Ion gehebt, wo verliessen muessen, sey ime entegegen doch bevor und
frey gestanden, mit den Scheiben nach seinem gefallen ze faren, jeder sein vleissige
nachfrag gehebt, wie hoch aller orten di Scheiben salz im werth , an welchem
ort also derselb abzeladen, oder zu verkaufen ime am nutzesten zesein befunden,
dahin er gefarn, damit er das, so er negstes mals verfaren, wider hereingebracht.
Die Traunstainer und Wasserburger salzsender^') seien den paurn oder
fuerleuteu, sonders denen, die vil Scheiben gefiert, mit essen und drinken, habern,
hey und strey, auch leichen und beyten^^) (one dasselb manuicher nit faren
mugen), vast^') zu hilf (Bl. 13 a) kommen; (es sei) wol (kaum) je einer gewest,
der dem fuerman über das, was er ime schuldig, nit vil geschenkt oder nach-
gesechen, er hab ine aber donacht schön gehalten, damit er nit ursach gehebt,
einem andern salzsender zuzefaren, sych jeder seiner gewissen herberg und
stalluug sich getrösten dürfen, Gott geh er hab vil oder wenig gezört. Ob sy
wol noch von etlichen werden der gebur nach gehalten, mueß er doch alles, was er
empfach, vleissig bezalen, hab sich kaines vortls mer zugetrösten, dardurch der
arm geursacht, sobald er di Scheiben vom wagen bringt, unausgespant, wie
grob das wetter und weit der wog sei, nach seiner wonung zufaren, roß und ge-
schierr abzenemen. Wann (Bl. 13 b) ein paur, weil die von Traunstain den
salzhandl gehebt, uugewitter oder nächtlicher zeit wegen, bey seinem herrn oder
gar bey einem andern salzfertiger ^^j eingestölt und aber nit gezert, hett er
dannocht aufs wenigist den rossen einen puschen hey umbsonsten oder schlechte
bezalung sambt der stalmuet im vortl gehebt — des jetzt als^^) ab (sei).
Nürnberg. Hans Bosch.
29) nicht l»elreiii(llicJi, nicht auffallend finden. Schm.-Fr. I, 9t).
— 25 —
Eine Karte von Flandern vom Jahre 1538.
I ie historischeForschung- der g-eog-raphischen Wissenschafthat in derjüngsten
Zeit erhöhtes Interesse dem Studium der Entwicklung der Kartographie zu-
^ gewendet, wozu wir Deutschen besondere Veranlassung in dem Umstände
finden können, dafs es gerade unserem Volke vorbehalten war, der Kartographie
die streng wissenschaftliche Grundlage und Methode zu geben, auf der sie sich
zu hoher Vollkommenheit emporgeschwungen hat. Während andere Nationen
Europas am Ausgange des Mittelalters diejenige Geschlossenheit besaCsen , die
erforderlich ist, nach aufsen gerichtete Unternehmungen ins Werk zu setzen,
litt Deutschland an dem Verhängnis, seine Kräfte in politischer und religiöser
Zerrissenheit jahrhundertelang zu binden, und während Spanier, Portugiesen,
Niederländer und Engländer den Gesichtskreis durch ununterbrochene Ent-
deckungen erweiterten und ihre Macht durch Erwerbung reicher Kolonien ver-
gröfserten, gingen wir bis in unsere Tage hinein leer aus. Indessen erwuchs
auch hier ein Vorteil aus der Ungunst der Verhältnisse: der Gelehrte in der
Zurückgezogenheit des Studierzimmers bemächtigte sich mit kritischer Prüfung
der praktischen Resultate, welche die glücklichen Entdecker anderer Nationen
heimgebracht hatten, suchte die Fülle der festgestellten Daten auf Karten ein-
zutragen und kam so dazu, in der scharfsinnigen Erfindung wissenschaftlicher
Projektionen den Kartenbildern Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit zu verschaffen.
Vieles ist aus dem Wiegenalter der Kartographie, an deren Aufschwung sich
auch Italien und die Niederlande, angeregt durch die Erfolge der deutschen
W^issenschaft, beteiligt haben, unserer Zeit glücklich erhalten worden, anderes
aber, und darunter manches wichtige und fundamentale Werk, blieb verschollen
oder ist erst in neuerer Zeit aus dem Staube vergessener Faszikel durch Zufall
an das Licht gekommen. Das gröfste Ereignis dieser Art, welches schwerlich
seiner historischen Bedeutung nach wird übertroffen werden können, ist die
Entdeckung der drei Merkatorkarten auf der Stadtbibliothek zu Breslau. Neben
ihr müssen Mitteilungen ähnlicher Art geringfügig erscheinen, was aber niemals
Veranlassung geben darf, den Besitz seltener Karten geheim zu halten, selbst
auf die Gefahr hin, daCs die Mitteilung nur zu dem Nachweise von dem Vor-
kommen derselben Karte auch an anderen Orten Veranlassung bietet. Aus
diesem Gesichtspunkte sei hiermit die Aufmerksamkeit auf eine Karte gelenkt
die, wenn nicht gar als ein Unikum, so doch als eine grofse Seltenheit bezeichnet
werden darf, von deren Vorhandensein im günstigen Falle mir Wenige unter-
richtet sein werden. Ganz besonders aber glaubt der Unterzeichnete auf die
Person ihres Autors hinweisen zu sollen, von dessen kartographischer Thälig-
keit bisher anscheinend nichts bekannt gewesen ist, über ilen er aber leider
zur Zeit selbst keine genügende Auskunft zu erteilen vermag.
Die Karte, um die es sich hier handelt, slrlll in Holzschnitt Flandcni auf
vier guterhaltenen Perganientblältei'n dar, die ans dein Nachlasse der Niiiiibei ger
Landkartenluiiidlung von Fembo vor 10 Jatin'ii in den IV-sit/- des Museums
übergingen. Uic bedruckte Fläche diu- einzt'lnrn Pdällrr inil'sl zwischen 48,5
bis 49,5 zu 30,5 bis 37,5 cm. bei einem nur 1 cm. breiten Hände. Genau lassen
sie sich wegen dieser Verschiedenheit, mit der sich das Pergament gezogen
hat, nicht aneinanderlegen, wie sich auch infolge dessen der Mafsstab nui' un-
Mitteilun^eu aus dein gerinuu. Nutiuiuilinusouin. 1893. IV.
— 26 —
geföhr auf I : 230000 iitifj^eben lilfst. Wir bezeichnen die Blätter der Lage nach
in folgender Weise mit 1—4:
1
2
3
4
Blatt 1 enthält in einem grofsen, oblongen, goldverzierten Rahmen die
Titellegende in niederländischer und französischer Sprache und zwar in Druck
mit gotischen Typen nebeneinander. Die erstere lautet folgendermafsen :
»Pieter van Beke gheborete Grhedt de goedertieren leserSaluut. | Ommedies-
wille dat vele scriuers van historie en chronicuers nu ter tyt die | wils verbalen
vande lande van Ulaöndre: eü dat tot nu toe danof gheen ze | kere descriptie en
es ghevveist volghen der gheleghenthede vanden zeluen | lande. 0ns helft ghe-
docht ouer noots^kelick en zeer prollte ick vä uieus te stelle | ne een figure en
Charte van dien». Vis folgt darauf die Zeichen- und Schrifterklärung und die
Gröfsenangabe I I »vä eender ülaerascer mile«, und zum Schlüsse
heifst es: »vp de welcke mate stellen den passere ghylichtelic mete muecht | en
wete de warachteghe distantie van alle de plaetsen vä Ulaedre in welck lädt |
de alder machtichste alder duerluchtichste en alder excellenste Keyser vande |
Ro I meynen Kaerle de vijfste ghebore es in zijn triumphäte stadt vä Grhendt
int iaer | naer der gheboorten Christi MGGCCG«.
Der französische Text schliefst sich dem Wortlaute nach eng an diesen
holländischen an, während der lateinische in einer kleineren Kartusche mit
Antiqualettern auf Blatt 2 eine selbständigere Fassung besitzt. Er lautet voll-
ständig unter Beseitigung der auch hier angewendeten Abkürzungen :
»Petrus Torrentinus (jandauus pio lectori Salutem. |
Entibi studiose rerum Inquisitor, flandrici comitatus autiqui nobilis omniura-
que i rerum imprirais necessariarum foecundi: frequentia ciuitatum edificiorumque
nulli I alteri secundi: graphicam ac suis lineis expressam figuram , in qua illud
admo I nitum necessarium duximus: ciuitates muratas, et insignes: designatas
magnis lit | teris capitalibus et eorum insignijs. Eas vero quae ciuitatis quidem
ins adeptae sunt: rerum | vel vetustate collapsae, vel nouitate nondum excretae
rainoribus litteris capitalibus i descriptas habeto. Si quae vero arces castraque
fortia in agri Flandrici nmnitionem | constructa sunt forma castri signantur. Per
vniuersum autem abbatiarum insignia mo | nasteria atque canonicorum praeposi-
turarum vel prioratuum collegia in ([uibus A litte | ra abbatias, P prioratus vel
praeposituras , adiuncta enim bis M marium vel virorum, F ve | ro foeminarum
loca Sacra designant. Habes insuper vetustium Flandriae locorum expres | sa
passim insignia, tutn Scaldis Legiaeque aliorumque nauigabilium tluaiorum
expressa no | mina ac designatos alueos. Vicinorumque locorum vndique adiunc-
tam partem quo facilius ' Flandrici agri pateret intuenti terminus. Haec linealis
longitudo I I I Flandricum mensura aequat miliare, quod horae
plerumque vnius est iter. | Idque notandum est, diio iiiiliariu Flandrica tria fere
galli I ca constituere. Hanc nostram operam atque diligentiam boni [ quaeso
lector consule. ac Vale«.
— 27 —
Die Nebeneinanderstellung" der g-eoaiinten drei Sprachen kehrt auch sonst
noch wieder, so im Titel der Karte: De Charte Van Viaendren, Charta Flandriae
und La Charte De Flandres und in der Gröfsenaug'abe des Landes: Gomitatus
Flandriae continet in long-itudine miliaria Flandrica circiter XXXL in latitudine
fere XX etc. Nur in lateinischer sind die Druckangaben gemacht: »Gandaui in
officina Petri Caesaris iuxta diuae Pharahildis templum Anno M. quing-entesimo
trigesimo octauo. mensis Maij die octaua. Cautum est ne quis alius hanc Flan-
driae Chartam emittat intra anuos quatuor, ne sui suo pereant sudores autori«.
Die Karte ist sehr sorgfältig' und sauber und zwar so stark dem Perg-a-
ment aufg-edruckt, dal's man die Eindrücke mit dem Finger verspürt. Auf
jedem Blatte ist ein aufrechtstehender Bär nahe an den Ecken der ganzen
Karte symmetrisch angebracht (auf eins und zwei links und rechts oben, auf
drei und vier links und rechts unten), der mit der einen Tatze eine Fahne hält,
mit der anderen einen Helm mit farbigen Helmdecken und der Helmzier. Die
Farben der Fahne des ersten Bären sind die burgundischen, blau und Gold, die
Helmzier bildet ein wachsender Adler in denselben Farben; die des zweiten sind
rot und weifs, die Helmzier ein roter Hirschkopf; die des dritten rot und
Gold, die Helmzier ein Wildschwein zwischen zwei Flügen, und die des vierten
ein weifser Schild in rotem Felde, die Helmzier ein roter Ochsenkopf (wol für
Kleve). Die beiden ersten Blätter sind aufserdem mit verschiedenen in Gold
und Farben ausgeführten Wappen geschmückt und zwar oben nahe der Mitte
der ganzen Karte mit dem des Kaisers, rechts und links tlankiert von den Wappen
von West- uml Ostllandern, darunter der geographischen Lage entsprechend,
die Wappen von Brabant, Hennegau und Artois. Am reichsten sind Blatt 3
und 4 ausgestattet, belebt von zahlreichen höchst malerischen Schilfen, die mit
geschwellten Segeln oder durch Ruder getrieben im Schmucke bunter AYimpel
und Flaggen dahinfahren. Die Holzstöcke sind hier aufs sorgfältigste ge-
schnitten, die Malereien aufs feinste in Gold und Farben ausgeführt; die Flaggen
zeigen die Wappen von Österreich, England, Schottland, Frankreich, Portugal
und Venedig. Die Fluten der Nordsee auf Blatt 3 und 4 befinden sich in sanfter
Wellenbewegung und in zart aufgetragener mattgrüner Färbung, doch fehlen
hier die sonst auf den Karten dieser Zeit üblichen fabel hallen Seetiere; die
Küstenkonturen der Nordsee und ihrer Buchten sind ziegelrot hervorgehoben.
Das Bild ist aus der Vogelperspektive gedacht, ein hellrot und blau gefärbter
Himmel spannt sich am oberen Rande von Blatt I und 2 darüber aus. Die
Ortschaften zeigen bildliche Darstellungen mit Mauern, Häusern und Türmen,
und zwar der Gröfse nach durch die Beschriltung und den Gebäuilekomplex
unterschieden. Zum Überlluls wehen von ilen Zinnen der Städte Fahnen und
Standarten in ihren Farben oder mit ihren Miniaturwap|)en , wodurch der
Gesarateindruck noch an Lebendigkeit gewinnt. Sämtliche geographische Namen
sind, im Gegensätze zu den nachträglich mit Typen gedruckten Legenden, in die
Holzstncke geschnitten, wobei merkwürdiger Weise alle vorkommenden S dieser
Form verkehrt stehen, also so: ?.. Wegen der bildlichen Darstellung der Ort-
schaften ist eine genaue Entfernungsmessung nicht möglich und sie würde
selbst bei richtiger Symbolisierung derselben falsche Resultate ergeben, weil die
gegenseitige Lage der geographischen Objekte ungenau und verschoben ist.
Graduierung fehlt den Blättern, ebenso beschränkt sich die Terraiuzeichnung
— 28 -
auf ein Minimum; die Hiinnielsrichtung- ist nach der Weise älterer Karten die
ump:ekelirte wie heute, indem die Nordseeküsten dem jetzt üblichen Südrand zu-
gekehrt liog'en. Genauer (g-enauer) genommen ist die Richtung also NW— SO.
Fragen wir nun nach dem Autor der Karte, so ist zwar sein Name im
Titel selbst genannt, aber übei' seine Person und seine Stellung in der Wissen-
schaft sind wir so gut wie vollständig in Unwissenheit. Jöcher kennt nur den
niederländischen Grammatiker Hermann Torrentinus von Zwoll und den be-
deutenden Gelehrten Laevinus Torrentius oder van der Becken, den späteren
Bischof von Amsterdam und Krzbischof von Mecheln, geboren 1520 zu Gent.
Auch Zedlers LIniversatlexikon nennt vvol diese beiden, nicht aber Petrus
Torrentinus, der ebenso in dem Catalogus auctorum tabularum geographieai-um
von Ortelius' Theatrum orbis terrarum 1570 und in den späteren Ausgaben fehlt.
Vergeblich sucht man ihn ferner in der Elogia illustrium Belgii scriptnrum,
Antverpiae 1002, in Fraucisci SwerLi Athenae Belgieae sive nomenclator inferioris
Germaniae scriptorum, Antw. 1628, in Valerii Apdreae Desseli bibliotheca Belgica,
Lovan. 1643, in Thomas-Pope Blount, censura celebriorum authorum, Colon.
Allobr. 1694, in David Haubers Versuch einer umständlichen Historie der Land-
Charten, Ulm 1724, in den Ausgaben von Peter Bayles historischem Wörterbuche,
in Job. Hubners Museum geographicum, bei Gottschling, Breusing, Wuttke u. a.
Nur eine kurze Notiz vermochte ich bisher zu ermitteln in Antonii Sanderi de
Gandavensibus claris libri HI, Antv. 1624; er sagt S. 108/9: »Petrus Torren-
tinus. vir eximie doctus ac poeta elegans, ut ait Harduynus, patruus Leuini
Torrentij lamigeratissimi Antuerpiensium episcopi fuit; cuius meutiouem honori-
ficam faeit Ludouicus Guicciardinus in descriptione Flandriae«. Die lateinische
Übersetzung dieses letzteren Werkes vom Jahre 1634, welche mir zu Gebote
stand, erwähnt auf S. 321 unter den Genter Gelehrten Petrum Torrentinum et
Levinum ejus nepotem, doch tritt auch hier gegen den grofsen Neffen der Oheim
gänzlich zurück. Die Worte »ut ait Harduynus« beziehen sich wahrscheinlich
auf des Genters Dionysius Harduin Schrift de praesidibus curiae proviucialis,
welche mir nicht vorgelegen hat; doch ist zu vermuten, dafs auch dort ein-
gehender der Amsterdamer Bischof Laevinus Torrentius als der minder hervor-
ragende Petrus Torrentinus besprochen sein wird. Es mag in den Neigungen
der Zeit begründet sein, dafs von unserem Autor mehr der poeta elegans, als der
Mann der Wissenschaft in Erinnerung blieb, wie ja auch die Berühmtheit des
Laevinus zu einem ansehnlichen Teile auf seinen gewandten lateinischen Dich-
tungen beruhte, mit denen er nach dem Urteil der Zeitgenossen den Horaz nahe-
zu oder völlig erreicht habe.
Dafs eine Karte, wie die Charta Flandriae so unbekannt bleiben konnte,
dafür möchte ich folgende Gründe geltend machen: Erstens ist es eine leider
nur zu häufig wiederkehrende und jedem Forscher bekannte Thatsache, dafs
ganze Auflagen von Kunstwerken, Landkarten, Büchern u. s. w. spurlos ver-
schwunden oder oft nur in einem einzigen Exemplare erhalten geblieben sind.
Das scheint auch bei dieser Karte der Fall zu sein, und das uns überkommene
Exemplar mag seine f^rhaltung dem Material (Pergament) und der auffallend
prächtigen Ausstattung verdanken, wonach es für eine hochgestellte Persönlich-
keit bestimmt gewesen sein dürfte; möglicherweise hängt es damit zusammen,
dafs in den Titellegenden so ausdrücklich auf Kaiser Karl V. Bezug genommen
— 29 —
wird, der ein grofser Verehrer von Kartenwerken und seinem Hofkartog-raphen
Gerhard Merkator freundlichst zugethan war. Sodann erschien hereits 1540, eben-
falls in vier Blättern (Kupferstiche). Merkators Karte von Flandern, welche die-
jenige des Torrentinus weit überragt und wahrscheinlich in kurzem verdrängt
haben wird; die verkleinerte Abbildung dieser bis auf ein Exemplar verschol-
lenen Merkatorkarte findet sich im Theatrum orbis des Ortelius. Endlich möge
an das habeut sua fata libelli erinnert werden: war es doch möglich, dafs selbst
Apians grofse Kartenwerke von den älteren Schriftstellern höchst selten erwähnt
werden, so dafs es unseren Tagen vorbehalten blieb, die Leistungen dieses Mannes
in das richtige Licht zu stellen i). So werden wir uns auch nicht wundern dürfen,
wenn eine wissenschaftlich bald überholte Karte, wie die des Torrentinus, rasch
der Vergessenheit anheimgefallen ist. Das Interesse, welches sie heute bean-
spruchen kann, beruht neben dem historischen Gesichtspunkte recht wesentlich
auch auf der äufseren Ausstattung.
Nürnberg. Eugen Traeger.
1) Vgl. Herrn. Wagner, die dritte Weltkai-te Peter Apians vom J. 1530, in den Nachr. v.
d. kgl. Ges. d. Wissensch. zu Götlingen, 1892. pag. 342.
GescIiTYorneiibuch der Nürnberger Barbierer und T^und^Hrzte.
^ enn Kaiser Maximilian L als der letzte Ritter bezeichnet wird, so soll
damit nicht auch gesagt sein, dafs er mit seinem Sinnen, Denken und
Trachten noch im Mittelalter wurzelte; im Gegenteile: er fühlte sich
als ein Kind der neuen Zeit und verstand es, sich die Fortschritte derselben auf
den verschi'edensten Gebieten zu Nutzen zu machen, ja, entfaltete selbst in dieser
Beziehung eine fruchtbare, fördernde Thätigkeit. Und wenn er auch den mittel-
alterlichen Ritterkünsten neues, wenn auch nicht lange andauerndes Leben einzu-
hauchen wufste, so ward doch gerade durch ihn das Kriegs- und Waffenweseu
um ein gutes Stück vorwärts gebracht, der Kunst der Renaissance aber Ge-
legenheit zur Entfaltung herrlicher Blüten gegeben.
Allerdings bediente Maximilian sich der grofsen Künstler seiner Zeit haupt-
sächlich zur Verherrlichung seines alten ruhmreichen Hauses und zur Verewi-
gung seiner eigenen Person, was er auch ganz olTen im Weilskunig ausspricht:
»Wer ime in seinem leben kain gedachtnus macht, der hat nach seinem todt
kein gedachtnus und desselben menschen wirdt mit dem glockondon vergessen;
und darunib so wirdt das gelt, so ich auf die gedechlnus ausgib. nit verloren,
aber das gelt, das erspart wirdt in meiner gedachtnus. das isl ein unlenlruckung
meiner kunlligen gedüchlnus. und was ich in meinem It^ben in meiner gedacht-
nus nit vollbring, das wirdt nai h meinem todt weder durch dich oder ander
nit erstat.« Allein wir müssen ihm hiefiir aufserordenllich dankbar sein, denn
abgesehen von den grofsartigen Kunstwerken, die ihm in .Ausführung dieser An-
schauungen und Gesinnungen ihre h^ntstehung verdanken, verbreitete er durch
seine Bestrebungen das Interesse an der (ieschichte der Vergangenheit und an
dem Leben der Vorfahren, das seit dieser Zeit rege geblieben ist und in der
Gegenwart sich wiederum ganz besonders entfallet. Hauptsächlich in Nach-
— 30 —
ahinung- seines Beispieles leg-ten sich nicht nur fürstliche und adelige Familien,
sondern auch wolhabende iiürgerlainilieu, (jeschlechterbücher und Stannntaieln
an. durch deren Anfertigung und häufig' prächtige Ausstattung den Ktinstlern
jener Zeit Gelegenheit zur Entfaltung ihrer Talente und reichem Erwerbe ge-
boten wurde. Sicher verdanken auch die Stammbücher, welche sich der Einzelne
zur Erinnerung an seine Freunde und Bekannten anlegte, ebenfalls den vom
Kaiser JMaxiinilian I. gegebenen Anregungen ihre Iilntstehung. Ganz besonders
dankbar hat ihm die (leschichtswissenschalt zu sein, da man nun auch den alten
Kamilienurkunden erhöhte Aufmerksamkeit schenkte, Nachforschungen nach ihnen
anstellte, und, wenn man auch bei der Verabfassung der Geschlechterbücher
ganz unkritisch verfuhr, man heute doch von recht vielen, die auch für die
allgemeine Geschichte von Interesse sind, keine Kenntnis mehr haben, manche
derselben nicht mehr existieren würde, wenn die von Maximilian angefachte Be-
wegung nicht vorsorgend hier eingegriffen hätte.
Der Sitte der Reichen und Vornehmen ward, wie allem, auch in dieser
Beziehung von den Minderbegüterten nachgeahmt. Stammbäume und Geschlech-
terbücher liefs sich der gewöhnliche Handwerker allerdings nicht fertigen;
dagegen legten die Angehörigen eines Handwerkes, einer Innung, die sich ja
als eine grofse Familie fühlten, besondere Bücher an, in denen sie ihre Vorgeher
und Geschwornen, die Besten und Tüchtigsten des Handwerkes zu allen Zeiten,
durch Bild und Wort verewigten, um auf diese Weise das Gedächtnis derselben
auf die Nachwelt zu bringen. Diesem Gebrauche verdankt auch das Geschwor-
nenbuch der Nürnberger Barbiere und Wundärzte seine Entstehung, das vor
einigen Monaten dem germanischen Museum von der Nürnberger Bader-, Bar-
bier-, Friseur- und Perrückenmacherinnung übergeben worden ist.
Obgleich erst 1626 angelegt, hört man doch in der Einleitung des Buches
recht deutlich die Maximi Manschen Ansichten über das Gedächtnis heraus, das
man sich und seinen Vorfahren zu stiften, die Pflicht habe. Sie lautet:
»Conrad Schurtz von Hachenburg ufm Westerwald bürtig,
burger und wundarzt in Nürraberg, wünschet dem freundlichen
leser alles guts.
Freundlicher lieber leser, es ist im Sprichwort:
Derjengen man gedenken soll.
So sich Utrecht und ghalten wol.
Welches dann nicht allein von mächtigen potenten, grosen häusern und statt-
lichen familien zuverstehen, sondern auch von allen denen personen, so nach
ihrem von Gott verliehenen pfund, in dem ampt. stand und beruf, darein sie
Gott verordnet, dem Vaterland, gemeinem nutz und ihrem nächsten mit rath und
that treueiferig beystehen, gesagt ist. Dahero dann auch nicht nur der kayser,
könig, fürsten und herrn bildnus zum gedechtnus der posteritet in gewise
bücher zu.samm zu bringen, sondern auch anderer ehrlicher leut conterfayt zu
colligirn und ufzubehalteu , fast bey allen Völkern und nationen eine langhero
observirte gewonheit ist, sintemal man sihet, das bald ganzer stammen und
geschlechten, bald aber ganzer collegien Zünften und anderer, so sich etwa in
einem ehrlichen cränzlein wol beyeinander befunden, tauf- und zunamen fleißig
notirt, ihre imagines und wappen, den namen beygefügt, und den lieben nach-
kommen, gleichsam als ein anreizung zu denjenigen tugenden, mit welchen
— 31 —
die abg-ebildete vorfahren begabt, vorg-etrag-en uud gezaigt werden. Welches
dann auch zweifelsfrey vor jarn einen aus den alhiesigen maistern der bar-
birer und wundärzt bewegt. da|5 er sowoln aus guter affection gegen den selig
verstorbenen, als auch löblicher inteotion zu den uachkomiulingen, etzliche nun-
mehr vor vielen jarn im herrn entschlafene alte maister, in ihrem habit, zu-
samm in ein buch machen lassen, auf daß derselben ehr und guter nam desto-
mehr nach irem absterben in frischem gedechtnus bleibe, die hineinkommende
aber auch nach tugent zu streben, anlas bekommen, und solcher ehi'iichen gesell-
schatt einverleibt werden mögen. Welche gutherzige mainung aber, weiln sie
ihren effect nicht erreicht, sondern das angefangene werk, gleichsam im staub
ligen blieben, jedoch nicht fein, wann dasjenige, was einmal zum gedechtnus
angefangen, von andern nicht continuirt würd, als habe ich, doch aus keinem
ehrgeiz oder hochmuth. sondern allein umb gedechtnus, wegen der alten ehr-
lichen maister und damit ihrer bey christlichen Zusammenkünften nicht so gar
vergessen werde, mir den last auferlegt, und soviel ich der alten verstorbenen
abconterfait zur band bringen können, in di[5 buch, und, welche mit C. S. be-
merkt, auf meinen aigenen kosten malen lassen, welches mich dann nicht wenig
gestanden, der mühe, arbeit und versaumbnus, so bey complirung des werks
angewendet werden müssen, zu geschweigen; wie ich dann noch tägiichs dahin
trachte, mehrer der alten, längst verstorbenen maister bildnus zu erlangen, und
auch herbeybringen zu lassen, der hoffnung, es werde solch mein wolgemeintes
werk von ehrliebenden leuten nicht allein nicht übel gedeutet, sondern vilmehr
mit dank angenommen, und der gute anfang fürters glücklich von andern con-
tinuirt werden, gestalt dann allen und jeden, so zum geschworuen wundärzt
ordenlich erkiest, zugelassen sein soll, daß er seine bildnus und wappen herein
machen lassen mög. Im fall auch der allmächtige einen maisler der barbierer,
ehedann er zu solchem ampt wegen kürze seiner lebenszeit gelanget, aus diesem
Jammerthal abfordert, welcher doch ehrlich gegen gemeiner statt und freund-
lich gegen dem löblichen handwerk, auch sonsteu sich unsträflich verhalten,
solle dessen erben und nachkommen ungewehret sein, das conterfet ebenmeßig
herein, doch uf ihren costen malen zu lassen. Und tlamit ein ganz ehrlöblich
handwerk meine gute Intention und wolmainung gegen demselben destomehr
für und für zu verspüren, alß begehre ich auch, daß nach meinem todt solch
buch dem barbiererhandwerk in ihre laden überantwortet werde, und da ent-
weder einer sein conterfet hinein will malen lassen, oder da die geschwornen,
oder aber sonsten ehrliche maister beysammen, welche diese gedechtnus und der
selig verstorbenen bildnus sehen wollen, so will ich denjenigen geschwornen,
welche je zu zelten die laden und das buch in Verwahrung haben würde, hie-
mit freundlich ersucht haben, dasselbe sauber zu halten, darmit es nicht von
denjenigen, denen man es bey ehrlichen zusammeidcünflen vorzaigt. maculirt
werde, wie dann auch kein geschworner ohne die andei ii oder dicven das hudi
aus der laden lluiii. iiiid wie obgedacht vcrlcyluMi soll, sdudcni sidh'u allmvcgen
die geschwornen beysaniinen sein. I>t>s(*lilit'(5(' demnach diese meine einlallige
vorred, aus welcher alle treue herzen. : dann nach den bösen und lalschen
gemütern, wie auch nach ihrer oiunion, es gefall oder mißlall ihnen das werk,
ich so wenig, als nach dem hundshellen frage: , mein gemülsmainung leicht ab-
nehmen können, mit dem wünsch, daß der allerhöchste (liejenigen, so unter den
— 32 —
abg-ebil tiefen noch uf dieser weit wandlen, noch leng-er frisch und gesund er-
halten und den nachkommenden auch seine gaben reichlich mitteilen wolle,
damit die löbliche wundarzney in dieser statt bey ihrem guten namen und lob
erhalten, dem nechsten aber dardurch ersprießlich geholfen werden möge.
Das verleyh in seim höchsten thron
Der ewig vater durch sein söhn,
Unserm herren Jesum Christ,
Der unser rechter wundarzt ist.
Welcher herrscht mit dem heyligen geist,
Der ein nothelf und tröster heist.
Von anfang bis in ewige zeit,
Gelobt sey dheylig trifaltigkeit.
Geschehen in des heyligen reichs statt Nürnberg, donnerstags nach Mi-
sericordias Domini, an welchem man altem löblichen gebrauch nach daselbst die
geschwornen dieser kiinst der wundarzney erwehlt, und mit pflichten von Ob-
rigkeit wegen fertigen thuL, im jähr unsers erlösers sechzehenhundert sechs
und zwainzig.«
Dieser ausführlichen Erklärung über die Anlage des Buches folgen dann
in langer Reihe die Herren Geschwornen in ihrer Sonntagstracht immer in ganzer
Figur dargestellt, soweit sie in Wassermalerei ausgeführt sind: nur die wenigen
Kupferstiche, die in das Buch eingeklebt sind, geben die Betreffenden lediglich
in Brustbild wieder. Wir lassen eine kurze Beschreibung desselben folgen, da
es durch die Darstellung der Geschwornen in der Tracht ihrer Zeit für die
Kulturgeschichte, namentlich die Geschichte des Kostüms, um so mehr von In-
teresse ist, als die einzelnen Bilder meist sehr sorgfältig ausgeführt sind. Herr
Schurtz hat es sich in der That ein hübsches Stück Geld kosten lassen, um dem
Handwerke ein wertvolles Buch hinterlassen zu können. In dem stattlichen
Folianten, dessen einzelne Blätter eine Höhe von 32 und eine Breite von 22,5 cm.
haben, wechseln solche von Pergament mit solchen von Papier ab; vor jeder
Abbildung ist zum Schutze derselben noch ein dünnes, rötlichgraues, glattes
Blatt Papier eingebunden. Aufser der bereits mitgeteilten, kalligraphisch aus-
geführten Einleitung enthält das Buch keinerlei weiteren Text als die gereimten
Inschriften, die sich bei den einzelnen Figuren befinden und über deren Namen,
und was sonst noch Wichtiges von ihnen zu melden, Aufschlufs geben. Dem
Porträt ist gewöhnlich noch das Wappen des Dargestellten beigegeben; letztere
halten meist eine Pflanze, ein chirurgisches Besteck oder Instrument in der
Hand, auch auf dem oft danebenstehenden Tische liegen solche. Einzelne Blätter
dazwischen sind leer gelassen, um eventuell später noch Nachträge einschalten
zu können; es sind dies die in der nachfolgenden Aufzählung fehlenden.
Auf Blatt l ist der Stifter dieses Buches, Conrad Schurtz, hier aber, und
auch weiter hinten, Schortz genannt, in ganzer Figur dargestellt neben einem
Tische mit einem entzweigesägten Schädel und entsprechenden Instrumenten.
Daneben stehen die Verse: »162(3. Da ich Conrad Schortz hat die gstalt, im
obstehendem jar abgemalt, war ich einundfünfzig jar alt. Gott so längs ihm
gfelt mich erhalt, hab zweymal das gschwornampt verwalt.« Auf Bl. 2 und
3 folgt sodann die oben gegebene Einleitung, auf Bl. 4'' in einem Schwarz-
kunstblatte vom Georg Fönitzer das Bildnis des Melchior Meschker, »der Stadt
— 33 —
Nürnberg- wohlverdienter Sljähriger Ambtman in der Schau,« dessen Vorkommen
in diesem Buche durch die Inschrift auf Bl. 5a erklärt wird: »Dem erbaru und
kunstreichen herrn Conrad Schurtz, Stiftern dieses buchs, barbirer und wunil-
arzt, meinem lieben seh wager zu ehrn, vererbt dieses hienebenstehenden geist-
lichen arzts fig:ur Melchior Meschker, derzeit eines edlen und hochweisen raths
amptman in der schau zu Nürmberg, geschehen den 9: octobris anno 1626.«
Auf der Rückseite von Bl. 5 nun und Bl. 6*^ findet sich, über diese zwei
Blätter gehend und dieselben vollständig ausfüllend, in Wassermalerei Christus
als Apotheker mit der Wage in der Hand dargestellt, zu dem die Krauken,
Mühseligen und Beladenen kommen. Über ihm schweben Engel mit der Kreuzes-
fahne, auf welcher, und auch an anderen Orten auf die Darstellung bezügliche
Sprüche, wie: »Ich bin der herr dein arzt, dein heyland und ein meister zu
helfen, der all dein gebrechen heilet« u.a. eingeschrieben sind. Sodann folgen
die Bildnisse verschiedener Barbiere und Wundärzte in ununterbrochener Reihen-
folge, von denen wir nachstehend nur die Namen und Beischriften nennen, falls
nicht noch etwas Besonderes zu erwähnen ist.
Bl. 7^: »Herr Magnus Stimpfel hat dem höchsten haubt und führer, | dem
andern Ferdinand, gedient als leibbarbierer | vier und auch zwanzig jähr: für
seiner tugend lohn | und kunst gebracht mit rühm den edlen stand davon |
a: 1630.« Bl. 8^: «Melchior Welandus churfürstl: durchleucht zu Colin leib-
chirurgus ao. Chri. 1630 aetat: 68.« Bl. 9^ ein Mann im Kostüm von etwa 1500
mit der Beischrift: »Deß namen, welcher so bekleidt, ist unbewust wegn leng
der zeit, doch find man so sein conterfait.« C. S. ^) Bl. 9*^: »Dieser Matthias
Grabuer gnent, so zum curirn ein heilsam hend, vor viel jarn sein lehn geendt.
Ao. 1550.« C. S. Bl. 10^: »Abr wegen viel verflossenen jarn, kundt man des
nani auch nit erfarn, ob man schon keinen vleis thet sparn.« C. S.
Auf Blatt 10^ ist ein junger, reichgeputzter Badergeselle aus der Mitte
des 16. Jahrhunderts dargestellt, wie er zu einem vornehmen Bräutigam geht,
um ihm bei der Toilette behilflich zu sein. In Figur 2 ist derselbe nach einer
Nachzeichnung in halber Grölse des Originals wiedergegeben; durch den Mangel
an Farben hat die Darstellung jedoch viel von ihrem Reize verloren. Das ünter-
gewand ist weiCs mit karmoisinrotem Ausputz, die Binden au den Knieen grün,
der Rock hochrot mit grünem Besatz. Die beigesetzten Verse lauten: »Wann
hochzeit hetten vornem leut, kam der barbierersgsell so kleidt, zum breutigam
und butzet ihn, mit blosen armen trug mit hin, sein beck und kandel beede
glentz. Die braut verehret ihm ein kränz, welchn er auf blosem haupt hat,
wie er dann hier abgnuilet stet.« C. S.
Bl. 11 a; »Peter von Hausn ward dieser genannt, zbarhirn gieng aus in
solchem gwant, zierte damit damals sein stand.« C. S. Auch dieser ist nach
einer Umzeichnung in Figur 1 hier wiedergegeben. Kr hat ein schwarzes,
ärmelloses Ubergewand mit viereckigem Ausschnitt, iler das reichgefältelte Henul
sehen läfst. Das Untergewand ist braun, wie aus den aufgestülpten Ärmeln er-
sichtlich ist. Unter dem linken Arme trägt er zusammengelegte weifse Tücher,
in der Rechten eine Kanne, in der Linken Kanne, Becken und ilas Futteral mit
dem Bestecke. Er gehört noch in die erste Hälfte des 16. .lahrhuiulerts.
1) Die Buctislalicn C. S. l)odcuteii, wi<' in der Rinleitiiiit,^ tcesatcl ist, dafs (Conrad
Schurtz die damit bezeidinoten Bildnis.se auf seine eigenen Kosten hat anfertigen lassen.
Mitteiluugeu aus dem gerinuu. Natiuuulmuseuiii. 181)!). V.
— 34 -
Bl. [Q^: »Anthoni Meiisg-on war sein nam, das gschwornampt einmal an
ihn kam, ward fridfertig, keim menschen gram.« Ao. 1584. G. S. Bl. iQ^>: »Der
ward g-nannt Michel Egerer zum (hiln mal war er gschworner, Melcher Bayr ihn
ließ malen her, ihm zur gdechtnu(5. dem buch zu ehr.« Ao, 1567. Bl. 17*:
»Damit dieses buch wird vermehrt, hat drein herr rathschreiber Schwartz ver-
ehrt, Peter Morgenwecks bild, so sich wol gnehrt.« Ao. 1545. Auf Blatt 17''
Fig. 1.
und 18=i sind wiederum die Bildnisse zweier Ungenannten, von denen der erstere,
nach der Tracht noch in das 15. Jahrhundert gehört. Bl. 18^: »Wilhelm Huber
der wundarzney, in allen stücken erfahru frey, gab ein guten waidman darbey.
Ward zweymal gschworner, hielt sich treu.« C. S. 1547. Bl. 19 ^i »Dieser vor
Jaren wol bekant, der war Hanß Beutelrock genant, hett zum haiin ein glück-
selge Hand, war zweymal in dem gschwornen stand.« CS. Ao. 1546. Bl. 19^:
— 35 —
aJan Ritter, welcher hie g-emalt. leibhaft am hart uud aller g-.stalt, hat das
gschwornaiupt viermal verwalt.« C. S. Ao. 1563.
Ähnlich lauten die Verse der übrigen Bilder, von denen wir, um nicht zu
ermüden, neben dem Namen in der Folg-e nur Das briug-en werden, was beson-
ders erwähnenswert ist.
Bl. 20'^: Hans Holder... »mit wundarzney umb g-meine statt, sich zur
Fig. 2.
pestzeit wol verdient hal.« C. S. 1548. Ward zweimal Geschworner. Aus seiner
offenen Gürleltasche häng-t der Zijtlel eines weifsen Taschenluches, eines damals
noch nicht sehr häulig-en ToiletLeng:ogenstandes. Bl. 20'': Peter von llaujJtMi...
»mit distilirn g-habt g-rofi mühe, ^velches doch ihn g-ereuet nie.« Dreimal Ge-
schworner. lo(31. Bl. 21'': Jacob Bauman. C. S. 1556. Bl. 21 »J; Niclaus Tratz.
Zweimal Geschworner. 1573. Bl. 22 "i; «Aber seim söhn Georg- Tratz glils hol-
6*
— 36 —
lehn I baß. dann der zwag-stuhl, darumb ebn | begab er sich zur reuterey 1 hielt
sich allzeit dapfer darbey, | mit l'ürsten und herrn ist er bekand 1 angenehm
bey hoch und niderm stand | und Brandenburgischer glaitsman | noch uf die
stund hat oft gricht an | guter ehrlicher kurzweil viel | Gott leugre ihm sein
lebensziel«. Georg Tratz war eine sehr stattliche {Erscheinung; er ist in dunklem
Galugewand mit roten Zwickeln, prächtigem Spitzenkragen, reich geschmücktem
Hule, in der Rechten ein Venetianer Glas mit goldenem Weine, in der Linken
ein mächtiges Schwert mit reichem Griffe haltend, dargestellt. Sein trelTiich
ausgeführtes Bild mit charakteristischem Kopfe ist wol das beste des ganzen
Buches.
Dieser Georg Tratz, der die Baderei an den Nagel gehängt hatte, war eine
der volkstümlichsten Nürnberger Persönlichkeiten seiner Zeit. Als branden-
burgischer Geleitsmann wohnte er im Heilsbronner Hofe, wo die Fechtschulen
und anderen öffentlichen Lustbarkeiten abgehalten wurden. Und dabei mag unser
Georg, wie schon die Verse andeuten, eine wichtige Rolle gespielt haben: sein
mächtiges Schwert verrät, dafs er ein eifriger Teilnehmer an den Fechtschulen
der Marxbrüder und Federfechter war, der Ring im rechten Ohr, dafs er auch
Schauspieler gewesen, dafs er Komödie gespielt. In der kostbaren Glasgemälde-
sammlung des Museums sind nicht weniger als sechs Scheiben, welche Tratz
verewigen. Zwei Mal ist er auf denselben allein, zwei Mal mit vier Söhnen,
einmal gar mit sechs Söhnen, immer hoch zu Rofs dargestellt. Mit vier Söhnen
ritt er am 2. Juli 1612 dem Kaiser Mathias entgegen. Welch wichtige Person
unser Georg Tratz gewesen, bekundet die dritte Scheibe, auf welcher er mit vier
Söhnen dargestellt ist; sie liefs der Wirt »zur goldnen Gans« machen , um
das Gedächtnis an einen Besuch seines Hauses durch Tratz festzuhalten. Die
Umschrift desselben lautet: »Anno Domini 1612 den 29 Junij ist Georg Tratz,
fl. B. gleidtsman in Halsbrunner hoff mit sampt 4 söhnen zu mir Hanns Liener
gastgeb zur gülden ganfs eingeritten und allhierinen malzeit gehalten und einem
guten nachtdrunk.« Offenbar war unser Tratz auch ein fröhlicher Zecher, wie
ihn sich die Wirte wünschen.
Bl. 22 b: Herwart Tratz. 1587. Bl. 23 a : Hannfs Netzer. Zweimal Geschwor-
ner. 1591. C. S. Bl. 23 b; Sebastian Herman, 1626 76 Jahre alt, der älteste des
Barbiererhand Werks, ward zweimal Geschworner. Bl. 24 *: Thomas Kiechel, »das
treponirn in dieser statt hie thet einführn.« 1588. Ward zweimal Geschworner.
G. S. Bl. 24 b; Haus Werherr, Stadt- und Franzosenarzt, ward einmal Geschwor-
ner. 1599. G. S. Bl. 25«: Wolfgang Wolff, ward viermal Geschworner. 1595.
Bl. 25^: Han(5 Kerschnesser. Einmal Geschworener. 1597. Bl. 26^: Christoph Eise-
lein. Zweimal Geschworner. 1576. C. S. Bl. 27 b; Hieronymus Böhner, im Alter
von 84 Jahren dargestellt. 1570. G. S. Bl. 28»: Endrefs Kirchberger. Zweimal
Geschworner. 1558. C. S. Bl. 28^: Martin Früe. Dreimal Geschworner. 1586. C. S.
Bl. 29*: Thomas Schatz. Einmal Geschworner. 1574. C. S. Bl. 29^: Endrefs Schwe-
der. Einmal Geschworner. 1594. C. S. Bl. 30«: Hanfs Feiner. Dreimal Geschwor-
ner, aetatis s. 74: 1615. Bl.äO^: Noe Liechtenberger, »war ein guter Theophrasist. c
1562. Bl. 31»: Liechtenbergers (geb. 1527, f 1607) Bildnis, gestochen von I. F.
Leonart. Bl. 32«: Vincenz Liechtenberger. Einmal Geschworner. 1621. Bl. 32^:
Johann Teubelius. Einmal Geschworner. 1617. Bl. 33«: Joseph Schnabel, gestochen
von L F. Leonart. Zweimal Geschworner. 1585. Bl. 34«: Johann Rehe (1563 bis
— 37 —
1616), g-estochen von I. F. Leonart. Dreimal Geschworner. 1601. Bl. 35»: Jacob
Baumann, seines Alters im 35. Jahre. 1556. Radierung- von Virg;il Solis (?).
Interessant sind die darunter stehenden Verse:
»Der Artzt dem Krancken geordnet ist.
Der darff keins artzt dem nichts g-ebrist.
Ein artzt aber drey ang;esicht hat,
Eng-elisch: so er den krancken rhat.
So sich bessert des krancken noht,
So sieht der artzt gleich wie ein Gott,
Wan nun der artzt um lohn anspricht,
Hat ein Teufflisch ang-esicht.«
Bl. 36»: Andreas Seh weder der Jüng-er . . . »gab ein gutn Musicanten«. Ein-
mal Geschworner. 1598. G. S. Bl. 36^: Martin Seippel. Zweimal Geschworner.
1606. Bl. 37»: Georg Gellmann (1603—1672). Radierung von I. F. Leonart.
Bl. 38»: Lienhard Herman. Einmal Geschworener. 1610. Bl. 38^: üieterich
Sailer. Geschworner. 1612. Bl. 39»: Hannß Melchior Haug. Zweimal Ge-
schworner. 1622. Bl. 39'^: Thomas Küchel der Jünger ... »in Frauckreich,
Teutsche und Welschen Laudt, ward wert gehalten und wol bekant.« Dreimal
Geschworner. 1588. G. S.
Auf Bl. 40^ findet sich in kalligraphischer Schrift ein Gedicht über das
Ableben des in jungen Jahren verstorbenen Thoma Schweder, den Conrad Schortz,
der Stifter des Buches, dessen Namen unter dem Gedichte steht, als seinen lieben
Sohn bezeichnet; vielleicht war es sein Stiefsohn. Der Name des Conrad Schortz
ist mit Schreiberzügen in Gold umrahmt, an welchen ein Täfelchen mit S. G.
hängt, darüber 1626. Hinter diesen Buchstaben dürfte der Modist Sebastian
Kurtz (1576—1659) versteckt sein.
Bl. 41»: Daniel Schweder. Einmal Geschworner. 1600. Bl. 41^': Conrad
Schortz der Jünger im Alter von 26 Jahren. Hatte Deutschland und Niederland
bereist. Meister: 9. Oktober 1626; verheirathet: 25. Februar 16i9. Zweimal
Geschworner. Bl. 42»: Stephan Flock, Stadtarzt. Zweimal Geschwoiner. 1626.
Bl. 42h: Hanß Walter. Zweimal Geschworner. 1624. Bl. 43»: Tobias Keller.
Einmal Geschworner. 1625, aetatis 66. Bl. 43'': Johann Ernst Zatzer, Rathsbar-
bierer zu Regensburg, geboren zu Nürnberg. 1628. Ein loses Blatt dürfte dem
Kostüm des Dargestellten nach wol hier einzuschalten sein. Nur der Vorname :
Hieronymus, findet sich, der Familienname ist weggerissen; er mulste sich auf
»abgebildt« reimen, hiefs also vielleicht »Wild«. Er war kein Nürnberger: »von
Augspurg hurtig zwar, doch übt er seine kunst, daß er zu Neuburg ihm ver-
dient des fürsten gunst. Bl. 44»: Paul, Lienhard Hermans Sohn, ein Sohnes
Sohn des alten Sebastians. 1629, aetatis suae XXXll. Bl. 44'': Elias Höliner.
1629 Geschworner, aetatis suae 58. Bl. 45»: Hannß Daunekerch. Viermal Ge-
schworner. 1632. Bl. 46 'M Friedrich Kühne, Stadtarzt. Dreimal Geschworner.
1635. 1636, aetatis suae 36. Bl. 47": Johann Heinrich Juncker, der älteste
Meister 1643, 55 Jahre alt. Zweimal Geschworner. Bl. 48": Joachim Keinecke.
Viermal Geschworner. 1641, aetatis suae 47. Bl. 49«: Hanß Rüthel. 1642, aetatis
suae 34. Zweimal Geschworner. Bl. 51»: Paulus Schüll. 1671, aetatis suae 59.
Zweimal Geschworner. Bl. 53»: Andreas Harplf, Stadt^ und Spitalar/t. gel». 16.
Dezbr. 1613, \ 29. Dezbr. 1677. Viermal Geschworner. Bl. 54'': Christoph
— 38 —
Schuch. 1665. Einmal Geschworner. 1667, aetatis suae 63. Bl. 35^: Georg Rö-
bölt 1637. Stadtarzi und zweimal Geschworner. Bl. 37a-. Justus Frühen. Kupfer-
stich von J. Franck. Bl. 38«: Derselbe in Wassermalerei. Dreimal Geschwo-
rener. 1639. Bl. 39»: Wolfg-ang Karus. Zweimal Geschworner. Aetatis suae 23.
1655. Kupferstich. Bl. 61''»: Johann Schel, Chirurgus im Spital und dreimal Ge-
schworner. 1677. Bl. 62 ^': Johann Hartman, gen. Faber. Einmal Geschworner.
1661. 1662 50 Jahre alt. Bl. 63": Daniel Schortz. Einmal Geschworner.
Auf Bl. 66» kommt zum erstenmal ein in Öl gemaltes Bildnis. Der Name des
Dargestellten ist aber nicht angegeben. Ebenso fehlt auch der Name des Künstlers,
der das Bild ausgeführt, und ist somit, wie von den vorhergehenden Blättern, der
Urheber unbekannt. Bl. 67» : Johann Georg Freund, geb. 23. Febr. 1628, ward Stadt-
arzt und den 15. Juni 1689 zum drittenmal Geschworner. Er wird auch als ein
«sonderbarer Kunst-Schreiber in Stahl und Marmol« bezeichnet. Bl. 70»: Johann
Albrecht Mey, geb. 1633, i 5. Mai 1688. Zweimal Geschworner. Bl. 71^: Georg
Prolmann, Stein- und Bruchschneider, Stadt- und Landarzt, sowie fürstl. bay-
reuthischer Leibchirurg (1630—1710), ward dreimal Geschworner. Bl. 72»: Pau-
lus Salpeter. Einmal Geschworner. 1684, aetatis 61. Bl. 73 1': Bildnis in Öl, ohne
Beischrift. Bl. 73 1^: Johann Franck (1642—1713). Auf der folgenden Seite steht
ein langes kalligraphirtes Lobgedicht auf diesen Herrn, aus dem wir nur hervor-
heben, dafs er dreimal Geschworner war. Bl. 78»: N. N. Bund. Dreimal Ge-
schworner. 1683. Bl. 80»: Wilhelm Reinecke, geb. 14. Aug. 1631, i 29. Sept.
1693, ward zweimal Geschworner. Bl. 83»: Nicolaus Bockelmann, geb. 3. Nov.
1630, f 27. Mai 1714.
Bl. 86»: Nicolaus Grott, geb. 21. Sept. 1630, i 10. Juni 1716, ward Ge-
schworner 1691. Bl. 88»: David Gottlieb Reyher, Ihrer Kaiserlichen Majestät
Leib- und Hofchirurgus, seines Alters 30 Jahr, 1707. Anonymes Schwarzkunst-
blatt. Bl. 90»: Bildnis in Öl, ohne Bezeichnung, auf dessen Rückseite sich die
Inschrift «Job: Justin Preisler pinx : aetat: 17« befindet und das durch die Verse
auf B1.91» als das des Herrn Igel erklärt wird, der viermal Geschworner war.
Zum erstenmale findet sich also hier in dem Buche der Verfertiger eines der Bilder
genannt. Bl. 97»: Matthaeus Günther, geb. 30. Sept. 1668, i 14. Mai 1716, ward
einmal Geschworner 1703. Bl. 99»: Christian Friedrich Bück, »hochfürstl. Bam-
bergischer, wie auch hiesiger Stadt und Land Bruch- und Wundarzt«, und drei-
mal Geschworner (1663—1737). Bl. 101»: Bildnis ohne Bezeichnung, das nach
den Versen auf Bl. 102» das des Balthasar Helmstreit ist, der von seinem
ehemaligen Lehrling besungen wird und viermal Geschworner war.
Bl. 103»: Erhardt Höroldt, zweimal Geschworner. 1716. Bl. 106»: Johann
Albrecht Mayer, geb. 26. Juni 1682, i 3. Juni 1727. Bl. 107»: Michael Betram
Rosa, geb. 13. März 1688, gemalt von Augustus Johannes Rösel 1731. Bl. 108»:
Joh. Friedr. Hermann Zink, geb. 14. Okt. 1684, in Öl gemalt. Bl. 109»: Esaias
Gottlob Jahn, geb. 1691, in Ol gemalt 1736 von Nicol. Friedr. Eisenberger.
Bl. 110^: Theodorus Alberti, geb. 19. April 1688, i 17. Septbr. 1733, in Öl gemalt.
Bl. 112»: Leonhard Abraham Jäger (1710—1776), dreimal Geschworner, dessen
Bildnis erst im Jahre 1833 von dem bekannten Kupferstecher C. Wilh. Bock
ausgeführt wurde, der sich den ältesten Künstler in Nürnberg nennt. Bl. 114»:
Johann Jakob Hübner, geb. 24. Mai 1740, Geschworner 1773. Im Öl gemalt von
- 39 —
J. E. Jhle. Bl. lloa; Jakob Friedrich Krayl, Eskadrons-Chirurgus und Accoucheur,
geh. den 10. April 17ö2. Kupferst. v. G. W. Bock ISOO.
Mit diesem Stiche kommen wir in das 19. Jahrhundert, nachdem bei den
Nürnberg-ern Barbierern und Wundärzten das Interesse für dieses Buch im Laufe
des 18. Jahrhunderts g-anz merklich abgenommen, wie die verhältnismäfsig sehr
g-ering-e Zahl der Bildnisse dieses Jahrhunderts gegen das vorhergehende be-
kundet. Nun kommt nach einer langen Pause nur noch ein einziges, das letzte
Bildnis, das in sehr bedeutsamer Weise den Wechsel der Zeiten verkündet; es ist
nämlich eine — Photographie des Job. Matth. Dünkelmayer, der von 1832—1860
Vorgeher der Barbiere war. Etwa 100 Blätter, die noch folgen, sind leer ge-
blieben und werden leer bleiben. Nicht lange dauerte es, so wurde in Bayern
die Gewerbefreiheit eingeführt, das Handwerk aufgelöst und damit das Eigentum
desselben zum Privateigentum der damaligen Mitglieder des Gewerbes. Es ist
erfreulich, dafs der Verein, den dieselben sodann bildeten, die Archivalien des
ehemaligen Handwerks sorglaltigst aufbewahrt und das Buch nun eine sichere
Stätte gefunden hat.
Zu dem Buche haben wir noch zu bemerken, dafs Conrad Schurtz oder
Schortz, wie er später meist genannt ist, der Stifter desselben, es sich viele
Mühe und auch Geld kosten liefs, auch noch die Bildnisse der älteren Ge-
schworenen des Handwerks aufzutreiben und sie dem Buche einzuverleiben.
Der Künstler, der einen Teil derselben gefertigt, hatte die Eigentümlichkeit, die
Köpfe, obgleich sie ganz gut sind, im Verhältnisse zum Körper viel zu grofs zu
machen, so dafs die Figuren manchmal an die Darstellungen der modernen
Witzblätter erinnern, bei welchen grol'se Porträtköpfe von kleinen Körperu ge-
tragen werden. Im Grofsen und Ganzen aber sind die Bilder ganz respektable
Leistungen der Nürnberger Porträtmalerei, und es ist deshalb um so lebhafter
zu bedauern , dafs bis auf die Maler einiger der letzten Bildnisse kein einziger
der Künstler, die Beiträge zu diesem Buche geliefert, sich als Verfertiger ge-
nannt hat. Im Interesse der Nürnberger Kunstgeschichte des 17. Jahrhunderts
wäre es gelegen, die Verfertiger der Bilder zu kennen. Dem inneren Werte des
Buches entspricht auch die Ausstattung des Einbandes; die Goldpressung des
Leders hat sich zwar abgeblättert, dagegen zeigen die gebuckelten, durch-
brochenen, rot unterlegten und gravierten Eckbeschläge und zierlichen Schliefseu,
die von Messing und vergoldet sind, noch den schönsten Glanz. Der Goldschnitt
ist durch eingeschnittene Ornamente geschmückt, so dafs der Einband auch ein
hübsches charakteristisches Denkmal der Buchbinderkunst jener Zeit bildet.
Nürnberg. HausBösch.
Der Todestag des Malers Georg Penz.
ufS. 71 von Band II dieser Mitteilungen haben wir nai-li diMn Totengeläut-
buche von Sl. Srhald in der Bibliothek des germanischen Museums das
Todesjahr des Georg Penz verölfentlicht, welches die Nachricht I)o|»pt>l-
mayrs^), dafs Penz l.ööO zu Breslau verstorben sei, bestätigte, und die An-
nahme, sein Tod sei anderwärts erfolgt, widerlegte. Der betreuende Eintrag
lautet »Jörg Penntz moler zu Pressla verschieden.«
1) Hislor. Nachridil Von d. Nürnl)crg. MalluMiiaticis u. Kütistlcni (NünilKTg IT^JUi S. 197.
— 40 —
Infolge eines Ansuchens, vvonirig-lich auch den Todestag des tüchtigen
Künstlers festzustellen, haben wir die Frage einer genauen Untersuchung unter-
zogen, ohne aber zu einem vollständig genügenden Resultate zu kommen. Neu-
dorfer in seinen Nachrichten und Sandrart in seiner »Teutschen Akademie« er-
wähnen Jahr, Tag und Ort des Todes gar nicht; auf Bildnissen des Künstlers,
die allerdings erst im 17. Jahrhunderte gestochen wurden, ist seinem Namen
in der Unterschrift die Jahreszahl 1J)74 beigesetzt, ohne dafs angegeben wäre,
was diese zu bedeuten hätte. Nur Doppelniayr gibt, wie schon bemerkt, das
Jahr und den Ort richtig an. Das erwähnte Totengeläutbuch enthält den Tag
oder das Monat des Ablebens der aufgeführten Personen ebenfalls nicht, son-
dern bringt die Verstorbenen eines und desselben Jahres nur immer in vier
Quartale: »von Lucie bis Reminiscere«, »von Reminiscere bis Pfingsten« (Trini-
tatis), »von Pfingsten bis Grucis,« und »von Grucis bis Lucie.« abgeteilt. Georg
Penz ist nun im Quartale »von Grucis bis Lucie« des Jahres 15S0 verzeichnet,
also in der Zeit von Kreuzes Erhöhung, d. i. 15. September, bis 13. Dezember,
und wird als der sechzehnte der in diesem Quartale Verstorbenen genannt.
Von den fünfzehn vor ihm als verstorben Angeführten — darunter als fünfter
Hans Vischer, der also in der zweiten Hälfte des September des Jahres 1550
das Zeitliche gesegnet haben dürfte — konnten wir von keinem den Todes-
tag feststellen; von den nach Penz angeführten liefs sich erst bei dem fünfund-
dreifsigsten »Linhardt Drechsel Grofskopf Schneider bei der parfuserprucken«
der Todestag — 6. Dezember — nach TrechseP) ermitteln. Als zweiund-
vierzigste wird Katharina, des Lienhard Tucher zweite Gemahlin, eine ge-
borne Nützet, angeführt, die am 13. Dezbr. 1550 verstorben ist. Zwischen dem
15. Septbr. und 6. Dezbr. mufs also der Todestag des Penz liegen und zwar in
der ersten Hälfte dieses Zeitraumes. Letzterer umfafst 82 Tage, auf welche 35
Verstorbene kommen, demgemäfs durchschnittlich ein Verstorbener auf nicht
ganz 2V2 Tage. Nun ist Penz der sechzehnte in der Reihe, was mit 2V2 multi-
pliziert 40 Tage gibt, wovon wol noch 2 Tage abgerechnet werden dürfen, da
eben nicht ganz 2V2 Tage auf einen Toten treffen. Rechnet man diese 38 Tage
zum 15. September hinzu, so erhält man als ungefähren Tag des Eintrages den
23. Oktober. Nun ist aber Penz »zu Pressla verschieden«; er mufs also schon
vor dem 23. verstorben sein. Bei dem lebhaften Verkehre zwischen Breslau
und Nürnberg hat die Todesnachricht sicher nicht länger wie zehn Tage ge-
braucht, um nach letzterer Stadt zu gelangen; wir werden also kaum weit fehl
gehen, wenn wir den Todestag Penz's in die erste Hälfte des Oktobers, speziell
in die Tage vom 10. bis lo. Oktober des Jahres 1550 verlegen.
Sicher hat sich die Wittwe des Penz nach Empfang der Nachricht des
Ablebens ihres Gatten beeilt, ihm die letzte Ehre, die ihm zu Nürnberg erzeigt
werden konnte, durch das grofse Totengeläute zu St. Sebald zu Teil werden zu
lassen. Und dafs sie trotz der Dürftigkeit, in welcher sie ihr Mann zurückge-
lassen hatte, auch die Kosten des Geläutes bezahlt hat, ist der Schlufsbemerkung
des Quartals »von Grucis bis Lucie« zu entnehmen, dafs von sämtlichen ange-
führten Personen nur Magdalena Pfostin »nichts geben« hat.
Nürnberg. Hans Bosch.
i) Verneuertes Gedächtnis des Nürnbergischen Johannis-Kirch-Hofs S. 370.
— 41 —
Verlobuug und Verehclichung iu Mruberg im 16. Jalirhiiudcrt.
it der Aufsefs'scheu ßiblioLhek ist auch das Tag-ebuch des Haus Ölhafen
zu Nürnberg in das g-ermauische Museum gekommen, der nach Bieder-
manns Nürnbergischem Patriziat als ein Sohn des Sixt Ölhafen den
16. März 1320 geboren wurde, 1534 die Universität Wittenberg bezog und bei
Dr. Martin Luther daselbst wohnte, dann von 1346 an in den Diensten der Stadt
Nürnberg stand und am 14. April 1S8Ü gestorben ist. Die Handschrift besteht
aus einer Reihe von ungebundenen Papierlagen in Folio, die einstmals geheftet
waren, und ist deutlich und sauber geschrieben. Leider fehlt ihr der Anfang*;
das erste Blatt trägt die alte Bezeichnung 11. Die alte Pagiuierung ist aber
nur bis 30 geführt, während die ganze Handschrift heute 133 Blätter, darunter
aber manche leere und viele nur teilweise beschriebene, enthält. Hans Ölhafen
hat namentlich getreulich über die seine Familie und ihn betreffenden Ereignisse
berichtet; besonders ausführlich schildert er — er war zweimal verheiratet — seine
Verlobungen und Hochzeiten.
Als ein Beispiel, wie Verlobungen und Verehelichungen bei den Nürnberger
Geschlechtern im 16. Jahrhundert vor sich gingen, geben wir die Aufzeichnungen
Ölhafens über seine erste Verheiratung nachstehend getreu wieder; iiur die Liste
der Namen der Gäste, welche zu den verschiedenen Festlichkeiten geladen wur-
den, lassen wir \YQg und begnügen uns mit der Angabe der Zahl derselben.
Wie aus den nachfolgenden Mitteilungen zu ersehen ist, wickelte sich die
Geschichte sehr schnell ab.
Am 21. Januar hat Haus Ölhafen seinen Geschwistern und Verwandten zu
erkennen gegeben, dafs und wen er heiraten wolle; am Tage darauf spricht sein
Vetter mit dem Vater der Auserwählten; wiederum am nächsten Tage erklärt
er sich der Jungfrau und ihrem Vater und bringt am 27. seine offizielle Wer-
bung durch seine Vettern vor. Am 31. Januar fand auf dem Rathause die Ver-
abfassung des Heiratskontraktes, der Handschlag oder die Lautmärung statt,
denen am anderen Tag ein Nachtmahl mit Tanz folgte. Am 6. und 13. Februar
erfolgte die kirchliche Verkündigung des verlobten Paares, der am 18. die
Heimladung, ein Nachtmahl mit Tanz folgte, wol in Erwiderung des von dem
künftigen Schwiegervater gegebenen Nachtmals am Tage nach dem Handschlage.
Und am 1. März wunle das Paar Mann und Frau, nachdem von der Verlobung
bis zur Hochzeit nur ein paar Tage über fünf Wochen verflossen waren. Nur
durch den Nürnberger Brauch, dafs neuvermählte Paare das erste Jahr ihrer
Ehe im Hause der Eltern der jungen Frau verlebten, dieses sich um die Einrich-
tung eines Haushalts also nicht zu kümmern brauchte, war es möglich, dafs
ein so kurzes Verfahren eingehalten werden konnte.
Hören wir nun, was Hans Ölhafen geschrieben.
»Anno 1347. Nachdem ich allerley rays in FrannckriMch, llaliu, Niderlanndt
und Deudtschlanndt sludirns und land untl leut seheus halben etc. verbracht het,
und nach demselben adi^)21 januarii ein jar zu Nuremberg verharrt hefte, bab
ich adi ditto nach allerley vorgethaner handlung zwischen meinem vettern
Hannsen Rieter 2), brüdern, swestern und andern guten freunden 3), in dem namen
1) d. h. an dciiisclben Tage des 21. Januar. 2) Hans d. J. Rieter von Kornl)urg
(geb. 1501, f lö59j, der .",0 Julire in Nünibort,^ zu Hut gogangon.
S) In dioseni Falle sind unter Freunden diu Verwandten, die Verwandtschuft, zu verstellen.
Mitteilungen aus dem german. Nationalinusouin. 1893. VI.
— 42 —
Gottes beschlossen, mich nach götlicher Ordnung ut in quantiim posseni obse-
querer Deo servirem proximo, ac satisfascerera naturae, in den stand der hey-
ligeu ehe zu begeben. Hab darauf, dieweyl ich ein sonderlich herz, lieb und
guten willen ein gute zeyt getragen und noch het, zu des erbarn und weysen
herrn Jheronimj Paunigartners*) des kleinern rats zu Nuremberg eeleybliche
dochter, Jungfrau Sibilla, gedachten meinen vettern Hannsen Rieter desselbigen
tags gebeten, mit bemelteni Paumgartner davon zu reden und sein geraüt zu er-
kundigen, und mir alsdann sein gemüt gegen mir und dieser handlung zu er-
öffnen etc. Solchs ist noch des tags geschehen, ungeverlich vierthalbe stund
nach mittag, und von ime geantwort worden: er neme des meins vettern an-
bringen etc. mit dank an, hab auch kein bösen willen noch neygung^) zu mir etc.;
allein wolle er sich des mit seiner hausfrauen, als mit der so auch die dochter
sey, unterreden.
Adi 22. ditto ist egemelter herr Jheronimus Paumgartner vor mittag
wider zu meinem vettern komen, im angezeygt, dafs wie sein auch seiner haus-
frauen will und meynung ganz geneygt gegen mir sey, und hoffen es sey ein
sunderlich geschick von Grot, mögen darin wol handlung leyden. Darauf ist
von meinem vettern begert ort und zeyt mich allein mit der Jungfrau zu be-
sprechen, auch so er wöl, möge er sich auch mit mir unterreden; welchs im
auch nit (zu)wider gewest.
Adi 23. januarii umb 4 stund in der nacht ß), bin ich beschieden worden,
mich mit ir zu bereden. Bin derhalben um dieselb zeyt komen und, nachdem
ir vater und muter entwichen, ungeverlich diese meynung geredt: Liebe Jung-
frau Sibilla. Es haben mich meine gute freund 3) nach allerley vermanuugeu
entlich dahin vermoget, dafs ich von viler ursach wegen, meinen willen entlich
darein gegeben hab, mich zu verheyraten, und habe mir zu solchem unter andern
Jungfrauen euch erwelet. Nu trag ich ein sunder herz und willen zu euch vor
allen andern, und merk auch, dafs eur eitern gemüt gegen mir nit übel geneigt
ist. Bin derohalben nu zu euch komen^ euch meinen willen zu eröffnen, und
bit euch darneben mir auch eur gemüt gegen mir zu erofnen, und wolt in eur
eitern rath gar nit bewilligen, es ziehe euch dann auch eur herz darzu, und
wolt bedenken, dafs dieweyl vil creuz und bekumernus, auch mühe und arbeyt
im ehestand sey, dafs ir solche vil gedultiger werdt leyden konden, wenn ihr
es mit der person leydet, die euch vor andern liebet, wolt derhalben, bit ich
nochmals eur herz mir entdecken, und ob ich euch wol herzlich lieb hab, so
solt ir doch gewifslich dafür halten, wo eur herz gegen mir nit also gesynt,
dafs ich euch eur solche anzeygung in nichten wil lassen entgelten.
Darauf antwort sy: ir wer meins gemüts anzeygung ganz angenem, und
trüge, wie sy auch zuvor irem vater und muter angezeygt, ein sunderlichen
willen gegen mir, und wo solchs nit wer, wolt sy es zu dem gesprech nit haben
4) geb. 1498, f 1563, bekannt als eifriger Förderer der Lehre Luthers und durch seine
im Jahre 1S44 erfolgte Gefangennahme durch Albrecht von Rosenberg.
5) Das Wort »Neigung« ist hier in entgegengesetztem Sinne seiner heutigen Be-
deutung gebraucht.
6) Li Nürnberg begann der Tag mit einer neuen Stunde und ebenso die Nacht; da es
am 23. Januar etwa um 5 Uhr nacht wird, so entsprechen die vier Stunden in der Nacht
etwa der Zeit abends 9 Ufu\
— 43 —
koiuen lassen, wolte derhalben, wo es Got ferner schicket, gern mit mir guts
und bös leyden.
Auf dieses antwort ich: ich hofft, Got der ahuechtig würde uns weyter
zusammenfügen, den wolten wir umb gnad und segen anrufen etc. — Reden
alsdann auch von denzeu und andern etc.
Indes käme obgedachter Paumgartner wider zu uns in das stüblein, dem
zeygt ich mein herz und willen gegen ime und seiner dochter an, und melde
darneben: ich versehe mich, dieweyl ich iren willen auch gegen mir geneygt
spüret, es würde ime und seiner hausfrauen nit wider sein, dafs wir etwa
künftig ehelich beyeinander woneten, und wo ich solchs von ime anhöret, wolt
ich weyter darin handeln lassen. — Darauf antwort er, er hofft genzlich, Got
schicket es sunderlich, dafs ich und sein dochter ein guten willen zusammen-
trugen, und zweyfelt nit, die matrimonia wem fatalia, so het er auch gar kein
mangel an meiner person, wolt derhalben Got bitten, dafs er uns glücklich zu-
sammen hülf.
No ''), an demselben 23. tag januarii ist es 21 jar gewest, dafs gedachter
Paumgartner mit seiner hausfrauen Sibilla, welche ein Dichtlin von München^)
bürtig, hochzeyt gehabt hat.
Adi 27. ditto umb 2^/* stund nach mittag haben auf mein bit mein vetter
Hans Rieter, mein bruder Lienhart Ölhafen 9) und swager LafSlau Derrer^^) von
meintwegen an herrn Jheronimum Paumgartner, in gegenwart seins bruders
herrn Bernnhartten Paumgartners , herrn Leon Schurstabs ^^) und Augustin
Dichteis umb sein dochter geworben, und ist mir dieselbige nach wenig umb-
stenden, in betrachtung eins ehrlichen herkomens und erbarn wandeis zugesagt
worden. — Hab derhalben denselben abend mit ir geessen und sy mit einem
berleiuharpant^^j^ ^glß^t^ i^ij. yon meiner muter seligen erblich zukomen, verehret.
Adi 30. januarii, haben herr Jheronimus Paumgartner und mein vetter
Hanns Rieter in meiner gegenwart ein ganzen rat auf volgenten tag zu meinem
handschlag gebeten; und sein nachvolgende gewest, unter welchen die un-
gezeichenten auf gedachts Paumgartners, und die, so mit einem kleebletleiu
bezeichnet, auf meiner seyten gebeten worden.«
(Folgen nun die Namen von 32 Patriziern, von denen 20 mit dem Klee])läll-
lein bezeichnet sind.)
»Mer sein von meinem bruder Lienhartten Ölhafenn und swegcrn Christotfen
Grolanndt^^) und Veytten Holtzschuher^*) auf das rathaus zum handschlag ge-
beten worden, adi ditto volgende«.
7) Mundartlich in Nürnberg für »nun«.
8) TochliM' des bayerischen Obcranifinanns Bernhard Dicblel von Didzing, die liei ilirer
Verinählunj,^ ujil llieronynius erst Ifi Jahre zählte.
9) Der ältere Bruder Hans Ullialens, (geb. 1513, f 1860, zu Leipzig wohin er lBß7 von
Nürnberg gezogen.
10) Ladisbuis Dörrer von der Unternbürg, geb. den 26. Aug. riOO. f den 11. Mai i;)69,
ward verinähll den T.'t. Ukt. l;):2y mit des Hans (»ihal'tui Schwester Barl)ara (f :2(). iMärz 1555).
U) geb. 1488, f 7. Novbr. 1559. War im Uate von 1516-1557.
12) Einem mii L'erb'n iiesetzlen Bande, das auf dem Kopfe gelragen wurde.
l.Sj Ciiristuf Grolaud von Ödenberg (]■ ±2. Mai 1561J ward ajn lü. Oktober 15S6 vcr-
niälilt uiit Magdalena, des Jlan.s Ölhafen Schwester, die am 6. März 1547 verstarb.
14) Veit llolzschuher, geb. den 15. Juni 1515, hatte am "11. Dezbr. 154:2 des Hans
Ölhafen Schwester Anna (geb. 21. Juli 1516, -l" den 17. Mai 1551) zur Frau genoiuinen; er
starb deu 21. Novbr. 1580.
_ 44 —
(Folg-en die Naiuen von 56 Herreo, darunter neben solchen des Patriziats
auch solche anderer angesehener, aber nicht ratsfähig-er Familien.)
»Auch sein ander person auf Jheronirai Paunig-artners seyten beyni hand-
schlag g-evvest alhie nit verzeichent.
Adi 31. ditto umb 2 uhr auf den tag-^^) bin ich auf dem rathaus beneben
meinem brudcr Lienhartten und etlichen svvegern erschienen, und gewart bis
ein erbar rat aufg'estanden ; indes ist mir und denen, so neben mir gestanden,
glück zum heyligen stand der ehe und neuer freuntschaft^^) gewünscht worden,
von ytzgedachten personen.
Als nu der rat aufgestanden, sein ytzvermelte person alle neben herrn
Jheronimo Paumgartner und mir in die ratstuben gegangen. Da hat herr
Lienhart Tucher ^') angefangen zu reden, es sey ein heyrat in dem namen Gottes
zwischen herrn Jheronimi Paumgartners eheleybliche dochter, Jungfrau Sybilla
und mir beschlossen, und in ein notel derselben beding verfafst worden, die
werde ytz verlesen werden, und dem teyl, so dasselb begert, urkund derselben
von gericht erteylt werden. Ist darauf von wort zu wort, wie volgt, vom
ratschreyber verlesen.
Ich Lienhart Tucher dieser zeit an eins schulthaissen stat, und wir die
schöpfen der Stadt Nuremberg, bekennen offenlich mit diesem briefe, daß auf
dato vor sitzendem gericht erschienen sind die erbern Jheroniraus Schurstab
und Laßlaw Derrer, bürger und genannten des Innern und gröfsern raths dieser
stat, und haben uns ein schrift und verzeichnus einer abred und heyratgedings,
so am montag den letzten januarii nechst darvor^, zwischen dem erbarn Hannsen
Ölhafen eins, und junkfrauen Sibilla, des erbarn weysen herrn Jheronimussen
Paumgartners, bürgern, des rats zu Nuremberg, eelichen dochter anders teils, ge-
macht, aufgericht und beschlossen worden ist, übergeben, und bey irem genann-
ten aid angesagt, daß dieselbig dermassen vor inen, als darzu in sonders erfordert
und gebeten zeugen erzeugt worden wer, wie von wort zu werten hernach
volgt. In dem namen uusers liebsten herrn und seligraachers Jhesu Christi sol
der erbar und weyß Jheronimus Paumgartner, bürger und des klainern rats zu
Nuremberg, Jungfrau Sibilla, sein eelich dochter, dem erbarn Hannsen Ölhafen,
weilend des erbarn und vesten Sixten Ölhafens seligen nachgelassnen söhn, zu
der heiligen ee, und ime zu ir zu zuschatz und heyratgut geben achthundert
guldin in grober münz, sy auch klaiden und fertigen nach eeren, die hochzeyt
verlegen, und ein jar in der cost halten, oder ime hundert guldin darfür geben,
auch ytzo benannte sein dochter erben lassen, als ein dochter nach dieser stat
recht. Üargegen sol vorgenannter Hanns Ölhafen ir der gedachten junkfrau
Sibilla hinwiderumb zu zuschatz und heyratgut zubringen und vermachen ein
tausent guldin egemelter werung; und welches under inen beden vor dem an-
dern mit tod abgieng, nachdem sy ehlich beygelegen weren, on eelich leybs-
erben, die sy miteinander gehabt betten, so solten dem andern, das dannoch
lebte, bede vorgemelte zuschetz im aigenthumb und genieß verfallen sein
13) Die Sonne geht am 31. Januar etwa um halb acht Uhr auf, »2 uhr auf den tag«
ist also ungefähr halb zehn Uhr morgens.
16) d. i. Verwandtschaft, s. 3.)
17) L. T., geb. den 13. Febr. 1487, f den 13. März 1568, wurde 1544 vorderster
Losungsherr und Reichsschultheifs.
— 45 —
und werden, gewonnen sy aber erben miteinander, die sollen erben nach
der stat reciit zu Nuremberg-; und geschech der fal an irae, also daß er vor
ir mit tod abg-ieng- und leiblich erben, die sy miteinander gehabt, hinder im
verliesse, so solten ir von beden zuschetzen abermaln im aigenthumb und ge-
nieß volgen und werden vierzehen hundert guldin Reinisch berurter werung,
darzu allemal, in beden fälen, ire kleider, cleinot , weybliche zier und gepende
zu irem leyb gehörig, die sy zu ime gebracht und damit er sy in eelicher bey-
wonung begäbet und verehret hette, und die überigen vierhundert guldin von
beden zuschetzen sollen gefallen und werden denselben ir beder kindern. Und
was ir yglichs ytzo het, oder in künftig zeit in geschicks, erbs oder ander weys
überkumen würde über vorgemelte bede zuschetz, darmit möcht ein jedes mit
sein ainshand thun und lassen wie und was es wolte, ungehindert von dem
andern und sunst meniglichs von seinentwegen. Und solcher beder zuschetz
und Widerlegung sol sy habend und gewertig sein auf allem dem , das er ver-
lässt vor meniglichen. Auch soll er sy nit benötigen einlebe geschefts noch auf-
gebens, wo es aber darüber beschehe, so solt es doch weder kraft noch macht
haben, sunder von unwirden sein. Zu urkund sein dieser brief zwen gleichs
lauts von gericht zu geben erkannt und mit des gerichts zu Nuremberg an-
hangendem sigel besigelt. Geschehen am freitag den vierten februarii nach
Christi unsers liebsten herrn und seligmachers geburt im fuufzehenhundert und
sibenundvierzigisten jar.
Zu zeugen dieser abrede und geding sein von Jheronimo Pauragartner
Jherouimus Schurstab und von mir Laßla Derrer erbeten worden.
Nach diesem fragt obgemelter herr Lieuhart Tucher den Jheronimum Paum-
gartner, ob er mir gedachte sein dochter zur ehe zusaget, das thet er mit ge-
gebner band mir. Alsdann fragt ytzgedachter Tucher mich, ob ich gemelts
Paumgartuers dochter etc. zur ehe nemen wolt, das sagt ich im, dem Paum-
gartner, auch mit gegebenen henden zu. Darauf wünschten sy uns beyden
glück. Alsdann gingen wir mit etlichen herrn und freunden in der braut be-
hausung und ich verehrt sy mit einem jungfraurink und einer guldin ketten.
Desselben tags sein auf meiner seyten zum nachtmal gebeten worden vol-
gende pcrson.«
(Nun folgen die Namen von 31 Herren und Damen, darunter »Hanns RieLer
als vater auf der hochzeyt und sein braut«, »Erasnius Scheillin als muter und ir
dochter Katherina, Jungfrau auf der hochzeyt«, und »ChristoiTColer jungfraugesell.«)
»Auf Jheronimj Paumgartuers und also auf der braut seyten sein zum nacht-
mal gebeten worden herr Berniihart Paumgartner als vater neben herrn Jhero-
nimo dem sweher^^) und sein Hausfrau. Leo Schurslab und sein hausfrau, des
swehers swester, (Jasper Paumgarlner, VValthasar PaiMiigartner, Casper Nülzels
braut, Jobs! Hallerin, Jobsl Del/liii. i\. nuickhelbergcrin. Kelilz Paumgarlnerin,
dischjungl'rau, Augustin Dichlel, Jheronimus Schurslab, (jlabriel Paumgarlner,
jungfraugesell. Drey holierer^''), calcanf'^''), 2 statknecht, der hegela-') und sein luib.
18) Swoher :—. Schwioj^'orvulor. 19) Spicllciilf. .Musikimlcii.
20) iJaljjc oder BälgelreU-r bei Orjjjelii, in wcilcrcm Siiiiu' in iSürnltiTg lu'ulo noch
gebräuchlich für Jene, welche den Mu.siki'rn Handreichung thun, das Geld einsaninieln u. s. w.
21) V'orlänzcr, Sjjruch.Kprecher, diT nacli der NüriilicrgiT lloch/eiUsordnun!; von l?)(57
halb so viel Lohn erhält als der Pfeifer und Posuuner. SchnielliM-Froniniann li. Wb. l, iOGU.
— 46 —
Nach dem naclilmal ist ein danz gehalten worden, darauf sein die, so bey
dem mal g-e\vesen, hcliben und volg-ents zum danz geladen worden.«
(Es sind sodann die Namen von 40 Damen, bis aui' wenige alle dem Patri-
ziat angehörend, verzeichnet, darunter nur zwei verheiratete.)
»Sein gleich wol nit all erschienen, ist aber neben diesen, so erschienen,
von ehemennern und gesellen ein grosser danz gewest.
Adi 16. l'ebruarii 3 stund vor mittemtag bin ich von Ulrichen Wißmesser
nadler gebeten worden (dieweyl den nechsten tag darvor sich ein jar geendet
het, daß ime mein braut ein kind aus der tauf gehebt het, und ime nu der al-
mechtig (iot wider ein Jungen erben bescheret) ime umb Gots willen ein ge-
bornen heyden zum Christen helfen machen; welchs ich ungeverlich drey stund
nach mittag in sant Lorenntzen kirchen gern gethan, und ist im der name Jo-
hannes gegeben worden.
Hab eingebunden der kindbetterin ein thaler, den weybern zu verdrinken
geschenkt 6 zweifer, der wehemutter oder hebammen zwen patzen, den 5 kinden,
so die kerzen getragen 2^2 patzen 2^), dem kirchenknecht zu Drinkgelt ein patzen.
Obgemelts kindlein ist ungever eins viertel jars alt gestorben 2^).
Adi ditto hab ich zu meiner breut heymladung, welche den 18. ditto vol-
bracht, volgende person laden lassen, aus welchen die, so vorn mit dipfelein ge-
zeichent, außenblieben sein, die andern aber erschienen.«
(Diese Brautheymladung hat, wie sich weiter unten ergibt, bei Maximilian
Ölhafen (geb. 1512, f den 15. Januar 1557 als Junggeselle), dem Bruder des Bräu-
tigams, stattgefunden; neben den 46 sonst noch geladenen Personen werden
auch »Jheronimus Paumgartner, sein hausfrau, die braut, sone und döchtercf
angeführt. Ausgeblieben sind nur fünf Personen.)
«Volgente sein adi 17.^^) februarii zu dem danz nach dem nachtmal der
heimladung die hernach verzeichenten Jungfrauen geladen worden, aus welchen
die, so mit einem dipfelein gezeichent, ausblieben sein.« (Von den 52 geladenen
Jungfrauen ist nur die Hälfte — 26 — erschienen.)
»Den 6. und alsdann 13. tag februarii bin ich Hanns Ölhafen mit Jungfrau
Sibilla des herrn Jheronimj Baumgartners dochter neben andern öffentlich auf
der canzel verkündigt (worden), ob jemand ein einspruch in die heyrat gedecht
zu haben, mit ermanung an die gemein, Got den almechtigen zu bitten, daß
er glück und segen zu diesem ehestand wol geben, daß er auch in seinem namen
angefangen werd und wol gerate.
Yolgen die hochzeytcosten.
Adi 31. januarii, nachdem die lautmerung oder handschlag auf dem rat-
haus, wie obenbemelt geschehen was, hab ich (wie dann der gebrauch) von stund
22) Es ist heute noch in Nürnberg bei Taufen Sitte, den Kindern der Familie, der
Verwandten und Freunde Geldstücke , in Chokoladekonfekt eingelassen, zu schenken, welche
den Namen Kerzendreier führen und deren Ursprung auf die Belohnung der Kinder, welche
bei der Taufe die Kerzen getragen, zurückzuführen ist.
23) Wir haben diese Taufe, die scheinbar mit der Vermälung des Hans Ölhafen nichts
zu thun hat, um deswillen mit aufgeführt, weil zwanzig Jahre später, als Ölhafen nach dem
Tode seiner ersten Frau zu einer zweiten Ehe schritt, er zwischen Verlobung und Vorehe-
lichung wiederum zu Gevatter gebeten wurde, hier also, wie es scheint, ein allgemein geübter
Brauch vorliegt. 24) Soll wol 18. heifscn.
— 47 —
an Sebastian Welser^^) ein goldg-uldin g-eg-eben, solchen armen leuten in g-emeinem
almusen zu gut; desgleichen hat mein sweher auch g;ethan.
Verehrung der braut gethan.
Adi 27. januarii, vier Tag vor dem handschlag, als die Werbung gethan
worden was, und ich denselben abend mit der breut aße, verehret ich sie mit
einem harpant, so an mich von meiner lieben muter seligen erblich komen was.
Adi 31. ditto, als die lautmerung auf dem rathaus geschehen und ich zur
glückwünschung beneben herrn Bernharden Paumgartner, herrn Leo Schurstab,
Lieuhartten Ölhafen, Laßla Derrer, Christoff Grolanndt, Veyt Holtzschuher und
andern seh wegern und freunden in der breut haus gieng, verehret ich sy mit
einem jungfrauring, der mit allen dingen werth war und mich costet zwenund-
zweinzig guldin an gold und vierzehenthalben patzen.
Meer sy verehret adi ditto mit einer gelegten ketten, die am gewicht helt
sibenunddreissig guldin an gold. Hab darvon zu machen geben drey guldin
und 30 ^ müntz.
Adi 18. februarii, als ich die braut heimgeladen het, begäbet ich sy mit
einer gürtel an des heftleins stat, der(en) geschmeid, nemlich rinken und senkel,
sampt den 52 spangen wugen 17 lot 1 qu., das gemacht lot für 1 fl V2 ort eins fl,
thut 19 n 3 % 12 ^. Dafür zalt ich 19 ü an patzen 2 «, 24 4. Jtem für 2V3 ein
sammetporten darunter (als unterläge) 1 fl. 7 'tt)9 4.
Adi 1. martii an dem hochzeyttag in der kirchen vor dem altar begabt ich
sy mit einem malrink-^), das was ein demutstein 2'), der cost mich in allem ein-
unddreissig guldin an patzen.
Adi ditto nach dem fruemal verehret ich sy durch den hochzeytlader mit
einer scheurn^sj^zur morgengab, so an mich durch meinen lieben vater seligen
erblich komen, die was ungeverlich 50 fl wert.
Nach gehaltener hochzeyt schenkt ich ir ein glitzlete^^) ketten, die wuge
am gold achtunddreissig goltguldin; und gab davon zu machen drey guldin
und zwelf pfenning.
Item ich schenkt ir ein sammetes paret costent für ^/a sammet fl ß h
darzu, die ein zu 55 ß thut 213
für 24 steft^o), wegen 5 krona IV2 ort, thut 9 11 3
von einem steft zu machen 1 V2 patzen, thut 2 8 —
für steft anzuschlagen und für porten — 3 —
für ormasinpoden, fransen, schetter^") und zumachen . . . — 13 4
Summa . . i'i- 10 10
Dagegen hat mich die braut verehret.
Adi 28. februarii schickt sy mir zu haus ein sack, darinn was ein breul-
hembd, hübsch und wol ausgenehet, davon sy 37^ fl geben, ein scheertuch^^)^
zwei zwagtücher^^)^ di-ei fazenetlein^^). Unil an dem hociizeyllag in der kirchen
vor dem altar gab sy mir ein malrink, darin was ein dcmiil gefasst. Auch zum
25) Senator, geb. 1500, f 1566.
26) auch MahelrinK, Mühciring, Geiniilielring, Hrautring-.
27j Diamant. 28) Pokal, HccIum-. 29) t^liinzonde. 30) Stiflr.
31) Tuch, da.s heim Scheereii (heute, Balbierenj des IJarlcs jjehrauchl wurde.
32) llandlüchcr. SS) Schiiuiiflücher.
— 48 —
handschlag-, heyinladung', als ich deni frembden herrn Wernnher Muckhcnihaler
und seinen dechtern entgegen geritten, und an dem hochzeyttag hat sy mir zu
yedermaln ein kränz gegeben. Item meinem diener und zweyen knaben jedem
ein hembd.
Costen der heimladung.
Item mein lieber vetter Hanns Rieter, dem ich wenig tag zuvor auf seiner
hochzeit mit einer geborncn Müllin *^) Jheronimi Tuchers seligen verlassene
witlib gedient, und Jungfruugesell gewest was, verehret mich zur heimladung
meiner breut mit einem rehe und dreyen hasen fl ft /5j
für 30 Vögel, je für einen 13 ^. thut 1 4 18
für 3 enten, je umb eine 53 4, thut — 5 15
für 3 par dauben, das par zu 34 ^, thut — 3 12
für 3 h. speck, das h. zu 14 4, thut — 1 12
für drey gemcste koppen^^), je für einen 9 ft. 6 ^, thut. . 3 2 12
für limoni, olivi, pomeranzen — 7 —
für 91/2 h. vorha36), 3 h. pro 1 fl, thut 3 1 12
zu drinkgelt 10
für 12 h. hecht zu 32 4, thut 1 4 12
für 5 h. karpfen zu 18 ^ — 3 —
für 8 ma(5 essig, zu 14 ^ die ma[5, thut — 3 22
für 62 brot, je eins zu 3 ^, thut — 6 6
item für 10 brot, je eins zu 2 4) thut 20
item für 5 dellerbrot, eins umb 12 ^, thut — 2 —
item für wein an dem tag der heimladung und ein tag
darnach, auch für holz zum kochen, für wachsliecht und
allerley würz hat mein bruder Maximilian nichts nemen
wollen, sunder mir zu ehren aufsein costen gehn lassen,
dann solche heimladung in seinem haus gehalten wor-
den ist.
Der köchin zu lohn geben — 4 12
für 31/2 h. Zucker zur collation^^) das h. zu 42 ^, thut . 1 1 12
der Hertzin, so der cammer gewart — 2 12
den kirchendienern von den depichen 24
dem Michel Herdegen, so die depicht aufgeschlagen und
gedient — 3 6
umb vier wintliecht, umb eins 42 ^, thut — 5 18
dem, so mir das rehe etc. von meim vettern bracht geschenkt — 4 24
der maid, so in der kuchen geholfen 18
Summa des costens so auf das essen gangen, ane das, so mir darzu
geschenkt, cost fl 17 ü 2 ^ 1.
Spill eut. Auf der heimladung dem Organisten ein guldin; dem, so die
pelge gehebt hat, ein ort eins guldins; dem Matheysen N., so die trometen ge-
plasen, ein guldin; dem Jörgen N., so auf der zwergpfeifen gepfiffen, ein guldin.
Hege lein. Dem hegelein, so den danz gefürt, ein ort eins guldins.
34) Katharina, geb. 1802, f 1576, erstmals vermählt 1331 mit dem 1S46 verstorbenen
Mieronymus Tücher. 35) Kapaunen. 36) Forellen. 37) d. i. Nachtisch.
— 49 —
Hochz ey 1 1 ader. Dem Bastian Burrj, so auf die heimladiing- geladen
hat, geben ein par schuch, costeut fünfzig- pfeuning, meer an münz ein halben
guldin.
Statknecht. Dem statknecht, so unter der thür zugesehen hat, 32 ^ .
Kleydercostung. 11 ü.^
Für 4 ein sammet zu 38 ß thut 7 5 —
für ein doppel schamlot^s) zu einer einfachen schauben ^^j 14 4 6
für ein ganzen schetter**') 2 4 6
für 2 zymer marder 95 thaler, thut 108 5 —
meer für 1 zymer marder (helt 40 marder ^i) 45 — —
von dreyen zymeru mardern zu lydern^^j 3 — —
für ein schamlot über die marder 11 4 6
von der schauben zu füttern neben dem essen geben . . — 0 9
von beyden schauben, zu machen geben von der zwifacheu — 6 9
und von der einfachen, dieweyl sy mit schetter (12 eln^^)
gefütert mit sammet prempt und mit schnürlein belegt 12 3
für 1 ein schetter unter die gefütert schauben — — 24
item für ^k englisch tuch untenrumb — 2 7
für 4 lot (minus 1 qt^^^ pintseyden, das lot um 48 ^, thut — 6 —
für neheseyden — 1 2
für 34 ein schnürlein darzu, die ein umb 5 h., LhuL ... — 2 21
für neheseyden — 1 15
für 3 ein sammet, davon ich das leyblein etc. hab macheu
lassen, die ein zu 38 ß thut 5 3 18
für 16 ein schnürlein darzu, die ein zu 5 h., thut .... — 1 10
für neheseyden — — 15
von dem sammeten leyblein, so mit schetter gefüdert und
mit schnürlein, belegt zu machen — 2 24
für 4 lot minus 1 qt. pintseyden zur gefütterten schauben — 6 —
für 7 ein schwarz seydenporlen zu beyden schauben . . — 2 10
für 33/4 ein seydenarlaß^) (zum wammes^^) die ein zu
23 (5, thut 4 2 12
für ein ganzen rieß parchent 1 4 20
für IV4 ein schwarz tuch zu hosen 1 6 18
umb 2 futterfeel — 4 20
van diesem par hosen und wammes zu machen — 6 9
für neheseyden — — 21
für 2 par schuch — 3 19
Summa paginae 11. 213 fl. 4 ^ 22.
38) Schamlot, Camelot, ein Kleiderstofl'.
39) Mit Pelzwerk gefütterte, lange, niünnlidie Überröcke.
40) Lockere, undichte Leinwand, die durch Leim oder Kleister steil" gemacht wurde.
41) Später beigesetzt. Am Kandc sieht: »No aus den swenzcn gelöst 14 ft dO .^j.«
42) d. i. zu gerben.
43) Später beigesetzt. 44) Seidenstoff aus Arles in Burgund.
Mitteilungen aus dem gurinuu. Nutioualiiiiiseum. 18*):i.
VII.
— 50 —
n u ^
für 3^/4 ein aschefarben daiiiascal zum wuinmes .... 5 5 8
lür IV4 ein aschefarb hosentuch 1 6 18
für P/4 ein a.scbefarben daffet darunter, die ein pro 1 5 ß, thut 12 18
von diesen hosen und wamnies zu machen — 6 9
für ueheseyden — — 21
für eiuleg- und 2 hosenfeel — 4 28
für ein paret mit, seyden püntlein — 7 15
für 6 ein weysen atlas zu hosen und wammes, die ein pro
1 thaler, thut 6 7 G
für 1^/4 ein weißen daffet unter die hosen 1 2 4
umb 2 futterfeel unter die hosen — 4 20
umb 2/3 weyß lundisch tuch^^) unter der hosen atlase . — 6 —
umb.. ^6) weyß venedisch tuch zu stumpfen*') 1 4 G
von diesen wcyßen hosen und wammes g-estept zu lohn 14 6
für neheseyden — 1 20
für 2 dutzet nestel — — 16
für 2V4 ein atlas zum leyblein 2 8 10
davon zu machen — 2 5
für neheseyden und i^k ein Augspurg-er schetter unter
ein leyblein — 2 2
den schneydergesellen zu drinkg-elt — 1 8
Summa fl. 27 a 2 ^ 22.
Volgents hab ich auf die hochzeyt gekleydet meius lieben bruders Lien-
hart Ölhafens son Lienhartteu *^), herrn Jheronimi Paumgartuers son Jheronimum,
und meins bruders Maximilians Ölhafens knecht Wolffen, und für kleyder geben
wie volgt:
umb 9 ein negelefarb lundisch tuch zu aller dreien fl U 4
röckhen, die ein zu 9 ft, thut 9 5 12
Lilgen von bloe und geel ^) in die erbel zu sticken . . 1 — 18
für bloe und geelsammet die rock und hosen zu verködern*^) — 8 —
von der knaben rock zu machen — 3 21
von des knechts rock zu machen — 3 11
von der tuchern zu scheren — 1 19
umb 2V3 ein rot tuch, inen zu hosen, die ein umb 10 ft, thut 2 9 16
für 2 ein geel futtertuch, die ein zu 48 ^, thut — 3 G
für 9V2 ein roten ormasin zu iren wammesen, die ein zu
8 ß (minus 2 4«) tiiut 3 6 19
umb 2 ein roten schetter unter dye leib — 2 10
für 5V2 ein bloen und 0^/2 ein geelen statzendel ^i) inen
unter die hosen, die ein zu 46 4, thut 2
45) Tuch aus London.
46) der Platz für die Zahl ist nicht ausgefüllt. 47) d. h. zu Strüiupfeu.
48) Lienhart ward geboren am 7. Oktobr. 1542, bei der Hochzeit also nicht ganz 4
Jahre 5 Monate alt; er starb den 6. April 1554.
49) d. i. mit Lappen zu verzieren, vgl. Grimm DWB. XU, 678.
50) Blaue und gelbe Lilien. 51) Zendel ist eine geringe Sorte Tafl'l.
— M —
für rieß parchent unter die wanimes — 6 20
von der knaben ormasinen wammes zu machen — 3 18
von der knaben hosen mit den zuteylten seyden .... — 2 10
von des knechts hosen und wammes zu machen .... — 6 9
für 4 duizet nestel — 1 2
für einleg- — — 21
für neheseyden — 1 12
dem knaben für 2 par schuch — 2 4
dem knecht für ein par schuch — 1 20
den schustergesellen zu drinkgelt — — 16
Summa fl. 25 % 0 ^ 18.
Volgen meer hochzeytcosten.
Einem eygen poten, so ich zu meinen freunden Hannsen Hornnburger und
Hannsen Jag'stheimer etc. geschickt und sy auf die hochzeyt geladen etc., neun
patzen; dann er gen Rotenburg an die Tauber geloffen.
Der magd, so mir das breuthembd bracht, ein halben thaler.
An dem hochzeyttag dem schaffer vom chor ein guldin.
Musika. Dem Schulmeister bey sannt Sebaldt sampt 11 fb ^
denen, so mit im in der kircheu ligurate gesungen . 9 3 21
dem statpfeifer, so darzu geplasen — 4 6
dem Organisten auf der orgel — 2 3
dem calcanten — 1 6
dem trummeter, so in die orgel geblasen — 4 13
Spilleut. Au dem handschlagtag dem Organisten Nötelein
sampt seinen zweyen gesellen jedem ein guldin, thut . . 3 — —
dem so die pelg gehebt — 2 3
an dem hochzeyttag dem Organisten sampt seinen dreyen
gesellen jedem anderthalben guldin, thut (5 — -
dem, so die pelg gehebt — 4 (i
an der nachhochzeyt obgemelten dreyen jedem 1 fl, thut 3 — —
an dem hochzeyttag dem drummelschlager und pfeifer
jedem ein halben guldin, thut i — —
Hege lein. An der lautmerung ein ort, an dem hochzeyt-
tag ein halben guldin und an der nachhochzeyt ein ort, thut 1 — —
Statknechten. An der lautmerung 32 ^, an dem hoch-
zeyttag zweyen statknechten jedem 32 ^, an der nach-
hochzeyt einem 32 4, thul — 4 8
Den tag nach der hochzeyt, als ich zu morgens aufgestanden,
in die kuchen geschenkt ein thaier.
Item nach der hochzeyt geschenkt von mir von neuer freund-
schaft wegen :
adi 17. aprillis, meiner geschweyhen ^2) Barbara ein schamlot
an Wasser, bloc in rot gewürkt, costent 8V2 11 und (hirzu
ein ein roten sammet, costent 2^/2 fl, thut II — —
Iteni den geschweyhiein ^3) Regina und EliMia jodem ein
sammetes schleplein, costend 2 4 12
52i d. 1. SchwHj!;urin. S3j den klciiifii Scliwägrrinni'ii.
Adi 25. jenner des 1548. jars meiner swiger^) ein braun
sehamlot, dafür gab ich 15 — —
Der breut geschenkt.
So ist meiner braut auf der hochzeyt geschenkt worden von dem edeln
und vesten Wernher von Mugkhenthal zu SannderßdorfT, pfleger zu Voburg, ein
silberer vergulter becher mit einer decken, wug 1 mark 15 lot 1 f[u. 0 4. Item
ein junger edelman, Erhart von Muckhenthal, ein vergultes becherlein, unten
mit schellein, wug 6 lot 2 qu. 0 ^.
Dem breutigam geschenkt.
Item mein swegerin Anna Sixt Ölhefin zu Leibtzigkh ^^) schenkt mir auf die
hochzeyt 39 11 16 ß 3 h., ein drinkgeschir davon machen zu lassen; darzu legt
ich 0 11 6 ß und lies vier inwendig und auswendig vergulte magolein^'^) davon
machen, die wugen 3 mark 3 lot 2 qu. 1 ^.
Auf die hochzeit sein volgende person geladen worden, unter welchen die,
so mit einem dipfelein gezeichent außenblieben sein.
Zum fruemal, auf meiner als das breutigaras seyten: (folgen neben der
Braut und dem Bräutigam, dem Sweher und der Schwiger, die Namen von 31
Personen, von welchen 11 der Einladung nicht entsprochen).
Zum fruemal auf der braut seyten:« (folgen die Namen von 36 Personen,
von welchen 24 der Einladung Folge leisteten).
Zum Nachtmahl am Hochzeitstag wurden von Seite des Bräutigams 45,
von Seite der Braut 32 Personen eingeladen. Von den ersteren kamen 38, von
den letzteren 27 Personen.
Zur Nachhochzeit waren von beiden Seiten 58 Personen eingeladen wor-
den, von denen nur drei weggeblieben zu sein scheinen.
»Summa der hochzeytcosten. fl a ^
Auf dem rathaus ein goltguldin thut 1 119
für ein jungfrauring münz 27 2 12
ein gelegte ketten 47 1 22
für ein gürtel 21 1 21
für ein gemalring münz 31 — —
item ein scheurn war wert 50 — —
item ein harbant war werth meer dann 20 tl, cost mich . 17 — —
für ein glitzete ketten 48 5 13
für ein paret ' . 14 6 22
die heimladung, so das essen belangt 17 2 1
den hoürern darzu 3 6 28
für hochzeytkleydung 265 6 12
einen poten gen Rotenburg — 5 —
von hochzeythembd drinkgelt. — 4 24
dem schaffer vom chor 1 — —
54) Sehwieger, Schwiegermutter.
55) Anna, geb. Canzler, vermählt den 22. Januar 1532 zu Leipzig mit Sixt Ölhafen
(1503—1544), t den 3. Sept. 1574.
56) d. i. Becher.
— 53 —
n fb ^
dem Schulmeister von der musica 10 7 -
den hofirern der hoehzeyt 15 2 ö
in die kuchen 1 1 6
Summa . . 574 4 23
Mer dem hochzeytlader bey der heimladung" ^/a fl und 50 ,^ für 1 par
schuch.«
Hans Ölhafen hat nicht ganz richtig addiert, es ergibt sich eine von der
vorstehenden etwas abweichende Summe, was übrigens auch bei den schon oben
mitgeteilten Rechnungen voriiommt.
Der Hochzeit folgte ein kleines Nachspiel, über welches Hans Ölhafen fol-
gendermafsen berichtet:
»Adi lö. may hab ich, beneben meinem lieben s weher, swiger und haus-
frauen erfordert, geschworen, daß ich das hochzeitbuchleiii in nichten übertreten
hab, dann allein, daß ich an der braut heimladung zuvil person zu gast gehabt,
welchs ich von wegen meiner lieben geswistergit nit hab umbgehen konden.
Auch hab ich das gebot mit dem jungfrauriuk übertreten, damit daß er zu köst-
lich, dargegen die scheurn zu gering. Item die gürtet zu hoch, so man den
porten daran rechnen wolt, doch an des heftleins stat geschenkt. Ist mir aber
von einem erbarn rat die straf erlassen. Mein sweher aber, darumb, daß er
an der nachhochzeit zu viel Jungfrauen zum nachtmal geladen, umb 2^2 guldiu
gestraft worden.«
Das junge Ehepaar blieb beinahe ein ganzes Jahr im Hause der Eltern
der jungen Frau. Ein Eintrag im Tagebuch vom Jahre. 1548 meldet, wann das-
selbe seine eigne Haushaltung begann. Er lautet: »In dem namen der heyligen
und unzertrennten drifeltigkeit bin ich Hanns Ölhafen sampt meiner lieben haus-
frauen Sibilla Jheronimi Paumgartners dochter und zweyen magden an concor-
diatag den 18. februarii des geraelten jars (1548) ein stund nach mittag in mein
behausung auf der vordem Fulh gelegen zu haus gezogen; dieselbige einige dri-
feltigkeit verleyhe glück und gnad darzu zu irem lob, und unser seelen heyl,
amen.«
Nürnberg. Hans Bosch.
Selbstbiographie des Malers Georg Christoph Kiiiiinart des Älteren.
nter den Handschriften der Merkeischen Sammlung im germanischen
Museum beHnd(it sicii ein kleiner Oktavband. der urs[)rünglich im Besitze
eines Niivodemus Hofmann aus Schweinfurl sich befand und iliesom als
Stammbuch diente. Hofmann, welcher ein Gelehrler (vir doctissimus. litenitissi-
mus) war, scheint in Königsberg in Franken Stellung gehabt zu haben, jeden-
falls lebte er dort in der Zeit von 1G12 — IBID. Als späteren Besitzer des Buches
finden wir Jörg Ghristofl" Kimmaiilt IG20 genannt und endlich dessen Sohn
Christian: »No: 50. Christian Eimniart zugehörig. KJGS.« Das Büchlein ist in
braunes Leder gebunden, zeigt (jl(tl(l|iressung und (iohlschnitt und trägt auf der
Stirnseite die Jahreszahl 1(512. Einige iler Stammbueiihlätter sind mit Zeich-
nungen versehen, die auf den ersten Hlick verraten, dafs sie von Künstlern
herrühren. Das eine zeigt ein brennendes Gebäude, Tuschzeichnung, in schwarz
— 34 —
und weifs gehallen. Die Flamme beleuchtet grell einen Flufs und läfst zur
Rechten desselben die Umrisse einer Stadt erkennen. Eine gewölbte Brücke
bildet den Abschlufs des Mittelstückes. Die Zeichnung-, welche Hott und wirk-
sam entworfen ist, trägt die Aufschrift: »Johannes Schramio Kouigshofen 1619.«
Jedenfalls ist dieser Schramm identisch mit dem von Naglcr .Künstlerlexikon
Bd. 16, S. 6 genannten »Schramm, Johann, Maler, arbeitete um 1640 in Hasfurt.«
Auch wird er ein Verwandter des weiter unten zu nennenden Michael Schramm sein.
Das zweite Bild, Federzeichnung mit getuschten Schatten, stellt vier zwerg-
hafte Gestalten dar, die, wie die erste Zeichnung, eine geschickte Hand verraten.
Als Künstler nennt sich Hansz Jerg Claus Maler. 1632. Etwas näheres konnte
ich über ihn nicht ermitteln. Zwei andere, ilüchtig entworfene Federzeichnungen
haben zum Gegenstande einen Krieger und einen Räuber. Die Namen der Künstler
sind nicht genannt. Endlich findet sich noch das Malerwappen mit nackter,
männlicher Figur als Schildhalter und der Unterschrift: Jobannes Rull A.
1617 (vielleicht der von Nagler a. a. 0. Bd. 14, S. 38 erwähnte Künstler G. J.
Ruhl). Die übrigen Stammbucheinträge sind ohne Interesse, ebenso die Re-
zepte, welche G. Gh. Eimmart eingeschrieben hat. Wol aber dürfte des letzteren
Selbstbiographie zum teilweisen Abdrucke wenigstens sich eignen. Die Geschichte
der deutschen Kunst im 17. Jahrhundert wird stets stiefmütterlich bedacht, kein
Forscher mag sich eingehend mit ihr beschäftigen, da sie unter wilden Kriegsstürmen
keine Blüten zu treiben vermochte und in Folge dessen ein wenig erfreuliches
Aussehen darbieten. Aber dennoch wird es nötig sein, auch sie allmählich einer
eingehenderen Prüfung und Behandlung zu unterziehen, auch in ibr einzelne
Schulen und Kunstzentren zu unterscheiden, die verschiedenen Strömungen, wenn
sie auch noch so schwach und unbedeutend fliefsen, zu verfolgen. Daher liegt es
im Interesse der historischen Forschung, dafs alle zerstreuten Mitteilungen über
Künstler und Kunstwerke jener Epoche gewissenhaft gesammelt werden, um
einem späterem Bearbeiter als Material zu dienen. Besonders sind es mit
geringen Ausnahmen die Künstler selbst, ihre Namen und Geschicke, über die
unsere Nachrichten nur sehr dürftig sind.
Yon Georg Ghristoflf Eimmart dem Älteren wissen wir bisher nur, was
Sandrart und Nagler über ihn berichten. Ersterer schreibt (Teutsche Akademie
I. Hauptt., IL Teil, Buch 3, S. 373): »Georg Christof Eimart der Elter war zu
Regenspurg wohnhaft, auch als der erfahrenste Maler in Öl und Wasserfarben,
wie nicht weniger in der Architektura und andren hierzu gehörigen Zierlich-
lichkeiten und Wissenschaften daselbst berühmt. Er malte viel Coutrafäte in
LebensgröCse und Figuren, auch Kuchenspeise, Fleisch, Fische und Geflügel nach
dem Leben: derer sonderlich bei Ihr. Hochfürstl. Durchl. zu Freysing, auch
anderwärts, viele zu sehen sind. In Landschaften, auch Miniatur, hat er viel
verrichtet, und wäre selbiger Stadt seine Wissenschaft lange Jahre zu Diensten:
voraus bei dem Wahl-Tag des Römischen Königs Ferdinandi IV. höchstseeligen
Andenkens: da er auf sich nähme die zum Einzug verlangte Ehrenpforten zu
machen, die er auch ganz zierlich inventirt und wol ordinnirt mit gemalten
Emblematibus, grossen Bildern und anderer Bezeichnung: wordurch er sein Lob
merklich bei hoch und niederen Stands-Personen vermehret. Er wufste sieh
hiermit beliebt zu machen und erreichte ein ziemliches Alter, verschiede allda
zu Regenspurg A. 1663 und hinterließe etliche Kinder: darunter 3 Söhne, die
— 55 —
alle zu Studien, KuusL und Tug-eud geueigl sind, wie dann schon von dem
ältesten Sohn Georg- Christof Eimart an seinem Ort g-edacht worden. Der andere,
g'enaunt Matthäus, wartet seiner Profession zu Regensburg- ab. Der dritte,
Namens Christian, befindet sich bereits viel Jahre in Italien und ist nunmehr
zu Rom, um durch mehrere Erfahrenheit sich zu perfectioniren.« Diesen Bericht
erg-änzt Nagler (Künstler-Lexicon Bd. 4, S. 96) nur insoweit, als er noch er-
wähnt: »In Kirchenstücken war Eimart besonders g-ut und auch im Landschafts-
fache war er g-eübt. . . Eimart hat auch in Kupfer g-estochen; uebeu andern
drei gTofse Thesen und die Heimsuchung- Maria. Einig-e seiner Bildnisse wurden
von anderen Künstlern g-estocheu«. Als Todesjahr g-ibt er mit Sandrart fälsch-
lich 16(33 au, über Jug-eudzeit, Lehrmeister etc. des Künstlers erfahren wir von
ihnen nichts. Da kann nun ergänzend und bisweilen berichtig-end die kurze,
tag-ebuchartig- g-eführte Lebensbeschreibung- eintreten, wie sie der Künster selbst
uns hinterlassen hat.
»Anno Christi 1603 an S. Nicolauy abend bin ich Jörg- Christoff Eimmardt
auf diese weit g-eboren worden. Mein vater ist gewesen der ehrbar und kunst-
reiche Christoff Davit Eimmardt, burg'er und maier zu Künig-sperg- in Franken,
mein mutter Khunig-unde, ein g-eborne Strübin mit namen. Meiu düt (Pate)
ist g-eweseu der ehrbare und mannhafte Jörg- Nabel, burger und back in ge-
dachten Khönigsperg.
Anno 1616 bin ich von meinem Stiefvater und lieben multcr seeligen nach
Hasfurt gethan worden zu dem ehrbaren und kunstreichen herren Michael
Schräm, burger und maier daselbst, vor einen lehrjungen auf vier jähr laug
versprochen worden, welche ich Gott lob ehrlich erlernet und nach gedachten
lehrjahren noch ein jähr und 3 monate vor einen gesellen gearbeitet und
daselbst verblieben.
Anno 1622 bin ich zum ersten mal nach Regenspurg kommen zu dem ehr-
baren und kunstreichen Hermann Wivernitz, burger und maier allhie.
Anno 1629 den 11. april hab ich allhier umb das burgerrecht angehalten.
Meine beistand sein gewesen der ehrbar und kunstreich Hanns Chuntz, burger
und goldschmied allhie, Hermann AYivernilz, nuiler, und ülerich Urair. orgel-
macher, auch burger allhie.
Anno 1629 den 24. septem. hab ich mein lieiraLtag (Tag des Ehevertrages)
gehalten mit der ehr- und tugendsamen Jungfrau Ursula, des ehrbaren und kunst-
reichen Hanuseu Chuntz, burger und goldschmied allhie, und Ursula, seiuer
hausfrau, ehliche tochter.
Den 4. Oktober anno 1629 hab ich meine hochzeit gehalten in der Lantz-
huter herberg bei den herreu Dosseu, gastgeber.«
Am 25. Okt. 1630 wird ihm eine Tochter geboren, die den Namen Rosiua
Sofia erhält, aber bereits am 9. Aug. 1632 stirbt. Ebenso stirbt die zweite, am
6. Sept. 1632 geborene Tochter, Anna Rosina, im Alter von 4 Monaten.
Am 18. Dez. 1633 wird ihm ein Sohn geboren, der auf den Namen Hans
Georg getauft wird. Pate ist Apotheker Ambrosius Gesner. Dieser Sohn koiiuiit
am 22. Mai 1645 in die Lehre zu dem Buchbindermeister Georg Sigmundt
Ereisinger. Der Vater mufs 40 11. Lehrgeld zahlen, wovon 20 11. sofort zu er-
— 50 —
iej^en sind, ausserdem SVa fl. »zu vertrinken.« »Golt geh, daß es gut an-
gelegt sei.«
Frau Ursula stirbt am 12. Aug. 1634 an der Pestilenz.
»Anno 163Ö den 30. martzi hab ich mich durch Schickung Gottes in ehliche
lieb eingelassen mit der ehr- und tugendsamen Jungfrau Ghristina, des ehrn-
festen und wolgeachten herren Dainian Banß, burger und des rats, auch Rüm.
kay. ma. maulamtverwalter zu Ens in Oberüsterreich seeligen und Catharina
seiner ehliuhen hausl'rauen, der zeit wittib, ehliche tochter, welche anno 1609
den 7. november von gedachten ihren lieben eitern geboren und erzeuget worden.
Anno 1635 den 20. april hab ich mit der obgedachten Jungfrau Christina
Ban(5in mein hochzeit gehalten in meiner behausung in der Schreinergassen,
sonsten Buch veiter Straß genannt, und sind von M. Donauer cobelirt (copuliert)
worden, dieweil ich schwachenthalb nicht aus dem haus gedörft.«
Aus dieser Ehe entsprofsten folgende Kinder:
1) Regina Christina, geb. am 25. Hornung 1636. Sie verheiratete sich am
2., resp. am 19. Juni 1654 mit dem bekannten Kupferstecher Jakob von
Sandrart, dem Neffen des Herausgebers der TeuLscheu Akademie. Er
siedelte 1656 mit seiner Familie nach Nürnberg über.
2) Amprosius Christofferus, geb. 23. Juni 1637, f 11. Febr. 1638.
3) Jörg Christoff, geb. 22. Aug. 1638. Derselbe wurde Maler und Kupfer-
stecher, lernte bei J. Sandrart und liefs sich in Nürnberg nieder. Er
starb 1705.
4) Matthäus, geb. 29. Mai 1640.
5) Christian, geb. 22. Juli 1642.
Die beiden letztgenannten wurden ebenfalls Maler (siehe oben). Bei Ge-
legenheit der Taufe Christians erwähnt Eimmart den Brand der S. Emmerans
Kirche (1. Aug. 1642).
Am 17. Juli 1654 stirbt seine Hausfrau Christiua. Doch der 51 jährige
hält den Witwerstand nicht lange aus. Noch im selben Jahre verspricht er
sich zum dritten Male. »Anno 1654 den 30. November hab ich mich durch
sonderbare Schickung Gottes zum dritten mal in ehliche lieb eingelassen mit
Jungfrau Maria Salome, des ehrbaren Wolf Erst (?) gewesenen cassendiener all-
hier und Anna seiner ehewirtin geweste ehliche hinterlassenen tochter.
Anno 1655 den 16. januari darauf mein hochzeit gehalten.«
Soweit reichen die Aufzeichnungen Georg Christof Eimmarts. Sein Sohn
Christian fügt hinzu:
*Anno 1658 den 18. September ist unser herzlieber vater Georg Christoph
Eimmard, bürger und kunstmaler allhier zu Regenspurg, selig in dem herrn
entschlafen zwischen 2 und 3 uhr nachmittag, deme Gott in der erden eine
sanfte ruhe und am jüngsten tag eine heilige auferstehung verleihen wolle.
Amen.«
Nürnberg. Franz Fuhse.
— 57 —
Die Briefbücher der Grafen Hau«; und Franz €hristo|»h Kheveuhüller,
österreichischer (lesandteii am spanischen Hofe.
ier Anzeig-er des germanischen Museums hat im Mai-Juni-Heft dieses Jahres
die wertvolle Erwerbung- verzeichnet, welche das Archiv des Museums
in den BriefbUchern der beiden Grafen Hans und Franz Christoph von
Khevenhüller gemacht hat. Es sind 13 in Schweinsleder g-ebundene, starke und
wolerhaltene Bände, welche den gesamten Briefwechsel der beiden Grafen, so-
weit derselbe sich auf ihre amtliche Stellung als Botschafter des Hauses Öster-
reich beim spanischen Hofe bezieht, umfassen. Die ersten sechs Bände enthalten
die Korrespondenz des Grafen Hans in 896 Briefen, Berichten u. s. w. auf 4172
Seiten in ununterbrochener Reihenfolge vom Jahr lo7i— 1605. Dann kommt die
Lücke bis zum Jahr 1617, in welchem Franz Christoph als aufseronlentlicher
Gesandter nach Madrid geschickt ward, dessen Briefe 30G4 an der Zahl, in sieben
Bänden, auf 3941 Seiten sich über die Jahre 1617—1625 erstrecken; doch fehlen
leider die beiden Bände der Jahre 1620 und 1622.
Über die Geschichte des Geschlechtes der Khevenhüller verweisen wir auf
das Werk von Bernhard Gzerwenka, Die Khevenhüller, Wien, 1867, mit der
Bemerkung^ dafs derselbe die in Rede stehenden Briefbüeher nicht erwähnt.
Überhaupt sind dieselben bisher, wie es scheint, fast nicht benutzt. Verwertet
sind sie in den Annales Ferdinandei, dem grofsen gleichzeitigen Geschichtswerke
des Grafen Franz Christoph Khevenhüller durch diesen selbst i). Ferner hat
Hammer-Purgstall in seinem »Cardinal Khlesl«^) unter den etwa 1000 Briefen,
Staatsschreibeu , Relationen, Gutachten des Kardinals, die er als wertvollsten
Teil seines vierbändigen Werkes demselben angehängt hat, die an die Grafen
Khevenhüller gerichteten Briefe des Kardinals unter der Bezeichnung »Kheven-
hüllers Berichtecf abgedruckt. Vermutlich hat er die Briefbücher gekannt und
hierbei benutzt; falls ihm statt derselben die Originale vorgelegen hätten, würde
er jedenfalls, wie bei den übrigen abgedruckten Urkunden, statt der Bezeichnung
»KhevenhüUers Berichte« das Archiv angegeben haben, in welchem das be-
treffende Original sich bellndet. Doch handelt es sich nur um die allerdings
besonders interessanten Briefe des Kardinals, nicht um die Schreiben der Grafen
an KleseP). Die Anzahl der hier benutzten Briefe ist jedenfalls eine verschwin-
dend kleine im Verhältnis zu den etwa 4000 Schreiben der Briefbüeher.
Weder Gindely in seiner Geschichte des 30jährigen Krieges, noch v. Bezoid,
Lossen, Ritter in ihren einschlagenden Werken (hun dieser Briefbüeher Erwäh-
nung. Von den kleineren Aufsätzen von Jodok Stülz ist uns nui- die Abhand-
lung im Archive für Kunde österreichischer Geschichtsquellen, Jahrgang 1850.
Band 1 : »Die Jugend- und Wanderjahre des Grafen Franz Christoph v. Kheven-
hüller nach seineu eigenen Aufzeichnungen« zu Gesicht gekommen. Auch er
1) Für die nachstchond abj^cdruckleii Stücke komiiicii die Ann. Ferd. nur an einer
auf den lierzoj? von Leruia bezüglichen Stelle ^s. iSr. Üi)'! Auni. Hu) in i?elr;nlit. Aul'serdeni
vergi. Annj. 46.
2) Khlesl's, des Cardinais, Direktors des gelieinien Cabinetes Kaisers Matliias, Leben.
Beschrieben von Ilanuner-Piirgstall. 4 Bände. Wien l.S'i7 liS?il.
S) Wach Haninier-I'urjxstall ha! dann wieder Kersclibauriier. (lardinal Kiesel, Wien lt<6f5,
dieselben Briefe verwertet und unter der He/eichniini( •llanuin'r, Irkunden« zilierl.
Mitteiliingoii aus dem gcrmaii. Nutioiiulmu.sciiin. 1893. VIII.
— d8 —
bezieht sich nur uui die Anualeu und scheint die Briefbücher nicht gekannt
zu hüben*).
Wie es gekommen ist, dufs die Briefbücher so wenig gekannt und benutzt
worden, ist eine Frage, die hier übergangen werden mag. Dafs die sechs Bücher
des Hans Xhevenhüller schon vor lü21 durch den Principe de Gastillan von
Madrid nach Mailand weggeführt waren, und dafs Franz Christoph seinem Haus-
hofmeister Theodor Hartmann den Auftrag gab, auf seiner Heise nach Wien sich
zu Mailand in den Besitz dieser Bücher zu setzen, die vermöge Testaments
immer beim Majorat aufbewahrt werden sollten, und sie dem rechtmäfsigen Be-
sitzer zuzustellen, erwähnt Gzerwenka a. a. 0. S. 363. IJie weiteren Schicksale
der Bücher mögen hier ununtersucht bleiben.
Die Frage, auf die es ankommt, ist die nach den Originalen der in den
Briefbüchern kopierten Schreiben, Berichte, Gutachten u. s. w. Es ist von vorn-
herein anzunehmen, dafs eine gröfsere oder kleinere Anzahl der Originale in
verschiedenen Archiven noch vorhanden ist. Der Wert eines viele zerstreute
Stücke zusammenfassenden Xopialbuchs wird nun freilich auch in dem Falle
nicht vernichtet, dafs selbst alle Originale noch existieren. Indessen glauben
wir auf Grund eines Umstandes mit Recht anzunehmen, dafs von den in unseren
Briefbüchern enthaltenen Schreiben nur ein verhältnismäfsig geringerer Teil
noch im Original sich vorfindet. Die Archivbestände des kais. und kgl. Haus-,
Hof- und Staatsarchives in Wien enthalten, wie uns mitgeteilt wird, ungefähr
5oO Originalberichte der beiden Haus und Franz Christoph Khevenhüller aus
der Zeit von lo71— 1625, wobei z.B. auf die Jahre 1617 und 1613 31 solcher
Berichte kommen, eine geringe Zahl im Verhältnis zu den 4000 Nummern un-
serer Bücher.
Dürfte es somit ein empfehlenswertes Unternehmen sein, eine umfassende
Publikation des Gesamtbestandes der eine so wichtige Zeit umfassenden und
politisch so bedeutende Verhältnisse darstellenden Protokolle der beiden Grafen
zu bewerkstelligen, ein Unternehmen, welches auch anderen in derselben Rich-
tung sich bewegenden gröfseren Arbeiten nicht zuwider laufen, sondern dieselben
vielmehr unterstützen würde, so kann zur Zeit und an dieser Stelle doch nur
eine gewissermafsen probeweise und dem Stoffe nach sehr beschränkte Auswahl
aus der Fülle des interessanten, in den Briefbüchern aufbewahrten Materials
gegeben werden. Es mögen die nachfolgenden Blätter den zahlreichen Freun-
den und Gönnern des germanischen Museums zum Zeugnis dienen , dafs ein
wichtiges Denkmal deutscher Geschichte, welches, in den Handel gelangt, leicht
für seinen Zweck hätte verloren gehen können, nunmehr im Archiv des Museums
eine sichere Stätte erhalten hat, wo es wissenschaftlicher Forschung zugänglich
bleibt.
Wenn wir nun diejenigen Stücke vorlegen, welche sich auf den Ausbruch
des böhmischen Aufstandes, des dreifsigjährigen Krieges und auf die
4) Die erwähnte Abhandlung beginnt: »Von der Handschrift, welcher die nachfolgen-
den Nachrichten entnommen sind, haben wir schon früher — im (Linzer) Museal-Blatt 1839,
Nr. 1 — gesprochen. Uns darauf beziehend, schreiten wir allsoglcich zur Sache.« Uns ist
das Linzer Museal-ßlalt niclit zugänglich gewesen. Die in Rede stehende Handschrift hat
jedenfalls nichts mit den Briefbüchern zu thun.
— 59 —
dem Kaiserhaus von dem so nahe verwandten, politisch mit demselben in engster
Verbindung' stehenden spanischen Hofe gewährte Hülfe beziehen, — eine Ver-
bindung- und eine Hülfleistung, welche in den sie begleitenden Verhandlungen
und der Art ihrer Ausführung die schwierige Lage des Kaiserhauses veran-
schaulicht, welche fast in einer Abhängigkeit von den spanischen Verwandten
bestand, wie dasselbe nach den eigenen AuCserungen des Kaisers seinen eigenen
Unterthanen gegenüber sich in einer »Servitut« befand, — so greifen wir einen
gewifs allgemein interessanten und auch einigermal'sen in sich begrenzten Teil
der Protokolle heraus. Im einzelnen kann die Auswahl immer nur eine in ge-
wissem Sinne willkürliche sein. So geben wir des Zusammenhangs wegen auch
die dem östreichischen Botschafter zu seiner Information zugeschickten Ab-
schriften der Berichte der kaiserlichen Statthalter in Prag (Nr. 398—400). Wir
unterlassen es, die an sich besonders bedeutsamen Schreiben des Kanlinals Kiesel,
da dieselben schon in Hammer-Purgstall abgedruckt sind, hier noch einmal
wiederzugeben. Auch ohne dieselben tritt durch die Briefe des Kaisers, des Erz-
herzogs bezw. Königs Ferdinand, durch die Memorialien des Grafen Khevenhüller
selbst die Lage deutlich hervor. Wir erkennen einerseits die schwierigen und
unerquicklichen Verhältnisse am östreichischen Hofe, Schwäche, Geldmangel,
innere Spaltung und Intriguen, die von Ferdinand und Erzherzog Maximilian
bekämpfte Stellung Kiesels, des eigentlichen spiritus rector der Politik des Kaisers
bis zu seinem Sturz , wir erkennen auf der anderen Seite den Karakter des
spanischen Hofes (Nr. 618, 619, 694, 698), die Gemessenheit, die Langsamkeit
seiner Bewegungen, z. B. in der Verwendung der Armada, den guten Willen
des Königs, die Sympathie der verstorbenen »heiligen« Königin für das Kaiser-
haus, das »sollicitiern« der Erzherzogin Margarete, der Schwester des Kaisers
Mathias, welche im Kloster Des Calcas in Madrid lebte, die heimlich minierende
Thätigkeit des dem Hause Ostreich keineswegs freundlich gesinnten mächtigen
J\Iinisters, des Kardinals Herzog von Lerma, und seines Sohnes, des Herzogs von
Uzeda, welche beide »nicht trauen und lieber wollen, dal's das Geld im Lande
bleibe«, endlich die aufopfernde Arbeit Khevenhüllers selbst^).
Vieles ist in Ziffernschrift geschrieben''), namentlich der Briefwechsel
Khevenhüllers mit seinem Schwager Franz von Eggen berg, dem Haushofmeister
und Vertrauten König Ferdinands. Die chitfrierten Stelleu beziehen sich meistens
auf die verdächtige Haltung des Herzogs von Lerma und seines Sohnes. Was
den Inhalt der ausgewählten Stücke selbst betritt!, so ist unsere Absicht, sie
möglichst für sich selbst sprechen zu lassen. Wir begnügen uns deshalb mit
einer getreuen Wiedergabe dersellien und li(!sclu-änkon uns auch in i\en An-
merkungen auf das zum Verständnis notwendigste Mals. Hier soll nur rin llin-
5) Ders(ill)e aibrilclc init Einsetzung!: seines Verniötccns. Melircrc. seiner SrtiroiltiMi
an Kardinal Kiesel liandcin von seinem nickstiindigen Gehalt, von welchem er iiaih drei-
jähriger Amlsrüliriiiij,^ aufscr 8000 II. bei seiner Ahreisc keinen Kreuzer erhallen halle i^iSlülz,
a. a. ü. S. äl-i.) Von seiner eitrigen und fruehtliaren Tiiiiligki'it ^'\Ul er seiltsl das hcsle
Bild in dein unten abgedruckten, in meiirliuher Beziehung, auch in BelrelT der allgemeinen
Lage interessanten Bericht Nr. K99. Vergl. auch JN'r. 4i>y "und 027.
6j Von dieser ZilTernschrift, die wechselnd und verschiedenartig ist und deren Sclilüssel
zu linden nicht immer leichl war, denken wir in einem besonderen Arlikel einige Heisiiiele
aus den Bricl'iuichern zusammen zu sh-iieti.
— r,o —
weis uud eine Probe des reichhall ig-en Materials g-egeben werden; wir behalten
uns eine Bearbeitung des Ganzen an einer anderen Stelle vor. Sofern in den
folgenden Nummern. neue Aufschlüsse zu finden sind, weisen wir an der betreffen-
den Stelle darauf hin.
Das erste Sehreiben zeigt sofort die Lage des Kaisers und seine Hoffnung
auf spanische Hülfe.
Nr. 396. Schreiben von der Rom. kay. may., Wien, den ersten tag juny datiert,
Madrid den 3. tag july empfangen.
i>i'! Magnifice fidelis dilecte. Cur hunc cursorem istuc expediamus, et quid
Behemisciic') ^^ serenissiniuoi Hispaniarum regem catholicum consobrinum ac nepotem
iinriuiio betr. nostrum charissimum scribamus, ex apposito literarum nostrarum exemplo et
additarum scripiurarum intelliges. Quarum sensum cum apud serenitatem
ipsius et ser.'i^ii sororem nostram archiducissam Margaretham, itemque apud
cardenalem Lermae ducem subsequeris, quam diligenter instabis et urgebis, ut
optatum responsum, quam flcri primum possit, obtineas nobisque remittas,
praecipuam enim in serenissimi regis, nobis et august.^'ie domui
nostrae sanguinis propinquitate coniunctissimi , et religionis cath.'"ae defensoris
zelantissimi auxilio spem positam habemus. Quibus fideliter ac solicite
curandis, nostrae de te expectationi satisfacies, gratiamque nostram, quara iam
ante mereris, magis magisque promereberis, Datum etc.
P. S. Postquam ex Belgio ad tempus vocamus comitera ä Buquoi, quem
nobilis iam ante rex coucessit, ne quid istic eo nomine modo difficultatis
moveatur, sed ut omnia illi interea in Belgio integra serventur et relinquantur
opportune, ubique fuerit, curabis.
Nr. 397. Information woher und welcher gestalt die jetzige unruehe im kunig-
reich Behaimb zu Prag iren Ursprung genumeu und was sich dar-
bey verloffeu hat.
Ausfuehriiche Nachdem ir kay. may. ao. 1611 in das Behemische regiment eingetreten,
inforuiation und ist alsbald darauf vom h. abfen zu Braunau ein clag einkumen, wie dafs
antang des ggjjjg underthancu zu Braunau wider seinen willen ein kirchen in seiner stat
Behouuschen
Unwesen, baueten mit bitt, weil sie dessen nit befuegt, ir kay. may. gerueheten solches
bey gedachten seinen underthanen zu Braunau eiuzustöllen.
Hierüber haben ir kay. may. auf guetachten der herrn obristen land-
officier erraelten Braunauern umb bericht geschriben, mit bevelh, dafs sie under-
. dessen den pau einstöllen sotten, welchem bevelh aber sie nit nachkumen, noch
ainigen bericht irer kay. may. nit gethan, sondern im bauen fortgefahren, auch
von den defensorn ein schreiben darüber bekumen, dafs sie uugeacht irer kay.
may. inhibition disen pau aiuen weg als den andern^) in das werk setzen und
volfüehren sotten, welches auch beschehen.
Wider dises hat sich der herr abt jederzeit beschwert, ir may. aber
haben wegen deroselben aus dem künigreich Behamb verraisen, auch wegen
7) Diese Randbemerkungen sind gleiclizeitig, mit roter Tinte geschrieben.
8) ainen weg als den andern, d. h. in einem fort, ohne sich stören zu lassen.
— 61 —
der inmittels zwischen dero landen fürg-efallnen underschidlichen hochwichtigen
handlung-en und gescheiten dise Sachen differiern niuefsen. Letzlich aber im
1616 jähr sieh nach ersehung- baides des mayestetbriefs (in welchem nur allain
den ständen, und nit denen underthanen kirchen zu pauen bewilliget) dan auch
der zwischen denen sub utraque und una aufgerichten verainigung (in welchem
den underthanen auf den kayserl. herrschallen ebenmäfsig kirchen zu bauen
A. B. wie sub litera A. und B. zu sehen, zuegelassen worden) dahin gnädigst in per-
sönlicher audienz zu Braudeifs gegen den herrn graten von Thurn und an-
dern zwayen defensorn also resolviert: ir may. kündten nit befunden, dafs
den underthanen auf den geistlichen gründen kirchen zu pauen zuegelassen
seye^).
6. März'"). Hierüber haben die defensores aine Zusammenkunft, dessen sie sunst
zwar befuegt, ausgeschriben, und die in obgemelter vergleichung gesetzte die
kay. may. herrschaft unilerthanen allain betreffende wort auf alle geistliche
gueter, sintemalen sie kammergueter wären ^^), a simili für selbsten allain
ziehen und noch darueber in genere auf alle underthanen und inwohner des
lands exteudiern^^), solches auch pertinaciter defendiern und handhaben wollen,
c. Wie solches alles sub litera C. mehrers bei dem NB. inserierten paragraphis zue
sehen, ir kay. may. aber sein auf irer vorigen mainung und resolution beruehet,
und denen von Braunau bevolchen, dafs sie die kirchen zueschliefsen, und die
Schlüssel in die Behmische canzley niderlegen solteti, weil sie aber diseu nit
nachkumen, sein etliche aus den rädlfuehrern in gefengliche haft gezogen
worden. Eben ein solcher handl ist zu Glostergrab gewesen, als aber die under-
thanen daselbst die obberuerte kayserl. resolution angehört, haben sie sich
derselben bequemt, und darauf der erzbischof, dessen die Klostergraber under-
thanen sein, hat die neu aufgebaute kirchen wider abbrechen lassen.
Hierauf nun haben die herrn defensores eine neue zusamenkunft^^^) aus-
geschriben und in solcher ausschreibung gemeldt: dafs elliche unruehige leut
sie wollen umb den mayestetbrief bringen, mit aufmahnung, die sub utraque
selten zusamen kumen, und dafern sie aussenbleiben und daraus etwas ge-
fehrliches entstehen mochte, wollen sie, die defensores, entschuldigt sein.
9) Mit welchem guten Rechte diese Unterthancn aul" Kirclu'iitiüli'i-n die BestiuiuuiiigiMi
für die königlichen Güter (als welche auch die Kirchengüler anzusehen waren!) für sich gel-
tend uiaciilen, darüher siehe Gindely Kapitel t. 1.
10) Die am Rande beigefügten Daten sind nicht gleichzeitig, sondern vom Heraus-
geber hinzugesetzt.
Hj Hier wird der Slreit[)unkt richlij,' angegeben, der nadi (lindclys scharfer Unter-
suchung zu Gunsten der l'ruleslanlen enlschieden werden niuls. Die Versaniinlung fand
auf dem Prager Schlols im grofsen Saale des (lamlinum (so genannt nach Karl IV.) stall
12| Aus dem »Majcstiilsbrief" und dem »Vergleich zwischen den katholischen und
protestantischen Ständen«, den beiden Uechtsgrundlagen für das wechselseitige Verhältnis der
beiden Keligionsparleien, geht hervor, dafs »\c\\ Jeilcr (ob freie oder unfreie) Rewobner Höh-
mens fortan zu der sog. »böhmischen Confession« bekennen und Niemand zum katholischen
Glauben gezwungen werden durfte. Dafs die Prolestanten auch darüber hinaus griffen, wie
die etwas allgemein gehaltenen Worte der kaiserlichen Information dies andeuten zu sollen
scheinen, ist nirgends ersichtlich.
13) auf den :21. Mai.
— 62 —
Als nun zu dieser zusamenkunft vil personen erschienen, ist under
dem g-cniainen mann spargierL worden, dals freiiibdes kriegsvolk in Behaimb
II. konien soll. Welches ir niay. enipfunten und geöffnet, und ihnen wie sub D
dergleichen zusainenkunften zu verhuetung- einer aufruehr, bis auf dero an-
kunl't in Behaimb, damit sie Selbsten persönlich diesen Sachen seinen ge-
bürlichen ausschiag machen köndten, zuverschieben und einzustellen befolhen.
21. Mai. Ungeacht aber dieser kayserl. inhibition sein sie defensores den montag
post dominicam rogationum wider zusammen kumen, den vorgehenden sontag
aber in allen kirchen eine schriftliche, allem ansehen nach änderst zu nichts
denn nur zu ainer aufruehr geraichende ermahnung von den canzlen durch
E. ihre prediger publiciern lassen, inmassen ob solcher sub E. beyligend ermah-
nung zu vernemben.
23. Mai. Was uun hierüber bevoraus am volgenden raittwoch vor den defensorn
und der versambleten gemain sub uiraque auf dem künigl. schlofs zu Prag
und in der künigl. Behamischen canzley mit irer may. Statthaltern, zuwider
nit allain den öffentlichen rechten, sondern auch irem selbst aignem sub dato
den 30. marty dises Jahres an die herrn Statthalter abgangnem entschuldigung-
schreiben , bevoraus den understrichenen puncten und erbieten ist fürgenumen
und fern bt worden, bis^*) obgedachten herrn Statthalters an ir may. destewegen
F. ergangenen schreiben sub F mehrers zu erfahren.
Anlangend den mayestetbrief und die zwischen denen sub una und utra-
que der religion wegen aufgerichte vergleichung , haben ir kay. may. was
darine ausdruklich gesetzt nie gefochten ^s), sein auch noch nit des willens etwas
dergleichen fürzunemen , wie dan deren unterschidliche kayserl. resolutioues
und rescripta, die sie in dieser sach gethan, mit raehrern ausweisen, und haben
allain etliche, als den kirchenpau auf dem geistlichen grund betreffend und in
obgehörten religions concessionen gai- nit begrüffene einzüg und für sich selbst
von den defensorn und denen sub utraque zu interpretiern und extendiern an-
gemaste articl bis gebürlicher erkantnufs einstöUen wollen.
Und w^eil es also diser zeit gar nit umb den mayestetbrief noch umb die
religion, sondern umb dasjenige was die defensores und versamblete personen
mit deme so sie gegen ir may. Statthalter und per consequens ir may. person,
14) jedenfalls Schreibfehler; hier müsste stehen: isl aus . . .
15) nie angefochten. — Dafs der Majestätsbrief verletzt worden war, ist kein Zweifel,
fndirekl und direkt wurde dies von der kaiserlichen Partei selbst zugestanden. Khuen riet
am 8. Juni dem Kaiser, in einem Patente feierlich die Haltung des 3Iajestätsbriefes und die
Beobachtung des Vergleiches im Sinne der Protestanten zu versprechen, dabei aber nicht zu
behaupten, dafs er beide Gesetze stets beobachtet habe, weil dies den Widerspruch zu sehr
erwecken würde! Eine Konferenz des Königs Ferdinand mit Eggenberg, Khlesl, Molarl und
Trautmansdorf, in Pressburg am 9. Juni gehalten, beschlols, dafs sie dem Kaiser um keinen
Preis die gänzliche und vollkommene Einhaltung des Majestälsbriefs und des Vergleichs em-
pfehlen wollte, weil sie die bisherige Behandlung der Kirchengüterfrage nicht aufgeben mochte.
Gindely S. 323 und 32G. Freilich richtete der Kaiser, der in der Information ausgesprochenen
Behauptung entsprechend, am 11. Juni eine Zuschrift an die Böhmen, in welcher er sich feier-
lich zur ungeschmälerten Einhaltung des Majestätsbriefes verpflichtete, zugleich aber auch be-
hauptete, dafs derselbe nie von ihm verletzt worden sei. S. auch Anm. 16.
— 63 —
ja ihrem Jüngsten oben sub F. allegierten ausdruklichen entschuldig-ung und
erpieten selbsten e diaraetro zu wider attentiert und verlebt haben, zu thuen ist,
welchem ob zwar ir may. wol wissen, auch an mittl kainen mang! haben, wie
solchen als ainer g-ewalthätigen praecipitanz gehöriger massen zu begegnen,
jedoch damit auch in dissem lal die ganze weit ir kay. may. zu frid und
ruehe auch mehrers zu gnaden dan dem ernest genaigtes gemuet zu spüren,
als wollen sie auch ir disfals nit entgegen sein lassen, dafs solches factum per
ordinariam causae coguitiouem vermög der im künigreich Behamb löbl. rechten
erörtert werde, alda dan die gedachte defensores und ihre verwante ihr ex-
ception aufs böst als sie können zu befördern wüssen, und denjenigen was dis-
fals zu recht wird erkent werden, sich zu underwerfeu. Inmittels ire für-
habende kriegsvolks Werbung abzustöllen schuldig sein, und nit durch ein
solches gewaltsames unversochtes mittel iren selbst aigneu land statutis sich
öffentlich zu widersezen, ainzige fragliche ursach haben werden.
23. Mai. Nr. 398. Schreiben von denen dreyen kayserl. Statthaltern zu Prag an die
Rom. kayserl. may. auff dem Prager schlofs am mittwoch post do-
minicam rogationum datiert.
Wir können e. kay. may. in aller unterthenikheit nit bergen, dal's heu-
tigen tags ein grofse anzahl personen, aus dem herrn, ritter, und burger-
stand sub utraque zwischen 9 und lU uhr halben zeigers der teutscheu uhr
nach in e. may. Behambischeu canzley, auf dem Prager schlofs kumen sein,
und haben etliche wortreden und etlich Schriften ablesen lassen, in welchen
sie vermeldet, was für Ursachen sie zu dem obristen landrichter des könig-
reichs Behamb, auch den herrn burgrafen zu Carlstein, herrn von Marlinitz
wie auch den secretary Philippen haben, welchem dise widersprochen, aber die
andern bey diser entschuUligung nit verbleiben lassen wollen, sondern sie alle
drey alsbald nach einander in der Behamischen canzley zum fenster heraus
geworfen. Ob sie gleichwol noch etwas im leben, so ist doch zu besorgen,
dafs sie schwerlich mit dem loben darvon werden kumen. Welches wir e.
may. in der eul underthenigist zu wissen machen wollen , weil nunmehr aus
denen Statthaltern unser nur drey zugegen sein. Thuen uns mit unsern ge-
horsamisten dinsten diemuetigist bevelhen.
21. Mai. Nr. 31)9. Schreiben von denen kayserl. Statthaltern zu Prag an die Köm. kayserl.
may. datirt auf dem Prager schlofs am iiinnlag nach dem creuz sonlag.
Wir haben von e. kay. may. bey der heintigen sonabendlichen ordinari
post kain schreiben empfangen, geben aber e. may. von den hiesichen Sachen
disen bericht diemüetigest, dals die hern aller drey stend des künigreichs
Behamb sub utraipu^ aufs Prager schlofs in grosser anzahl sich ver.^amblen,
und gewifse Sachen in der landstuben Iteratschlagtm, was aber das sein möchte,
darvon haben wir in der warheit nichts gewisses erfahrt'n kiinnen, dan etliche
roden dil's, die andern ein anderes. Wir wollen e. may. ungern ein ungewisses
zueschreiben , difs aber wird in gemain geriull . dafs die herrn sub utraiiue e.
kay. may. schreiben ^^) und ein apologiam in Iruk ausgehn lassen wollen; ilafern
16) Es ist flic am Hl. März von Wien iiltiri-schickic. in Nr. .S'J7 als I) /.itirrU-, .stn-iigu
Aalwort, welciie die Kcciiliijaraiyl^eit der Uehaiitlluiig der KloshTgralior und hraiiiiauor auf-
— 04 —
wir was anderes erfahren wülden, wir nii unlerlassen e. inay. difs underthcnigist
anzeig'on. Aiierguädig-ster kayser, es ist kein zweifel, e. may. werden unser
schreiben bey der negsten ordinari post, was für ein uiiglik um vergangnen
niittwoch etlichen zugestanden, empfangen haben, darneben uns kayserl. und
königlichen gnaden bevelhend.
P. S. Allergnädigster kayser, künig, und herr, aus diemuetigistem ge-
horsamb und pllicbL erachten wir für ein unumbgengliche notturft zu sein,
e. may. gleichfals anzuzaigen, sie wollen ohne aufschub auf mittel weeg be-
dacht sein, wie difs feur im künigreich ßehamb ausgelescht und gedempft
werde, es ist albereit so weit komen, dafs die herrn stand sub utraque auf
die bewilligte contributioues bestellte obriste steur einnember (ainen ausge-
numen) abgesetzt und andere erwöhlt, und wofern difs aufs ehist nit wird ehist
eingestelt werden, ist zu besorgen, dafs sie volk zu rofs und fuefs aufnehmen
werden. Es ist zeit disem vorzukumen, wollen hierüber c. may. nit verhalten,
aber allererst da mir difs schreiben zu fertigen anbcfolhen, haben wir dü's er-
fahren.
30. Mai. Nr. 400. Schreiben der Statthalter in Behaimb an die Rom. kay. may. geben
auf dem Prager schlofs am mittwoch nach dem sontag exaudi.
23. Mai. Allergnädigster kaiser, künig und herr. Das schreiben so wir am ver-
schinen mittwoch an e, kay. may. gehorsamist haben abgehen lassen, zweiflen
nit, dafs überantwortet sey, wir aber bishero darauf kein antwort bekumen.
Aus dem andern unsern am verschinen sonabend an e. may. ausgefertigtem
schreiben werden dieselben, was wir von etlichen notwendigen grossen und
unvermeidlichen Sachen geschriben, gnädigst verstanden haben. Anjetzo aber,
was für ein apologiae und patent in allen craisen in euerer kay. may. künig-
reich Behamb von dem theil sub utraque ausgangen, welche beiden schritten
wir heunt bekumen, und e. may. gehorsamlich übersenden, und wie wir im
vorigen am sambstag datierten schreiben aus schuldiger pflicht, mit welcher
wir Gott dem alraechtigen und e. kay. may. unserem allergnedigsten herrn
verbunden sein, gebeten, nochmals in underthenigisten gehorsamb bitten, dals
e. may. ohne ainzigen aufschub gnädigst darauf gedenken und darzue sich
befleifsen wollen, auf difs übel alhier in Behamb abgestrikt und gestölt möchte
werden, wird solches nit geschehen, ist zu befahren dafs difs wesen wie das
Wasser wird wachsen, eur may. werden auch deren sub utraque weitere In-
tention aus der apologia zu was end sieh die Sachen lenken wollen, gnädigst
vernemen. Die patenten zu Werbung des volks zu rofs und fuefs sind gestern
ausgangen, wird also öffentlich kriegsvolk geworben, sie sagen wider die,
welche wolten e. may. disem künigreich und denen sub utraque schaden zue
fuegen zum schütz. Wir haben auch, allergnädigster kaiser, künig und herr,
recht erhielt, ausdrücklich behauptete, dafs weder der Majeslätsbrief, noch der ständische Ver-
gleich verletzt woi'den seien , jede weitere Zusammenkunft der Protestanten verbot und sie
mit schweren Prozessen bedrohte. Der wirlvliche Urlieber dieser grofse Erbitterung hervor-
rufendon Antwort war der Kardinal Kblesl. Doch hielt man die Herren von Martinitz und
Slawata für die eigentlichen Verfasser, und diese Vermutung war es, die zu dem Angriffe
auf das Leben derselben führte. Gindely S. 2S8.
— 65 —
veruumen, dafs die herren sub utraque in das künigreich Hungarn und in
andere lender auch zu chur und fürsten schreiben abgehen lassen, was sie bey
ihnen suchen, haben wir noch nit künden erfahren. Wie dan heint datum
dises briefs etliche schreiben gefertiget und ihnen gewifse personen zur ver-
schikung deputiert worden. Der herr Schlawata ist etwas besser auf, hat denen
sub utraque einen revers von sich geben muessen, wie man sagt, der herr
von Martinitz wo er sein soll kan man nit wissen, dan er denselben mittwochen
abends sich verloren^''). Wir drey aus den Statthaltern verbleiben allain zu
Prag. Für difsmal wissen wir nichts mehr, sondern befelhen e. raay. mit unsern
underthenigisten gehorsamisten diensten Gott dem almechtigen diemuetigist.
Adam von Sternberg.
Adam von W^aldtsteiu.
Diebolt von Lobkhowitz.
Nr. 405. Literae sac.i'^e caes.^^ jj^tis , datae Vienuae die undecima mensis junii,
acceptae Madriti die 3, mensis julii A^ 1618.
Magnifice, fldelis, uobis dilecte. Graviora in dies ad nos ex Bohemia ad-
feruntur, quemadmodum ex appositis scriptis intelliges. Quamobrem gravius et
vehementius, adhibita ope ser-'na-ß sororis nostrae charissimae archiducissae
Margarethae instabis, ut ser.™"» ^ex, nepos et consobrinus noster charissimus,
eo se celerius et llberalius declaret et resolvat. Ad quod obtinendum, nulluni
in te curam diligeutiamque desiderari passurum esse, scimus. Quo gratiam
nostram cumulatiorem consequeris.
Nr. 406. Copia literarum sac^e caes.^e mtis, ad regem cath,«"'" clatarum Vienuae
prima junii 1618.
Quanta repente malorum tempestas in nostrum Bohemiae regnum incu-
buerit, cum 23 elapsi mensis maii die, a quibusdam ex statibus uon eatholicis
in arce nostra regia Pragensi in cancellariam, locum consilii eius regui supre-
mi, invaserunt, ac duos ex constitutis nostris locum tenentibus vices nostras
gerentibus, et qui aderat, secretarium, per fenestras praecipitariint, arcomque
ipsam et quae ad arcis et regni praesidium atque aerarium pertinebant, suam
in potestalem rcdegerunt, ser.t^^ y.a ex oratore suo comite de Onate, cum per
consiliorum nostrorum primos diligenter bis de rebus agi curavimus, intelligct.
Neque in eo quidem eorum temeritas et audacla substitit, sed ad iiuiioru vi
graviora in dies facinora violentianKiue in cos iiiii iio!)is luictenus lidi , lidolos-
que et religionis cath.^»« cultores constantes fuerunl, nova ab iis iurameiita
extorquendo, quaeque sibi opporLuna videaiilur. oecupando. omniaque ail apcrlum
bellum necessaria (;omparando, ac pro libilu impcraiulo vi urgrndo progrcdiun-
tur. ünde quam pracsenLi in periculo et magno religio cath.''' nun solum in
Bohemia sed etiam in aliis regnis vicinis ililionibusquc constituta sit , sal
ser.tO'S .y.a perspicil. Quam taiKiuiiiii suhlimo auguslae ddiiius uoslrao columcn
et iusiguc religionis lirmamentum minime defuluiam conlidiiinis . i|iiia cclcrem
nobis et expeditam opem nulla mora iulerposila, pro praesenli necessilale. ijua
17) Die merkwürdige Uellung heider Herren und die Kincld des Miirtiiiit/. Iiesclireibl
Gindeiy auf Seile 291-297.
Mittoiluugeu aus dein guriiiaii. Natiüiialiiiu»ouiii. 18i)<i. IX>
— 6Ü —
maior esse nou possit, destinet. Petimus id enixe, quod uou solum ad nos, sed
et cath.cüs ubique omnes animuudos et ad domus nostrae maiestatem firmandam
conservaudauique opportunaui futurum, qua de re cum ser.**^ v.**- orator noster
proiixius aget. Nos vicissiin ser.*'^ y.rae causa quicquid possimus amanter
olTerimus.
2. Juni. Nr.- 407. Schreiben der lierru Statthalter in Behamb an die Rom. kay. may.
Praag' den souabend nach dominica exaudi datiert.
2'j. Mai. E. may. gnädig^stes schreiben, dessen datum zu Wien am dinstag- nach
himmell'art Christi dises lül8 Jahrs, ist uns gestrig-es tags gar auf den abend
übergeben worden. Nach ablesung haben wir den inhalt diemuetig vernumen
Der kay. statt- und wie uns 6. may. gnädigst bevelheu, dal's wir deroselben ausführlicher von
haiter aiisfiihr- j^j, ur.sach, welchcr der thail sub utraque wider den herrn Schlawata , herrn
des von Martiniz, auch Philipp Fabricium gehabt, worumb sie zum fenstern aus
Bebamisoiu'n e. uiay. Behamischer canzley geworfen sein worden , brichten solten. Als
künen wir e. may. nit bergen, dals sy auf uns dazumal in der canzley ver-
samblete Adam von Sternberg, Wilhelm Schlawata, Jarosjaw von Martinitz,
Diepolt von Lokhowitz, weil h. obr. landhofmaister des küuigreichs Behamb
wegen leibsschwachheit dazumal , wie der unglikselige fal sich hat zuege-
tragen, nit hat sein könden, wegen des schreiben, welches uns Statthaltern
wegen der Zusammenkunft in collegio kaysers Garoli des vierten ist gethan
worden sub dato Wien dem mittwoch post dominicam oculi jetzt laufenden
Jahrs, welches sie ausdeuten, als wan sy darinen umb leib, ehr und guet ver-
urtheilet wären, etliche fragstuk gethan und was weiter wegen des Schreibens
von dem thail sub utraque^ in grosser anzahl, sowol schriftlich als mundlich
ist geredt und abgelesen worden, was nun wir alberait obbenente vier darzu-
mal in der canzley geantwortet, und was weiter von der zeit au, wie obbe-
nenute personen zum fenster sein heraus geworfen worden , ist geredt worden,
das wollen wir Adam von Sternberg und Diepolt von Lokhowitz, was uns hier-
von noch ingedeuk, uns mit einander underreden und e. kay. may. zu wissen
thaiu.
Allergnedigster kayser, was die apologia, welche der thail sub utraque
in truk hat ausgehen lassen, und wir sie den vorigen mittwoch e. may. haben
zuegeschikt, zweiflet uns nit, e. kay. may. werden aus dero ablesen solches
vernumen haben, und wo e. kay. may. uns genedigist bevelhen, dafs wir sa-
mentlich, was gestalt disem mehr kuudte geholfen werden, unser räthliches
guetachten e. kay. may. eröffnen sollen. Ob wir nun wol uns ein gering an-
zahl beiluden, und allein unser drey von (!) e. k, m. gnädigstem willen von uns
ein geniege bescbehe, so können wir bey uns nichts änderst befunden, dau dafs
e. kay. may. straks alsbald unsaumblich durch mandat in alle crais den ständen
und einwohnern in disem köuigreich gnädigst zu wissen machen sollen, als ir
notturft war ein kriegsvolk anzunehmen, und in dem land ein beraitschaft, ver-
mög der landtafel articl vor beschützung des lands anzuordnen. Inmafsen diser
in der landsordnung gesetzter articl mehrers in sich holt.
Derowegen so ersuechen e. k. m. gnädigst und theten bevelhen, damit
das geworbne volk erlassen, auf des uukostens, und des armen volks aus-
— 67 —
saug-ung entibrigt (!), und diser Unkosten dahin, warzue er bewilliget, gelassen
wurde. Ingleichen dafs auch alle städt sub una und utraque mit Worten und
werken nichts für sich nehmen , und einer dem andern mit nichten betrengte,
sondern ainer gegen den andern sich freundlich und fridlich verhalte, und in
lieb beyeinander verbleiben. Der ungezweifleten hoflfnung, dafs sy, als e. k.
m. treue und gehorsame underthanen sich disfals gehorsamlich wurde(n) ver-
halten. Weil auch, allergnädigster kayser, wir niemands haben, der uns die in
dergleichen fälen hiebevor ausgangene mandata aufsuechte, als haben wir nach
dem zuestaud jetziger zeit und unser einfalt, dis unser beschriben guetachten
zu wissen thuen, nit zweiflend, e. k. m. ihrem von Gott dem almechtigen ge-
gebenem hocherlauchtem verstand solche mandat dergestalt lassen ausgehen,
dafs sy mögen frucht schaffen.
Wir bergen auch e. k. m. nit, dafs aus bevelh des theils derer sub utraque,
welche sie dem haubtman des künigl. schlofs Prag gethan, die in e. kay. may.
gefengnus des weissen thurns gesessne Praunauer sein ausgelossen worden, was
auch von denen erwölten und deputierten personen des theils sub utraque für
ein schreiben dem Adam Hensam und den patribus der societet Jesu gethan,
und heut nach dem dato desselben ihnen ist übergeben worden, thuen wir deren
beder abschritt, also auch das an die stött dises künigreichs in truk ab-
gangnen briefs beyverwart underthenigist überschiken. Wir, eur kay. may.
nunmehr drey Statthalter und diener, wollen gern bey denen sub utraque
personen, an welchen was gelegen, underhandlung pflegen, ob etwan es von
disem ausbot mecht widerkumen, oder aber, ob es aufs wenigist in solche
ausbot schreiben zur dilation mechte kunien. Dan dafs ein solches ausbot-
schreiben den jesuitern sol beschehen sein, haben wir zuvor kein Wissenschaft,
das weifsGott, bis auf heintigen tag nit gehabt, und haben uns darüber, als wir
es vernumen, nit wenig gestofsen und entsetzt.
Es gehet auch allerhalben in der geinain das geschray, dafs die herrnstände
etliche orter auf der gränitz in disem künigreich mit disem volk wollen be-
setzen, ob aber difs wird geschehen, künnen wir nit vor gewifs wissen.
Allergnädigster kayser und herr, bey dem beschlufs e. k. m. gnädigsten
Schreibens, auf das wir jetzo antwort geben, haben wir dis verstanden, dafs
e. k. in. mit ihren ganzen hohen haus Osterreich darob sein, solche weg und
mittel unsaumlich für die band zu nonien, damit disem jetzigen im kütiigreicb
Behem wesen gebürlich niöcht ai)geholfen werden. Hieneben thuen wir e. k. m.
diemiotigist und gehorsamist bitten, e. k. m. geruehen diCs aufs ohist so es
müglicli , beydes wegen e. k. m. selbslori also wegen e. k. in. höh. haus (X'^tor-
reich bestem, und auch wegen unser als e. k. m. treuen underthanen und diener
zu end zu richten. Der almechtige, guetige und genedige Gott, welcher r. k. ni.
in seinen hcnden hat, der welle, warumben wir seine göttliche almachl diMnuetig
bitten, e. k. m. gnedig verleihen, dafs allem unglik in disoin künigreich möchl
geholfen werden, dergestalt, damit e. k. in. als unser allergnedigster herr über
uns in friden gnedig, gliklich und IVidlich regiere um! herrschen m(>gen . und
thuen also uns mit unserm alzeit diemuetigen gehorsamen diiMisten zu dero
kay. schütz diemuctigist bevelhen.
— 68 —
Nr. 408. Schreiben iler herren Statthalter in Behanib an die Rom. kay. may.
Praag den 6, juny datiert.
31. Mai. Nebent e. k. iii. g'nedigvsten bevelh, dessen datum Wien am donnerstag
octava ascensionis, haben wir das klainer und grosser hmdrecht bis auf den
termin s. Hieronymi negstkunftig-en verschieben lassen. Es ist uns auch ein
anders e. k. m. gnedigstes schreiben -am sambstag nach dem sontag exaudi zu
Wien datiert zuekumen, in welchem uns zu wissen gemacht, dafs eur kay.
may. herrn Johan Eusebium Khain^^), dero gehaimen ralh und obristen, zu uns
absenden.
Thuen e. k. m. gehorsamst anzaigen, dafs heintigen tags in e. k. m.
canzley zu uns drey auf unser begehren der herr Khain kumen, alda wir
nach empfangnen credential von dem herrn nach lengs e. k. m. bevelh ver-
nuraen, thuen uns deme gnedigsten väterlich für dis künigreich tragende
vorsorg gehorsamist bedanken.
AVas wir vor ein antwort dem herrn abgesandten geben, ist kein zweifei,
dafs er von dem allem e. kay. may. berichten wird. Vermerken sovil, dafs
der herr abgesandt, sovil er nur wird kunnen, zu dem obbemelten friden
neben kay. may. gnedigsten bevelh richten, nebend seinem grofsen verstand
an seiner person wird nichts ermangeln lassen. Wir wollen erwarten, ob er
uns ferner in etwan brauchen, damit wir nebent dem herrn unserm eusseristen
vermögen, von allen Sachen uns underreden, was zum hosten e. k. m. und zur
stüllung des grossen Unwesens in disem künigreich Behamb dienen möchte.
Wir wollen gerne die gerechtikheit nach unserm vermögen jedermenik-
lich ertheilen und befürdern, es kurabt aber niemand zu uns, wir wissen auch
nit, ob wir für Statthalter gehalten oder nit, dan uns auch solcher titul nit
gegeben wird.
Bitten derohalben underthenigist, e. k. m. geruehten darein willigen, dafs
wir von hinnen von Prag nach haus und unser nahruug uns versurgen möchten.
Was wir für ein intercession für die patres jesuiter zu den herrn sub utraque
gethan, was wir für ein antwort darauf bekumen, desgleichen was ihnen für
ein patent gegeben , nicht weniger was sie heutigs tags für ein schritt in die
Behemische canzley durch gewisse personen uns überschikt, betreffend den
verschub des landrechten, dies alles übersenden wir e. k. m. gehorsamist.
Von dem herrn Ponson^^) zweiflen wir nit, e. k. m. haben gehört, das
schreiben von den herrn sub utraque, wie wir bericht, in arrest geben worden.
Der almechtig Gott behuete e. k. m. ubirall vor allem übel, wir mit unsern
gehorsamisten diensten thuen e. k. m. uns underthenigist bevelhen.
Nr. 421. Schreiben an herrn cardinal Glesel, Madrid den 11 july datiert in ant-
wort des Schreibens nr. 4142°).
Deroselben gnedigstes schreiben vom 9. juny Prespurg datiert, hab ich
bey dem aignen kay. curier den 3. ditto gehorsamist empfangen, und die con-
18) Oberst Khuen (hier öfter Khain geschrieben) war nachher unter Bouquoy und
neben Dampierre einer der Kommandierenden des kaiserlichen Heeres.
19) Dr. Ponzon war es, der als erzbischöflicher Beamter die Protestanten in Braunau
aufs härteste bedroht hatte.
20) Dieses interessante Schreiben des Kardinals vom 9. Juni, welches hauptsächlich
— 69 -
Das
ßehemische
Unwesen
betreifend.
Conte de
Bouqnoy betr.
H. cardiual
luaett'nsiou
betr.
! Wi.'gen iler
•Pienipotenz des
kiinijj
Ferdinand.
firmation des iyranischen schädlichen und hoch.strafmefsigen proces zu Praag
mit hegster betribnus vernumen. Wie ich nun vorhero diejenige diligeuz, so
mir die kay. may. bei disem curier anbevolchen, bei dem künig verriebt, wie
e. hochf. gn. aus vorigem meinem schreiben werden verstanden haben, also
bin ich de novo und mit mehrerm fundament, wie beylag ausweist, bey dem
künig- einkumen, und mundlichen ir may. die g-efahr dises schädlichen wesen
genugsamb vorgetragen. Der künig, erzherzogin Margredt, herr cardinal
duque de Lerma und alle ministri emptindens sehr hoch und lassen ihnen das
der kay. may. von e. hochf. gn. zuegestelten guetachten^i) (so ich ihnen com-
municiert) sehr wol gefallen und erbieten sich alle mit rath und that beizu-
springen, wie ich dan hoffe, werde in wenig tagen die künigl. resolution zu
content hinaus schiken können. Graf von Onate hat in disem negocio ge-
schriben als des haus getreuer diener. Den don Balthasar de Zuniga betriebts
bis ins herz, und alle schliefsen darauf, man solle die rädelführer strafen,
zu Gott hoffend, weil er sein hülf augenscheinlich denen übers fenster hinab-
geworfnen cavallieru erzaigt, er wird die kay. may. bey so gerechter sachen
nimmermehr lassen.
Wegen grafeu von Bouquoi hab ich gleichfal verriebt, was e. hoehf. gn.
geschafft, jetzt wird e. hochf. gn. propheceiung erfült , und erfahrt man in der
that, für w^en sie durch schreiben durch mich und andere gebeten und ermant
haben, Gott wend das weitaussehende iinglik und erhalt die kay. may. und
e. hochf. gn., so zweiflet mir nit, dise sach wird zu Gottes ehr, der religion
aufnemen und zu der kay. may. und des ganzen hochlühl. haus Oesterreich
reputation accommodiert werden.
Wegen e. hochf gn. praetension hab ich abermal mit dem cardinal duque
de Derma geredt, und darbey dero congratulation schreiben uberautwort, hat
sich de novo alles guets erboten, und will e. hochf. gn. selbst antworten,
sonsten kan ich nit änderst inen werden ^^j, als dafs alle sachen in gueten
terminis stehnt und verhoffeutlich disen sommer alles zu dero content ervolgen
wird.
Künig Ferdinand hat den an dem kay. hof residierenden Venedigischen
embaxadorn lustiniano die neue Pienipotenz (darvon mir o. hochf gn. vor
disem geschriben) zuegestelt, der hals dem hiesigen embaxadorn Pedro Griili
zuegeschikt, mit dem hab ichs in beysein des künigl. secretario Antonio de
Arostequi ausgewexlet und die alten cassiert, ist also dises auch richtig.
Durch den estreeho de Gibilterra sein den Venedigern 18 schitT Holleiuler
zuepassiert, haben 3 spanische schiff antrolfcn. mit denselben geschlagen, giiele
steefs empfangen und wider ausgeben, doch zu beiden seilen kein schitf zu
grund gangen, ist ein schlechter apiiial, dafs die VtMiodiger wollen frid hallen.
über den Grafen Bouquoy und das »hoiiniische Unwesent handoil , auch. einen Diskurs dt-s
Kardinals wider die Ketzer bringt, welche «die calholische kirohcn für die Italiiioiiische
huer, den habslen für don anlekrisicn . alle peisllichc für liaalspfafl'cn , dieli und inörder
U.S.W, halten,« ist bei Hammer, Kardinal iOilcsl. Nr. HiW nhtjedrui'kl. Wir vor/.iililen dos-
halb auf die Wiedergabe.
21) Dieses wichtige Gutachten (Nr. Mli des Uriefbuchsj ist ebenfalls bei llanuner
Nr. 865 abgedruckt.
22) kann ich nicht anders innewerden.
— 70 —
sunst bleibt die arniada in alten terminis, duque de Cosuna aber mit seiner
arniada will fast verzag-en, weil er durch die hiesige langsame expedition so
schene zeit und guete gelegenlieit verliert.
Ob ich wol vorher umb ein züffer geschriben, so ist mir doch bishero
keins uberschikt worden, und wie ich nachvolgendes änderst nit als in züffern
hab schreiben künden, also wollen e. hochf. gn. herrn Max. von Trautraans-
torff mit mir habende zülTer^^) abfordern und es deszüfferiren lassen,
4 92 18 30 2 16 GO Ö5 4 36 2 60 12 48 16 48 92 8 18 2 60 77 60 2 12 48
Auf die spanische hülf ist sich
13 92 16 59 8 60 60 16 36 40 2 IG 60 13 92 10 16 59 60 77 16 36 7 16 40 2
zuerlssen*-') wies zum ersten bewi
8 2 33 77 40 2 16 59 77: 4 81 65 93 6 4 12 4825) 4 92 18 1 16 2 36 2 4 59
ligt wiert : hernach auf kein iar
10 IG 59 30 4 36 30 4 60 33 16 8 77 60 34 10 4 36 48 2 36 4 92 60
mer dan das gelt so man hinaus
60 12 48 2 12 1 77 4 8 8 16 60 4 92 18 33 59 34 60 2 36 77 16 59 16 60 60 16
schickt alles auf gros interesse
4 36 77 2 12 2 55 2 16 59 77 40 34 59 30 16 36 36 2 77
anticipiert worden und man noch ff^ nit
33 16 18 34 8 38 16 36 1 4 36 4 59 10 4 30 4 60 12 48 (3)4 36
gefolgen kan und auf die armada schon
3
13 40 34 10 2 8 2 34 36 4 92 18 33 4 36 83 16 36
zwo milion aufgangen und nichtsdestoweniger bishero
3
36 2 77 4 92 60 13 16 8 34 18 18 16 36 2 60 77 13 92 59
nit aus geloflfen ist. Das hab ich zur
8 3
36 4 12 48 59 2 12 45 77 92 36 13 4 92 2 60 2 16 59 16 36 40 16 8 8 16 36.
nachrichtung avisieren wellen.
23) Der Schlüssel dieser Ziffernschrift ist
folgender:
a = 4.
in = 10.
1 = k.
33 = g.
b = 7.
n = 36.
2 = i.
34 = 0.
c = 12.
0 = 34.
4 = a.
36 = n.
d = 30.
p = 55.
7 = b.
40 = w.
e = 16.
r = 59.
8 = 1.
48 = h.
f = 18.
s = 60 (66).
10 = m.
55 = p.
g = 33.
t = 77.
12 = c.
59 = r.
h = 48.
i = 2.
""]=: 92.
13 = z.
16 = e.
60(66) = s.
77 = t.
k = 1.
1 = 8.
w = 40.
z = 13.
18 r= f.
30 = d.
92 _f-
Ueber die Art, wie der Schlüssel gefunden wurde, sowie über verschiedene andere
Zifferschrift in einem der nächsten Hefte.
24) = zu verlassen. Die Ziffern stimmen nicht immer genau. An einzelnen Stellen
haben wir, wo der Schreiber sich geirrt hatte, die richtige Ziffer darüber gesetzt, an anderen
eine fehlende Ziffer in () beigefügt. Die Worte, über welchen keine Ziffern stehen, sind in
gewöhnlicher Schrift geschrieben.
25) Die im Text stehenden Ziffern
4. 81. 65. 98. 6. 4. 12. 48 müssen in folgender Weise:
48. 16. 59. 36. 4. 12. 48 abgeteiltwerden, um mit dem Schlüssel
zu korrespondieren, und ergeben dann das Wort: hernach.
26) Dieses Zeichen kommt sonst nicht vor. Das Wort vor demselben kann auch macht
gelesen werden, da das a oft gleich o geschrieben wird.
I
— 71 —
Nr. 422. SchreibeQ an die rüm. kay. may. Madrid den 15. july datiert, in aut-
wort des uuin. 396 und num. 40327),
Zway derselben allergnedigste schreiben, ains den 1., das ander den
11. juuy datiert, hab ich sambt denen schreiben an könig, erzherzogin Mar-
gredt und cardenal duque de Lerma allerunterthenig-ist bey dero aiguen ab-
geortnen curier empfangen und daraus sambt den beygeschlofsneu abschriften
Das Behemische den unerhörten, erschröklichen process etlicher e. kay. may. von der religion
Unwesen betr. ^^^ utraque Behamischen landständ allergehorsamist und mit schmerzen ver-
standeu, wie ich nun dero kay. schreiben den künig, erzherzogin Margredt
und cardenal duque de Lerma in ertheilten underschidlichen audienzen aufs
ehist so muglich gewest Überantwort und den künig neben Vorstellung der
grossen gefahr zu rettung Gottes ehr, der catholischen religion conservation
und e. kay. may. höh. haus reputation, auch zu confusion und au.stülgung
dero feind und ungehorsamen zu erspruefslicher hülf stark ermant und mit
A. Übergebung eines memorial beygelegte abschritt gehorsamist ausweist, umb
ehiste erspruefsliche expedition underthenigist gebeten, also haben sich ir
künigl. luay. wirklich zu helfen, erzh. Margredt es lleisig zu sollicitieru, und
herzog von Lerma nach muglikeit zu der ehisten gueten expedition zu helfen
sich Vetter, brueder und gehorsamist erboten, auch dise that wie billich
zum hegsten empfunden, und sich darüber stark alteriert, hoffe zu liott (ob-
woln alle Sachen hier pflegen langsamb fortzugehen) den curier inner wenig
tagen (weil ich vor seiner ankuuft die maiste diligeuz gethan) mit gueter
erwinschter Verrichtung widerumb abzufertigen, der almechtig wolle e. k. m.
mit gesund und glik langwirig erhalten, damit sie ihre künigreich in frid und
ruehe regieren, die ungehorsamen nach verdienst strafen, die gehorsamen und
getreuen begnaden und zuforderist Gottes ehr untl die heyl. catholische religion
in denselben erweitern und defendiern mögen, darzu ir der zeit der almechtig
unverhotrte mittel in die hend geben. Der wird ir auch den sig verleihen,
weil sein aigen Interesse darinen versiert und die gerechte ursach für sich
selbst triumphiert.
CondedeOüate Gonde de Oüate hat über dise Sachen dem künig eufrig, und als e. k. m.
treue hochlübl. liaus getreuer diener geschriben und umb eheste wirkliche gelt-
inforniatiou. , ,, , , , , , • , i ■> i,i i r/ • • i i ■ i
und VülkshüÜ angehalten und ermahnl , don Balthasar de Zumga nimbt siclis
auch stark au und thuet das seiuig darbey, wie ers schuldig unil maus von
ihm begehren kan.
D.s künig aus Der künig aus frankreieh hat dem hiesigen künig wegen tlises vorgelollnen
hraukhruicb f^-gyels bewcglich zugcschribeu und niil vermelden, wan man solches ungestraft
opiuion " ° ... I • 1 I ■ 1 ■ 1 I
wegen des lasscu wurde, es ein solche consetjuenz md sicli ziige, dals es täglicli ihm und
iMi. mischen andern küiiigen und potentaten auch geschehen könte'^*').
Unwesens. , • n i- i i i
Was e. kay. may. mir wegen des grafon Hou(iuoi allergnedigsL bey dem
künig anzubringen bevelhen, deme kom ich allergehor.samist nach.
27) Du3 Ürigiiiul dieses Briefes hflintlfl sicli im Wiener Sluiil.siiiiliiv ' 'i',""'" l''S «'irtl
hei Giiidely a. u. 0. S. Tö'J zitiert, woselb.sl aiicli das Urteil Liidwitjs .\lll. iiIkt •di.><eii vor-
j^elulTueu frevel« erwüliul wird.
28J Siehe Auiu. 27.
— 72 —
Wegen der lu 6. k. iJi. uauicii luil lieiT cai'dinal Clescl mir allerg-nedig-ste Ordnung
Pienipotenz des gethan, wan andere Pienipotenz, betr. den Venedig'ischen friden von der künigl.
Feidinand. würdc in Beheimb mir zucg-eschikt wurden, soll ichs mit dem hiesigen Venedi-
gischen embaxadorn auswechsleu und die alten cassiern, wie nun högstgedachte
ir künigl. würde angedeute Pienipotenz dem an e. kay. may. kayserl. hol" resi-
dierenden Veuedigischen potschaf'ter Justiniano zuestellen , also hat ers den
hiesigen anwesenden potschal't Petro öriti uiirs einzuhendigen zuegeschikt,
mirs zuegestelt, und ist die auswechslung und cassieruug zu sein content, in
beysein des künigl. gehaimen secretario Antonio de Arostequi beschehen. Durch
den stretto de Gibilterra sein 18 Holl- und Engellendische schiff den V'encdigern
zue passiert, die haben drey spanische schilt" angetroffen , und dieselben also
feindlich angriffen, dafs zu baiden thailen grosser schad, doch kain under-
gang ainiches schiflfs, ervolgt, und wie solches ein schlechte f'rid iutention bey
denen Venedigern bedeut, also ist zu besorgen, die Spanier werden disen spot
nit leiden , sich rechen und die sachen möcht zu einer erweiterung erwachsen,
Gott wöll alles übel verhueten, und den heyl. f'rid in der Christenheit erhalten.
Die Spanische Des küuigs armada ißt noch nit abgeloffen, und weil nunmehr die halbe beste
.irinada betr. zeit des jars zum navigirn Ibruber, zweifelt man ob sie dieses jar abfahren
sollen; beschihts nun nit, so ist wider ein million umb ein sunst verzehrt,
welchen so man ihn hinaus hat remitiern sollen , wurden etliche genuegsame
dilficulteten darüber gehabt haben, Gott verzeihs ihnen, und beker sie, damit
sie besser ires herrn und des hob. haus Interesse als ir aignes in acht haben,
wie dan ir durchl. erzh. Margredt sich nit wenig darüber bekumern. Jetzt
HeL'fhruu" et- bügstgedachte ir durchl. haben gnedigst beyligende granat, sie e. k. m. zue-
lidier ^'raiiaten schiken zucgestelt, mit gnedigsten bevelh, e. m. gehorsamst zu bitten, sie
füi^ die iiifanta wollen ir eines jeglichen sorten 1000 ehist zue zubefürdern allergnedigst be-
aigan a. j.^j^^^ lassen, dan sie von der ersten ein mefsgewand zu stiken angefangen,
darzue sie noch, weiln der andern nit genueg waren, gedachte bederft. So er-
warten ir durchl. mit hechsten verlangen auch der von mir zu mehrmale alier-
gehorsamst angedeutten monstranzen, und werden sich gewifs über dise kay.
gnaden zum hegsten erfreyen, und es mit dero täglichen andechtigen gebet
gegen Gott um e. k. m. und dero kay. gemahlin widerurab verschulden.
Hieher ist zeitung kumen, dafs die ordinari vom may bey Yron ins
Wasser gefallen, und diebrief nach Prüssel, darbey meine gewest, verloren
worden. Daher e. m. ich beyligendes duplicat underthenigist übersende. E. k.
m. thue zu dero kay. gnaden und landsfürstl. hulden ich mich unterthenigist
hieneben bevelhen.
Nr. 423. Memorial an den könig alhier die Behemische aufruehr betr.
Der Graf von Frankhenburg, embaxador des römischen kaysers, vermeldt,
Hüifs soiiici- dafs er bey einem aignen curier von seinem allergnedigsten herrn e. may.
den gefehrlichen gegenwertigen stand des künigreichs Behem vor die äugen
zu stellen, Ordnung empfangen, nemblichen dafs diejenigen von der religion
de utraque, nachdem sie etliche vorneme catholische der kay. may. ministros,
in dem Prager schlofs, aus dem fenster hinaus geworfen, noch in irer rebeilion
continuiern, werben volk, vorlagen die geistlichen der catholischen, haben sich
des schlofs bemechtiget, setzen neue gesetz und gubernatores, bedienen sich
tiurung wider
die Beheuib.
- 73 —
des künig-1. eiukuiiieii , schreiben plasphemias . publicieren solche, damit das
g-emaine volk wider die kay. uiay. ang-ehetzt werde, auf deti predigersluel.
schiken coniniissarios zu denen teutschen fürsten und umblieg-enden landen,
sich mit ihnen zu coufoederiern , damit sie wider die catholischen ziehen und
dieselben selber orten austülg-en künden, bestellen ein neue formam reipu-
blicae. allein die succession künig's Ferdinandi zuverhindern, und dieselbe von
dem höh. haus von Osterreich zu bringen. Und wie das remedium diser sched-
likeiten in der kürze der zeit consistiert, also bemuehen sich ir kay. may.
aus dem gTo(strag;pnden eufer zu der heyl. catholischen relig'ion und aus ver-
langen des aut'nemens des hob. haus von Osterreich stark dahin, damit es im
anlang- remediert wird, und nit meher schödliche weitleufikheit daraus erfolge,
wirbt derowegen volk und macht grofse kriegspraeparation , befilht auch ge-
dachten grafen von Frankhenburg bey e. may. ernstlich anzuhalten, dal's sie
an allen orten wo vonnöten mit volk und gelt succuriern, das Friaulisch volk
dahin, und wo gröfsere gefahr erwiechs, das Maylandische gleichfals zu schiken:
und die bezalung der ;|^, fl., so man schon soviel lange jähr schuldig, und zu
einer so billichen und rechten occasion der zeit brauchen köndte, anzubevelhen
ir belieben lassen weiten, und dieweil in disem negotio Gottes, der catholischen
religion und des höh. haus von Osterreich Interesse begriffen und e. may. einer
der fornemsten defensorn ihrer ist, also versichert sich die kay. may. des effect.
und alle catholische erwarten mit verlangen dises succurs von e. may. catho-
lischen und christlichen eufer, welchen der Almechtig in e. künigl. may. kü-
nigl. person vil und lange jähr zu consolation der catholischen und zu con-
fusion Gottes und des höh. haus von Osterreich feinden erhalten wolle.
Nr. 443. Extract aus einem schreiben an herrn von Eggenberg, Mailrid den
20. july datiertes).
Bey disem kay. curier hab ich von meinem h. schwagern kein schrei-
ben gehabt, kan wol gedenken, wird der Ungrisch landtag und das Behomische
17 — u.
19 = i.
21 = 1.
22 = f.
26 = d.
27 = n.
SO = e.
81 = X.
84 = w.
86 = l.
fu.
42 z='
\^-
Was die Bezeichnung von Personen (IuitIi ciiizi-ltii' üiiclisliilicn oilcr Fitjuicn ln-lriiVi.
so war die EnlzilTerunt? wejrcn iMun^^els an .Anliiillspunklen nicht ininiei- inüglicli. In »iiescni
Schreiben kouimen lünl' tJi'rarlige CliiltVrn vor. (1 iii'dculcl den llcr/itjr von lATinii. W den
Kaiser, ^ Onale, den spanisclien Ge.sandli'o am osti'rn'irhisilii'ii lluli'. und (») Znniira . den
Vorgänger Onale's in der genannten Stellung.
Mitteiliiiiguii aus dem gcriii.in. Natioiialiniisoiiiii. ls'J.'(. \.
29) Der Schlüssel
für die Ziffer dieses
Schre
bens ist dej
a =
9.
n =
27.
2 = p.
b =
13.
0 =
17.
3 = r.
C :=
ö.
P =
2.
4 = m
d =
26.
q =
6.
5 = c.
e =
30.
r =
3.
6 = q.
f =
22.
S =1
10.
8 = g.
S =
8.
t =
36.
9 = a.
h =
IS.
19.
"1_
^1"
42.
10 = s.
11 = z.
k =
16.
w =
34.
18 = b.
1 =
21.
X =
81.
IB — h.
in =:
4.
z =
11.
k; k.
— 74
weseu die verhindernus g-evvesen sein. Gott scliiks alles /um hosten und wie
es zu seinem lob frid und ruehe gedeyen müg-e. Alsbald der könig- von mir
das Beheraische unwesen und die grofse weit aussehende g-efahr verstanden,
hat er sich euferig- zu helfen erklärt, als mit dem Friaulischen volk, und wer
vonnüten zugleich mit dem Maylendischen , auch über das jetzt alsbald iiiil
.^li duc. und in zwav oder drei monat wider sovil. 26 30 3 9 13 ^0 3
M) •' l)or '-< aber iiiul
10 30 19 27 36 17 27 26 9 10 8 30 21 36 34 19 26 30 3 26 30 27
sein son haben das gelt wider den
8 30 13 9 4 30 27 3 9 36 42 30 3 15 19 27 26 30 3 36 22 3 30 4 13 36 30 27
gchanien rat verhindert, weil sie lieber frembten
26 30 27 10 30 19 27 19 8 30 27 15 30 21 22 (27) 30 27
als dem fp und den seinigen helfen. ^l-
13 30 16 42 4 30 3 6 10 19 5 15 10 (10 30 27) 10 30 3 34 9 10 34 19 21
bekumert sichs ser. aber was will
4 9 27 4 9 3 15 30 27 27 19 36 3 30 4 30 26 19 30 3 3 30 27
man machen weil mans derzeit nit remedierren
16 9 27 /A hat in dieser materi als des erzhaus treuer diener geschriben.
kan. I M 1 1 1
ü) last ihms so angelegen sein, dafs man nit mer von ihm begehrn kan.
Behemische
unrnhe und
den graf
von Thurn
betreffend.
Nr. 444. Schreiben an herrn Max von Trauttmannstorff, Madrid den 20. july
datiert.
Z^vay meines h. obr. hofmeisters schreiben als den 30. may und 11. juny
datiert hab ich zurecht empfangen, verantwort dieselben hiermit. Wie hoch
mich der schedlich und weit ausfehende Behemische handl betriebt, kann ich
nit genuegsamb schreiben. Gott schiks zum besten, sonst wirds ein seltzame
wesch abgeben. Dafs herr graf von Thurn, den ich als mein vettern respectier
und lieb, sich darzue brauchen last, und nach allen avisen das haubt ist, macht
mir das herz blieten und kan mirs ganz nit einbilden, dafs dieser herr, so
für sein person und für seine voreitern so ansehlich umb das höh. haus
Osterreich verdient, jetzt auf ainmal wider sie und per consequenz wider
sein obrikheit und Gott seye. und so gar sein ptlücht und aid vergefsen haben
solle; dise ir Sachen kan nit bestehen, obs wol ein weil geweren mag, und
ist in Beharab nit ein solche form zu regiern wie in Schweiz, Holland und deren
orten anzuschiken, so ist auch die tiraney so grofs, dafs Gott in die leng
nit wird gedulden können, und selbst für sein sachn streiten muefsen; allain
ists umb unser arme länder zu thun, die werden verderbt und allen last tragen
muefsen. Gott wend alles ungiik. Was herr Khain guets ausgericht^o), erwart
ich mit verlangen zu wifsen, an seinem gueten Intention, und hohen erbarn
verstand wirds nit gemanglet haben. Ehe der kay. curier alhier augelangt,
hab ich ein Interim diligenz bei dem künig umb hilf gethan, die wird ervolgen,
mit dem Friaulischen volk, und wo vonnöten mit dem Maylendischen auch,
und mit ein creditbrief an conde de Onate und was er darauf aufnemen und
spendiern wird, es ihm herein alsbald richtig wird gemacht werden, so nun
^ mann also vonnöten, so kan ers haben, denn hats der künig mit Mantua
30) Es bezieht sich dies auf die Sendung des Froiherrn von Khuen nacli Prag nach
dem Fenstersturz, um an Ort und Stelle Nachrichten über die Tragweite des Aufstandes
zu schöpfen.
— 75 —
Ihun können, darvon er wenij;' dank, vielmehr hier, das uinh sehkheit. reieh
und des haus von Osterreich woliahrt gehet. 30 ^i) 2 66 66 16 48 2 8 18
Disse hilf hat der
33 16 48 4 10 10 16 59 4 77 30 16 10 33 16 59 4 77 77 16 36
gühamme rat dem qq geratten und köndt
30 16 59 60 16 2 36 60 34 36 /\ 4 7 16 59
mau nit mehr begehreu. Der St. und sein son ^\/ aber (so nit
7 16 59 16 2 12 48 16 36
mehr als die draufsige correspondenz, damit sie sich und ihre diener bereichen
7 16 60 77 16 8 8 16 36 13 92 92 16 59 48 2 36 30 16 59 36
und den qci bestellen künnen^2|_ ^u verhindern)
48 4 8 77 16 36 60 7 2 60 48 16 59 59 34 36 34 12 48 4 92 18
haltens bisherro noch auf und werden
30 4 59 92 34 36 60 12 48 10 16 8 8 16 59 36 4 36
sovil sie können darvou schmellcrn. Ich iass an
10 2 59 36 2 12 48 77 60 16 59 40 2 36 77 16 36
mir nichts erwinton, so wolj auch E. und B.. so hat auch
33 16 30 4 12 48 77 36 13 40 16 36
hierüber der F, als des haus treuer diener geschriben, gedachte zweu
4 7 16 59 33 16 18 4 36 33 16 36 13 92 6012 48 59 16 2 16 36
aber halten den qq gefangen, und wer vil davon zu schrei(b)en.
36 2 36 33 8 4 92 7 16 36 14 36 92 36 33 8 2 U 14 8
das mein herr obi-. hofmcister nie ghuibon kau. Ich bin unglickh
60 16 8 2 33 48 59 59 16 2 36 1 92 10 10 16 36 7 2 36
selig, dal's ich zu diser zeit hrr einkummen-") bin.
mufs nur gedenken, dafs der pogen schon so hoch gespant, dal's er ohne
brechen nit weiter kan gespant werden, bitte mein herr obr. holmeister, er
coinmunicier 30 2 16 13 92 18 18 16 59 48 16 59 59 36 ,
die züffer lierrn V, so schreib ich auch etliche
4 92 18 60 16 2 36 13 92 18 18 16 59
advertimeuta rtem 0 und I) und referier mich auf sein züffer
1 16 2 36 16 (10 2) 10 2 59 4 92 18 33 16 59 2 12 48 77.
weil sie keine mir aufgericht.
Nr. 451. Schreiben au könig Ferdinandt aus Behenib, Madrid den 2(). july
datiert.
Den kiinigi. Ob ich wol bey dem künig vor ankunll des kay. curiers allr mug-
succurs Wider jjchistc üTchorsamiste diligenzgepllegt, so hab ichs doch hernach, als er angidanirt.
die Hehemen , ^ , ,•,.,,■, -Z i c ,■ i . • •• i .
betreffend, mund- und schrilthchcn mit befserm lundanienl. wie e. iiiay. gnädigst aus
beylag zu sehen, thuen können, fr may. der kiiiiig, erzherzogin .Ahirgrel,
caidenal duijue de Lernia und alle hiesigen minist ri haben sicli über diesen
der Heheml) ers('hr()k- und unveranl wörtlichen geliertrii process zum ht'gsleii
verwundert, uiul denselben wie billich selir empt'iindni. der künig hat wirk-
lichen zu hellen, die erzherzogin Margredt es vleifsig zu soilicitit-rn . und
herzog von Leriiia zu gueter expedilion zu licltVi). und dir andern miiiislri
das ihrige darbey zu Ihuen, sich erboten, und ob ich wol vermaint d<'n riirier
alsi)ald mil erwinschler antwort abzufertigen, so hab ich d(«-h bey dieser
til) in (iicsoiii Stücii (ZillVr wie in Nr. 421 i hcd.'utcl i|i| ilrn s|mniscliiMi Könii?.
St. den llcr/.otf von Lcriiia, Sfinrn Solin. den \\ir/.>n; von U/cdii. !•' i.-^t \\o\ Onalc.
die liiirigcn Bczcicliiiiiimcn sind .siliwcr zu ix'stirnnifii.
S"!) Üen Köni^,' von Spanien iiestolilon künnen.
33j Soll oit'cnbar licr (4« 15 öUj einkiinunen iu'ifscn.
— 76 -
ticilioii, der die liini^sainkeil in ulleii saehtüi uiig'cboreii , l)isiiero iiil wie ich
^evvölt, vortkomcn ivCmdeii, hotte aber solle die abfertig-ung- gedachtes curiers
wo iiil diese doch dir andere wochen zum coiilenl erfolgen. Was ich nun der
zeit von dieser hüll' lialt, schreib ich zu wenig'er o. ni. ijohelligung dero obr.
holmeister h. von Eg-g-enberg; zue, der wirds derselben gehorsaniist zu referiern
wüssen. Cönde de Onate hat hierüber der catholischen raay. als des hob. haus
von Osterreich g-etreuer und g-ehorsamister diener g-eschrieben , und wie es
difs neg-otiuni erfordert, berichtet, den Ballhasar laft ihms also angelegen sein,
dafs er raehrs nit thuen noch man mer von ihm beg-ehrn köndte.
E. künig'l. niay. winsch ich von dem Almechtigen sowol in disen als allen
andern neben der kay. may. meinem allergnädig-sten herrn süg" und Überwindung-
dero felnd und widerwertig-en, und zweiflet mir nit, (iott wird selbst für sein
und der frumb heyl. catholischen obrikeit ehr allergnädig'st streiten, und die
ungehorsamen zue spotl und schänden machen, damit die treu und gehor-
samisten underthanen in frid und ruhe langwirig das christl. und siesse
regiment des hob. haus von Osterreich geniessen mögen.
Den succurs
und expedition
des curiers
betreffend.
Nr. 452. Schreiben an erzherzog Maximilian. Madrid den 26. july datier!.
Als in der kay. may. meines allergnädigsten herrn namens ich der künigl.
hiesigen den erschrök- und türanischeu process etlicher Behemischer stend
angebracht, haben sie es zum högsten empfunden und wirklich und ansehlich
zu helfen sich erboten, wie aber diese nation von natur langsamb, also hab
über vilfeltiges ermahnen und sollicitiern die expedition des kay. curiers ich
bishero noch nit haben könden, hoffe aber, wo nit dise, es aufs wenigist die
ander w^ochen zu bekumeu, und den curier abzufertigen, bey deme des künigs
aigentliche resolution, e. hochf. durchl. ich underthenigist avisiern will.
Gonde de Onate hat als des höh. haus von Osterreich getreuer diener
hierüber geschriben, don Balthasar de Zuniga thuet darbey das seinig, dafs
man mehrers von ihm nit begehren kan und obwol etliche nit zum
besten hinaus inclinierende die sach vor gering und wenig
gefährlich halten, so hoffe ich doch die wol intentionierte und in diesen
Sachen besser erfahrne werden mit ihren gerechten Sachen vorschlagen, und
die hülf wirklich und zum content ehist erfolgen. Die avisen sein wie aus
vorgehenden an künig Ferdinand schreiben zu vermerken.
Jieheniische
unruehe
betreifend.
Nr. 455. Schreiben an p. Bonauentura Damianum, Madrid den 30. july datiert.
Cum furorem et rebellionem Bohemicorum contra imperatorem et religionem
cath.<a"> intellexissem, statim operam dedi ut cath.o's rex auxilium suum
effective praestaret, quod sine difTiculfate et magna cum laude sui catholici zeli
obtulit, et voluntatem suam monstrare iussif. Dens est pro nobis, quis ergo
contra nos? et si tandem bona causa triumphat, quoniam haec ipsius Dei, quid
dubitandum est de victoria?
R. p. V. rogo vehementer, mein kuchel latein mir zu verzeihen, hoc ago
exercitii causa, ne linguam latinam omnino oblivioni tradam. Valeat et me
cum uxore et filiis meis suis precibus commendatum habeat.
77
Künigl.
' resolution
I wogen des
ciccurs wider
ilie Behmen.
lue Y() H-
betreffend.
Meine
< mbaxada
betreffend.
Nr. 459. Srhreibeii uii die ii'nin. kuv. iiiuy., Madrid deu 31. iulv datiert.
Als die abfertig-iiiiii' e. k. m. mir zueg-eschikten curiers ich instanter
und zu hoilT'en importune sollicitiert, wie sie allerg-nädigst aus meinen under-
schidlichen allerunderthenig-isten schreiben und beyg-eleglen duplicat verstehen
können, ist mir letztlichen von dorn cardenal duque de Lerma nachvolg;ente
antwort ervolg't, nemblich er habe bey dem künig- solche dilig-enz in befürderung:
des succurs in dem Behemischen unwesen gethan, als wie es e. kaj'. may. und
des g-anzen hob. haus g-etreuen g-ehorsamisteu diener g-ebürt, kündt also mein
curier abfertigen und des künig-s schreiben nit erwarten, dan ir künigl.
may. ehist ein eig-nen dem conde de Onate absenden wurden. Was nun die
expedition und des künig-s hierüber geuumen resolution, werde ich von des
künig-1. g-ehaimen raths secretario Antonio de Arostequi verstendigt werden,
der alsdan zu mir in mein haus sieh verfueg-t mit vorbringen, ir künigl. may.
sein ganz resolviert, e. k. m. nach mugükheit und gelegenheit der zeit wirk-
lichn zu helfen. Weil aber bey hieigem hof ein langhergebrachter nutz-
befundener gebrauch, dafs ihren embaxadorn die resolution zum ersten und
ehr als den frembden avisiert werden , so haben sies durch aigneu curier
dem conde de Onate die völlige resolution e. k. m. zu entdeken zasenten
wollen. Wan nun solcher curier verraist, als dan solle ich von allen ausführ-
lich bericht, und mir lieenz (so ich mein curier vorher abfertigen wolle)
alsbald ertheilt werden. Als ich aber vor unnot gehalten e. k. m. curier ohne
aigentliche antwort vorher und per posta, wan die künigl. resolution schon
hinaus, hernach abzuschiken , also hab ich bey mir beschlofsen, ihn zu tag-
raisen zu expediern, und meine schreiben .dem künigl. aufzugeben und hernach
mit verraisung der ordinari (so fast so bald anlangen kan) die ausführliche
relation hinnach zu senden , dardurch wird des curiers Unkosten erspart
und dabey auch nichts verabsäumt. Was ich nun auf tliesmal wegen dieser
hülf mit fleiCsigen nachforschen peuetriern könen . hab ich in zitfer aller-
underthenigist Interim beschliessen , und darneben e. k. ir.. ullergehorsamist
bitten wollen, sie geruehen allergnedigst dero löbl. hofcamer anzubevelchen.
damit mir die so oft versprochne "[, fl. aufziggell. ohne weiter dilation erlegt
und ich bey denen Fuggerischen dardurch in credit erhalten wenle**).
So wollen ohne beschwert e. k. m. aueli allergneiligst bedenken, (hiss
die hiesige bezalung von dem Sevillianischen gell nil allerdings riehlig. ieh
der embaxada halber mit einem grolsen Unkosten beladen vil e.\tra(>rdiiiari
albereit für dieselbe ausgeben, und wan ich nil Ordinarius, sie zu diesei- Bebe-
mischen occasion ein andern mit groCser spesu herein hellen schiken mueisen.
Wie ich nun in e. k. m. angeborne Österreichische niuelde und guete. dafs sie
dero allerunderthenigiste und getreueste underthanen vil mehr zu begnaden
und zu licfürden als zu schaden uml inigeb;g(Miheil zu füchren genaigl . mein
ganz undrrthenigistes vertrauen setze, also leb ich der allergehorsamsten und
tröstlichen holTnung. e. k. m. werden mein undei-tlienigistes verli'auen mil deio kay.
äugen also allergnedigst (ansehen ). dals ich zu dem wirklicher Ixv.alung ohne
34j Ui'bcr KlievciiliülliTs lii-riolduii^^ vv^r]. i\\,' Kiniciluug (Amn. (iK snwio
(Punkt b), iSr. 6iJ7 und Nr. ÜU«.
Nr. :i9y
- 78
VVcLCLMi (lor
graiiaton für
(He Krzli.
Margret.
vveilei' iiuCsL-hiil) g-eraiclion und zu dei-o kay. autorilel ohne nioiu inerklichon
schadeil und euCsei-islen verderben bey dieser eiiiliaxada lange zeitcontinuiern iniig-e.
E. k. in. ermahnen die hociil'. durdil. abermalen g:ehorsaraist und
suhvvesterlicli, derselben die vorher von mir allerunderthenigist angedeutte
g-ranaten (wie muster hiebey jeder Sorten lUUO) zu stickung eines mefsg-evvands
ehest zu schiken, das werden sie für ein g-rolse kay. und bruederliche g-nad
halten, und mit ihren andächtigen gebet alles wider hereinbringen.
Der duque de Alcala ist vice rey de Barcelona publiciert worden, ir
künigl. may. und dero künigl. künder geniefsen der gesund der zeit zu S. Lorenzo
en Escurial. Thue e. k. m. hulden und landsf. gnaden mich hiemit allerunder-
thenigist bevelchen.
Nr. 401. Schreiben an die Rom. kay. may., Madrid den 1. augusti datiert.
Sovil ich von der hülf mit fleifsiger nachf'orsch liab penetriern können,
Spccification ist. dals dem conde de Onate j"}, duo. hiemit remitiert werden, und daCs man
des küni^d. j^.j, pi'incipio das Friaulisch volk brauchen solte. Mer schikt man im ein
die Behemen. sccdula de credito, was er darauf aufnemen, es die cammer alhier alsbald
richtig machen will, von diesem wird er graf meins erachten wenig meidung
thuen. Der künig hat wiederumb etliche räth deputiert, über dis Behemische
Unwesen ein Zusammenkunft zu halten, damit wan vonnöten, man mit gelt
(davon alhier grofser mangel) succuriern kündt, ich will an meinen fleifsigeu
sollicitiern und urgiern, damits zu e. kay. may. content, und wie die gefahr
das remedium erfordert, ervolge, an mir nichts erwinden lafsen. Dem graten
wird nit weniger bevolchen, tleilsig in acht zu haben, ob e. k. ra. sich selbst
dises urtheil zu remediern eufserist angreift, so ers betindt, soll er thuen was
er kan, wo nit, sovil an sich halteji , so möglich ist. Das hab ich meiner
allerunderthenigisten ptlicht nach e. k. m. nit verhalten wollen, und wird
mehr benanten graten dis alles in züffer zuegeschrieben , was nun weiter
hierinen verlauft und negotiert wird, bericht e. k. m. neben uberschikung
bey der negsten gelegenheit der völligen relation ich allerundertheuigist und
thue zu dero kay. hulden und landsf. gnaden mich allergehorsamist bevelhen.
Nr. 462. Schreiben an herrn cardenal Glesel, Madrid den 1. augusti datiert.
Sovil ich von der hülf mit heimlicher diligenz ergrinten können, ist,
Siiecification
dos künig).
siiccurs wider
die Beiiemb.
dafs dem conde de Onate /("»duc. mit diesem curier remitiert werden, und
daCs er sich des Friaulischen volks zu dieser occasion bedienen solte. So
ihm auch ein cedula de credito geschikt, was er daraus aufnemen, man ihms
hierinnen guctmachen will, darvon er aber vielleicht wenig sagen wird. Item
so wird ihm conde de Onate bevolchen, tleissig in acht zu nemen, ob ir kay.
may. dis unwesen zu strafen sich selbst aufs eufserist angreift; wo es beschicht,
soll er thuen was er kan, wo er aber langsarakeit verspür, auch einhalten,
und dies hat ein curier verursacht, so vor tagen hieher angelangt und schreiben
von gedachtem conde de Onate in der stüU gebracht, darin er der langsamkeit
und Verzugs zu diesem werk befürcht, das hab e. hochf. gn. in högstem
vertrauen ich avisiern wollen. Man wird noch dise wochen ein ander
Zusammenkunft von etlichen räthen über dise Behemische rebellion halten,
will aber muglichen ileifs anwenden, dafs zu content ir may. abgehe, und auf
- 79 —
publicieruDg- der künig'l. resolution wans vonuüten replicieru. Vil räth sein
wol zu grofsen hülfen g-eueig-t, die aber zum meisten können, als hei-zog von
Lerma und sein söhn üceda, schiken das gelt nit gerne aus dem land. so
haben wir kein künigin oder kayserin mehr alhier, die erzherzogin thät
gern das ihrig, aber man halt ab, sovil man kan, dals der künig nit in zu
grofses vertrauen mit ihr kume.
Nr. 474. Schreiben an herrn von Eggenberg, Madrid den 2. augusti datiert.
Diser curier bringt dem conde de Onate die resolution der Behemischen
hülf halber, und weil sie hier im brauch, dafs sie den frembden embaxadoru
dergleichen resolutionen, ehe sies den ihrigen avisiert, nit [»ubliciereu, also
werden sie mirs vor abraisung des curiers nit communiciern, was ich aber
fication glaubwirdig erfahren, ist das^^) man jetzt dem zt, ^ß) j^ dncaten hinaus remittiert
und dals man sich des friaulischen volckhs bedienen solt. Es ist mir auch
ein zedula de credito geschikt. Was er darauf aufuemen, mans alhier alsbald
bezallen wolt. Daneben wird ihme sehr encargiert, wol in acht zu haben, ob
der q das unheil zu remediern sich selbst eusserist angreif l, so es beschicht,
thuen sovil er kau, im widrigen aber sovil als mueglich an sich halten,
3'^), dafs mau nichts tue und den ganz cargo auf den ¥¥ werfen
(will)^^). Ich hab genueg zu despersuadiern , aber die schreiben, so kumen,
klagen alle fardenza an, und in summa man traut unssern herren S nit.
Gott schiks alles zum besten und weil ich mein h. obr, sonst nichts neues,
und was vorhanden er aus ir künigl. may. schreiben wird verstehen können,
zu schreiben waifs, so thue ich etc.
-peci
düs succurs
wider die
Belieinen.
Nr. 478.
july datiert,
I'.eheniische
iinruehon und
-llicitierung
d(.-r hülf
iiutreft'eiid.
Schreiben von der Rom. kay. may., Wien den 9
Madrid den 8. tag augusti empfangen.
Magnilice fidelis dilecte. Motuum Bohemicorum procellae ita in dies in
horas in momenta crescunt et augentur, ut post cursorem noslrum iam istuc
ante expeditum et literas scriptas aliquem ex consiliariis nostris magnis itineribus
expedienduni duceremus, nisi de ferventi tuo in negotiis nostris studio ac zelo
eam opinionem haberemus, fore ut quae illi praescribere et per euudeni significare
potuissemus, tu diligenter ipse fideliterque et acurate exequaris. Mitimus iluque
in praesenti per cursorem hunc nostrum, quae post prioroin . qiii iamdudum
istuc advenerit, de novis tumultuantium attentis aceepimus. Quae omnia vivide
frequenterque tum serenissimo regi, ser.°'»c sorori nostrae regiisque ministris
et quidem imprimis cardinaii duci Lermae et don Balthasaro de Zuniga
35) Hier beginnt die ZilVcrnsclirift. Wir lassen die ZilTeni jet/.l «i'^r und geben
diejenigen Worte, welche in ZitTern geschrieben sind, mit schn'iffem Drink.
36j Dies Zeichen bedeutet wol Onate. q ist der Kaiser; VV der Ivönig von Spanien;
Herr S, dem man nicht traut, ist Khlesl.
37) I3ie hier stehenden ZilTern geben die Auflösung: der gelianie rinnlisr/in tirieggeu.
Offenbar liegt hier ein Fehler des Schreibers liezw. eine Auslafsung vor; es liandelt sich
wol um eine Resolution des geheimen Uates, in der auf den friaulischen Krieg Bezug
genoniuien wird.
38J Die letzt.-n ZilVern des Textes 34 42 5 30 80
haben dafür das cingeklanimerle Wort eingeschaltet.
wucee nebi'ii Kiinfii Sinn. Wir
— 80 -
explicabis, ul qiuie [iro suimiia rcniin iiosliariiiii neccssilutc iioslulaiiius auxilia
eo citius et ellicaciiis urg-eanter^ iiialiiientui" el iiiiiieiieiitur. Nos quidera ipsi
in repentina liac necessitate co[iias ium equestres tum pedestres de nostro
conscribimus et conduciinus, in quod mag-nam pecuniaruni sumniam impendimus,
sed cum ad sustentandam tautam belli iiiojem vires nostrae impares sii)t. aliotuiii
potentatuum cath.c'J'i"" quorum iutersit religionem ac rempublicam salvam
esse, imprimis antem ser.'"' reg-is cath.c" et nobis vin(Milis coniuncti, potenti
ope celeriter nos iuvari neoesse est. Cum deinde de auxiliis in specie et
auxilioium modis ag-etur, id iuxta memoiiale quod separatim bis additur agere
pei'g:es. Proinde urg-ebis, instabis, tlagitabis, (luam vehementer possis, et
optatam reg'is resolutionem sine mora, quae nobis et religioni cath.cae reique
publicae niniis damnosa sit, obtineas eaque obtenta eundem hunc* cursorem
eelerrirae remittas. Exequeris in eo voluntatem ac desiderium nostrum gratianique
nostram magis ac magis promereberis, quam tibi benig-nissime offerimus.
Nr. 479. Puncta secreta Possonio missa, de auxiliis et auxiliorum modis ^s),
1. Narret periculosam illam rebellionem ßohemicam ex passionibus parii-
instruction culariuiu quorundam natam, turbationem exereitii relig-ionis praetendi, reliquos
iBehemische jj^idgu^ status et provincias Austriacas per seditiosos illos ad couspirationem
efalir furzu- . . ., . . . ,
zustellen. luvitari, militem a rebellibus publice conscribi, insurrectionem universalem per
totum regnum inaudiri, jesuitas expelli, cath.cos oranes sub Servitute esse,
regni proventus in rebellium usum converti, praesidium arcls reg'iae ad
coniunctionem cum rebellibus cogi.
Cum autem communis totius haec domus sit causa caesarem a rege amice
nunc requirere, ut statim suo oratori in aula resident! caes.* sumptibus regis
^ peditum et niille equites ali, et ad flnem belli usque sustentari iniungat, non
grave id regi posse, cum imperatori Rudolpho non minus quam 6000 peditum
semper aluerit, cum nunc in bello Foro-Juliensi regi Ferdinando totidem
sustentarit, cum hie non minus periculi immineat.
2. Exponet rebelles etiam ab imperii principibus et statibus sub unionis
nomine comprehensis auxilia et ilagitare et iam expectare, imo et a statibus
Hollandicis aliisque omnibus inclytae domus hostibus et aemulis subsidia vel
publica vel clandestina sperare, et hoc non obscure ita ut haec rebellio, in
universale quoddam bellum contra domum augustam et contra cath.cos ab
imperii fastigio domum et ex imperio ipsos cath.^os deturbando et ejiciendo
exarsura videatur.
Hoc autem generale periculum cum omnibus universorum cath.corum
viribus sit vel praecavendum vel propulsandum. Idem rex peramice requiratur,
ministris suis in Itatia iniungat ut ad notificationem caes.^™ statim via, qua
commodissime poterunt, (quae Mediolano per Grisones et Tyrolim, Neapoli vero
traiiciendo ßrunduisio mare Adriaticum et Tergestinum appelleudo maxime
opportuna videtur) ^ pedites bene armatos et exercitatos sub ductu expertorum
capitaneorum, quique per provincias obedientes milites, ab omni insolentia et
39) Die in dieser und den nächsten Nummern gegebene faktische Darstellung bedarf
keiner weiteren Erörterung; die einzelnen Stücke geben in ihrem Zusammenhang ein scharfes
ßihl der Lage, Wir weisen besonders auf den Brief des Kaisers, Nr. 485, hin.
— 81 —
devastatinne cocrceanl, quo uaesar volueril. inittant, suiii|tlibus reg'is catli/'
ad tiuem belli eos susteülel, vel ad sex menses ad uiiniinuni. neque haec petilio
uimia reg-i videri potest, cum ob multo minorem causam in Italia pro coiiser-
vatione status Monferratensis maximum exercitum et in Juliacens. provinciis
non minorem in auxilium Neoburg-iei ducis, tam stricto sanguinis vinculo non
coniuucti, per aliquot annos continue aluerit.
Periculum ex hoc incendio ipsi regi maximum imminere. perditis istis
provinciis, et directe domo ab imp.to"a dignitate non amplius auxilia rex ex
Germania vel Mediolanum vel in Belgium conscribere vel educere i)oterit . ut
inlinita alia taceautur, quod consilium regis optime noverit.
3. Ad haec priora duo puncta resolutione regia iam impetrata et precibus
obtentis, de Finarieusi marehionatu rege investiendo, aget. Summa per ipsuni
caesarem denominatur, pecunia per cariibia Viennara vel mare Tergestinum
transferatur investitura oratori regio hie postea tradatur et orator regis nomine
I investiatur.
} Haec secretissime tractanda, ne vel in aula caes.äi vel Hispaniis haec com-
j missio Finariensis, antequam duo illa puncta obtineantur, de hac tractatioue
quicquam evulgetur.
I
Nr. 480. Notae innovationura Bohemicarum.
I Puncta brevia Apologiac a tumultuantibus Pragae contumeliis plenae eduntur, maiores
<kT Bebe- jndies coi)iae militares conscribuntur.
mischen ^,, ■ i i i • •■ • • i- i • i-
aufruehr. Ultra prius decretum contra jesuitas proscriptorium aliud lypis editum.
I quo illos tanquam templarios omnis mali auctores merito exterminandos dicunt.
Patentes suae mtis excusae, quibus paterne ad deponenda arma et ad
I quietem amplectandam monebantur, quibusque motus hosce sua mtas pacificis
! modis per viam iuris se componere benigne paratam ostendit, spernuntur.
Arx Carlostenia, in qua Corona regni et sceptrum et anli(|ii!i r\ praecipua
regni privilegia ac monumenta servari solent, occupata.
Oppidum Tabor in illorum poteslatem redactum.
Buduilium copiis mililaribus cinctum diras minas audit. fore sciiicel in
sese dedant, ut in cineres redigatur, neque Ibetni in utero matcrno parcalur.
Crombouia, mtis suae arx et dominium praesidiariis, qui eo missi l'uerunl.
diniissis, ad illorum nutum redacla.
Optimatus cath.'', ijui in illorum sese dedei-e voluntalem noiinl. luganlnr.
quorum multi relictis rebus omnibus Vieninim aul alio proluginnl.
Auxilia non solum in (iorniania. sod el in (iallia. Anulia et hania ol
statibus Hollandiae poluntur. •
Exactiones in dies graviores et novac imponiiiilur.
Incorporatae regni Bohemiae ol annexae ditiones in annoruni societalem
solicitantur.
Militem suae mtis alineum et exlernum constilulionibus regni |Mil»Iicis
contrarium. suuni autem pro delensione patriae vcnini ac |>ro|U'ium esse asserunl.
Ijaclilanl variis proleslalionibus adhibilis. si suae mlis milcs, conli-a illos in
rcgnnm inlrcl. s(ise impcdire non posse. (juin picbs e(H-l('sias et ecciesiaslicos
obrual, ad ([uud im|)ediendiiin njiligati esse noliid.
Mitteiliiiig-eii aus dem gerinaii. Naiioiialiiiiisoiiin. \S\)l\. \I.
— 82 —
Patentes publicae eduiiLui' (luibus oiuik's ml conchiniationem in armis
parati esse iubeutur.
Superiorum regni conventuum coutributiones et ab ipsis usurpantur et
novae Imponuntur.
Gommissarius quldum in Hungariam, cum iam coronatio regis instaret, ad
comniovendos ordiuuui illoruni aninios missus.
Burg-ravio suprenio et quibusdani ex locuintenentibus suae mtis ne ad
consilia habeuda aniplius couveniaut interdictum, excubiae iilis, queniadnioduni
etiam aliquibus absentiuni officialium couiugibus ac liberis, omnibus item arcis
regiae portis constitutae.
Novus trig'inta virorum mag-istratus, penes quos summa rerum potestas
Sit, designatus.
Litterae, quae per postas ordinarias mittuntur, etiam suae mtis propriae,
aut aperiuntur aut omnino tenentur.
Ulis qui a sua mte citantur, ue pareant iuterdicitur.
Qualibet hora quid novae machinationis auditur.
Nr. 483. Schreiben von herrn cardenal von Diettrichstein, Wien den 14. juny
datiert. Madrid den 8. tag augusti empfangen.
Die Behemische Es gehet alhier, dafs zu erbarmen, nit allein under hohen personen,
aufruehr suuder auch under den ministris grofse misverstand und mistrauen, die direction
)e re en . .^j. ^^^ küuig aufgetragen worden, in den Behemischen negocien, zu räthen
zugegeben oberster camraerer*°), der mit dem h. cardinal nit wol , und Hans
von MoUärth. In cammersachen Muschioger und Underholtzer. In bellicis
Hofrkhirchner und Lukhan, aber es wird letztlich allein müfsen auf die haubt-
mühl kumen. Ich furcht sehr, dafs wau Gott nil hülft, es were nit wol
ausgehen; alles zu schreiben were vil papier vonnöten. Herr Khain, so jetzt
vil gült bey dem kayser, soll bis auf ankunft des Bouquoi das volk sub
nomine commissarii coramandiern. Ir 1. der frau gräfin meine ganz willige
dienst, bitt sie und e. 1. wollen meiner armen Schwester und anderer meiner
befreundten negocia nit vergefsen.
Nr. 485. Abschrift eines schreiben von der Rom. kay. may. an ir durchl.
erzherzogin Margredt, Wien den 6. july datiert.
Das Bebe- Durchlauchtigtehochgeborne Erzherzogin, freundlich geliebte frau schwester.
mische Unwesen Dje eufserJste noth , dafs ich nunmehr bey meinen ungetreuen und unkatho-
betreffend. ^g^^j^gj^ underthauen weder land noch leut und letztlich selbst nit sicher bin,
dringt mich e. 1. zu importunieru; was ich hab und vermag, dabey ich weder
clainoter noch nichts verschone, wende ich daran, diese ungetreue underthanen
dermaln ains zu strafen, auch mich und mein haus bey dieser gelegenheit aus
der Servitut zu bringen. Es stehet aber auf ihrer selten alles zusammen, was
nur unkatholisch und calvinisch ist, heimlich und öffentlich ihnen zu helffeu,
und also mein ganzes haus umb iren erbthail zu bringen, die catholisch religion
40) Der Oberst-Kämmerer, der dem Kardinal Khlcsl nicht wol wil, ist Herr Leonhard
Seyfrid von Meggau, dessen Korrespondenz mit Khevenhüller ebenfalls in den Briefbüchern
vorliegt.
- 83 —
aber ganz und g'ar zu vertilgen, wie sie nie, dan dieser tagen vermöfsen
schreiben dürfen, dafs sie noch die übrigen geistlichen auch aus dem künigreich
verjagen wollen. Wie ich nun jetzund verlafsen, muefs ich mich dringlich
mit ihnen in einen accordo einlafsen, und thuen was sie mir fürschreiben, das
ist, die Jesuiten zu ebigen Zeiten ins künigreich nit eiiizunemben, die übrigen
geistlichen auszuschatfen, kainen catholischen rath zu gebrauchen, und nur die
so ihnen gefeilig zu befördern, und in summa sy das regiment, ich aber nur
den namen haben, denen werden gleich Ungarn und die andern länder folgen,
und ich thuen mül'sen, was sie wollen, oder ich muefs mich mit gewalt schützen;
das aber kan ich von mir selbst nit thuen, weil e. 1. wifsen, wieviel millionen
unser herr brueder, kaiser Ruedolph hochsei. gedechtnus, schulden verlassen,
wie alle ambter versetzt und verschribeu, und ich von Behemb jetzunder
kainen heller einkummen mehr hab. Daher ich zu einen exiremo getrungen
war, unserm herrn vüttern, dem künig ungelegeuheiten wider meinen willen
zu machen, oder aber mich auf das ander extremum zu resolviern, da ich
lieber wolte tot, als nur ein herr mit dem namen sein. Mir ist auch wenig
geholfen, wan die hülfen verzogen werden. Ersuche diesem nach e. 1. bruederlich
und freundlich, sie wollen mich nit lal'sen, dem künig die noth wol ausfüehren
und eindruken, auch alda ihr lieb gegen mir, unserem haus, und ihrem aigneu
Vaterland, sonderlich aber der catholischen religion erzaigen, das will ich mit
bruederl. affection erstatten und Gott (in defsen protection ich dieselbe bevilche)
wirils erstatten.
Nr. 487. Schreiben von herrn von Eggenberg, Wien den 12. july datiert,
Madrid den 8. augusti empfangen.
DeCselben schreiben ist mir zu end juny zuekommen. Dal's S*^) sein
41) S ist Khlesl, dossen falsches Doppelspiel dieses Schreiben in ZilVenischrifl darstellt.
(Die Worte, die im Texte des Briefhuches durch Zilfern ausjiedrückt sind, bezeicinien wir
wieder durch schrägen Druck). Das Doppelspiel Khlesls. welclies den Krzherzog .Ma.xiniiiian
lind den König Ferdinand zu den heftigsten Gegnern des Kardinals machte, die auch
schlielsiich seinen Sturz und seine »amotion« hcrbeifülirlen, bestand in der llintanhaltung
jeilcr -Vktion. die Ferdinands Stellung heben konnte (Erhebunsi: auf den böhmischen, den
uiigarisciien Thron, energisches Vorgehen gegen die Böhmen) unter dem Deckmantel der
l^ielät für den Kaiser Mathias, der Fürsorge für das Haus Üeslereich. Bemerkenswert ist,
dafs man dem Kardinal audi in Madrid am spanischen Hofe nicht traiile. W'rgl. die (in
ZitTernschrift gegebene) Notiz in dem Schreiben Kheveiihüllers an ICggenberg vom i. August
(Nr. 474j: in Summa, man traut unserm Herrn S. nit. Zu verschiedenen .Malen hescliwerl
er sich, dafs am spanischeii Hofe »ungleiche information« über ihn bestelle, dieselbe ist
dann der Gegenstand seiner Korrespondenz mit Khevenhüller (Nr. ist ii. a), seiner Ueoiit-
fertigungen und Versicherungen Kli. schreibt einnuil an den Obrislen Khueii (}>. Aug.,
Nr. 4U3i: Herr Cardinal ist hier wieder de novo hiUslich hineiiigehant.
[n dem voi-lietreiideii Stücke wird er bescluildigt , Kheveiihüllers und Anden-r Briefe
aufzubrechen, Uneinigkeit und Mifstrauen zu säen. Nur wenige Stimmen erheben sich für
^ihn. So diejenige — wenigstens in beschränkter Weise — des Herrn Jörg TeulTel im
Schreiben Nr. 543. Dagegen Hartmann Trach (1. Aug., Nr. 544): . . und ist seinen t Kiesls)
favorisanten , darunter |iriiicipaliter der herr Kliuen . graf von l'uehaimb und .Max von
TrautlmaiiiistortV bekaiit worden, das haimbliche practiciern einzustellen, cTii>llii!i und .<iib
— 84 —
falsches doppedieren nicht verenderl, das klitnl iedermann mit schmerzen , und
ich hab es nie so wol erkennt^ als die zeit hermnb zu Pressbur<i in der hum/e-
rischen Iraclntion und erfahre es iezt allhie in der bh(e)mischen noch mehr
und nur //«?• zu v(i)l. Dahero wol zu g-lauben, daCs er meinem herrn schwag-er
so KJol, als andern brief auf bricht und anders mehr thuet, denn ihm ist nichts
zu ril. Mein herr schwag-er (der sich in der Ziffer mit difsjem zeichen ^o
eintmmien icollt) hat ihme aber auf sein arg-wohnisches schreiben gar tcol
(jeantwort. An diesem erscheinet sein böse intention, dafs anstatt das er die
herrn des hauses unieren solle, er alles thuet, was zu diffidenz und entzicaiung
dient.
Des marques Paris Pineli neg'ocium bleibt diserseits wol in f/ehaini und
waifs darvon niemand als C, Z, die person, die die schreiben geschriben, und
der abbale Rossi. S soll wol darron nichts wissen*"^). Bitte mein herr Schwager
mich unbeschwert erindern, wie dasselbe negocium geschaffen, was darvon zu
hoffen, der wolle auch dasselbe aufs beste patrocinieren und promovieren.
Den statum des spanischen hofs hab ich mir wol ex ^v^^cedentibus etlicher
mafsen imayinieren können. Aber so vil particularia hab ich nicht geuyüsst,
danke derwegen 1p umb die vertrauliche communication ; ist fast ein ritratto
des q*3) regiments und zu erbarmen, dafs die höchsten heubter des hauses sich
durch solche lose leut regieren und betriegen lassen. l)'\s%vseits, hoffe ich,
werde man bald Wendung sehen. Ich verlange zu vernemen, ob in der heurats-
- o
Sachen zwischen ü söhn und G tochter etwas geredt oder gehandlet worden.
J. ritratto ist schon vor vielen wochen und ehe dan mein gnädigster künig
nach Prefsburg geraist, dem ^ nach ^ zu schikhep angehendiget worden.
0'*-*j ist von mier wol erkant, dafs nie in guettem, sondern alzeit als ein
grandissimo vellaco und ob er schon den namen und titul zwaimal verendert,
so ist ihm doch der obgenannte alzeit bliben. Er ist der verstorbnen heiligen
kUnigin^^) ergster feind alzeit gewesen, wierts gegen den kindern und ganzem
geblüet nit weniger sein wollen, und dahero ist deste weniger zu verwundern,
daCs er die tractation mit U zu verhindern so vil mittel gesuecht.
comminalione vom künig und crzh. geboten worden. Die Relation über die am äU. July
erfolgte Verhaftung und Wegführung des Kardinals (Nr. 333) übergehen wir, ebenso die den-
selben Gegenstand behandelnde Nr. 672, da beide Stücke bei Hammer a. a. 0., Urk. Nr. 882
und 916, abgedruckt sind. Vergl. übrigens Nr. 56.S und Nr. 600. Anm. 37.
42) Die Prätensionen des Marques Pinelli am spanischen Hofe interessieren hier nur
wegen der auf Kardinal Khlesl bezüglichen Stelle, der nichts davon wissen soll.
43) q ist der Kaiser. Die folgenden Beziehungen sind nicht so leicht zu erkennen.
Welche Heiratsangelegenheit gemeint ist, ob es sich um den Plan der Verbindung des
älteren Sohnes Königs Ferdinand (U ?), Erzherzogs Karl Johann, mit der Infantin Maria (J?)
handelt, ist nicht völlig klar zu ersehen. »Contrafets« wurden in dieser Sache mehrfach
geschickt. ist Onate. Das Zeichen ,S ist, da jeder Anhaltspunkt mangelt, nicht zu deuten.
Ebensowenig die Worte »zu schikhep« , wie nach Mafsgabe der vermutlich unrichtigen
ZitYern 11 42 10 3 13 19 16 13 30 2 (Schlüssel s. Anm. 29) zu lesen ist.
44) Lerma.
45) Königin Margareta, Philipps III. Gemahlin, starb 1611.
8Ö
wegen graf
von Thiirn.
siircuFB wider
die Behinen
Nr. 512.
Schi'eil)en
datiert.
an
heiTi] Hans Ludwig- von Ulm. ^ladiid ilen 14. anj>-iisli
Weg-en glikiicher Verrichtung' der ung-erisciieu crönung- congral ulier ich
ihm aufs schönest, sonderlich weil ich waiCs, dafs er davon vil parte hat, Gott
helf ehest zu der römischen mit frumen und aufnemen der catholischen religion.
und stülle nii( des höh. haus reputation das Behemische Unwesen, das mich
herzlichen schmerzen thuet, und sonderlich, dafs der graf von Thurn als mein
vatter und muetter brueder ir haubt ist; wer sintlig-t soll g-estralt werden,
wans mein söhn were, wolts nit widerrathcn. Der künig- hat sich resolviert, auf
mein so starkes anhalten dem conde de Onate der Behemischen ung'elog:enheit
halber jetzt ^ duc. richtig: zu machen*^), und das Friaulisch volk. solang-
diese rebellion wehret, zu underhalten, und, wan mehrers vonnöten. sein guber-
natorn zu Mayland und vice rey zu Neapoli alsbald nach müglikheit zu succur-
riern aubevolchen. Wer weifs, wie die Sachen hier stehen, der kan mir umli
solche neg'ociation (doch ohne beruehnd) zu melden) danken, ich furcht aber,
ich wers mein tag- wenig zu genieCsen haben, den man halt mir nit allein was
man mir bey der cammer zuegesagt, nit, sonder man antwort mir gar nit iiuMu-
auf dise mein billiche begehren; ich will dienen so
nichts mehr, so ist es mir schon verboten.
lang
ii'h kan. hab ich
Den Behcini-
schon succuis
und dises Un-
wesen betr.
Nr. 563. Schreiben von h. von Eggenberg, Wien den 4. septembris datiert,
Madrid den 3. octobris empfangen*'^).
Aus meines h. Schwägern schreiben vom 20. july hab ich verstanden, wie
euferig sich der künig erzaigt irer kay. may. zu remedierung des Behmisehcn
Unwesens würklich zu helfen. Also hab ich auch aus einem andern schreiben
an Hartman Trachen ausgangnen vernumen , dafs. zu solchem ende, ehist, ein
curier mit der künigl. hülfsresolution heraus abgefertigt hat sollen werden.
Desselben curiers erwart maii min alliier mit grol'sem verlangen, sonderlieh
auch der conde de Onate, der sich beklagt, dafs er über die gewöhnliche zeit
keine schreiben aus Spanien gehabt und dahero in allerley zweit! und sorg-
feltikheit gestanden. Der graf von Bomiuoy ist nun mehr mit dem kay. höhr
in Behmen, und erwart man täglich avisa glikliches success'*^); underdessen
le stand. dur(tli abgesanle. alhio
Im reich aiinierl man last ullenihalben und sieht ihm
nit ungleich, da das Behmische wesen nil bald accomodieil wird, dafs ein general
tractiern die Mährerische und Schlesingisc
guetliche corapositiones
relig'ion krieg daiaiis entstehen soll. MtMn
gnedigsler
kiinii
llC
ind
sich jelzl
imendar alhier, weil ihm von ii- nniy. dem kayser die direction des Bchmischcn
46j Hin- zeigt sicli der l^rlolti dor Tiiiilitclit'il Klit'vt'iiiiiillfr.s. Iiiilf.ssi'ii .so licilculfiitl
die llült'ici.stuntr war, so wenig geiiügte .sie dem vorliuiidcnen Hediirlnis. S. Nr. JiDU. Aiiiii. 5Ji.
— Die Annales l''fi(lin;iii(lei (Tom. IX. Spalte 78— 8S) golt.ii nur das Meiiiurial des Kardinals
Khle.si (Nr. 4io, aljgcdruekl liri llaiiiiner, Urk. 86?i) und dann ganz kurz das V(»n Klievenliiiller
erzielte Ucsuttat der spanisciu'n llülfleislung.
47j Es sind aucli in diesem Stück die niil ZilTornschrirt aus^redrüi klcn Worte sthraji
gedruckt.
48) Der Krieg gestaltete sieh anfangs sidir ungünstig füi- dm Kaisi-r und nahm erst
gegen Knde des Jahres 1G18 eine hesscre Wendung, nachdem der Anscidufs der Oeslerreicher
und .Miiliren an die Höinni'ii unterldielien war. (liiuiely. Cap. 7. Vergi. Nr. (ÜMI.
- 86
Wesens uuigu
uleii worden. Etliche, timl \it'lleichl nil mit l)()seni fiiiuluinent,
sein der inainimg', es möchte die Böhmische coniposition dem churfürstl. coilegio
übergeben und zugleich der vorangestelte churfürstentag gehalten und das
Römische succession werk tractiert werden. Dal's G^^) in seinem geiz und
widericertiyen inlentionen forlfehrl , tlal's ihm <iach nein söhn secundieri und
?iochfol{/t, vil mehr aber dal's Vl*^^) die äugen nicht avflhui und sich und
sein munurc.hid von der ruimi salvier^en, wie zu hoffen ist, es werde das exempel
Uli/ dem S^^) auch in s/janien nnz sein, and zu einer yuefen nachfoUj dieneti^'^).
Nr. 594. Schreiben uii die Rom. kay. may., Madrid den 18. tag octobris
datiert, und abschrift dessen künig Ferdinand uberschikt.
E. kay. may. soll ich underthenigist nit verhalten, was rnassen alhie beyin
Fr. .ii.sLpiuim küuig vou der babstl. heyl. nuntio vor etliche monat, jetzt aber von neuem
durch einen capuciner ordens priester, so sich Fr. Josephus Parisiensis nennet
10 9 il 5 36 94 21 19 8 9 453) /.wischen den högsten christlichen potentaten,
Parisiouseni
und gewisse
nejrotia betr.
saiictam
Caesar Gail
nach Spanien
expedition
betreffend.
als babst, e. k. m., künig von Hispanien, Frankreich und Polen gegen 36 42 3 8 30 27
tnrfren ■'*)
ZU schliel'sen angehalten worden
Und hat Frankreich , jedoch dal's solches
noch gehaim gehalten werde, 26 9 11 42 42 31 3 34 19 21 21 8 36 Gleich-
dazu verwiilgt.
fals ist von künig alhie das wort gegeben, also dafs nunmehr gedachter pater
von hinen nach Frankreich wider verraist, welcher in grofser gnad beym künig
und von seinen vornemsteu ministris sehr beliebet, er hat sich selbst anerboten,
im fall der von der Reekh seinen weg nach Paris nemen, auch mit e. kay. may.
notwendigen reversalibus versehen, bey seinem künig umb dienliche zuedem-
l>fung der Behraischen unruehe, sonderlich wegen abhaltung der Hollendischen
und unierten hülf anhalten werde; dafs er verhofft nit allein das, sondern noch
ein mehrers zu erhalten.
Nr. 599. Schreiben an die Rom. kay. may., Madrid den 21. tag octobris datiert.
Durch Italia werde ich von glaubwirdigen personen avisiert, dafs e. k. m.
zu mehrer intbrmation des Behmischen Unwesens und sollicitierung erspriefs-
lichen succurs ein aigne person. als den Caesar Gail^ö) hereinzuschiken aller-
gnedigst willens sein. Wie ich diese hereinfertigung nun aus vielen Ursachen
gar nit vor rathsamb achte, also hat michs gewissen und meiner allerunder-
49) Der Herzog von Lernia.
SOj Der König von Spanien.
51) Kardinal Kiesel.
32) S. Anui. 65.
33) Den Sclilüssel der Zitl'ernschriit siehe Anuj. 29.
54) Türken.
33) Diese Sendung des Cesare Gallo, die Khevenhüller kränkte, hatte ihren Grund
in dem Umstände, dafs die spanische Hülfe (s. Nr. 312J schon im voraus verwerte! war.
Dem Kaiser blieb nichts übrig, als Philipp HI. schon jetzt um weitere Unterstützung zu
ersuchen. Als eigener Gesandter wurde C. Gallo abgeschickt, der als Augenzeuge der in
Wien herrschenden Not den König zu den grössten Opfern hewegen sollte. Gindely, S. 412.
Vergl. auch Nr. 698. 716. Kin deullichi's Bild von dor Thätigkeit des G. Gallo gehen die
Protokolle Khevenhüllers vom Jalire 1619.
— 87 —
thenig'isten Schuldigkeit nacli gebüren wollen, etliche aachgesetzteinconvenionlia
darüber für dero kay. äugen allergehorsamst zu Stollen.
Erweisung Erstlichen wird er nichts mehrers ausrichten können, dan alle mügliche
iiieiiier übrigen jjijg-enz bey dem künig- und seinen ministris jetzt und vorher, ja ehe. dal's
Behmischen 6. k. lu. mir vou der gedachten entstandnen unruehe allerguedigst geschriben.
uegotio. von mir gelaist worden, wie ich mit Gott dem künig. ir durchl. erzherzogin
Murgredt, denen künigl. ministris, dem von der Reekh (so mir treulich assistiert)
und allen warhalten darumb wissenden personen bezeugen kan , und es meine
an e. k. m. allergehorsameste vilveltige schreiben und relationen . auch aller-
gnedigsten autwort (darinnen mein ileils und arbait zu allergnedigsten gefallen
aufgenunien wird) ausweisen.
Erweisung, Zuiu andern so halt ich darvor. dafs ungeacht bei so grofsem geltmangel
dafs zu dem ^Ihier und dafs Venedig wegen der starken armada im goltb nit zu trauen,
Behemischen . i ■ • i
nnwesen nichts Savova in ueucr Werbung und ein ansehnliche Aimada wieder die mnhrrauber
weiter kundt ausgcrüst . auch ein gechwinde unverhoö'te veränderuna- etlicher vornemster
^w'rden"^ ministri (welche die mehreste tardanza verursacht) bey disem hol' gewest.
jedoch ^ß) nit wenig ausgericht worden, dan der künig sich klar resol viert mit
^duc. , so bey ^ 11. bringt, pro principio zu succuriern , darvon sein j^ duc.
hinaus remitiert, die andern schon beschlossen, und hats weniger des küuigs
willen zu helfen, noch mein weniger tleifs, sondern dafs kein gelt vorhanden
gewest, aufgehalten, und hab ich genueg zu thain gehabt, es vor der flota
ankunft zue richtikheit zu bringen, hernach haben ir künigl. may. auch das
Friaulisch volk zu uuderhalten dem conde de Onate. und wan die sach (darvor
Gott sein woll) zum brechen kome, seinen ministris in Italia nach müglikheit
zu helfen Ordnung gegeben, wie dan e. k. m. ich darüber vorher allergehor-
samest geschriben. Dal's aber solche Ordnung von hier so spat geschehen,
das weifs Glott, dafs nit ich, sunder die langsame gewohnliche spanische expe-
dition daran schuldig. Die meinen antecessoribus überschikte curier habeus
so wol und bösser, als die jetzigen, dan sie oft in den wichtigsten Sachen zu
Jahresfristen hier aufgehalten worden, erfahren, daher waii's ich auch nit, was
gedachter Caesar Grail hieriuen mehrers ausrichten, als allein grol'sen Unkosten
anwenden und vil gelt verzöhren solle.
(■:u sar Gaiiu Fürs dritte so kan e. k. m. ich gewil's versichern, dal's mehrgedachter
pursou. weil er (jj^esar Gaü aihier, als kein Teutscher aus dem reich oder e. k. in. und ilero
kein Teutscher , , , i i i i . , • ■ ■ i • i
betreffend, ^oh. haus crblaudeu geburtig. zu negociern ml angcneml» sein wurde, wie
man mirs dan oft zu verstehen geben, dal's sie mjl llaliancrn nit gern tractiern
und destwegen mit der künigl. würden künig Kcrdiiiand agcnten, einem Carlo
Gagino, weil er ein geborner Italiaiier ist. iiits zu tliuen haben wollen. In-
gleichen auch in ge|>llegter traclalion über den Venedigiseheii frieden wider-
fahren, in welcher mir, dem Hernando de Chaues das geringste nit zu ver-
trauen noch auch in negolialionen zueziilassen. von (len vornemslen künigl.
ministris angezaigt worden.
Fürs vierte, so wird durch diso hereinschikung e. kay. iiiay. von mir aii-
hengig gemachte negotia in grol'sen mistrauen gesetzt. Dan weil ich den an-
fang in der embaxada und l'orgelolTnen gesehenen (niil denen e. kay. may. laut
86) Gleich: di'uiiocli.
— 88 —
(lero allei-g-nedi^slen schreiben content jeder zeit g-eweseni yciiuiciit und ein üd-
derer jetzt, sie zu tractiern und prosequiern undcrlang-en wolte, so künen e. kay.
may. von Gott hochbeg-abten verstand nach selbst allergnädigst erachten, ob nit
der Idinig und seine luinistri , e. ivay. may. setzten nit ganz völlig- trauen in
mich oder ich seye zu diser mir allergnedig-st aufgetragenen embaxada weder
tüchtig- noch sutficient, g-leich als ob die vorig-en übel eneaminiert und vor-
getragen weren worden, gedenken und dahero mein credit in e. k. m. ueg'otien
g-euzlichen g-eschwecht wurden.
Fürs fünfte, so haben e. k. m. zum zweitenmal weg-en g^edachter Behmi-
wegen bezaiung schen schwierikheit irn curier von liof alhero abg-efertlgt, welche, nachdem sie
meines dar- yvider von hineu zu raisen von mir bevelh empfangen, sich stets des wenigen
gel enge s. ^^^^^^ g^ ihnen von der hofcamer geraicht, aufs bögst beklag-t, ich aber zu fort-
setzung e. k. m. Sachen eufserist mit darleih- und vorstrekung der Unkosten
erzaigt, welches sintemal mein jars underhaltung noch das lang versprochne
aufzuggelt der jg fl. bis auf diese stund nit bezalt worden, weiter mit ihme
Caesar Gail oder künftig mit andern zu praestiern, mir unmüglich.
Wie nun e. kay. may. jederzeit ihre underthenigiste diener und aller-
Caesar Gaiin gehorsameste underthanen in ehren zu erheben, sie zu recompensiern und zu
expedition zu begnaden allergnedigst incliniert gewesen, also lob ich der allergehorsamesten
underlassen. i . .. .i- i i «.'' • i • i •, ■ • i
und trostlichen hounung, sie werden an mir auch nit weniger erzaigen und
aus obausgetierten erheblichen Ursachen dise hereinschikung allergnedigst
einstölleu, und wan er, Caesar (jail, schon auf der rais, in allergnedigist wider
zuruk fordern lassen, das will umb e. k. m. ich in aller iinderthenikheit
wiederumb zu verschulden mich eufserist befleifsen und thue etc.
Nr. 600. Schreiben von herrn obr. camerer herrn Leonhart Seyfridt von
Meggau , Eberstortf den 24. september datiert, Madrid den 25. octobris
empfangen.
Behniische Bey uns non mancan fastidii und ist die Böhmische unruehe gröfser und
Sachen. getähi'licher als jehe, die baide läger unser und der feind ligen bey Taschlau
negst beysamen fast in einer anzal stark, sie aber haben inen das geworbne,
auch das landvolk und vil andere fändl zum hosten, erwarten auch täglich
hülfen aus Schlösien und dem Rom. reich, wir hergögen wüssen von wenig
oder kainen succurs. Die remissa dem Span, potschaft, so er allein auf ^^ krönen
fürgiben. ist vil zu wönig, so werden uns auch des babst ^ fl. monatlich und
Florenz augenomne 500 pfärd nit vil helfen, zuinaln die chur- und fürsten im
reich alle an sich halten, daher mein herr potschafter desto euferiger ergübige
hülfe aus Hispania zu befürdern hat, da auch diese fahlen, würd besorglich
der Verlust land und leut oder doch ein schandlich praeiudicierlicher friden
(darvor Gott) volgen. Unsers curier erwarten wir dortenhero mit gueter expe-
dition, mit hohem verlangen. Dafs unser camerer ihme mit dem raisunkosten
so übel versehen, ist w^ol gar unrecht, und muefs meinem herrn das fürleihen
in all weg erstattet werden. Was er sunste ir. may. in und aufser züffer
berichtet, hab ich alles vernumen, und erzaigt er seinen lleifs und valor zu
geniegen; irer may. resolutiones hierauf wird mein herr potschafter jetzo und
inskünftig aus irer may. aignen schreiben zu vernemen haben, dan kainer
aus den jetzigen räthen alle negotia für sich allein ziehen und
- 89 —
also in Irici eru wird, wie der cardinul, so seinen lohn em pl'u n g'on.
so werden auch hinforter wir andere ir. may. g-elreue dieuer mit einander
Ireyer correspondieren können, als bishero, da sehr schwär zu hausen gewösen^'').
Weiln der herr von TrauttmannstorfT allbereit mit meinem herrn die züffer,
wird er dieselbe vort mit ihme tüehren, wie auch von der expedition ihme
ordentliche comraunicationes ervolgen. Weiln der curier, so meinem herrn
letzlich zuegeförtig-t worden, so lang- aul'sen bleibet, und hiesiger Spanischer
potschatter aufser der underhaltung des kriehingischen regiment, so iiit ui»er
tausent man stark aus mangel bevelchs von seiner herschaft nichts mehrers
bishero thuen will, ja uns gar das don Balthasar Zuniga pfärd zu ziehen
wegen expe- iucargiert, also halten ir. may. für ein iiotturll über vorige schriftliche infor-
(litiun Caesaris mationes ciu aiguc person in Hispauia zu schiken, aber nit potschaft, sondern
allein mehr, als curierweis, und weiln wir keinen anhäbigeu als den Caesar
Gallo fürbringen künnen, also solle er per posta fort, doch allein zu meinem
herrn potschafter abgeförtigt werden, der wird ihm schon, was noch vonmUen
zu iuformieru und sollicitiern, zu remitiern wissen.
Nr. 618. Schreiben an herrn von Eggenberg, Madrid den 8. novemb. datiert ^^),
Hiesiges hofs Wie status huius aulae beschaffen, kann ichs nit bösser meinm herren
zuestand. vortragen, als ichs göstert meim gueten freund, der den 8°-') wol kendt. avi-
siert, er verzeih aber meiner kuchel latein, und erfülle mit seinem verstand,
wo ich geraanglet. PP ait: (:), redde rationem villicationis tuae, iam enim non
poteris villicare; ait autem villicus inter se: reddere male parta non valeo,
furtum conliteri erubesco: scio quid faciam, per ijisa munera et doua, ijuae
oculos meos excaecarunt, excaecabo oculos iudicum, et i>ropt€r maiora inconimoda
\^^ ducatos Romam mitlam; si dhus laudaverit iniquitatcm meam . pruilenter
fecerim , sin minus, conferam me Romam, cum sub umbra alarum rubrarum
extra Romam nie protegere amplius non possim. Intelligenti salis ^').
Nr. 627. Schreiben an die Hruii. kay. may., Madrid den 17. tag novcmbris
datiertöi).
Obwoln e. k. m. bey diesen schweren kriegsluufen und groCson ungelegen-
heiten ich mit gell anforderung allergehorsamest gern verschonte, so tringt
mich doch die eufseriste und unuiubgcngliciie tiotli. c. k. m.. dafs sie, damit
57) Ks ist dies die in Anm. 41 angozüKoiie Sli'llc.
38) Wir lassen den Anlung dieses Sclireiliens als vnn j,'eriii;cer IJ.'ilentuiijj \ve^'.
59j {-) ist l.,eruia is. jNr. 4S7. Amii. 4'h; I'l* wieder iler sitaiiisclie luMiitr.
60) In einem Schreihen .in ll.-rrii vnn lim vom ^'leiclien Daluni (ISr. tilDisagl Klieveii-
liüller: Alliier sagt der kiini^^ /ii i-llii Ihmi : ledde rationem villieatiiuiis luae! CJIaiib. es höre»
vil darüber bey der naclit die mens lauleii. Des küniKS |irii|ic»si(um ist lier/lieli und giiel.
aber kein kra beisl der amlern die äugen aus. Unser redlicher Ii.mt don Balthasar (ZunigaJ
non est ex illis. Den briefen ist nit zu vertrauen, .sunsl köndl und vvist ieh die vügl wol
zu ncnen.
61) Czerwenka a. a. 0. S. 362 erwähnt ein späteres Schreilien Kh<-venhüller.s in dieser
Angelegenheit an Kaiser Kerdiiiand vom l'.t. Del. 16H» (Nr. Sii.'i in Kln'v enhiillers l'rol.ikcdirii
vom Jahre KU'.»;, aber nicht dieses; eli.iK.. Sliilz ein s|iiil<Ti-~.
Mitieiliinguu aus dem geriiiaii. Natioiialiniiscuin. \S*X\. Ml.
1 '" (I
- 90 —
Bewdffiich iiiii' iiit allein die hiiii;' und oft von dero ITiIj!. hofcuiner v^erspi-ochne '.'', 11. iinf/.ug
anmahnung g.^ij- Q|^^p venier diluLion bezalt, sunder auch mein ausstehende besoldune:
sanibt dem durg-el ihnen und von e. ra. ausg-eleglen gelt daran (sen auf sichere
und gewisse mittel angeschaft und angewisen werden, allergnedigst anbevelohen
weiten, allerundertheuigist zu bitten. Dan e. kay. niay. kan in aller under-
thenikhait ich nil verhalten, dals der Behmischen uberschikten und noch in
künftig erwarteten hülfen halber alhier wegen erlegung der ~ 11. gar schlecht
und fast keine hoffnung gegeben wird. Wie ich nun schon in die "', 11. her-
gestrekt und zu erhaltung billicher e. k. m. reputation mein bestes albereit
versetzen muessen, also lafs e. kay. may. dero hochbegabten verstand nach
ich allergnedigst selbst erachten, ob mir weiter ohne obgedachter ehesten
bezalung und richtiger anweisung bey dieser embaxada zu continuiern möglich
sein: und ob ich nit aus tringenter noth und mangel mit högstem praeiudicio
e. kay. may. autoritet und meinen eufseristen schaden abzuziehen gezwungen
wurde? Welches e. k. m. allergnedigist zu remediern, und mir über vermögen
nichts aufzulegen, auch die unmüglildieit für ein guete und genuegsame ent-
schuldiguug an- und aufnemen, ihr allergnedigist gefallen lassen werden.
Nr. 651. Schreiben an künig Ferdinand, Madrid den 29. novemb. datiert.
Weil weder von der kay. may. noch e. küuigl. ich schon ein geraume
zeit kain ainiges schreiben von der Behmischen unruehe empfangenes), also
wais ich jetzt darüber in underthenigistem gehorsamb nichts zu berichten,
allain underthenigist zu bitten, sie wollen gnedigst verhülllich sein, auf dafs
mir bey allen ordinari der verlauf von der kay. expedition erindert, und in
e. may. hier angehengten negocien, darüber ich zum oftermaln gehorsamest
angehalten, resolution erthailt werde, dan anderer gestalt kan der kay. may.
dienst (wie sie ihren von Grott hochbegabten verstand nach gnedigist selbst
erachten können) ich nit so euferig, wie ich unterthenigist gern wolt, treiben
und volziehen^ä).
Nr. 694. Relation alles desjenigen, was sich im mouat uovembris bey dem
Spanischen hof verloffen und einkumen ist^*).
Der Cardinal duque de Lerma^^) befmdt sich noch zu Derma und erzaigt
62) Mehrfach beklagt sich Khevenhüller, dafs seine Informationen über den Verlauf
der böhmisclien Dinge in Anbetracht der Wichtigkeit der von Spanien zu erzielenden Hilfe
ihm so langsam zugehen. So in einem Schreiben au den Kaiser vom 29. Nov. (Kr. 647j
mit ähnlichen Worten wie hier; ebenso in Nr. 661.
63) Der Schlufs dieses- Schreibens handelt von der Reise des Landgrafen Ludwig
v. Darmstadt nach Spanien und Jerusalem, von der Impressa de Argel, und von der Abreise
des kais. Kämmerers Preuncr von Spanien nach Oesterreich.
64) Es ist dies der einzige zusanunenfassende Monatsbericht, den Khevenhüller in dem
von uns berücksichtigten Abschnitt giebt. Wir geben das Stück mit einigen unwesentlichen
Auslassungen.
65) Die von Eggenberg (Nr. 863, Anm. 52) ausgesprochene Hoffnung auf die Re-
signation Lermas hatte sich erfüllt. In merkwürdigem Gegensatz zu der in dem Briefbuche
durchgehends sich tindenden Beurteilung des Herzogs von Lerma durch Khevenliüller und
^ - 91 -
sieh dir ul)i-ig-e Zeil seines lebeus in i'uehe und abmirtung' seines Gottsdienst
zuezubring-en. Sonst discurriert man noch von andern vereuderung-en bey
disem hof, von welchen man der zeit nichts gewisses schreiben kann.
Die g-alliones sein mit dem silber und g'olt bei 13 millionen gliklichen
ang-ekumen, und wie man die rechnung' macht, so sein heur aus den ori- und
occidentalischeu Indien in die 20 millionen von silber, g-olt und waren in Por-
tug'al und Spanien ankumen. und wan noch sovil anlang-eten, waifs man zu
hoilen^ß) nit, wo das g-elt hinkumbt.
Hccretvom Ir uiay. der künig- haben auf alle tribuual und praesidenteu decret abgehen
kimi^ betr. jafsen, keinem decret vom duque deLerma, duque de Uceda und andern under-
schriben, wie bishero g-eschehen , g-laubeu zu geben, und sie alle auf ir may.
aigne uuderschrift g-ewisen^^).
Es hat sich auch alhier ein g-rofser comet erzaigt, dessen abrifs hiebey ligt.
Ki.ta ankimft. Was die gallioncs uiul letztern llota dis jähr ertragen unil mit gebracht,
ist aus nachvolgender verzaichuus zu sehen.
Nota was dis jähr 1(J18 mit den flotten von Nova Espana, Terraferma und
galleones aus Indien nach S. Lucar und Sevillia geregistriert ankumen, uemblich
Für ir may. von Terraferma in silber, golt und gelt th. 1089 d.^^) 8o7
Item von Nova Espana
Für particular von Terra ferraa
Item von Nova Espaiia
Summa in golt, silber und gelt
lleni für particular allerley waren als seiden, eudego,
oxenheit, farbholz und mehrs, defsen wert
summa summarum
Nota. Die waren sein alzeit mehr wert und ob man gleich difs jar scharf
gewesen, so komjjt doch alzeit von ain und andern, sonderlich von golt viel,
wie auch schier alles, so die marineros und Soldaten ungeristriert (!), also dafs
sich alles wol auf !(> millioncs wert belauft; ain peso oder tlialor ist 8 real.
seine Freunde .steht eine Notiz der Ann. Ferd. tum. IX, Spalte 2ü2. Bei Geiegenheil der
Erncnnunjf IjCrnias zum Kardinal und der jrleicli/.eitipen Uesiirnalion de-sselben auf alle seine
ll(»tamler zu {j^unsten seines Sohnes, des Herzogs von L'zeda. fand eine Illumination stall.
Mit Bezug auf diese letztere heisst es a. a. ü. : „Wie nun Graf Khevenliüller kein frennler
enihaxador, Herzog von Lciiria dem Maus Österreich allezeit devot und alle viTrnehme IJe-
\ Schäfte durch seine Hände gegangen, also hat. er seine Luminurias, als sichs gehühret, auch
f, mil ailfgesteckt.'- Dieses ahweicliende Urteil über Lerma, der sonst keineswegs als di'ni
Hause Osterreich ergehen hingeslelll wird, scheint die Auffassung zu unlerslützen , dafs der
Anteil Khevenhüllers an der Abfassung der Annales kein durchweg direkter, sondern ein
mehr mittelbarer, leitender gewesen ist, während die in den Schreiben der Briefbücher
uicdergeleglen Ansichten als seine eigenen, ursprünglichen anzusehen sind.
66) Bei Hofe? oder zu häuligen Malen?
67) Ein Beweis, dafs die Resignation des Herzogs von Lerma keim- freiwillige war.
OSj d. vielleicht ein Dinero, von denen, wie die ohigi- HiThnonn ergibt. 1000 auf i Ih.
(^span. Tlialer oder Peso -^^ S Silber-liealenj gehen.
th.
th.
th.
o84 d.
7310 d.
3313 d.
174
736
th.
Ih.
12297 d.
1702 d.
767
233
th.
14000 d.
—
'J2 —
Nr. 698. Scliieilx'ii an die Kruii. kay. iiiay. Madrid den 2U. discciuber dal.
Eur kay. raay. von dero kay. hof an den hiesigen künig-l. auf der post
Ccsar Gaiis alifi'eortner rath Caesar Gallo hat dero kay. allergiiedig'ist sehreiben, den 22. octo-
aukimft. j,^,j. ^,j Wien dat.. mii' dun ID. dis zu recht eing-ehendig-t , und den 17. darauf
sein instruction vorg-ewisen und allerlay mundlich vorg-ebracht. Wie nun e.
kay. raay. instruction und credential an künig auf ihn allergnedig-ist und dafs
ich ihm in allem g-uet rath und anweisung- g'eben solte, gesielt, also will ich
demselben allerunderthenig-ist uakkumen , und ihm was zu e. k. m. nutz und
sunst meinem g-etreuesten vermainen nach tauglich sein kan, aufs böst und müg-
lichisl rathen und anweisen. Suust belindt ich vornemblich drey punct in ge-
dachter instruction, nemblichen den ersten, dafs der künig mehr hülf zu stül-
lung der Behmischen schwierikheit so wol an gelt als kriegsvolk hergeben, den
andern, in Italia und in andern des künigs ort und landen sein künigl. ministris
anzubevelchen, damit sie zur zeit der noth e. kay. m. mit ihrem under haben-
dem kriegsvolk wirklich assistiern, und den dritten, dafs ir babst. hey. der
Seine künig ZU ersprüefslicher hülf anmauen solte. Betreffend den ersten hab den-
voibrin^en. s;elben dem künig ich weitleufig in underschidlichen audienzen und memorialen
mit eiuliehrung viler exempel (wie es an e. k. m. meine gehorsamiste schreiben
und beygeschlofsne memorialen ausweisen) vorgestelt und darauf, dafs högst-
gedachter künig ^ mann dem grafen von Onate, so lang diser krieg gewert, zu
underhalten, darzue ihm erstlich ^ duc. und hernach ^ escudos hinaus alberait
remitiert worden, bevolchen, zue antwort ervolgt; zweiflet mir nit, angezogener
conde de Onate wird seines künigs bevelch nach die berierte ^ man auch auf
den fuefs gebracht und zu e. k. m. kriegsvolk gestofsen haben. So es aber
gegen gemefsnem königl. bevelch und der vornerasten räth verraanen noch von
ihme grafen nit ins werk gesetzt, sonder gedachtes gelt zu andern ausgaben
verwendet wurde, alsdan möchte e. k. m. hieher schriftlich zu der künigl. m.
gelangen lafsen und mirs vorzubringen allergnedigist bevelchen.
Auf den andern hat der künig mir zu underschidlich malu geantwort,
wolle und habe seinen Ministris in Italia und Niderlandt austruklichen bevelch
geben, zu zeit der noth (dahins der Almechtig nit wolle gelangen lafsen) e. kay.
ra. aufs eufserist zu succurriern, halt auch gewifs darvor, dafs sie sowol als der
conde de Onate defswegen heimlichen bevelch erapfanareu.
Behamische Auf den dritten punct, obwol von e. k. ra. mir bishero uiths darvon aller-
hülfen betr. g-nedigist anbevolchen worden, hab ich selbst die diligenz gethau, und der
kunig (über welchen kalten assistenz man sich hier sehr verwundert) ^^) nit
allein ir bäbst. hey., so gleichfals durch den verraisten Antonio Gaietano, erz-
bischofen zu Capua und jetzt residierenden nuntio, aufs euferigist beschehen,
schriftlich, sonder auch alle catholischen fürsten im reich ermant und beweglich
zuegeschriben, sein auch stark in willens die zertrente confoederation der catho-
lischen fürsten in Teutschland wider aufzurichten und insonderheit zu diser
Behmischen occasiou sich derselben zu bedienen. Don Balthasar de Zuniga hat
69) Es ist nicht ganz klar ersichtlich, wo und über wessen kühle Unterstülzunit man
sich wundert. Am nächsten liegt anzunehmen, dals die Umgebung des Königs von Spanien
sich über dessen langsame lliill'leistung wundert, doch betont andererseits Kh. den guten
Willen des Königs.
— 93 —
ir iiiay. darüber ein g-uetachten zueg-esteU. tlalV ich iiit wii^t. wie es e. k. in.
gemaine räth alles treuer und euferig'er niainen und verfassen kündten.
Jetzt bemiehe icb micli dabin, auf dafs '^) bei di.ser (Iota wider ein g-eits
remissa, in bedenkung; niehrers der zeit allem ansehen nach nit zu erhalten,
Item. ervolg:en möchte, dan ir may. zu abhelfung- der hiesig^en kunigreich und
lander grofsen beschwer und verhüetung-, dafs die möhr rauber und mohren
nit järhchen sovil 1000 seelen in ewig-e g-efenknuCs Heren, auch Versicherung-
der Spanischen neg'ociation. dieweil vast kein schiff mehr in Italia. Nider- und
Teutschland sicher ablaufen kann und letztlich die llota auch gespert werden
möchte, eine ansehliche armada, darauf allein^ combatentes sein sollen, wider
Arxel zue richten last. Im fall diese armada solte abg-eschikt und dero expe-
ditiou gliklicher verriebt werden, so bin ich vergrwist. dal's e. k. m. stark hülf
wider dero aiifgestanden Behmische underthanen von hiesigem kunig: zu g:e-
warten haben.
Meiner underthenigen pflicht nach bin e. k. m. mein gehorsamiste mainung
von der Spanischen hülf allergehorsaraest zu entdeken ich verobligiert, und
die ist, dafs man mit den mehrgedachteu 6000 man und andern remissen gelt
(welches spott^^) genug ervolgt) continuiern und sich gewifs vor gliklicher
herwiderkunft mehr angezogener armada keines mehrern soccors (wie hoch
man sich auch erbieten möcht) resolviern wird. Kr. may. aber muel's bald
Item. und jetzt auf den martio (da die armada noch nit wird aiisgeloffen sein) ge-
holfen werden, daher e. k. m. ichs zeitlich, und auch dal's ich mich stark dahin,
doch bishero vergebens, dem künig und etlichen dorthin inclinierten ministris
von dieser empressa abzuhalten und die hülfen nach Behem zu transferieren,
bemüeht, uiiderthenigist berichten wollen. Dafs sich der künig wider die
Behamb genzlich erkleren soll, fallen denen ministris vil bedenken vor, sun-
• derlich wan die angezogene confoederation nit auf dem fuel's. Dan sunsl die
catholischen fürsten, die Rollender und andere des künigs feind auch brechen
und ir may. in grofse gefahr dadurch gefüert wurden, unil sein e. k. m. aller-
gehorsamest versichert, dafs die privados des künigs eiukumen also versetzt,
verschenkt und abgezört, dal's ir may. in grol'se gelt ungelegenhoit gorotten,
und zeit haben die remedierung vor die band zu nemen. Dan alle milliones
und gefelP^) vorgessens brod, und sie sicherlich oft gern wirklicher und moh-
rers, als sie thuen, wan die müttel vorhanden weren. assistierten.
Aus oberzelten meinen allerunderthenigisten Ursachen und allorgehor-
samesten relation veruemen e. k. ni. allergnedigst, dal's alles was (laesar (lallo
in der instruction mit sich luingl iiiid noch weit ein nu^hrers \o\\ mir vcr-
itcm. bracht und ein gueter thail erhalten worden. Was er nun auf sein viuhringcn
mehrers verrichten wird, gibt die zeit, übermorgen soll (>aesar liallo neben mir
bey ihr kunigl. m. audienz haben, li- durchl. erzh. Margrcill hat er allhereil
e. m. überschikte Sachen überani wortl. Dii' haben sich darüber zum hr.gslen
erfreut, und werden nach den feuertagen e. m. .selbst anlw(n-ten.
70) auf dafs =z im Falle dals.
71 j spät
72) seil. sind. Denn allr Millionon und Uolalli' .sind vorausvfr/clirt. und \v>' May.
würden sicherlich L;erii mehr lliiin, wenn die Millid vurhandeii wären.
— 94 —
Nr. 713. .Mt'iii(iri:il uii den köiiig-, Madrid den 22. lag' decembris üljerg-eben '■'*).
Der g-raC von -Frankhenburg; zeigt an, daCs er bei der g'estrigen ordinari
aus Niderland schreiben und Ordnung vom 7. novenibris von dem kayser, seinem
allerg;nedig-sten herrn , e. m., dal's dazuemalen von dero künigl. hüllen in dem
kay. leg-er nit mehr als 600 gesunter Soldaten, die da streiten mögen, sich
befunden, und dafs die kay. m. ganz hülflos gelassen wird, und dero Behmi-
schen untertlianen die künigl. einkumen zue sich nemen und sich deren wider
ir may. gebrauchen, item dal's die calholischen sowol im reich als in erblandern
alleulhalben neutral und hergegen die protestierenden aufs müglicliist denBehmen
helfen, anzuzeigen, empfangen. Dahero verlangen ir kay., dafs e. königl. m. ir
wolten belieben lassen, ihrem ambas.satoru den conde de Onate anzuebevelchen,
damit er auch die 1000 pferd des don Baltasar de Maradas von dem ersten tag
der Werbung an ir nt. bezalung neme, und es so lang die notturft erfordern
wird, underhalten, und wie die kay. e. königl. m. gueten willens und eufer zu
erhaltung der catholischen religion und aufnemen des höh. haus von Österreich,
so jetzt in grol'ser gefahr stehet, versichert, also erwarten sie nit allein dieser,
sondern noch inehrer und grösserer hülf.
Nr. 716. Schreiben an die Rom, kay. m., Madrid den 28. december dat.
Deroselben allergnedigstes schreiben vom 7. november betr., dafs ich bey
dem hiesigen köuig die gesuechten hülfen euferig treiben, insonderheit aber
mich dahin, damit jetzt högsigedachter könig des obr. don Balthasar de Maradas
1000 pfercl von anfang als sie e. ra. dienen, in sein bezalung nemen und con-
tinuiern, auch derowegen seinem an e. kay. m. hof residierendem oratorn grafen
von Onate gemessen bevelch geben, auf dafs also e. k. m. höh. haus feinden
desto mehr abbruch beschehen könne, bearbaiten und allen möglichen lleiCs
anwenden solte, hab ich allergehorsamest emplangen. Auf difs hab ich alsbald
bey ir königl. m. audienz gesuecht und dieselbig den 22. dis erlangt, auch
neben langer mündlicher ausfüerung der Behmischen ungelegenheiten ir königl.
Behmischc m. bcygeschlossenes memoria] ''*) überraicht, die sich aller guetwillikheit, wie
sacheu betr. alzeit zuni högsten erboten. Was nun weiter in dieser Behmischen hülfen
alhier vergangen, das hab e. k. m. ich den 20. dis in züffer allergehorsamest
avisiert, und zu mehrer Versicherung schlieCs ich allerunderthenigist duplicat
hiebey ein. Mit diesem assiento, hofT ich, soll wider ein guete summa gelts
dem conde de Onate hinaus remitiert werden.
Dieweil sich das alte jähr endet und das neue hereingehet, so hab e. k. m.
ich zu beschluCs dises briefs von dem Almächtigen ein gliksel. freudenreiches
gesundes und neues jähr, damit das hereingehent sie mit mehr ruehe frid
und einikheit ihre königreich und länder regiern und ihre allergehorsameste
underthanen beschützen, die widerwertigen strafen und alles zu (Jottes ehrn
aufnemen und zu des hob. haus von Österreich reputation vollenden möge,
winschen und zu dero kay. hulden und landsfürstl. gnaden mich allergehorsamist
bevelchen wollen.
733 Nr. 712 ist das spanische Original des Memorials, während Nr. 713 die deutsche
Übersetzung desselben ist.
74) Nr. 713.
- 95 —
Wir schliefsen mit diesem Stück. Die Protokolle Khevenhüllers vom Jtihre
t619 mehren sich sowol iu Bezug- auf den böhmischen Krieg, wie sie an Reich-
haltigkeit und Bedeutung des Inhaltes überhaupt wachsen.
Nürnberg. Dr. Rudolf Schmid t.
Aus der Oeuiäldegalcrie des geriiiaiiischeii Miiseiiiiis.
ei meinem jüngsten Besuche des germanischen Nationalmuseums zu
Nürnberg im April 1893 hatte ich Gelegenheit, alte Notizen zu über-
prüfen und neue zu sammeln. Viele dieser Notizen hotte ich in einigen
grofsen Arbeiten zu verwerten, deren Veröffentlichung in Aussicht steht. Zwei
neue Diagnosen, die mit jenen Arbeiten nicht im Zusammenhang stehen, möchte
ich gern in der Zeitschrift des germanischen Nationalmuseums mitteilen, bevor
noch die neue Auflage des Galeriekataloges fertig gestellt ist.
Nr. 309 der Galerie des german. Museums, einen Prometheus am Felsen,
dem Salvator Rosa zugeschrieben, halte ich bestimmt für ein Werk des Martin
Speer aus Regensburg, eines Malers, dem Naglers Lexikon schon einige Auf-
merksamkeit zugewendet hat, der im grofsen Füfslischen Küustlerlexikou untl
dessen Nachträgen und anderwärts vorkommt, den aber die moderne Forschung
vielleicht ungerechter Weise bei Seite gelassen hat. Ein signiertes Werk des
Martin (bei Anderen Michael) Speer in der städtischen Galerie zu Mainz (neue
Nr. 128), das einen heiligen Bartholomäus etwa in Lebensgröfse darstellt,
führte mich darauf, auch das Bild Nr. 309 des germanischen Museums mit
Bestimmtheit für ein Werk dieses Speer zu halten. Der neapolitanische Cha-
rakter beider Werke springt in die Augen. Die derbe Pinselführung mit halb
trockener Farbe in den Lichtern ist bei Speer aber noch deutlicher zu be-
obachten als etwa bei Ribera oder Solimena, mit denen er eine gewisse Ver-
wandtschaft hat. Eigentümlich ist bei Speer aber die Behandlung des Nackten,
insbesondere die konzentrischen Züge um die Brustwarzen, eine Behandlung,
die bei den gleichzeitigen Neapolitanern nicht vorkommt, ich kenne von Speer
noch drei weitere Bilder, die übrigens zur Vergleichung nicht ebenso für
unseren Fall passen, als das sichere Bild in Mainz. Es sind' die drei grofsen
Gemälde in der Sammlung des historischen Vereins zu Rogensburg und zwar
der Maler selbst mit Frau und Kiml, lebensgrofs, energisch hingesetzt. Ferner
zwei grofse Breitbilder niil vichii Figuren und einigermafscii an d.Mi Nrtipoli-
taner Gargiulio gemahnend. Kines stellt eine Pestszene dar, das andere einen
Kam|if. Kine Vergleichung mit den Stichen, die Naglor anführt, ist erst durch-
zuführen, wobei ich ausdrücklich l)enierke. dafs diese Notiz nur auf das Bild
in Nürnberg hinzielt und keine Monographie des M. Speer geben will. Ich
überlasse es der Regensburger Ortsforschung, oder wenigstens der bayerischen
Kunstgeschichte, den inunerhin inieressanten uml lalcnt.vollen Maler des
18. Jahrhunderts eingehend zu würdigen. Die Zuschreibung des Prometheus
in Nürnberg an unseren Speer ist übrigiMis l'üi- mieh überzeugend. Sollte das
Bild nicht dasselbe sein, das in Naglers Lexikon als ein Lazarus »in der
(jalerie zu Nüi'tilierii'« und als Werk eines Harllmlnniäus Speer |iiai-h »liick)
— 9f) —
aiigeriilirl wird? liiirtlioloiiiüus Speer undMarliii ii ml .Micliiicl Speer sind olfen-
bar mit einander identisch.
Die zweite Diagnof^e, die icli hier zu gehen ha))e, hetrill't Nr. 835 der
Galerie des g'eruian. iMuseuius , ein kleines Breiliiild, das die Plünderung' eines
Dorfes darstellt. Zwar isl das Gemälde nichl iiidir gut erhalten, doch konnte
ich mit Bestimmtheit die Irland des Carel Breydel darin erkennen, der mir
aus mehreren sicheren Bildern wol bekannt ist. Breydel ist der neueren Kunst-
geschichte weit besser bekannt, als M. Speer, weshalb ich darauf verzichte,
über ihn Notizen zu geben. Nur auf die wenig mehr beachteten Mitteilungen
bei Descamps (vis des peintres IV, 19U ff.) möchte ich hinweisen, und darauf,
dat's im März 1883 im Osterreichischen Kunstverein zu Wien zwei nette kleine,
wolerhaltene Breit bi hier von C. Breydel (beide signiert) versteigert worden
sind und zwar ein »Kampf zwischen Bauern und Infanterie« und ein wReiter-
gefechtff.
Wien, April und -luni 1893. Dr. Th. v. Frimmel.
„Das Deutschland segiien^^
n dem Tagebuch" des Hans Ölhafen, aus welchem ich auf Seite 41 ff.
lieser Mitteilungen dessen Verlobung und Verehelichung im Jahre 1;)47
mitgeteilt habe, ist auch ein Bericht über eine Reise nach Frankreich
enthalten, wohin dieser im Jahre 1541 durch die Schweiz reiste. Ölhafen er-
wähnt dabei eines seltsamen Brauches, der bei Freiburg in der Schweiz, offen-
bar bei Passierung der deutsch-französischen Sprachgrenze von den Deutschen
beobachtet wurde. Wir wollen Hans Ölhafen hierüber selbst berichten lassen:
»Adi 1. augusti gen Berrn 3 meyl, 6 stund, da helt man ein seer großen leben-
digen Bern, und stehet ein großer S. Ghristoff, der etwan vor in einer kirchen
gewest, über dem thor, mit einer helleparten als ein landsknecht. Adi 2. Frey-
berg 2 meyl, 4 stund. Da sihet man vor der stat gegen Gallia zu ein creuz, _l_
welchs Deudtschlandt und Frannckreich von einander schaidet, da müsen /v
die jungen gesellen niderknien und das Deudtschlandt segenen, alsdann ^^
durch die pfosten kriegen.«
Nur die jungen Gesellen mufsten diesen Brauch beobachten, wahrschein-
lich auch nur dann, wenn sie zum erstenmale die Sprachgrenze überschritten.
Man hat es also hier mit einem dem Hänseln von Kautleuten und Fuhrleuten,
die zum erstenmale eine Messe besuchten, ähnlichen Gebrauch zu thun.
Ölhafen hielt sich einige Jahre in Frankreich und Italien auf und kehrte
im März 1545 durch Tirol wieder in die Heimat zurück; über einen dem oben
mitgeteilten ähnlichen Gebrauch, der etwa bei dem Überschreiten der italienisch-
deutschen Sprachgrenze zu beobachten gewesen wäre, meldet Ölhafen nichts,
obgleich damals in Bozen Messe gewesen und Diejenigen, welche, von Norden
kommend, diese Messe zum erstenmale besuchten, unterwegs gehänselt wurden.
Über die Sprachgrenze sagt er nur bei Trient »ist ein kleine stat, redet halb
welsch und halb deudtsch«.
N ü r n b e r g. H a n s B ö s c h.
97 —
Entwurf eines gotischcu Bruiiiicns vom Ende des 15. Jahrhnnderts.
ie g-cdi'uckten Arznei- und Kräuterbüeher, die noch im lii. Jahihunderte
erschienen sind und sich, wie aus ihrer fi-rolsen Anzahl hervorgeht, bei
den nach Heilmitteln sich sehnenden Menschen ^Tofser Beliebtheit erfreu-
ten, sind wol gröfstenlrils niil harsicllungeii hcillvräriiii'or PHan/on verschon, die
meist ganz gut g-ezeichnet, alicr nichl naluralislisch dargcsiclll. sondern stilisiert
sind. Einzelnen dieser IMlan/.cnalibildungiMi sind hie und da noi-li lliriirliche
Mitteilungen aus deui gerniiin. Naiiouulinuseuni. 1S9>{.
XIII.
— 98 —
S/cnen bcig-cg-eben, die sich auf die Wirkung-cn der betreffenden Pflanze beziehen,
und auch sonst finden sich manchmal noch ganz interessante Darstellungen, die
man in diesen Werken nicht vermutet. Wir verweisen nur auf den Rötelhändler
auf S. 32 des I. Bandes dieser Mitteilungen, der dem 148(5 von Hans Schün-
sperger zu Augsburg gedruckten Hortus sanitatis entnommen ist.
Umstehend geben wir den Entwurf eines gotischen Brunnens, welcher
der niederdeutschen, 1492 von Stefan Arndt zu Lübeck gedruckten Ausgabe
desselben Werkes entnommen ist, in Originalgröfse wieder, da er in diesem
Buche kaum gesucht werden, als brauchbares Motiv aber doch manchem Künst-
ler willkommen sein dürfte. Der hübsche Brunnen dient als Illustration des
Artikels »Aqua water«. Die sich durchschneidenden Wimperge und die gebogenen
Fialen kennzeichnen den Brunnen als der Spätgotik angehörend; die Konsolen
mit den Baldachinen sind für anzubringende Figuren freigelassen. Wenn die
Spitze nocih etwas hiHier und schlanker wäre, würde die Erscheinung des Brun-
nens wesentlich gewinnen.
Wenn schon die Ornamentstiche des IS. Jahrhunderts zu den Seltenheiten
gehören, so ist dies mit den Ornamentholzschnitten dieser Zeit noch in höherem
Mafse der Fall, soweit es sich nicht um Bücherornamentik handelt; als eine kleine
Bereicherung der Kenntnis der Ornamentholzschnitte des 15. Jahrhunderts möge
daher diese Mitteilung angesehen werden.
Nürnberg. Hans Bosch.
Die Chemie des Markgrafen Friedrich I. von Brjindenhnrg.
^^^^^ m vorigen Jahre gelangte in den Besitz des germanischen Museums eine
bislang unbekannte, deutsch geschriebene Pergaraenthandschrift^) von
S09 Folioseiten Umfang, welche die ersten genauen Nachrichten darüber
enthält, wie in Nürnberg Alchemie und die mit dieser zusammenhängende Chemie
gelehrt und getrieben wurde. Das Werk ist nach den unter den einzelnen Ka-
piteln sich findenden , genauen Datierungen in den Jahren 1414 bis 1418 ge-
schrieben. Der ungenannte Verfasser widmete dasselbe dem Burggrafen Fried-
rich VI., welcher seit 1398 auf der Burg zu Nürnberg residierte. Bekannt-
lich erwarb dieser Ahne unseres Kaisers im Jahre 1415 das Kurfürstentum
Brandenburg und legte hiedurch den Grund zur Machtentwickelung der Hohen-
zollcrn. Aus der Widmung (Fig. 1) ist zu vermuten, dafs sich dieser B'ürst,
nunmehr Markgraf Friedrich I. von Brandenburg, selbst mit Alchemie be-
schäftigt bat. Bestimmt wissen wir dies jedenfalls von seinem ältesten Sohne
Johann. Als Feind eines unruhigen , kriegerischen Lebens und wegen
seiner Vorliebe für die Wissenschaften verzichtete dieser zu gunsten seines
jüngeren Bruders Friedrich auf die Nachfolge in der Regierung des Kur-
fürstentumes Brandenburg. Er erhielt daher bei der Erbteilung im Jahre
1437 das friedlichere Markgrafentum Baireuth -Kulmbach. Sein Vater schlofs
aufserdem in diesem Jahre noch einen Vertrag mit dem damals regierenden
Herzog Johann L von Sagan, in dem sich letzterer gegen entsprechende öegen-
1) Bibliothek d. gerin. Museums Nw. 1459 m.
— 99 —
leistung;en verpflichtete,
dein g'enannteu ältesten
Sohne des Kurfürsten
bhinen der nächsten drei
Jahre die Kunst der Al-
chemie zu lehren^). Wie
weit dieser Lehrmeister
in der Lage war, sein
Versprechen zu halten,
berichtet die Geschichte
nicht. Bekannt ist in-
dessen, dafs Johann, d^r
Sohn des Kurfürsten von
Brandenburg, sich sowol
in der Nürnberg nahe
gelegenen HohenzoUern-
Residenz Cadolzburg, so-
wie auch später auf der
alten Bergfestung Plas-
seuburg bei Kulnibach
viel mit alchemistischen
Arbeiten beschäftigt hat.
In der Geschichte führt
er darnach den Namen
Johann der Alchemist. Es
ist nicht unwahrschein-
lich, dafs er dieses, sei-
nem Vater gewidmete al-
chemistische Werk bei
seinen Arbeiten benützt hat. Eine grofse Auswahl von alchemistischen Lehr-
büchern deutscher Sprache gab es damals ja überhaupt noch nicht. Jedenfalls
ist dieser alchemist ischc l^n-gamentkodex der Hohenzollern wenn nicht gar das
älteste, so doch bestimmt eines der ältesten, grölseren alchemislisi-hcn Werke
deutscher Sprache, das auf unsere Zeit gekommen ist. Auch der jüngste Sohn
des Burggrafen Friedrich VI., der nachherige Markgraf Albrecht Achilles, hatte
alcheniistische Anwandlungen, in der Urfede des Ritters Heinrich von Krcy-
berg zu Waule^) vom Jahre 1447 verpflichtete letzterer sich ilem Albrecht
Achilles »sein gnaden die kunst der alchamei ufT mein aigen ko^^len und scha-
den und sein nutz arbeiten, da er alle Jai- forderlich davoon hundert lausend
gülden soll haben.«
Nach diesen alten Überlieferungen blieb auch das HohenzoUerngeschlecht
Jahrhunderte lang seiner Vorliebe für Alchemie getreu. So beschäftigte in der
Mitte des 1(5. -lahrhunderts der Kurfürst Joachim II. mui Hrandonbuig in Berlin
eine ganze Anzahl von Alchemisten. In gleicher Weise soll dem Nachfolger,
W^^^ uroTjiiif ^ba^cH
[bcm piiuibc (Oottfs.] ^
Fig. 1
2) A. F. Riedel i. il. iMürlciscIien Forscliungcn, herausgegeben v. ci. \ . ( Gesch. d.
Mark Brandeiiljurg. IJerliii 1850. Bd. IV, S. 1B8.
3) Heruiaiui Kopp, die Alchemie ältercu' und nein-rcr Zeit I. S.
UM.
— 1(10 —
dem k'iirrürslcn Johann Georg-, der nnirktsohreierische Thnrneisser ebenso, wie
ein Jahrhundert später der berühmte Kunkel dem GroCsen Kurfürsten, anfänglich
wesentlich als Alchemist gedient halben. Auf der Plassenliurg beschäftigte der
Markgraf Christian Ernst von Hrandeuburg-Baireulli in den Jahren 1681 — 1686
den Alchemisten Krohnemann mit Goldmacherei und liefs ihn schliefslich , weil
er kein Gold lieferte, am Galgen mit dem Strange hinrichten. Ähnlich ergieng
es dem sogenannten Grafen Cajetan, welcher in Gegenwart des Königs Friedrich I.
von Preufsen im Jahre 170ö angeblich ein Pfund Quecksilber in Gold verwan-
delte, alsdann aber, weil er sein Versprechen, binnen sechs Wochen weiter für
sechs Millionen Thaler Gold zu liefern, nicht hielt, im Jahre 1709 zu Küstrin
gehängt wurde.
Das Interesse für Alchemie, das den thronfolgenden Sohn des ersten Königs
von Preufsen beseelte, brachte erst vor wenigen Jahren in dem bekannten Ge-
mälde: »König Friedrich Wilhelm I. bei alchemistischen Arbeiten im Laboratorium
seiner Schlofsapothcke zu Berlin,« die Künstlerhand des Berliner Malers A. Bork-
mann zur Darstellung. Auch der am F]nde des vorigen Jahrhunderts lebende
Friedrich Wilhelm 11. war, wie genugsam bekannt, ein Freund der hermetischen
Künste.
Die hier zu besprechende Handschrift wird von deren Verfasser »das Buch
der heyligen Dryvaldikeit« genannt; er stützt sich in derselben auf die Lehren
eines anderen unbekannten Alchemisten. Er sagt: »Diz buch ist kein neuer
glaube, es ist ein gröfser erkeutnusse gotes und seiner gebenedicteu muter.
Von raynes meisters wegen vor mir gefraget ist, do habe ich gesprochen, also
mir von minem raeister zu vernemen worden ist , da(S mein meister diz buch
der heiligen drivaltikeit us keinem buch niht hat; es ist niendart usgestudiret
und aus keinem buch hat er es nicht gelernt und auch aus keinem buch hat
er es nit geschrieben, wenn got vater sain heiliger geist, der hat es im inge-
geben*).« Der Inhalt des Buches läuft im letzten Ende darauf hinaus, die Be-
reitung des Steines der Weisen zu lehren. »Wer diz buch gotez wol vernymet,
und der hy den roht nachwürket, dem gibt diz buchs lere reichen sold, beide
Silber und daz alleredelst golt rot^).« Nach Angabe des Verfassers vermochte
der Stein der Weisen nicht nur alle anderen Metalle in Gold zu verwandeln,
sondern es heifst von demselben auch: »Wer dez steinez pulver isset, der wirf
von allen suchten gesund. Dis golt ist so lauterliche gestalt, hier machet ein
harnesch von, daz ziehet au, kein waffen mag euch hindern. Wer diesen stein
treget über im , kein schade mag im zukumen.« ^) Für die Geschichte der
Chemie ist diese Pergamenthaudschrift von besonderem Interesse, da in derselben
eine ganze Reihe Vorschriften '/u chemischen Präparaten enthalten sind, welche
einen Einblick in den damaligen Stand des chemischen Wissens geben. Ver-
vollständigt ist der Text durch eine Anzahl Miniaturbilder, welche bestimmt sind
das grofse alchemistische Rätsel zu erläutern und zu erklären. Wenn die meisten
dieser Bilder durch ihre traumhaft phantastische Weise auch wol nur mehr zur
Verwirrung, als zur Belehrung des Lesers beitragen, so finden sich zwischen
denselben doch auch eine ganze Menge von realistischen Abbildungen chemischer
Gerätschaften und Öfen. Obgleich sich dieselben von denjenigen, welche sich
4) Seite 1 der Handschr. 5) Seite 2.
6) Seite 41.
— 101 —
in deu frühesten, gedruckten clicniischen Inkunabeln linilen, nicht sehr wesent-
lich unterscheiden, so sind sie doch nahezu lOU Jahre älter und daher von
kulturhistorischem Interesse.
Die einzelnen Kapitel der Handschrilt hat der ung-enannte Verfasser immer
g;euau datiert und /war meistens ohne Ang-abe des Ortes. Nur bei den Teilen
der Handschrift, welche aus dem Jahre 1417 herrühren^ ist einigte Male als sol-
cher Gonstanz genannt. So heifst es auf Seite 159: »In die solis sancti anthonii
in hora saturni tinita est in unser lieben trauen kirchen zu Gonstanz des an-
dern sontag'S nach der heiligen drei küngentag. Anno domini 1417.«
Ua bei den meisten Zeitangaben der Verfasser seinen Aufenthaltsort fehlen
liels, so ist wol anzunehmen, dafs das einige Male genannte Konstanz dem Ver-
fasser besonders bemerkenswert erschien , weil diese Stadt eben nicht sein ge-
wöhnlicher Wohnsitz war. Wahrscheinlich befand sich der Verfasser mit im
Hofstaate seines Gönners, des Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg, welcher
im Winter 1417 in Gonstanz lebte und dort am 18. April 1417 von Kaiser Sieg-
mund feierlichst mit dem Kurfürstentum Brandenburg belehnt wurde. Die Mund-
art der Handschrift deutet entschieden nach Franken hin. Obgleich der Ver-
fasser des Buches öfter von demselben sagt: »ich schreib es auss dem munde
gotes«, so lag doch die Möglichkeit vor, dafs die ganze Handschrift eine Über-
setzung eines altern Alchemisteu sei. Zwischen den Werken von Albertus Mag-
nus, Roger Baco, Arnoldus Villanovanus, Raymund Lull und den beiden Isaac
Hollandicus habe ich indessen kein Ähnliches gefunden. Die Werke arabi-
scher Schriltsteller kommen nicht in Frage, da dies Ghemiebuch der Hohen-
zollern ganz mit Gleichnissen und Bildern des christlichen Glaubens ilurchsetzt
ist. Wahrscheinlich war indessen der religiöse Ton, welcher sich durch die
ganze Handschrift zieht, nicht nur ein Ausilufs der Frömmigkeit des Schreibers.
Nachdem Papst Johann XXII. im Jahre 1817 eine strenge Bulle gegen das Trei-
ben der Alchemisten erlassen hatte, war es für die persönliche Sicherheit des
Verfassers ratsam, tlie Lehren der Alchemie in ein Gewand zu kleiilen , welches
dieselben als mit dem Dogmen der christlichen Kirche' im Einklänge bellndlich
erscheinen lieCs. Wie schon die Lebensgeschichten von Roger Baco, Arnoldus
Villanovanus u.A. zeigen, kamen die Alchemisten im Mittelalter oft in ilen lÄf,
mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Sie wurden daher vielfach auch von der
Inquisition als Zauberer verfolgt. Die verworrene unklare Bezeichnungsweise
und der frömmelnde, bilderreiche Styl, welcher es sehr erschwert, den Schrill-
steiler zu verstehen, erinnert an die Schreibweise des Alchemislrn Lull. Wie
bei diesem wird das Verständnis und der dadurch beilingte Erfolg der alclie-
mislischeu Ari>eit von der Gottesfurcht und LaulerkeiL des Lebens abhängig ge-
macht: «Wollen wir der sünde nihi abegan, so können wir diz verborgen buch
gutes niht vtustin, und alle gutes verljorgen lere dy beleibet um ntisor siiiule
willen \(»ii uns allen verre.« Von der Alchemie sei kurz erwähnt, dafs der Ver-
fasser ziiin l'xnveise der Miigliclikeit der Melallverwandlung sich wiedeiholl auf
die von der Philosophie des mitlelalterliclien Scholastizismus plump und falsch
aufgefafsteu Lehren der Substanz des Aristoteles bei'ult. Sicht lieh nimmt er
wie Aristoteles an, dafs bei allen ningcn und NNcsm die als etwas Selbstän-
diges gedachte Form das Wesentlidir ausmacht, währi'ud der mit dieser ver-
bundene Stotr bei allen Substan/fu der gleiche ist. Die Lehre von iler Einheit
— 102 —
aller Materie, welche sich bei der heutigen Annahme verschiedener, unzerleg-
barer, chemischer ürundsLolTe nur vereinzelt, als schüchterne V'ermutuug her-
vorragt, war bei den alten Feuerphilosophen ja ein ganz unbestrittener Glaubens-
satz. Die untereinander so sehr ähnlichen Metalle sollten nach diesem daher alle
das gleiche Substrat enthalten. Um sie ineinander überzuführen, brauchten also
nur ihre scheinbar sehr wenig verschiedenen Formen und Eigenschalten um
ein Geringes geändert zu werden. Die geringeren Metalle mulsten eben nur von
ihrem Schmutze und ihrer »Aussätzigkeit« befreit weiden um sie in Edelmetalle
zu verwandeln. Unter den hiezu angewendeten Reinigungsmethoden, spielt der
Amalgamations- und Destillationsprozefs die gröfste Rolle. Als Ausgangspunkt
zur Darstellung des Steines der Weisen dienten fast ausschlief'slich nur die Me-
talle selbst oder die Vitriole , von denen der blaue Vitriol , Galitzenstein und
Vitriol um roiuanum, der Eisenvitriol, genannt sind.
Wie es bei jedem Hirngespinnste zu erwarten ist, ist auch der Stein der
Weisen, welcher die Wesenhaftigkeit des Goldes in so hohem Grade in sich ver-
einigen sollte, dafs er dieselbe auf grofse Mengen aller anderen Metalle über-
tragen konnte, nur unklar beschrieben. Der Name für denselben ist, wie bei allen
alchemistischen Schriftstellern, sehr wechselnd. Unter anderem wird der Stein
der AVeisen, auf dessen Auferstehung aus den in dem Buche gelehrten chemischen
Präparaten und «Medicinen« man hoffte , wie auf die Auferstehung des Kaisers
Rotbart aus dem Kyffhäuser, wiederholt der rechte Kaiser Friedrich genannt.
Der für uns wichtigste Teil des Buches, die chemischen Rezepte oder »Me-
dicinen«, sind in demselben verhältnismäfsig dünn gesät. Die Verschiedenheit
der Darstellungsmethoden vieler Salze und Säuren von den modernen Berei-
tungsarten dieser, wird hauptsächlich durch das Fehlen der zu letzteren meist
geforderten Mengen von Mineralsäuren bedingt. Der Verfasser erwähnt zwar
schon das Vitriolöl und schreibt »die terra vitrioli die allzu treu gebrannt sein
ir craft al aus über sich destilliret«. Eine klar verständliche Beschreibung zur
Darstellung des Vitriolöles habe ich indessen nicht gefunden. Im allgemeinen
erzielte man die Wirkung der Schwefelsäure durch Zusatz und Glühen von
Alaun oder Vitriol indirekt. Die im Nachfolgenden beschriebene Bereitung des
Afua fortis, der Salpetersäure, zu" der der Verfasser verschiedene Vorschriften
gibt, macht dies ersichtlich. So heifst es auf Seite 170: »Zu aqua fortis nemet
ij phunt Salpeters und ij phunt alaun, diß stoßet al dein under ein wol ver-
mengende, so tut es in ein Cucurbiten unter einen alembik daruf hart gedeihet,
so distillirt sanfticlichen all daz wasser darvon in das receptaculum, daz darfür
leit. Ez sol sein oben kleibet hart zu, daß des wassers wint der starken craft
von dem wasser nit tlügen mag. Wen das wasser distilliret ist al, so sult ir
€rst das für sterker und sterker vermereu , bis all die starken winde .... in
das wasser zumal blausende, daz chein windescraft darhinder bleibe. Also stark
sult ir in lest, das für treiben, daß us dem boden durch den alembick alle die
winde in das wasser fliegen uf, daz ir diß wasser in dem receptaculo dester
sterker erkrigent.«
»Wolt ir ein sterker aqua fortis so nemet ij phunt aluns und ij phunt
vitriolum romanum und ij phunt Salpeters auch dise drey stoß dein, reybet
sie under ein, hie distillirt stark wasser, von gleicher weise.«
Um die Salpetersäure in kürzerer Zeit destillieren zu können , wird dann
103
noch weiter geraten, den dazu zu verwendenden Alaun vorher durch Glühen zu
entwässern und zum Ersätze des dann fehlenden Kristall wassers eine \Yasser
enthaltende Vorlag-e zu benutzen. Eine Abbildung- des zur Salpetersäureberei-
tung- zu verwendenden Alendjik-Destilliergerätes, welches auf einem Kapellen-
ofen im Aschenbade steht, ist der V^orschrift beig-efüg-t und in Fig. 2 wieder-
g-eg'eben. Dem Verfasser war nicht nur die Benützung- des Aqua fortis zur
Trennung- von Silber und Gold bekannt, sondern er wufste auch, dafs eine Ver-
unreinigung des Scheidewassers mit dem ihm natürlich unbekannten Chlor, das-
selbe zur Goldscheidung untauglich macht. Er empiiehlt daher das Aqua fortis
zu diesem Zwecke nach folgender Methode zu reinigen: »Wollet ir das wasser
clarificiren, so thut J lot dünne geslagen silber in ein glas oder in einen steyneu
Schüssel, daryn sol das aqua fortis gewermet warm das wasser niit dem silber
so gysset also zusammene in eyn phunt der vorge^chryben aquarum fortium
in das receptaculum warm dissolviret. Das in dem bodeme weiss also calk das
silber liet. so gisset das wasser dar oben von dem silberkalke in ein recepta-
culum.« ')
Fig2.
Man erhielt also auf diese Weise eine salzsäurcfroic, uIkt dal'iir silber-
liallige Salpetersäure. IIitiiühiii Kopp tiilnl in seiner Geschicble Arv (lliomio
diese Keinigungsart als eine von Agricola in seiner Schrift "de re inclallicii«
angegebene an. Diese Methode war also in Deutschland, wie num aus dem
Mit.geteilten sieht, schon 100 Jahre vor dem scliriftstellcriscluMi Wirken Agricolas
bekannt.
Um mit der clilorlVei gemaelilen Salpeleisäure (iold und Silber zu sclieiilen,
giebt die Hamlschril't folgende Vorschrift: »Also j pliiinl aquas fortcs selzel in
7) Seite 147.
— 104 —
(las recoptaculum ui' den ofen in die wanne usclie, da habet yngevvorfen
j pluint düne g-eslagen silber, das lasset alzu sanfte syden bis das silb(!r
alles '/AI Wasser wirt und das golt darus feilet, also brun pulver, es leyl in
dem bodeme; so gisset das silberwasser oben von dem golde i)ulvei'. Das golt-
pulver smelzet zusammene und das silber, das wasser worden ist, denne laß
das düne wasser alles abe rauchen und smelzet auch zusamene. Also scheydet
ir Silber und golt.«')
Auf Seite 172 wird dann nicht nur angeführt, dal's man die AuHösung
des Silbers in Salpetersäure durch Abdampfen und nachheriges Erkaltenlassen
als festen Körper gewinnen kann, sondern auch, dafs sich das Silber aus seiner
Lösung durch einen Kochsalzzusatz ausscheidet: »diß salzes oder olei traufent
zu dem silberwasser in also vil , daz ir sehent, daß es das silber mit ihm in
dem wasser zu gründe al. zieh«. »Das silber, daz da leit in dem boden also
pulver« sollte dann zu Metall eingeschmolzen werden. In der Geschichte der
Chemie von Kopp findet man erwähnt, erst Libavius habe in seiner Alchemie
von 1595 eine deutliche Beschreibung von dem Chlorsilberniederschlage, welchen
Kochsalz mit Silberlösungen hervorbringt, gegeben.
Nicht nur die Einwirkung der Salpetersäure auf Silber, sondern auch auf
andere Metalle hat der Verfasser sichtlich schon genau beobachtet. So heisst
es z.B. auf Seite 146 von Zinn, Eisen und Kupfer »werfet ein stucke nach dem
andern in aquis fortibus bis es alles zu deinem, pulver zu beyss es. Zyn weiß
pulver wirt, ysen rot pulvert wirt, cupper grün pulver wirt. Alle diese pulver-
asche , die treuget sanftlichen al ir wasserkeit us, daz si der starken windes-
craft der aquarum fortium in yn alle behalden und j yglich uf ym selber in
seiner varben bleybe.« Dafs diese salpetersauren Salze beim Erhitzen die
Salpetersäure wieder abgeben, ist dem Schreiber der Handschrift nicht unbekannt,
denn er läfst »diese drei us drei Cucurbiten gedistilliret zumale sänflichen die
elementa vorbände mit al ires windeskrefte in ire receptacula.« Das in den
Destilliergeräten Zurückbleibende bei den Destillleruugen wird bei allen Metallen
gleichmäfsig als Leichnam bezeichnet. Späterhin übertrug man diese Bezeich-
nung »Caput mortuum« bekanntlich einzig und allein auf das Eisenoxyd, welches
der Eisenvitriol bei der Abdestillierung der Schwefelsäure als Rückstand zurück-
läfst. Die Kenntnis, dafs das Zinn bei der Behandlung mit Salpetersäure nur
oxydiert und sich nicht mit der Säure verbindet, kann man in den Zeiten der
Entstehung dieser Handschrift natürlich noch nicht erwarten.
Zur Bereitung von Königswasser findet sich in dem Buche der Dreifaltigkeit
die alte, schon von Geber angegebene Vorschrift aus Salpetersäure und Salmiak:
»Wollet ir auch golt solviren und in wasser verwandeln, als ir das silber
vorthetet, so stosset dein sal armoniacum und thut das iiij unzen oder mer
in die vorgeschrieben clarificirten aquas fortes das j phunt es. Wenn das
sal armoniacum in diesen aquis fortibus al in ein wasser gesolviret ist, so machet
ir hir ynne golt zu wasser, gleich also ir hir vor das silber machtet zu wasser
silber solviret ir nicht yne, es bleibt ganz, als ir es hir yn leget.«
Genaue Angaben finden sich in dem Buche der Dreifaltigkeit bereits zur
Darstellung des destillierten Zinnchloridöles, als dessen Entdecker bislang
allgemein der vorhin genannte, im Jahre 1616 verstorbene Libavius galt und
nach welchem es den Namen Spiritus salis fninans Libavii führt. Die Vorschrift
— 103 —
begiuut aul' Seite 129 der Hautlschrill: «Siuelzel ij ü, ziiies uiul g-ils dareiu
j tt> quecksilbers und setzet es zu hant von dem i'eur, dal's das quecksilber nicht
verrauche. Und mit einem steckel alzeit riireude bis dafs es zu pulver wirt,
tuet es denne in ein weit vass und gisset darauf warm wasser einer hant
breyt .... und waschet dis zio quecksilberpulver zwischen den henden.«
Es folgen dann noch weitläufige Angaben zur Reinigung des Zinnamalgames
und weiter eine Vorschrift zur Darstellung von Quecksilbersublimat, auf die ich
gleich noch weiter eingehen werde. Von dem trocknen gereinigten Zinnamalgam
und dem (Juecksilbersublimat heilst es dann (S. 130): »diese zwei reybet wol in ein
al geleich, und tuet wider in eyne erden schüssel uf ein sanftes'feur, durchrüren
gleich saufte .... denne leget es auf einem mermelstein oder uf ein breit
Fig. 3.
Fig. 4.
venedisch glas .... yn ein tyfen kalden feuchten koler .... dal's das oleum sore
flyfse US diesem rohen quecksilber und zynne in eym breit sobrugisrh oder
waldwerger krause^) so gyss al dis oleum in ein Cucurbiten undei
eynem alembick darauf geclybet und dislilliret al die clementa mit allen iren
windescreften .... in ein receptaculum .... dislilliret sie siben malen und in
allen den vij distillacien distilliret nicht, also heyl's. Zu dem viij male luet sie
wieder in die Cucurbiten vndcr den alembik und distilliret us dein wasserbade
das dünne unnütze fremde wasser vor alle abe von dem rechten dicken feisten
oleo elcmento.a »Das dünne unnütze fremde wasser«, das im Wasserbade
abdestillierl werden sollte, ist jedenfalls Salzsäure, und das zurückblt'ibenile
dicke (eiste i)\ Zinnchlorid. Jetzt stellt man letzteres bekanntlich in ähnlicher
Weise dadurch her, dal's man Zinnamalgam und (Juecksilberchloriil bei gelimler
8) Krause, Kniso, ri. i. i-in Kni^. «'in Trinkgcscliirr.
Mitteilungen uns dem gernian. Nalionalniiiseiini. ISJKt.
\IV.
— lOß
Wärme iibtlestillieiL Die geg-ebene Vorschiill /ur Bereitung- des Queck.silber-
clilorides gleiuhl der von Albertus Magnus bereits angewandten. Nacb derselljen
wurde eine Verreibung von Ouecksilber, riunischem V^itriol utid Kochsalz
subliniiert. Um ein für Alchemie brauchbares Sublimat 7ai erzielen, sollte
dasselbe wiederholt mit neuen Mengen Kisenvilriol und Kochsal/, und zwar
:Sı32
N
Fi!?. 6.
Fig. 5.
Fig. 7.
Fig. a
Fig. 10.
siebenmal in aufwärts steigender und ebenso oft in abwärts fallender Richtung
verllüchtigt werden. Auf Seite 137 der Handschrift findet sich ein eigenartiger
Windofen abgebildet (Fig. 3), mit dem nach AVunsch entweder ein Descensorium
oder ein Sublimatorium erhitzt werden kann. »Denne keret also unimen den
wintofen, dafs das loch des vasses nyderwert, dafs das also stecket in dem
receptaculo also veste mit leyme an den hals beslossen zu ... . und das recep-
107
taculum stende iu einem vvasservafs .... also sullet ir hier von oben ayderwert
allen diesen uiereurius .... al in das leceptaculum treyben.« Aufser dem
gewöhnlichen Windolen (Fig. Ji) linden sich noch verschiedene andere Olen-
arten abgebildet. Auf Seite 174 der Handschrift ist die Zeichnung eines
Kapellenherdes gegeben (Fig. 4), auf dem sieh drei einlache Kolben im Aschen-
bade belinden. Der Benützung desReverberierofens zum Glühen und Abtreiben des-
Quecksilbers aus den verschiedenen Metallamalgamen wird oft in der Handschrift
Erwähnung gethan. Aufser den gewöhnlichen Cucurbiten oder Kolben, welche
mit Wachs verklebt oder zugeschmolzen vielfach als Digestionsgefäfs dienen,
finden sich als solche Abbildungen von Pelikan-Zirkuliergefäfsen, und zwar
sowol mit einer, als auch solcher mit zwei Rückllufsröhren (Fig. 6 und 7).
Um gelegentlich der Digestion auch Abdampfungen und Trennungen leicht
verdampfender Flüssigkeiten von schwer- oder nichttlüchtigen Körperu im
geschlossenen Räume vornehmen zu können, benutzte man eigenartige Digestions-
kolben, deren Hals durch den Boden eines zweiten oben verschlossenen Glas-
gefäfses einmündete und eingeschmolzen war (Fig. 8).
Fig. y.
Die aus dciii im Mislbadc stclirmlcn Kolben sich vei-nih^hligendcn l)iimpf(>
verdichteten und sammelten sich in dem oberen dunii einen Ilelmaufsalz
verschlossenen Teih; dieses Digest ionsgefäl'ses. Digestionen zu denen eine
niedere Temperatur erforderlich war, wurden in warnnMu i'ferdeiiiisle vorge-
nonunen. Von dem Tempeiaturgrade in diesem wird gesagt: »lasset daz in dem
mist nicht mcr heisser werden, dcnne eine henne yre eyer untier ir brütet.«
— lOH —
In iloiii Buche ilei" 1,)) ciralli^IvL'it linden sich auch MiuiaLurljüder von i)ig'esli()ns-
ül'en. Anf Seite 175 der Handschrift ist ein solcher im Durchschnitt gezeichnet
(Fig. 9). Man sieht, dafs in demselben drei zu erwärmende Kolben eingesetzt
sind, und dafs der Ofen alsdann mit einem abhebbaren, rosenhutartigcn Thon-
deckel verschlossen ist. Die Figur 10 zeigt einen gleichen geschlossenen Di-
•gcstionsofen , welcher nur einen Seiteneinschuitt zum Einblicke des Beschauers
hat. Es wird erwähnt, dafs tue Erwärmung des Ofens durch eine Öllampe oder
mit gelindem Feuer geschehen soll.
Das Mitgeteilte dürfte genügend zeigen, dafs sich in dieser für den Hohcn-
zoUern bestimmlen Handschrift nach verschiedenen Richtungen hin Manches
tindot, was für die Geschichte der Chemie von Wichtigkeit ist. Die einzelnen,
ewigen chemischen Wahrheiten aus den theosophisch-alchemistischen Unwahr-
heiten und Hirngespinnsten alle herauszusuchen, erfordert allerdings noch Avei-
teres sorgfältiges Studium. Erschwert wird letzteres besonders durch die ver-
worrene, bilderreiche Schreibweise der Handschrift, Aul'ser mit Theosophie und
Alcheniie ist diese mittelalterliche Chemie nämlich noch mit viel Astrologie
und Philosophie der Scholastik aus der Zeit der Herrschaft der aristotelischen
Begrilfe von Stolf und Form verquickt.
Nürnberg. H e r m a n n P e t e r s.
Villi Beitrag zur Büclieraiisstattiiiig.
ekanntlich waren die ältesten gedruckten Bücher nicht mit Titelblättern
versehen; sie entwickelten sich vielmehr erst nach und nach. Was
die Titelblätter heute bieten: die Inhaltsangabe des Werkes, den Namen
des Verfassers und V^erlegers, Ort und Zeit des Erscheinens, mufs man sich bei
den Erstlingserzeugnissen der Buchdruckerpresse erst zusammensuchen. Die
ganze Einrichtung und Ausstattung der frühesten Drucke waren den Hand-
schriften der Zeit nachgebildet, denen Titelblätter ja auch nicht eigen waren.
Man findet dementsprechend die Titelangabe der ältesten Inkunabeln entweder an
der Spitze des Textes, mit denselben Typen gedruckt und von ihm meist nur
durch den Beginn einer neuen Zeile getrennt, aber auch diese Unterscheidung
fehlt manchmal, oder auch am Schlüsse des Buches, oder, was sehr häufig vor-
kommt, am Anfang und Ende zugleich. Manchem Buche ging das Register
voran und es kommt vor, dafs dann hier nur so nebenbei der Titel des Buches
erwähnt, sonst aber desselben weder vorn noch am Schlüsse gedacht wird,
wie z. B. in der deutschen Ausgabe der Goldenen Bulle i), die ohne Ort,
Drucker und Jahr erschien (Panzer I, S. 31, 51) und in welcher der Titel nur
in den einleitenden Worten des Registers: «Das Register der guldiu Bullin«
erwähnt wird.
Die voranstehenden Register umfafsten manchmal mehrere Seiten oder
Blätter, nicht selten genügte aber auch der Bruchteil einer Seite, der dann
öfters von dem eigentlichen Texte losgelöst, auf ein besonderes Blatt vor Be-
ginn desselben gedruckt wurde, aber nicht auf die Vorderseite des ersten
1) Die in dies(Mii Arlikel erwähnten Inkunaljeln finden sich sänillich in der Bibliothek
des german. Museuuis.
— 109 —
Blattes, die leer blieb, sondern auf die Rückseile desselben, der ersten Seite
des zweiten Blatles gegenüber, auf welcher der eigentliche Text beginnt. Man
hat es also hier schon mit einem, dem eigentlichen Werke vorangehenden, nur
teilweise bedruckten Blatte zu thuii, das allerdings nur rückwärts, nicht vorn
wie die Titelblätter, bedruckt war.
Und in der gleichen Weise, auf die zweite Seite des ersten Blattes, ge-
druckt, findet man auch die ersten Vorläufer des Titelblattes. In dem angeb-
lich ältesten Basler Drucke von Berthold Rodt: repertorium vocabulorum von
Gonradus de .Mure (ca. 1468) geht dem Texte ein Blatt voran, das ähnlich
wie die Registerblätter auf der Vorderseite leer ist, auf der Rückseite aber
eine ausführliche Mitteilung über den Inhalt des Buches und dessen Verfasser
enthält und den Drucker, sowie dessen Wohnort nennt:
»Reptorium vocabulorum equisitorum oratorie poe(5 et historia | rum cum
fideli narracoe earum rerum que ambiguitatem ex hu j iusmodi vocabulis accipiut
per quod lere omnes oculte et diffi 1 cultates et subtilitates in studijs humani-
tatis facile Juxta al | phabeti ordinem iuuenietur. Editum a doctissimo Irärum
ama ! tore Magistro conrado I turicensis ecclesie cantore Et completus an | no
domini m " cclxxiij. Jn vigilia assumpcionis beate marie virgi | nis Indictione
prima Incipit feliciter. |
Vnde liber venerit prefeus si forte requiras
Quid ve noui referat perlege quod sequilur
Bertoldus nitide hunc impresserat in basilea
Vtque adeat doctos protinus ille iubet
nie quid abstrusum si diua poeniata seruant
Exponit . lector ingeniöse scies
Quid lacium teucri dignum quid grecia gessil
Preterea magnus »jue videt occeanus .
Si libet interdum raris gaudere libellis
Disperiam si non hie liber vnus erit.«
Würde vorstehetider Text an statt auf der zweiten auf der ersten Seite
stehen, so wäre das Titelblatt fertig gewesen, wenn ihm auch noch die später
übliche Einteilung fehlen würde, welche den Titel des Buches und den Namen
des Autors besonders hervorhebt.
Solchen einzelnen Vorläufern des Titelblattes folgen später andere, die
unseren heutigen Titelblättern viel näher kommen. Ein besonders interessantes
Beispiel dieser Art llndct sich in einem Calendarium des Hegiomontan. das 147()
in Venedig in lateinischer Sprache, zwei Jahre später ebendaselbst in deutscher
Spi-ache erschien. Auf der ersten Seite des ersten Blattes — wir hallen uns
an die deutsche Ausgabe — sieht zwischt'u zwei Vasen, aus denen sich hübsch
stilisierte Blätter und Blüten regelmärsig entwickeln, zu den Seilen, einer Leiste
oben und zwei Vignetten unten. Folgendes:
»DAs bi'ichlin behende, du billig lernen solt | Vnd es achte für edelgeslain,
Silber, vnd goll | Kalendaiin^ gehaissen zu latein | Lcrrl dich der sonne hoch
vnd müdes schein | Czwelif zeichen, vnd beider liechle ünslernus | Czaigt dir utT
vil jare mit kurtzer gedechlnus | fiiddin zal, mittelzeit tzwischen fasnacht, beide
ciclon I Sonlagbuchslab. oslern, vnd ptingsten .^chon ! Dar zu erkennen briicli
vnd neweu man | Artznei pllegen vnd gute zeit zu uderluu | Verkiimici aticli
— HO —
tag-es vnd iiachles long- durchs jar | Daizii der svtiiieii aiift viul iiiderg'ang- offen-
bar I Quadranten vnd stunde luaolien höffelich 1 Allenthalben zebrauchen gewiss
vnd maisterlich | Das hat gemacht maister Hans von Königsperg genant | In
teutschen vnd welschen landen wol erkant | Gzu Venedig gedrückt mit hübscher
vernuft vnd fünden 1 Als die nach gemelten maister wol künden | 1478.
Bern hart mal er 1
Erhart ratdolt / ^'^" ^ug-sinn-g.«
- — 111 —
Hier fintlet man also schon alles vereinigt, was man von einem Titelblatte
verlangen kann, ja es zeigt sogar schon, seiner Zeit weit voraus eilend, künst-
lerischen Schmuck. Dieses Titelblatt war aber eben auch nur eine Ausnahme und
dadurch vcninlafst, dals die Tabellen des Kah^nders immer iii>er zwei Seiten
gehen, also schon uiil' drr /weiten Seite des Buches beginnen, so dals ilcr Uiich-
drucker gezwungen war, wollle er di'ii Tilel de nichl am Schlüsse geben, ihn
iiiiC die erste Seite des ersten Hiallcs /u sci/.cii.
— 112 —
Mail (Itirrniclil cLwii g'laubcn, ihifs sich nun eine conLinuierliche Reihe von
TilelbläKern vorfolgen liUst. Das TitelbhiU entwickelte sich viehnehr erst aus
dem wol in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts zur Einführung kommen-
den Gebrauch, auf die erste Seite des Buches meist nur auf einer Zeile in
groCserer als zum Texte verwendeter Schrift den Titel des Buches kurz anzu-
geben. Diese ältesten Titelblätter sind ohne künstlerischen Schmuck; der Druck-
ort, der Drucker und die Jahreszahl erscheinen, wie vorher, erst am Schlüsse
des Buches. Derselbe Buchdrucker, Erhard Ratdolt, der durch die eigentüm-
liche Anlage des Kalenders schon 1476, allerdings aus rein praktischen Grün-
den, veranlal'st wurde, ein richtiges Titelblatt zu drucken, setzte im Jahre 1493
auf das Titelblatt lediglich „gas bud) btr Uljciircdjt", ohne irgend welche weitere
Angaben und ohne irgend welche Verzierungen.
Das Exemplar dieses Werkes, welches das germanische Museum besitzt,
ist aber noch ganz besonders beachtenswert, da es noch den sogenannten
Schmutzumschlag hat, der heute keinem Werke vor dem Einbinden fehlt,
der sich aus dem lö. Jahrhundert aber nur sehr selten erhalten hat, von dem
Verfasser wenigstens noch in keiner zweiten Inkunabel gefunden wurde. Der
Schmutzumschlag ist durch zwei breite Rahmen geschmückt, die auf schwarzem
Gruude weifses Ranken- und Blattwerk in symmetrischer Anordnung, wie aus-
gespart erscheinend, enthalten und von dem Buchdrucker sicher von Venedig
nach Deutschland — das Buch ist in Augsburg gedruckt — mitgebracht wor-
den sind. In dem rechteckigen Felde des vorderen Blattes ist nun ein ganz
ausführlicher Titel eingedruckt: „Kömifd)tt 'jätUn bf | ffütt glaubljnftig Ifd) | enrfd)tbutf)
jcfnmpt I anbrrrn xtd)\t\\ Ijicr- | jnne begriffen burd) | (Obfrtu jtfom gcfrijt | alle gfifllitt) • ""^ '*'*' I
tlidj: prrfonnbe fo Ic- | Ijcn je leiljeu ober feu | entpfaljen Ijaben m- \ treffeiibc. | |l)cfus- Paria» |
• fit . ccrc • Irrrrliij." | Das reich verzierte Umschlageblatt mit der ausführlichen
Inhaltsangabe und der Jahrzahl bildet einen grofseu Gegensatz zu dem schmuck-
losen Titelblatt mit der einen Zeile Text! Es kann aber doch auch als ein
Vorläufer der verzierten Titelblätter betrachtet werden.
Bei dem hinteren Blatte ist das mittlere Rechteck ebenfalls durch Orna-
ment ausgefüllt, in dessen Mitte ein Wappenschild ausgespart erscheint, in
welches der Besitzer des Buches sein Wappen einzeichnen konnte und in dem
vorliegenden Exemplare auch eingezeichnet hat. Der Schild ist quer geteilt, das
obere Feld nochmals senkrecht weifs und rot, das untere ist blau. Da
unser Schmutzumschlag durch das Alter braun geworden, auch an einigen Stellen
beschädigt ist, konnte die zinkographische Reproduktion nicht direkt nach dem
fh'iginale erfolgen, sondern dieses mufste gepaust, die Pause ergänzt und nach
ihr ein Zinkcliche hergestellt werden. Es ist deshalb auch die Schrift auf dem
vorderen Blatte weggelassen worden, da sie durch das Pausen doch viel von
ihrer Regelmäfsigkeit verloren hätte. Da in der Schlufsschrift des Buches 1493
als Druckjahr genannt wird, auf dem Umschlag aber 1494 steht, so ist derselbe
erst nachträglich angefertigt worden, vielleicht um durch das hübsche Äufsere
die Käufer zu bestechen.
Ob Schmutzumschläge im l.S. Jahrhundert allgemein üblich, oder ob sie
nur Ausnahmen waren, wissen wir nicht; jedenfalls sind sie so selten, dafs die
Wiedergabe des besprochenen — in ^/ö der Originalgrüfse — am Platze ist.
Nürnberg. Hans Bosch.
113
Ein ScUreibpult des 17. Jalirliuiiderts im gcrinaiiisiiicii Hiiseum.
uf den Gemälden, Holzschnitten und Stichen des 13. und 16. JahrhuDderts.
dann aber auch noch des 17. und 18., sieht man auf Darstellungen von
Evang-elisten , Heiligen und Gelehrten diese oft vor Pulten sitzen, die sieh
kastenartig- vom Fufsboden aus aufbauen, in deren unteren Fächern man Bücher
und Papiere, Schachteln und Leuchter sieht, während hinter Riemen oder
Schnüren an der Seite Briefe, die Scheere, Federn und Anderes stecken. Ein
hübsches Beispiel dieser Art sieht man auf dem Dürerschen Holzschnitte des
hl. Hieronymus.
Kij:. 1.
Neben diesen Möbeln, die keinen besonderen Untersulz haben, scniderii mit
dem Unterbau ein org-aiiisches Ganze bilden, I»(MiimiI aber noch riiic andere .\i't
von Piillni \(ii-. die, kleineren Uinlanges. eines rnlerhaues üJuM'haupt entbehren
und deshalb auf einem ijelieliigen Tische auf einen IMalz gfestellt wurden, den
man des Lichtes lialher oder aus einem anderen (iiiiiide als besonders gt'eig'nel
zum Lesen odei' Si-hreiben l'aud, und die nach der Arbeil W(d in irirend' ein»«
Ecke wanderten, um den Tisch fCir andere Zwecke frei zu haben, hiese INille
scheinen meist sehr schmal gewesen zu sein, so dafs Derjenig^e, welcher sich
derselben zum Schreiben bediente, eine recht unbei|iirine Stellung; einnehmen.
Mitteilungen aus dem geriauu. NutiouuliiuiscMiiii. ls*j;t.
XV.
— 114 —
den rechten Arm gsiiVA an den Körper anziehen und sich wol der Steilschrift
bedienen mul'ste. Die Platten der Tische, auf welchen solche tragbare Pulte
stehen, sind meistens vielfach gröfser als die Basis jener.
Ursprünglich bestanden diese Pulte wol nur aus zwei Seitenteilen, aui
welchen schräg- die Pultplatte aufg-eleg-t war. Einen solchen sieht man z. B,
auf dem Kupferstiche des hl. Hieronymus im Gehäuse von Albrecht Dürer; die
Seitenteile desselben sind unten eselsrückenfürmig' ausg;eschnilten; weiterer
Fig. 2.
Schmuck fehlt dem Pulte. Bei dem Erasmus von Rotterdam desselben Künstlers
bleibt es zweifelhaft, ob wir es dort ebenfalls mit einem offenen Pulte oder mit
einem kastenartigen zu thun haben. Dafs es aber letztere, bei welchen der
untere Teil zu einem geschlossenen Kasten umgewandelt wurde, dessen Deckel
das in Scharnieren sich bewegende Auflagebrett bildete, ebenfalls frühzeitig gab,
lehren ältere Holzschnitte und Kupferstiche. Wir erblicken in der Ausbildung
des Pultes zu einem verschliefsbaren Kasten einen ganz wesentlichen Fortschritt,
da man in dem letzteren das Schreibgeräte und Skripturen aufbewahren konnte;
— 115 —
nur konnte man das Geräte dann nicht mehr, wie bei dem ursprünglichen Pulte,
auch auf der schmalen Seite, um Platz zu sparen, in eine Ecke stellen. Unter
Fig. l geben wir aus der im Jahre 1499 in Venedig bei Aldus Manutius er-
schienenen Ausgabe des Poliphilus ein Beispiel eines solchen geschlossenen
tragbaren Schreibpultes wieder, das jedes Schmuckes entbehrt^). Besonders
bemerkenswert erscheint dieses Pult, weil es oben noch ein wagerechtes Brett
hat, auf welches man den Tintenbehälter bequem aufstellen und benutzen konnte.
Icf-K VociM' dcirt ^erühtnie. J\.v»riß r
V)ef>t ladt xiu. •^y^fhrert iß ymh ßnß ,^
J<et'n Kvaut nachyi(/u^l-z.{dtejcl'hs ycr-cftrhlj
Zthutt dal htbin <iäji nkhf ßirht .
Figr. 3.
Dieses wagrechte Brett, das auch auf den angeführten Dürerschen Stichen
fehlt, mangelt auch dem Pulle auf Fig. 2, der Reproduktion eines dem Hans
Burgkmair zugeschriebenen Holzschnittes aus dem Banketlbuch des kaiserlic-hen
Leibarztes Luys de Avila, das 1530 bei Steiner in Augsburg erschienen ist. Kr
stellt einen Arzt, vielleicht den Leibarzt selbst, in seinem Studienzimmer vor.
1) Wir verdanken die.se Abliildunjj, sowio die Itcidt-n to]j,'end('n der (.liito des llorrn
Dr. Georg Hirlh in München, in dessen Kuilurgesctiiclilliclieui Bildcrbuclio sie publiziert sind.
— \Ui —
Das Pult ist hier vorn mit oiuoiu weiten Ausschnitt in Form eines runden
Bogens, dem Stile der inzwischen zur Herrschaft gelang-ten Renaissance ent-
sprechend, verziert. Bemerkenswert ist das danehen stehende Doppelpult, das
auf einem Fufse befestig-i ist und ein praktisches Möbel g'ewesen sein dürfte,
zumal das Pult, auf dein Kiil'se wol g-edreht werden konnte.
nc Jtrbi:^ Ma'tll*C?
Fig. 4.
Nicht allein die Gelehrten, Ärzte und Beamten benützten die kleinen von
uns beschriebenan Pulte, sondern auch in den Schreibstuben der Kautleute
waren sie heimische Möbel ; ein Blick auf Jost Ammans grofse Alleg'orie des
Handels lehrt dessen vielseitig-e Verwendung" in denselben.
Ein Beispiel des Gebrauches der besprochenen Pulte im 17. Jahrhundert
gibt Fig. 3, die Reproduktion einer Radierung des Conrad Meyer (1G37) aus
dessen Todtentanz, den Arzt darstellend, ein Beispiel aus dem 18. Jahrhundert
— 117 -
führt F\g. 4 vor Augen, der in halber Gröfse wiedergebene Kupferstich aus
dem Verlag von Jeremias Wolfs Erben in Augsburg: »der Abschied nehmende
Famulus eines Weltweifsen«. Beide Möbel sind verschliefsbare Kästen, während
aber dem älteren das horizontale Brett fehlt, weist es der jüngere auf und ist
das Schreibzeug in einem runden Ausschnitte desselben eingelassen. Recht
deutlieh zeigt die Decke, welche auf dem Tische von Fig. 4 zwischen ihm und
dem Schreibpuli liegt, dafs dies zwei selbstständige Möbel für sich sind.
Die kleinen tragbaren Pulte, die früher so allgemein waren und nament-
lich auch Ott bei Beschäftigungen verwendet wurden , die wir heute auf der
wagrechteu Tischplatte direkt abmachen, sind heute wol so ziemlich aufser
Übung gekommen und auch solche aus früheren Jahrhunderten dürften nicht
häufig sein. Vor einigen Wochen fand der Unterzeichnete bei einem Ellwanger
Antiquitätenhändler ein solches Pult, das er für einige j\rark für das ger-
manische Museum erwerben konnte. In Fig. 5 ist die vordere und die Seiteu-
Fis.
ansieht dieses Möbels in ca. ^jio der Originalgrölse wiedergegeben. Der Haupt-
schmuck desselben findet siiii auf der vorderen niederen Langseite; er besteht
aus zwei runden Bögen zwischen geschuppten Pilastern. Während auf den in
Fig. 1 — 4 vorgeführten Pul ton die vordere Seite nur eine minimale Höhe hat.
ist sie bei unserem Original« viel beträchtlicher, was wol duii-h die geringe
Höhe des Tisches oder durch die hohe Gestalt des Besitzers bedingt wurde. Die
hohe Langseite ist gänzlich uiiverziert, die Seitenwände durch aufgesetzte profi-
lierte Leisten belebt. Fine horizontah' IMatle hat das Pull nicht, das Schreibgeräte
iiiui'^lf ;ilso neben ihm auf den Tisch gestellt werden. Im Ininnii tinden sich oben
an der hohen Längswand zwei Fächer, darunter zwei Schubladen, die aber nicht
direkt auf dem Boden aufstolsen, sondern unter denen sich noch ein durch die
ganze Länge des Kastens laufendes Fach belindet. Wie den meisten Kästchen.
Schränken und Schränkchen di^s Ki. und 17. . Jahrhunderts fehlt auch unsen-m l'ult
das fieheimfarh iiieht: die rechte Seitenwand läfst sich, wenn der Deckel olTeii
steht, herausziehen und nuiii liiidet dann unten, da das Kästchen dop|telten Boden
hat. ciiii' durch das ganze Mrdicl gehende ziemlich Hache Schublade. Das aus
weichem Holz gefertigte Pult, das Reste eines wol kaum ursprünglichen Anstriches
mit grüner Ölfarbe zeigt, dürfte dem Beginne des 17. 'lahrhunderts angehören.
Nürnberg.
Hans Bosch.
— 118 —
Schloss Röseiibriiiin.
n den Reibereien des Mark<i;rafen Friedricli von Ansbach rail, der Reichs-
stadt Nürnberg zu Anfang- des 16. Jahrhunderts wurden iui Oktober des
Jalu'es löUl einige Nürnbergische Streiireiter von dem Ritter Jobst von
LUchau teils erschossen, teils gefangen nach Neustadt a. d. Aisch geführt, für
welche Tat die Nürnberger vom Markgrafen vergebens Genugthuung forderten.
Die Reichsstadt suchte sich deshalb solche selbst zu verschaffen und be-
auftragte Ulman Stromer, sich des Schlosses Bösenbrunn — auch Brunn, nörd-
lich von Emskirchen — zu bemächtigen, das dem Jobst von Lüchau zugehörte.
Über den Zug gegen Bösenbrunn wird in den Stadtchroniken^) Folgendes er-
zählt: Ulman Stromer, der Hauptmann des Zuges, zog mit 1100 Mann zu Fufs
und 100 Reitern am '.). Jan. (»zwu stund in die nacht« heifst es auch in dem
Briefe vom 11. Jan.) zu Nürnberg aus, während eine andere städtische Truppe
(130 Mann) von Lonerstadt her schon um Mitternacht vor dem Schlots >^Bosen-
prunn«, um dasselbe einzuschliefsen, anlangen sollte, was auch geschah. Stromer,
der »ungeverlich zwu oder droy stund vor tags« dort einzutreffen beabsichtigte,
Fi- 1.
erreichte wegen des schweren Greschützes sein Ziel erst »ungeverlich annder-
halben stund auff den tag.« Es entspann sich, besonders als die auf Bedingung
(Sicherung Leibes und Lebens) angebotene Übergabe von den Nürnbergern
zurückgewiesen worden war, ein lebhafter Greschützkampf. Stromer aber, als
er sah, »das die stainpuchs, noch vil mynnder die schlangen an dem gemewer
des schlofs, dann es ser fest und wolgespeist ist gewest, nichts haben gevvurkt«,
er auCserdem vernahm, dafs die Markgräflichen »auff den bainen wern und sich
ser sterckten«, beschlols den Sturm. Er wurde durch das Feuer der Nürn-
bergischen Büchsen eingeleitet, von 300 Mann ausgeführt und, obwol sich die
25 im Schlofs »gar ser und trostlich haben gewert«, dasselbe erobert, geplündert
und ausgebrannt, das Dorf jedoch verschont. Am Morgen des Dienstags waren
die Nürnberger, soweit sie nicht durch das Hereintreiben des Viehes aufgehalten
woi'den, wieder in ihre Stadt zurückgekehrt. — An Geschütz hatte Stromer »ain
quartan, ain steinpuchsen und ain schlangen^ daizu etlich prot nnd wein und
bey den 38 wegen« mitgeführt.
1) Bd. XI (Nürnberg V), S. 680.
— 119 —
Diese Einnahme mufs den Nürnbergern sehr viele Freude gemacht haben,
denn ein Lokaldichter namens Hanns Peck sah sich veranlafst, den Kriegszug,
sowie einen anderen kurz vorher stattgefundenen, in einem Liede zu verewigen,
und »das Med, das er gedieht hat, schenkt er eiiu weisen rate« reimt er selbst
in diesem. Er liefs es aber auch als Flugblatt drucken, das, mit einem Holz-
schnitte geschmückt, in die Welt hinausging und die Kunde von den Kriegs-
thaten der Nürnberger verbreitete. Ein Exemplar desselben hat sich in den
Sammlungen des Museums erhalten; neu abgedruckt ist es bei Liliencron^).
Wir geben unter Fig. 1 ein Faksimile der Hlustration dieses Flugblattes wieder,
aus dem zu ersehen ist, in welcher Weise sich nach der Meinung eines gleich-
zeitigen Nürnberger Briefmalers die Einnahme von Böseubrunu abgewickelt hat.
Dieses Ereignis hat aber auch Veranlassung zur Anfertigung noch eines
zweiten xylographischeu Erzeugnisses gegeben, und dieses ist der Grund, warum
wii' uns heute mit dies*er Angelegenheit beschäftigen. Der zweite Holzschnitt
(Fig. 2) stellt das Schlofs »posen pruu« vor der Zerstörung dar und es besteht
wol kein Zweifel, dafs, im Gegensatze zu der obigen Darstellung der Erstürmung,
das Schlofs so, wie es der Holzschnitt vor Augen führt, inj Grofsen und Ganzen
auch wirklich bestanden hat. Aber weniger, weil es erstürmt worden ist. geben
wir den Holzschnitt — in 2/3 Gröfse des Originals — hier wieder, sondern viel-
melir weil derselbe eine sehr lehrreiche und übersichtliche Darstellung eines in
der Ebene gelegenen, adelichen Sitzes vom Schlüsse des Mittelalters giebt, wie
es in ähnlicher Weise deren sehr viele gegeben haben mag.
Dafs diese Burgen nicht sehr behagliche Wohnsitze gewesen, hat schon
Ulrich von Hütten in einem Briefe an Willibald Pirkheimer vom äö. Oktober 1518
klargelegt. Er schreibt: »Ob die Burg auf einem Berg oder in einer Ebene liegt,
immer ist sie nicht zur Behaglichkeit, sondern zur Befestigung erbaut, von
Gräben utid Wiill umgeben, immer eng. mit Vieh- und Pferdeställen zusammen-
gedrängt, da sind nahebei dunkle Kammern mit Kanonen, mit Pech und
Schwefel, und was sonst zur Kriegsrüstung gehört, vollgefüllt. Überall riecht
man den Gestank des Schiel'spulvers, dann die Hunile und ihren Unrath — auch
ein schöner Dult wie ich meine. Es kommen und gehen Reiter und unter ihnen
Räuber, Diebe und Wegelagerer, denn gewöhnlich stehen unsere Häuser offen,
und wir wissen nicht, wer ein Jeder ist oder kümmern uns nicht zu sehr darum.
Man hört das Blöken der Schafe, das Brüllen der Ochsen, das Bellen der Hunde,
das Geschrei der Leute, die auf dem Felde arbeiten, der Karreu und Wagen
Knarren und Gerassel, Ja in unserer Heimath auch der Wölfe Geheul, da die
Wälder nahe sind.« 3)
Betrachten wir uns die Burg näher, so sehen wir. dafs auch auf sie die
Beschreibung Huttens angewendet werden kann. Sic ist mit doppelten Mauern
umgeben, die an und für sich allerdings nicht sehr hoch, aber Je durch
einen vorliegenden Wassergraben und eingefügle i-unde Thürme verstärkt sind.
Die äufsere Mauer weist deren vier, ilir innere deren zwei auf; es ist auch kaum
anzunehmen, diil's noch etwa hinter dem Schlo.sse sich einer befunden hätte, da
zu Jener Zeit die Zeichner von • »rt liehkeilen bestrebt waren, alles was der »Mt
"2) Diu hi.slorisclien Volkslieder (In- DciitscIiOM vom l.f. IG. .Iiilirii. II. Nr. 25.S
3) Alwin Schultz, Ucutschea Leben im XIV. u, XV. Jahrh. S. 9.
120
Bemerkenswertes bot. dein Beseher vor Aug-en zu lühren. auch wenn es der
Künstler von dem Standpunkte aus, von welchem er die Aufnahme bewerk-
stelligfte, nicht erblicken konnte. Jede der Mauern weist natürlich auch ein Thor
mit darüber betindlichem Wehrg-ang- und eine vor ihm lieg-ende Zugbrücke auf.
Der Uufsere Thorbau hatte rechts noch ein besonderes kleines Thürchen. Die
äufsere Mauer umg-ab den äufseren Hof, die innere den inneren Hof. In ersterem
linden sich einig-e an die Mauer ang-elehnte Gebäude, die, die einzig-en der Burg,
nach der instruktiven Kolorierung: des Originalholzschnittes, mit Stroh bedeckt,
also ohne Zweifel Ükonomiegebäude waren. Bei einer Belagerung- allerdings
m^
dürfte das Vieh gleich in den inneren Hof gellüchtet worden sein, da der rote
Hahn sehr rasch auf diese an der äufseren Mauer anstofsenden Strohdächer von
den Belagerern gesetzt werden konnte. Der Wassergraben der inneren Mauer
ist auch noch mit einem Pallisadenkranze, diesem uralten Befestigungsmittel,
umgeben, welcher der äufseren fehlt.
Der innere Hof enthält die zwei das eigentliche Schlots bildenden Gebäude,
die scheinbar nicht miteinander zusammenhängen. Die Mauer zieht sich enge
um dieselben; die Düfte, die sich nach Hütten so unangenehm fühlbar machten,
dürften im Sommer durch die Ausdünstungen der Wassergräben noch unan-
genehmer gewesen sein. Die unteren Geschofse der Schlofsgebäude sind aus
Sandstein massiv gebaut, der in der dortigen Gegend überall in trefflicher
— 121 — ■
Qualität gebrochen wird. Sie zeigen nur Schiefsscharten und keine Fenster;
sie bargen die finsteren Kammern, die nach Hütten mit Munition und Kriegs-
material, und sicher auch mit Proviant für Menschen und Vieh gefüllt waren
und in denen auch die Knechte gewohnt haben dürften. Für die Herrschaft
blieb nur das obere in Fachwerk erbaute und mit Fenstern versehene Stockwerk
als Wohnung übrig. Diese Häuser, die Thorbaue, die Thürme und Mauern
waren mit Ziegeln gedeckt.
Bei der Einnahme der Burg mufsten also um nur vor die inneren Gebäude
zu kommen, zwei Wassergräben überschritten, eine Pallisade und zwei Mauern
überstiegen werden, dann galt es erst noch in die festen Häuser einzudringen.
Von Interesse ist es, dafs, nach den alten Aufzeichnungen, die Geschütze
gegen die festen Mauern des Schlosses nichts vermochten, dafs es daher mit
Sturm genommen wurde, wobei die 25 Mann Besatzung der grofsen Zahl der
Belagernden natürlich nicht lange Widerstand leisten konnten. Nach den Städte-
chroniken a. a. 0. wurde Ulman Stromer schon am 11. Januar beauftragt, »dy
handlung und geschieht, dy zu Brun beschehen ist, ordenlich in ein buch auf-
schreyben« zu lassen. Es wäre, nachdem eine identische Abbildung des Schlosses
vorliegt, nun auch wichtig, diese Niederschreibung kennen zu lernen, um aus
derselben zu ersehen, wie eigentlich der Sturm ausgeführt worden^ wie die
Einnahme verlaufen ist. Aus dem linken Thurme der inneren Mauer schlägt
eine Flamme heraus. Hat der Zeichner damit andeuten wollen, dafs die Burg
überhaupt in Flammen aufgegangen ist? oder dafs sie dort zuerst in Brand
gesteckt wurde? Es wird sich dies schwer feststellen lassen.
Nürnberg. Haus Busch.
Zur Geschichte der techuischeu Verwendung des Papieres.
u dem an der Spitze dieses Jahrgangs unter obiger Überschrift veröffent-
lichten Artikel sind uns von Freunden des Museums eine Reihe von
Zuschriften zugegangen, die sich mit den dort, besprochenen Gegen-
ständen beschäftigen.
Über die Technik, in welcher die aufgelegten, aus Papier ausgeschnittenen
Verzierungen der hübschen gotischen Truhe auf Seite 4 u. o der »Mitteilungen«
ausgeführt sind, schreibt uns ein eifriger Freund unserer Anstalt: »Die beiden
Abbildungen habe ich sofort in der wirklichen Gröfse gezeichnet und gefunden,
dafs die Arbeit gar nicht so subtil und schwierig ist. Anbei eine kleine Probe
aus einem Stück schmutzigen Packpapiers mit meinem Taschenmesser angefertigt.
Die Technik ist folgentic: Man schneidet zuerst die oberste Lage sehr
korrekt aus und klebt sie auf das volle zweite Blalt. Da macht es dann keine
besondere Schwierigkeit, mit spitzem Messer die Konturen sauber so zu um-
fahren, dafs die zweite Lage als etwas breitere Unterlage erscheint. Ebenso
wird es mit der dritten und vierten Lage gemacht. .Mau arbeitet so von oben
nach unten, nicht in umgekehrler Reihenfolge. Durch dieses VorfahiiMi wird
als Täuschung erzielt, als ob zwei sclbstsländig ausgeschnittene BUitler auf-
einander geklebt wären, was uniiberwindliclie Schwierigkeiten nuu'hen würde.
Das Papierrelief des alten Kästchens ist mit weil'ser Farbe übermalt; das ist eine
Mitteilungen aus dem gernian. Nutiouulmuseura. 1893. XVI.
— 122 —
Notvvendig-keit, denn man kann beim Aufkleben nicht so sauber arbeiten, dafs
nicht hiu und wieder der blanke Leim sichtbar wird.«
Das freundlichst mitg-esandte Muster ist eine treflliche Bestätig-ung der
vorstehenden Ausführungen.
Von einem Antiquare wurde uns auch ein rechteckiger Rahmen vorgelegt,
der dieselben gotischen Motive in derselben Technik zeigte. In ihr sind nament-
lich auch die durchbrochenen Verzierungen der Schallöcher alter Musikinstru-
mente ausgeführt. —
Bezüglich des Wappens der auf S. 10 abgebildeten reliefierten Papierschale
sind wir von geschätzter Seite darauf aufmerksam gemacht worden, daCs hier
das Wappen der Herzoge von Savoyen vorliegt, wie es von diesen am Ende
des 16. Jahrhunderts geführt wurde. Das abgeriebene Herzschildchen zeigte
das inzwischen als Wappen des Königreichs Italien adoptierte silberne Kreuz
im roten Felde, das erste und vierte Feld die vereinigten Wappen von Nieder-
sachsen (silbernes Rofs in rotem Felde), Kursachsen und Engern (drei rote so-
genannte Schröderhörner im silbernen Felde) — bekanntlich leitet das Haus
Savoyen seinen Ursprung von dem Sachsenherzoge Wittekind ab — , das zweite
und dritte Feld aber das Wappen des Herzogtums Ghablais (schwarzer Löwe
in mit gleichfarbigen Schindeln bestreutem Felde).
Unsere Zweifel bezüglich des deutschen Ursprunges der Platte waren also
wol begründet.
Nürnberg. Hans Bosch.
Ein Rieter -Kobergersches Alliancewappen.
or einigen Jahren hat das germanische Museum bei einem Nürnberger
Antiquare eine Federzeichnung erworben, welche die Wappen der Nürn-
berger Patrizierfamilie Rieter von Kornburg und der berühmten Buch-
drucker- und Buchhändlerfamilie Koberger enthält, gehalten von einer Dame in
der Tracht der Zeit von 1535, welche Jahreszahl auf der Zeichnung steht. Wir
geben das flott gezeichnete Blättchen auf der nächsten Seite in */5 der Original-
gröfse als eine hübsche heraldische Zeichnung, als ein gutes Vorbild für ein
Alliancewappen wieder. Wer von den Nürnberger Künstlern Jener Zeit der
Urheber derselben gewesen, läfst sich mit Sicherheit nicht feststellen; lediglich
in Vermutungen uns zu ergehen, haben wir keine Veranlassung.
Über die Persönlichkeiten, deren Wappen hier vorliegen, erfahren wir aus'
Hase^), dafs des berühmten Buchhändlers und Buchdruckers Anton Koberger
Kinder sich mit den ersten Familien Nürnbergs und anderen adeligen Geschlech-
tern verbanden. Seine Tochter Katharina hatte Eustachius Rieter zum Gemahl.
Es waltet kein Zweifel ob, dafs unser vorliegendes Wappen nur diesem Paare
angehört haben kann. Katharinas Gemahl war 1498 nach Jerusalem gezogen,
hatte sich nach seiner Rückkehr 1500 mit Katharina Koberger vermählt und ist
1530 zu Bamberg verstorben, während seine Hausfrau Katharina erst 1557 das
Zeitliche segnete.
1) Oskar Hase, Die Koberger. 2. Aufl. (Leipz. 1883J S. 21 S.
— 123 —
Zu welchem Zwecke das Wappen gezeichnet wurde — denn einen solchen
mufs es doch g-ehabt haben — geht aus dem Blättchen nicht hervor. Es würde
sich ganz gut für ein Bibliothekzeichen eignen; doch ist kaum daran zu denken,
dafs Frau Katharina sich nach dem Tode ihres Gemahls eine Bibliothek angelegt
hat; das besorgten damals doch beinahe ausschliefslich die Männer. Wahr-
scheinlicher ist es, dafs der Entwurf für einen Glasmaler bestimmt war, der
darnach eine Scheibe zum Gedächtnis des verstorbenen Gemahls anfertigen sollte,
oder vielleicht für einen Rotgiefser, dem es als Vorlage für ein zu modellierendes
Wappenepitaph des Eustachius Rieter gedient haben mag. Mag dem nun sein
wie ihm wolle, jedenfalls ist es ein ganz anziehendes Blättchen, das jeden Freund
der Heraldik interressieren dürfte.
Nürnberg. H a n s B ö s c h.
^r-^r
Register zum Jahrgang 1893
der
Mitteil Uli Ji'en aus dem sfermaiiisclien Natioiialmuseum.
AUiance Wappen der Rieter-Ko berger 122 f.
Barbierer zu Nürnberg: Gescbwornenbuch
29 ff.
Beitrag zur Bücherausstatlung 108 ff.
Biographie des Malers Gg. Christoph Eiiiiojart
d. Ä. 38 ft".
Bösenbrunn, Schlofs 118 ff.
Brandenburg, Friedrich I. Markgraf: Chemie
dess. 98 ff.
Breydel, Garel: Gemälde dess. 96.
Brief vom Maler Müller an Wieland 13 ff.
Briefbücher der Grafen Hans und Franz
Christoph Khevenhüller S7 ff.
Brunnen, gotischer :| Entwurf 97 f
Bücherausstattung: Beitrag zu ders. 108 ff.
Chemie des Markgrafen Friedlich I. von Bran-
denburg 98 ff.
Deutschland segnen 96.
Eimuiart, Gg. Christoph d Ä.: Selbstbiographie
53 ff.
Entwurf eines gotischen Brunnen 97 f.
Flandern: Karte von 1538 25 ff.
Friedrich I., Markgraf von Brandenburg:
Chemie dess. 98 ff.
Gemäld egalleri e des german. Museums:
Notizen zu ders. 95 f.
Geschichte der technischen Verwendung des
Papiers: Beitrag zu ders. 3 ff. 121 f.
Gescbwornenbuch der Nürnberger Bar-
bierer und Wundärzte 29 ff".
Handzeichnung: Rieter-Kobergersches Alli-
ancewappen 122 f.
Holzschnitt: gothischer Brunnen 97 f.
— Schlofs Bösenhrunn 118 ff.
Karte von Flandern von 1538 25 ff.
Khevenhüller, Hans und Franz Christoph
Grafen, österr. Gesandte am spanischen Hofe:
Briefbücher ders. 57 ff.
Koberger: Wappen 122 f.
Krieg, dreifsigjäbriger : zum Beginn dess. 57 ff.
Landkarte von Flandern von 1538 25 ff.
Müller, Job. Friedr., Maler u. Dichter, Brief
an dens. 13 ff.
Nürnberg: Gescbwornenbuch der Barbierer
und Wundärzte 29 ff.
— Verlobung und VereheJichung das. 41 ff.
Ölhafen, Hans: Verlobungu.Verehelichung41ff.
Österreich: Gesandteam spanischen Hofe 57 ff.
Papier, zur techn. Verwendung dess. 3 ff. 121 f.
Penz, Georg, Maler: Todestag dess. 39 f.
Pult des 17. Jahi-hunderts 113 ff.
Reiehenhall: zur Geschichte des Salzhandels
das. 19 ff.
Rieter-Koberger sches AUiancewappen 122 f.
Salzhandel zu Reicbenliall : zur Geschichte
dess. 19 ff.
Schlofs Bösenbrunn 118 ff.
Schmutzumschlag des 13. Jahrb. 108 ff.
Schreibpult des 17 Jahrb. 113 fl'.
Selbstbiographie des Malers Gg. Cliristoph
Eimmart d. Ä. 53 ff.
Spanien: österreichische Gesandte am dort.
Hofe 57 ff.
Speer, Martin: Gemälde dess. 95 f.
Todestag des Malers Georg Penz 39 f.
Verehelichung in Nürnberg im 16. Jahrb.
41 ff.
Verlobung in Nürnberg im 16. #ahrh. 41 ff.
Wappen der Rieter-Koberger 122 f.
Wiel and, Brief an dens., von Maler Müller 13 ff.
Wundärzte zu Nürnberg: Gescbwornenbuch
29 ff.
^M Nuremberg. Germanisches
101 Nationalmuseum
N84K5 ItLtteilungen
1890-93 1890-93
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