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Full text of "Mitteilungen"

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Mitteilungen 


aus  dem  gerinaiiisclien  Nationaliuuseuin, 


herausgegeben  vom  Direktorium. 


\^^,o'  ^,^ 


Jahrgang  1890.   ' 

Mit  Alil)ll(luiiij;(M). 


Nürnberg,  1890. 
V<'i'liii?s('ii;<'ii1nni  lies  irrnnanisclioii   Miisouins. 

In    l\iiiiiiiiis>iiMi    hei    F.   A.   Brockhaus    in    Lcip/it;. 


101 


Die  Kaiseriirkuiulen  des  »eriiiauischeii  Natioiialniiiseiiiiis. 

11  dem  Entwürfe  einer  Reichsreg-imentsorihniug',  welchen  Kurfürst  Berthohl 
von  Mainz  im  Jahre  1493  auf  dem  Tage  zu  Worms  den  Ständen  iles 
i^  Reiches  zur  Beg'utachtung"  vorlegte,  befand  sieh  eine  Bestimmung",  durch 
welche  auch  das  g-ar  sehr  im  Arg'en  liegende  Reichsarchivwesen  einer  gereg-elten 
Verwaltung-,  festen,  geordneten  Verhältnissen  entgeg-engeführt  werden  sollte: 
es  wurde  damals  beantragt,  dafs  der  neu  einzusetzende  Reichsrat  »alle  Register, 
Briefe  und  Urkunden  über  des  Reiches  Händel  und  Gerechtigkeiten,  wo  und 
bei  wem  sie  auch  seien,  an  sich  nehmen  und  mitsamt  den  zukünftig  entstehen- 
den Archivalien  treulich  verwahren  und  zur  Nothdurft  des  Reiches  gebrauchen 
solle«'  *).  Leider  gelangte  dieser  Entwurf  mit  seiner  Fürsorge  für  die  Urkunden 
und  Akten  des  Reiches  niemals  zur  Ausführung.  Und  auch  als  wenige  Jahre 
später  Kaiser  Maximilian  das  Reichsregiment  wirklich  ins  Leben  rief,  blieb  der 
Gedanke  einer  Errichtung  eines  Reichsarchivs  unausgeführt.  Maximilians  Vor- 
gängern war  wo]  ohne  Ausnahme  eine  solche  Idee  überhaupt  fremd  geblieben, 
obgleich  man  denken  sollte,  das  Bedürfnis  nach  einem  stabilen  Aufbewahrungs- 
orte aller  auf  das  Reich  bezüglichen  Schriftstücke  müfste  sich  um  so  eher  ein- 
gestellt haben,  je  weniger  feststehend  der  Sitz  der  Zentralregierung  war.  Doch 
die  Geschichte  des  Archivwesens  zeigt  einen  dem  cerade  entü'eii'cnü'esetzlen 
Entwickelungsgang:  nicht  die  Staaten,  welche  in  fortwährender  Umbildung  und 
Ausarbeitung  ihrer  Verfassungsformen  begriffen  waren,  wie  Deutschland.  Frank- 
reich, Italien,  die  in  heftigen  inneren  Kämpfen  doch  niemals  zu  einer  festen 
Gestaltung  ihrer  Verhältnisse  gelangen  konnten,  sondern  diejenigen  politischen 
Gebilde,  in  denen  straffe  Zentralisation  herrschte,  beg-annen  frühzeitia;  mit  einer 
staatlichen  Ordnung  des  Archivwesens.  Freilich  ist  diese  Erscheinung  nicht 
ganz  so  verwunderlich,  wie  es  auf  dem  ersten  Blicke  erscheinen  möchte:  es 
fehlten  ja  in  den  genannten  Ländern  selbst  die  geringsten  Anlange  einer  wirk- 
lichen Verwaltung,  und  besonders  das  heilig(>  römische  Reich  deutscher  Nation 
war  vermöge  seiner  förderativen  Verfassung,  innerhalb  deren  das  königliche 
Haupt  lediglich  als  oberster  Richter  und  oberster  Heerführer  Platz  fand,  weniger 
als  alle  anderen  ein  Staat  nach  modernen  Begriffen,  wo  das  Prinzip  der  staat- 
lichen Fürsorge,  kurzum  die  Verwaltung,  die  entscheidende  Stelle  einnimnit. 
Dazu  kommt  nun  noch  die  eigentümliche  Entwickelung  der  Rechtsverhältnisse: 
das  Volksgerichl.  wie  es  aus  dem  allfränkischon  mallus  entstand,  kannte  keinen 
Urkundenbeweis,  den  erst  das  rrunische  Hecht  in  vollem  l'infanu-e  einluhrtt>. 
Wozu  sollte  man  also  Urkunden  aufheben  1 


1)  Dali,  de  [nuf  puljüca  S.  838,  §  20. 


Diiii't'iicn  lialtcii  die  Sluiilfii.  Uflclic  ciiH'  ilfi-  all  i-i"iiiiisc|irii  iiaili^uriiililL'li', 
N'i'rwalliiiiir  lifSiilsL'u.  schon  tViilizi'ifig'  ihn'  .\rclii\t'  /.u  (irdiH'ii  Ix'iioiinen:  so 
kiinii  iiiati  die  Ht'U'i-iiiiduiii:'  des  val ikanisrhrii  Archiv'^  in  das  vierte  Jahrhundcr! 
/ui'Cickthd irren -'I.  und  am-li  das  Noiinannisrli-Si/ilischc  Reich  konnte  am  Sil/r 
i\i-y  Zcnlcahidiinni^lralinii  ein  \v(dg'eordneles  .\n-lii\  anl'ueisen '^j.  Das  deulsche 
Keicli  kcnni  ähnliche  Kiirsnij'i'.  wie  liereils  g-esajil.  nichl  :  hier  iehh-n  alle  An- 
tanji-e  einer  Vei'waltunii'  dei-  ri'knndenschäl/e.  Der  K'fWiiii'.  von  Pia!/,  /n  J^lalz 
ziehend,  liilirle  /war  eine  Anzahl  von  l'iknnden  und  Aklen  niil  sich  herum, 
(liesellien  waren  aher  lediij'licli  durch  Zulall  zusannneng-ewürfell  und  wurden 
durchaus  nichl  sor,iifäliii>'  bewahr!  :  dem  Zulalle  war  es  auch  anlieinifi'eg-eben.  ol) 
sie  verloren  wurden  ^^i\*'V  erlialli'ii  hlielM'ii.  uinl  in  dei  Thal  sind  auf  diese  Weise 
<>:ewirs  reiche  Schätze  unterg'eg'ang'en.  Nur  unler  den  Jvar(ilin_i>ei-n  wird  ein 
ar(dM\ium  oder  armarium  saci'i  palalii  als  Aurbewahrungsort  von  Uesetzeu. 
Teslamenlen  der  lleri-s(;her.  Konzilsbcsehlüssen .  Verträgen.  S(direil)eii  aus- 
wärtiger Kiuslen.  Abschririen  cinzelnei-,  besonders  wicliligei-  l\ö?iigsurkunden 
liie  und  ila  erwähnl.  uml  die  Pfalz  zu  Aachen  als  zeitweise,  ständige  Residenz 
des  Kftnigs  barg  wol  dieses  Archiv.  Wie  wenig  berechtigt  aber  dieser  Name 
isl .  bei  dem  wir  doch  auch  an  eine  Ordnung  der  Archivalien  denken,  geht 
daiaus  h(M'V(U'.  dals.  als  Al)l  Ansegis  v(ui  Sl.  WandriUe,  damals  sogar  nnl  dem 
Aachenei-  IMalzaml  i)etraul.  im  -lahre  82J7  seine  Kapitulariensammlung  anlegte, 
nichl  einmal  alle  (jesetze  dorl  zu  llinlen  waren  ^).  Nicht  anders  ging  es  unter 
den  (lltom'n.  den  Saliei-n  und  Siaut'ern '')  und  ohne  bemerkenswei-te  Besserung 
auch  nach  tlcm   Inlerregnum  bis  auf  Maximilian  herab"). 

Ks  ist  klar,  dals  durch  ein  solches,  Jahi-liunderte  lang  fortgesetztes  Ver- 
l'alwen  alles,  was  an  Dokumenten  die  kaiserliche  Kanzlei  verliefs,  alsbald  einem 
willkürlieh  wallenden  Geschicke  anheimliel.  LTiul  da  infolge  des  Fehlens  eines 
Reichsurchives  an  eine  svstematische  Sammlung  und  Aufbewahrung  der  Kon- 
zepte  und  Voiakte.  an  Anlegung  von  Registern,  die  in  dem  wolgeordneten 
vatikanischen  Archive  einen  so  hervorragenden  Plalz  einnehmen,  nicht  gedacht 
wurde,  so  ist  es  nalürlich.  dals  nur  ein  verhältnismäfsig  recliL  geringer  Bruch- 
teil  aller   im   Namen   des  Königs  ausgestellten  Urkunden  [bis  auf  unsere  Tage 


"2)  Nai'li  (lein  Lilici'  l'diitifu'alis  soll  hcrcils  {'apsl  Anln-us  f:2.So  23H)  für  Sannidinip: 
iiMil  Aufhcwahrimy  der  Märtyroraklcii  AiioriliuniKcii  j;cin>lioii  lialieii.  Zuvci-Iässige  Nach- 
liilili'ii  iilicr  (las  Archiv  Ijeginncii  erst  lUÜ  Jahre  später:  eine  Inschi'ifl  an  der  Basilica 
S.  liorcii/.u  in  l'iasiiia  besagt,  dals  Papst  Dainasiis  I.  (366 — 384)  an  dieser  Stelle  ein  Jicues 
tiaus  liir  (his  Archiv  erltaiit  habe.  V^ergl.  Bcefslaii.  Ilaiidhucli  (\or  Urkundenlehre  I, 
S.  lii)  IT. 

ü)  Breis  lau.  a.  a.  U.  8.  lo7  IT.  Leidci-  isl  von  den  lieständeji  des  Palermitaner 
Aiiiiivs  al)Solut  niclits.  uieJir  crJiallen. 

4)  Brefslaii.  a.  a.  0.  S.  133,  134. 

ö)  Wenitrslens  in  Denischlaiid  iriiii;-en  die  Slaid'er  vom  allen  Schlendrian  nicht  ah; 
in  Sizilien  lial  liekanidlich  Friedrich  Ji..  jedenfalls  nach  noj'inannischein  iMusler.  ein  Archiv 
hepründel,  das  daini  iinirr  den  an{i,iovinischen  Königen  weiter  geführt  wurde.  Brcfslan, 
a.  a.  0.  S.  138. 

6)  Die  Krhaltung  eiin'i-  Anzahl  von  Urkunden  Heinrichs  VIT.  in  Pisa,  die  als  »Archiv 
Heinrichs«  hezeichnet  werden,  ist  eint-  durchaus  znta!li«e.  Auch  die  Register  Ludwig  des 
Bayern  kann  man  nicht  »Archiv«'   nennen. 


übei-koiuiueu  ist  mul  ilaIV,  was  erhalten  blieb,  über  alle  grofse  und  kleine, 
öffentliche  und  private  Archive  und  SaiuuiUmg-en  Deutschlands  und  Italiens 
zerstreut  ist. 

Mannigfaltig-  sind  die  Schäden,  welche  der  Wissenschaft,  der  (jeschichte 
und  ihren  Hilfswissenschaften  durch  diese  Verhältnisse  erwachsen  sind:  nament- 
lich in  der  Entwickelung'sg'eschichte  der  Urkundenlchre  machen  sie  sich  beson- 
ders deutlich  fühlbar.  Denn  naturg-emäfs  niufste  die  wissenschaftliche  Behand- 
lung urkundlicher  Dokumente,  das  Forschen  nach  Gesetzen  und  Regeln,  unter 
die  man  den  Urkundenstoff  etwa  bring-en  könnte,  von  den  erhalten  gebliebenen 
König-surkunden  ')  ausg-ehen.  da  diese  in  einer  geordneten .  nach  bestimmten 
Reg-eln  geleiteten  Kanzlei  entstanden,  leichter  ein  allgemeingültiges  Ergebnis 
liefern  konnten,  als  die  ungefüge  Masse  von  Privaturkunden.  Und  da.  wie 
bekannt,  die  Geschichte  der  Urkundenlehre  in  unmittelbarem  Zusammenhange  mit 
der  Geschichte  der  Urkundenfälschungen  steht,  so  ist  es  klar,  dafs  man  sich 
zuerst  mit  den  aus  der  königlichen  Kanzlei  hervorgegangenen  Diplomen  be- 
schäftigte, die  ja  auch  vermöge  ihres  Inhaltes  und  des  Gewichtes  ihres  Ansehens 
vor  anderen  zu  Fälschungen  und  Xachbildungen  reizten. 

Ks  kann  hier  nicht  meine  Aufgabe  sein,  die  Geschichte  der  Diplomatik  in 
ihrer  allmählichen  Entwickelung.  von  den  bescheidenen,  gleichsam  unsicher 
tastenden  Anfängen  bis  zur  heutigen  Höhe  eingehend  zu  behandeln:  das  ist  in 
unseren  Tagen  in  mustergiltiger  und  erschöpfender  Weise  von  Harry  Brefslau 
in  seinem  schon  iUters  erwähnten  «Handbuch  der  l'rkundenlehre  für  Deutsch- 
land und  italien«  geschehen.  Im  zweiten  Kapitel  tlieses  Werkes  zeigt  uns  der 
Autor  in  fesselnder,  vorzüglicher  Weise  den  Urs})rung  unserer  Wissenschaft, 
die  ersten  Versuche  eines  Laureutius  Yalla  und  Aventin,  die  schon  zielbewufsteren 
Arbeiten  ■Mabillons.  Bessels  un»!  Schönemanns.  endlich  den  grofsartigen  Auf- 
schwung diT  Diplomatik  in  den  letzten  Jahrzehnten  duich  die  grofsen  Werke 
Theodor  von  Sickels  und  Julius  Fickers.  Es  würile  also  eine  blofse  Wieder- 
holung des  von  Brefslau  gesagten  sein,  wollte  ich  hier  bei  Besprechung  iles 
Schatzes  von  Königsurkunden,  welchen  das  germanische  Xationalmuseum  be- 
wahrt, gleichsam  ab  ovo  mit  der  Geschichte  der  Diplomatik  l)eginnen.  Vielmehr 
wird  es  meine  Aufgabe  sein,  bevor  ich  zur  Besprechung  der  Urkunden  selbst 
gelange,  in  kurzen  Umrissen  ein  Bild  von  iler  neueren  Entwicklung  und  dem 
Stande  unserer  Ketuilnis  dci-  Ivitniglichen  Kanzlei  und  der  aus  ihr  hervorge- 
gangenen  Dipbune  zu  geben. 

Bevor  man  freilii.'h  hierin  zu  ei'scli(>|ifen(len .  theoretisehen  Krgebnissen 
gelangen  konnte,  war  es  nödig.  dafs  man  das  vorhandene  Material,  welches  dem 
Forscher  auf  di-in  Gebiete  der  Königsurkunden  zur  N'erliigung  steht,  seinem 
ganzen,  gewaltig  grofsen  Umfange  nach  kennen  lernte.    Sammlungen  von  Königs- 


7j  Ks  (lüilli'  IVii;,dicli  sein,  oli  uiaii  iiiil  iiiclii'  ili'i'iil  ilie  im  iNiUiu'ii  dos  (Icutsflicii 
Küiiijis  ihkI  niiniscIitMi  Kaisers  ausgelVrlij,4cii  Ir-idnidcii  Kaiser-  oder  Köiiinsiirliinideii  neiiiuMi 
sdII.  Urcfsiaii  in  scincni  borcils  mchrf'ai'h  aiifc«'zt){ji'ii('n  VVorkc  ;!:('l)raiu'hl  dmvlinänniy;  dii' 
BczcichnuntJ  »Künitrsuikiindcu  ■  :  ebenso  l-'ickei'  in  seinen  "  iUMiriigeii  zui'  l'rkiuuleniclire., 
Dagci^eji  linden  sicli  liei  SicUel  liiidi>  |{ezeieiimfM}j;i'n.  (Kaise  rurkunden  in  Ahbildungon. 
Kön  i  jjs  urkniiden  in  Ada  ret^uni  el  iniperalornni  Kandinufnni. )  Ks  lassen  sieh  l'nr  nnd 
wider  jede  der  iK'iden   Bezeiclinun;(en  lasl  gleiciiviel  (iründe  anrüiii-en. 


iirkiinilt'ii  uan-n  schon  im  voiipMi  -laliiliiimlt'rlo  crschiciuMi :  ao  enlhäll  der 
(li|>ltiiiialischt' Toil  des  lllr  sfinc  Zeil  niclil  iiiihi'iIculiMKlcii  Prai-htworkes")  Johann 
(lonr^''  Ht'sst'ls.  Ahlt's  des  nit'dcriisici  Tficliischcn  lirncdiklincrkloslcrs  Göttweig", 
die  rrkundt'M  dt-r  rinzi'lncn  dculschcn  Ktitiigc  von  Koiuad  I.  his  auf  Friedrich  II., 
sopir  Mul  t'int'r  Anzahl  IVcilifh  iinjjrt'nng-cndor  Faksiinih's  g-eziort.  Nach  Bessel 
isl  der  Mldorln-  IniviTsilälsprofcssor  .lohan.ii  lliniiiiiiin  von  TeuLschenbrunn 
/.ii  nennen,  welchrr  in  eijieni  zweibänihg-en  WtM'ku ")  diu  Urkunden  der  Karo- 
linger altdriickle  und  hesprach  und  zwar  in  einer  Weise,  welche  eine  nichi 
g-eringe  Fifi'dcrung-  der  .Melliodik  unserer  WissenschaH  hedeutel.  trotzdem  Heu- 
mann niemals  eine  ( Iriginalnrknndi'  Karls  des  (irolsen  oder  seiner  Nachfolger 
zu  (iesiehl  liekani!  (iar  viele  K<".nigsurkunden  hat  auch  Jiiinig-  in  «einen  zahl- 
reichen Foliaiden  erslnuilig  edierl.  nicht  minder  Senckenberg:,  freilich  in  einer 
Weise,  die  eine  UiMiiilzung-  zu  wissenschafilichen  Arbeiten  nicht  nui  in  Folge 
ilii  rnbehiiriichkeit  und  L'nbe(|uendichkeil  der  g-anzeu  Anlage,  sondern  auch 
ilurch  oll  weitgehende  rn/.ulänglichkeilen  in  der  Text  Überlieferung-  erschwerte, 
ja   iinmiiglich  mai-hle. 

Kin  l'mscliwung  in  diesen  Verhältnissen  trat  ein.  als  nach  dein  Zusanunen- 
bruclii'  des  heiligen  römischen  Reiclies  Säkularisationen  und  Mediatisierung'cn 
von  Klöstern  und  iiistüniern  an  der  Tag-esordnuug-  waren;  hierdurch  g:elangte 
ein  grofser  Teil  des  uns  erhaltenen  Vorrats  von  mittelalterlichen  Urkunden  in 
den  He>«il/.  iler  sianllichen  Archive,  wurde  neu  geordnet,  und  zahlreiche,  bis 
dahin  ungekannte  Schätze  an  Diplomen  deutscher  Könige  kamen  so  au  das 
Tag-eslichl.  so  dafs  die  Notwendigkeit  einer  libersichtlicheren  Zusammenfassung 
dt's  bekannten  und  zugänglichen  Jlaterials  sich  immer  dringender  geltend  machte. 
Von  dieser  Ansicht  ausgehend,  schuf  Johann  Friedrich  Böhmer  seine  grolsen 
Regesten  werke:  1831  erschienen  von  ihm  die  Urkunden  der  Könige  von  911—  1313, 
I.S33  die  Urkunden  der  Karolinger  und  der  burgundischen  Könige,  endlich  1839 
ilie  Fortsetzung  bis  1347.  Es  hiefse  Eulen  Dach  Athen  tragen,  wollte  ich  hier 
noch  etwas  zum  Lobe  des  rastlos  thätigen  Forschers  und  seiner  grofsen  Arbeiten 
sagen,  die  gröfsere  diplomatische  Untersuchungen  überhaupt  erst  möglich 
machten.  Indessen,  so  bahnbrechend  die  Bestrebungen  Böhmers  auch  waren, 
es  wurden  in  Folge  iler  bedeutenden  Fortschritte  in  unserer  Wissenschaft  doch 
Neubearbeitungen  jener  Regesten  nötigt"),  die  zum  Teile  Böhmer  selbst  noch 
iiegonnen  hat.  Aufserdeni  hat  Karl  Stumpf  1865  eine  Neubearbeitung  der  Ur- 
kunden von  919—1198  unternommen"),  als  Anhang  zu  dem  leider  unvollendet 
gebliebenen  Werke  über  die  Reichskanzler  des  10.— 12.  Jahrhunderts. 

S)  ('.hronieon  Gotwiconse  seu  aiinales  libcri  et  cxempti  iiiuiiasterü  (lotuiceiisis,  —  — 
Toinus  prodromus  de  codiciljus  antiquis  uianuscriptis,  de  impcralorum  ac  rogurn  Geruianiae 
dipiomaliluiti  —  —  —  Tegernsce,  1732. 

9)  Coninientarii  de  re  diplomatica  iinperalorum   ac   reguui  Gernianorum  lade  a  Caroli 
.Mapiii  fenipnrihas  rtdnriiati.JJ,lNürnl)erg,  1745 — 53. 

10i  .Naili  Böhmers  Tode  hat  Julius  Ficker  die  Leitung  de.s  ganzen  Unteruebniens 
übcrnouimen;  von  seiner  Hand  erscliien  eine  abermalige  Beai'beituug  der  Regesten  von 
1198—1273,  wähi'cnd  eine  ebensolche  für  die  Karolingerzeil  durch  E.  Mühlbacher  aus- 
geführt wurdi'. 

llj  CIn'onologisches  Verzeichnis  der  Kaiser -Urkunden  des  X..  XI.  und  XII.  Jahr- 
hnnderts.     Innsbruck.  1865. 


Sind  diese  Reg:esten\vei-ke  aus  dorn  Bedürfnisse  einer  g-enügenden  Übersicht 
über  den  Umfang  des  Materials  entstanden  nnd  als  solche  von  unschätzbarem 
Werte,  so  ging-en  sie  doch  in  theoretischer  lie/iehung  anf  unrichtigem  NYeg-e 
vor:  Es  ist  die  Frag;e  nach  der  Echtheit  oder  LInechtheit  eines  Diploms,  au 
welcher  Böhmer  und  Stumpf  scheiterten ;  sie  wollten  alle  aus  der  königlichen 
Kanzlei  hervorgegangenen  Urkunden  unter  einen  Hut  bringen,  d.  h.  aus  einer 
gröfseren  Anzahl  Urkunden,  die  ihnen  durch  die  Hände  gingen,  suchten  sie 
übereinstimmende  Merkmale  abzuleiten  und  stellten  diese  als  allgemein  giltige 
Regeln  auf.  Fand  sich  dann  ein  Diplom,  welches  sich  diesen  Regeln  nicht  fügte, 
sondern  eine  oder  mehrere  Abweichungen  von  der  Normalurkunde  aufwies,  so 
wurde  es  einfach  für  gefälscht  erklärt  und  ohne  weiteres  aus  dor  Reihe  der 
Regesten  gestrichen  oder  als  verdächtig  gekennzeichnet.  Es  ist  klar,  dafs  diese 
Methode  Stumpfs  nur  zu  scheinbar  sicheren  Ergebnissen  führte:  man  ging 
von  der  Voraussetzung  aus,  dafs  das  ganze  Mittelalter  hindurch,  selbst  zu 
Zeiten,  wo  alle  ölfentlichen  Verhältnisse  im  Reiche  in  gröfster  Unordnung  sich 
befanden,  das  Kanzleivvesen  des  Königs  stets  wol  geordnet  gewesen  sei.  Aber 
obwol  diese  Voraussetzung  nach  Lage  der  Dinge  schon  an  und  für  sich  als 
unrichtig  erscheinen  mufste,  suchte  man  sich  doch  einen  Beweis  dadurch  zu 
konstruieren,  dafs  man  alle  Urkunden,  welche  in  jene  geträumte  Ordnung  nicht 
hineinpafsten,  einfach  für  unecht  erklärte. 

Aus  diesem  unglücklichen  circulus  vitiosus  wurde  die  Diplomatik  durch 
die  Bemühungen  zweier  Männer  gerettet.  Zunächst  wies  Julius  Ficker'-)  in 
überzeugender  Weise  nach,  dafs  die  Annahme  einer  vollkommenen  Ordnung 
des  mittelalterlichen  Urkundenwesens  weiter  nichts  als  ein  Traum  sei.  Im  Zu- 
sammenhange hiermit  zeigte  er,  dafs  eine  Unzahl  von  Unregelmäfsigkeiten  an 
einzelnen  Urkunden  sich  viel  leichter  und  zwangloser  aus  der  Entstehungsge- 
schichte der  betreffenden  Urkunde  erklären  liefs,  als  aus  der  Annahme  eines 
Überlieferungsfehlers  oder  einer  Fälschung,  welche  bei  Stumpf  sich  nur  zu 
oft  vorfindet.  Ficker  lehrte  also,  bei  Beurteilung  eines  Diploms  alle  inneren 
und  äufseren  Merkmale  in  Betracht  zu  ziehen  und  vor  allem  keine  Unree,-el- 
mäfsigkeit  von  vornherein  für  unmöglich  /u  halten. 

Von  einem  anderen  Gesichtspunkte  aus  hat  Theodor  Sickel  '■')  das  System 
Stumpfs  erschüttert,  ja  vernichtet.  Bereits  in  den  Anfangszeiten  der  Diplomatik 
hatte  man  erkannl.  dafs  wirklich  sichere  Regeln  für  Entscheidung  der  Frage. 
ob  eine  zw(!ifelhafte  Urkunde  echt  oder  unecht  sei,  aus  der  Untersuchung  zwei- 
fellos echter,  d.  h.  originaler  Stücke  alizuleilen  seien.  Auf  diesen  Kardinalpunkl 
der  Diplomatik  ging  Sickel  zurück  um!  /iMgle.  indem  er  sein  System  /unäehst 
auf  die  Urkunden  der  karolingischen.  dann  aurji  d(M-  sächsischen  Kaiser  aul- 
baute, dafs  ein  sicheres  Kriterium  zur  Entscheidung  jener  Frage  sehr  wol  ge- 
funden werden  klinne,  wenn  nämlich  mehrere  Urkumlen  desselben  Ausstidlers. 
aber  für  vers('hie(lene  Em|ifäiiger.  so  z.  B.  flir  einen  lothringiscIuMi  Edlen  und 
ein  italieruscbes  Kloster,  oder  für  eine  Kirche  in  Franken  oder  einen  Laien  in 
Sachsen,  genau  dieselben  Schrifizügt!  aufweisen,  also  von  der  gleichen  Hand 
geschrieben  scheinen,  so  ist  daniil  die  Enislehung  der  Urkunden  in  iler  Kan/.lei 

12)  .1.   !•' i  (■  l<  I' r.   üi'ilriitfc  zur  l'rluinilfiili'liii-.     Iimsliiiiik.    isT.'i. 
I."})   Sickel.   ;itl;i    iviiniliiicriiiii.      Wien.    IS(}7. 


des  Aiis.slt'llcr.s  uiili«'(liii_ul  erwiesen,  thi  iiiiiii  tlueh  irewils  iiidil  aiiiieliiiieii  Kaiiii. 
t'in  Külschei-  krume  alle  diese  vei-seliiedenarli^'eii  l>iplttiiH'  lierj^estelll  haben. 
.Mil  dit'seiii  Satze  Inrderl  also  Siekel  in  allcrorstor  Linie  Schiil'lvcrirloic'hiing-  als 
vt)rin'liMisles  ninl  untriijrliehstes  lliUsniiltel  dei-  l)i|il(iniatik. 

Diese  liehic  Sickels  fand  wirksame  rnlersintzuiiü-  und  Anwendung;"  in  dem 
\ttn  Siekel  sejltsl  im  Verein  mil  K.  \(in  Syl»el  lieiaiisiroj»"('boiu'n  Werko '*).  der 
Sammliniir  vdti  dfeiimndeil  leehnisdi  \(dlende|ei-  nnd  v(dlkf)mmon  g-etreuer, 
mit  erliiulerndem  K'itmnn'idare  veiseliener  Ahliildiiniien  von  rrkunden  dontsclior 
KTiiiiiTe  nnd  Kaiser  ans  der  Zeil  von  l'i|i|>in  liis  anr.Ma.Nimilian.  her  Standpunkt 
Kiekt'rs  dagegen,  der  mit  der  Leine  Siekels  vereinigt  w(d  ersi  den  rechten  AVeg 
ztMgt.  erlbi-dert  eine  \(dlkommen  genaue,  wortgtilren  nach  dem  Originale  ge- 
arheilele  Wiedergabe  des  Textes,  daniil  der  Forscher  nidil  wie  bisher  mit  der 
nningelhalten  ('berlieferung  des  Wdrles  /n  kitni|ifen  hat  '').  Eine  solche  allen 
wissensehatl liehen  Aid"oiderungen  entsprechende  Ediernng  sämtlicher  bekannten 
KTmigsurkunden  strebt  die  Diplomala  -  Alileilung  der  Monumenta  (Ternianiae 
Mistoriea  an.  deren  Li-ilung  im  'lahi-e  l.S7o  Siekel  übernommen  hat.  Eisher  sind 
tlie  Urkunden  Koniads  1..  Heinriehs  1..  Ottos  I.  und  Ottos  II.'")  erschienen, 
so  dafs  an  einem  Stolle  von  etwa  800  Diplomen  die  Möglichkeit  sicherer  Unter- 
seheidung  von  Schreibern  und  Verlassern  dargethan  wird  '^). 

Durch  diese  beiden  grofsen  Werke,  den  »Kaiser Urkunden  in  Abbildungen« 
und  der  Diplonuita  -  Herausgabe  in  den  Monumenta  Grermaniae,  werden  aber 
Arbeiten  kleineren  l'mlanges  nicht  überllüssig,  welche  dem  oben  angedeuteten 
l'rinzipe  Kickers  folgeiul  die  Kaiserurkunden  eines  bestimml  begrenzten  Gebietes 
nielil  nur  ihrer  äufseren  Erscheinung,  sondern  auch  ihrem  AA'ortlaute  und  In- 
halte nach,  endlich  in  ihrer  Enlslehungsgeschichte  einer  eingehenden  diplo- 
matischen Untersuchung  unterwerten,  wobei  man  allerdings  der  Di))lomata- 
.\usgabe  der  Monumenta  vorgreifend,  einzelne  Stücke,  die  bisher  nur  in 
nningelhatter  Weise  überliefert  waren,  einem  Neudrucke  wird  unterziehen 
müssen. 

Von  diesen  Gesichtspunkten  ausgehend  habe  ich  es  unternommen,  die 
Kaiserurkunden,  welche  im  Archive  des  germanischen  Nationalmuseums  ver- 
wahrt werden,  auf  oben  angegebene  Art  zu  bearbeiten.  Wer  die  Entstehuugs- 
gesehielite  des  Ai-ehives.  richtiger  der  Urkundensammlung,  im  germanischen 
Nationalmuseum  kennt,  weil's.  wie  allmälig  durch  (i(>schenke  hochherziger  Gönner 
sowie  durch  Ankäufe   die   Schätze  desselben   zusaminenüebracht    und  auf  diese 


I'h  Kaiscriii-l<ini(J('ii  in  Aliliildim-icii,  Ijerausson-olien  von  K.  v.  Sylid  und  Tiiondni- 
Sicki'l.  Berlin,  1880  IT.  Erscliioncn  sind  IjIs  jel/l  acht  LieCcriinsfon.  wiilirond  das  jranzc 
l'idiint'luncii  auf  zehn  LicIVruiigL'n  tjcrcclinct  ist. 

io)  Sind  docli  .seliisl  die  nciicron  Piiltliivalioncii.  wie  die  eines  Lacnnitilet.  Huillard- 
Ürdiol  Ics  II.  A..  nicIil  IVci  von  Fiditern.  von  den  oft  kaum  zu  «reiiraiiclicndeii  Te.xlen  iiei 
liünJ!;  etc.  j^arr^  zu  ^feselnveigcn. 

l(»l  Diplonialuni  rej^uni  et  inii)eratoruui  Gerinaniae  tonii  1  pars  iirim-.  secunda.  leilia. 
lonii   II  pars  i)rior.     Hannover,  188^ — 88. 

17)  Verjrli'iclie  die  Austulirun{,ren  Sickels  ülter  »Proücaiiiiii  u\n\  Insiruklion  der 
Diploniata-Abilieilunj;«  im  >ieuen  Arcliiv  ilei-  Oscilscliafl  für  äiloic  ili'utschc  Gesciiiclils- 
kunde  Band  I  (IS7r.|.  S.  427—498. 


—     9    — 

Weise  dem  einem  grofsen  Teile  drohenden  Untergang'e  entzogen  wurden.  Es  ist 
selbstverständlicli  und  dem  Principe  eines  deulschpn  Zentralmuseums  entsprechend, 
welches  ja  das  gesamte  Vaterland,  All-Deutschland  umlassen  soll,  dafs  dieses 
Prinzip  auch  in  unserem  Archive  zur  Geltung  kommt.  Sein  Inhalt  an  Archi- 
valien ist  Aveder  durch  zeitliche,  noch  durch  örtliche  Grenzen  eingeschränkt,  aus 
last  allen  Gauen  Deutschlands,  aus  den  einen  in  gröfserer,  aus  den  anderen 
in  geringerer  Anzahl,  sind  Urkunden  und  Akten  bei  uns  zusammengekommen. 
Auch  die  Kaiserurkuudeu  umfassen  die  ganze  Zeit  des  Bestehens  des  heiligen 
römischen  Reiches  deutscher  Nation:  nur  wenige  fehlen  in  der  langen  Reihe 
deutscher  Könige  und  Kaiser  und,  was  zwar  auf  den  ej-sten  Blick  merkwürdig 
genug  erscheint,  dadurch  aber,  dal's  unser  Archiv  in  dem  Bewahren  einzelner, 
versprengter  Urkunden  vor  gänzlichem  Untergange  seine  Hauplaufgabe  erblickt, 
erklärlich  wird,  es  linden  sich  Stücke  darunter,  die  bisher  noch  unbekannt  und 
ungedi'uckt  waren,  was  wol  schon  allein  meine  Arbeit  rechtfertigen  dürfte. 
Natürlich  sind  die  inedita  zum  gröisten  Teile  aus  dem  späteren  Mittelalter  sowie 
aus  dem  16.,  17.  und  18.  Jahrhundert,  aber  auch  einzelne  höclisi  interessante 
aus  der  friiheriMi  Zeit. 

Ich  teile  mein  Material  in  drei  Teile: 

I.  Karolinger.  Sächsische  utul  Salische  Kaiser. 
II.  St  aufer. 
III.  Vom  Interregnum  bis  auf  unsere  Zeit. 


Karolinger,    Sächsische    und    Salische    Kaiser. 
König  Ludwig    das  Kind    bestätigt  einen   Tauschvertrag    zwischen    dem  freien 
Manne  Joperht  und  dem  Kloster  Altaich  über  benannte  Orte.     9Ü;i,  April  :29. 

Von  Karolingerurkunden  enthält  das  Museum  nur  diese  eine  des  Königs 
Ludwig.  Dieselbe.  Hnlimer.  ri'gesta  Karolorum  Xr.  I:2ü().  .M  ü  hl  buch  er 
Nr.  1988,  abgedruckt  in  den  Monumenta  Boica  XI,  S.  130,  freilich  in  einer 
Weise,  die  den  erneuten  Abdruck  an  dieser  Stelle  rechtfertigt.  Es  fehlen  nicht 
nur  Zeileneinteilung  und  Recognilion.  sondern  es  sind  auch  verschiederie  Lese- 
fehler zu  verzeichnen. 

Die  Urkunde  ist  aus  iler  deutschen  Kanzlei  Ludwigs  her\drgegangen  "^), 
in  welcher  das  I^rzkapellanat  damals  in  den  Händen  des  Erzbischofs  Theotmarus 
von  Salzburg  war'")  (gestorben  9ü7,  'limi  :^S).  Als  Notar  wird  Lngil|M'ro  ge- 
nanid  ,  drr  vorher  Notar  König  Arnulfs  gewesen  war-").  Über  die  Schrift 
dieser  Urkunde  ist  wenig  zu  sagen,  sie  zeigt  alle  die  rjiainkicristischen  Merk- 
male der  späteren  fränkischen  Schrill:  schmale,  lange.  Buchstaben,  die  sehr 
nahe  aneinander  g(>riicK't   werden,    in   der    ersbMi    und    in    der  Suhskriptionszeile, 


18)  Unter  Tjudwi^;  (li'iii  Kinde  wiirdi'  liOtliriiiücn  wieder  niil  dem  deulsclien  Ueiciio 
verlmiiden.  Aller  die  Soiulei.steiliin;,^.  die  das  Jiiuid  wäiirend  der  Ue^ierun^c  Karls  III.  und 
Arniiirs  unter  Zwentihold  eiiij^enoinnien,  dauerle  in  gewisser  Be/.ioliini}j;  fort,  so  dals  es  aueli 
eine  tn|jn'in<?isclic  Kanzlei  pal). 

IDJ  Mü  hl  ha  eil  er    Nr.    !'.»;?:;.   l'.tSS. 

20)   M  lihlhaeiier   Nr.    17HI,    l'.MI;!. 

3IitteiliiiigciL  aus  dem  geniinii.  Natiotialniuscuni.     IS'.MK  II. 


Costo,  diuitliclit'  Hiirlisliilirii  im  Kdiilr.xl.  hiiiiciii'ii  ist  sie  olTcnhar  wt^dcr  von 
ilem  (iriiTS  l)t'p>^m'iiileii  Sclu't'ilx'r  Siiiinn  noch  \(iii  i!i  iiustus,  sondern  hriclisl- 
waliiscliciidicli  im  pm/cn  \(iii  l';n<>'il|i('r()  scllisl  geschricljcn.  (Das  signiini 
rcfo^-iiilionis  nnl  dm  lironiscdicn  Nidcn  d(\s  Schreibers  ist  zur  llälllt'  (hircii- 
rissen.)  Das  woleihaltenf  Sie^-el  /,eii;l  den  KiMiiji;  mit  Schild  und  S[)eer  und 
Irilirl  die  rnis.-hiin    ilLVDoV VICVS   UKX. 


'r>' 


C.  X  In  mwnini'  sam-liM' rl  imliiiidnai'  ti'iinlalis.  I  lluduuuicus  diuma  fauente 
rhMneidia  rex.  nninc  sciliccl  ipidd  inicr  dnas  partes  sani  consilii  utriusque 
<'()in|HMi(hi  dininiliim  linril.  pi-odesse  x  propter  euitanda  liiliira  nialiunloruni 
Jurii'ia  cnnscriplioius  uinniln  dldiiian'.  lii  ideo  cuncti  lideles  nostri  praesentes 
uidclicet  et  lulnri  f(i<i'nosfanl.  ipialiler  ipiidaiii  liliei'  hfuno  noniinc  Joperht  per 
licenliani  noslrani  |  et  cnnsensuni  Tidonis  ucncrabilis  ei)iscoi)i  Lradens^')  jiroprie- 
talorn  suani  (luam  hahuit  ad  Strupin^un  et  Sinipliechani  ad  sanctumMaurieiuni  hoc 
ad  monasteriiini  ipiod  dicitur  Allalia  coni[daeiLauit  sibi  vxorique  suae  Vastradae 
de  relius  i  eiusdeiii  niartyris  *^)  locum  Utiiing'a  noncupatuni,  quamdiu  viuerint 
retineinbiMi.  (|uo  perado  duas  cartulas  pari  tcnore  conscriptas  inde  fieri  iussimus 
in  i|uiliiis  hoc  niddii  cinil iiichir '-'*) :  tradidit  ig-itur  quidam  liber  nomine  |  Joperht 
ad  sanetuin  Mauricium  {)roprietateni  suam  qualem  -*)  habuit  in  diiobus  locis 
Struping-a  et  Simpliccha  nominatis  cum  aedificiis,  curtilibus,  terris,  pratis,  pascuis, 
sihiis,  aquis,  molinis  el  omnibus  ad  eadem  loca  iure  pcrtinentibus  |  cum  mancipiis 
efiani  ita  nonunatis,  Adalrih,  Timo,  Diotuni ,  Pero,  Sneihart,  Ering-oz,  Grotalind, 
Irminsuind,  Vuiilipirc,  Liutker  in  perpetuam  proprietatem  in  manum  uideücet-'^) 
Herigolti  aduoeati.  Econtra  uero  iussu  ex  nostro  ]  praesente  iam  dicto  episcopo 
et  caeteris  fidelibus  nostris  eodemque  aduocato  retradentc  accepit  idem  Joperht 
de  rebus  saucti  Mauricii  locum  qui  dicilur  Otilinga  cum  ecclesia  et  ceteris 
aedificiis  mansisquc  duobus  et  molina  una  omnibusque  mancipiis  ad  idem  |  bene- 
ficium  pertinentibus,  cxceptis  eis  si  quac  -")  in  curte  aliqiia  ad  opus  nostrum 
pertinente  utilitcr  coniuncta  fuerint,  ut  hoc  potestatiue  utatur  usu  fructuario 
usf(ue  ad  obitum  suum  et  Vastradae  uxoris  suae.  Post  discessum  uero  am  | 
borum  vtraeque-')  res,  id  est  proprietas  quam  dedit  et  beneficium  quod  accepit, 
in  ins  et  potestatem  praedicti  monasterii  cum  omni  integritate  redeaut,  nullo 
obsistente,  nemine  contradiceute.  Jussimus  enim  hoc  praesens  |  reg-alitatis  nostrae 
praeceptum  exinde  conscribi  vi  eadem  complacitatio  ita  per  omnia  semper  firma 
et  incorrupta,  sicut  hie  et  in  carlis  habetur,  persistat.  Et  ut  haec  auctoritas 
nostra  inuiohibilem  oldineat  slabilitatis  lirmitudinom  et  a  cunctis  fidelibus 
nostris  uerius  credaiur  ac  dilig'cntius  obscruetur  manu  nostra  subtus  eam  robo- 
rantes  anuloque  nostro  iussimus  sig-illari. 

Sig-num  domni  Hludouuici  piissimi  reg'is.  Eng'ilpero  notarius  ad  uicem 
Diotnuiri  recog-noseci  ^^). 


:21)  Dil?  Monuiiionia  Boica  haben  traflidil. 

22)  Moii.  B. :  iiiatris.  23)  Moii.  15.:  hoc  modo  in  (luibiis. 

24j  Mon.  B.:  (|iiani.  23)  Mon.  B.:  sciliceL 

26)  Mon.  B. :  (jua.  27)  Mon.  B. :  ulraciue. 

28)  sie! 


Datum  III.  kalendarum  raaiarum  die  anno  doniinicae  incarnationis  DCCCCV 
indictione  VIII  anno  uero  reg-ni  pii  reg'is  Hludouuici  VH.  actum  Regina  eiuitate 
in  Christi  nonnne  feliciter  amen. 

Otto  I.  sclienkt  der  bischöflichen  Kirche  zu  Chur  den  königlichen  Hof  Zizers 
und  g-estattet  ihr,  ein  .Schiff  auf  dem  Walensee  zu  hallen.  Dornhurg-,  9oö, 
Dezember  28. 

Stumpf  reg.  Nr.  236. 

Data  V.  kal.  ian.  anno  incarnationis  domini  DCCCGLXXVI  indictione  XV 
reg-nante  pio  reg-e  ^^)  Ottone  anno  XXL;  actum  Dornpurhc  in  domino  feliciter  amen. 

Sieg-el  wolerhalten. 

Aufzeichnung"  über  eine  Verhandlung-  im  König-sg-ericht,  betreffend  den  Hof 
Zizers,  sowie  über  erneute  Schenkung-  dieses  Gutes  an  die  Churer  Kirche 
durch  Otto  I.    Ohne  Daten;  aufg-esetzt  zu  Konstanz  972,  Aug-ust  18. 

Mit  teilweise  erhaltenem  Siegel. 

Die.se  beiden  Urkunden  Ottos  I.,  die  einzigen  des  grofsen  Sachsenkönigs, 
welche  das  Museum  besitzt,  gehören  zusammen  und  sind  daher  einer  gemein- 
samen Betrachtung-  zu  unterwerfen.  Sie  sind  indessen  von  Sickel  ediert  ^**)  und 
einer  sehr  eingehenden  Besprechung  gewürdigt  worden,  so  dafs  ich  mich  auf 
eine  kurze  Rekapitulierung  der  von  Sickel  gewonnenen  Ergebnisse  beschränken 
kann  ^^).  Die  erste  Urkunde  gibt  vor  allem  durch  die  Datierung  zu  Bedenken 
gegen  ihre  Echtheit  Anlafs:  es  heifst  data  —  anno  —  97(3,  während  in  diesem 
Jahre  Otto  I.  ^^)  bereits  seit  drei  Jahren  tot  war.  Auch  andere  Unregelmäfsig- 
keiten  fallen  auf:  so  ist  das  Rekognitionszeichen  allzuweit  in  die  letzten  Zeilen 
des  Kontextes  hineingeschoben,  daher  der  Schreiber  ihm  ausweichen  mufste  und 
kaum  Raum  für  die  letzten  Worte  der  Korroborationsforjnel  fand.  Ei)enso  ver- 
dachterregend ist  die  gegen  die  gebräuchlichen  Normen  Ottonischer  Urkunden 
ungewöhnliche  Invokationsformel.  Doch  den  letzteren  Einwurf  erklärt  Sickel 
mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  so,  dafs  der  Notar  Liulolf.  von  dem  unser  Stück 
herrühit,  aus  Lothringen  in  die  Kanzlei  Ottos  kam  und  von  tiort  die  Invokations- 
formel in  nomine  dei  omnipotcntis  et  salvatoris  nostri  Jesu  Christi,  die  sich  seit 
den  Tagen  l^othars  T.  hauptsächlich  im  Trierer  Sprengel  erhalten  hatte,  mit- 
i)rachte  ^^).  Was  die  falsche  Datierung  anbelrilTt ,  so  ist  sie  durt-haus  kein 
sicherer  Verdachtsgrund,  da  noch  andere  Beispiele  von  unrichtigen  Aerenjahren 
in  völlig  unanfechtbaren  Originalurkunden  Ottos  I.  vorkommen^*).  Sickel  ent- 
scheidet sich  schlieCslich  für  die  Echtheit  des  Diploms,  weil  vor  allem  die  gra- 
l>iiischen  Merkmali'    uiiwiderspreclilirli    auf  die   Zeit  Ottos  1.    hinw  risrn.     Dunli 

i\i)  Siekfl,  Jifilrä^n'  ziii-  Diploiiiiilik.  \'l.  Wien.  IS77.  sciilicrsl  dii'  hidikliuiiszalil. 
sowie  die  Woiic;  rct^nianlc  |)ii»  i'c^c  in  Klaniiiiciii  ein.  ddcli  fand  icli  licidi's  ikh'Ii  als  ji'aiiz 
{jciil  crkciiiiliai-. 

30)  Das  üükunii'nl  .\i-.  r!  war  miiiIciii  iiiilickannt ;  os  i.sl  diiicli  Ankaiif  des  ^i'M- 
iiili   WolkcnsIciiisiliiMi   Ai'cliivs   in   drn    IJrsilz  i\cü  .Miisciiins   ül)ei'j^ogaii;;i:t'n. 

.-51  j  Sickel.   a.   a.   (). 

32}  Dals  Olio  1.  uiiliedin^;!  dej-  ,\ii>slell("i-  sein  iiiiirs.  ^olil  daraus  liorvui".  dafs  er  als 
IJrudcr  des  ErzliisclKirs   Rinn   he/.eichiiel    wird. 

33j  Sir  k  ei.  a.  a    O.     S.    IS. 

34j  So  Sliiiii|)f  Nr.  .;(i;;.  .-{Kl.  ;!17.  .i'iO. 


«lic  .-^riii  111.  Ulf  (iiMcli  (lif  iiichrf'aclitMi  Ahwciclmniicii  von  (l(;ii  /iiineist  heobach- 
li'ltMi  Nuiiiicii.  crvvcisl  sie  sich  als  dio  Arl)nil  (jiiies  .\ranno.s,  welcher  als  Schreiber 
von  !)i|i|uMit'n  Kir  weil  von  einandei-  ahlieg'ende  und  unter  sich  in  keinen  Be- 
ziehiinp'n  slehend(^  Slirtiiniicn.  wii'  Fischheck  einerseits  nnd  (lliur-ICinsiedeln 
andererseits,  der  k.iiii^lichen  Kaii/Ici  ang-ehfu-t  hal)eii   imiCs^'^). 

\iideror  Naiur  ist  das  zweile  Schrilislück;  hier  lehleii  vor  allem  Datierung, 
(ihiiMnon.  Hekoirnilion  ;  ferner  wird  im  p]ingan£»'e,  welcher  der  g-ewohnten  Fas- 
sung- di'r  l)i|donie  enlsprichl.  der  Kaiser  als  selbstredend  eing'el'iihrt.  während  von 
Zeile  (*»  an  blos  von  dem  im|K'ralor  erzählt  wird,  in  Zeile  9  endlich  Otto  selbst 
wieder  sprechend  eiiigcluhrl  ist,  ein  AVechsel  für  den  es  kein  Beispiel  aus 
dem  10.  .lahrlmndert  g-iebt.  Schliefslich  kommt  ein  äiifscrst  bedenklicher  Wider- 
spruch vor,  indem  neben  Bischof  Hartbert  von  Chur  zum  Schlüsse  bereits  sein 
Nachfolgei-  Ilildibaldus  g-enannt  wird. 

Dagegen  wird  andererseits  durch  äufsere  Merkmale  bezeugt,  dafs  das 
SchrillsKick  zum  Teile  in  der  kaiserlichen  Kanzlei  entstanden  sein  müsse:  so 
erkennt  man  das  Pergament  in  einer  Weise  zum  Beschreiben  vorbereitet,  wie 
sie  nur  in  der  Kanzlei  üblich  war.  Dann  ist  von  grofsem  Gewichte,  dafs  sich 
tue  Schriflzüge  der  ersten  Zeile  durch  Vergleichung  als  von  der  Hand  des 
Notars  Willigis  B.  herrührend  herau.sstellen.  Schliefslich  ist  auch  das  Siegel 
für  echt  befunden  woi'den.  Somit  kann  von  einer  Fälschung  keine  Rede  sein. 
Vielmehr  ergiebt  sich  aus  den  eingehenden  Erörterungen  Sickels,  dafs  unser 
Schrinslück  lediglich  ein  Konzept  zu  der  noch  erhaltenen  und  von  Sickel  ab- 
gedruckteir'")  Originalurkunde,  Stumpf  reg.  Nr.  ol6.  vom  18.  August  97ä  ist 
(Original  im  Kloster  St.  Paul  im  Lavanttale) :  Otto  1.  erneuert  die  Schenkung 
des  Hofes  Zizers  an  die  Churer  Kirche,  nachdem  auf  Grund  einer  Verhandlung 
im  Kr«nigsgerichte  der  Spruch  erfolgt  ist,  dafs  ihm  zur  Zeit  der  ersten  Schenkung 
das  Verfügungsrecht  über  Zizers  zustand.  Dafs  dieses  Präzept,  das  doch  keine 
Urkunde  ist,  ndt  dem  kaiserlichen  Siegel  versehen  w^urde,  erscheint  zwar  auf- 
fällig, aber  doch  dadurch  erklärlich,  dafs  Bischof  Hildebold,  bevor  er  das 
Originaldiidom  erhielt,  wenigstens  ein  gültiges  Zeugnis  zur  Geltendmachung 
seinei'  Ansprüche  besitzen  wollte-^'). 

otio  II.  bestätigt  der  Mecbthild,  Äbtissin  des  Klosters  Essen,  das  freie  W^ahl- 
rccht,  alle  Besitzungen,  sowie  die  Immunität.    Aachen,  973^^),  Juli  23. 

Stumpf  reg.  Nr.  597. 

Mit  dem  (.)riginale  völlig  übereiustinunend  abgedruckt  in  den  Diplomata 
Ottonis  II.  Nr.  49. 

Vuilligisus  cancellarius  vice  Rodberti  archicapellani  notavi. 

Data  X.  kal.  aug.  anno  incarnatioiiis  dominicae  DCCGCLXXIIII,  indiclione  I, 
anno  regni  domni  Ottonis  XIII,  imperii  VI;  actum  Aquisgraui;  in  dei  nomine 
feliciter  amen. 


3oJ  Sickel.  a.  a.  ().  S.  40, 
30 1  Siclicl,  a.  a.  ().  S.  53. 
37)  Sickel,  a.  a.  0.  S.  78. 

3«)  Die  Urkunde    eiilliäll   zwar   das   Jahr   974.   aljer    die    indictioii  I.    sowie    die    Rq- 
^rieninirsialire   1.'!  iiiid  C.  weis<'ii  zweifelsülino  auf  97.S  hin. 


—     13    — 

ö.  Otto  II.  g-euehiuig-t  die  Verlegung'  des  unter  seinen  persönlichen  Sehutz  g-e- 
stellteu  Klosters  Thancniai-sfeide  nach  Nienburg  und  verleiht  demselben  das 
Recht  freier  Abtswahl,  sowie  die  Immunität.    Magdeburg-,  97;i,  Juni  28. 

Stumpf  reg.  Nr.  662. 

Mit  dem  Originale  übereinstimmend  abgedruckt  in  den  Diplomata  Ottonis  IL, 
Nr.  114. 

Folcmarus  cancellarius  vice  Uuilligisi  archicancellarii  notavi. 

Data  IUI.  kal.  iulii  anno  dominicae  incarnationis  DCCGCLXXV.  indictione  III. 
anno  vero  regni  domni  Ottonis  XV,  imperii  autem  VIII;  actum  Magadaburg; 
in  dei  nomine  ieliciter  amen. 

6.  Otto  III.  bestätigt  dem  Abte  Fingenius  des  Klosters  S.  Felicis  bei  Metz  alle 
Besitzungen  des  Klosters,  wie  sie  Otto  II.  bereits  dem  Abte  Cadroelis  bestätigt 
hatte.    Xierstein,  991.  Mai  1. 

Stumpf  reg.  Xr.  943. 

Nach  dem  Originale  gut  abgedruckt •'''')  bei  Mabillon.  de  re  diplo- 
matica,  577. 

Rotbertus  cancellarius  ad  uicem  Heriberti  archicancellarii  recognovi. 

Anno  incarnationis  domini  DCCGCXCI,  imperii  anno  domni  tertii  Ottonis XIIII, 
indictione  IUI,  actum  kal.  Mai  publice  in  palatio  Xeristem. 

7.  Otto  III.  gewährt  dem  Abte  Adaidagus  des  Klosters  zu  Xienburg  das  Recht, 
in   dem  Orte  Hagenenrod  Münze  und  Markt  zu  halten.    Dornburg,  993,  Juli  29. 

Stumpf  reg.  Xr.  1004. 

Mit  nur  wenigen  Fehlern*")  bei  Leibniz,  annales  imperii  III,  S.  590 
abgedruckt. 

Hildibaldus  episcopus  et  cancellarius  uice  Willigisi  archiepiscopi  re- 
cognoui. 

Dala  Uli.  kal.  Aiii>'.  anno  dominicae  incarnationis  DCJUULXOllI.  indictione 
\'l.  anno  autem  tertii  Ottonis  regnantis  decimo;  actum  Durniburu':  i\>liciter  amen. 

S.  Konrad  11.  schenkt  ihm  Kanonikern  des  Hochstifts  Ohur  sämtliche  Oüter  und 
Besitzungen  der  beiden  Brüder  Wilhelm  und  Roger,  die  diese  in  der  Graf- 
schaft Cleven  halten  und  deren  sie  ihrer  Verbrechen  weg'en  durch  Urteils- 
Spruch  lür  vtMJustig  erklärt  worden  waren.     Benevent,  1038.  Juni  8. 

Stumpf  reg.  Xr.  2112. 

Mit  dem  Originale  übereinstimmend  abgedruckt  Ihm  Mohr,  codex  diplo- 
malicus  Rbät.  I.  Nr.  84. 

Datum  \  I.  id.  iiiii..  iiidiclioiic  \  I.  aiitio  incarnationis  MX.X.WIll.  anno 
domni  riiUDuradi  rcgiii  XUll,  imiterii  Xltl;  daluin   KtMUMKMiti:  feliciter  amen. 

9.     llt'iiuicl)  IV.  git'bt  dem    Fischöle  Theoderich  von   Veidun  drn    Besitz   des  Hofes 
Divra    im  Uurgovve,   in    der   ürafschaft  des  Gerharil,   zu  cigi'u.     Kaiserswerth, 
1057,  April  26^ 
Ineditum. 

Dieses  bisher  gänzlich  unl)ekannl(!  Diplom  ist  ein  wolerhaltenes,  schön 
geschriebeus  Pergamt'iil.  d;is  in  den  äutseren  llauiitrdi'iticn  diMu  am  25.  .Mai  d(>s- 

39)  Nur  Zeile  ('•  von   iilieii   i.sl   .-<lall   siili   iiioiiastprio         sim   iiioiiastci'io  zu   lesen. 

40)  So    ist    liri    Leiliiii/.   S.    SiMt,    Zeile   (i    von    milcii.   .stall    iii.s    i|isiiiii    ccck'siae 

ins  ip.sius  ecele.siae  zu   lesen;  ferner  S.   ;)'.)!.  /.eile   (1   vi)n    olien.  ddniinationis  slalt  donalionis 


solbtMi  .Iiilufs  y.n  K'uiscrsworlh  iius^^ostollti^i  l)i|il(>inc  dos  jung-en  Könit^s  für 
Kr/l>isrlior  Adallti'rt  von  Mrcmci).  di"-  (irarsclmCI  in  den  Gauen  Hiinnesg-o  und 
Kivilg'a  iM'Irt'tlVnd,  iUinlidi  isl*').  K'an/.lcr  ist  Winilhcrius.  der  von  lü56--lUo8 
di''ses  Amt  versah;  er  i-ekdu-nos/ieri  vice  i^iulpolds,  Erzbischols  von  Mainz, 
(Kr/kan/ler  l();i()  loä'.)).  Kl  was  (llter  den  Schreiber  zu  ermitteln,  ist  mir  bisher 
nicht  irehinp'M.  da  die  aus  demselben  .lahre  stammenden  Diplom»,'  im  nii<^inaie 
nicht  erhalten  sind,     i'as  Siciiid  ist  abgerissen. 

Ci.  y  in  nomine  sunclae  el  indiniduae  Iriiiilatis.  Heinricus  diuina  Ikuente 
dementia  rex.  y  Si  loca  (Muinis  cullibns  mancjpala  more  aniecessorum  nostrorum 
reii-um  et  imiteratorum  ditare  et  sublinuire  sludeamus  diuinani  retribulionem 
nobis  inde  semper  praesentem  spcramus.  Ono  circa  omnium  Christi  nostrlque 
tidelium  lam  lulurorum  i|u;un  praesenliniii  iioucrit  industria  qualiter  Tbeo- 
(lerieus  Virdunensis  episcopus  sue  prouectum  desiderans  ecclesiae  nostram  pro 
({uodam  praedio  inlerpellauit  maiestatem.  (luius  laudandae  |  petitioni  libenti 
animo  act|uiescentes  ob  amorem  dei  sanetaeque  suae  g-enitricis  et  pro  reniedio 
palris  m)stri  Heinriei  beate  memorie  imperatoris  augusti  et  ob  interuentum 
dileclae  malris  nostrae  !  Agnelis  imiteratricis  aug-ustae,  niemores  etiam  lldelis 
et  fre(|uentis  sui  seruicii  in  ([uo  patri  nostro  bene  coraplacuit  eandem  quam 
ilesiderauit  curtim  nomine  Divram  in  i»!igo  Rurg-ovve  |  in  cömitatu  Gerhardi  qui 
dicilur  Stegvla  ad  usum  ecclesiae  praenominate  in  proprium  tradidimus  et 
condonauimus  inui  manso  excepto  et  duobus  seruientibus  et  his  bonis  que 
antecessores  nostri  A(iuisgrani  tradiderunt  |  ad  ecclesiara  ad  usum  f'ratruni,  idem 
ecelesia  (juc  et  in  eadem  uilla  Divra  cum  omni  utilitate  que  ad  eam  ecclesiastico 
iure  pertinet  et  nona  omnium  reruni  parte  que  ad  dominicalem  aream  pertinent. 
Cetera  autem  omnia  cum  omnibus  |  pertiuentiis  id  est  cum  mancipiis  utrius- 
(jue  sexus,  areis,  ediüciis,  terris,  cultis  et  incultis,  agris,  pratis,  pascuis,  campis, 
siluis,  aquis  aquarumque  decursibus,  molis,  molendinis,  piscationibus,  exitibus  et 
reditibus,  uiis  et  inniis.  ([uesitis  et  |  inquirendis  et  cum  omni  iure  ac  utilitate 
(|U(,'  ullomodo  poterit  inde  prouenire  ad  usum  praedicte  Virdvnensis  ecclesiae 
in  proprium  concessimus  et  confirmauimus  ea  uidelicet  ratione  ut  praedictus 
episcojtus  suecessores([ue  ]  illius  de  supradiclo  jiraedio  libcram  deinceps  potes- 
latem  babeant  tenendi  dandi  commutandi  vel  quicquid  illis  placuerit  inde 
faciendi.  Kt  ut  hec  nostra  regalis  traditio  stabilis  et  inconuulsa  1  omni  perma- 
neat  euo  hane  cartain  inde  conscriptam  manu  propria  ut  inCra  uidetur  corro- 
borantes  sigilli  nostri  impressione  iussimus  insig-niri. 

Signum  domni  Heinrici  quarti  reg'is. 

Ouinitherius  cancellarius  uice  Liutbaldi  archicancellarii  et  archiepiscopi 
recog:noui. 

Data  VI.  kal.  .Mai  anno  dominice  incarnationis  ML  Vit  indictione  X  anno 
autem  domni  Heinrici  quarti  reg-is  ordinationis  tercio  regiii  primo  actum  Werede 
in  dei  nomine  feliciter  amen. 

Nürnberg:.  Dr.  M.  Bendiner. 

41 J  SliMii|ir  Nr.  2Ö40.     Al)g(Htruckl  l)ei  Lüiiig,  Reidisarchiv  XVI  h,  S.S. 


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10      — 


Das  (irabiiial   des  Apothekers  Mkolaiis  llol'mair  in  der  St.  }Iorizkirclic 

zu  Augsbur«^. 

(Hiezu  Tafd  I.) 


US  Grabdenkmal,  Relief  in  Marmor,  von  dem  hier  eine  Abbildung-  geg-eben 
ist,  befindet  sieh  in  der  St.  Morizkirche  zu  Aug-sburg-  gleich  links  von 

ä]  dem  östlichen  Eingänge;  das  germanische  Museum  verdankt  den  Ge- 
meindebehörden Augsburgs  einen  Gypsabguf's  desselben,  der  eine  Zierde  seiner 
Sammlung  von  Grabdenkmalen  bildet.  Das  Grabmal  ist  unzweifelhaft  von  be- 
deutendem künstlerischen,  sowol  wie  auch  kunst-  und  kulturgeschichtlichem 
Werte  und  hat  auch  schon  verschiedentlich  die  Aufmerksamkeit  von  Kunst- 
kennern und  Kunstforschern  auf  sich  gezogen ;  namentlich  hat  v.  Hefner- 
Alteneck  in  seinem  Trachtenwerke  bereits  eine  Veröffentlichung  desselben  ge- 
bracht. Der  Name  des  Meisters  ist  leider  nicht  überliefert.  —  Indes  ist  das 
Werk,  abgesehen  von  dem  Kunstwerte,  auch  sachlich  von  Interesse,  so  dafs 
ein  paar  weitere  Erläuterungen  vielleicht  manchem  willkommen  sein  dürften  ^). 

Über  die  Persönlichkeit,  die  hier  in  der  Tracht  eines  vornehmen  Mannes 
aus  dem  Beginne  des  14.  Jahrhunderts  dargestellt  ist,   gibt  zunächst  die  rings 
um  die  Marmorplatte  laufende  Inschrift  einige  Auskunft: 
Anno  .  d¥i .  M  .  CüCG  .  XXYlI.  jar .  an : 
sant .  Johans  .  apposlel .  achtent .  starb  .  Claus  .  hofmair 
.  den  .  man  .  nent .  appoteker  .  anno  .  dm 

M  .  CGGC .  XY  .  jar  .  an  .  d  .  kidlach  .  achtet  starb .  sin  .  wirtin  bra 
d.  h.  also:  Anno   domini   im    1427.  Jahr  an   der  Oktave   von  St.  Johannes  dem 
Apostel  (=  3.  Januar)  starb  Ghius  Hofmair,  den  man  nennt  Apotheker,  und  anno 
domini  im  14iö.  Jahr  an  der  Oktave  des  Unschuldige-Kindlein-Tages  starb  seine 
Ehewirtin  Barbara. 

Wer  aber  war  dieser  Claus  oder  Nikolaus  Hofmair,  genannt  Apotheker? 
Unterziehen  wir  zuvörderst  die  auf  dem  Monumente  belimllichen  Wtippen  einer 
kurzen  Betrachtung.  Die  vier  kleineren  Wappen  an  den  Ecken  des  bteiues  sind 
natürlich  die  Wappen  verschwägerter  Familien:  links  oben,  immer  vom  Be- 
schauer gerechnet,  das  Wappen  der  Yögelin  (weifser  Adler  iui  schwarzen  Fehle) 
oder,  was  weniger  wahrscheinlich,  das  der  Konzelmann  (schwarzer  Adler  im 
weifsen  Felde),  links  unten  das  der  Ilsung,  alles  alte  Augsburger  Patrizier- 
geschlechter-). Das  Wappen  rechts  oben  ist  mir  unbekannl.  Der  schreitende 
Vogel    in   dem   Wappen  recbis   unten  stellt  einen  Pfau  vor;  einen  schreitenilen 


1)  ÜbiT  ilit'  'rriiclil  v;;l.  v.  II  crii  (•  i'-A  1  I  !•  II  (M'k  ,  Triiclilcii.  Kimslwci'kc  u.  Goräfscliafloii 
vom  tViilicii  .Millrhillci-  bis  Kiuh'  di's  LS.  JiilirliiiiHlcrl.s ;  ±  Aull.  (  Frank furl ,  ISS.i)  IV.  S.  I;! 
iiiiil  Tal'.  243.  Wäiicrc  Aiisriiliriiii!^-  iiml  !>i';;'i'iin(liiM^;-  iIcs  I''(i1;,m'iicIi'u  in  einer  liiii;:ereii  .\li- 
liamliiiiiii;:  mIop  Apotliekcr  Mkolaiis  liuriiiair,  die  Aiiy:sliiir;,n'i'  ApnllK'ki'r  im  I  'l.  .lalirliimiier! 
und  .Matiisler  Ulrich  llurmair.  l'ndniiolar  Kaiser  [jiidwi^rs  ili's  liayerii"  in  der  Zeitsciii-.  de.s 
iiislor.  Ycriiiiis  für  Scliwaiieii   und   Neulniri::  .lalir;?.  XVI. 

2)  V}?1.  l'aiil  V.  Stellen.  (Icscliichle  der  adeligen  Gcschlechlor  in  Augshurg  17G2, 
S.  82,   II.-!.   107. 


n;    — 

Plaii  alM'i-  miirlt'  die  Ulmer  Palrizicrriiiiiilio  von  HuH"'),  von  der,  wie  es  scheint, 
inclirero  .Mitijliedfi-  im  W.  Julirliiiridert«'  zu  Aug-sburg:  ansülsig-  waren.  Das  grofse 
\Vai.|»(Mi  links  V(Hi  der  dari^vslelllen  Fiii'ur,  aul"  welches  diese  (he  Fing-er  der 
re<-lilen  Hand  leiil .  isl  das  gewöhnliche  Wappen  des  Aug'sburg:er  Palrizier- 
p's<-hlechtes  Hotmail-,  wie  es  Paul  v.  Stetten  in  seiner  »Geschichte  der  adelichen 
(Jeschlechh'r  in  Angshing'"  Tai'.  \',  n.  iO.  ahhildet  und  welches  Nikolaus  Hof'niair 
urkniiillirh  nachweisbar  im  Sieg-el  liiliile  •»). 

Was  aber  hal  nun  geg-enüher,  rechls  von  der  Fig-ur,  das  eig-entümliche 
Wappen  mit  dem  halben  Adler  und  der  mehrmals  sich  wiederholenden  Hof- 
mairschen  Lilie  zu  Itedeuten?  Ein  g'anz  ähnliches  Wappen  ward  im  späteren 
Mittelalter  Karl  dem  (Jrolsen  zug-eschrieben.  Bei  dem  bekannten,  spätestens 
(li'iii  Beu-inne  des  14.  Jahrhunderts  entstammenden  Brustbilde  dieses  Kaisers 
itii  .\achener  Domschatze  ist  das  Gewand  mit  Reichsadlern  übersät;  das  Posta- 
ment aber  zeigt  die  französische  Lilie,  die  tleur  de  lys,  welche  sich  von  der 
Holmairsrhen  hauptsächlich  dadurch  unterscheidet,  dafs  sie  nach  unten  mit 
cinn-  leichten  Verschiedenheit  in  verjüng-tem  Formate  noch  einmal  wiederkehrt, 
in  zahlreichen  Wiederholungen,  wobei,  wie  auf  unserem  Steine  und  auch  in 
dem  alten  französischen  KiUiigswappen,  das  Muster  am  Rande  des  Feldes  jedes- 
mal abgeschnitten  ist. 

AVie  kommt  nun  dieses  seltsame  Wappen  auf  unseren  Grabstein?  Die  Lilie 
deutet  ofienbar  auf  einen  nahen  Zusammenhang-  mit  dem  Geschlechte  der  Hof- 
mair:  doch  wird  jedermann  zunächst  an  ein  Allianzwappen  denken:  das  Wappen 
unter  der  rechten  Hand  des  Claus  Hofmair  ist  sein  eigenes,  das  g-egenüber- 
stehende  wäre  demnach  das  seiner  Frau,  bezw.  des  Vaters  derselben.  Für  den 
(hing-  der  Untersuchung-  ist  es  unbequem,  daCs  zwar  der  Taufname  der  Frau, 
Barbara,  nie  indes  deren  Familienname  genannt  wird;  dafür  aber  finden  wir 
das  g-esuchte  Wappen  auf  dem  Siegel  einer  Urkunde  von  J343,  Sampztag  nach 
sant  Barthelmenstag  =  30.  August:  Meister  Ulrich  der  Hofmair,  drei  Welser 
und  noch  zwei  andere  Patrizier  verkaufen  einen  Garten  vor  dem  Gögginger 
Thore,  den  sie  von  Frau  Walpurgen,  der  alten  Welserin  sei.,  ererbt^).  Das  erste 
von  den,  ursprünglich  sechs,  anhängenden  Siegeln  —  vorhanden  sind  nur  noch 
drei  -  -  das  des  Meisters  Ulrich  Hofmair,  welches  bis  auf  die  Umschrift:  »[S.] 
M[a]gislri  Ulrici   [dicti  H]ofma[ir]«  wol  erhalten   ist,   zeigt   mit   ein   paar  ganz 


ä)  Gütige  AlitU'ilung  von  Herrn  Prof.  Dr.  Vecsenmeyer  in  Ulm.  Ein  Heinricli 
l'liiiwcnh-itl.  ()i'r  in  einer  Urliunde  vom  14.  kal.  Julii  1302  (Monuni.  Boic.  XXXIII.  1,  S.  .S0r3j 
at.s  Verwandter  oder  Freund  der  ältesten  Augsburger  Apotlieker  erscheint,  halte,  gütiger 
Mitteilung  von  Herrn  Keichsarchivrat  K.  Primbs  zufolge,  gleichfalls  einen  schreitenden  Pfau 
im  Siegel  und  war  vielleicht  ein  Mitglied  jenes  Ulraer  Geschlechts. 

4)  Z.  B.  an  einer  Urkunde  von  1401  »Donrstag  vor  sant  Vitstag« ,  im  Augsburger 
Stadtarchive.  Aussteller  sind  INikolaus  der  Apotheker  und  seine  Frau  Barbara.  Bei  dem  an- 
härifjendcn,  ziemlich  wolerhaltencn  Siegel  fehlen  nur  in  der  Umschrift:  [»S.  Xi]colai  dcti 
Hofmair«  ein  paar  Buchstaben.  Ein  leichter  Unterschied  im  Bilde  —  auf  dem  Siegel  läuft 
nämlich  das  mittlere  Blatt  der  Lilie  spitz  zu,  während  es  auf  dem  Steine  mit  einem  Knopf 
endet  —  ist  ganz  unwesentlich. 

H)  Im  Augsburger  Stadtarchive,  vgl.  Urkundenbuch  der  Stadt  Aug.sburg,  herausgegeben 
von   Dr.  Cliri.stian  Mevcr   1884.  I.  n.  400. 


—     17    — 

unwesentlichen  Abweichung-en  *)  unser  AYappen.  wie  es  auf  dem  Steine  zu  sehen 
jst  —  siehe  die  untenstehende  Abbihhuisr.  In  einer  Urkunde  von  i;^;^l  g-eschieht 
der  Frau  des  Mag-ister  Uh'ieh  Hofniair  gelegentliche  Erwähnung- "j ;  und  da  Claus 
Hofmail',  der  Apotheker,  in  den  Augsburg:er  Steuerreg-istern  schon  von  1362  an 
aufaetiihrt  wird,  in  diesem  Jahre  also  bereits  ein  erwachsener  Mensch  g-ewesen 
sein  mufs,  so  hätte  die  Annahme,  Meister  Ulrich  Hofmair  sei  sein  Schwieg-ervater 
gewesen,  soweit  keine  Schwierig-keit.  Hiermit  stehen  wir  jedoch  alsbald  vor 
ein  paar  neuen  Fragen :  Wer  war  denn  nun  jener  Meister  oder  ^lag-ister  Ulrich 
Hofniair?  und  aufweiche  Weise  mag-  er  zu  dem   Wappen  gekommen  sein? 

In  Urkunden  und  Chroniken  kommt  von  l.lr{  1  —  18415  als  Sekretär  iiiid 
Protonotar  oder  oberster  Schreiber  von  Ludwig-  dem  Bayer  sehr  häutig-  vor  ein 
Magister  Ulricus  de  Augusta  oder  Meister  Ulrich  von  Augsburg, 
ein  paarmal  auch  Meister  Ulrich  der  Hofmair  von  Augsburg  genannt, 
der   als   ausgezeichneter  Dekretist  gerühmt   wird    und   während   des   erwähnten 


Zeilraumes  zu  ili'ii  IhMvon-agviidslcn  Staatsmännern  dieses  Kaisers  gehörle: 
iiaiiifnllifji  wiirdi'  rr  ("iIIits  in  (iesandtschafleii  an  d<Mi  Papsl  in  A\igMon  und 
an  den  KTmig  \'on  Kraidvrcich  xciwcndcl  ""l.  Kr  s(dl  auch,  nadi  glauliharicr 
Angabe,  rjnc  /i'il  lang  an  drr  IniNcrsitäl  \(in  Paris  als  Lehrer  gcwirkl  unil 
(lif   NVürdr  eines  Proknrators  der  englischen   Nation  luddeidet   haben  "). 

('Ihm-  sein   Wappen    freilich    wissen    wir   nichts.     Allein    hei    (dnem    kaiser- 
lichen Proloiiolar   liätle.   die   N'cnnehrung  des   KamilitMiwa|i|»ens  mit  dem  hallicn 


T) )  Das  .Milli'llihill  der  IJlic  liiiiH  auf  ilciii  Sio^jcl  s|iil/  /ii.  wälircnii  rs  aiiT  dem  Steine 
l^iiepl'ui'ti},'  ali.sclilielst.  jiei'adc  wie  wir-  das  aiicli  itei  dem  Wappen  des  ('laus  liid'maii-  jreselieii 
liaiioii:  soilaiin  uiederliell  sicli  die  latie  auf  dein  Sleiiie  iiat-ii  iiiileii.  älinlirii  wie  liei  der 
tieur  de  Ivs:   und   aiirsiM-ileni    ist   das  \V\\t\  auf  detn  Sie'n't  <it'ler  wiederliotl   als  an!"  dorn  Steine. 


7|    N'"!.    .\il;^sli.    t   ikiindeiili.    I.    ii.    .11: 


und   ejid    niat;islei-   l'lricns    ilet'inaitii'r    (am 


Si'liliil'se  der  I  rkiinde   - 1  Idliiiaiei'"   jjesclifi'dn'ii  I  .  .  .  roiisensii  d  \  olii  ii  lal  i'  dcniiiiie  iixeris  ttiee.  .  . 

Si  S.  n.  liie/.lei'  liat  in  einer  scliarl'sinnitreii  i%leinen  Aldiandliiny :  ■ivaiser  laidwi;;'  def 
liaier.  Meistei'  l  liicli  der  Wilde  and  Meisler  l  Iricli  dei'  llidiriaier"  die  l'ersönliclikeil  dii'ses 
.Mannes  au.s  allerhand  satrenlialleii  und  MTWoi-rcnen  riierliereriiny:(Mi  l\lar  und  sicher  hei-ans- 
tieliisl,   vy;l.   deidsche   l"(ii-si'linii;;eii   ,\l\',   S.    I       17. 

9|    Mie/Ii'r.   dculsche    Fnrschuny:en    \\\  .  S.    10. 


Mitteiliiiigeii  ans  dein  gerinaii.  Natioiialiiiiiseiiiii.     ISUO. 


111. 


-     IS     - 

Aill.T  am  Kriilo  nichts  Aiinällifi:o.s ;  und  von  einem  Manne,  der  Frankreich 
kunnli'.  il'T  :iMi  IVanzösisiduMi  lioCf  Monato  hing-  Aufenthalt  g-enoinmen,  beg'reift 
fs  sich,  wif  VI-  (la/Ai  koniincii  konnte,  auf  seinem  Siegel  das  Wappenbild  seines 
(i('schl.M-hi«'s  in  diTselhen  Weise,  wie  er  das  bei  der  ähnlichen  lleur  de  lys  jeden- 
lalls  (ilt  grnui:'  (Jeleg-enheit  g-ehaJil  halle  /,ii  sehen,  niusterartig-  zu  ordnen, 
irhMi'hviel  ol»  it  es  aus  eig-ener  MachtvoUkonmienheit  Ihat  oder  dazu  autorisiert 
war.  Cbrign-ns  deutet  auch  schon  die  in  Aug'sburg-  g-an/  ungewrihnliche  äufsere 
Form  des  Sieg-els  auf  nichteinheimische  Kinllüsse.  Das  Wappenhild  steht  niun- 
lich  in  einem  runden,  mit  sternartigvr  Fnirahmung-  geziertem  Felde.  Fnter 
hiinderlen  von  Sieg-eln  Aug-sbui-gcr  Jiürger  aus  dem  14.  Jahrhunderte,  die  in 
dem  Stadtarchive  noch  vorhanden  sind,  findet  sich  nichts  Ähnliches^"). 

Dals  also  der  Meister  Ulrich  der  Hofmair  Jener  ürkunrle  von  [Mo  und 
dt-r  kaiserliche  Protonotar  g-leichen  Namens  und  Titels  eine  und  dieselbe  Person 
sei.  tlCirne.  wiewol  die  Urkunde  selbst  darüber  ni<hls  sag-t,  als  feststehend  zu 
helraehien  sein. 

Der  kaiserliche  Protoiuitor  Meister  Ulrich  llofmair  soll  nun  al>er  g-eisl- 
liclit'ii  Shindes  g-ewesen  sein,  wofür  in  der  That  einige  Umstände  zu  sprechen 
scheinen;  er  hätte  demnaeh  keine  Tochter  haben  können,  wonig-stens  keine  leg'i- 
time  Tochter,  die  das  Wappen  des  Vaters  führen  durfte.  Zwar  vrird  in  einer 
Urkunde  von  1331,  wie  wir  oben  g-esehen  haben,  der  Frau  eines  »Mag-ister 
Ulricus  dictus  Hofmair«  Erwähnung-  g-ethan.  allein  das  hillt  uns  nicht  weiter. 
denn  es  isl  kaum  zu  bezweifeln,  dals  es  um  jene  Zeit  in  Aug-sburg;  thatsächlich 
zwei  verschiedene  Personen  gab,  welche  beide  Meister  oder  Magister  Ulrich  der 
Hofmair  g-enannt  wurden.  Gleichwol  läfst  sich  bezüglich  des  Protonotars 
Meister  Ulrich  Hofmair,  wie  ich  glaube,  mit  ziemlicher  Sicherheit  der  Beweis 
erbringen,  tial's  er  ein  verheirateter  Mann  war  und  Kinder  hatte.  Ich  will  an 
dieser  Stelle  nur  die  Hauptpunkte  der  sehr  umständlichen  Beweisführung  kurz 
hervorheben  und  verweise  für  alles  Nähere  auf  die  bereits  erwähnte  umfäng- 
lichere Abhandlung  in  dem  1(5.  Jahrgange  der  Zeitschrift  des  historischen  Vereins 
für  Schwaben  und  Neuburg. 

Zunächst  also  zeigt  sich,  dafs  bei  dem  zweit:en  Meister  Ulrich  Flofmair  das 
Wort  Hofmair  nicht  Familiennamen  ist,  sondern  Bezeichnung  des  Amtes. 
Der  -Maim  war  Hofmeier  des  Bischofs,  d.  i.  Oberverwalter  der  beträchtlichen. 


lOj  Man  (liirf  wol  auiiclniieii.  dafs  Moi.stor  t  liicli  den  Siogcl.stock  vciii  ciiiiMii  Aags- 
liuPKer  Mcisfcr  antci-tigen  licfs,  iiiclil  von  ciiieiii  t'ranzö.sischon.  Sollte  er  vicllciclit  iioili  an- 
dere AnrcfjUMfren  in  die  Heimat  gidiraclit  lialjen  ?  t*'r\viilint  sei  liier  hücIi.  dafs  mehrere 
angesehene  Augshur}i;er  Goldschmiede  des  14.  Jalirluiuderts  ziu'  llofmairsclicn  Vervvandtscliat't 
Kohorten.  Die  älteren  von  ihnen,  Hans  und  Konrad  Riedrer.  lebten  um  die  Mitte  des  Jalir- 
lumderts  und  jedenfalls  nmli  mit  Meister  ülricii  Hofmair.  der  i.S4G  starb,  zusammen.  Die 
Thätijjkeit  der  beiden  anderen,  des  Heinrich  Vögelin  und  des  Hans  Hofmair,  fällt  etwas 
später,  in  das  Ende  des  1  i.  und  den  Begiini  des  15.  Jahrliuiiderts.  Hans  Ilofnuiir  bekleidete 
bis  1420  das  hocliansehnlicbe  Amt  eiin-s  Münzmeisters  in  Augsburg.  Auch  er  führte  ein 
Siegel  von  ungewdhidicher  P^orm,  vgl.  z.  B.  Urkunde  von  1410  »S.  Ambrosiitag  dcz  heil, 
lererst  (im  Stadtarchivej.  In  einem  ovalen,  aber  andcn  Langseiten  etwas  ausgebauchten  Felde 
sieht,  schief  gerichtet,  das  Schild  mit  der  Hofmairschen  Lilie.  L'ber  der  nach  obenstehendeu 
Kcke  desselben   erhehl   sich   dei-   Helm   mit   Flügeln    und    Itelm/.ier. 


19 


im  Stadlg-ebiete  lieg-enden  bischöflichen  Okonoiniegüter  ^') ;  und  es  liegi  nicht 
ilei"  leisi^ste  Grund  vor,  in  ihm  einen  Verwandten  des  Hofmairschen  Geschlechtes 
zu  erlilicken.     Im  Gegenteile,  sein  Sieg-el,  weiches  an  einer  L'rkunde  von  1339. 


»donerslag-  vor  s.  Jacobstag-«  =  22.  Juli, 


häng'l 


zeigt    einen   einfachen   sechs- 


slrahligen  Stern  mit  der  Umschrift:  «S.  Mag-istri  ülrici  Hofmair  de  Aug'usta^f, 
siehe  die  untenstehende  Abbildung'*'^),  also  iiidit  den  entferntesten  Anklang  an 
das  Hofmairsche  Familienwappen.  Wir  wissen  ferner  aus  einer  Angabe  des  Chro- 
nisten Heinrich  von  Rebdorf,  dafs  der  Protonotar  Meister  Ulrich  Hofmair  1346 
starb  ^^)  und  in  dem  Augsburger  Steuerregister  von  eben  diesem  Jahre  finden  wir 
unter  der  Rubrik  »Uf  dem  Graben«  :  Item  relicta  nuigistri  Ulrich  Hofmair  Herborl 
liliaster  suus;  also  die  Witwe  von  ]\lagister  Ulrich  Hofmair  und  sein  Schwieger- 
sohn Herbort,  d.  i.  Herwart.  Späterhin  wird  in  den  Steuerregistern  sowol  wie  in 
Urkunden  und  anderen  Dokumenten  auch  noch  ein  Sohn  aufgefülirt .  welcher 
»Uhicus  Hofmair  dictus  Richter«^  genannt  wird'*).  Hofmair  ist  demnach  hier 
zweifellos  Familienname,  und  Ulrich  Hofmair  genannt  Richter  kann  unmöglich 
der  Sohn  eines  bischöflichen  Hofmeiers  sein,   der   nicht  zur  Familie   Hofnutir 


gehörte.  Als  \'aler  bleild  also  nur  iler  Prolonotar  übrig.  Der  Meisler  L'li'ich 
der  Hofmair  Jener  Urkunde  von  1343,  weh-her  seines  eigentümlichen  Siegels 
halber  kein  anderer  gewesen  sein  kann,  als  der  Protonotar  des  Kaisers,  mufs 
ferner  in  nahen  Beziehungen  zu  einigen  Mitgliedern  des  AVelserschen  Ge- 
schlechtes gestanden  haben,  da  er  gemeinschaftlich  iiiil  iliesen  von  deren  .Müller. 
Walpurg  der  \Yelserin,  etwas  erbte:  dieselben  nahen  Beziehungen  aber  erkennen 
wir  nachher  bei  Ulrich  Hofmair  genannt  Richter  und  seiner  Mutter,  der  in  dem 
Steuerregister  von  134(5  angeführten  Witwe  von  Magister  Ulrich  Hofnuiir. 
Meister  Ulrich  der  Hofmuir,  Kaiser  Ludwigs  oberster  Schreiber  kaulte  1344  eiiu'n 
Zt'hnl  in  Nordendorf '•■^).  und  späterhin  IrelTen  wir  Ulrich  den  Hofnuiir,  Bürger 
von  .Vugsburg.  der  kein  anderer  gewesen  sein  kann  als  Ulrich  Hofnuiir  genannl 
Richter,  denn  in  den  Steuerregistern  des  ganzen  Zeitraumes  kommt  kein  anderer 
vor,  im  Besitze  eines  Zehenl   in  Xordcndorf  *")• 

11)  Vpl.  fiiK'  iMscIiüfliiiu'  Lrkiiiulc  viuii  iS.  Fclii'iiar  l.'J.")7,  wo  es  lioilsl  .  .  .  maislor 
l  Iricli   unser  lluriniiii-  .  .  .  Aiitijsi).  Urkiimli'iili.   I.  ii.  .iii'l. 

12)  Nach  oiiu'i"  vnii  I*.  v.  Slcllcn  im^orortiji^li'ii.  in  iln-  /ucitcii  NiiiIiIi'm-  /.ii  lirr  so^-. 
llor\Viirlscti<'ii  UrkiiiKloii.saiimiiiiii;;-  loiii.  I,  ji.  I'i7,  licrnKlIirlirii  Zoieliiuiiiji.  Das  Original  silirinl 
vericfil  zu  sein,   ist  jcijcnfails  iiiclil   zu   linden,   vjjl.   .Viij^^sl».   l'rkiinilenii.   I,  n.  oD.'J. 

l."5j  Ji  ü  ii  III  e  r.    i'oiiii'S   liernin   (lernianicanmi   IN'.   '.'>1S. 

14)  Ya\.  ■/..   h.   I).   I' rasch.   Kpilapliia  Aiijjnslana    IC:*'!.   11,  S. 

•     15)  Muniini.   linic.  .WXiil.   II.   p.   Inf,. 

ir>'i  .Miiniiin.    r.iiic.   .\.\\'l\.    I.   |i.  (■>(;. 


_'ll    — 

Mai:-  aiifli.  liii'  >i(.-li  allein  ^ciuiimiit'ii ,  in  jedem  diesef  .Moiiirnlc  ikmIi  lin 
Wo!  soll  l'nsielieilicil,  slecken  :  in  üinT  (ifsanilln'il  liildm  sie  eine  feste  Posilion. 
die  si-h\vt'r  zu  durrhlircrlicn  sein  diiillr. 

Dec  kaiserlii-lh'  l'rnlnnohir  .Mafi'ishT  L.lrirji  linlniuii'  wäri'  alsD  idenlisch 
ndl  dem  im  SI('U('rn'<:«islor  von  I.J'K)  noiiei-len  Mag'isici'  l'iiich  Holniair,  von  dem 
eim'  Witwt'.  ein  Schwieg-ersolin  und  ein  Sohn  erwidml  werden:  und  es  slünde 
somit  ijer  Annaliine.  ciiu'  Toehler  \on  ihm  sei  iiiil  unserem  Claus  Hol'mair,  g'e- 
nannl  A|>ollu'ker.  vei'iieiralet  gewesen,  ni(dds  mehi-  im  Weg-e.  Jedenfalls  die 
einfachste  und  nalütliehsle  Ki'kläi'ung'  Inr  die  Heikuiill  seines  WaifjuMis  auf 
dem  liiahmal. 

\\ '\v  sind  hiermit  wieder  hei  der  auf  dem  liraljuiaie  dargeslellLen  Person 
angelangl.  Wer  war  (daus  Hol'mair  ?  und  weshalh  nannle  man  ihn  Apotheker"? 
Wie  wir  gesehen,  war  er  mit  den  \-oinehmslen  H'umilien  der  Stadt  verschwägert 
und  entstamnde  selbst  einem  angesehenen  l'alriziergeschlechte.  Hans  Hofmair 
lieherltergte  1418  in  seinem  Hause  am  Kindermarkt,  jetzt  B.  ^68,  den  Kaiser 
Sigmund  '').  und  Sigmund  Hofmair  erwarb  sich  den  Dank  seiner  Mitbürger, 
indem  er  bei  der  (ietreideteuerung  von  1488  grol'se  Massen  von  Korn  teils  zu 
billigem  Pi-eise  verkaufte,  teils  unter  die  Annen  verteilte  '").  Unseren  Claus 
Ib'fmair  aiier  nannte  man  Apothekei*,  weil  er  eben  iliatsächlich  Apotheker  war, 
was  immer  damals  unter  einem  Apotheker  verstanden  wurde;  dies  erhellt  schon 
zur  Ceuüge  aus  der  Art  und  Weise,  wie  er  in  Urkunden  gelegentlich  benannt 
wird.  z.  H.  »Nicolaus  der  Hofmair  ze  den  zelten  appotecker  ze  Auspurch«  und 
ähnliches  ^"j. 

In  den  Steuerregistern  steht  sein  Name,  wie  gesagt,  zuerst  186ä.  Von 
18(34  an  tindet  er  sich  sodann  regelmäl'sig  bis  zuletzt  14f(3  unter  der  Rubrik 
"Von  des  Riusers  hus«  (von  1880  an  «An  der  Pfattengass«)  genannt.  Danach 
ninls  sein  Haus,  die  Apotheke,  unfern  der  St.  Morizkirche  irgendwo  auf 
dem  Grunde  und  ßoden  gestanden  haben,  den  jetzt  die  Marienapotheke  und 
der  Ciasthof  zur  goldenen  Traube  einnehmen.  Es  war,  wie  gleichfalls  aus  den 
Sleuerregistern  ersichtlich  wird,  jedenfalls  bis  in  das  zweite  Dezennium  des 
l.'i.  Jahrhunderts,  möglicherweise  sogar  noch  etwas  später,  die  einzige  Apotheke 
in  Augsburg.  Vor  Claus  Hofmair  safs  ebenda  sein  Vater  ^-her  Fridrich  der 
Hofmair  appotecker  ze  zVuspurch«  wie  er  in  Urkunden  mitunter  genannt  wird^"). 
Vor  diesem  werden  noch  zwei,  genau  genommen  drei  Augsburger  Apotheker 
aulgeführt,  ^-her  Liutfrid  der  appentecker«,  auch  «her  Liutfrid  in  der  apotektf 
genannt,  zuerst  1283'-'),  sein  Sohn  «Liutfridus  juvenis  appotecharius,«  nur  ein- 
mal, im  Jahre  18U2,  erwähnt-)  uml  «her  Johans  der  appotecker«  seit  1802  ^3). 
Die  Apotheker  Johans  und  Liutfried  zählten  zweifellos  zu  den  Geschlechtern, 
denn  sie  kommen,  ebenso  wie  Friedrich  Hofmair,  öfters  in  Urkunden  als  Zeugen 


1 


17)  Chruiiik  tli's  BurkartI  Zink  in  deulsclic  Slätllechroiiikrn   V,  S.  148. 

18j  Dfulsche  Stäfltcchronikcn   V,  S.   162. 

lÜJ  10.  Mai  lSy-2,  v},4.  AuiTsb.  Urkunden]».  II.  ii.  773. 

'20)  Z.  B.  Urkunde  vom  4.  Februar  1332,  im  Stadlarihivc. 

±1}  AuKsb.  Urkundenli.  I.  ii.  79. 

±2)  Mon.  Boic.  XXXIK.  ],  p.  SüS. 

iS)  Mon.  Buir.  XXXIII.  I.  p.  308. 


-   il   — 

voi-  1111(1  slfiKMi  dann  i-eii'elniäfsig"  unter  den  Putriziern :  hänlig' uiid  ihren  Xaincn 
(iiich  das  Prädikat  »her«  vorg'eset/J  und  Johans  bekleidete  sogar  einnial,  1318—10. 
die  hiM'hste  Würde  in  der  Stadt,  das  nur  Patriziern  zuii'ängliehe  Stadt ptleg-er- 
aiut.  Ihr  . Familienname  indi's  liill  nirg-ends  zu  Tag-e.  wie  das  ja  auch  bei 
Friedrich  unil  Nikolaus  Hol'mair  nur  j^auz  ausnahmsweise  £i-eschieht  —  g'ewöhn- 
licb  heilst  es  j'Fridrich«  und  »(-laus«  oder  »Nicolaus  appoteker.«  LiuH'rid  sowol 
wie  .lolians  g'ehörten  Ncrmullicli  ebenfalls  dem  Hofmaii'schen  Geschlecbte  an, 
und  es  dürfte  dann  W(d  auch  ihre  Apotheke  in  dem  nämlichen  Hause  g-eweseu 
sein,  wie  später. 

Über  Art  und  Hcschatfenheit  des  Augsburg'er  Apolhekei-g-eweibes  in  den 
alleren  Zeiten  sind  iiiii'  sehr  wenige  deutliche  Naclu'ichten  überliefert.  Indes 
darf  man  annehiiu-n.  dal's  sich  die  Knt Wickelung-  hier  in  ähnlicher  Weise  voll- 
zogen habe,  wie  in  anderen  Städten.  Ursprünglich  verstand  num  unter  apotheca 
eine  Bude,  einen  baden,  worin  alles  mrigdiche  verkauft  werden  konnte,  doch 
scheint  das  Worl  allmählich  mil  \'orliebe  in  Bezug'  auf  stddie  Läden  gi'braiicht 
worden  zu  sein,  in  denen  Gewürze,  Spezereien,  Sämereien  und  ähnliche  l)ing-e 
zu  hallen  waren.  Erst  seit  dein  18.  Jahrhunderte  beg-annen  sich  die  Apotheker 
von  den  übrigen  Gewürz-  und  Spezeieikrämern  zu  scheiden,  indem  sie  sich 
vorzug'sweise.  keinesweg-s  aber  ausschlielslich.  auf  Bereu ung-  und  Verkauf  von 
Arzneien  und  Heilmilleln  verlegten  -*).  Daneben  Jedoch  wurden  in  Apotheken 
noch  sehr  lange  vielerlei  andere  Dirig-e  hi  Verschleifs  g-egeben,  wie  Gewürze, 
Federn,  feinere  Efswaren,  Konfekt,  Warbs  u.  s.  w.  -'')  Für  eine  Stadt  war  es 
beg-reiflicherweise  von  gTofsem  Interesse,  eine  derartige  Heilbude  in  ihren 
^lauern  zu  besitzen,  man  g-ewährle  daher  dem  Unternehmer  oder  Errichter  einer 
solchen  gerne  allerhand  Vorrechte,  wie  elwa  Steuer-  und  Wachtfreiheit  und 
sonstige  Vergünstigungen-'*)  und  hieraus  erwuchs  dem  Apolheker.  umsoimdir 
da  sein  Beruf  gewisse,  den  meisten  unverständliche  Kejuiinisse  erforderte,  leicht, 
im  Verglei(die  zu  andern  Ki-ämei  n  und  Kleinverkäufern,  eine  sehr  bevorzugte 
Stellung. 

Schon  die  ältesten  bekannten  Augsburger  Apotheker  heben  .-ich  deutlich 
i'rkeiinbar  aus  dei"  Heilie  ilcc  ( iewiir/häiidler  liei-\iir:  *\{'un  sie  wan'ii  Palrizier 
und  es  gab  nur  eine  A[»otlu'ke  in  der  Stadt.  Liutfrid,'  der  älteste  von  ihnen, 
führte  in  seinem  Siegel  einen  Mörser  mit  darin  stehendem  Stötsel'-'l.  woraus  er- 
laubt ist,  den  Schluts  zu  ziehen,  dat's  diese  beiden  Insirumente  schon  damals 
eine  bedeutende  Rolle  in  der  Apothekerkunst  ges|tielt  haben.  Aus  den  ältesten 
vorhandenen  Stadtrefdmungen  (von  1320  —  31)  ersehen  wir.  dat's  die  Stadt  ge- 
legentlich hei  .Idliaiis  dein  .\pollieker  kleinere  Quantitäten  italienisidien  Weines 
und  bei  Kiicihich  Hofmair  Gewürz  und  Konl'ekl  kaiitte.  tünmal  aindi  verkaiilte 
man  an   ihn   liüchsiMi   und  andere  Sachen    für    die  .\iMilheke.    wuiaus    hei\(»r/ii- 


±'l-)    Vul.  .1.   <;.   C  CM  n  I  rr-,   ilfulsclie   Sljuihiilils-.MliMliiiiicr    ISS_>.   S.    I  iii   uikI    ICO. 

'2o)  Vn'l.  (1.  I,.  I\  i- i  e' {>•  Iv ,  ilrulsclii'.s  Bür^'i'iinin  im  M  iUrhillcr.  mil  In  snmlcicr  üe/.iij;-- 
iiidiiiic  auf  l'raiikriiil   a.   .M.    IS(iS.  S.  CO  IT. 

■H',)   Vn|.  Cmi -Icr.  a.   a.  0. 

il)  (liiii^r  .\hlli'iliiiiLr  vuii  llcnii  iSciciisaniiivial  i\.  I' r  i  in  ji.s.  Das  Sii';;rl  liiiii;;!  an 
L'iiior.  .Meli.  I'.nii-.  .\.\.\lll.  I.  |).  ,1().S.  alijiftli'iicklcii  l'rkiiinli'  mihi  IS.  ,|imi  I.SOi.  .Mörser  inid 
Slörsc'l  waii'ii    Will    ilas   liaiHirl.s/.ciclHMi   ilc^  .\  [ii>l  lictici'.s,  sriiw  eiljch   alnT  .sein    l'"aiiiiliein\  a|i|n'ii. 


-)■) 


irt-hfii  sclii'iiil.  ihilV  ilir  Ki'li.'iidt'ii  iiii  ilri-  rjrhl io-,.|i  Aiisslallun^^  und  Einrichtung: 
ilt'i' .\|inllii'kc  t'ini'ii  g'cwissfii  Aiilril  iiiiiimcn.  l-iisl  suis  (Im  Zeilen  unseres  Nikolauy 
ll(»rnniir  ahcr.  und  /war  aus  dem  .laluc  IM'I.  Iial  --icji  ein  lukundiiches  Zeuiznis 
ilafür  i-rhalltMi.  dal's  dt'i-  A|i(il hckfi-  nach  der  Ndiscluin  des  Ar/tes  HeiinuUcl 
/.u  hcrciicn  pllcii-lc '-'').  (MTcnl)ar  Jedoch  isl.  hier  nichl  V(Mi  einer  Neuerunii'  (he 
Wi'dc,  sondern  von  einer  Sache,  ihe  läni^'st  in  Übuny  war;  und  es  haben 
w(d  auch  (he  h'iiheren  A|Milliekcr  nach  iUn\  UezepLen  der  Arzle  Arzneien  her- 
freslelll. 

\'(in  Nikolaus  lloTinair  wissen  wir  aulsenleni  aus  den  Sladirechnung-en, 
(hils  er  idlers  (iiisle  derSladI  ])eherberi>'le  und  verkfÄslig-le:  er  führle  also  augen- 
scheinhch  neben  der  A|M)lheke  eine  (jlaslwirlschari.  wie  das  violh'ichl  seine  Vor- 
iriiniier  gleichfalls  sclnui  gdhan  iiaben  niTig-en.  J)as  Anwesen,  wehdies  die  A)io- 
Iheker  zu  Jenen  Zeilen  inne  hallen,  war  wol  schon  im  14.  Jalirhunderl  eine 
(ilTenilii'lic  llei-bergv,  Jedenfalls  wini  es  im  Ki.  -lahiliunderl  »g'eineiner  ShuH 
lierberg'"  grenannt  und  I(il8  von  der  (ieineinile  an  einen  Wirl  verkauft. 
Seildeni  i^l  es  iinler  dem  Xamcii  Zur  (Joldenen  Tiauhe  slels  ein  Gasthof  ge- 
blieben. 

Zufoige  ikn  Sladlrechnung-en  von  14Uö,  liUü,  14U7  bezog-  der  Aiiolhoker 
damals,  eiienso  wie  (he  beiden  Ärzte,  einen  Jjohn  von  vierteljährlich  fünf  Gulden. 
Im  Jahre  1417  stellte  der  Rat  nnt  einem  Jahressolde  von  3011.  rheinisch  einen 
neuen  Apotheker  an,  welcher  Meister  Peter  oder  Petrus  genannt  wird'-").  Dabei 
wurde  eine  gewisse  Beaufsichtigung-  der  Apotheke  von  Seiten  des  Arztes  vor- 
gesehen, was  iniles  wol  längst  herkömmlich  war. 

Es  isl  ungewifs,  ob  Meister  Petrus  eine  zweite  Apotheke  in  Augsburg  be- 
gründete, oder  nur  die  J)ereits  bestehende  des  Claus  Hofmair  üjiernahm.  ]n 
lelztereni  Falle  hätte  sich  dieser,  der  ja  bereits  ein  hohes  Alter  erreicht,  da- 
nnils  zur  Ruhe  gesetzt.  Allerdings  niül'ste  dann  auch  sein  Sohn  gleichen  Na- 
mens, »Claus  der  jüngere  Hofmair,  den  man  nennet  appenteker« ,  wie  er  in  Ur- 
kunden heifst^"),  wenn  überhaupt  derselbe  wirklich  Apotheker  war,  gleichfalls 
das  Geschäft  aufgegeben  haben.  Jedenfalls  aber  fand  im  Laufe  der  nächsten 
Jahrzehnte  eine  Vermehrung  der  Apotheken  in  Augsburg  slatl,  und  es  scheint 
fast,  als  ob  im  Zusammenhange  damit  eine  Minderung  der  sozialen  Stellung  der 
Apotheker  eingetreten  sei.  Apotheker,  die  Patrizier  waren,  hat  es  späterhin  in 
Augsburg  nicht  mehr  gegeben. 


A  u  g  s  b  u  r  g. 


Adolf  13  uff. 


"2H)  In  (iciii  Uieiistvertrag'c  der  Stadt  Augsbiiry;  iiiil  iIimii  .Viv.le  Mcislri-  lli'iiiiicli  vdii 
Diilidjicn,  (1.  (t.  ±1.  .März  136:2,  fieifst  es  unter  anderen:  .  .  .  l5c(l('nlTI  iuuli  i\cy  siecli  .  .  .  irc- 
li'ancki'.s.  duz  .s(jl  er  (der  Arzt  nämlich)  hu  auch  hesorgeu  gen  dem  aijpoteckei-  iiini  tiaizzen 
macheji  so  er  nclist  mag  ann  gcverde  .  .  .,  Augsh.  Urkuudeidj.  il.  S.  110. 

29)  Kleines  Hatsprotokoll  1417,  d.  4.  Mai. 

30j  Z.  B.  Urkunde  vom  2'6.  Juni  14Ü7,  im  Öladlarcliive. 


—  r^   - 


Znci  Buntpapiere  Im  i^eriiiaiiisclicii  Natioiialmiiseuiii. 

|n  unserem  Artikel  über  alte  Buntpapiere  in  den  Samnilung-en  des  g-er- 
manisehen  Museums  im  I.  Bande,  S.  1:21  ff.,  dieser  Mitteilungen,  haben 
wir  auf  S.  185  bemerkt,  dafs  wir  die  hervorrag-endsten  Typen  der  g-old- 
g-eprefsten  Buntpapiere  veröffentlicht  hätten.  AVir  haben  uns  damals  eines 
Versehens  schuldig  g-emacht,  das  wir  durch  diese  Zeilen  wieder  g-ut  machen 
wollen.  Es  ist  nämlich  derjenigen  Papiere  nicht  gedacht  worden,  welche  den 
Charakter  der  Stoffmuster  des  18.  Jahrhunderts  tragen  und,  wie  diese,  einzelne, 
unregelmäfsig  aufgestreute,  teilweise  völlig  naturalistisch  durchgebildete  Blatt- 
und  Blumenzweige  auch  Früchte  zeigen.  Im  17.  Jahrhunderte  tindet  sich  diese 
Übereiustimnumg  der   Musterung   der  Papiere    mit  jener   der   gewebten  Stoffe 


nicht:  sie  ist  daher  als  ein(>  Kig((iiliindichkeit  des  18.  Jahriuinderls  zu  be- 
lra(diten.  Das  erste  di-r  bii'i-  abgt'bildelen  Muster  ist  rjn  Ireinicbes  BiMspiei 
der  (jieschmacksrir'hlung  tl^'s  IS.  Jalirliuiidcrls.  Der  HolzM'hnill  gibi  den  ganzen 
Bogen  in  '  .i  der  OriginalgriWse  wieder.  I)ie  gauzr  Fläche  ist  durch  willkür- 
lich, ohne  j(>de  Symmetrie,  nidteneimindcr  gesetzte,  freiliegende,  hübsch  gt'zeicli- 
n<>te  Zweige  mit  Klätlern.  Mliiten  und  l^iiiclilcu  bedeckt,  die  mu-  das  eine 
(jesciz  iieobai'lilrii.  dii>  gauze  Fläche  des  l'apieres  gleichmäl'sig  auszufiilleii  und 
nirii'eiids  ü'rürsere  liücken  otfen  zu  lassen.  |)(»cli  siinl  die  Hlüller  und  Blumen 
noch  stilisiert  :  das  Musler  üehrirl  al^d  iler  i'beru'anii'szci!  zu  den  .Muslern  in 
üänzlicli   nalurali<lisc|ier'  Weise  au.      Ks    isl    niil   <in|i|    auf  weifses.    einen    etwas 


m   — 

jjfclhliclion  Ton  /('ip:!mlt's  Paiiici-  i'0|»ro(st.  so  tlal's  dassclljc  lieiuahe  wie  KH'eu- 
lii'iii  iiiil  \'i'ri:(tl(liitiii-  crscliciiil  iiiid  einen  sehr  ang-enelunei)  Kindiur-k  niaehl. 
Der  (ii'iiMil.  aul'  welelieni  sich  das  .Muslei'  ahhehl.  ist  niehl  iilall.  sondern  /eig-t 
dichl  aneinander  ifeceihle  einzelne  gohlene  Punkle,  die  wie  Funzieiinii;-  wiiken. 
Das  Papier  lräi»l  die  Aiirsehiill  :  »Aucsiiuii»-  hey  Johann  Michael  Munk.  N.  34«  ^). 
Verwendel    wurde  dieses  i*a|nei'  im  -hthn'   I7;i8. 

\  ie|  natnralistiselier  isl  die  Mnslei"U?iii'  des  zweilen  Papieres.  welches  wir 
hier  ahliilden.  das  also  später  sein  solMe,  wie  das  vorbeschriebene,  aber  doch 
sehon  im  'lalire  1741)  in  (lebi.nndi  ii'enominen  wurde.  Es  \<\  dies  ein  neuer 
Beweis,  dals  die  alleren  Musiei"  el)en  so  lana'e  herg-estelll  wurden,  als  die 
IMalleii  aushiellen.  Ja  dals  diese  wol  auch,  wenn  sie  abg-enntzl.  waren,  nach- 
iiTschnillen  wurden.  Das  zweite  Muster  —  in  ^/s  der  naliirlichen  (jröfse  —  zeigt 
densellaMi  (Iharakler  wie  das  erste,    nur    sind    die    Jilall-.   lilülen-    uinl  Frucht- 


zweig'e  in  viel  kleinerem  Jrafssl.abe  ausg-eCühi-l.  Kinzeliie  kleine  J.ücken.  welche 
der  Musterzeichner  niehl  durch  uninolivierle  Jilällc)-  oder  IMülen  ausfüllen 
wollte,  hat  er  in  nicht  slörender  Weise  durch  eingeselzle  .Sternchen  erg'änzi. 
Tnser  Holzschnitt  g'ibt  zwar  die  ]\fusleruüg'  richlig'  wieder,  niehl  aber  die 
Karbe  des  Papieres,  denn  im  Originale  erscheinen  die  P)lalt-  und  P)lülenranTfen 
iii''ld  lieh!  aul'  dunklem  (irunde,  sondern  umgekehrt:  schwaiz  aul'  goldenem 
(irunde.    Die  Fabrik  dieses  Papieres  isl  uns  niehl  bekannt. 

Ähnliche  g-(ddg'epi-efste  Papiere,  wie  die  liier  abg-ebildelen.  herrscIuMi  in  der 
zweiten  Hälfte  des  J8.  Jahrhunderts  vor;  nur  sind  dieselben  niehl  mehr  mil  der 
Sorg-fall  ausgeführt,  wie  ihre  Vorg'ängTr.   sondern  zeig-en  immer  rohei-e  Arbeit. 

Auch  diese  beiden  Abbildung'cn  verdanken  wir  Herrn  Karl  ilofniann. 
Herausg-elier  der  Papierzeitung-  zu  l^erlin. 

Xürnberg'.  Hans    P.üsch. 


\)  LIkt  die  Muiick  s.  .Mitleilunufcn  aus  (li'iii   ocriii.  >'atiimaliiiii-^.   t>(l.   I    S    l->7 


Verzeichnis  der  ȟrzhiirger  ^laler.  Bildhauer  und  Glaser  vom 

15.  — 17.  Jahrhundert. 

^  im  Jahre  1859  der  k.  preufs.  Steuerinspektor  C.  Becker  in  Würzburg-, 
I  namentlich  bekannt  als  Mitherausgeber  des  Hefner-Alteneckschen  Werkes 
«Geräthschaften  des  Mittelalters  und  der  Renaissance« ,  verstarb,  hatte 
das  germanische  Museum  Gelegenheit,  aus  dessen  Nachlafs  eine  Pergament- 
handschrift zu  erwerben,  die  aus  neun  Blättern  in  Schmalfolio  besteht  und  ein 
Verzeichnis  AVürzburger  Maler,  Bildhauer  und  Glaser  enthält.  Auf  Blatt  la 
findet  sich  die  Überschrift  »Die  nomen  der  moler  vnd  glaser« ,  worauf  die  ein- 
zelnen Namen  nebst  Angabe  des  Berufes,  zunächst  ohne  Jahreszahlen  —  das 
zweite  Blatt  beginnt  aber  mit  1522  — ,  dann  von  1367  an  mit  solchen,  folgen. 
Auf  Blatt  5a,  einem  eingehefteten  Papierblatte,  steht  der  weiter  unten  ange- 
führte Titel  der  zweiten  Abteilung  der  Handschrift,  in  welcher  die  »Knaben« 
verzeichnet  sind,  welche  bei  den  einzelnen  Meistern  gelernt  haben.  Die  dort 
angeführte  Jahreszahl  —  1301  —  gibt  die  Zeit  der  Herstellung  der  Handschrift 
an  Stelle  der  verlorenen  Register  bekannt.  Man  kann  wol  annehmen,  dafs  die 
erstangeführten  Meister  des  ersten  Verzeichnisses  teilweise  noch  bis  gegen  die 
Mitte  des  lo.  Jahrhunderts  zurückgehen,  es  ist  dann  —  vom  siebenten  Namen 
(Hans  Lang)  auf  der  zweiten  Seite  an  —  bis  1642,  natürlich  von  verschiedenen 
Händen,  fortgeführt.  Das  Verzeichnis  der  Lehrlinge  dürfte  kaum  weit  über  die 
Zeit  der  Anlage  der  Handschrift  hinausgehen. 

Eine  Anzahl  der  mitgeteilten  Namen  hat  Niedermayer  in  seiner  Kunstge- 
schichte der  Stadt  Wirzburg  (Wirzb.,  18G0)  bereits  veröffentlicht,  andere  finden 
sich  in  dem  Artikel  Beckers  »Nachrichten  über  ältere  Küusfler  in  Würzburg« 
im  deutschen  Kunstblalte  1831,  S.  404  ff.,  angeführt;  aber  vollsfändig  sind  die 
Namen  noch  nicht  publiziert  worden,  und  da  bei  Niedermayer  manche  derselben 
verstümmelt  erscheinen  —  einzelne  sind  dagegen  bei  Niedermayer  offenbar 
korrekter  wiedergegeben  als  in  unserem  Verzeichnisse,  das  von  den  alten 
Meistern  geführt  wurde,  die  zwar  meist  sehr  geschickt  mit  Pinsel  und  Meisel, 
weniger  gut  aber  mit  der  Feder  umzugehen  vermochten  — ,  so  wird  der  Ab- 
druck dieses  Verzeichnisses  als  Beitrag  zur  fränkischen,  speziell  Würzburger 
Künstlergeschichte  keiner  Rechtfertigung  bedürfen. 

Der  frühere  Besitzer,  C.  Becker,  hat  einer  Reihe  von  Künslleniamen  un- 
seres Verzeichnisses  mit  Bleistift  handschriftliche  Noten  beigesetzt,  die  teilweise 
Auskunft  über  das  Jahr  geben,  in  welchem  die  Betreffenden  Meister  wurden, 
teils  deren  Todesjahr  bezeichnen,  teilweise  auch  mil  Werke  hinweisen,  welche  die- 
selben geschaffen.  Wir  sind  nicht,  oder  nur  ausnahmsweise,  in  din-  Lage,  die 
Richtigkeit  dieser  Anmerkungen  zu  kontrolieren ,  können  daher  eine  (iarantie 
für  dieselben  nicht  übornchmtMi:  da  wir  anderseits  aber  auch  keinen  Grund 
haben,  die  Korrekt  heil  derselben  zu  bezweifeln,  so  glaubt  cii  wir  die  Noten  wie- 
dergeben zu  sollen,  soweit  dieselben  Becker  nicht  schnii  im  deutschen  Kuiist- 
blatte  veröffentlicht  hat.  Es  geschieht  dies  in  Form  von  Anmerkungen,  welchen 
wir  den  Namen  »Becker«  vorsetzen. 

Mitteiliiiigcn  aus  dem  gcnnan.  Niitioiuilniuseum.     ISDO.  IV. 


D 


—    2G    — 

[\\\.   la)     Dil'  iioiiii'ii  der  molcr  viid  ^luser. 

l'uiH'Z  iiioler ')  —  Oll  Wvlaiil  i^las(>r  —  Hans  von  Franckfurt  nioler  *)  — 
S\\rhv\  lUvtlcl  ^Hasor  Anna  srin  liawßlVaw  —  Pauls  Gocz  g-laser  Kathe- 
rinu  sein  liau|MVa\v  -  Concz  Wilaiil-)  g-laser  Barbara  sein  haußfiaw  — 
ilaii(5  Keg-er'}  Jlargri'lli  sein  haiißt'raw  —  Lucas  von  Breßlaw  moler  i)  —  Simon 
inolor'J  —  Sig-niuiul  Plisler  molcr')  —  Hans  Weygand  moler  0  —  Michel 
Wcyß  scliniczer ')  —  Petter  iiKilci')  —  Virich  Hagenfurter  schniczer")  — 
Aliciicl  Hawr  glaser")  —  Claus  moler  ^)  —  üall  nioler*)  —  Philips  Schmidt 
moler  --  Hans  [jippart  moler'')  —  'hicob  Schneydenwint  glaser  —  Jörg  Stackel 
„lolci-  __  Dyl  Kimenschneyder  schniczer  —  Balthasar  Goi)polt  glaser ')  —  Hans 
Mcrcz  nioler")  —  StelTan  Dylmer  nioler  ^)  —  Lorencz  glaser  —  Hans  Zirbel 
^.l;iser»)  —  Eckart  Wcyß  raoler  —  (Bl.  1  b)  Petter  Fus  glaser  —  Hans  Erhart 
glaser  —  Jörg  Hirschfickel  glaser  —  Hans  Wageuknecht  moler '°)  —  Hans 
Pllstcr  von  Ypphouen  moler'')  —  Küncz  Wylant  der  jung  glaser  —  Hans  Lang 
moler  —  Petter  Beyer  vom  Ochsenfurt  moler  —  Hans  Lipphart  maller  '')  — 
Killian  Strwn  maller —  Balthaser  Smucz  moler  ")  —  Wolfgang  Rencs  sniczer  '-)  — 
Jocob  Sneidewindt  glasser  —  Petter  Strudt  glaser  —  Endres  Emerdt  moler  ^'')  — 
Hans  Zirbel  glasser  der  jung")  —  Hans  Schubert  glasser  —  Kuncz  Rauchschart 
glasser  —  Philips  Üitmcr  moler  ^)  —  Casper  Ducher  glasser  —  JostSpis  glasser  — 
Jörg  Stol  glasser  —  Jörg  More  schniczer  —  Peter  Seger  maier  —  Hanß  Harcz 
schniczer  '■')  —  Erhard  Graf  maier  —  Peter  Fuß  glasser  —  Jost  Stumpf  schniczer 
—  Hans  Stengler  glaser. 

(Bl.  2  a)     Valentin!  anno  22  iar. 

Anthenich  Wylandt  glasser  —  Endres  Arnalt  glasser  —  Hans  Holog 
glasser  —  Jörg  Rimesneider  ^*)  schniczer  —  Friderig  Küuradt  glasser  —  Hans 
Beczman  ey(n)  moler  ^'')  (der  geren  wy  drinckt  ^*')  —  Jörg  Bawman  ey  gla- 
ser —  Hans  Weber  eyn  glaser  —  Pauls  Smid  glasser  —  Veydt  Zirbel  glaser  '')  — 


1)  Deutsches  Kunstblatt  1851,  S.  405.    Niedemayer  S.  244  ff. 

2)  Niedermayer  S.  244. 

3)  Bei  Niedermayer  S.  244  heist  es  fälschlich  »Keyel« 

4)  Nicflcriiiayer  S.  246. 

5)  Deutsches  Kunslljlall  1851,  S.  405.     Bei  Niodcrmayer  S.  247  wird  er  »Hagelfutter« 
genannt. 

6)  Bei  Niedermayer  S.  244  steht  Baum  statt  Bauer. 

7)  Niedermayer  S.  247. 

8)  Bei  Niedermayer  S.  247  lieist  es  fälschlich  »Metz« 

9)  Über  die  Zirbel  siehe  Niedermayer  S.  247. 

10)  Niedermayer  bezeichnet  im  Register  seines  Werkes  Lorenz  und  Haus  Wagenkuecht 
als  Steinmetzen. 

11)  Becker:  Meister  iin  Jahre  1502. 

12)  Becker :  Meister  im  Jahre  1508.     Nach  Niodermayer  S.  248  lebte  1552  noch  Woifg. 
Bentz  der  BildJiaucr. 

13)  Becker :  Meister  1520.     Niedermayer  S.  248. 

14)  »Dilf  ist  ausgestrichen  und  darüber  »Rimesneider«  gesetzt.    Kunstblatt  1851,  S.  405. 
Niedermeyer  S.  257.     Becker:  1532. 

15)  Niedermayer  S.  248.     Becker:  1523.     f  1528. 

16)  Ist  von  anderer  Hand  heigesetzt. 


—    27     — 

Werner  Geckes  moler^^)  —  Hans  Wylandt  glaser  —  Jörg-  Heyßner  glaser  — 
Jörg:  Zyrbel  g:laser  ^)  —  Hans  Crißraät  g-laser  —  Hans  Beychman  derr  g-laser  — 
Wilhelem  Züg-eler  maier  ^^)  —  Peter  Dell  pilhauer^^)  —  Wilhelem  Staunn  rao- 
1er  ^^)  —  Bastian  Hall  glaser  —  Merten  Heil  inolor  —  Asimus  Koch  glaser  — 
Michel  Seycz  g-laser  —  Hans  Schumczer  g-laser  —  Balthaser  Herwirt  glasser  — 
[Bl.  2b)  Mertten  Seger  moler  '^^)  —  Haus  Stang-  g-laser  der  jung-  ^^)  —  Hans 
Habel  g-laser  —  Lorencz  Helffer  moler  —  Jörg  Weydenbusch  glaser  ^^)  —  Petter 
Mager  glaser  —  Lorencz  guntter  glaser  —  Petter  Dell  schniczer  -^)  —  Valten 
Stang  glaser  —  Petter  Fuß  glaser  stum  —  Jörg  Brychel  glaßer  —  Thoma 
Kysner  bydthauer  ^*)  -  Hans  Betzman  moler  der  jung -^)  —  Kargas  Hopffer 
glaser  —  Palthaser  Pfyster  glaser  —  Palthaser  stengle  glaser  —  Dauitt  Eck 
glaser  -")  —  Merte  Rott  moler  —  Meilchior  Bhusch  glaser  —  Hannß  AVidman 
moler  '-■')  —  Killian  Fueß  g-laser  —  Balthasar  Reiff  moler  —  Hannß  Pauman 
glaser  —  Jeroninms  Leippolt  moler  ^^)  —  (Bl.  3a)  Gafpar  Koeler  glaßer 
—  Yald.  Ernst  moler  —  Hanns  Gristman  glaßer  —  Ghristoff  Schnebach  pil- 
hauer  —  Michel  Hümer  glaser  —  Tiebolt  Iimdaller  raoler  —  Yeytt  Baum- 
hauer pilthauer  ^*)  —  1567  Jacob  Kain  maier  ^®)  —  67  Frantz  (jasaman  glaser^*^)  — 
67  Simon  Ganßeder  moler''")  —  71  Hannß  Rodle  pildhauer  ^^)  —  7Ü  Alexander 
Muller  maier  —  71  Fritz  Günrad  glaser  ='")  —  72  Jacob  Zigeler  glaser  —  72 
AI  wert  Weiostogk  glaser  —  72  Valten  Zürrel  glaser  (sein  frav'^) —  72  Hans 
Diettman  glaser^*)  —  73  Wolf!"  Bop  bilthauer  —  74  Jeorg  AVidtman  maier  — 
78  Glaudius  Michel  Schnitzer  ^^)   —   78  Andreas  Herneyssen  moler  ^*')    —    lö8l 

17)  Ausgestrichen.  18)  Nicdormaycr  S.  248. 

19j  Deutsches  Kunstblatt  1831,  S.  40ö.  Der  Verffrliger  des  Grabmals  in  der  Marion- 
kapellc  könnte  aber  auch  Peter  Dell  der  Jüngere  sein,  der  ISSl  Meister  Avurde, 
s.  Anmerk.  ").  Niederniayer  S.  258  (Dill),  Becker :  Scliüler  Dill  Rienicnschneiders. 
S.  a.  S.  29  dieser  »Mitteilungen«. 

20)  Becker:  Meister  lö30,  f  lo52.  Sollte  dieser  Willi.  Staunn  etwa  identisch  mit  dem 
3Ialer  Wilh.  Sturm  bei  Is'icdermayer  S.  248  sein  ? 

21)  Deutsches  Kunstblatt  1851,  S.  403.  Becker:  malte  die  Bilder  in  der  Friefs'schen 
Chronik.  Hicher  gehört  auch  die  handschriftliche  Psotiz  Beckers,  die  er  irrtündicli 
i)ei  Martin  Seger  dem  .lungeren  —  der  erst  1581  Meister  wurde  beigesetzt  bat  : 
malle  155Ü  das  Ziflei-hlalt  am  Grafeneckertiirm. 

22)  Niedermayer  führt  im  Register  seines  Buciies  J.  Weidenbusch,  Glasmaler,  S.  242  an, 
er  findet  sich  jedoch  auf  derselben  iiichl. 

23)  Becker:  Jleister  1551.     S.  a.  Anmerkung  '■'). 

24)  Becker:  Köstner,  Meister  1553. 

23j  Becker:  Meister  1350.     Kiedermayer  S.  248. 

26)  Niedermayer  S.  248.     Im  Register  dieses  Werkes  wird  er  als  Schnit/er  bezeichnet. 
11)  B.xker:  135i). 

28j   Deulsches  KiiiisIblatI    IS5I.  S.  405.     Niedermayer  S.  254.      üecker:  .lacid»  Gay. 
29j  Becker:  aus  Lützen.     INiedermayer  S.  254:  Gal'smann. 

30j  Kin  Stejihan  Ganseder   war   Formschneider    in    Nürnberg,    s.    iid.    II    dieser   »Mit- 
teilungen«, S.   1  :l. 
31j  Bei  Niedermayer  S.  248:   Hans  tlödlein. 

32)  Bei  Niedermayer  im   Register  als  Maler  bezeiclinel.         .S:5)  S|iiiter  beigesetzl. 
34)  Über  die  Dietmann  s.  Niedermayer  S.  27(t. 

33)  Becker:  aus  Metz.     Bei  Niedermayer  S.  248  als  Michael  Claudius  angefülirt. 
36)  Deutsches  Kunstblatt    1S5I.  S.  405.     Niedermayer  S.  248,  2(;9. 


—    28    — 

Ellias  Dittwar  g'lasmaler  —  I08I  Thomas  Eisensr-hmidt  bildhaner  —  I08I  Jörg 
Maurer  bildliaucr  —  Merte  Segor  inoler '")  —  (Hl.  rJb)  8i  Melchior  Burgk  ma- 
Icr  "")  (sein  l'rav ")  —  82  lialthusor  Pleiclier  glaser  —  83  Michel  Fingerer 
glasor  —  8'i-  (lerg  Wcidebuschs  der  jung  glaser  —  85  Niclas  Scheller  glaser  — 
87  Jacob  Büchner  glaser  —  88  Paulus  Michel  billhaur  1G03  —  89  Hanns  Metz- 
ler glaser  —  9U  Sigmund  noii  Wurmbs  glaser  —  9ü  Michel  Zailmeir  maller  — 
93  Cunral  Kundlnum  glafiinaller  —  93  Michel  Vogel  glaser  —  93  GhristofT  Plister 
biltschniczcr  —  93  Christ ofT  Fridrich  Klöijfl'er  maier  —  94  Hanns  Hartman 
glaser  —  95  Michel  Heüsler  maller  3»)  —  9Ü  Ami)roi:)  Scheffer  maller  ""0  —  97 
Hudolff  Specht  glaser  —  97  Jörg  RudolH"  Henenberg  maller*^)  —  97  Hanns 
(iasman  glaser  —  16UÜ  Jörg  Neithart  biltschnitzer  ■'^)  —  1(JUU  Jörg  Keller  gla- 
ser —  lOUU  Wollt"  Megner  glaser  —  1003  Hanns  Gebhart  glaser  —  1(303  Paulus 
Dielman  glaser''*)  —  1604  Sigmund  Baur  glaser"'")  —  1604  Christoff  Roll  gla- 
ser —  (Bl.  4a)  1604  Hanns  Radenmacher  maller")  —  1606  Hanns  Dietman 
maller  glaser  vml  gla|5maller  ^*)  —  1606  Michel  Kern  bilthauer  ")  —  1610  Hart- 
man KIü|tf(Vl  glaser  —  1610  Jeremias  Schelhorn  maller  —  1610  Jörg  Kopie 
niallcr  —  1611  Hanns  Stümer  maller  *°)  —  1611  Zacharias  Juncker  bilthaur  ")  — 
1611  Merlin  Müller  maller***)  —  1611  Hanns  Zürel  glaser  —  1618  Hanns  Ylrich 
Büller  (starb  des  geen  dodes  **)  —  1621  Jörg  Schlela  glaser  —  1622  Bartolme 
Klose  maller  —  1622  Anthoni  Otth  glaser  —  1622  Hans  Jörg  Hübner  maller  — 
1622  Veitt  Koller  glaser  —  1623  Hanns  Konrat  Hierschi  maier  —  1624  Valtin 
Megner  glaser  —  1624  Hanns  Hieronimus  Deürlein  maller  *''^)  —  1626  Hanns 
Zorn  glaser  —  1627  Paulus  Specht  glasser  —  1628  Gürg  Dietman  glasser  ^*)  — 
1640  Hanns  Lieblein  glaser  —  1640  Abraham  Luft  niahler  ***)  —  1640  Daniell 
Hössel  glaser  —  1641  Hanns  Mathes  Holtzman  glasser  —  1642  Adam  Hoffman 
mahler  *^). 

(Bl.  oa)     500  vnd  jm  ersten  jor. 

I  u  disrm  register  steu  alleknaben  die  den  meysteren  diser 
czeyt  jngedenck  sein  gewest  xv«  vnd  jm  ersten  ior  wan  der  register 
sein  ein  theyl  verloren  worden  vnd  diser  zeytt  wider  vernewert 
durch  Hansen  Wagenknecht  moler  i")  vnd  Hanser  (!)  Zirbel  ^)  glaser 
der  czeyt  geschworne  jm  xv°  vnd  jm  ersten. 

(Bl.  6  a)  Simon    moler')    bot  gehabt  Steffan    Dithmer ')   —   Bastian  Hel- 


37)  Über  Peter  Seger  d.  Ält.  s.  Anmerk.  21). 

38)  Nicdorinayer  S.  269,  im  Register  daselbst  aber  als  Maler  bezeichnet. 

39)  Becker:  Kanzel  im  Dom. 
4UJ  Niedermayer  S.  269. 

41)  Becker:  fertigte  einen  Altar  in  Aschatfenburg.     Niederniayer  S.  269. 

42)  Niedermayer  führt  S.  269  einen  Sigmund  Bauer  als  Baumeister  an. 

43)  Deutsclies  Kunstblatt  1851,  S.  405.    Kiedermayer  S.  269.    Über  die  Bildhauerfamilic 
Kern  s.  Deutsche  Biographic  XV,  S.  (iS.S  ff. 

44)  Später  beigesetzt.    S.   a.  deutsches  Kunstblatt  1831,   S.  414.     Niedermayer  S.  269. 

45)  Deutsches  Kunstblatt  1851,  S.  414. 

46)  Einen  Joh.  Luft  erwähnt  Niedcrmayer  S.  361,  einen  Franz  Luft  S.  366. 

47)  Nicdermaycr  S.  361. 


—    29    — 

bert  *«)  —  Cristoffel  Zeller  —  Merthen  Beyel  '^)  —  Philip  Schreck  —  Bernhart 
herrn  Jörgen  von  Grumbachs  knecht  --  Kylian  Stewn  *^). 

Cuncz  Wylant  der  alt  glaser  2)  hott  gehabt  Peter  Füs  ^^)  —  Balthasar 
Goppollt '). 

(ßl.  üb)  Ylrich  Hage  u  f  ürtter  schuiczer")  hott  gehabt  Hanns  Merc/en  ^) 
—  Pauls  Bolsterer  ')   —  Hans  "Wagenknecht  ^")  —  Lorencz  Wagenkuecht  ^'^). 

Michel  Weyß  schniczer  ^)  hott  gehabt  Linhart  von  Kiezing  —  Diecz  von 
Arnstein"^). 

Claus  moler  hot  gehabt  Michel  von  GoßmeßtlorfF  —  Henslein  Rappolt '). 

(Bl.  7a)  Lorencz  glaser  hot  gehabt  Philips  Schelen  von  Heydingßlelt — 
Balthasar  Hütter  (ist  vnredlich  abgeschiden  ^•^). 

Philips  Schmidt  moler  hat  gehabt. ..  ■^"). 

(Bl.  7b)    Hans  Lippart  moler')  hott  gehabt...^-). 

Jacob  Schneydenwint  ^^)  glaser  hot  gehabt  Wolffganck  Beyel  von 
Eyfelstat  —  Werner. 

(Bl.  8a)  Dyl  Rimenschneyder  schniczer  hot  gehabt  Wilhelm  von 
Kohl  (ist  vnredlich  abgeschiden  ^^)  —  Hans  Bravn  von  Geyselherge  ^*)  jn 
Beyern  —  Hans  Gottwalt  ^■')  von  Lör  —  Henrich  Schusler  von  Newenstat  — 
Augiistin  Rey{S  von  Yphouen  —  Henßlein  Fries  von  Mergethem  —  Waltassar 
Rapitolt  —  Gabbriheil  Schreiber  von  Landen  —  Linnhardt  Friß  von  Nergethen  — 
Assimuß  von  Hasfurdt  —  Petter  Dell  von  Würczburgk  ''^). 

(Bl.  8b)  Balthasar  Goppolt^)  glaser  hott  gehabt  Hans  Weinbronner 
von  Murstat. 

Hans  Mercz**)  moler  hat  gehabt...  ^^). 

(Bl.  9a)  Petter  Füs^")  glaser  hot  gehabt  Ambrosius  Schiler  von  Arn- 
stein  —  Jörg  Ochs  von  Gramstatt  1511. 

Steffan  Dittmer")  molcr  hot  gehabt  Wilhelm  Schneyder  —  Endres  Emert"). 

Petter  Sawdt  hat  sich  ferdingt  auf  Purkardy  anno  ym  9  iar  und  hat  sein 
vatter  gelobt  dem  geschworen  meister,  meister  Haussen  Zirwelt '')  daß  er  in  mit 
der  cleidung  (und  den)  schuen  halten  wol  und  nemlich  funlT  yar  ferdingt  auch 
dem  handwerck  zu  geben  ein  j  guhlen  i,]  Fb  wasch  ^^) 

(Bl.  9a)  Hans  Wagenkneciit  iiioier  ^")  lioll  gehabt  Henßlt'in  Xesor 
Fricz  Neser  gebruder  —  Jörg  Mor  —  Petter  Schwartz. 

Hans  Z  i  r b  e  1  P)  glaser  hott  gehabt . . .  •'-')• 

Nürnberg.  Hans  H  Tis  eh. 

48)  Bei  Niedcrmayor  »Sebastian  Ilellwarl«. 

49)  jN'irtlcriiiaycr  riilirt  S.  !247  nach  einer  uns  niclil  liekaiinicn  Quelle  elieiit'alls  siehon 
rialscliliih  .saj^l  er  aclitj  Lelirlinjjje  ile.s  .Maler.s  Siiiion  an,  au.s  dem  Zeller  isl  alier 
liei  iiiiii  ein  Heller,  aus  Beyel  ein  Peysel,  aus  Sehreck  ein  Schecke  geworden.  Stall 
SlelTan   Ditliiiier  hal  er  Hans  Weyssel  von   Ha^lller^,^ 

oOj  Als  erster  aui'  S.   1  h  des  Verzeichnisses  der  Meister  ati;j,eliilirl. 

51)  iNiederniayer  S.  247  heisl  es  »Krilz  von  Arustein«. 

o"!)  JNanien  fehlen.  53)  Darüher  steht    4Htytl«.  54)  Gcisclhörin{>:. 

55)  Bei  iS'iederniayer  S.  257   "(luttvell«. 

5G)  Das  Verzeichnis  der  Schüler  ilieniensclineiders    isl    von    verschiedenen   Händen    j^e- 

scliriehen. 
57)  S.  ]}1.  (Ja    und    iNiederniayer  S.   2i7 .  woselhst  es    »Endres    Linhart«    stall    »Endres 

Enierl«  heisl. 
08)  Steht  lur  »Wachs«,  das  hiuilig  an  Stelle  df<,  hären  (leides  als  Ahgahe  vorkommt. 


—    30    — 

Ww  Kaisoriirkiiiiddi  des  <;ermanisclioii  >atioiinliiiiiseiiiiis. 

II. 

Kaisor   aus   dein    Hause   der   llolio  ns  taufen. 

ic  lii'liandlunji'  der  mir  zu  (icbolo  stehondeii  L'rkuiidoti.  welche  aus  der 
|{fi;ieruiii;siu'rii)ile  der  Holienslaui'eukaiser  staiuiiieu,  stöl'st  auf  erhebliclie 
[fc!»!*i55  j^chwierig-keiten.  Vor  allem  ist  zu  betonen,  dafs  auch  für  diesen  Ab- 
schiiill  sii'li  keine  einheitliche  (irujipe  von  J)ii)lomen  zusammenstellen  liefs, 
welche  eine  ausführlichere,  allg-cmein  g-ehaltene  theoretische  Erörterung  erlaubt 
haben  würde.  Es  sind  vielmehr  wenige,  aber  zum  Teil  hervorragend  inte- 
ressante, zum  Teil  auch  bisher  unbekannte  Stücke,  welche  ohne  Jeden  inneren 
Zusammenhang  sich  über  das  ganze  Säkulum  von  Friedrich  I.  bis  zum  Tode 
Friedrichs  11.  verteilen,  für  die  verschiedensten  Empfänger  in  Deutschland 
und  Ilalicn  bestimmt  sind  und  dadurch  eine  gemeinsame  Behandlung  unmöglich 
nuichcii.  Dieser  Übelstand,  dafs  das  vorhandene  Material  kein  einheitlich  Ganzes 
darstellt,  wai-  zwar  auch  im  vorigen  Kapitel  fühlbar,  diente  aber  dort  eher  zur 
P'örderung  als  Hemnuing  der  zu  lösenden  Aufgabe:  sowol  das  Kanzleiwesen  der 
Karolinger  als  auch  das  der  Sächsischen  und  Saliscben  Kaiser  ist  durch  die 
grofsen  Arbeiten  Sickels  und  Brefslaus')  in  einer  so  vollkommenen  Weise 
ilurchforscht  und  ergründet,  dafs  mit  Recht  gesagt  werden  kann,  hier  steht  der 
Diplomatiker  auf  festem,  wolgefUgtem  Boden,  und  Ergänzungen  vermögen  sich 
hier  leicht  einzufügen. 

Ganz  anders  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  Urkunden  der  ersten  Staufer: 
für  diese  vermifst  man  eine  grundlegende  Arbeit,  welche  Spezialuntersuchungen 
im  beschränkten  Rahmen  der  vorliegenden  zu  fruchtbringenden  gestalten 
kiuinte.  Auch  Brefslau  G:iebt  die  Geschichte  des  kaiserlichen  Kanzleiwesens  in 
erschöpfender  und  abschliefsender  Weise  nur  bis  Konrad  III.,  die  Zeit  Friedrichs  I. 
und  seiner  Nachfolger  behandelt  er  kurz  und  andeutend,  weil,  wie  er  selbst 
sagt,  die  Urkunden  dieser  Periode  einer  genügenden  Durcharbeitung  noch  ent- 
behren-'). Erst  mit  dem  Interregnum  beginnt  in  genanntem  Werke  wieder  die 
eingehende  Darstellung.  Aus  denselben  Gründen,  und  dadurch  jede  Unter- 
suchung über  .diese  Zeit  noch  erschwerend,  fehlen  in  den  »Kaiserurkunden  in 
Abbiblungen«  gerade  die  vier  ersten  Staufer;  das  Hilfsmittel  der  Schrift- 
vergleichung anzuwenden,  ist  demnach  nur  wenigen  Forschern  vergönnt,  mir 
insontierheit,  dem  Urkunden  anderer  Archive  nicht  zu  Gebote  standen,  war  es 
vollkommen  unmöglich  gemacht.  —  Erst  bei  den  Urkunden  Friedrichs  II.  be- 
tritt man  wieder  angebauten  Boden:  das  Kanzleiwesen  dieses  Kaisers,  sowie  das 
seines  Sohnes  Heinrich  und  Konrads  IV.,  ist  in  einem  vortrefflichen  Werke  von 
F.  Philippi  ^)   behandelt,   einer  Arbeit,   welche  in  jeder  Beziehung  eine  grund- 

J)  Neben  den  wiederholt  angefühiien  Werken  sind  hier  noch  die  einzehien  Teile  des 
erklärenden  Textes  der  »Kaisenirkunden  in  Abbildungen«  zu  nennen,  welcher  jeder  i'iir  sich 
eine  vortreniiche  Arbeit  darstellt,  iiäiiilich:  Urkunden  der  Kai'oIiMiior  von  Sickel,  ilor 
Salier  von  Brefshiu,  Heinrich  II.  von  V.  Bayer. 

2)  BreTslau,  a.  a.  0.  S.  360,  Anmerkung  2. 

3)  F.  Philippi.  zur  Geschichte  der  Reichskanzlei  unter  den  letzten  Staufern 
Friedrich  II.,  Heinrich  (VII.)  und  Konrad  IV.     Münster,  1885. 


—    31     — 

leg-ende  geuaiint  werden  darf,  imd  welche  durch  die  beig-eg-ebeuen  Tafeln  mit 
Proben  von  Urkunden  und  Siegeln  der  drei  letzten  Staufer  noch  erhöhten 
Wert  erhält. 

Ist  somit  eine  Bereicherung-  und  Ergänzung-  unserer  Kenntnisse  der 
Reichskanzlei  unter  den  Hohenstaufenkaisern  in  wesentlichen  Punkten  von  den 
nachfolgenden  Diplomen  nicbt  zu  erwarten,  so  erfährt  doch  wenigstens  das 
Material,  welches  einer  zukünftigen,  erschöpfenden  Arbeit  über  diese  Zeit  in 
vollem  Umfange  zu  Grunde  gelegt  werden  mufs,  einige  Vermehrung. 

Es  würde  zwar  zum  besseren  Verständnis  der  mancherlei  Einzelheiten 
dienlich  sein,  einen  Überblick  über  unsere  bisherige  Kenntnis  der  Eiurichtungea 
in  der  Kanzlei  während  der  staufischen  Regierungsperiode  zu  geben,  indessen 
würde  das  etwas  zu  weit  führen;  ich  verweise  daher  auf  den  betreffenden  Ab- 
schnitt in  Brefslaus  Handbuch  und  wende  mich  nur  gegen  einen  Punkt  jener 
Ausführungen. 

Brefslau  sagt  nämlich,  aufgrund  einer  Stelle  in  den  Annalen  des  Vinzenz 
von  Prag  sei  zu  schliefsen*),  dafs  das  Amt  des  Reichskanzlers,  des  eigent- 
lichen Leiters  der  Kanzlei  sowie  der  diplomatischen  wie  politischen  Geschäfte  des 
Reiches,  in  der  Form  lehensrechtlicher  Investitur  vom  Kaiser  übertragen  wurde, 
eine  Annahme,  die  mir  nicht  berechtigt  erscheint.  Zwar  wenn  man  die  Worte 
des  Chronisten  in  ihrem  Zusammenhange  betrachtet,  so  mufs  allerdings  die  Be- 
ziehung des  Wortes  Investit  sowol  auf  Christian  von  Mainz  als  auch  auf  den 
Kanzler  Philipp  als  auffällig  bezeichnet  werden,  da  es  nämlich  feststeht,  dafs 
Kaiser  Friedrich  wirklich  auf  seinem  Zuge  nach  Italien  in  Brixeu  Christian  die 
Investitur  als  Erzbischof  von  Mainz  erteilte.  Vinzenz  von  Prag  stellt  also  die 
»nennung  des  Erzkauzlers  der  Belehnung  des  Erzbischofs  als  rechtlichen  Vor- 
gang vollkommen  gleich,  eine  Darstellung,  welche  allerdings  die  Annahme  der 
oben  angeführten  Ansicht  Brefslaus  nahe  legen  würde.  Indessen  sind  dagegen 
mehrere  schwerwiegende  Gründe  in  das  Feld  zu  führen.  Erstens  ist  aufser  der 
angeführten  keine  einzige  Stelle,  sei  es  in  Chroniken,  sei  es  in  Urkunden  be- 
kannt, welche  einen  weiteren  Beleg  für  diese  Konjektur  bieten  würde,  trotzdem 
allein  unter  Friedrich  I.  neun,  unter  Heinrich  VI.  vier  Kanzler  ernannt  wurden. 
Zweitens  ist  Vinzenz  von  Prag  zwar  ein  treuer  und  zuverlässiger  Geschichts- 
schreiber, welcher  im  Gefolge  des  Bischofs  Daniel  von  Prag  olt  am  Hofe  des 
Kaisers  weilte'^),  ob  er  aber  als  slavischer  Priester  einen  so  tiefen  Einblick  in 
das  deutsche  Lehenrecht  gehabt  hat,  um  die  Bedeutung  des  Wortes  investire  in 
ihrem  ganzen  Umfange  würdigen  zu  können,  erscheint  doch  mehr  als  zweifel- 
haft. Drittens  —  und  dies  ist  entscheidend  —  gab  es  im  Reiche  bereits  seit 
dem  Anfange  des  zwölften  Jahrhunderts  kein  Amt  mehr,  welches  als  solches, 
ohne  Zusamineidiang  mit  EinkUnfleii  und  Gütern,  Lehensgegenstand  gewesen 
wäre.  Die  Kanzler  erhielten  zwar  Pfründen,  Propsteien  und  dergleichen  genug, 
aber  diese  waren  nicht  mit  dem  Amte  selbst  verbunden,  sondern  traten  nur 
accessorisch  als  persönliche  Benefizicn  liin/u.  Ks  ist  demnach  un/ulässig.  die 
Übertragung  des  Kanzleramtes  in  ilcr  Konn  Icliensrechtlicher  lnv(>stitur  an- 
zunehmen, vielmehr  erfolgte  lediglich  cim'  Krnennung  des  Kanzlers. 

4)  Vincentius   Pratensis,   S.  S.  XVII,  G83 :    Kristiiiiiinn    ;iiihiopiscopiilu  MuguiiUno   et 
Philippum  cancellario  inveslit. 

5j  Wattenliiuli,  Deutschlands  Geschiclits(iiii'llon  II.  Aullaye  4,  S.  240. 


—    32    — 

Unter  deni  Kanzler  sieliL  der  Protnnotur  fprntnnotarius  aulae  imperalis), 
ein  Ami.  welches  uiilcr  Krictlricli  I.  g't'schallen  wurde,  unter  diesem  arbeiten  die 
Notare.  Leider  sind  wir  üijer  die  Art  der  (JeseliäCLsi'Uhrung'  in  der  Kanzlei, 
weh'he  Obliegenheiten  dem  Prolonotar  vorbehalten  waren,  was  die  Notare  zu 
lluin  hatten,  gar  nicht  unterrichtet,  und  Immiii  :iii(  li  in  dieser  Beziehung-  erst 
eine  umlassende  Arbeit  auf  Grund  des  g-esaniten  Materials  Aufliärung  ver- 
schallen. 

Über  die  Arten  der  vorkonunenden  Urkunden,  den  Unterschied  zwischen 
Privilegien  und  Mandaten,  welcher  für  dii;  Zeil  ilcr  Hnhenstauicn  erhöhte  Be- 
deutung- erlang't,  soll   erst  bei  den  einzelnen  Urkuiuleu  einiges  g-esagt  werden. 

to.  Kaiser  Friedrich  1.  nimmt  das  Kloster  Jirondolo,  welches  der  heilig-en  Drei- 
einigkeit und  dem  Erzengel  Michael  geweiht  ist,  mit  allen  seinen  Besitzungen 
und  Untertanen  in  seinen  persönlichen  Schutz.  Im  Gebiete  von  Turin,  1162, 
August  13. 

Ineditum. 

Diese  bisher  noch  iii(,'ht  gedruckte  und  nirgends  erwähnte  Urkunde  ge- 
.hört  dem  Schatze  von  Urkunden  an,  welche  auf  das  Kloster  Brondolo  in  Yeneilig 
Bezug  haben  und  welche  dem  Museum  im  Jahre  1881  von  einem  hochherzigen 
Gönner,  dem  Herrn  Privatier  Georg  Lotter  zu  Nürnberg,  geschenkt  wurden"). 
Dieselbe,  auf  italiänisches  Pergament  geschrieben,  ist  3ä  cm.  hoch,  2G  cm. 
breit  und  zeigt  weder  in  Schritt  noch  Inhalt  Eigentümlichkeiten,  die  irgend- 
welche Bedenken  gegen  ihre  Echtheit  erwecken  könnten.  Sie  ist  ihrem 
meri torischen  Inhalte  nach  mit  der  Urkunde  Heinrichs  VI.  Nr.  12  identisch, 
in  welcher  auch  auf  die  vorliegende  Bezug  genommen  Avird.  Bemerkenswert 
ist  noch,  dafs  in  beiden  Urkunden  in  der  Strafandrohungsformel  die  Stadt 
Padua  namentlich  vor  Verletzung  des  kaiserlichen  Privilegs  gewarnt  wird, 
ein  Vorgang,  der  äufserst  selten  ist,  aber  in  der  gerade  damals  sehr  heftigen 
Feindschaft  Paduas  gegen  Venedig  seine  Erklärung  findet.  —  Was  die 
äufsere  Form  anbetritft,  so  ist  zu  bemerken,  dat's  die  erste  Zeile  in  grofsen 
Buchstaben  und  mit  besonderer  Sorgfalt  geschrieben  ist,  jeder  Strich  wurde 
doppelt  gezogen,  einzelne  Buchstaben  mit  Buckeln  versehen.  Die  zwei  Zeilen 
der  Datierung  sind  sehr  klein  und  eng  geschrieben,  man  erkennt,  der  Schreiber 
hatte  Mühe,  Platz  genug  für  das  Siegel  übrig  zu  behalten.  Rekognition  fehlt; 
das  Siegel  ist  abgerissen.  Die  Datierung  »post  destructum  Medyolanum«  ist 
nicht  gerade  selten,  sie  konunt  noch  in  den  Urkunden  Stumpf  reg.  Nr.  3939, 
3940,  3941,  3933  vor. 

X  Fredericus  dei  gratia  Romanorum  Imperator  augustus  x  Apud  nostram 
maiestatem  deuotio  et  fides  cum  sinceritate  semper  locum  habuit,  nota  quoque 
religiosorum  |  et  digne  praeces  fidelium  in  suis  desideriis  iuste  merentur  exau- 
diri.  Eapropter  cognoscant  vniuersi  |  tideles  imperii  per  Ytaliam  constituti, 
quod  nos  diu  ine  retributionis  respectu  atiiue  venerabilis  abbatis  Milouis  ]  pia 
praecum  instantia  monasterium  sancte  trinitatis  sanctique  Michaelis  archangeli 

6)  Es  sei  mir  gestattet,  an  dieser  Stelle  einen  Irrtum  zu  verbessern,  welcher  sich  im 
ersten  Teile  eingeschlichen  hat:  Das  Dokument  Nr.  3  Ottos  I.  stammt  nämlich  nicht  aus  dem 
Wollcensleinischen  Archiv,  sondern  wurde  gesondert,  allerdings  gleichzeitig,  von  Antiquar 
Überbacher  in  Bozen  angekauft. 


de  Brondulo  quod  antecessor  noster  |  dive  memorie  imperator  Karolus  dicitur 
construxisse  ciii  etiam  noster  fldelis  praediclus  abbas  Milo  praeesse  diDoscitur]. 
res  etiam  et  possessioues  eiusdem  monasterii  ipsunique  abbatem  et  mouachos 
eius  homines  quoque  monasterii  et  vniuersam  eins  familiam  |  sub  nostram  im- 
perialem protectiouem  ac  defeusionem  suscepimus  et  quia  praefatus  abbas  bomi- 
nivm  nobis  fecit  et  imperio  fide  |  litatem  iurauit  de  omni  iure  et  honore  suo 
inuestitiam  ei  lecimus  et  concessimus.  Preterea  quascunque  res  uel  pos  |  ses- 
siones  praedictum  monasterium  in  praesenti  iuste  possidet  uel  in  posterum  deo 
iuuante  iusto  modo  poterit  adipisci  nostra  |  imperiali  auctoritate  roboramus  et 
eidem  monasterio  confirmamus.  Statuentes  quoque  firmiter  praecipimus  ne  de 
cetero  aliqua  ]  ciuitas  siue  Padua  siue  alia  ne([ue  episcopus  neque  dux  uec 
marcbio  uec  comes  uel  vicecomes  nulla  potestas  uulla  etiam  |  persona  magna 
uel  parva  praedictum  monasterium  in  aliquo  disuestire  uel  res  eius  aut  posses- 
sioues inquietare  uel  molestare  !  audeat  nullumque  fodrum  nee  exactionem  nee 
bandum  nee  albergariam  ab  ipso  monasterio  uel  eius  bominibus  exig-ere  uel 
accipere  |  praesumat  excepta  nostra  persona  uel  nostro  certo  misso.  Si  quis 
uero  contra  hoc  nostrum  praeceptum  ausu  temerario  uenire  uel  aliquid  |  facere 
praesumpserit  auri  optimi  L  libras  pro  pena  componet  dimidium  lisco  nostro  et 
dimidium  praefato  monasterio. 

Datum  in  territorio  Taurinensi  anno  dciminice  incarnationis  MCLXII  in- 
dictione  X,  regnante  domino  Fredei'ico  Romanorum  imperatore  |  victoriosissimo 
anno  regni  eius  X  imperii  uero  VllI  post  destructum  Medyolanvm  VllI  idus 
Augvsti. 

il-  Kaiser  Friedrich  I.  bestätigt  die  Gründung  des  Klosters  Aue  bei  Bozen  durch 
den  Grafen  Arnold  von  Greifenstein  und  bestimmt,  dafs  bei  vollständig  freier 
Propstwahl  genanntes  Kloster  dem  Bischöfe  von  Trient  unterstehen  soll.  Zu 
erblichen  Vögten  ernennt  er  die  Grafen  Friedrich  und  Heinrich  von  F.ppan 
»ad  defendendum  non  ad  exspoliendunK^    Trient,  11(36,  Oktober  31. 

Stumpf  reg.  Nr.  4078. 

Mit  dem  Originale  vollständig  überelnstimmond  bei  BonoUl.  notlzie 
istorico-crltlche  della  chlesa  dl  Trento  III,  S.  1B(3,  1(J7. 

Datum  Tridenti  II.  kal.  nouenbris  anno  dominlce  incarnationis  MCLXVI, 
indictione  XIIII,  regnante  Frederico  Romanorum  imperatore  inuictissimo,  anno 
regnl  eius  Xllll,  Iniporll  uero  XII,  In  Christo  feliciter  amen. 

Das  Siegel  ist  abgerissen. 

Dieses  Dljilom  ist  nach  der  Einteilung  Brefslaus^),  welcher  für  die  Ur- 
kunden dei'  slaulischen  Zeit  feierliche  und  einfache  Privilegien,  allgemeine  und 
Spczialnumdate  unterscheidet,  ein  einfaches  Privileg;  wenigstens  Ist  ihr  Iidialt, 
eine  Verfügung,  welche  auf  die  Dauer  erlassen  wurde,  das  rlchllgsle  Kriterium 
für  ein  Privileg,  während  Ihre  äufsere  Gestalt  mehr  der  eines  Mandates  ent- 
•spricht:  nur  die  erste  Zeile  »Fredericus  dei  gratla  Romanorum  Imperator 
augustus«  ist,  ähnlich  den  Urkunden  »Iit  träiiklscluMi  Periode,  mit  etwas  grül'sereu 
Buchstaben  als  der  Kontext,  alicr  durchaus  nicht  zierlicher  geschrieben.  Das 
Amen  am  Schlüsse  ist  über  die  ganze  Breite  der  Urkunde  ausgedehnt.  Die 
Rekognition  fehlt  gänzlich. 

7)  Brefslau,  a.  n.  0.  S.  '61. 

Mitteiluiigeu  aus  dem  gcrmau.  Xatiuiialmusouin.    18DÜ.  V. 


—    34    — 

\-2.  Kaiser  llrimirli  \  I.  licsüilij,''!,  dciii  Kloster  Broiiiiolo  zu  Venedig-  alle  seine  Be- 
sitzunj^eii  uiid  Rechiv  und  slclll  es  unter  seinen  persönlichen  Schutz.  Lucca, 
IHM,  Februar  ä3. 

Inedituin. 

Aurji  diese  Urkunde  ist  dem  oben  erwähnten  Schatze  der  lirondoio- 
l  rkuudeii  enhioiiunen  und  bisher  unbekannt  g-ewcsen.  Sie  ist  22  cm.  hoch,  27  cm. 
breit,  deutlicli  und  scliiin  g-eschrieben,  und  giebt  zu  Bedenken  keinerlei  Aulafs. 
Rekognition  fehlt  auch  hier.  Ebenso  ist  das  Siegel  abgerissen,  doch  sieht 
man  gerade,  \vi(^  l»ei  der  Urkunde  Nr.  10,  in  der  Mitte  des  Pergamentes  die 
beiden  vorschrittsmäl'sigen  Lücher,  in  denen  das  Siegel  einst  gehangen  hat. 

X  Heinricus  sextus  dei  gratia  Romanorum  rex  et  semper  augustus.  x 
Licet  ad  uniuersas  ecclesias  dei  et  personas  ecclesiasticas  maiestatis  nostre 
tuitio  generaliter  debeat  extendi  eas  tarnen  specialioris  fauore  benignita  j  tis 
non  immorito  decreuimus  amplecti  quas  amplioris  debitum  lidelitatis  certiori 
nobis  deuotione  commendauit.  Quapropter  notum  sit  vniuersis  |  imperii  fidelibus 
per  Ytaliam  constitutis  tarn  presentibus  quam  futuris  (juod  nos  pro  remedio 
animc  nostre  et  parentum  nostrorum  atque  venerabilis  abbatis  Milo  1  nis  pia 
precum  instantia  monasterium  sancte  tritiitatis  sanctique  Michaelis  archaugeli 
de  Brondulo  quod  antecessor  noster  diue  memorie  Imperator  Ka  |  rolus  dicitur 
construxisse  cui  etiam  fidelis  noster  predictus  abbas  Milo  preesse  diuoscitur 
res  etiam  et  possessiones  eiusdem  monasterii  ipsum  (juoque  abbatem  etmo  |  uachos 
eins  homines  quoque  monasterii  et  vniuersam  eins  familiam  sub  nostram  regalem 
protectionem  ac  dei'eusionem  suscepimus  secundum  quod  de  hiis  omnibus  in? 
clite  I  memorie  pater  noster  Fredericus  Christianissimus  imperator  sepedictum 
abbatem  legiter  inuestiuisse.  Preterea  quascumque  res  uel  possessiones  predictum 
mouaste  |  rium  in  presenti  iuste  possidet  uel  in  posterum  deo  iuuante  iusto 
modo  poterit  adipisci  nostra  regali  auctoritate  roboramus  et  eidem  monasterio 
con  I  lirmamus.  Statuentes  quoque  tirmiter  precipimus  ne  de  cetero  aliqua  ciuitas 
siue  Padua  siue  alia  neque  episcopus  neque  dux  nee  marchio  nee  comes  |  uel 
vicecomes  nulla  potestas  nuUa  etiam  persona  magna  uel  parua  predictum  mona- 
sterium in  aliquo  disuestire  uel  res  eins  aut  possessiones  inquietare  uel  |  mole- 
stare  audeat  nulluni  ([uoque  Ibdrum  nee  exaetionem  aliquam  nee  bandum  nee 
albergariam  ab  ipso  monasterio  uel  eius  hominibus  exigereuelaecipere  pre  |  sumat 
excepta  nostra  persona  uel  nostro  certo  misso.  Si  quis  uero  contra  hoc  nostrum 
preceptum  ausu  tejaierario  uenire  uel  aliquid  iacere  presumpserit  auri  op  |  timi 
L  libras  pro  pena  eomponat  dimidlum  tisco  nostro  et  dimidium  prefato  mo- 
nasterio. 

Datum  Luce  anno  dominice  iucurnationis  MCXCl.  iudictione  Villi,  VII 
kal.  Martii. 

13.  Kaiser  Heinrich  VI.  nimmt  die  Abtei  S.  Arnulfi  zu  Metz  in  seinen  besonderen 
Schutz  und  bedroht  jeden,  der  sie  zu  verletzen  wagt,  mit  einer  Strafe  von  zehn 
Pfund  Goldes.    Strafsburg,  1193,  April  9. 

Stumpf  reg.  Nr.  48Ü8. 

Mit  diin  Originale  übereinstimmend^)  bei  Stumpf,  acta  imperii  Nr.  411. 

8)  Stumpf  hat  die  Urkunde  nicht  nach  dem  Originale,  sondern  nach  einem  Manuskripte 
der  Stadtbibliotliek  zu  Metz  »Histoii-e  de  Metz  par  les  Ben6dictins,  Vol.  VII «;  herausgegeben. 


—    3S    — 

Datum  aput  Arg-entinam  anno  dominicae  incarnationis  MGXGIII,  indictione 
XI,  Y  idüs  Aprilis. 

Rekog-nitiou  fehlt.    Das  Siegel  ist  abgerissen. 

14.  Kaiser  Friedrich  11.  erläCst  eine  Verordnung-  gegen  die  Autonomie  der  bischöf- 
lichen Städte  und  bestimmt:  1)  um  die  Freiheiten  und  Rechte  der  Reichsfürsten, 
welche  berufen  sind,  an  seiner  RegierungspHege  teil/Ainehmen,  ungeschmälert 
aufrecht  zu  erhalten,  dafs  in  jeder  Stadt  Deutschlands  die  Gemeinde,  der  Rat, 
die  Rürgermeister  und  andere  Beamte,  welche  von  den  Bürgern  ohne  Ge- 
nehmigung der  Erzbischöfe  oder  Bischöfe  bestellt  worden,  zu  kassieren  seien; 
2)  dafs  alle  Bruderschaften  und  Gesellschaften  jeglichen  Handwerks,  wie  sie 
genannt  werden  mögen,  zu  vernichten  und  aufzulösen  seien  ;  3)  dal's  in  jeder 
Stadt,  in  welcher  Geld  geschlagen  wird,  Waren  und  Lebensmittel  nicht  nach 
Silbergewichl,  sondern  nur  nach  den  Münzenge-  und  verkauft  werden,  welche 
dort  in  Gebrauch  sind;  4)  dafs  auch  ferner  die  Verwaltung  der  Städte  und 
aller  Güter,  die  vom  Reiche  zu  Lehen  lühren,  den  Erzbischöfen  und  Bischöfen, 
sowie  deren  Beamten,  zustehen  solle;  o)  erklärt  demgemäfs  alle  Privilegien, 
ofi'ene  und  geschlossene  Briefe  für  null  und  nichtig,  welche  er  selbst,  seine 
Vorfahren  am  Reiche,  die  Krzbischöfe  und  Bischöfe  wegen  Gesellschaften,  Ge- 
meinden oder  Ratsmannschaften,  Einzelnen  oder  Städten  gegeben  haben  möchten; 
6)  verkündigt,  dafs  diese  Verordnung  oder  Salzung  nach  dem  Ausspruche  der 
Fürsten  mit  seinem  Willen  mit  Urleil  gegeben  worden  sei;  7)  verbietet,  dafs 
Niemand  hiergegen  jemals  etwas  zu  thun  sich  unterfange,  bei  Verlust  seiner 
Huld    und    einer   Strafe    von    fünfzig    Pfund    Gold.      Pordenone,  1232,  Mai. 

Böhmer- Ficker  reg.  Nr.  1917,  1934,  1933.  Monumenta  Ger- 
iiiaiiiae,  leges  11,  S.  286,  287. 

Diese  interessante  und  sowol  für  die  Reichsgeschichte,  als  auch  für  die 
Geschichte  des  deutschen  Städtewesens  hochwichtige  Verordnung  wurde  auf  ilem 
grofsen  Reichstage  zu  Ravenna,  welcher  vom  Dezember  1231  bis  zum  .März  1232 
tagte,  erlassen  und  ist  in  zehn  Ausfertigungen  für  zehn  verschiedene  Städte 
auf  uns  gekomnu'u.  Abgedruckt  ist  sie  mit  Anlührung  aller  in  den  einzelnen 
Urkunden  vorkommenden  \';iiiaiileti  in  dem  zweiten  Bande  der  (lesetze  der 
Monumenta  Germaniae.  Die  dem  Museum  gehörige  Urkunde  war  für  Melz  be- 
stimmt und  wurde  in  Pordenone  im  Mai  1232  ausgefertigt.  Sie  zeigt  alle 
die  .Merkmale  eines  feierlichen  Privilegs  aus  der  JvanzhM  Friedrichs  11.:  schöiu\ 
regelmäfsige  Schrift  itn  Texte,  grofse  zierliche  Buchstaben  in  der  ersten  Zeile 
wie  in  der  Unterschiil'l.    Das  Siegel  isl  abgerissen. 

P]go  SitVridus  Uatisponensis  episcopus  imperialis  aule  cancellarius  uire 
ildiiiini  S.  veni'rabilis  Magunliiii  archiepiscopi  el  locius  Germaniae  archicancel- 
larii  recognovi. 

Acta  sunt  hec  arum  dnmiiiice  incarnaridriis  millesimn  duccidesimo  liicesimi» 
secumio,  mens(!  nniii,  (fiiinte  iDdirliotiis.  impei-anle  domino  uosIim»  Kiidcrico 
sccundo  dei  gralia  inuidissimo  Udiiianorum  imperatore  semper  auguslo.  -leru- 
salom  et  Sicilie  rege,  iiiino  Romaiii  imperii  eins  duddiM-imo,  regni  Jerusah-in 
septiiiio  el    regüi  Siriljc  Iriccsimo  ijuarlo  felittiler  amen. 

Dal  um  aput  Port  um  Nannis  anno,  mensc  et  iniUctiunc  proscriptis. 


—     36    — 

i:;.  Kaiser  Friodricli  11.  iiiiiiiiil  das  Kloster  Offenbach "),  welches  bisher  der  Abtei 
S.  Vinccii/,  iiiilerslt'lll  war,  in  seinen  ])t'rs()nlifht'n  Schutz  zuriick  und  g-ebietet 
dem  Propste  von  Kaiserslautern,  ühcr  die  Wollalut  des  g-enannten  Klosters  zu 
wachen.    Ohne  Ort  und  Datum. 

Inedituni. 

Dieses  kleine  Mamlal  des  Kaisers  P'riedrich  war  bisher  unbekannt,  wenig- 
stens hat  esFicker  in  seinen  Reg-esten  nicht.  Es  ist  auf  ein  Perg-amentblättchen 
von  14  cm.  Länge  und  4  cm.  Höhe  geschrieben,  das  Siegel  hing  an  Pergament- 
streifen, ist  aber  jetzt  abgerissen.  Die  Schrift  hat  viel  Ähnlichkeit  mit  der  in 
einer  Urkunde  Friedrichs  für  Goslar  vom  7.  September  1227  i"),  welche  Philippi 
auf  Tafel  4  seines  Werkes  in  Faksimile  bringt,  weshalb  ich  geneigt  bin,  die 
vorliegende  Urkunde  derselben  Zeit  zuzuweisen;  doch  kann  dies  nicht  mit  Be- 
stimmtheit konstalierl  werden,  solange  nicht  eine  gröfsere  Anzahl  Urkunden 
Friedrichs  in  Faksimile  veröffentlicht  ist. 

F.  dei  gratia  Romanorum  rex  semper  augustus  omnibus  has  litteras  in- 
specluris  gratiam  suam  et  omne  bonum.  Scire  |  uolumus  iiniuersos  quod  nos 
Itrioratum  de  OlTenbach  ad  abbaciam  sancti  Vincencii  Metensis  attinentem  1  cum 
personis  et  omnibus  appendeiciis ")  ipsius  sub  protectione  nostra  recepimus. 
Tibi  autem  preposite  Lutrensis  |  sub  obtentu  gratie  nostre  precipimus  ut  uice 
nostra  locum  ipsum  sollicite  conseruare  satagas  ut  nullum  ]  in  personis  seu  in 
rebus  detrimentum  ab  aliquo  paciatur. 

16.  Heinrich  (VII.)  nimmt,  da  er  in  Goslar  Hof  hält,  das  von  Giselbert,  ehemals 
Vogt  daselbst,  zum  Unterhalte  der  Armen  dort  gebaute  und  mit  genannten 
Gütern  dotierte  Hospital  auf  Bitte  des  Stifters  und  seiner  Freunde  in  seinen 
Schutz  und  überträgt  die  Pflege  desselben  den  Äbten  von  Walkenried  und 
Riddagshausen  sowie  dem  Dekan  der  Hauptkirche  zu  Goslar.  Goslar,  1227, 
August  26. 

Böhmer-Ficker  reg.  Nr.  4073.  Abgedruckt  bei  Huillard-BrehoUes, 
historia  diplomatica  Friderici  secundi  HI,  342. 

Am  Texte  Huillards  sind  folgende  Verbesserungen  vorzunehmen: 

Seite  342,  Zeile  2:  statt  Romanoruni  rex,  semper  augustus  —  Romanorum 
rex  et  semper  augustus.  Zeile  4  von  unten:  nach  sustentationem  pauperum 
ist  einzuschalten:  hospitale  quoddara  in  ciuitate  Goslariensi.  Zeile  3  von  unten: 
statt  exstruxit  —  coustruxit.  Seite  343,  Zeile  12  von  unten:  nach  decumbentes 
ist  einzuschalten:  et  deseruientes.  Zeile  9  von  unten  mufs  esheifsen:  Ut  autem 
hec  nostra. 

Actum  anno  incarnationis  dominice  MGCXXVII.  Datum  apud  Goslar  VII. 
kal.  septembris,  indictione  XV,  regnante  domino  Henrico  Romanoruni  rege  VII. 

17.  Heinrich  (VII.)  giebt  die  Heilig- Geistkapelle  zu  Königsbrück  den  dortigen 
Brüdern,  dergestalt,  dafs  der  Gottesdienst  daselbst  von  denselben  versehen  und 
das  Gedächtnis  der  königlichen  Vorfahren,  welche  die  Kapelle  erbauten,  gehalten 
werde.     Goslar,  1227,  August  29. 

B(>hmer-Ficker  reg.  Nr,  4075. 


9)  Celia  S.  Maria  iji  Offenbach  an  der  Glan  (Nebenflufs  der  Nahe). 

10)  Böhmer-Ficlior,    reg.  Nr.  1709. 

11)  Das  c  ist  durchstrichen. 


—    37    — 

Mit  dem  Orig'iiiale  ühereinstimmend  abgedruckt  bei  Huillard-BrchoUes 
III,  344. 

Actum  anno  incarnationis  dominice  millesimo  CCXXVII.  Datum  apud 
Goslar  III.  kal.  septembris,  indictione  XV. 

Diese  beiden  Urkunden  sind  fast  an  dem  gleichen  Tage  für  verschiedene 
Empfänger  in  der  Reichskanzlei  ausgestellt  worden,  sie  eignen  sich  also  ganz 
besonders  zu  einer  Vergleichung  und  Besprechung.  Die  erste  ist  ein  Privileg 
in  feierlicher  Form  mit  Invokation,  Arenga  und  Zeugenanführung,  mit  der 
ganzen  damals  üblichen  Ausstattung  auf  ein  grofses  Pergament  geschrieben 
[45  X  30  cm.];  die  andere  dagegen  nähert  sich  durch  Weglassung  aller  über- 
llüssigen  Worte,  durch  Kürze  unil  Prunklosigkeil,  der  Form  des  Mandates,  trotz- 
dem auch  hier  ein  dauernder  Rechtszustand  fixiert  werden  sollte.  Daher  wird 
man  die  zweite  Urkunde  zu  den  einfachen  Privilegien  zu  rechnen  haben,  wobei 
noch  die  Thatsache  ins  Gewicht  fällt,  dafs  an  beiden  Diplomen  die  gleichen 
Siegel  hängen,  nämlich  das  grofse  Siegel  Heinrichs,  welches  den  König  mit 
Szepter,  Apfel  und  Krone  auf  dem  Throne  sitzend  zeigt,  und  welches  Philippi  auf 
Tafel  IX,  unter  Nr,  2  abgebihlet  hat.  Die  Schriftzüge  auf  l)eiden  Urkunden  sind 
in  vielen  charakteristischen  Punkten  gleich,  so  dal's  ich  die  Annahme  nicht  ab- 
weisen kann,  dafs  ein  Schreiber  beide  geschrieben  hat;  es  ist  eine  grofse, 
ungeschlachte  Schrift,  die  von  der  Schrift  der  Kanzlei  Friedrichs  IL,  soweit  mir 
Proben  aus  letzterer  bekannt  geworden  sind,  erheblich  abweicht. 

18.  Heinrich  (VII.)  schenkt  den  Nonnen  zu  KönigsbrUck  im  Heiligenwald  sein  dort 
gelegenes  GüLlein,  unter  Beifügung  einer  weitläullgen  Geschichte  dieses  Gütleins, 
wobei  auch  die  fünf  ersten  Äbtissinnen  erwähnt  wertlen,  und  eines  vor  den 
Ministerialen  des  Königs  zu  Hagenau  geführten  Rechtsstreites.  Bei  Hagenau, 
1227,  November  13. 

Böhmer-Ficker  reg.  Nr.  4090. 

Mit  vielen  Fehlern  abgedruckt  bei  Hui  I  lard-Breholles  III.  359. 

Diese  Urkunde  verdient  in  mehr  als  einer  Hinsiclil  nwcn  erneuten  Ab- 
(hii'k;  zunächst  linden  sich  im  Texte  Hiiillai-ds  zahlreiche  und  sinustörende 
i''chler,  aus  denen  man  erkennt,  dal's  der  genaiuite  Forscher  die  Urkundi^  nie- 
mals gesehen,  sondern  ihren  Worllaut  dem  Abdrucke  in  Schöpflin,  Alsatia 
diiilomatica  I,  3131,  entnommen  iial.  Sodann  ist  die  ganze  Urkunde  eine  einzige, 
groCse  Ausnahme  von  den  gebräuchlichen  Kanzleiregeln,  so  dals  man  fast  zu 
der  Annahme  gelangen  könnte,  es  liege  eine  Fälschung  vor,  trotz  der  (huvh- 
aiis  zeitgemäi'sen  Schrift,  trotz  des  erhaltenen  grofseu  Siegels  Heinrichs.  Ficker 
sagt  in  einer  Anmerkung  zu  seinem  Kegeste:  »Der  Text  zeigt  eine  vom  Brauche 
der  Kaiizit'i  viclfacli  abweicdiende  Fassung  und  mag  in  dieser  mii-  mit  drn 
SchlursfornKdn,  ZiMigrn   und  Siegel   versehen  sein." 

Wäre  dii'se  Ansii-Iit  Kickers  richtig,  ^o  mül'sle  ein  l'ntei'sdiieil  in  diT 
Sclirill  zwischen  den  Wdilen  des  Textes  und  denen  der  Zeugen  und  der  Srldul's- 
Ininiil  erkennbar  sein.  Dies  isl  aber  durchaus  inchl  i\r\-  VnW.  Die  ganze 
Urkunde  erscheint  von  einei'  Mand  geschrieben,  in  reslen.  sicheren  und  sidi 
gleichmälsig  bleibenden  Zügen  mit  Ausnalune  der  Inlilulalio.  Ich  wertle 
weiter  unten  darauf  zurückkommen,  Jetzt  solhii  erst  die  grofseu  Unregelmäfsig- 
keiten  der  Urkunde  hervorgehoben  werden. 


Der  Text  zei-nilll  offonl)ar  in  zwei  Teile:  Der  erste  ganz  kurze  enthält  in 
der  üblichen  Weise  die  Schenkung*  des  Gutes  an  die  Cisterzienserinnen  von 
Krinig-shrücit  und  sclilicfsl  mit  den  Worten  sijiillo  nostro  decreuimus  com- 
ninniri.  Dainil  wäre  eig-onilich  die  Urkunde  zu  Ende,  statt  dessen  kommt  jetzt 
eine  sehr  auslühriiehe  Besc-hreibung  des  Vorganges,  wie  das  (int  überhaupt 
in  die  Hände  des  Königs  gelangte.  Es  geschah  dies  durch  ein  Urteil  der 
könighchen  Ministerialen  von  Hagenau  »unter  der  Eiche  Vechenheim«, 
au!'  welche  dir  beiden  streitenden  Teile,  die  Nonnen  von  Königsbrück  und 
der  derzeitige  Inhaber  des  Gutes,  Heinrich  von  Cochenheim,  kompromittiert 
halten.  Dieser  ganze  Vorgang  ist  höchst  seltsam,  und  wird  es  noch  mehr 
durch  die  sonderbare  Art  der  Erzählung,  in  welche  ganz  belanglose  Züge  aus 
der  Geschichte  des  Klosters  selbst  eingellochten  sind.  Man  erkennt  deutlich, 
dieser  Teil  des  Textes  ist  so  unbeholfen  und  wenig  klar,  daCs  seine  Abfassung 
in  der  königlichen  Kanzlei  wol  ausgeschlossen  erscheint.  Wie  konnte  man 
auch  in  der  Kanzlei  den  ganzen  Hergang  in  allen  seinen  kleinen  Einzelheiten, 
wie  sie  da  erzählt  werden,  so  genau  wissen,  und  sicher  hätten  auch  die  könig- 
lichen Beamten  es  nicht  gewagt,  den  Urteilsspruch  der  Ministerialen  in  solch 
naiver  Weise  unmotiviert  zu  lassen. 

Auf  welche  Weise  kann  nun  die  Urkunde  entstanden  sein"?  Gegen  die 
Annahme  einer  Fälschung  möchte  ich  mich  von  vornherein  erklären:  Wie 
schon  erwähnt,  ist  die  Schrift  vollständig  zeitgemäfs,  das  Siegel  Heinrichs  (das- 
selbe wie  bei  den  zwei  vorhergehenden  Urkunden)  ist  zwar  nicht  ganz  so  schön 
als  die  zwei  anderen,  die  ich  zur  Yergleichung  habe,  indessen  wüfste  ich 
gegen  seine  Echtheit  nichts  anzuführen.  Sodann  stimmt  die  Zeugenreihe  unserer 
Urkunde  mit  der  in  dem  unzweifelhaft  echten  Diplome,  Ficker  Nr.  4089,  vom 
12.  November  1227,  überein.  Schliefslich,  und  das  ist  ausschlaggebend,  sind  die 
W^orte  Henricus  dei  gratia  Romanorum  rex  et  semper  augustus  ganz  unzweifel- 
haft von  einer  anderen  Hand  als  wie  die  übrige  Urkunde  geschrieben,  was  bei 
einer  Fälschung  doch  gewifs  nicht  der  Fall  wäre.  Aber  es  läfst  sich  auch  er- 
kennen, wo  diese  Worte  geschrieben  w^urden:  nirgends  anders  als  in  der  könig- 
lichen Kanzlei.  Es  sind  dieselben  unbeholfenen  und  unregelmälsigen  grofsen 
Buchstaben  mit  allen  den  Eigentümlichkeiten,  wie  sie  bei  den  zwei  vorher- 
gehenden Urkunden  beobachtet  werden  konnten.  Damit  stellt  sich  die  Ent- 
stehung der  Urkunde  folgendermafsen  dar:  In  der  königlichen  Kanzlei  W'Urden 
die  ersten  acht  W^orte  geschrieben  sowie  das  Pergament  mit  dem  Siegel  ver- 
sehen. Das  Übrige,  die  Schenkung  selbst  und  die  Darstellung  des  Streites 
nebst  dem  Urteile  der  Ministerialen  wurde  erst  nachträglich  hinzugefügt  und 
zwar  offenbar  von  den  Beteiligten,  den  Nonnen,  unter  Assistenz  der  Mini- 
sterialen. Der  König  war  eben  nur  wenige  Tage  in  Hagenau  (vom  13.  bis 
16.  Novefiiber),  so  dafs  die  Zeit  zu  kurz  war,  um  von  der  Kanzlei  selbst  eine 
regelrechte  Urkunde  zu  erlangen.  Man  ti'ug  also  dem  Könige  den  Fall  vor. 
und  dieser  schenkte  den  Nonnen  das  Gut,  während  die  Kanzlei  die  Ausfertigung 
der  Urkunde  ihnen  überliefs. 

X  Heinricus'-)  dei  gratia  Romauorum  rex  et  semper  augustus  x  omnibus 
hanc  paginam  litterarum  intuentibus  gratiam  suam  et  in  eterni  regis  mansione 


12)   llem'icus,  l)ri   lluillard. 


—    39    — 

perenniter  ^^)  gloriari.  Quia  rerum  gestarum  meinorie  ordinem  aduersatrix 
obliuio  perturbare  uel  ^*)  mortaliuni  mentibus  penitus  eripere  consuetum,  idcirco 
que  leg:itime  g-eruntur  in  tempore  litterarum  |  solent  beneficio  perpetuari  ^■'). 
Nouerit  itaque  uniuerse  successionis  posteritas  ({iiod  nos  regio  habito  consilio 
diuiiia  se  interstillante  ^^)  opitulatione  praediolum  apud  Regisponteiu  |  situui 
sanetiinouialibus  ibidem  ia  houore  dei  et  saucte  matris  eius  die  noctuque  ser- 
uieutibus  sub  speciali  titulo  concessionis  subiug-auimus  alfirmantes  idem  prae- 
diolum sub  tali  iuris  |  reg'ula  iug-ere  sub  qua  sacra  silva  acteiius  permansit 
illud  etiam  addeates  quod  si  aliquis  siuc  clericus  siue  laicus  uiuens  sub  regi- 
mine  eiuili  uel  spiritali  ^')  in  praedicto  praediolo  sanctiraoui  |  ales  impulsauerit 
uel  aliquo  grauamine  concusserit  decimas  uel  iura  aliqua  ab  eis  exigeudo  off'en- 
sam  regiam  se  sciat  ineurrisse.  Yt  hec  autem  concessionis  causa  legitima  a 
eunctis  maueat  |  inconuulsa  exaudita  peticioue  sanctimonialiuiu  sigillo  uostro 
decreuimus  communiri ;  nee  hoc  reticeudum  est  quomodo  aut  qualiter  hoc  prae- 
diolum maiestati  nostre  ^*)  sit  subiugatum.  Vir  nomine  Vlricus  |  bona  eonver- 
sationis  praediolum  sepedictum  primus  cepit  excolere  et  ante  constructionem 
cenobii  Regii  pontis  in  eodem  nouale  plantauit;  postea  sanctimoniales  eundem 
locum  ceperunt  excolere  et  inhabi  |  tare  ^^).  Prima  abbatissa  eiusdem  loci  Adel- 
heidis  nomine  fuit  de  Vechenheim.  cui  successit  germana  sua  nomine  Agnes 
sub  cuius  tempore  frater  quidam  nomine  Remboldus -*')  idem  nouale  excoluiLI 
Tercia  vero  abbatissa  fuit  -^)  Yta  -^)  nomine  sub  cuius  tempore  quidam  pres- 
byter  Rodolfus  nomine  in   eodem   nouali  uineam  plantauit.    Quarta  uero  abba- 

o 

tissa  Agnes  nomine  fuit  de  Rode.  Quinta  abbatissa  \  ta  nomine  fuit  de  |  Sur- 
burc  sub  cuius  regimine  nos  cum  ante  dicto  praediolo  cenobium  in  Regisponte 
legitimatione  perpetua  forma  concessionis  dotauimus.  Nee  hoc  est  praeter- 
mittendum  (juod  iste  quinque  abbatisse  |  de  nouali  sepedicto  decimas  nullas 
persoluerint,  sed  Heinricus  plebanus  de  Cochenheim  sub  tempore  quinte  abba- 
tisse de  praedicto  nouali  decimas  exegit,  quibus  negatis  sicut  Cistercei  ordinis 
norma  |  exposcit  ad  Metensem  ciuitatem  abbatissa  ■-^)  ap[tellauit.  Scultetus  uero 
mens  de  Hagenowe  conuocatis  partibus  utrisque  ad  dilfiniendam  appellatiouis 
causam  diem  constituit  hanc  uiris  |  discretis  cum  consensu  partis  utriusque 
committens  scilicet  Conrado  Hoselino  et  Heinrico  militi  de  ^Yinstein  et 
Rischardo  "*)  Lamperto  de  Steigen  ut  ipsi  secundum  ministerialium  meoruni 
sentenciam  |  terminarent.  Heinricus  vero  de  AYinstein  ad  diem  praeordinatam 
non  uenit,  sed  responsalem  ■■')  misit,  cuius  absentiam  plebanus  de  Cochenheim 
uidens  litis  causam  a  prenominatis  uiris  Cvnra  |  do  et  Lamperto  et  Riscardo  '-") 
non    permisit    dilliniri.     Ministeriales   uero    mei    plebanum   sub    tali   forma    ex- 


13)  fehlt  bei  Iluillard.  14)  ct.  15)  perpctrari. 

16j  iiistillaiitc.  17j  spiritiüiti.  IS)  iiostri. 

IDj  Der  j^aiizc  i'as.siis    von   ci'i)il  excolere   liirf  inliahilare  l'ehlt  hei  ii. 

20)  Reiiiholdus.  U)  fehlt  hei'  II.         2-2)  Ulla. 

23)  ahbalissain.  Das  ürij^iiial  /.vlal  zwar  iilier  ilem  a  eiiiiMi  Abivür/.uiitfssirich,  doch 
ist  dcrscli)e  entschieden  fehlerhaft,  wie  der  Sinn  des  Salzes  deutlich  zei;;!  :  lleinricns  de 
(-ochi'ntieiin  hatte  zum  erstenniale  einen  Zehiden  von  dem  ^cenannieii  (liilchen  bezahlt,  da- 
gegen erhob  die  Äbtissin  Einspruch. 

24)  Uichardos.  25)  responsorialeni. 
26)  Huillard  bat  Uichardo  Lamperto. 


—    40    — 

hortuntes  ut  cenobiiini  sepedictum  omni  occasione  sepulta  in  sui  iuris  re  ]  g-ula 
perniitteret  perseiierai-e.  Quo  noii  concedente  surrexit  Conradus  Hoselin  '^'')  et 
u  presenlibus  dilig-enler"'^'')  sciscilabatur  si  iudieio  nostro  ad  obtinenda  iura 
repilia  posset  praesidcrc  qui  |  una  uocc  et  conimuni  consilio  annuerunt.  His 
ita  ^estis  WoICelinus  sujjor  plel)anuni  ol  su'os  conii)licGs  eorani  üvnrado  nioucns 
•  luerinioiiiiini  quod  iura  nostri  predii  iuni  duduiii  ol)uubilassent  j  et  quicumiue 
in  bo(.'  proposito  uellet  perseuerare  eum  a  lali  proposito  eo  quod  iuris  sentencia 
dic'laret  uellet  reuocare,  ciii  data  sentencia  idein  Wolfelinus  cum  sex  uiris  dis- 
cretis  Gerardo  scilicet  de  Grriez -")  Trutmanno  de  Sveichusan  ^"3  Erlvwino  de 
PlalVnhoven  Folchelino  el  lilio  suo  Rvdeg-ero  Yasuach  et  per  priuileg-ium  sancte 
Adelheidis  iuramenio  attestanle  |  sepedictum  prediolum  ad  niaiestatem  reg-iam 
pertinere  comprobauit.  i^rimo  placito  interfuit  Via  abbatissa  cum  generali 
capitulo  in  decoUatione  Johaiinis  baptiste  et  plebanus  de  Cochen  [  heim  cum 
suis  parrochianis  quorum  nomina  sunt  hec  Fridericus  Schrodel,  Wiiiniarus, 
Diemarus''*)  cum  duobus  filiis  suis,  Conradus  senex  cum  filio  suo,  "Wolfelinus 
de  Litheim  omnesque  de  Rieth  |  a  maximo  usque  ad  rainimura,  Rvdolfus  frater 
hospitalis^-)  de  Stephesuelt,  Cvnradus  Meisa,  Cvuradus  decanus  de  Selsa, 
\  Iricus  decanus  de  Surburc.  Secundum  placitum  fecit  in  |  vigilia  Mathei  ewau- 
geliste  cui  interfuit  Wiricus  cellerarius  ile  Salsa  ^^)  ferens  priuilegiura  sancte 
Adelheidis  cuius  tenore  Sigeboto^^)  plebanus  de  Sveichvsan  sub  quercu  Yechen- 
heim  |  cunctis  audieutibus  recitauit  in  quo  omnia  iura  regalia  declarabantur 
assignans  fines  predii  nostri  in  Cochenheimerbrucca^^).  His  ita  gestis  et  predio 
ab  illatis  iniur  |  iis  enucleato  Wolfelinus  ad  memoriale  sculpsit  cruceiu  Cvn- 
radus in  alia  arbore  Folchelinus  assignauit  lapidem  in  uia  publica  et  alium 
lapidem  in  cliuo  cui  due  cruces  |  sunt  intexte  ligneam  uero  crucem  posueruut 
in  Cochenheimerbrucca^")  et  sie  auctoritate  nostra  litem  que  uertebatur  inter 
sauctimoniales  et  Heinricum  plebauum  de  Co  |  chenheim  nullo  rennuente  discus- 
serunt.  Testes  huius  rei  sunt  hü  Cvnradus  mouetarius,  Gotfridus  gener  cius^^) 
Cvnradus  Rosenbergere^**),  Wernherus  senex,  Volquinus  Sumer  |  de  Betensdorf, 
Otto  de  Rotershoven  et  frater  eins  Heinricus  de  Rentershoven,  Cvnradus  Preco 
de  Hatene,  Berhtoldus  et  fdius  eins  Anseimus  ^^),  Fridericus  de  Svuelheim, 
Walterus  scolas  1  ticus  de  Selsa  et  prior  de  Novocastro.  Vt  autem  hec  com- 
posicio  rata  permaneat  et  inconuulsa  praesens  exinde  priuilegium  conscribi  et 
sigillo  nostro  iussimus  communiri.  |  Cuius  rei  festes  sunt  Berngerus  Spirensis 
episcopus,  Cvno  abbas  de  Wizeuburc,  Cvuradus  praepositus  de  Tanne,  Cvnradus 
pincerna  de  Winterstetin,  Fridericus  dapifer  de  Wal  |  burc,  Heinricus  de 
Rauensburc,  Cvno  et  Albertus  fratres  de  Svmerovve  et  alii  quam  plures. 

Actum    apud    Hagenowe    anno    dominice   incarnationis   MCCXXYH   idus 
Nouembris  indictione  prima. 

Nürnberg.  Dr.  M.  Bendiner. 


27)  H.  hat  Hoselinus.  28)  fehlt  bei  H.  29)  Gries. 

30)  Schweigusen.  31)  Dicuiarus.  32)  hospitalarius. 

3.3)  coUariiis  de  Selsa.  34)  fohlt  bei  II.  3o)  Cocheiiheiiii. 

36)  Cochenheimer  Bruna.       37)  Goltefridus  gener  ipsius.       38)  Risenberger. 
39)  Die  JN'amcu   von  Heinricus   de  Rentcrshoven  bis  Anseimus  fehlen  bei  H. 


41     — 


Zivei  römische  Inschriften  des  germanischen  Xatienalmuseums. 

as  g-ermanische  Nationalmuseum  in  Nürnberg  besitzt  die  beiden  römischen 
Inschriften,  welche  ich  nachstehend  mit  Beifügung  einer  Nachzeichnung 

'  veröffentliche. 

1)  Fragment  eines  Bronzetäfelcheus  (bis  67  mm.  hoch  und  bis  72  mm.  breit) 
»gefunden  in  der  Grafschaft  Mansfeld«  (R.  336).  —  Die  erste  Mitteilung  über  das- 
selbe erhielt  ich  durch  Dr.  Karl  Schumacher,  welcher  mir  im  Jahre  1884  eine 
Abschrift  nebst  einem  Abdrucke  überbrachte.  Die  Museumsdirektion  schreibt 
mir  auf  Befragen :  »an  der  (oben  angegebenen)  Fundnotiz  ist,  soweit  wir  wissen, 
nicht  zu  zweifeln«.  Schwerlich  aber  gehörte  die  Inschrift,  welche  etwa  aus 
dem  2.  Jahrhunderte  oder  aus  der  ersten  Hälfte  des  8.  Jahrhunderts  stammt, 
ursprünglich  in  jene  weit  von  der  römischen  Reichsgrenze  liegende  Gegend. 
Man  wird  vielmehr  annehmen  müssen,  dafs  sie  aus  dem  römischen  Gebiete, 
z.  B.  den  Rheinlanden,  in  neuerer  Zeit  dorthin  verschleppt  worden  und  dann 
verloren  gegangen  ist.  In  den  sechziger  Jahren  wurden  auf  der  Domäne  Peukeu- 
dorf  im  Sondershäusischen  römische  ßronzemedaillons  ausgeackert,  die  aber 
Julius  Friedländer  als  moderne  (paduaner)  Fälschungen  erkannte :  sie  stammten 
vermutlich  aus  der  Sammlung  eines  früheren  Domänenpächters  und  waren  mit 
dem  Kehricht  auf  den  Acker  gelangt. 


\  N  15 


An  der  unteren  und  der  rechten  Seite  ist  der  Rand  iles  Täfolchons  er- 
hallen. Dasselbe  war  anii-cnau'clt ,  wie  der  rechts  olien  vorhandene  Uosl  eines 
Loches  erkennen  läfsi.  Die  Buchstaben,  welche  die  llülu'  von  8,  bozw.  7  und 
o  mm.  besitzen,  sind  ganz  in  der  von  vielen  Bronzen  bekannten  NVeisc  ein- 
geschlagen, und  an  iinoiii  römischen  Ursprünge  kann  nicht  gezweifelt  werden. 
Das  0  in  Zeile  2  ist  etwas  mifsraten,  wovon  sich  bei  solchen  Rundungen  auf 
Bronzen  auch  sonstige  Beispiele  finden.     Der   zweite  Buchstabe  derselben  Zeile 


Mitteiiuugoii  aus  dorn  goriiiaii.  Nutionuliiiuseum.     18t)ü. 


VI. 


—     42     — 

ist  otwas  ubp:orichen  iiinl.  \vio  auch  das  V  von  Zeile  3,  durch  harten,  vermutlich 
von  oinoni  daniufliegfemicn  eisernen  Gegenstande  herrührenden  Rost  etwas 
verdunkelt;  es  scheint  mir  aber  kaum  zweifelhaft,  dafs  ein  1  dasteht;  wenig 
wahrscheinlich  wäre  die  Annahme  eines  T,  es  sei  denn,  dafs  der  Horizontal- 
slrich  sciir  schwach  gewesen  wäre.  Der  darauf  folgende  kleine  Strich  ist  wol 
zufälhg.  Über  den  drei  Zeilen  sieht  man  breite  und  tiefe  Linien:  diese  sind 
otrenbar  niclit  als  Buchstabenreste,  sondern  als  Verzierungen  oder  vielleicht 
Hoste  einer  llgürlichen  Darstellung  zu  betrachten.  Die  füiil'  senkrechten,  sehr 
feinen  Linien  sind  vom  Bronzearbeiter  wol  nur  vorgezogen  zur  Einteilung  oder 
einem  ähnlichen  Zwecke. 

Füi-  die  Ei'gänzving  lassen  sich  selbstverständlich  nur  unsichere  Ver- 
mutungen aufstellen.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  um  eine  Votiviuschrift 
und  war  das  Täfelchen  an  dem  dedicierten  Gegenstande  angeheftet.  Auf  dem 
verlorenen  oberen  Teile  hätte  dann  der  Name  der  Gottheit  gestanden ;  darauf 
Iblgten   unten    1)   die  Namen  des  Dedicanten,  z.  ß.    C.    Val(erius)    6'omMVNlS 

FI  ¥(iUus)  —  oder FI  (fllius)   ¥(ecit)  —  PROMIS  1  sum 

pro  sal(ule)  «VA  oder  PROMIS  sum,  cum  coniuge  s\A  oder  dergl. 

]n  der  zweiten  Zeile  könnte  auch  der  Name  der  Centuria  gestanden  haben: 

[> ru  ?*]  FI.  Zu  fecä  promissum  läfst  sich  die  Inschrift  Corp.  Inscr. 

Lat.  VIII  n.  9020  vergleichen:  »votum  promissum  cum  lulia  Donata  coniuge 
.  .  .  aram  constituit«.  Aber  der  Ausdruck  ist  ungewöhnlich.  Domaszewski 
denkt  anffecit)  pro  mis[sione  s]ua  mit  vorhergehender  Angabe  des  Truppenteiles. 

2)  Bleierner  Ring  (R.  492),  9  mm.  breit,  53  bis  56  ram.  im  Durchmesser  grols, 
weniger  als  1  mm.  dick,  auf  der  Rückseite  platt,  oben  zwischen  zwei  erhabenen 
Handlinien  eine  Aufschrift  in  erhabenen,  rückläufigen,  durch  Guts  hergestellten 
Buchstaben  zeigend.  Das  Blei  ist  durch  das  Museum  im  Jahre  1888  von  einem 
Wiener  Händler,  welcher  über  den  Fundort  keine  Auskunft  geben  konnte 
oder  wollte,  als  Zugabe  zu  einem  Kaufe  erworben  worden. 


Ohne  Zweifel  ist  zu  lesen: 

DIN  •  DA  •  RI  •  VI  •  VASET  •  INVIDIS  MENTLA 
Dindari  vivas  et  invidis  ment(u)la(m) . 


—    43     — 

Von  der  hier  zu  Anfang'  verwendeten  syllabarischen  Interpunktion  finden 
sich  viele  Beispiele.  Dindari  ist  offenbar  der  Vokativ  von  Dindaris,  einem  sonst 
zwar,  wie  es  scheint,  nicht  vorkommenden,  aber  ganz  korrekt  g-ebildeten  weib- 
lichen Personennamen.  Wie  Dardanius  und  Dardanis  nach  den  Dardani,  so  ist 
Dindaris  von  den  Dindari  genannt.  Diese  Völkerschaft  wohnte  in  Dalmatien 
nach  Plinius  n.  h.  III  §  143  und  Ptolem.  II  16  §  ö,  deren  Schreibung-  des  Namens 
durch  dieses  erste  epigraphische  Zeugnis  bestätigt  wird.  —  Die  apotropäische 
Bedeutung  des  Phallus  gegenüber  den  Einwirkungen  des  bösen  Blickes,  in 
welchem  vor  allem  der  Neid  sich  äufsert,  ist  bekannt  genug.  Vgl.  Otto  Jahn, 
über  den  Aberglauben  des  bösen  Blickes,  in  den  Berichten  der  Sachs.  Ges.  1853, 
S.  68  ff.  —  Ähnliche  Bleiriuge  sind  am  Niederrhein  zu  Tage  gekommen :  ein 
unbeschriebener  in  Zülpich  und  zwei  beschriebene  in  Xanten  und  Gleve,  von 
denen  jener  eine  griechische,  dieser  eine  lateinische  Aufschrift  trägt.  Die 
beiden  ersteren  sind  besprochen  in  den  Bonner  Jahrbb.  47  S.  137 ;  30  S.  133 
und  66  S.  94  (mit  Abbildungen),  der  letzte  ebeudas.  61  S.  76  und  66  S.  94. 
Aus  diesen  Funden  hat  sich  ergeben,  dafs  solche  bleierne  ringförmige  Streifen 
die  Fassung  für  den  Glasdeckel  eines  Gefäfses  bildeten  nach  Art  des  Ringes 
eines  Uhrglases.  An  dem  Zülpicher  Exemplare  ist  der  Glasdeckel,  wenn  auch 
zerbrochen,  noch  erhalten.  Der  Xantener  Ring  sitzt  auf  einer  viereckigen  Blei- 
platte auf,  welche  offenbar  den  oberen  Gefäfsrand  bedeckte :  zwischen  beiden 
stecken  noch  Splitter  des  Deckels.  Die  in  solchen  Gefäfsen  oder  Büchsen  ent- 
haltenen Substanzen  scheinen  zu  Heil-  oder  kosmetischen  Zwecken  gedient  zu 
haben.  Die  griechische  Aufschrift  von  Xanten  wird  von  Rumpf  (Bonner  Jahrbb. 
30  S.  133  ff.)  erklärt:  xuXix(tO'.ov)  toutsc  [i=  xoutc]  v6a(ov)  dv'.ap(av)  eAaxTO)  Tioer. 
Auf  dem  Exemplare  von  Gleve  hat  mau  gelesen :  ciipe  pigniis  amoris  Albanus 
fecü  es,  doch  scheint  die  Erklärung  beider  Stücke  noch  nicht  völlig  gesichert. 

Heidelberg.  Karl  Zangemeister. 


£iue  karoliugische  Elfeubeiutafcl. 

fas  Kloster  St.  Gallen  erhielt  aus  dem  Schatze  des  Erzbischofs  Hatto  I. 
von  Mainz  (891—913)  ein  Elfenbeindiptychon,  das,  ehedem  inwendig  mit 
Wachs  überzogen,  Karl  dem  Grol'sen  bei  seinen  Schreibübungen  diente. 
(Einhardi  Vita  Karoli  M.  XXV.)  Eine  dieser  Tafeln  war  schon  geschnitzt,  die 
andere  wurde  durch  des  berühmten  Sanct  Gallenser  Mönches  Tuotilo  Hand  ver- 
zierf  In  dieser  Tafel  des  Tuotilo,  welche  durch  zwei  Inschriftenreiheii  in  drei 
Abteilungen  geteilt  ist,  erscheini  in  der  Mitte  die  Himmelfahrt  Maria,  in  der 
unteren  Abteilung  eine  Scene  aus  dem  Leben  des  heiligen  Gallus.  In  dem 
oberen  Felde  der  Tafel  hat  der  Künstler  nicht  eine  Figurenkomi)osilion  ange- 
bracht, sondern  die  Fläche  mit  einem  ansprechenden  Ornaiiienl  beleitt.  Dem 
Akanthus  entfernt  ähnelndes  Blattwerk  füllt  in  anmutiger  Bewegung  das  Feld 
aus.  Es  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dafs  der  Meister  das  Ornament  nachgeahmt 
hat,  welches  den  oberen  Teil  der  anderen  Diptychonplatte  ziert:  dii'  lilatlformeu 
und  Motive  sind  vidlig  gleich,  unil  doch  ist  aul'  der  Tafel  des  Tuotilo  die  Be- 
wegung des  Ornamentes  klarer  und  manche  häl'sliche  Stauchung  der  Hlälter 
vermieden. 


_    44    — 

Rührt  min  diese  Tafel  sicher  von  Tuotilo  her,  so  sind  ihm  auch  die 
ScliiiitzortMen  dor  Eiroiibeiiiplatlo  zuzuschreiben,  welche  den  f]inband  des  Codex 
Nr.  (5(1  in  Sl.  (jullon  zieren.  Die  g-lciche  Art  des  ranicenden  Ornaments  mit  den 
identischen  lilutUbrmen  begeg-net  uns  auch  hier'). 

Damit  war  der  Kreis  der  Denkmäler  bisher  g-eschlossen,  welche  die  künst- 
lerische Bedeutung-  Tiiotilos  bestimmen  sollten.  Das  g:ermanische  Nationalmuseum 
hat  nun  vor  Jahresfrist  von  den  Gebrüdern  Bourg'eois  in  Köln  eine  Elfenbein- 
tafel (K.  P.  2153)  erworben,  welche  unzweifelhaft  in  enger  Verwandtschaft  zu 
diesen  Sanct  Gallenser  Werken  steht.  Sie  ist  durch  schmale  Quersi reifen  in  drei 
Felder  g-eteilt,  jedes  in  der  Anordnung-  eines  Vierecks,  durch  Zierg-ebilde  von 
reichem,  stilisierten  Blattwerk  gefüllt. 

Dieses  Blattwerk  erbringt  dafür  den  besten  Beweis,  dafs  nicht  nur  die 
klassischen  Motive  übernommen  wurden:  am  wirksamsten  tritt  die  Übernahme 
der  Gesetze  klassischer  Ornamentik  in  den  Vordergrund.  Schon  die  Abgrenzung 
der  einzelnen  Felder  ist  dafür  ein  unverkennbarer  Zeuge.  Wol  grenzte  auch 
die  irische  Buehornamentik  durch  schmale  Leisten  die  einzelnen  zur  Flächen- 
füllung benützten  Motive  von  einander  ab,  aber  vergebens  sucht  man  hier  nach 
einem  feinen  Verständnisse  für  das  organische  Leben  der  Formen.  Die  karolingische 
Ornamentik  dagegen  ging  bei  der  antiken  in  die  Schule:  die  harmonische  Aus- 
gestaltung und  Abschliel'sung  jedes  Motives,  so  dafs  es  auch  ohne  äufsere  An- 
deutung als  Ganzes  wirkte,  ist  unmittelbar  unter  antikem  Einflüsse  gereift. 
Enthalten  auch  die  einzelnen  in  sich  abgeschlossenen  Felder  verschiedene  Mo- 
tive, so  herrscht  doch  unter  den  einzelnen  Motiven  selbst  ein  unverkennbarer 
innerer  Zusammenhang:  die  Umrahmung  bildet  also  keinesfalls  ein  Gewalt- 
mittel, um  für  ein  völlig  neues  Motiv  Raum  zu  schaffen,  sie  gliedert  vielmehr 
einen  einheitlichen  Gedanken,  läfst  denselben  in  verschiedenen  Feldern  mit 
künstlerischem  Empfinden  verschiedenartig  zur  Aussprache  gelangen. 

Unwillkürlich  drängen  sich  hier  kunstarchäologische  Fragen  bedeutsamer 
Art  auf:  die  Kunst  des  0.  Jahrhunderts  hatte  ihre  Heimat  in  Byzanz  —  Elfen- 
beinschnitzereien aber  treten  erst  nach  der  Gründung  Konstantinopels  auf. 
Lehrreich  ist  ein  Vergleich  des  Reliefstils  der  gleichzeitigen  römisch-christ- 
lichen Sarkophage  im  Lateran  u.  a.  a.  0.  mit  gleichzeitigen  Reliefen  der  Bildhauer 
am  Bosporus  in  den  Mauern  von  Konstantiuopel  und  aus  dortigen  Kirchen  ver- 
schleppt nach  Venedig,  nach  Cheropotamos  auf  der  Athoshalbinsel  und  ander- 
wärts. Das  Prinzip  der  Reliefierung  ist  hier  dasselbe  wie  in  den  Konsular-  und 
verwandten  Diptychen,  während  die  Elfenbeinreliefe  des  Mittelalters  den  Stil  der 
römisch-christlichen  Skulpturen  aufweisen. 

Bei  dem  Streben,  den  Zusammenhang  der  Bildwerke  mit  der  Kultur  des 
Mittelalters,  wie  sie  uns  in  litterarischen  Denkmälern  entgegentritt,  nachzu- 
weisen, gilt  als  Grundbedingung-  für  erfolgreiche  Forschung  die  Scheidung- 
dekorativer  Darstellungen   von  den  historischen. 

In  dem  vorliegenden  Falle  haben  wir  es  mit  einer  dekorativen  Wieder- 
holung  ursprünglich  bedeutungsvoller   antiker   Motive   zu  thun,  —  die   Frage 


1)  W.  Lübke  erklärt  allerdings  diese  Tafel  für  das  antike  Vorbild,  nach  welchem  der 
klö.slerlichc  Künstler  gearbeitet  habe.  Vergl.  seine  »Geschichte  der  Plastik«  III.  Auflage. 
1.  Bd.,  S.  307. 


—    45    — 


i!ii.iwwiii[|L;.::^'j;^gtiii^ 


mj!;'ii»iyii^!i;ii(|iilij,]ijfj[[f!i,,l^lij^i|ft<ii!i»j| 

^iiiiiii:;!'i!!i!i;iit;N ' 


iu^:iii.!;iiiiiiiiJi, 
>iiiiiim'iiriiii'M'iPiiiiiiiiHiiiiiiiiiiini]i!iii 


'iniRMflffliiimfirflBfe^g^ 


—     46     — 

nafh  (l(Mii  fnhiille  der  Diu-stollmi,^'  hilUe  uns  deshall)  cig'cnilich  weniger  zu  be- 
scliiirtii:;eii,  wenn  nicht  die  Hezi(;hunf»-en  zu  den  St.  (jallenser  Bildwerken  dies 
verlaiiiilon.  Kein  leg-endarischer  Stoß"  hat  auf  der  Tafel  Verwendung  gefunden 
—  nur  Pnanzenonumient,  Hankenwerk  und  eine  Tiergestalt,  wie  sie  ähnlich  in 
der  sitätröniischen  Kunst  vorkommt;  aber  diese  Formen  tragen  das  eigentümliche 
Gepräge  jener  Kulturperiode,  welche  als  die  Auferstehung  der  Kunst  des  Alter- 
tums betrachtet  wird. 

Was  man  der  Tuotilotafel  nachrühmt:  dafs  sich  in  ihr  die  Wiedergabe 
dos  Pflanzenornaments  am  glücklichsten  zeigt,  kann  man  auch  von  unserer 
Klfenbcintafcl  behaupten.  Und  die  St.  Gallenser  Bildwerke  dürften  in  ihrer 
Art  nicht  so  ganz  vereinzelt  dastehen  und  nicht  so  ohne  allen  Einllufs  auf  die 
Entwickelung  der  deutschen  Elfenbeinplastik  geblieben  sein,  als  dies  z.  B.  Wil- 
helm Bode  in  seiner  »Geschichte  der  deutschen  Plastik«  annimmt.  Unsere  Tafel 
kann  wol  mit  Recht  dafür  als  Zeuge  gelten.  Ein  Vergleich  des  oberen  Feldes 
der  einen  Tuotilotafel  ^),  mit  dem  unteren  Felde  unserer  Tafel  zeigt,  wie  die 
prächtigen  Akanthusranken  der  St.  Gallenser  Tafel  in  dem  weit  kleineren  Felde 
zwar  eingeschränkt  und  deshalb  in  der  eigenartig  frischen  Entfaltung  des 
lebendigen  Motivs,  im  schönen  Schwünge  der  Linie,  bedeutend  beeinträchtigt 
erscheinen,  aber  die  charakteristische  Formenbildung  des  Akanthusblattes  der 
St.  Gallenser  Tafel  läfst  sich  trotzdem  auch  hier  noch  erkennen.  Namentlich 
das  an  beiden  Tafeln  verwertete  Motiv  eines  Bandstreifens,  welcher  dazu  be- 
stimmt ist,  parallel  laufende  Ranken  zu  verbinden,  ist  in  dieser  Richtung 
von  hervorragender  Bedeutung.  Im  Übrigen  ist  jedes  der  beiden  Felder  aus 
regelmäfsiger  Wiederkehr  derselben  Ornamente  entstanden;  die  streng  beobach- 
tete Anordnung  des  Ornaments  im  Quadrat  verleugnet  nicht  dieses  Streben 
nach  Symmetrie.  Das  mittlere  Feld,  im  bekränzten  Medaillon  den  Adler  bergend, 
der  seine  Schwingen  ausbreitet,  zeigt  ebenfalls  eine  überraschend  geschickte 
Anordnung;  gerade  hier  finden  wir  die  ganze  Summe  ornamentaler  Erfahrungen 
verwertet:  kein  stummes  Spiel  mathematischer  Elemente,  sondern  die  künst- 
lerische Bewältigung  des  Lebens,  der  Organismen  —  allerdings  in  ornamentaler 
Äufserung,  ohne  ängstliches  B'esthalten  an  den  natürlichen  Formen  des  Laub- 
werks. Die  Initialornamentik  der  Karolingerzeit  lehrt  uns,  dafs  sie  in  den 
ersten  Jahren  des  Mittelalters  eine  Blüte  der  Verzierungskunst  zeitigte,  die 
später  nie  mehr  erreicht  ward:  ähnlich  ist  es  auch  mit  der  Elfenbeinplastik. 
Das  Gefühl  für  ornamentale  Schönheit  zeigt  sich  bei  ihr  in  hohem  Grade  ent- 
wickelt, obgleich  es  sich  nur  an  der  Nachahmung  antiker  Vorbilder  geltend 
macht.  Wenn  auch  in  der  Karolingorzcit  eine  bedeutende  Kunstthäligkeit  sich 
zu  entwickeln  begann,  so  hatte  sich  tloch  ein  eigentümlicher,  nationaler  Kunst- 
stil in  der  Klfenbeinplastik  noch  nicht  gebildet.  Man  hielt  sich,  wie  im  Grofsen 
und  Ganzen  für  die  Gesammtbildung,  so  für  die  Kunst,  an  die  Überlieferungen 
der  römischen  Kultur,  ja  man  blieb  teilweise  selbst  für  den  Ausdruck  der  Ge- 
danken an  die  Anschauungsweise  der  Antike  gebunden. 

Der  30.  Brief  Einhards  gibt  darüber  Kunde,  dafs  er  einen  Schrein  mit 
elfenbeinernen  Säulcheu  von  zeitgenössischen  Künstlern  anfertigen  liefs,  —  das 

2)  Vergl.  Abbildungen  in  W.  Bode  »Goschicbte  der  deutsclien  Plastik«  S.  8; 
W.  Lübke  »Gesdiiclite  der  Tlastika  (]]\.  Aufl.)  1.  Bd.,  S.  397;  Alwin  Scbullz,  Tuotilo 
von  Sl.  Gallen,  in  üolimes  »Kunsl  und  KüusUcr«  I,    S.  29. 


-     47     — 

Testament  des  Grafen  Eberhard,  des  Schwiegersohnes  Ludwigs  des  Frommen, 
nennt  unter  den  an  die  Kinder  des  Erblassers  zu  verteilenden  Kunstg-eg-en- 
ständen  zwei  Elfenbeintafeln,  einen  elfenbeinernen  Pokal,  ein  Schwert  mit 
elfenbeinernem  Griffe  und  einen  mit  f]lfenbeinreliefen  verzierten  Köcher,  —  aus 
»Flodoardi  Eccl.  Remensis  historia«  wissen  wir,  dafs  Hincmar,  Erzbisehof  von 
Reims,  im  Jahre  845  die  Werke  des  hl.  Hieronymus  mit  Elfenbeinplatten  und  Gold- 
rändern versehen  und  ein  Lectionar  mit  Decken  aus  Elfenbein  und  Silber 
schmücken  liefs;  —  eine  Reihe  noch  vorhandener  Elfenbeinwerke  spricht  deut- 
lich für  die  sorgfältige  Pflege,  welche  die  Elfenbeinplastik  der  Karolingerepoche 
gefunden  hat. 

Ganz  im  Geiste  der  St.  Gallenser  Werke  gearbeitet  und  offenbar  unter 
unmittelbarem  Einflüsse  derselben  entstanden,  kann  auch  wol  die  Elfenbeintafel 
im  germanischen  Museum  sich  zu  jenen  karolingischeu  Denkmälern  gesellen, 
welche  die  Bedeutung  St.  Gallens  für  die  Kunstgeschichte  bestimmen. 

Nürnberg.  '      Franz  Friedrich  Leitschuh. 


Einige  FeiierYvaffen  des  14.  und  15.  Jahrhunderts. 

]ie  Gruppe  der  Feuerwaffen  des  14.  und  13.  Jahrhunderts  im  germanischen 
.Museum  hatte  jüngst  den  Zugang  von  sieben  Stück  zu  verzeichnen, 
welche  durch  Vermittlung  des  Herrn  Hofantiquars  Drey  in  München 
bei  der  im  März  d.  J.  zu  Rom  erfolgten  Versteigerung  der  Sammlung  Richards 
erworben  wurden,  wo  sie  fast  sämtlich  als  dem  14.  Jahrhunderte  angehörig  be- 
trachtet und  im  Kataloge  verzeichnet  waren,  was  nun  freilich  teilweise  richtig 
zu  stellen  ist. 

Wir  haben  auf  S.  49  des  zweiten  Bandes  unserer  Mitteilungen  Herrn 
General  Köhler  das  Wort  gegeben,  sich  über  einige  der  ältesten  Feuerwaffen 
auszulassen,  und  er  hat  das  dort  Gesagte  in  seiner  »Entwickelu ng  des 
Kriegswesens  und  der  Kriegführung  in  der  Ritterzeit«  (Breslau, 
Kühner)  in  der  ersten  Abteilung  des  3.  Bandes  wiederholt  berührt  und  an 
beiden  Stellen  die  Wichtigkeit  unserer  Dresdener  Büchse  betont.  Nach  seiner 
Angabe  ist  für  die  Büchsen  des  14.  Jahrhunderts  eine  Länge  des  Rohres  von 
sechs  Seelenwciten  charakteristisch.  Ob  dies  so  ganz  genau  zu  nehmen  ist? 
Jene  (Nr.  ö34  des  Auktionskataloges)  unter  den  neu  erworbenen  Büchsen, 
die   wir   für   die   älteste   halten   unti  in   das    14.  Jahrhuiulert  setzen    iiiöchten^), 


1)  Es  ist  allerdings  scIiwit.  solche  Stücke  /u  dalieivii.  Es  sind  clirii  Jly|n)tliescii,  die 
wir  hier  aufslellcn  können.  In  dem  genaniden  Buche  »Knhvickeluntr  des  Kriegswesens« 
macht  schon  Köhler  darauf  aufmerksam,  dals  hei  keiner  von  ihm  dem  l'i.  Jahrhunderte  zuge- 
wiesenen Büchsen  ein  positiver,  iiufserer  Beweis  für  diese  Ursprungszeil  aufgehrachl  werden 
kann.  Für  die  einzige  Tannenherger  Büchse,  für  welche  ein  so  gut  wie  urkundlicher  Beweis 
vorliegt,  will  er  denscihen  nicht  gelten  lassen  und  sie  wesentlich  Jünger  ansehen.  Ist  es 
nun  Ketzerei,  wenn  wir  glauhen,  dafs  er  die  Stücke  fast  sändlich  um  einige  Jahrzidmte  zu 
jung  datiert?  Seine  Keilienfolge  der  Ktdwickelung  kann  t.'ilil  wo!  hcsldieii  iilcihen  und 
doch  die  Tannenherger  vor  139U  gesetzt  werden,  wt^nn  das  Aller  auch  seiner  ührigen  um 
zwei  his  drei  .Jahrzehnte  höher  angenommen  wird;  denn  die  Aidialtspunkle  aus  den  rohen 
Handschriftillustrationen  sind  ehen  doch  auch  keine  gar  zu  zuveriiissigen,  weil  gerade  die 
wiclitigste  Handschrift,  der  Münchner  Codex  üUO,  ehen  doch  nicltl  datiert  ist,  und  dessen  von 


—     48     — 

hat  eine  otwas  gröfsere  Läng-c  als  sechs  Seelendurchmesser,  nämlich  gegen- 
über den  (j,;)  Diuchmessern  der  Dresdemr  liüchsc  etwas  über  7,  da  bei 
einem    Durchmesser   von    4.7  ein.    die   Röhre   eine    lichte    Länge   von    33.3  cm. 


^^4v<^'./-'}^^>K^mkMämM^:^'.^-.^^^^^ 


r;y-  ,>^-^>^f''\'/v/.///////^//////7:'.>j.'/.v^/^/,-,!iji>.'}y/'ii' 


Fig.  1. 

hat.  Eine  Kammer  ist  nicht  vorhanden,  so  wenig  als  bei  der  Dresdener, 
Jjuxemburger  und  Linzer.  Das  neu  erworbene  Stück  ist  aus  Eisen  geschmiedet 
und   seine  Zusammensetzung   aus  einzelneu  Eisenteilen  hinlänglich  ersichtlich. 


Verschiedenen  abweichend  ci'folgte  Bestimmung  um  mchi'  als  100  Jahre  auseinander  geht. 
Während  ihn  Rettberg  in  den  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  setzt,  wir  in  den  Schlufs,  ist  er 
im  ülTiziellcn  Kataloge  dem  15.  Jahrhundert  zugesclirieben.  Al)or  wer  wollte  auch  auf  Grund 
der  llüclitigen  und  ungeschickten  Zeichnungen  als  ganz  sicher  anzusehende  Detailschlüssc 
daraus  ziehen  ?  Auch  die  erhaltenen  Originaldenkraale  sind  roh  gearbeitet,  ihre  Unregel- 
mälsigkeit  ist  so  grofs,  dal's  geometrische  Zeichnungen  sie  gar  nicht  richtig  darsteUeu  können. 
Die  Verjüngung  der  Tannenbergcr  Büchse  ist  z.  B.  so  gering,  dafs  sie  gar  nicht  in  Betracht 
kommt  und  ebensowol  von  Ungcnauigkeit  der  Arbeit  herrühi'en  kann,  als  von  der  Absicht, 
sie  konisch  zu  machen.  Gerade  so  halten  Avir  die  Genauigkeit  und  Schärfe  der  Zeichnung 
in  dem  Wiener  Codex  141,  von  der  wir  auf  Tafel  Vlll  des  zweiten  Bandes  unserer  Mit- 
teilungen eine  Reproduktion  gegeben  haben,  nicht  für  hinlänglich  sorgfältig,  um  festzustellen, 
dafs  die  Büchse  dort  nicht  leicht  konisch  sei.  Wann  kommen  überhaupt  die  ersten  ver- 
jüngten Röhren  auf? 

Aber,  müssen  wir  tragen,  wüi'dc  man  übei'liaupt  sich  das  ganze  14.  Jahrhundert  lang 
mit  den  Feuerwaffen  abgegeben  halten,  würde  man  nicht  die  Anwendung  überhaupt  ver- 
worfen haben,  wenn  man  bis  zum  Jahn"  1.S90  nicht  einmal  zu  Resultaten  wie  die  Tannen- 
berger  Büchse  gekommen  wäre?  Denn  dafs  überbaupl  «rst  dann  die  Büchsen  leistungsfähig 
waren  und  zu  weilerem  Streben  nach  Vervollkommnung  anregen  konnten,  wenn  sie  auf 
diesem  Standpunkte  sicli  fanden,  liegt  auf  der  lland.  Hätte  man  ein  Jahrhundert  lang  sich 
ohne  jedes  Resultat  abgemüht,  so  würden  wol  die  Feuerwaffen  damals  ganz  bei  Seite  ge- 
lassen worden  sein. 


—    49    — 

Die  Erhaltung  ist  eine  recht  gute.  Zu  innerst  befindet  sich  eine  über  einen 
Dorn  geschmiedete,  zusammengerollte  Platte,  um  welche  Ringe  herumgelegt 
sind.  Das  Gewicht  beträgt  16,o  kgr.  Am  mittleren  Ringe  ist  oben  ein  Ansatz 
für  einen  beweglichen  Ring,  um  das  Stück,  wenn  es  auf  einem  Holzblocke  be- 
festigt war,  tragen  und  auch  dirigieren  zu  können.  Wenn,  wie  Köhler  sagt, 
die  genannten  Büchsen  Bleikugeln  schössen,  so  ist  es  auch  von  dieser  wol  anzu- 
nehmen. Zu  einer  besonderen  Bemerkung  gibt  aber  die  Ungleichheit  im  Inneren 
der  geschmiedeten  Seele  Veranlassung.  Entweder  mufs  bei  der  Herstellung  die 
Platte  nicht  dicht  um  den  Dorn  geschmiedet  worden  sein,  um  denselben  leichter 
wieder  herausziehen  zu  können,  oder  die  Seele  ist  durch  das  Aufschweifsen  der 
plattenförmigen  Ringe,  welche  die  äufsere  Verstärkung  bilden,  aus  der  Form 
gekommen,  wenn  diese  Verstärkung  erst  aufgeschmiedet  wurde,  nachdem  der 
Dorn  entfernt  worden  war.  Die  Ungleichheit  ist  so  stark,  dafs  an  einzelnen 
Stelleu  der  Durchmesser  ganz  merkbare  horizontale,  an  anderer  Stelle  vertikale 
Ellipsen  bildet.  Es  sei  hier  nebenbei  bemerkt,  dafs  auch  die  Seele  unserer 
Dresdener  Büchse  eine  fast  noch  ungleichere  Innenlläche  zeigt,  die  wir  ebenfalls 
der  Art  der  Herstellung  zuschreiben.  Obwol  Eisentechniker,  die  wir  befragt 
haben,  nicht  unsere  Ansicht  teilten,  glauben  wir  doch,  dafs  die  Herstellung 
nicht  anders  erfolgt  sein  könne,  als  dafs  in  den  glühenden  Eisenblock  ein 
eiserner  Klotz  von  vorne  hinein  geschlagen  worden  ist.  Dieses  Schlagen  oder 
etwa  Auffallen  des  Klotzes  auf  die  Mündung  des  rot-  oder  weifsgl übenden 
Blockes  wurde  so  oft  wiederholt,  bis  die  Seele  ihre  Länge  hatte,  und  da  die 
Seele  nicht  ausgebohrt  ist,  so  blieb  die  naturgemäfs  entstandene  Ungleichheit, 
denn  dafs  die  Büchse  weder  gegossen,  noch  über  einen  Dorn  geschmiedet  und 
aus  einer  Platte  zusammengeschweifst  ist,  ist  klar;  ein  Dorn  hätte  bei  solcher 
Unregelmäfsigkeit  der  Seele  gar  nicht  herausgezogen  werden  können;  auch 
würde  kaum  ein  Stück  von  solcher  Stärke,  wie  sie  die  Dresdener  Büchse  hat, 
so  aus  einer  Platte  geschweifst  werden  können,  dafs  die  Zusammensetzung 
nicht  sichtbar  würde.  Und  gar  die  Aufschweifsung  des  Bodens  müfstc  ebenso 
erkennbar  werden,  wie  sie  an  unserer  hier  in  Fig.  1  abgebildeten  neu  erworbenen 
Büchse  erkennbar  ist,  die  wir  im  gleichen  Mafsstabe  mit  der  Dresdener  auf 
S.  50  des  2.  Bandes  dieser  Mitteilungen  gegeben  haben,  in  V*  der  Originalgröfse. 
Die  Stadt  Perugia  liefs  im  Jahre  1364  fünfhundert  Bombarden  von  der 
Länge  einer  Spanne  anfertigen.    Sie  mögen  etwa  der  Art  gewesen  sein,  wie  zwei 


Fig.  2. 

Stücke,  die  aus  der  Richardsschen  Sammlung  (Nr.  G4l)  und 
641  des  Auklionskataloges)  zu  uns  gekommen  sind,  deren 
eine  in  Fig.  2  abgebildcl  ist.  Ihre  Seele  lial  bei  einem  Dureh- 
messer von  2  cm.  eine  Länge  von  19,(5  cm.,  die  äufsere  Länge  be- 
trägt mit  dem  Boden  2."i  cm.,  an  letzterem  ist  noch  eine  Tülle  von 
15,4  cm.  Länge  befestigt,  in  welche  ein  Holzstiel  von  beliebiger 


Mitteilungen  aus  dem  gennuii.  Nalioiiulinusouni.    1890. 


VII. 


—   öü   — 

Ijiiiifrt'    liint'ing'cslnckt     wcnlcii     kniinti'.     Diis   Uewichl    ohne   Holzstiel    beträgt 


3/.i:i  kfi:r. 


Die    hier    iil)f,''el)il(l('l(;    Hlichse    ist    aus    einer   über   einen    Dorn    zu- 


suinnjcngesrhweifsten  Hüjjre  mit  unigeleg-ten  Verstärkungen  hergestellt;  sie 
hiil  noch  um  vordersten  Hinge  oben  einen  Ansatz  mit  einem  Loche  für  einen 
King,  der  bei  der  zweiten,  die  dieser  fast  gleich  ist,  fehlt.  Die  Arbeit  ist  gleich- 
falls aufsen  und  innen  im  hfichslen  (irade  unglcichmäCsig  und  roh.  Nun  weifs  man 
.ja,  dals  die  Schlosserarbcifen  des  Mittelalters  eine  hohe  Vollendung  der  Schmiede- 
technik zeigen;  indessen  dürfen  wir  die  Arbeiten  der  Kunstschlosser  nicht  als 
Malsstab  für  jene  der  Büchsenschmiede  betrachten,  dürfen  aber  doch  wol  in  der 
ungleichen  Ausführung  ein  Zeiclu'ii  verhältnismälsig  hohen  Alters  sehen.  Freilich 
haben  wir  in  den  ältesten  Abbildungen  geschalteter  Handbüchsen  diese  Form  nicht 
vertreten;  aber  es  darf  doch  nicht  vergessen  werden,  daCs,  was  uns  an  Denkmalen 
und  bildlichen  Darstellungen  erhalten  ist,  durchaus  den  Kreis  dessen  nicht  er- 
schi'ipft.  was  voi-handen  war,  und  dals  das  ganze  14.  Jahrhundert  eine  Zeit  der 
Versuche  war.  In  welche  Zeit  sollten  denn  diese  spannenlangen,  rohen  Büchsen 
gehören,  wenn  nicht  in  die  erste  Periode.  Betrachten  wir  die  Tannenberger 
Büchse  (deren  bi.sher  angenommenes  Alter  zwar  Köhler  nicht  gelten  lassen  will, 
die  aber  doch,  selbst  wenn  wir  iliiii  nMJit  geben  wollen,  was  wir  uns  doch  noch 
vorbehalten  müssen,  nicht  zu  tief  in  das  Ib.  Jahrhundert  hereingehen  kann) 
mit  ihrer  Kammer  und  ihrer  sorgfältigen  Bohrung,  mit  ihrer  Länge;  betrachten 
wir  die  Zittauer  Büchsen,  Mitteil.  IL  Bd.,  S.  52,  so  kr»nnen  wir  kaum  denken, 
dals  später  so  rohe  Büchsen  geschmiedet  wurden,  wie  unsere  beiden  eben  er- 
worbenen Stücke. 

Nicht  minder  interessant  scheint  uns  eine  vierte  Büchse  zu  sein  (Nr.  533 
des  Auktionskataloges);  eine  lange  Köhre  (Fig.  3,  ^,7  der  Originalgröfse),  die  offen- 


bar nicht  auf  eine  eigentliche  Schaffung  berechnet  war,  sondern  frei 
aus  der  Hand  benützt  werden  sollte.  Dafs  sie  erst  dem  L5.  Jahrhun- 
derte angehört,  scheint  nicht  zweifelhaft.  Aber  sicher  gehört  sie  doch 
zu  den  ältesten  Röhren  von  solcher  Länge.  Sie  ist  gleichfalls  von 
Eisen  geschmiedet,  und  es  läfst  sich  ihre  Zusammensetzung  erkennen. 
Auch  hier  ist  ein  Rohr  hergestellt  und  durch  weitere,  teils  einfache, 
teils  doppelte.  Umlegung  verstärkt.  Die  Seele  ist  innerlich  glatt,  nicht  so  zwar, 
als  ob  sie  ausgedreht  wäre,  wie  die  Tannenberger,  aber  doch  so  glatt,  als  sie 
um  einen  festen  Dorn  mit  Sorgfalt  geschmiedet  werden  kann,  und  dafs  immer- 
hin eine  in  einen  weichen,  gefetteten  Lumpen  gewickelte  Kugel  sie  passieren  konnte, 
ohne  zu  sehr  aus  der  Richtung  gebracht  zu  werden.  Sie  ist  äufserlich  achteckig, 
und  zwar  ist  diese  Form  durch  alle  Verstärkungen  und  Gliederungen  durch- 
geführt, was  auch  nur  durch  sorgfältiges  Schmieden  erreicht  werden  kann. 
Das  Ende  bildet  eine  konische  Verlängerung  hinter  dem  Stofsboden,  einem  Dorne 
nicht  unähnlich,  hinter  einer  kapitälartigen  Gliederung.  Im  grofsen  Rundstabe 
dieses  Kapitals  ist  das  Zündloch  eingebohrt,    unmittelbar  hinter  dem  Mündungs- 


—      Ol      — 

i'ing-e  ist  ein  starker  Ring-  mit  einem  nach  unten  stehenden  Haken  umg-elegt. 
Die  Gesamtläug-e  beträgt  lÜ9em.,  die  Läng-e  der  Seele  9ö  cm,  deren  Durchmesser 
2,4  cm.    Das  Gewicht  des  Stückes  ist  9,6o  kg-r. 

Kürzer  gehen  wir  über  das  fünfte  Stück  (Nr.  639  des  Auktionskataloges) 
hinweg:  die  Röhre  einer  aus  Eisen  geschmiedeten,  mit  verstärkenden  Ringen 
umlegten  Büchse,  von  jenem  Systeme,  das  wir  auf  S.  27  des  ersten  Bandes 
unserer  Mitteilungen  abgebildet  haben,  jedoch  wesentlich  länger.  Sie  ge- 
hört zu  den  besterhaltenen  und  schönsten  Exemplaren  ihrer  Art.  Die  dazu 
gehörige,  bewegliche  Kammer  fehlt  leider,  doch  sind  noch  die  beweglichen 
Ringe,  jederseits  zwei,  teilweise  vorhanden,  mit  denen  sie  auf  dem  Blocke 
befestigt  war.  Ihre  Länge  beträgt  145  cm.,  die  lichte  Weite  5,1cm.,  das  Gewicht 
63  kgr.  Dagegen  ist  als  sechstes  Stück  eine  Kammer  (Nr.  335  des  Auktions- 
kataloges)  dazu  gegeben,  die  zu  einem  anderen  etwas  kleineren  Exemplare 
gehört  und  sich  nicht  an  das  vorhergehende  bringen  läfst.  Auch  hier  ist  die 
aufserordentliche  Unregelmäfsigkeit  im  Inneren  bemerkenswert.  Länge  des 
Inneren  33,5  cm.,  Gewicht  14,5  kgr. 

Als  siebentes  Stück  tritt  ein  Gewehrlauf  (Nr.  643  des  Auktionskatalogcs) 
hinzu,  für  richtige  Schaffung  berechnet,  mit  grofser  Pfanne  an  der  Seite  des 
Stofsbodens,   der  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts  angehören  mag. 

Leider  sagte  weder  der  Katalog  der  Sammlung  ein  Wort  über  die  Herkunft 
der  Stücke,  noch  war  darüber  etwas  zu  erfahren.  Die  Sammlung  war  ja  indessen 
bekannt  und  vielleicht  ist  irgend  ein  Leser  dieses  Blattes  in  der  Lage,  über  ein 
oder  das  andere  Stück  Auskunft  zu  geben. 

Nürnberg.  A.  v.  Essen  wein. 


Der  Notpfennig'  der  Stadt  Ingolstadt. 

m  vergangenen  Jahre  wurde  in  Köln  eine  Pergamenthandschrift  für  die 
Bibliothek  des  germanischen  Museums  (Nr.  57  557)  erworben,  in  welcher 

8  über  einen  Notpfennig  berichtet  wird,  welchen  sich  die  Stadt  Ingolstadt 
vom  Jahre  1497  an  zurücklegen  wollte,  da  sonst  zu  befürchten  wäre,  dafs  die  Stadt 
»kunftigklich  in  mercklichen  naclilail,  wa  kriegslewff,  oder  ander  widerwertig- 
kait  entstund,  kommen  möcht.«  Den  Mangel  an  Mitteln,  welcher  mancher  Stadt 
zu  grofsem  Verderben,  Schim|)t'  und  Spott  gereicht,  liefsen  sich  die  Väter  der 
Stadt  Ingolstadt,  folgend  der  Ermahnung  des  hoehbcrühmten  Poeten  Virgilius. 
zur  Warnung  dienen  und  verordneten,  dafs  jedes  Jahr  eine  bestimmte  Summe 
Geldes,  je  nach  Gelegenheit  und  Vermögen,  in  eine  eiserne  Truhe  gelegt,  in  das 
vorliegende  Register  eingetragen  und  davon  nichts  ohne  besondere  grofse  Not 
ausgegeben  werde. 

Wir  lassen  weiter  unten  den  Wortlaut  dieses  Registers  folgen,  das  zu- 
nächst Nachricht  über  die  Begründung  dieses  Schatzes,  sodann  über  dtii  Fort- 
gang de.sselben  bis  zum  Jahre  1567  giltt.  Nach  nun'  Notiz  aiil'  1^1.  liM»  sollen 
vom  Jahre  1557  an  besondere  Zettel  über  die  zurückgelegten  Gelder  geschrieben 
worden  sein. 

Der  Stadt  Ingolstadt  ward  die  Anlage  dieses  Spari^l'ennigs  aber  ziemlicli 
sauer  a-emacht.     Sieben  .iabi-e  hindiii'cli  war  es  ihr  infiglieli.  dieser  Verordnung 


-    52    - 

naeli/ukotiimon,  aber  bereits  l.'JOO  eulscbultlig-tcn  sich  die  Herren,  dafs  sie  nur 
»miticrnius«  eiii^eb^fi-t  hnlnMi.  und  1504  nuiCsLe  damit  jianz  ausgesetzt  werden; 
Ja  der  liayerisclie  l\ricy  verscldaiig'  soj;;'ar  die  bis  daliin  ersparten  Gelder.  Im 
Jahre  1508  wurde  wieder  mit  der  Zurüciiieg-ung-  des  Notpfennigs  beg'onnen;  doch 
mulste  schon  lälü  abermals  davon  abgesehen  werden.  Recht  voll  ist  die  eiserne 
Truhe  nie  geworden:  einmal  konnte  wegen  der  Landsteuer,  dann  wegen  des 
Türkenzuges  nichts  eingelegt  werden,  ein  andermal  lieh  man  dem  jjandesfürsten 
das  Geld,  oder  man  mulste  der  fortwährenden  Kriege  wegen,  sowie  zum  Schutze 
der  Stadt,  für  Bauten  derselben  u.  s.  w.  Ausgaben  machen.  Im  Jahre  ioöO  legte 
man  soviel  Geld  in  die  Truhe,  dafs  ihr  Inhalt  sich  im  ganzen  auf  eintausend 
Gulden  belief.  Der  Schatz  der  süddeutschen  Festung  Ingolstadt  hatte  also  nicht 
das  mindeste  gemein  mit  demjenigen,  welchen  heute  die  norddeutsche  Schwester- 
festung an  der  Spree  birgt.  Erst  in  den  letzten  Jahren,  aus  welchen  sich  Ein- 
trüge in  der  Handschrift  linden,  werden  ganz  bedeutend  höhere  Summen  ein- 
gelegt. Über  den  etwaigen  Fortgang  und  das  Ende  des  Sparpfennigs  ist  uns 
nichts  bekannt ;  wenn  er  nicht  schon  vorher  sein  Ende  erreicht  hat,  so  hat  ihm 
sicher,  wie  so  vielem  anderen,  der  dreifsig.jährige  Krieg  den  Garaus  gemacht. 

Ehe  wir  nachstehend  den  Inhalt  des  Registers  als  Beitrag  zum  Finanzwesen 
der  deutschen  Städte  zum  Abdrucke  bringen,  wollen  wir  noch  einen  Blick 
auf  dieses  selbst  werfen.  Die  Handschrift  besteht  aus  drei  Lagen  von  zweimal 
zwei  und  einmal  drei  Doppelblättern  von  Pergament  in  Kleinfolio,  welchen  ein 
Umschlag  von  Schweinsleder  zum  Schutze  dient.  Die  erste  Seite  ist  leer ;  auf 
der  zweiten  sind  in  AVasserfarben  neun  Wappen  gemalt,  nämlich  diejenigen 
von  Bayern-Pfalz  und  Ingolstadt,  dann  die  Wappen  des  Bürgermeisters  Veit 
Beringer'),  des  obersten  Steurers  Wolfgang  Schramm-),  des  Hans  Weigel  ^) 
und  des  Erasmus  Wieland  vom  äufseren  Rate,  des  Lucas  Planck*)  und  Georg 
Innst  von  der  Gemeinde  und  des  Stadtschreibers  Andres  Zayner,  der,  wahr- 
scheinlich der  Verfasser  des  einleitenden  Textes,  sich  bescheiden  nur  mit  den 
Buchslaben  A.  Z.  bezeichnet  hat").  Auf  Bl.  2a  beginnt  der  Text  der  Hand- 
schrift. Auch  diese  Seite  erfreut  sich  farbigen  Schmuckes  durch  eine  Miniatur, 
w^elche  aus  einer  auf  goldenem  Grunde  in  Blau  mit  Rot  ausgeführten  Initiale 
besteht,  von  der  Ranken,  dem  vorderen  Rande  entlang,  auslaufen. 

Die  Handschrift  hat  folgenden  Wortlaut: 

[Bl.  2a.]  In  dem  Namen  der  Hailigen  Triueltigkait  Gottes  Amen.  Zewissen 
sey  geton  allen  nachfolgenden  erweiten  Stewrern*'),  Nach  dem  in  diser  loblichen 
Stat  Ingolstat  Camer  ^)  kain  Gelt  bisher  fürgespart  noch  funden  deshalben  zu- 


1)  Sammelblatt  des  tiist.  Vor.  in  u.  i".  Inj^olstadt  II,  S.  46. 
2j  Ebendas.  S.  Gl. 

3)  Das  hici*  befindliche  Wappen  Wcigcls  weicht  vua  dem  im  Sammelblattc  S.  71  be- 
schriebenen darin  ab,  dafs  es  nicht  auf  schwarzem  Dreiberge,  sondern  auf  einem  dem  Schaber 
der  Gerber  ähnliclien  Gegenstände  steht. 

4)  Sauimelblatt  II,  S.  47. 

5)  Sein  Wappen  besteht  in  einem  blauen  Schilde,  der  durch  einen  goldenen  Zaun 
(juer  geteilt  wird.  Der  Knaljc,  weichen  das  Zaynersche  Wappen  nach  Sammelblatt  11,  S.  74f., 
enthalten  soll,  ist  hier  noch  nicht  vorhanden. 

6)  =  Sli'uerorhcbern,  Steuereinsammlern. 

7)  =:  ölfeulliche  Kasse. 


—     o3     — 

besorg-en  ist,  das  gemaine  Stat  kunftigklich  in  mercklichen  nachtail,  wa  krieg-s- 
lewflf,  oder  ander  widerwertig-kait  entstund  kommen  möcht,  Solchs  zufurkomnien. 
Nach  dem  Virg'ilius  der  hochberümbt  poet  spricht,  Das  der  Mensch  hie  im 
Zeit  g'lückhatrt  vnd  selig-  sey,  der  sich  bey  fremder  leute  schaden  lernt  hätten 
vnd  warnen,  alsdann  in  etlichen  Steten  vil  vnfals  in  ernietung  ^)  der  emplössung 
der  Camer  bisher  entsprung-en ,  das  jn  zu  g-rossem  verderben  vnd  nachtail 
schimpf  vnd  spot  g-eraicht,  vnd  kommen  ist,  darumb  auch  vnd  nit  vnpillich  durch 
die  Philosophy  wol  g-esprochen  wurt,  das  in  solchem  ain  wissen  zehaben  ernie- 
tung:^)  manig-erlay  geschichten  vnd  vbels  in  dem  menschen  Fürsichtig-kait  zu 
betrachtung-  vnd  furdrung*  g-emaines  nutz  entspring',  Also  haben  die  Ersamen 
weysen  Veit  Bering'er,  dertzeit  Burgermaister,  Wolfgang-  Schramm  als  Obrister 
Stewrer.  Hanns  Weig-el.  Erasm  Wieland  des  äussern  Rats  Lucas  Planck  vnd 
Georg-  Innst  der  g-emain  vnd  all  erweit  Stewrer  vnd  einsamler  des  gemainen 
g-uts  diser  loblichen  Stat,  solchs  betracht  vnd  zühertzen  g-enomen,  Darauff 
dise  loblich  Ordnung-  angefangen  Ynd  bitten  all  vnd  yed  nachkommend  Stewrer 
als  liebhaber  g-emaines  nutz,  vff  das  allerhöchst  vnd  vleissig'ost  ermanende,  das 
Sy  alle  Jar  vnd  yedes  besunder,  so  die  Stewr  beschlossen  ist,  ain  Suma  grelts 
nach  geleg-enhait  vnd  vermug-en  der  Camer  hin  hinder  (!)  in  die  Eysin  Truhen 
leg-en  von  Jar  ze  Jar  in  dits  Register  einschreiben,  dauon  nichzit  weder  wenig 
noch  vil,  on  sunder  mercklich  grosse  not  vnd  anligen  gemainer  Stat  nemen, 
das  also  gehaim  der  Stat  zu  ainem  sundern  schätz  behalten  vnd  ain  yeder 
handeln  als  Er  Got  dem  herrn  am  Jüngsten  tag  darumb  antwurt  geben  vnd 
Ion  empfahen  will,  dann  solch  gut  zu  aufeuthaltung  gemaines  nutz,  nicht- 
sunnder  dann  der  kirchen  guter  nach  [Bl.  ab]  gaistlichen  vnd  weltlichen 
rechten  genennt  wirdet,  vnd  ist  das  erst  gelt  durch  die  obgemelten  Stewrer 
von  der  Stewr  gelegt  worden  des  Jars  als  man  zeit  hat  von  geburt  Cristj 
vnnsers  lieben  herrn  Tausetvierhundert  Nuntzig  vml  Siben  Jare.  Nemlich  an 
altem  giittem  gold  zwenundachtzig  guldin  reinisch ,  an  swartzer  Bairischer 
muntz")  eingewegen  Fünfhundert  Funfundfunfzig  pfund,  an  Sechsern^")  zeit 
zwayhundert  guldin. 

98. 
Vff  Sampstag  vor  dem  Hailigen  Cristag  Anno  domini  etc.  Lxxxx  octauo, 
haben  die  vorgemelten  Stewrer  vf!"  die  vorgemelt  hoch  crmanung  zu  furdrung- 
gemains  nutz  in  die  Eisin  frühen  gelegt  an  guten  guUlin  in  Gold  Sibenund- 
dreissig  guldin  reinisch,  an  grossen  Etzern  ^')  hundert  dreyvndsechzig  guldin 
tut  also  in  gantzer  Suma  Zwayhundert  guldin, 

99  Jar. 
Vff  Sampstag  nach  Trium  regum  Anno  des  gnadenreichen  Jars   im  Kunf- 
zehenhundcrsten  Jars   haben   die   Ersamen  weysen  Veit  Beringer,    Hanns  Greiff 
des  jnnern  Rats,  Erasm  Wieland,  Hanns  Weigel  des  äussern  Rats,  Lucas  Planck 

8)  in  Ühuni"^.  durch  Gowolnilicit.  Koiiiitiiis  u.  s.  w. 

9)  UlxT    die    baycrischoii    oder    schwarzen    IMViiiiigc    s.   SclmiclIer-FnuimiaiiM.    bayer. 
Wörterbuch  1,  S.  429. 

10)  Sechskrcuzerstückcn. 

llj    Wol    für  Klschern   stehend,    von    (bnen  nach  Schuieller-Fronnnann   I.    S.   17S.  (U-r 
Etsch^^-osch  Ao.   1487   in   Bayern    IS  du.,  der    Klschkreu/er  ;!  dn.  ^iiH- 


—    54    — 

vml  rieorfc  Innsl,  viul  doch  im  mild  in  die  Rat  g-enommen.  als  Steurer  vff  die 
vorjit'imdlo  [Hl.  .1a]  liohon  (M-maimnj,^  zu  Inrdning'  gemaineH  nutz  in  die  Eysin 
li-idiiMi  g-elegl.  Uli  swai'l/er  munt//'j  glatlen  ßohmischon  vnd  achtern  Neunund- 
viei-t/,ig'  g-uitlin.  vnd  an  grossen  Sechsern  hundert  ainundt'unt'zig-  g-uldin  tut  also 
zwayhundert  giildin. 

Anno  ddmiiii  .\v''Jar.  Item  von  der  Statstevvr  beraeltes  Jars  haben 
die  verordneten  Siewrer  mitnamen  Hans  Greilf,  Ylrich  Vischer  des  jnnern  Rats, 
Georg  Innst,  Lucas  Planck  des  äussern  Rats,  Georg-  Schober  vnd  Thoman  Moser 
der  g-emaind  vtV  die  vorbedacht  hoch  ernumung;  zu  furdrung  vnd  aufent- 
iiaitung  genuiins  nutz  in  die  Truhen  g'cleg't  an  Sechsern  j^  gülden  vnd  ist  die 
vrsach  des  einleges  mitlermas  bescheen  das  des  vergangen  Jars  ain  lantsteur 
gewest,  darJiHi  gemainer  Stat  ain  Suma  geltz  aus  der  Stat  Gamer  zubezalen 
auterlegt  ist,  als  Sy  auch  bezalt  haben. 

Anno  domini  xv^ain  Jar.  Iteni  von  der  Statsteur  bemeltes  Jars 
haben  die  verordnten  Stewrer  mitnamen  Veit  Beringer,  Hanns  Greiff  des  Innern, 
Georg  [nnst,  Lucas  Planck  des  äussern  Rats,  Georg  Schober  vnd  Thoman  Moser 
der  gemaind  auf  die  vorig  hoch  ermanung  zu  furdrung  vnd  aufenthaltung  ge- 
maines  nutz  in  die  trüben  gelegt,  wie  nachfolgt,  vnd  ist  die  vrsach  solchs 
einleges  mitlermas  bescheen  das  Sy  von  der  heurigen  Stat  Steur  vber  das  Sy 
meim  gnedigen  Hertzog  Georgen  die  Statsteur  heur  betzalt,  die  halb  mul  von 
der  Federlin  erkaulTt  abge-  [Bl.  3  b]  lost  haben  wol  vmb  viijc  guldin  vnd  tut 
des  Einleges  vorbemeltes  Jars  in  gantzer  Suma  an  Sechsern  vnd  Swartzer 
niuntz  j^xxxiiij  guldin. 

Anno  domini  xv*^  zway  Jar.  Item  von  der  Statsteur  bemeltes  Jars 
haben  tlie  verordnten  Stewrer  mit  namen  Veit  Beringer,  Hanns  Greiff  des  Innern, 
Georg  Innst,  Lucas  Planck  des  äussern  Rats,  auff  die  forig  hoch  ermanung  ze 
furdrung  vnd  aufenthaltung  gemaines  nutz,  in  die  trüben  gelegt,  wie  nachfolgt, 
vnd  ist  die  vrsach  solchs  einlegens  mitlermas  gescheen,  das  Sy  von  der  heurigen 
Statsteur  vber  das  Sy  meinem  gnedigen  herrn  Hertzog  Georgen  die  Statsteur 
betzalt,  ain  tail  an  der  mul  betzalt  vnd  ain  keler  bey  dem  prewhaws  nach  Inn- 
halt  des  Steurbuehs,  vnd  tut  des  Einleges  vorbemeltes  Jars  in  Suma  allerlay 
muntz  Lxxvij  guldin. 

Anno  domini  xv^  drew  Jar.  Item  von  der  Statsteur  bemeltes  Jars 
haben  die  verordnten  Steurer  mitnamen  Hanns  Greiff,  Georg  Kaiser  des  Innern, 
Georg  Jnst,  Lucas  Planck  des  äussern  Rats,  Georg  Schober  vnd  Thoman  Moser 
der  gmaind  auff  die  forig  hoch  ermanung  zu  furdrung  vnd  autfenthaltung  ge- 
maines nutz  in  die  trüben  gelegt  [Bl.  4a]  wie  nachfolgt,  vnd  ist  die  vrsach 
solchs  einlegens  mitlermas  bescheen  das  vnnser  gnediger  herr  Hertzog  Georg 
loblicher  gedechtnus  als  der  letzer  (!)  seins  lands  ^-)  mit  tod  abgangen  vil 
costung  vber  gemaine  Stat  mit  soldnern  geschos  vnd  ander  wer  gangen  ist, 
vnd  tut  solch  einlegen  an  Sechsern,  j*^xxv  guldin  an  niaylendern  der  drey 
ain  guldin  geben  für  viiij  guldin  für  ij  guldin  gros  Insprucker  gelt  ainer 
xij  creitzer  vnd  J  guldin  vngrisch,  tut  in  gantzer  Suma  j^xxxvij  guldin. 

Anno  domini  xv^  vier  Jar  Sein  zu  Steurern  furgenomen  Hanns 
Greiff  vnd    Georg  Kaiser  des   Innern,   Hanns  Sehmid,  Ludwig  Kungsfelder  des 


Irij  Mit  Herzog  Georg  slarh  dio   Linie  Baycni-Laiid.sliiil  aus. 


—    S5    — 

äussern  Rats,  Hanns  Widenman  vnd  Thoman  Moser  der  Gemain,  vnd  haben  aus 
angezaig'ten  vrsachen  nach  hiut  des  Stewrbüchs  bemelten  vierten  Jars  nichts 
in  die  Eysiu  truhen  legen  mögen.  —  Nichil. 

Anno  domini  etc.  quinto  Sein  zu  Steurern  furgenonien  Hanns  Greiff, 
Georg'  Schober  des  Innern,  Hanns  Schmid,  Ludwig-  Kung-sfekler  des  äussern 
Rats,  Hanns  Widenman  vnd  Thoman  Moser  der  Gemain.  haben  auch  aus  den 
angezaigten  vrsachen  nach  laut  des  Steurbuchs  bemelten  fünften  Jars  nichts  zu 
ainem  Vorrat  eingelegt.  —  Nichil. 

[Bl.  4b.]  Anno  domini  etc.  Sexto  Sein  zu  Ste.urern  furgenomen 
Lucas  Planck,  Georg  Schober  des  Innern,  Hanns  Schmid,  Ludwig  Kungsfclder 
des  äussern  Rats,  Hanns  Widenman  vnd  Thoman  Moser  der  gemain  vnd  haben 
aus  den  vrsachen  so  nach  lengs  im  Steurbuchs  des  vierten  Jars  geschriben 
sten,  nichts  eingelegt.  —  Nichil. 

Anno  domini  etc.  Septimo  Sein  zu  Stewrern  furgenomen  Veit 
Beringer,  Georg  Kayser  des  Innern.  Hanns  Schmid,  Ludwig  Kungsfelder  des 
äussern  Rats,  Peter  Bamfelder  vnd  Sigmund  Birmair  der  Gemain  die  haben  aus 
den  Vrsacben  so  im  Stewrbuch  bemelten  Jars  angetzaigt  sein,  nichts  eingelegt. 
—  Nichil. 

Summa  Totalis  der  ailff  Jar  So  die  Steurer  laut  dits  bucheis  souil  Sy  ze- 
samen  eingesamelt  vnd  in  vergangem  Bairischen  krieg  widerumb  ausgeben 
haben,  tut  .  .  .  .^^). 

[ßl.  Da.]  Hernach  folgt  was  aus  vorangezaigten  beweglichen 
vrsachen  Inn  betrachtung  gemaines  nutz  züuoran,  das  wider  den- 
selben gemainen  nutz  zu  ausleschung  desselben  vnd  derselben 
Burgerschaft  gehandelt  widerumb  eingesamelt  jst  alles  hernach 
begriffen  vnd  gantz  not,  das  ain  yeder  die  vorred  dits  buch  les, 
wol  vberles  vnd  dem  folg  thw. 

Anno  domini  etc.  Octauo.  Item  Zu  Stewrern  sein  furgenomen  Georg 
Kayser,  Georg  Schober  des  Innern.  Hanns  Schmid,  Ludwig  Kungsfelder  des 
äussern  Rats,  Peter  Bamfelder  vnd  Sigmund  Birmater  der  Gemain,  vnd  haben  in 
Crafft  vorgemelter  Ordnung  zu  furdrung  vnd  gemains  iiulz  in  die  Kysin  truhen 
gelegt    Nemlich  ijc  guldin  Reinisch. 

[Bl.  ob.]  Anno  domini  etc.  nono  Sind  zw  Slourernn  Furgenomen 
Georg  Kayser,  Lucas  Blangk  des  Inneren,  Ludwig  Kunigsfelder  vnnd  Peter 
Baumfelder  des  ausserenn  Rates,  Hanns  Widman  vnnd  Sigmundt  Bermater  von  der 
Gemaindt,  Andres  Zayner,  Statschreiber,  der  in  disem  Jar  gestorben  ist,  dem 
got  genad,  haben n  in  die  Eysnen  Truhen  gelegt  an  montag  sannd  Erasmus  tag 
Ao.  x°  ijc  guldin  Reynisch.  (l)ise  zwaihunderi  gülden  sein  herauß  genomen 
vnd  vnnsserem  gn.  h.  gelihen  worden  a"  xij  freitag  vor  Gallj  '••). 

Anno  domini  etc.  x"  Sinnd  zw  steuren  furgenomen  worden.  Georg 
Kayser,  ]jucas  Planngk  des  Inneren.  Ludwig  Kungsfelder.  Peter  Buumfelder  des 
äusseren  rats.  Eranciscus  Burgkliardl  slalschreilter,  vnnd  ist  von  wegen  das 
vnuser  gn.  li.  Iiertzog  Wilhaim  elc.  ain  lanndtstcur  angelegt  hat  nichs  liinder- 
sich  gelegt  worden. 


13)  Der  Betrat!  ist   iiiilil  aiisycsolzl. 

14)  SpätcnM-  Zusiilz. 


-     56     — 

A  II II  0  domini  etc.  x j ".  p]r\velt  steurer  Georg-  Kayser,  Hanns  Schmidt 
des  Inntnon,  Ludwig-  Kiin^sfcldcr,  Peter  Baumfelder  des  äusseren  Rats,  Fran- 
ciscus  Miirirliai-dt  slalsclH-(!il)('r.  Vnnd  ist  heur  von  vveg:en  das  v  "^  gülden  auff 
die  üolsclicii  "'j  g-clichen  worden,  so  man  die  widerg-ibt  sollen  eingelegt  werden. 

[BI.  6a.]  Anno  dominj  etc.  xij '"»  haben  meine  Herrn  die  Stewrer  mit 
Namen  Lucas  Planckh,  Ludwig  Kunigsfelder  des  Innern,  HansMertz,  Hans  Widman 
des  p]wsscrii  Hals.  Sigmund  liirmenter  vnd  Wolf'gang  Zaglhamer  von  der  gemain 
Alal Ileus  Spilberger  Statschreiber,  auf  ditz  Jar  von  wegen  das  sie  vnserm  gne- 
digen  Hcrtzog  Willialm  i.j.f' gülden  auf  ain  verschreibung  gelihen  nichtz  hinder 
sich  gelegt. 

Anno  dominj  etc.  xiij'"°  Sind  die  nachsluorgeschriben  herru,  widerumb 
■/.[[  sieweren  erweit  worden,  vnd  haben  ditz  jars  von  wegen  das  sie  zu  der 
Thunaw  baw  vnd  pastein  etwo  vil  gelts  aufj  der  Gamer  geben  auch  nichtz 
hindersich  jn  die  Eyssen  Truchen  gelegt. 

Anno  dominj  etc.  xiiij'°  Sind  zu  Stewerern  Erweit  Georg  Kayser, 
Ludwig  Kunigsfelder  des  Innern,  Asn  ")  Planckh,  Hans  Widman  des  Eussern 
Rats,  Sigmund  Birnienter  vnd  "VVolfgang  Zagelhamer  von  der  gemain,  Matheus 
S[iilberger,  Statschreiber,  haben  jn  die  Eyseu  Truchen  gelegt  am  montag  vor 
Johannis  Babtiste  anno  etc  . . .  xxj  gülden. 

[ßl.  6b.]  Anno  etc.  xv*°  haben  meine  herrn  die  erweiten  Stewrer  mit 
Namen  Georg  Kayser,  Hans  Schmid  des  Innern,  Asn  Planckh,  Hans  Widenman 
des  Eussern  Rats,  Wolfgang  Zagelhamer,  Georg  Vischer  der  gemaind  vnd 
Matheus  Spilberger  Statschreiber  jn  Craö't  obgeschribner  Ordnung  jn  die  Eysen 
Truchen  gelegt  Nemlich  Ix  gülden. 

Anno  etc.  xvj*°  haben  die  verordneten  Steurer  mit  Namen  Georg  Schober, 
Ludwig  Kunigsfelder,  des  jnnern,  Asn  Planckh,  Haus  Widman  des  Eussern  Rats, 
Wolfgang  Zagelhamer,  Georg  Vischer  der  gemainde  und  Matheus  Spilberger 
Statschreiber  vber  die  landsteur  Erspart  vnd  in  die  Eysnen  Truchen  gelegt 
p  gülden  an  schwartzen  Pfenningen. 

[Bl.  7a.]  Anno  etc.  xvij  haben  die  verordneten  Statsteurer  mit  Namen 
Georg  Schober,  Ludwig  Kunigsfelder  des  Innern,  Erasn  Planckh,  Hans  Synninger 
des  Eussern  Rats,  Wolfgang  Zagelhamer,  Georg  Vischer  der  gemaind  vnd 
Matheus  Spilberger  Statschreiber  ditz  Sibenzehend  Jar  nichtz  jn  die  Elysscn 
Truchen  gelegt  aus  vrsachen  das  sy  Ettlich  Zentner  Pley  zu  Nürnberg  zu  der 
Stat  gegenwere  erkaufft  auch  vnsern  gnedigen  herrn  den  Landsfursten  zu  abfer- 
tigung  Fraw  Zosanna  ^')  Irer  gnaden  Swester  die  Margraf  Casimir  zu  Branden- 
Inirg  verheyrat  worden  gelihen  haben  acht  hundert  gülden  R.  —  Nichil. 

Anno  etc.  decimo  octauo  haben  vorgenant  Herrn  Steurer  ditz  Jars 
abcrmalen  nichtz  jn  die  Eysen  Truchen  gelegt  aus  vrsachen,  das  gemaine  Stat 
Ix  fuesknecht  drey  monat  lang  vnsern  gu.  herrn  den  fursten  zu  der  kriegsnot 
vnderhalten  muessen  wider  den  Hertzog  von  wirtenberg,  haben  auf  dieselben 
Soldner  bezalt  vij^  vnd  xx  gülden.  —  Nichil. 


15)  Ol)  hier  an  Golsch,  eine  Art  Leinwand  zu  denken  ist  ?    (Scliin.-Fr,  BWB.  1,  893.) 

16)  Asn  =z  Erasn,  Erasmus. 

17)  Susanna,    vermählt  den   14.  August  1518  mit  Kasimir  Markgrafen  von   Branden- 
burg (t  mri). 


—    57     - 

[Bl.  7b.]  Anno  etc.  decimo  Xono  haben  die  verordneten  Statsteurer 
mit  Kamen  Georg  Schober,  Ludwig  Kunig-sfelder  des  Innern,  Erasn  Planckh, 
Hans  Synning-er  des  Eussern  Rats  vnd  Matheus  Spilberger,  Statschreiber  von 
wegen  das  ditz  xviiijte"jar  aiu  Laudsteur  gewest  nichtz  hindersich  jn  die  Eyssen 
Truchen  gelegt  —  Nichil. 

Anno  etc.  vicesimo  haben  die  obgemelten  Steurherren  jnhalt  obge- 
schribner  Ordnung  jn  die  Eyssen  Truchen  gelegt  an  tag  exaltationis  sancte 
crucis  anno  etc.  xxj  Nemblich  an  Creutzern  200  guldea  (Vorgemelt  Zway  hun- 
dert gülden  haben  Georg  Kayser,  Ludwig  Kunigsfelder  als  verordnet  Steurer 
vnd  Mathes  Spilberger  Statschreiber  aus  beuelh  ains  jnnern  Rats  Beden  vnsern 
gn.  herrn  gegen  ainem  Schuldbrief  gelihen  vnd  Jnen  an  den  Zehen  Tausent 
gülden,  so  gemaine  Landschafft  benanten  vnsern  gnedigen  herrn  von  wegen  des 
Zugs  wider  die  Francken  bewilligt  auferlegt  geraicht  actum  an  freytag  vor 
Egidij  anno  etc.  22  ^^). 

[Bl.  8a.]  Anno  etc.  vicesimo  primo  haben  die  verordneten  Steurrer 
mit  namen  Georg  Kayser,  Ludwig  Kunigsfelder  des  jnnern,  Erasn  Planckh,  Sixt 
Rosner  des  Eussern  Rats,  Thoma  AYidman,  Sigmund  Birmeuter  der  gemain  vnd 
Matheus  Spilberger  Statschreiber  jnhalt  vorgehaltner  Ordnung  jn  die  Eysnen 
Truchen  gelegt  an  Maylendern  dreyssigern  vnd  gold  58  gülden. 

Anno  etc.  Vicesimo  Secundo  Haben  die  verordnetten  Steurer  mit 
Namen  Georg  Kaiser,  Ludwig  Kunigsfelder  des  Innern,  Sixt  Rosner  vnd  Michel 
Bambfelder  des  Eussern  Rats,  Thoman  Widman  vnd  Sigmund  Beham  von  der 
gemain  vnd  Matheus  Spilberger  Statschreiber  jnhalt  vorgehaltner  Ordnung  jn 
die  Eisnen  truchen  gelegt  —  Nichil. 

[Bl.  8b.]  Anno  etc.  Vicesimo  Tercio  Haben  die  verordenten  Steurer 
mit  Namen  Ludwig  Kunigsfelder,  Georg  Kaiser  des  jnnern,  Sixt  Rosner  vnd 
Michel  Bambfelder  des  Eussern  rats,  Jacob  Pracher  vnd  Georg  Surch  der  ge- 
main vnd  Albrecht  Wiser  Statschreiber  jnhalt  vorgehaltner  ordnurg  jn  die 
Eisnen  truchen  gelegt  an  Mailandern  an  Saltzburgern  vnd  golt  71  gülden. 

Anno  etc.  Vicesimo  Quarto  Haben  die  verordenten  Steurer  mit  namon 
Gorg  Schober,  Ludwig  Kungsfelder  des  jnnern,  Michel  Pambfelder  vnd  Sigmund 
Beham  des  eussern  rats,  Jacob  Pracher  vnd  Georg  Surch  der  gemain  vnd 
Albrecht  Wiser  Statschreiber  jnhalt  vorgehaltner  Ordnung  jn  die  eisneu  truchen 
nichts  legen  mögen  der  kriegsleutfhalben. 

[Bl.  9a.]  Anno  etc.  xxv  jar  Haben  die  verordnetten  Steurer  mit 
namen  Ludwigen  Kungsfelder  vnd  Wolfgang  Zaglhamer  des  jnneren,  Michel 
Pamfelder  vnd  Sigmund  Peham  des  Eussern  rats,  Jacob  Pracher  vnd  Jörg  Surch 
der  gemain  vnd  Albrecht  Wiser  Statschreiber  jnhalt  vorgemelter  Ordnung  jn 
die  eisnen  truchen  der  peuerischen  kriesleuffhalben  (!)  '")  nichts  einlegen  mcgen. 

Anno  etc.  xxvj  jar  Haben  die  verornetten  Steurer  mit  namen  Ludwig 
Kungßfelder  sambt  andern  nachstgeschriben  herron  jnhalt  der  Ordnung  jn  die 
eisnen  truchen  der  landsteur  oder  turgkischen  hilfgellzlialben  nichts  einlögen 
mögen. 

[Bl.  9b.]  (Vnno  etc.  27»"°  auch  28"°  iiaiicn  die  vm-ordnotten  Steur- 
herrn  mit  Namen  Ludwig  Kungsfelder.  Wolfgang  Zaglhamer  des  jnnern,  Michel 

18)  Später  l)oi;!:<'S<'t'/.t.     19)  des  Biuipriil<rio;rs  liallxT. 
Mitteilungen  aus  dem  geriiian.  Nationalmu.seuiii.     181)0.  Vlll. 


—    58    — 

PanifV'Ulor  vnd  Sig-mund  Jk'ham  Jiihiilt  der  Ordnung  ,jn  die  eisnen  truchen  ge- 
legt —  Niuhil. 

Anno  etc.  Trict^si  iiio  Soxlo  lliilieu  die  verordenlen  Shitsteurcr  niil 
nunuMi  (Joorg  Schober  Micdud  J^unieldor  des  jnnorn.  Georg  Surch  vnd  Hans 
Slrobl  des  eussern  rats  widrninil)  imgcfangen  \  iid  Jii  dj  eysnen  liuchen 
gelegt  etc.  viid  il/  V(m  dein  Ü)''"  jare  bis  auf  bestimbte  Zeit  nichts  eingelegt 
worden  jst  aus  nachuolgunden  vrsachen  der  krigsleutf  turgken  Zug  lantsteur 
vnd  andcrni  obligunden  etc.  geseheen.  Nemlicher  zu  dem  schiessen  so  des 
28'""  jars  gehalten,  hat  gemaine  stat  nach  geben  muessen  300  H. 

[Bl.  lüa.]  Item  des  29""»  jars  ist  aulT  besoldung  vnd  den  Turgken  zu 
gangen  GOO  11.  Mer  des  3a*'="  jars  auch  an  turgken  Zug  gen  München  geantburt 
300  11.  Item  ander  lantsteur  so  gemaine  stat  bisher  gegeben  die  aber  zumtail 
von  gemainer  purgerschaft  eingepracht ^'^). 

Die  benanten  steurcr  haben  dis  36*enjars  jii  dj  truchen  eingelegt  an  aller- 
laj  golt  53  n.  mer  an  sechsern  47  H.  mer  an  Zeheukrcutzern  100  tl.  thuet  200  il. 

Aus  vrsachen  das  des  37*^'!  vnd  38 *e"  jars  nichts  jn  die  eisnen  truchen 
gelegt  ist,  dan  es  sind  lantsteur  gebest. 

[Bl.  10  b.]  Als  Wolfgang  Zablhamer  vnd  Michel  Pamfelder  Jörg  Surch 
vnd  Hans  Strobl  des  rats,  Caspar  Kueffer  vnd  Peter  Karl  der  gemain  steurer 
gebest  haben  sy  des  38*en  jai-g  in  truchen  gelegt  400  fl. 

Anno  etc.  des  39'^"  jars  sind  steurer  gebest  Wolfgang  Zablhamer,  Michel 
Pamfelder,  Hans  Strobl,  Casper  Kueffer,  Peter  Karl,  Jörg  Ruell. 

Anno  etc.  des  40'«°  jars  sind  auch  die  obgemelten  steurer  gebest. 

Anno  etc.  jm  41*<="  sind  steurer  gebest  wie  das  vorder  jar  dan  dz  Hans 
Pamberger  des  jnnern  rats  gebest. 

Anno  etc.  jm  42*«°  jst  Zalblhamer,  Pamfelder,  Strobl,  Kueffer,  Jung, 
Schober  vnd  Karl  steurer  gebest. 

Aus  vrsachen  die  lantsteur,  turgkenhilff  auch  dz  etlich  gult  abgelost  jst 
die  4  jar  nichts  in  dj  eisnen  truchen  gelegt  worden. 

[Bl.  Ha.]  Von  dem  38'«°  jare  bisher  auff  46*^°  jars  jst  nichts  jn  dj  truchen 
gelegt,  haben  dj  lantsteur  gemainer  stat  gepeu-")  vnd  ander  obligungt  gemacht 
Aber  yetz  des  46^'=°  jars  ist  eingelegt  an  sechsern  vnd  toplsechern  (!)  GO  tl.  reinisch. 

Anno  etc.  des  43  44  45  vnd  W^'^  jars  sein  steurer  gebest  Wolfgang 
Zaglharaer,  Michel  Pamfelder,  Caspar  Kuetfer,  Erhart  Hamerl  des  rats,  Jörg 
Schober  vnd  Peter  Karl  der  gemain  vnd  ist  diß  jar  von  wegen  der  lantsteur 
gemainer  stat  gepeu  vnd  kriegslaulf  nichts  jn  dj   eisen  truchen  gelegt  worden. 

Auf  dj  vor  erlegte  suma  ist  noch  jn  dj  truchen  gelegt  also  das   dj    suma 

n  tausend  gülden  eraicht  actum  mitwoch  vor  herrn  fasnacht  anno  etc.  jm 
5()ten  jare 

Anno  etc.  jm  47*^'»  jar  sein  steurer  gebest  Michel  Pamfelder,  Jörg  Schober, 
Caspar  Kueffer,  Erhart  Hamerl,  Michel  üemel,  Sebastian  Stachl. 

[Bl.  Hb.]  Anno  etc.  jm  48*«'!  jar  sein  Steurer  gebest  Hans  Ganser,  Jerg 
Schober  des  jnnern,  Caspar  Kueffer,  Michel  Derael,  Sebastian  Stachl  vnd  Hans 
Stogkmaier. 


20)  Till   Jalirc    lö39   wurde   mit    der  Neiil)efestigung    von    Ingolstadt    begonnen;    A'gl. 
Ger.slner,  Goschiclile  der  Stadt  Ingolstadt  (Müiiclicn,  185r}J  S.  lG4'ir. 


—     59     — 

Anno  etc.  jin  49*'^''  Steurer  Hanß  Ganser,  Jerg-  Schober,  Caspar  Kueffer, 
Michel  Deuiel,  Sebastian  Stachl  vud  Hans  Stog'kmair. 

Anno  etc.  jm  5U*"^  sein  Steurer  gebest  Hans  Ganser,  Jerg  Schober,  Caspar 
Kueffer,  Michel  Deniel,  Sigmund  Grabumller. 

Anno  dorainj  etc.  jm  öl*^"  jar  steurer  gebest  Wolfgang"  Zaglhamer,  Hans 
Ganser  des  jnnern,  Caspar  Kueffer,  Michel  Deniel  des  äussern  rats,  Hans  Stogk- 
niair  vnd  Simon  Grabumller  der  gemain. 

Von  den  tausent  gülden  so  /u  aintzins  jn  dj  truchen  gelegt,  sein  heraus" 
von  wegen  der  steur  vnd  kriegsleuff  genomen  jm  ;J2*en  jar  iiö  11. 

[Bl.  12  a.]  Anno  domiuj  etc.  jm  d^'"?"  jar  sein  Statsteurer  gebest  Wolf- 
gang Zaglhamer ,  Caspar  Kueffer ,  des  jnnern ,  Michel  üemel ,  Hans  Stogk- 
maier  des  eussern  rats,  Sigmund  Grabumller  vud  Liephart  Hafelen  der  gemain, 
vnd  Albrecht  Wiser  Statschreiber. 

Anno  domiuj  1553  steurer  Caspar  Kueffer,  Jacob  Pracher,  Michel  Demel, 
Hans  Stogkmaier,  Liephart  Hafelen,  Lienhart  Reitzner  vnd  Albrecht  Wiser  stat- 
schreiber. 

Anno  domiuj  1554'^"  Sein  steurer  gebest  Cafpar  Kueffer,  Jacob  Pracher 
des  jnnern,  Sebastian  Stachl,  Hans  Stogkmaier  des  eussern  rats,  Ludwig  Schwand 
vnd  Liephart  Hafelen  der  gemain,  vnd  Albrecht  AViser  statschreiber. 

Anno  domiuj  1555*en  jar  sein  statsteurer  gebest  wie  hieuor  ju  dem 
1559*6"  jai-. 

[Bl.  12b.]  Anno  dominj  1556*"^  sein  steurer  gebest  Cafpar  Kueffer, 
Jacob  Pracher  des  jnnern,  Sebastian  Stachl,  Hans  Stogkmaier  des  eussern  rats, 
Ludwig  Schwand,  Hans  Korer  der  gemain  vnd  Albrecht  Wise  (!)  Statschreiber. 
jn  dem  bestimbten  56*«"  jar  sind  ju  die  eisnen  truchnen  an  golt  vnd  talern  ge- 
legt worden  vngeuerlich  vierthalb  tausent  gülden,  mer  an  patzn  vud  halben 
patzn  990  fl. 

Anno  dominj  1557'o"  jar  isl  jn  dj  truchen  gelegt  2130  11. 

(Gilt  alles  nichts  mer.    Hergegen  in  truheu  erlegt,  laut  der  Zettel  -^). 

[Bl.  13a.]  Anno  etc.  63.  Seien  zu  Steurhern  furgenomen,  Georg  Schober, 
Hanß  Storkhmair  des  jnnern,  Michael  Demel,  Hanß  Zerer  des  Eussern  Rats, 
iMarx  Deniel,  Steffan  Stcngelnuiir  der  gmain,  vnd  haben  jn  Crafft  vorgemclter 
(»idnung  zu  funh-ung  vud  gemaines  nutz  in  dj  Lysen  Truhen  gelegt  Nemlich 
wider  zu  anlang  furgenomener  Ordnung  859  11.     (Ist  zergrenzt  worden-'-^). 

Ao.  6  6  Seien  zu  Steurhern  furgenomen  Georg  Schober,  Hanß  Vischer  des 
jimerii,  Michl  Demel,  Leopolt  Hefelin  des  Eussern  Raths  etc.  vnd  haben  in  crafft 
obgemrltcr  ordming  zu  furderung  vnd  Gnuiines  nutz  in  dj  Eiseu  frühen  gelegt, 
wider  zu  anfang  lurgenomener  Ordnung  laut  der  Zetel  700  11. 

ji)!.  131>.]  Ao.  67.  Seien  zu  Steurhern  furgenomen  her  Georg  Schober, 
Ihuiß  Vischer,  L(M)|i(ilt  llaCclin.  .Marx  Demel,  Thonia  l^enesch  (•?)  vnd  Hanß  Philip 
IMami  vnd  haben  in  iTalTl  oliliemeller  ordnung  vnd  fuderung  Genuiines  >sulz 
in  dj  Kiscii  trüben  gelegt  wider  zu  aufang  furgenouuier  Ordnung  laut  der 
Zetei  diß  jar  nach  1000  11. 


21)  Von  antloror  lliiiid   {icsi'hrirlicn .    dni-cli   (im   vorstcluMKloii    Kiiitnii;-  auf  dieser  Seite 
i.sl  ein  Stricti  gcniiicld. 

22j  Zusatz,  der  vorstehende  Absatz  ist  ebenrails  durclistriclien. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


—     60 


Mit   llol/scliiiitlcii    Ix'kIclHc  Scliaclitclii    und  kästclicii    im  gcrmanisclieii 

II II  se  um. 

ir  lUK'li  in  der  (iog'ciiwai't ,  so  liaitu  man  auch  schon  im  Miltchilter  in 
Joilom  Ilaushallo  das  licfhiil'nis,  eine  Anzahl  Kästciien  und  Schachteln 
/u  hesilzon.  wrh-hc  zur  Aiirbcwahiiing-  aMcr  mfiglichen  Kleinigkeiten 
des  täglichen  Gcbiamlics,  vom  Nähzeug-e  liis  zu  kostbaren  Schmuckgeräten,  zu 
dienen  hatten.  Je  nach  dem  Stande  der  Besitzer  waren  diese  hölzernen  Behält- 
nisse in  g-eringer  oder  g-rüCserer  Zahl  vorhanden,  waren  sie  entweder  von  gänz- 
lich schnuickloscm  Aul'seren  oder  mit  Schnitzereien,  später  auch  mit  Einlag-en 
mit  mehr  oder  weniger  reichem  Beschläge  versehen,  ilann  aber  auch  mit  Dar- 
stellungen in  Elfenbein,  mit  geprcCsten  Messingverzierungen,  mit  in  Blei  ge- 
gossenen, manchmal  vergoldeten  Zierraten  belegt,  oder  namentlich,  wenn  sie 
im  Dienste  ihr  Kirche  zur  Aufbewahrung  von  Reliquien  Verwendung  fanden, 
Ulli  getriebenem,  oft  emailliertem,  mit  edeln  Steinen,  Perlen  und  Filigran  be- 
setztem Edelmetall  auf  das  Kostbarste  ausgestattet.  Einfacherer  Natur  als  diese 
Meisterwerke  der  Goldschmiedekunst  waren  die  Schachteln  und  Kästchen,  welche 
mit  Leder  überzogen  wurden,  in  welche  von  geschickter  Hand  der  schönste 
ornamentale  und  tigürliche  Schmuck  eingeschnitten  oder  herausgetrieben  wurde. 

So  mannigfach  diese  Verzierungsarten  waren,  so  prächtige  Werke  mit 
Hilfe  derselben  gefertigt  wurden,  konnten  sie  wegen  ihrer  verhältnifsmäfsigen 
Kostspieligkeit  doch  nicht  dem  Verlangen  des  einfachen  Mannes  nach  einem  mit 
bunten  Farben  geschmückten,  aber  doch  wolfeilen  Geräte  genügen.  Wir  sehen 
daher  wie  im  15.  und  16.  Jahrhunderte  verschiedene  neue  Techniken  zur  Ein- 
führung gelangten,  um  diesem  Bedürfnisse  zu  entsprechen.  Eine  Hauptrolle 
spielte  dabei  das  Papier,  das  überhaupt  schon  in  früherer  Zeit  eine  vielseitigere 
Verwendung  fand,  als  man  gegenwärtig  anzunehmen  geneigt  ist. 

Man  nennt  unser  Zeitalter  mit  Vorliebe  das  »papierene*^  in  Folge  des 
riesigen  Verbrauches  dieses  Materiales  in  der  Gegenwart  und  besonders  auch 
wegen  der  mannigfachen  Verwendung  des  Papierstoffes  zu  technischen  Zwecken. 
Bei  näherer  Betrachtung  findet  man  aber,  dafs  die  Keime  hierzu,  wie  eine  An- 
zahl von  Gegenständen  in  den  Sammlungen  des  germanischen  Museums  bezeugt, 
teilweise  schon  in  sehr  früher  Zeit  zu  linden  sind.  So  kann  man  als  einen  Vor- 
läufer der  Verwendung  des  Papierstoffes  in  der  Architektur  die  quadratischen, 
aus  Papier  hergestellten,  bemalten  Füllungen  (A.  1530)  betrachten,  in  welche 
ein  Löwenkopf  eingeprefst  ist,  und  die,  noch  gotischen  Charakter  zeigend,  zum 
Schmucke  der  Decke  eines  Hauses  in  der  Winklerstrafse  zu  Nürnberg  gedient 
hatten.  Eine  aus  Papiermasse  geprefste  ovale  Platte  (H.  G.  3969),  welche  reich 
mit  ornamentalen  und  figürlichen  Reliefvcrzierungen  geschmückt  und  bemalt 
ist,  Ijcweist,  dafs  die  Verwendung  des  Papieres  zu  Geschirren  bis  in  die  zweite 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  zurückreicht.  Schon  zu  Beginn  des  15.  Jahr- 
hunderts wurde  die  Papiermasse  zum  Schmucke  von  Kästchen  und  Schachteln 
verwendet;  sie  wurde  in  Formen  geprefst  und  dann  die  Geräte  damit  belegt 
und  bemalt.  Eine  Handschrift  des  15.  Jahrhunderts  in  der  Nürnberger  Stadt- 
bibliothek enthält  eine  Anleitung  zur  Herstellung  solcher  Verzierungen  aus 
Papiermasse,  die  heute  mit  dem  Namen  Papiermache  bezeichnet  wird. 


—    61     — 

Aber  nicht  von  den  Kästchen,  die  mit  dieser  Masse  g-eschmücki  wurden, 
soll  hier  die  Rede  sein,  sondern  von  denjenii>-en ,  welche  mit  kolorierten  Holz- 
schnitten, die  eig-ens  für  diesen  Zweck  geiertii^t  wurden,  beklebt  sind.  Von 
diesen  kleinen  Möbeln  hat  sich  in  den  verschiedenen  Museen  noch  eine  nicht 
unbeträchtliche  Anzahl  erhalten,  und  auch  das  germanische  Museum  ist  im  Be- 
sitze von  11  Stück  derselben.  Sie  gehören  sämtlich  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jahrhunderts  an  ;  wir  müfsten  an  der  Verwendung-  des  Holzschnittes  zu  der- 
artigen Zwecken  in  der  ersten  Hafte  des  16.  Jahrhunderts  zweifeln,  wenn  nicht 


lilätlcr  vorliegen  würden,  die,  wie  selion  die  Limralinuing  erkennen  läfst,  ganz 
sicher  zur  N'erzierung  von  Deckeln  runder  Schachlein  bestiniml  gewesen  waren. 
Der  bekannteste  dieser  Holzschnitte  ist  das  Frauenbad  von  Hans  Sebald  Beham 
(B.  167').  Es  existiert  auch  noch  eine  Menge  kleinerer  Holzschnilte  in  Me- 
(iaillonlonn  aus  derselben  Zeil,  die  leilweise  Bildnisse  fürsllichei-  i'ersonen.  teil- 

1)  Neu  ali^!,r(liu(kl   bei  Dcrschiui    3.  Lit'l". ,    Ahl.  15.   }\v.  S.! ,    wiedorjtjcf^cbL'ii    in    Ilirlhs 
kulturgcschiclill.  ßiitlcrbuche  I,  Nr.  347. 


-     Oi     - 

weise  iiucli  crotisi-he  Darstellungen  cDlliallfn  uiul  /.um  Teil  g'leichfalls  zu  Hans 
ScliaUl  iieliiiiii  in  Beziehung  ge])raclit  werden,  welche  vielleicht  ebenfalls  zum 
Scliiiiuckt'  ruiuler  Schäclilelcheii,  dann  aber  auch  als  Vorlagen  für  die  Verzierung 
VOM  ßrellstciiH'ii  bestininil  waren.  Denn  zu  irgend  einem  ]»rak(ischen  Zwecke 
müssen  diese  Hlättchen  doch  unzweifelhaft  gedient  haben! 

Ebenfalls  in  die  erste  Hälfte  des  IG.  Jahrhunderts  gehört,  und  noch  älter 
wie  das  Frauenbad  von  Beham  ist  ein  nicht  beschriebener  anonymer  Holzschnitt, 
der  sicli  in  den  Sammlungen  des  germanischen  Museums  befindet  (H.  659).  In 
einem  Hunde  sitzt  ein  mit  Kapuze  bekleideter,  bärtiger  Alter,  vor  ihm  steht  ein 
Landsknecht;  sie  halten  das  Zwiegespräch  miteinander,  das  auf  dem  Rande  des 
lilalles  verzeichnet  ist.  Wir  haben  diesen  Holzschnitt  in  Dreiviertel  der  (3riginal- 
gröfse  auf  der  vorhergehenden  Seite  wiedergegeben.  J)ie  Ausführung  des  Schnittes 
wie  die  Mundart  des  Textes  weisen  auf  Alemannien,  etwa  auf  das  KlsaCs  hin. 

Unter  den  (leräten  des  Museums,  welche  mit  den  ausnahmslos  kolorierten 
Holzschnitten  bekleljt  sind,  Ijetindcn  sich  sieben  runde,  hölzerne  Schachteln.  Der 
Durchmesser  derselben  schwankt  zwischen  17  und  36  cm.,  die  Höhe  zwischen  3  und 
13  cm.,  der  Deckel  greift  1,5— 3,3  cm.  über  die  Schachtel.  Eine  achte  Schachtel 
(H.  G.  3r-!6)  ist  oval;  sie  hat  eine  Breite  von  19,3,  eine  Länge  von  30,4cm.  bei 
einer  H()he  von  15,6  cm.  Aufserdem  besitzt  das  germanische  Museum  noch 
zwei  truhenähnliche  Kästchen  mit  Deckel,  welche  eine  Länge  von  20,8,  bezw. 
22  cm.,  eine  Tiefe  von  12,5  und  13,5,  sowie  eine  Höhe  von  9,2  und  10  cm.  haben. 
Lin  drittes  Kästchen  von  25  cm.  Länge  und  16  cm.  Tiefe  (H.  Gr.  4079)  hat  durch 
eine  halbzilindrische  Auflage  auf  dem  Deckel  und  durch  Zinnbeschläge  die 
Form  eines  Koffers  erhalten.  Die  Höhe  dieses  hübschen  Möbelchens  beträgt  18  cm. 

Die  Holzschnitte,  welche  diese  Kästchen  und  Schachteln  zieren,  sind,  wie 
bereits  bemerkt,  zu  diesem  Zwecke  besonders  gefertigt  worden.  Es  erhellt  dies 
daraus,  dal's  Abdrücke  derselben  als  Einzelblätter  nur  sehr  selten,  nur  aus- 
nahmsweise vorkommen,  und  dann  aus  der  sehr  llüchtigen,  oft  recht  rohen  Art, 
in  welcher  die  Holzschnitte  ausgeführt  sind.  Man  sieht,  dafs  sich  der  Künstler 
bei  der  Anfertigung  dieser  Blätter  durchaus  nicht  besondere  Mühe  gab,  dafs 
in  seinen  Augen  für  diese  Schachteln  alles  gut  genug  war.  Als  den  Haupt- 
verfertiger dieser  Holzschnitte  dürfen  wir  Jost  Amman  Ijctrachten,  da  nicht 
aliein  alle  bestimmbaren  Blätter  auf  den  Schachteln  von  ihm  herrühren,  son- 
dern auch  die  nicht  bestimmten,  die  ganz  ähnlichen  Charakter  zeigen,  ihm 
nahe  stehen  dürften,  vielleicht  teilweise  Kopien  nach  seinen  Arbeiten  sind. 

Der  fruchtbare  Meister,  der  um  des  lieben  Broterwerbs  willen  mehr 
Werke  illustrierte  als  irgend  ein  anderer  Künstler,  lieferte  den  Nürnberger 
Schachtelmachern  auch  die  von  diesen  benötigten  Darstellungen,  d.  h.  er  entwarf 
sie ,  und  irgend  ein  Nürnberger  Formschneider  führte  die  Zeichnung  in 
Holzschnitt  aus,  den  ein  Briefmaler  druckte  und  kolorierte  2).  Nürnberg  dürfen 
wir  als  den  Hauptsitz  der  Anfertigung  dieser  kleinen  Möbel  ansehen,  welche 
eben  zum  Nürnberger  Tand  gehörten.  Hier  hatte  ja  auch  Jost  Amman  dauern- 
den Wohnsitz  genommen,  und  zum  Überftufse  ist  in  einem  der  Kästchen  (H.  G. 

2)  Ein  Schachtelmaclier,  Liiihart  rür.slciiliaiicr,  setzte  es,  unterstützt  scheint  es  von  den 
Kauflcuten,  die  des  gesuchten  ModeartikeLs  eifrig  benötigten,  doch  durch,  dafs  er,  entgegen 
dein  Verlangen  der  Bricfmaler,  zum  Anstreichen  und  Malen  der  Schachteln  seihst  Gesellen  und 
Lehrjungen  halten  durfte.     Vgl.  Baader  in  Zahns  Jahrhüchcrn  f.  Kunstwissensch.  I,  228  f. 


—    Ü3    — 

260)  HANS .  SPORL  .  ZV  .  NÜRNBERG  als  Yerfertig-er  genannt.  Verschiedene 
Ang-ehorig-e  der  Nürnberg-er  Familie  Spörl  werden  unter  den  Nürnberg-er  Form- 
schneideru  ang-eiuhrt,  so  1Ö81  Konrud  Spörl,  16iU  Jobst  Spörl  (wahrscheinlich 
Vater  und  Sohn),  1621—1630  Hans  Spörl.  IGlO-KiiM  wird  der  Brieimaler 
Marx  Spörl  genannt^).  Eine  reichg-eätzte  Rüslung  vom  Jahre  1607,  die  mit 
der  Sulkowskischen  Sammlung  in  das  germanische  Museum  gelangle,  trägt 
ebenfalls   den  Namen   Hans   Conrad  Spörel. 

Was  die  Arten  der  Darstellungen  der  Holzschnitte  betritlTt,  die  sich  auf 
diesen  kleinen,  gar  nicht  übel  aussehenden  Möbelchen  linden,  so  können  wir 
sagen,  dafs  unter  denselben,  —  mit  Ausnahme  vielleicht  der  Bildnisse  und  iler 
Darstellungen  historischer  Begebenheiten,  die  sich  im  germanischen  Museum 
wenigstens  nicht  finden,  —  alle  Gattungen  vertreten  sind.  Von  biblischen  und 
religiösen  Darstellungen  ist  Sodom  inul  Gomorrha  zu  nennen,  ein  Holzschnitt, 
der  vielleicht  dem  Jost  Amman  ebenfalls  zugeschrieben  werden  kann,  da  die- 
selbe Schachtel  (H.  G.  324)  noch  mit  11  alttestamentlichen  Szenen,  namentlich 
aus  der  Geschichte  des  Tobias  (Andresen  29—39),  dann  dem  reichen  Manne  und 
dem  armen  Lazarus  (Andr.  42)  und  dem  heiligen  Abendmahle  (Andr.  43),  letztere 
beide  in  einem  grofsen  Rund,  sämtlich  von  Jost  Amman,  geziert  ist.  Diese 
Schachtel  ist  überhaupt  die  reichst  geschmückte  der  ganzen  Sammlung;  während 
die  übrigen  nur  aufsen  überzogen  sind  und  innen  das  blanke  Holz  zeigen,  ist 
bei  dieser  auch  das  ganze  Innere  geschmückt,  in  welchem  sich  die  Holzschnitte 
auch  so  gut  erhalten  haben,  dafs  sie  wie  neu  erscheinen.  Auf  einer  anderen 
Schachtel  (H.  G.  32o)  findet  sich  der  arme  Lazarus  gleichfalls  auf  dem  Deckel, 
während  die  Aufsenwand  der  Schachtel  fünf  Darstellungen  aus  der  Geschichte 
des  Joseph  zeigt,  die  sich  auf  der  ovalen  Schachtel  (H.  G.  326)  wieder- 
holen, auf  deren  Deckel  die  Taufe  Christi  aufgeklebt  ist ;  letzterer  Holzschnitt 
zeigt  ein  aus  A,  J  und  K  gebildetes  Monogramm.  Das  von  Spörl  gefertigte 
Kästchen  ist  gleichfalls  mit  alttestamentlichen  Szenen,  namentlich  die  Geschichte 
des  Propheten  Elias  darstellend,  geschmückt. 

Unter  den  Darstellungen  weltlichen  Inhalts  nehmen  die  im  Freien  sich 
erlustierenden  Gesellschaften,  die  »Wein,  Weib  und  Gesang<(  eifrigst  verehren, 
sich  mit  Liebeleien,  Spiel  und  Tanz  (He  Zeit  vertreiben,  den  ersten  Hang 
ein;  eine  solche  um  einen  Tisch  sitzende  nuisizierende  Gesellschall,  vor 
welcher  der  unvermeidliche  Kühleimer  steht,  wiederholt  sich  und  findet  sich 
nochmals  auf  einem  Deckelboden  (H.  G.  332),  der  von  einer  Schachtel  allein 
übrig  geblieben  und  auf  uns  gekonuncn  ist.  Ebenso  ist  ein  und  tiieselbe  Wild- 
schweinjagd,  ein  Fries  in  der  Weise  der  Jagden  des  Virgil  Solls,  auf  zwei  ver- 
schiedenen Schachteln  (H.  G.  326  u.  328)  zur  Verwendung  gekonunen.  Auf 
einem  Schachteiilcck(;l  sind  je  zwei  BTigen  über  einander  gestellt,  unter  deren 
jedem  wahrscheinlich  je  ein  Tänzer[)aar  sich  bewegt.  Es  läl'st  sich  dies  nicht 
genau  feststellen,  da  die  Schachtel  H.  G.  2.")3,  wie  manche  andere,  st)  schmutzig 
geworden  ist,  dafs  die  Zeichnungen  niclil  mehr  zu  erkennen  sind.  Diese  Schachtel 
ist  im  Inneren  durch  Pap[)deckel  in  Fächer  eingelrill  uinl  difiile.  wie  die  jetzt 
noch  darin  befindlichen  Stolfe  erkennen  lassen,  als  Hausapotheke.  Der  starke 
Geruch,   der   heute   noch    anderen    unserer  Schachteln   beim  OtTnen  entströmt, 


3)  BiiiuliT  in  Zaluis  Jalirliüclicrii   l'iir   Kmist\vis.scnscliai'l   I,  S.  i.il  tV. 


—     ()4     — 

thnitoi  (laniuf  hin,  dafs  dieselben  auch  zur  Aufbewahrung?  von  Gewürzen  und 
Thee  ^ediont   halxni. 

in  das  (i('l)irl  der  Mytholoj^-ie  ^^v.hnvl  das  Llrleil  des  Paris  (H.  G.  828), 
in  das  der  Ailoj>-orien  und  Spollbilder  die  sieben  Weil)er,  die  sich  um  eine 
Mannshose  schlagfen,  ein  Vorwurf,  den  schon  italienische  und  deutsche  Stecher 
(Ic.*;  I."».  .lalirhunderls  znr  Darstell iiiiii'  brachlcn.  Ein  flieg-endes  Band  enthält 
die  darauf  bezüg'liche  Inschrift:  «Ist  das  nil  krigs  genug,  es  schlugen  sie  (!) 
7  weilier  vinb  ein  prüg.  es  wer  auch  meins  fugs  des  duchs.«  Zu  den  Allegorien 
<i-ehi"irl  ein  ebenfalls  noch  auf  der  AuCsenwand  derselben  Schachtel  (H.  G.  330) 
angebrachter  llolzschnill,  der  eine  Mühle  darstellt.  Auf  dem  Spruchbande  steht: 
»Zwey  seltzame  ding  wie  das  kern  ist.  als  fo  gibt  es  auch  mell.«  Zur  Thüre 
bringt  einer  einen  Karren  mit  Narren  herein,  darüber  steht:  »Hie  bring  ichs.« 
Statt  des  Mehls  lallen  auch  wieder  Narren  aus  der  Mühle  heraus.  Ein  dritter 
Holzschnitt  stellt  ein  Liebespaar  dar  mit  einer  schmausenden  Gesellschaft  im 
Hintergrunde.  Das  beigegebeue  Spruchband  hat  folgenden  Inhalt:  »Junger  gsel 
ich  schenck  euch  das  krenczlein       ich  sag  euch  danck  zart  jungfrawlein.« 

Das  Ornament  vertreten  einige  Bordüren ,  von  welchen  eine  zwischen 
Laub-  und  Rankenwerk  Medaillons,  Engel  und  Schwäne  enthält,  eine  andere  aus 
Maskarons  mit  auslaufendem  Blattwerke  besteht.  Diese  Bordüren  wurden  vor- 
zugsweise zum  Überziehen  der  senkrechten  Aufsenwände  der  Schachteldeckel, 
aber  auch  dann  verwendet,  wenn  der  Holzschnitt  auf  der  Aufsenwand  der 
Schachtel  dieselbe  nicht  ganz  bedeckte.  Die  grofsen  runden  Holzschnitte,  wie 
Sodom  und  Gomorrha,  der  arme  Lazarus  und  das  Abendmahl  sind  von  dreifachen 
l^ordüren  eingerahmt,  von  denen  offenbar,  wenn  für  eine  kleinere  Schachtel  ein 
Holzschnitt  gebraucht  wurde,  je  nach  Bedarf  ein,  zwei  oder  auch  drei  Einfassungen 
weggeschnitten  wurden.  Man  wufste  sich  überhaupt  bei  dem  Ausschmücken 
dieser  Schachteln  auf  mancherlei  Art  zu  helfen  und  trug  kein  Bedenken,  das- 
selbe Bild  auch  dreimal  neben  einander  zu  verwenden,  ganz  ebenso  wie  in  den 
Druckwerken  jener  Zeit  ein  und  dieselbe  Darstellung  in  dem  gleichen  Buche 
wiederholt  abgedruckt  wurde. 

Aufser  den  hier  bereits  erwähnten  Holzschnitten  hat  Jost  Amman  noch 
eine  Anzahl  anderer  Schachtelverzierungen  geliefert.  So  den  Tanz  der  Israeliten 
um  das  goldene  Kalb  (Andr.  27),  die  Mutter,  welche  den  Trajan  um  Gerechtig- 
keit anfleht  (Andr.  61),  Belustigungen  von  Standespersonen  im  Freien  (Andr.  7ö), 
die  übel  belohnte  Nachtmusik  (Andr.  7(5),  die  lustige  Gesellschaft  zu  Tisch  in 
einer  Säulenhalle  (Andr.  77)  und  die  Mahlzeit  mit  dem  Lautenspieler  im  Freien 
(Andr.  79).  Derschau  (3.  Lief.,  Abt.  D,  Nr.  33  und  36)  hat  auch  noch  zwei 
kleine  ovale  Schachtelvcrzicrungen  abgedruckt,  deren  eine  die  bekannte  im 
Freien  musizierende  Gesellschaft,  deren  andere  einen  Vogelherd  darstellt,  auf 
welchem  Frauen  den  Männern  nachstellen. 

In  das  17.  Jahrhundert  dürfte  kaum  eines  der  besprochenen  Geräte  hinüber 
reichen ;  die  Kästchen  scheinen  also  bald  wieder  aus  der  Mode  gekommen  zu 
sein,  woran  aber  kaum  der  Rückgang  des  Holzschnittes  in  Deutschland  die  Schuld 
tragen  dürfte.  p]s  scheint,  dafs  der  Geschmack  der  Zeit  sich  den  mit  Wismut- 
malerei geschmückten  Kästchen  zuwandte.  Jedenfalls  dürfen  wir  aber  in  den  Holz- 
schnittschachteln des  16.  Jahrhunderts  den  Beginn  der  heute  in  manchen  Orten 
unseres  Vaterlandes  so  Hervorragendes  leistenden  Kartonagefabrikation  betrachten. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


65     — 


Über  einige  röuiische  («läser  im  geruiaiiisclieii  Nationaliiiiiseuiii. 

ie  Samiiilung-  rüuiischer  Denkmäler,  wie  sie  auf' Gebieten  gefunden  werden, 
die  später  wieder  in  deutschen  Besitz  kamen,  ist  im  germanischen  Museum 
nur  klein.  Die  weite  Entfernung'  von  den  Hauptfundstätten  am  Rheine 
ist  gröfseren  und  billigeren  Erwerbungen  nicht  günstig.  Es  ist  daher  auch 
kein  Wunder,  dafs  die  hiesige  Sammlung  römischer  Gläser  nicht  mit  denjenigen 
der  Museen  am  Rheine,  ja  nicht  einmal  mit  den  der  meisten  dortigen  Privat- 
samndungen  sich  messen  kann.  Und  doch  muCs  zugegeben  werden,  dafs  die 
kleine  Kollektion,  es  sind  etwa  20  Gläser,  aulser  einigen  oft  interessanten 
Scherben,  hochwichtige  Stücke  enthält. 


Die  kostbaren  vasa  diaireta,  jene  Gläser,  wo  das  meist  andersfarl)ige  Über- 
fangglas  mit  dem  Schleifrad  mühsain  ausgeschliffcn  wurde,  und  woran  ein  Ar- 
beiter oft  ein  .lahrzchnt  und  länger  thälig  war.  dihren  hier  allerdings  nicht 
gesucht  werden. 

Aber  einige  Beispiele  jener  pseudodiatretischen  Gläser,  wo  der  Glasmasse 
ein  Netzwerk  oder  dergl.  nur  aufgeschmolzen  wurde,  finden  sich  auch  in  ilieser 
Sammlung.  Das  am  meisten  interessierende  Stück  dürfte  ein  2:2. ;>  cm.  hohes 
grünliches  Standglas  (R.  iilo)  sein  von  grol'ser  Dünne  des  Glases  und,  soweit 
erhalten,  von  nicht  ungefälliger  Form.  Wir  geben  das  Gelafs  in  zwei  Fünflei 
der  Originalgröfse  vorstehend  hier  wieder. 

Um  den  Kern,  das  eigentliche  Glas,  legt  sich  ein  grünbräunliches  Netzwerk 


Mitteiluugeu  aus  dein  gcrmtm.  Natioiialmuscum.     1890. 


IX. 


—    66     — 

aus  paruUel  zu  einander  gezog-enen  Glasfaden,  die  sich  rechtwinkelig-  schneiden. 
Es  läl'sl,  sich  nur  unschwer  verkennen,  es  ist  eine  klare,  aber  auch  erfindungs- 
ariue  Natur,  die  sich  zu  solcher  Arl  Verzierung  verstieg.  Und  kaum  mag  der 
dürltige  Ansatz  zur  Gliederung,  wie  sich  diese  in  der  Verschiedenheit  der 
Zwischenräume  der  unleren,  dem  Hoden  parallel  laufenden  Fäden  und  in  der 
das  N(Uzwerk  nach  oben  ahschlierseiuleii  Kanicn Verzierung  bekundet,  dafür  ent- 
schädigen. Die  Technik  ist  zudem  rechl  unbeholfen,  die  Fäden  sind  nicht  immer 
von  gleicher  Stärke,  und  die  beabsichtigte  Regel mäfsigkeit  ist  auch  nicht  be- 
ständig erreicht.  An  eine  enge  Zusammenstellung  mit  den  teilweise  reizenden 
Formen,  wie  sie  in  der  Westdeutschen  Zeitschrift  II,  Taf.  III,  1  u.  8;  IV,  Taf.  VII,  4 
u.  ü  sich  finden,  wie  Prof.  E.  aus'm  Weerth  im  Bonner  Jahrbuch  1883,  S.  63  ff.,  und 
Froehner,  la  verrerie  autique  S.  71  ff.  sie  nachbilden,  kann  nicht  gedacht  werden. 
Das  Gefäfs  wurde  1886  von  dem  Andernacher  Antiquitätenhändler  Jakob 
Schmitz  bei  seinen  Ausgrabungen  zu  Mayen  einem  Uömergrabe  entnommen. 
Die  Arbeit  ist  somit  zweifellos  römisch  und  wol  die  eines  provinzialen  Glas- 
bläsers, wenn  wir  auch  iliese  Art  Technik  nach  der  Publikation  von  Froehner 
nicht  mehr  auf  die  speziell  gallisch-  oder  germanisch -römischen  Gebiete  be- 
schränken dürfen,  wie  es  im  Bonner  Jahrbuch  LXIV,  S.  17  ausgesprochen  zu 
sein  scheint.  Andererseits  wird  aber  auch  eine  so  geradlinige  Netzverzierung, 
welche  in  dieser  Art  nur  sehr  selten  vorkommen  dürfte,  frei  von  germanischem 
Einllusse  sein,  denn,  wenn  auch  die  Baudverzierung  einer  grofsen  Vorliebe  bei 
den  Barbaren  begegnete,  so  wurde  sie  doch  immer  freier  gehandhabt,  als  vt^ir 
sie  hier  sehen. 

AVeit  gefalliger  in  seinen  Formen,  wie  in  seinen  Bandverzierungen,  die  in 
gleicher  Weise  hergestellt  sein  müssen,  ist  ein  milchweifses  Glas  (R.  429)  mit 
Henkel,  von  13,5  cm.  Höhe,  verziert  mit  weifsen  und  blauen  Linien.  Wenn  auch  nicht 
geradezu  identisch,  zeigt  es  doch  mit  dem  bei  Froehner  a.  a.  0.  Nr.  lOo  abgebildeten 
Gefäfse  eine  überraschende  Ähnlichkeit.  Das  im  hiesigen  Museum  beündliche 
Glas  soll  in  Köln  gefunden  sein,  das  bei  Froehner  abgebildete  betindet  sich  in 
Köln  ;  und  in  Wiesbaden  und  Bonn  werden  ähnliche  Gefäfse  bewahrt,  so  dafs 
man  es  also  mit  einer  sehr  beliebten  Form,  was  bei  deren  Gefälligkeit  nicht  zu 
verwundern  wäre,  zu  thun  hätte;  Kühnere  mögen  wol  gar  auf  eine  gemein- 
same rheinische  Fabrik  schliefsen. 

Da  diese  Band  Verzierungen  an  Gefäfsen  in  der  nachfolgenden  Periode  noch 
eine  grol'se  Rolle  spielen,  und  über  gewisse  Formen  derselben  noch  Kontroversen 
zwischen  den  Autoritäten  dieses  Gebietes  (vergl.  Bonner  Jahrbuch  LXXIV, 
S.  88  f.,  S.  194  f.,  LXXVI,  S.  63  ff.,  Westd.  Z.  VI,  S.  354)  hinsichtlich  der  Zeit,  ob 
sie  römisch  oder  schon  fränkisch  sind,  bestehen,  so  wird  es  nicht  uninteressant 
sein,  zu  erfahren,  dafs  in  den  für  das  Museum  von  Dr.  Mehlis  zu  Eisenberg 
in  der  Rheinpfalz  ausgehobenen  Römergräbern  ein  weifses,  zerbrochenes  Gefäfs 
von  ganz  ähnlicher  Form  und  ähnlichen  Verzierungen  sich  findet,  wie  das  im 
Bonner  Jahrbuch  LXXIX,  Taf.  II,  Nr.  1  abgebildete  Gefäfs.  Prof.  E.  aus'm  AVeerth 
nimmt  für  das  hier  verglichene  Gefäfs  an,  dafs  die  Bandverzierungen  auf- 
geschmolzen, also  später  hinzugefügt  seien  als  der  eigentliche  Gefäfskern.  Karl 
Bone,  der  im  Bonner  Jahrbuch  LXXXI,  S.  49  ff.  die  Gläser  der  Sammlung 
Merkens  in  Köln  einer  Besprechung  unterzieht,  erklärt  diese  Technik  dahin, 
dafs   die  Glasfäden    «vor   dem  Fertigblasen  des  Bechers  aufgelegt,  dann  in  das 


—     67     — 

entstehende  Gefäfs  schmelzend  ehigesunken  shid«,  da  diese  Linien  an  einem  be- 
schriebenen Get'äfse  (Kr.  7)  auch  im  Inneren  als  leichte  Erhebung  fühlbar  sind. 
Auch  für  die  beschriebenen  Grefäfse  des  g-ermanischen  Museums  ist  wol  schlechter- 
dings keine  andere  Erzeugung-sart  denkbar  als  die  des  Aufschmelzens,  wie 
auch  bei  dem  Gefäfse,  welches  Prof.  E.  aus'm  Weerth  Bonner  Jahrbuch  LXXVI, 
Tafel  II,  Nr.  2  abbildet.  Bei  den  übrigen  läfst  sich  aber  aus  einer  blosen  Ab- 
bildung kein  Urteil  gewinnen,  doch  wird  Professor  aus'm  Weerth  wol  mit  seiner 
Annahme  auch  für  diese  Gefäfse  Recht  haben. 


Ebenso  scheint  ein  reizendes  »blaues  Trinkglas«  (G.  F.  362)  erzeugt  zu  sein 
welches  schon  früher  in  den  Mitteilungen  des  germanischen  JSIationalmuseums 
Bd.  I,  S.  172  f.  veröffentlicht  wurde.  Dieses  ist  gleichfalls  mit  einem  Fadennetz 
geschmückt,  das  dem  au  dem  Eisenberger  Glase  in  seiner  Formengebung  ver- 
wandt ist.  Beim  Aufschmelzen  ist  das  Glas  dann  wol  dem  Feuer  zu  lange  aus- 
gesetzt  worden,  so  dafs  die  Fäden  teilweise  stark  ausgelaufen  und  mit  dem 
Glaskerne  stärker  verschmolzen  sind,  als  beabsichtigt  war.  Wir  reproduzieren 
hier  nochmals  die  Abbildung  des  9  cm.  grofsen  Gefäfses.  Es  wurde  in  einem 
alemannischen  Grabe  bei  Pfalheim  gefunden.  Professor  K.  M.  Xurtz  hielt  es 
für  römischen  Ursprungs,  aber  andere  Stimmen  haben  sich  entschieden  für 
einen  germanischen  Fertiger  ausgesprochen. 

Einige  weitere  Gefäfse,  welche  freier  gebildete  Ornamente  haben  (R.  423 
u.  oll),  die  auch  aufgeschmolzen  sind,  übergehen  wir,  weil  sie  höchstens  die 
Vielheit  der  schon  bekannten  römischen  Gläser  nur  noch  mehr  illustrieren  dürften. 
Eines  von  diesen  gleicht  überraschend  dem  bei  Froehner  a.  a.  0.  Nr.  84  abge- 
bildeten Glase.  Auch  die  sogen.  »Thränen-Krüglein«,  und  einige  kleinere  Am- 
phoren dürften  nicht  wesentlich  Neues  bieten. 

Als  die  Perle  der  hiesigen  Sammlung  mufs  aber  w(»l  das  Geflifs  mit  dem 
Doppelgesichte  einer  Frau,  —  der  Charakter  des  dargestellten  Kopfes  ist  freilich 
nicht  mit  absoluter  Sicherheit  anzugeben,  —  ausgesprochen  werden.  (R.  ö09.) 
Die  Hiihe  des  umstehend  in  -5  der  OriginalgröCse  abgvliildeten  Glases  be- 
trägt 24,5  cm.,  der  grüfste  Durchmesser  11  cm.  Das  Material  ist  ein  grün- 
licher Glasllufs.  Das  Glas  wurde,  wie  die  Nähte  zwischen  den  Ohren  der  beiden 
Gesichter  kiiiid  Ihun,  in  eine  Form  geblasen.  Jakob  Schmitz  in  Andernach  fand 
es  gleich  dem  erslcn  von  uns  beschriebeneu  Gefäfse  bei  seinen  AurdtH-kungen 
zu  Mayen.  Die  Gesichtsbildung,  die  Haartracht  bekunden  augenscheinlich 
römische  Arbeit. 

Schon  griechische  Töpfer  hatten  gern  ihren  Werken  die  Form  wirklicher 
Naturgegenstände  gegeben,  und  auch  die  Doppelköpfe  sind  unter  der  Fülle  ihrer 
Gefäfsformen  nicht  selten  (vergl.  nur  Jaciiuemart,  hisloire  de  la  ceraniique, 
Paris  1873.     Blümner,   das   Kunstgewerbe    im   Altertum,    Leipzig -Prag    1885, 


—    68     — 

I,  S.  71  If. I.  I)i(^  i-rtmis(3ho  Well  hat.  diese  Formen  bei  der  wachsenden  Technik 
auch  in  iHe  Ulasindustrie  ein^-etührt.  SUide  ,  cataloguc  of  the  collection  of  glass, 
London  1871,  bildet  S.  29  in  Tafel  V,  4  zwei  7\nipullen  ab,  die  eine  mit  einem 
einziehen  Gesichte,  die  andere  mit  einem  Doppelg'csichte ;  er  bezeichnet  sie  als 
rt'unisch- ägyptische  Arbeit,  was  mindestens  bei  dem  Getafse  mit  dem  Doppel- 
g-esichte  unzweiCeliiaft  ist.  Allein  bei  diesen  beiden  Beispielen  treten  die  Gesichte, 
ohwol  Hochrelief.  no(^h  gegen  die  seitlich  hervorquellende  fjlasmasse  zurück. 
Tafel  \'l,  I  gibt  Slatle  die  Abbildung  eines  mattgrünen  Gefäfses,  welches  in  seiner 
Gesamtheit  den  Kopf  eines   »youthlul  Afrikan«    (also  eines  Negers)  mit  steifen 


Locken  und  Kpheukranz  um  die  Stirn  darstellt.  Froehner  a.  a.  0.  S.  60  f. 
führt  eine  Reihe  weiterer  Glasgefäfse  mit  solchen  Darstellungen  an,  und  die 
Fundorte  lassen  keinen  Zweifel,  dafs  diese  Vorwürfe  im  ganzen  römischen  Welt- 
reiche Geltung  hatten.  Froehner  bemerkt  übrigens,  dafs  das  Doppelgesicht  der 
Medusen  am  häufigsten  Verwendung  gefunden  habe,  und  dafs  Vasen,  welche  nur 
einen  Kopf  darstellen,  sich  seltener  fänden  als  solche  mit  Doppelgesichten  oder 
mehreren  Köpfen. 

Grofse  nahe  Verwandtschaft  weist  mit  unserem  Gefäfse  ein  bei  Froehner 
Nr.  83  abgebildetes  Glas  auf,  welches  zu  Saint  Mainsuy  bei  Toul  aufgefunden 
wurde  und  einen  doppelten  Kinderkopf  darstellt. 


—    69    — 

üafs  auch  an  der  g-eriuanisehen  Grren/e  diese  Darstellung'eu  nicht  unbe- 
hebt  waren,  zeigen  die  hier  gemachten  Funde.  So  rührt  aus  einem  Kölner 
Grabe  eine  Glasflasche,  ein  »fratzenhaft  verzerrtes  Gesicht  mit  g-rofsen  Backen- 
knochen« vorstellend,  her,  welche  in  der  Westdeutschen  Zeitschrift  VI,  Tat.  VII,  1 
publiziert  wurde,  und  eine  völlig-  gleiche  wurde  bereits  früher  zu  Köln  auf- 
gedeckt, welche  das  Bonner  Jahrbuch  VI,  Tafel  V — VI  bringt.  Zu  Trier  wird  ein 
in  der  Nähe  ausgegrabenes  Glas  mit  Medusenhaupt  auf  jeder  Seite  bewahrt  (vergl. 
Westd.  Z.  II,  Tafel  XI).  Und  in  Worms  wird  neben  einigen  anderen  Gefäfsen 
dieser  Art  auch  eines  gezeigt,  welches  dem  unseren  ganz  und  gar  gleichen  und 
aus  derselben  Form  stammen  soll;  dieses  ist  noch  völlig  intakt.  Immerhin  gehören 
die  Gefäfse,  welche  einen  Kopf  vorstellen,  zu  den  Seltenheiten  ;  aber  es  liegt  kein 
Anlafs  vor,  anzunehmen,  dafs  alle  diese  Gläser  etwa  über  die  Alpen  gekommen 
seien.  Dem  provinzialen  Glasbläser  werden  solche  Vorwürfe  wol  gerade  so 
nahe  gelegen  haben,  wie  dem  provinzialen  Töpfer,  der  so  gern  seine  wunder- 
lichen Gesichtsurnen  formte. 

Von  sonstigen  Gefäfsen  in  Naturformen  hat  die  hiesige  Sammlung  nur 
noch  ein  weifses  Glas,  welches  eine  Weintraube  darstellt.  (R.  211.)  Es  war  die 
Traube  ein  sehr  beliebter  Vorwurf  der  rheinischen  Glasbläser;  so  bewahrte 
die  ehemalige  Disch'sche  Sammlung  (Bonner  Jahrbuch  LXXI,  Tafel  VI)  zwei 
solcher  Gefäfse,  welche  als  »hervorragende  Werke  der  Formbläserei«  von  Pro- 
fessor aus'm  Weerth  bezeichnet  werden.  Auch  die  Merkenssche  Sammlung  birgt 
ein  solches  Glas,  welches  in  Köln  gefunden  ist.  An  dem  letzteren  befindet  sich 
zwischen  den  Henkeln  eine  erhöhte  Linie,  welche  auf  eine  zweigeteilte  Form 
hinweist,  in  welche  das  Glas  geblasen  wurde.  Diese  Gefäfse,  welche  zweifellos 
alle  aus  deutschen  Gegenden  stammen,  —  das  hiesige  soll  auch  zu  Köln  ge- 
funden sein,  —  haben  eine  grofse  Ähnlichkeit  mit  einander,  sie  sind  alle  zwei- 
henkelig,  ihre  Grofse  ist  annähernd  gleich,  sie  beträgt  iSV-jcm.,  resp.  17^2  und 
17  cm.  Das  hiesige  mifst  17  cm.  und  ist  zweifellos  auch  in  eine  Form  geblaseli, 
wenn  gleich  keine  Nähte  zu  sehen  sind. 

Schliefslich  mag  noch  auf  zwei  grofse  Gefäfse,  die  ganz  gleicher  Form  sind, 
hingewiesen  werden.  (Li.  ili2  u.  1213.)  P]wier  \veitläutig(Mi  Beschreibung  glauben 
wir,  uns  überheben  zu  können,  da  eine  prächtige  Abbildung  dieser  Gattung  bei 
Froehner  Tafel  XXIV  sich  findet.  Fs  sind  zwei  Graburnen  mit  Deckel  und  zwei 
Henkeln  aus  grünem  Glase,  das  nun  stark  irisi(M'l ;  die  Höhe  beträgt  34cm.  (resp. 
33,7  cm.),  der  grölste  Duichmesser  27  cm.  (resp.  27  cm.).  Gegenüber  der  bei 
Froehner  wiedergegebenen  Urne  besitzen  die  hier  licijndlichcn  eine  gröfsere 
Höhe  und  eine  weit  gröfsere  Breite.  Die  Urnen,  welche  von  Bürgermeister 
Thcwall  in  Köln  oi'stand(Mi  wurden,  sind  wol  provinzialen  Ursprungs,  wenn 
gleich  auch  Italien  solcht^  fertigte.  Froehner  lieinerkl  hieiiiber  a.  a.  (>.  S.  80: 
»Die  GraburiH3  mit  bald  kreisrundem,  bald  cyliiulrischem,  bald  eckigem  Bauch 
erreicht  oft  gewaltige  Formen.  Man  findet  deren  viele  in  England,  die  Gräber 
Galliens  und  der  Rheinlande  haben  Überniils  daian.  aber  ich  glaube  nicht,  dafs 
Grieclieiilaiid  iiihI  der  (»lienl  Jemals  eiru.'  einzige  geliefert  haben  Um  die  Er- 
haltung des  Glases  zu  eiiniigliclieii,  setzte  man  sie  in  eine  Sleinkiste  oder  einen 
Bleiverschlufs;  einigenuile  ist  es  auch  nur  eine  einl'iiclie  Terrakottavase  oder 
ein  gemauertes  Steinwerk,  welches  den  Schulz  gewährt.  Der  Bauch  der  Urne 
ist  oft  hohl  und  mit  Sand  gefüllt.     Der-Deckel  ist  in  Glas  oder  Blei  eingesetzt.« 


—     70     — 

Es  wird  hiernach  nidil  verwiirulern,  dafs  in  der  Disch'schen  Sammlung:  drei 
Exem|)hire  solcher  Urnen  sich  hefanden,  welche  wol  meist  aus  Köln  oder  der 
Umg-egcnd  slanimlen  (vergl.  Catalogue  de  la  'collection  de  feu  Charles  Damian 
Disch  Oll.  .1.  .M.  Heherle-[Lempertz  Söhne]  Colog-ne  18H1).  Die  Merkenssche  Samm- 
lung- hat  sog-ar  acht  solcher  Urnen,  von  denen  eine  im  Bonner  Jahrbuch  LXXXI 
abgebililet  ist.  Diese  stammt  aus  Trier,  wo  sie  g;efnnden  ist,  und  gleicht  sehr 
der  unseren,  wenn  schon  der  Deckelaufsatz  abweichend  ist.  Beachtung  verdient 
vielleicht,  dafs  sowol  die  bei  Froehner,  wie  die  eine  im  Bonner  Jahrbuch  aus 
der  Merkensschen  Sammlung-  abgebildete  Urne  die  gleiche  Henkelbildung  haben, 
nämlich  umgekehrt  w- förmig,  und  dafs  unsere  zwei  Gefäfse  diese  Eigenschaft 
teilen.  Von  den  in  der  Merkensschen  Sammlung  befindlichen  acht  Urnen  haben 
nui-  zwei  diese  Henkel,  und  wie  die  abgebildete  stammt  auch  die  andere 
Urne  mit  dem  umgekehrten  w- Henkel  aus  Trier.  Die  übrigen  sind  aus  Köln, 
Mainz  und  Italien.  Von  den  Urnen  der  Disch'schen  Sammlung  haben  zwei  diese 
gedoppelten  Henkel.  Die  Höhe  der  Urnen  in  den  fremden  Sammlungen  schwankt 
zwischen  16*2—38  cm. 

Nürnberg.  Ernst  Gasner. 


Nürnberger  Büchsenmeistor,   Bücbsouscliiiüede   und   Fenerschlossmacher 

des  16.  Jahrhunderts. 

jra  Anschlüsse  au  die  Verzeichnisse  von  Namen  Nürnberger  Künstler  und 
der  Kunst  nahestehender  Handwerker,  welche  wir  dem  der  Bibliothek 
^^^  des  germanischen  Museums  angehörenden  Totengeläutbuche  von  St. 
Sebald  (Nr.  6177.  2.)  entnommen  und  an  dieser  Stelle  veröffentlicht  haben,  geben 
wir  aus  derselben  Handschrift  nachfolgend  die  Namen  einer  Anzahl  von  Per- 
sonen, die  sich  im  16.  Jahrhunderte  in  Nürnberg  mit  der  Herstellung  von 
Geschützen  und  Gewehren  oder  einzelner  Teile  der  letzteren  befafsten. 

Nicht  mit  der  Anfertigung,  sondern  mit  der  Benützung  und  dem  Ge- 
brauche der  fertigen  Waffen,  hatten  sich  die  Büchsenmeister  zu  beschäf- 
tigen, die  meist  in  allen  technischen  Künsten  wol  erfahren  waren.  Von  diesen 
sind  drei  in  der  genannten  Handschrift  erwähnt. 

Hyrsl)ach,   Bernhard,  f  15:27. 

Götz,   Mathos,  vor  Plassenbui'g  ersctiossen  1534'). 

Rennck,  Setiald,  zu  Hafsfurt  f  1S54. 

Den  Büchsenmeistern  folgen  in  unserer  Handschrift  chronologisch  zuerst 
die  Büchsenschmiede,  welche  sich  vorzugsweise  mit  der  Herstellung  der 
eisernen  Handfeuerwaffen  beschäftigt  haben  dürften.  Als  Büchsenschmiede 
oder  Witwen  solcher  werden  genannt : 

Rosner,  Linhardt,  bei  dem  neuen  Salzhaus,  f  1S43. 

Rösnerin,   Katharina  Hans,  beim  innern  Lauferthor,  f  1548. 

II II -II  er,    Peter,  vor  dem  innern  Laui'erlhor.  f  1557. 

1)  Der  in  Ileilmanns  Kriegsgeschichte  von  Bayern,  Franken,  Pfalz  und  Schwaben  von 
1506 — 1651  (München  1868)  I,  S.  140  erwähnte  Büchsenmeister,  der  am  24.  November  1553 
vor  Plassenburg^getötet  wurde,  kann  dieser  Mutlies  Götz  nicht  wol  sein,  da  dieser  unter 
den  zwischen  dem  15.  Mai  und  18.  September  1553  zu  Nürnberg  Verstorbenen  ange- 
führt wird.  « 


—    71     — 

Roßner,   Hans,  f  1357  S8. 

Woflyii  (Wölfin?),    Anna  Hans,  die  Elter,  Wittfraw.  f  1558  59. 

Rcßnerin,  Katharina  Hans,  auf  dem  Laufer  Platz,  f  1358  59. 

Rosner,   Jörg,  aufm  Platz,  f  1559. 

Paur,   Cuntz.  f  1560. 

Straufs,   Hans,  am  Spitzenberg,  f  156061. 

Herder,   Sebald,  der  Elter,  beim  Frauenthor.  f  1563. 

Letzterer  wird  nicht  nur  als  Büchseuschmied,  sondern  auch  als  ßüohseu- 
g'iefser  bezeichnet,  was  sein  Sohn  ebenfalls  war.  Von  Büchseug-iefsern  wer- 
den in  dem  Toteug-eläutbuche  überhaupt  nur  Angehörige  der  Familie  Herder 
genannt.    Aufser  dem  älteren  Herder  noch: 

Hirderin,   Barbara  Sebald.  Puchsengiefserin  beim  Frauenthor.  |  1555. 

Herder,    Sebald,  der  jünger,  Puchsengiefser  beim  Frauenthor,  f  1559. 

Trotz  der  abweichenden  Schreibweise  ist  erstere  vielleicht  als  die  Frau  des 
älteren  Sebald  Herder  anzusehen,  der  also  Frau  und  Sohn  ins  Giab  hätte  sinken 
sehen.  Die  Familie  Herder  hatte  sich  schon  früher  mit  dem  Geschützvvesen  befafst, 
denn  bereits  lo23  wurde  der  Zeugmeister  Matern  (Marteu  ?)  Herder  von  der 
Stadt  Nürnberg  samt  mancherlei  Geschütz  dem  Schwäbischen  Bunde  geliehen '). 
Noch  jetzt  existierende  Werke  der  Herder  sind  uns  nicht  bekannt  geworden. 
Über  ein  wol  untergegangenes  Stück  haben  wir  eine  freundliche  Mitteilung-  von 
Herrn  kgl.  sächs.  Archivrat  Dr.  jur.  Th.  Distel  zu  Dresden  erhalten;  unter  den 
Geschützen  nämlich,  welche  bei  der  Feuersbruust  zu  Dresden  im  Jahre  1601  an- 
geschmolzen wurden,  fand  sich  auch  eine  Arbeit  von  Sebald  Härter  (Hertter, 
Herder)  aus  Nürnberg  vom  Jahre  1538:  eine  Nürnberger  Kartaune,  welche 
20  Pfd.  Eisen  schofs  und  deren  Rohr  51  Ztr.  31^2  Pfd.  wog.  (Kgl.  S.  Haupt- 
staatsarchiv: Locat.  14  566  f  sub  j-j-f  Bl.  1.)  Heilmann  gedenkt^)  in  seinem 
Werke  verschiedener  Geschütze,  die  1554  Sebald  Hurter,  Büchsengiefser  zu 
Nürnberg,  gegossen  hat.  Sollte  hinter  diesen  Hurter  unser  Herder,  Härter 
stecken?  Oder  gab  es  auch  noch  einen  Büchsengiefser  Sebald  Hurter,  dessen 
Frau  etwa  die  1555  verstorbene  Barbara  Hirderin  gewesen? 

Obgleich  unser  Totengeläutbuch  bereits  mit  dem  Jahre  1518  beginnt, 
kommt  in  demselben  doch  erst  im  Jahre  1543  der  erste  Büchsenschmied  vor, 
während  der  letzte  einen  solchen  betreffenden  Eintrag  vom  Jahre  1563  her- 
rührt, das  Verzeichnis  aber  doch  bis  1572  fortgeführt  ist.  Noch  später  als  die 
Büchsenschmiede  erscheinen  in  demselben  die  Feuerschlofsmacher,  von  welchen 
1554  zum  ersten  Male  einer  angeführt  wird.  AVie  man  aus  dem  nachfolgen- 
den chronologischen  Verzeichnisse  ersehen  wolle,  waren  sie  zahlreicher  als 
die  Büchsenschmiede,  die  von  1563  an  den  Feuerschlofsmacheru  vollständig 
Platz  machen. 

Als  Feuerschlofsmacher  werden  in  dein  Tolengeläutbuche  verzeichnet: 

Wonsitzer,    Heinrich,  an  der  obern  Sciimidgaß.     f  1554. 

Stre  itor,    Hans,  f  1564. 

P  reu  sin,   Elisabeth  Wolf.  |  1565. 

Reinhart,   Hatis,  in  der  liitilern  Beckschlagergaß.   ]■   1565. 

Jlcsull,   Zachai'ias,  an  dn-  l'ecksfhlagergaß.  f  1507.  , 

Denl/.lin.    Anna  Hans,  iiirilcr  S.  Laurenzen,  f  1567. 

2)  Vgl.  Quellen  z.  Geschichte  der  FcuirwalTeii  S.  (i(i.  Anzeiger  f.  Kdc  d.  d.  Vorzeil 
1866,  Sp.  3  und  4.  3)  a.  a.  0.  S.  .-557. 


—     72     — 

Schot,   Hans,  unter  der  Vcsten.  f  1569. 

Sewseriii,   Elisabet  Quirinus,  am  Spitzenborg,  f  1569. 

Sto  ji  I  cri  n  ,    Ursula  Wolf,  an  der  Carloii.sorp:asst'n.  f  loG9  70'). 

Dentzlin,   Anna  Hans,  an  S.  Katharina  Graben,  f  1570. 

Seh  erb,   Hans,  aufm  Laufer  Platz,  f  1572. 

Wie  iimii  sieht,  wiiieu  diese  Feuerschlolsniacher  zu  nicht  gering-em  Teile 
in  denselben  alten,  nicht  weit  von  der  ]\yivp:  g-cleg-enen  Gassen  sefshait,  in 
welchen  auch  der  gröfste  Teil  der  Plattner  seinen  Wohnsitz  hatte.  Vielleicht 
halte  sich  mit  der  fortschreitenden  Vervollkoninmung-  der  FeuerwafTen  ein  Teil 
der  Phitlner  gerade  auf  die  Herstellung-  der  ihre  Erzeugnisse  allmählich  über- 
llülsig-  machenden  Jiüchsen  geworfen,  da  nach  Baader'^)  das  Büchsen-  und 
FeuerschloCsmachen  zu  Nürnberg  im  1(5.  Jahrhunderte  eine  freie  Kunst  war, 
also  von  allen  Denjenigen  getrieben  werden  durfte,  die  kein  anderes  Gewerbe 
hatten  und  sich  bei  den  Behörden  als  Büchsen-  oder  Feuerschlofsmacher  an- 
gemeldet hatten.  Sie  hatten  keine  Handwerksordnung,  durften  ihre  Arbeiten 
ungehindert  verkaufen  und  Handel  damit  treiben,  mufsten  aber  ihre  Büchsen 
zum  Beschiefsen  und  Zeichnen  in  die  Schau  bringen. 

Aufserdem  findet  sich  in  der  fraglichen  Handschrift  noch  der  Büchsen- 
macher Simon  Helm,  wohnhaft  an  der  äufsern  Laufergasse,  der  1567  starb, 
verzeichnet,  während  seine  Frau  Anna  bereits  1366  gestorben  ist.  Weitere 
Personen ,  die  mit  der  Anfertigung  von  FeuerwafTen  sich  beschäftigt  hätten, 
waren  in  dem  Kodexe  nicht  zu  finden,  wenigstens  waren  sie  nicht  als  solche 
bezeichnet. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 

Albrecht  Dürer  als  Nachbar. 

S^s^^er  grofse  Künstler,  von  dessen  Schaffensdrang,  unermüdlichem  Fleifse 
y  ^y J  und  Zeitausnützung  seine  zahlreichen  Werke  lautes  Zeugnis  geben,  fand 
.C64— <^/  dennoch  Zeit  zu  kleinen  Gefälligkeiten,  wie  sie  ein  guter  Nachbar  gerne 
dem  anderen  erzeigt.  Einen  Beleg  hiefür  bildet  eine  Urkunde  im  germanischen 
Museum  vom  12.  Mai  1519  (Perg.-Urkunden  Nr.  7758),  in  welcher  Ritter  Hanns 
von  Obernitz,  Schulthcifs,  und  die  Schötfen  der  Stadt  Nürnberg  bestätigen,  dafs 
Margreth,  Heinrich  Recken,  des  Becken  und  Bürgers  hinterlassene  Wittib, 
üuntzen  Süsßner  dem  Becken  und  Margretha  seiner  Ehewirtin,  ihre  Behausung 
bei  dem  Thiergartner  Thor,  zwischen  Hannsen  Amman  und  Hans  Duckel  Schu- 
sters Häusern  gelegen,  um  335  fl.  rheinisch  verkauft  habe.  Als  sonderlich  ge- 
forderter und  erbetener  Zeuge  dieses  Geschäftes  wird  Albrecht  Durer  neben  Jörg 
Winckler  genannt,  und  zwar  wird  Dürer  ohne  jedes  Prädikat  und  erst  nach 
Jörg  W^inckler  angeführt.  Das  Eintreten  Dürers  ist  also  als  etwas  ganz  Selbst- 
verständliches betrachtet  worden.  Da  alles  was  Dürer  betrifft,  oder  zu  ihm  in 
Beziehung  steht,  von  allgemeinem  Interesse  ist,  so  glaubten  wir,  auch  diesen 
kleinen  Zug  hier  mitteilen  zu  sollen. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


4)  Baader  berichtet  in  Zahns  Jalirbüclicrn  für  Kunstwissenschaft  I,  S.  256   von    einem 
Nürnberger  Büchsenfasscr  Hans  Stopler. 

5)  Zahns   Jalu'b.    f.  Kunstwissensch.  I,    257,    woselbst    auch    nocli  verschiedene,   hier 
nicht  vorkommende  Büchsenschmiede  und  Büchsengiefser  verzeichnet  sind.  \ 


—    73    — 

Die  kaiscriirkuudcu  des  geriiiauischeii  iVatioualuiuseuuis. 

III.  *) 
Vom    luterrcg-num    bis    zum    Tode   Ruprechts.      1256—1410. 

jie  Bespreclmug-  der  Kaiserurkundeu  des  g-ermauischen  National museuins 
ist  in  zwei  Abteilungen  (S.  3  ff.  und  30  ff.  dieses  Jahrg-ang-es)  ^)  bis  zum 
Schlüsse  der  staulischen  Periode  g-eiuhrt  worden.  Als  dritte  Abteilung 
war  ursprüng-lich  die  Zeit  «vom  Interregnum  bis  auf  unsere  Zeit«  iu  Aussicht 
genommen  worden.  Jedoch  die  Wahrnehmung,  dafs  in  späterer  Zeit  die  Fülle 
des  Materials  stetig  steigt,  sein  historischer  wie  sein  Seltenheitswert  dagegen 
im  selben  Mafse  abnimmt,  mufste  eine  Beschränkung  der  gestellten  Aufgabe 
nahelegen.  Die  in  ermüdender  Fülle  und  Eintönigkeit  wiederkehrenden  Lehens- 
briefe, Konfirmationen,  Mandate,  Wappenbriefe  des  16.— 18.  Jahrhunderts  ver- 
mögen in  ihrer  Bedeutung  den  Vergleich  mit  den  urkundlichen  Zeugnissen 
früherer  Zeit  eben  so  wenig  auszuhalten,  wie  die  leeren  Schatten  und  Theo- 
rieen  des  späteren  Reichsrechts  mit  der  lebendigen  Macht-  und  Kraftfülle  des' 
älteren  Kaiser-  und  Königtums.  Das  urkundliche  Material  ist  ein  getreuer 
Spiegel  der  reichsgeschichtlichen  Eutwickelung. 

Allerdings  kann  eine  solche  von  subjektiver  Wertschätzung  ausgehende 
Abgrenzung  unserer  Aufgabe  keine  objektive  Geltung  beanspruchen  und  bleibt 
dem  Vorwurfe  der  Willkürlichkeit  ausgesetzt.  Indessen  wenn  wir  unsere  Be- 
sprechung bis  zum  Ende  Maximilians  I.  und  zur  Wahl  Karls  V.  führen,  so  fehlt 
es  doch  hierfür  nicht  an  innerer  Berechtigung.  Das  Ende  der  alten  Reichs- 
verfassung, die  Umwandlung  der  kaiserlichen  Gewalt  kann  mit  dem  Augen- 
blicke als  unwiderruflich  entschieden  und  besiegelt  gelten,  wo  das  römische 
Kaisertum  deutscher  Nation  mit  der  spanischen  Monarchie  in  eine,  wenn  auch 
nur  vorübergehende  Verbindung  trat,  und  gleichzeitig  die  Reformation  dem 
deutschen  Territorium  Aufgaben  und  Ziele  erölt'nete,  bei  deren  Verfolgung  sein 
Gegensatz  zur  Zentralgewalt  immer  schärfer,  immer  unversöhnlicher  wer- 
den mufste. 

Dagegen  ist  die  Scheiilung  innerhalb  dieser  vom  Interregnum  bis  zur 
Wahl  Karls  V.  reichenden  Periode  mit  dem  Tode  Rui)rechis  alleriliiigs  eine  rein 
äufserliclie.  Einen  inneren  AbsclmiLL  iu  dem  Kanzlei-  und  Urkundenwesen 
des  Reiches  bildet  derselbe  nicht. 

Darstellungen  des  Urkundenwesens  unserer  Epoche  bietet  aul'ser  den 
einschlägigen   Abschnitten    in    Bresslaus    »Handbuch    der    Urkundenlehre«-) 

*)  In  der  Person  dos  Boarhcitt'rs  dieser  Aursät/c  liat  seil  der  WTonViiliicIiuii^i-  dos 
II.  durch  Auslritl  des  Dr.  Kciidinei-,  an  (iesseii  Stelle  Dr.  Weiidl  nclreleii  isl,  ein  Weelisel 
slullgerundin      Die  Red. 

\)  Zu  diesen  Al)leiluiij;en  isl  zu  liemerken,  dafs  die  Sliickc  9,  10  und  12,  welche  der 
iieruustjeber  derselhen  als  bisher  unhekannl  ho/.oichnel  halle,  beroils  gedruckt  sind,  und 
zwar  Nr.  9,  Urkunde  Heinrichs  IV.  für  den  JJischof  von  Verduii  vom  12G.  April  1057,  in  '.Mit- 
Icilungen  des  Instiluls  inv  österreichische  Geschichtsforschung«  VII,  459,  Nr.  10,  L^rkunde 
Friedrichs  I.  ü\v  das  Kloster  lirondolo  vom  1.'?.  August  1102,  und  Nr.  12,  Urkunde  Hein- 
richs VI.  für  dasselhc  Kloster  vom  2r?.  FtduMiar  1191,  in  «INeues  Archiv  der  Gesellschaft 
für  ältere  deutsche  Geschichtskunde«  Bd.  XI,  S.  390  IL 

2)  Namentlich  S.  59  IT.,  109  IT.,  381—419. 

Mitteilungen  aus  dem  geniiau.  Nalluiialiauäeum.     ISDO.  X. 


—     74    — 

für  die  Luxcniburg-ischen  König-e  und  Kaiser,  namentlich  das  Werk  Lind- 
ners "Das  Urkundeiiwesen  Karls  IV.  und  seiner  Nachfolger« ,  so  dal's  unsere 
Darstellung  sich  uiil'  die  bei  den  einzelnen  Urkunden  sich  ergebenden  Be- 
iiiiMknnii'i'ii  lieschrilnken  kann. 

A.    Das  Interregnum.    1256—1273. 

19.  Kine  Uriginahukuiide  der  Könige  jener  Zeil  besiLzl  das  M'useuni  nicht, 
nur  eine  deutsche  Übersetzung  des  Privilegs  König  Richards  für  das  Stift  zu 
Worms,  betrclfend  Ungeldfreiheit,  vom  20.  April  12ü9.  Dieselbe  ist  gedruckt 
(nach  einer  Konlirmation  des  Kaisers  Mathias  vom  16.  Oktober  1613)  bei  Lünig, 
))Reichsarchiv((  XXI,  1314,  ferner  ))Monumenta  Germaniae«  Leges  II,  382, 
Boos,  »Urkundenbuch  der  Stadt  Worms«  I,  223,  Nr.  346;  Regest  bei  Böhmer, 

•  .  Reg.  Richards  Nr.  111.  In  unserer  Übersetzung  bildet  die  Urkunde  einen  Teil 
der  Konlirmation  Karls  IV.  für  Bischof  Dietrich  von  Worms  vom  24.  Juni  1364. 
(Vgl.  diese,  Nr.  51.) 

B.    Rudolf  von   Habsburg.    1273—1291. 

20.  1274  April  21,  Rothenburg  o.  T.  König  Rudolf  gebietet  seinem  Vogte  Ulrich 
zu  Crenkingen-"'),  zu  Ercingeu  ^)  keine  neuen  Zölle  zu  erheben.  —  Orig.  Perg. 
Auf  der  Rückseite  Siegelreste. 

Dieses  kleine  Mandat,  ebenso  wie  das  folgende,  an  Inhalt  und  Form  ihm 
ähnliche,  fehlt  bei  Böhmer;  beide  scheinen  bisher  unbekannt  zu  sein.  Gestalt 
(23  cm.  Breite,  10  cm.  Höhe  und  24  cm.  Breite,  9,5  cm.  Höhe)  und  Schrift  beider 
sind  gleich,  ebenso  das  Siegel.  Dieses,  ein  braunes  Wachssiegel,  ist,  soweit  die 
vorhandenen  Reste  erkennen  lassen,  mit  dem  bei  Heffner  »Die  deutschen 
Kaiser-  und  Königssiegel«  S.  17  des  Textes  unter  Nr.  75  beschriebenen,  auf 
Tafel  Vll  unter  Nr.  60  abgebildeten  Siegel  Rudolfs  identisch. 

Rudolfus  dei  gratia  Romanorum  rex  seraper  augustus.  aduocato  suo  in 
Crenkingen.  Vlrico.  gratiam  suam  |  et  omne  hon  um.  Iuris  est  regula  appro- 
l)ata  ne  id.  nostro  nomine  tleri  patiamur.  a  quo  alios  ex  regiminis  |  nostri 
debiLü  prohibere  tenemur.  Cum  igitur  vniuersis  regui  nostri  subditis  iu- 
iusta  thelonia  et  inconsueta  |  necessario  duxerimus  prohibenda.  ea  si  nostro 
nomine  pateremur  recipi  foret  incouueniens.  et  iudicaretur  indignum.  |  Quare 
tibi  sub  obtenlu  gratie  nostre  precipimus  llrmiter  et  districte.  quatinus  in  villa 
•  Ercingen.  debitis  antiquis  |  et  approbatis  theloniis  sis  contentus.  ultra  a  trans- 
euntibus  nichil  cxigas  vel  requiras.  si  nostre  maiesta  i  tis  offensam  volueris 
euitare.     Datum  Rodenburch  XI  kal.  Mail  regni  nostri  anno  primo. 

21.  1274  April  21,  Rothenburg  o.  T.  König  Rudolf  gebietet  seinem  Vogte  zu  Ensis- 
heim  ^),  keinerlei  Zölle  und  Steuern  zu  erheben.  —  Orig.  Perg.  Auf  der  Rück- 
seite Siegelreste. 

Rudolfus  dei  gratia  Romanorum  rex  semper  augustus.  aduocato  suo  in 
Ensigisheim.  gratiaui  suam  et  omne  ]  bonum.  Iuris  dictat  regula  ne  id  nostro 
nomine  fieri  patiamur  a  quo  alios  ex  olTicii  nostri  debito  prohibere  |  tenemur.   Cum 


3)  Krcnkingcn,  Grofshcrzo{,diuii  Baden,  O.A.  Botulorl'. 

4)  Egginji;en,  Bilden,  O.A.  Eondori". 

5)  Im  Elsafs,  Kreis  Gebwciler, 


-    75     - 

ig'itur  vniuei'sa  telonia  pedag-ia  seu  quitagia  indebita  eL  inconsueta  omnibus 
uostro  I  subiectis  imperio  ex  officii  nostri  debito  duxerimus  non  immerito  prohi- 
benda.  tibi  sub  obteiitu  gratie  nostre  preci  ]  pimus  quatinus  ab  omni  thelouio- 
ruiii  seu  pedag-iorum  reeeptione  abstineas.  transeuntes  sine  molestia  i  et  offen- 
diculo  quolibet  dimittendo.  Datiini  Rodenburch.  XI  kal.  Maii.  regni  nostri  anno 
primo. 

22.  1274  Sept.  10.  Kaiserslautern.  König-  Rudolf  beauftragt  den  Sehultheifs  zu 
Kaiserslautern  mit  dem  Schutze  des  Klosters  Ofifenbach  am  (ilan.  —  Orig-.  Perg. 
Braunes  Wachssieg-el  an  Pergamentstreifen. 

Böhmer,  Reg-esten  Rudolfs  Nr.  113.  Richtig-  abg-edruckt  bei  Crollius 
»De  cella  in  Offenbach«  S.  42.  Dort  ist  nur  in  Zeile  6  statt  coenobiuni:  con- 
ventum  zu  lesen. 

Dieses  Mandat  kommt  den  beiden  erstg-enannten  an  Gröfse  (9,5  cm.  Höhe, 
22  cm.  Breite)  und  Schrift  nahe.  Das  Sieg-el  zeigt  den  bei  Heffner  a.  a.  0.  S  17 
unter  Nr.  74  besprochenen,  auf  Taf.  YII  als  Nr.  59  abg-ebildeten  Typus. 

23.  1281  Juli  5.  Regensburg-.  König-  Rudolf  beurkundet  den  auf  die  Anfrag-e  der 
Gesandten  des  Erzbischofs  Friedrich  von  Salzburg  in  seiner  Gegenwart  durch 
den  Bischof  Heinrich  von  Regensburg-,  die  Herzöge  Ludwig-  und  Heinrich  von 
Bayern  u.  a.  gefundenen  Rechtsspruch,  dals  irgend  welche  zu  einem  Fürsten- 
tume  gehörigen  Güter  von  den  Fürsten  zum  Schaden  ihrer  Nachfolger  nicht 
veräufsert  werden  dürfen.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

Böhmer,  Regesten  Rudolfs  Nr.  593.  Mit  unserer  Vorlage  überein- 
stimmend gedruckt  bei  Ried,  »Cod.  dipl.  Ratisbonensis«  I,  575;  danach  in 
»Monuraenta  Germaniae«  Leges  IL  426. 

Diese  Urkunde  existiert  noch  in  einer  zweiten  Ausfertigung  im  k.  k. 
Haus-,  Hof-  und  Staatsarchive  zu  Wien,  von  welcher  Herzberg-Fränkel  in 
den  »Kaiserurkunden  in  Abbildungen«  Lieferung-  VIII,  Tafel  18b  ein 
Faksimile  gibt.  Dieselbe  unterscheidet  sich  von  der  unserigen  durch  ihre  ge- 
ringere Gröfse  (die  unserige  hat  12cm.  Höhe,  21cm.  Breite),  ferner  dadurch, 
dafs  nur  die  Regierungsjahre,  nicht  die  Jahre  der  christlichen  Ära  angegeben 
sind.  Das  Datum,  welches  beide  Ausfertigungen  geben:  »III  Non.  Junii«  ist 
in:  III  Non.  Julii«  abzuändern,  einmal  weil  das  im  Texte  angegebene  Datum: 
»sabbato  infra  octavam  apostolorum  Petri  et  Pauli«  den  5.  Juli  ergibt,  dann 
weil  Rudolf  (vgl.  Böhmer  »Regesta  imperii«  124(5—1313  S.  106)  noch  am  4.  Juni 
in  Usterhofen  und  erst  vom  12.  Juni  bis  6  Juli  in  Regcnsburg  urkundet. 

24.  1286  Januar  27.  Augsburg.  König  Rudolf  verleiht  dem  Bischof  Romboto  von 
Eichstätt  den  Wildbann  im  Stcinberger  Forst.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehll. 

Fehlt  Böhmer;  Regest  bei  Leflad,  »Regesten  der  Bischöfe  von  Eichstätt« 
Nr.  675,  nach  unserem  Originale. 

Rvdolfus  dei  gialia  Romanorum  rex  sempor  auguslus  viiiucrsis  sacri  im- 
perii Romatii  üdelibus  presentes  litteras  inspecluris  graliam  [  suam  et  omno 
bonum.  Ad  vniuersilatis  vestre  notitiam  lenore  prestMiliimi  cuiiiiniis  peruenire 
quod  cum  Uemboto  venerabilis  episcopus  Eysletensis  princoiis  |  noster  karissimus 
nobis  exposuerit  quod  in  nemore  illo  diclo  Slainl)ergorvorst  el  aliis  circumia- 
centibus  siue  occlesiam  suam  siue  moiuisterium  in  Halsprunne  j  nulli  principum 
ius  forcstarum  quod  vulgo  wilpant  dicitur  comi)etal  nee  competierit  ex  anliquo 


-    76     — 

pehens  hiimililei-  xl  sibi  in  locis  illis  ins  huiiisiiiodi  eon  |  cedere  dignareinur. 
Mos  ipsius  pi-ccibus  annucntes  in  iiniiiic  nostre  et  prog-enitorum  noslrorum  re- 
niediuin  sibi  et  ipsi  ccclesie  sue  suistjue  successoribus  in  antedicto  nemore| 
Stainbcrgervorst  et  oiiiniluis  siliiis  adiacentibus  quemadniodum  superius  est  ex- 
pressuni  ins  forestaruni  quod  wilpant  vulg-o  vocant  donavinius  et  Iradidiinus 
do  I  nanius  et  tradinius  iUi  ([uod  absquo  ipsius  episcopi  Rembotonis  uel  suorum 
successonini  licentia  speciali  nulli  boniinuni  cuiuscunque  dig-nitatis  condicionis 
siuc  Status  fucrit  |  lieeat  venari  rotia  tendere  pedicas  abscondeic  aut  vlla  alia 
arte  cuiuscunque  gcneris  feras  in  locis  decipere  supradictis  duniraodo  nulli 
pi'incipum  |  aut  nobiliuni  hoc  de  iure  competat  aut  nulli  alteri  a  nobis  uel  pre- 
decessoribus  imperatoribus  aut  regibus  in  locis  superius  expressis  concessura 
hoc  existat  |  Nulli  ergo  oniiiiiio  honiinum  lieeat  hanc  nostre  concessionis  paginam 
inl'ringere  uel  ei  in  aliquo  ausu  temerario  contraire.  Quod  qui  fecerit  grauem 
nostre  |  maiestatis  ofTensam  se  nouerit  incursurura  nee  non  compositurum  decera 
libras  auri  mcdietatem  camere  nostre  et  alteram  mcdietatem  ipsi  episcopo  uel 
suis  I  successoribus  persoluendam.  In  cuius  rei  testimoniuin  presens  scriptum 
exinde  conscribi  et  maiestatis  nostre  sigillo  iussimus  communiri.  Huius  rei| 
testes  sunt  venerabilis  RudolfusSalzburgcnsis  archiepiscopus  Henricus  Basiliensis 
Wernhardus  Pattauiensis  Hartmannus  Augustensis  et  Heinricus  Ratisponensis| 
episcopi  nee  non  illustres  Ludowicus  palatinus  comes  Reni  et  Heinricus  frater 
eius  duces  Bauwarie  Albertus  et  Rudolfus  fratres  Austrie  et  ]  Styrie  duces  filii 
nostri  predilccti.  Fridcricus  lantgrauius  Thuringie  et  nobilis  vir  Maynhardus 
comes  Tyrolensis  et  alii  quam  plures  tlde  digni.  Datum  \  Auguste  VI  kal.  Febr. 
Ind.  XIIII  Anno  domiui  MGCLXXX  sexto  regni  vero  nostri  anno  tertio  decimo. 

G.   Adolf  von  Nassau.     1292—98. 

25.  1292  Dez.  2.  Hagenau.  König  Adolf  überläfst  den  Burgmannen  zu  Friedberg 
die  Hälfte  des  Ungeldes  der  Stadt  Fr.  zum  Zwecke  der  Ausbesserung  und  Er- 
haltung der  Burggebäude.  —  Kop.  Perg. 

Böhmer,  liegesten  Adolfs  Nr.  70.  Gedruckt  bei  Lünig,  ))Reichsarchiv(f 
Bd.  Xll,  Abs.  m,  S.  103. 

Unser  Text  steht  auf  einem  offenbar  aus  einem  Urkundeubuche  heraus- 
geschnittenen Blatte;  die  Schrift  weist  auf  das  15.  Jahrhundert.  Vorher  ging 
eine  deutsche  Urkunde  des  Jahres  (12?)87,  deren  beide  letzten  Zeilen  noch  er- 
halten sind.  Auf  der  Rückseite  steht  (von  anderer  Hand)  unter  der  Zahl  1400 
der  Anfang  einer  Urkunde,  durch  welche  Friedrich  von  Echtzel  und  seine  Ehe- 
frau Grete  ihr  in  der  Burg  Friedberg  innerhalb  der  Ringmauern  bei  dem  hin- 
tersten Turme  gelegenes  Haus  der  Burg  zu  Friedberg  verkaufen.  Der  Text 
unserer  Kopie  stimmt  im  wesentlichen  zu  dem  Lünigs,  nur  fügt  ersterer  in 
Zeile  5  nach  dilectos:  et  fideles  hinzu. 

26.  1293  Mai  5.  Nürnberg.  König  Adolf  verleiht  dem  Bürger  Bernhard  zu  Nürn- 
berg das  dortige  Schrotamt.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

Fehlt  bei  Böhmer  sowie  in  lokalen  Quellensammlungen;  scheint  bisher 
unbekannt  zu  sein. 

Adolfus  dei  gratia  Romanorum  rex  semper  augustus  vniuersis  sacri 
Romani  imperii  |  fideliluis  prcsentes  litteras  inspecturis  gratiam  suam  et  omne 
bonum.     Prudens   vir  1  Bernhardus  ciuis  de   Nuremberg  dilectus  uoster  fidelis 


—     77     — 

nostre  cclsitiidini  humiliter  1  supi)liciiuit  quod  otTiciuni  dicLuiii  schroliiiupi  iu  ciui- 
tate  Nvi-eiiiberg-  ([uod  quoiidain  Hein  |  ricus  dictus  Vigil  •')  de  Nvreniberg  suus 
socer  sibi  ab  inclite  recordaciouis  Friderico  Ronianoruin  1  imperatore  esse  con- 
cessutii  asseruit  ei  concedere  dig'naremur  potissime  cum  Agnes  ipsius  |  Benibardi 
legittima  dicti  Heinrici  Yig'ilis  filia  patri  in  eodem  officio  successisset.  \  Nos 
vero  predicti  Bernhardi  precibus  inclinati  tanien  de  nouo  nicbil  sibi  conferimus| 
in  euni  quicquid  iuris  Agnete  sue  legittime  in  diclo  officio  schrotanipt  com- 
peliii  I  transrundimus  volentes  et  ei  concedentes  vt  dicto  officio  schrotanipt 
gaudeat  |  et  vtatur  sicut  Heinricus  et  Agnes  sepedicti  Heinrici  Vigilis  pueri 
hactenus  |  sunt  gauisi  presentiuni  testimonio  litterarum.  Datum  in  Nvremberg 
III  Nonas  |  Maii  Ind.  VI  anno  domiui  MGGLXXXXIII  regni  vero  nosti'i  anno 
primo.  , 

D.    AI  brecht  I.    1298—1308. 

27.  1299  Febr.  IB.  Frankfurt.  König  Albrecht  übersendet  dem  durch  Krankheit 
am  persönlichen  Erscheinen  verhinderten  Bischof  Gerhard  von  Metz  die  Hegalien, 
mit  der  Bedingung,  dafs  derselbe  zunächst  dem  Grafen  von  Heunegau,  Johann 
V.  Avesnes,  als  Vertreter  des  Königs,  den  Treueid  leiste  und  denselben  dann 
binnen  2  Jahren  vor  ihm  selbst  persönlich  wiederhole.  —  Orig.  Perg.  Siegel 
fehlt;  Siegelfäden  (rotbraune,  stark  verblafste  Seidenfäden)  erhalten. 

Böhmer,  Regesten  Albrechts  Nr.  137;  ziemlich  korrekt  gedruckt  bei 
Galmet,  «Histoire  de  la  Lorraine«  (1.  Ausgabe)  II,  S.  DLL 

Der  Text  Galmets  ist  an  folgenden  Stellen  abzuändern  :  Z.  4  vor  Imperii 
add  :  Roniani  ;  Z.  23  hinter  ecclesieadd:  suae ;  Z.  28  statt  Haynon:  Haynoniensi; 
Z.  32  statt  supradictus :  sepedictus ;  Z.  33  statt  quam :  quuui ;  Z.  41  statt  Fran- 
kenvart:  Franckenvurt ;  hinter  decimo  quarto  add:  kal. 

28.  1299  März  28.  König  Albrecht  bestätigt  einen  zwischen  Bischof  Sigfrid  von 
Ghur  und  dem  Edlen  Johann  von  Vaz  geschlossenen  Vergleich.  —  Orig.  Perg. 
Rest  eines  braunen  AVachssiegels  an  Pergamentstreifen. 

Fehlt  1mm  lirilimer.  Gedruckt  bei  Th.  v.  Mohr,  »Godex  diplomaticus. 
Sammlung  der  Urkunden  zur  Geschichte  Gur-Rätiens  und  der  Republik  Grau- 
biinden'f  Band  U,  148— 15U. 

Die  l'rkundi'  wird  boi  v.  .Mi^lir  als  im  bischöflichen  x\rchive  zu  ("-hur  be- 
liiullidi  rrwälmt,  belindcl  sich  aber  sclion  seil  geraumer  Zeit  neben  vielen 
andeiTii  das  I)is1um  (iliur  betrellendeii  Stücken  im  Besitze  des  Museums.  Das 
Siegel  ist  uai-li  dem  rrliallrncu  Reste  nicht  näher  zu  besliiiiiiii'u.  Ileffner 
a.  a.  (I.  S.  iS  fiijiil   iiucli   mir  einen  Typus  für  das  Majeslätssiegel  Albrechis  l.  an. 

Dei-  Text  V.  Molirs  enlliäll  auf  Zeile  6  von  S.  149  einen  sinnstöremlen 
Lesefehler:  v.  Mohr  las  am  Schlüsse  derselben  statt  dictus  quoipie  'Kl:  dielum 
((uo(iue  'lo.  und  bezeichnete  diesen  Zusatz,  den  ei'  auf  das  vorhergehende:  Mar- 
quardum  de  Schellnberg  bezog,  als  unverständlich  mit  einem  »sie.«  Das  dictus 
([uoi^K!  Jo.  bezieht  sieh  auf  Johannes  de  Vazze  (S.  148.  Z.  4)  und  palst  voll- 
ständig in   den   Zusammenhang.     Sonst  ist  noch  zu  ändern:   S.  149,  Z.  1    om.: 


(■>  .Irilciit'alis:  NVelffcl;  Nacliriilili'n  iihci- dicsos  Gcschleclit  },nlil  u.a.  Würfel  in  »Nacli- 
riclilcii  zur  Ki-Jiuitci-im«;-  der  Niiriilicr^MScIicii  Sladt-  uinl  .Vdcis^jo.scliiclitc-  I.  'Ml.  wo  der 
Weiler  uiitcii  {fi'iiaiiiilc   lleiiiricli   Weip'l  der  Jüngere  iiudmcew  ie.son   wird. 


—     78    — 

parle;   Z.  lU   sUitl.   conii>oniloros:    compnsiloros ;     Z.  22    vor    de    Wnll'iii't    add : 
dicimii;  Z.  33  statt  i>i'erali:  pietalis. 

K.   Heinrich  VII.    1308—1313. 

29.  1300  März  12.  Speier.  König-  Ileinrieli  \ll.  verleiht  dem  Nonnenkloster  König's- 
brück   (bei   Sels)  Cistercienserordens,    in   Beslätig-un^   einer    Verf'üg-ung-   seines 

.Vorg-äng-ers  Adolf,  das  Holz-  und  Weiderecht  im  Reichswalde  Heilig-enforst. 
—  Orig-.  Perg.    Gelbbraunes  Wachssieg-el  an  rotgelben  Seidenfäden. 

Fehlt  bei  Böhmer. 

Dieses  Privileg-  beirifft  dasselbe  KiosliM-  wie  die  unler  Nr.  18  (S.  37  ff.) 
besprochene  und  abgedruckte  Urkunde  Kiung-  Heinrichs,  des  Sohnes  Kaiser 
Friedrichs  II.,  vom  13.  November  1227,  in  welcher  die  Griindung-sg-eschichte  des 
Klosters  nul  auffallender  Ausfidudichkeit  erzählt  wird.  An  demselben  Tag-e  wie 
unsere  Urkunde  stellt  Kfliug- Heinrich  VII.  dem  Kloster  Königsbrück  zwei  andere 
Privilegien  aus,  deren  Regesten  Böhmer,  Reg-esten  Heinrichs  Nr.  53  u.  o4, 
nach  Originalen  in  Karlsruhe  mitteilt.  Unsere  Urkunde  scheint  bisher^ungedruckt 
zu  sein;  ihr  Aufseres  g'ibt  zu  Bedenken  nichl  Anlafs.  Das  am  unteren  Rande 
etwas  beschäthgte  Sieg-el  zeig't  den  von  Heffner  a.  a.  0.  S.  19  unter  Nr.  85  be- 
sprochenen, auf  Tafel  X  unter  Nr.  68  abg-ebildeten  Typus. 

Heinricus  dei  g;ratia  Romanorum  rex  seraper  aug-ustus  vniuersis  sacri 
Roniani  imperii  (idelibus  presentes  litteras  inspecturis  gratiam  suam  et  omnei 
bonum.  Volentes  honorabiles  et  relig'iosas  personas  abbatissam  et  conuentum 
sanctimonialium  in  Kuneg-esbruke  in  Heiligenforst  or  !  diids  Cysterciensis  deuotas 
nostras  dilectas  quarum  ordinem  commendabili  llore  florentem  indelicientis  cari- 
tatis  ardore  sincere  dilig'imus  veluti  |  beuedictionis  eterue  lilias  celebis  vite  fra- 
grancia  choruscantes  fauore  et  g-ratia  semper  prosequi  speciali  eisdera  ad  instar 
diue  recor  |  dacionis  Adolli  Romanorum  reg-is  antecessoris  nostri  '')  de  benig- 
nitate  regia  indulgemus  vt  pecora  sua  parua  et  magna  seu  pecudes  i  et  specia- 
liter  porci  sui  siluara  Heiligenforst  nostram  et  imperii  intrare  debeant  et  nu- 
triri  ualeant  de  pascuis  et  glaudibus  silue  |  eiusdem.  Et  quod  eedem  abbatissa 
et  conuentus  in  dicta  silua  Heiligenlbrst  ligna  sine  contradictione  qualibet 
secare  possint  et  |  educcre  pro  suis  necessariis  ediüciis  et  cottidianis  ignibus 
oportuna.  Omnibus  nostris  ofiiciatis  forestariis  et  eorum  famulis  hoc  edicto] 
regio  districtius  inhibentes  ne  quis  predictas  abbatissam  et  conuentum  contra 
teuerem  nostre  gratie  molestare  presumat  vel  quomo  j  dolibet  impedire  presen- 
tibus  ad  nostrum  beneplacitum  duraturis.  In  cuius  rei  testimonium  haue  litteram 
nostro  sigillo  fecimus  |  communiri.  Datum  Spire  IUI  Idus  Marcii  anno  domini 
millesimo  trecentesimo  iiono  regni  nostri  anno  primo. 

30.  1309  Aug.  25.  Speier.  König  Heinrich  YIl.  beauftragt  den  Landvogt  Lothar 
V.  Isenburg,  Schultheifs,  Rat  und  Bürger  zu  Esslingen  und  Reutlingen  mit  dem 
Schutze  des  Klarissinnenklosters  zu  Pfullingen.  —  Orig.  Perg.  Siegel  fehlt. 
Pergaraentstreifen  noch  vorhanden. 

Böhmer,  Regesten  Heinrichs  VII.  Nr.  143.    Gedruckt  bei  Glafey,  »Anec- 


7)  Die  hier  anj>'ezogonc  Verfügung  ist  cnlhallen  in  einer  Urkunde  König  Adolfs  vom 
28.  Dezember  1596,  gedruckt  bei  Scliöpflin,  »Alsatiu  di|)li»ni:ili('a«  W,  05;  Regest  bei 
Böhmer,  Ilegestcn  Adolfs  Nr.  337. 


—     79     — 

dotorum  S.  R.  I.  historiam  .  .  .  illustraiitiura  collectio«  344,  und  v.  Ludewig-, 
»Reliquiae  manuscriptorum  etc.«  X,  164  f. 

Der  Text  v.  Ludewig-s  ist  an  folgenden  Stellen  zu  verbessern:  Z.  S  st. 
civitatibus:  ciuibus;  Z.  6  nach  Ezzelingen  add:  et  in  Rutelingeu,  st.  nostris: 
suis;  Z.  13  st.  celebris:  celebis;  Z.  14  st.  insignivit:  insignit;  Z.  18  st.  suppor- 
tatos:  supportatas;  Z.  23  st.  fidelitate :  fidelitati;  S.  lOo,  Z.  3  nach  molestare 
add:  Harum  testimorio  harum  (sie)  nostre  maiestatis  sigilli  robore  signatarum ; 
Z.  4  st.  Spiris :  Spyre. 
31.  1313  Juni  11.  Pisa.  Kaiser  Heinrich  VII.  erläfst  folgende  Verfügungen  zu 
Gunsten  der  Bürger  zu  Nürnberg:  der  .jedesmalige  SchultheiCs  daselbst  soll 
die  dortigen  Reichsstrafsen  schirmen  ;  SchultheiCs  und  Bürger  dürfen  jeden,  der 
es  verlangt,  als  Bürger  aufnehmen;  der  Schultheifs  soll  jährlich  einmal  dem 
Rate  schwören,  nach  dem  Wahrspruche  der  Schöffen  gerechtes  Urteil  sprechen 
zu  wollen ;  der  Schultheifs  soll  jeden  gefangenen  Bürger  gegen  Bürgschaft  der 
Haft  entlassen,  Ausnahmefälle  vorbehalteu;  kein  Nürnberger  Bürger  soll  vor 
ein  auswärtiges  Gericht  geladen  werden  dürfen;  Bürger  und  Fremde  sind  ver- 
pflichtet, die  Verfügungen  des  Rates  und  der  Schöffen  in  Handelsachen  zu  be- 
obachten; der  Inhaber  der  Burg  zu  Nürnberg  und  des  dazu  gehörigen  Turmes 
soll  sich  verpllichten ,  diese  den  Bürgern  bei  Erledigung  des  Reiches  zur  Ver- 
fügung zu  halten ;  der  Schreiber  des  Landgerichts  soll  in  Nürnberg  wohnen 
und  auch  dem  Schultheifsen  dienstbar  sein;  beim  Landgerichte  sollen  nur  Ritter 
und  Bürger  Recht  sprechen  dürfen;  die  Bürger  Nürnbergs  und  ihre  Güter 
sollen  in  allen  den  Städten  Zollfreiheit  haben,  welche  dieselbe  auch  in  Nürn- 
berg geniefsen.  —  Gop.  coaet.    Perg. 

Böhmer,  Regesten  Heinrichs  VII.  Nr.  548.  Fehlerhafte  Drucke  bei  Lüuig, 
»ReichsarchivrtXIV,87;(Wölckcrn,)  »HistoriaNorimbergensis  diplomatica«  S.  227. 

Unsere  Kopie  steht  auf  einem  25  cm.  hohen  und  27  cm.  breiten  Perga- 
mente ohne  Umschlag  und  Siegelspuren;  Kanzlei-  oder  Kopialvermerke  fehlen. 
Die  Schrift  ist  mit  keiner  der  in  »Kaiser Urkunden  in  Abbildungen« 
Lief.  VIII,  Taf.  8a  b,  und  9  gegebenen  Proben  identisch,  wenn  auch  eine  ge- 
wisse Verwandtschaft  mit  8a  unverkennbar  ist.  Die  Entstehung  unserer  Kopie 
in  der  kaiserlichen  Kanzlei  ist  also  zwar  möglich,  aber  nicht  mit  Sicherheit 
zu  behaupten. 

Das  Original  ^)  stimmt  mit  unserer  A^orlago,  abgesehen  von  oini<z-(Mi  otTen- 
baren  Sclireiblehlern  letzterer,  durchaus  überein. 

Die  wichtigeren  Abweiclmngen  unseres  und  dos  originalen  Textes  (A), 
von  denen  Wölckerns  (B)  und  Lünigs  (C)  sind:  Gol.  1.  Z.  IG''),  G:  agendas, 

A,  H:  augendas;  Z.  26  A:  nmli  scmel  add.  in:  Z.  31  A:  nach  secundum 
fehlt  iustam;  Gol.  2,  Z.  I  B,  G:  inodt'ralioiu'.  A:  modcraiiiine;  Z.  2  K.  G:  inlia, 
A:  infra;   Z.  7  A:  narh  (|iiiii  fehlt  et;   lunter  castruin   \\.   (1:   simi.  A  :  cl  ;   Z.  9 

B,  G:  Roniano,  A:  Honuuinniin  :  Z.  12  I'.  (- ;  dcvolvalur.  A:  dcinihianlnr:  Z. 
27  A:  liinttir  fiicrunt  fcblt  cl  :  Z.  .'i.l  A:  hinicr  slaluinius  add.:  cl  cos  \si[ue 
ad  nostre  voluntatis  beneplacituin  uaiiUirus  esse  ilecernimus;  Z.  3S  B,  G:  pre- 
sumatur,  A:  presumat. 

8)  Im  Rpichsardiivi-  zu  .Miiiiclu'H,  von  ilor  Diicklioii  tli'&.SL'lbt.'ii  uns  IVcmiillicIisl  zur 
Vt'rj!;l('ichuu{^  ülicrlasst'ii. 

9j  Die  Zcilcnziililuiijx  ist  dein  Alxirufkc  li<'i  Lüiiip.  al.-^  «Iciu  zuj^änj^Iiclu'ri'ii,  onliutnunon. 


—    80     — 

32.  Aufscr  den  ang-elulirlen  nrig-imilurkundeii  Kaiser  Heinrichs  VII.  besitzt  das 
Museum  noch  eine,  wie  es  scheint,  fast  g-leichzeitige  Saiumelhandschrif't, 
welche  Abschriilen  der  l'iivilcüiiii  des  genannten  Kaisers  für  die  Stadt  Reg-ens- 
burg-  enlhäh.  und  drrcii  Jnliall   und  Form  hier  kurz  l)esprochen  werden  mag-. 

Die  Handschrift  steht  auf  beiden  Seiten  eines  62  cm.  langen  und  20  cm. 
breiten  Pcrg-amcntstreifens;  die  feine  und  zierliche  Schrift  weist  auf  die  erste 
Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  hin.  In  der  Mitte  und  auf  beiden  Seiten  befinden 
sich  in  g-leichcu  Abständen  je  zwölf  wag-rechte  Einschnitte  zum  Durchziehen 
von  Bändern,  was  auf  eine  einstmalige  Verpackung-  und  Versendung  unseres 
Stückes  schlielseu  läfst.  An  der  Spitze  steht  die  Überschrift:  «Hec  sunt 
privilegia  ciuibus  Ratisponensibus  tradita  a  serenissimo  domino  Hainrico  inclito 
Romanorum  regi  semper  augusto«.  Darauf  folgen  die  Privilegien  in  17  Ab- 
sätzen. Jedem  Absatz  ist  von  einer  Hand  des  späteren  14.  oder  des  13.  Jahr- 
hunderts ein  deutsches  Regest  hinzugefi'gt.  Nur  das  in  Absatz  1  enthaltene 
Privileg  ist  vollständig  wiedergegeben,  bei  den  andern  ist  das  Protokoll  weg- 
gelassen. Sie  beginnen  meist  mit  der  Arenga  und  schlicfseii  mit  der  Sanctio. 
Das  Privileg   des  Absatzes  4  enthält   nur  Narratio  und  Dispositio. 

Der  Absatz  1  enthält  das  Privileg  König  Heinrichs  vom  12.  Mai  1310,  dem- 
zufolge kein  Regensburger  Bürger  vor  ein  fremdes  Gerieht  gezogen  werden  soll. 
(Regesten  bei  Lang,  »Regesta  Boica«  V,  175  Nr.  5,  Böhmer,  Regesten  Hein- 
richs VII.  Nr.  234;  erwähnt  bei  Gemeiner,  «Regensburgische  Chronik«  I,  474.)  — 
Der  zweite  Absatz  enthält  die  Urkunde  vom  5.  Juli  1309  (Böhmer  Nr.  114,  Ge- 
meiner I,  471),  welche  verbietet,  einen  Regeusburger  Bürger  aufserhalb  der 
Stadt  zu  pfänden.  —  Darauf  folgt  die  Urkunde  vom  7.  Mai  1310  (Laug  V, 
175Nr.3,  Böhmer  Nr.  231,  Gemeiner  474):  König  Heinrich  erlaubt  denBürgern 
von  Regensburg,  zur  Besserung  ihrer  Brücken ,  Wege  und  Mauern  ein  Ungeld 
von  Wein,  Meth,  Tüchern  und  anderen  trockenen  Waaren  zu  erheben.  —  Das  ■ 
vierte  Privileg,  ebenfalls  vom  7.  Mai  1310,  gestattet  den  Bürgern  von  Regens- 
burg, Räuber  und  andere  schädliche  Leute,  innerhalb  und  aufserhalb  ihrer 
Stadt,  auch  in  den  Gerichtsbezirken  der  Herren,  zu  fangen  und  zu  richten. 
(Lang  V,  173  Nr.  4,  Böhmer  Nr.  232,  Gemeiner  471).  —  Darauf  folgt  eine 
zweite  Urkunde  vom  3.  Juli  1309:  König  Heinrich  bestätigt  den  Bürgern  von 
Regensburg  alle  von  seinen  Vorgängern  am  Reiche  erhalteneu  Privilegien. 
(Lang  I,  156  Nr.  7,  Böhmer  Nr.  114,  Gemeiner  471.) 

Die  in  den  folgenden  12  Absätzen  enthaltenen  Bestimmungen  vermögen 
wir  in  Urkunden  König  Heinrichs  VII.  nicht  nachzuweisen.  Jedoch  finden  sich 
einzelne  derselben:  über  den  Gerichtsstand  geistlicher  Leute,  das  Verbot  der 
Muutleute,  die  Befreiung  von  der  Grundruhr,  die  Verpllichtung  der  Bürger  zum 
Gehorsam  gegen  den  Rat,  bereits  in  älteren  Privilegien  der  Stadt  Regensburg, 
namentlich  in  dem  Friedrichs  II.  vom  Jahre  1230  (Gemeiner  I,  321  ff.). 

F.   Ludwig  der  Bayer.     1314—1347. 

33.  1325  Mai  2.  München.  König  Ludwig  verleiht  dem  Chunrad  dem  Helbeling, 
genannt  von  Strazfriden,  und  seinem  Sohne  Ulrich  die  bisher  von  Hiltprant 
von  Perchtingen  innegehabte  Probstei.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

Fehlt  bei  Böhmer. 


—    81     — 

Wir  Ludowich  von  gois  g-nadeii  Römischer  chunig-  ze  allen  zeiteu  merer. 
dez  riches.  verie  |  heu  ©ffenlich  an  diseiu  briefe.  daz  wir  dem  vesten  manne 
Chuuraden  dem  Helbeling-  genant  |  von  Strazfriden  vnserm  lieben  getruwen 
vnd  Vlrichen  seinem  süne  ^°)  von  vnser  ehuniclicher  milte  verlihen 
haben  vnd  verleihen  |  zu  seinen  ^^)  lebtagen.  die  j)robestay  die  wilent  Hiltprant 
von  Perchtingen  bette  von  vnsern  valer  |  vnd  bruder  saeligen  mit  allen  iren 
rechten  vnd  nützen  die  darzo  gehören!,  darvber  zv  vrchund  |  geben  wir  in 
disen  brief  mit  vnserm  insigel  versigelten.  Der  geben  ist  zv  München  an 
dem  I  Pllntztag  vor  dez  heiligen  crüces  tag  als  ez  fünden  wart,  do  man  zalt 
von  Cristes  |  gehurt  dreutzehenhundert  jar.  darnacli  in  dem  tinnt"  vntl  zwein- 
tzigistem  jare.  in  dem  \  eyliften  jare  vnsers  riches. 

34.      1328—47  ??   Kaiser   Ludwig   ernennt    den   Conrad    von    Biinna'-),    Sohn    des 
Magisters  Wilhelm,  zu  seinem  und  des  Reiches  Hofschreiber,   erteilt   ihm  Zoll- 
freiheit auf  dem  Rheine  und  andere  Rechte  und  Privilegien.  —  Perg. 
Fehlt  Böhmer. 

Äufsere  wie  innere  Gründe  verbieten,  ein  Original  anzunehmen.  Die 
Urkunde  steht  auf  einem  34  cm.  breiten  und  nur  11,4  cm.  hohen  Pergamente. 
Dieses  weist  einen  sehr  breiten,  fast  die  Hälfte  der  Schrift  verdeckenden  Um- 
schlag, aber  keinerlei  Spuren  von  Besiegelung  auf.  Die  Schrift  ist  flüchtig. 
Der  Text  ist  an  mehreren  Stellen,  wie  es  scheint  durch  Auslassungen,  bis  zur 
Unverständllchkeit  entstellt,  weshalb  seine  Wiedergabe  hier  unterbleiben  kann. 
Die  Datierung  fehlt.  Ein  datiertes  Original  dieser  Urkunde  wird  von  Böhmer 
nicht  aufgeführt. 

33.  1330  Mai  29.  Speier.  Kaiser  Ludwig  bestätigt  dem  Rate  und  den  Bürgern  zu 
Oppenheim  alle  von  seinen  Vorgängern  am  Reiche  erhaltenen  Freiheiten  und 
Rechte  und  bedroht  alle  Zuwiderhandeluden  mit  Strafe.  —  Kop.  Perg.  Auf 
der  Rückseite  Siegelreste. 

Böhmer,  Regesten  Ludwigs  Nr.  2727. 

Unsere  Urkunde  ist  eine  in  der  Stadt  Oppenheim  selbst,  anscheinend  wenig 
später,  entstandene  und,  wie  eine  SchluCsnotiz  besagt,  mit  dem  Stadtsicgel  be- 
glaubigte Kopie  des  mit  der  Goldbulle  versehenen  Originales,  von  dem  jedoch 
die  Arenga  bis  auf  die  ersten  Worte  weggelassen  ist.  Mit  Böhmers  Vorlage, 
einer  »gleichzeitigen  Abschrift  in  Wnrms^c,  dürfte  die  unsere,  ebenfalls  aus 
Worms  stamnumde,  identisch  sein. 

Lvdowicus  .  quartus  dei  gratia  Romanorum  imperator  semper  auguslus 
prudentibus  viris  |  consulibus  ceterisque  ciuibus  vniuersis  opidi  nostri  in  Oppen- 
heim suis  et  imperii  tldelibus  dilectis  gratiam  |  suam  et  onuie  bonum.  Kam 
decet  nostram  imperialem  clenientiam  etc.  Vnde  ob  fauo  |  rem  specialem  ipiem 
erga  vos  non  immerito  gerimus.  vobis  vestris(iue  successoribus  et  posteris  |  vni- 
uersa  et  singula  priuilcgia,  Jura,  concessiones  et  gralias  cmunitales  liberlates| 
et  laudabiles  consuetudines.  (juas  a  nobis  ac  aliis  diuis  Romanoniin  prin('ipil)us 
predecessoribus  |  nostris  hactcniis  hal)uistis  vcl  possetiistis  \v\  in  piesentia 
habetis  vel  possidetis  aut  qui  |  bus  vsi  fuistis.  presentis  scripli  palrocinio  per- 
petuo  valituro  confu-mamus  ai)proi»amus  |  ratiricamus  ac  eliam  de  nouo  conce- 
dinuis  et  innouanuis  vniuersis  el  singulis  regibus  |  ducii)us  maichionibus  comi- 

10)  Diese  Worte  sind  ültcrgo.sclirii'l)i'ii.      II  i   Diitür  vi'rl)i's.si'rl :  ir.      \i)  Hriimi  ^  Imuiii  y 
.  Mitteiliingeii  aus  «lern  gcnnjiii.  Nalionaliiiiiseiiin.     1S1>0.  \I. 


—    82     — 

tibiis  baronibus  cclerisque  ollicialis  ae  aliis  personis  in  |  ferioribus  quibus- 
cimque  cuiuscmiijue  stalus  exislant  districtius  iiihibentes  giatie  et  fauoris 
iiosirc  I  sub  obtendi  ne  vos  vestrosquc  successores  ac  posteros  conlia  dictas 
p:ratias  nostras  concessas  ali  |  ([iio  iikkId  molcstent  iinpediant  aut  perturbent 
imnio  vos  ^^)  poiius  in  oisdeni  inanuteneant  |  et  defendant.  Nulli  ergo  oninino 
boniinuni  lieeat  hanc  nostre  concessionis  ordinationis  et  |  confirraationis  pag-inain 
inrringvrc  aut  ei  aiisu  temerario  conti-aire.  Si  quis  auiem  boc  |  presumpscrit 
|)i'eter  iiidiii-iiationoni  nostrain  quam  (euni)  incurrere  voluinu.s  ipso  facio  penanij 
cenluin  libiaiuni  auri  puri  (luaiuin  nicdietatem  lisco  id  est  nostre  iinperiali 
caniere  |  reliquam  vero  iniuriarn  passis  applicare  volunius  se  nouerit  incursurum. 
In  cuius  rei  testimo  |  iiiiini  presentes  conscribi  et  nostra  bulla  aurea  sig'no([ue 
consueto  iussimus  comniuniri.  Datum  |  Spire  feria  teitia  post  diem  sanctum 
Penthecostes  anno  domini  APCGC  tricesimo.  reg  1  ni  nostri  sextodecimo  imperii 
vero  tertio.  Sig'illata  autem  est  hec  presens  copia  nostre  civi  |  talis  sigillo 
tergotenus  applicato. 

36.  1334  April  2.  Nürnberg.  Kaiser  Ludwig  dankt  dem  Probste,  Dekan  und  Kapitel 
zu  Wimpfeu,  Diözese  Worms,  dafs  sie  auf  Grund  seiner  »ersten  Bitten«^  den 
Ulrich  von  Wirtemberg,  Probst  zu  St.  Wido  in  Speier,  als  Kanonikus  auf- 
genommen hätten  und  erklärt  alle  seine  früheren  Verfügungen  zu  Gunsten 
anderer  Personen  für  ungültig.  —  Orig.  Perg. ;  in  der  Mitte  durchschnitten. 
Siegel  fehlt.    Pergamentstreifen  noch  vorhanden. 

Fehlt  Böhmer. 

Liidowicus  dei  gratia  Roraanorum  Imperator  semper  augustus  honorabilibus 
viris  .  .  preposito  .  .  decano  ]  et  capitulo  ecclesie  Wimpinensis  Wormatiensis 
dyocesis  deuotis  suis  dilectis  gratiam  suam  et  orane  bonura  1  Yestre  deuotioni 
regratiamur  super  moduni  quod  virum  honorabilem  Vlricum  de  Wirtenberg 
prepositum  Sei.  |  Widonis  ciuitatis  Spja^ensis  sincere  uobis  dilectum  regalium 
primariaruin  precuni  nostrarum  virtute  in  vestrum  rece  I  pistis  canonicum  et 
confratrem  et  cum  eeilem  preces  primarie  prime  sub  titulo  regali  per  nos  date] 
fuerint  omnes  preces  alias  datas  postmodum  sub  eodem  titulo  et  specialiter  Got- 
frido  de  Nideck  ac  fratri  |  Rudigeri  de  Baunestat  tenore  presentis  articuli  penitus 
reuocamus  nobili  viro  Vlrico  comiti  de  Wir  |  tenberg  avunculo  nostro  karissimo 
cetcrisque  ofTieiatis  nostris  ac  cunctis  imperii  fidelibus  tradentes  firmius  |  in 
mandatis  quatinus  vos  vestramque  ecclesiam  ac  bona  vestra  sub  pena  indig- 
nationis  nostre  ab  inuasu  |  quorumcunque  executorum  seu  defensorum  aliarum 
precum  primariarum  quarumcunque  defendant  omnimode  vosque  |  contra  huius- 
modi  offendentes  aut  oiTensare  voleutes  manuteneant  totis  suis  conatibus  atque 
posse.  I  Datum  in  Nurenberg  Sabbato  ante  Dominicam  qua  cautatur  Quasi 
modo  geniti  regni  |  nostri  anno  vicesimo  imperii  vero  septimo  anno  domini 
MGCGXXXIIIL 

37.  1337  Juli  12.  Frankfurt.  Kaiser  Ludwig  verlängert  den  am  nächsten  Sonntag 
zu  Mittenfasten  ablaufenden  rheinischen  Landfrieden  auf  zwei  Jahre  und  erläfst 
zugleich  Bestimmungen  über  den  bisher  zu  Mainz  erhobenen  Landfriedenszoll, 
je  nachdem  die  Bürger  zu  Mainz  die  weitere  Erhebung  desselben  in  ihrer  Stadt 
zulassen  wollen  oder  nicht.  —  Kop.  Perg. 

loj   L  bcrgcsclu'icben. 


—    83    — 

Böhmer,  Reg-esten  Ludwig:s  Nr.  1845;  g-edruckt  bei  Würdtweiü,  »Sub- 
sidia  diplomatica«  IV,  283. 

Unsere  Vorlage  ist  ein  dünnes,  mehrfach  durchlöchertes  Pergament;  die 
Schrift  ist  annähernd  gleichzeitig.  An  der  Spitze  steht  der  Vermerk:  Datum 
per  copiam. 

38.  1341  März  13.  Landshuf.  Kaiser  Ludwig  empfiehlt  dem  Kloster  Schönthal  auf 
Grund  seines  Rechtes  der  «ersten  Bitte«  den  Priester  Ulrich  Fräs  für  eine 
Pfründe  zu  Rechtz  '*).  —  Orig.  Perg.  Siegel  fehlt.  Pergamentstreifen  noch 
vorhanden. 

Fehlt  Böhmer.  Gedruckt  von  C.  V\\]\  im  »Anzeiger  für  Kunde  der  deut- 
schen Vorzeit«  1864,  Sp.  133  f. 

39.  1342  Jan.  28.  München.  Kaiser  Ludwig  bestätigt  alle  die  Urkunden,  welche 
sein  Sohn  ^larkgraf  Ludwig  von  Brandenburg  den  edlen  Leuten  in  der  Graf- 
schaft Tirol  in  Anerkennung  ihrer  verbrieften  Rechte  gegeben  hat.  —  Kop.  Perg. 

Böhmer,  Regesten  Ludwigs  JSt.  2222.  Gedruckt  bei  Hormayr,  »Archiv 
für  Süddeutschland«  I,  139;  ebenso  (im  wesentlichen  richtig)  bei  Sinnacher, 
»Beyträgc  zur  Geschichte  der  bischöflichen  Kirche  Sähen  und  Brixen«   V,  267  f. 

Unsere  Kopie  dieser  Urkunde,  durch  welche  Kaiser  Ludwig  die  Herr- 
schaft seines,  damals  gerade  mit  der  Margarethe  Maultasch  vermählten  Sohnes 
Ludwig  in  dem  den  Luxemburgern  entrissenen  Tyrol  zu  befestigen  suchte,  ist 
enthalten  in  einem  11  Pcrganientblätter  zählenden  Urkundenbuche,  welches 
Simon  Abt  von  Etal  am  24.  Juli  1458  für  den  Ritter  Ulrich  von  Fronsperg 
vidimiert  und  besiegelt  hat.  Das  Siegel,  ein  schönes  rotes  Siegel  spitzovaler 
Gestalt  an  rotweifser  Seidenschnur,  ist  erhalten.  Mit  unserer  Urkunde  beginnt 
das  Buch;  darauf  folgt  der  in  ersterer  erwähnte  Bestätigungsbrief  Markgraf 
Ludwigs  für  »alle  Gotteshäuser  und  Kdelleute  in  der  Grafschaft  Tyrol«  vom 
gleichen  Tage  (Regest  bei  Böhmer  a.  a.  0.).  Daran  schliefst  sich  eine  unter  40 
zu  besprechende  Urkunde  Kaiser  Ludwigs  vom  6.  März  1343  und  eine  zweite 
Urkunde  ^larkgraf  Ludwigs,  vom  9.  Januar  1352.  Den  übrigen  Inhalt  des 
Buches  bilden  10  Urkunden  der  Herzöge  Leopold,  Ernst,  Friedrich  des  Älteren 
und  des  Jüngeren,  Albrecht  und  Sigmund  von  Österreich  aus  den  Jahren  1406—56. 

40.  1343  .März  6.  Ratteiiberg.  Kaiser  Ludwig  verspriiiil  dmi  Eckharti  von  Vilanders, 
dessen  Nachkommen  und  Freunden,  sowie  allen  Edlen  und  Unedlen  in  iler  Graf- 
schaft Tyrol,  alle  ihre  verbrieften  Rechte,  selbst  diejenigen,  die  sie  von  Johann, 
dem  Sohne  des  Königs  von  Böhmen,  erhalten  haben,  unverletzt  zu  erhalten:  er 
versichert,  allen  gegen  sie  erhobenen  Beschuldigungen  keinen  (ilauben  schenken 
zu  wollen,  und  gestattet  ihnen,  Beschwerden  über  die  Regierung  seines  Sohnes 
an  ihn  selbst  zu  bringen.  —  Kop.  Perg. 

Bö  Inner,  Regesten  liudwigs  Nr.  2313,  nach  einer  Papierabschrift  des 
16.  Jaliiliunderls. 

Die  Inliallsangabe  liöjnnei-s  ist  nicht  ganz  vollständig;  es  iVJill  in  ihr  der 
letzte,  chai'akleristischstc  Punkt,  welcher  zeigt,  wie  voUstämlig  die  Regierung 
des  Markgrafen   unter  der  Vormundschal't   und  Kdulrolle  des  Kaisers  .^land. 

'H.  1347  Febr.  16.  Innsbruck.  Kaiser  Ludwig  bestätig!  die  von  seiiuMU  Sohne, 
Markgraf  Ludwig,    dem   Friediii-Ii    drni    Mautlner    zu   Hall    und    Innsbruck    ver- 

14j  Rotz,  Beziriv  Waldmüncticn,  Kreis  Ohorpfalz. 


—     84    — 

liohone  Pliinilscliaft  und  bofiehll  drm  Enii-elinar  von  Vilanders,  Pfleger  und  Haupt- 
mann in  der  Herrschan  Tvrol.  diesen  in  dem  Pr:nidl)esitze  zu  schützen.  —  Orig. 
Perg;.     Sieg-el  lehU. 

Fehlt  bei  Böhmer. 

Wir  Tjudowii^'  vim  yots  i^enaden  rumischer  kaiser  ze  allen  Zeiten  merer  des 
ricirs  he  ,  chennen  oll'enlich  mit  disem  brief.  Vmb  die  pfantschaft.  die  vnser 
sun  der  hohgeborn  Lud(e\vlgO  |  marg-rave  ze  Prandenburg-.  dem  vesten  manne 
Fridrich  dem  Mauttner  vnserm  dieuer.  ze  |  Hall  vnd  ze  Insprug  getan  lial  nach 
der  brief  sag.  die  er  von  dem  vorgenanten  vnserm  |  sun.  darüber  hat  daz  daz 
vnser  gut  wille  wort,  vnd  guust  ist  vnd  gebieten  |  dem  vesten  manne  Engelmar 
von  Vilanders.  vnsers  suns  des  margrauen  von  Pranden  |  bürg,  ptleger.  vnd 
hauptman  in  der  herschaft  ze  Tyrol.  vnd  allen  andern  vnsers  suns  |  amptlüten 
vesLiclich  bei  unseru  hulden.  daz  sie  den  vorgenanten  Mauttner  vf  der  selben 
pfantschaft  |  schirmen  vnd  nicht  gestatten  daz  in  dar  an  iemand  irre  hindere 
noch  beswar  in  dhein  |  wis.  Mit  vrcluind  diss  briefs  der  geben  isl.  ze  Insprugk. 
an  fritag  nach  der  vasnaht  |  nach  Gristus  gebürt  driutzehenhundert  iare.  vnd 
in  (h'm  siben  vnd  viertzigstem  iare.  |  In  dem  dri  vnd  diizzigstem  iare  vnsers 
richs.  vnd  in  dem  zweintzigistem  des  kaiser  |  tums. 
42.  1347  März  18.  Nürnberg.  Kaiser  Ludwig  bestätigt  dem  Engelmar  von  Vilanders 
auf  Lebenszeit  Nutznielsung  und  Pfandbesitz  genannter  Besitztümer  in  Tyrol. 
—  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt.    Pergameutstreifen  noch  vorhanden. 

Felilt  Böhmer. 

Über  den  Empfänger  dieser  Urkunde,  Engelmar  von  Vilanders,  finden  sich 
einige  Angaben  in  der  »Neuen  Zeitschrift  des  Ferdinandeums  für  Tyrol  und 
Vorarlberg«  Bd.  11  (1843),  wo  unsere  Urkunde  jedoch  nicht  erwähnt  wird. 
Vgl.  auch  Böhmer,  Regesten  Ludwigs  Nr.  2212—14. 

Wir  Ludowig  von  gots  genaden  römischer  keiser  ze  allen  ziten  merer 
des  richs.  verleben  für  vns.  vnd  für  vnser  nachkomen.  vnd  für  alle  |  vnser 
erben,  olfenlichen  mit  disem  brief.  daz  wir  verheizzen  vnd  wellen,  daz  vnser 
getruwer  Engelmar  von  Vilanders.  belibe  bi  den  zwein  |  steten.  Sibidat  vnd 
Felters.  vnd  bi  den  vesten  die  dar  zu  gehörnt.  Alpage.  Sand  Petersperg. 
Tschymell.  Rokke.  vnd  Chlause  die  |  dar  vnder  gelegen  ist.  ze  Sand  Victor  vnd 
Prymyer.  die  man  \on  den  selben  steten  verpurchhütten  und  behütten  müz. 
vnd  bi  dem  tal.  ge  |  heizzen  Inagerd  vnd  bi  der  chlause  daselben.  vnd  bi  ajlen 
den  eren.  wirden.  nutzen,  vnd  rechten,  vnd  bi  alle  den  vnd  zu  den  vorgenanten! 
stukken  in  dheiner  wise  geliört.  vnd  gentzlich.  als  er  die  in  nutz  vnd  in  ge- 
werde, inne  gehabt  vnd  her  braht  hat.  ez  si  gelt.  lüt.  oder  |  gut.  vnd  ob  er 
iht  mer  da  zu  gewunne.  daz  dar  zu  gehorte,  vnd  wie  er  des  geniezzen  mag. 
vnd  bi  der  vestt  Griezz.  ampt.  vnd  geriht  |  da  selben,  vnd  och  bi  den  guten 
die  weilent  des  Aufensteiners  ^^)  gewesen  sind,  vnd  bi  dem  gericht  ze  Matray. 
vnd  bi  alle  der.  vnd  zu  |  ir  iglichem  gehört,  vnd  als  er  daz  och  inne  hat.  vnd 
in  nutz  vnd  in  gewer  her  bracht  hat.  Pei  den  selben  vorgeschriben  stucken  allen, 
sol  er  I  beliben.  vnd  die  inne  haben  vntz  an  sinen  tot.  mit  alle  der  vnd  dar  zu 


15)  Gemeint  ist  jedenfalls  Konrad  von  Aufcnstcin ,  Hauptmann  in  Kärnten,  der  1324 
»seinem  Diener  Engelmar  von  Yillanders«  den  Turm  zu  Treven  verlieh  (Neue  Zeitschrift  des 
Ferdinandeums  Bd.  XII,  S.  149j  und  1339  starb. 


-    85    — 

gehört,  als  vor  g-eschriben  stet,  vud  sol  er  noh  sin  erben  von  |  den  obg-enanten 
stukken.  gulte.  vnd  nutzen,  niht  verraitteu.  verantwurtten.  g-elten.  noh  wider 
g-ebeu.  vnd  lediglich  daz  inne  haben.  Vnd  wann  i  er  niht  enist.  so  haben  wir 
g-ewalt.  die  vorg'eschribeu  stuck  von  sinen  erben  ze  losen,  als  tewr  si  dar  vf 
habent.  nah  irer  brif  vnd  |  hantfest  sag'e.  die  si  dar  vmb  inne  habent.  Auch 
sullen  die  selben  sin  erben,  nah  sinem  tode.  bi  den  obg-enanten  steten,  vesten. 
g'üten.  arap  |  ten.  vnd  g-erihten  beliben  vnd  in  nutz  vnd  in  g-ewer  behalden. 
mit  alle  der  vnd  zu  ir  ig-lichem  g-ehört.  vnd  als  vor  geschriben  stet.  |  vnd  sullen 
si  da  von  nimmer  verkern.  noch  verstozzen  als  lang,  vntz  in  allez  daz  gelt 
geben  vergolten  vnd  in  geantwurt  wirt.  daz  si  |  vf  den  obgenanten  stukken 
habent.  nah  irer  brif  vnd  hantfest  sage,  die  si  dar  vmb  inne  habent  vnd  sulln 
si  och  da  bi.  vnd  j  dar  an  fristen,  schirmen  vnd  behalten  vor  gewalt  vnd  vnreht, 
wie  ii^des  not  beschehe  gen  aller  manniklich.  vnd  waz  er  der  |  obgenanten 
stucke,  nah  siuer  vordem  nehsten  raittung  die  er  getan  hat.  geuozzen  vnd  ein- 
genommen hat.  vntz  vf  disen  tag.  des  sol  er  |  vnd  sin  erben,  och  ledig  vnd  los 
sin.  daz  si  da  von  niht  schuldig  sin  ze  verraitten.  verantwurtten  ze  gelten  noch 
ze  wider  geben.  \^nd  waz  brief  er  vf  die  selben  ampt  hat.  die  sullen  in.  bi 
aller  irer  macht  vnd  kraft  beliben.  Ze  urchund  diss  briefs  der  |  geben  ist  ze 
Nurenberg  versigelt  mit  vuserm  keiserlichen  insigel.  an  dem  sunntag  Judica. 
nach  Ghristes  Geburt  driuze  |  hen  hundert  iar.  vnd  in  dem  siben  vnd  vierzigstem 
iar.  in  dem  dreiunddreizzigstem  iar  vnsers  reichs.  vnd  in  dem  zweinzig  1  stem 
des  keysertums. 

G.    Karl   IV.    1346—1378. 

43.  1349  Oktober  4.  Nürnberg.  König  Karl  IV.  verkündigt  einen  bis  zum  23.  April 
13ol  währenden  Landfrieden  für  die  Gebiete  genannter  Herren  und  Städte  in 
Franken.  —  Orig.  Perg.    Hellbraunes  Wachssiegel  au  Pergamentstreifen. 

Regest  in  »die  Regesten  des  Kaiserreichs  unter  Karl  IV..  aus  dem  Nach- 
lasse Böhmers  herausgegeben  von  Huber«  Ni".  1178.  Abgedruckt  bei 
Michelsen,  «urkundlicher  Beitrag  zur  Geschichte  »h'r  lüindfrieden  in  Deutsch- 
land« Nürnberg  1863,  S.  2911.;  ferner  in  «Mo  ii  ii  iiicn  La  Boica«  XXXXI,  S. 
409  ff.    Besprochen  bei  Werunsky,  »Geschichte  Kaiser  Karls  IV.«  II.  1,  S.  2U7  f. 

Unsere  Vorlage  steht  auf  einem  5ücm.  breiten,  67cm.  hohen  linierten 
Pergament;  das  Siegel  zeigt  den  bei  Heffner  S.  "li  unter  Nr.  103  besprochenen, 
auf  Tafel  XI  als  Nr.  82  abgebildeten  Typus.  Der  Text  der  iMonumenta  Boica 
(anscheinend  Würzburger  Herkunft)  zeigt ,  abgesehen  von  orthographischen 
Eigcnliiirdichkeiien,  im^hrere  Abweichungen,  die  es  bedauern  hissen,  dals  der 
vielfach  bessere  Text  ^Michelsens  dort  nicbl  berücksichtigt  ist. 

Von  solchen  Abweichungen  seien  mir  folgende  ei-wähnt:  M.  B.  S.  410, 
Zeile  19  fehlt  der  Nanie  des  Vin-tretcrs  drr  Herzöge  von  Bayern  im  Landfrieden; 
unser  Text  gibi  ihn:  Heinrich  Steinlinger.  Z.  24  ist  für  den  Vertreter  Roten- 
burgs statt  Dietrichen  Conden  :  Dietrichen  von  Landen  zu  lesen.  Der  von  dem 
Verhällnisse  des  neugegründelen  fräidvisehen  LiindfriediMis  zu  dem  von  Schwaben 
handelnile  Absalz  ;>  anC  Seih'  'il.'i  zeiul  in  nnseicni  Texle  eim^  sachlieh  wichtige 
Abweichung.     Derselln-  hmh  l    hiei'  (.MieheJM'n  S.  .!|.  Z.    K»— IS):    »Wei- "•)  auch. 

16)  M.  15.  :  Mer. 


—     86     — 

(laz  sich  (lisor  laiitCi-ido  mit  dorn  hinlfViil»'  zu  Swoben.  vnd  iener  lantfrit  her 
wider  iiiil  iüm-iii  hiiillVido  zu  Fi'ardvcii.  vereinten  so  sullen  si  denn  heiderseit  ^■') 
iiinander  hehoUen  sein  etc.«  liier  w  iid  alsf»  das  nähere  Verhältnis  beider  Land- 
frieden als  ein  nur  niriülicli(>s,  dort  als  ein  schon  bestehendes  bezeichnet. 

44  1349  Nov.  ID.  Prag'.  König-  Karl  IV.  verleiht  dem  Ulrich  Stromaier  dem 
JüngH'ren,  Bürger  zu  N[irni)crg\  das  Judenhaus  zu  Nürnberg,  welches  bisher 
Isaak  von  Schehselilz '■'*)  innegehabt  hat,  g-elegen  neben  des  Eysenkastners 
Haus  und  der  Badstube  am  Zotenl)erg'.  —  Orig-.  Perg-.  Braunes  Wachssieg-el 
an  Pergamentstreilen. 

Böhmer-Hub  er  Nr.  1193.  Gedruckt  bei  AVürfel,  «Nachrichten  von  der 
Judengemeinde  zu  Nürnberg'«  S.  130.  Erwähnt  von  Hegel  in  »Städtechroniken«  I,  9. 

Das  Siegel  stimmt  mit  dem  von  Nr.  43  überein.  Der  Text  Würl^els  ist 
an  folgenden  Stellen  abzuändern :  Z.  3  statt  den:  dem;  statt  burgkern:  burger; 
Z.  8  statt  an  den:  an  ander;  Z.  17  om.  ili(\ 

4ö.  1350  Mai  28.  Nürnberg.  König  Karl  IV.  verleiht  dem  Ulrich  Stroraair,  Bürger 
zu  Nürnberg,  die  Hofstatt  zu  Nürnberg,  welche  der  Jude  Grottschalk  von  Stein 
bisher  innegehabt  hat.  — Orig.  Perg.   Braunes  Wachssiegel  an  Pergamentstreifen. 

Bö  hm  er- Hu  her  Nr.  1303.  Gedruckt  bei  Würfel  a.  a.  0.  S.  131.  Er- 
wähnt von  Hegel  a.  a.  0. 

Das  am  rechten  Rande  beschädigte  Siegel  stimmt  mit  dem  von  Nr.  43  überein. 

Bei  AVürfel  Z.  10  ist  hinter  Schefslitz  eine  Zeile  ausgefallen:  die  wir  im 
ouch  furmals  geben  als  er  darvbir  hat  ander  vnser  briefe.  Z.  11  hinter  be- 
halden  add :   vnd. 

40.  1350  Juni  1.  Nürnberg.  König  Karl  IV.  bestätigt  den  Zeidlern  in  seinem  und 
des  Reiches  Walde  bei  Ntlrnberg  alle  ihre  genannten  Rechte  und  Freiheiten.  — 
Erhalten  in  einem  Bestätig'ung's])riefe  König  Sigmunds  vom  21.  Januar  1415. 
(In  einem  Vidimus  des  Landgerichts  Nürnberg  vom  22.  August  1419.) 

Böhm  er-Huber  Nr.  1308.  Gedruckt  bei  Lünig,  »Reichsarchive  XIV, 
93;  (VV  öle  kern,)  »Historia  Norirabergensis  diplomatica«  346. 

Unsere  Vorlage  stimmt  im  Ganzen  mit  dem  Texte  Wölckerns  überein; 
nur  die  Stelle  S.  347  von  Z.  7:  »zehn  pfund  haller  und  einen  haller«  .  .  .  bis 
Z.  10:  »und  dem  des  der  boum  gewesen  ist«  ist  in  unserem  Texte  durch  die 
Flüchtigkeit  des  Abschreibers  ausgefallen. 

47.  1355  Aiiril  5.  Rom  ^").  Kaiser  Karl  IV.  erneuert  dem  Ulrich  Stromeir  dem 
Jüngeren,  Bürger  zu  Nürnberg,  die  Schenkungsurkunde  über  zwei  Juden- 
häuser zu  Nürnberg,  von  denen  das  eine  Gottschalk  von  Stein  (vgl.  Nr.  45) 
und  das  andere  Isaak  von  Schehslitz  (Nr.  44)  gehört  hat.  —  Erhalten  in  einem 
Originalstranssumpt  des  kaiserlichen  Hofrichters  Przemysl  Herzogs  von  Teschen 
vom  13.  März  1361. 

Böhmer-Hubcr  (nach  unserer  Vorlage)  Nr.  2055. 

Das  Transsumpt  ist  besiegelt  iiiil  dem  Hofgerichtssiegel  Kaiser  Karls 
(Heffner  S.  23  unter  108;  Abbildung:  Tafel  XI,  Nr.  88)  an  einem  Pergament- 

17)  mit  disem  .  .  .  Ijcidcrseit  tVlill  M.  B. 
18j  Sctiefslitz,  Bezirlv  Bamberg. 
19)  Am  Tage  der  Kaiscrkrönuug. 


—    87     - 

streifen.  Auf  der  Rückseite  ein  verkleinertes  Abbild  des  Sieg-elbildes.  —  Wir 
geben  hier  nur  die  inserierte  Urkunde  des  Kaisers,  nicht  das  Transsumpt 
selbst,  wieder. 

Wir  Karl  von  gotes  genadeh  romischer  cheiser  ze  allen  ziten  merer  des 
richs    vnd    kung    ze   Beheiiu.    verleben    oftenlichen    vnd   tun    kuiil    mit  |  diseni 
brief.    das    für    vnser   keiserlich   gegenwurtikeit   chom   vnser    lieber    getruwer 
Ylrich  Strotueir  der  junger  burger  ze  Nvremberch.  vnd  hat  vns  gebeten  mit 
gantzem  |  vlizze  und  dienuitikeit.   daz   wir  im  sin  brief  die  er  von  vns  hat  mit 
dem  kunchlichen  insigel.  versigelt  vber  ein  Juden  hofstat.   diu  etwenn  gewesen 
ist  Got  I  Schalks    von    dem  Stein,   eins  Juden   vnd  vber  ein  Juden  hus.  das  et- 
wenne  gewesen  ist  Isakkes   von  Schehslitz.   auch    eins  Juden,    vnd  die   wir   im 
vnd  sinen  erben  |  ze  behalten  vnd  ze  besitzen  vnd  ze  einen   rehten  erbe   vnd 
eygen  gegeben  haben,  als  die  selben  brief  haltent.   vnd  luten   die  wir  im   dar- 
über gegeben  haben  von  vnserer  |  keiserlichen  gewalt  vnd  milticheid.  vnd  von 
besunderen  genaden.  besteten  contu'miren  vnd  vernuwen  geruchen.     Des  haben 
wir  angesehen   den  getruwen  dienst,    den   der   selb  Ylrich  |  Stromeir   vns   vnd 
dem  riebe  vnd  auch  allen  andern,   die   vns  zv  gehören  offt  vnuerdrozzenlichen 
getan  hat.  vnd  in  künftigen  ziten  getun  mag.  vnd  auch  sin  selbes  redlich  be- 
scheiden !  bet.  die  er  gen  uns  getan  hat.  so  haben  wir  dem  vorgenanten.  Ylrich 
Stromeir  dem    jungen    vnd    sinen   erben,   alle  sein  brief.  die  er  vnd  sin  erben 
von  vns  vormals  gehabt  haben  |  vber  die   vorgenant  Juden  hofstat  vnd  haws 
vnd   die   wir   im    gegeben  darüber   haben   mit  fjisenn   kunchlichen  Romischen 
insigel.  versigelt,  in  allen  iren  artikeln  vnd  puncteu  vnd  |  als   die  von  wort  ze 
wort  gescriben  stent  vnd  in  aller  der  mazze.  als  die  selben  brief  in  allen  iren 
Worten  vnd  artikeln   vnd   in  disen  brief.    gegenwurticlich  begrilTen   wern  vnd 
ge  I  scriben  stunden,  niit  wolbedahten  müt   vnd  rat  vnd  mit  rehter  wizsen  vnd 
mit  vnserer  keiserlichen   mäht  vnd  gewalt  bestetigt  vernuwet  vnd   contlrmirt 
vnd   bestetigen    vernuwen    vnd  |  conürmiren   im   die   selben   brief  so   wir   best 
raügen   mit   craft.    diser   vnserer   keiserlichen   brief   vnd  wir  wellen,    das    die 
selben  vorgenanten  brief.  die  wir  im  bestetigt  vnd  conflrmiret  haben  ewi  |  clichen 
vnverruket  craft  vnd  mäht  haben  sullen.  vnd  wir  wellen,  das  witler  die  ol)genanten 
brief.  vnd  alles  das  darinne  gescriben  stat  nieman  er  si  hob  oder  nider  frevent- 
lich  tun   solle  oder  getun.  |  Vnd  wer  da   wider  iht  tet  oder  tun  freventlichen 
witll  der  sol  in  vnser  vnd  des  richs  swer  vnd  grozz  vngenad  vnd  dar/u  zweinlzig 
[iliiiil  goldes  ze  pene   vnd  ze  buzz  sein  vcrvalleii.    also   daz  |  das   halbteil,   des 
selben   goldes    in    vnser   keiserlich    camern.    vnd    das    ander   halMeil  dem  voi'- 
genanl  Virich  SIrojneir.   vnd  seinen  erben   werden  sol  vnd  gevallen.     \  nd  des 
ze    urkiind    geln'ii    wir  !  disen   brief  versigelt   mil    vnserm    keiserlichen    insigtd. 
der  geben  ist  ze  Rom    in   sant  Peters    munsler    an    dem    heiligen   Oslerlage    als 
wir  erste  ze  keiser  gekronet  waren,  da  man  zall  |  von  Crishis  geburl driulzehen- 
hundei'l   iar  vml  darnach  in    dem    funlien    vnd    fünfzigstem  jar.    vnserer  rieh  in 
dem   nnndcn   \ihI  des  keisortums  im  ei'slcn  jar. 

13.'i7  .liili  .').  Prag.  Kaiser  K'ail  l\.  Iiesläligl,  dals  die  edle  Krau  Agnes,  Wilwe 
seines  Kammerers  Johann  Krenl/lin.  ihren  \'ater  Sbinrn  \uii  llazzenburg,  seinen 
obersten  Kämmerer,  zu  ihrem  und  ihrer  Kinder  Viuniuml  crnannl  hat.  (h'ig. 
Perg.     Siegel  fehlt. 

ßiih  mer- II  u  her  Nr.  ^1177,  nach   unserer   \  orlage. 


—     88     — 

Kamills  qiiaii  US  diiiina  faiionto  clonioiitia  Roiiianniiiin  iniperator '  seniper 
aiijiiislus  Ol,  Hoomie  ro.x.  notilicamus  |  tciioro  prrseiilimii  vniuersis.  quod  sicut 
iKiltilis.  Aji'iies.  relicta  Jnliaiinis.  (luniidam  Frenlzlini  camerarii.  lilia  |  nobilis. 
Sbinconis  do  Hazzenhiirii'.  suiuciiii  iiiag-islii.  cainere  nostre.  (idelis  nostri  dilecti. 
maliira  dflihc  '  ratioiic  |in'lialiila.  ipsuiii  Sliineoneni  j^eiiitorem  suuiii.  in  viia 
siia  ac  ctiarii  posi  iiiorlrin  in  Inldiciii  |  el  lidrlnn  i^'idicnialortMii  sunin.  nee  mm 
orplianoruin  et  bonorum  suorum  oinnium.  rile  et  prouide.  diiioscitur  eleg-isse.  | 
IIa  eonsideraln.  ([und  profatus  Sbinco.  ex  iiiclinatione  naturali.  et  paterua  dilec- 
linne.  diele  Ayiietis  orpliauoruinque  |  et  bonorum  eius  fldelissimus  et  utilissi- 
mus.  tulor  et  g'ubernator.  esse  potest.  electionem  tutele  et  g-uber  |  nacionis. 
huiusmodi  per  ipsara  factam.  ({uomodolibet  in  personam  dicti  Sbinconis.  omni 
eo  modo  et  Ibrma.  prout  |  lacta  est  auctorizamus.  et  de  speciali  celsitudinis 
nostre  gratia.  approbamus.  Et  nichilominus.  de  innata  |  iiobis  beuig-nitatis 
dementia,  prelate  Agneti.  indulg-emus  gratiosius.  quod  exnunc.  et  in  articulo. 
seu  puncto  |  mortis  sue.  omnia  et  sing-ula.  bona  sua.  dotalieialia.  in  quibus- 
cunque  consistant.  quibusue  specialibus  noniinibus  |  desig-nari  valeant.  prefato 
Sbincoui.  g-enitori  suo.  in  toto  uel  in  parte,  douare  valeat.  uel  de  eisdem  |  alio 
quouis  modo  disponere.  prout  sue  placuerit  et  expedire  videbitur  voluiitati. 
ratum  gTalum  et  lir  |  muni  habere  volentes.  quidquid  per  ipsam.  de  prescriptis 
bonis  suis,  dotalicialibus.  dispositum  seu  ordi  I  natum  fuerit.  ([uomodolibet  sit 
factum,  prosenlium.  siil)  nostre  maiestatis  sig'illo.  testimonio  litterarum.  Datum  | 
Frage  anno  domini  niillesimo.  ^'ecentesimo  quinquag-esimo  septimo.  die  quinta 
mensis  Julii  |  regnorum  uostrorum.  anno,  vudecimo  imperii  vero  tertio. 

Per  dominum  Mindensem  episcopum  ^°)  Johannes  de  Glatz -^).  Auf  der 
Rückseite:  R^")  Yolpert  "). 

49.  1359  Januar  25.  Breslau.  Kaiser  Karl  IV.  g-ebietet  allen  Reichsstädten,  mit  ihrer 
Kaufmannschaft  die  alten  Sliafscn  durch  das  Bistum  Ghur  zu  benutzen  und 
dessen  Strafsen  und  ZiHle  nicht  zu  umg'ehen.  —  Orig'.  Perg*.  Rotes  Siegel  in 
(zum  Teil  zerbrochener)  g-elber  Wachskapsel  an  Perg-amentstreifen. 

Regest  bei  Jäger  »Regesten  und  urkundliche  Daten«  etc.  in  »Archiv  für 
Kunde  österreichischer  Geschichtsquelleu«  XV  (1856),  S.  350;  Böhmer-Huber 
Nr.  2895.  Richtig  gedruckt  bei  v.  Mohr,  »Codex  diplomaticus  .  .  .  zur  Ge- 
schichte Cur-Rätiens  etc.«  II,  345. 

Auch  diese  Urkunde  erwähnt  v.  Mohr,  ebenso  wie  Nr.  27,  als  im  bischöf- 
lichen Archive  zu  Ghur  befmdUch.  Das  Siegel  ist  das  bei  Heffner  S.  23  unter 
1U9  beschriebene  Sekretsiegel. 

50.  1361  April  25.  Sulzbach.  Kaiser  Karl  IV.  bestätigt  dem  Abte  und  dem  Kloster 
zu  Kempten.  Diözese  Konstanz,  den  von  Alters  her  ihnen  verbrieften  Besitz 
von  Burg  und  Stadt  Kempten,  so  dafs  Amman,  Rat  und  Bürger  der  Stadt  dem 
Abte  als  ihrem  rechten  Herrn  gehorsam  sein  sollen,  vorbehaltlich  der  Vogtei- 


20)  Erscheint  nach  Lindner   »das  Urkundcnwesen  Karls  lY.   und  seiner  Nachfolger« 
S.  26  erst  seit  1360  als  böhmischer  Kanzler. 

21)  1353—1358  als  Notar  nachzuweisen;  Lindner  S.  22. 

22)  Registratuin. 

23)  1354—1357  Ecgislrator;  Lindner  S.  11). 


—     89     — 

rechte  des  Reiches,  für  die  der  Abt  jährlich  SO  Mark  lötigen  Silbers  zahlen 
soll,  die  ihm  jedoch  um  1220  Mark  Silber  verpfändet  sind.  —  Orig.  Perg-. 
(an  drei  Stellen  durchschnitten.)     Siegel  fehlt. 

Böhmer-Haber  Nr.  368S,  nach  unserem  Originale.  Erwähnt  beiHaggen- 
müller,  »Geschichte  von  Kempten«  I,  S.  143  f. 

Die  vorliegende  Urkunde  bezeichnet  nur  eine  kurze  Episode  in  dem  jahre- 
langen Kampfe  um  die  Reichsfreiheit,  den  Kempten,  wie  so  viele  andere  Städte, 
zu  führen  hatte.  Sie  steht  mitten  zwischen  zwei  entgegengesetzten  Verfügungen 
des  Kaisers,  vom  21.  September  1360  und  vom  9.  Juli  1361  -*),  deren  letztere 
die  Reichsfreiheit  der  Stadt  dauernd  feststellte.  Wenige  Monate  nach  Aus- 
stellung unserer  Urkunde  wurde  der  Abt  von  Kempten  gezwungen,  alle  sein 
Eigentumsrecht  auf  die  Stadt  begründenden  Dokumente,  darunter  wol  auch  das 
vorliegende,  wieder  herauszugeben. 

Wir  Karl  von  gots  gnaden  römischer  keyser  ze  allen  zeiten  merer  des 
reichs.  vnd  kunig  ze  Beheim.  bekennen  vnd  tun  kunt  otfenlich  mit  disem  brife. 
allen  den  die  in  sehent.  oder  horent  lesen,  daz  wir  |  gote  zu  lobe  vnd  zu  eren. 
vnd  vmb  daz  gotes  dienst,  dester  baz  gemeret  werde,  dorzu  wir  allezeit  geneiget 
sein,  mit  wolbedachtem  mute,  mit  rechter  wizzeu.  vnd  mit  rate  aller  kürfürsten. 
geistlicher  vnd  |  weltlicher,  eintrechtiklich  vber  ein  komen  sein,  daz  wir  die 
aptye.  vnd  daz  gotshaus  zu  Kempten,  sant  Benedicten  ordens  in  Costnitzer 
bystüm  gelegen,  die  von  vnsern  vorfarn.  an  dem  reiche  römischen  |  keysern. 
vnd  kunigen  gestiftet  sint.  vnd  von  etzlichen  Sachen  sich  also  sere  vervallen 
habent.  daz  sie  wol  bedurffen  keyserlicher  hilfe.  vnd  auch  genade,  davon  wellen 
wir  sie  wider  in  sazze  bringen  |  in  der  weise  als  hernach  geschribeu  stet.  Von 
erst  geben  wir  wider  der  aptye  vnd  dem  gotzhaus  zu  Kempten,  vnd  weisen 
ouch  an  sie.  die  eygeuschaft  der  burk  vnd  stat  zu  Kempten,  also  daz  der 
amnian.  |  der  rat.  vnd  die  burger  gemeinlich  zu  Kempten,  sullen  ewiclich  dem 
apt  zu  Kempten  der  zu  zeiten  da  ist.  liulden.  sweren.  warten,  gehorsam,  vnd 
vndertenig  sein  in  allen  Sachen,  als  ander  burger  yren  |  rechten  erblichen 
herreu.  pflichtig  sint  zu  tun.  wan  die  bürg  vnd  stat.  zu  Kempten,  also  von 
alter  an  die  aptey  vnd  das  gotshaus  doselbest  gehöret  hant.  als  wir  des  mit 
iren  hantfesten  vnd  brifen.  wol  |  kuntlich  vnd  clarlich  vnderweiset  sein,  doch 
in  sulcher  bescheidenheit.  daz  die  vogtey  vnd  alles  vogtrecht  zu  Kempten,  viul 
waz  dorzu  gehöret,  ewiclich  bei  dem  römischen  reich,  sol  beleiben,  vnd  sol 
ouch  I  ein  ieglich  apt.  der  zu  zeiten  zu  Kempten  ist.  einem  ieglichen  römischen 
keyser.  vnd  kunig  der  zu  zeiten  ist.  davon  ieriglich  vf  sant  Andres  tag.  an 
hindernuzze.  vnd  widerred  geben  funftzig  mark  1  lötiges  silbers.  als  daz  von 
alter  gewesen  ist.  Auch  ist  dem  egenanten  apt.  vnd  dem  closter  zu  Kempten 
dieselbe  vogtey.  vnd  vogt  recht,  vnd  ir  zu  gehörung.  für  zweH'huiuierl.  viul 
zweintzig  mark  lötiges  |  silbers  verpfant  vnd  versetzt,  also,  daz  der  vorgeiianl 
apt  vnd  sein  nachkomen.  die  aptey.  vnd  daz  gotshaus  zu  Kempten,  die  ege- 
nanten vogtey.  vnd  ir  zugchöriing.  innehaben,  besitzen,  vnd  der  geruweclichen  1 
gebi'uehen  sullen.  als  lang,  biz  wir  oder  vnser  nachkomen  an  dem  reiche,  römi- 
sche keyser  vnd  kunige.   in   die   egenanten   summen    gidli's.   ane  abslag.  genlz- 


24)  Haggenmüllcr  a.  a.  0. 
Mitteilungen  aus  dem  gennan.  Nationalnuiseiim.     1890.  XII. 


—     90     — 

lieh  l)ezalen.  vnd  wclloii  oucli  dcnsolbcn  sipl  die  |  aploy  vnd  daz  g'olshaus  /u 
Koniptoii.  l)oi  iivii  j>-uLen.  rechten.  Ireiheilen.  i^'naden.  hantiesten.  vnd  briefen. 
j'-tMiodiclich  liantliahen.  vortedinjj:en.  schirmen,  vnd  befriden.  als  ander  vnser. 
vnd  drs  lieilig-en  |  reichs  fursten.  vnd  viKh'ilane.  Fiirbaz  nier  wellen  vnd  g-e- 
bieten  wir  von  weg'en  des  heiligen  reichs.  daz  die  burger.  vnd  die  stat  zu 
K'('in|>l('n.  ruri)az  keyn  verpuntnuzze  machen,  mit  herren  oder  mit  |  steten,  sullen. 
vnd  betten  sie  dheine  verpuntnuzze.  mit  iemand  itzunt  getan,  das  verpuntnuzze 
sol  unkrel'lig-.  untuglich.  vnd  abe  sein  zu  male.  Wer  oz  aber,  daz  wir  oder 
vnser  vnrg'enanten  nachkomcn  an  dem  reich  |  vmb  des  landes  not.  oder  vmb 
dhein  ander  sache.  die  herren  oder  die  stete  zu  Swaben.  einen  lantfrid  teten 
machen,  oder  sich  vnder  eyn  verbinden,  mit  des  reichs  hant.  so  sol  der  apt. 
der  zu  zelten  zu  |  Kempten  ist.  wann  wir  oder  vnser  nachkomen  an  dem  reiche 
in  (hiz  heizzen.  in  daz  verpünt.  vnd  in  den  landfrld  komen.  vnd  sol  darinne 
sein,  so  wie  er  daz.  von  vns.  vnd  vnsern  cg'enanten.  |  nachkomen  wirt  ge- 
heizzen.  Vnd  die  stat  zu  Kempten  sol  dem  apt.  der  in  Zeiten  (sein)  wirdet. 
g-ehorsam  sein,  als  irem  rechten  erblichen  herren.  dieselben  lantfrid  oder  pünt- 
uuzze  zu  enden  vnd  zu  volfuren  |  .  Wer  ez  ouch  daz  die  burg-er.  vnd  die  stat 
zu  Kempten,  von  vns.  oder  vnsern  cg-enanten  vorfarn  an  dem  reiche,  oder  von 
yemant  anders,  dheine  brile  betten,  die  da  weren  wider  recht,  g'nade  hant| 
festen,  brife.  oder  freiheit  des  egenanten  aptes.  seiner  aptey  vnd  des  gotshauses 
zu  Kempten,  die  brief  sullen  tod.  vnd  unkreftig-  sein,  vnd  sullen  dheine  macht 
nicht  haben,  vnd  nemeu  sie  g'entzlichen  |  abe.  mit  volkoraenheit  keyserlicher 
mechte.  Auch  sullen  die  vorg'enaut  burk  vnd  stat  zu  Kempten,  vns.  vnd  allen 
vnsern  nachkomen  römischen  keysern,  vnd  kunigen.  vnd  dem  heiligen  römi- 
schen I  reich,  allezeit  wider  allermeniclich  otfen  sein,  zu  allem  unsern  willen 
und  nöten.  vnd  mugen  wir.  vnser  nachkomen.  vnd  daz  reich,  dar  auz  vnd  dar 
eyn.  wider  aller  menlichen  vns  behelfen.  zu  |  allen  unsern  nöten.  vnd  an  alle 
widerred.  vnd  sol  der  apt.  der  zu  zeiten  ist  zu  Kempten,  wider  vns.  vnser 
eg'enanten  nachkomen.  vnd  wider  daz  reich,  nymmerme  getun.  noch  sich  zu 
iemant  veri)inden.  |  dann  derselbe  apt.  sol  vns  vnd  vnsern  eg'enanten  nach- 
komen. vnd  dem  heiligen  reich,  mit  der  vorg-enanten  burk  vnd  stat  zu  Kempten. 
ewiclichen  warten,  beig-estendig'.  vnd  geholfen  sein,  wider  |  allemenlichen  nymand 
vz  zu  nemende.  vnd  g-etrewelicben  dienen,  als  ander  g-etrewe  fursten.  vnd  manne. 
Iren  rechten  herren.  vnd  beinamen  dem  heiligen  römischen  reiche,  mit  iren 
vesten.  die  sie  |  von  iren  herren  hant.  warten  vnd  dienen,  vnd  schuldig-  sein 
zu  warten  an  alle  g-everde.  Vnd  wer  do  wider  tete.  ez  wer  der  apt  selber  gen 
dem  reich,  oder  die  burger  gen  dem  apte.  der  sol  in  vnser  |  vnd  des  heiligen 
reichs  vngenad  swerlicheu  sein  vervallen,  vnd  dorzu  setzen  wir.  die  pene  hun- 
dert mark  goldes.  die  bezalt  werden  sol.  als  oft  do  wider  geschihet.  in  sülcher 
meynunge.  tut  der  |  apt  wider  vns.  vnd  daz  beilige  reich,  daz  vns.  vnd  des 
reichs  camer  die  pene  gar  ge Valien  sei.  tut  aber  die  stat  wider  yn.  vnd  wider 
vnser  keyserlich  gebot,  als  dovor  begriffen  ist.  so  sol  die  ]  pene  halb  vns  vnd 
des  reichs  camern.  vnd  halp  dem  egenanten  apt  vnd  dem  closter  zu  Kempten 
vnvertzogenlich  gevallen.  Mit  vrkund  ditz  brifes.  versigelt  mit  vnserm  keyser- 
lichem  ingesigel.  |  Der  geben  ist  zu  Sultzbach.  nach  Cristus  geburt  dreuzehen 
hundert  jar.  darnach  in  dem  eyn  vnd  sechtzigistem  jar.  an  sant  Marcus  tag. 
vnser  reiche  in  dem  ünnfzehen.  vnd  des  keysertums  |  in  dem  sibenden  jare. 


—     91     — 

Dominus  Mindensis  de  verbo  ad  verbum  litteram  audivit.  |  Rudolphus  de 
Frideberg'  -'^). 

Auf  der  Rückseite :  R(eg-istratu)m :  Johannes  Budwicensis  ^^). 

1364  Juni  24.  Budweis.  Kaiser  Karl  IV.  bestätigt  dem  Bischöfe  Dietrich  von 
Worms  ein  Privileg-  König-  Richards  vom  20.  April  1269.  —  Kop.  Pap. 

Böhmer-Huber  Nr. 4033;  Schaunat,  »Historia  VVormatiensis«  11,8.179; 
Boos,  »LFrkuudenbuch  der  Stadt  Worms«  II,  S.  379,  Nr.  o91. 

Unsere  Yorlag-e,  eine  deutsche  Übersetzung-  des  15.  Jahrhunderts,  steht 
auf  einem  90  cm.  langen  und  20  cm.  breiten  Streifen  starken  Papiers.  Die  im 
ürig-inal  mit  aufgeführten  Urkunden  Heinrichs  (VII.)  vom  23.  Januar  1231, 
Friedrichs  IL  vom  Januar  1232  und  Heinrichs  (VII.)  vom  Jahre  1224  sind  weg- 
gelassen. Die  Übersetzung  ist  im  Ganzen  wortgetreu;  nur  ist  als  Datum  der 
2o   Juni  angegeben.     (Vgl.  oben  S.  74,  Nr.  19.) 

1370  Okt.  6.  Kaiser  Karl  IV.  befiehlt  Bürgermeister,  Rat  und  Stadt  zu  Schwein- 
furt, dem  edlen  Fuchs  von  Dornheim,  dem  er  das  Amt  zu  Schweinfurt  übertragen 
habe,  gehorsam  zu  sein.  —  Orig.    Pap.    Auf  der  Rückseite  rote  Siegelspuren. 

Fehlt  Böhmer-Huber. 

Der  in  unserem  Mandate  genannte  Fuchs  von  Dornheim  ist  Hartmut 
Fuchs,  der  in  Urkunden  von  1374  und  1378  als  königlicher  Amtmann  und 
Reichsvogt  erscheint  '^~). 

Wir  Karl  von  gots  gnaden  romischer  keiser  zu  allen  zeiten  merer  des 
reichs  vnd  kunig  zu  |  Beheim  embieten  dem  schultheizzen  dem  burgermeister 
dem  rat  vnd  den  burgern  gemeinlich  |  der  stat  zu  Sweinfurt  vnser  vnd  des 
reichs  lieben  getrewen  vnser  gnad  vnd  alles  gut.  |  Wann  wir  dem  edlen  Fuchs 
von  Dornheim  unserm  diener  vnd  lieben  getrewen  daz  ampt  zu  |  Sweinfurt 
empfolhen  haben  dauon  gebieten  wir  euch  ernstlich  vnd  vesticlich  daz  ir  ym 
damit  |  gewartet  vnd  gehorsam  seit  vntz  an  vnser  widerruffcn  vnd  wa  ir  des 
nicht  entut  so  \volle(n)  |  wir  daz  ir  ym  geben  vnd  anlwurten  sullet  alle  unser 
vnd  des  reichs  gult  vnd  gevelle  die  \  wir  zu  Sweinfurt  haben  ez  sey  au  zollen 
oder  wa  sie  sust  geuallen  oder  liegen  |  vnd  lat  des  nichs  als  liebe  ir  vnser 
vngenad  wolt  vermeyden.  Geben  zu  Sultzbaeh  an  dem  |  Suntag  nach  saut 
Frantzisses  tag  vnser  reiche  in  dem  funffvndtzweintzigstem  vnd  des  |  keisertums 
in  dem  sechzehendem  jare. 

Per  dominum  B  de  Rysemburg  Conr.  de  Gysenheim  ^^). 
1372  Juli  24.     Sulzbach.     Kaiser  Karl  IV.  verpfändet  dem  Hans  von  Hausen  zu 
VVeisseuburg  drei  JMühlen  tlaselbst,  eine  Wiese  und  mehrere  Lehen,   »auf  denen 

25)  Erwähnt  bei  Lindner  a.  a.  0.  S.  22  unter  21.    Erscheint  in  Urkunden  1834—1367. 

26)  Erscheint  l.'?60  und   1.361.     Lindner  S.  20. 

27j  Stein,  niMuiiumeiita  Suinfurlensia  liistorica«  Nr.  liU  iiiul  io2.  —  Die  von  Stein 
a.  a.  0.  S.  427  tV.  herausgegebene  »Alte  Chronik  von  SchweinfurU  hat  zum  Jalirc  1373  den 
Eintrag:  i-llaitimil  l'iichs  von  Donilnim,  Ritter,  Anilnianii  /u  Schweiid'urt«.  Soll  sich  diese 
Notiz  auf  die  Ernennung  Fuclis'  beziehen,  so  ist  sie,  wie  unsere  Urkunde  zeigt,  unriclilig.  — 
Ferner  wird  daselbst  zum  Jahre  13ül  ein  Urteilslirief  des  »Uartniulh  Fuchs  -zu  Dornheiin, 
Uilter  und  zu  Zeiten  Kaiser  Wenceslai  Amtmann  zn  Scliwi-inlnlirl«  angeführt.  Aber  in 
dieser  (a.  a.  O.Nr.  ISI)  gedruckten  Urkunde  spriciit  dei-  .Aussteller  nicht  als  derzeitiger, 
sondern  als  gewesener  Amtnumn,  ist  es  also   131)1   nicht  mi-lir. 

28)  Notar  1308—1361.    i'n.tonolar   1370—1376;  Lindner  S.  23  unter  33. 


—    92    — 

er  auch  vormals  Geld  gehabt  hatc^  für  SOO  Pfd.  Heller.  —  Orig-.  Perg,  Gelbes 
Wiich.ssiogel  mit  rotem  Gegensiegel. 

Fehlt  bei  Böhmer-Huber. 

Das  Siegel  entspricht  dem  bei  Hei't'ner  S.  ^:2  unter  105  beschriebenen  und 
auf  Tafel  X  und  XI  unter  Nr.  83  und  Nr.  84  abgebildeten;  der  linke  Rand  ist 
stark  beschädigt. 

Wir  Karl  von  gots  genaden  romischer  keiser  zu  allen  zeiten  raerer  des 
reiclis  vnd  i  kunig  zu  Beheim  bekennen  vnd  tun  kunt  offenlieh  mit  diesem 
brieve  allen  den  die  |  yn  sehent  oder  horent  lesen  daz  wir  vnserm  üben  ge- 
trewen  Hansen  von  Hawsen  |  gesezzen  bey  Weisseraburg  verpfendet  haben  vff 
vnsern  vnd  des  reichs  guten,  bei  Weis  |  semburg.  gelegen,  mit  nanien  den 
dreyn  mulen  die  man  nennet  (he  lewpoltzmul  |  hertrichsmül  und  hoenpergersmul 
vnd  vir  der  wisen  die  man  heisset  der  prül  1  vnd  ouch  etlichen  lehen.  vff  den 
er  ouch  vormals  gelt  gehabt  hat  als  man  spricht  |  nach  lutte  seiner  brive  die 
er  doruber  lial.  funffhundert  pfunt  haller.  vnd  ym  i  die  vftgeslagen  haben  vff 
dieselben  gute,  also  bescheidenlich.  daz  wir  oder  unser  |  nachkomen  an  dem 
reiche,  dieselben  gute  von  ym  vnd  seinen  erben  wider  losen  |  mügen  vmb  sovil 
gelts  als  sie  yn  steen  nach  lute  sulcher  brive  die  sie  doruber  |  beweisen  rangen. 
Mit  vrkunt  dicz  brives  versigelt  mit  vnserra  keiserlichen  raaiestat  |  insigel.  der 
geben  ist  zu  Sultzbach  nach  Cristus  gepurte  drewtzehenhundert  jare  |  dornach 
in  dem  czvveyvndsibentzigisten  jare  an  sante  Jacobs  abend,  vnserer  reiche, 
des  romischen  in  dem  sibenvndtzweutzigstem.  des  beheraischen  in  dem  sechs- 
vndtzwen  |  tzigislen.  vnd  des  keisertums  in  dera  achttzendem  jare. 

Ad  relationem  domini  B.  de  Riseraburg  Nicolaus  Garaericensis  prepositus  ^^). 

Auf  der  Rückseite :  R(egistratu)m  Johannes  Lust  ^'*). 

H.  Wenzel.  1376—1400. 
54.  1376  August  4.  Nürnberg.  König  Wenzel  nirarat  das  Katharinenkloster  zu 
Nürnberg  in  seinen  besonderen  Schutz  und  gebietet  naraeutlich  dem  Burg- 
grafen Friedrich  zu  Nürnberg,  das  genannte  Kloster  mit  keinerlei  Steuer  oder 
sonstiger  Leistung  zu  behelligen.  —  Orig.  Perg.  Gelbes  Wachssiegel  mit  rotem 
Gegensiegel  an  Pergaraentstreifen. 

Das  sehr  schön  erhaltene  Siegel  entspricht  dera  bei  Heffner  S.  23  unter 
Nr.  112  beschriebenen.  Das  Gegensiegel  ist  daselbst  Tafel  X  unter  Nr.  89  abgebildet. 

Wir  W'entzlaw  von  gotis  gnaden  Roraischer  kunig  zu  allen  czeiten  raerer 
dez  richs.  vnd  kunig  zu  Beheira.  bekennen  vnd  |  tun  kunt  offenlichen  mit 
diesem  brieff  allen  den  die  in  sehen  oder  hören  lesen.  Wann  wir  von  ange- 
borner  gute  kuniglicher  |  mechte  dorczu  gebor(n)en  sein  allen  luten  gnade  zu 
beweisen  doch  sunderlichen  raere.  die  die  werlt  versraehet  haben,  vnd  in  ]  geist- 
lichem orden  leben,  vnd  wann  wir  zu  den  erbern  vnd  geistlichen  der  priorinne 
vnd  andern  jungfrawen  der  gan  |  czen  saraenunge  des  closters  zu  sand  Katherinen 
zu  Nureniberg  prcdiger  orden  gelegen  in  dera  bistura  zu  Babenberg  |  sunder- 
liche  gnade  haben  vnd  sie  nieynen  gnedicleichen  ze  bedenken  des  daz  sie  fur- 
bazme  deste  geruwlichen  gote  dem  |  almechtigen  zu  dinste  kunien  rangen, 
dovon  ]niL  wolbedachtem  mute  vnd  rait  rechter  wissen  vnd  kunigeleicher  machte  | 
haben   wir  sie.   vnd   ires   closters  lute  vnd  gute,   in  vnsern  vnd  des  heiligen 

29)  Über  ihn  Lindner  S.  17  u.  23  f.  (unter  48).  30)  Lindner  S.  20. 


—    93    — 

reiches  schirm  vnd  schuczunge  g-nedicle  |  ichen  genomen  vnd  empfangen  vnd 
wollen  von  kuniglicher  mechte  volkomenheit.  daz  sie  furbasme  ewicieichen  | 
dheinem  vnserm  lantuogte.  noch  nymant  anders  wie  der  sey  genant,  oder  in 
welchen  weseu  vnd  wirden  der  sey  |  dheynerlei  dicnste.  bete  vnd  stewer  tun 
sullen  nemen  oder  heißchen.  dann  vns  vnd  dem  heiligen  Romischen  reiche. 
Dor  i  umb  gebieten  wir  allen  fursten  geistlichen  vnd  werltlichen.  vml  mit 
namen  dem  edlen  Friderich  burggralen  zu  |  Nuremberg.  vnd  allen  seynen  naeh- 
komen  burggralen  5ju  Nuremberg  vnd  andern  graten,  freyen.  lantuogten.  vog- 
ten.  j  pflegern.  rittern.  knechten  vnd  allen  andern  edlen  vnd  vnedlen  vnsern 
vnd  des  reiches  lieben  getrewen.  wie  |  die  genant  sein  daz  sie  die  vorgenanten 
die  priorinue.  vnd  daz  gantze  conuent  des  closters  zu  saud  Katherinen  |  ire 
leute  vnd  gute  mit  dheinerlei  stewer  bete  gäbe  oder  andere  voderunge  füre 
dienste  oder  mit  wagenfurte  |  noch  mit  dheinen  andern  dieusten  mit  nicht  be- 
sweren.  noch  bekrenken  sullen.  sunder  wir  wollen  von  kunig  |  lieber  mechte. 
daz  sie  aller  sulcher  dienste  douon  sie.  ire  lute.  vnd  gute  besweret  möchten 
werden,  frey  vnd  |  ledig  sein  sullen.  vnd  wer  dowider  freuelichen  tete.  der  sgl 
in  vnser  vnd  dez  reichs  vngeuade  swerlichen  verfallen  i  seyn.  Mit  vrkuut  dicz 
briefs  versigelt  mit  vnserm  kuniglichem  Maiestat  ingesigel  der  geben  ist  zu 
Nuremberg  |  nach  Crists  gehurt  dreuczenhundert  jar  darnach  in  dem  sechs  vnd 
sibenczigisten  jar  an  sand  Domiuicus  |  abend  des  heiligen  beichtigers.  vnser 
reiche  des  Beheimscheu  in  dem  vierczenden  jare  vnd  des  Romischen  in  |  dem 
ersten  jare. 

De  mandato  domini  regis  dominus  archiepiscopus  Pragensis^^). 

R(egistratum)  Wenceslaus  de  Jenikow^^). 

J.  Ruprecht  von  der  Pfalz.     1400—1410. 
1400   Dez.  21.   Heidelberg.    König  Ruprecht   nimmt   von   Bischof  Ekhard   von 
Worms  die   neue   Burg   und    einige  (iüter  zu  Obirkeim  ^^)  zu  Lehen.  —   Orig. 
Perg.     Siegel  fehlt.    Pergamentstreifen  noch  vorhanden. 

Fehlt  bei  Chmel,  «Regesta  ....  Ruperti  regis  Romanorum«. 

Wir  Ruprecht  von  gots  gnaden  Romisciier  konig  zu  allen  czyten  merer 
des  I  richs  bekennen  offenbar  mii  diesem  brieff.  Als  wir  vns  vnd  vnsern  erben 
pfaltzgrauen  |  by  Rine  die  nuwe  bürg  zu  Obirkeim  vnd  etliche  gütere  vmbe 
Bechlolt  Vetzer  von  |  Obirkeim  erbelich  gekaulTl  han.  mit  gutem  willen  vnd 
verhengniß  des  erwirdigen  i  Kdiards  bischoff  /u  Woniiß  vnsers  vnd  des  richs 
fürsten  wann  dieselbe  bürg  vntl  |  guter,  von  yiii  \iu[  demselben  syme  stiffte  zu 
leben  rurent  vnd  gent  darvmbe  |  sollen  vnd  wollen  wir  vnd  vnser  erben  pfaltz- 
grauen by  Rine  die  obgenanicn  buig  |  vml  gütere  von  demselben  biseholT 
Echard  vnd  syme  stitft  vorgenant  zu  leben  |  haben  vnd  I ragen  vnd  dauon  ver- 
bunden sin  als  von  andern  lehen.  die  wii-  von  |  ynn'  vnd  synio  slitfle  ojigenant. 
von  vnser  |)faltz  liy  Kine  wegiii  zu  lelirn  liuii  ane  |  alle  geuerde  Vrkunde  dißs 
In'ieffes  versigell  mil  \nscrm.  königlichem  anliangendtMn  |  ingesigel.  lieben  zu 
Heidelberg  off  sant  Thomas  des  heiligen  a|iostelen  lag  |  nach  Cristi  geburte 
dusent  vnd  vierhundert  jare  vnsers  richs  in  dem  erstcji  jare.  --  Registr(atum). 


31)  Erster  Leiter  der  Knnziri   Wrnzcls;   UihIimt  S.   iS. 

32)  vgl.  r.iiMliicr  S.  ±).  ;{;!)  (H)iij.rlifiiM.  Baden.  A.  .Moabadi. 


—    94    — 

56.  1403  März  6.  Niirnl)Ci'g-.  König-  Rupre(*ht  bestätigt  den  Zeidicrn  im  Reichs- 
walde bei  Nürnberg-  ihre  Rechte  und  Privileg-ien.  —  P^rhalten  in  der  unter 
Nr.  46  erwähnten  Konürination  König-  Sig-niunds  vom  21.  Januar  1415. 

Chmel  a.  a.  0.    Nr.  1444  (mit  dorn  Datum:  März  8). 

57.  14ü4  Juli  20.  Heidelberg-.  König  Ruprecht  gestattet  dem  Hartman  von  Husen- 
stein  32  Morg-en  Wiese  und  13  j\Forg-en  Acker,  g-elegen  zwischen  Carbe  und 
Druckelwil,  welche  Reichslehen  sind,  dem  Johann  Frosch,  13ürg-er  zu  Frankfurt, 
zu  verpfänden. 

Chmel  Nr.  1814. 

Wir  Ruprecht  von  gots  g;naden  Romischer  kung-  czu  allen  czyten  merer 
des  richs  bekennen  viid  dun  kuni  ofTcnbar  |  mit  diesem  briefe.  das  wir  haben 
ang-esehen  g-etruwe  danckneme  dienste.  die  vnser  lieber  g-etruwer  Hartman 
von  I  Husenstain  vns  vnd  dem  riebe  ofTt  williclich  g-etan  hat.  vnd  auch  l'urbaß 
dun  sol  vnd  mag-  in  künftigen  czyten.  vnd  haben  1  yme  darumb  von  besundern 
gnaden  g-egunnet  vnd  erlaubet,  gunnen  vnd  erlauben  yme  auch  in  crafft  diß 
brieffs  |  dise  nachg-eschriben  gude.  mit  namen  zwenvnddrissig-  morgen  wisen. 
vnd  dryczehen  morgen  ackers  zwuschen  Garben  |  vnd  Druckelwile-''*)  by  Garben 
vfT  der  Nyede  gelegen,  die  derselbe  Hartman  von  vns  vnd  dem  riebe  zu  leben 
hat.  vnd  |  des  geliehen  Eberhart  von  Husenstaine  sin  bruder  auch  so  vil  von 
vns.  vnd  dem  riebe  czu  lehen  hat.  czu  versetzen  |  vnd  czu  uerpfenden.  Johann 
Frosche  vnserm  vnd  des  richs  burger  czu  Franckfurt  vnd  lieben  getruwen  für 
czwey  !  hundert  guldin  vff  widerlosunge  nach  vßwisung  der  brieffe.  darüber 
gemacht,  doch  vnschedelichen  vns  vnd  dem  |  riebe  an  der  manschafft.  vnd 
lehenschaflft.  derselben  gute  ane  alle  geuerde.  Orkund  dij5  briefs  versigelt  mit 
vnserm  |  kuniglichen  anhangendem  ingesigel.  Datum  Heidelberg  dominica  ante 
Sancte  Marie  Magdalene  Anno  domini  millesimo  |  quadringentesimo  quarto  Regni 
vero  nostri  anno  quarto. 

Ad  relacionem  Reinhard!  aduocati  in  Heidelberg  Emericus  de  Mosscheln'"^). 

R(egistratum)  Bertholdus  Durlach  •"'^). 

58.  1406  Mai  28.  Heidelberg.  König  Ruprecht  verleiht  den  Gebrüdern  Heinrich 
und  Beringer  Schütze  die  Reichsieheu  zu  Tennenlohe  ^■'),  die  ihr  Vetter  Walther 
Seh.  bisher  innegehabt  hat,  doch  vorbehaltlich  der  Rechte  Jörg  Dorrigels.  — 
Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

Ghmel  Nr.  2161. 

Wir  Ruprecht  von  gots  gnaden  Römischer  künig  zu  allen  zyten  merer 
des  richs  bekennen  olTenbare  mit  diesem  brieff.  das  für  |  vns  komen  sind  vnsere 
lieben  getruwen  Heinrich  vnd  Beringor  die  Schützen  gebruder  vnd  hant  vns 
demüticlich  gebeten.  ]  das  wir  yn  diese  nachgeschrieben  lehen.  mit  namen  den 
hoffe  zu  Dennelohe  die  fursthube  genant,  das  gerede  uff  dem  walde.  |  den 
furstehabern.  die  forstkese.  die  forsthunre.  das  houig  zu  Prücke  ^^)  vnd  ein 
dienst  fische  daselbes.  die  Walther  Schutze  ire  |  vetter  gehabet  hetde.  vnd  ledig 
worden  weren.  vnd  von  vns  vnd  dem  riebe  czu  lehen  rurten.  zu  uerlyhen 
gnediclichen  geruchten.  j  Des  haben  wir  angesehen  derselben  Heinrichs  vnd 
Beringers  der  Schützen,  flißige  vnd  redeliche  bete,  vnd  auch  trüwe  vnd  |  dienste 

34)  Chmel:  Durkelwilc.  38)  Liiidiicr  S.  32.  36)  Lindner    a.  a.  0. 

37)  bei  Nürnberg.  38)  Chmel:  Bücke. 


—    95    — 

als  sie  vns  vnd  dem  riebe  furbaz  in  künfftigen  zyteu.  dun  vnd  bevvisen  sollen 
Yiid  haben  yu  au  den  obg-enanten  leben  |  verlyhen  vnd  lyhen  yu  auch  in  crafft 
diß  briefs.  waz'wir  yn  von  rechte  daran  lyhen  sollen  vnschedelicb  doch  vns 
dem  hei  |  lig-en  riebe  vnd  eime  ig-licben  an  sinen  rechten,  vnd  nemlich  Jörgen 
Dorrig-el.  dem  wir  dieselben  leben  für  ein  verfallen  leben  |  nach  dem  er  vns 
das  furbraeht  vnd  auch  demuticlichen  g-epeten  hat.  yme  die  zu  uerlyben.  vor 
verluhen  haben  an  sinem  rechten.  [  daran,  vnd  wollen  auch  ob  vns  dieselben 
leben  ledig"  vnd  veriullen  sint.  als  vns  derselbe  Jorg-e  furbraeht  hat.  das  yme 
danne  |  diese  g-einwurtige  vnser  verlyhung-e  an  denselben  leben  kein  schade  sin 
solle  in  deheine  wise.  Die  vorg'enanten  Heinrich  vnde  |  Bering-er  hant  vns  auch 
von  der  obg-enanten  leben  wegen  huldunge  getan,  mit  glubden  vnd  eyden.  als 
gewonlich  vnd  billich  ist.  |  vns  vnd  dem  riebe  von  solicher  leben  wegen  zu 
tun.  Orkunde  diß  briefs  versiegelt  mit  vnser  kuniglieher  maiestad  anhan  |  gen 
dem  ingesigel.  Datum  Heidelberg  feria  sexta  ante  festum  Peuthecostes.  Anno 
doniini  milles4mo  quadringentesimo  sexto.     Regni  ]  vero  nostri  anno  sexto. 

Ad  mandatum  domini  regis  Emericus  de  Moschein. 

R(egistratum)  Bertboldus  Durlach. 
1408  Oktober  27.   Nürnberg.     König   Ruprecht    erteilt  dem   Ulrich  Mynner  zu 
Brück  an  der  Reduitz  die  Genehmigung  zur  Übertragung  mehrerer  seiner  Güter, 
die  Reichslehen  sind,  an  die  Peterskirebe  zu  Brück.  —  Orig.  Perg.   Hellbraunes 
Wachssiegel  an  Pergamentstreifen. 

Chmei  Nr.  2666. 

Das  mehrfach  beschädigte  Siegel  stimmt  zu  dem  Heffners  S.  24,  Nr.  118, 
Tafel  Xn,  Nr.  93. 

Wir  Ruprecht  von  gots  gnaden  Römischer  kunig  zu  allen  ziten  merer  des 
richs  bekennen  vnd  tun  kunt  offinbar  mit  diesem  brieff  |  allen  den  die  yn  sehent 
oder  horent  lesen,  das  vns  furbraeht  ist.  von  Avegen  vnsers  lieben  getruwen 
Ylrich  Mynners  geseßen  |  in  dem  dorffe  zu  Brücke  an  der  Reditzc  gelogen,  das 
diese  nachgeschrieben  gute,  mit  namen.  das  Seidengut  zu  Brücke  gelegen  I  aii 
der  Stcynen  brücken,  da  Heintz  Reinhart  vlTsitzet.  das  gilt  sechtzig  pfonniiige 
zwelfif  kese  vnd  dru  hunre  Hern  das  Seidengut  |  gelegen  an  dem  pfarrbotf.  das 
Guntz  Nytharts  erbe  ist  gilt  nuntzig  pfenninge  zwelff  kese  vnd  vier  bünre  Item 
der  teile  |  an  dem  nuwen  zehendlin  der  des  Wylerspaehers  was.  gilt  by  einem 
vierteil  kmris  eins  Nuremberger  Syraerns  Item  ein  |  acker  gelegen  an  der 
Schon,  der  des  Fritzen  Sniders  was  Item  ein  acker  gelegen  an  Puckenhofer 
wege  den  der  becker  innhat  |  vnd  ein  teile  in  dorn  vierteil  zehende,  der  des 
Cuntzen  Hoffmans  was  gilt  andorhalb  pl'unt  wahs.  von  vns  vnd  dem  heiligen  | 
riebe  zu  leben  imh'imi  vnd  gen.  die  derselbe  Virich  von  vns  vnd  dein  ridu'  zu 
lehen  habe,  vnd  die  vv  mcyne  an  die  pfarkirche  |  daselbsl  zu  Urueke.  die  ge- 
wyhet  sy  in  die  ere  des  heiligen  zwellfbolen  sant  Peters  zu  wenden,  vnd  sin 
darumbe  von  sinen  wegen  |  demuticlich  gepeten.  das  wir  dieselben  guter,  der- 
sellten  pfarkircbcn  gt'bi'ii  aikI  eigenen  wellen,  wani  wir  im  siindcrliili  ge- 
nei  1  get  sin  /u  lurdernde  die  ding,  damide  goles  ilinslc  vnd  lolic  gfinerret 
möge  werden.  Iicrvndie  so  bau  wir  angesehen  des  |  obgenanten  Virichs  redliche 
vnd  llißige  bete.  |  vnd  haben  dem  almecbligen  gote  zu  lobe  vnd  aui-h  zu  eren 
dem  heiligen  zwellfbotcm  |  sant  Peter  dieselben  guter  samentlicb  vnd  besunder. 
mit  allen  nutzen  vellen  vnd  zugehorden.  der  obgenaiil  plarrkirchen  zu  Brücke  | 


—   %   — 

zu  fryen  eyg-en  lodiclich  g-egebon.  vnd  grben  yr  die  auch  in  crafft  dioß  brioffs 
vnd  Romisrbcr  kuu^'-lichcM-  mochte  vollckomonheide  |  nach  dem  dann  der  obge- 
nunl  Vliicli  das  vermacht  vnd  vcrschrieixMi  hat.  Orkunde  dieß  brieffs  versig-elt 
mit  vnsei-  kuniglichen  |  maieslal  anhaug-endem  iiige.sigel  Geben  zu  Nuremberg 
mich  Cristi  geburte  viertzehonhundcrl.  vnd  darnach  in  dem  achten  jare  vf!"  der 
heiligen  zwcUrbolt'n  Symnnis  vnd ')mlr  abende  vnsers  richs  in  dem  nundea  jare. 

Per  dominum  K.  episcopum  S|)irensera  ■"*)  Johannes  Winheira. 

R(cgi.stratum)  Berthoklus  Durlach. 

00.       1410  Januar  21.    Heidelberg.     Kimig  l{u|>rccht  gebietet  den  Landesherrn  an  der 

Ktsch,  genannten  Nürnberger  Juden   und  Jüdinnen,   über  die   auf  Grund   eines 

liolgerichtsspruches  die  Reichsacht  verhängt  worden  sei,  keinerlei  Vorschub  zu 

leisten.  —  Orig,  Perg.    Aul'  der  Kückseite  Reste  eines  hellgelben  Wachssiegels. 

Fehlt  Ghmel. 

Dem  14,0  cm.  hohen,  29,5  cm.  breiten  Pergamente  unserer  Urkunde  fehlt 
der  untere   Hand,    welcher  jedenfalls   den   Kanzleivermerk   trug. 

Wir  Ruprecht  von  gotes  gnaden  Römischer  kunig  zu  allen  ziten  merer 
des  richs  embieten.  den  edeln  allen  |  vnd  iglichen.  Landesherren  von  der  Etsche. 
vnser  gnad.  vnd  alles  gut.  vnd  tun  euch  kunt  mit  disem  briet',  das  die  |  ersamen 
.  .  burgermeistere.  vnd  die  bürgere  gemeinlich  des  rates  der  stat  zu  Nürnberg 
vnsere.  vnd  des  richs  |  lieben  getruen.  vflf  Jutten  Judinn.  ettwenn  Jacobs  Juden 
genant  Rappe  von  Nürnberg  wybe.  Hendlinn  Judinn  ir  i  beder  tochter.  vnd 
kücheln.  Lazarus,  vnd  Mosse  Juden,  des  itzgenanten  Jacobs  sune.  an  vuserm. 
vnd  des  heiligen  Romischen  |  richs  hofgerichte  souerre  geclaget.  vnd  ouch  mit 
rechter  vrteyle  erlanget  haben,  das  dieselben  Juden,  vnd  Judinn.  in  |  vnsere. 
vnd  des  itzgenanten  richs  ahte  geurteylet  sind,  als  desselben  hofgerichtes  recht 
ist.  vnd  das  wir  sy  dorumb  |  in  solich  ahte  getan  vnd  gekündet  haben,  als  das 
solich  ahtebrieue  doruber  gegeben  eigentlicher  vffwisen.  |  Dorumb  von  Romischer 
kuuglicher  mäht  vnd  gewalte,  begeren  wir  von  euch,  vnd  gebieten  vch  ouch. 
by  vnsern  |  vnd  des  heiligen  Romischen  richs  rehten.  vnd  gehorsamkeite  ernst- 
lich vnd  vesticlich  mit  disem  brief.  das  ir  \  die  vorgenauten  Juden,  vnd  Judinn. 
vnsere.  vnd  des  heiligen  Romischen  richs  ehtere  in  ewern  slossen.  steten  | 
landen,  vnd  gebieten,  furbassmere.  weder  husen.  noch  houen.  etczen.  noch 
trenken.  noch  keinerley  gemeinschaft  |  mit  in  haben  lasset  in  keinerley  wise. 
sunder  den  vorgenanten  .  .  burgermeistern.  vnd  burgern.  vnd  ouch  den  iren  | 
vff  dieselben  ehtere  nach  lute  der  vorgenanten  ahtebrieue  getrulich.  vnd  ernst- 
lich beholfen  sin  sollet,  als  vil  |  vnd  als  lange  bis  das  sy  in  vnsere.  vnd  des 
heiligen  Romischen  richs  gnade,  vnd  gehorsamkeyte  wider  |  komen  sind,  als 
reht  ist.  CTeben  zu  Heidelberg,  vnder  vnserm.  vnd  des  vorgenanten  hofgerichtes 
vfgedruktem  insi  |  gel.  Nach  Grists  gehurt  vierczenhundert  jare.  vnd  dornach 
in  dem  czehenden  jare  des  nehsten  dinstags  |  nach  sant  Antonii  tage,  vnsers 
richs  in  dem  czehenden  jare. 

Nürnberg.  Dr.  Heiur.   Wendt. 


S9)  Bi.sciiuf  Kaban  von  Speier,  Kanzler  König  Ruprechts   während   dessen  ganzer  Re- 
gierung;   Lindner  S.  S2. 


—     97     — 

Die  Kaiseriirkiiudcu  des  gcrmauischeii  Nationaliiiiiscuius. 

lY. 

Vom   Tode  Ruprechts   bis  zur   Wahl  Karls    V. 

1410—1319. 
ercits   innerhalb  dieses   letzten  Abschnittes   unserer  Publikation    zwingt 
der   namentlich   nach   Umfang-  aber  auch  nach  Inhalt  veränderte  .Gha- 
ij  rakter    des   Materials  ^)    zum    Abweichen   von    der   bisherigen   Behand- 


hmgsweise. 

Wurde  bisher  das  Verfahren  beobachtet,  jedes  Stück,  welches  wir  als 
bekannt  nicht  nachzuweisen  vermochten,  im  Wortlaute  vorzuführen  und 
nur  von  bereits  gedruckten  Urkunden  die  blofsen  Regesten  zu  geben,  so  werden 
wir  uns  in  dieser  Abteilung  durchgängig  mit  Regesten  begnügen  müssen,  wo- 
bei jedoch  spätere  vollständige  Wiedergabe  einzelner  bedeutsamerer  Stücke 
vorbehalten  bleibt.  Auch  die  Litteraturangaben  werden,  da  zusammenfassende 
Vorarbeiten  für  unsere  Zeit  teils  ganz  fehlen,  teils  an  Vollständigkeit  und  Zu- 
verlässigkeit viel  zu  wünschen  übrig  lassen,  nicht  einmal  den  bisherigen  Um- 
fang erreichen  können  und  sich  auf  das  unmittelbar  Nächstliegende  beschränken. 
Schlietslich  werden  auch  in  den  Mitteilungen  über  die  äufsere  Gestalt  der  Ur- 
kunden: Beschreibung  der  Siegel,  Angabe  der  Kanzleivermerke  u.  ä.,  vielfache 
Beschränkungen  einzutreten  haben. 

A.  Sigmund.     1410—1437. 

61.  1413  Januar  21.  Konstanz.  König  Sigmund  bestätigt  den  Zeidlern  im  Reichs- 
walde bei  Nürnberg  die  Privilegien  König  Karls  IV.  vom  1.  Juni  1330  (vgl. 
S.  86,  Nr.  46)  und  König  Ruprechts  vom  6.  März  1403  (vgl.  S.  94,  Nr.  36).  — 
Erhalten  in  einem  Vidimus  des  Landgerichts  Nürnberg  vom  22.  August  1419. 

62.  1413  Februar  18.  Konstanz.  König  Sigmund  nimmt  Oswald  von  Wolkenstein 
zu  seinem  Diener  und  Hofgesinde  an  mit  einem  Jahrgehalte  von  300  ungarischen 
Gulden.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

Gedruckt  nach  unserem  (h'iginale  von  Noggler  in  der  »Zeitschrift  des 
Ferdinandeums  für  Tirol  und   Vorarllicrg«  3.  Folge,  Heft  27  (1883),  S.  20. 

Diese  Urkunde  ist  die  erste  aus  dem  reichen  Schatze  an  Kaiserurkunden 
unserer  Periode  ^),  welchen  das  im  Jahre  1873  vom  Museum  erworbene  Wolken- 
steiner Archiv  birgt.  Der  Zweig  des  genannten  Tiroler  Geschlechtes,  dessen 
Überlieferung  dieses  Archiv  in  sich  schliefst,  ist  die  von  dem  bekannten  ^detzten 
Minnesänger«  Oswald  von  VVolkenstein  begründete  Linie  der  AVolkenslein- 
Rodenegg.  Daher  enthält  das  Archiv  namentlich  tüi-  die  Geschichte  Oswalds, 
der  auch   Kmidanger  der  vorliegenden  Urkunde  ist,  sehr  wertvidle  Belege. 

63.  1413  April  8.  Konstanz.  König  Sigmund  erteilt  dem  Jakob  Rudoli'.  Bürger  und 
KauCniann  zu  Isny,  ein  Wapjien.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt, 

64.  1413  Mai  13.  Konstanz.  König  Sigmund  präsentiert  dem  Kapitel  der  St.  Jo- 
hunniskirche  zu  Konstanz  auf  Grund  seines  Rechtes  der  »ersten  Ritten«  den  Georg 
Mönch,   Geistlichen   Konstanzer  Diözese,    als  Kanonikus.    —   Orig.  Perg.    Rotes 


1)  Über  diesen  vj^l.  S.  73.  2)'Dicsi^li)eii  .siiul  im  t'oljjomloii  init   \\ .  A.  iKv.oiiliucl. 

Mitteilungen  aus  dem  gcrman.  Nationalmusoum.     1890.  XIII. 


—    98     — 

Sieg'cl    ilh'iriior.    »Die   doiitschen  Kaisoi-    imd  Ivönig-ssiegel«     S.  26,    Nr.  130, 
Talbl  XIV.  Nr.   Ki.'i)   in  i;i'll)rr  Kapsel  an  Juciteiii  Perg-araentstreifen. 

Auf  der  Hüekseite  beliiidot  sich  die  gleichzeitig-e  Notiz:  »Item  graf  schnider 
lial  di(5  lifief  liiiider  mich  g-elol  das  ich  sy  niemand  hiiiavßg-ebe  on  ains  burger- 
maislers  haisseu.rt 

(ji).  I'il7  .)nli  H.  Konstanz.  König  Sig'mund  erteilt  dem  Herzoge  Friedrieh  von 
Osterreich,  der  au  seinen  Hof  nach  Konstanz  koninicn  Avill.  freies  Geleit.  —  Perg. 
Unbesieg-eU. 

Keg-est  (nach  einer  Vorlage  des  k.  k.  Haus-,  Hol-  und  Staatsarchivs  zu 
Wien)  bei  Lichnowsky,  »Geschichte  des  Hauses  Habsburg«  Bd.  Y,  S.  CLVH, 
Nr.  1725;  ferner  bei  Aschbach,  »Geschichte  Kaiser  Sigmunds«  Bd.  IV, 
S.  322. 

Unsere  Urkunde  macht,  abgesehen  davon,  dafs  ihre  Identität  mit  der  Vor- 
hige  Lichnowskys,  welche  Original  sein  dürfte,  wenig  wahrscheinlich  ist, 
auch  an  sich  nicht  den  Eindruck  eines  Originals.  Allerdings  weist  sie  an.  dem 
unteren,  beschnittenen  Rande  einen  Siegelschnitt  auf;  aber  ein  Teil  der  Ränder 
ist  von  einer  gleichzeitigen  Hand  mit  Notizen  theologischen  Inhalts  beschrieben. 
Ferner  steht  auf  der  Rückseite,  anstatt  des  Registraturvermerkes,  ein  Zeichen, 
das  als  Kassierungsvermerk  aufzufassen  sein  dürfte.  Wir  haben  es  also  jeden- 
falls mit  einer —  warum,  läl'st  sich,  namentlich  ohne  Kenntnis  des  Originals,  nicht 
entscheiden  —  später  unterdrückten  älteren  Ausfertigung  zu  thun. 

Inhaltlich  gehört  die  Urkunde  in  den  während  des  Konstanzer  Konzils 
sich  hinziehenden  Streit  Herzog  Friedrichs  mit  König  Sigmund,  dessen  Bei- 
legung erst  im  nächsten  Jahre  erfolgte.  Über  die  Yergleichsverhandlungen, 
auf  welche  unser  Geleitsbrief  schliefsen  läfst,  vermag  Lichnowsky^)  nichts 
Näheres  beizubringen. 

66.  1417  September  28.  Konstanz.  König  Sigmund  teilt  Oswald  von  Wolkenstein 
mit,  dafs  er  mit  seinem  Heere  am  Sonntage  vor  Simonis  und  Judä  (24.  Oktober) 
in  Feldkirch  zu  sein  beabsichtige.  —  Orig.  Pap.  Form  des  geschlossenen 
Briefes^).    W.  A. 

Gedruckt  nach  unserem  Originale  von  Noggler  in  der  »Zeitschrift  des 
Ferdinandeums«  3.  Folge,  Heft  27,  S.  63. 

67.  1419  April  1.  Prefsburg.  König  Sigmund  erteilt  dem  Oswald  von  Wolken- 
stein zur  Rückkehr  von  seinem  Hofe  in  die  Heimat  treies  Geleit.  —  Orig.  Pap. 
Rücksiegel.     W.  A. 

Erwähnt  nach  unserer  Vorlage  von  Noggler  in  der  »Zeitschrift  für 
deutsches  Altertum«  Bd.  27,  S.  181. 

3)  a.  a.  0.  S.  181. 

4)  Kennzeichen  rief  geschlossenen  Briefe  (in  den  folgenden  Studien  mit  G.  B. 
bezeiclinetj,  welche  seit  der  luxemburgischen  Zeit  von  den  olfen  versandten  Privilegien  und 
Mandaten  als  besondere  Urkundeaart  sich  abheben,  sind:  Das  Siegel  wird  nicht  angehängt 
oder  in  der  Mitte  der  Vorder-  oder  Rückseite  aufgedrückt,  sondern  an  den  Rändern  der 
Rückseite,  als  Verschlursmittel,  angebracht.  Der  Name  des  Empfängers  ist  nicht  in  den  Text 
vertlochten,  sondern  steht  als  Adresse  auf  der  Rückseite.  Elbenso  bilden  Namen  und  Titel 
des  Ausstellers  nicht  mehr  einen  Teil  des  Textes,  sondern  stehen  als  Überschrift,  meist  in 
zwei  Zeilen  gegliedert,  an  der  Spitze.  —  Vgl.  Brefslau,  »Handbuch  der  Urkundcnlehre«  I,  S.  60. 


—    99     — 

68.  1422  September  11.  Nürnberg'.  König  Sigmnnd  ernennt  den  Peter  Truchsefs 
von  Bomersfelde,  Ritter,  zum  Beisitzer  an  seinem  und  des  Reichs  Hofgerichte 
mit  einer  jährlichen  Besoldung  von  oÜO  Gulden  rhein.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

69.  1422  Dezember  6.  Prefsburg.  König  Sigmund  urteilt,  dafs  der  Anspruch 
des  Herzogs  Friedrich  von  Österreich  an  Oswald  von  Wolkenstein  auf  Zahlung 
von  6000  Grulden,  für  welche  dieser,  um  sich  aus  der  Grefangenschaft  des  Herzogs 
zu  lösen,  Bürgen  gestellt  hat,  unbegründet  und  der  Herzog  gehalten  sei,  Oswald 
und  seinen  Bürgen  ihre  Yerschreibungen  wiederzugeben.  —  Orig.  Perg.  Rück- 
siegel.     W.  A. 

Eine  genaue  Inhaltsangabe  und  eingehende  Darstellung  des  Zusammen- 
hanges, in  den  unsere  Urkunde  gehört,  gibt  Noggler  in  der  «Zeitschrift  des 
Ferdinandeums«  3.  Folge,  Heft  26,  S.  142  f.  Über  die  Gefangenschaft  des  Dichters 
vgl.  auch  Zingerle  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie,  philoso- 
phisch-historische Klasse,  Bd.  64  (1870),  S.  661  f. 

7U.  1424  September  29.  Totes  (in  Ungarn).  König  Sigmund  entläfst  auf  Bitten  des 
Hermann  Wallud  die  Stadt  Stade  aus  der  Reichsacht.  —  Orig.  Perg.  Braunes 
Siegel  mit  rotem  Rücksiegel  an  Pergamentstreifen. 

Das  Siegel  ist  das  Hofgerichtssiegel  König  Sigmunds,  Heffner  S.  26. 
Nr.  126,  Tafel  XIII,  Nr.  99  u.  100. 

71.  1424  Dezember  13.  Ofen.  König  Sigmund  verspricht  dem  Oswald  von  Wolken- 
stein, ihm  seine  Bitte  um  Fürsprache  bei  Herzog  Friedrich  von  Österreich  zu 
erfüllen.  —  Orig.  Pap.  G.  B.     W.  A. 

Erwähnt  von  Noggler  in  der  »Zeitschrift  des  Ferdinandeums«  Heft  26, 
S.  149. 

72.  1429  September  9.  PreCsburg.  König  Sigmund  verleiht  den  Brüdern  Lienhart, 
Lorenz  und  Martin  Stromer,  Bürgern  zu  Nürnberg,  genannte  Reichslehen  bei 
Nürnberg.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

7;}.  1430  Juli  31.  Wien.  König  Sigmund  beglaubigt  den  Oswald  von  Wolkenstein 
zu  einer  Sendung  an  das  heimliche  Gericht").  —  Orig.  Pap,  Rücksiegel.    AV.  A. 

7.').  1430  Oktober  23.  Nürnberg.  Körnig  Sigmund  verleiht  dem  Hans  Vogt  von 
Wendelstein  ein  Viertel  des  dortigen  Gerichtes.     -  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

Eine  weitere  in  unserem  Besitze  belindliche  Originalurkunde  Kaiser  Sig- 
mufids  über  dasselbe  Reichslehen  datiert  vom  23.  April  1434. 

76.  1431  Juli  10.  Nürnberg.  König  Sigmund  urleilt,  dals  in  dem  Streite  der  Stadt 
Halberstadt  mit  einigen  ihrer  früheren  Bürger,  Amniendorf.  Tangen  und  Ge- 
nossen, über  erstere  die  Reichsacht  zu  Unrecht  verhängt  worden  sei,  und  hebt 
dieselbe  daher  auf.  —  Orig.  Perg.  Gelbes  Wachssiegcl  (Heffner  S.  2o,  Nr.  124, 
Tafel  XIV,  Nr.  98)  an  schwarzgelber  Seidensrhnur. 

Gedruckt  von  Schmiiil  in  iN-ni  »l'rkiindiMibuch  der  Stadt  Halbersiadl« 
Teil  II,  S.  154  ff.,  Nr.  845. 


5)  Über  die  Bcziclmiitron  Oswalds  zu  drii  f'n'iniM'iciilcii  v^'l.  (ieii  Aiil'sal/  von  1.  i  iid  ii  c  r. 
«Die  Fragen  dos  Königs  Uiiprccld  üImt  die  Vcincgcrichlc..  in  I5d.  I.  S.  Ill'i  IT.  dieser  Mil- 
Iciiungcn«. 


—     100     - 

Dom  Drucke  von  Sclniiidl  ist  nicht  unsei' Original,  sondern  «wegen  des 
hoiinal liehen  Ursprungs«  ein  Transsumpt  des  Abtes  Heinrich  von  Huysburg-  vom 
\.  August  1434  zu  (irundo  gelegt.  Abgesehen  von  dialektlichen  Besonderheiten 
weicht  dieses  (buch  Auslassung  mehrerer  Worte  vom  Originale  ab.  Aufser  den 
von  Schmidt  bereits  nach  unserem  Texte  gemachten  Zusätzen  ist  noch  anzu- 
führen: S.  loa.  Zeile  9:  hinler  beraubt  unde  add.  ouch;  S.  Iö6,  Zeile  13:  hinter 
liir  uns  add.  und:  S.  157,  Zeile  28:  hinter  teil  add.  brief.  S.  136,  Zeile  34:  be- 
hartung  statt  behaltung,  und  S.  137,  Zeile  18:  des  statt  der,  dürften  wol  nur 
Druckfehler  sein. 

77.  143ä  ]\lai  IV>.  Parma.  König  Sigmund  ermahnt  alle  Obrigkeiten  und  Unterthanen 
im  Reiche,  den  Oswald  von  Wolkensteiu,  welchen  er  in  seinen  besonderen 
Schutz  genommen  habe,  in  keiner  Weise  zu  benachteiligen.  —  Orig.  Perg. 
Siegel  fehlt.    W.  A. 

78.  1434  Februar  26.  Basel.  Kaiser  Sigmund  bestätigt  der  Stadt  Reutlingen  alle 
ihre  Rechte  und  Privilegien.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

79.  80.  1434  Mai  7.  Basel.  Kaiser  Sigmund  ermahnt  die  Stadt  Erfurt,  seinem  und  des 
Reiches  Erbkämmerer,  Konrad  von  Weinsberg,  der  mit  Vollstreckung  der  Reichs- 
acht gegen  die  Stadt  Halberstadt  beauftragt  worden  sei,  hierbei  zu  unter- 
stützen. —  Orig.  Pap.    Siegel  auf  der  Vorderseite. 

Erwähnt  nach  unserer  Vorlage  von  Schmidt  a.  a.  0.  II,  S.  167,  Nr.  861. 
Ein  gleiches  in  unserem  Besitze  befindliches  Mandat  erging  an  die  Stadt 
Quedlinburg. 

81.  1434  Juni  14.  Ulm.  Kaiser  Sigmund  beauftragt  den  Oswald  von  Wolkenstein 
mit  Einziehung  aller  Strafgelder,  die  durch  Übergriffe  gegen  das  Kloster  der 
regulierten  Chorherren  zu  Neustift,  Augustinerordens,  Diözese  Brixeu,  verwirkt 
werden.  —  Orig.  Perg.  Rotes  Siegel  (Heffner  S.  27,  Nr.  131,  Tafel  14,  Nr.  106) 
in  gelber  Kapsel  an  Pergamentstreifen.    W.  A. 

Erwähnt  (ohne  Inhaltsangabe)  bei  Aschbach,  »Geschichte  Kaiser  Sig- 
munds« Bd.  IV,  S.  498.  Gedruckt  bei  Lünig,  »Reichsarchiv^c,  Spie,  sec.  II,  S.  1339, 

Zu  dem  Kloster  Neustift  an  der  Eisack,  dessen  Schutze  die  vorliegende 
Urkunde  gewidmet  ist,  halten  die  Wolkensteiner  von  jeher  enge  Beziehungen, 
Oswald  selbst  ist  dort  begraben.  Das  Denkmal  an  der  Domkircbe  zu  Brixen, 
welches  den  Minnesänger  darstellt  (abgebildet  u.  a.  in  dem  »Jahrbuch  des 
Heraldisch-genealogischen  Vereins  Adler«  Bd.  l,  Tafel  XIX),  ist  kein  Grabstein, 
sondern  von  Oswald  im  Jahre  1408,  fast  40  Jahre  vor  seinem  Tode,  wahrschein- 
lich zum  Gedächtnisse  an  seine  Stiftung  zweier  Kapellen  im  Dome,  errichtet. 
Vgl.  die  »Mittheilungen  der  k.  k.  Central -Gommissiou  zur  Erforschung  und 
Erhaltung  der  Baudenkmale«  Bd.  II,  S.  181. 

82.  1433  Januar  4.  Prefsburg.  Kaiser  Sigmund  bestätigt  der  Stadt  Halberstadt  alle 
ihre  Rechte  und  Privilegien.  —  Orig.  Perg.  Schönes  hellgelbes  Münzsiegel 
(Heffner  S.  25,  Nr.  123,  Tafel  XIII,  Nr.  96u.97)  an  schwarzgelber  Seideuschnur, 

Nach  unserem  Originale  gedruckt  von  Schmid  t  a.  a.  0.  II,  S.  172  f.,  Nr,  867, 

83.  1437  JMärz  19.  Prag.  Kaiser  Sigmund  bezeugt  dem  Martin,  Domprobste  zu 
Bamberg,  dafs  derselbe  den  in  einer  Klagesache  der  Elisabeth  Haufslaib  und 
des  Gregor  Heymberg,  Lehrers  beider  Rechte,  gegen  ihn  angesetzten  Termin 
wahrgenommen  habe,  —  Orig.  Pap.    Siegel  (wie  Nr.  81)  auf  der  Vorderseite, 


—     lOi     — 

B.  Albrecht  II.  1438-1439. 

84.  1439  Juni  19.  Ot'en.  König-  Albrecht  teilt  der  Stadt  Wiiidsheim  **)  mit,  dafs  er 
des  von  ihr  für  den  25.  Juli  g-eforderten  Kriegs  Volkes  zur  Zeit  nicht  bedürfe, 
da  unter  Vermittlung  der  päpstlichen  Legaten  zwischen  ihm  und  dem  Könige 
von  Polen  ein  AYaffenstillstand  geschlossen  worden  sei,  bittet  sie  aber,  für  den 
Fall,  dafs  die  unternommenen  Friedensverhandlungen  scheitern  sollten,  sich  zur 
Hülfe  bereit  zu  halten.  —  Orig.  Pap.  G.  B.  Das  Siegel  entspricht  dem  Heffners 
S.  21,  Nr.  133,  Tafel  XIV,  Nr.  108. 

Dasselbe  Mandat  erging  u.  a.  an  Frankfurt  (gedruckt  bei  Janssen, 
»Frankfurts  Reichscorrespondenz«  Bd.  I,  S.  483,  Nr.  862)  und  an  Breslau  (ge- 
druckt bei  [Klose,]  ))Dokumentierte  Geschichte  von  Breslau«  Bd.  II,  S.  430—432; 
Regest  bei  Lichnowsky  a.  a.  0.  Bd.  V,  S.  CGCLXXI,  Nr.  4346). 

G.  Friedrich  III.  1440-1493. 
83.       1442  März  18.  Innsbruck.    König  Friedrich  ladet  Oswald  von  Wolkenstein  zur 
Verantwortung  wegen  angeblicher  Beraubung  einiger  Leute.  —  Orig.  Pap.  G.  B. 
W.  A. 

86.  1442  August  18.  Frankfurt.  König  Friedrich  ermahnt  Bürgermeister  und  Ral 
zu  Halberstadt,  ihre  Judenschaft  zur  Zahlung  des  ihm  bei  seiner  Thron- 
besteigung gebührenden  «dritten  Pfennigs«  anzuhalten.  —  Orig.  Pap.  G.  B. 

Gedruckt  nach  unserer  Vorlage  von  Schmidt  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.214,  Nr.  927. 

87.  1443  Juni  28.  Wien.  König  Friedrich  verleiht  Peter  und  Hans  Rieter  von 
Nürnberg  ein  Gut  zu  Affeiterbach').  —  Orig.  Perg.  Rotes  Siegel  (Heffner 
S.  29,  Nr.  139,  Tafel  XVL  Nr.  117)  an  Pergamentstreifen. 

Regest  bei  Ghmel,  »Regesta  .  .  .  Friderici  III.  Imperatoris«  Nr.  1484 
(ohne  Datum). 

88.  1443  November  12.  (Wiener-)Neustadt.  König  Friedrich  bittet  Bischof  Georg 
von  Brixen,  da  er  (der  König)  sich  demnächst  nach  Graz  und  von  dort  als- 
bald nach  der  Etsch  zu  begeben  beabsichtige''),  um  Nachrichten  über  den 
letzten  Landtag  zu  Meran  und  um  Rat  darüber,  ob  er  seinen  Weg  durch  das 
Innthal  oder  über  Bruneck  **)  nehmen  solle.  —  Orig.  Pap.  G.  B.    W.  A. 

■  89.  1444  September  25.  Nürnberg.  König  Friedrich  beliehlt  der  Stadt  Winiislu'im. 
auf  Grund  der  Beschlüsse  des  Nürnl)erger  Reichstages,  zur  Abwehr  des  »frenulen 
Volkes  aus  Frankreich«  ^*'),  das  in  Deutschland  eingebrochen  sei  und  namentlich 
den  Kurfürsten  Ludwig  von  der  Pfalz  bedränge,  auf  den  Tag  St.  Galli  (16.  Oktober) 
ihr  Kontingent  von  10  Reisigen  nach  Stral'sburg  zu  schicken.  —  Orig.  I'aii.  <i.  1^ 
Dieses  Ausschreiben  des  Königs  erfolgte  auf  (irund  des  ersteren  der 
beiden  in  Nürnberg  zur  Bekämpfung  der  Armagnaken  beschlossenen  Reichs- 
gesetze, des  der  Defensive  dienenden  »kleinen  Anschlages.«    Nach  diesem  halhMi. 


6)  In  Franken.  7)  Climcl:  AiTaltorliacli. 

8)  Letztere  Absiclil  liat  der  KTmi^^  iiiclil  aiisjjtcrülirt  ;  wir  können  ihn  i  nai-li  ticn  ans- 
j;estelUen  Urkunden)  vom  -26.  Novenilier  liis  zum  13.  Dezeml)er  in  (.Iraz.  dann  wiilirend  der 
foljrenden  Monate  in  Kärnten  narliweisen.     Vj,d.  C  liniel  a.  a.  0.  S.   l.'iCitV. 

9j  lui  Pustertinilc,  an  der  llienz. 
10)  Der  Armajcnaken. 


■o"- 


—     102    — 

wie  (lor  Frankfurlor  Rcichslaji-s^osandlo  Walter  Schwarzenberg  seiner  Stadt 
bericlüt'l  "),  diosi'  iiiul  Spoier  je  4U,  Worms,  Main/,.  Konslanz  und  Reg-ensburg- 
je  .'iü,  L'lin  1111(1  st'iiic  JJundesstädfc  20ü,  Augsburg  und  Nürnberg  Je  JiU  Reisige 
/u  slelk'ii.  Sclutii  am  "SO.  September  verhingt  der  König,  nach  dem  zur  Offen- 
sive, zum  »Zuge«,  bestimmten  »grofsen  x\nschlage«,  von  der  Stadt  Frankfurt 
eine  KriegshUlfe  von  ;)00  JMann  zu  Uol's  und  zu  Fufs  ^^). 

110.  1 4IS  März  II.  Wien.  König  Fricdiidi  i)el]ehlt  Herzog  Sigmund  von  Österreich, 
den  flitrg  von  Wimdingen  bei  ilen  von  König  Sigmund  gegen  Vogt  Ulrich 
von  Metscli  uinl  l'li  ich  Herren  zu  Melsch,  beide  Grafen  zu  Kirchberg,  erlangten 
Urteilssprüchen  handhaben  zu  wollen.  —  Orig.  Perg.     Rücksiegel.     W.  A. 

Erwähnt  (ohne  Datum)  aus  den  Repertorien  des  Schatzarchives  zu  Inns- 
bruck von  Ladurner  in  der  «Zeilsclirilt  des  Ferdinandeums«  3.  E'olge,  Heft  17 
(IS7:^).  S.  214  f. 

DI.  144H  Juli  2ö.  (Wiener-)  Neustadt.  König  Friedrich  spricht  Jörg  und  Hans 
von  Vilamlers  der  Summe  von  lUO  Mark  Goldes,  die  sie  ihm  schuldig  waren, 
und  sonstiger  Ansprüche,  die  er  im  Namen  Konrad  Ascbbachs  an  sie  zu  machen 
hatte,  los  und  ledig.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt.    W.  A. 

1)2.  1449  Januar  2ü.  Neustadt.  König  Friedrich  erlaubt  der  Stadt  Judenburg  ^•■'), 
jährlich  zwei  Jahrmärkte  abhalten  zu  dürfen.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

93.  1449  Dezember  29.  Neustadt.  König  Friedrich  erteilt  den  Nürnberger  Bürgern 
Niklas  und  Jakob  Muffel  eine  Wappeubesserung-.  —  Orig.  Perg.  Gelbbraunes 
Münzsiegel  an  rotgrünen  Seidenfäden. 

(jedruckt  mit  dem  Datum:  14oÜ  Dezember  21  von  Würfel  in  den  »Nach- 
richLcn  zur  Erläuterung  der  Nürnbergischen  Stadt-  und  Adelsgeschichte« 
I,  S.  406  fr. 

Der  in  der  Mitte  unserer  Urkunde  für  das  Wappenbild,  auf  welches  im 
Texte  verwiesen  wird,  bestimmte  Raum  ist  nicht  ausgefüllt.  Das  sehr  schön 
erhaltene  Siegel  ist  bei  Heffner  S.  27,  Nr.  134  beschrieben,  Tafel  XIV,  Nr.  109 
und  110  abgebildet.  Zu  Füfsen  des  Königs  ist  in  rotem  Wachse  das  bei 
Heffner  S.  28,  Nr.  133  beschriebene  Ringsiegel  aufgedruckt. 

94.  1450  November  30.  Neustadt.  König  Friedrich  verleiht  dem  Dyetz  Recken- 
berger  ein  Anwesen  zu  Nürnberg  in  der  Vorstadt.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

9ö.  1453  Juni  4.  Graz.  Kaiser  Friedrich  bestätigt  die  von  Hedwig,  der  Witwe 
des  Wilhelm  von  Berneck,  der  Pfarrkirche  zu  Graz  gemachte  Stiftung.  —  Orig. 
Perg.    Siegel  fehlt. 

90.  1453  Oktober  lö.  Neustadt.  Kaiser  Friedrich  weist  die  Stadt  Weifsenburg  ^^) 
an,  ihre  am  Martinstage  (11.  November)  fällige  Stadtsteuer  an  den  Erbmarschall 
Heinrich  von  Pappenheim  zu  zahlen.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

1)7.  1454  .März  16.  Neustadt.  Kaiser  Friedrich  verleiht  den  Gebrüdern  Hans,  Bal- 
thasar, Andreas  und  Jörg  Dürrer  genannte  von  dem  Fürstentume  Kärnten  zu 
Lehen  rührende  Grundstücke.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

11)  Janssen  a.  a.  0.,  Bd.  [l,  S.  74  f.,  Nr.  103. 

12)  Janssen  II,  S.  73  f.,  Nr.  lOo. 

13)  In  Steiermark. 

14)  Im  Nordgau. 


—     103    — 

98.  1456  Juni  9.  Neustadt.  Kaiser  Friedrich  verleiht  dem  Heinz  Wölfel  zu  Heuch- 
ling- ^-^j  mehrere  Güter  daselbst.  —  Orig.  Perg-.  Rotes  Siegel  (Heffner  S.  29. 
Nr.  141,  Tafel  XVIII,  Nr  118)  in  gelber  Kapsel  an  Pergamentstreifen. 

99.  1456  August  16.  Neustadt.  Kaiser  Friedrich  verleiht  dem  Ludwig  Grruber, 
Bürger  zu  Nürnberg,  genannte  Reichslehen  daselbst,  die  bisher  Paul  Pirkheimer 
innegehabt  hat.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

-104.  1460  Februar  20.  AVien.  Kaiser  Friedrich,  als  ältester  Fürst  des  Hauses  Öster- 
reich, gibt  seine  Zustimmung  zu  der  Verpfändung  des  Schlosses  Ivano  ^®)  durch 
Herzog  Sigmund  von  Österreich  an  Jakob  Trapp.  —  Orig.  Perg.  Siegel  fehlt. 
W.  A. 

Schlofs  und  Herrschaft  Ivano,  die  nach  einer  dem  AVolkensteiner  Archive 
angehörigen  Urkunde  König  Maximilians  vom  10.  Februar  1492  (Orig.  Perg.) 
im  Plandbesitze  der  Jörg,  Jakob  und  Karl  Trapp,  wahrscheinlich  der  Söhne  des 
hier  genannten  Jakob  Trapp,  erscheinen,  verpfändete  König  Maximilian  bahl 
darauf,  laut  zweier  Urkunden  des  Wolkensteiner  Archives  vom  9.  März  und  vom 
11.  April  1492  (Orig.  Perg.)  seinem  Rate,  Kämmerer  und  Feldhauptmanne,  Veit 
von  Wolkenstcin,  für  22000  Gulden.  Durch  eine  weitere  Urkunde  des  Wolken- 
steiner Archives  vom  2.  März  1494  erhöhte  der  König  diesen  Pfandschilling 
wegen  baulicher  Veränderungen,  die  der  neue  Pfandinhaber  am  Schlosse  hatte 
vornehmen  müssen,  um  500  Gulden. 

105.  1461  Juli  18.  Graz.  Kaiser  Friedrich  fordert  Bischof  Johann  von  Fichstätt 
auf,  zum  St.  Lorenztage  (10.  August)  Gesandte  zur  Verhandlung  mit  seinen 
Vertretern,  den  Markgrafen  Albrecht  von  Brandenburg  und  Karl  von  Baden, 
sowie  Ulrich  Grafen  von  Württemberg,  nach  Nürnberg  zu  entsenden.  —  Orig. 
Pap.  G.  B. 

Entsprechende  Ladungen,  jedoch  auf  den  Bartholomäustag  (24.  August) 
lautend,  ergingen  u.a.  an  Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  (J.J.Müller,  »lieichs- 
tagstheatrum«  Bd.  11,  S.  55)  und  an  Frankfurt  (Janssen  II,  S.  161  f.,  Nr.  261). 

106.  1461  September  1.  Graz.  Kaiser  Friedrich  teilt  der  Stadt  Windsheim  mit,  dals 
er  dem  Bischöfe  Johann  von  Würzburg,  welcher,  trotz  seiner  Verbote,  den 
sogenannten  Guldenzoll  im  Lande  Franken  weiter  einnehme,  das  Landgericht 
des  Herzogtums  Franken,  das  Zentgericht  und  das  Brückengericht  zu  Würz- 
burg entzogen  habe.  —  Orig.  Pap.     Rücksiegel. 

107.  1461  September  27.  Leoben'').  Kaiser  Friedrich  erteilt  Niklas  Teschler  von 
Ravelspurg,  seinem  Münzmeister  zu  Wien,  eine  Wappenbesserung  als  Ijohn  für 
die  bei  der  Verteidigung  eines  Thurmes  am  Stubenlhore  zu  Wien  gegen  Herzog 
Albrecht'®)  bewiesene  Tapferkeit.  —  Erhalten  in  einem  Vidimus  des  Sehull- 
heifsen  und  der  Schölten  zu  Nürnberg  vom  23.  August  1566. 

109.  1464  März  20.  Neustadt.  Kaiser  Friedrich  inalml  die  derzeitigen  Iidiabcr  ge- 
nannter Reichslehen  bei  Nürnberg,  welche  Sebolt  Graser   zu  Li'lu'ii  griiahl  lial, 

15)  Bei  Lauf.   Hiiyein.  Bez.  lTorsl)iiici<. 

16)  Im  Val  Sutruiia,  dem  Tliale  der  oliei'H   |{i'ciila. 

17)  Steiermark,  an  der  Mur. 

18)  Über  den  llaiidstreifli .  den  HerzotJ  Alliiiclil  in  si'ini'u  Kämpfen  mil  dem  Kai.ser 
Kegen  die  SladI  Wien  und  spiv.icil  j^ej^en  das  ijcnannic  Tluir  versiiclile.  \jrl.  I,  i  c  li  n  dw  s  k  y 
a.  a.  0.  Bd.   VII,  Ö.  48  1'. 


—     102    — 

wie  ilt'i-  FruiiMiiilcr  KciL-lisla.y-sgosandio  Waller  Scliwarzenberg'  seiner  Stadt 
bericlilct  "),  ilii'sr  iifiil  Spricr  Jti  40,  Worms,  Main/,  Konstanz  und  Rcg-ensburg- 
je  ao,  lim  und  seine  Jiundcssliidle  200,  Auii'shurg'  und  Nürnberg  je  50  Rcisig-e 
zu  slelli'n.  Schon  am  .1(1.  Seplcmlier  verlang!  der  K'iWiig,  nach  dem  zur  (»Uen- 
sive.  zum  »Zuge«,  beslimmlen  »grolsen  Anschlage«,  von  der  Sladt  Frankfurt 
eint'  K'riegshUlfo  von  iiOO  Mann  zu  Hofs  und  zu  Fufs  ^-). 

IJO.  l'i'iS  Miirz  II.  Wien.  Ki'nig  Friedricli  beliehlL  Herzog  Sigmund  von  Osterreich, 
den  'Inrg  von  Wendingen  bei  den  von  König  Sigmund  gegen  Vogt  Ulrich 
von  Metsch  und  Tlrii-h  Herren  /u  Melsch,  beide  Grrafen  zu  Kirchberg,  erlangten 
Urteilssprüchen  liandhalitMi  zu  wollen.  —  Orig.  Perg.     Kücksiegel.     W.  A. 

Krwähiü  (ohne  Dalum)  aus  den  Repertorien  des  Schatzarchives  zu  Inns- 
bruck von  Ladurner  in  der  »Zeitsciu'in  des  Ferdinandeums«  S.Folge,  Heft  17 
(1872),  S.  2141". 

91.  1448  Juli  2ö.  (AYiener-)  Neustadt.  König  Friedrich  spricht  Jörg  und  Hans 
von  Yilamlers  der  Summe  von  100  Mark  Goldes,  die  sie  ihm  schuldig  waren, 
und  sonstiger  Ansprüche,  die  er  im  Namen  Koni'ad  Aschbachs  an  sie  zu  macheu 
hatte,  los  und  ledig.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt.     W.  A. 

92.  1449  Januar  20.  Neustadt.  König  Friedrich  erlaubt  der  Stadt  Judenburg  "), 
jährlich  zwei  Jahrmärkte  abhalten  zu  dürfen.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

93.  1449  Dezember  29.  Neustadt.  König  Friedrich  erteilt  den  Nürnberger  Bürgern 
Niklas  und  Jakob  Muffel  eine  Wappenbesserung.  —  Orig.  Perg.  Gelbbraunes 
Münzsiegel  an  rotgrünen  Seidenfäden. 

Gedruckt  mit  dem  Datum:  14;)0  Dezember  21  von  Würfel  in  den  »Nach- 
richten zur  Erläuterung  der  Nürnbergischen  Stadt-  und  Adelsgeschichte« 
I,  S.  40011. 

Der  in  der  Mitte  unserer  Urkunde  für  das  Wappenbild,  auf  welches  im 
Texte  verwiesen  wird,  bestimmte  Raum  ist  nicht  ausgefüllt.  Das  sehr  schön 
erhaltene  Siegel  ist  bei  Heffner  S.  27,  Nr.  134  beschrieben,  Tafel  XIV,  Nr.  109 
und  110  abgebildet.  Zu  Füfsen  des  Königs  ist  in  rotem  Wachse  das  bei 
HelTner  S.  28,  Nr.  135  beschriebene  Ringsiegel  aufgedruckt. 

94.  14o0  November  30.  Neustadt.  König  Friedrich  verleiht  dem  Dyetz  Recken- 
berger  ein  Anwesen  zu  Nürnberg  in  der  Vorstadt.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

9ö.  1453  Juni  4.  Graz.  Kaiser  Friedrich  bestätigt  die  von  Hedwig,  der  Witwe 
des  \Yilhelm  von  Berneck,  der  Pfarrkirche  zu  Graz  gemachte  Stiftung.  —  Orig. 
Perg.    Siegel  fehlt. 

90.  1453  Oktober  15.  Neustadt.  Kaiser  Friedrich  weist  die  Stadt  Weifsenburg  ^^) 
an,  ihre  am  Martinstage  (11.  November)  fällige  Stadtsteuer  an  den  Erbmarschall 
Heinrich  von  Pappenheim  zu  zahlen.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

97.  1454  März  16.  Neustadt.  Kaiser  Friedrich  verleiht  den  Gebrüdern  Hans,  Bal- 
thasar, Andreas  und  Jörg  Dürrer  genannte  von  dem  Fürstentume  Kärnten  zu 
Lehen  rührende  Grundstücke.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 


11)  Juiidscu  a.  a.  ().,  Bd.  il,  S.  74  f.,  Nr.  103. 

12J  Janssen  II,  S.  75  f.,  Nr.  lOS. 

13)  In  Steiermark. 

14)  Im  Nordgau. 


—    103    — 

98.  1456  Juui  9.  Xeustiidl.  Kaiser  Friedrich  verleiht  dem  Heiuz  AViiliel  zu  Heiich- 
ling- ^^)  mehrere  Grüler  daselbst.  —  ürig-.  Perg.  Rotes  Siegel  (Hefl'ner  S.  59. 
Nr.  141,  Tafel  XVIII,  Nr  118)  in  gelber  Kapsel  an  Pergamentstreifen. 

99.  1456  August  16.  Neustadt.  Kaiser  Friedrich  verleiht  dem  Ludwig  Gruber, 
Bürger  zu  Nürnberg,  genannte  Reichslehen  daselbst,  die  bisher  Paul  Pirkheimer 
innegehabt  hat.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

100—104.  1460  Februar  20.  Wien.  Kaiser  Friedrich,  als  ältester  Fürst  des  Hauses  Öster- 
reich, gibt  seine  Zustimmung  zu  der  Verpfändung  des  Schlosses  Ivano  ^^)  durch 
Herzog  Sigmund  von  Osterreich  an  Jakob  Trapp.  —  Orig.  Perg.  Siegel  fehlt. 
W.  A. 

Schlofs  und  Herrschaft  Ivano,  die  nach  einer  dem  Wolkensteiner  Archive 
angehörigen  Urkunde  König  Maximilians  vom  10.  Februar  1492  (Orig.  Perg.) 
im  Pfandbesitze  der  Jörg,  Jakob  und  Karl  Trapp,  wahrscheinlich  der  Söhne  des 
hier  genannten  Jakob  Trapp,  erscheinen,  verpfändete  König  Maximilian  bald 
darauf,  laut  zweier  Urkunden  des  Wolkensteiner  Archives  vom  9.  März  und  \  (uii 
11.  April  1492  (Orig.  Perg.)  seinem  Rate,  Kämmerer  und  Feldhauplmanne,  Veit 
von  Wolkenstein,  für  22000  Gulden.  Durch  eine  weitere  Urkunde  des  Wolken- 
steiner Archives  vom  2.  März  1494  erhöhte  der  König  diesen  Pfandsehilling 
wegen  baulicher  Veränderungen,  die  der  neue  Pfandinhaber  am  Schlosse  hatte 
vornehmen  müssen,  um  500  Gulden. 

105.  1461  Juli  18.  Graz.  Kaiser  Friedrich  fordert  Bischof  Johann  von  Eichstätt 
auf,  zum  St.  Lorenztage  (10.  August)  Gesandte  zur  Verhandlung  mit  seinen 
Vertretern,  den  Markgrafen  Albrecht  von  Brandenburg  und  Karl  von  Baden, 
sowie  Ulrich  Grafen  von  Württemberg,  nach  Nürnberg  zu  entsenden.  —  Orig. 
Pap.  G.  B. 

Entsprechende  Ladungen,  jedoch  auf  den  Bartholomäustag  (24.  Augustl 
lautend,  ergingen  u.a.  an  Herzog  Wilhelm  von  Sachsen  (J.J.Müller.  »Reichs- 
tagstheatrum«  Bd.  II,  S.  55)  und  an  Frankfurt  (Janssen  II.  S.   161  f.  Nr.  261). 

106.  1461  September  1.  Graz.  Kaiser  Friedrich  Icill  der  Sladl  W  ind>-heim  mit,  dals 
er  dem  Bischöfe  Johann  von  Würzburg,  welcher,  trotz  seiner  Verbote,  den 
sogenannten  Guldenznil  im  Lande  Franken  weiter  einnehme,  das  Landgericht 
des  Herzogtums  Franken,  das  Zentgericht  und  da^  Brückengericlit  zu  Würz- 
hurg  entzogen  habe.  —  Orig.  Pap.     Rücksiegel. 

luT.  1461  September  27.  Leoben  '').  Kaiser  Frieih'ich  erteilt  Niklas  Teschler  von 
Ravelspurg,  seinem  Alünzmeister  zu  "NVirii.  cim-  Wappenbessi-rung  als  Lohn  für 
die  bei  der  Verteidigung  eines  Thurnies  um  Slubcnlhcuv  zu  Wien  gegen  Hei-zog 
Albrecht *^)  bewiesene  Tapferkeit.  —  Erhalten  in  einem  Vidimus  des  Schult- 
heifsen  und  der  Schölten  zu  Nürnberg  vom  2.1.  August   1566. 

>H.  109.      ri64  März  20.     Neustadt.     Kaiser   Friedrii-h    mahnl    die  dei-zeiligen   Inhaber  ge- 
nannter Reichslehcn  bei  Nürnberg,  welehe  Sebolt  Graser   zu  Lehen  gehabt  hat, 


13)  Boi  Lauf.  Bayern.   Ue/..  Ilcislniick. 

lOj  Im   Val  Sii^aiia,  (lein  Tliali'  iIit  nlMT.ri    üti-iita. 

17)  SleifTiiiarii.  an  der  .Mur. 

18)  l  lici-  (li'ii  ll;iii(isjn'icli.  den  llrr/n^r  Allinclil  in  seinen  Kiimpifn  niil  dem  Kaiser 
jjcfren  die  Sladl  Wien  und  spivii'll  tci';cen  das  ncnanidr  llnir  versuchte.  vt;l.  li  i  r  li  n  n  w  sk  y 
a.  a.  0.   Md     VII.  S.   'iS  f. 


—     104    — 

iinil  (li(^  Jolzl  Koiiiiid  Weil's  u\u\  lllricli  Slaiirspiich  verliehen  worden  sind,  diese 
(iüirr  den  (icnjinnU'u  soloi-l  /,ii  vfiahColg-en.  —  Orig.  Pap.  Rücksiegel  (wie 
Xr.  1)8). 

Diosolho  Malnning-  orgelil  um  ^iO.  Ang-iisl  d.  .1.  namentlich  an  Peter  Hanns 
liüiigfril/  iiiiil  (Idiil/  l*(»pp  (Orig.  I*ap.,  in  nnscrcin  Archive). 

11(1.  riCi'i  -Inli  •).  Neusladl.  Kaisci'  Kricih'ich  erleill  seinem  Rate  Philipp  von  Sirck, 
hiMiiprdhsle  zu  Trier,  die  i^lrhiiiiinis.  drii  ihm  von  Friedrich  als  K()uig' verliehenen 
Anli'ii  all  diin  lihoinzolle  zu  Jinppard  veräuCsern  zu  dürfen.  —  Orig'.  Perg". 
Sieg'oi  Ichll. 

Chmcl  Nr.  4092. 

III.  141)5  November  4.  Neustadt.  Kaiser  Friedrich  erleill  Hans  Schmidrnair  zu 
Nürnberg'  ein  Wappen.  —  Orig'.  Perg".  Glelbbraunos  Münzsiegel  (Heffner 
S.  2S.  Nr.  18;).  Talel  XVI,  Nr.  11!)  an  roter  Seidonschnur. 

Diese  Urkunde  gehört  dem  im  Museum  deponierten  freiherrlich  v.  Scheurl- 
schcn  Familionarchive  an. 

11:^.  14GÜ  -lunuar  L'i.  Neusladl.  Kaiser  Frictii'ich  crmahnt  die  SladL  Windsheim, 
seinem  Diener  Heinrich  Zeulein  das  Erbteil  seines  Vetters  nicht  vorzuenthalten. 
—  Orig.  Pap.     G.  B. 

113.  14(j6  Aug'ust  21.  Graz.  Kaiser  Friedrich  sendet  der  Stadt  Windsheim  einen 
Inhibitionsbrief  an  das  Landgericht  zu  Franken  zur  Kenntnisnahme  und  Weiter- 
beförderung. —  Orig.  Pap.    Rücksiegel. 

111  III).  14(56  September  14.  Graz.  Kaiser  Friedrich  verleiht  dem  Jörg  Gralant  zu 
Xürnberg  vier  Güter,  die  Reichslehen  sind,  zu  Erlenstegen  bei  Nürnberg.  — 
Orig.  Perg.  Rotes  Siegel  (wie  Nr.  98)  in  gelber  Kapsel  an  Pergamentstreifen 
(Scheurlsches  Archiv). 

Chmel  Nr.  4638. 

Über  dieselben  Reichslehen  besitzt  das  Scheurlsche  Archiv  noch  originale 
Pergamenturkunden  Kaiser  Friedrichs  vom  10.  August  1469,  16.  November  1469 
(Chmel  Nr.  5818),  22.  Dezember  1472,  König  Maximilians  vom  26.  Juni  1494  und 
vom  27.  November  1516  (letztere  aufserdem  noch  iji  einem  Transsumpte  vom 
12.  Januar  1521). 

120-132.  1466  September  16.  Graz.  Kaiser  Friedrich  verleiht  Guntz  Pruckell  und  Fritz 
Gerung  von  Oberlindelbach  ^^)  eine  »die  Schürstäbin((  genannte  Wiese  an  der 
Schwabach-*').  —  Orig.  Perg.  Rücksiegcl  (Heffner  S.  29,  Nr.  140)  teilweise 
erhalten. 

Chmel  Nr.  4640. 

Über  dieses  Reichslehen,  welches  später  durch  Kauf  an  die  Familie  Löffel- 
h(dz  zu  Nürnberg  kam,  sowie  über  sonstige  Reichslehen  des  genannten  Ge- 
schlechtes besitzt  das  im  Museum  deponierte  freiherrlich  v.  LölTelholzsche 
Archiv  noch  folgende  originale  Kaiserurkunden  aus  unserer  Periode:  Urkunden 
Kaiser  Friedrichs  vom  23.  Juli  1471,  7.  Mai  1473  (zwei)',  14.  März  1487  (Chmel 


19)  Bayern,  Bez.  Gräfonberg. 

:20)  Goineinl  i.sl  liirr  jc(li'nt;dl.s  niclit  drr  linke  Zuflufs  der  llciiniiz,  an  welchem  die 
Stadt  ^leidioii  Nauieiis  liegl,  sondern  der  von  rechts,  wen!«;-  unterhalb  Erlangcns,  ein- 
uiündeude  jN'ehcnnufs. 


—     103     — 

Nr.  7935);  Urkunden  König;  Maximilians  vom  4.  Juni,  26.  Juni  und  26.  August 
1494,  10.  Juli  1302,  12.  Mai  und  17.  November  1311,  9.  Februar  1312,  28.  Mai  1313. 

.33.  134.  1467  März  26.  Aussee.  Kaiser  Friedrich  verleiht  dem  Reinprecht  von  Walsee 
die  peinliche  Gerichtsbarkeit  in  dessen  Marktflecken  Swanns.  —  Orig.  Perg;. 
Rotes  Sieg-el  (im  Bilde  dem  Heffners  S.'29,  Nr.  144  entsprechend,  jedoch  mit 
abweichender  Umschrilt)  in  gelber  Kapsel  an  Pergamentstreifen. 

Bei  Chmel  Nr.  4930  und  31  werden  zwei  andere  Privilegien  vom  selben 
Tage  für  denselben  Empfänger  angelührt  (vgl.  auch  Lieh  no  ws  k y  Bd.  VII, 
Nr.  1164),  jedoch  nicht  das  unserige. 

Das  hier  genannte  Gericht  verleiht  König  Maximilian  in  einer  Urkunde 
unseres  Archives  vom  17.  Januar  1494  den  Söhnen  Gotthards  von  Starhemberg. 

i33.    136.      1468  Juni  7.  Graz.    Kaiser  Friedrich  verleiht  dem  Johannes  Reynolt,  Bürger  zu 
Nürnberg,  einen  Hof  zu  Weyerspuch -^).  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 
Chmel  Nr.  3422. 

Dasselbe  Gut  betrifft  ein  unserem  Archive  angehöriger  Lehensbrief  König 
Maximilians  vom  24.  Juli   1494. 

137.  1470  November  23.  Graz.  Kaiser  Friedrich  erteilt  dem  Heinrich  Buchner  von 
Koburg  ein  Wappen.  —  ürig.  Perg.  Schönes  gelbbraunes  Münzsiegel  (wie 
Nr.  111)  an  roter  Seidenschnur. 

138.  1470  Dezember  20.  Graz,  Kaiser  Friedrich  erteilt  den  Brüdern  Sebolt,  Ludwig 
und  Bertolt  Pfhizing,  sowie  Ludwig  Pf.  dem  Jüngeren,  Ludwigs  Sohne,  eine 
Wappenbesserung.  —  Erhalten  in  einer  Vidimalion  des  Abtes  Johannes  von 
St.  Ägidien  zu  Nürnberg  vom  8.  November  1473. 

130.      1471  Juli  3.    Regensburg.     Kaiser   Friedrich   nimmt   den   Sebald  Schreyer    von 
ifürnberg  in  seinen   und  des  Reiches   besonderen  Schulz.  —  Erhalten  in  einer 
Notariatskopie  vom  27.  Juli  1471  (Scheurlsches  Archiv). 
Chmel  Nr.  6233. 

40.  l'il.  1471  August  9.  Regensburg.  Kaiser  Friedrich  befiehlt  der  Stadt  AVindsheim, 
in  Ausführung  der  Beschlüsse  des  Regensburger  Reichstages,  bis  zum  St.  Agulion- 
tage  (1.  September)  zwei  Mann  zu  Fuls  und  vier  Mann  zu  Rufs  zum  Türken- 
kriege nach  Villach '-'^)  zu  entsenden.  —  Orig.  Vd\K   G.  B. 

Wie  bei  den  Beschlüssen  des  Nürnberger  Reichstages  von  1144  (vgl. 
Nr.  89)  haben  wir  uiirh  licim  Uegensburger  Reichstage  von  1471  einen  im 
wesentlichen  zur  Defensive  bestimmten  »kleinen  Anschlag«  von  4000  .Mann  und 
den  zur  (»Ifcnsivi!,  einem  »Zuge«,  dienemlen  »grofsen  Anschlag"  von  liKiOO  .Mann 
zu  unltTscIiciden.  Über  lelzt(!ren  vgl.  die  .\ngaben  Chmel  s  »niter  Nr.  6'i3l  und 
die  dort  ziüertcn  nucllen;  feiner  jjch  m  a  n  n  -  K  u  chs.  »Chronik  iler  Stadt  Speier" 
S.  890.  Auf  dem  kleinen  Anschlage  dagegen  beruht  unser  Schreiben.  el>enso 
wie  der  bei  Janssen  II.  S.  267,  Nr.  434  mitgeteilte  Krial's  an  Krankfurt,  nach 
welchem  dieses  20  Mann  zu  Uols  und  30  zu  Fuls  zu  stellen  hatte.  Übrigens 
müssen  sich  beide  Adressal<'ii.  das  grol'se  Ki'ankfurl  so  gut  wie  das  kleine 
Wiiidsheim,    als    säumig    erwiesen    haben,    denn    sie    erhalten    d.  d.    WitMi    1172 

21)  Bei  NiinilKTtr. 

22)  In  Känil.-ii 

Mitteilungen  uns  doni  gerinuii.  Nalioualniuseuni.     islK),  XIV. 


—     10(3     — 

Januar  H».  .Malinschrcibon.  Das  an  Fnuikfml  izvrichtete  erwähnt  Janssen 
(a.  a.  0.  S.  273,  Nr.  4'il|:  das  Schreiben  an  Windsheim  (Orig-.  Pap.)  befindet 
sich  in  unserem  Anluve -•■^j. 

142.  l'iTl  Aug'ust  28.  Nürnberg.  Kaiser  Friedrich  quittiert  der  Stadt  Nürnberg  über 
lUOU  Uulden  jähidicher  Reichssteuer.  —  Orig'.  Perg-.  Braunes,  zum  Teil  be- 
schädig-tes  Münzsieg-el  (wie  Nr.  111)  an  Perg-amentstreifen. 
I W.  144.  1471  September  3.  Nürnberg-.  »Kaiser  Friedrich  g-ibt  dem  Andreas  Greuder, 
ßnrg:or  zu  Nüi-nberg-,  die  Freiheit,  dafs  er  und  seine  Vettern,  die  den  Herolds- 
berg- ■-^)  als  Kiüchslchen  innehaben,  wie  auch  ihre  Erben,  ihre  Gerechtigkeit 
darauf  ihren  Hausirauen,  Söhnen,  Töchtern,  Verwandten  geben  und  zuwenden 
können.« 

Dies  Regest  ist  Ghmel  Nr.  6452  entnommen,  da  von  der  unsere  Vorlage 
enthaltenden  Konfirmation  König  Maximilians  vom  13.  Februar  1304  gerade  der 
die  Urkunde  Kaiser  Friedrichs  enthaltende  Teil  fast  ganz  weggeschnitten  ist. 
145.  1472  August  11.  Neustadt.  Kaiser  Friedrich  gibt  seine  Einwilligung  zu  dem 
Verkaufe  des  Amtes  Kollmann  im  Eisackthale  durch  Herzog  Sigmund  von 
Österreich  an  Oswald  von  Wolkenstein  für  1979  Mark  Meraner  Münze.  —  Er- 
halten in  einem  Vidimus  des  Domprobstes  Anton  Paumgartner  von  Brixen  vom 
14.  September  1491.     W.  A. 

Der  Empfänger  dieser  Urkunde,  Oswald  von  Wolkenstein,  ist  der  älteste 
Sohn  des  Minnesängers.  Die  Söhne  dieses  Oswald  des  Jüngeren :  Hans,  Christof, 
Veit  und  Michel,  werden  uns  in  unseren  Urkunden,  namentlich  der  achtziger 
und  neunziger  Jahre,  noch  öfters  begegnen. 

14(3.  1475  März  1.  Andernach.  Kaiser  Friedrich  ermahnt  Dekan  und  Kapitel  zu  Bam- 
berg, den  Schaunberger,  Vitzthum  ihres  Stiftes  zu  Wolfsberg  ^'0,  zur  Be- 
friedigung der  Ansprüche  des  Andreas  von  Ernau  an  die  St.  Jakobskirche  zu 
Villach  anzuhalten.  —  Orig.  Pap.  G.  B.  ^ 

147.  1478  Januar  15.  Graz.  Kaiser  Friedrich  fordert  die  Stadt  Windsheim  auf,  das 
Vorhaben  genannter  fränkischer  Edelleute,  welche  das  Schlofs  Rotenberg  bei 
Lauf  oder  Schnaittach  -■^)  von  Pfalzgraf  Otto  gekauft  haben,  um  es  zu  be- 
festigen und  daselbst  eine  Ganerbschaft  einzurichten,  hintertreiben  zu  helfen.  — 
Orig.  Pap.  G.  B. 

148—152.  1478  Oktober  4.  Graz.  Kaiser  Friedrich  erteilt  dem  Sigmund  Haller  zu  Nürn- 
berg und  allen  seinen  Nachkommen  das  Recht  freier  Verfügung  über  ihre 
Reichslehen.  —  Erhalten  in  einem  Vidimus  des  Abtes  Johannes  von  St.  Ägidien 
zu  Nürnberg  vom  5.  Mai  1494,  ferner  in  einer  Konfirmation  König  Maximilians 
vnjn  2.  Mai  1494. 

Kaiser  Friedrich  erneuert  dem  Ruprecht  Haller  das  obige  Privileg  durch 
eine  Urkunde  vom    18.  Oktober    1487   (Ghmel  Nr.  8108),   welche  ebenfalls  in 


23)  An  dieser  Stelle  sei  bemerkt,  dafs  wir  die  au  die  Stadt  Wiadsheim  während  des 
Reichskrieges  gegen  Karl  den  Kühnen  gerichteten  kaiserlichen  Befehle  und  Mahnungen  zur 
Heeresfolgft  hier  übergehen  können,  da  dieselben  in  dem  Aufsatze  von  Hans  Bosch,  »Die 
Windsheimer  im  Burgunderkriege.  1474 — 1475«  (»Mitteilungen  aus  d.  germanischen  ISational- 
museum«  Bd.  I,  S.  11  IT.)  angeführt  und  in  völlig  erschöpfender  Weise  verwertet  worden  sind. 

24)  Kordöstlich  von  Nürnberg. 

25)  In  Mittellranken. 


—     107     — 

einer  Kontirmation  Maximiliuns  vom  2.  Mai  1494  eriialteii  ist.  Aufser  deu  g-e- 
nannten  zwei  KonfuTiiatJonen  besitzen  wir  von  König-  Maxiniilian  noch  einen 
Lehensbrief  für  die  Haller  vom  2S.  Februar  1494. 

UiS.  1479  März  10.  Graz.  Kaiser  Friedrich  ladet  die  Stadt  AVindsheim  auf  einen 
am  Montag'e  nach  Trinitatis  |7.  .Iimii  zu  Nürnberg-  weg-en  der  Türkeng-efaiir 
abzuhaltenden  Reichstag-.  —  Orig-.  Pap.    (i.  B.  ^ 

Entsprechende  Schreiben  erg-ing-en  u.  a.  an  die  Herzög:e  Ernst  und  Albrecht 
von  Sachsen  (Müller,  »Reichstagstheatrum«  II,  S.  7:29  —  730),  an  Frankfurt 
(Janssen  II.  S.  382,  Nr.  544)  und  an  Reg:ensburg-  (Gemeiner,  »Rcg-ens- 
burg-ische  Chronik«  Bd.  III,  S.  (322). 

154.  1480  Juni  18.  Wien.  Kaiser  Friedrich  verleiht  Peter  Liephart  ein  Wappen.  — 
Orig.  Perg.    Braunes  Münzsieg-el  (wie  Nr.  111)  an  roter  Seidenschnur. 

liiö.  1482  Mai  5.  Wien.  Kaiser  Friedrich  verspricht  dem  Michel  von  Wolkenstein, 
ihn  g-eg-en  Zahlung-  von  220  Pfund  Pfennig-  als  Plleg-er  zu  Greiffenberg-  -")  an- 
zunehmen. —  Orig-.  Pap.     Sekretsieg-el  auf  der  Vorderseite.     \V.  X. 

156—138.  1483  Juni  14.  Graz.  Kaiser  Friedrich  fordert  die  Insassen  der  Herrschaft  Grün- 
berg- auf,  seinem  dortigen  Plleger,  Hans  Wolkensteiner,  über  die  SteuerpHicht 
der  Leute  des  (Bischofs?)  von  Bamberg-  und  Gandolf  Kienberg-ers,  sowie  über 
die  Besitzverh-ältnisse  des  Seebaches  unter  der  Kieuburg-')  Auskunft  zu  erteilen. 
—  Orig.  Pap.     Rücksiegel.     W.  A. 

Der  Bruder  des  hier  g:euannten  Hans  von  Wolkenstein,  Michel  Freiherr 
zu  W\,  erscheint  als  Pfleg-er  der  Herrschaft  Grünberg-  in  zwei  dem  Wolken- 
steiner Archive  angehürig-en  Mandaten  König  Maximilians  (^Orig.  Pap.)  vom 
23.  März  1494  und  vom  Ü.  Febi'uar  1497. 

159-ltU.  1480  Mai  1.  K/dn.  Kai.ser  Frie.lrich  fordert  von  der  Stadt  Windsheim,  auf 
Grund  der  Beschlüsse  des  letzten  Reichstages  zu  Frankfurt,  den  auf  sie  ent- 
fallendi'n  Beitrag  von  93(5  Gulden'-^)  zur  »eilenden  Hülfe"  gegen  König  .Mathias 
von  Ungarn.  —  Orig.  Pap.     Rücksiegel. 

Entsprechende  Mahnungen  an  Windsheim  (('i-ig.  Pap.)  besitzen  wir  vom 
12.  Januar  und  vom  9.  Oktober  1487  (zu  letzterer  vgl.  Gemeiner  111.  S.  758). 

1(J2.  1487  September  10.  Nüridx'rg.  Kaiser  Friedrich  mahnt  die  Stadt  Windsheim 
um  70n  (iuliicii  laliige  Reichssteuer.  —  Orig.  Pap.     G.  B. 

|t;3  1(35.  riH8.Mai  19.  .\aclieii.  Kaiser  Friedrieh  benachrichtigt  die  Stadt  Windsheim 
von  der  Befreiung  seines  Sohnes  Maximilian  aus  der  Haft  (zu  hrüggei  und 
bittet  sie  zugleich,  ihre  mich  Flandern  geschickte  Hülfe  noch  länger  im  Felde 
zu  lassen.  -     Orig.  Pap.     (I.  R. 

Wiederholt  wird  diese  hillc  in  Je  einem  .Mandate  Kaiser  Friedrichs  und 
Kiiiii«;-  .Maximilians  (Orig.  Pa|i..  in   unseirm  Arehive)  vom    12.  .\ugust    liSS. 

lt')t>.  I'i!t(>  .\ugiist  31.  liinz.  Kaiser  Fi-iedrieh  sehcnkt  dem  Veit  \on  W(dkenstein. 
Kalo  und  Kämmerer  seines  Sohnes  .Maximilian,  ilas  Schhiis  Scliailem'ek.  t)-ühei-es 


26)  Tirol.   U.Z.  Uri.x.Mi. 
27j  Tin.l.  He/,.  WiiKlisrii-.Müfroi 

28)  rsiicli    (Ictii    lifi    Li'ii  iiiunii  -  I' II  i- li  s .    »(ilirdiiilv    iIit    Sliull    S|icicT.     .*>    '.H.'.f.     mil- 
j;flciHi'ii  Aiischiugi'  liiilli-  Wiiid.slioiiii   IdOd  (iiiidiMi  zu  zaiili-n. 


—     108     — 

Besitztum  des  Ulrich  von  Graveneck,  welcher  wegen  der  König  Mathias  von 
Unpirn  gegen  den  Kaiser  geleisteten  Dienste  seiner  Güter  verlustig  gegangen 
ist.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt.    W.  A. 

K'-T.  14ÜU  November  27.  Linz.  Kaiser  Friedrich  mahnt  die  Stadt  Windsheim.  ilim 
bei  der.  Verteidigung  des  Königreichs  Ungarn  gegen  König  Ladislaus  von  Polen 
behiiinich  zu  sein.  —  Orig.  l'ap.     Kücksiegel. 

Entsprechende  Ausschreiben  ergingen  u.  a.  an  Frankfurt  (Janssen  II, 
S.  o48,  Nr.  683)  und  au  Kegensburg  (Gemeiner  III,  S.  78U). 

I()8.  \M)i  Januar  23.  Linz.  Kaiser  Friedrich  gebietet  der  Stadt  Windsheim,  den 
iMarkgrafen  Friedrich  von  Brandenburg,  Burggrafen  zu  Nürnberg,  bei  Voll- 
streckung der  Reichsachl  gegen  die  Stadt  Regensburg,  welche  sich  dem  Reiche 
entzogen  und  Herzog  Albrecht  IV.  von  Bayern  als  Landesherren  anerkannt 
habe,  zu  unterstützen.  —  Orig.  Pap.    Rücksiegel. 

Dasselbe  Mandat  erhielten  u.  a.  Frankfurt  (Janssen  II,  S.  SS3,  Nr.  700) 
und  Bischof  Rudolf  von  Würzburg  (Gemeiner  HI,  S.  789). 
109.  170.  1492  Juni  4.  Linz.  Kaiser  Friedrich  befiehlt  Michel  von  AVolkenstein,  Pfleger 
zu  Greiffenberg,  dem  Erasnuis  Ortmair,  Pfleger  zu  Gurintz -**),  eine  Summe 
Geldes,  die  derselbe  zu  Arbeiten  für  Schiffbarmachung  der  Drau  nötig  habe, 
baldigst  auszuzahlen.  —  Orig.  Pap.  Auf  der  Vorderseite  Sekretsiegel,  auf 
der  Rückseite  gröfseres  Siegel  (wie  Nr.  133).    W.  A. 

Eine  Forderung  des  Kaisers  zu  dem  gleichen  Zwecke  betrifft  ein  Mandat 
an  denselben  Empfänger   vom   7.  März  1493  (Orig.  Pap.,  W.  A.). 

171.  1493  Mai  29.  Linz.  Kaiser  Friedrich  benachrichtigt  die  Stadt  Windsheim  von 
der  über  genannte  Personen  wegen  Befehdung  des  Bischofs  Wilhelm  von  Eich- 
stätt  verhängten  Reichsacht.  —  Orig.  Pap.    Rücksiegel. 

172.  1493  Juli  31.  Linz.  Kaiser  Friedrich  erlaubt  dem  Jörg  Slauderspacher,  Bürger 
zu  Graz,  von  dort  wegzuziehen.  —  Orig.  Perg.  Siegel  (wie  Nr.  133)  an  Per- 
gamentstreifen. 

D.   Maximilian  I.     1486—1519^«). 

173.  1487  November  19.  Antwerpen.  König  Maximilian  bestätigt  dem  Bischöfe 
Ortlieb  von  Chur  und  dessen  Stifte  alle  ihre  Rechte  und  Privilegien.  —  Orig. 
Perg.    Siegel  fehlt. 

174.  1490  Februar  11.  Linz.  König  Maximilian  verspricht,  Michel  von  Wolkenstein 
am  nächsten  Michaelistage  (29.  September),  oder  auch  dann,  wenn  derselbe  später 
zu  ihm  komme,  als  seinen  Kämmerer  annehmen  zu  wollen.  —  Orig.  Perg.  Eigen- 
händige Unterschrift  des  Königs,  aber  keine  Spur  von  Besiegelung.     W.  A. 

Die  in  unserer  Urkunde  verheifsene  Ernennung  scheint  bereits  vor  dem 
hier  festgesetzten  Termine  erfolgt  zu  sein,  da  in  dem  unter  Nr.  166  erwähnten 
Schenkungsbriefe  Kaiser  Friedrichs  vom  31.  August  1490  Michel  bereits  als 
Kämmerer  bezeichnet  wird. 


29)  In  Kärnten,  vermutlich  im  Drauthale. 

30)  Mehi-ere  Urkunden  König  Maximilians,  die  hercils  zusammen  mit  inhaltsverwandten 
Stücken  Kaiser  Friedriclis  besprochen  worden  sind  (unter  Nr.  t Ol— 104,  118,  119,  123—132, 
134,  136,  144,  149,  ISl,  152,  157,  158,  1G5) ,  werden  im  folgenden  nicht  mehr  besonders 
erwähnt  werden. 


—     109    — 

[75—177.  1490  September  22.  Innsbruck.  König- Muxiniilian  ladet  Simon  und  Anton  von 
Thun  zu  einem  Termine  in  Sachen  der  Klage  des  Jörg-  Wagmeister  g:enanut 
Pfiesl  geg-en  sie.  —  ürig-.  Pap.  Kücksieg-el.     W.  A. 

Noch  zwei  andere,  dieselbe  Sache  betreffenden  Orig-inalmandate  des  König-s, 
vom  7.  Dezember  149(J  und  vom  15.  Januar  1491,  besitzt  das  Wolkensteiner  Archiv. 

78.  179.  149(1.  Oktober  25.  Im  Lager  bei  Kement  ^*).  König- Maximilian  präsentiert  dem 
Bischöfe  Ulrich  von  Trieut  für  die  St.  Paulskirche  zu  Eppan  •''-)  auf  Grund 
seines  Patrouatsrechtes -^^j  den  Christof  von  Wolkenstein.  —  Orig.  Perg-.  Sieg;el 
fehlt.     W.  A. 

Vom  30.  November  d.  J.  datiert  ein  dem  Wolkensteiner  Archive  an- 
g-ehörig-er  entsprechender  Präsentationsbrief  des  König-s  (Orig-.  Perg.)  an  Marcus, 
Kardinalbischof  von  Präneste  tit.  S.  Marci,  Patriarchen  von  Aquileja. 

180.  1491  Aug-ust  16.  Nürnberg-.  König- Maximilian  nimnit  Christof  Scheurl.  Bürger 
zu  Nürnberg-,  unter  seine  Diener  und  sein  täg-liches  Hofgesinde  auf.  —  Orig. 
Perg.  Rotes  Siegel  (Heffuer  S.  31,  Nr.  152^^,  Tafel  XIX,  Nr.  125)  in  gelber 
Kapsel  an  Pergamentstreifen  (Scheurlsches  Archiv). 

Der  hier  genannte  Christof  Scheurl  ist  der  Vater  des  berühmten  Huma- 
nisten gleichen  Namens.  Die  in  unserer  Urkunde  ausgesprochene  Ernennung- 
dürfen wir  wo]  mit  einem  Darlehen  in  Verbindung-  bringen,  welches  der  König 
im  Jahre  1491  von  Chr.  Seh.  empfing.  Vgl.  »Mitteilungen  des  Vereins 
für  Greschichte  der  Stadt  Nürnberg«  5.  Heft  (1884),  S.  17. 

ISl.  1491  Oktober  9.  Innsbruck.  K'önig  Maximilian  setzt  der  Stadt  Windsheim  eine 
letzte  Frist  von  14  Tagen,  um  ihren  Anteil  an  dem  von  dem  letzten  Nürnberger 
Reichstage  festgesetzten  Anschlage  dem  Rate  zu  Nürnberg  gegen  (Jnittung 
einzuhändigen.  —  Orig.  Pap.     Rücksiegel. 

182.  1492  März  13.  Innsbruck.  König  Maximilian  bekennt,  dem  Hans  Fuchs  und 
Jobst  Uppich  zu  Nürnberg  1010  Gulden  schuldig  zu  sein.  —  Erhalten  in  einer 
Vidiniation  des  Abtes  Johannes  von  St.  Agidien  zu  Nürnberg-  vom  14.  Jan.  1493. 

Ibo.  1492  März  10.  Innsbruck.  König  Maximilian  quittiert  dem  Bischöfe  HvMnrirh 
von  Chur  über  390  Gulden  rhein.,  die  derselbe  statt  dos  auf  dem  letzten  Reichs- 
tage in  Nürnberg  zur  Hilfeleistung  gegen  die  Könige  von  Frankreich  und 
Böhmen  ihm  auferlegten  Kontingentes  von  drei  Mann  zu  Fuls  utul  neun  Mann 
zu  Kofs  gezahlt  hat.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

b'^'i.  1492  September  21.  Innsbruck.  König  ^Maximilian  sendet  dem  Oswald  von  Wdl- 
kenstein  einen  Pfandbrief  übi'r  das  bisher  Hans  von  Wolkenstein  verjtlaiulete 
Gericht  Kastelrut  ^*),  in  welchem  er,  ohne  die  Irühere  Plandsummc  zu  kennen, 
die  künltige  auf  1000  Gulden  angesetzt  halte.  Weiche  der  bisherige  Pfand- 
schilling hiervon  ab.  so  solle  (>.  don  IMandbricr  ziirürksiMidiMi.  —  Orjo-. 
Pap.  G.  B.    W.  A. 


31)  Nifllciclil   iu'iiiulcii  ;    zwei    OrU-    dieses    Naiin-iis    in    Üslcrrcieli.      \'i;l-   Öslcrlcy, 
>IIislürisch-{fcograi)liisches  Wöili'rhiicli  flos  (loiitscIuMi  .Mitlclftllcrs«   S.  887  li. 

32)  Im  Etschthale. 

38)  Über  dieses  vgl.  Shirt'j.'r.    «Das  dciitsclic  Tirol    iiml   Vorarlhei-g«    M.  II.  S.  SOI). 
SV)  Im  Eisaclvthale. 


—    HO    — 

Is;;.  I'i'.i.l  Jaiiiiiir  :l  Kruiiiz'  Miiximilian  Irill  der  SladI  \Viii(lslii;iiii  mit.  dals  er  den 
in  dem  Koblenzer  Abschiede'''')  in  Aussicht  genommenen  Reichstag  zu  Frank- 
furt wegen  Friedensverhandlungen,  die  er  mit  dem  Könige  von  Frankreich  dem- 
näciisl  in  Kolmar  vorzunehmen  gedenke,  verschieben  müsse,  und  fordert  sie 
auf,  ihre  Gesamltcn  nach  Kolmar  zu  senden,  —  Orig.  Pai).  0.  J3. 

Den  nämlichen  Tag  zu  Kolmar  betreffen  zwei  Ausschreil)en  König  Maxi- 
milians an  Frankfurt  vom  14.  Februar  und  vom  2ö.  März  149ö,  welche  bei 
Janssen  II,  S.  ;)(jS  ff.,  JSr.  718  und  719  mitgeteilt  sind.  Die  in  unserer  Urkunde 
erwähnten  Verhandlungen  führten  schliefslich  zu  dem  Frieden  von  Senlis  am 
rs.  Mai  1493. 

186.  1493  April  1.  Freiburg  i.  Jir.  König  Maximilian  ermahnt  die  Stadt  Wiudsheim 
zur  Kriegshülfe  gegen  Frankreich.  —  Orig.  Pap.  Gr.  B. 

187.  1493  August  iS.  Innsbruck.  König  Maximilian  verleiht  Oswald  von  Wolken- 
stein und  allen  seinen  Erben  das  Recht,  dafs  sie,  um  die  Verzettelung  ihres 
Familieugutes  zu  verhindern,  ihre  Töchter  nur  mit  baarem  Gelde  ablinden 
dürfen.  —  Orig.  Perg.  Siegel  fehlt.  Erhalten  aufserdem  noch  in  einer  Kon- 
lirmation  Erzherzog  Ferdinands  von  Österreich  vom  18.  März  15G(5.    W.  A. 

188.  1493  September  10.  Innsbruck.  König  Maximilian  verleiht  seinem  Rate,  Käm- 
merer und  obersten  Feldhauptmanne,  Veit  von  Wolkenstein,  in  Anerkennung 
der  ihm  namentlich  bei  seiner  Gefangenschaft  in  Brügge  und  im  Feldzuge 
gegen  König  Mathias  von  Ungarn  geleisteten  Dienste,  Schlots,  Herrschaft  und 
Stadt  Zissersdorf  in  Österreich''«).  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt.     W.  A. 

IS9.  190.  1493  Oktober  20.  Wien.  König  Maximilian  empfiehlt  der  Stadt  Windsheim  auf 
firund  seines  Rechtes  der  »ersten  Bitten«  den  Ulrich  Zorn  für  die  nächste  vakante 
Pfründe.  —  Orig.  Pap.  G.  B. 

Ein  Schreiben  KJhiig  Maximilians  in  der  gleichen  Angelegenheit  (Orig. 
Pap.)  besitzen  wir  vom  ö.  Juli  149d. 

191.  1493  Dezember  9.  Wien.  König  Maximilian  quittiert  der  Stadt  Hagenau  über 
entrichtete  Reichssteuern.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

192.  1493  Dezember  23.  Wien.  König  Maximilian  teilt  seiner  Verwaltung  der 
Domänen  und  Finanzen  in  den  Niederlanden  mit,  dafs  er  seinem  Kämmerer  und 
Rate,  Veit  Freiherrn  zu  Wolkenstein,  eine  jährliche  Pension  von  500  Livres 
flandrischer  AVährung  verliehen  habe,  welche  sein  Generaleinnehmer  Simon 
Longin  demselben  auszuzahlen  gehalten  sein  solle.  —  Orig.  Perg.  In  fran- 
zösischer Sprache.    Siegel  auf  der  Vorderseite.    W.  A. 

193.  1494  März  20.  Innsbruck.  Köniü'  Maximilian  verleiht  seinem  Rate  und  obersten 
Feldzeugmeister,  Hans  Kaspar  von  Laubenberg,  die  Veste  Bernwag ^'')  nebst 
genannten  Zubehörungen.  —  (h'ig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

194.  1494  Mai  8.  Kempten.  König  Maximilian  befiehlt  der  Stadt  Windsheim,  zur 
Beilegung  der  Fehde  zwischen  den  Kurfürsten  Berthold  von  Mainz  und  Philipp 
von  der  Pfalz  Hilfe  zu  leisten.  —  Orig.  Pap.     Rücksiegel. 

35)  Gedruckt  in  »Neue  Sammlung  der  Reichsabschiodc«  Bd.  I,  S.  294—296. 

36)  Bez.  Geras. 

37)  Borwaüg,  Bayern.  Bi/..  Kempten  ? 


—   111   — 

Das  Regest  des  etilspreehenden  Mandates  an  FrankCuil  liil^t  .1  aussen 
II,  8.  383,  Nr.  726.  Vgl.  auch  Klüpfel,  »Urkunden  zur  Geschichte  des  schwä- 
bischen Bundes«  Bd.  1,  S.  174  f.,  Ghmel,  »Urkunden,  Briete  und  Aktenstücke 
zur  Geschichte  Maximilians  l.«  in  der  »Bibliothek  des  Litterarischen  Vereins  in 
Stuttgart«  Bd.  X,  S.  28  ff.,  Nr.  XXXVI,  XXXVIII— XLI,  ferner  Würdin ger, 
»Kriegsgeschichte  von  Bayern,  Franken ,  Pfalz   und  Schwaben«    Bd.  II,  S.  9o  f. 

195.  1494  August  26.  Löwen  ^^).  König  Maximilian  verleiht  den  Brüdern  Sebolt  und 
Hans  Gärtner  zu  Nürnberg  mehrere  Reichslehen  bei  N.  —  Orig.  Perg.  Siegel  fehlt. 

96.  197.  1494  September  23.  Mecheln.  König  Maximilian  verspricht  seinen  Räten  Philipp 
Grafen  zu  Nassau,  Martin  Herrn  zu  Polheim,  Michel  Freiherrn  zu  Wolkenstein 
und  Heinrich  Prueschenk  Freiherrn  zu  Stettenberg,  sowie  seinem  burgundischen 
Schatzmeister  Johannes  Bontemps,  welche  für  ihn  bei  Nicola  Spinola,  Bürger 
zu  Genua,  um  eine  Schuld  von  10000  Gulden  Bürgschaft  geleistet  haben,  sie 
für  alle  aus  dieser  Bürgschaft  entspringenden  Leistungen  schadlos  halten  zu 
wollen.  —  Orig.  Perg.  Rotes  Siegel  (im  Bilde  entsprechend  dem  Heffnors 
S.  31,  Nr.  133.  Tafel  XIX,  Nr.  126,  jedoch  mit  abweichender  Umschrift)  in  gelber 
Kapsel  an  Pergamentstreifen.     AV.  A. 

Über  eine  ähnliche  Bürgschaftssache  der  königlichen  Räte  besitzt  das 
Wolkeusteiner  Archiv  eine  Urkunde  König  Maximilians  (Orig.  Perg.)  vom 
II.  Oktober  1495. 

198.  Undatiert  (1494?).  König  Maximilian  bestätigt  den  Müllern  an  der  Traysiu''') 
eine  bereits  von  seinem  Vater  Kaiser  Friedrich  genehmigte  Ordnung,  enthaltend 
Bestimmungen  über  die  Errichtung  einer  geistlichen  Genossenschaft  im  Kloster 
Herzogsburg*'')  und  eine  Reihe  von  Handwerksvorschriften.  —  Perg. 

Unsere  Vorlage  ist  wahrscheinlich  eine  gleichzeitige  Abschrift.  Ob  sie 
besiegelt  war  und  einen  Kanzleivermerk  trug,  ist  allerdings  nicht  mit  Sicher- 
heit zu  entscheiden,  da  der  untere  Rand  beschnitten  zu  sein  scheint,  Jedoch 
dürfte  schon  das  Fehlen  des  Registraturvermerkes  und  der  ihilii'iimg  für  An- 
iiuhine  einer  Kopie  sprechen.  Die  Rücksoilc  trägt  die  Notiz  »Österreichisch 
Lehenbrief  und  Konlirmationes  Wienn  1494«.  welcher  das  oben  vermutungs- 
weise beigefügte  Datum  entnommen  ist. 

199.  1493  Februar  6.  Breda.  König  Maximilian  ([uittiert  dem  Herzoge  Ludwig  .Maria 
Sforza  über  20000  Dukaten  als  Mitgift  seiner  Gennddin  Ulaiira  Maria.  Tochter 
des    Herzogs.  —  Orig.  Perg.     Kigenhändige  Unterschrift.     Siegel    fehlt.     W.    \. 

H).  2()1.  I 'ili;;  August  28.  Worms.  Kiinig  Maximilian  weist  die  Stadt  Windsheim  an, 
dem  .Michel  von  Schwarzenberg  das  Oberrichterami  in  iliicr  Stadt  zu  belassen.  — 
Orig.   I'u|i.  li.  I'.. 

hl  Sachen  desselben  ( ilieirieliteniiiite^  sdireilit  der  König  aneli  am  13.  Sep- 
tcmlier   l.")(i:^  an    WiiHMn'im   (('rig.    I'ap..  in   unserem   .\nliive). 

38)  Nach  dem  von  Stalin  in  den  » Korsciiuii^'cii  /.iir  (iiMilscIien  (iesfliiilile.  IM.  I, 
S.  .{'i'.MT.  aulV^t'sli'llIrn  llincr;iic  König  Ma.xiniiiiiins  ist  (icrst'IlM-  am  I'.'k  um!  Hl  An^rusl  in 
Mccholn   und  er.sl   vom  S.      10.  Septomlier  in    Limmmi. 

tV,))  Traiscn.   n-clder  Nohenniifs  der   Kunaii 

4ü)  ästorreicii,  Bez.  rollen. 


—     112     — 

20:2.  lUlj)  Soplember  ö.  Worms.  König  Maximilian  g'ibt  seine  lehensherrliche  6e- 
nelimigiMiii'  dazu.  ilaCs  Hallhasar  (iraf  zu  Schvvarzburg-  seiner  Gemahlin  Anna 
aul"  S(;hlors  und  SladI  Ijciiclilcnliori»-,  die  er  vom  lleiche  zu  Lehen  trägt, 
400(1  (lulden  verschrieben  lial.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

203.  IV.).")  Okiober  24.  Frankfurt.  K(Jr)ig  Maximilian  i'mi)lielilt  dem  R.,  Kardinalpriester 
lil.  S.  Vilalis,  den  Georg  von  Limberg,  seinen  Gesandten  an  den  Papst.  — 
Miig.   I'ap.    G.  B. 

204.  14'.)G  Juli  27.  Glurns*').  König  Maximilian  verleiht  dem  Vigili  Malfac,  Bürger 
zu  Glurns,  die  dortige  Salzwage.  —  Orig.  Perg.     Siegel  felilt. 

20.').  201).  I4t)7  März  11.  Innsbruck.  König  Maximilian  verleiht  dem  Rudolf  von  Hoheneck, 
zugleich  als  Lehensträger  seiner  Vettern  xVndreas  und  Mal  Inas.  Schlofs  und 
Stadt  Vilseck  und  Vils*^).  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

Ein  weiterer  Lehensbrief  Maximilians  für  die  von  Hoheneck,  der  unserem 
Archive  angehört  (Oi-ig.  Perg.),  datiert  vom  5.  November  1514. 

207.  1497  April  1:3.  Innsbruck.  -König  Maximilian  verleiht  dem  Blicker  von  Gem- 
mingen die  Befugnis,  in  seinem  Dorfe  Hutfenhart ■*■'')  ein  Halsgericht  mit  Sto(,'k 
und  Galgen  einzurichten.  —  Erhalten  in  drei  Bestätigungsbriefen:  Kaiser  Maxi- 
milians 11.  vom  18.  Mai  1566,  Kaiser  Mathias'  vom  22.  Februar  1613  und  Kaiser 
Ferdinands  II.  vom  4.  April  1621. 

208.  1497  Septembers.  Innsbruck.  König  Maximilian  erteilt  Hans  Pimel  ein  Wappen. — 
Orig.  Perg.  Rotes  Siegel  (bei  Heffner  nicht  zu  linden)  in  gelber  Kapsel  an 
blauweifsroter  Seidenschnur. 

209.  210.  1498  September  11.  Freiburg  i.  Br.  König  Maximilian  bestätigt  eine  (wörtlich 
inserierte)  Urkunde,  d.  d.  Freiburg  1498  September  3,  durch  welche  Veit  Frei- 
herr von  Wolkenstein  seinem  Bruder  Michel,  unter  Vorbehalt  jährlicher  Zahlungen 
an  ihn  selbst  und  an  seine  Vettern  Gotthard  und  Oswald  von  W.,  seine  Schlösser 
Rodenegg**)  und  Ivano  abtritt.  —  Perg.     Unbesiegelt.     W.  A. 

Unsere  Vorlage  zeigt  weder  Spuren  von  Besiegelung  noch  Kanzleiver- 
nierke,  stimmt  aber  in  Schrill  und  sonstiger  äufserer  Erscheinung  mit  Original- 
urkunden König  Maximilians  so  vollständig  überein,  dafs  wir  sie  nicht  als  Kopie, 
sondern  als  eine  in  der  königlichen  Kanzlei  entstandene,  aus  irgend  welchen 
Gründen  nicht  vollzogene  Ausfertigung  anzusehen  haben  werden.  Das  Original 
des  in  unsere  Urkunde  eingefügten  Schenkungsbriefes  Veits  von  W.  vom 
3.  September  d.  J.  betindet  sich  gleichfalls  im  Wolkensteiner  Archive. 

Veit,  der  seine  Schenkung  mit  der  »BHuligkeit«  seines  Leibes  motiviert, 
muls  bald  darauf,  noch  im  Jahre  1498*^),  gestorben  sein.  In  einer  Urkunde 
des  Wolkensteiner  Archives  vom  2.  Januar  1499  bestätigt  König  Maximilian 
auf  P]rsuchen  Michels  von  W.  das  am  29.  September  1498  zu  Freiburg  i.  Br. 
ausgestellte  Testament  weiland  seines  obersten  Feldhauptmannes  Veit  von  W. 

41)  An  der  oberen  Elsch. 

42)  Tirol,  im  Lechthalc.  —  Die  Ilerrschan  Niiscck  war  bereits  seit  der  Slaufcrzcit  im 
Besitzi-  der  von  Jiolienecl^.     Vgl.  Slarfior  a.  a.  0.  I,  S.  283. 

43)  IIütTciihardl,  Baden,  Amt  Necliarbisehofslieiin. 

44)  Im  Eisackthale. 

45)  Nicht  erst  1499,  wie  in  lloriuayr,  »Taächen  bucli  für  die  va  Icrländi  s  che 
Geschichte.  Bd.  XXXIV  (1845),  S.  158  angegeben  wird. 


—    113    — 

211.  1498  September  18.  Freibiirg-  i.  Br.  König-  Maximilitin  verleiht  Hans  Ploden 
ein  Wappen.  —  Orig'.  Perg.     Siegel  fehlt. 

Kanzleivermerk:  Ad  mandatum  domini  regis  proprium  Bertoldus  epis- 
copus  Moguntinus  archicancellarius**^). 

,  2[S.  1499  Juni  20.  Pfunds^').  König  Maximilian  beurkundet,  dafs  er  dem  Diepolt 
von  Slandersperg,  als  Entschädigung  für  die  in  dem  gegenAvärtigen  Kriege**) 
erlittenen  Verluste,  aus  den  Besitzunü'en  des  Bischofs  von  Ghur.  welche,  infolge 
der  Feindseligkeit  desselben  gegen  ihn  (den  König),  ihm  verfallen  seien,  alle 
nutzbaren  Rechte  des  Bischofs  im  Müusterthale  für  die  Dauer  des  Krieges  über- 
tragen habe  und  Diepolt  nach  Beendigung  des  Krieges  anderweitig  entschädigen 
werde.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt. 

Einen  weiteren  Beitrag  zur  Geschichte  des  Schweizerkrieges  besitzen  wir 
in  einer  an  Wolfgaug  Graf  zu  Öttingen  gerichteten  Mahnung  zur  Heeresfolge 
vom  11.  September  1499  (Orig.  Pap.). 

,  215.  1500  August  27.  Augsburg.  König  Maximilian  ernennt  Michel  Freiherrn  zu 
Wolkenstein  zum  Landhofnieister  von  Tirol  bei  dem  soeben  zu  Innsbruck  ein- 
gesetzten Regimente  und  verleiht  ihm  ein  Jahrgehalt  von  1000  Gulden,  sowie 
Privilegien  verschiedener  Art.  —  Orig.  Perg.    Siegel  fehlt.     W.  A. 

Ein  weiteres,  an  seine  Stellung  als  Landhofmeister  geknüpftes  Privileg 
erhält  Michel  von  AV.  durch  eine  Urkunde  vom  15.  September  d.  J.  (Orig. 
Perg.    W.  A.) 

2l(j.  1501  April  2.  Nürnberg.  König  Maximilian  mahnt  die  Stadt  Windsheim  wieder- 
holt, den  durch  den  Abschied  des  Augsburger  Reichsiages  ihr  auferlegten  Ver- 
pflichtungen gerecht  zu  werden.  —  Orig.  Pap.     Rücksiegel. 

Das  entsprechende  Schreiben  au  Frankfurt  ist  gedruckt  bei  Janssen 
Bd.  II,  S.  663  f.,  Nr.  817. 

7—219.  löol  August  (').  Innsbruck.  König  Maximilian  gebietet  Tischler,  seinem  Maut- 
ner zu  Lienz.  die  Maut  daselbst,  welche  er  an  Michel  von  Wolkenstein  verkauft 
habe,  diesem  zu  überlassen.  —  Orig.  Pap.     Rücksiegel.     W.  A. 

Über  den  Verkauf  der  Herrschaft  Lienz  im  Pusterthale  an  Michel  von 
Wolkenstein,  zu  dem  iTu!  vorliegende  Urkunde  einen  Beitrag  bildet*"),  besitzt 
das  Wolkensteiner  Archiv  noch  zwei  andere  Zeugnisse.  Das  eine,  ein  Schreilien 
vom  1.  September  1501  (^'h'ig.  Pap.),  in  welchem  der  Kiuiig  Michel  biltel.  den 
mil  ihm  abgeschlossenen  Verkauf  der  Herrschaft  Lienz  doch  Ja  nichl  rückgängig 
zu  machen,  da  das  Kaufgeld  bereits  zur  Deckung  dringender  Bedürfnisse  an- 
gewiesen worden  sei,  dient  zugleich  zur  Illustration  der  bekannten  ewigen 
(ieldni>le  des  Kruiigs.  Das  andere,  eine  Pergamenlurkunde  Kiuiig  iMaximilians 
vom  17.  Juli   1504,  hat   kein  allu'emeineres  Interesse. 


46i  Diese  Urkunde  ist  die  einzifre  dfr  in  unserem  Hesilze  Itelindliclirn  l'ikini(iiMi  iiaili- 
.sliiiilisclier  Zeil,  wclclie  nocli  iti  allrr  Wei.se  von  dem  Kr/kanzicr  seihst .  stall  von  einem 
Beamten  der  tvöniniiclien  Kanzlei  nnterferliyt  i.st.  \ii\.  Urefslan.  •>  llandluu'ii  iter  riknnden- 
ieiire.   Hd.  1,  S.  397  f. 

47)  Aiu   Inn. 

48)  Gegen  die  Schweizer. 

49)  Vgl.  aucli    llormayrs  »Tas  die  n  im  cli    i-tc.«  a.  u.  0.  S.  158. 

Mitteilungen  aus  dem  gcrniau.  Nati<»nalinnseiiin.     1S<)().  XV. 


-     114    — 

i'2i).  I.'itil  OktolxM-  25.  lio/.on.  K'imii:'  .Maxiiiiilian  vorlcihi  dem  Wolfgang-  Seil  zu 
Hniiieck  ein  (iiil  im  (.iuLzenberg  mnl  einen  Zins  zu  Neunhäuser"*').  —  Orig. 
Vevix.     Siegel  fehlt. 

i'iM.  liidl'  -hiiiuai-  li').  liiiishnicK-.  KTmi-i' Ahi.ximirum  iiiahiil  die  Stadt  Wiudsheini  zur 
Tin-keidiüMV.     -  ••iJü'.  Pu|..  (J.  IV  (.Mit  i)eiliegen(lein  Zettel.) 

i±2.  l."iiii'  Aiu'ii  ri'i'.  Kuufheuren.  Kimiu'  Ahiximiliaii  selzl  den  (Jehrüdern  von  Lüchau 
eine  Frist  von  14  Tagen,  um  ihre  iingehli(;hen  Ansprüche  an  die  Stadt  Nürn- 
l)erg  wegen  widerrechtlicher  Zerstörung  ihres  Schlosses  Bronn  geltend  zu 
machen.  —  Orig.  Pap.     JÜicksiegel. 

m.  l;ior^  Juni  14.  Freihurg  i.  Br.  König  Maximilian  nimmt  die  zu  Ehren  Maria 
Himmelfahrt  gestiftete  Kapelle  in  der  Kirche  zu  Hall  im  Innthale  in  seinen 
Schutz.  —  Erhalten  in  einem  Vidimus  des  Abtes  Leonhard  von  Wüten,  Brixener 
Bistums,  vom   Kl.  Oktober  löU3. 

224.  iöU3  Juni  H;.  Kiviburg  i.  Br.  König  Maxijuilian  ge.stattet  dem  Dietrich  Spät 
die  Abhaltung  eines  Wochenmarktes  in  seinem  Dorfe  Zwiefalten^').  —  Orig. 
Perg.    Siegel  fehlt. 

225.  1504  August  31.  Ulm.  König  Maximilian  erteilt  Hans  Smaller,  Schultheifs  zu 
Regensburg,  eine  VVappenbesserung.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

226.  1ÖÜ4  Dezember  24.  Linz.  König  Maximilian  verschreibt  der  Stadt  Judenburg 
für  eine  Forderung  von  4000  Gulden  rhein.,  welche  die  Stadt  noch  vom 
ungarischen  Kriege  her  an  ihn  hat,  verschiedene  Zinse  mit  einem  Gesamtertrage 
von  jährlich  11  Pfund.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

227.  loOÜ  April  16.  Graz.  König  Maximilian  beauftrag!  Johann  Peter  Grafen  zu 
Mensachs.  Pfleger  zu  Goldenstein  '^-j,  mit  der  Entscheidung  eines  Rechtsstreites.  — 
Orig.  Pap.    G.'b.     W.  A. 

228.  1307  August  10.  Konstanz.  König  Maximilian  bezeugt  der  Stadt  Worms,  dafs 
er  bei  der  soeben  auf  dem  Reichstage  zu  Konstanz  vollzogenen  Übergabe  der 
Regalien  an  Bischof  Reinhard  von  Worms  die  Rechte  und  Privilegien  der 
Stadt  Worms  vorbehalten  habe.   —  Perg.     Unbesiegelt. 

Unsere  Urkunde  ist  kaum  als  Original  anzunehmen,  da  sie  weder  Siegel 
noch  Kanzleivermerke,  dagegen  mehrfache,  ungeschickt  ausgeführte  Korrekturen 
aufweist;  in  der  kaiserlichen  Kanzlei  scheint  sie  jedoch  entstanden  zu  sein. 

Der  Lehensbrief  des  Königs  für  den  Bischof  vom  11.  August  ist  gedruckt 
bei  Schannat,  »Historia  episcopatus  AVormatiensis«  Bd.  II,  S.  292  ff. 

22S).  I;)07  August  12.  Konstanz.  König  Maximilian  mahnt  die  Stadt  Windsheim  unter 
Darstellung  der  augenblicklichen  milil arischen  und  politischen  Lage  um  Zahlung 
ihres  270  Gulden  betragenden  Anteils  an  den  auf  dem  Reichstage  zu  Konstanz 
zum  Romzuge  ihm  bewilligten  120000  Gulden.  —  Orig.  Pap.  G.  B. 

Nach  dem  unserem  Mandate  zu  Grunde  liegemlen  Anschlage  hatte,  laut 
der  entsprechenden  Schreiben  an  Frankfurt   (Janssen  II,  S.  741,  Nr.  923)   und 

50)  Alle  drei  Orte  im  Ricnztlialc. 

51)  Württemberg,  0.  A.  Müiisingcn. 

52)  in  Kärnten,  Bez.  Kötscliacli. 


—    115    — 

an  Reg-ensbiirg-  (Gemeiner  Bd.  IV,  S.  120),  ersteres  1040,  letzteres  870  Gulden 
zu  zahlen. 

230.  1508  Februar  13.  Klausen"^).  Maximilian,  erwählter  römischer  Kaiser ^*),  ent- 
bietet das  Aufgebot  der  Gemeinde  Steinkirchen  ■'^)  zum  Zuge  gegen  die  Vene- 
zianer nach  Toblach.  —  Orig.  Pap.  G.  ß.    W.  A. 

231.  1508  August  5.  Augsburg.  Kaiser  Maximilian  erteilt  den  Gebi'üdern  Peter 
und  Sigmund  Härtung  eine  Wappenbesserung.  —  Erhalten  in  einer  Notariats- 
kopie vom  8.  August  1G30. 

232.  1508  Dezember  30.  Mechehi.  Kaiser  Maximilian  befiehlt  dem  Landhofmeister 
Michel  Freiherrn  zu  Wolkenstein,  an  einer  Beratung  über  die  Befestigung  der 
Pässe  zwischen  Niederndorf°*^)  und  Lienz  teil  zu  nehmen.  —  ürig,  Perg.  G.  B. 
AV.  A. 

233.  1509  März  14.  Lyer  in  Brabaut  ■^■').  Kaiser  Maximilian  bestätigt  den  Gebrüdern 
Humpis  ihr  Wappen  und  gestattet  ihnen,  sich  Humpis  von  Waltrams  zu  nennen. 
—  Orig.  Perg.    Stark  beschädigt.     Siegel  fehlt. 

1510  Januar  12.  Bozen.  Kaiser  Maximilian  beurkundet  einen  in  dem  Erb- 
schaftsstreite des  Michel  von  Wolkenstein  und  des  Anton  von  Thun  am  24.  Sep- 
tember 1502  zu  Innsbruck  abgehaltenen  Termin,  in  welchem  beschlossen  worden 
ist,  die  Sache  der  Entscheidung  des  Kaisers  vorzubehalten.  —  Orig.  Perg. 
Siegel  fehlt.     W.  A. 

Über  denselben  Erbstreit  besitzt  das  AVolkensteiner  Archiv  eine  weitere 
Urkunde  des  Kaisers  (Orig.  Perg.)  vom  28.  Juli  1516. 

236.  1510  März  10.  Augsburg.  Kaiser  Maximilian  befiehlt  der  Stadt  Windsheim, 
ihre  Reichssteuer  an  Friedrieh  Ziegler,  dem  sie  von  Sigmund  von  Dietrichstein, 
seinem  Erbschenkeu  in  Kärnten,  auf  Lebenszeit  verschrieben  worden  sei,  zu 
entrichten.  —  Orig.  Pap.  G.  B. 

237.  1510  Mai  17.  Augsburg.  Kaiser  Maximilian  genehmigt  die  Übertragung  des 
Zinses  von  einem  Garten  zu  Nürnberg  am  Treiberg,  welcher  Reichslehen  ist, 
durch  Michel  Beheim  den  Älteren,  Bürger  zu  Nürnberg,  auf  Felicitas.  flillpoll 
Koptfs  Tochter.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

238.  1510  Juli  7.  Augsburg.  Kaiser  Maximilian  verleiht  deiii  Georg  von  Leonrod 
für  die  bisher  vou  ihm  und  seinen  Eltern  innegehabte  Schenkstätle  zu  Mugen- 
hof  bei  Nürnberg  Erblichkeit  und  Bannrecht  im  Umkreise  von  \i  31eile.  —  Orig. 
Perg.     Siegel  fehlt. 

1510  August  24.  Berneck"*).  Kaiser  Maximilian  gebietet  dem  Reichskainmer- 
gerichte,  eine  Api)ellsache  Aov  Voi-müiidor  -lörg  Hallers  gegen  Hans  llalK'r  zu 
Nürnberg  möglichst  zu  fördern.  —  Orig.  Pap.  (i.  U. 

83)  Wahrsclii'inlirli  Klausen  an  dei'  l'j.saci<.  —  Nach  dfiii  iliiici-aro  Släliiis  (a.  a.  0. 
S.  367)  war  Maximilian    \<iin   S.      I'i.  i'\'hniar  in    Unzen. 

ö4)  Weni^ic  Tage  voriier,  am  4.  Feltniar  zu  Trieni.  Iialle  .MaximiliaM  diesen  Tilel  aii- 
geiioimuen. 

55)  [n  Öslerrcich. 

56)  Tirol,  im  Pustertliale;  vioiioiciit  handeji  es  sirli  liier  um  die  IL'l)in'gäiige  vom 
Pusterthalo  nach  dem  Val  dAmpczzo,  einem  NcbcuUialc  des  Piavettiales. 

57)  Lier,  Belgien,  Prov.  Antwerpen.  58)  In   Tirol. 


—     HC,     — 

Zwei  iindcre  Gerichlsliric^le  Kaiser  Maxiinilians  (Orig-.  Pap.),  betreffend 
Koclilsslreitig-keilen  der  Familie  Haller,  besitzen  wir  vom  7.  April  1513  und  vom 
18.  September  1516. 

rill'.  I51I  Juli  1^1).  Iiiiisbriick.  Kaiser  Maximilian  gebietet  allen  Prälaten,  Edelen, 
Städten,  (Jerichfen,  Zins-  uiid  (liimdbesitzern  der  Herrschaft  Lienz  im  Puster- 
tlialt',  von  den  ."{(10  .Mann,  die  sie  nacli  den  Beschlüssen  des  letzten  Landtages 
zu  Silian^'")  zur  Verteidigung  der  dortigen  Pässe  gegen  die  Venezianer  auf  den 
4.  August  nach  Toblach  schicken  sollten,  nur  100  dorthin,  200  aber  zu  dem 
ilbi'igen  Aufgebole  der  Grafschaft  Tirol  »gen  Jkn-n  oder  in  das  Veld«  abgehen 
zu  lasse?).  —  Orig.  Paji.     Rücksiegel.     W.  A. 

üJW— :247.  1511  Oktober  4.  Lienz.  Kaiser  Maximilian  spricht  dem  Antonio  Savorgnani 
seine  Freude  und  seinen  Dank  aus,  dafs  derselbe  die  Sache  der  Venezianer, 
»seiner  und  des  ganzen  Adels«  gemeinsamen  Feinde,  verlassen  habe  und  zu  ihm, 
seinem  rechtmäl'sigen  Herrn  und  Kaiser,  übergetreten  sei.  -  -  Orig.  Pap.     G.  B. 

über  das  Verhältnis  Kaiser  Maximilians  zu  dem  Venezianer  Savorgnani 
gehen  uns  noch  vier  Originalbriefe  des  Kaisers,  von  denen  die  drei  letzt- 
genaniden,  wie  der  vorliegende,  aus  dem  gräflich  TrauttmansdortTschen  Archive 
in  den  Besitz  des  Museums  gelangten,  weiteren  Aufschlurs. 

Am  17.  Dezember  d.  J.  teilt  der  Kaiser  von  Gmunden  aus  »seinem  Rate« 
Savorgnani  iiiil.  daCs  er  das  Verbleiben  desselben  in  Friaul  billige  und  ihm 
vorschlage,  sich   dem  kaiserlichen  Heere  in  Görz  und  Gradlska  anzuschliefsen. 

Aus  Wiesbaden  am  2.  März  1512  beantwortet  Maximilian  einen  Brief 
Savorgnanis  vom  20.  Februar,  in  welchem  dieser  dem  Kaiser  seine  Ankunft  in 
Innsbruck  mitgeteilt  und  die  Gründe  hierfür  auseinaadergesetzt  haben  mufs. 
Maximilian  fordert  Savorgnani  auf,  sich  nach  Villach  zu  begeben  und  seine 
dortigen  Räte  und  Kommissarien  bei  der  Vorbereitung  eines  neuen  Zuges  gegen 
die  Venezianer  mit  Rat  und  Thal  zu  unterstützen. 

In  einem  vierten  Briefe,  (].i\.  Trier  1512  April  15.  verweist  Maximilian  auf 
ein  gleichzeitiges  Schreiben  seines  Sekretärs  A.  de  Banisis  an  S.  Er  teilt  ferner 
mit,  dafs  er  sich  demnächst  an  den  Hof  seines  Enkels  Karl  begeben  und  dort 
die  seinem  Schutze  anvertrauten  Neffen  Savorgnanis,  sowol  Karl  selbst,  als 
auch  dem  Herzoge  Maximilian  Sforza  empfehlen  werde. 

Ein  fünfter  und  letzter  Brief  des  Kaisers,  vom  2.  Juli  1512,  ist  an 
Antonios  Sohn,  Nicolo  Savorgnani,  gerichtet.  Maximilian  drückt  seine  Trauer 
über  den  soeben  erfolgten  Tod  Antonios  aus,  rühmt  dessen  Treue  und  Verdienste 
und  verspricht  Fürsorge  für  die  Hinterbliebenen. 

248.  1511  Oktober  19.  Silian.  Kaiser  Maximilian  macht  allem  Kriegsvolke  bekannt, 
dafs  Christof  Bischof  von  Brixen  von  ihm  mit  dem  Schutze  genannter  Ort- 
schaften, die  si(di  ihm  (dem  Kaiser)  ergeben  hätten,  beauftragt  worden  sei.  — 
Orig.  Pap.    Ijn  Texte  Form  der  offenen  Briefe,  aber  Verschickungsschnitte.  W.  A. 

24i).  1512  April  18.  Trier.  Kaiser  Maximilian  mahnt  die  Stadt  Windsheim  zur  Be- 
schickung des  Reichstages  zu  Trier.  —  Orig.  Pap.  G.  B. 

250.  1512  Juni  4.  Brüssel.  Kaiser  Maximilian  erklärt  den  Michel  Hagele  zu  Donau- 
wörth wegen  Befehdung  des  Klosters  Kaisersheim  ^'')  in  die  Reichsacht.  —  Orig. 
Perg.     Rüeksiegel. 

59)  Im  Pusterllialc,  un  der  Drau.  6()J  Bei  Donauwörth. 


—    117     — 

251.  1312  September  9.  Köln.  Kaiser  Maximillaa  verleiht  dem  Peter  Totzier,  Lehre 
der  Rechte,  ein  Wappen.  —  Orig*.  Perg.    Siegel  fehlt. 

2d2.  1S12  November  23.  Speier.  Kaiser  Maximilian  vidimiert  auf  die  Bitte  des  Wicker 
Knoblauch  von  Frankfurt,  Einwohners  zu  Speier,  eine  Verkaufsurkunde  vom 
21.  Aug-ust  1332  über  ö  Pfund  Heller  Zins  von  dem  Hause  »Zum  Schwert«  am 
Obstmarkte  zu  Speier.  —  Orig-,  Perg-.  Kleines  rotes  Siegel  (bei  Heffner  nicht 
zu  fmden)  in  gelber  Kapsel  an  Pergamentstreifen. 

233.  1514  Januar  19.  Innsbruck.  Kaiser  Maximilian  verleiht  dem  Ulrich  von  Habs- 
berg, seinem  Rate,  Hauptmaune  der  vier  Waldstädte  am  Rhein  und  Vogt  zu 
Lauffenburg,  das  Schlofs  Isenburg"^)  mit  Zubehör.  —  Orig.  Perg.     Siegel  fehlt. 

254.  1314  Oktober  14.  Innsbruck.  Kaiser  Maximilian  bestellt  Michel  Freiherrn  zu 
Wolkenstein  und  Jörg  von  Firmian  zu  Pflegern  der  Franziskanerklöster  in 
Schwaz  und  Bozen,  —  Orig.  Perg.     Rücksiegel.    W.  A. 

235.  1515  August  2.  Wien.  Kaiser  Maximilian  bestätigt  dem  Thomas  Löffelholz  seinen 
Adel  und  vermehrt  ihm  sein  Wappen.  —  Orig.  Perg.  Rotes  Siegel  (wie  Nr.  180) 
in  gelber  Kapsel  an  schwarzgoldener  Seidenschnur  (Löffelholzsches  Archiv). 

256,  1516  Juli  17.  Füssen.  Kaiser  Maximilian  verfügt  auf  die  Beschwerde  des  Mark- 
grafen Kasimir  von  Brandenburg  Stillstand  eines  Prozesses  vor  dem  Reichs- 
kammergerichte zu  Worms,  —  Orig.  Pap,  G,  B. 

237.  1518  März  11.  Ohne  Ort.  Kaiser  Maxioiilian  bestätigt  das  am  21.  Januar  1508 
(18?)  von  dem  Kammergerichte  der  niederösterreichischen  Lande  in  der  Klagsache 
des  Klosters  St.  Bernhard*^-)  gegen  Michael  von  Eytzing  wegen  Steuerfreiheit 
der  Güter  des  Klosters  zu  Waitzendorf*'^)  gefällte  Urteil.  —  Orig.  Perg, 
Rotes  Siegel  (bei  Heffner  nicht  zu  finden)  in  gelber  Wachskapsel.  — 

Die  vorstehend  verzeichneten  zwei  und  ein  halbhundert  mittelalterlicher 
Kaiserurkunden  sind  (mit  Ausnahme  der  den  Beständen  des  Wolkensteiuschen 
und  der  hiesigen  Privatarchive  der  Familien  Löffelholz  und  Scheurl  entnom- 
menen Stücke)  fast  alle  vereinzelt  und  selten  aus  ihrer  ehemaligen  Heimat, 
sondern  oft  von  Orten  weit  aulserhalb  Deutschlands,  teils  als  Geschenke  von 
Freunden  unserer  Anstalt  ihr  zugesandt  worden,  teils  durch  Kauf,  namentlich 
aus  den  in  früheren  Jahrzehnten  so  ergiebigen  Vorräten  der  Goldschläger  in 
Fürth,  schon  durch  Freiherrn  v.  Aufsefs,  später  durch  das  germanische  Museum 
erworben  und  so  vom  Untergange  gerettet  worden.  Ihi'  Inhalt  ist  zwar  mannig- 
faltig und  bunt;  aber  es  sind  doch  wichtige  Stücke  zur  Geschichte  des  Reichs, 
wie  zu  der  einzelner  Stände  desselben,  darunter,  und  aus  ihnen  allein  schon  läfst 
sich  die  Bedeutung  und  Wichtigkeit  des  Archives  unseres  germanischen  Museums 
als  Rettungsanstalt  nachweisen.  Wo  würde  aber  selbst  das  VVolkensteinsche  Ar- 
chiv heute  sein,  würde  es  überhaupt  mir  noch  existieren,  wenn  nicht  das  ger- 
manische Museum  die  nötige  Kleinigkeit  aufgewendet  hätte,  um  es  zu  erwerben f 

Eine  ähnliche  Reihe  von  Papsturkundeu  wird  gelegentlich  in  ähnlicher 
Weise  besprochen  werden. 

61)  »Württemberg,  O.A.  Horb.  62)  (Xslonvicl.,  lUv,.  llorn, 

63)  Mehrcrc  Orte  dieses  Namens  in  Osteiii-iili ;  \'^\.  (Islerlcy  n.  n.  0.  S.  IUI  f. 

Nürnberg.  Dr.  Heinr.  Wen  dt. 


Re 


gister 


zum  Jahrgang  1890 


der 


3Iitteilinigen  «aus  dem  gerinaiiiselieii  Nationalmuseiiiii. 


Apotheker:   Nikolaus  Hofinair,  zu  Augsburg 

15  n: 

Augsl)urg,  St.  Morizkirche  :  Grabmal  dos  JN'i- 
kolaus  ilofinair  15  fl". 

Bildhaurr,  Würzlturger,  vom  15. — 17.  Jahr- 
huiulcrl  25  iV. 

Bücliscn  meister,  Nürnberger,  des  16.  Jahr- 
hunderts 70  ff. 

B  ü  c h  s  e  n s  c h  in  i  (^ d e ,  Nürnberger,  des  16.  Jahr- 
liunderts  70  iT. 

Buntpapiere  23  f. 

Dürer,  Albrecht,  als  Naclibar  1± 

E 1  f  e  n  b  e  i  n  t  a  f  e  1 .  karolingische  43  tf. 

F  euerschlolsju  acher,  Nürnlicrger,  des  lü. 
Jahrhunderts  70  IT. 

Feuerwaffen  des  14.  und  15.  Jahrli    47  ff. 

Gläser,  Würzburger,  vom  15. —17.  Jahrhun- 
dert 25  ff. 

Gläser,  römische  65  ff. 

Gralniial  des  Apotheken  Nikolaus  Hofmair 
zu  Augsburg  15  ff. 

Hofmair,  Nikolaus,  Apotheker  zu  Augsburg: 
Grabmal  15  IL 


Holzschnitte   auf  Schachteln  und  Kästchen 

60  ff. 
Ingolstadt:  Notpfennig  der  Stadt  51  IT. 
Inschriften,  römische  41  If. 
KaiserurkundiMi  des  germanischen  Museums 

Sü:     soff.     7.Sff.     97  ff. 
Karolinger  zeit:  Elfenbeintafel  43  ff. 
Kästchen:  beklet)t  mit  Holzschnitten  60  ff. 
Maler:  üöi-er,  Albrecht  72. 

—  Würzburger,    vom    15.  —  17.    Jahrhundert 
25  ff. 

Notpfennig  der  Stadt  Ingolstadt  51  ff". 
Nürnberg:  Büchsenmeister,  Büchsenschmiede 

und  Feuerschlofsmacher  des  IG.  Jalu-hunderts 

70  ff. 
Papiere,   bunte  23  f. 
Römische  Gläser  65  ff. 

—  Inschi-iften  41  ö". 

Schachteln:   beklebt  mit  Holzschnitten  6011". 
Urkunden   der   deutschen  Kaiser  3  ff.     30  tt". 

73  ff.     97  ff. 
Würzburg:  Maler.  Bildhauer  und  Glaser  vom 

15. — 17.  Jahrhundert  2511". 


Mitteilungen 


aus  dem  gernianisehen  NationalmiLseimi, 


lierausgegelben  vom  Direktorium. 


Jahrgang  1891. 


Mit  Abbildungen. 


Nürnberg,  1891. 
Verlagseigeiitum  des  gernuiiiisclieii  Museums. 


^lith'iliiiiiii'i)  aus  doni  {rennan.  Xat.-Miis.     IS'.M 


Taf.  I. 


Eembrandts  Paulus  im  Geinaclie. 


Rembraiults  Paulus  im  Gemache. 

(Hierzu  Tafel  I.) 

enn  Renibrandt  auch  allen  Waiullung-en  und  Schwankung-en  des  ästhetischen 
Geschmacks  zum  Trotze  zu  allen  Zeiten  im  Mittelpunkte  des  Sammler- 
interesses der  deutschen  Kunstliebhaber  gestanden  hat,  so  ist  doch  erst 
in  neuerer  Zeit  das  eig-entlich  historische  Interesse  für  den  gTol'sen  Niederländer 
erwacht.  Es  ist  ja  bekannt  genug-,  dafs  selbst  zu  einer  Zeit,  als  Winkelmann 
dem  klassischen  Schönheitsideal  zu  Liebe  die  Zeichnung-,  »den  schönen  Contourc 
in  allen  Tonarten  pries  und  als  Lessing-  glaubte,  das  \Yesen  der  niederländischen 
Kunst  zu  treffen,  wenn  er  sie  mit  dem  derben  Worte  «Kotmalerei«  abfertigte, 
dafs  damals  überall  in  Deutschland  mit  fast  leidenschaftlichem  Eifer  Rem- 
brandtsche  Arbeiten  gesammelt  wurden,  ja,  dafs  selbst  23  Jahre  nach  dem  Er- 
scheinen der  »Gedanken  über  die  Nachahmung  der  Alten«,  als  die  Prinzipien 
des  Klassizismus  volle  Zeit  gehabt  hatten,  auf  den  Geschmack  der  Gebildeten 
zu  wirken,  Goethe  schreiben  konnte:  »ich  lebe  ganz  mit  Rembrandt«,  ohne 
damit  in  Opposition  zu  der  Geschmacksrichtung  seiner  Zeitgenossen  zu  treten. 
Aber  es  hat  lange,  sehr  lange  gedauert,  bis  der  bewundernde  Liebhaber  das 
Bedürfnis  fühlte,  der  Entwickelung  des  Meisters  nachzugehen,  und  noch  länger 
hat  es  gedauert,  bis  auch  den  Anfängen  des  Künstlers  eine  eingehende  Auf- 
merksamkeit geschenkt  wurde.  Wilhelm  Bode  gebührt  in  erster  Linie  das  Ver- 
dienst, mit  feinem  Spürsinne  die  Wege  nachgewiesen  zu  haben,  die  der  junge 
Rembrandt  gegangen  ist,  und  —  gestützt  auf  die  Augenscbärfe  des  künst- 
lerischen Physiognomikers  und  auf  eine  umfassende  Autopsie  — die  Entwickelung 
jener  Frühjahre  bis  zum  Auswachsen  der  vollen  Eigenart  aufgedeckt  zu  haben. 
»Abseits  von  der  grofsen  Heerstrafse  der  Galleriebesucher,  zuweilen  aber  auch 
in  allbekannten  Sammluni>'en.  habe  ich  eine  nicht  unbeträchtliche  Zahl  von 
Jugendwerken  Rembrandts  gefunden,  die  das  Bild  seiner  ersten  Entwickelung 
während  des  Aufenthalts  in  seiner  Vaterstadt  sehr  vervollständigen,  ja  eigen! - 
lieh  ci'st  ausprägen«^). 

Unter  diesen  Werken  befand  sich  auch  das  (icmälde,  das  vor  kurzem 
von  dem  gei-manischen  Nationalmuseum  aus  der  freiherrlich  von  Bodeck- 
Ellgauschen  Gemäldegallerie  ersteigert  wurde,  und  das  zweifellos  zu  den  be- 
deutendsten Gemälden  aus  der  FrUhzeit  des  Meisters  gehörl.  Der  Auklions- 
katalog  nannte  das  Bild  (Holz.  II (»he  48,  Breite  39  cm.):  'd)er  heilig<>  Paulus 
studierend«  und  erklärte  es.  auf  Geheinu-at  \V.  IUkIc  bezug  nehmend,  für  »ein 
hochinteressantes  Werk  von  koslbarer  lu'hallung". 

Da  dem  fiemälde  die  Datierung  und  die  Künsllerbezeichnung  fehlt,  auch 
das  Sujet  bei   aller  Kinfachheit  der  Darslelliing   verschiedene  Auslegungen  zu- 


1)  Bodc,  Studien  zur  (lOschiclile  der  tiulländisclu'n  Malerei  S.  364, 


_     4     _ 

/nziilassen  scheint,  so  ist  es  vorauszusehen,  dafs  der  Scharfsinn  der  Kenner  und 
liit'lihaber  sich  noch  oft  an  demselben  üben  wird.  AVenig'stens  scheinen  die 
Akten  über  (heses  Werk  Rembrandts  noch  keineswegs  g-eschlossen,  und  es  ist 
vielleicht  berechtigt,  an  dieser  SIelle  auf  einige  —  in  anbetracht  der  Bedeutung 
des  Objektes  —  wol  nicht  ganz  bedeutungslose  Punkte  hinzuweisen,  in  denen 
sich  schon  heute  eine  Zwiespältigkeit  der  Ansichten  bemerkbar  macht. 

Zunächst  sei  es  gestattet,  ein  Wort  über  den  dargestellten  Gegenstand  zu 
sagen. 

Bodo  vermeidet  in  seinen  »Studien  zur  Geschichte  der  holländischen 
Malerei«  jede  Bezeichnung.  Er  sagt:  »Ein  bejahrter  Apostel,  den  näher  zu  be- 
stimmen die  Abwesenheit  jedes  Symbols  verhindert,  sitzt  sinnend  vor  seinem 
Schreibtisch«  (S.  3(56).  In  dem  4.  Hefte  des  11.  Bandes  des  »Jahrbuchs  der 
Königlich  PreuCsischenKunstsammlungen«^)  nennt  er  das  Bild  hingegen  »Paulus«, 
fügt  aber  in  Klammern  hinzu:  »oder  Petrus?«.  AVoraufsich  die  eingeklammerte 
Vermutung  .stützt,  ist  nicht  ersichtlich.  Der  flüchtige  Gedanken,  es  könnte  in 
dem  vorliegenden  Werke  ein  Pendant  zu  dem  Stuttgarter  Bilde  »Paulus  im 
Gefängnisse«  gesehen  worden  sein,  ist  schon  deshalb  hinfällig,  weil  die  Gröfsen- 
verhältnisse  der  beiden  Bilder  völlig  verschiedene  sind.  Die  Bezeichnung 
«Paulus«  3),  die  ja  auch  bei  Bode  mit  gröfserer  Sicherheit  auftritt,  dürfte  ent- 
schieden vorzuziehen  sein;  zumal  für  die  Charakterisierung  eines  Petrus  oder 
eines  der  übrigen  Jünger  noch  weniger  in  dem  Bilde  gethau  ist  als  für  die 
Charakterisierung  eines  Paulus.  Der  sinnende,  für  einen  tiefen  Gedanken  die 
klare  Fassung  suchende  Blick  des  Greises  hat  weit  mehr  von  dem  hochgebil- 
deten, philosophierenden  Paulus  an  sich  als  von  dem  aufbrausenden  Sprudel- 
geist  des  Petrus;  und  auch  die  beiden  messerartigen  Schwerter*)  am  Gebälke  des 
Hintergrundes  könnten  weit  leichter  auf  das  symbolische  Doppelschwert  des 
Geistes  und  der  Hinrichtungsart  des  Heidenapostels  gedeutet  werden,  als  auf 
das  Schwert,  mit  dem  Petrus  in  aufwallendem  Zorne  Malchus  das  Ohr  abhieb. 

Es  dürfte  daher  berechtigt  sein,  an  der  Bezeichnung  »Paulus«  festzuhalten 
und  ihr,  vielleicht  zur  Unterscheidung  von  dem  Stuttgarter  »Paulus  im  Ge- 
fängnisse«, die  Fassung  »Paulus  im  Gemache«  zu  geben. 

Eine  solche  Unterscheidung  würde  um  so  mehr  am  Platze  sein,  w^enu  in 
der  That  die  starke  Verwandtschaft  zwischen  diesen  beiden  Bildern  vorhanden 
ist,  die  man  gefunden  zu  haben  glaubt.  In  den  »Studien  zur  Geschichte  der 
holländischen  Malerei«  wird  das  Bild  des  germanischen  Museums  als  »im  Gegen- 
stand wie  in  der  Auffassung  und  Behandlung  fast  wie  ein  Gegenstück«  des 
»Paulus  im  Gefängnisse«  geschildert,  in  dem  Aufsatze  des  Jahrbuches  wird  von 
einer  »starken  Verwandtschaft«  gesprochen,  die  verbiete,  das  Bild  später  als 
1628  zu  datieren.  Doch  dürften  die  Ansichten  über  diesen  Punkt  recht  ge- 
teilte sein. 


2)  Seile  207. 

3)  Auch  der  Katalog  der  Ausstellung  von  Werken  der  Kiederländischen  Kunst  des 
siebzehnten  Jahrhunderts,  Bei'lin  1890,  braucht  dieselbe,  s.  Nr.  222. 

4)  Da  das  eine  derselben  in  der  Scheide  steckt,  die  nackte  Klinge  des  anderen  von 
dem  Lichte,  das  der  Arbeit  des  Apostels  leuchtet,  scharf  getroifen  Avird,  würden  dieselben 
Aveitercn  Auslegungen  zu  Gunsten  der  Paulusdeutung  nur  entgegenkommen. 


In  dem  Stuttgarter  Bilde  sitzt  der  Apostel  »sinnend  über  einem  Buclie, 
im  Bee-rifTe.  einen  Brief  an  eine  seiner  Gemeinden  aufzuzeichnen.  Volles  Sonnen- 
licht  füllt  durch  das  Gitterfenster  links  auf  seinen  Oberkörper  und  hebt  den 
kühl  gefärbten  Kopf  von  der  voll  und  warm  beleuchteten  AVand  energisch  ab. 
Bücher  und  Schwert  liegen  ihm  zur  Seite,  weniges  Stroh  zum  Lager  zu  seinen 
Füfsene^).  Mit  peinlichster  Genauigkeit  ist  jede  Zeile  des  Briefes,  jeder  Stroh- 
halm, jedes  Härchen  gezeichnet.  Der  rechte  Fufs  hat  sich  des  Schuhes  entledigt 
und  zeigt  —  ebenso  wie  die  Rückseite  der  linken  Hand  —  eine  minutiöse  Treue 
in  der  Wiedergabe  des  feinen  Geäders.  »Die  Behandlungsweise  ist  sorgfältig, 
zum  Teil  noch  trocken  und  ängstlich. <<  Es  trifft  durchaus  die  Sache,  wenn 
Alfr.  \Voltmann*5)  von  einem  »bleiernen  Ton  bei  ziemlich  schwerem  Vortrag« 
spricht,  wenn  er  den  Lichtstrahl  »etwas  plump  und  grell  nennt.«  Die  Licht- 
wirkung begnügt  sich  daher  auch  mit  den  starken  Effekten  am  Gemäuer;  von 
einer  Verteilung,  von  einer  malerischen  Verwertung  des  Lichtes  für  die  Gestalt 
des  Apostels  ist  kaum  die  Rede;  alle  Partien  sind  mit  der  gleichen  nüchternen 
Genauigkeit  dargestellt.  Der  Rock  und  der  zurückgeworfene  Mantel  haben  in 
ihrem  Faltenwurf  etwas  Lehmig-Gedrücktes;  die  Haltung  der  Gestalt  erinnert 
unwillkürlich  an  das  Modell. 

Man  vergleiche  damit  den  beigefügten  Lichtdruck  des  »Paulus  im  Gemache.« 

Nicht  der  leiseste  Zug  läfst  an  eine  Abschrift  der  Natur  denken.  Die 
Haltung  ist  völlig  —  man  möchte  sagen:  aus  dem  Inneren  herausgewachsen. 
Das  Momentane  der  nachsinnenden  Überlegung  kann  nicht  charakteristischer 
und  geistvoller  wiedergegeben  werden..  Der  Wille  scheint  sich  der  Herrschaft 
über  die  Muskeln  des  Körpers  für  einen  Augenblick  völlig  begeben  und  sich 
ganz  auf  das  Gebiet  geistiger  Arbeit  beschränkt  zu  haben.  Der  Kopf  ist  etwas 
na(.'h  vorn  gesunken,  der  Körper  leicht  zusammeugelVillen ;  der  lasch  über  die 
J.ehne  des  Stuhles  hängende  Arm  und  die  auf  Daumen  und  Zeigelluger  auf- 
gestützte linke  Hand  erscheinen  als  interimistische  Stützen,  um  den  greisen 
Apostel  nicht  noch  mehr  zusammensinken  zu  lassen.  Der  rechte  Arm,  dessen 
Lage  wegen  des  Druckes  der  Lehne  wider  den  Oberarm  gar  nicht  ein  behaglich- 
langes Ausruhen  gestattet,  deutet  ebenso  wie  die  ungewohnte,  keineswegs 
zur  Ruhe  einladende  Anspannung  der  linken  Daumenmuskel  darauf  bin.  dal's 
hier  nur  eine  Pause  in  dem  Aufzeichnen  der  Gedanken,  nicht  eine  Pause  in 
der  geistigen  Arbeit  tnngetretcn  ist.  —  Der  sinnende  »Paulus  im  Gefängnisse« 
hat  seinen  rechten  Ellbogen  aufs  Knie  gestützt  und  fal'st  mit  der  vollen  Hand 
das  Kinn;  es  ist  das  eine  normale  Pose  für  scharfes  Nachdenken,  gewisser- 
mafsen  die  alltägliche  Verbildlichung  des  Begriffes  Nachdenken.  In  der  Figur 
des  »Paulus  im  (iemache«  ist  die  Charakterisierung  des  sinnenden  .Vibcitens  von 
jeder  Formel  weit  entfernt,  durchaus  eigenartig  und  doch  von  zwingender  Über- 
zeugungskraft. 

Und  nun  sehe  man  die  Ausführung!  So  gewissenlialt  auch  die  Technik 
ist.  so  exakt  die  Zeichiumg:  die  Zeit  der  Lehrjahre  ist  vorbei,  die  Gewissen- 
halligkeit  des  nachzeichnenden  Schülers  hat  der  Frcilicil  und  Sicherheit  des 
Meisters  Platz   gemacht.      Nirgends   str»rt    das    Hctoiicn    nebensächlicher   Dinge. 


b)  Bodc,  Sliidicn  clc.     S.  365. 

6)  In  il.T  Zt-ilsdirin  für  l.ihicmic  Kiiiisl    iST-i,  S.  46. 


—    ß    — 

Der  aiif^^estlUzloii  IJaml  IV'hlon  die  Adern,  die  das  Sluttg-aitei-  Bild  zeig't,  und 
(loL-li  ist  es  eine  wahrere  und  charakteristischere  Greisenhand  als  es  jene  ist. 
Bart  und  Haar  sind  ohne  peinliche  Detaillierung-,  weich  und  flaumig-,  wie  es 
dem  sparsameren  Haare  des  Alters  eigen  ist.  Und  dunkie  Schatten  legen  sich 
über  die  ganze  untere  Hälfte  des  Gemäldes,  die  Füfse  und  alles,  Avas  für  die 
geschlossene  Wirkiing  des  Bildes  unwesentlich  ist,  bedeckend.  —  Alles  Gegen- 
sätze zu  dem  Stuttgarter  Bilde;  und  zwar  Gegensätze,  die  sich  nur  aus  dem 
Weiterschreiten  des  Künstlers  in  Rembrandt  erklären  lassen.  Man  wird  das  be- 
sonders dann  emptinden,  wenn  man  die  Lichtwirkung  in  beiden  Bildern  auf- 
merksamer betrachtet.  Während  in  das  Gefäng-nis  durch  das  sichtbare  Fenster 
ein  blendend  scharfer  Lichtstrahl  hineinfallt,  sind  in  dem  Nürnberger  Bilde  die 
beiden  Lichtquellen  verdeckt.  Von  links  her  fällt  in  breitem,  ruhigem  Strome 
ein  mildes  Tageslicht  in  das  Gemach,  während  hinter  dem  Bücherberge  auf 
dem  Tische  ein  Licht  zu  stehen  scheint,  dessen  Reflexe  von  der  Hand,  dem 
Ärmel  und  von  der  linken  Wange  des  Greisenantlitzes  zurückstrahlen.  Das 
durch  diese  zwiefache  Beleuchtung  hervorgerufene  Schattenspiel  ist  von  aufser- 
ordentlicher  Feinheit.  Nirgends  ist  aufser  acht  gelassen,  dafs  die  Lichtwirkung 
der  Tageshelle  eine  gleichmäfsig  kühlere,  aber  zugleich  weittragendere  ist, 
während  die  verborgene  Kerze  schärfer,  wärmer  und  flackernder  leuchtet,  ihre 
Wirkung  aber  auf  einen  engeren  Kreis  beschränkt  ist. 

Die  Aufzählung  so  mancher  trefflichen  Qualitäten  des  Rembrandtschen 
Gemäldes  könnte  als  Parteinahme  für  das  Bild  des  germanischen  Museums  er- 
scheinen, wenn  nicht  die  beigefügte.  Phototj^pie  —  die  nur  in  Bezug  auf  die 
Wiedergabe  der  Beleuchtung  etwas  zu  wünschen  übrig  läfst  —  die  Genauig- 
keit des  Berichtes  kontrolieren  liefse. 

Eine  Wiedergabe  des  Stuttgarter  Bildes,  welche  die  Berechtigung  der 
Zweifel  an  einer  näheren  Verwandtschaft  der  beiden  Gemälde  darzuthun  ver- 
mag, beflndet  sich  in  der  Zeitschrift  für  bildende  Kunst,  Jahrgang  1874,  neben 
Seite  46. 

Wenn  aber  die  Beziehungen  der  Bilder  wirklich  so  wenig  intimer  Natur 
sind,  so  ergibt  sich  daraus  als  notwendige  Folgerung,  dafs  der  »Paulus  im  Ge- 
mache« nicht  in  das  Jahr  1627  und  1628  gesetzt  werden  kann,  es  müfste  denn 
sein,  dafs  der  »Paulus  im  Gefängnisse«  unter  den  künstlerischen  Leistungen  der 
Zeit  eine  Ausnahme  bildete.  Das  ist  jedoch  keineswegs  der  Fall.  Es  bedarf 
auch  nur  des  flüchtigsten  Blickes  auf  den  »Geldwechsler  von  1627«  und  die  »Ge- 
fangennahme Simsons«  vom  Jahre  1628'^),  um  zu  sehen,  wie  grofs  der  Abstand 
in  der  Beherrschung  der  Technik  zwischen  diesen  Bildern  und  dem  »Paulus 
im  Gemache«  ist,  wie  unvergleichlich  viel  ausgebildeter  Rembrandts  Kunst  der 
Beseelung  des  Menschen  sich  in  der  Gestalt  des  Paulus  zeigt,  als  in  den  Figuren 
jener  Werke,  wol  der  einzigen  datierten  Gemälde  dieser  Jahre. 

Vielleicht  würde  mau  annähernd  das  Richtige  treffen,  wenn  mau  das  Bild 
des  germanischen  Museums  in  die  Zeit  setzt,  in  welcher  der  »Greis  am  Ein- 
gange einer  Grotte«  (Petersburg),  der  »Petrus  im  Gefängnisse«  (Paris)  s),  und  der 


7)  Reproduktionen  finden    sich    in    den    »Graphischen  Kiinslen-    III.  .lalirgang,    1881, 
S    öo  und  ;i6. 

S)  Aliuialurnacliliildunt^cn  a.  a.  0.  S.  49  u.  S.  72. 


—     7    — 

»heilige  Anastasius  in  der  Zelle«  (Stockholm)  entstanden  sind,  also  in  die  Jahre 
1630  oder  1631.  Was  in  dem  Leben  eines  Künstlers  von  der  Beg-abung  Rem- 
braudts  drei  Jugendjahre  bedeuten,  das  wird  jedem  klar,  der  neben  die  Werke 
aus  den  Jahren  1627  und  1628  diese  Bilder  stellt. 

In  allen  drei  Werken,  die  sich  auch  in  der  Gröfse  dem  ;)Paulus  im  Ge- 
mache« nähern,  hat  Rembrandt  das  innerliche  Leben  einer  einzelnen  Persön- 
lichkeit und  zwar  stets  eines  Greises  künstlerisch  zu  erfassen  gesucht.  In  dem 
j>Petrus«  stellt  er  »mit  ergreifender  Wirkung  das  volle  Aufgehen  in  der  An- 
dacht« ^1  dar,  in  dem  »Greis  am  Eingange  einer  Grotte«  gibt  er  die  träumende 
Versenkung  in  den  stillen  Schmerz  der  Resignation  wieder,  in  dem  »Anasl;asius« 
charakterisiert  er  die  Vertiefung  des  Gelehrten  in  seine  Bücherwelt.  Hier  be- 
finden wir  uns  also  in  der  gleichen,  geistigen  Atmosphäre,  in  die  uns  der  Nürn- 
berger »Paulus*^  führte.  Berücksichtigt  man  ferner,  dafs  in  den  genannten  drei 
Bildern  ebenso  wie  in  dem  Bilde  des  germanischen  Museums  jedes  Sich- 
verlieren ins  Detail  vermieden  ist,  dafs  auch  hier  dem  Lichte  eine  hervorragende 
malerische  Rolle  zugewiesen  ist,  dafs  —  trotz  bedeutender  Differenzen  in  der 
Färbung  —  derselbe  lichte  grünlich-braune  Ton,  den  der  »Paulus«  zeigt,  auch 
in  diesen  Gemälden,  wie  selbst  in  den  gröfseren  Werken  der  betreffenden  Jahre, 
vorherrscht:,  dann  wird  man  zum  mindesten  die  Wahrscheinlichkeit  zugeben, 
dafs  der  »Paulus  im  Gemache«  der  gleichen  Zeit  angehört  und  damit  aus  den 
Regionen  tastender  Schülerarbeiten  heraustritt.  Es  mufs  einer  erneuten  und 
eindringlichen  Vergleichung  der  erhaltenen  Rembrandtwerke  überlassen  bleiben, 
diese  W^ahrscheinlichkeit  zu  erhärten  oder  triftige  Gründe  für  eine  andere 
Datierung  beizubringen.  Verlieren  wird  das  Bild  bei  einer  eingehenden  Prüfung 
keiuenfalls,  vielleicht  aber  an  äufserem  AVerte  gewinnen. 

Nürnberg.  Dr.  Th.  Volbehr. 


Ein  Keliqiiiciiglas  toiu  Jahre  1519. 

^^^ekanntlich  verlangt  die  katholische  Kirche,  dafs  in  jedem  Altare  Reli- 
t50#  "^^l^icn  ruhen.  So  finden  wir  denn  in  den  mittelalterlichen  gemauerten 
?~^  Mensen  der  Altäre  entweder  in  der  Deckplatte  oder  unterhalb  derselben 
an  der  Vorderseite  des  Altares  regelmäfsig  zugerichtete  Ötfnungon.  sepulcra, 
worin  die  Reliquien  niedergelegt  wurden,  deren  Achthcit  durch  eiu  bischölliches, 
mit  Siegel  versehenes  Zeugnis  bestätigt  sein  mufs.  Seilen  sind  diese  Reliquien 
einlach  in  das  Sepulcrum  eingelegt;  meist  sind  sie  in  irgend  einem  Behälter 
nebst  der  Urkunde  eingeschlossen,  der  sodann  versiegelt  ist,  so  dafs  bei  einem 
etwaigen  Zweifel  die  Untersuchung  nur  eben  darauf  gerichtet  zu  sein  braucht, 
ob  dies  bischöfliche  Siegel  unverletzt  ist.  Mitunter  ist  dieses  Gefäfs  sehr  ein- 
fach. Seilen  ist  es  besonders  kunstreich,  da  ja  die  Sepulcra  zugemauert  wurden, 
und  nur  ausnahmsweise  ist  überhaupt  künstlerischer  Aufwand  gemacht.  Unser 
Museum  besitzt  von  solchen  Ausnahmen  Beispiele,  Es  ist  das  in  Form  eines 
Hauses  gebildete,  mit  gei)refstem  Silber  belegte  Kästehen,  welches  aus  Metz 
stammt,  dann  der  reizende  kleine  Reliquienbchällcr  aus  Zinn,    welcher  unsere 


9j  Büdc,  Sluilicn  S.  38Ü. 


—    8    — 

Sammliuig-en  zierL  *),  und  einem  Altare  der  Pfarrkirche  zu  Kledrich  entnommen 
ist.  Von  einem  älteren,  kleinen  l?cli(|uienkäst(;hen  unserer  Sanniilung-  in  Form 
einer  ovalen  Büchse  mit  g-ewülbtenj  Deckel,  etwa  dem  10.— 11.  Jahrhunderte  an- 
gehörig-,  in  Bronze  gegossen  und  vergoldet,  mit  flachen  Pilastern  und  da- 
zwischen stehenden  Figuren  belebt,  vermuten  wir,  dafs  auch  es  ehemals  in  dem 
Se|)ulcrum  eines  Altares  stand.  Häufiger  aber  sind  es  blos  rechteckige,  glatte 
Bchäller  aus  Blei,  der  Form  des  Sepulcrums  angepafst,  die  nach  Einlegung 
der  Reliquien  und  der  ihre  Authentilät  bestätigenden,  als  Umhüllung  daran  ge- 
siegelten Urkunde  verlötet  wurden,  so  dafs  äufserlich  gar  nichts  erkennbar  ist 
und  erst  nach  Aufbrechen  des  BIcikästchens  sich  die  Reliquien  leststellen  lassen. 

Nicht  selten  wurden  auch  Gläser  dazu  benützt,  in  ihnen  Reliquien  für 
Altäre  zu  bergen,  Gläser  wie  sie  eben  im  Haushalte  unserer  Vorfahren  sich 
vorgefunden  haben  dürften  und  die  deshalb  ganz  passend  befunden  worden  sein 
mögen,  weil  sie,  durchsichtig,  die  eingeschlossene  Urkunde  einigermafsen  er- 
kennen und  lesen  liefsen,  ohne  dafs  man  den  Verschlufs  und  das  ihn  bestätigende 
Siegel  löste.  Für  die  profane  Kulturgeschichte  haben  diese  Gläser  deshalb  eine 
nicht  unbedeutende  Wichtigkeit,  weil  aus  den  Urkunden  sich  eine  genaue 
Datierung  derselben  ergibt.  Man  kann  annehmen,  dafs  jedes  solche  Glas,  wenn 
es  zur  Bergung  von  Reliquien  verwendet  wurde,  neu  war,  dafs  man  aber  das 
nächste  beste  heimische  für  den  Zweck  geeignet  fand.  Die  in  den  verschiedenen 
Museen  Deutschlands,  in  den  Sammlungen  der  historischen  Vereine  oder  in 
Privatsammlungen  aufbewahrten  mittelalterlichen  Gläser  stammen  gröfstenteils 
aus  Altären,  und  wenn  nicht  der  Verschlufs  dieser  Gläser  beseitigt  worden 
Aväre,  oder  -wenn  man  mindestens  den  Inhalt  der  Urkunden  beachtet  und  notiert 
hätte,  so  würden  wir  zur  Geschichte  der  Glasgefäfse  nach  Form  und  Farbe, 
sowol  in  Bezug  auf  die  Zusammengehörigkeit  der  Stücke  zu  Lokalschulen,  als 
auf  die  Chronologie,  wichtige,  vielleicht  gentjgende  Anhaltspunkte  besitzen.  In- 
dessen ist  dies  selten  geschehen.  Die  meisten  dieser  Gläser  sind  durch  ver- 
schiedene Hände  gegangen,  die  Spuren  waren  verwischt  bis  sie  in  öffentlichen 
Besitz  gelangt  sind,  und  heute  sieht  Niemand  mehr  ihnen  an,  aus  welcher  Zeit 
und  Gegend  sie  stammen;  man  begnügt  sich  mit  der  Thatsache,  »gotische« 
Gläser  vor  sich  zu  haben.  Das  älteste  solcher  Gläser,  auf  welches  wir  z.  Z.  als 
datierbar  hinw^eisen  können,  gehört  dem  Schlüsse  des  13.  Jahrhunderts  an  und 
befindet  sich  in  der  Sammlung  des  historischen  Vereins  für  das  württembergische 
Franken  zu  Schwab.  Hall.  Es  wurde  vor  nicht  langer  Zeit  erst  dem  Altare 
einer  Dorfkirche  in  der  Nähe  Halls  entnommen  und  wird  hoffentlich  bald  ver- 
öffentlicht werden.  Indessen  werden  ja  gewifs  noch  weit  ältere  vorhanden  sein, 
da  die  Glasfabrikation,  obwol  wir  nur  wenig  sicheres  darüber  wissen,  an  so 
vielen  Orten  Deutschlands  während  des  ganzen,  auch  des  früheren  Mittelalters 
betrieben  wurde. 

Vor  kurzer  Zeit  fand  der  Verfasser  ein  solches .  Glas  und  erwarb  es  für 
die  Sammlung  kirchlicher  Altertümer  des  germanischen  Museums.  Dessen  Ver- 
schlufs ist  noch  unberührt.  Es  ist  dem  Altare  einer  Kirche  im  Vinstgaue 
entnommen  worden.  Das  Gefäfs  ist  aus  hellem,  blaugrünen  Glase,  ersicht- 
lich dünn  geblasen   und   hat   die  Gestalt   einer  kleinen   Tonne   mit   niedrigem. 


Ij  Vgl.  Correspondenzblatt  d.  Gesam mtverei ns  d.  d.  Gesch.-  u.  AUcrthsv.  1874,  S.  76  f. 


-    9    - 

karnisförmig-en  Mündung'stricbter.  Unten  ist  ein  g-ewundenes  Band  aus  dem- 
selben Glase  aufgeschmolzen,  das  einen  Fufs  bildet;  unter  dem  Mündung-sraude 
ist  ein  dünner  Faden  aufg-elegt  und  um  den  Körper  zwei  ung'leicbe  Reihen  von 
je  sechs  Patzen,  die  in  spitze  AVarzen  ausgeben.     Wo  das  Glas  dick  ist,  wie 


bei  den  Patzen,  sieht  es  entsprechend  dunkel  aus,  und  da  es  heute  nielil  mehr 
g-anz  durchsichtig-,  sondern  leicht  oxydiert  ist,  da  es  g-elullt  und  zug-edeckt 
ist,  so  macht  es  den  Eindruck,  als  sei  die  Glasmasse  selbst  dunkler  als  sie  in 
der  That  ist.  Der  Verschlufs  ist  durch  einen  Deckel  gebildet,  welcher  aus 
freier  Hand  von  g-ewöbnlichem,  g-elben  Wachse  geformt  wurde  und  sich  fest  um 
den  Mündungstrichter  des  Glases  legt.  Man  kann  deutlich  die  Hautabdriicke 
der  formenden  Finger  sehen.  An  einer  Stelle  ist  ein  rundes  Stück  roten 
Wachses,  offenbar  flüssig,  in  eine  vorgerichtete  Mulde  des  gelben  Wachses  ein- 
gegossen und  darin  ein  Siegel  eingedrückt.  Dasselbe  zeigt  einen  Wappenschild 
mit  gebogenem  Arme  und  drei  Sternen  unter  einer  Mitra,  neben  welcher  ein 
Stab  hinter  dem  Schilde  steht.  Um  den  Rand  hat  das  Siegel  ein  o])en  offenes, 
an  Slab  und  Mitra  mit  umgerollten  Enden  anstofsendes  Spruchband,  dessen  Mitte 
von  dem  Schilde  bedeckt  ist  und  worauf  in  gotischen  Minuskeln  die  Inschrift 
steht:  »S  •  Steffani  —  epi  belline«.  Das  Glas  ist  sehr  leicht,  es  hat  mit  dem 
Wachsverschlusse  eine  Höhe  von  8,3  cm.,  der  Durchmesser  des  Glases  selbst 
beträgt  5,7  cm.,  jener  des  Fufses  3  cm.,  des  unregelmäl'sigen  Wachsdeckels  un- 
gefähr 7  cm. 

Der  Inhalt  besteht,  soweit,  er  sich  von  aut'sen  erkennen  läfst,  zunächst 
aus  einer  auf  Pergament  geschriebenen  Urkunde,  die  gendll  ist.  um  Platz  zu 
finden.  Obwol  so  der  vordere  Teil  der  sechs  Zeilen  vci'dccki  ist.  liilVI  sirli  ilocli 
lesen,  dafs  im  Juii  des  Jidires  1319  der  Bischof  Bruder  Stefan  aus  dein  i're- 
dic-erordcn  den  Altar  zu  Klii'cn  der  heil.  Michael.  Ursula  und  iler  li  Notlielfer 
geweiht  und  Rcli(iiiii'ii  (K's  licil.  Stefan,  sowie  der  heil.  Ursula  und  ihrer  Ge- 
nossinnen cingL'scIilossen  habe. 

millesimo  quingentesimo  decimo  nono  die 

mensis  Julii  nos  frater  steffanus  ordinis  predicatorum 


Mitteihiiigeu  aus  dein  gonnaii.  Nationaliiiuseuiii.     18i)l. 


II. 


aposlolicc  g'i'acia  episcopus  Bellineiisis  consccravimus 

iti  hoiiorc  sancti  Michaelis  et  sancle  Ursale  et  sancto 

(ieciin  auxiliatoruiu  et  inclusimus  eo  reliquias 

Steilanl  et  sancte  Ursale  et  sodalium  ejus. 

Teilweise  lose,  teilweise  in  einem  Leinwand(?)päckchen  unter  Beig-abe 
eines  Pergainenlstreifens,  dessen  Schrift  nicht  sichtbar  ist,  befinden  sich  die 
Keliquieii  im   Inneren. 

Drr  Tilel  des  Bischofs  Ikllinensis  bietet  einiges  Interesse.  Nach  einer 
gijligen  iMillcilung  des  Herrn  kaiserlichen  Rates  v.  Schönherr  in  Innsbruck 
führten  die  Weihbisehöfe  von  Brixen  häulig  den  Titel  Episcopus  Belinensis. 
Der  Episcopus  Belinensis,  der  auch  Taneensis  liiefs,  war  Sutfragan  des  Erz- 
bischofs von  Tims.  1517  war  der  Weihbischof  Johannes  von  Brixen  Episcopus 
Belinensis.  Unser  Stefanus  findet  sich  jedoch  1521  als  Generalvikar  des  Bischofs 
Paulus  von  Chur,  al§  welcher  er  am  25.  Mai  zwei  Seitenaltäre  und  den  Friedhof 
von  Partschins  bei  Meran  weihte.  Da  der  Vinstgau,  woher  unser  Reliquien- 
glas stammt,  bis  in  die  neuere  Zeit  herein  zur  Diözese  Chur  gehörte,  so  ist  die 
Weihe  auch  jenes  AltareS,-  dem  es  entnommen  ist,  durch  den  Churer  Generalvikar 
sehr  natürlich,  der  als  Nachfolger  des  Brixener  Johannes  inzwischen  in  die 
Reihe  der  Bischöfe  von  Tanea  in  parlibus  iniidelium  eingerückt  war. 

Gries  bei  Bozen.  A.  v.  Essenwein. 


Eine  Rarlsb.idcr  Kur  vor  300  Jahren. 

ntcr  den  Heilquellen,  welche  schon  seit  Jahrhunderten  Tausenden  und 
aber  Tausenden  Genesung  von  schweren  Leiden  brachten,  nehmen  die 
Karlsbads  eine  ganz  hervorragende  Stelle  ein.  Die  Zahl  derjenigen,  die 
dort  ihre  Gesundheit  wieder  zu  erlangen  suchen,  nimmt  jährlich  zu;  es  wird 
daher  allen  Verehrern  dieser  heilkräftigen  Quellen  von  Interesse  sein,  zu  ver- 
nehmen, welche  Anweisungen  im  Jahre  1571  ein  Nürnberger  Arzt  einem  seiner 
Patienlen  gab,  als  sich  dieser  auf  seinen  Rat  von  wegen  seines  »bösen  Magens« 
zur  Xur  nach  Karlsbad  begeben  wollte.  Der  Arzt  war  Volcherius  Coiter  (Goei- 
ter),  welcher  in  Will-Nopitschs  Nürnbergischem  Gelehrtenlexikon  ^)  als  der  erste 
bisher  bekannte  »Zergliederer«  in  Nürnberg  bezeichnet  wird.  Er  wurde  Feld- 
medikus des  Fürsten  Kasimir  von  Anhalt  und  starb  157(3  in  der  Champagne 
bei  dem  Grafen  von  »Bryen«  an  der  Schwindsucht.  Der  Patient,  Wolf  Flenntz, 
dürfte  ein  Nürnberger  Kaufmann  gewesen  sein,  vielleicht  der  Grol'svater  des 
Kaufmaiuis  Hans  Flenz,  der  1590  geboren  ist  und  dessen  Bildnis  im  Jahre  1669 
von  J.  F.  Leonnart  gestochen  wurde.  Der  Messingherr  Andreas  Flenz  war 
im  Jahre  1596  Genannter-).  Trechsel  ^)  beschreibt  das  Grabmal  unseres  Wolf 
Flenntz;  leider  fehlt  aber  die  Angabe  des  Jahres,  in  dem  er  gestorben.    Auf  der 

1)  V.  Teil,  S.  187. 

2)  Roth,  Gcscliichle  d.  IMürnbcrj;-.  llaiidcls  I,  S.  218,  woscibsl  iiucli  ein  iui  Julire  1590 
gestorbener  Kaufmann  Hans  Flens  angcfülirt  wird. 

3)  Erneuertes  Gedächtnis    des  Nürnbergischen  Johannis- Kirch -Hots   (Frankfinl    inid 
Leipzig  1735.) 


-   11   — 

c 

Bronzeplatte  stand  bei  ihm  nur:  »An.  —  den  —  verscliid«  etc.,  dann  folg-t  das 
Todesjahr  seiner  Frau  Anna,  geborene  Leng-enfelderin,  die  1383  verschieden  ist. 
Als  das  Epitaph  nach  deren  Ableben  g-efertig't  wurde,  hat  also  ihr  Mann  offenbar 
noch  g-elebt,  und  sollte  der  Raum,  welcher  für  das  Datum  seines  Ablebens  frei 
geblieben,  später  ausgefüllt  werden  —  eine  ja  ziemlieh  häufig  vorkommende  Sitte. 
Die  Karlsbader  Kur  scheint  Flenntz  also  sehr  gut  angeschlagen  zu  sein.  Er  ge- 
brauchte sie  zu  gleicher  Zeit  mit  Erzherzog  Ferdinand  von  Tirol  und  dessen 
Gemahlin  Philippine  Welser,  die  nach  Low*)  ebenfalls  im  Jahre  1371  die  Quellen 
Karlsbads  aufgesucht  hatten.  Die  Anweisung  Coiters  hat  sich  in  der  Huntl- 
schrift  Nr.  7137  der  Bibliothek  des  germanischen  Museum  erhalten;  wir  lassen 
dieselbe  nachstehend  in  ihrem  Wortlaute  ohne  jede  Kürzung  folgen,  um  ihr 
nichts  von  ihrer  Originalität  zu  rauben,  welche  gerade,  wie  wir  hoffen,  den 
heutigen  Besuchern  Karlsbads  Freude  machen  und  sie  zu  Vergleichen  mit  den 
heutigen  ärztlichen  Anordnungen  veranlassen  wird. 

(Bl.  1  a.)  Y  0  m  R  e  c  h t e  n  Gr  e b  r a  u  c  h  d  e  ß  G  a  r  1  s  P  a  d  t  b  e  y  E 1 1  e  n  b  o  g e n. 
Anno.    1371.    Denn  20.  May. 

(Bl.  2a.)  Achtbarer,  günstiger  lieber  Herr  Wolff  Flenntz  dieweil  ihr  euch 
mitt  meinem  Radt  ins  Garlsbadt  vonn  wegen  eures  bösen  magen,  vnnd  von 
wegen  kelde  derenn  eusserlichen  glieder  zuebegeben  enndtschlossen  seidt,  hab 
ich  khürtzlich  alles  so  zum  Rechten  gebrauch  (wo  au  nicht  wenig  gelegenn) 
dinstlich  zue  wissen  vnnd  zu  thun  von  nfUten  werdt  sein,  wöllenn  verfassenn. 
wie  alhie  volgt. 

Vom  gebrauch  des  wildtbadts  ^).  Dreierlay  weise  gebraucht  man 
des  Garlsbadt,  zum  ersten  drinckht  man  daruon,  zum  andern  badett  man,  zum 
dritten  lest  man  es  vffs  haubtt  fallen n. 

Vom  h'incken.  Erstlich  vom  trinckhen,  nach  dem  ihr  mehr  durch 
schwechaitt  derenn  jnnerlichen  glieder  eine  jnnerliche  Gura  bedürfftig  seidt. 
Sehe  ich  für  Radtsam  ein,  das  ihr  mit  dem  drinckhen  anfahett,  zue  diesem 
fhall  muß  man  achtung  haben  auf  drei  stückhe  Zum  Ersten  wie  man  sich  be- 
raitten  muß  zum  Trinckhen  Zum  Andern  wie  man  sich  verhalden  muß,  dieweil 
man  Irinckht,  Zum  dritten  wie  man  sich  nach  der  tzeith  muß  hallcnn. 

(Bl.  2b).  Wie  man  sich  Beraitten  muß  zum  Badt.  Souiel  dem 
belanget  so  von  nötten  ist  anzusehen  vor  dem  gebrauch  des  badts.  muß  mau 
erstlich  ansehen  den  orth  do  man  trinckht,  welcher  nicht  zu  kaldl  noch  zu  warm 
muß  sein,  dann  inillolmessig  warme  stuben  sein,  vnnd  deswegen  solche  Stubenn 
Ijcsthenn,  do  der  lutTt  nicht  wol  khann  zu  khommen.  jnnsonderhailh  wen  es 
feuchtt  ist. 

Zum  anndern  muß  der  leib  woll  rain  vnnd  gepurgirlt  sein,  wie  ich  be- 
sonnders  mitt  euch  geredt  hab.  Item  ihr  müst  auch  von  wegen  des  reissenus 
nicht  Matth  sein,  So  müst  ihr  alle  sorge  bekhümernus  vnnd  anfechtung  des 
geniüdt  auch  auß  dem  hertzen  schlagen,  vnnd  also  jm  Namen  Gottes  die  sachenn 
mil  frülichem  geinüdl  angreiffenn  oder  anfhahen,  das  ist  von  beraitung. 


4)  Kurzf^cfafstc,  alMn-  vülisUindif^o  Chrniiilc  drr  uolllicrüliiiitrn  lüir-  umi  Biulosladl 
Karlsbad  S.  4. 

5}  Die  gesperrt  j^edruckten  hilialtsangalieii  der  einzelnen  Absätze  sind  in  der  Iland- 
selirift  auTsiMi  ani  lUuide  verzeichnet;  wenn  sie  sicli  im  Texte  alter  wiedei'lioien .  so  haben 
wir  die  lUuulnolen  weggelassen, 


—     [2     — 

Jcl/,  \vi(>  ihr  euch  iiiiist  hallen,  diewcil  Jhr  drinckht  jmi  diesem  Püiiüen 
jiiasl  ilir  achtung-  haben  auf  sechs  stuckhenn,  zum  ersten  wie  man  das  wasser 
Irinckhen  muji,  zum  andern  wicuiel  jhr  Trinckhen  müst,  zum  dritten  die  gestaldt 
des  wasers,  zum  vierdien  wie  lanng-  man  trineklicn  muß,  zum  fünften  wie  man 
sich  mitt  essen  vnd  (h-inckhcn  haltenn  muß,  die  weil  man  drinckhett,  zum  sech- 
sten, wen  sieh  ettwas  büß  zutregi,  wie  (Bl.  3a)  man  den  zufhelen  muß  ftir- 
kliommen,  vnnJ  helffenn.  Jetz  will  ich  verzaichnen  wie  ihr  euch  jiui  ainem 
Jegiichen  mCist  haltenn. 

Zum  Ersten  müst  ihr  zue  morg-ens  früe  aufsthen  vnnd  den  leib  zur 
Hainig'ung  durch  die  Stüel,  brunnen '^)  vnnd  auszureispeln '')  bewegeun,  darnach 
g-hen  ein  wenig-  hin  vnnd  wider  inu  der  Stubenn  spacirenn,  biß  der  leib  ein 
wenig-  ist  erwermt,  nach  Verrichtung-  des  müst  ihr  allg-emach  anfahen  zue 
trinckhenn,  aber  nicht  viel  auff  ein  mall,  als  nemblich  das  ihr  thailett  jnn  4.  ö. 
().  oder  7.  becherlein  was  ihr  aufT  einen  morgen  sollett  trinckhen,  vnnd  ein 
becher  besunder  allain  für  sich  ein  drinckhenn,  nach  dem  trinckhenn  des  eins 
becherlins  müst  ihr  ein  wenig-  hin  vnnd  wider  vber  die  stubenn  g-henn  spa- 
cirenn, nach  dem  spaciren  müst  ihr  wider  ein  becher  voll  drinckhenn,  vnnd 
wider  darauff  spacirenn,  so  nach  allen  bechernn,  biß  die  vorg-eschribene  maß 
Wassers  außg-etrunckhenn  ist,  als  dann  wan  ihr  nicht  matth  werdett,  müst  ihr 
noch  spaciren  g-hen,  biß  ann  essenns  zeith,  damith  das  wasser  avoU  vonn  euch 
khomme. 

(ßl.  3b.)  Essens  tzeidt  werdt  ihr  erkhennen  auß  dreierlay  zaichenn, 
wann  das  wasser  in  g-leicher  Quantitet  oder  gleich  souiel  als  ihr  g-etrunckhenn 
habtt,  von  euch  ist  durch  die  Stüle  oder  brunnen  khommen,  oder  ein  wenig- 
wenig-er,  zum  anndern  wiewoll  nicht  souiel  ist  vonn  euch  khommen,  dennoch 
wenn  man  sihett  das  die  brunnen  nicht  mehr  weiß  sindt,  sonder  g-elblicht  ist 
gewordenn,  zum  dritten  wen  das  waser  durch  die  stüel  außg-ehtt  vnnd  die  stüel 
verstopfft  werdenn,  Letzlich  wiewoll  das  wasser  durch  die  Stüel,  noch  durch  denn 
Harm  sein  Ausgang-  hatte,  jnn  4  stunden  raügt  ihr  dennoch  essenn,  dan  das 
vberige  wasser  gehett  nach  mittag-,  oder  zue  nacht  hinweg-,  jnn  suma  man  muß 
4  stunde  zum  wenigsten  warttenn  mitt  dem  essenn,  deswegenn  müst  ihr  ettwas 
früer  aufsthenn,  vnd  euch  desto  eher  niderlegenn. 

Zum  Anndern,  wieuiel  jhr  trinckhen  müst  jnn  diesem  fhall  muß 
man  sich  nach  die  Natura  richten,  wann  ettliche  khönnen  viele  vertragenn,  ett- 
liche  auch  wennig,  derhalben  müst  ihr  mitt  wenig  anfaheun,  vnnd  alle  tag  niit 
ainem  becher  oder  zwen  vffsteigen,  also  würdt  die  Natura  das  gewohnnen, 
nemblich  denn  ersteun  tag  mist  ihr  ettwas  vber  ein  seidel  trinckhenn,  vnnd 
wan  ihrs  (Bl.  4a)  ohne  beschwernus  trinckhett  am  anndern  tag  annderthalb 
seidel,  auch  ettwas  darüber,  am  drittenn  tag  aine  maß,  am  vierdten  tag  andert- 
halb maß,  am  fünfften  tag  zwo  maß,  am  sechsten  tag  anndertthalb  maß,  am 
sibenden  tag  ain  mas,  vnnd  lassenn  es  darmith  beruhenn,  wann  ihr  das  wasser 
ohne  beschwernuß  khünnet  trinckhen,  mügt  ihr  am  anndernn  tag  eine  maaß 
trinckhen  vnnd  beim  seidel  auffsteigen,  biß  das  ihr  auff  2  maß  kommett,  vnnd 
trinckhen  am  vierdten  tag  2  maß  so  auch  am  sechsten  tag. 


6)  Urin,  Harn,  7)  räuspern. 


—     13     — 

Ziiiu  drilleu  voiiu  des  wassers  g-eslaldt,  ji-  [uüst  das  wasser  nicht 
kaldt  sonnder  warm  drinekheii  daiuilh  der  magen  vnnd  die  niren  das  wasser 
besser  anneiuen.  Sich  (sehe)  ich  für  guth  an,  das  ihr  vonii  annfang-  ein  wenig" 
Zuckhers  jnii  ain  tägiichenn  becher  thutt,  wenn  das  wasser  woll  abg-ienug", 
müg't  ihr  es  trinckhenn  ohnne  Zuckher. 

Zum  vierdten,  muß  mann  wissen n  wie  laniig  mau  muß  vom 
wasser  trinckhenn,  nemblich  man  muß  ansehen  wie  helftig-  die  kranckhaith 
ist,  vnnd  wie  lanng-  sie  gewhertt  hatt;  vor  euch  werdenu  genung-  sein  12  tag-e. 

(Bl.  4b.)  Z  um  Fünfften  wie  man  sich  raitt  essen  \nd  drinckheun 
hal  tenn  muß,  souiel  das  essen  belannget  mU'st  ihr  achtung-  haben  aufif  4  stuckh 
nemblich  auff  die  g-estaldt  der  speise,  zum  anndern,  wieuiel  ihr  esseun  müst, 
zum  dritten  auff  welche  zeith,  zum  virtten  was  für  ein  Ordnung-  ihr  haltenn  müest. 

Die  Qualitct  oder  des  Essenns  g-estaldt  mus  sein,  Speise  vonu  g-utter  sub- 
stanntz,  ringdewlich  *)  nicht  zehe  oder  hertt,  als  jung-  hüner  flaisch,  kalbflaisch, 
vög'el,  vnnd  derg-leichenn,  kaine  fisch  ist  sonderlich  vngesundt,  aber  junge 
hechtleiu,  pirsing-  ^)  fohreu  ^'')  g-rundel  möcht  jhr  biß  weiln  ein  wenig  essenn,  so 
auch  vonn  Ayern,  ausserhalb  ")  die  so  jm  schmallz  zueg-ericht  seindt. 

Alles  was  vonn  keß,  milch,  obs,  daich  zug-ericht  ist,  ist  büß;  des  g-utteun 
essens  miest  ihr  souiel  essen  als  die  Natura  ohne  beschwernuß  woll  khann 
dewen.^2)  vonn  ainer  maltzeith  zue  der  anndern,  damith  aber  der  mag-en  zu  mor- 
gens früe,  wen  ihr  driuckhett  oder  badett  lehr  sey,  miest  ihr  auff  die  nacht 
mitt  dem  essenn  ettwas  messig-er  halten,  denn  zu  mittag-;  es  ist  auch  g'uth,  das 
jhr  allemal  mitt  lust  auffhörett. 

(Bl.  5a.)  Euer  zeith  zue  essenn  muß  nicht  als  baldt  sein  nach  dem 
badt,  sonnder  ihr  müst  erst  ein  wenig  geruhett  habenn,  nach  dem  badt,  vnnd 
ettwas  küler  sein,  jtem  es  wer  auch  guth  jhr  liessett  nach  dem  morgen  essenn 
8  stundt  fürüber  ghenn,  ehe  das  ihr  zu  nacht  essett,  oder  zum  wenigsten  7  stunde. 

Souiel  die  Ordnung  im  essen  belanngt,  müest  jr  waiche  vnnd  riiig- 
dt'\vli(;he  speise  anufenglich  essenn,  daraulT  hartte  schwer  dewliche  *''). 

Euer  trannckh  mus  sein  ein  gutter  zeittiger  lieblicher  wein,  der  dennoch 
nicht  starck  ist,  des  weins  müst  ihr  dennoch  nicht  zuuiel  trinckhen,  wann  jmers 
der  durst  so  groß  were,  möcht  ir  ein  Neckherwein,  oder  ainen  geringen  wein 
drinckhen,  es  ist  nicht  guth  als  baldt  auff  das  badt  drinckhen,  besser  ist  es 
(daß)  man  ei-sllicli  ein  wenig  esse,  schedtlich  ist  es  auch  zwischen  dem  mal  zu- 
trinckhen,  so  auch  das  essenn  niill  dein  drinckhen  anfahen,  nach  essenns  muß 
man  ruhen,  dennoch  ohne  schlaffenn,  vor  allem  miest  ihr  allain  alle  Iraurig- 
khaith  bekhümernuß  auß  dem  hertzen  schlagenn,  meiden  alles  was  zu  zorn, 
erwockbcn  khann.  frölich  miest  ir  sein,  vnnd  nach  essens  ein  khurtzweil  mitt 
spieln  oder  inilt  gulhe  finlidie  liebliche  gesprech  haben,  oder  milt  iMIwaz 
änderst  dartzu  ihr  dann  hisl   habll.  dennoch  ohne  drinckhenn. 


S)  leicht  vordiuilicli .  vom  inlid.  ii.  iiiillclil.  riiij^'c  ^^  loiclil .  iinsiliw  er  :  Wcit^ainl.  d. 
WB.  ±  Aull.  J,  S.  ;j(Ji. 

DJ  Bcrschiing,  Birscliliiij^^,  Bii-sclillin^',  auch  Bars  udor  Uörti,  Slichliug;  Schaiellor- 
Fioiiiiiiaiin  B.WB.  f,  :28Ü. 

10)  Fondicii.  -Jj)  auspfononiraen. 

i±)  verdauen.  l.S)  schwer  verdanliclie. 


—     14     — 

(ßl.  ."ib.)  IIl'111  ir  iiiüiii  auch  woll  nach  essens,  wan  es  g'iilli  lustig- weiter 
ist,  ein  wenig:  spaciren  reitteu  oder  Iharen,  oder  ghenn  vnnd  ein  zimbliche 
guthe  vbung  thun. 

Itein  gutb  ist  es  das  ihr  eure  nattürliche  Stüie  alle  tag  hettett,  so  nicht, 
niUest  ihr  sie  machen  mitt  den  verordnetten  Pillen. 

Jetzundt  will  ich  khürtzlich  anzaigenn,  wie  man  die  bösen  zuihellenn  ^*)  so 
euch  jm  trinckhen  oder  badcnn  möchten  begegnen,  muß  widersthen  vnd  für- 
khomen,  nemblich  schwachaith  des  magenns,  brechenn  oder  vndewen,  zum 
dritten  das  das  wasser  jm  leib  blQibe,  vnnd  khaincn  ausgang  gewinen  khann, 
zum  vierdten  grosse  schlaff  jnsonderhaith  nach  dem  morgen  essen,  zum  fünflften 
die  kremptr  jnu  den  schenckheln,  zum  sechsten  grosse  mattigkhaith  jm 
gauntzen  leib. 

Fiir  schwachaith  des  magens,  ist  guth,  das  man  den  raagen  aus- 
wendig fein  warm  halte,  so  auch  denn  ganntzen  leib  vnnd  die  füsse,  jr  müest 
euch  auch  hüttenn  für  kaltem  essenn,  vnnd  Trinckhenn,  im  fhall  aber  das  ihr 
neben  der  schwachaith  empfündett  grossen  turst,  müst  jr  killende  ding  .  ge- 
brauchen, nemlich  S:  Johans  berleln  safft,  weichsei  safft,  roseu  zuckher^")  vnd  fBl. 
Ga)  dergleichen,  im  fhall  aber  ir  neben  der  schwacheith  des  magenns  khainen 
turst  emplindet,  vnnd  auch  khaine  hitz,  müst  ihr  ein  magen  lattwerglin  ge- 
brauchenn,  vnnd  ein  wenig  gewürtz  vnnder  euer  essenn  thun,  als  zimetrinden, 
muscatnus,  muscat  blüe,  negelein,  galgant  ^^),  Calmes,  Enis,  Fennchel  vnnd  der- 
gleichen. 

Wen  ihr  das  wasser  nicht  könnett  behalten,  miest  irs  die  erste 
mall  nicht  achten,  wen  der  magen  würdt  offt  dardurch  gerainigt,  aber  Aven  es 
das  annder  vnnd  dritte  maal  geschieht,  muß  man  Radt  pflegenn,  zum  ersten 
miest  ihr  stuel  zepftlin  gebrauchcnn,  damith  das  wasser  nider  werde  getzogen, 
zum  andern  wen  es  nicht  helffen  will,  ist  es  guth,  das  man  ein  grossennlaßkopff^^) 
auf!'  den  magen  setz,  ohnne  schrepffeun,  oder  an  statt  ein  Pflaster  auö"  den  magen 
legen,  wie  volgt,  nemett  ein  Sauerteig  nemblich  3  loth,  thutt  dartzu  j  loth 
deimenten^^)  gedörth,  vnnd  klain  zerstossenn  negelleiu^^)  2  quintlein,  vermischett 
es  vnnder  einander  mitt  AVermutt  ÖU  vnnd  schlagett  es  Pflaster  weiß  vber  vnnd 
machts  woll  warm,  jtem  jn  diesem  fhall  mag  man  auch  woll  die  obgemelten 
würtz^")  gebrauchen,  vnntter  dem  essen,  wen  diß  nicht  helffenn  will,  miest  ihr 
mitt  dem  drinckhen  ablassenn,  für  das  vbrige  schlaffen,  ist  guth,  das  man  das 
haubt  warm  halte,  jtem  das  man  wcinrautten  jnn  der  hanndt  halton  vnd  ruhen 
darvon  (darvor?). 


14)  Zufälle. 

15)  Eingemachte  Rosen.  Matthiolus,  ncw  Kreutorbuch  (Prag  1563),  S.  6J  C:  »Dieser 
Rosenzucker  ist  ein  köstliche  külung  in  den  hitzigen  fejjern ,  er  sterckt  das  hertz,  haupt, 
\nid  alle  jnnerlicho  gliedor«. 

IGj  Eine  ostiudisclie  Wurzel,  IVülier  als  Gewürz  und  als  Arzueiuiittel  verwendet. 
Grimm,  d.  WR.  lY,  1,  S.  1164. 

17)  Schröpf  köpf. 

18)  Gartcnniünzo,  dessen  Kraut  nach  Matthiolus  S.  290a  »dem  Magen  gut  und  bequem, 
die  natürliche  Wcrli  Ijcweget  und  alle  Gliedor  stärket«. 

19j  Gewürznelken.  jJOj  Gewürze. 


—     15    — 

(Bl.  6b.)  Item  es  ist  auch  g-uth  das  man  die  achseln  vniid  armen  mitt 
warmen  tüchernn  reiben  lasse  biß  das  sie  woU  warm  werdenn. 

Zum  krampff  ist  g'utb  (daß)  man  die  schenckhel  schmire  mit  Gamillen 
Uli,  oder  mitt  weiurautten  oll,  oder  lorber  öll,  oder  das  ihr  sie  waschelt  mitt 
eim  wein,  jn  welchem  weinrautten  Gamillen  blüe  gesotten  seindt. 

Für  die  mattiglibait  deren  gliedern  ist  guth,  das  man  mitt  dem  trinclihen 
aussetze,  vnnd  das  man  es  darnach  noch  eins  versuche,  wan  je  die  mattig- 
khaith  nicht  autfhörenn  will,  muß  man  gantz  vnnd  gar  das  trinckhen  vnnder- 
weü'cn  lassenu. 

Das  ist  genuug  von  dem  gebrauch  des  wildbads  im  trinckhenn ,  jetz 
(folgt)  wie  ihr  euch  halten  soldt  nach  dem  trinckhenn. 

Damith  die  Gura  ein  bestanndt  habe,  ist  von  nötteu  das  ihr  euch  mit  der- 
selbigenn  gestählt,  mitt  essen  vnnd  trinckhenn  haltett,  wie  an  der  tzeidt,  do  ihr 
das  Wasser  habtt  getrunckhenn,  ein  monath  schir  lanng. 

Nach  dem  (vom)  trinckhen  genungsam  geschrieben  ist,  will  ich  khürtzlich 
antzaigenn,  alles  was  zum  baden n  gehörig  ist,  zu  diesem  gehören  schir  alle 
diese  stückhenn,  so  im  trinckhen  vermeldett,  derhalbenn  will  ich  die  nottürff- 
tigisten  stückh  antzaigenn. 

(Bl.  7a,)  AVann  ir  mitt  dem  trinckhen  schir  ferdig  seidt,  miest  ir  ainen 
tag  ruhenn,  vor  das  ir  anfahet  zue  badeno,  vnnd  darnach  aine  stundt  nach  dem 
gar  auß-^)  zu  morgens  früe,  jnns  badt  ghen,  aber  ich  sehe  für  guth  an,  das  ir 
zuuor  eure  Pillulen  gebraucht,  damith  so  ettwas  wassers  wher  bey  euch  ge- 
bliebenn,  das  selbige  von  euch  kheme,  diß  khann  geschehenn  denn  letzten  tag 
eures  trinckhenu,  wen  ihr  euch  niderlegt  zue  schlaffenn. 

Der  Orth  do  ihr  euch  badett  muß  woU  vor  regen  vnnd  wiudt  be- 
whardt  sein,  wan  man  badett  muß  man  achtung  geben,  auff  fünff"  stuckh,  nemb- 
lich  autr  die  gebrauch,  zum  andern  autf  die  gestählt,  zum  dritten  auff'  die  zeith, 
zum  vierdten  wie  lanng  man  baden  muß,  zum  lüntrten  auif  die  zufhele. 

Erstlich  miest  ihr  zu  morgens  früe  aufsthen  vnnd  den  leib  mitt  denn 
stülen  vnnd  härmen  zuereinigen  bewegenn,  vnnd  vor  ehe  das  ir  euch  Jnns 
badt  setzett  ein  wenig  hin  vnnd  wider  ghenn,  vber  die  Stubenn  Spacirenn, 
nach  dem  Spaciren  miest  ihr  das  haubt  woll  verwharen  mitt  ainer  schlatThaulien. 
vnnd  jnns  badt  ghenn.  ir  müest  nicht  ghelich  noch  [diilzlich  darein  fallenn, 
sunder  algemach  (Hl.  7b)  Erstlich  biß  vber  die  knie  darnach  ettwas  tiefer 
biß  ir  schir  biß  ann  hnis  darein  kombtl,  damith  aber  (his  wasser  weniger  dempif 
gebe,  muß  man  das  nieht  viel  rüren  oder  bewegenu,  sonder  slili  lassenu. 

Im  badt  ist  gar  vnngesundL  zue  essen  oder  zue  TrinckhiMin.  so 
auch  wan  man  zu  früe  (h'inckhet  vnnd  aulT  die  nadil  badelt  jnn  Suma  Jim 
ainem  tag  mueß  man  nur  ains  verrichten,  drinckhen  oder  badcnn. 

Deß  Wassers  gestählt  muß  nicht  zu  haiß  sein,  sonnder  anfenglich  muß 
es  woll  leidtlich  sein,  vnd  alle  tag  ettwas  wenni  r  hiß  so  warm  als  Jrs  gednl- 
den  khündL  vnnd  bey  diMU  also  bleibenn  Iass(Mui,  es  muß  nichl  so  warm  si'in. 
das  ainer  mallh  daiiiun  werde,  oder  sehr  dauon  scliwilze. 

Die  zeith  des  badenns  ist  zue  nu)rgens  fiüf,  wie  vom  liintlvhcn  ge- 
meldt ist,    es  ist  guth  das  ihr  nüchtern  jnns  badi   gehett,    vnnd  wen  ir  eui-h 


21)  Das  Gcliiiili'  um  (Irii  Aiifgan^i'  (aiicli  Xii'(li'rj:;aii;i)  der  Simiuv 


-    16     - 

fiii"  iiiiitliii-kiiailli  besorglt,  niiisl  ihr  ersL  elu'  ilir  jnns  l){idt  gehett,  ein  löffel 
voll  oder  zwcn  weinberlein  esseiiii.  oder  ein  schniitlein  brodts  g-ebehell  in  ein 
wein,  oder  ein  stlicivhlein  raarceban .  oder  ein  wenig  von  aim  rosen  znckher, 
vnd  dergleichen.  Item  ir  inügl  auch  woll  ein  frisch  ay  bey  eini  feuer  ge- 
bratten  cssenn. 

(Bl.  8a.)  Es  ist  nichl  guLli  ihis  ihr  alle  lag  gleich  laung  badett,  sonnder 
aulenngllch  ein  wenig,  vnd  alle  tag  ein  ganntze  oder  halbe  stundt  zunenien, 
darnach  irs  geduldcnn  khündt,  wann  ihr  je  auch  wollett  nach  essenns  baden, 
müst  ihr  zu  niiltag  wenig  essenn  vnnd  setzen  euch  3  stundt  nach  dem  morgen 
essen  ins  badl.  W(Min  ihi-  also  15  oder  lO  läge  badett  würde  es  meines  erach- 
tenns  genug  sein,  dennoch  möcht  ihr  des  badts  Natura  nach  ghenn. 

Wenn  ir  auß  dem  badt  gehett,  müst  ihr  euch  woll  vor  der  kelte  vnnd 
lütfLe  hültenu,  vnnd  in  ainer  warmen  stuben  woll  abdrückhnen  lassenn  \'^id 
darnach  in  ain  beth  legenn. 

"Wann  ir  schwitzen  könnet,  ohne  grosse  mühe,  mügtt  ir  woll  ein  wenig 
schwitzenn,  irnfhall  ihr  aber  nicht  schwitzet,  müst  ihr  dennoch  einwenig  im 
bethe  ruhen,  ehe  das  ir  essett.  Fürnemblich  müest  ir  achtung  habenn  auff 
das  haubtt,  das  es  im  ausgang  des  badts  woll  getrückhnnett  werde,  mitt  dem 
essen  vnnd  trinckhen  müest  ihr  euch  haltenn  wie  oben  ,jm  trinckhen  ver- 
meldet ist. 

(Bl.  8b.)  Souiel  die  böse  zuefhellenn  belanugt,  sein  deren  ann  der 
zall  achte,  zum  erstenn,  grosse  hit;5  vnd  endtzündung  des  gauntzen  leibs,  zum 
andern  grossenn  durst,  zum  dritten  groß  schwitzen,  zum  vierdtenn  verlierung 
des  appetits,  zum  f'ünfften  abkrefftenn,  zum  sechsten  whetag  vnnd  schwerig- 
khaith  des  haubts,  zum  siebenden  wachenu,  zum  achten  schneiden  der  brunen. 

Wann  euch  grosse  hitz  wie  ein  iieber  anstossenn,  miest  ir  mitt  dem 
badenn  auffhören  vnnd  nachlassenn  biß  die  hitz  verganngen  ist,  vnd  juu  der 
zeith  külennde  ding  prauchenn,  als  S:  Johannesberlein  Safft,  weichsei  safft, 
gersten  müslein,  haberniQslein ,  Erbesbrüe,  flaisch  brüe,  jnn  welcher  sawer- 
amplTer,  wegwart,  vnnd  der  gleichenn  gesotten  ist;  die  lebernn  muß  man 
schmiren  mitt  dem  leber  selblein. 

Vor  grossenn  turst  müest  ihr  die  obgemeldt  stückhenn  zu  der  hitze 
verordnett  gebrauchen,  so  auch  zwetschken,  die  sonnst  bey  euch  im  gebrauch 
seindt,  als  dann  müest  ihr  auch  ein  geringen  wein  trinckhenn,  als  Rosen 
Zuckher,  ist  auch  in  diesem  l'hall  sehr  guth,  das  raans  jm  mundt  halte,  so 
auch  kandel  Zuckher. 

(B[.  9a.J  Das  schwitzenn  ist  nicht  vndinsllich,  es  sey  dan  das  ihr 
sehr  schwach  dauon  werdett,  wenn  das  geschech  miest  ihr  khüler  einsitzen 
vnnd  weniger  zeith  badenn. 

Zum  appetitt  vnnd  lust  zum  essenn  sindt  guth  külennde  vnnd  saure 
ding,  die  zusamen  zehen,  jtem  dieselbigenn  dienen  auch  zu  abkrelTten  ^-). 

Zu  Verstopfung  des  leibs  sindt  guth  eure  Pillulea,  Zwetzschken, 
weinberlin  vnnd  guthe  Haisch  briellein. 

Der  Whe  tag  des  haubts  kombtt  gemainglich  von  die  dempffe  so  aulT- 
steigenn,   im   haubtt,  deßwegen  deshalbeun  müst   ir   allemall   nach  dem  essen 


22)  Wol  entkräfton  ;  das  Gofiihl  clor  Schwücho.  reizt  zum  Essen,  macht  Appetit. 


—    17    — 

ettwas  essenn,  das  die  dempffe  nider  khann  druckhenn,  oder  ihr  aufsteigeu 
khann  verhinderu,  nemblich  ettwas  von  aim  Rosen  Zuekher,  oder  von  ein- 
g-emachte  kütteun,  oder  Quittenn  lattwergen  oder  vberzogenn  Coriannder. 

Das  waehenn  verhiudertt  mau  wie  obengemeldt,  so  auch  das  brennen 
des  harms. 

Souiel  essenn  vnnd  trinckhen  belanng-tt  müst  ihr  euch  haltenn,   wie  ver- 

tzaichnett  ist  jm  trinckhenn,  ir  müest  euch  auch  endthalten  vor  kelte ,   so  auch 

vor  grosser  hitz. 

Souiel  vom  baden. 

Jetzunder  wie  manu  das  wasser  auff  das  haupt  g-iessen  muß 
zur  trückhung-  vnd  sterckhung:  des  haupts,  man  mus  ein  hiltzes  schefflin  zwo 
spannen  hoch  vom  haupt  hennckhenn  vnd  wau  das  ihr  im  badt  seidl,  das 
wasser  darin  ir  badett  in  das  selbig-e  schefflein  giessenn,  vnd  durch  ein  henlin, 
so  weith  das  aines  klains  lingerHn  halb  groß  darein  ghenn  mag,  dasselbig 
wasser  aulT  das  haubt  also  warm  fallenn  lassenn  das  muß  geschehenn  ein 
wenig  vor  ehe  das  ihr  auß  dem  badt  woldt  ghenn,  Erstlich  müst  ihr  das  wasser 
fallenn  lassen  vornen  auf  das  hauptt,  ein  hanndt  braith  von  der  stirnn. 
letztlich  binden  ein  banndtbraith  vom  knieckh,  das  müst  ihr  treibenn  so  lanng 
ir  badett;  ehe  ir  auß  dem  badt  ghett,  müst  ir  das  hauptt  mitt  warmen  tüchern 
woll  reiben  vnnd  truckheun  lassenn,  vnnd  ettwas  vmb  das  haubtt  wickhelnn, 
damith  es  woll  warm  Bleib. 

Thue  euch  damith  jnn  schütz  des  Allmechtigen,  der  euch  durch  seinen 
segen  vnd  genaden  glückhseligkhlich  vnnd  gesundt  woll  wider  haim  fhüren. 

E:  A:  dinstwilliger 

Yolcherus  Coeiter 
Baide  leib  vnnd  wundt  Artzeney  üoctor  zu  Nürnnberg. 

(Bl.  10a)  Yerzaichnus  deren  Stüc-khen  so  ir  im  Carls  badt 
mitt  euch  miest  nemen. 

Zum  ersten  vonn  allerlay  Confecten  wie  vbertzogen  Enis,  fennchel, 
Coriander,  vbertzogen  zimetrinden,  neglin,  Paradys  körnlin -•'')  viiml  dergleichen. 
Zum  annderii  allerlay  labung  vnd  eingemacht  ding,  als  eingemachte  weichsein, 
eingemachte  S  :  Johanns  berlin,  eingemachte  muscateller  birlin,  eingemachte 
Pomerantzcn  schelifenn,  vnnd  der  gleichenn,  jtem  Quitten  eingemacht,  Quitten 
Safft,  Quitten  lattwerglin,  weinberlein,  gutte  Zwetschckhen.  Item  Trisonett-*) 
vnnd  dergleichen,  so  ir  zu  sterckhung  im  gebrauch  habtt,  jtem  ihr  mügt  auch 
woll  ettwas  von  ein  marceban  iiiill  nemen  vnnd  manndeln. 

Vom  gebrauch  deren  Stuckhen  so  ich  iu  die  Appodeckhen 
verordnet  habe^"'). 

Zum  erstenii  bnb  ich  ein  lattwergle  vor  denn  durst  mit  A:  vertzaichneit, 
verordnctt,  von  welciienn  ir  biß  weilnn,  wen  euch  dürslell  müst  ein  wenig 
essenn,  als  nemblitdi  eine  haljje  l("»frel  voll,  oder  ein  ganntze  lölTel  voll.  (Bl.  lüb) 


23)  Viclleichl  die  riiriskörncr  =  Cardamoraum.  die  iiacli  Matlliioliis  S.  220  C    für  die 
mit    ilerzziUcni,  Scliwiiidi'l,  Ohiiniaclil  BcliaftottMi  gut  sind,  aiicli  den  Mutzen  slärken  u.  s.  w. 

24)  Mit  Zncker    jyeniisclites  Gewür/.pulvcr,    Lexcr,    mhd.  Wörterlnicli    II,    lolG.     Naclr 
SclinioUer-Frommanus  bayer.  Wörlerliucii  I.  67o  ein  in  Wein  Kolriinkles  (udiück. 

23)  Der  vorsichtige  ärztliche  Ualgeber  liielt  es  also  für    iKilwcndij;,',   seinem    l'alienten 
sogar  eine  Hausapotheke  mit  ins  Ead  zu  gehen. 

Mitteilungen  aus  dem  gernian.  Natioiuilmuseuni.     ISDl.  III. 


18    — 


Zum  anndorn  ein  Purg-ier  laüworg-lin,  raitt  B:  vertzülchnett,  vonn  welchem  ir 
bey  /wuylolh  inCiest  einenicn,  uin  tag-  vor  ihr  anfahett,  oder  also  einessenn  oder 
in  ainer' orbi|5  brüe '")  eindrinckhen.  Ilcni  ir  müest  merckhenn,  das  ihr  diß 
worglin  ann  Statt  deren  jm  regimendl:  gemeltcn  pilen  mügt  gebrauchenn. 

Item  wenn  ihi-  liardt   vcrstoptl't  seidt  (wie   es   sich   ofllernials  jnnsonder- 
hailh  vonn  weg-en  des  badenns  zutregtt)  mügt  ihr  dasselbige  Lattwerglin  auch 


gebrauchen n 


7Aun  dritten  hab  ich  mag-cnscheulTclein ")  mit  G  ver/aichnet  verordnetfc, 
welchen  ir  niiest  gebrauchonn  wie  Jm  Regimendt  vertzaichnet  ist. 

Zum  vierdten  Ilaubtg-rubenn28j,  mit  D  vertzaichnett,  von  welchen  ir  müst 
allemall  nach  dem  morgenn  vnud  nacht  essen  einen  essenn  vnud  (weder)  essenn 
noch  drinckhenn  darauff. 

Zum  Fünirten  ein  leberselblin  mitt  welchen  vonn  weg'en  der  hitzen  der 
lebernn  ir  allemals,  wen  ir  auß  dem  badb  khommett  müst  die  lebern  schmirenn 
als  kaldt,  so  auch  wenn  euch  von  wegenn  des  drinckhens   eine  hitz  anstossete. 

(Bl.  IIa.)  Zum  G.  vermischette  Connfect  Zuckhern  mit  F:  verzaichnnett, 
vonn  welchenn  ihr  jnn  schwachaitten   des  magens   vnd  an   kräfTtenn  miest   ein 


wenig  essenn. 


Nürnberg.  Hans  Bosch. 


26)  Erbsenbrühe. 

27j  Mit  Zucker  bereitetes  Arzneimittel  für  den  Magen  in  Form  von  Täfetchen. 
28)-  Grieben   für   das    Haupt.     Als  Grieben    Avurden  die  Confectiones   in  forma  solida 
(:=  Ar/.neistofTc  zu  Zuckcrkügclchen  verarbeitet)  bezeichnet. 


Aus  dem  LcluMi  Liulnigs  von  Hiittcii. 

jer  hervorragende  EinHufs,  den  auf  die  (jeschicke  Ulrichs  von  Hütten  dessen 
^1  Vetter  Ludwig  von  Hütten  ausgeübt  hat,  ist  von  allen  denen,  die  das 
i^^mi  Lebensbild  unseres  grofsen  Dichters  und  Patrioten  darzustellen  unter- 
nommen haben,  gebührend  gewürdigt  worden. 

Ludwig  von  Hütten,  bischütlich  würzburgischer  Rat  und  Erbamtmanu  zu 
Trimberg  ^),  gleich  ausgezeichnet  durch  reiche  Erfahrung,  weite  Verbindungen 
und  ein  ansehnliches  Vermögen,  hat  sich,  obwol  einem  anderen  Zweige  des 
Huttenschen  Geschlechtes  angehörig 2),  Avährend  der  bewegten  Jugend-  und 
Wander  jähre  Ulrichs  als  ein  stets  hilfsbereiter  Wohlthäter  und  Gönner  des  mit 
seinem  Vater  zerfallenen,  oft  genug  von  allem  entblöfsten  Jünglings  erwiesen^), 
wofür  der  Dichter  in  seinen  Werken  wie  in  seinen  Briefen  oft  und  gern  seinem 
Danke  mit  warmen  Worten  Ausdruck  leiht.  Und  nicht  nur  mit  Worten :  Als  die 
P^rmordung  von  Ludwigs  Sohne  Hans  durch  Herzog  Ulrich  von  Württenjberg 
nicht  blos  dem  Vater  Schmerz  und  Schimpf  brachte,  sondern  das  ganze  Aveit- 
verzweigte  Geschlecht  in  hellem  Zorne  auflodern  und  sich  zur  Rache  verbinden 

1)  Unterfranken,  Bez.  Ilammctbui'g. 

2)  Eine  Übersicht  über  die  Verzweigung  des  Geschlechtes  gibt  Landau,  »Die  hessischen 
Ritterburgen  und  ihre  Besitzer«  Band  Tlf,  S.  189  ff;  vgl.  besonders  S.  292  ff.  und  die  Ge- 
schlechlstafel. 

3J  Vgl.  Straufs,  »Ulrich  von  Hütten«  Bd.  I,  S.  G  u.  34. 


—     19     — 

liefs,  da  eilte  auch  Ulrich,  die  alte  Dankesschuld  abzutragen  und  sein  Talent 
dem  g-emeinsameu  Rachewerke  zur  YerfUg-ung-  zu  stellen. 

Eines  der  frühesten  hierdurch  veranlafsten  Produkte  von  Ulrichs  Feder 
ist  vielleicht  das  wenige  Monate  nach  dem  Morde  erlassene  merkwürdig-e  Aus- 
schreiben Ludwigs  von  Hütten  an  alle  Stände  des  Reiches.  Von  diesem  besitzt 
unsere  Kupferstichsammlung'  einen  Abdruck  (H.  B.  2747),  dessen  ungemeine 
Seltenheit  eine  etwas  eingehendere  Beschreibung  wol  rechtfertigt. 

Derselbe,  ein  Einblattdruck,  steht  auf  einem  Blatte  von  ö2,5.cm.  Höhe  und 
36  cm.  Breite,  umgeben  von  einem  2  cm.  breiten  Rande.  Den  gröfsten  Teil  des 
Blattes  füllt  der  Text  des  Ausschreibens,  gegliedert  in  10  Absätze  und  83  (ca. 
0,3cm.  von  einander  abstehende)  Zeilen,  deren  erste  und  letzte  lauten:  „Allen 
vnd  yeden  Chürfursten  Fürsten  Gaistlich  vnd  wetlich  (sie!)  Prelaten  Grauen 
Freyherru  Ritterschafft  Steten  vnd  gemeinden,  Aujigeschlossen  dem  nachbenan- 

ten  thyranischen  Her(tzog) hirfurgetrücktem  Insigel  auf  Sambstag  saut 

Merlins  des  heyligen  Bischofs  abendt,  Nach  Christi  vnsers  lieben  hern  gepürdt 
Tausent  Fünffhundert  vnd  darnach  im  funftzehenden  jare."  Bis  auf  die  eben 
angeführte  Datierung  (10.  November  1515)  stimmt  der  Text,  in  welchem  Ludwig 
in  kraftvollen  Worten  über  die  dem  Ermordeten  und  seinem  ganzen  Hause 
angethaue  Schmach  bittere  Klage  führt,  im  wesentlichen  zu  der  bei  Ar  et  in*) 
wiedergegebenen,  von  Straufs^)  besprochenen  Rezension,  welche  indessen  das 
Datum  ,,auff  saut  Margarethen  tag"  1316  aufweist. 

Unmittelbar  an  den  Text,  aber  nicht  dessen  ganze  Breite  erfüllend,  schliefst 
sich  ein  1^4,5  cm.  breiter,  9,5  cm.  hoher,  kolorierter  Holzschnitt  an.  Derselbe,  in 
Stacke's  „Deutscher  Geschichte"  (Bd.  H,  S.  69)  nach  unserem  Originale  ziemlich 
getreu  abgebildet,  zeigt  in  der  rohen,  aber  charakteristischen  Darstellungsweise 
der  Flugblätter  jener  Zeit  den  Herzog,  wie  er  sein  Opfer  mit  seinem  Gürtel 
an  ein  ihm  zu.  Häupten  in  den  Boden  gestofsenes  Schwert  anknüpft,  als  Symbol 
der  entehrenden  Strafe  des  Stranges.  In  der  linken,  unteren  Ecke  des  Holz- 
schnittes  hat    der  Meister  desselben  seine  Initialen  J.  P.  angeltracht. 

Wenn  auch  die  Urheberschaft  Ulrichs  für  dieses  Ausschreiben  nicht  akten- 
mäfsig  zu  beweisen  ist,  so  bleibt  dieselbe  doch  bei  der  nahen  Verwandtschaft  des 
Schreibens  mit  den  späteren  gewaltigen  Anklagereden  des  Dichters  gegen  Herzog 
Ulrich  höchst  wahrscheinlich,  und  jedenfalls  hat  kaum  ein  anderes  Ereignis  in 
Ulrichs  Leben  einen  so  nachhaltigen  Einllufs  auf  seine  geistige  Entwickelung 
und  litterarische  Produktion  geübt,  wie  eben  dies  häusliche  Leid  seines  Vetters 
und  Wohlthüters  Ludwig. 

Bei  dieser  Bedeutung  Ludwigs  von  Hütten  darf  wol  auch  ein  anderer, 
nicht  unwichtiger,  wenn  auch  mit  den  Geschicken  dos  Dichters  nicht  in  direkter 
Berührung  stehender  Beitrag  zu  seiner  Lebcusgeschichte  eines  gewissen  In- 
teresses sicher  sein. 

Unser  Archiv  besitzt  eine  Urkundt;  vom  Montage  nach  St.  Ulrichstag 
(7.  Juli)  1477,  durch  welche  Konrad  von  Hütten  der  Allere  und  Konrad  und  Lud- 
wig seine  SiUine,  die  Ausstattung  der  Margarete  von  Hütten,  geborene  Spetin, 
Ludwiürs  (icinahün,  sicher  sielien.  Diese  Ausstattung-  besteht  einmal  in  der  1000 
(iuldcn  rhein.  betragenden  lleimsteuer  (Mitgift)  Margaretens.  welclie  deren  Brüder 
Kaspar,  Ludwig  und  Eberhard  ihrem  Schwager  Ludwig  anvertrauen,  damit  er  sie 

4)  »Boiträge  -/..  Goseli.  ii.  ■f.illriatiir«  Bd.  IV,  S.  399—409.        5)  a.  a.  0.  Bd.  I,  S.  121. 


—     20     — 

für  seine  Gull  in  in  ReiiLen  anlege  ß).  Aufserdeni  erhält  Margarete  von  Ludwig 
selbst  eine  Widerlegung,  d.  h.  eine  der  Mitgift  entsprechende,  meist  ihr  au  Höhe 
gleichkoniniende  Ausstattung  der  Frau  durch  den  Mann'),  im  Betrage  von 
lUUU  (Julden  sowie  3UÜ  Gulden  als  Morgengabe,  welche  ebenfalls  in  Renten  an- 
zulegen sind.  Im  Ganzen  verschreiben  also  Ludwig,  sein  Vater  und  sein  Bruder 
Margarete  für  2300  Gulden  Renten,  im  Gesamtwerte  von  io4  Gulden,  was  dem 
Weiler  unten  Margarete  zugesicherten  Zinserträge  1  von  15  oder  6^/30/0  ent- 
spricht. Die  nach  dem  damaligen  Geldwerte  nicht  unbeträchtliche  Höhe  dieser 
Summen  zeigt,  dafs  beide  Beteiligte  begüterten  und  angesehenen  Familien  an- 
gehören. Das  Geschlecht  der  Spet,  welchem  die  Frau  Ludwigs  entstammte,  ist 
eins  der  ältesten  Rittergeschlechter  Oberschwabens  und  bekleidete  das  Erbtruch- 
sessenamt  im  Herzogtume  Württemberg.  GemäCs  dieser  seiner  Verschwägerung 
mit  Ludwig  von  Hütten  nahm  das  Geschlecht  später  an  der  Vertreibung  Herzog- 
Ulrichs  von  AVürttemberg  hervorragenden  Anteil. 

Nicht  nur  als  Beitrag  zur  Lebensgeschichte  des  Wohlthäters  und  Förderers 
eines  der  hervorragendsten  Geister  unseres  Volkes,  sondern  auch  als  Probe  der 
bei  dem  Abschlüsse  derartiger  Rechtsgeschäfte  üblichen  Formen  möge  unsere 
Urkunde  ihrem  vollen  Wortlaute  nach  hier  ihre  Stelle  tinden: 

Ich  Connradt  vom  Hütten  Ritter  ich  Conradt  vud  ich  Ludewig  vom  Hütten 
gebruder  sein  eliche  sone  bekennen  offmlichen  für  vns  vnd  für  alle  vnser  erben  j 
vnd  thun  kunth  allermeniglich.  Als  ich  itzuudt  genandter  Ludwigk  vom  Hütten 
mich  nach  rat  der  vor  genanten  meyns  lieben  hern  vaters  vnd  bruder  auch  [ 
ander  meyner  fründe  verheyrath  vnd  vermahelt  han  mit  der  edeln  vnd  ersamen 
Margrethen  vom  Hütten  geborn  ein  Spetin  der  edeln  vnd  vesten  |  Caspers 
Ludewigs  vnd  Eberhartten  der  Speien  gebruder  eliche  swester  di  mir  nu  zu 
der  seibin  ir  swester  zu  heyradt  gut  tausendt  Reinisch  gülden  geben  |  haben 
dawider  vnd  da  gegen  ich  ir  zu  widerlegunge  auch  zu  gefugt  vnd  gegeben 
han  tawsendt  Reinisch  gülden  vnd  dreyhundert  Reinisch  gülden  zu  morgen  | 
gäbe  das  alles  zu  gelt  widerlegunge  vnd  morgengabe  sich  an  einer  somme 
gepurt  zweytausendt  vnd  dreyhundert  Reinisch  gülden  derselbin  somme  ich  , 
sie  uff  di  nachgemelten  stücke  vud  gute  dl  dann  von  dem  stifft  zu  Wirtzpurgk 
heyr  rurende  vnd  kauffguter  sindt  auch  mit  vorwilligunge  der  |  seibin  kauffhern 
laudt  eins  britfs  in  dar  über  gegeben  mit  namen  uff  einem  haws  zu  Kissige^) 
des  Aufeß  vnd  zu  Ewerdorff^)  hundert  vnd  ein  ]  gülden  vnd  uff  Ramstal  1°)  ein 
vnd  dreissig  gülden  vnd  uff  AAvera^^)  newnhalbin  gülden  vnd  uff  Engeltal  acht 

6)  Eine  andere  Form  der  Mitgiftserteilung,  nach  dtu-  die  Summe  derselben  nicht  dem 
jungen  Ehemanne  ausgezahlt  wird,  sondern  Zinsbriefe  nnd  Anweisungen  in  entsprechender 
Höhe  der  gröfseren  Sicherheit  lialber  bei  einem  gemeinsamen  Yertrauensmanue  deponiert 
werden,  begegnet  uns  z.  B.  in  einem  unserem  Archive  angehörigen  Ehekontrakte  Philipps 
von  Redern  mit  Anna  Krieg  von  Altheim,  datiert:  Mosbach,  4.  September  1430,  wo  der  Vater 
der  Braut,  Rudolf  Krieg,  eine  Anweisung  über  1000  Gulden  auf  Konrad  Schenk  zu  Erpach 
bei  dem  Abte  Kuuo  von  Seligenstadt  hinterlegt. 

7)  Vgl.  Schröder,  »Geschichte  des  ehelichen  Güterrechts  in  Deutschland«  Bd.  II, 
S.  81,  wo  die  ältere  Bedeutung  der  Widerlegung:  eine  Sicherheitsstellung  für  spätere  Rück- 
zahlung der  Heimsteuer,  von  unserer  jüngeren:  einer  Zugabe  zur  Heimsteuer,  unter- 
schieden wird. 

8)  Jedenfalls  Kissingen  a.  d.  fränk.  Saale.  9)  Euerdorf,  Unterfranken,  a.  d.  Saale. 
10)  Ramsthal,  Uaterfranken,  Bez.  llammelbiu-g.    11)  Aura,  a.  d.  Saale,  unweit  Kissingen. 


—    21    — 

g'iilden  vnd  ein  ort^-)  viid  utT  Triinperg'^)  im  thale  fünf  g-ulden  vud  ein  ortt 
wi  dann  di  an  dem  heyradt  verweyßbriff  vnd  verschreybung-e  ir  \videi'leg'ung;e 
vnd  morg-engabe  halb  von  |  mir  versig-elt  außg-angen  auch  beg-riffen  seindt  etc. 
Also  geraden  g-eloben  vud  versprechen  wir  obg-eraelten  Conuradt  vom  Hütten 
ritter  Conrath  |  vud  Ludewig*  voui  Hütten  gebruder  sein  eliche  soue  alle  drey 
für  vns  vnd  vnser  erben  in  g-antzen  guten  waren  trewen  ob  das  geschech  vnd  | 
sich  fug:ete  das  solich  obgeschriben  kauffguter  vnd  stuck  dar  auff  ir  dann  di 
zweytause(n)t  vnd  dreyhundert  Reinisch  gülden  ir  widerlegunge  vnd  |  morgen- 
gabe  verschriben  vnd  verweyst  ^^)  ist  als  durch  di  kauff'hern  widerkaufft  vnd 
gelost  wurde  laudt  deß  haubtbriues  etc.  das  wir  dan  diselbin  |  sommen  wider 
anlegen  sollin  vnd  wollen  vnd  sie  danne  der  obgemelten  zweytausendt  gülden 
widerlegunge  vnd  dreyhundert  gülden  morgengabe  in  |  massen  wy  sie  ytzt  vnd 
nach  nottorfft  versorgt  wider  darauff  beweyßen  vnd  vergnügen  oder  aber  wo 
solich  gelt  in  der  zeyt  nicht  angelegt  würde  |  sie  sunst  in  obgemelter  zeyt  uff 
anderen  mein  Ludevvigs  genantes  besatzten  '^^)  gutem  verweysen  damit  sie  ir 
wide(r)legunge  vnd  morgengabe  habehafft  gewyß  |  vnd  sicher  sey  das  sie  nemlich 
je  von  funffzehen  gülden  ein  gülden  zins  wol  haben  möge  sie  auch  vnd  ir 
trager  ^''•)  in  tragers  weyß  dar  vrab  mit  |  briffen  gewerschafft  verschreybungen 
nach  aller  nottortrt  wi  itztgescheen  dar  vmb  versehen  versorgen  vnd  versigelt 
übergeben  on  alle  Widerrede.  |  Wo  aber  wir  oder  vnnser  erben  das  nicht  tettin 
daran  sewniig  wern  oder  ir  sunst  mit  oder  durch  recht  an  solicher  irer  ver- 
weysunge  widerlegunge  |  vnd  morgengabe  etwas  bruch  hett  oder  zu  schaden 
gepracht  wurde  wie  oder  in  welche  weyß  sich  das  also  fugete  dar  vmb  sollin 
vnd  wollen  |  wir  vnd  alle  vnser  erben  alle  drey  vnuerscheydelich  dar  auffgeweru 
sein  mit  recht  vertretten  vollenden  außrichten  nachkomen  vnd  gnüge  thuu  | 
on  alle  furwordt  Widerrede  vnd  außzuge  in  alle  weyß.  Wo  das  nicht  beschech 
so  haben  sie  ir  erben  vnd  trager  in  tragers  weyß  viid  alle  ir  |  helffer  allezeit 
dar  nach  wanne  sie  wollin  vollen  gewalt  vnd  gut  recht  on  gericht  vnd  on  clage 
oder  ob  sie  wolliu  mit  hoff-  kamern-  oder  landt  |  gerichten  oder  andern  geistlichen 
vnd  werntlichen  gerichten  vnd  mit  clage  vnser  oder  vnser  erben  gemeyniglich 
vnd  vmierscheidelich  oder  |  vnser  ein  oder  mer  insunderheyt  welche  oder  welchen 
sie  dan  vnder  vns  wollen  an  allen  vnsern  slossen  lewten  ligenden  vnd  faren- 
den  i  guten  gemeniglich  oder  sunderlichen  dar  vmb  anzugreytfcn  zu  nolen  zu 
pfenden  zu  uerbyeten  aufzuhalten  cinzunemen  innezuhaben  zu  uerkeuffen  |  oiler 
zu  uersetzen  in  steten  slossen  merckten  dorffern  uff  wasser  oder  uff  dem  lande 
wie  vnd  wo  sie  wollen  können  oder  mögen  vnd  in  aller  |  best  füget  uugefreuelter 
dinge  gegen  allen  lewten  vnd  gerichten  geistlichen  vnd  werntlichen  vnd  gegen 
aller  meniglich  jemcr  so  lange  vil  |  vnd  gnug  vntz  "')  daz  in  alles  das  deß  sie 
danne  nach  inrüialt  vnd  außweysunge  diß  brids  volzogen  volferliget  außgericht 
gnuge  gethan  |  vnd  bescheclien  snndei'  vmb  alle  geldru  coslen  vml  seheden  tlar 
auff  ergangen  gewerdL  viid  bczall  ist  ou  alle  fuiwoidl  \  iid  außzuge  genizlichen  | 
011  allen  iren  schaden.  Dauor  auch  viis  \ ml  vnnser  rrliin  nucli  illicin  \  iiscr  slos 
It'wl  liu'ctiill  n()(-li  varendl  gut  inchlznil  '')  frevcn  frieden  decken  \  schützen 
schirmen    noch    hinschiben    sol     dhein   freyheit    freyunge     fride    glail     gewalt 


12)  V*  Gultleii.  13)  angewiesen.  14)  d.  Ii.  verpaililoloii. 

15)  Anwalt,  Voilreler.  16)  liis.  17)  diirohaus  nichts. 


gesetz  gebot  noch  verbot  noch  dhoin  vereynunge  geselschafft  püntnüß  |  g-nade 
Ireyheit  noch  jirinih^g  so  wir  von  dem  heiligen  Stule  zu  Rome  von  den 
Concilien  von  Komischen  keysern  koningen  oder  andern  fursten  |  herren  oder 
statin  erworben  oder  innehetten  oder  furhin  erwerben  mochten  noch  besunder 
kein  lioC-  kamer- oder  landtgericht  noch  ilhcin  andere  geistlich  |  noch  werntliche 
gerichl  noch  sach  wi  man  di  da  wider  erdencken  oder  suchen  niocht  in  alle 
weyß  denn  wir  vns  liir  iiinc  für  vns  vnd  ]  vnnser  erben  aller  gnade  freyheit 
recht  appellirens  aller  hillT  vnd  alles  schirms  damit  wir  vns  wider  alle  vnd 
igliche  in  suntler  obgeschriben  artickel  |  stuck  vnd  sach  gesetzen  reden  fundt 
list  oder  anßzuge  suchen  mochten  mit  disem  briffe  gentzlich  verzihen  ^^)  vnd  be- 
geben haben  verziehen  vnd  |  begeben  vns  auch  de(5  alles  itzt  wissentlichen  nach 
ordenunge  der  recht  in  alle  weyse.  Vnd  deß  vnd  aller  vorgeschriben  Sachen 
bey  vnnsern  guten  |  trewen  an  eydestat  gewunlich  nach  zu  konien  vnd  zu  halten 
zu  warem  vrkunde  so  haben  wir  alle  drey  vnser  eigene  insigel  für  vns  |  vnd 
vnnser  erben  oflßnlich  an  den  briffe  lassen  hencken.  Der  geben  ist  nach  Cristi 
vnsers  lieben  herrn  gepurt  tausent  vyerhundert  vnd  |  im  sibeu  vnd  sibizigesten 
jar  uff  montagk  nach  Sandt  Virichs  tage  deß  heiligen  bischoues. 
Orig.  Perg.  Alle  Siegel  fehlen. 
Nürnberg  Dr.  Heinr.  Wendt. 

18)  verzichtet. 


Fastiiachtsbi'lustigiiug  im  Jalirc  1657. 

»g^^^nter  dem  ritterlichen  Kaiser  Maximilian  I.  nahm  das  Turuierwesen  einen 


neuen  Aufschwung,  der  aber  nicht  sehr  lange  anhielt.  Die  Freude  an 
den  ritterlichen  Spielen  liefs  verhältnismäfsig  bald  nach;  es  traten  die 
Ringelrennen,  Quintanrennen  u.s.  w.  in  den  Vordergrund,  an  welchen  sich  nun- 
mehr Fürsten  und  Adel  ebenso  ergötzten,  wie  früher  an  jenen.  Dabei  kamen  Spiele 
auf,  die  man  sogar  als  Spott  auf  das  Turnierwesen  ansehen  könnte,  w^enn  sie 
nicht  von  Turnierfähigen  selbst  betrieben  oder  protegiert  worden  wären.  Zu 
diesen  gehörte  das  sogen.  Kübelstechen,  bei  w^elchen  sich  die  Kämpfenden  in 
hölzerne  Kübel  oder  Bottiche  steckten  und  in  dieser  Ausrüstung  gegen  einander 
anritten,  um  auf  ihre  eigene  Kosten  den  Zuschauern  Stoff  zum  Lachen  zu 
bieten.  Die  Kübelstechen  mögen  zuerst  von  den  Dienern  der  Turnierenden 
gegen  ein  gutes  Trinkgeld  der  Herren  diesen  zum  »gnädigen  Spasse»  auf- 
geführt worden  sein.  Nach  Schmeller  -  Frommann  ^)  schenkte  der  bayerische 
Hof  im  Jahre  1571  den  Schäfflergesellen  »von  wegen,  dafs  sie  ein  Küblgestäch 
triben«  vier  Gulden.  Unter  den  Festlichkeiten,  welche  1596  zu  Stuttgart 
gelegentlich  einer  herzoglichen  Kindstaufe  abgehalten  wurden,  wird  auch  ein 
Kübelstechen  erwähnt.  »Am  MilLwucheu  den  10.  merzens  hult  man  den  kübel- 
turnier.  es  zogen  nach  essens  20  rütter,  zechen  wirtembergisch,  zechen  marg- 
grefisch,  uf  den  renblatz,  hatten  anstatt  der  helmcn  grofse  kübel  oder  sester 
uf,  gemolt,  an  di  ristungen  .  .  .  stark  angebunden,  waren  gepecht  und  gar 
wol  usgefietret  .  .  .  halUin  hölzene  lange  sper,  davornen  stumpf  wie  wein- 
stößel«  u.  s.  w.  ^). 


1)  Bayerisches  AVörterhuch  I,  1218.  2)  Grimm,  deutsches  Wörterbuch  V,  2489  f, 


—    23     — 

Über  ein  Kübelstecheu,  das  im  Jahre  1637,  vielleicht  von  Ang-ehürig-en  des 
oberpfälzischen  Adels  in  übermütig-er  Fastnachtslauue  abgehalten  wurde,  sind  in 
einer  Handschrift  (Nr.  7103.  2^)  des  g-ernian.  Museums  einige  Nachrichten  enthalten. 
Dieselbe  ist  betitelt:  »Miscellaneagenealogica  In  welche  verschiedene  Geschlechts 
Nachrichten  von  mehreren  hierinen  benannten  Familien  .  .  .  zusammengetragen 
worden« ;  angelegt  wurde  die  Sammlung  1787  von  Johann  Georg  Freiherrn  von 
Gobel  auf  Hofgiebing  und  Kulmaiu,  »Sr.  Churfürstlichen  Durchlaucht  zu  Pfalz- 
baiern  etc.  wirklichen  Kammerer,  Regierungsrath  und  Landrichter,  dann  Land- 
hauptmann zu  Amberg,  wie  auch  eines  bairischen  hochadeligen  Scti.  Michaelis 
Ritterordens  Groskreuz«.  Auf  Bl.  412  bis  414  finden  sich  zwischen  den  genea- 
logischen Nachrichten,  die  von  verschiedenen  Händen  des  17.  und  18.  Jahrhunderts 
herrühren,  die  das  Kübelstechen  betreffenden  Schriftstücke,  ohne  dafs  aus  den- 
selben hervorgeht,  zu  welcher  der  Familien,  die  in  dem  Buche  berücksichtigt 
sind,  dieselben  in  Beziehung  stehen.  Und  doch  darf  wol  mit  Sicherheit  an^-e- 
nommen  werden,  dafs  aus  dem  Kreise  dieser  Geschlechter  unsere  Mitteilungen 
kamen,  die  wir  als  einen  Beitrag  zur  Geschichte  der  Fastnachtsbelustigungen 
der  adeligen  Gesellschaft  des  17.  Jahrhunderts  und  der  Derbheit  der  Sitten,  die 
in  derselben  damals  noch  herrschte,  nachstehend  veröffentlichen. 

An  die  Spitze  derselben  stellen  wir  die  Einladung,  welche  auf  einem  Quer- 
folioblatt in  Mandatform  niedergeschrieben  ist.  Es  handelt  sich  dabei  um  einen  Zwei- 
kampf zwischen  dem  Bacchus  und  seinem  »getrew  gewesten  Sauffbrueder« ;  als  die 
Veranlassung  zu  demselben  wird  die  vermeintliche  Überlegenheit  des  letzteren  im 
Essen  und  Trinken  über  Bacchus  angegeben.  Die  Einladung  hat  folgenden  Worthiut: 

»Kundt  vnd  zuwisßen  seye  Jedermenigl  ich.  Das  weilen  zu 
dißer  Faßnachtzeit  sich  der  dickhe  Pachus  mit  seinem  getrew  gewesten 
Sauffbrueder :  wegen  daß  er  jme  in  Essen  vnd  Trinnkhen,  allerdings  nichten  nach- 
geben: sondern  Jhme  damit  vorgehen  will,  hefftig  erzürnet,  vnd  entzwayet.  Solcher 
zwyspalt  aber,  vngeacht  man  sich  starckh  bemüehet,  Sie  beede  wider  in  güete 
zu  verainigen,  nicht  beigelegt  werden  khan.  Derowegen  gedachter  Pachus.  vnd 
vorgedacht  sein  Sauberer  brueder  entschlossen,  Solch  jres  ernstlichen  Streitts 
halben,  ein  oflendliches  Kiblstechen,  wie  man  vor  äugen  soeben  würdt,  zuhalten. 
Ersuechen  demnach  alle  liebhabende  zuesecher,  vnd  Faßnachtsgenossen,  disem 
jreni  Ritterlichen  Kiblstechen  mit  geduldt  zuezusechen,  vnd  welcher  vnder 
jnneu  beeden  obsigen  würdet,  die  erhaltene  Victori  vnd  Ehr :  zuuergonnen.  auch 
in  diser  lieben  Faßnachtszeit,  Jrer  mit  freuiidIlichriH  angedenckhen  nit  zuuer- 
gessen.  Daß  wollen  Sie  jhreni  Prasserischen  gebrauch  nach,  alß  redliche  Bider- 
leith,  so  Tag  alß  Nachts,  in  stetwehrendem  wollusst,  souil  jnnon  ni(iglich  Ihi'ou- 
herzig  verschulden.    Geben  in  der  Faßnacht  Ao.  16;)7«. 

Auf  einem  zweiten  Blatte  steht,  von  anderer  Hand,  die  (hihiung  i\c<.  Kübel- 
stechens, die  wir  nachstehend  wiedergeben. 

»Verzaichnus  oder  Gartcll,  wie  man  sich  bey  dem  Kibelstechon 

zuuerhal  l  en. 

1.  Erstlichcn  geschehen  3  Ritt,  die  sich  vnder  solchem  Keilten  um  bcssten 
halten,  andere  herunder  Stosscn ,  vnnd  selbst  nit  herunder  fahlen,  sondern  vf 
dem  Rosß  sizen  verbleiben,  haben  den  damkli.  i.  Wann  zwcen  oder  mehr  gleich 
werden,  Muessens  widerumb  mit  einander  stüchen,  biß  Ihr  3  !Maister:  dann  3  ge- 


—    24    — 

w'iinoler  sein.  3.  E(5  soll  sich  aber  khciiicr  am  Rosß  in  die  Mohin  einheben  ^), 
khfjn  Pech  oder  ander  vni>asßierliclie  Vorthcil  brauchen,  dan  sonst  sein  Ritt  ver- 
lohrcn.  \.  Ing'leichcin  (hi  sich  ainer  mit  der  Stangen  erhielt,  hals  9benmessig'e 
nuiimiiii^',  (hi(5  der  Rill  nit  g'ültig-.  5.  Solle  sich  auch  kheiner  von  denen  so  die 
Roß  führen,  oder  (durch)  andere  heben  lassen,  da  er  g-etrofTen  vnd  im  fallen  ist. 
().  Daß  Schlag^en  mit  der  Stangen  ist  g-anz  verbotten,  vnd  g-estrafft  vmb  alle  drey 
Uitl.  7.  Sondern  solle  ein  ieder  sein  Stang-  vber  sich  führen,  darmit  seinen  gegen- 
theil  vf  den  Kibl  stossen,  dan  auf  den  leib  gilts  nit,  8.  Daß  Eysen  Stängl,  so 
vber  zwerch  durch  ilie  Stangen  gehet,  mueß  aines  thails  vber  die  Prust,  vnd 
daß  anckir  Iheil  vorher  deß  armbs  stehen.  9.  Der  Stoß  mit  der  Stangen  mucß 
in  deß  Pferdt  Trab  geschehen.  10.  Solle  woll  in  obacht  genommen  werden,  daß 
kheiner  anreit,  biß  Ihmc  mit  dem  Hörn  die  loßung  geben  wirdt,  vnd  Ihne  sein 
Patrin')  jnit  dem  Kartcnplats  nammcn,  so  Kr  am  Kibl  hat,  er  fordert«. 

Als  letztes  Aktenstück  geben  wir  die  Ordnung  des  Zuges,  der  immerhin 
sich  stattlich  repräsentiert  haben  mufs,    Sie  lautet:      ' 

»Zugordnung  deß  Kübelstöchens,  so  gehalten  worden  in  der 

Fas nacht  den  12.  Febr:  a''.  1()57. 

I.  Erstlich  Reit  der  vorreiter  vnd  blast  auf  ainem  Khüehorn.  —  2.  Hierauf 
Voigt  der  Leyrer^)  auch  reitent.  —  3.  12  Zani^)  deren  jr  6  Grien  vnd  6  Schwarz 
Claidt  zu  Fueß,  allerlay  Posßen  treibent.  —  4.  ain  Nar  so  hin  der  sich  auf  ainem 
ößl  reit,  mit  einem  grossen  Pierpöcher.  —  S.  ain  grosß  Gamel  darauf  ain 
SackhpfeitTer  vnd  ain  Teorbanist^).  —  6.  ain  Glain  Gamel  darauf  eiji  Äff  mit  ainer 
Paukhen.  —  7.  3  Zani  so  Kolben  tragen.  —  8.  die  B  Judices.  —  9.  2  pautelon 
mil  wunderlichen  Instrumenten.  —  10.  wider  2  panteloni  vff  ainem  ößl  sizent, 
mit  zusammen  khertem  Rukhen,  hinder  vnd  für  sich  raitent.  —  11.  Bacho.  — 
12.  2  stangentrager.  —  13.  4  grobe  Pfeiffer.  —  14.  Der  Erste  patrin'^).  — 
15.  Dienner.  —  16.  ain  Panierführer  mit  löKübelstöhern  Namens  mit  den  Karten- 
plütern,  so  Ihnen  an  die  Kübel  angeuaglet.  —  17.  aber  2  stangentrager,  — 
18.  4  der  Glainen  Pfeiffer.  —  19.  Der  ander  patrin.  —  20.  ö  Dienner.  —  21.  der 
Panierführer  mit  16  Kübelstöchern,  Namens  mit  den  vf  die  Kübel  genagleten 
Kartenplütern.  —  22,  2  Posßierliche  Narn,  —  23.  4  Sadl  vnd  Riemergsöln  mit 
jrem  werckzeug«. 

Leider  besitzen  wir  über  den  Verlauf  des  Stechens  selbst  keinerlei  Nach- 
richten, das  nach  dem,  was  wir  aus  der  Einladung  und  den  Ordnungen  erfahren 
haben,  wohl  unter  allgemeiner  Lust  und  Freude  verlaufen  ist. 

Nürnberg.  Hans  Bosch,, 


ä)  d.  i.  an  der  Mäline  aiihaUoii. 

4)  Nicod.  Friscliliii  scIiriMbt  in  soincn  »Sieljcn  Büclicr,  Von  der  Fürstlichen  Würtem- 
bergischen  Hochzeit«  (Tiibinj;cn  1578)  S.  289  am  Rande  »die  Patrin  oder  vorreitende  Wall'en- 
treger«,  d.  i.  Wappenträger,  und  im  Texte: 

»Darnach  lier  rillen  die  Palrin  * 

Geivleidet  all   in   lauler  grün 
Zu  dem  Thnrnir  verordnet  fein, 
Dafs  sie  autseher  sollen  sein.« 
Die  Palrin  scheinen   also  die  Ordner  und  Konimandanten  jeder  Ahleiinng   gewesen  zu  sein, 
oj  Wol  einer,  der  die  Leier  spiellc  (} )  Zanni,  italien.,  Hanswurst,  Harlekiji. 

7)  Der  Spieler  der  Theorbc,  d.  i.  einer  Balslautc  von  14 — 16  Saiten, 


—    Ti 


Über  ältere  Dachzicgeleiudeckiiiigeii 

nach  den  Mustern  in  der  Sammlung  von  Bauteilen  des  germanischen  Museums. 


ehts  ist  auf  Erden  klein  und  unbedeutend,  weil  an  allem  und  jedem, 
I  was  es  auch  sei,  irgend  Jemand  Interesse  hat.  Ist  nun  auch  ein  üach- 
I  zieg-el  kein  Schatz,  so  ist  er  doch  eigentlich  für  Niemanden  bedeutungs- 
los, der,  ob  arm  oder  reich,  ein  sicheres,  schützendes  Dach  über  sich  haben 
will.  Wenn  die  flüchtigen  Besucher,  welche  unsere  ausgedehnten  Samm- 
lungen so  rasch  als  möglich  besichtigen  wollen,  damit  sie  mit  dem  nächsten 
Zuge  weiter  fahren  können,  sich  bei  den  aufgestellten  Dachziegeln  nicht  lange 
aufhalten,  so  ist  uns  doch  noch  keiner  vorgekommen,  der  mit  gleichgiltigem 
Gesichte  daran  vorbei  gegangen  wäre.  Wol  aber  hat  schon  mancher  im  raschen 
Yorüberfliegen  seinem  Begleiter,  einfach  das  Wort  »Dachziegehf  aussprechend, 
verständnisinnig  zugenickt;  es  waren  jedenfalls  Hausbesitzer;  denn  jeder  Haus- 
besitzer weifs  von  seinem  Dache  ein  Lied  zu  singen.  Es  ist  schon  ein  altes 
Lied  von  den  Schmerzen,  welche  die  Dichthaltung  des  Daches  machen,  von  den 
Kosten,  welche  der  Hausbesitzer  damit  hat,  und  von  der  Unzuverlässigkeit  der 
Dacharbeiter,  die  oft  bei  Reparaturen  mehr  verderben,  als  sie  gut  machen.  Die 
Dächer  bedürfen  beständiger  Aufsicht  und  gehen  doch  viel  zu  rasch,  trotz  der 
Reparaturen,  zu  Grunde,  bis  die  ganze  Deckung,  dem  Besitzer  viel  zu  früh,  voll- 
ständig herabgenommen  werden  mufs,  weil  man  den  Schaden  nicht  recht  findet, 
worauf  bei  der  neuen  Deckung  das  alte  Lied  wieder  von  vorn  anfängt.  Es 
ist  aber  wirklich  ein  altes  Lied,  denn  Väter  und  Glrofsväter  sangen  es  schon 
vor  Jahrhunderten.  Wir  dürfen  also  hoffen,  das  Interesse  viele  unserer  Freunde 
anzuregen,  wenn  wir  uns  über  alte  Dachdeckungen  mit  ihnen  unterhalten,  denn 
sie  vermuten  wenigstens  alle,  dafs  doch  die  alten  Dächer  besser  waren,  als  die 
jetzigen.  Wir  wollen  indes  zunächst  nur  an  unseren  Beispielen  zeigen,  wie 
dies  und  jenes  gemacht  wurde,  nicht  darüber  belehren,  wie  heute  ein  gutes 
Dach  gemacht,  wie  es  erhalten  werden  soll,  und  wie  Reparaturen  so  zu  bewerk- 
stelligen sind,  dafs  nicht  das  gesamte  übrige  Dach  dabei  zu  Grunde  geht. 
Könnten  wir  dies  auch,  es  hätte  keinen  Zweck,  denn  unsere  Vorschläge  würden 
doch  den  Dachdeckergehilfen  nicht  gefallen,  und  gerade  sie  sind  ja  oft  genug 
die  Quelle  des  Übels.  So  wird  wol  auch  bei  unseren  Kindern  und  Enkeln  das 
alte  Lied  noch  lange  neu  bleiben ! 

Unsere  von  grauer  Vorzeit  her  uralte,  heimische  und  somit  gewifs  acht 
nationale  Bauweise  ist  jene  aus  Holz  mit  Dächern  von  Stroh.  Sie  hat  sich 
auf  dem  Lande  in  den  meisten  Gegenden  Deutschlands  erhallen,  bis  die  neu- 
zeitlichen behördlichen  Mafsregeln  ihr  ernstlich  der  Feuergofährlichkeit  wogen 
den  Krieg  erklärt  haben.  Noch  ist  man  auf  dem  Lande  aber  nicht  ganz  mit 
ihnen  fertig  geworden,  und  selbst  in  kloinen  Städten  findet  sich  in  Deutschland 
wol  noch  da  und  dort  ein  Strohdach.  Ebenso  ist  es  niil  den  Schindeldächern, 
sicher  der  ällostcn  Deckungsart  für  steinerne  Gebäude  in  Deutschland.  Aber 
die  Mehrzahl  der  Stroh-  und  Schindohlächor  ist,  so  feuergefährlich  sie  auch 
sind,  doch  nicht  durch  Feuer  zu  Grunde  gegangen,  sondern  verfault  und  ver- 
wittert. Die  Deckung  mit  Schiefer  war  in  früherer  Zeit  natürlich  auf  jene 
Gegenden   beschränkt,    in    welchen   er  gebrochen   wurde,   oder   die  nicht   weit 

Mitteilungen  aus  dem  gernian.  Nationalmuseuin.     18i)l.  IV. 


—    26    — 

davon  lap-en.  Ihn  dui-ch  die  Lande  zu  führen,  wäre  zu  teuer  geworden.  Da 
war  denn  im  gTüfsten  Teile  Deutschlands,  wo  man  ein  ordentliches,  soweit  als 
inög-lich  »feuersicheres«  Dach  haben  wollte,  der  Zieg-el  das  geeignete  Material. 
Reste  von  Stroh-  und  Schindeldächern,  die  aus  dem  Mittelalter  stammten,  haben 
wir  nicht  mehr.  Auch  von  Schieferdächern  dürften  wenige  wirklich  sehr  alte 
Reste  mehr  vorhanden  sein. 

Am  meisten  ist  uns  noch  von  Ziegeldächern,  sowie  von  einzelnen  Ziegeln 
des  Mittelalters  erhalten  geblieben.  Wir  haben  zwar  auch  da  wol  kein  Dach 
mehr,  welches  nicht  später  wiederholt  repariert  und  umgedeckt  worden  wäre; 
aber  es  sind  doch  noch  deren  so  viele  erhalten,  bei  welchen  die  Mehrzahl  der 
Ziegel  noch  aus  dem  Mittelalter  stammt,  dazu  so  viele  einzelne  Ziegel,  sowol 
gewöhnliche  als  Schmuckziegel,  dals  wir  ein  recht  langes  Kapitel  über  die 
Ziegeldeckung  des  Mittelalters  schreiben  könnten. 

Es  sind  vorzugsweise  zweierlei  Deckungsmethoden,  die  uns  entgegen- 
treten, und  welche  vom  Beginne  des  Mittelalters,  bis  über  dessen  Schlufs  hinaus, 
nebeneinander  hergingen.  Die  eine  knüpft  an  die  antike  Dachdeckung  an,  wo 
Platten  mit  aufstehenden  Rändern  Verwendung  fanden,  welche  so  neben  ein- 
ander gehängt  wurden,  dafs  über  die  benachbarten  Ränder  von  je  zwei  Platten 
ein  Hohlziegel  gelegt  wurde.  Man  nahm  jedoch  statt  der  unterliegenden  Platten 
ebenfalls  Hohlziegel,  so  dafs  die  deckenden  Hohlziegel  ziemlich  dicht  nebenein- 
ander stehen.  Man  hat  heute,  und  schon  länger  her,  für  diese  Deckungsweise 
die  wenig  schöne,  technische  Bezeichnung  ^'Nonne«  und  »Mönch« ;  dafs  diese  Be- 
zeichnung aber  schon  im  Mittelalter  gebräuchlich  war,  bezweifeln  wir.  Die 
Mafse,  in  welchen  die  einzelnen  Steine  ausigeführt  sind,  sind  sehr  verschieden, 
teilweise  recht  beträchtlich,  und  es  scheinen  gerade  die  älteren  die  gröfsten  zu 
sein.  In  der  Sammlung  des  germanischen  Nationalmuseums  befinden  sich  welche, 
die  62  cm.  lang  und  27  cm.  breit  sind,  dabei  ein  Gewicht  von  10,7  Kgr.  haben. 
Denkt  man  sich  diese  selbst  mit  etwas  schmäleren,  die  im  Museum  ein  Gewicht 
von  1,65  Kgr.  haben,  überdeckt  und  gut  vermörtelt,  so  erhält  der  Quadratmeter 
ein  Gewicht  von  ca.  97  Kgr.  Es  war  dies  ein  recht  beträchtliches  Gewicht, 
und  es  bedurfte  starker  Dachstühle,  wie  sie  auf  kleinen  Häusern  selten  waren, 
um  sie  zu  tragen.  In  Nürnberg  findet  sich  daher  nicht  selten  der  Fall ,  dafs 
man  bei  \"erwendung  kleinerer  und  dünnerer  Hohlziegel  die  oberen  Deckreihen, 
die  »Mönche«,  ganz  wegliefs  und  durch  gutes  Mörteln  der  Fugen  mit  den 
»Nonnen«  allein  ein  dichtes  Dach  erzielte.  Dabei  ist  zu  bemerken,  dafs  die 
»Nonnen«  an  den  Nasen,  welche  jeder  Hohlziegel  hatte,  auf  die  starke  Lattung 
aufgehängt  wurden,  die  »Mönche«  dagegen  meist  ohne  Nasen  darauf  gelegt 
wurden,  weil  das  Dach  sonst  zu  unruhig  bewegt  ausgesehen  haben  würde, 
wenn  von  jedem  sichtbar  werdenden  Ziegel  die  Nase  emporstehen  würde.  Da 
diese  Nase  aber  doch  zur  Befestigung  desselben  auf  der  Lattung  resp.  auf  den 
unteren  Ziegeln  nicht  dienen  konnte,  so  konnten  sie  leicht  abgeschlagen  werden, 
wenn  nicht  ohne  Nasen  hergestellte  zur  Verfügung  standen.  Zur  Befestigung 
der  »Mönche«  war  ohnehin  nur  ein  Mittel  vorhanden,  nämlich  ein  Loch  in 
dieselben  mit  einem  spitzen  Instrumente  zu  schlagen,  und  sie  durch  Eisennägel 
auf  der  Lattung  zu  befestigen.  Fig.  1  gibt  in  der  oberen  Ansicht,  Fig.  2  und  3 
im  Durchschnitte,  diese  Deckungsweise  in  allen  Stadien  des  Aufhängens  und 
der  Mörtelung  wieder. 


—    27     — 


at.  !l      cd. 


n 


1 


Fig.  2. 


Fig.  3. 


—    28    — 

Dieser  ersten  allg-enieinen  Deckung-sart  sland  von  früher  Zeit  her  eine 
zweite  g-c^enUber,  jene  mit  Platten,  da  und  dort  auch  »Taschentf,  »Pfannen« 
und  anders  genannt,  deren  Ursprung-  in  den  hölzernen  Schindeln  zu  suchen 
ist,  an  deren  Stelle  sie  traten.  Sie  haben  im  Laufe  der  Zeiten  und  der  Gej^en- 
den  verschiedene  Formen  erhalten,  nach  denen  sich,  wie  bei  den  Schindeln, 
eine  verschiedenartige  Zeichnung  auf  dem  Dache  bildete.  Sehr  alt  sind  die  in 
Fig.  4  dargestellten  Ziegel  aus  der  Bodenseegegend,  wol  dem  12.— 13.  Jahrhun- 


Fig.  4. 

derte  entstammend,  von  denen  sich  im  Rosgartenmuseum  zu  Konstanz  eine  be- 
trächtliche Zahl  findet,  und  einzelne  als  Dupletten  zu  uns  gekommen  sind.  Sie 
verjüngen  sich  von  oben  gegen  die  Spitze  hin,  sind  verhältnismäfsig  stark  und 
ihre  übertläche  gewölbt.  Sie  lassen,  nebeneinander  gelegt,  a,  einen  dreieckigen 
Raum  zwischen  sich  offen,  den  nun  jene  der  nachfolgenden  Schichte  b  nicht 
vollständig  decken,  sondern  erst  die  der  dritten  Schichte  c.  Deshalb  wurde 
ein  Strohbüschel  eingelegt,  damit  nicht  Luft  und  Wind  in  die  Öffnung  zwischen 
a  und  c  eindringen  und  durch  das  offene  Dreieck  über  a  in  das  Innere  des 
Dachbodens  gelangen  konnte. 


Fig.  5. 


In  Nürnberg  waren  während  des  Mittelalters  für  solche  Ziegelplatten 
zweierlei  Formen  im  Gebrauche,  von  welchen  es  schwer  fallen  würde,  zu  be- 
stimmen, welche  die  ältere  ist,  die  Schuppenziegel  (Fig.  5),  oder  die  Spitzziegel 


—    29     - 

(Fig-.  6  und  7).  Wenn  wir  erstere  für  etwas  älter  halten,  und  dem  14.  Jahr- 
hunderte zuweisen,  so  hat  dies  seinen  Grund  darin,  dafs  sie  meist  etwas  mehr 
gewölbt  sind,  als  die  Spitzzieg-el,  welche  teilweise  vollkommen  flach  angefertigt 
wurden.  Diese  mög-en  wol  vom  Beginne  des  lo.  Jahrhunderts  an  vorkommen. 
Die  Deckung-  mit  Schuppenzieg-eln  bildete  ein  sehr  ansprechendes  Muster,  ist 
aber,  wenn  die  AYülbung  der  Überfläche  der  einzelnen  Platten  so  stark  ist,  wie 
dies  bei  denen  zutrifft,  welche  wir  gerade  für  die  ältesten  halten,  nicht  sehr 
luftdicht,  da  wol  die  Strohunterlag-en  hier  nie  gebräuchlich  waren.  Wenn 
jeder  Ziegel  bei  a  rechts  und  links  auf  der  höchsten  Stelle  der  darunter  liegen- 
den Ziegelreihe  aufliegt,  so  fällt  die  Spitze  b  über  den  tiefsten  Teil  und  es 
kann  somit  unter  b  die  Luft  und  insbesondere  die  Kälte  in  den  Dachboden- 
raum eindringen.  Da  ja  die  Ziegel  nie  mathematisch  eben  sind,  sondern  auch 
der  beste  ein  klein  wenig  windschief  ist,  so  wird  ja  ohnehin  die  Ziegeldeckung 
nie  vollständig  luftdicht. 

Es  ist   bekannt,   dafs  am  unteren  Rande,  wie  am  Dachfirste  und   bei  den 
Anschlüssen  an  die  Giebel,  Bruchstücke  von  Ziegeln  nötig  sind,   welche  heute 


Fig.  6. 


Fig.  7. 


die  Dachdecker  durch  Hauen  ganzer  Ziegel  sich  verschafTon.  Im  Mittelalter 
formte  uoel  brannte  man  diese  Teile  eigens.  Um  also  ein  S[titzziegeldach  (vgl. 
Fig.  6  und  7)  herzustellen,  brauchte  man  für  ilen  unteren  Rand  die  Schaufeln  a, 
für  Anfang  und  Ende  derselben  halbe  Schaufeln  b;  hierauf  von  den  gewöhn- 
lichen Ziegeln  c  so  viel,  als  eben  das  Dach  erforderte.  Am  Firste  waren  zwei 
kurze  Reihen  d  und  e  erforderlich,  welche  nicht  auf  Latten,  sondern  auf  der 
obersten  Reihe  der  gewöhnlichen  Ziegel  c  aufgehängt  wurden.  Wie  nun  der 
Durchschnitt  (Fig.  7)  erkennen  läfst,  ist  darauf  mit  Mörtel  eine  Reihe  Hohl- 
ziegel aufgesetzt,  welche  den  First  bildet.  Es  geht  aus  diesem  Durclischnilte 
auch  hervor,  dafs  ein  solches  Dach  immerhin  [2 — löcm.  über  die  Sparrenober- 
fläche aufträgt,  dafs  an  jeder  Stelle,  vom  unteren  Rande  abgesehen,  die  Ziegel 
dreifach  auf  einander  liegen.     Es    ist   also    immerhin   noch   ein  recht  schweres 


30 


Dach,  wenn  auch  nicht  so  schwer,  als  das  von  mittleren  Hohlzieg^eln.  Das  auf  den 
einzelnen  Zieg-el  fallende  Reg-enwasser  läuft  ahwärts  bis  zum  Rande.  An  dem- 
selben läuft  jedoch  ein  grofser  Teil  entlang  bis  zur  Spitze  und  fällt  erst  dort 
auf  den  darunter  lieg-enden  Zieg-el.  Es  würde  daher  am  Rande,  wenn  g-ewöhn- 
liclie  halbe  Ziegel  verwendet  würden,  ein  grofser  Teil  des  Wassers  gegen  den 
Giebel  geleitet  werden  und  dieser  dadurch  feucht  werden.  Deshalb  hat  man 
noch  besondere  Ziegel,  f,  gebrannt,  bei  welchen  die  Spitze  vom  Rande  weg  auf 
die  Fläche  des  darunter  liegenden  Ziegels  geleitet  ist.  Für  die  Gräte  und 
Kehlen  konnte  man  Ziegel  nicht  im  Vorrat  fertigen,  da  sie  bei  jeder  verschie- 
deneu Steigung  des  Daches  verschieden  werden  mufsten  und  Normaldachprofile 
nicht  existierten. 


Fig.  8. 


Was  die  nürnbergischen ,  mittelalterlichen  Dachziegel  besonders  aus- 
zeichnet, das  ist  die  Sorgfalt  der  Arbeit.  Es  ist  offenbar  der  Thon  auf  das  sorg- 
fältigste geschlemmt,  dann  ist  er  von  jeder  schädlichen  Beimischung,  auch 
von  groben  Kieskörnern,  vollständig  frei  und  aufserordentlich  gleichmäfsig  und 
fein  durchgearbeitet.  Die  Ziegel  sind  natürlich  in  Formen  geschlagen,  die 
Nasen  sehr  sorgfältig  aus  der  Hand  modelliert  und  fest  angesetzt,  so  lange  der 
Ziegel  noch  in  der  Form  war,  so  dafs  durch  festes  Andrücken  die  Nase  mit 
der  Platte  verbunden  werden  konnte,  ohne  dafs  der  Ziegel  die  Form  änderte. 
Sie  müssen  nicht  zu  feucht,  dagegen  mit  ziemlicher  Kraft  in  die  Form  geprefst 
und  sehr  langsam  getrocknet   worden   sein.     Wenn   sie  etwa   halb   getrocknet 


—    31     — 

waren,  wurde  die  Oberfläche  wieder  genetzt  und  mittels  eines  Pinsels,  oder  der 
Hand  so  vollkommen  als  möglich  geglättet.  Dieser  Manipulation  ist  es  zu 
danken,  dafs  alle  Poren  der  Oberfläche  ausgefüllt  sind  und  infolge  dessen  sich 
keine  Algen  und  Mose,  aber  auch  kein  Schmutz  auf  die  Oberfläche  der  Ziegel 
setzt,  welchen  nicht  der  nächste  Regen  wieder  abwaschen  würde.  Die  Ziegel 
haben  so  ihre  tiefrote  Farbe  bis  heute  bewahrt,  und  mau  kann  an  ihr  jeden 
mittelalterlichen  Ziegel  eines  Daches  von  den  bei  Reparaturen  dazu  gekommenen, 
späteren  Ziegeln  unterscheiden,  weil  alle  späteren,  auch  wenn  sie  die  alte  Form 
beibehielten,  weniger  sorgfältig  gearbeitet  und  daher  schwarz  geworden  sind. 
Die  beiden  in  Nürnberg  heimischen  Formen  von  Dachplatten  sind  nicht 
an  Nürnberg  gebunden;  sie  kommen  auch  anderswo  in  ganz  ähnlicher  Art  vor; 
an  der  Arbeit  aber  und  der  roten  Farbe  sind  die  Nürnberger  stets  zu  erkennen. 
Auch  unten  halbrunde,  flachrunde  und  ganz  gerade  finden  sich  anderwärts 
nicht  selten  und  sind  in  unserer  Sammlung  vertreten.     Fig.  8  zeigt  einen  dem 


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Fig.  9. 

15.  Jahrhunderte  angehürigen  Ziegel,  sowie  die  Zeichnung  der  damit  zu  erzie- 
lenden Ducheindeckung,  wie  wir  mehrere  solche  Ziegel  in  Kloster  Heilsbronn  ge- 
l'iindtMi  haben;  der  Ziegel  ist  aber,  trotz  der  Nähe  Nürnliergs^  schon  weit  weniger 
sorgfältig  gearbeitet,  als  wir  dies  soeben  an  den  nürnbergisehon  gerühmt  haben. 
Die  von  den  in  Fig.  4—8  dargestellten  abweichend  geformten  Ziegel  unserer 
SaMiniiinig,  mit  Ausnahme  der  unten  hall)runden  Schuiipenziegel ,  welche  aus 
Schwäbisch  Gmünd  stammen,  gehören  wol  alli'  drin  17. 'lalirliinidrilc  an,  widi- 
rcnd  man  im  ganzen  1(3.  an  ihn  Formen  des  14.  und  15.  'lalirliiuiderls,  iiisbeson- 
dcrc  in  iNürnberg,  l'esthiidl.  Fig.  9  gibt  eine,  gerade  in  Nüi'iilti'rg,  aber  auch 
anderwärts  im  17.  Jahrhunderl  nicht  seltene  Form  der  Ziegel:  die  mi!  solchen 
ausgeführte  Deckung  zeigt  eine  den  Hienenzellen  ähnliche  Zeichnung.  Zu  be- 
merken ist,  dafs  schon  im  17.  Jahrlumderle  die  in  dieser  Form  ausgefiihrlen 
Ziegel  gerade  so  wie  jene,  welche  den  älteren  nachgebildet  sind,  die  sorgfällige 
Arbeit  des  14. — 16.  Jahrhunderts  nicht  mehr  zeigen. 


Aus  allen  diesen  Beispielen  geht  hervor,  wie  vielfältig-  die  Schmückung 
des  Daches  durch  die  Form  der  Ziegel  allein  erfolgen  konnte.  Nun  kam  aber 
noch  die  Farbe  hinzu.  Man  überzog,  insbesondere  in  Schwaben,  Bayern,  Öster- 
reich, Tirol,  der  Schweiz  und  Elsafs  die  Ziegeltcile,  welche  bei  der  Deckung 
sichtbar  blieben,  mit  farbiger  Glasur,  namentlich  mit  Grün,  Rotbraun,  Gelb 
und  Weifs,  und  konnte  so  farbige  Streifen,  Kauten  und  Zickzackmuster,  sowie 
ähnliche,  einfache  Teppichzeichnungen  auf  dem  Dache  bilden.  In  Frauken,  wie 
in  Norddeutschland,  kommt  diese  Glasur  nicht  vor. 

Damit  hängt  auch  das  Vorkommen  besonderer,  ornamental  ausgebildeter 
First-  und  Gratziegel  zusammen,  sowie  Eckspitzen,  statt  deren  man  in  Nürn- 
berg die  grofsen  kupfernen  Kugeln  mit  Wetterfähnchen  aus  Kupfer  hatte,  welche 
in  späterer  Zeit  durch  die  vielstrahligen  Sterne  ersetzt  wurden,  welche  in  ihrer 
Vergoldung  lustig  von  den  Spitzen  der  Dacherker  herableuchteteu,  aber  auch 
schon  zum  gröfsten  Teile  verschwunden  sind. 

An  glasierten  Firstziegeln  mit  besonderer  (h'namentik  bietet  unsere 
Sammlung  zur  Zeit  noch  keine  Proben;   ebenso  fehlen   uns  solche  Spitzen   aus 


¥ig.  10. 


Fig.  11. 


Fig.  12. 


brannten!  Thone,  wie  sie  die  Ecken  der  Dächer  schmückten;  dagegen  haben  wir 
mehrere  recht  schöne  Gratziegel.  Einzelne  derselben  sind  im  Anzeiger  für 
Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1874,  Sp.  329  f.  abgebildet  und  es  seien  hier  die  Ab- 
bildungen wiederholt.  Fig.  lU  und  12  sind  aus  Schwäbisch  Gmünd,  beide  grün 
glasiert,  Fig.  11  ist  aus  Villingen  im  Schwarzwalde  und  gelbbraun  glasiert. 
Der  untere  Haken  ist  abgebrochen. 

Vielleicht  ist  Jemand  in  der  Lage,  urkundliche  Beiträge  zur  Geschichte 
der  Nürnbergischen  Ziegeleien  zu  liefern  und,  was  wir  als  Techniker  aus  dem 
Fabrikate  schliefsen  konnten,  auch  aus  schriftlichen  Quellen  zu  bestätigen. 
Noch  mehr  aber  würde  es  uns  freuen,  wenn  sich  Jemand  entschlösse,  Ziegel 
von  der  alten  Güte  des  14.— 16.  Jahrhunderts  in  Nürnberg  zu  fertigen,  so  dafs 
man  nicht  genötigt  wäre,  die  Deckung  mit  Ziegeln  ganz  aufzugeben. 

Gries  bei  Bozen.  A.  v.  Essenwein. 


—    33    — 

Ein  Beitrag  zur  («escbichtc  des  Schmalkaldischeu  Krieges. 

j^s  ist  eine  g-eschiehtlich  hoch  hedeutsame,  bei  dem  weiteren  Fortschreiten 
der  Forschung-  immer  deuthcher  hervortretende  Erscheinung-,  dafs  die 
^^  eigentliche  Entscheidung-  des  g-rofsen  Kampfes  zwischen  dem  zugleich 
die  alte  Glaubenseinheit  und  die  Idee  des  mittelalterlichen,  römischen  Reiches 
deutscher  Nation  verfechtenden  Kaisertume  Karls  V.  und  der  für  ständische 
wie  für  religiöse  Freiheit  eintretenden  Opposition  des  schmalkaldischen  Bundes 
nicht  einer  der  Führer  dieser  entgegengesetzten  Parteien  herbeigeführt  hat, 
nicht  Karl  selbst,  nicht  Philipp  von  Hessen  oder  Johann  Friedrich  von  Sachsen, 
sondern  ein  Mann  wie  Moritz  von  Sachsen,  der,  nur  auf  seinen  und  seines 
Hauses  Ruhm  und  Vorteil  bedacht,  beiden  weltbewegenden  Prinzipien  gleich 
kühl,  gleich  innerlich  abgewandt  gegenüberstand. 

Immer  deutlicher  erkennen  wir,  in  wie  günstiger  Position  die  deutschen 
Protestanten  im  Beginne  und  während  der  ganzen  ersten  in  Oberdeutschland 
spielenden  Periode  des  schmalkaldischen  Krieges  sich  dem  Kaiser  gegenüber 
befanden^).  Mehr  als  einmal  schien  sich  ihnen  die  Gelegenheit  zu  bieten,  durch 
mutigen  Augi-iff  auf  die  ihnen  kaum  gewachsene  Streitmacht  Karls  den  Krieg 
mit  einem  Schlage  zu  beenden  und  dem  stolzen  Weltherrscher  ihre  Bedingungen 
vorzuschreiben,  und  auch  dann,  als  der  Sommer  des  Jahres  1546  zu  Ende 
gegangen  war,  ohne  dafs  man  eine  dieser  Gelegenheiten  benutzt  hätte,  zeigte 
sich  die  Lage  der  Schmalkaldener  als  keineswegs  hoffnungslos.  Wenn  man 
sich  während  des  Winters  damit  begnügte,  weitere  Fortschritte  des  Kaisers  in 
Oberdeutschland  zu  verhindern,  um  im  nächsten  Sommer,  gestützt  auf  die 
Hilfsquellen  des  vom  Kriege  noch  unberührten  protestantischen  Mittel-  und 
Norddeutschlands,  den  Kampf  an  der  Donau  zu  erneuern,  war  ein  glücklicher 
Ausgang  immer  noch  denkbar. 

Da  aber  erfolgte  die  entscheidende  Wendung-,  welche  zur  Katastrophe 
des  deutschen  Protestantismus  führte.  Während  die  Truppen  des  schmalkal- 
dischen Bundes  Oberdeutschland  räumten,  und  die  Buudesglieder  im  Süden: 
Württemberg,  die  mächtigen  Reichsstädte  Augsburg,  Ulm,  Strafsburg  u.  a. 
dem  Kaiser  preisgegeben  wurden,  sah  sich  der  wackere  V'orkämpfer  der  Schmal- 
kaldener, Kurfürst  Johann  Friedrich  von  Sachsen,  durch  seinen  Vetter  Morilz 
im  eigenen  Lande  angegriffen.  Damit  begann  die  zweite  Periode  iles  schmal- 
kaldischen Krieges,  welche  mit  der  Schlacht  bei  Mühlherg,  der  Gefangennahme 
der  Häupter  des  schmalkaldischen  Bundes,  dem  allerdings  nur  vorübergehen- 
den, für  diin  Augenblick  aber  um  so  vollständigeren  Triiiniplie  des  Kaisers 
über  die  protestantisch-reichsständische  Opposition  endete. 

Mochte  der  Kurfürst  auch  einige  Monate  hindurch,  so  lange  .Moritz  noch 
ohne  Unterstützung  des  Kaisers  und  des  Königs  Ferdinand  kämpfte,  die  Oberhand 
behau])ten.  ja  Morilz  fast  ganz  aus  seinem  Lande  VfiMrciluMi  ;  als  das  kaiser- 
lich(!  Heer  im  FriUiJahrc  Lii?  in  Sachsen  erschien,  war  -loliann  Friedrichs 
Niederlage  entschieden,  und  Moritz  erlangte  als  Preis  seiner  wertvollen  Hülfe 
die  Kur  und  einen  groCsen  Teil  der  Lande  seines  Vetlers. 


1)  Bosondcrs  dciillicii  ist  tlicsi-i'  (iiMliiiil<c  (liirclit^n-riiiirt  iiiul  im  Imii/.i'Iiu'h  Ijcgrüiuicl 
in  (Icni  Aiir.siil/n  von  J^i-nz,  »dii'  Ki-iL'ij;,rii!iriMij;-  der  Sclinialkaldoncr  liegen  Kiirl  V.  an  der 
Donau«  in  drv  »Historischen  Zcilsclu-il'l«,  lierau.sgogoluMi  von  v.  Sy  liei  Bd.  49  (1883),  S.  385  fl". 

Mitteiliiiigou  aus  dem  gerniaii.  Nutiüiialmiisciiin.     18i)l.  Y. 


—     34    — 

Aus  der  Zeit  des  Übcrg-ewichtes  des  Kurfürsten,  vor  Ankunft  des  kaiser- 
lichen Heeres,  besitzen  wir  ein  nicht  uninteressantes  Aktenstück,  welches  über 
die  (ianialig-e  Stimmung  Johann  Friedrichs,  die  Versuche  der  mehr  oder  minder 
Neutralen,  zwischen  ihm  und  Herzog-  Moritz  zu  vermitteln,  endlich  auch  über 
Kriegsereignisse  jener  Wochen  mancherlei  Aufschlüsse  bietet.  Es  ist  dies  ein 
vor  kurzem  durch  das  Museum  angekaufter  Brief  des  Kurfürsten  Johann  Fried- 
rich an  seinen  Rat  Eberhard  von  der  Thann  aus  seinem  Lager  zu  Altenburg 
vom  11.  Februar  lö47. 

Das  Schriftstück,  fast  vier  Folioseiten  (zu  20  Zeilen)  füllend,  ist  von  einer 
Kanzlcihand  geschrieben,  aber  vom  Kurfürsten  eigenhändig  unterzeichnet.  Die 
Rückseite  des  Umschlages  trägt  die  Adresse:  »Unnsenn  rath  vnd  libea  getrewenn 
Eberhardten  von  der  Thann  itzo  zu  Thann  zu  banden«;  darunter  Siegelspuren. 
Der  Adressat,  Eberhard  v.  d.  Thann,  früher  Amtmann  auf  der  Wartburg,  zählt 
zu  den  hervorragendsten  Räten  und  Vertrauten  des  Kurfürsten.  AVährend  der 
vierziger  Jahre  finden  wir  ihn  nicht  selten  bei  Gesandtschaften  und  anderen 
Anlässen  als  kursächsischen  Bevollmächtigten.  So  vertrat  er  auch  u.  a.  seinen 
Herrn  bei  dem  xVbschlusse  der  verhängnisvollen  Doppelehe  des  Landgrafen 
Philipp  von  Hessen  im  März  1040^). 

Der  Brief  des  Kurfürsten  beginnt  mit  einer  Danksagung  für  die  durch 
Thann  ihm  übermittelte  »Kundschafter  über  die  angebliche  Ansammlung  von 
(wahrscheinlich  kaiserlichen)  Truppen  um  Essen,  sowie  über  »den  von  Büren«, 
d.  h.  den  Grafen  Maximilian  von  B.,  der  aus  den  Niederlanden  dem  Kaiser  ein 
Hüfskorps  zuführte  und  mit  diesem  die  westdeutschen  Protestanten,  so  auch 
den  Landgrafen  Philipp  von  Hessen 3),  stark  bedrohte.  Sodann  bespricht  der 
Kurfürst,  auf  einen  (nicht  näher  bezeichneten)  Vorschlag  seines  Vertrauten  für 
eine  Verständigung  mit  Herzog  Moritz  eingehend,  sein  Verhältnis  zu  diesem.  Er 
klagt,  wie  der  Herzog  bisher  jeden  Versuch  der  Verraittelung  durch  den  Land- 
grafen Philipp*),  durch  dessen  Schwester,  die  Herzogin  Elisabeth  v.  Rochlitz^) 
und  den  Kurfürsten  Joachim  von  Brandenburg^)  zurückgewiesen  »vnd  dan  die 
ding  vff  den  haubthandel,  wan  der  zwuschen  dem  kayßer  konige  vnd  vns  ver- 
tragen, gestelt«  habe. 

Es  entspricht  dies  durchaus  dem,  was  wir  aus  anderen  Quellen  über  die 
damalige  Politik  des  Herzogs  Moritz  wissen.  W^ährend  er  in  regen  Unterhand- 
lungen mit  seinem  Schwiegervater,  dem  Landgrafen  Philipp,  blieb  und  diesen 
eifrig  zum  Anschlüsse  an  den  Kaiser  zu  überreden  suchte'^),  lehnte  er  jede 
Verwendung  Philipps  für  den  Kurfürsten,  jede  Sonderverhandlung  mit  Johann 
Friedrich  ab,  bis  zu  dessen  Versöhnung  mit  dem  Kaiser.  Dabei  hütete  er  sich 
wol,   um   diese  Aussöhnung,   die  ja  nur  zu  leicht  auf  Kosten   des  Moritz  zu- 


2)  Vgl.  Lenz,  »der  Briefwechsel  Landgraf  Pliilipps  des  Grofsinütigen  vou  Hessen  mit 
Bucer.  Bd.  I,  S.  204,  334.  3)  Lenz  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  477. 

4)  Eine  Übersicht  über  die  damaligen  Verhandlungen  des  Landgrafen  mit  Moritz  gibt 
Lenz,  »die  Schlacht  bei  Miihlberg«  S.  14f.  —  Übrigens  war  Ebcrliard  von  der  Tliann  selbst  erst 
vor  kurzeiM  in  Sachen  dieser  Vermittlung  vom  Kuri'ür.slen  zu  dem  Landgrafen  geschickt 
worden.  Vgl.  Philipps  Antwort  an  ihn  bei  Rommel,  »Urkundenband  zur  Geschichte  Philipps 
des  Grofsmütigen»  S.  183  ff. 

5j  Über  diese  vgl.  Voigt,  »Moritz  von  Sachsen«  S.  333  f.  6)  Voigt  a.  a.  0.  S.  319. 

7)  Lenz,  »die  Schlacht  hei  .Alühlborg«  a.  a.  0. 


—     35     — 

gesicherten  Gewinnes  erfolgen  konnte,  sich  selbst  ernstlich  zu  bemühen.  Da- 
gegen erfahren  wir  aus  unserem  Briefe,  dafs  der  Kurfürst  Joachim  von  Brandenburg 
durch  seine  und  kursächsische  Räte  Artikel  habe  aufstellen  lassen,  um  auf  Grund 
derselben  eine  Verständigung  Johann  Friedrichs  mit  dem  Kaiser  herbeizuführen. 

Angesichts  dieser  Haltung  Moritzs  klagt  der  Kurfürst  nicht  ohne  Grund, 
dafs  jener  ihn  und  seine  Kinder  um  ihre  »Ehren,  Lande  und  Leute«  bringen  wolle. 

Über  die  derzeitige  militärische  Lage  hören  wir,  dafs  starker  Schneefall 
die  Entscheidung  durch  eine  Schlacht,  die  der  Kurfürst  für  wünschenswert 
hält,  unmöglich  macht.  Ferner  beklagt  sich  der  Kurfürst  bitter  über  die  grau- 
same Kriegführung  Moritzs,  der  die  Vorstadt  von  Zwickau  und  14  Dörfer  der 
Umgegend^)  habe  niederbrennen  lassen  und  berichtet  von  seinen  eigenen  da- 
durch veranlafsten  Repressalien.  »Dan  wir  wollen  dir  nicht  bergen,  das  die 
vergangene  tage  hertzog  Moritz  die  vorstad  zu  Zwickau  vnnd  bis  in  viertzehen 
dorffer  vmb  Zwickau  gar  außgebrand.  Wie  freundliche  vnd  christliche  hand- 
lungen,  domitt  wir  bis  here  seine  gewesene  vndterthanen  verschonett,  solchs 
sein,  hastu  zu  bedencken.  Weil  aber  er  Wolf  vom  Ende,  Ritter,  als  dießer  zeitt 
beuhelhaber  in  Zwickau  denn  prand  angeschafft  vnd  beuholen,  haben  wir  zur 
gegenschantz  ^)  nicht  kennen  vndterlassen,  ime  dem  von  Ende,  vnnd  nicht  den 
armen  vnschuldigen  vndterthanen,  sein  behaußung  Rosperg^^)  hinweder  austzu- 
prennen  lassen,  seind  aber  weiter  nicht  preunen  zu  lassen  geneigt,  wan  nur 
vff  jenem  teil  stillergestandeu  wirdet.  Geschieht  es  aber,  wollen  wir  es  auch 
nicht  sparen.« 

Diese  beiderseitigen  Brandstiftungen  veranlafsten  alsbald  einen  erbitterten 
Schriftwechsel  zwischen  beiden  Parteien,  deren  jede  der  anderen  die  Verant- 
wortlichkeit hierfür  zuzuschieben  suchte.  Die  Beweisführung  der  Kurfürst- 
lichen deckte  sich  mit  den  oben  angeführten  Worten  Johann  Friedrichs.  Die 
Herzoglichen  behaupteten  dagegen,  die  Mafsregeln  in  Zwickau  seien  zur  mili- 
tärischen Sicherung  der  Stadt  schlechthin  unvermeidlich  gewesen,  wogegen  sie 
die  Verbrennung  von  Rochsburg  für  einen  durch  nichts  zu  rechtfertigenden 
Frevel  erklärten  ^^).  Nun  mag  wol  an  der  sittlichen  Entrüstung  auf  beiden  Seiten 
die  Erbitterung  gegen  die  Widersacher,  der  Wunsch,  ihnen  etwas  anzuhängen, 
ihren  reichlichen  Anteil  haben;  immerhin  bleibt  es  aber  ein  erfreuliches  Zeichen 
der  Zeit,  dafs  die  Brandstiftung,  von  der  kaum  hundert  Jahre  vorher  Markgraf 
Albrecht  Achilles  zu  sagen  pllegte,  sie  »ziere«  den  Krieg  »wie  das  Magnilikat 
die  Vesper«,  und  die  doch  noch  in  den  Feldzügen  des  17.  Jahrhunders  eine  grofse 
Rolle  spielte,  hier  als  ein  unerlaubtes,  moralisch  verwerfliches  Mittel  der  Kriegs- 
führung erscheint. 

Somit  bietet  uns  unser  Brief,  dessen  sachlich  bedeutsamer  Inhalt  mit  dem 
Gesagten  erschöpft  ist,  nicht  blos  mannigfache,  die  bisherige  Kenntnis  be- 
stätigemle  und  ergänzende  Aufschlüsse  über  die  politische  Lage  während  Jener 
für  die  Geschicke  unseres  Volkes  so  verhängnisvollen  Krisis,  sondern  auch  ein 
schönes  Bild  der  Denkweise  und  Gesinnung  Johann  Friedrichs  des  Grofsmütigeu 
von  Sachsen. 

Nürnberg.  I>r.   Heinr.   Wen  dt. 

8)  Voigt  S.  310  ist  nach  anderen  Quellen  von    l.'i     tS   Dörfern  die   lUd«'. 

9)  d.  h.  Vcrgcltunsj:. 

10)  Nach  Yuigt:   Uüclishurg,  l)ci  Penig.  11  j  Voigt  S.  318  f. 


—    36    — 
Zwei  Rjulicriingen  toii  Wenzel  Jamitzer. 

(Hiezu  Taf.  II  und  III.) 

I.cit  otwu  lüiifzehn  Jahren  beschäfligi  sich  die  deutsche  Kunstwissenschaft, 
die   Formen-   und   Schmucken twiciiehmg-  der   (ioldschniiedewerke,    ihre 
künstlerische  Eigenart,  die  ihrer  Muster  und  deren  Wechselbeziehungen 
festzustellen,  das  Überkommene  zu  sichten. 

Mit  Wenzel  Jamitzer,  dem  seit  seiner  Zeit  bis  heute  der  bedeutendste 
Ruf  folgt,  der  noch  heute  als  der  kunstreichste  deutsche  Goldschmied  des 
i6.  Jahrhunderts  geschätzt  wird,  hat  sich  in  obiger  Beziehung  auffälligerweise, 
das  Werk  von  Bergan  ausgenommen,  die  moderne  Forschung  bisher  weniger 
beschäftigt.  Abgesehen  von  den  Veröffentlichungen  v.  Leitners  in  dem  Jahrbuch 
der  Kunstsammlungen  des  Allerhöchsten  Kaiserhauses  sind  es  meist  vereinzelte, 
aber  nicht  minder  wertvolle  Mitteilungen,  mit  denen  der  alte  Bestand  gelegent- 
lich bereichert  wird.  Die  Anzahl  der  wenigen  erhaltenen  Werke  des  Meisters 
ist  wesentlich  durch  Rosenbergs  Forschungen  bestimmt  und  beschränkt  worden. 
Hierdurch,  wie  durch  erhaltene  Zeichnungen,  so  der  Tafelbrunnen  zu  Basel  und 
Coburg,  des  verscholleneu  Reliquiariums  (Abb.  Bayer.  Gew.-Z.  1890  und  Anz.  f. 
K.  d.  d.  Vorzeit  1877),  ist  die  Beurteilung  des  Jamitzerstiles  wesentlich  ge- 
schärft worden. 

Zur  Vollendung  der  Charakteristik  Jamitzers  ist  demnach  jede  mit  ihm 
zusammenhängende,  künstlerische  Äufserung  bedeutungsvoll,  vorwiegend  seine 
Bethätigung  auf  tlem  Gebiete  des  Kupferstiches. 

Wie  alle  seine  Zunftgenossen  verstand  und  übte  W.  Jamitzer  die  Kupfer- 
stechkunst, Doppelmayr  bestätigt  dies  zum  Überflufs.  Ihre  Technik  hängt  mit 
der  schmueklichen  Fortges'taltung  der  Goldschmiedewerke  innig  zusammen. 
Aber  Jamitzersche  Kupferstiche  oder  Radierungen  waren  bislang  nicht  be- 
kannt. Man  hat  daher  den  Meister  vom  Jahre  lool  mit  ihm  identifizieren  wollen, 
und  Bergau  hat  auch  angenommen,  dafs  Jost  Ammans  Holzschnitte  teilweise  auf 
Jamitzer  zurückgehen  (Hlust.  zu  Rivius).  Doch  i.st  Jost  Amman  genügende 
Selbständigkeit  zuzuschreiben,  und  die  wenig  geistvolle  äufserliche  Behandlung 
der  Strichführung  des  Meisters  von  15ol  stimmt  nicht  mit  der  Jamitzers 
überein.  So  weist  auch  Reimers  (Peter  Flötner,  1890)  berechtigt  das  Urteil 
Bergaus  bezw.  Lichtwarks  zurück,  dafs  der  unbekannte  Meister  vom  Jahre 
1351  (bezw.  1338)  sowie  Solis  die  betreffenden  Blätter  bei  Bergau  a.  a.  0.  nach 
Japiitzers  Zeichnungen  gefertigt  habe,  während  L.  Grüner  ohne  Begründung 
in  seiner  »Dekorativen  Kunst*,  in  welcher  er  die  meisten  der  im  kgl.  Kupfer- 
stichkabinette zu  Dresden  befindlichen  Blätter  des  Meisters  von  1351  (bezw.  1558) 
veröffentlicht,  du  Val  (welchen?  Sebastian?)  als  Erfinder  der  Gefäfse  nennt, 
welche  weit  mehr  zu  Flötner  als  Jamitzer  führen. 

Unter  Jamitzers  erhaltenen  verbürgten  Arbeiten  besitzen  wir  in  dem  Dres- 
dener Astrolabium  (kgl.  mathem.-physik.  Salon  Nr.  201)  eine,  deren  Dekoration 
nur  durch  den  Grabstichel  erfolgt  ist.  Das  von  mir  schon  im  Jahre  1877  im 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  unter  Angabe  des  im  Dresdener 
kgl.  Hauptstaatsarchive  befindlichen,  von  mir  zuerst  aufgefundenen  bezüglichen 
Schreibens  besprochene  Werk,  dann  1885   von   G.  Gurlit  im  Deutschen  Kunst- 


Mitteilung-en  aus  dem  Ji-ernian.  Kat.-Mus.     1891. 


Taf.  II. 


<^cjc>3xric»:,<s>is>(S^d>)(Sia)^s>ai<s. 


(3:><Sc3?CiJ^3^<sS><SC£^v^<:^>gpx!XSgaC°)<^g^C^O 


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0  Wemczzl  '  Camhi  C  Z  E.  B~^    "    (Q 


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Radierung:  von  Wenzel  Jamitzer 

im  kgl.  Kupferstichkabinette  zu  Berlin. 


Mitteilungen  aus  dem  g-erman.  Nat.-Mus.     1891. 


Taf.  III. 


^^(^.m^^)i^^^)5iä!^il3feu^^^gl^^^^^ 


■  £xg)cS(S>(?^ca  <S  c3<?)(j.^  c^o^^t^f'<i^o^)cy)f^^c^c-^)0>i<^^:^ct^(&(.«>bc°vc^ri,vo^f^^ 


gi^^i^;:?i^>^y^W>>>¥^>y^>::^^?<y^^ 


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rybfnM>f^  ps^s-yiw^tiT^ )  y  T 1  "r)"^ 


Radieriinf^  von  Wenzel  Jaiiiitzer 

im  germanischen  Museum. 


—     37     — 

gewerbeblatt  8.  31  veröffentlicht,  ist  bezeichnet  »Durch  Wentzel  jamnitzer 
Goldschmidt  zu  Nürmberg  verfertigt:  MDLXXVIII«.  Die  übrigen,  im  Schreiben 
erwähnten  A)etzlich  Geometrisch  Instrumente«,  welche  Jamitzer  dem  Kurfürsten 
August  zugleich  lieferte,  sind  leider  nicht  mehr  festzustellen.  Diese  figürlichen 
Gravierungen  fertigte  Jamnitzer  demnach  wol  selbst,  während  er  aber,  nach 
eigener  Aussage  im  Vorwort,  die  Stiche  seiner  Perspectiva  corporum  regu- 
larium  von  Jost  Amman  fertigen  liefs. 

Unter  diesen  Umständen  sind  die  hier  in  Original gröfse  wiedergegebenen 
zwei  Radierungen^)  wertvoll,  von  welchen  Nr.  I  auf  Taf.  IJ  länger  bekannt  und 
von  Bergau  als  Titelschmuck  seines  Jamitzer- AVerkes  benutzt,  sich  im  kgl. 
Kupferstichkabinette  zu  Berlin  befindet,  während  Nr.  II  auf  Taf.  III,  seit  wenig 
Jahren  erst  in  den  Besitz  des  Germanischen  Nationalmuseums  zu  Nürnberg 
gelangt,  bisher  nur  den  Wenigsten  bekannt  und  hier  zum  ersten  Mal  veröffent- 
licht wird. 

Beide  Blätter  sind  bis  jetzt  als  Unica  zu  bezeichnen.  Die  Gleichartigkeit 
der  Durchführung  des  Striches,  wie  der  gleiche  Mafsstab  ergeben  zweifellos, 
dafs  beide  von  gleicher  Hand  gefertigt  sind.  Deshalb  ist  die  Verschiedenheit 
in  der  Anordnung  der  Schriftzüge  überhaupt,  wie  der  Schreibweise  des  Meister- 
namens auffällig.  Taf.  II  zeigt  den  Namen  ;)GAMNICZER«,  auf  Taf.  III  lese  ich 
„Jamniczer".  Wer  ist  der  Stecher?  Schon  Nagler  vermutet  für  das  Berliner 
Blatt  mit  Recht  Jamitzer  selbst.  Dem  widerspricht  auch  nicht  die  rein  äufser- 
liche  Verschiedenheit  der  Unterschriften,  da  der  Meister  seinen  Namen  bekannt- 
lich selbst  verschieden  schreibt,  beispielsweise  in  seinem  Testamente:  »Wenntzel 
Jamitzer«,  auf  dem  Dresdener  Astrolabium  »Wentzel  jamnitzer<f.  Trotz  der  ver- 
schiedenen Wahl  der  Schriftzeichen  sind  die  zwei  Blätter  doch  wol  als  Teile 
einer  Folge,  etwa  von  Vorbildern,  aufzufassen. 

Für  die  Bestimmung  der  Blätter  sind  einige  Umstände  geeignet,  deren 
Bedeutiuig  zu  steigern.  Hauiitmalse,  Höheneinteilung,  Hauptgesims,  Glie- 
derungen und  deren  Flächenschmuck  sind  auf  beiden  Blättern  genau  die  gleichen. 
Nur  die  mittleren  Hauptteile  sind  verschieden  ent-worfen.  Die  Blätter  erscheinen 
demnach  als  Studien  des  Künstlers.  Dem  entsprechen  auch  die  überschüisigen 
Linien  auf  dem  Nürnberger  ^Blatte.  Und  doch  wiederum  läfst  das  über  dem 
Stecherzeichen  des  Berliner  befindliche  I  das  Blatt  als  den  Anfang  einer  Folge 
von  Blättern  erscheinen,  je  nachdem  man  I  als  Zahl,  nicht  aber  als  Buchstaben 
(und  was  sollte  er  bedeuten?)  aiiffafst.  Dem  könnte  freilich  entgegenstehen, 
dafs  das  Nürnberger  Blatt  das  Stecherzeichen  überhaupt  nicht  Irägt.  Nagler 
(Monogrammisten)  gibt  das  Zeichen  ungenau  als  'JWC  wieder  und  erklärt  es. 
mit  Übergeluing  von  I,  als  das  eines  Meisters  W,  der  sich  als  (laelator-Ciseleur 
habe  bezeichnen  wollen,  sagt  irrtümlich,  dafs  der  Meister  irrig  Gamniczer  ge- 
nannt würde,  und  BruUiot  (I  Nr.  2(Kllj  das  Zeichen  ungenau  ediert  habe,  welcher 
es  gleich  mir  OWG  =  Wenzel  Gamnitzer  liest.  Ich  meine,  dafs  die  letztere 
Lesung  allein  berechtigt  ist.  Sonach  ist  eine  aufsergewöhnliche  Marke  des 
Künstlers  zu   verzeichnen.     Bemerkenswerter  Weise   geht   aus   Nagler   hervor, 


i)  Beide  Rcprodulilioncn  sind  in  den  AVcrk.ställon  der  Rcichsdriiclvoivi  in  Berlin  her- 
Kesiellt,  und  wir  sijrcclieii  der  Verwaltuii!;  de.s  ka\.  Kupferslielikaltinetles  v.u  Uerlin  iinsoron 
üaiilv  für  die  Gciiehinifcung  der  ISacliliiidiin^  ilires  Sliclics  aus.     Die  Beduklion. 


—    38    — 

dafs  Bnilliot  schon  eine  der  Nürnberger  g-leiche  Radierung  kannte,  falls  nicht 
die  Nlirnberg-er  selbst,  so  inüfste  der  Beg-riff  Unicum^)  für  dieselbe  fallen. 

Hut  die  Forschung-  durch  das  Nürnberger  Blatt  eine  Bereicherung  für 
.laniitzers  SchalToi)  /u  verzeichnen,  so  sind  die  beiden  Blätter  auCser  dem 
Interesse  ihrer  Herslelkingsweise  noch  von  weiterer  künstlerischer  Bedeutung- 
Beide  stehen  mit  zwei  Kunstwerken  des  Grünen  Gewölbes  zu  Dresden  in  Ver- 
l)indung  und  diese  gleichfalls  mit  Jamitzer. 

Die  genannte  Sammlung  bewahrt  im  Silberzimmer  unter  Nr.  115  einen 
Schmuckkasten,  welchen  der  Katalog  als  Arbeit  Wenzel  Jamitzers  vom  Jahre 
lo(5J)  bezeichnet  und  welcher  im  Jahre  1595  in  die  hiesige  Kunstkaramer  ge- 
langte. Die  äufsere  Dekoration  desselben  entspricht  in  ihren  Hauptteilen  der 
Seitendekoration,  den  mit  Säulchen  geschmückten  Vorsprüngen,  wie  schon 
Bergan  a.  a.  0.  sagt,  dem  Berliner  Blatte.  Dieses  Dekorationsmotiv  steht  unter 
der  Einwirkung  oberitalienischer  Vorbilder,  wie  solche  in  mehreren  damals 
verbreiteten  Kunstbüchern,  so  in  Serlios  Regeln  der  Architektur  enthalten  sind. 
Dieses  zuerst  von  Peter  Goecke  in  das  Holländische  übertragene  Werk  wurde 
ja  durch  die  bekannte  deutsche  Übersetzung  vom  Jahre  1542  von  bedeutendem 
Einllusse  auf  die  deutschen  Goldschmiede.  Unwesentliche  Abweichungen  aus- 
genommen bezüglich  des  Schmuckes  der  Säulenschäfte,  der  durch  Putten  er- 
setzten weiblichen  Zwickeltiguren  und  des  Untersatzes  tragen  die  genannten 
Teile  des  Kastens  genau  gleiche  Verhältnisse  und  Gliederungen.  Am  auffallendsten 
äufsert  sich  die  Ähnlichkeit  mit  in  dem  beiden  gemeinschaftlichen,  triglyphierten 
Hauptgesimse.  Den  Triglyphenschmuck  benutzte  bekanntlich  W  Jamitzer  mit 
Vorliebe  (vgl.  seinen  Pokal  im  Besitze  des  deutschen  Kaisers,  zwischen  1562—72 
gearbeitet).  Mit  verbürgten  Arbeiten  Jamitzers  hat  der  Kasten  ferner  die  freien, 
gegossenen  Figuren  von  Heupferden,  Eidechsen,  sowie  den  freien  Pflanzen- 
schmuck gemein.  Auch  Charakter  und  Ausführung  der  den  Kasten  bekrönen- 
den weiblichen  Figur  entspricht  den  an  Jamitzers  Werken  befindlichen  Figuren. 
Doch  all  das  Aufgeführte  genügt  nicht  allein,  die  Urheberschaft  Jamitzers  zu 
begründen  im  Hinblick  auf  die  damaligen  arbeitlichen  und  künstlerischen  Ver- 
hältnisse, die  Wechselwirkungen  und  das  gemeinschaftliche  Benützen  von  Mo- 
dellen der  Nürnberger  Goldschmiede,  wie  den  einheitlichen  Zug  ihrer  Arbeiten. 
Für  die  Urheberschaft  eines  anderen  Künstlers  als  Jamitzers  erscheint  von 
charakteristischer  Wichtigkeit  das  Fehlen  der  zwei  Triglyphen  der  Bogen- 
umrahmung  und  des  kleinen,  gleichfalls  triglyphierten  Untersatzes  in  der  Nische. 
Jamitzer  würde  beides  bei  der  Ausführung  schwerlich  aufgegeben  haben.  Die 
Jamitzer-Radierung  scheint  sonst  von  einem  anderen  Künstler  als  Vorbild  be- 
nützt zu  sein.  Aber  auch  die  künstlerische  Behandlung  der  aufgelegten  reichen 
Zierrate  spricht  weniger  für  Jamitzer  als  für  T.  Hoffniann,  den  Mitarbeiter  des 
berühmten  Nürnberger  Goldschmiedes  Krenberger.  In  der  That  trägt  auch  die 
innere  Silberbeklcidung  des  Kastens  Hoff'manns  Marke,  im  Übrigen  ermangelt 
der  Kasten  Jedes  Zeichens.  Nachweisbar  ist  demnach  die  Urheberschaft  Jamitzers 
keineswegs.    Auch  der   Umstand,    dafs    die  Fufsleiste   des  Kastens   unmittelbar 


2)  WähreiuJ  des  Druckes  sdireibt  uiir  die  lledaklion,  diiCs  das  Nürnberger  Blatt  von 
einem  Händler  zu  München  erworben  wurde.  Da  Brulliot  in  München  lebte,  mag  ihm 
gerade  dieses  Blatt  vorgelegen  haben  und  wäre  dann  sicher  als  Unicum  zu  bezeichnen. 


—    39    — 

seinen  Charakter  träg't,  bestätig-t  nur,  dafs  Jamitzer  gelegentlich  seine  Modelle 
an  andere  abgab. 

Das  Nürnberger  Blatt  auf  Taf.  III  unterscheidet  sich  von  dem  Berliner 
durch  Verzicht  auf  Architektur  und  zeigt  gröfsere  Einfachheit.  Den  Mittelteil 
bildet  ein  Rahmenwerk  mit  energischer  edler  Kartuschierung  und  dem  bezeich- 
nenden Schmucke  der  zwei  Löwenköpfchen.  Der  Entwurf  äufsert  gegenüber 
Taf.  II  mehr  selbständige  deutsche  Art,  auch  im  Schmucke  der  Brüstung.  Die 
Moreske  des  Fufses  haben  beide  Blätter  genau  gemein,  desgleichen,  wie  schon 
gesagt,  die  triglyphierte  Bekrönuug.  welche  hier  freilich  wenig  gelungen,  mit 
dem  Rahmenstück  verbunden  ist. 

Bei  dem  besprochenen  Schmuckkasten  ist  die  Hängeplatte  der  Bekrönung, 
abweichend  von  beiden  Blättern ,  mit  einem  erhobenen  Kreisfriese  verziert, 
während  die  einfache,  den  Blättern  genau  entsprechende  Bekrönung  an  einem 
zweiten  im  Grünen  Gewölbe  zu  Dresden  befludlichen  Schmuckkasten  vorhanden 
ist  (Nr.  163  Pretiosensaal),  welchen  der  Katalog  als  Arbeit  Jamitzers  vom  Jahre 
1S62  aufführt,  dessen  Marke  er  trägt.  Nach  dem  Inventare  der  kurf.  Kunst- 
kammer vom  Jahre  1640  (vergl.  Katalog  d.  Gr.  Gew.  S.  118)  enthielt  der  Kasten 
ein  Tintenfafs  und  Streusandbüchslein,  diente  also  wol  als  Schreibzeug.  Dem- 
nach erscheint  der  Kasten  fast  identisch  mit  dem  »silbern  Schreibzeug«,  über 
welches  Kurfürst  August  am  li.  Dezember  1580  an  seinen  in  Nürnberg  weilen- 
den Leipziger  Hausvoigt  von  Dehn  (vergl.  den  oben  angef.  Aufsatz  Kuustgew.- 
Blatt  1885,  S.  51)  schreibt,  dafs  Jamitzer  es  »wiederumb  verneuerte«.  Von  dem 
erstbesprochenen  Kasten  unterscheidet  sich  dieser  durch  gröfsere  Einfachheit 
bedeutsam.  Beide  sind  aber  wiederum  verbunden  durch  die  edlen,  sie  bekrönen- 
den weiblichen  Figuren.  Ihre  durchaus  gleiche  künstlerische  Art  und  Hoheit 
teilen  sie  aber  auch  mit  der  Figur  am  Merkeischen  Tafelaufsatze  W.  Jamitzers 
und  mit  den  beiden  als  Trinkgeschirre  zu  benützenden  Daphnefiguren.  Von 
diesen  trägt  die  (Abb.  Kunstgew.-Blatt  1887,  S.  Sii)  im  Besitze  der  Baronin 
Salomon  Rothschild  zu  Paris  Wenzel  Jamitzers  Zeichen,  die  Dresdener  (Grünes 
Gewölbe,  Silberzimmer  Nr.  260)  aber  Albrecht  Jamitzers  Zeichen.  Ob  ein  Dritter 
der  Künstler  dieser  seltenen  Figuren  oder  ob,  wie  ich  vermute,  Albrecht  dieser 
Urheber  ist,  und  ob  er  vorzugsweise  in  dieser  plastischen  Richtung  als  Mit- 
arbeiter seines  Bruders  aufzufassen,  damit  hängt  Wenzels  Verhältnis  zu  ver- 
schiedenen Bildhauern,  wie  -lakob  Strada,  (v.  Schönherr,  W.  Januiitzer  in  Mit- 
theil, d.  k.  k.  Inslit.  f.  ö.  Gesch.  XI,  Heft  2)  zusammen,  doch  wäre  dies  erst 
durch  weitere  Forschungen  nachzuweisen. 

Dresden.  R.  Steche. 


Zur  Ocscliiclite  <t<T  (ilasiiidiistric  im  Spossart. 

ie  Nachrichten  ühcr  (he  Geschichte  diT  (iiasiabrikalioii  im  Spessart 
lliefsen  bis  jetzt  nur  sehr  spärlich.  Uns  sind  nui'  die  von  WiolamP) 
^J  mitgeteilten  Regesten  bekannt,  (hirunler  aUcrdings  (li(>  wicht  ige  Mit- 
teilung über  die  am  23. 'lull  \M){]  erfolgte  Aufrichtung  einer  <'i(|iiiuig  aller 
Glaser  (d.  i.  Glasmacher)  auf  um!  um  den  S[)essart  vor  ihrem  Herrn  dem  Grafen 
Ludwig  V.  Rieneck;    dann    die  kurze  Notiz    bei    Lobmayer'*),    tlal's   im   Spessart 

1)  Archiv  d.  liisl.  Ven'iiics  v.  üiilerrraiiiu'ü  u.  A.NcluilVciiljui-ji;  13(1.  XX,  S.  263,.S-22.3"27u.3oG. 

2)  Die  Glasindiisirie,  ilire  Gcsiiiiclitc  de.     Slultguii  1874.    S.  111. 


—     40     — 

1502  weifses  Glas  in  einer  dem  Grafen  Reiniiard  v.  Reineck  (soll  heifsen: 
Rieneck)  zu  Rappersborn  bei  Franimersbach  g-ehörigen  Hütte  gemacht  wurde, 
welche  gegen  25  Gulden  jährlich  verpachtet  war.  Da  jeder  Beitrag  will- 
kommen sein  dürfte,  der  Licht  auf  die  Geschichte  dieser  Industrie  in  dem  ge- 
nannten Waldgebirge  wirft,  so  geben  wir  nachstehend  den  Inhalt  einiger 
Aktenstücke  iui  Archive  des  germanischen  Museums  (Acta,  Gewerbe-  und 
Handwerke  in  Franken  betr.,  1502—1596)  wieder,   welche  sich  darauf  beziehen. 

Das  erste  Stück  ist  undatiert  und  ohne  Adresse;  aber  offenbar  ent- 
weder an  den  Grafen  Reinhard  v.  Rieneck  (1497 — 1518)  oder  an  den  Grafen 
Philipp  V.  Rieneck  (1518—1559),  den  letzten  seines  Geschlechtes,  gerichtet. 
In  demselben  ersucht  der  Leibangehörige  Balthasar  Wentzel,  Inwohner  zu 
Franimersbach,  den  freigewordenen  vierten  Teil  der  Glashütte,  genannt  die 
Raupertshütten^),  deren  übrige  drei  Teile  seine  Brüder  Conz,  Endres  und  Jakob 
inue  haben,  ihm  zu  verleihen.  Von  Interesse  ist  der  Eigenname  «Wentzel^, 
der  vielleicht  auf  den  böhmischen  Ursprung  dieser  Glasmacherfamilie  deutet, 
bei  welcher  der  aus  der  ursprünglichen  Heimat  gebrachte  Taufname  in  der 
neuen  zum  Familiennamen  geworden  sein  mag. 

Aus  den  beiden  anderen  Schriftstücken,  dem  Jahre  1516  angehörend,  geht 
hervor,  dafs  die  Glasmacher  auf  dem  Spessart  zu  dieser  Zeit  noch  im  Besitze 
einer  Ordnung,  vielleicht  noch  der  am  23.  Juli  1406  aufgerichteten,  waren. 
Das  eine  Schreiben  ist  von  Hans  von  Stotternheim,  Amtmann  zu  Lohr,  an  Graf 
Reinhard  zu  Ryueck,  Vizthum  zu  Aschaffenburg,  gerichtet.  Er  schreibt,  dafs 
er  zu  Frammersbach  gewesen,  avo  ihn  Hoff  Glas  von  wegen  seines  verstorbenen 
Bruders  Hoff  Contzs  Söhne  vorgestellt  habe,  dafs  sie  sich  »vntherstehen  glaser 
zu  werden  als  sie  dan  solche  macht  von  jrera  vatter  Hoff  Gonntzen  haben^f, 
ihre  »Alitgleser«  sie  aber  nicht  zulassen  wollen,  da  ihr  Vater  selig  einen  Tag 
»als  vff  pfingst  montag  zum  Bechlefs«  nicht  besucht,  was  sich  aber  nicht  be- 
linden würde.  Der  Graf  möge  schreiben  lassen,  damit  sie  am  künftigen  Ptlngst- 
montag  auch  zugelassen  werden.  Hans  v.  Stotternheim  fragt  ferner,  wie  er 
sich  gegen  Gonntzen  Weyganten  zu  Frammersbach;  der  zu  einem  Obmanne  ge- 
setzt ist,  halten  solle. 

Das  letzte  Stück  ist  das  Konzept  eines  Schreibens  des  Grafen  Reinhard  zu 
Rieneck  an  den  Forstmeister  auf  dem  Spessart.  Dasselbe  lautet:  ;)Nachdem  die 
glesser  vlfm  Spechssart  etlich  Ordnung  vnndgerechtigkeit  haben,  welche  sie  szo  es 
die  notturft  ersheischt,  vff  dem  Spechssart  vffm  Bechlicz  jn  bey  sein  eins  forst- 
meisters  vnnd  der  vnnsernn  geschickten  vff  den  plingstmontag  anzeigen.  Do- 
neben szo  sich  gebrechen  zwuschen  den  glesern  des  bundts  erhalten,  ist  von 
alther  herkomen  das  meister  vnnd  gesellen  der  glafsner  einen  vff  sein  ansuchen, 
aus  crafft  des  bundtsrechts  zuuerhelffeu  schuldig  seyn.«  Der  Überbringer 
des  Briefes,  vielleicht  ein  Sohn  des  obenerwähnten  Hoff  Conntz,  hatte  eine  Be- 
schwerung, deshalb  sollte  der  Forstmeister  die  ^»gleßer«  einberufen,  der  Ver- 
sanuulung  beiwohnen  und  auch  der  Graf  wollte  Jemand  dazu  senden.  Dem 
Kläger  hatte  er  »gleidt  für  gewalt  vnnd  nit  für  recht  vff  die  zeit  zugesagt.« 
Es  wäre  erfreulich,  wenn  diese  Mitteilungen  Veranlassung  zur  Auftindung  der 
so  frühen,  sicher  nicht  uninteressanten  Ordnung  der  Glasmacher  auf  dem 
Spessart  geben  würden. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 

.S)  Ruppertshütien  im  A.-G.  Lohr. 


—     41     — 

Ein  rheiiiisclicr  Stollciischraiik  des  IG.  Jahrliiiiidorts. 

enn  auch  das  g-ermaniscbe  Museum  in  deu  letzten  zwanziii'  Jahren,  erst 
im  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit,  dann  in  den  Mitteilungen 
aus  dem  germanischen  ]\Iuseum,  so  manches  Werk  verütrentlicht  hat, 
welches  seine  Sammlung-en  ziert,  so  wird  es  doch  noch  einige  Jahrzehnte  nötig 
haben,  um  damit  zum  Ende  zu  gelangen,  selbst  wenn  es  sich  auch  nur  auf  das 
beschränkt,  was  als  das  wichtigste  gilt.  Aber  unser  Blatt  hat  auch  nur  den 
Kreis  der  eigenen  Freunde  des  Museums,  und  deshalb  gelangt  nicht  alles,  was  wir 
verötfentlichen,  in  die  Hände  aller  Jener,  welchen  es  nützlich  sein  könnte.  Es 
ist  daher  erfreulich,  dafs  auch  von  anderen  Seiten  manches  veröffentlicht  wird, 
das  sich  bei  uns  befindet,  und  dafs  dadurch  auch  andere  beitragen,  unsere  Schätze 
der  Öffentlichkeit  zugängig  zu  machen.  So  hat  in  recht  dankenswerter,  auch 
von  uns  freudig  und  freundlich  begrüfster  Weise  das  bayerische  Gewerbemuseum 
in  Nürnberg  zuerst  in  seiner  Zeitschrift  »Kunst  und  Gewerbetf  und  dann  in  der 
an  deren  Stelle  getretenen  »Bayerischen  Gewerbe-Zeitung«  manches  aus  unseren 
Sammlungen  gebracht.  Da  aber  auch  diese  Zeitschrift  wieder  nur  ihren  eigenen 
Kreis  hat,  und  den  wenigsten  Lesern  dieser  Mitteilungen  zu  Gesichte  konunt, 
da  nur  eben  mitunter  in  den  Fächern  der  Lesezimmer  von  Anstalten,  weU'lie 
mit  unseren  beiden  Museen  in  Tauschverbindung  stehen,'  beide  Zeitschriften 
nebeneinander  liegen,  so  sind  wir  wiederholt  ersucht  worden,  doch  dahin  zu 
wirken,  dafs  auch  die  Leser  unseres  Blattes  Kenntnis  von  jenen  Werken  aus 
unserem  Museum  erhalten,  welche  dort  veröffentlicht  werden  und  die  Freunde 
unserer  Anstalt  auch  interessieren,  weil  sie  eben  uns  gehören.  Wir  möchten 
nun  zwar  in  erster  Linie  unsere  Freunde  darauf  aufmerksam  machen,  wie  viel 
auch  in  der  »Bayerischen  Gewerbe -Zeitung^  überhaupt  an  geschichtlich  inte- 
ressantem Materiale  den  Lesern  geboten  wird,  konunen  aber  auch  den  geäufserten 
Wünschen  um  so  lieber  nach,  als  die  Direktion  des  Gewerbemuseums,  wie  die 
Redaktion  der  Zeitschrift,  gleich  freundlich  sich  bereit  erklärt  haben,  uns 
Cliches  zur  Verfügung  zu  stellen.  Wir  werden  daher  in  nächslcr  Zeil 
manches  bringen  und  führen  heute  unseren  Lesern  einen  Schrank  vor,  welcher 
in  Nr.  16  des  Jahrg.  1890  der  »Bayerischen  Gewerbe-Zeitung«  abgebildet  war. 
Er  ist  von  Schülern  der  hiesigen  Kunstgewcrbeschule  seiner  Zeit  aufgenommen 
und  von  jener  Anstalt  der  Zeitschrift  des  Gewerbemuseums  zur  Verfügung 
gestellt  worden.  Auch  zum  Wiederabdrucke  in  unserem  Blatle  hal  die  kgl. 
Direktion  der  Kunstgcswerbeschule  gerne  zugestimmt,  so  dafs  wir  aurh  ihr 
freundlichst  zu  danken  haben. 

Es  ist  einer  unserer  rheinischen  Sloijciiscliränkr.  welchen  wii-  A<.'u  Lesern 
vorführen.  Wir  liiibcn  \(>n  solchen  Scju'iinken  im  erslen  Uamle  unscrei'  ^lillci- 
lungen  S.  182  und  193  gesprochen  und  weisen  auf  das  durl  gesagte  hin.  Auch 
der  hier  abgebildete  (H.  G.  o;)90)  wunle  seiner  Zeil  von  W.  Abist  in  Ki'An  erwor- 
ben und  nach  dein  Kaufe  V(ui  ihm  reslaurierl.  Kr  zeigl,  gleich  jenen,  noch  ganz 
die  iniltelalleiiiclie  Konsl ruktionsweise  der  (Jegend.  hal  noch  die  gerollten 
Pergamenibläller  in  den  Füllungen  an  der  Seite,  wie  ilie  gotischen  Schränke, 
aber  im  Schnitzwerke  der  Front  ist  reicher  Renaissancestil  zur  Anwendung  ge- 
kommen;  aber  trotz  seines  Reichtums  ist  das  OrnanuMit  steifer  und  härter  als 
bei  den  von  uns  damals  vcröffenllichlen  anderen,  mehr  an  die  Hand  eines  lland- 

Mitteiliiiigcii  aus  dem  germaii.  Natioiiulmuseum.     1801.  ,       VI. 


42 


43 


_    44    — 

werkei-s,  als  eines  Künstlers  erinnermi.  wenn  auch  der  Zeichnung  ein  künst- 
lerischer (lodanke  tliirchaus  nicht  lehlt.  Es  mag-  vielleicht  vorher  ein  anderer 
Meisler  solch  einen  Schrank  erdacht  und  ausgeführt  halben,  welcher  von  unserem 
Hanihverker  dann  kopiert  worden  ist,  vielleicht  ülter  kopiert,  denn  der  Schutz 
des  geistigen  Kigenlunis  auf  dem  Gebiete  des  Handwerkes  war  ja  damals  noch 
iiiclil  erfunden.  Wie  bei  allen  diesen  Schränken,  so  hat  auch  beim  vorliegen- 
den der  Schlossrrmeister  an  dm  Formen  der  rheinischen  Gotik  festgehalten  und 
in  dieser  seine  Beschläge  gebildet.  Der  Schrank  hat  in  seinem  oberen  Teile, 
beim  Thürchen  gemessen,  eine  lireite  von  89cm.  bei  einer  Tiefe  von  49,3cm. 
Die  Höhe  beti-ägt  L48m.  Einzelne  Ornamentmotive  deuten  darauf  hin,  dafs 
er  nicht  zu  ilcii  jüngsten  dieser  Schränke  gehört  und  wol  um  1550— loGO  ent- 
standen is(. 

N  ii  r  n  b  e  r  g.  A.  v.  E  s  s  e  n  w  e  i  n. 


riiillVicite  BrH'fc  aus  <lcr  7At  des  Rcgeiisbiirgcr  Ucichstags  von  1041. 

3  as  germanische  National museuni  besitzt  zwei  interessante,  gröfsten teils 
chilTrierte  Schriftstücke  aus  der  letzten  Zeit  des  dreifsigjährigen  Krieges, 
deren  Abdruck  bei  der  Bedeutsamkeit  ihrer  Beziehungen  zu  den  mit 
dem  Nürnberger  Kurfürstentag  neu  eröffneten  Friedensverhandlungen  i)  an- 
gebracht sein  dürfte.  Während  der  erste  Brief  sich  fast  ausschliefslich  mit  dem 
»hochnotwendigen  Friedenswerkh«  beschäftigt,  gibt  uns  der  jüngere  aufsertlem 
bemerkenswerte  Aufschlüsse  über  die  derzeitigen  Verhältnisse  auf  dem  nord- 
deutschen Kriegsschauplätze. 

Der  wichtigste  und  umfangreichste,  vom  G.  März  1641,  ist  ein  Stück  aus 
der,  wie  aus  dem  Eingange  hervorgeht,  ziemlich  lebhaften  Korrespondenz 
der  Kurfürsten  Maximilian  I.  von  Bayern  und  Anselm  Kasimir  von  Mainz.  Er 
klärt  uns  über  einen  wichtigen  Teil  der  Friedensverhandlungen,  insbesondere 
über  den  damaligen  Stand  der  sogen.  Amnestiefrage  auf,  die  die  Aussöhnung 
derjenigen  Reichsstände  zum  Gegenstand  hat,  »welche  der  Kaiser,  die  im  Prager 
Nebenrecefs  vorbehaltcnen  Befugnisse  ausdehnend,  von  der  im  Prager  Frieden 
gewährten  Amnestie  ausschlofs«  2).  Maximilian  war  schon  auf  dem  Nürn- 
berger Kurfürstentage  »durch  das  Gefühl  der  Unsicherheit  im  Besitze  der  Kur- 
würde zur  Rücksichtnahme  auf  die  beiden  protestantischen  Kurfürsten  genö- 
tigt« 3)  und,  so  dürfen  wir  im  Hinblicke  auf  unser  Schriftstück  hinzufügen, 
von  aufrichtiger  Friedenssehnsucht  erfüllt,  für  eine  weitgehende  Amnestie  ein- 
getreten. Auf  dem  Regensburger  Reichstage  haben  dann  seine  Gesandten  im 
Vereine  mit  Köln,  Brandenburg  und  Sachsen  einen  dahingehenden  Majoritäts- 
beschlufs  gefafst,  zu  dessen  Unterstützung  Maximilian  den  Erzbischof  in  dem 
uns  vorliegenden  Briefe  zu  bestimmen  sucht.  Die  zweideutige  Politik  des 
Mainzers,    der  einerseits   »die  Gröfse  der  von  Frankreich  drohenden  Gefahr  so 


1)  Vgl.  über  die  YorliaiKlluiigen  zu  Nürnberg  und  I{ei;ensburg:  Brockhaus,  der  Kiir- 
fürstcntag  zu  Kürnberg  hu  Jahre  1640.  Leipzig  1883.  Theatr.  Europ.  lY,  S.  296  ff.  Ver- 
handlung über  die  Amnestie  Oktober  1640  ebendas.  S.  327,  Januar  1641  S.  398  ü". 

2)  Brockhaus,  a.  a.  0.  S.  110. 

3)  S.  264. 


—    43    — 

gut  erkannte,  wie  der  bayrische  Kurfürst«,  andererseits  den  Grundsatz  ver- 
folgte, »nichts,  was  irgend  das  JMifsfallen  des  Kaisers  erregen  könnte«*),  zu 
thun,  findet  sprechenden  Ausdruck  in  der  von  Maximilian  getadelten  zweideu- 
tigen Instruktion  der  kurmainzischen  Reichstagsgesandten,  um  deren  Korrektur 
er  im  Interesse  des  »hochnotwendigen  Friedenswerkhs«  dringend  ersucht.  Der 
Rest  des  Schrittstückes  bietet  nichts  Bemerkenswertes. 

Auch  der  zweite  Brief,  den  der  kaiserliche  Kommandant  des  belagerten 
Wolfenbüttel,  Oberst  Freiherr  von  Rauschenberg,  an  Anselm  Kasimir  s)  richtet, 
bezieht  sich  in  seinem  Hauptteile  auf  die  Friedensverhandlungen,  die  durch 
den  im  Jahre  1640  erfolgten  Anschlufs  Hessen -Kassels  und  Braunschweigs  an 
die  Schweden  und  Franzosen  jede  Aussicht  auf  Erfolg  verloren  zu  haben  schie- 
nen. Als  Hauptgründe  des  Bündnisses  mit  Schweden  gab  der  Braunschweigi- 
sche Gesandte  beim  Nürnberger  Kurfürstentage  an :  »die  Verzögerung  des 
Reichstages  am  Kaiserhofe,  ferner  Drohungen,  die,  wie  versichert  wurde,  von 
dort  gegen  das  Haus  Braunsehweig  ausgegangen  seien,  sowie  den  Heran- 
marsch der  streitenden  Armeen  und  die  Vorenthaltung  Wolfenbüttels«  ^).  Der 
letztgenannte  Punkt,  in  dem  keine  der  beiden  Parteien  nachgeben  wollte,  bil- 
dete das  Haupthindernis  eines  günstigen  Abschlusses  der  Verhandlungen  mit  dem 
Kaiser''),  die  trotz  des  Kriegszustandes  nie  abgebrochen  worden  waren.  Man  hoffte 
noch  immer  beim  Reichstage,  sämtliche  Stände  unter  sich  und  mit  dem  Kaiser 
aussöhnen  zu  können,  um  dann  mit  vereinten  Kräften  die  Fremden  aus  dem 
Lande  zu  werfen.  Auch  nach  dem  Tode  Herzog  Georgs  (xVpril  1641)  erlitten 
die  Verhandlungen  keine  Unterbrechung.  Aber  der  Kaiser  wollte  AVolfenbüttel, 
das  von  Oberst  Rauschenberg  besetzt  gehalten  wurde,  und  das  ihm  als  wich- 
tigster Stützpunkt  in  Norddeutschland  diente,  nicht  aufgeben,  während  die 
Herzöge  nichts  von  einem  Frieden  wissen  wollten,  der  ihnen  die  Stadt  vor- 
enthielt. Ein  eigenes  Verhältnis!  Die  Lüneburger  berannten  AVolfenbüttel, 
verhandelten  aber  zugleich  mit  dem  Kaiser  wegen  ihres  Anschlusses  an  den 
Prager  Frieden  und  wollten  von  einer  Vereinigung  mit  ihren  herannahenden 
Bundesgenossen  nichts  wissen,  betrieben  sogar  eifrig  deren  Entfernung,  um  ihr 
Land  von  der  drückenden  Eimjuartierung  zu  befreien  und  die  anmarschierende 
kaiserliche  Entsatzarmee  abzulenken.  Piccolomini  dagegen ,  der  Befehlshaber 
der  letzteren,  befahl,  das  Braunschweigische  Land  möglichst  zu  schonen,  um 
die  Herzöge  nicht  den  Schweden  in  die  Arme  zu  treiben.  Die  Fintscheidung, 
vor  der  die  Lüneburger  jetzt  standen,  da  einerseits  die  Schweden  und  Weima- 
raner  bis  auf  ca.  2  Meilen  an  Wolfenbüttel  herangerückt  waren,  andererseits 
die  kaiserliche  Armee,  jetzt  unter  dem  Kommando  des  herbeigeeilten  Erzherzogs 
Leopold  Wilhelm  stehend,  eine  Schlacht  herbeiführen  zu  wollen  schien, 
konnte,  wie  ja  auch  Hauschenberg  voraussieht,  niclil  zweifclhalt  sein.  Sie 
waren  zu  eng  niil  den  Verbündeten  »eingenochten«.  um  plötzlicli  ins  andere 
Lager  überzugehen,  »es  seye  denn",  —  und  daran  wai-  nicht  zu  denken  — 
»da(5    alles   nach    ihrem    wuntsch   und   wilen    placidirL   werde«.     Rauschenberg, 

4)  Brockhaus  a.  a.  0.  S.  264. 

5)  Die  Übcreinstiuiniung  der  Sclirill  ilrc  Aiiriösiinsjeii    in    licidcii  HridVii  läfsl   mit   Hi-- 
stinimlhoit  selilicf.scii,  dals  .sie  beide  iiii  dieselbe  Adresse  gerichlet  sind. 

6j  Brockhaus  a.  a.  0.  S.  :2I'i. 

7)  Vgl.  darüber  Thcalr.  Jiurui).  IV.  Ö.  597  IT. 


—    46    — 

ein  orbiüerler  Feind  der  Braunschvveigcr  Fürsten 8),  verhüll  sich  im  vorliejj;en- 
(icii  Briefe  ihren  Anerbietungen  g-cg-enüber  durchaus  skeptisch.  In  versteckter 
Weise  beschwert  er  sich  (hirüber,  (hifs  er,  der  doch  mit  den  Verhältnissen  und 
StrünuiMii'en  vertniut  ist,  vom  Grafen  Piecoloniini  ohne  Nachricht  über  die 
schwchcndon  Vorhandlung-en  g-classen  wird,  und  warnt  zugleich  den  Empfänger 
des  Schreibons,  etwas  auf  die  Zusicherungen  der  Braunschweig^er  zu  gelten, 
die,  Avenn  sie  auch  wollten,  den  Gang-  der  Ereignisse  nicht  mehr  aufhalten 
kruuiten.  Die  Nachrichten  am  Schlüsse  des  l')rit'fes  beziehen  sich  auf  die  Be- 
wegungen der  feindlichen  Armeen  vor  Wolfenbüttel  und  auf  die  Lage  der  be- 
rannten Festung.  Zur  Z(Mt,  als  Oberst  Rauschenberg  aus  den  Berichten  der 
schwedischen  Gefangenen  auf  eine  Konjunkiion  der  Schweden  und  Lüneburger 
schlofs,  war  dieselbe  bereits  erfolgt").  Wenige  Tage  später  erschienen  von 
verschiedeneu  Seiten  Kaiserliche  sowol ,  wie  Schweden,  Lüneburger  und  Wei- 
maraner  vor  der  Stadt.  Es  kam  zu  einer  blutigen  Schlacht,  die  vorerst  die 
Hessen  und  Lüneburger  wieder  enger  an  die  Schweden  knüpfte.  Allein  schon 
wenige  Wochen  später  wurden  von  selten  der  letzteren  die  Verhandlungen 
wieder  aufgenommen,  die  zum  vorläuligen  Abschlufs  vom  16.  Januar  1642  und 
endlich  zum  Hauptrecefs  vom  16.  April  desselben  Jahres  führten,  durch  den 
Hraunschweig  unter  den  günstigsten  Bedingungen  dem  Prager  Frieden  beitrat. 
Lim  die  Richtigkeit  der  Auflösung,  die  von  einer  otl'enbar  gleichzeitigen 
Hand ,  etwa  der  eines  Kurmainzischen  Kanzlisten ,  auf  dem  Rande  der  Schrift- 
stücke niedergeschrieben  ist,  zu  kontrollieren,  war  es  nötig,  den  Schlüssel  der 
Geheimschrift  aufzusuchen.  Die  Vermutung,  dafs  sich  derselbe  in  München, 
wo  doch  der  erste  Brief  in  der  kurfürstlichen  Kanzlei  verfafst  wurde,  finden 
müsse,  bestätigte  sich  nicht.  Unleserliche  ZilTern  und  die  im  Briefe  Maximilians 
häufig  angewendeten  Abkürzungen  erschwerten  die  Aufgabe.  In  der  Voraus- 
setzuiig,  dafs  beide  Geheimschriften  nicht  nur  einmal  gebraucht  wurden,  und 
dafs  vielleicht  ihre  Auflösung  späteren  Bearbeitern  der  Geschichte  jener  Zeit  von 
einigem  Nutzen  sein  könnte,  geben  wir  in  folgendem  die  gefundenen  Schlüssel. 


Schlüssel  zur  Geheimschrift  des  Briefes  vom  16.  März  1641. 


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46^«)            X     56 

und 

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zur 

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[ft  des  Briefes  vom 

12. 

Juui  1641. 

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23 

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25          26          27 

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9  10-) 

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164 


8)  s.   die   KoiTcsi)ondenz   clor  Herzögt',    mit    dem   Kaiser    und    llauschejiberg    und    die 
Briefe  des  letzteren.    Tlieatr.  Europ.  IV,  S.  273  ff. 

9)  Thealr.  Europ.  S,  399.  10)  Kommt  Jiicht  vor. 


—     47     — 

Interpunktionszeichen  fehlen.  Die  Abkürzungen  im  ersten  Briefe  werden 
angedeutet  durch  einen  Punkt  über  den  betreffenden  Ziffern,  die  Verdoppelungen 
in  beiden  Briefen  durch  einen  wagerechten  Strich  über  den  Ziffern.  Letztere 
Abkürzungsart  findet  auch  dann  Verwendung,  wenn  von  zwei  aufeinander- 
folgenden AYorten  das  erste  mit  demselben  Buchstaben  endet,  mit  dem  das 
zweite  beginnt,  z.  B. 

34    12    48    34    30     18    4Ö"   34    32 

—      .       ,    =  übrigen  nit 
ü      b      r      1       g      e      n      1       t 

Offenbar  bedeutungslos  sind  gewisse  Zeichen  (9  9  und  Z  9  Z  Z  Z  *.))  die 
sich  an  zwei  Stellen  des  kurfürstlichen  Briefes  finden.  Sie  dienen  einmal  zum 
Verdecken  falsch  geschriebener  Ziffern,  das  andere  mal  zur  Ausfüllung  der 
Zeile. 

Die  AufliJsung  der  Geheimschriften  ergab,  dafs  der  erste  Entzifferer  in 
vieler  Hinsicht  sehr  obernächlich  verfuhr:  Änderungen  in  der  Orthographie 
Auslassungen,  Mifsverständnisse,  Kürzungen  und  eigenmächtige  Zusätze  machten 
eine  erneute,  genauere  Auflüsung  erforderlich,  deren  Resultate  wir  im  folgenden 
zum  Abdrucke  bringen. 

I.  Brief  des   Kurfürsten   Maximilian  I.    von    Bayern    an   Erzbischof 
Anselm  Kasimir  von  Mainz  vom  ß.  März   1641. 

Unser  freundtlich  Dienst,  auch  was  Wir  mehr  Liebs  vnd  guels  |  vermögen 
alzeit  zuuor,  hochwirdiger  in  Gott  Vatter,  besonder  1  lieber  Freund,  j 

Daß  E.  L.  all  Unser  schreiben  (sonderlich  aber  daß  vom  30.  Januarij 
I  negsthin)  biß  dato  zurecht  erhalten,  daß  haben  wir  auß  dero  |  selben  schreiben 
vnderm  21.  negstverwichnen  monats  februarij  |  gern  vernommen.  Vnß  seindt 
seithero  die  Irige  alle  zumal,  ausser  1  daß  so  wir  vnderm  dato  den  7.  erstermei- 
ten  monats  Februarij  |  erwartet,  wol  vberbracht  worden;  Ob  nun  solches  von  dem 
I  Feindt  vnderwegs  intercepirt  und  aufgefangen,  oder  sonsten  |  bei  den  Posten 
anderwegs  verlohren  worden,  stet  zuerwarten. 

(Das  Folgende  ist  chiffriert.    Die  ersten  Zeilen  geben  wir  zur  Probe 

mit  den  Chiffern.) 

43230 18 34401  (5327834403438341 2483430 184034 32  78  18 4034  130 1848 
V  II  (I   sein    d    t  w    i    r    i  m  v  b  r    i    g    e    ii    n    i    t    w    e  n  i     g    e    r 

1  0  3  4  1  4  3  2  3  8  3  4  3  2  1  (i  4 1  6  1  8  4  8  3  8  1  0  3  4  4  0  3  4  4  0  3  0  1  8  3  0  4  0 1  8  §1?  1 1  8  4  0 
a    u     c    h    m    i     t    E.  \i.   d    e    r    m    a     i    n    u    n    g    e     s    n    e  mm     e    n 

die  geferligkeiten  im  heyl.  |  rrm).  I^cich,  wie  guete  vertröstun  |  g  man  auch 
dessetwegen  an  einem  vnd  an  |  dein  Ofl  geben  will,  derzeit  gar  iiil  |  aii. 
sondern  von  tag  zue  tag  nur  mehrers  |  zue  vnd  zwar  dergestallcn  vber- 
handt,  |  daß  wo  nit  bakll  darzue  gcthon  wirdt,  |  lesllicii  (zulotzl)  wcdtM' 
rhat  noch  hilf  vbr  i  ih  (sl.  vi)rig)  '^)  sein  werde.  Inmassen  sich  dan  der 
I  feindt  diser  winterlicher  Zeit  |  sohdiergeslallen  bedient  und  ein  |  es  WnWs 
nach  dem  andern  sich  be  |  mechligt^-),  daß,  wo  nit  andere  crspri  |  esliche  miltcl 
vnd    eilfertige   Verfassungen    auf  das   allerschlciinigi  |  s(  ergriffen  werden,    wir 

11)  verchricbcn  32  stall  rlü,  li  sl.  t;-. 

12)  Gesc]iriclj(Mi  kurz  nach  Bauers  Regensburgcr  Üborrull. 


—    48    — 

wol  die  b  I  eisorg-  (Sorge,  Besorgnis)  tragen,  er,  der  feindt,  werde  |  aus  deine 
anjozo  geCasten  avantage  |  nit  so  leichtlichen  wideruniben  zue  |  treiben  sein, 
sondern  wol  olicnder  \  das  ganze  heyl.  röni.  Reich  in  ent  |  liehe  combustion, 
rnin  viul  vndergang  |  gestirzet  werden  niiessen.  Dahero  |  dan  und  weil  sich 
anderer  orth  \  en  neue  gefahrn  anspinnen,  vnd  wie  man  |  jezt  am  Rhein  und  in 
Wirllenberg  er  |  fahren  thuet.  schon  allbereit  herau  ]  sbrechen ^•'')  vnd  vber- 
handt  neiTien,  vmb  so  |  vil  mehrers  dahin  zue  trachten,  wie  |  das  innerliche 
mistrauiMi  drr  gesa  |  mbten  stendten  des  heyl.  Reichs  doch  |  einisl  iiufgehebt, 
die  gemieter  wi  |  derumben  genoilien  vnd  dadurch  das  alte  |  teutsche  vertrauen 
wideruniben  r  1  educirt  (zurückgeführt)  vnd  damit  auf  das  vvenigist  |  die  inner- 
liche ruelie  zucwegen  gebra  |  cht  vnd  erhalten  werden  mechte.  Dan  es  |  ist  je 
gewis  vnd  gibts  die  erfahrung  I  nur  gar  zue  vil,  daß  auf  der  auswerti  ;  gen  Poten- 
taten vnd  Comunen  hilf  vnd  |  raht  gar  nit  zue  gehn ,  sondern  daß  sei  |  bige 
vilmer  auf  eignes  Interesse  |  das  absechen  haben  vnd  ihnen  der  st  |  endt 
im  n'iiii.  Reich  alzuevil  vberhand  |  genomens  mistrauen  vnd  dissension  |  zue 
ihrem  vortl  wol  wissen  zue  nuz  zue  (m)  ^^)  machen.  Dahero  man  dan  auch 
ursa  I  ch  vber  vrsach  hat  auf  allerlei  mi  |  tl  vnd  weg  sich  zue  bemiehen, 
daß  auch  |  anseilten  (vonseiten)  des  heyl.  röm.  Reichs  vnd  de  |  ro  glidern 
auf  ihr  selbst  eignen  |  nuzen  ohne  alle  fernem  respect  |  vnd  absechen  zielen, 
bevor  aber  dahin  |  trachten ,  wie  der  werte  frieden  du  |  rch  weckrückhung  ^^) 
allerhandt  ve  |  rhindernus  ^^)  doch  einist  erhalt  |  en  vnd  die  von  jedermenigk- 
jich  so  h  I  och  desiderirte  ruehe  vnd  einigke  |  it  widerumben  zuewegen  ge- 
brach I  t  werde.  Wie  denn  E.  L.  sehr  löblich  ge  |  thon  vnd  ir  hierdurch  bei 
der  wer  |  ten  posteritet  nit  einen  gerin  |  gen  nachruemb  machen,  daß  sie 
ihren  |  zue  Regenspurg  anwesenden  räthen  |  in  puncto  amnistiae  gemessnen  i 
bevelch  aufgetragen  haben,  sich  n  |  unmer  demjenigen,  was  bereits  |  in  dem 
churfürstl.  Collegio  von  1  Ghurkülns,  Saxeu  vnd  Brandenb  |  urgs  L.  L.  L.,  wie 
von  Uns  per  maiora  i  geschlossen  vnd  bei  sogestalteu  |  extremitetten  am  dien-, 
räth-  vnd  nüz  [  lichisten  erachtet  worden,  gleik  ]  falls  vnd  allerdings  zue  con- 
formini.  Inmassen  wir  dan  garnit  zw  |  eitlen,  ohnerachtet  wir  erst  bei  |  diser 
ordinari  von  den  Vnsrige  |  n  berichtet  werden,  daß  noch  derzi  |  et  ^'^)  E.  L. 
abgeordnete  vorgeben ,  sie  h  |  ierzue  allein  cum  certis  reservat  |  is  zue  ver- 
stehen vnd  zwar  dieses  nit  pe  |  r  modum  voti,  sondern  allein  discu  |  rsweis 
ein-  vnd  anderorths  zue  erö  |  ffen  (eröffnen),  bevelcht  sein  (seien),  es  werde ^^) 
sei  1  ther  dieser  E.  L.  gemessner  bevelch  |  deroselben  abgeordnete  ohnzwe  1  itlich 
zuekhoiueu  sein,  vnd  sie  dar  |  durch  auch  ihrestheils  dis  so  lan  |  g  gesteckhte 
hochnotwendige  fr  |  iedenswerkh  ,  (Uircli  dessen  weitei'e  |  verlengerung  (Ver- 
zögerung) leichtlicli  ein  di  |  ssolation  des  reichstags  ervolgen  |  mechte,  zue 
befirdern  ihnen  angcl  |  egen  sein  lassen  ^^). 

(Ende  des  chiffrierten  Teiles.) 

13}  heraur  st.  heraus,  48  st.  50.  14)  Aus  Yerselien  das  m  (36)  doppelt  gesofzl. 

IS)  Das  Wort  ist  durcti  Verwochsclung  vcrsctiiodcncr  Zifffirn  völlis»-  vcrstünimolt;  die 
Auflösung:  crgit)t  »welikhriikoluiiiga ;  es  ist  aber  entweder  mit  dein  ersten  Enl/ilVerer  zu  lesen 
»wegtrücliung«  (vielmehr  »weclclrüclvhung«)  oder  »weekrückung«. 

UV)  Irrtümlich  stellt  14  st.  18,  vcrliindeniis  statt  verli. 

17j  Wahrscheinlich  ist  zu  lesen  18  ^4  st.  34  18,  derzeit  st.  derziet,  s.  o.  derzeit  etc. 

18)  Nach  »werde«  und  »lassen«  die  oben  erwähnten  bedeutungslosen  Zeichen  9  9  u. 
7  9  1119. 


—    49    — 

Im  vbrigen  bedanckhen  wir  Vn(5  der  vberschribneii  zeiliiug-  |  halber 
frcundtlich,  vnd  haben  zwar  bereits  auch  anderortshero  |  von  denen  in  dein 
Königreich  franckhreich  sich  ereigneten  |  newen  Rebellion  ^^)  etwas  uachrichts 
erhalten;  aber  biß  dato  1  vnd  waß  eigentlich  an  den  Sachen  seye,  nichts  ge- 
wüssrs  verronien.  Werden  also  E.  L.  Vn(5  ein  ang-eneiTies  g-e  |  lallen  thuen, 
wan  Sye  Vnß  Ireni  gethonen  f'reundtlichen  |  erbietten  nach,  daß  Jenig-e,  waß  Iro 
hieuon  nach  vnd  nach  |  weiter  bestendiges  zuekhombt,  zu  vberschriben  Iro 
ge  I  fellig'  sein  lassen  werden.  Der  enden  hat  sich  seit  new  |  lieber  ordinari 
des  Kriegswesens  halber  khein  verendunge  (Veränderung)  |  zuegetragen,  ausser 
daß  Mir  berichtet  worden,  alß  |  solte  Panner,  der  noch  in  iler  Persohn 
zu  Camb  (Cham)  sich  mit  der  |  maisten  arniee  betundet,  etliche  Trouppen  in 
Böheimb  |  habe  gehen  lassen  vnd  der  enden  nach  vberfallung  etlicher  ]  orth 
vnd  Plaz  fast  Tyranisch  gehaust  haben.  So  wir  E.  L.  |  in  antwort  ohnverhalten 
lassen  wollen.  Vnd  verbleiben  i  dBroselben  angeneme  freundtliche  Dienst  zu  be- 
zaigen  |  bereit.    Datum  München  den  6.  Martij  A.  D.  1641. 

Von  Gottes  genaden,  Maximilian,  Pfalzgraue  | bey  Rhein,  Hertzog  in  Ober: 
vnd  Nidern  Bayrn,  |  des  Heyl :  Rom :  Reichs  Ertztruchseß  vnd  Churürst 

E.  L. 

dienstwilliger  freundt  altzeitt 
Maximilian  m.  p. 

Dem  hochwirdigen  in  Gott  Vatter,  hern  Anselm  |  Casimir,  Ertzliischouen 
zu  Maintz,  des  Heiligen  Römischen  Reichs  durch  Germanien  KitzCantzlern  vnd 
Churfirsteu,  Vnserm  besonder  lieber  Freundt.  Mainiz. 

IL   Brief  des    Obersten   von    Rauschenberg    an    Erzhischof  Anselm 
Kasimir  von  Mainz  vom  1^.  Juni  1G41. 

Hochwürdigister  Churfiirst,  genedigister  Herr  pp. 

Waß  Euer  Churfiirstl.  Gn.  vom  22.  Passato  an  Mich  genedigst  abgehn 
lassen  ]  solches  habe  (ich)  zusambt  den  Beylagen  mil  ge|uilirendter  ehrerpie- 
tung  1  erhoben. 

(Das  Folgende  ist  chilVriert.) 

6  9  2  8  8  4  2  9  6  8  2  3  2  7  (5  3  ü  '.)  8  1  ä  1  r,  2  ()  .1  0  9  8  4  8  1  3  0  2  7  2  6  6  818  0  (5  1 

von      de     m     h     a     u      s     H      r      a      ii      ii      s      c      h     w      e      i      g 

8  08  12  5842  83  02722088  084(J803842  90802  08  118  02220  408,02  09840  1 
i     s     I     II     0    c    h    k    e     i    ii    c     a    n    d    e    r    e    e     r    k    I     e     i'    u    n    g 

als  von  mihr  vor  acht  talgen  niilcilniigist -")  bfrifhlrl  (Miikuliiiicii.  Dirsclln'ii 
sollen  sich i (wie  ich  berichtet),  zu  Iractateu  iTpnlcii  und  del'swegen  bey  Ih'in  «iiaf 
Pic  1  colomini  umb  Pas  vor  die  ihri  |  ge,  so  sie  darzue  zuschicken  \ov  halicns. 
ansuchen  lassen  haben,  |  wiewol  hochgedai-hter  Her  feil  |  marschal  davon  in 
dero  jUng  ]  sten  an  mich  aligangenem  schrei  |  ben  noch  keine  meidung  ge- 
Ihan.  I  Es   scheiudt,    daß    allerhandL    pro  |  telationes    gesucht    werden.  |  Unler- 


l'Jj   Der  Vülksaulstiuid  v.mi   IC-idii    wo^n-ii  iler  Stiniorln'driiokuiiun'ii, 
20}  Die  ganze  Stolle  ist   in  der  itsIcii  .Viiriösiing  sclir  gckür/.l. 

Mitteilungen  aus  dem  genuun.  Nutioiiainiuseuui.     IS91.  \  M. 


—     yO     — 

dessen  g-cbea  sie  sovil  |  zu  verstehn,  daß,  dafern  die  |  Kays,  und  Reichswaffen 
weiter  |  herein  und  auf  diese  hmden  |  g-ehen  sollen,  sie  zur  coniun  |  etion 
mil  den  Sciiweden  g-enüL  |  lig't  würden.  Sonsten  sie  erpic  |  ten,  dieselben 
(die  Schweden)  zum  friden  zu  dispo  |  nircn  und  die  teutschen  officier  |  an 
sich  zu  bringen  '-').  Warauf,  dis  |  angesehen,  und  ob  nicht  etwan  fran  ]  zö- 
sisehe  inventioues  darun  |  ter  verborg-en,  davon  läse  (ich)  an  |  dere  iudiciren, 
bevorab  liocli  |  gedachte  Herrn  Herzogen  ire  |  aig-nen  vülcker  (von  welchen 
Jüngst  etliche  compagnien  |  nieuteniert)  nicht  erhalten  kü  |  nnen.  Sovill  aber 
ist  au  I  s  allem  abzunehmen,  daß  sie  si  |  eh  nicht  accomodiren,  noch  von 
ih  I  ren  aliirlen,  mit  denen  sie  vil  |  zuweit  eing-ellochten,  separ  |  iren  werden 
oder  wollen,  es  |  seye  dan,  daß  alles  nach  ihrem  |  wunisch  und  wiien  placi- 
dirt  I  werde. 

(Ende  des  chiffrierten  Teiles.) 
Bey  der  Schwedischen  Armee  wirdl  der  |  Torsten  Sohn  mit  Volkh  er- 
warttet;  dieselbe  befindet  sich  ietzo  \  um  den  Kipitz-  und  Hcssendamb  ^2),  soll 
Vorhabens  sein,  erstestags  |  ferner  herein  auff  Scheppeustetl,  2  Meill  bey  hießig-er  | 
Veslung'  zu  g"ehn,  die  Lüneburg-ischen  Völkher  (deren  zwei  Reg-i  |  menter  Ligne 
Vnd  etliche  comnumdirte  Infanterie  2^)  ]  ligen  eine  stundt  von  den  Schwedi- 
schen, der  Coniunction  aber,  will  |  mann  nicht  gestehn,  da  doch  von  2  Schwe- 
dischen Reutern  so  |  gestrig-es  tags  von  den  Meinigen  ertapt  worden  Berichtet,  | 
daß  deß'tags  zuuor  sowoU  von  den  Lüneburgischen  alß  |  Schwedischen  vndter 
einem  Obrist  Leutenandt  auf  die  Khayserischen  |  zu  recognoscirn  comraandirt,  Vnd 
von  denselben  14  ge  |  fangen  ins  Lager  Bracht^"*),  es  soll  auch  daselbst  ins] 
gemein  die  red  gehen,  daß  die  Hössischen  zu  den  Schweden  |  (welches  Ich  doch 
schwerlich  glauben  khan^ö)  stoßen  werden,  |  Alliier  vor  der  Vestung  continuirt 
der  Feindt  die  schwel  |  lung  des  Wasers,  vnd  ist  Noch  der  hoffnung,  die  Schwe  | 
dische  Armee  dießerendts  standl  halte,  oder  In  die  Khayserischen  vnd  |  Reichs- 
wafTen  diverlirt,  vnd  anderer  Örtten  zu  gehn  |  genöttigt  werden  soll,  damit  khein 
succurfs  erfolgen  1  könne,  Vnd  Er  Sich  also  dießer  Vestung  beraechtigen  möge, 
Lebe  1  aber  der  Zuuersicht,  es  werde  Negst  Göttlicher  genediger  Verleihung 
baldt  ein  anders,  Weillen  Ihro  Ertzfürst.  durchlaucht  |  Herr  Leopoldt  Wil- 
helnib  Ertzhertzog  zu  Österreich  etc.  Nunmehr  |  bey  der  khayserischen  Vnd 
Reichs  Armada  mit  beyhabendten  ]  Völkhern  glickhlich  angelangt  sein  werden, 
zu  uernehmen  sein.  1  Euer  Churfürsl.  Gnaden  beharrlicher  Churfürstlichen  hulden 


21)  Sowol  die  Woimarischcn  Offiziere  im  französischen  Heere  (s.  Lelaboureur,  hisloire 
de  marechal  de  Guöijriant.  Paris  I606  fol.,  S.  2()4),  als  auch  die  deulscheii  Offiziere  des 
schwedisdieji  nacli  dem  Tode  Baners  (Lelaboureur  S.  311)  waren  unzuverl;issij>-.  Die  Wei- 
maraner  standen  in  Unterhandlung  niil  Erzlicrzog  Leopold  Wilhelm.  Marscliail  Guebriant 
fiircbtclc  »die  Deutschen  möchten  einmal  ciiiii;-  werden«   (Lelaboui'eur  S.  340). 

22)  s.  Theatr.  Europ.  IV,  S.  oDÖL 

23j  Nach  Tlieati".  Europ.  drei  lie^nmenler  Kavallerie  und  einige  Infanterie,  nacli  Le- 
laboureur a.  a.  0.  zwei  lleilcrre^imenlei-  oder  1300  Mann. 

24)  Gemeint  ist  das  Gefcchl,  das  Oberst  Spiegel  von  den  Kaiserlichen  den  Schweden 
lieferte.     Tliealr.  Eur.  S.  599. 

25)  Er  irrl,  die  Hessen  unter  Graf  Eberstein  sind  im  Anmärsche;  vgl.  Theatr.  Europ. 
a.  a.  0. 


—    51     — 

und  Gnaden  |  Mich  damit  Vudtertheuigist  cmpfehlendl.    Dal.  Wolfenbüttel  den 
12  Jiinij  A.  D.  1641. 

Euer  GhurfUrstl,  Gnaden  Vnterthenigster  trew- 

gehorsambster  .... 
J.  Rauschenberg"  m.  p. 
Eine  Adresse  fehlt.    Auf  der  letzten  freien  Seite  befindet  sich,   von  einer 
fremden  Hand  geschrieben,  die  Aufschrift  »Reuschenberg-  etc.« 

Nürnberg.  Jul.  Reinh.  Dieterich. 

Ein  Stuhl  des  12.  Jahrliiiiulcrt^s. 

^  er  Druck  des  Kataloges  irgend  einer  Abteilung  des  Museums  giebt  dem 
Direktorium  schon  während  der  Vorbereitungen  stets  noch  besonderen 
Anlafs,  die  Abteilung  sorgfältig  zu  studieren,  insbesondere  die  Lücken 


derselben  zu  erforschen  und  deren  Ausfüllung  so  weit  als  thunlich  zu  ver 
suchen.  Das  gleiche  geschieht  während  des  Druckes.  Man  lebt  mehr  in  dieser 
Abteilung  als  in  anderen.  Wenn  aber  der  Druck  beendet  ist,  und  das  Heft  sich 
in  den  Händen  aller  Freunde  der  Anstalt  befindet,  da  sehen  andere  die  Lücken, 
sehr  rasch,  und  während  dieser  oder  jener  über  solch  lückenhafte  Sammlung 
die  Achseln  zuckt,  kommt  doch  mancher  auf  den  guten  Gedanken,  behilflich 
zu  sein,  die  Lücken  zu  füllen,  und  während  uns  einzelne  auf  ganz  unerreich- 
bare Stücke  mit  der  Bemerkung  aufmerksam  machen,  dafs  es  uns  als  Vertreter 
eines  nationalen  Institutes  ja  leicht  fallen  müsse,  sie  zu  erhalten,  sind  andere 
praktischer  und  bieten  uns  um  bestimmte  Summen  solche  Objekte  zum  Kaufe 
an,  welche  Lücken  unserer  Sammlung  füllen,  und  so  wird  stets  schon  während 
des  Druckes  und  bald  darnach  die  Abteilung  gemehrt. 

Der  gleiche  Fall  ergab  sich  und  ergiebt  sich  noch  bei  unserer  Skulpturen- 
sammlung, deren  Katalog  jüngst  gedruckt  wurde.  Ihr  Bestand  an  Werken  der 
vorgoLischen  Periode  und  selbst  der  frühgotischen  beschränkt  sich  auf  wenige 
Nummern,  die  zu  mehren  wir  eifrig  bemüht  sind,  so  dafs  wir  hoffen,  wenn 
einst  ein  neuer  Katalogdruck  nötig  wird,  mit  Stolz  gerade  auf  diesen  Teil 
derselben  blicken  zu  können. 

So  haben  wir  auch  u.  a.,  nachdem  der  Druck  des  Katalogs  bereits  beendet 
war,  unlängst  aus  der  Sammlung  des  Antiquars  G.  Bohl  er  in  München  eine 
sitzende,  weibliche  Figur  erworben,  welche  dem  Schlüsse  des  12.  Jahrhunderts 
angehört,  vielleicht  schon  in  das  13.  Jahrhundort  hineingeht.  Sie  soll  eine 
Madonna  darstellen,  welcher  leider  das  Kind  fehlt,  dürfle  aber,  wie  die  sehr 
alten  nicht  gerade  idealen  Züge  zeigen,  eine  andere  Heilige  sein  und  zwar 
möchten  wir  auf  eine  heilige  Anna  schliefsen,  welche  zwei  Kinder,  eines  zu 
jeder  Seite,  auf  den  Armen  hielt.  Dies  näher  zu  untersuchen  und  zu  liciiiüiulcn, 
ist  indessen  nicht  die  Aufgabe,  welche  wir  uns  hi'uh>  gestellt   lialu'ii. 

Sic  hat  eine  Höhe  von  GÜcm.,  unten  eine  Breite  von  3U  und  eine  Tiefe 
von  17  cm.  Vom  Verkäufer  erfuhren  wir,  dafs  sie  aus  Tirol  slammt.  Die 
Figur  bielel  uns  noch  ein  anderes  Interesse  als  jenes,  welches  si(>  als  Heilrag 
zur  Geschichte  der  Skul[ilur  für  uns  hat.  Der  Stuhl,  auf  welchen  sie  sil/J, 
giebt  uns  einen  nicht  ganz  unwesentlichen  Beitrag  zur  Geschichte  des  häus- 
lichen Lebens,  insbesondere  des  Ahibiliars  aus  dem  Schlüsse  der  romanischen 
Kunstperiode.    Der  Bildhauer  hatte  olleidtar  ein  Vorbild  vor  Augen,  welches  in 


—    52    — 

seinen  wosonl liehen  Teilen  g-edrechsell  ist  und  jene  vielfällig'en  Einschnitte  in 
seinen  runden  Teilen  zeigt,  die  dann  wie  aus  Kug-eln,  Jlach  gedrückten  und  aus- 
einander gezogenen,  kugelähnlichen  KJonienten  gebildet  erscheinen,  welche  wir 
Ja  auch  in  späteren  Kunstepoclien  und  seihst  heute  gebräuchlich  finden,  w^nn 
(liM-  Drcfhsler  bei  Herstellung:  der  i\loJ)ilien  thätig  ist. 


In  der  zweiten  Hallte  des  12.  'lalirlumderls  scheinen  solche  gedrechselte 
Möbel  nicht  selten  gewesen  zu  sein,  denn  Herrad  von  Laudsberg  bildet  in  den 
Darstellungen  zum  hortus  deliciarum  deren  mehrere  ab,  sogar  eine  Bettstätte. 
Wenn  man  nicht  ans  anderer  Zeit  auch  solche  Möbel  kennen  würde,  würde 
man  sie,  im  Gegensätze  zu  der  Schwere  der  sonst  von  Herrad  dargestellten 
Möbelstücke,  für  eiserne  Geräte  halten,  so  dünn  sind  sie  in  den  einzelnen  Ele- 


—    53    - 

mcnten  gezeichnet.  Indessen  waren  ihre  Malereien  so  wenig*  realistisch,  tlafs  es 
immerhin  ernster  Versuche  bedürfte,  ob  es  gelänge,  geometrisch  richtige  Zeich- 
nungen herzustellen,  nach  denen  solche  Möbel  gefertigt  werden  könnten,  welche 
uns  ein  Bild  gäben,  das  wir  als  richtig  anerkennen  könnten.  Etwas  besser  sind 
wir  in  dieser  Hinsicht  beim  Bildhauer  daran,  als  beim  Zeichner.  Er  ist  genötigt, 
weil  er  körperlich  arbeitet,  doch  manches  richtiger  darzustellen  als  der  Zeichner 
und  ist  nicht  durch  mangelhafte  perspektivische  Kenntnisse  veranlaCst,  uns 
manches  Räthsel  aufzugeben.  So  würde  uns  wol  kaum  ein  Zeichner  des  12.  Jahr- 
hunderts den  Stuhl,  auf  welchem  die  Figur  sitzt,  so  richtig  wiedergegeben 
haben  wie  der  Meister,  welcher  unsere  heilige  Anna  geschnitzt  hat.  Aber  er 
hat  freilich  auch  nicht  gerade  übermäfsig  genau  geai'beitet.  Er  konnte  seine 
säulchenartigen  Stützen  nicht  drechseln;  er  mufste  sie  aus  dem  gesamten  Holz- 
klotze aus  freier  Hand  schnitzen,  und  das  bot  für  die  Gleichmäfsigkeit  der 
Durchführung  Schwierigkeiten.  Manches  ist  schief  ausgefallen  und  seine  säul- 
chenartigen Stollen  sind  alle  verschieden;  alles  ist  stumpf,  um  so  stumpfer,  als 
er  das  Holz  noch  nach  Beendigung  des  Schnitzwerkes  mit  Pergament  über- 
klebte, um  darauf  die  Bemaluug  aufzutragen;  auch  hat  er,  da  er  aus  dem 
Vollen  herauszuschneiden  hatte,  alle  Einzelheiten  etwas  kräftiger  und  dicker 
gehalten,  als  sie  der  Drechsler  wol  einst  herstellte.  Was  infolge  der  Dünne 
der  einzelnen  gedrechselten  Stützen  solchen  Möbeln  an  Tragfähigkeit  abgeht, 
ist  durch  die  gröfsere  Zahl  ersetzt.  Vor  dem  Stuhle  befmdet  sich  ein  abgerun- 
detes Trittbrett,  dessen  Rand  durch  eine  Zickzackverzierung  belebt  ist.  Der 
Stuhl  ist  vollständig  mit  den  Farben  Rot,  Gtrün,  Gtelb  und  Weifs  bemalt. 

Das  deutsche  Leben  entwickelte  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  in  grofser 
Mannigfaltigkeit;  Elemente  aus  allen  Zeiten  erhielten  sich  da  und  dort  oder 
tauchten  auch,  wo  sie  entschwunden  waren,  da  und  dort  wieder  einmal  neu  auf. 
So  zeigte  die  Gegend  um  Kassel  und  Marburg  sowie  andere  Teile  Kurhessens 
bis  zur  Mitte  unseres  Jahrhunderts  beim  Landvolke  Stühle,  die  unter  Vor- 
herrschen von  Blau  und  Rot  bemalt  sind  und  ebenfalls  teilweise  aus  gedrech- 
selten Stollen,  sowie  aus  kleinen  gallerieartigen  Füllungen  bestehen,  gerade  wie 
unser  Stuhl.  Sind  es  also  Reminiszenzen,  die  sich  da  so  lange  forlerhaltcn  haben? 
oder  ist  es  bioser  Zufall,  dal's  solche  Elemente,  die  vor  Jahrhunderten  um!  zwar, 
wenn  unser  Antiquar  uns  in  seine  Geheimnisse  hat  blicken  lassen,  im  deutschen 
Südosten  lebendig  waren,  sechshundert  Jahre  später  im  Westen  wieder  auf- 
lauchlen?  \Venn  auch  die  Tradition  in  Hessen  alt  sein  sollte,  so  können  wir 
sie  doch  dort  kaum  über  unser  Jahrhundert  hinauf  verfolgen.  Jetzt  ist  sie  wie- 
der auch  dort  geschwunden  und  nur  noch  Sammler  in  aller  AYclt  bewahren 
solche  äuCserst  lebendig  und  anmutig  aussehende  Möbelstficke. 

Aber  noch  mehr,  Stühle,  genau  wi(>  der  hier  abgebildete,  aus  gc- 
ilrechsclten  Elementen  gebildet,  wenn  auch  nicliL  ganz  neue,  so  doch  iiii-hl  über 
ein  bis  zwei  Jahrhunderte^  all.  hat  einer  unserer  Freunde  aus  dem  Kaukasus 
mitgebracht,  wo  sie  unft-r  drin  Kinllussc  byzantinisciicr  Kunst  (Milstanden  sinn 
möigen.  Sollte  aiK'li  byzanlinisclicr  Kinnul's  seiner  Zeil  lliiilig  gewesen  sein,  in 
Deutschland  diesen  Miibelslil  zu  Jjegründen,  oder  ist  er  n\\  Kest  merovingischer 
und  karolingis(.'her,  auf  römiisi-her,  resp.  spätgermanischer  Tradition  lierulien- 
(ler  Kunst  Übung? 

Nürnberg.  A.  v.  Kssenwein. 


—     54    — 

Mrinn'zcpU'  des  IS.  JalirliiiiKlcrts. 

ic  Hczii'liung'cii  diT  Deutsclioii  zum  liiere  sind  weit  ältere  als  die  zum 
Weine;  und  last  will  es  scheinen,  als  seien  sie  auch  —  soweit  das 
li  eigentliche  Bürgertum  in  Frage  kommt  —  durch  all(3  Jahrhunderte 
hindurch  intimere,  man  könnte  sogar  sagen  herzlichere,  gewesen.  Wenn  auch 
die  hülischen  Dichter  und  der  eine  oder  andere  aus  dem  Kreise  der  Gelehrten  i) 
mit  Geringschätzung  von  dem  Biere  sprachen,  wenn  üherhaupt  die  Litteratur 
des  Bieres  eine  dürrtigere  ist,  als  die  des  Königs  der  Getränke,  so  giebt  es  doch 
eine  Thatsache,  die  für  die  allgemeinere  Wertschätzung  des  Bieres  sehr  ver- 
nehmlich spricht,  die  Thatsache  nämlich,  dafs  Fälschungen,  Verpanschungen 
des  Bieres  vor  dem  Gesetze  und  im  allgemeinen  Bewufstsein  zu  allen  Zeiten  als 
strafwürdig  erschienen,  während  man  der  ^) Fabrikation«  des  Weines  iiiil  der 
denkbar  gröfsten  Gelassenheit  zusah,  sie  sogar  aus  Gründen  des  Geschmackes 
und  des  Geldbeutels  wünschte. 

Justus  Stengel  zu  Waltershausen,  ein  gewiegter  Kenner  der  Bierbereitung, 
schreibt  1626^:  »es  ist  aber  das  Bicrbrawen  eine  herrliche  Kunst  I  vnnd  ein 
Subtileß  Inventura,  mitten  auß  dem  Kern  der  Philosophey  gezogen«,  aber  die 
Ingredienzien,  die  ihm  für  seine  herrliche  Kunst  einzig  und  allein  von  Nöten 
schienen,  bestehen  lediglich  in  den  fünf  Dingen: 

»1.  Ein  gut  Hoplfen.  ]  ,  <     i    «.  •      •  i   '      t  ..■     <. 

-.    T-         1  Tir  ij^  ^0  rechtschaften  seyn,  Avie  sichs  gebühret, 

2.  Km  gut  Maltz,      j  •'  o  ' 

3.  Ein  gut  Wasser,  vnd  dessen  nicht  zu  viel, 

4.  Ein  guter  Himmel  vnd  Lufft, 

5.  Ein  guter  Brawmeister,   der   an    ihme    nichts   erwinden    lest,  was   zu 

Verfertigung  eines  guten  Biers  gehöret.« 

Einer  ähnlichen  Bescheidenheit  in  den  Zuthaten  zum  Weine  befleifsigt 
sich  kein  Kellermeister.  Jede  »Weinbawer-Practick  und  Kellerraeisterey-Kunst« 
erzählt  mit  naiver  OfTcnheit,  was  alles  »gut«  sei,  um  dem  Weine  diese  oder 
jene  Untugend  zu  nehmen,  ihm  die  eine  oder  die  andere  treffliche  Eigenschaft 
zu  verleihen;  die  Mittel  aus  allen  Reichen  der  Natur  sind  Legion. 

Aber  immerhin  kann  man  hier  keineswegs  von  einer  bewufsten  Fälschung 
sprechen;  man  will  der  Natur  zu  Hülfe  kommen,  dem  Weine  eine  Arznei  geben, 
die  ihm  angeblich  vortrefflich  bekommt,  nichts  weiter.  Anders  scheint  sich 
die  Sache  zu  gestalten,  wenn  die  Rezepte  die  ausgesprochene  Absicht  haben, 
bestimmte  edle  Weine  aus  minderwertigen  Weinen,  wol  gar  aus  Wasser,  »zu 
machen«. 

Die  Bibliothek  des  germanischen  Nationalmuseums  besitzt  eine  Handschrift 
(V.  411)  aus  dem  Anfange  des  achtzehnten  Jahrhunderts,  die  eine  gröfsere  Anzahl 
solcher  Rezepte  enthält.  Der  Ton  derselben  spricht  es  deutlich  aus,  dafs  ihr  Erfinder 
auf  seine  Bemühungen  zum  Besten  der  Weinhändler  und  der  Weintrinker  sehr 
stolz  ist.  Meint  er  doch,  dafs  ein  »Tucceyer-Wein«  aus  »schlechten  AVeinen«, 
Muskatnufs,  Rosinen  und  Zucker  nebst  einigen  anderen  Zuthaten  dem  »besten 
Tucceyerwein  gleich«  sei,  aber  »an  Gesundheit«  ihn  übertreffe.  Und  er  glaubt, 
es  zu  Wege  bringen  zu  köjuien,  aus  Wasser  W^ein  zu  machen,  der  »für  einen 
guten  Ungarischen  Wein  passieren  mufs  dem  besten  Koster« :   sind  nur  die  In- 


i)  vgl.  Wackernagol,  fil.  Schriften  Bd.  1,  S.  86 ff.      2)  »Bewerte  Bicrküuste«.  Erfurt,  1626. 


V  y 


gTedienzien  richtig:  g-ewählt,  {lann  wird  sich  der  Trinker  »verwundern  über  der 
Gute  und  AnnehmHchlveit«. 

Solchen  Ungeheuerlichkeiten  g-egenüber  wird  man  nur  dann  den  richtig-en 
Standpunkt  einnehmen,  wenn  mau  sich  erinnert,  daCs  erst  in  unserer  Zeit  auch 
in  Deutschland  Sinn  und  Interesse  an  »reinen»  Weinen  erwacht  isl.  Das 
Mittelalter  und  die  ganze  Folgezeit^)  wollte  einen  gemischten  AVein;  Je 
würziger  und  süfser  der  Wein,  desto  besser  mundete  er,  und  niemand  fragte 
darnach,  ol>  Sonne  und  Boden  den  würzigen  Gehall  in  die  Traube  gelegt  hatten 
oder  ob  derselbe  ein  gewissenhaftes  Präparat  tles  Kellermeisters  war.  Die 
AVendung  »aus  schlechten  Weinen  den  und  jenen  Wein  zu  machen«  will  daher 
nichts  weiter  besagen,  als:  ein  Getränk  aus  schlichten,  gewöhnlichen  AVeinen 
herzustellen,  dns  im  Geschmacke  dem  und  jenem  Weine  gleichkommt.  Von 
einer  Nahrungsmittelfälschung  im  modernen  Sinne  kann  kaum  die  Rede  sein. 

Im  folgenden  geben  wir  eine  Reihe  der  betreffenden  Rezepte: 
»Tucceyerwein   zu    machen,   aus  andern   schlechten  AA'^einen. 

Erstlich  nimm  einen  Aymer  schlechten  AVein,  thue  ihn  in  ein  reines  Faß. 
rauche  solches  zuvor  wol  aus  mit  einer  Muscaten  Nuß,  welche  bestecket  ist 
mit  Zimmet  und  Negelein,  leget  diese  Nuß  eine  Nacht  in  Spiritu  A'ini.  dann 
zünd  es  an,  und  schlaget  das  Faß  zu,  thut  auf  1  Aymer  Wein  iO  Pfuml 
schlechten  Kochzucker,  schwancket  das  Faß  wol  untereinander,  so  lang  biß  der 
Zucker  zergangen  ist,  so  in  2  Tagen  geschihh,  dann  nimm  grofse  Zibeben')  oder 
Roßin,  die  recht  frisch  sind,  säubere  solche  erst  von  Stengeln  und  Kürnern 
30  Pfund,  thut  solche  zum  Zucker  und  AVein,  rühre  alles  wol  untereinander, 
Sommerszeit  stelt  man  die  Fäßer  an  die  Sonne,  in  Winter  aber  an  den  Offen, 
wenn  nun  der  AA''ein  4  biß  S  Tage  gelegen  mil  Zucker  und  Zibeben,  so  thut 
man  auf  einen  Aymer  2  Loth  Oleum  Tartari  per  deliquiuiii.  und  I  hoth  Recti- 
tircirtes  Oleum  AMtrile,  jedes  unlereinander,  täglich  3  mal,  biß  er  anlangt  zu 
gähren,  dann  höret  man  auf  zu  rittein  und  last  den  AVein  ausarbeiten,  welches 
gemeiniglich  in  40  Tagen  sich  endiget,  alsden  zihet  man  den  AVein  ab,  presset 
die  Rosin  aus,  und  thut  den  Satft  wieder  auf  den  AVein,  last  ihn  1  Monat  lang 
ligen  so  kan  man  solchen  schon  trincken,  je  älter  der  Wein,  je  besser  er  wird, 
an  Geruch  starck,  den  besten  Tucceyer  wein  gleich,  aber  an  Gesundheit  über- 
trifft dießer  AVein  den  Tucceyer«. 

Ein  zweites  Rezept  für  den  gleichen  AVein  schliefsl  mil  ilon  AA^'ortcn: 
j)N.  B:  man  kann  ihn  auch  wohl  lassen  vergähren  mil  den  Roßinen  alsdan  aus- 
preßen,  und  dasjenige  ausgepreßte  auf  den  abgezogenen  Wrin  liegen  lassen,  -la 
man  kan  auch  rein  gewaschene  kleine  Kißel  steine  gleich  in  Anlaiig  ohngefehr 
30  biß  40  glüend  in  den  AVein  hinein  werffen,  so  bekomm!  er  den  Erd  (icschmack 
welche  nuui  abei-  alsdann  wann  die  Gährung  voi'bey  isl.  wiedei-  von  den  I\(i|.miu'ii 
scparirel  um!  wegthul.  Kein  einziger  Mensch,  er  nnig  sein  so  klug  er  will,  der 
dießen  Wein  nichl  liii-  das  beste  Gewächß  ansehen  wird  \o\\  Tockayer  NVeiii". 
»Muscaten    Wein    '/a\    machen,    aus  schjeclilen. 

Mache  alles  wie  oben  gelebrci,  be\  drin  Tucceyer,  au|5er  daß  man  S  oder 
10  Tage   zuvor,  ehe   der  AVein    zu    fennenliron   anl'hrti'el.   in  einen  Säckb'in  auf 

3)  Die  NürnbergiT  ührij^ons  slaiideii  da  schon  IViilic  auf  iimdcnicm  Slaiidpimkit',  denn 
sie  siiclitcii  den  »tioscliniicrtoii«  Wi'iii  auf  und  litM'scn  ihn  in  die  l'c^iiiil/,  laiifm.  (Mi  es 
l'roilich  aller  war/  denn  hekannllicii  hioiiyen  sie  keinen,  den  sie  nichl   hallen. 

4)  Zihehen  (Ziwcbeii),  die  Cubohc,  grofse  Kochrosine.     Schni.-Fr.  Jl,  lOT.'l. 


—     öü     — 

1  Ayiinr  'i  Ijifs  3  Lot  frische  oder  au  schatten  g-edürte  hollonder  Blüthe,  Schar- 
hichhletter,  ii.  riii  wenig  orasilicuni  Kraut,  zusaminen  hineinhencken  u.  ibigends 
mit  vergähren  hissen,  so  wiiil  tlcf  Wein  iiheraus  heblich  und  starck  und  wird 
auch  schmecken  wie  der  besle  Muscaten  wein  oder  Muscadcller.  Über  den  Rest 
der  Cibolx'ii,  kann  man  wieder  1  Ayiner  Wein  gief5en,  darzu  12  Pfund  Farinzucker, 
ein  paar  Tilg  ungeschwenkt  biß  der  Zucker  all  zergangen  ist,  nach  diesen 
1  Lot  Oleum  Tartari  u.  1/2  Lot  Oleum  Vitrile  hinzugethan  u.  wieder  fermentiren 
lassen  wie  zum  ersten  mal,  als  den  den  Wein  abziehen,  wie  mit  den  ersten 
proeed;  so  gibt  es  ein  extra  guten  Tisch  wein,  die  gepresten  Koßin,  kan  man 
bey  den  Brandweinbrennern  distilliren  lassen,  bekomt  man  einen  herrlichen 
Spiritum  viui,  Aus  den  Stengeln  und  Körnern,  von  denen  Ro[5inen  kann  man 
einen  herrlichen  schärften  Weinessig,  —  man  siede  1  Aymer  Wasser,  thue  den 
30  Pfund  Stengeln,  klein  gestof5en  hinein,  2  Lot  Weinsteinühl,  1  Lot  Vitriolöhl, 
laß  ßeydes  miteinander  durch  die  Fermentation  gehen  an  der  Wärme  so  laug 
biß  er  sauer  wird.    Prob.  E: 

Frontiniac  Wein   zu  macheu. 

Nimm  20  Pfund  Cibeben,  15  Pfund  Zucker,  procediret  in  allen  wie  beym 
Tucceyer  Wein,  henckt  8  oder  10  Tage  vor  Ende  der  Gührung,  halb  so  schwer 
von  Museadeller  Blumen  in  ein  Säcklein  hinein  in  den  Wein,  lasset  solchen  ver- 
c-Uhron  so  bekomt  er  die  Natur  des  besten  Frontin. 

Canarien  Zeck. 

Nimmt  man  2  Theil  Farin  Zucker,  auf  daß  er  schön  weiß  aussehe,  und 
1  Theil  Cibeben:  procedire  in  allen  wie  bey  den  Tucceyer  Wein. 

Spannischen  Wein. 

Man  nimmt  eben  das  Gewicht,  wie  bey  den  Canarien  Zeck,  an  statt  weißen 
Farin  Zucker  nimmt  man  gelben  Farin  Zucker. 

Lacrinia   Christi  di  Napoli. 

Man  nimmt  von  vergührten  Canari  Zeck  —  mische  darunter  den  Sirup 
von  schwarzen  süßen  Kirschen,  ohne  die  Körner. 

Wie   man  einen  geringen  Landwein  machen  kan,  daß   er  in  kurzer 
zeit   ein    vortrefflicher   und   wie   15.  ja  20.  jähriger  Wein  ist. 

Erstlich  nimmt  man  frische  Uoßin,  von  Stengeln  wol  gesäubert  10  biß 
12  Pfund  (je)  nachdem  man  den  Wein  angenehm  machen  will,  darauf  gieße  3  biß 
4  Kannen  Most,  laß  zusammen  V2  Stundt  in  einen  neuen  Geschirr  sieden,  damit 
sich  die  Süßigkeit  derer  Roßinen,  recht  in  den  Most  ziehet,  alsden  laße  es 
erkalten,  gieße  solches  in  einen  Aymer  schlechten  Landwein,  samt  den  Roßinen, 
wie  zugleich  auch  8  biß  10  Lot  Spiritus  Yini,  der  über  Sal  Tartari  rectiliciret 
ist,  oder  so  aus  der  Wein  hälfen  gebrand  ist  worden,  laße  alles  zusamm  in 
Keller  verjühren,  wie  andere  Weine,  zihe  hernach  den  Wein  zu  gehöriger  Zeit 
ab,  warte  den  Wein  wie  einen  andern  Wein,  so  wird  daraus  ein  unvergleich- 
licher, gleich  den  besten  ältesten  Reinwein,  wenn  man  aber  den  Wein  nicht  so 
gar  gut  machen  will,  so  kan  man  slatt  1  Aynior  2  Aymer  aus  dießer  Species 
machen. 
Dergleichen  aus  schlechten  Wein  den  besten  Moßler  zu  machen. 

Man  muß  gleich  bey  der  Gührung  in  einen  Aymer  6  Lot  schwarzes  Pech 
in  ein  Säckiein  hencken,  10  Pfund  Roßin,  laß  es  zusamm  vergühren,  so  kriegt 
der  Wein  einen  natürlichen  Geschmack  wie  der  beste  Moßler«. 

Nürnberg.  Tb.  Volbehr. 


—    57    — 
Zwei  geätzte  Pruukharnische  im  germaiiisclieii  )Iuseum. 

(Hiezu  Taf.  lY  bis  VIII.) 

nter  den  Rüstiiug-en,  welche  aus  der  Sulkowskischeu  Sammlung-  in 
Feistritz  in  das  germanische  Museum  gekommen  sind,  befinden  sich 
mehrere  aus  dem  16.  und  17.  Jahrhunderte  stammende,  die  mit  Atz- 
malereien geschmückt  sind.  Unter  diesen  erregen  insbesondere  zwei  Halb- 
harnische aus  den  ersten  Jahren  des  17.  Jahrhunderts  die  Aufmerksamkeit  der 
Beschauer  durch  den  Reichtum  des  Schmuckes,  welcher  sie  zu  Werken  ersten 
Ranges  stempelt.  Beide  sind  nürnbergisehen  Ursprunges  und  waren  einst  be- 
sondere. Zierden  des  Zeughauses,  obwol  die,  allerdings  sehr  kärglichen,  Nach- 
richten über  dasselbe  von  diesen  Rüstungen  schweigen.  Wir  bilden  sie  Fig.  1 
und  2  auf  Taf.  IV  in  ^/lo  der  Originalgrüfse  hier  ab. 

Beide  bestehen  aus  je  einem  Ringkragen  i)  mit  zwei  Halsschienen  und  aus 
fünf  Schienen  zusammengesetzten  Oberarmstücken,  dann  einer  Brust  (Vorder- 
stück oder  Bruststück  von  Wallhausen  genannt)  mit  zwei  Bauchschienen  (von 
Wallhausen  vorderes  Leibstück  genannt)  und  einem  Rücken  mit  einem  hinteren 
Leibstück.  An  die  vorderen  Leibstücke  sind  die  aus  7  Streifen  bestehenden 
Beinschienen  oder  Taschetten  angeschnallt.  Je  eine  Sturmhaube  mit  Backen- 
schienen vollendet  die  Ausstattung.  Beide  Harnische  sind  in  gutem  Staude,  die 
einzelnen  Schienen  mit  aufgenieteten  Lederriemen  aneinander  gehalten  und 
be\\eglich  gemacht.  Die  oben  sichtbaren  Schnallenriemen  sind  mit  messingnen 
Rosettchen  befestigt.  Von  diesen  Riemen,  Rosettchen  und  Nieten  sind 
freilich  manche  im  Laufe  der  Zeit,  bis  zuletzt,  erneuert  worden.  Der  Bau  ist 
der  gewöhnliche  leichter  Rüstungen  jener  Zeit.  Sie  sind  aber  ofTenbar  jede 
einem  bestimmten  Manne  »auf  den  Leib  gebaut«,  wie  Wallhauscn  sagt:  »alles 
wol  nach  dem  Leib  deß  Armantis,  welches  einem  Armato  nit  wenig  Vortheil 
gibt,  daß  er  ein  wol  angesuchte,  gerechte,  allenthalben  anligende  vnnd  an- 
schliefsende  Waffen  oder  Kuhriß  habe,  beydes  vmb  zlerlig-  Wie  auch  Bequemmig- 
vnd  Behendigkeit.«  Das  Gewicht  der  Fig.  1  beträgt  mit  der  Haube  10  kgr., 
.jenes  der  Rüstung  Fig.  2  11,65  kgr.  Der  reiche  Schmuck  zeigt,  dafs  beide 
nicht  die  Bewaffnung  eines  gemeinen  Reiters,  sondern  etwa  solche  eines  Feld- 
hauptmanns oder  sonstigen  Befehlshabers  bildeten,  der  sie  wol  nur  zur  Parade 
trug.  Indessen  ist  kein  Zeichen  daran,  welches  über  die  ehemaligen  Träger  der 
WafTen  Aufschlufs  gäbe. 

Die  in  Fig.  1  dargestellte  Rüstung  hat  das  Nürnberger  Beschauzeichen 
auf  dem  Rücken  in  der  Mitte  des  oberen  Randes,  als  Zeichen  des  Waffen- 
schmiedes ist  auf  der  Brust  eine  Marke  mit  drei  Ringen  am  oberen  Rande 
nicht  ganz  in  der  Mitte  eingeschlagen. 

Die  in  Fig.  2  dagestellte  Rüstung  hat  ihr  Nürnbergisches  Beschauzeichen 
ebenfalls  am  Rücken,  oben  in  der  Mitte,  und   tiabei  ein  Meisterzeichen,   welches 

aus  ^''P   besteht.     Am    oberen  Rande    des  Bruststückes   ist    die    Markt«   .K   nicht 

N 

d)  Vgl.  Kriegskunst  zu  rfordt,  Darinnen  gelehrt  werden,  die  inilia  vnd  rundainriila 
der  Cavallery,  .  .  .  Gcpracticiret,  beschrieben  vnd  inil  schönen  ivünstliclien  Kupfl'erslücken 
angewiesen  von  Johann  Jacobi  von  Wallhausen,  d(|p  löblichen  Stall  Danlzig  heslelten 
Obristen  Wachlm:  vnd  llauplnian.  Dcdruckl  zu  Franckfurt  am  Mayn,  bey  Pauli  Jacohi, 
In  Verlegung  Johann-Tlieodori  de  Ery.    MDCXVI.     Seile  6. 

3Iitteiluiigeii  aus  dem  germaii.  Niitioiialmuseiim.     18J)1.  YIII. 


-     58     — 

vollstiitulig-  in  der  Mitte,  so  daCs  also  wol  ang-enommen  werden  mufs,  dafs  aus 
irgend  welchem  Grunde  zwei  Plattiicr  an  ilcr  Rüstung  gearbeitet  haben.  Viel- 
leicht starb  der  Meister  K  (1009)  und  hatte  nur  eben  die  Brust  g-eschlag-en, 
wahrend  ein  anderer  F  D  die  übrig-en  Teile  schlug. 

Besondere  Autnierksaiiikeit  verdienen  jedoch  die  Alzinaler,  welche  beide 
Kiistung-en  g-eschinUckt  haben.  Der  Harnisch  Fig-.  1  zeigt  aufser  der  Piattner- 
niarke  der  Brust  die  Inschrift  »Hans  Conrad  Spüret  fecit  1607«  auf  dem  vorderen 
Rande  der  Haube 2).  Auf  der  in  Fig.  2  abgebildeten  Rüstung  ist  auf  dem  lichten 
Unterrand  des  Vorderstückes  »Hans  Keiser.  1610«  eingegraben.  Die  Figur  des 
Ninus  von  Assyrien  hat  die  Jahreszahl  1609  und  auf  dem  Schilde  das  Künstler- 
wappen mit  den  Initialen  des  Künstlers  HK^).  Die  Ausfühiung  der  Ätzmalerei 
beider  Harnische  ist  sorgfältig,  jene  des  Hans  Keiser  freier,  aber  unruhiger 
und  derber,  jene  des  Harnisches  Fig.  1  künstlerisch  feiner.  Auch  die  That- 
sache,  dafs  zwar  Brust  und  Rücken  bei  dem  Harnische  Fig.  1  vollständig  mit 
Malerei  bedeckt  sind,  die  Arm-  und  Beinschienen  jedoch  nur  in  der  Mitte 
einen  breiten  Streifen  Ornament  aul'  lichtem  Grunde  haben,  wirkt  feiner  als 
die  reichere  Gestaltung  des  Harnisches  Fig.  2,  dessen  Arm-  und  Beinschienen 
vollständig  mit  Ornamenten  bedeckt  sind.  Ebenso  ist  b^i  Fig.  1  nur  ein 
fein  gezeichnetes  Ornament  am  Ringkragen,  der  bei  Fig.  2  vollständig  mit 
Ornament  bedeckt  ist.  Das  Gleiche  ist  bezüglich  der  Anordnung  der  Sturm- 
hauben zu  bemerken.  Fig.  3  auf  Taf.  V  giebt  die  Armschienen  des  ersten 
Harnisches,  Fig.  5  auf  Taf.  VI  die  Beinschienen  von  Fig.  2.  Fig.  3  zeigt  die 
Anordnung  des  einfachen,  aber  wirkungsvollen  Ornamentes,  das  sich  bei  nor- 
maler Stellung  der  geschobenen  Schienen  als  Ganzes  darstellt;  bei  unserer 
Figur  sind  die  Schienen  so  weit,  als  es  angeht,  auseinander  gezogen,  um  er- 
kennen zu  lassen,  wie  sich  das  Ornament  gliedert.  In  Fig.  3  zeigt  jede  Schiene 
ein  selbständiges  Ornament,  doch  ist  die  Komposition  so  eingerichtet,  dafs  die 
Hauptlinien  dieser  einzelnen  Streifen  sich  derart  zusammenschliefsen,  dafs  doch 
eine  einheitliche  Wirkung  sich  ergiebt. 

Die  Atzmaler  waren  Künstler  und  mögen  in  der  Regel  ihre  Ornamente, 
wie  die  figürlichen  Darstellungen  selbst  erfunden  haben;  insbesondere  scheint 
dies  bei  unseren  beiden  Harnischen  der  Fall  gewesen  zu  sein;  aber  sie  kannten 
doch  die  Arbeiten  der  hervorragenden  Stecher  und  Illustratoren  ihrer  Zeit 
und  benützten  sicher  auch  deren  Arbeiten,  wo  dies  nur  anging.  Der  Rücken 
Fig.  6  auf  Taf.  YII,  ebenso  wie  die  Brust  Fig.  7  auf  Taf.  VIII  zeigen  Anklänge 
an  Theod.  de  Bry,  an  Collaert,  an  Etienne  de  Laune  u.  a.,  ohne  dafs  es  uns 
indessen  gelungen  wäre,  direkte  Vorbilder  zu  finden.    Auch  au  die  Arabesken- 


!2j  Die  Spörl  kommen  in  mehreren  Gliedern  als  »Bricfmaler«  vor,  welche  nach  einem 
später  in  die  Ordnung  der  Flachmaler  aufgenüinmenon  Naciitrage  ebenfalls,  zum  mindesten 
in  späterer  Zeit,  den  Malern  angehört  haben,  wie  die  Kupferstecher  resp.  Ätzmaler. 

3)  Nagler  berichtet  in  seinem  Künstlerlexikon  von  einem  Dichter  und  Künstler  im 
Dienste  des  Herzogs  Albrecht  V.  von  Bayern,  Namens  Joh.  Kayser,  der  1575  einen  Stamm- 
baum des  Hauses  Bayern  auf  Pergament  malte  und  sich  '-Marmelstein  und  aller  Metall  Etzer, 
Müdisl  und  lUuminisl«  nannte.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dai's  derselbe  35  Jahre  nach  Her- 
stellung des  Stammbaumes  noch  solch  umfangreiche  Werke,  wie  die  Ätzung  unserer  Büstung, 
zu  schaffen  vermochte ;  doch  hat  *sich  vielleicht  die  Kunst  des  Ätzens  aller  Metalle  vom 
Vater  auf  den  damals  ja  sehr  häufig  gleichnamigen  Sohn  vererbt. 


Mitteiliumeii  aus  dem  uerinaii.  Nat.-Mus.  1891. 


Taf.  IV 


Irambouer  X.A  Vbo 


Trambauer  XA.  H/bg 


Fig  I. 


Mitteiluuo'en  aus  dem  i>erman.  Xat.-Mus.  1891. 


Taf.  Y. 


^'ig-   4. 


Tra/r.öauer    ^A     '^9 


Trarrjnuer  X  i 


Mitleiliiiiii'C'ii  ans  dem  germ.  Nat.-Mus.   1891. 


Taf.  VT 


^'H-  5- 


Mitteiluiiti'en  au8  dem  uermau.  Kat.-Mus.  1801. 


Taf.  vn. 


Fig.  (>. 


iMittoiliinj,'oii  aus  dem  <rt'nnaii.  Nat.-Mus.  1801. 


Taf.  ^TII. 


—    59    — 

dekoration  der  italienischen  Faiencen  finden  sich  Anklänge.  Die  drei  bildlichen 
Darstellungen  auf  der  Brust  und  dem  Rücken  der  Fig-.  1  sind  jedoch  Jos. 
Ammans  Illustrationen  zur  römischen  Geschichte  nach  Livius  entnommen'^).  Die 
beiden  auf  der  Brust  stellen  Horatius  Codes  und  Mutius  Scaevola,  jene  des 
Rückens  Marcus  Gurtius  dar.  Der  Schild  des  Horatius  Codes  zeigt,  abweichend 
von  Jost  Amman,  das  Künstlerwappen ;  hinter  Marcus  Curtius  steht  ein  Krieger, 
auf  dessen  Schilde  sich  die  Initialen  Spörls  H  C  S  untereinander  stehend  finden. 

Die  Darstellung  der  vier  Weltreiche  durch  ihre  Repräsentanten,  welche 
auf  der  Brust  und  dem  Rücken  der  zweiten  Rüstung  sich  finden,  scheinen  da- 
mals in  Nürnberg  bei  den  offiziellen  Kreisen  sehr  beliebt  gewesen  zu  sein,  denn 
wenige  Jahre  später,  1617,  fertigte  Leonhard  Keru^)  dieselben  vier  Figuren 
liegend  für  die  beiden  Seitenportale  des  neu  erbauten  Rathauses  an:  Ninus  mit 
dem  geflügelten  Löwen  als  Repräsentant  von  Assyrien,  Cyrus  mit  dem  Bären 
als  solchen  von  Persieu,  Alexander  mit  einem  vierköpfigen  und  vierflügeligen 
Panther  für  Macedonien  und  Julius  Cäsar  mit  einem  zehnfach  gehörnten  AVolfe 
für  Rom.  Christoph  Jamnitzer,  selbst  als  Kupferstecher  thätig,  mag  die 
Embleme  in  dieser  Gestalt  dem  Rate  vorgeschlagen  haben,  denn  sein  Einflufs 
war  ja  bei  diesem  Figurenschmucke  ausschlaggebend. 

Noch  haben  wir  einige  Worte  den  Sturmhauben  zu  widmen,  von  welchen  jene 
der  Fig.  1  in  Fig.  4  auf  Taf  V  abgebildet  ist.  Sie  haben  die  in  jener  Zeit  all- 
gemein gebräuchliche  Form  und  Konstruktion.  Schon  die  Grundform  des 
Hauptkörpers,  eine  Halbkugel,  aus  welcher  der  hohe  Kamm  scharf  und  dütiii 
herausgetrieben  ist,  ist,  wie  alle  ähnlichen,  ein  Meisterwerk.  Der  Schirm  ist 
aus  demselben  Stücke  mit  herausgetrieben,  der  Nackenschutz  angesetzt.  In 
Scharnieren  ist  beiderseits  eine  Schiene  als  Backenschutz  angesetzt,  an  wel- 
chem eine  Fortsetzung  des  Nackenschutzes  hervorgetrieben  ist.  Auf  diesem 
Backeuschutz  ist  jederseits  ein  Greif  dargestellt.  Auch  auf  der  anderen  Sturm- 
haube ist  ein  zum  Kampfe  erhobener  Greif  an  derselben  Stelle  angebracht, 
jedoch  nicht  von  derselben  Schönheit  und  Schneidigkeit  der  Zeichnung,  aber 
reich  in  Ornament  eiugesponnen.  Eine  adlerartige  Verzierung  mit  ausge- 
breiteten Flügeln  hat  der  Gesichtsschirm  von  Fig.  4.  Ebenso  ist  beiderseits 
vom  Kamme  ein  zartes,  aus  dem  Leibe  von  Seepferden  wachsendes  Ornament  mit 
Harpyien  dargestellt,  während  bei  der  zweiten  der  ganze  Kopf  mit  wildem 
Ornamente  überzogen  ist.  Der  Kamm  der  ersten  Rüstung  hat  sein  eigenes,  von 
den  Flütnerschen  ajjgeleitetes,  geometrisches  Ornament,  wie  es  auch  Wenzel 
Jamnitzer  so  reizvoll  zu  verwenden  wufste. 


4)  NEüwe  Liuische  Figuren.     Franltfuit  a.  M.   1573. 

o)  Vgl.  Das  Ratliaus  in  Nürnberg  von  Ern.st  MuninuMihotV.  Nürnborg  ISOl.  S.  138, 
Nach  gicichzeiligcr  ErkliiruniK  liedculot  der  zwoinügcligc  liöwc  des  Ninus  die  llaupireichc 
Assyrien  and  lial)yloiiien.  Des  Cyrus'  Bär  hal  unter  sciiu'ii  Zahnen  (h'ri  l\iii|n'ii.  widilic 
die  drei  vornehmsten  Könige  bezeichnen:  (lyrus.  Darius  und  Xerxcs.  Die  vier  Ko|)fo  und 
Flügel  des  Tieres  Alexanders  d.  G.  sldlrn  dii'  viiT  l.ämici-  dar.  aus  wekdien  er  sein  ^V('lt- 
reicli  l)ildctc,  und  in  welche  es  wieder  zerliel :  Griechenland,  Asien.  Syrien  und  Ägypten. 
Die  zehn  llörner  des  römisciien  Wolfes  steilen  die  vier  alexandrinischen  lU'iche  dar,  dazu 
Afrika,  Spanien,  Frankreich,  Italien,  England  und  Deutschland,  das  mittlere  alter  den  Türken, 
welcher  von  den  vordersten  Hörnern  ahgcstofsen  wird,  wie  Asien  und  (irierlienland,  die  er 
inne  hat. 


—    60    — 

Die  Ätzung  des  Eisens  als  Schmuck  der  Flächen  war  gerade  zur  Zeit,  als 
unsere  R(lstung-en  entstanden,  bei  der  höchsten  Blüte  ang-elaug"t  und  fand  nicht 
blos  für  Hüstungen,  sondern  auch  für  Schmuck-  und  sonstige  Kästchen,  für 
Schlolsblcche,  für  jede  Art  Eisengeräte  überhaupt,  reichste  Verwendung.  Damit 
mag  es  zusammenhängen,  dafs  die  Ätzmaler  zugleich  mit  den  Flachmalern*'), 
die  miteinander  zu  einem  Handwerke  vereinigt  wurden,  im  Jahre  1597  eine  ge- 
meinsame Ordnung  vom  Rate  erhielten.  Leider  läfst  sich  aus  derselben  über 
die  künstlerische  Seite  des  Gewerbebetriebes  der  Ätzmalerei  gar  nichts  ersehen. 
Die  Ätzmaler  sind  wol  identisch  mit  den  Kupferstechern,  und  es  ist  wol  anzu- 
nehmen, dafs  der  Rat  jene,  die  eigentliche  Künstler  waren,  gleich  den  Flach- 
malern von  der  Ordnung  ausnahm,  falls  sie  nicht  «Meister«  hier  zu  werden 
getlachtcn.  So  mag  es  gekommen  sein,  dafs  die  Kupferstecherkunst  hier  in 
Nürnberg  durch  alle  Zeiten,  vom  15.  Jahrhunderte  an,  eine  bleibende  Stätte 
behielt. 

Nürnberg.  A.  v.  Essen  wein. 

Zu  Gabriel  Krämer. 

^^^^^  nih'csen  führt  in  dem  111.  Bande  seines  deutschen  Peintre-Graveur  als 
^^k'ili  ^^'"^^  Werk  des  Gabriel  Krammer,  wol  richtiger  Kramer,  nur  zwei  Stücke, 
tiääß^  das  Buch  von  der  Architektur  und  das  Schweifbüchlein,  auf.  Im  vorigen 
Jahre  hat  nun  das  germanische  Museum  von  einem  hiesigen  Sammler  ein  Blatt 
erworben,  das  diesen  beiden  Folgen  nicht  angehört,  aber  doch  mit  dem  Namen 
Gabriel  Kramers  bezeichnet  ist.  Es  führt  den  Titel  »Eygentlicher  Bericht  der 
füntr  Seulen,  wie  dieselbigen  von  Marco  Vitruvio  vnd  andern  Romanischen 
Meistern,  wie  imgleichen  von  allen  Kunstreichen  Meistern  gebraucht  worden, 
durch  Gabriel  Kram  er,  R.  K.  M.  Leib-Trabant,  und  GuardipfeilTer  ins  Werck 
gerichtet.«  Das  Blatt  zeigt  die  Ordnung  der  fünf  Säulen  und  die  Aufeinander- 
setzung der  Säulen  in  Aufrissen,  Konstruktion  und  einzelnen  Teilen,  jedoch 
abweichend  von  den  Säulen  in  der  Architektur,  die  Andresen  unter  1  aufführt. 
Rechts  unten  zwischen  der  zusammengesetzten  und  der  aufeinandergesetzten 
Säule  findet  sich  die  Inschrift  »Gabrel  Kramer  |  Ano  Do:  no.  |  1649«,  darüber 
ein  Pfeil  mit  zwei  Sternen,  über  welchen  ein  AVinkelmafs,  ein  Sohnitzmesser 
und  ein  Meifsel  gekreuzt  sind.  Vor  diesen  Bezeichnungen  findet  sich  ein  aus 
V  S  und  R  gebildetes  Monogramm  und  sculptor.  Es  liegt  also  nicht  ein  Original- 
stich von  Gabriel  Kramer  vor  (der  nach  Andresen  1610  auch  schon  gestorben 
gewesen  sein  soll),   was  schon  die  Technik  der  Radierung,  die  vollständig  von 


6)  Beiträge  zur  Kunstgeschichte  Kürnlicrgs  von  J.  Baader,  kgl.  Archivs-Conservator. 
Nördlingen  1860.  S.  40  ff.  Die  Flachuiah'r  waren  ofl'enbar  jene,  Avelche  Tafelbilder  lualteu, 
was  der  Rat  trotz  der  Ordnung  stets  als  freie  Kunst  bezeichnete.  Höchst  bemei-kenswert 
ist,  dafs  (S.  43)  »die  Je  zu  Zeitten  hierher  kommenden  frembden  Maliler  aus  den  Nider- 
landcn  vnd  andern  ortten,  welche  sonderliche  Künstler  seindt,  vnd  vor  andern  etwas  können, 
In  diesem  Gesetz  dergestalt  ausgenommen  sein,  wan  sie  nicht  alhie  zu  pleiben  oder  meister 
zu  werden  begeren,  das  sich  Ir  einer  ein  zeittlang,  so  lang  es  Ime  ein  Erbar  Kath  zu  giebt, 
seiner  freyen  kunst,  als  mit  Couterfeten  vnd  anderer  arbeit  alhie  vnder  der  Burgerschafft 
gebrauchen  möge,  doch  das  er  füi-  sich  selbst  kainen  aigenen  rauch  fhüre,  wie  andere 
Maister.t 


—    61     — 

derjenig'en  der  Architektur  und  des  Schweifbüchleins  abweicht,  viel  härter  als 
jene  ist,  darthut,  sondern  die  Kopie  eines  verloren  geg-ang-cnen  Originales  Kramers, 
das  in  Radierung,  vielleicht  auch  nur  in  Zeichnung  ausg-eführt  war.  Die  Radierung- 
hat  von  Plattenrand  zu  Plattenrand  g-emessen  eine  Breite  von  31  ein.  und  eine 
Höhe  von  23,3  cm. 

Unter  diese  Darstellung-  ist  ein  Blatt  in  g-leicher  Gröfse  angeklebt,  das 
in  Tj^pendruck  in  vier  Spalten  die  Erklärung-  zu  den  Zeichnungen  gibt  and 
als  Überschrift  den  obenang-eführten  Titel  hat.  Über  den  Verleger  des  Blattes 
g-iebt  die  Inschrift  am  Schlüsse:  >)Zu  linden  bey  Paulus  Fürsten,  Kunsthändlern 
in  Nürnberg-»  Aufschlufs.  In  der  Beschreibung-  der  Säulen  wird  die  toskanische 
von  weg-en  ihrer  Stärke  mit  einem  groben  Bauern  verglichen,  die  dorische 
dagegen  »vergleicht  einem  starcken  Helden« ;  bei  der  jonischen  Säule  zieht  der 
Verfasser  keinen  Vergleich,  während  er  die  korinthische  »einer  schönen  Jung- 
frauen, von  wegen  ihres  herrlichen  außsehens«  vergleicht. 

Bei  dieser  Gelegenheit  bemerken  wir,  dafs  das  Exemplar  der  zweiten  Aus- 
gabe von  Kramers  Architektur,  welches  das  germanische  Museum  jüngst  von 
L.  Rosenthal  in  München  erworben  hat,  wirklich  die  Jahreszahl  1606  trägt,  nicht 
1608,  wie  Andresen  mit  einem  Fragezeichen  (wol  nach  der  Notiz  in  Naglers 
Monogrammisten)  in  Klammern  beisetzt.  Die  Blätter  dieser  Ausgabe  sind  nicht 
unten  links,  wie  in  der  dritten  Ausgabe,  sondern  oben  rechts  bezeichnet. 

Von  dem  genannten  Antiquariate  hat  das  germanische  Museum  auch  das 
Schweift)üchlein  von  Gabr.  Kramer  erworben  und  zwar  in  einer  Ausgabe  von 
1602,  die  Andresen  nicht  kannte,  dem  nur  die  von  Job.  Bussemacher  in  Köln 
veranstaltete  Ausgabe  von  1611  vorlag.  Es  scheint  diese  eine  Kopie,  nicht  ein 
Neudruck  der  Ausgabe  von  1602  zu  sein ;  hiefür  spricht  nicht  nur  der  Umstand, 
dafs  Bussemacher  im  Vorworte  bemerkt,  dafs  er  das  Buch  aufs  Neue  in  Kupfer 
gebracht  habe,  sondern  auch  die  abweichende  Orthographie  des  Titels  und  das 
Vorkommen  des  Monogrammes  oder  des  Namens  des  Künstlers  auf  jedem  der 
Blätter,  während  nach  Andresen  in  der  Ausgabe  von  1611  nur  auf  Bl.  9  Kramers 
Zeichen  gefunden  wird. 

Wir  geben  nachstehend  eine  kurze  Beschreibung-  des  "Werkes,  da  diese 
erste,  offenbar  sehr  seltene  Ausgabe  unseres  Wissens  noch  nirgends  beschrieben 
ist.  Der  Titel  lautet:  »SGHWEIFF-BVECHLEIN  ]  Manicherlei  Schweiff,  laubwerk| 
Rolvverk,  perspectif,  vnd  sonder»  |  liehe  gezierden,  zv  vilerhand  |  arbeit  auf  dis 
vorgehende  AR-  |  CHITEGTV^R  büchlein  |  gerichtet.  |  Durch  gabriel  Krammer.l 
dischler  und  Ir  Rom.  Kays  |  May  :  leib  trabanten  |  guardi  pfeilfer,  jelz  |  zu  präg.! 
Ano.  1  1602.  I  Mit  Rü  :  Kay :  May  :  gnad  vnd  freihcit,  in  fünf  |  Jaren  nicht  nach  zu 
Irulvcn.«  Das  Titelblatt  ist  unbczeichnet,  die  übrigen  23  Blätter  tragen  oben 
rechts  die  Bezeichnung  folio  (auch  luli.  lul.  fo.  und  f)  1—23.  Jedes  der- 23 
Blätter  trägt  das  Zeichen  des  Künstlers,  meist  auch  eine  Jahreszahl.  Lediglich 
das  aus  G  und  K  gebildete  Monogramm  lindcl  sich  aiil'  Blatt  3,  9,  13.  18; 
diisselhe  mit  der  Jahreszahl  1600  z(Mgl  Hl.  I  und  2,  inil  I6U1  Bl.  6.  H;.  17. 
11),  20  und  22;  dann  findet  sich  auf  den  Bl.  1.  ;i.  7.  I»i.  II.  14,  i;i  un.i  i'l 
neben  dem  Monogranuno  die  olfenbar  aus  1600  und  1601  koniliinierte  Zahl  lOOnl. 
auf  Bl.  23  ein  aus  G  A  und  B  bestehendes  Monogramm  inii  K  und  1601  und 
auf  Bl.  12  —  dem  Al|ihabete  —  der  ganze  Name:  Gabriel  Krammer  und  auf 
Bl.  8  derselbe  mit  1601.     Ein   Text  ist  tlem  besprocheneu  Exemplare  nicht  bei- 


—    62    — 

gegeben;  dag-egen  finden  sieh  auf  einigen  Blättern  Verse,  die  teils  (Bl.  14  und 
17)  das  Verständnis  der  Darstellungen  vermitteln  sollen,  teils  moralisierender 
Tendenz  sind  (Bl.  10  und  2.1.) 

Nürnberg,  Hans  Bosch. 


Rottcii1i<imiiiers  ..Krönung  itlariae'^ 

(Hiezu  Taf.  IX.) 
ulcr  (Ion  wenigen  Künstlern,  deren  Wertschätzung  in  allen  Schwan- 
kungen des  Geschmackes  nahezu  unberührt  geblieben  ist,  nimmt  Johann 
Roltenhammer  einen  hervorragenden  Platz  ein.  Huldigte  man  auch  zu 
keiner  Zeit  seiner  Kunst  in  sonderlich  überschwänglichem  Mafse,  so  hat  man 
sich  doch  zu  keiner  Zeit  veranlafst  gefühlt,  mit  Geringschätzung  auf  ihn  herab- 
zusehen. Während  es  selbst  Künstlern  wie  Raphael,  Dürer,  Rembrandt  nicht 
erspart  geblieben  ist,  im  Laufe  der  Jahrhunderte  neben  bewundernden  Lob- 
preisungen recht  abfällige  Beurteilungen  zu  erfahren,  wird  man  in  allen  Er- 
wähnungen Rottenhammers  vergeblich  nach  einem  Ausdrucke  des  Mifsfallens 
Umschau  halten.  Dafs  er  in  seiner  eigenen  Zeit  einen  grofsen  Ruf  als  Künstler 
genofs,  bezeugt  nicht  nur  Sandrart^),  der  ihn  »eine  grofse  Summa  Golds  von 
Kaysern,  Königen  und  andern  grofsen  Liebhabern«  verdienen  läfst,  sondern  vor 
allem  die  Thatsache,  dafs  der  Bürgermeister  von  Augsburg  sich  weigerte,  den 
berühmten  Mitbürger  zu  bestrafen,  als  Graf  Ernst  von  Holstein-Schaumburg  ihn 
um  Inhaftierung  des  kontraktbrüchigen  Meisters  ersuchte  2).  Und  dieser  Ruhm 
erhielt  sich  durch  das  ganze  17.  und  18.  Jahrhundert,  ja  —  was  mehr  besagen 
will  —  bis  in  die  Zeiten  des  erwachenden  Klassizismus  und  darüber  hinaus, 
bis  in  die  Periode  der  altertümelnd- romantischen  Kunstrichtung  im  ersten 
Viertel  unseres  Jahrhunderts.  Nicht  nur  der  Freund  Winckelmanns,  Füfsli, 
findet  in  seinem  Künstlerlexikon  Worte  der  Anerkennung  für  Rottenhammer, 
auch  das  Campesche  Künstlerlexikon  (1833)  nennt  ihn  einen  »trefflichen  Künstler« 
und  preist  ihn  als  den  »ersten  Deutschen,  der  Zierlichkeit  und  Grazie  in  seine 
Werke  zu  bringen  wufste.« 

Der  Grund  für  diese  auffallende  Übereinstimmung  des  Urteils  ist  wol 
darin  zu  suchen,  dafs  Rottenhammer  keine  stark  ausgeprägte  Eigenart  besitzt, 
dafs  der  formellen  Eleganz  seiner  Werke  alle  markanten  Züge  fehlen,  die  ge- 
eignet sein  könnten ,  in  dem  einen  oder  dem  anderen  ästhetischen  Lager  Oppo- 
sition hervorzurufen.  Die  virtuose  Beherrschung  der  Form,  der  geschickte 
Eklektizismus  in  Inhalt  und  Ausführung  hält  die  Werke  Rotteuhammers  auf 
einer  sicheren  Mittelstrafse,  wo  die  Gelegenheit,  Anstofs  zu  erregen,  eine  sehr 
geringe  ist.  Schon  diese  Stellung  der  Kunst  Rottenhammers  in  der  Geschichte 
der  deutschen  Kunstanschauungen  würde  es  in  hohem  Grade  wünschenswert 
erscheinen  lassen,   der  Gemäldesammlung  des  germanischen  Nationalmuseums 


1)  Tcutsche  Acadeuiie  der  Edlen  Bau-,  Bild-  und  MaWerey-Künste  1675—79.  11.  Teil, 
ni.  Buch,  15.  Gap. 

2)  Nach  archivalischen  Millt'iluugcn  des  verstorbenen  Dr.  Knochenhauer  in  Bückehurg, 
die  sich  in  der  Bibliothek  des  german.  .AUiscums  belinden,  und  welche  wir  um  des  Interesses 
willen,  das  sie  für  die  Geschichte  des  Meisters  bieten,  hier  unten  folgen  lassen. 

Die  Redakt  ion. 


Mitteilungen  aus  dem  gernian.  Nat.-Mus    1891. 


Taf.  IX. 


IIcl.  V.   IC.  Nister,  Nürnberg. 


ROTTEiNIIAMMKH'S  KRÖNUiNG  AlAlilAE. 


—     63     — 

ein  Werk  des  Meisters  einzuverleiben.  Von  noch  g-röfserem  Belange  erseheint 
uns  jedoch  die  Bedeutung-  Rottenhammers  für  die  Charakteristik  der  Kunst 
des  Zeitalters,  in  dem  er  lebte.  Johann  Rottenhammer  ist  ohne  Zweifel  der 
talentvollste  Vertreter  derjenigen  Kunstrichtung*,  die  der  süddeutschen  Malerei 
an  der  Wende  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  das  Gepräge  giebt:  er  ist  typisch 
für  die  anschmiegende  Hinneigung  zu  der  Kunst  Italiens,  typisch  für  die  vir- 
tuose Behandlung  der  Technik  und  typisch  für  die  elegante  Oberflächlichkeit 
des  Ausdruckes. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  nachzuweisen,  wie  es  kam,  dafs  dem  Zeitalter 
Dürers  und  Holbeins  noch  vor  den  Schrecken  des  30  jährigen  Krieges  ein  Zeit- 
alter der  Fremdländerei  in  der  Kunst  folgte;  wir  begnügen  uns  mit  der  Beto- 
nung der  Thatsache.  Für  eine  Sammlung,  die  es  sich  zur  Aufgabe  gestellt 
hat,  eine  Darstellung  der  Entwickelung  des  deutschen  Kulturlebens  zu  geben, 
ist  es  aber  unerläfslich,  auch  solchen  Zeiten  durch  Beibringung  gewichtiger 
Zeugnisse  gerecht  zu  werden;  und  die  Freunde  der  Anstalt  werden  es  sicher 
mit  grofser  Freude  begrüfsen,  dafs  es  dem  germanischen  Museum  durch  die 
freundliche  Vermittlung  des  Herrn  Geheimrat  W.  Bode  gelungen  ist,  in  einem 
trefflichen  Werke  Rottenhammers  einen  charakteristischen  Repräsentanten  jenes 
Zeitalters  zu  erwerben. 

Das  auf  Kupfer  gemalte  Bild  Rottenhammers  (Höhe  58  cm..  Breite  39  cm.), 
die  »Krönung  der  Maria«  darstellend,  ist  bezeichnet  Gio.  Rottenhammer.  Über 
dem  Namen  befindet  sich  die  Datierung,  deren  Zahlen  wol  als  ;>1602<f  gelesen 
werden  dürften.  Völlig  deutlich  ist  nur  die  »2«  am  Schlüsse.  Da  nun  aber 
die  ältesten  aus  Venedig  datierten  Bilder  des  Meisters  die  Jahreszahl  1594 
tragen,  und  Rotteuhammer  schon  seit  1007  seinen  ständigen  Aufenthalt  in 
Augsburg  genommen  hat,  da  die  »Krönung  Mariae«  ferner  intime  Beziehungen 
zur  Kunst  Bolognas  und  Venedigs  zeigt,  von  den  in  späteren  Werken  wahr- 
zunehmenden deutschen  Einflüssen  hingegen  nichts  zu  bemerken  ist,  so  wird 
man  schwerlich  fehlgehen,  wenn  man  die  »2«  in  der  angegebenen  Weise  er- 
gänzt; zumal  die  Rudimente  der  ursprünglichen  Zahlen  sich  zwanglos  zu  den 
Formen  der  Zahlen  1,  6  und  0  vervollständigen  lassen. 

Die  »Krönung  Mariae«  zeigt  demnach  —  wenn  wir  mit  Sandrart  das  Jahr 
1564  als  Geburtsjahr  Rottenhammers  annehmen  —  ein  Werk  des  38jährigen 
Künstlers,  die  Mittagshöhe  seiner  Leistungsllibigkeit  Von  Einllüssen  seines 
Vaters  und  des  »gemeinen  Malers  Danauwer«,  dessen  Unterricht  er  bis  1590  in 
München  genossen,  ist  nichts  mehr  zu  verspüren.  Rotteuhammer  hat  die  Kunst 
der  späten  Venezianer  und  der  Caraccisten  voll  auf  sich  wirken  lassen,  nur  in 
der  Landschaft  zeigt  er  eine  gewisse  Annäherung  an  niederländische  Darstel- 
lungsweise. Eine  direkte  Mitwirkung  Paul  Brils,  der  an  manchen  seiner  Werke 
in  ähnlicher  Weise  wie  Jan  Brueghel  als  Landschafter  I  hat  ig  war,  ist  hier  wol 
kaum  anzunehmen,  aber  der  starke,  etwas  gowaltsaiue  Farbongegensatz  der 
tiefblauen  Ferne  und  des  lichtgrünen  Vordergrundes  dürfte  entschietlen  auf 
das  Vorbild  dieses  in  Italien  heimischen  Niederländers  zurückzuführen  sein. 

Die  Art  der  Anordnung  in  dem  dargestellten  Vorgange  und  die  charak- 
teristische Behandlung  des  Himmels  erinnern  lebhalt  an  die  Bologneser  Schule, 
speziell  an  Guido  Reni ,  während  die  Färbung  und  dii'  Zeichnung  des  Details 
an  Tintoretto  gemahnen. 


—    64    — 

Der  Iliiiinicl  hat  sich  g-eöffnel ;  in  dem  etwas  schweren,  gelben  Tone  des 
weilen  l^iunies  schwebt  die  heilige  Jungfrau,  demüiig  iuit  massigen  Wolken 
knicend,  unterstützt  von  anniuligen  Putten.  Zur  Rechten  sitzt  auf  den  Wolken 
Gott  Vater,  das  Symbol  seiner  Herrschaft,  die  durchsichtige  Kugel  des  Weltalls, 
in  der  Linken  tragend  und  hält  gemeinsam  mit  dem  zur  Linken  sitzenden 
Christus  die  Krone  über  dem  Haupte  der  Maria.  Aus  der  strahlenden  Höhe 
senkt  sich  der  heilige  Geist  in  Gestalt  der  Taube  hernieder. 

So  geschmackvoll  die  Anordnung  des  Ganzen  ist,  so  fehlt  doch  jede  Ver- 
innerlichung  der  Darstellung.  Maria  hat  träumerisch  die  Augen  gesenkt,  der 
ideal-schöne  Christus  blickt  traumverloren  in  die  Weite,  und  auch  Gott  Vater 
scheint  einen  wenig  lebendigen  Anteil  an  dem  weihevollen  Akte  zu  nehmen. 
Wir  haben  weniger  eine  geschlossene  Handlung  vor  uns,  als  eine  Gruppe  von 
»Existenzfigurenc,  um  den  Ausdruck  zu  gebrauchen,  den  Goethe  mit  Vorliebe 
und  mit  lebhaftester  Anerkennung  von  den  Werken  der  späteren  italienischen 
Kunst  brauchte.  Diese  Vorliebe  für  Armut  der  Hand4ung,  für  Leidenschaft- 
losigkeit  ist  ungemein  charakteristisch  für  alle  die  Zeiten,  die  nach  der  einen 
oder  der  anderen  Seite  durch  Superlative  des  Gefühles  übersättigt  worden  sind. 
Was  im  18.  Jahrhunderte  das  unwahre,  deklamierende  Pathos  in  der  Kunst  zu 
Wege  brachte,  das  war  im  Ausgange  des  16.  Jahrhunderts  nach  dem  wilden 
Kampfe  der  Gemüter  eingetreten :  eine  Sehnsucht  nach  Ruhe.  Würdigt  man 
das  Werk  RottenhammervS  von  diesem  Standpunkte  des  Zeitcharakters  aus,  dann 
wird  man  ihm  volle  Anerkennung  widerfahren  lassen  und  sich  nicht  durch 
unberechtigte  Vergleiche  mit  seinen  Vorgängern  in  Deutschland  und  seinen 
Vorbildern  in  Hallen  die  historische  Bedeutung  des  Bildes  verrücken  lassen. 

Nürnberg.  Dr.  Th.  Volbehr. 


Aus  dem  Lc1)cii  des  Malers  Joliauu  Rotteuliammer. 

(Mitgeteilt   von   Dr.   Knocliciihau  er  f.) 

ie  Korrespondenz  zwischen  dem  Grafen  Ernst  zu  Holstein-Schaumburg 
und  dem  Maler  Johann  Rottenhammer  oder  vielmehr  dem  Gastgeber 
Leonhard  Lorentz  zur  Traube  in  Augsburg,  aus  der  wir  im  Folgenden 
einen  kurzen  Auszug  geben  wollen,  beansprucht  nicht,  über  die  künstlerische 
Bedeutung  jenes  Augsburger  Meisters  vom  Ende  des  16.  Jahrhunderts  irgendwie 
einigen  Aufschlufs  zu  geben.  Es  ist  vielmehr  lediglich  der  kulturhistorische 
Gesichtspunkt,  von  dem  aus  die  Mitteilung  dieser  im  Archive  der  ehemaligen 
Grafschaft  Schaumburg  befindlichen  Aktenstücke  einen  gewissen  Wert  besitzt, 
und  um  dessenwillen  ihr  wol  in  diesem  Blatte  ein  bescheidener  Raum  gestattet 
werden  darf. 

Johann  Rottenhammer ^)  gehört  bekanntlich  einer  Periode  an,  in  welcher 
die  deutsche  Malerkuust  sich  nicht  eben  auf  einer  an  sich  bedeutenden  Höhe 
ihrer  Ausbildung  befunden  hat,  sondern  vielmehr  einen  im  Ganzen  wenig  er- 
freulichen und  anziehenden  p]indruck  gewährte.    Es  ist  jene  Periode,  in  der  sich 


1)  Vgl.  G.  F.  AVaageii,  Handbucli  der  tleutschoii  und  niederländischen  Malerschulen  I, 
329.    Allgemeines  Künstlerlcxicon,  Zürich,  bei  Ürcll,  Füfsli&  Co.  1809,  II,  1363. 


—    63     — 

die  deutschen  Maler,  angezogen  durch  die  imponierende  Gröfse  der  italienischen 
Kunst,  mehr  oder  weniger  ganz  unter  deren  überwältigendem  Einflüsse  begaben 
und  in  der  Nachahmung  derselben  eine  zwar  formell  und  in  mancher  Richtung 
ausgezeichnete  Ausbildung  erlangten,  gleichwol  aber  des  vollen  natürlichen 
und  selbständigen  Lebens  und  Strebens  ermangelten.  Aber  unter  den  Vertretern 
dieser  Periode,  wenigstens  der  späteren  Generation  derselben,  zählt  Rottenhammer 
zu  den  Namhaftesten  und  Bedeutendsten.  Geboren  zu  München  im  Jahre  1364, 
erlangte  er  zunächst  in  seiner  Vaterstadt,  dann  zu  Rom  und  darauf  besonders 
zu  Venedig  seiae  künstlerische  Ausbildung.  Namentlich  war  es  hier  Tintoretto, 
den  er  sich  für  Kolorit  wie  für  die  Zeichnung  der  Figuren  vorzugsweise  zum 
Muster  nahm;  in  seiner  Manier  hat  er,  nach  dem  gewöhnlichen  Urteil  sogar  in 
allzu  engem  Anschlüsse,  die  zahlreiche  Reihe  seiner  Werke  ausgeführt.  Später 
liefs  er  sich  dauernd  in  Augsburg  nieder  und  verfertigte  hier  auf  Auftrag  oder 
auch  wol  für  Gemäldehändler  eine  grofse  Menge  gröfserer  wie  kleinerer  Bilder.  — 
Was  seine  Lebensumstände  betrifft,  so  scheint  er  trotz  bedeutenden  Verdienstes 
nie  zu  Wolstand  gelangt  zu  sein.  Seit  seinem  Aufenthalte  in  Venedig  ver- 
heiratet und  mit  Kindern  gesegnet,  lebte  er,  nach  der  Angabe  von  Sandrarts, 
zufolge  seiner  unordentlichen  und  verschwenderischen  Lebensart  in  beständigem 
Mangel,  so  dafs  nach  seinem  Tode  selbst  die  Begräbniskosten  von  seinen  Freun- 
den zusammengeschossen  werden  mufsten. 

Gerade  in  der  letzteren  Rücksicht  bietet  der  uns  vorliegende  Briefwechsel 
eine  treffende  Illustration,  Er  wirft  zugleich  ein  interessantes  Licht  auf  die 
Art  und  Weise,  in  welcher  zu  damaliger  Zeit  ein  fürstlicher  Besteller  von 
Gemälden  mit  dem  ausführenden  Künstler  zu  verkehren  pflegte,  auch  wenn  der- 
selbe, wie  Johann  Rottenhammer,  sich  eines  bedeutenden  Rufes  zu  erfreuen  hatte. 

Graf — seit  dem  Jahre  1619  Fürst  —  Ernst  zu  Holstein-Schaumburg,  aus 
dem  alten  Geschlechte  der  Grafen  von  Schaumburg,  hat  während  seiner  zwanzig- 
jährigen Regierungszeit  (1601—1622)  in  verschiedenartigen  Schöpfungen  ein  sehr 
lebendiges  Interesse  für  Kunst  und  Wissenschaft  bethätigt.  Die  Stiftung  eines 
akademischen  Gymnasiums  in  seiner  Residenz  Stadihagen,  das  einige  Jahre  später 
von  ihm  als  Universität  nach  Rinteln  verlegt  wurde  und  das  in  der  Universität 
zu  Marburg  auch  heute  noch  fortbesteht,  hat  in  wissenschaftlicher  Rücksicht 
seinem  Namen  ein  dauerndes  Andenken  gesichert;  in  künstlerischer  Hinsicht 
bietet  die  von  ihm  angelegte,  höchst  interessante  GrabkapcUe  zu  Stadtiiagen, 
ein  von  den  Männern  des  Fachs  noch  zu  wenig  gewürdigtes  Baudenkmal,  das 
sprechendste  Zeugnis  von  seinem  Kunstsinne  und  Geschmack. 

Graf  Ernst  war  es  auch,  der  die  gräfliche  Residenz  von  Stadthagen  nach 
Bückeburg  verlegte  und  für  den  Ausbau  und  die  Verzierung  des  dasigeu  Schlosses 
Sorge  trug.  Für  seine  Schlofskapelle  daselbst  war  das  Gemälde  bestimmt,  dessen 
Anfertigung  Johann  Rottenhammer  übernommen  hatte-).  Graf  Ernst,  der  mit 
dem  Maler  schon  von  früher  her  in  Verbindung  stund  und  ihm  seine  Gnade 
vielfach  durch  Woll baten,  wie  es  in  den  Briefen  heifsl,  bewiesen  hatte,  wird 
dasselite  während  eines  Aufenthaltes  in  Augsburg  persöidich  bei  ihm  bestellt 
haben 3).     Der  Gegenstand  war  eine  Darstellung  des  jüngsten  Gerichts. 

2)  Brief  vom  6.  August  1(518. 

3)  Dies  bestätigt  das  Sclirciben  vom  20.  Nov.  1017,  woraus  der  Aufejilhalt  Grat  Eriists 
in  Augsburg  hervorgeht. 

Mittoiluiigeii  aus  dorn  gcniiaii.  Naüoiialimiseum.     18!)1.  IX. 


—    66    — 

In  einem  in  Konzept  und  Abschrift  erhaltenen  Lieferungsreverse  Rotten- 
hainmcrs,  ilatiert  zu  Augsburg-  21.  August  1615,  verpflichtet  er  sich,  für 
Graf  Ernst  »nach  (seinem)  allerh()chsten  flciß  vnd  besten  verstände  dafi  jüngste 
gcrichte  nach  gege])ener  maß  vnd  grüße  zu  mahlen  vnd  zuuerfertigen«.  Üie 
»gegebenen«  Mafse  des  Bildes  sind  uns  nicht  bekannt,  nur  dafs  es  lang  und 
schmal  gewesen  sei,  erfahren  wir'*).  Als  Lieferungstermin  wurde  Michaelis 
k.  J..  als  Herstellungspreis  die  Summe  von  300  Reichsthalern  ausbedungen. 

Indes  kam  die  Ausführung  dieses  Kontraktes  nicht  ganz  zustande.  Rotten- 
hammor  hielt  die  Lieferungsfrist  nicht  ein.  »Oh  ich  mich  nun  wohl«  schreibt 
er  selbst  am  18.  Oktober  1617  an  Graf  Ernst,  «alles  vleiß  dahin  starckh  bemühet, 
auf  die  in  erster  meiner  gegebenen  handtschrilTt  (bestimpte  zeit  ^j  mit  solchem 
statlichen  werckh  fertig  zu  werden.  So  hat  es  doch,  weiß  Gott,  in  solcher  kurzen 
Zeit,  des  werckhs  wichtigkeidt  vnd  deß  darzue  gehörenden  großen  vleiß,  müehe 
vnd  Arbeit  halben.  Ja  nit  sein  können  noch  mögen,  sondern  ich  habe  wieder 
meinen  willen  mit  stetigen  speculationibus  vndt  ^'ueten,  schönen,  zierlichen 
inuentionibus  von  tag  zu  tag  daran  Je  lenger  Je  mehr  in  höchster  diligenz 
dermaßen  gearbeit,  daß  es  sich  vber  die  erstlich  bestimpte  Zeit  erstreckht  hat.« 

Gütlicher  Übereinkunft  zufolge  wurde  demnach  die  Lieferungsfrist  verlän- 
gert. Am  14./24.  August  1617")  schreibt  Graf  Ernst  an  den  Gastwirt  Leonhard 
Lorentz  zur  Traube  in  Augsburg,  der  ihm  auch  sonst  manches  besorgte,  dafs  er 
das  Bild,  dessen  Lieferungszeit  laut  Reverses  nunmehr  zu  Bartholomäi  abgelaufen 
sei,  von  Rottenharamer  in  Empfang  nehmen  und  wol  verwahrt  dem  gräflichen 
Kanzleidiener,  der  eigens  dazu  nach  Augsburg  geschickt  wurde,  übergeben 
möge,  dagegen  hatte  sich  umgekehrt  der  geldbedürftige  Künstler  bereits 
zweimal  aus  der  wolgefüllten  gräflichen  Kasse  Vorschufs  gewähren  lassen,  zu- 
erst 100  Reichsthaler,  vermutlich  gleich  im  Anfange  als  Handgeld,  dann  noch 
100  Gulden  als  eigentlichen  Vorschufs.  In  eben  jenem  Schreiben  verspricht 
der  Graf  Rottenhammer  den  rückständigen  Rest  »zu  rechter  Zeit«,  jedoch  erst 
»nach  Besichtigung  der  Arbeit«  auszuzahlen. 

Es  war,  wie  Rottenhammer  selbst  gesteht,  neben  äufserem  Zwang  der 
letztere  Punkt,  der  das  Selbstgefühl  und  die  Geldsorge  des  Künstlers  heraus- 
forderte und  ihn  zur  Widerspenstigkeit  bewog.  »Aufs  höchst  beschmerzt,  das 
(sein)  mühe  vnd  arbeit  bey  diesem  Mann  so  wenig  ersprisen  wollen«,  meldet 
unterm  8.  September  der  Gastgeber  Lorentz  seinem  hohen  Auftraggeber,  dafs 
Rotteuhammer  für  alle  seine  Ansuchen  und  Vorstellungen  unzugänglich  ge- 
blieben sei  und  »endt-  vnd  beschließlichen«  erklärt  habe,  erst  nach  Entrich- 
tung der  vollen  versprochenen  SOO  Reichsthaler  werde  er  »das  stuck,  vnd 
ehender  nit  aus  banden  geben«.  Selbst  den  Gütevorschlag  des  Wirts,  dafs  er 
ihm  noch  einmal  100  Reichsthaler  auf  Abschlag  sogleich  erlegen,  den  Rest 
aber  binnen  vier  Wochen  »richtig  machen«  wolle,  hatte  der  eigensinnige 
Künstler  kurzer  Hand  zurückgewiesen. 

Jetzt  war  umgekehrt  Graf  Ernst  an  der  Reihe,  in  fürstlichem  Selbstgefühle 
zu  entbrennen.     Der   wolgezielte  Schlag,   mit  welchem  er  den  ihm   von  dem 


4)  Brief  vom  25.  Februar  1618. 

5)  Die  Worte  iu  (    )  fehlen  in  der  Handschrift,  sind  aber  offenbar  hier  zu  ergänzen. 

6)  Die  gräfliche  Kanzlei  rechnet  sonst  durchweg  nach  dem  Datum  alten  StUs. 


—    67     — 

Maler  ang-ethanen  »affront«  erwiderte,  traf  aber  den  guten  Rottenhammer  gerade 
an  seiner  verwundbarsten  Stelle. 

»Ihre  g-naden  können  sich«,  so  heifst  es  in  dem  Antwortschreiben  an 
Loreutz  vom  17.  September,  »nicht  genugsamb  wegen  groben  vnuerstaudts 
vnd  vnbescheidenheit  des  Rotenhamers  verwundern,  «umall  der  von  ib.  gn. 
große  woltbaten  empfangen.«  Dafür  soll  ihm  der  Wirth  neben  der  gebühr- 
lichen Verweisung  anzeigen,  Graf  Ernst  sei  nunmehr  »bedacht,  sein  verfertigts 
stuck  genzlich  zu  pertiren  (sie)  vnd  möge  er  darumb  seiner  besten  gelegenheit 
verfahren,  das  ih.  gn.  es  nunmehr  nicht  wirdig  achten,  solchs  in  dero  kirchen 
zu  gebrauchen«;  —  »dan  ih.  gn.  das  stuck  nicht  zu  gebrauchen,  viel  weniger  in 
ewigkeit  zu  sehen  begehren.«  Dagegen  soll  sich  Lorentz  von  Rottenhammer  so- 
wol  die  lOORthlr.  als  den  Vorschufs  von  100  fl.  zurückzahlen  lassen  und  im  Weige- 
rungsfalle mit  der  Zuhilfenabme  des  Augsburger  Rates  drohen.  —  Aber  auch 
damit  war  der  durchlauchtige  Zorn  gegen  den  Künstler  noch  nicht  erschöpft 
und  machte  sich  in  verschiedenen  Zusätzen  in  sehr  unzarter  AVeise  Luft.  Der 
Graf  zweifle  nicht,  dafs  die  Augsburger  Ratsherren  »hier  die  pillicbkeit  andern 
zum  exempell  werden  statuiren,  vnd  da  er  nicht  hat  zu  bezahlen,  werden  sie 
ihr.  gn.  das  hundelock,  ihne  der  gebühr  damit  zu  tractiren,  almanu  herleihen, 
vnd  soll  vff  den  fall  der  Rotenh.  nicht  desto  weniger,  so  ih.  gu.  ihme  hiemit 
sancte  promittiren,  pro  recordatione  dieserwegen  hernach  geburlich  recom- 
pensirt  werden,  wozu  er  sich  gewißlich  zuuerlaßen,  dan  ih.  gn.  nicht  gemeint, 
ein  solchen  affront  von  einem  solchen  heilosen  kerll  ( vnd  bestien '')  vff  sich 
ersitzen  zu  lasen,  damit  er  lerne,  ein  ander  mall  hern  beser  zu  respectiren; 
darnach  sich  Rotenh.  einß  für  aU  zu  richten.«  —  Der  Wirt  erhielt  Auftrag, 
dies  Schreiben  selbst  dem  Maler,  »so  viel  ilme  concernirt« ,  vor  Zeugen 
vorzulesen. 

Freund  Rottenhammer  geriet  durch  diese  Eröffnungen  in  die  gröfste  Be- 
drängnis; der  Augsburger  Gastwirt  macht  davon  in  seinem  Berichte  vom 
19.  Oktober  eine  sehr  anschauliche  Schilderung. 

Erst  auf  wiederholte  Aufforderung  habe  sich  der  Maler  bei  ihm ,  ileiu 
Gastwirte,  eingefunden.  »Wie  nun«,  schreibt  er,  »E.  Gn.  Intention,  will  vnd 
mainung  er  Rottenhaimer  von  mir  vernummen,  wirt  er  gantz  schambroth, 
abblaichent  wie  ain  leilach,  windet  die  Händl  hin  vnd  her,  vnd  mil  vergießung 
haisser  treuen  vermeldt,  wisse  anjetzo  weder  aus  noch  ein,  stehe  in  grosser 
gefahr,  bit  vmb  Gottes  barmherzigkait  willen ,  E.  Gn,  wolle  Ime  diß  nit  in  so 
hochem,  zwar  woluerschuldten  vngnaden  an:  vnd  aufnemmen,  focht  (sie)  mir 
hierribert  erst  recht  an  zu  beichten,  vnd  vermcldl,  das  ehs  sein  schuldt  nit, 
das  E.  Gn.  er  besagts  werck,  wie  gern  ers  gethon,  nit  gesaut  habe,  sondern 
derjenigen,  die  jme  zue  seiner  nottrugenhait  (sie),  die  zeit  herr  als  er  daran 
gemacht,  ain  stattliches  darauf  geliehen,  vnd  auf  diß  jnen  die  endtliche  Ver- 
tröstung gethon  habe,  sollichs  stuckh  nicht  aus  händen  haben  lassen  wollen; 
darauf  jch  jme  jnn  antwurt  gegeben,  warumben  er  solliches  nit  anfenckhlich 
vermeldt  habe,  dan  wie  man  beicht,  also  eruolgl  die  absolution,  vnd  vielleicht, 
da  man  diß   wissenscbaffl   gehabt  hette,    möchte    der    sachen    and(>rst   Gchdltfcn 


7)  Die  beiden  Worte  .simi  in  das  Konzept  iiocii  iiactitrüKlieh  eingetragen. 


—    68     — 

wordten  sein,  seyn  aber  mit  disem  nit  außg-ericht,  könne  sich  auch  disfals  halber 
weder  entschuldigen  noch  purgieren,  vnnd  bette  seinen  verstandt  wol  besser, 
als  eruolgt,  g-ebrauchen  mögen.«  —  Auch  die  Rückgabe  des  vorgeschossenen 
Geldes  hatte  Loreutz,  seinem  Auftrage  gemäfs,  von  dem  Künstler  verlangt;  darin 
aber  war,  wie  schon  die  erwähnte  Verpfändung  des  Hildes  an  die  Gläubiger 
bezeugt,  kaum  eine  Aussicht  auf  Erfolg  vorhanden.  »Wie  ich  aber  siehe,  spire 
vnd  vernemme« ,  schreibt  Lorentz  selbst,  »so  ist  aus  disem  Mann  wenig  zue 
dreschen,  dan  heut  gewungen,  den  tag  zuuor,  in  vertrawen  vermeldt,  empfangen 
vnd  gleichsamb  vorgegessen  broth;  drage  derowegen  höchlichen  sorg,  wol  jn 
langem  von  jmc  nichts  würdet  zue  bringen  sein,  ehs  eruolge  dan  mit  gewalt, 
jedoch  entgegen  sein  Capital  dan  khlain.* 

Diesem  Schreiben  des  Gastwirts  liegt  ein  Bittschreiben  des  Johann  Rotteu- 
hammer selbst  an  Graf  Ernst  im  Originale  bei,  datiert  vom  18.  Oktober,  zu 
dessen  Absendung  ihn  Lorentz  seinerseits  ermutigt  hatte;  der  Brief  ist  jedoch 
nicht  in  so  jämmerlichem  Tone  gehalten,  als  man  nach  Lorentz'  Schilderung 
vermuten  sollte.  Der  Maler  entschuldigt  sich  zuerst  noch  einmal  wegen  der 
Nichteinhaltung  des  ersten  Terraines,  streicht  dann  aber  sein  nunmehr  vollen- 
detes Kunstwerk  sehr  lebhaft  heraus,  wie  »insonderheit  hiesiger  Stadt  furneme 
herren«,  schreibt  er,  »solches  hohe  vndt  trefliche  werckh  mit  grofser  contem- 
plation,  admiration  vndt  eifer  gesehen  haben.«  Er  hofft,  dafs  der  Graf,  sobald 
er  das  Bild  sehe,  seinen  Zorn  fallen  lassen  werde;  »wie  ich  dan  gantz  vnder- 
thenig  vmb  gnadt  vndt  mit  dem  Königlichen  Propheten  Dauidt  zum  höchsten 
gehorsarablich  bite,  Ne  intres  in  Judicium  cum  servo  tuo,  dan  ich  verhotTe 
genzlich,  es  wurdt  dieß  werckh  zu  erkennen  geben,  das  mein  vleiß  vnd  kunst 
den  vorzueg  widerumben  wurdt  compensiren  vndt  erstaten.«  —  Sodann  kommt 
Rotteuhammer  auf  seine  Geldnot  zu  sprechen.  Notwendig  habe  er,  während 
er,  und  zwar  ausschliefslich  das  Bild  unter  Händen  gehabt  habe,  »mit  (seinen) 
weih,  kindern  vndt  schweren  haußwesen«  existieren  müssen.  Da  haben  denn 
»guthertzige  Personen  ....  an  gelt  vndt  Victualien  allerhandt  hergeschoßen«, 
die  dann  dafür  auf  das  Gemälde  ihrerseits  Beschlag  gelegt  haben.  Setze  der 
Graf  einen  Zweifel  in  seine  »kunst  vnd  arbeit«,  so  wolle  er  es  gern  dem  Urteile 
Kunstverständiger  zur  Besichtigung  unterwerfen.  Schliefslich  wendet  sich  der 
Maler  an  S.  Gn.  »angeborues  miltes  vnd  'heroisch  gemüeth«,  das  »mir«,  schreibt 
er,  »vndt  meniglich  dermaßen  bekandt,  daß  Sie  mein  als  eines  schlechten  manß 
schaden  gnedig  gar  nit  begehren  thuen«;  in  Erinnerung  an  frühere  »viel  große 
gnaden  vndt  wohlthateu«,  da  er  auch  selbst  S.  Gn.,  der  er  »gebürenden  vnder- 
thenigen  respect«  schuldig  sei,  »nicht  gern  offendiren,  viel  weniger  dieselben 
zue  vngnaden  —  commouiren  wolte«,  hoffe  er  auf  Wiedererlangung  der  gräf- 
lichen Gnade  und  Auszahlung  des  Restes  der  oOO  Rthlr. 

Aber  Graf  Ernst  war  so  wenig  durch  dies  eigenhändige  Gesuch  des  Künst- 
lers, als  durch  die  Empfehlungen,  mit  denen  es  der  gutmütige  Gastwirt  dem 
»vom  Gott  hocherleichtem  verstandt«  des  Grafen  zu  »genuegsamber  Gonsidera- 
tion  .  .  .  ains  vnd  anders«  anempfahl,  in  seinem  Zorne  zu  erweichen.  Am 
29.  Oktober  schreibt  er  an  Lorentz  zurück,  dafs  er  trotz  der  erhaltenen  »Schar- 
teken vnd  vermeinten  entschuldigung«  Rottenhammers  bei  seinem  vorigen  Be- 
schlüsse stehen  bleibe.  Der  Maler  solle  die  Vorschüsse  zurückzahlen,  »oder  vff 
wiedrigen  fall  in  den  Schultthurmb  geworffen  werden,  l)iß  er  den  letzten  heller 


—    69    — 

bezahle;  —  den  ih.  gn.  sein  stuck  wegen  beschehenen  affronts  weder  zu  sehen 
ader  zu  haben  begehreu.« 

Mit  diesem  Gegensätze  der  beiderseitigen  Ansprüche  ist  der  Inhalt  des 
Konfliktes  zwischen  Grraf  und  Künstler  im  Wesentlichen  erschöpft;  die  folgen- 
den erhaltenen  Schreiben  bezeichnen  den  weiteren  Gang  desselben,  er  verläuft 
schliefslich  im  Sande.  Aber  einzelne  x\ufserungeu  auch  in  diesen  Briefen 
sind  auch  aufser  dem  sonstigen  kulturhistorischen  Interesse  dadurch  anziehend, 
dafs  sie  auf  die  Persönlichkeit  und  die  persönlichen  Verhältnisse  unseres 
Malers  ein  noch  helleres  Licht  werfen,  als  das  Vorhergehende. 

So,  wenn  Gastwirt  Lorentz  in  seinem  nächsten  Briefe,  vom  20.  November, 
meldet,  wie  Rottenhammer,  »welicher  sich  am  Podegram  jbel  befunden«,  auf 
die  Anzeige  von  der  eingelaufenen  gräflichen  Antwort  j)sich  hoch  beckhlagt 
vnd  gleichsam  mit  weinenden  äugen  gesagt  (habe):  Ach  Gott,  Ich  hab  doch 
vermaint,  jr  gnaden  werde  mein  gannz  diemietig-  bitten  vnd  flehen  angesehen 
haben,  dhan  mein  schuldt  anfengkhlich  nit  gewest«;  —  ebenso,  wenn  Lorentz 
beschreibt,  wie  Rottenhammer  ihn  früher,  so  oft  er  jenen  besucht  und  beim 
Malen  des  Bildes  getroffen  habe,  jedesmal  um  Geld  angegangen  habe,  und  der 
väterlich  wolwollende  Wirt  ihm  dann  erwidert:  «Mein  herr  Rottenhaimer,  seit 
fleisig!  Macht  Ir  das  Stuckh  halt  auß,  so  habt  Ir  palt  Ewer  gelt,  vnd  Ich 
kan  Ir  gnaden  al(5  meines  gnedigsten  herrn  beuelh  nit  jbergehn,  der  hat  mir 
ein  gewises  euch  zue  geben  genedig  beuolhen.  Der  Rest  wirt  euch  vil  lieber 
sein  mit  einander,  als  wan  jrs  nach  vnd  nach  Ein  nimbt.«  —  In  der  That 
scheinen  die  Verhältnisse  des  Malers  durch  eigene  Schuld  sehr  derangiert,  sein 
Ruf  schon  zweifelhafter  Art  gewesen  zu  sein.  »Aber  bey  hochester  warheit«, 
schreibt  über  ihn  der  Augsburger  Gastwirt,  »Eß  (ist)  mit  jm  so  misere  be- 
schaffen, daß  man  seine  Khleider,  Haußrath ,  Schöne  Stuckh  vmb  ein  miseria 
wegen  der  schuldtner,  so  Er  alhie  hat,  verkauffen  mues«;  und  Graf  Ernst 
(Schreiben  vom  27.  Dezember  1617)  behauptet  direkt,  er  habe  das  Bild  Rotten- 
hammers unbesehen  unmöglich  nehmen  können,  »zumall  weill  er  vermutlich 
wegen  vieles  saufTens  vnd  zittern  der  hende  jtzo  nicht  wirt  praestiren  können, 
waß  er  woll  zuuor  gethan.« 

In  der  Sache  hatte  Rottenhammer  an  Lorentz  erklärt,  er  sei  bereit,  das 
Geld  zurückzuzahlen,  sobald  er  das  Bild  anderweitig  verkauft  habe,  war  dieser 
Erklärung  auch  vor  einem,  von  Lorentz  ihm  zugeschickten  Notar  geständig, 
verweigerte  es  aber  doch,  sie  vor  dem  Bürgermeister  von  Augsburg,  vor  den 
ihn  Lorentz  zitiert  hatte,  zu  wiederholen.  Hier,  vor  dem  Bürgermeister,  erfuhr 
die  Sache  des  Malers  überhaupt  keine  ungünstige  Wendung.  Auf  den  Verhafts- 
antrag  Lorentz'  erklärte  jener,  während  er  Rotfenhammer  seinen  Undank  und 
die  VViderspänstigkeit  gegen  Graf  Ernst  verwies,  gleichwol ,  dafs  er  gegen  den 
Künstler  »Nichts  vrtailen,  vill  weniger  jn  einziehen  lassen«  könne.  Rotten- 
hammer fafste  darauf  hin  sohdie  Zuversicht.  (hiCs  er  chis  Weitere  ganz  vom 
Augsburger  Rate  erwarten  zu  wollen  erklärte:  »er  wolle  eines  ganzen  Kher- 
samen  Rats  Decret  Erwarten  .  .  .  vnd  die  herrn  von  der  Statt,  vnder  wellicher 
schütz  er  sey,  werden  In  nit  gleich  verderben  vinl  jnß  Ellendt  stirzen.«  —  Da- 
zwischen sucht  er  sich  freilich  wegen  seines  Verfahrens  ge'^cn  Graf  Ernst 
möglichst  zu  entschuldigen  und  ersucht  auch  den  Wirt,  es  für  ihn  bei  diesem 
selbst    zu    Ihun:    die   Auszahlung  des  noch   rückständigen   Kaufgeldes  sei   ihm 


-     70    - 

bei  Ahschlufs  des  Kontraktes  bestimmt  versprochen  worden,  und  dazu  sei  er 
bange  gewesen,  wegen  Versäumung  des  ersten  Lief'erungstermines  werde  ihm 
von  Graf  Ernst  ein  Abzug  gemacht  werden.  Auch  durch  andere  Mittelspersonen 
bemühte  er  sich,  die  Gunst  desselben  wieder  zu  erlangen. 

Eben  durch  die  wolwollende  Haltung  der  Augsburger  Ratsherren  gegen 
ihren  bcrübmten  Milhürger  sah  Graf  Ernst  die  Erfüllung  seines  Wunsches 
nach  schnellem  Verfahren  längere  Zeit  hinausgeschoben.  Am  6.  August  1618 
schrieb  er  deshalb  selbst  an  den  Rat  mit  dem  Regehren  schleuniger  Rechts- 
hilfe und  bat,  Rottenhammer  »durch  ernstliche  Zwangsmittel«  nicht  allein 
zur  Rückzahlung  des  Geldes  anzuhalten,  soiulern  sein  »vnredliches  beginnen« 
auch  gebührend  zu  bestrafen.  Nicht  sowol  um  das  »geringschctzige  Geldt« 
sei  es  ihm  zu  thun,  als  darum,  da(5  »ein  solcher  leichter  vogell  erinnert  werde, 
was  es  autr  sich  habe,  herren  in  Contracten  wollen  hinters  Liecht  fuhren.«  — 
An  Ergiel'sung  seines  Unwillens  lieCs  es  der  Graf  auch  sonst  nicht  fehlen. 
Bereits  am  27.  Dezember  1G17  hatte  er  dem  Maler  durch  Lorentz  bedeuten 
lassen:  »Da  ihne  hiruber  (abgesehen  von  dem  rechtlichen  Verfahren)  in  kunfT- 
tigh  ein  scharffer  windt  wurd  anwehenn,  daj5  er  sich  solches  nicht  zuwieder 
sein  laßen,  Sondern  nur  kuhnlich  die  gedancken  machen  solte,  daß  der  von 
Buckeburg  komme  vnd  er  selber  den  erregett  vnd  sich  zugerichtett  hette.« 

Aber  der  Augsburger  Rat  willfahrte  dem  Ansuchen  des  Grafen  nicht, 
sondern  legte  vielmehr  (13.  September)  eine  Interzession  für  den  bedrängten 
Maler  bei  jenem  ein,  dorn  auch  ein  ausführlicher  Gegenbericht  Rottenhammers 
selbst,  gezeichnet:  »Hans  Rotenhairaer,  Mahlertf,  beigegeben  wurde.  Graf  Ernst 
wies  dieselbe  (24.  September)  kurzer  Hand  zurück.  —  Auch  das  letzte  in 
dieser  Streitsache  erhaltene'  Schriftstück,  ein  Schreiben  Graf  Ernsts  vom  B.  Jan. 
1619,  dringt  auf  nachdrücklichere  Verfolgung  des  Rechtsverfahrens  gegen  den 
»leichtenn  vogell«. 

Das  »Jüngste  Gericht«  Rottenhammers  ist  denn  auch  nicht  nach  Bücke- 
burg gelangt.  Zwar  befindet  sich  in  der  hiesigen  Schlofskapelle,  für  die  es 
bestimmt  war,  allerdings  eine  Darstellung  jenes  Vorwurfes,  die  auch  in  den 
Mafsen,  der  Länge;  und  Höhe  dem  von  Graf  Ernst  bestellten  Bilde  ent- 
sprechend ist;  dieselbe  rührt  aber,  obgleich  ihr  Autor  sonst  nicht  bekannt  ist, 
nach  sachkundigem  Urteile  nicht  von  Johann  Rottenhammer  her.  —  Dagegen 
werden  bei  FüCsli  und  v.  Saudrart  in  der  Zahl  seiner  Werke  mehrfach  auch 
Darstellungen  des  jüngsten  Gerichtes  aufgeführt,  deren  eine  das  in  Rede 
stehende  Gemälde  sein  mag. 


Deutsche  Briefe  des  Grafen  Rudolf  von  Halisburg- Laufenburg 

aus  dem  Jalire  VMli, 

ie  ältesten,  uns  seither  bekannten  deutschen  Briefe,   die  wirklich  prak- 
ischen  Zwecken    dienten    und    nicht,    wie    so   viele   poetische    Liebes- 
episteln aus   früherer    Zeit,    die    Briefform    lediglich    als    künstlerische 
Einkleidung   wählten,  stammten   aus   den  ersten   Jahrzehnten  des   vierzehnten 


—    71     — 

Jahrhunderts  ^).  Die  ersten  deutschen  Privaturkunden  fallen  ein  Jahrhun- 
dert früher.  Da  nun  Brief-  und  ürkundenwesen  eng:  zusammenhängen, 
und  die  Briefschreiber,  in  vielen  Fällen  mit  den  g-ewerbsmäfsigen  ürkunden- 
verfertig-ern  identisch,  nicht  so  streng  an  die  lateinische  Sprache  gebunden 
waren,  von  deren  Anwendung  bis  zur  Zeit  Rudolfs  von  Habsburg  die  recht- 
liche Giltigkeit  der  Urkunden  abzuhängen  pflegte,  so  dürfen  wir  mit  grofser 
Wahrscheinlichkeit  den  Gebrauch  der  deutschen  Sprache  in  der  Korrespondenz 
ebensoweit  zurückdatieren  wie  im  ürkundenwesen.  Die  grofse  Bedeutung  der 
Urkunden  macht  es  erklärlich,  dafs  ihrer  mehr  und  ältere  erhalten  sind.  Des- 
halb ist  aber  nicht  ausgeschlossen,  dafs  einmal  deutsche  Briefe  auch  aus  früherer 
Zeit  als  aus  dem  Beginne  des  14.  Jahrhunderts  zum  Vorschein  kommen. 

Dr.  Georg  Steinhausen 2)  nimmt  an,  dafs  uns  in  der  Korrespondenz  des 
Mystikers  Heinrich  von  Nördlingen  und  der  Nonne  Margareta  Ebner  die  ersten 
»wirklichen<(  deutschen  Briefe  erhalten  sind.  Unter  dem  neuerdings  aufgearbei- 
teten Materiale  des  Archives  im  germanischen  Nationalmuseum,  das  auch  dem 
Verfasser  der  Geschichte  des  deutschen  Briefes  reiches  Material  bot,  fanden 
sich  zwei  üriginalbriefe,  die  Jahrzehnte  älter  sind,  als  diejenigen,  die  man  bis 
heute  für  die  frühesten  Originale  hielt,  und  die  demnach  als  die  ältesten  von 
sämtlichen  bisher  bekannt  gewordenen  deutschen  Origiualbriefeu  bezeichnet  wer- 
den dürfen. 

Graf  Rudolf  von  Habsburg- Laufenburg -Rapperswyl  (1270 — 1315)  richtete 
sie  am  9.  März  1313  an  König  Johann  von  Böhmen  und  Polen  und  desen  Rat, 
den  Grafen  Bertold  von  Henneberg.  Es  ist  bedeutsam,,  dafs  die  ersten  deut- 
schen Urkunden,  —  die  der  Brüder  Ludwig  und  Johann  von  Mülinen  vom 
12.  November  1221 3)  und  der  Teilungsvertrag  zwischen  den  Grafen  Albrecht  IV. 
und  Rudolf  III.  von  Habsburg  aus  der  Zeit  um  1240'*)  — ,  ebenfalls  aus  der 
Schweiz  stammen,  wo  auch  zuerst,  wie  überhaupt  in  Oberdeutschlaud  ^),  die 
deutsche  Sprache  die  lateinische  aus  den  Urkunden  verdrängte. 

Dem  Abdrucke  der  nicht  nur  kulturhistorisch  wichtigen  Briefe  seien 
einige  Bemerkungen  über  das  Äufsere  und  eine  Rechtfertigung  der  Datierung 
vorausgeschickt.  Schmale  Pergamentblätter  (16  :  8  und  16,5  :  8,8  cm.)  bilden 
das  Schreibmaterial.  Die  Schrift,  beide  Briefe  sind  von  einer  Hand  ge- 
schrieben, ist  auffallend  geläufig  und  weicht  derart  von  der  Urkuutlenschrift 
jener  Zeit  ab,  dafs  man  fast  an  eine  eigenhändige  Ausfertigung  durch  den 
Grafen  denken  könnte.  Beide  Briefe  sind  in  völlig  gleicher  Weise  zweimal  zu- 
sammengefaltet und  mit  Einschnitten  für  den  Pergamentstreilen  versehen,  der 
durch  die  Briefe  gezogen,  und  dessen  Enden  durch  das  Siegel  zusammengehalten 
wurden,  »um  die  Unverletzlichkeil  zu  erreichen«  ^).  Spuren  der  aufgedrückten 
Siegel  (Durchmesser  6  cm.)  sind  noch  vorhanden.  Einfach  wie  das  Äufsere  ist 
auch  der  Stil.  Man  vergleiche  z.  B.  die  Anrede  und  Adresse  an  König  Johann 
mit  späteren  Formehi.  Datiert  sind  beide  Briefe  gleichmäfsig:  der  brief  wart 
geben  zvrich  an  dem  nv'ndcn  tage  merzen.  Aus  dem  Inhalte  geilt  hervor,  dafs 
die   zu  ergänzende  Jahreszahl    keine    andere   sein  kann  als   1313.     In  diesem 

1)  Man  vergleiche  über  das  l'olgciidi-  das  Ircniitlie  Werk  von  Dr.  G.  Sli'iiiliauson, 
»Geschichte  des  deutschen  Briefes«,  Berlin,  R.  Gärtner  1889.  2  Bde. 

2)  S.  14  ff.         3j   II.  Brdslau,  Handbucli  (Um-  Urkundenlelirc  I,  S.  988. 
4)  S.  604.  5)  S.  605.  6)  Steiuhausen  S.  32. 


—     72    — 

Jahre  oder  frühestens  Ende  1312  wurde  dem  Grafen  von  Habsburg  die  Reichs- 
vog'tei  in  den  oberen  Landen  durch  Kaiser  Heinrich  VlI.  entzogen').  Sein 
Nachfolger  »der  von  Bürgion«  (Eberhard  von  Biirglen)  wird  zum  erstenniale 
in  einer  Urkunde  vom  24.  April  1313  ^j  als  Reichslandvogt  (phleger)  genannt. 
Graf  Eberhard  von  Henneberg  sowoP),  wie  König  Johann  von  Böhmen  und 
Polen  befanden  sich  Frühjahr  1313  in  Süddeutschlaud  und  in  der  Nähe  von 
Konstanz  1°).  Von  einem  Aufenthalt  des  Königs  in  dieser  Stadt,  der  vielleicht 
auch  nur  geplant  wurde,  ist  nichts  bekannt.  Er  liefse  sich  übrigens  ohne 
Zwang  in  sein  Itinerar  einfügen. 

I.  Brief  des  Grafen  Rudolf  von  Habsburg  an  König  Johann 

von   Böhmen  und  Polen. 

Dem  hohgebornen  erwirdigen,  vnd  minen  genedigen  herren  von  Gottes 
gnaden  |  kung  Johans  von  Behein  vnd  ze  polan,  Graven  ze  Lvtzelenburg.  embvt 
I  ich  Gravc  Rvd.  von  Habsburg  minen  willigen  vnd  filzigen  dienst  bereit  |  zallen 
dingen.  Ich  tvn  vch  kunt,  das  min  herre  der  keiser  vwer  vater  mir  |  genomen 
hat  die  phlegnvst,  die  er  mir  verlihen  hatte,  vnd  hat  si  verlihen  |  dem  von 
Bürgion,  vnd  da  von  bedurlint  ir  min  vmb  de  hein  ander  sache  |  danne  von 
der  phlegnust  wegen,  swie  krank  ich  danne  bin  au  dem  libe  so  \  kum  ich  gerne 
zvz  vch  gegen  Costentz,  als  ir  mir  mit  vwerm  brieve  habt  |  embotten.  Der 
brief  wart  geben  zvrich  an  dem  nvnden  tage  merzen.  | 
Adresse: Hlustri  Regi  Bohemie. 

II.  Brief  des  Grafen  Rudolf  von  Habsburg  an  Graf  Bertold 

von  Henneberg. 


e 


Dem  edeln  herren  vnd  minen  liben  Oheime  .  .  .  von  Hennemberg  embüt  | 
ich  Grave  Rvd.  von  Habsburg  herre  ze  Rappchzwile  minen  flizigen  dienst  |  vnd 
alles  gvt.  Ich  tun  vch  kunt,  das  mir  der  keiser  die  phlegnust  genomen  |  hat, 
die  er  mir  hatte  verlihen,  vnd  hat  si  dem  von  Bürglen  verlihen,  da  hatte 
mir  der  kvng  Beheim  embotten  das  ich  zvz  im  keme,  so  ich  sinen  brief  |  erst 
gesehe,  ist  das  er  min  von  deheiner  ander  sache  wil  danne  von  der  phlegnusti 
wege,  swie  krank  ich  danne  si  an  dem  libe  so  kum  ich  gerne  züz  im  ze  Go| 
stentze,  das  han  ich  im  embotten,  vnd  si  das  ir  mir  vtes  gehelfen  |  mugit  gen 
im  das  mir  du  phlegnust  belibe,  das  schaffent  als  ich  vch  ge  |  trvwen,  wan 
es  och  die  stette  vnd  das  lant  alles  gerne  sehe,  das  ich  da  bi  be  |  libe.  Da  zvt 
was  ir  mugit  iemer  dur  minen  dienst.  Der  brief  wart  1  geben  zvrich  an  dem 
nvnden  tage  merzen. 

Adresse:  Dem  Graven  B^  von  Hennenbere:. 

Die  Zahl  der  Urkunden,  die  über  die  von  Späteren  mit  so  vielen  sagen- 
haften  Zügen    ausgestattete  Losreifsung  der   Schweiz    von    Österreich   sichere 


7)  vgl.  den  sagenhaften  Bericht  in  Tschudi,  Clu-un.  IIclv.  cd.  Iseliu  I,  S.  260,  der  die 
Enthehung  in  die  Zeit  »umh  den  Neujahrstagc  1313  vedegt. 

8)  ebenda  S.  261,  Kopp,  Gesch.  der  Schweiz.  Elgenossenschaft  IVa,  S.  102,  Anmerk.  8. 

9)  Urk.  Nürnberg  Jan.  6.  1313.    Lang,  Reg.  Boica  V,  S.  241. 

10)  Böhmer,  Regcsten  S.  486  f.,  1313  Jan.  6  Reichstag  in  Nürnberg  (Chmel,  die  Hand- 
schriften der  k.  k.  Ilofbibliolbek  II,  S.  325),  Urk.  vom  21.,  23.  und  23.  Januar  1313  in 
Nürnberg  (Lang  V,  S.  243).    Febr.  8  Augsburg.    Mürz  29  wieder  in  Nüi"nberg. 


—     73     - 

Aufschlüsse  geben,  ist  sehr  g-eriug-.  Trotzdem  der  thatsäcliliche  Inhalt  der 
oben  abg'edruckteu  Briefe  sehr  dürftig-  ist,  mufs  uns  deshalb  auch  dieser  kleine 
Zuwachs  zur  Kenntnis  jener  Zeit  willkoiniuen  sein.  Das  Ausstellungsjahr,  1313, 
das  von  jüngerer  Überlieferung  sogar  als  Anfangstermin  der  Erhebung  be- 
zeichnet wird^^),  der  Wechsel  in  der  Person  des  Reichslandsvogtes,  die  Ein- 
mischung des  Bühmenkünigs  führen  auf  bedeutsame  F'ragen,  deren  Beant- 
wortung in  folgendem  versucht  werden  soll. 

Die  Reichslandvogtei  (phlegnust,  advocatia)  in  den  Waldstätteu  wird  zum 
erstenmale  am  3.  Juni  1309  erwähnt  ^^).  Die  älteste  uns  bekannte  Urkunde,  des 
Grafen  Wernher  von  Homberg,  «phlegers  in  dien  Waldstettencf,  trägt  das  Datum 
des  22.  Juni  ^^).  Im  Elsafs  und  in  Schwaben  bestand  die  Vogtei  nach  neueren 
Forschungen^*)  seit  dem  Interregnum.  Sie  wurde  wahrscheinlich  eingerichtet, 
um  das  Reichs-  und  staufische  Haasgut  in  Oberdeutschland,  nach  dem  in  jenen 
Tagen  der  Verwirrung  zahh'eiche  gierige  Hände  griffen,  zusammenzuhalten. 
König  Rudolf  und  seine  Nachfolger  bildeten  die  Institution  weiter  aus.  Im  Früh- 
jahre 1309  liefs  der  neue  König,  Heinrich  von  Luxemburg,  grofse  Veränderungen 
in  der  Besetzung  der  Vogteien  eintreten.  Es  bestanden  zur  Zeit  eine  elsässi- 
sche,  zwei  schwäbische,  je  eine  in  der  Wetterau  und  im  Speiergau,  vielleicht 
auch  im  Zürichgau.  Der  neu  gewählte  König  wechselte  mit  den  Landvögten, 
indem  er  Anhänger  seines  Hauses  an  Stelle  der  Beamten  seines  Vorgängers 
setzte  ^^).  Zur  'selben  Zeit  soll  auch  eine  neue  Reichslandvogtei  in  den  Wald- 
stätten begründet  worden  sein,  die  aber  in  der  oben  erwähnten  Urkunde  vom 
3.  Juni  als  schon  bestehend  vorausgesetzt  wird  ^^). 

Reichslandvögte  werden  nur  über  solche  Landesteile  oder  Städte  gesetzt, 
die  nicht  der  Landeshoheit  eines  Territorialherrn  unterstellt  sind^'^).  Die  Be- 
stellung eines  Pflegers  in  den  Waldstätten  schlofs  demnach  eine  Anerkennung 
der  Reichsunmittelbarkeit  in  sich,  die  den  Urkantonen  aufserdem  noch  in 
drei  fast  gleichlautenden  LTrkunden^^)  vom  selben  Datum  (3.  Juni  1309)  be- 
stätigt wurde.  Die  Vogtei  wurde,  wie  Rilliet  ganz  richtig  bemerkt i^),  ein  das 
Bewufstsein  der  Zusammengehörigkeit  in  den  drei  Thälern  förderndos  Bindemittel. 

Über  die  Befugnisse  des  Reichslandvogtes  ist  man  noch  vielfach  im  Un- 
klaren ^o).  Im  Allgemeinen  steht  fest,  dafs  ihm,  neben  richterlichen  und  mili- 
tärischen Funktionen,  tlie  V^erwaltung  von  Reichssteuern  und  -Zöllen,  ferner  die 


llj  Vgl.  I'iillicl-Hriiniu'r.  d.  Ursprung  d.  Schweiz.  Eidg.    Aarau  187S.  S.  2oG  IT. 

12)  ebenda  S.  377,  Urk.  XYI.    Tschudi  a.  a.  0.  S.  246. 

13)  Rochliol/,  die  IloinlK^rger  Caiit^n-afcn,  Argovia  XVI,  Regest  Nr.  12S.  S.  71.  Kopp. 
Urkk.  z.  üe.scli.  d.  eidg.  üuiulc  I,  S.  1U7.  Derseiiie,  Gesch.  d.  eidg.  iJiiiuie  IN'a.  S.  ü8. 
Eidg.  Abschiede  I2,  S.  388.  G.  v.  Wyss,  Graf  Wernher  v.  lloniberg  (iMilteiiungcn  der  antiqiiar. 
Gescllsch.  in  Zürich  XIII,  2  a.)  Zürich  18(;0.  Reg.  Nr.  18. 

14)  vgl.  besonders  Teiisch,  z.  Gesell,  d.  schwäh.  u.  i'ls.  Reichslandvoglcieii  im  i.K.laluh. 
l'.onn   1880,  S.  14  i'l".     Meister,  die  IlohenstauiVn  im  Klsals.     Mainz  1880.     S.   lO.-nV. 

lüj  Kopp,  Gesch.  IV  a,  S.  44/45.     Teusch  S.  43. 

16)  s.  Anmerkung  12. 

17)  vgl.  AValtcr,  Dculsche  Reciitsgesch.  Uoiiii    Is;i7.    Rd.  I,  §  211.  290.  311. 

18)  Rilliel  S.  376/77.    Nr.  XVa.  b.  c. 
19j  S.  127. 

20)  s.  die  Litlerahir  bei  Teusch  S.  1  IT.     .Mosliaek.  di<'  lleiclislandvoglei  i.  <l.  Wdleraii  S.  (ilT. 

Mitteiluiigeii  ans  dein  gernuin.  Naiioiialimisoiim.     IS'.M.  X. 


—     74     - 

Aufsicht  über  die  Reichsg-ütcr  und  Reichspfandschai'len  oblag.  Ob  der  Vogi 
mit  dor  Einziehung:  aller  oder  nur  der  aufserg-ewühnlichen  Steuern  betraut  war, 
ob  er  üboruU  den  Blut-  und  König-sbann  ausübte,  wie  weil  in  dem  einzelnen 
Falle  und  in  den  verschiedenen  Gegenden  seine  Bef'ug-nisse  ging-en,  in  welcher 
Weise  die  Vogteien  gegen  einander  abgegrenzt  waren,  darüber  mufs  von  Fall 
zu  Fall  die  Si'iezialforschung  entscheiden.  Während  für  alle  übrigen  Vogteien 
ein  reiches  Material  an  Urkunden  etc.  vorliegt,  müssen  wir  uns  für  die  Schweiz 
mit  wenigen  Andeutungen  begnügen. 

Der  richterlichen  Gewalt  wird  in  der  öfter  erwähnten  Urkunde  vom 
3.  Juni  1809  mit  folgenden  Worten  gedacht:  »Eurer  Beunruhigung  zu  begegnen 
und  Euren  Vorteil  zu  fih'dern  huldvoll  gewillt,  (doch  unter  dem  Vorbehalt, 
dafs  den  über  Euch  Klage  Führenden  der  Zoll  der  Gerechtigkeit  nicht  verweigert 
wird)  bewilligen  Wir  Euch  durch  Gegenwärtiges  gnädigst,  dafs  Ihr  vor  keines 
weltlichen  Kichters  Stul  (ausgenommen  natürlich  Unserer  Majestät  Hofgericht) 
um  irgend  welcher  Rechtssachen  oder  Geschäfte  willen  aufserhalb  der  Grenzen 
vorgenannten  Thaies  gezogen  werden  dürft,  unter  der  einen  Bedingung,  dafs 
Ihr  vor  Unserem  Landvogt  innerhalb  der  Grenzen  dieses  Thaies  bereit  seid  zu 
Recht  zu  stehn  und  zu  (hun,  was  das  verordnete  Recht  gebietet« 2^).  Von 
welcher  Art  der  Gerichtsbarkeit  ist  hier  die  Rede?  AVegelin^'^)  weist  dem 
Reichsvogte  den  Blut-  und  Königsbann  zu.  Man  kann  auch  daran  denken,  dafs 
die  Entscheidung  der  Streitigkeiten  der  Urkantone  mit  benachbarten  landes- 
herrlichen ,  insonderheit  österreichischen  Städten  und  Bezirken  gemeint  sei. 
Darauf  scheint  die  Wendung  von  den  ȟber  Euch  (die  einzelnen  Kantone  als 
Gemeinschaft,  universitas,  gedacht),  Klage  Führenden«  hinzudeuten  (dum  tarnen 
de  vobis  querulantibus  iusticie  debitum  non  negetur).  Besonders  die  Her- 
zöge von  Habsburg-Österreich  als  Vögte  der  benachbarten  Klöster,  so  des  seit 
langer  Zeit  mit  Schwyz  verfeindeten  Stifts  Einsiedeln,  und  als  Herren  von 
Luzern,  das  mit  Schwyz  wegen  der  Schiffahrt  auf  dem  Vierwaldstättersee 
haderte,  versuchten  wol  die  Urkantone,  auf  die  sie  noch  weitergehende  An- 
sprüche geltend  machten,  vor  ihr  Gericht  zu"  ziehen.  Den  Klagen  darüber,  die 
Tschudi^^)  als  historisch  hinstellt,  ohne  Beweise  dafür  beizubringen,  hätte  dann 
der  kaiserliche  Erlafs  abgeholfen.  Wenige  Tage  nach  dem  3.  Juni  wird  unter 
dem  V'orsitze  des  Reichslandvogtes,  des  Grafen  von  Homberg,  der  Streit  zwi- 
schen Schwyz  und  Luzern  geschlichtet ^-i).    In  dem  Zwiste,  der  zwischen  ersterem 


21)  vcsiris  inquicludiniljus  obuiarc^  cominoditafilniS(iue  prospicere  fauorabilitcr  cu- 
picntt'S,  dum  tanien  de  vobis  (|ucrulaiitibus  iusticie  debitum  non  negctui",  vobis  per  prosentcs 
concedimus  graciose,  quod  ad  nullius  secularis  ludids  Tribunal,  iwstre  Maicstatis  Con- 
sistoriü  dumtaxat  excepto,  super  quibuscumque  causis  seu  negocijs  extra  terminos  valiis 
prediete  pertrahi  debeatis,  duniniodo  coram  Advocato  nostro  prouinciali  intra  fines  eiusdein 
valiis  parali  sitis  stare  juri  et  facere  quod  didauerit  ordo  juris. 

22j  Gründl.  histor.  Beridit  v.  d.  Kayserl.  u.  Rcidis-Landvogtey  in  Sdnvaben.  Lindau 
1755.  Bd.  I,  S.  95  ff.  Vergl.  ferner  Sdiöpflin,  Alsatia  illustrata.  Strafsburg  1761.  Bd.  il, 
S.  286  u.  557.  Teusdi  a.  a.  0.  S.  56  ff.  Moshadi  a.  a.  0.  S.  36  ff.  Der  erste  Bundesvertrag 
1291,  Aug.  1.  (Riliiet  S.  371,  Urk.  XI)  gibt  genauere  Bestimmungen  über  die  Pflege  der  Justiz, 
ohne  des  Landvogts  zu  gedenken. 

23)  S.   246. 

24)  s.  Anmerkung  13. 


—     7S    — 

und  Zürich  ausbrach,  weil  die  Schwyzer  die  Eutschädig-ung-  der  Züricher  ver- 
weigerten, die  sich  für  die  Einhaltung  des  durch  Zürich  vermittelten  Aus- 
gleiches zwischen  Schwyz  und  Kloster  Einsiedeln  verbürgt  und  infolge  der 
Hartnäckigkeit  der  Schwyzer  unnütze  Geiselschaft  geleistet  hatten '^^),  spielt 
der  letzte  Landvogt  unter  Heinrich  VII.,  der  Freie  Eberhard  von  Bürgten,  die 
Rolle  des  Schiedsrichters-^).  Die  Vertretung  der  Interessen  des  Vogteibezirkes 
gegen  Fremde  scheint  demnach  eine  weitere  Befugnis  des  Vogtes  gewesen 
zu  sein. 

Der  Pfleger  nahm  den  ihm  untergebenen  Städten  und  Bezirken  den  Hul- 
digungseid im  Namen  des  Königs  ab.  Hierfür  ist  uns  in  der  schweizerischen 
Landvogtei  nur  ein  Beispiel  aus  der  Zeit  Ludwig  des  Baieru  bezeugt  ■^'^). 

Eine  Führung  des  Heerbanns  durch  den  »phleger  des  römischen  Richs« 
dürfte  der  Vertrag  der  Herzöge  Friedrich  und  Leopold  von  Österreich  mit 
Zürich  vom  2.  August  1309  voraussetzen:  «Were  ouch  daz,  ob  sich  Graue 
Wernher  von  Homberk  ald  die  Waldstette  dur  miitwillen  gegen  vns  ze  velde 
wolten  legen  vor  dem  Hus  ze  Snabilburg^s)^  so  haut  die  burger  von  Zürich 
gelobt,  de  si  in  dekein  Spise  geben  an  die  stat«  ^^). 

Üb  der  Reichsvogt  in  den  Waldstätten  auch  die  direkten  Steuern  ver- 
waltete, wie  Teusch^o)  füi»  Schwaben  und  Elsafs  nachzuweisen  versucht,  oder 
nur,  wie  Moshack^^)  für  die  Wetterau  feststellt,  aul'sergewöhnliche  Umlagen 
einzog,  können  wir  nicht  entscheiden,  da  nur  wenige,  ganz  allgemein  gehaltene 
Zeugnisse  für  die  Thätigkeit  des  Landpflegers  auf  diesem  Gebiete  vorliegen. 
Im  Frühjahr  1313  ist  Eberhard  von  Bürglen,  der  letzte  Reichsvogt  unter  Hein- 
rich VII.,  mit  der  Eintreibung  einer  Beisteuer  zur  Reichshülfe  für  den  König 
betraut 3^).  Am  11.  Mai  1313  quittiert  er  der  Stadt  Konstanz  den  Empfang  von 
100  Mark  Silber  ^3).  In  einem  wahrscheinlich  aus  dieser  Zeit  stammenden  Brief- 
chen**) erläfst  er  denen  von  Schwyz  60  Pfund  Pfennige,  die  sie  an  ihn.  doch 
wol  in  seiner  Eigenschaft  als  Landvogt,  zu  zahlen  verpflichtet  waren. 

Die  Zahl  der  Reichsgüter  in  den  Waldstätton  mufs  sehr  beschränkt  ge- 
wesen sein.  Ganz  fehlten  sie  nicht,  wie  uns  die  Verpfändung  des  Reichszolls 
zu  Flüelen  durch  Heinrich  Vll.  an  Graf  Wernher  von  Homberg  vom  21,  Januar 
1313  beweist*^).    Nur  eine  Urkunde  zeugt  von   der  Thätigkeit  der  Reichsvögte 


23)  Vgl.  Urkk.  Zürich  13H,  März  14.  1311.  Juni  19  bei  Tschudi  S.  255  ft".  Hilliot 
S.  135.     Kopp,  Urkk.  IJ,  S.  187.     Gi-sch.  IV  a,  S.  244  IT. 

26J  Eiolcii  1313,  April  24,  s.  Tschudi  S.  261  ff.    Kopp.  Gösch.  TV  a.  S.  253. 

27 j  Tsciiudi  S.  ±mi.    v^l  Tcusch  S.  44. 

28)  Schnabc'ilniri^  wurde  von  den  Österreichern  in  ticiii  Kachekriepe  gegen  die  iMörder 
König  Albrcchls  belag<Tl   uiiil  zcrstürl.     Kopp,  Gesch.  IV  a,  S.  G2. 

29j  Hoclihülz  a.  a.  O.  Ar.  129,  S.  71.  Tschudi  S.  248.  Kopp,  Urkk.  11.  S.  5(5.  Gesell, 
a.  a.  0.  S.  ü2. 

30J  S.  45  IT.  31  j  Ö.   isir. 

32)  Urk.  Ziiricli  1.113,  April  23.  Kopj),  Urkk.  II.  S.  !!I7,  Gesch.  I\  a.  S.  244.  Archiv 
\'üv  Kunde  (islcrr.  Gcscliiclilsiini-ili'n   \'l.  S.    I'.t7. 

iS)  clienda  Ö.  198.    Kopp,  Urkk.  11,  S.  198.     Gesell    IV  a.  S.  243. 

34J  ehenda  S.  254.     Urkk.  a.  a.  0.     Archiv  a.  u.  (.). 

35j  Uochlud/,,  Nr.  147,  S.  81.  Kopp,  (lesch.  IV  a,  S.  25G.  His  dahin  scheint  der  Zoll 
dem  Kaiser  direkt  und  darnil  aiuli  dr.sscn   l,andvogt  unlerslandcn  zu  liiihcn. 


—    76    — 

iiul' iliesem  Gebiete.  Am  22.  Juli  1811  bestätig't  König-  Heinrich  VII.  im  Lager 
vor  Bresuia  dem  Ritter  Walther  von  Casteln  eine  Pfandschaft  auf  die  Vog-tei 
der  Dörfer  Richenbach  und  Helfetswiler  bei  Gonstaiiz,  die  noch  aus  der  Zeit 
König-  Albrechts  herrührte.  In  derselben ^ß)  befiehlt  er  dem  Grafen  Rudolf  von 
Ilalisburg-  »caeterisque  advocatis  nostris  prouincialibus«,  den  Inhaber  der  Pfiind- 
schaft  in  seinen  Rechten  nicht  zu  hindern,  noch  zu  kränken.  Dafs  mit  der 
Verwaltung-  der  Reichsg-üter  auch  die  Aulsicht  über  die  Reichspfandschafien 
verbunden  war,  g-eht  aus  verschiedenen  Verfüg-ung-en  Heinrichs  VII.  her- 
vor^'). Schon  der  Zusatz  caeterisque  advocatis  nostris  prouincialibus  zeigt, 
dafs  es  sich  nicht,  wie  Tschudi  annimmt,  um  eine  Feindseligkeit  gegen  den 
Grafen  von  Habsburg  handelt.  Die  Vog-tei  des  Ritters  von  Casteln,  sicherlich 
eine  der  dem  Reichslandvogte  unterstellten  Unter vogteien,  wird  einfach  der 
Oberaufsicht  des  LandpHcgers  entzogen.  Letzterem  stand  sonst  das  Recht  zu, 
die  Untervögte  ein-  und  abzusetzen.  Doch  kam  es  öfters  vor,  dafs  der  König 
über  seinen  Kopf  hinweg  die  Stellen  neu  besetzte 3^).  Auch  Verpfändungen 
der  Reichsvogteien,  sowie  ihrer  Unterbezirke,  sind  nicht  selten. 

Aus  der  letzterwähnten  Urkunde  Heinrichs  VII.,  in  der  er  die  Vogtei 
über  Richenbach  und  Helfetswiler  dem  von  Casteln  verpfändet,  geht  hervor, 
dafs  der  Sprengel  des  Reichslaudvogtes  Rudolf  von  Habsburg- Laufenburg  weit 
iiber  die  Grenzen  der  Waldstätte  gereicht  haben  muls.  Beide  Ortschaften  liegen 
im  heutigen  Kanton  SchafThausen.  Man  hat  bisher  mit  Tschudi  angenommen, 
dafs  Graf  Rudolf  seinem  Stiefsohne  Wernher  von  Homberg  in  der  Reichsvogtei 
über  die  Waldstätte  gefolgt  sei.  Doch  nennt  ihn  Tschudi  auch  Landvogt  in  den 
oberen  Landen.  Während  Wernher  sich  in  der  oft  erwähnten  Urkunde  vom 
22.  Juni  1309^9)  ausdrücklich  «phleger  des  Römschen  Richs  in  dien  Waldstetten« 
nennt,  wird  Graf  Rudolf  sovvol  in  der  Urkunde  vom  1.  Mai  ISlÜ'^oj^  {^  dej,  q^  gum 
erstenmale  als  Landvogt  auftritt,  als  auch  in  der  vom  22.  Juli  1311  *i),  ganz  allge- 
mein als  advocatus  prouincialis  bezeichnet.  Auch  in  der  oben  übersetzten  Stelle 
der  Exemptionsurkuude  Heinrichs   für   die  Urkantone   wird   der  Wirkungskreis 


s 


des  advocatus  prouincialis  nicht  näher  umgrenzt.  In  den  ülirigen  Urkunden 
des  Laufenburgers  aus  der  Zeit  seiner  Pflegschaft  führt  er  den  Titel  eines  Land- 
vogts  nicht.  Eberhard  von  Bürglen,  sein  Nachfolger,  nennt  sich  einmal  einfach 
»dez  Römschen  Keisers  Lantuogt« ^^^^  ein  andermal  »Vogt  zu  Costenz«'^)  oder 
»im  Costentzer  Bistumb  des  Römischen  Keisers  Land -Vogt«  ^*).  Die  Urkunde  vom 
23.  April  1313'i5)  beweist,  dafs  auch  die  Stadt  Zürich  in  seinen  Bezirk  einbe- 
griffen  war.    Damit   stimmt   überein,    dafs   sein    Vorgänger,    Graf  Rudolf  von 


36)  Miincfi,  Rcgesten  der  Grafen  voji  Hahsburg,  Laufciil)ui-gischer  Linie,  Argovia  X, 
Nr.  278,  S.  173.  Herrgott,  Genealog,  diplouiat.  gentis  Habsburg.  Wien  1737.  III,  Nr.  714. 
S.  602.    Kopp,  Gesch.  IV  a,  S.  234. 

37}  s.  z.  B.  Böhmer,  Regest.  Henr.  VIL  Addit.  1,  Nr.  571,  S.  399  (1310,  Aprit  2,  an 
JolTrid  V.  Leiningen,  Landvogt  im  Elsass).  Nr.  516,  S.  305    (1313,  Jan.  2,  an  denselbeiij. 

38}  Tcusch  S.  44.  39}  s.  Anmerkung  13. 

40}  Münch  Nr.  271,  S.  172.     Herrg.  III,  Nr.  706,  S.  597. 

41}  s.  Anmerkung  36. 

42}  s.  Anmerkung  ä''!,  vgl.  ferner  die  Urk.  Zürich  1313,  Mai  19  (Arcliiv  für  Kuiule 
österr.  Geschichtsquellen  VI,  S.  198.    Kopp,  Urkk.  II,  S.  198,  Gesell.  IV  a,  S.  244;. 

43}  s.  Anmerkung  33.  44}  Tschudi  S.  261.  45}  s.  Anmerkung  32. 


—   11   - 

Habsburg-,  nach  Ausweis  seioer  Urkunden '^^)  während  seiner  Amtsführung-  fast 
ununterbrochen  den  Wohnsitz  in  Zürich  g-ehabt  haben  niuCs.  Von  säiiillichen 
durch  ihn  vom  1.  Mai  1310  bis  zum  1.  Januar  1318  ausgestellten  Schriftstücken, 
elf  an  der  Zahl,  sind  nur  drei  nicht  in  dieser  Stadt  ausg-efertig-t  worden.  Die 
Vermutung-  liegt  nahe,  der  Sprengel  des  Grafen,  der  von  seinem  Vater  die 
Würde  eines  Landgrafeii  im  Züriehgau  ererbt  hatte'^''),  habe  sieh  nicht  nur 
über  den  genannten  Gau,  sondern  auch,  wie  der  seines  Nachfolgers,  über  die 
ganze  Ostschweiz,  das  Bistum  Constanz,  erstreckt.  Die  Benennungen  der  Reichs- 
vögte und  -vogteien  stehen  keineswegs  fest.  Der  Amtsbezirk  wird  oft  nach 
einem  Teile  oder  nach  einer  zugehörigen  Stadt  benannt.  Es  ist  deshalb  wahr- 
scheinlich, dafs  »der  Vogt  zu  Costentz«  oder  im  »Gostentzer  Bistuinb«  mit  dem 
»phleger  in  dien  waldstettencf  identisch  ist. 

Wir  bemerkten  bereits,  dafs  die  Urkunde  König-  Heinrichs  vom  3.  Juni 
1309,  in  der  er  die  Urkantone  von  fremdem  Gerichte  eximiert,  die  Roichsland- 
vogtei  in  jenen  Gegenden  als  schon  bestehend  voraussetzt.  Nun  wird  schon 
unter  König-  Adolf  von  Nassau  ein  Vogt  im  Zürichgau  oder  advocatus  Thuri- 
censis'*^)  erw'ähut.  Es  ist  dies  der  Graf  Eberhard  von  Katzenellenbogen,  der  noch 
von  Albrecht  I.  in  einer  Verleihung*^)  als  advocatus  provincialis  ohne  Hinzu- 
fügung des  Wirkungskreises  genannt  wird.  Der  Annahme  Wencks  im  1.  Band 
seiner  hessischen  Geschichte,  Eberhard  sei  Reichsvogt  im  Speiergau  gewesen''"), 
stehen  aufser  den  beiden  Urkunden  von  1294  noch  weitere  Bedenken  entgegen. 
Allerdings  hielt  sich  Eberhard  nur  vorübergehend  in  oder  bei  Zürich  auf. 
Unter  König-  Albrecht  scheint  ihm  nur  der  Titel,  nicht  die  Befugnisse  eines 
Landpilegers  verblieben  zu  sein.  Albrecht  schaltete  und  waltete  unmittelbar 
in  den  seinen  Erblanden  benachbarten  Kantonen.  Unter  König-  Heinrich  änderte 
sich  die  Sache.  Graf  Eberhard  von  Katzenellenbogen  starb  in  hohem  Alter  im 
Jahre  1311-''^).  Der  neue  Landvogt  unter  Heinrich  VII.  führte  nicht  nur  den 
leeren  Titel.  Mit  der  Urkunde  vom  3.  Juni  1309  wird  ihm  ein  Teil  der  durch 
König  Albrecht  zurückgezogenen  Rechte  wiedergegeben.  Ist,  wie  Avir  annehmen, 
advocatus  Thuricensis  wirklich  identisch  mit  dem  »phleger  in  dien  waldstetten« 
und  dem  »Vogte  zu  Gostentz«,  dann  müssen  wir  auch  die  Begründung  der  Vogtei 
in  der  üstschweiz  in  die  Zeit  König  Adolfs,  oder  gar  wie  die  der  Landvogteicn 
in  Elsafs,  Schwaben,  Speiergau  und  Wetterau  in  die  König  Rudolfs  und  des 
Interregnums  zurückdatieren. 

46)  s.  Münch  S.  172  ff.  Nr.  270-281,    Nachtrag,  Argovia  XVIII,  S.  65,  Nr.  35. 
47J  s.  z.  B.  Münch  Nr.  263  ;  ferner  Nr.  222.  226.  227.  234. 

48)  Urk,  Zürich  1294,  Mai  22.  Koi)]),  Urkk.  U.  S.  148  :  Viid  ist  licscliolioii  mit  aoiii 
rulc  inines  gcnodigen  Herren  von  gotte.s  geiiaden  Itiscliol'  lleiiiriches  von  Kostanze,  vnd  mit 
der  ortfriuiiedo  der  (sc.  des)  edclen  Herren  grauen  Kl)erhartes  von  Calzeneileli(i;j,cn  juines 
swagers,  der  Züricher  Pfleger  ist  etc.  Kopj),  Gesell,  lila.  S.  jo'i  IT  luill  tue  hei  Neugarl. 
Cod.  dipl.  Aleinanniai!  |ip.  I7'.)ii.  11.  S.  S40,  Nr.  ML!  abü-edrnckle  lat.  L'rk.  vom  seilten  Datum, 
in  der  iiheriiard  als  advocatus  Thuricensis  genannt  wird,  l'üv  einen  dürftigen  Auszug  aus 
der  vorher  angeführten. 

49)  Wenck,  Hess.  Landesgesch.  I,  Anhang  S.  70.  Urk.  Nr.  CVI. 

oO)  Nach  dem  Ciironic.  Colmar.  Mon.  Germ,  liist.  XVII.  S.  257  mul's  er  schon  unter 
König  Huddif  Landvogt  gewesen  sein.  Die  .Änderungen  dei- Jahre  1296  (1297)  und  1298  in 
d(T  Besetzung  der  Landvugteien   heiiihi'ten   ihn   nicht.      \'gl.   I\(i|)|)   lila.  S.  ±\:]. 

Sl)  Wenck  a.  a.  0.  S.  368. 


—     78     — 

Über  die  Amtsführung  des  ReichsUindvogtos  Rudolf  von  Habsburg-Laufen- 
liiirg-  ist  uns  nichts  bekannt.  Über  seine  Fähigkeit  oder  Unfähigkeit  können  wir 
deshalb  nicht  iiilcilcn.  Ein  späterer  Chronist  niiniiil,  wo!  mit  Lliirccht,  Mifsbrauch 
der  Amtsgewalt  als  fjrund  seines  Sturzes  an.  Aus  dem  Briefe  an  den  Grafen  von 
Henneberg  geht  hervor,  dafs  seine  Untergebenen  die  Entsetzung  bedauerten: 
)'Wan  es  och  die  stette  vnd  das  laut  alles  gerne  sehe,  das  ich  da  bi  belibe«.  Auch 
Tschmli  bemerkt:  »die  von  Zürich,  die  Waldstett  und  ander...  haltend  In  lieb«  ^2). 

Stand  er  aber  wirklich  in  so  inniger  Freundschaft  mit  den  Waldstätten, 
die  nach  Tschudi  mil  den  Mördern  König  Albrechts  sympathisierten,  dafs  seine 
Vettern  von  Habsburg-Österreich,  wie  man  annimmt,  sich  bewogen  fühlen 
mufsten,  auf  seinen  Sturz  hinzuarbeiten?  Tschudi  gibt  als  Grund  seiner  Ent- 
hebung die  Verläunnlung  Herzog  Leopolds  und  des  Ritters  Walther  von  Gastein 
an,  »die  bim  Kunig  in  Italia  lagend«^^).  Ein  Aufenthalt  Wall hcrs  in  Italien  zur 
Zeit  der  Absetzung  Rudolfs  ist  unwahrscheinlich.  Im  Frühhorbst  1312^)  be- 
findet er  sich  noch  bei  Johann  von  Böhmen  und  den  Herzogen  von  Österreich 
in  Mähren.  Er  wird  von  letzteren  für  grofse  Dienste  belohnt,  die  er  ihnen 
in  jenen  Landen  geleistet  hat.  In  einer  Urkunde  des  Böhmenkönigs  vom 
13.  September  1313  wird  er  Capilaneus  Moraviae  genannt^^).  Zieht  man  hinzu, 
dafs  sein  Name  in  den  Zeugenreihen  der  in  jener  Zeit  von  Heinrich  in  Italien 
ausgestellten  Schriftstücke  fehlt,  so  gewinnt  die  Annahme  Wahrscheinlichkeit, 
dafs  er  sich  Anfang  des  Jahres  1313  in  Österreich  ständig  in  der  Nähe  seiner 
Lehensherren,  der  Herzöge,  aufhielt.  Ein  Aufenthalt  Herzog  Leopolds  in  Italien 
um  jene  Zeit  ist  unuiöglich.  Er  urkundet  noch  am  5.  November  in  AVien,  am 
13.  in  Linz  und  am  3.  Februar  wieder  in  Baden  bei  Wien^^).  Ein  Fehlen  seines 
Namens,  wenn  er  in  der  Zwischenzeit  wirklich  im  Lager  des  Kaisers  gewesen 
wäre,  in  den  Zeugenreihen  der  italienischen  Urkunden  Heinrichs  VII.  jener  Zeit 
bliebe  unerklärlich. 

Die  Vermutung  einer  Verfeindung  Walthers  von  Casteln  mit  Graf  Rudolf 
kann  nur  auf  der  einzigen  oben  besprochenen  Urkunde  vom  22.  Juli  1311  •") 
beruhen.  Rudolf  hatte  nur  als  Reichslandvogt,  nicht  als  Graf  von  Habsburg- 
Laufenburg  Beziehungen  zur  Vogtei  von  Richenbach  und  Helfetswiler.  Wir 
sahen  schon,  dafs  es  falsch  ist,  in  der  Thatsache  der  Verpfändung  eine  Feind- 
seligkeit gegen  den  advocatus  provincialis  zu  suchen.  Auch  die  Angabe 
Tschudis^s),  Walther  von  Casteln  habe  schon  früher  im  Auftrage  seines  Gönners, 
des  Königs  Albrecht,  den  Grafen  von  Laufenburg  bekriegt,  ist  nicht  zu  erweisen. 

Dafs  Herzog  Leopold  bei  der  Bestätigung  der  Pfandschaft  Walthers  von 
Casteln  beteiligt  war,  ist  ebenfalls  zweifelhaft.  Die  Familie  derer  von  Casteln 
mufs  in  hohem  Ansehen  auch  beim  Kaiser  gestanden  haben ,  wie  die  Ver- 
leihungen an  Dietegen  von  Casteln,  Reichslandvogt  zu  Augsburg,  Ulm  und 
Überschwaben,  beweisen'^").  Ebenso  anfechtbar  ist  die  Annahme  eines  Zwistes 
zwischen  Graf  Eudolf  und  seinen  Vettern  von  Habsburg-Österreich,  insonderheit 
Herzog  Leopold.    Im  Frühjahre  1311  ist  Rudolf  mit  seinem  Vetter  zusammen  in 


52)  S.  260  61.  53)  ebenda. 

54)  Urkk.  1312.  Aug.  19.     Lichnowsky,  Gesch.  des  Hauses  Habsburg  III,  S.  CCCXLII. 

55)  Falckenstein.  cod.  dipl.  Nordg.  S.  135. 

56)  Büluiiei',  Heg.  iuip.  Addit.  II,  S.  506  u.  511.     LiL'liuow.sky,  a.  a.  0. 

57)  s.  Amucrkung  36.       58)  S.  258.       59j  vgl.  Kopp,  Gesch.  IVa,  S.  199.  222  u.  s.  f. 


—     79    — 

der  Lombardei  unter  den  Fahnen  des  König-s.  Er  kauft,  mit  ihm  gemeinsam  die 
Rotenburg-  bei  Luzern  und  bekräftig'l  nach  seiner  Heimkehr  in  einer  Urkunde, 
datiert  Diessenboven  tSll,  Juli  11'^^),  die  mit  Leopold  in  der  Lombardei  über 
den  Kauf  getroffenen  Vereinbarungen.  Kurz  nach  der  Entfernung-  des  Laufeu- 
burg-ers  von  der  Reichsvog-tei  linden  wir  ihn  in  der  Begleitung-  seines  Vetters 
von  Österreich.  Er  tritt  Juli  und  August  in  nicht  weniger  als  sechs  Urkunden 
Leopolds  als  Zeuge  auf^).  Der  Gegensatz  zwischen  Habsburg-Laufenburg  und 
Habsburg-Österreich  ist,  wenigstens  für  die  letzten  Jahre  des  Grafen  Rudolf, 
von  Tschudi  künstlich  konstruiert. 

Sein  Sturz  bedarf  weder  der  Annahme  einer  schlechten  Amtsführung-, 
noch  der  einer  Verläumdung  bei  König  Heinrich:  er  ist  die  naturgemäfse  Folge 
der  luxemburgischen  Politik.  Seit  der  im  Jahre  1309  erfolgten  Aussühnung 
hatten  sich  die  Herzöge  von  Österreich  als  treue  Anhänger  des  Königs  erwiesen. 
Besonders  Leopold  hatte  ihm  in  Italien  die  wesentlichsten  Dienste  geleistet. 
Als  der  Herzog  1311  Heinrieh  um  endgültige  Entscheidung  der  zwischen  seinem 
Hause  und  den  Urkantonen  schwebenden  Streitfragen  ersuchte,  konnte  ihm  der 
König  diesen  billigen  Wunsch  nicht  abschlagen  und  ernannte  den  Freien  Eber- 
hard von  Bürglen  zu  seinem  und  des  Reiches  Vertreter  in  einem  zu  diesem 
Behufe  berufenen  Schiedsgerichte,  w^ährend  Graf  Friedrich  von  Toggenburg  die 
Ansprüche  Österreichs  wahren  sollte '^^).  Infolge  der  Kriegsläufe,  vielleicht 
auch  einer  Änderung  in  den  Gesinnungen  Heinrichs  gegen  die  Österreicher, 
verzögerte  sich  die  Ausführung-  der  angeordneten  Untersuchung.  Da  schlofs 
König  Johann,  des  Kaisers  Stellvertreter  in  Deutschland,  Sommer  1312  ein 
Bündnis  mit  den  Herzögen  *^3)  m^j  verpflichtete  sich  in  der  Vertragsurkunde 
vom  25.  Juli  1312,  seinen  Vater  an  die  gegebene  Zusage  zu  mahnen 
und,  im  Falle  einer  Weigerung  desselben,  selbst  auf  Grund  seiner  Stellung 
als  Reichsverweser  nach  Verlauf  von  sechs  Monaten  den  Herzöi>-en  zu  ihrem 
Rechte  zu  verhelfen.  Heinrich  VII.,  dessen  Lage  in  Italien  zur  Zeit  sehr 
ungünstig  war,  durfte  sich  die  mächtigen  Habsburger  nicht  zu  Feinden  machen. 
Er  konnte  sich  der  Mahnung  nicht  entziehen  und  schickte  seinen  Vertreter  im 
Schiedsgerichte,  den  Freien  Eberhard  von  Bürglen,  der  sich  noch  Mitte  Oktober 
im  kaiserlichen  Lager  befand*^),  in  die  Heimat.  Eine  V^ertretung  seiner  Inte- 
ressen durch  den  Grafen  Rudolf,  den  Verwandten  und  Freund  der  Habsburger, 
war  ausgeschlossen.  Zur  Erhöhung  der  Autorität  des  Schiedsrichters  bekleidete 
der  Kaiser  den  von  Bürglen  mit  der  Würde  eines  Reichslandvogts  im  Bistume 
Constanz,  nachdem  er  den  Laufenburger  seines  Amtes  enthoben  hatte.  Eine  der 
ersten  Handlungen  Eberhards  von  Bürglen  war  die  Vermittlung  eines  Aus- 
gleichs zwischen  Zürich  und  Scinvyz.  Die  Fortsetzung  des  Friedonswerkes  um! 
endgültige  Entscheidung  der  schwebenden  Streitfragen  hinderte  der  plötzliche 
Tod  Heinrichs  VII. 

Nürnberg.  Jul.  Rcinh.  Diolorich. 


60)  Münch  Nr.  277.     Kopj),  Url<k.  II.  S.   is:;.    IJniim.'r.  Addil.  II.  S.  474. 
Glj  iMüiich  Nr.  283-87.     Niielifra^-  Nr.  JJO. 

62)  vkI.  dir  L'rk.  hei   llillirt  S.  379,  Nr.   .Will. 

63)  Kopp,    Gcschichlsblütlor    I,    S.    137    IT.      Kur/,    Oesterroirli    iiiilir    Frieilrirli    d<iit 
Scliüiioii  S.  425.     Licliiu)ws]<y  a.  a.  0. 

G4)   Bölimcr  Nr.  .'iU(),   Lüiiitr.   Ucicli.sanliiv  XVlil.  S.  414. 


—     80    — 
Nürnberger  Schrank  aus  der  zweiten  Hallte  des  17.  .lahrliunderts. 

(^Uiczu  Tafel  X.) 

^  icser  Schrank,  dessen  Abbildung-  auf  beiliegeuder  Tafel  eine  Aufnahme 
(Inicli  die  Schüler  der  hiesig-en  kg-1.  Kunstg-ewcrbeschule  zu  Grunde  liegi 
und  die  wir  der  «Bayer.  Grewerbezeitung«  entnehnien,  wurde  in  jenen 
Zeiten,  als  es  sich  noch  lohnle,  in  Nürnberg  sich  nicht  blos  bei  A.nti(iuaren, 
sondern  auch  bei  Trödlern  umzusehen,  wenn  man  gute,  altertümliche  Stücke 
haben  wollte,  im  Jahre  1863,  vom  damaligen  I.  Direktor,  Geh.  Rat  Michelsen, 
dem  unmittelbaren  Amtsnachfolger  des  Begründers  unseres  nationalen  Museums, 
zunächst  nicht  für  die  Sammlungen,  wo  ja  damals  nichts  aufgestellt  werden 
sollte,  das  jünger  war  als  16S0,  sondern  für  das  Direktorialzimmer  auf  dem 
Trödelmärkte  erkauft  und  befand  sich  so  lange  daselbst,  bis,  lange  nach  dem 
Amtsantritte  des  Unterzeichneten,  die  fortschreitende  Entwickelung  die  Ver- 
legung der  Direktorialkanzlei  in  ein  Lokal  nöti^-  machte,  in  welchem  der 
Schrank  keinen  Raum  fand.  Da  wurde  er  als  guter  Vertreter  seiner  Zeit  in 
die  Saiiniiluiigcn  eingereiht,  für  welche  mittlerw^eile  die  alte  Zeitgränze  gefallen 
war.  Was  ihn  dazu  besonders  geeignet  machte,  war  der  Umstand,  dafs  er 
vollständig  wol  erhalten  und  in  gar  keinem  Teile  restauriert  ist. 

Wir  haben  auf  S.  239  des  I.  Bandes  dieser  Mitteilungen  von  den  älteren 
Nürnberger  Schränken  gesprochen  und  gesagt,  dafs  sie  bis  ins  17,  Jahrhundert 
herein  aus  zwei  aufeinander  gestellten,  niederen  Schränken  mit  Thüren  bestehen, 
zwischen  welche  eine  Reihe  Schubladen  eingelegt  ist.     Hier  sind  zwei  R,eihen 
Schubladen    in  dem  Untersatze,  darauf  steht  ein  höherer,  einheitlicher  Kasten 
mit  zwei  Flügelthüren.     Als   Schlagleiste  dient   ein  Pilaster,    wie  deren    zwei 
ähnliche   auf  die   festen  Eckpfeiler  aufgelegt  sind.    Den  oberen  Schlufs  bildet 
ein   Gebälke   von    auffallender  Kleinheit,   insbesondere    merklicher   Dünne    des 
Gesimses.    Trotz  der  grofsen  Flächen  sind  auch  alle  übrigen  Gliederungen,  mit 
Ausnahme  der  ThürfüHungsrahmen,    dünn,  und  der  Schrank  würde  einen  sehr 
nüchternen  Eindruck  machen,  wenn   er  nicht  verhältnismäfsig  reich  dekoriert 
wäre.     Diese   Dekoration   ist    teils   durch  Einlagen  verschiedenfarbiger  Hölzer 
bewirkt,  teils  durch  Auflagen  von  Ornamenten,  welche  aus  etwa  2  mm.  starkem 
Ahornholze  mit  der  Laubsäge  ausgeschnitten   und   aufgeleimt  sind.     Auch  die 
wellenförmigen  Leisten,  w^elche  verschiedene  Einfassungen  bilden,   tragen   zur 
Belebung  bei.    Die  Bänder  der  Thüren  befinden  sich  im  Inneren  und  sind  mit 
blauangelaufener   Verzierung   mit  eingehauener   Zeichnung   versehen.     Aufsen 
sind  nur  die  Charniere  sichtbar,  sowie  die  zierlich  ausgeschnittenen,  verzinnten, 
mit  eingehauener  Zeichnung  versehenen  Schlofsbleche,   deren  jedes  mit  einem 
Zugknopfe  verbunden  ist.    Auch  an  den  Schubladen  befinden  sich  eiserne,  ver- 
zinnte Zugknöpfe  mit  eingehauenen  Verzierungen.     Die  Seitenwände  sind  ganz 
glatt.     Im  Inneren  des  Schrankes   ist  ein  horizontales  Brett  zur  Auflage  ver- 
schiedener Gegenstände,  da  auch  in  diesem  Schranke  noch  keine  Vorrichtungen 
zum  Aufhängen    von  Kleidern  oder  dgl.  getroffen   sind,   sondern   alles  darauf 
berechnet   ist,   die  aufzubew^ahrenden  Gegenstände  zu    legen    oder  zu   stellen. 
Der  Schrank  ist  oben  am  Gesimse  1,94  m.  breit,  0,75  m.  tief  und  2,23  m.  hoch 
und  trägt  die  Nummer  H.  G.  3432  unseres  Inventares. 

Gries  bei  Bozen.  A-  v.  Essen  wein. 


ö 


—    81     — 

Exerzierregleiiicut  und  Dieusteiitteiliiiig  des  oberptalzischeu  iusscliusses 

TOU  1010. 

as  sechszehute  Jahrhundert  ist  die  Blütezeit  der  Landsknechte,  deren 
glänzendste  Repräsentanten  Georg-  a-ou  Frundsberg-  und  Sebastian  Schärtlln 
von  Burienbach  sind.  Im  letzten  Viertel  des  Jahrhunderts  rief  die  Ent- 
artung der  Mietsheere  in  Deutschland  eine  Reaktion  hervor,  die  in  den  sogenannten 
«Landrettungsaustalten«  oder  Yolksbewaffungen  ihren  Ausdruck  fand. 

Schon  Macchiavelli  hatte  in  seiner  berühmten  »Kriegskunst«  (i  sette  libri 
dell'arte  della  guerra,  loäl^)  die  Nachteile  des  Söldnerwesens  auseinandergesetzt 
und  ein  Bürgeraufgebot  warm  empfohlen.  Die  grofsen  Erfolge  der  Landsknechte 
drängten  vorerst  weitere  Erwägungen  zurück.  Erst  in  seinem  um  1575  nieder- 
geschriebenen »Kriegsdiskurs«  trat  Lazarus  von  Schwendi,  der  berühmte  Feld- 
hauptmann und  Laudskuechtführer  Kaiser  Maximilians  IL,  von  neuem  aufs 
eifrigste  für  die  Volksbewalfnung  ein.  »Dann  die  frembden  Leut  seynd  schier 
nimmer  so  trew,  gehorsam  vnd  so  fertig  als  die  Vuderthanen  vnd  kosten  viel 
mehr  aufzubringen  vnd  zu  vnderhalten.« 

In  den  neunziger  Jahren  finden  wir  in  einem  grofsen  Teile  Deutschlands 
Schweudis  Theorie  in  die  Praxis  übertragen.  Einer  der  ersten,  der  die  Volks- 
bewaffnung organisierte,  war  Graf  Johann  der  Ältere  von  Nassau-Dillenburg, 
der  Bruder  und  treue  Helfer  Wilhelms  von  Uranien.  Wie  die  meisten  Prinzen 
des  nassauischen  Hauses  hatte  er  in  den  Niederlanden  gegen  die  Spanier  ge- 
fochteu.  Zwei  seiner  Brüder  starben  1574  auf  der  Mookerheide  den  Heldentod, 
seine  Söhne  fochten  fast  alle  unter  den  Fahnen  der  Aufständischen,  mehrere  von 
ihnen  fielen  im  Kampfe  für  die  Freiheit  der  Niederlande.  Im  Dienste  der  General- 
staaten hatte  Graf  Johann  die  Überlegenheit  der  Volksbewalfnung  über  die 
Mietsheere  kennen  gelernt.  Deshalb  griff  er,  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  von 
den  Spaniern  in  seinen  Erblanden  bedroht,  da  ihm  seine  zerrütteten  Finanzen 
die  Aufstellung  von  Söldnertruppen  nicht  gestatteten,  zu  dem  letzten  Mittel  und 
richtete  eine  allgemeine  LandesbewatTnung  ein.  »Die  sämtlichen  streitbaren 
Männer  des  Landes  wurden  nämlich  unter  Kommando  des  Grafen  Johann  des 
Mittleren  teils  zu  Pferd,  teils  zu  Fufs  dem  Heerbann  zugewiesen,  der  mit  hin- 
länglichen Waffen  versehen,  seine  regelmäfsigen  Übungen  anzustellen  hatte.« 
In  kurzer  Zeit  brachte  es  der  Graf  dahin,  dafs  er  aus  dem  Ländcheu  Dillcnburg 
jederzeit  6—8000  waffengeübte  Leute  ins  Feld  stellen  konnte  '^). 

Im  Jahre  1600  bestanden  bereits  »Landrettungsanstalten«  in  Hessen-Kassel, 
Kurpfalz  und  Bayern^).  Herzog  Maximilian  I.  hatte  bereits  1599,  in  der  Vor- 
aussiclil  ,  dai's  ein  Zusammenstols  der  verschiedenen  Religionsparteien  un- 
vermeidlich sei,  die  Kommission  der  »zum  Defensionswerk  deputierten  Räte 
und  Verordneten«  eingesetzt.  Am  4.  Dezember  1599  erschien  der  Erlal's,  der 
die    »Landesdefensionsausrüstung«     befahl,     iti    Hessen     hatte    Lamigraf  Moriz. 


1)  Vgl.  üIkm-  das  Fült,^oii(l('  die  betr.  A lisch iiillt*  des  liririiclicii  Werks  von  .liilins  : 
Geschichte  der  i<iMej;s\visseiisclial'lL'ii,  vuriu'hmlich  in   IJculscIdiind.     1881)  ff. 

2}  Vgl.  Ki'ller,  Geschichte  Nassaus,  Wieshaden  1864,  S.  4G3. 

S)  Vgl.  iilH'f  die  bayerische  LandcshewalViuing  den  ausiuhrlichen  Herichl  in  :  iliilinaiin. 
Kriegsgeschichte  von  Bayern,  Franken,  Pialz  und  Schwallen  von  l.'iüC— 1(551,  München  1868j 
II.  Bd.,  S.  7i).1  tr. 

MittoiluiigeiL  aus  dein  goriiiaii.  Natiuiialiiuiseiiiii.     ISIM.  \I. 


—    82    — 

crschi'eckl  iliiiuh  den  Einfall  der  Spanier  unter  Mendoza  ins  Reich  und  die 
Zuchtlosii'iveil  des  ihnen  uiiler  Graf  Simon  zur  Lipjjc  enl4i;'eg-eng'est eilten  SfHdner- 
lieeres,  g'eg'en  Ende  des  Jahres  lüOü  die  Eiiiricliluiig'  eines  hessischen  »Landes- 
ausschusses(f  g-elroffen  und  eing'chende  Instruktionen  über  Aushebung,  Bewaff- 
nung-,  Übung-  i\.  s.  f.  erlassen. 

Der  Landgraf  stand ,  wie  Jahns  vvol  mit  Recht  annimmt,  in  Hinsicht  der 
Voiksbewatfnuiig-  unter  dem  Einflüsse  ihres  eifrig;sten  Vorkämpfers,  des  Grafen 
Johann  des  Mittleren  von  Nassau-Sieg-en,  der,  wie  wir  oben  sahen,  im  Namen 
seines  Vaters,  des  älteren  Grafen  Johann,  den  nassauischen  Aussehuf's  ins  Werk 
g-eselzt  hatte.  Graf  Johann  der  Mittlere  ist  einer  der  tüchtig-sten  Soldaten  seiner 
Zeit.  Als  Militärschriftsteller  steht  er  ohne  Frage  an  erster  Stelle.  In  den  Nie- 
derlanden unter  den  Fahnen  seines  Vetters,  des  Prinzen  Moriz  von  Oranien, 
des  bedeutendsten  Feldherrn  seiner  Zeit,  zum  Krieg-snianne  gereift,  hat  er  zuerst 
die  Ideen  dieses  Schöpfers  der  sogenannten  »oranischen  Taktik«  eingehend  ge- 
würdigt. Eine  Reihe  anderer  Schriften  über  die  verschiedensten  Gegenstände 
des  Kriegswesens  zeugen  für  die  Vielseitigkeit  des  begabten  Fürsten.  Der 
wichtigste  Teil  seiner  Thätigkeit  liegt  auf  organisatorischem  Gebiete.  Er  ist  der 
intellektuelle  Urheber  nicht  nur  der  nassauischen,  sondern  wol  auch  der 
meisten  übrigen  Volksbewaffnungen.  Seit  c.  lo9o  hat  er  seine  Ansichten  in 
einer  Reihe  von  Schriften  niedergelegt,  die,  seither  ungedruckt,  gleich  seinen 
übrigen  Werken  im  Wiesbadener  Archive  der  Bearbeitung  harren.  Eingehende 
Auszüge  gibt  Jahns  in  seiner  »Geschichte  der  Kriegswissenschaften«. 

Im  Jahre  1599  wurde  Graf  Johann  als  Generalobristlieutenant  nach  der 
Xur[)falz  berufen  und  mit  der  Aufgabe  betraut,  »die  Landrettungsanstalt  ge- 
hörig zu  organisieren«.  Nachdem  er  seit  1601  kurze  Zeit  im  schw^edischen  Dienste 
als  Feldoberst  gegen  Polen  gefochten  hatte,  übernahm  er  1607  die  Regierung 
von  Nassau -Siegen,  das  ihm  in  der  Erbteilung  seines  Vaters  zugefallen  war. 
Schon  im  folgenden  Jahre  finden  wir  ihn  wieder  mit  militärischen  Organi- 
sationen beschäftigt.  Er  nahm  Teil  an  der  Gründung  der  protestantischen  Union 
und  machte  in  seinem  »Discurs,  das  itzige  Teutsche  Kriegswesen  belangendt«, 
Vorschläge,  wie  man  auf  Grund  der  allgemeinen  Wehrpflicht  die  militärischen 
Kräfte  der  evangelischen  Stände  heben  könnte.  1609  führte  ihn  der  jülich- 
klevische  Erbfolgekricg  an  den  Niederrhein,  wo  er  vom  Pfalzgraf  Wolfgang 
Wilhelm  von  Neuburg  und  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  über  die  Land- 
rettung und  Einexerzierung  des  Landvolkes  und  andere  wichtige  militärische 
Fragen  zu  Rate  gezogen  wurde*).  Im  Mai  1610  w^urde  er  von  Kurfürst  Friedrich  IV. 
von  dfer  Pfalz  zum  Befehlshaber  der  Truppen  in  den  oberen  Landen  ernannt, 
die  durch  den  Ausschuss  des  Landvolks  verstärkt  werden  sollten,  und  ihm  der 
Auftrag  erteilt,  die  Oberpfalz  gegen  einen  Einfall  der  in  Passau  versammelten 
Streitkräfte  der  Liga  zu  schützen. 

In  diese  Zeit  fällt  das  nachstehend  abgedruckte,  im  Archive  des  ger- 
manischen Nationalmuseums  befindliche  Exerzierreglement  (6  Blätter  Folio, 
undatiert    und   ohne   Ortsangabe),  das  betitelt  ist:  »Berichtt,  Wessenn  Sich  die 


4)  Briefe  u.  Akten  zur  Gesch.  des  dreifsigjälu-igen  Krieges,  II  (Die  Union  u.  Heiriricli  IV. 
V.  Moritz  Rittor,  Münclien  1874),  S.  488,  III  (der  Jülictier  Erl)folgekrieg-  von  Morilz  llitter, 
München  1877j,  S.  8. 


—    83     — 

Beuelchshaber  In  Der  Vbung  zuuerhalten.  die  wort  vnnd  anders  gebrauchen 
SoUenn.«  Der  in  dem  Schriftstücke  neben  dem  Grafen  Johann  von  Nassau 
genannte  Graf  Reinhard  von  Sohus-Hunger^),  der  gleich  ihm  1601  in  schwedischen 
Diensten  gestanden  hatte,  war  seit  16U(5  als  Kurpfälzischer  Geheimer  Rat,  Christ 
und  Landrichter,  mit  der  Pflegschaft  zu  Amberg,  Hirschau  und  Freudenberg 
in  der  Oberpfalz  betraut.  Vor  der  Ernennung  des  Grafen  Johann  hatte  er  als 
oberster  Beamter  die  Aushebung  und  Einübung  des  Landvolks  besorgt.  Am 
S.Mai  schrieb  er  an  den  Markgrafen  von  Ansbach,  dafs  er  die  Grenzen  gegen 
das  Passauer  Volk  sichere^),  und  ilafs  durch  ihn  »mit  dem  berait  zur  stellen 
erforderten  ausschufs  und  lantvolck  an  den  notwendigsten  orten  versehung 
beschehen«  sei.  Nach  dem  Eintreffen  des  neuen  Kommandeurs  teilte  er  sich 
mit  ihm  in  die  Geschäfte  der  Landesvertheidigung. 

AVie  aus  früheren  und  gleichzeitigen  Kriegshandbüchern  eines  Frons- 
perger, Wallhausen  u.  a.  hervorgeht,  war  das  Einexerzieren  der  Soldtruppen 
äusserst  mühsam  und  zeitraubend.  Von  dem  einberufenen  Landvolke  konnte 
nur  das  Einfachste  verlangt  werden.  Man  beschränkte  sich,  wie  unser  Reglement 
zeigt,  auf  das  Notwendigste  (das  »Fundament«)-  Während  der  hessische  und 
bayerische  Ausschufs  nur  an  Sonn-  und  Feiertagen  exerzierte  und  Schiefs- 
übungen abhielt,  stand  das  oberpfälzische  Aufgebot,  wenigstens  zum  gröfseren 
Teile,  im  Jahre  1610  ständig  unter  Waffen  und  übte,  wie  die  dem  Reglement  bei- 
gegebene Diensteinteilung  ausweist,  an  sämtlichen  Wochentagen.  ;)Sontag« 
dagegen  «soll  man  Vleifsig  zur  Kirchenn  gehen,  vnnd  Gotteswortt  hören.« 
Ähnliche  Dienstvorschriften  hatte  Graf  Johann  1375  für  das  nassauische,  1399 
für  das  pfälzische  Landvolk  abgefasst.  Die  Vermutung,  dass  die  Instruktion 
des  Landgrafen  Moriz  ebenfalls  auf  ihn  zurückzuführen  sei^  wurde  schon  oben 
ausgesprochen.  Jahns  schreibt  dem  Grafen  ferner  den  Text  zu  den  berühmten 
»Wapcnhandelinge  von  Roers  Musquetten  ende  SpieCsen«  zu,  die  1608  von  dem 
Kupferstecher  Jacob  de  Gheyn  herausgegeben  wurde.  Johann  Jacobi  von  NVall- 
hausen,  der  Verfasser  der  grundlegenden  taktischen  Werke:  Corpus  militare 
Kriegskunst  zu  Fuss,  Ritterkunst,  Kriegskunst  zu  Pferd,  Archiley-Kriegskunstetc, 
war  der  Leiter  der  von  Graf  Johann  dem  Mittleren  1617  zu  Siegen  begründeten 
Kriegsschule. 

Wir    lassen    den   Text    des   bisher   ungedruckten    Reglements    im    Wort- 
laute folgen. 

B  e  r  i  c  h  1 1 , 
Wessenu  Sich  die  Beuelchshaber  In  Der  Vbung  zuu  erh:tl  I  cn .  die 

wort  vnnd  anders  gebrauchen  SoUenn, 
I.)  Soll    man    die   Soldatten   vor   allen    dingen    dahin   halten,    da|i   sie    gleich 

liintler;  vnnd  gleich  neben  einamler  stehenn, 
2.)  Halbrechts  daß    ist,    da|5   sie   sich    halb    vi"  die   Rechte   wendten.   herstelt 

euch,  so  stehen  sie  wider  wie  sie  vorgestandlen  sein. 
3.)  Halb  Lincks  ist  wie  halbrechts,  jierstell  euch, 

4.)  Gantzrcchls,    So   kehrn    sie    si(^  ganlz    vC   die    R(>chlen    himdl    vndi.   her- 
stelt euch, 


5)  Vgl.  über  ihn  Schaum,  das  Graieii-  uml  iMirsIciihaiis  Solius,   KraiiUriirt  I.S4.S,  S.  :293  IT. 
6j  Moritz  Ritter  a.  a.  0.  III,  S.  228. 


—     84    — 

ö.)  Gr.innfzlinckhs,  ist  eben  wie  mit  g-antz  rechts,  herstelt  euch, 
6.)  Hechts   doppelt    Eure   Grlieder,   ein    g-lidt    vnib   das   ander,    so    bleibt   das 
forderste  gliedt  stehen,  vnd  g-ehdt  ein  gliedl  vnib  da(5  andere  neben  sein 
Mann  vf  die  Rechte  hanndt, 
7.)  Lincks  doppelt  Eure  Rayen,  so  g'chdt  Jeder  der  eing-angen  isl,  /um  Glider 
doppeln,  so  g'eht  Jeder   hinder  sein  Mann,  Vff  die  Linckhe  Handt    hinder 
das  Rappir,  herstelt  euch,  so  khommen  sie  wider  neben  einander,  Linckhs 
doppelt  Eure  Rayen,  so  g-ehen  sie  wieder  hintter  Einander, 
8.)  Zuruckh  öffnet  Eure  Grlieder,  so  g-ehen  sie  zuruckh,    vtiikI    khommen    wie 
sie  Erstlich  gestanden  sein,  Linckhs    doppelt  Eure   gliedcr,    Ist   eben    wie 
mit  Rechts,  Allein  wan  die  g-lider  Lincks  g-edoppelt  werdenn,    miißen    die 
Rayen  Rechts  g^edoppclt  werdenn, 
9.)  Ganntz  Rechts  kehrt  Eure  Rayen,  sie')  inüsßen  sie  ein  wenig'  fort  Marschirn, 
vnnd  soll  sich  khein   Gliedt  wenden,  es  khom  den  an  den  ortt,  wo  sich 
daß   forderste  Gliedt  gewenndt  hatt.  So  wenden  sie  sich  alle  vff  die  Rechte 
Handt  durch   die  Gasßen,  vnnd    wann   sie   khommenn,    wo    die   Hinndern 
gestanden  seint,  wenden  sie  sich  wieder  vf  die  Rechte  Hanndt  ganntz  vmb, 
gehen   wieder  durch  die  gasßenu ,   vnndt  khommen   wieder   wie   sie  Vor- 
gestandten  seinn, 
10.)  Gauntz  Linckhs  khert  Eure  Rayen,  ist  Eben  wie  mit  gantz  Rechts, 
11.)  Schliest  Eure  Rayen,  so  bleibt  die  Mittler  Rayen  stehen,  vnnd  müßen  die 
vir  beide  Seiften  zusammentrettenn,  daß  sie  Hart  neben  Einander  khommen, 
doch  daß  sie  sich  Rühren  künnenn, 
12.)  Öffnet  Eure  Rayen,  So  stellenn  sie  sich  wieder,  wie  sie  zuuor  gestannden  seinn, 
13.)  Schliesst  Eure  Rayen,  so  khommen   sie  wieder  Hart  Neben  Einander  wie 

daß  Ersteraahll, 
14.)  Schliest  eure  Glieder,   so   sollen   sie   mit  geschlossenen  Rayen   ein  gliedt 
nach   dem  andern   Hintter   sein   Mann   der   vor  Ihm   steht,   bieß    vff    die 
Rappier  treffen^ 
15.)  Zuruckh   öffnet   Eure   Glieder,    so   gehen   sie   wieder   mit   geschlosßenenn 

Rayen  zuruckh,  vnnd  öffnets  wieder  wie  sie  geschlosßenn  habenn, 
16.)  Schliefst  Eure  Glieder,  so  khommen  sie  wieder  wie  sie  zuuor  gestandten  seindt, 
17.)  Darnach  khan  man  üoppelsöldner  Lasßenn  die  Spieß  vff  die  4.  Candt  stellen, 
fort  Marschirn  vnnd  zurückhweichen,  Spieß  vff  Reütter   feilen,   oder   was 
man  weitt-er  mit  Ihnen  fürnehmen  will, 
18.)  Ebener   masßen    khan   man    die  Mußquettirer,   neben   den    Doppelsöldner, 
alß    neben    der   patola^),   glider  weiß    vohr   sich,    hinder    sich,    vff    die 
Seiften  schießen  Lasßenn,  wie  auch  jn  andern  Stückhen  mehr. 

Doch  Ist  daß  aller  Nottwendigst.  daß  vff  daß  Fundament  recht  gesehen 
werdt,  alß  daß  die  Mußquettirer  Ihre  wehr  recht  angreiffenn,  gebrauchen, 
Ihren  Standt  nehmen,  vnnd  Recht  anschlagen,  damit   sie  Ihm  Fundament 


71  so  8)  battaglia,    baluillc  ?     Es   ist    wol   die    gcschlossone   Schlachtordnung   der 

l'iciueuiere  gemeint,  die  in  der  Mitte  stellen,  während  die  Musketiere  auf  den  I^'lügeln  auf- 
gestellt sind.  "Vgl.  die  Schlachtordnungen  in  Wallhausens  »lü-iegskunst  zu  Fufs«  S.  98  ff. 
Die  seltsame  Schreibung  der  Fremdwörter,  die  Wiederholungen  und  Auslassungen  lassen 
darauf  schliefscn,  dafs  das  Reglement  nach  Diktat  niedergeschrieben  wurde. 


—     85     — 

bleibenn,  Doppelsöldner  nniß  man  ebenmesßig:  besehenn,  daß  sie  Ihre  Spieß 

Recht  irag-enn,  Ihn  der  hübe  vnnd  vfiF  der  achßell,  recht  angTeiffeii  viind 

Teilen,  wie  auch  vff  den  Schildt  stechenn. 

Auß  Grnedig'en  Beuelch,  Der  Hoch:  vud  Wolgeboruenn  Grauen 
vnnd  Herrn,  herrn  Johann  (irauen  zue  Nossaw,  Gatzenelenbag-en.  Vieanden  vnnd 
Dietz  etc.,  Ghurfrl.  Pfaltz  vnnd  der  gesampt  Vnirten  Ghurlrl.  Fürsten  vnnd  an- 
dern Ständen^  deß  Heilig'en  Reichs  General  Oberisten  Leüttenanipts,  vnnd  Reinhar- 
den Grauen  zu  Solnis,  Herrn  zuMüntzenberg-,  wildenfelß  vnnd  Sonnewaldt,  Höchst- 
gedachter Ghurfrl.  Pfaltz  Obristen,  Soll  hiernach  gesetze  Kriegs  Vbung  täg- 
lichen mit  den  Soldatten  Vorgenhomnien  vnnd  denselben  beschriebener  niasßen 
doch  beede  ob  hoch:  vnnd  wolgedachte  Ihrer  Ihrer  Gn.  Gn.  solches  zuniehren 
vnnd  mindern,  Jederzeit  vorbehalten,  alles  Yleißes  nach  gesetzt  werden, 

1.)  Erstliohen  sollen  die  acht  tag  vber,  vnnd  forderst   die  Soldatten   alle  tag 

2  mahl,   alß  Nemblichen"  die  Mußquetirer   Vor   Mitag,    die  Doppelsöldtner 

aber  nach  Mietag  gevbt  werdenn, 

2.)  Soll  In  wehrender  Vbunng  allezeit  daß  Fundament  Ihnen  Recht  gewißen 
werden,  damit  sie  wisßen,  Ihre  wehr  Recht  zugebrauchen.  Insonderheit 
den  Mußquettirern,  wie  sie  Ihre  Mußquetten  vom  Halß  abnhemmen,  die 
Lunden  aufsetzen,  vnnd  Ihm  ganz  ferttig  machen,  den  Standt  recht 
Nehmmen,  Recht  vnnd  wohll  vff  der  Linckhen  Prust  anschlagen,  Nach 
gethaunen    schuß,    Ihnen    wieder  Recht   gewießen   werdenn,    wie  sie   mit 

'  Lunden  abnehmen,  Pfanen  abblaße,  ZündtPuIuer  auf  schütten,  vnndt  daß 
Fundament  mit  Laden  Recht  Lehrnen, 

3.)  Könden  Montag  vnnd  Erichtag  zum  Anfang,  wan  sie  gahr  Ihre  Prb  (Prob) 
gethan,  aintzig  mit  ZündtPuIuer  Schlangenweiß  vff  Einandei*  anschlagen, 
vnndt  Ihre  Prbschüß  beweißenn, 

4.)  Die  von  den  wachten  abziehen,  Sollen  Ihre  Rohr  gliederweiß  ohne  schaden 
loßprennen,  doch  soll  Ihnen  mit  Ernst  anl)efholen  werdenn,  tlaß  sie  nur 
Renkhugeln^)  vff  die  wachten  einladenn,  vnnd  da  einer  große  der  Ander 
khleine  Kugeln  hette,  können  sie  solche  woU  wechßeln, 

5.)  Mitwoch  Köndten  sie  nach  der  Prob  deß  Fundaments,  Den  Schuß  inil 
Puluer  Schlangenweiß  vff  einander  thuen, 

6.)  Donnerstags  sollen  sie  wieder  den  Anfang  deß  Fundaments  thuen,  wie 
Erstlich,  darnach  wieder  ein  Schuß  Schlangenweiß  vmid  i^in  durch  die 
Rayen,  doch  Aintzig, 

7.)  Freyttag  soll  wieder  vohrnemmen  des  Pundameiils  angefangen  werden,  lier- 
nach  ein  Schuß  Schlangenweiß,  damit  sie  zum  Scharmützeln  abgerichtett, 
ein  schuß  durch   die  Rayen,  oder  Glieilerweiß  ihiich   (he  gasßenn  thuenn. 

8.)  Sand)ßtag  Köndte  man  sie  In  2  Trofipen  Itdircii.  \iiii(l  iWv  Krsle  l'inji 
wieder  mil  Zundipuluer  Schlangenweiß  Ihnen  Lasßeiiii.  ilainil  ni;in  sehen 
khai).  Ob  sie  (die)  sachen  recht  angrciffenn.  Nach  ilemselhen  ivlian  man  sie 
Lehrnen  Letterirn^^),  daß  ist  wiederlKdIen.  Vorsieh,  hindersirh.  vnnd  \l(lie 
Seitten,  auch  ein  schuß  vber  die  Achßel,  Ihuen  Ijaßen,  dann  wann  man 
sie  nit  schiesßen  lest,  die  Ersten  wochen,   wünlenn  sie  nichl   haben n.  vnd 


9)    Rcmikugcl  =    Lauf-  ddcr   l'asskup;cl.  <i.   Ii.   klrinc.   iiiiiiilcrvvci'lij;:!'   Kiiy;t'l. 
lüj  vcrsilii'ii'licii  slall  repclicrt'ii  ? 


—     86    — 

iiK'iiion  iiKiii  würde  Sie  nicht  Schießen  Lasßenn,  vorauß  waß  zuuor  Soldatten 
g-ewest  ^^), 
9.)  Sonntag-  soll  man  Vleißig  zue  Kirchenn  gehen,  vnnd  Gxottes  wortt  hörren. 

D  0  p  p  e  1  s  öl  dtn  e  r  , 

10.)  Sollen  alle  tag,  die  8  tag  vber,  nach  Mittag  gevbt,  vnnd  vor  allen  dingen 
gewißen  werden,  wie  sie  Ihre  Spieß  Recht  feilen,  lim  der  Höhe,  vnnd  vff 
den  Achßeln  tragen,  auch  wie  sie  bey  den  wachten  Ihre  Spieß  gebrauchen 
vnnd  vff  der  Schildt:  vnnd  andern  wachten  dieselben  halten, 

lljDieße  Stlickh  müßen  die  8  tag  vber,  alle  tag  gebraucht  werden,  doch 
khan  man  alle  tag  ein  stückh  mit  Ihnen  weitter  vornehmen,  damit  sie 
daß  Fundament  Hecht  Lehrnen,  Vnndt  Ihre  Spieß  Inn  Allenn  Stüekhen 
zugebrauchen  vviesßenn, 

Die  Andern  Acht  Tag  Köndts  Also  gehaltten  werden,  damit 
die  Knecht  hin  Liist   vnnd  Vbunng  bleiben, 

1.)  Montag  allezeit  zwo  Copperalschaffl,  so  die  wacht  nicht  habenn,  Vor- 
mittag die  Mu|oquetirer  gevbt  werden,  die  von  der  wacht  des  abendt 
zuuor  gezogen.  Vnnd  Ihre  Rohr  geladen  haben,  sollen  ohne  schaden, 
(j liederweiß  lioßprennen,  darnach  wieder  anfangs  In  Fundament  hernach  2 
gutte  stundt  gevbt  werdenn, 

2.)  Dinstag  sollen  die  Üoppelsöldtner  vor  Mittag  IV2  stundt  Inn  Fundament 
vnnd  wieder  In  Stückheu  geuebt  werdenn, 

3.)  Mittwoch  frühe  wieder  2  CapperalschafTten  Mußquettirer,  die  geladen  haben, 
Ihre  Rohr  ohne  schaden  Loßprennen ,  Vornen  anfangen,  vnnd  hernach 
recht  Ihn  3  oder  4  Stuckh  mit  Zündt  Puluer  Loßprenen  Lasßenn,  doch 
daß  allezeitt  das  Fundament  gesehen  werdenn, 

4.)  Donnerstag  die  Pieckha^^)  wider  vormittag  den  anfang,  vnnd  Ihnn  den 
Stüekhen  Recht  gewießeun,  wiß  sie  Ihre  Spieß  verbergen,  vnndt  vfi'  die 
Reutterey  fellenn  sollenn. 

5.)  Freyttag  khönnen  die  Mußquetirer  4  Schuß  In  den  furnembsten  Stüekhen 
thuen,  1  Grliederweiß  Vorsieh,  1  Gliederweiß  hintersich  ,  1  Vff  die  Seiften 
Rayenweiß,  vnnd  1  Vber  die  Achßel,  auch  zur  scheüben  schießen,  oder 
daß  scheüben  schießen  biß  vf  den  Sambstag  Verbleiben  Laßenn,  dann  mehr 
an  den  Mußquetierern  gelegen,  alls  an  Piekha,  dann  genueg  wan  dieselben 
die  Wochen  4  mahl  gevbt  werden, 

V  b  e  r  s  c  h  1  a  g , 
Waß  Innerhall)  8  tagen  Vff  solche  Vbu  n  gen  vnd  wachten  anPuluer 

vnnd  Lunden  aufgehet!, 
Demnach   sich    befunden,   daß  ein  Mußquetierer  auß  1  tt.  puluer  32  Schuß 
hatt,  vnnd  er  ein  wochen    mit  V2  ü-    auß   khommen    khan,  wo  fern  sie  es  nicht 
Muetwil liger  weiß  verschießen, 

Do  sie  auch  muthwilliger  weiß  oder  Vngeheissen,  das  Puluer  Verplatzen 
oder  verschießen  würden,  sollen  sie  wieder  anders  an  die  Statt  kauffenn.  oder 
khan  Inen  geben,  Vnnd  an  Ihrer  besoldung  wieder  abgezogen  werden. 


11)  Es  scheint  ein  Wort  ausgefallen  zu  sein.         12)  Piqueniere. 


—     87     — 

Die  Lunden  betreffendt,  thuet  1  fb  12  Claffter,  vnnd  khominen  vff  V2  Gentner 
600  Claffter  thuett  vff  100  Manu  Jeden  die  wouhen  6  Claffter, 

Wehrg'uet,  daß  alle  Zeit  Jedem  Capitan  vff'  ein  wochen  Vorrath  g-ebeu 
wurde,  damit  wan  was  fürtiele  man  nicht  erst  den  Zeugmeistern  nachlauffen 
müste,  dau  er  sonsten  In  wehrenden  Lerraen  g-enueg-  zu  thuen  hatt, 

Vnnd  soll  leder  haubtman  so  100  Mu|5quetirer  starckh,  alltzeitt  vff  ein  Monnatt 
von  den  Verordtnetteu  Zeüg-meistern  abhollenn  Laßenn  2  Centner  Puluer  vnd  2 
Gentner  Lunden. 

Nürnberg.  J-  R.  Dieterich. 


Die  Ätzmalcr  Hans  Koiirad  Spörl  und  Hans  Kciser. 

u  dem  Artikel  über  zwei  geätzte  Prunkharnische  im  germanischen  Mu- 
seum i)  werden  als  die  Ätzmaler,  welche  den  künstlerischen  Schmuck 
dieser  beiden  Rüstungen  ausgeführt,  Hans  Conrad  Spörl  und  Hans  Keiser 
genannt  und  die  Jahreszahlen  1607,  bezw.  1610  als  diejenigen  angegeben,  in 
welchen  die  Ätzmalerei  vollendet  wurde.  Aus  der  Norikasamralung  des  Herrn 
Gruido  von  Volckamer  in  München  hat  der  Unterzeichnete  nun  vor  Kurzem  zur 
Benützung  eine  Handschrift:  »Der  Mahler  Ordnung  und  Gebrauch  in  Nürnberg« 
erhalten,  in  welcher  auch,  mit  dem  Jahre  1600  beginnend,  ein  Verzeichnis 
der  Flachmaler  und  Ätzmaler  steht,  welche  ihr  Probestück  gemacht  und  zu 
Meistern  erkannt  wurden.  Es  finden  sich  nun  darunter  folgende  Einträge: 
»22.  Hanns  Conrad  Spörl  ein  Ezmahler,  hat  sein  Probstückh  den  17.  November 
Ao :  1607  den  Rugsherrn  aufgelegt,  vnd  weilen  es  die  Vorgeher  vor  Meisterlich 
erkhant  ist  er  zu  Meister  gesagt  vnd  erclärt  worden«.  Ferner:  »Hanns  Keyßer 
ein  Ezmahler  hat  sein  gemachtes  Probstückh  den  9.  Jenner  1610  vor  den 
Rugsherrn  fürgewisen,  Ist  auch  zue  Meister  darauf  erkhant  vnd  angsagt  wor- 
den«. Am  Rande  findet  sich  die  Note  von  anderer  Hand:  »Starb  Ao.  1631«. 
Keiser  ist  also  wol  der  in  Nürnberg  im  Jahr  1631  so  schrecklich  hausenden 
Epidemie  zum  Opfer  gefallen. 

Man  merke,  dafs  beide  Künstler  genau  in  den  Jahren  Meister  wurden ,  in 
welchen  die  Prunkharnische  gefertigt  wurden;  es  besteht  also  kein  Zweifel,  dal's 
eben  diese  ihre  Meisterstücke  sind,  die  dann  der  Nürnberger  Rat  ob  ihrer  Vor- 
trefflichkeit für  sein  Zeughaus  angekauft  haben  mag. 

Dasselbe  Verhältnis  können  wir  auch  bezüglich  eines  dritten  geätzten  Har- 
nisches der  Sammlung  des  germanischen  Museums  feststellen,  der  gleichfalls 
aus  dem  Nürnberger  Zeughause  stammt  und  mit  der  Sulkowskischen  Samm- 
lung in  das  Museum  gekommen  ist.  Es  ist  dies  eine  viel  weniger  reich  utnl 
etwas  handwerksmäfsig  geätzte  Rüstung,  die  auf  S.  244  des  Jahrgang  ISSU  des 
Anzeigers  dos  germanischen  Nationalmuseuins  aufgeführt  und  u.  a.  auch  mit 
der  Darstellung  der  sieben  Planeten  geschmückt  ist.  Auf  dem  Kanune  des 
gleichfalls  mit  Älzmalerei  geschmückten  Helmes  lindet  sich  die  Inschrift:  »Jörg 
Hardtman.  das  erstö.  stüch.  1603«.  Die  erwähnte  Handschrift  enthält  nun 
folgenden  Eintrag:  »Georg  Hartmann  ein  Ezmahler  ist  den  22.  Seplember  1603 


i)  S    ii1n'.  dieser  Milleiluiii'eii. 


—     88     — 

vor  der  Rüg"  zu  Meister  erkhannt  worden«.  Es  lieg-t  also  auch  in  dieser  dritten 
Rüsluüg-  ein  Meisterstück  vor,  wie  auch  seiioii  die  Worte  »das  erstö  stüch«  er- 
kennen lassen. 

Interessant  i'-t  es,  an  diesen  drei  Hiistung'cn  die  Steig-erung'  zu  verfolgen, 
die  hezüg'lich  des' künstlerischen  Schmuckes  derselben  innerhalb  acht  Jahren 
wahrzunehmen  ist.  Die  letzte  der  Rüstung-en  hätte  künstlerisch  feiner,  sicher 
aber  nicht  mehr  reicher  verziert  werden  können;  sie  darf  also  unzweifelhaft  als 
der  Höhepunkt  der  deutschen  Harnischätzerei  betrachtet  werden.  PJine  noch 
gröfsere  Wirkung-  hätte  nur  durch  Anwendung-  von  Vergoldung-  erreicht  werden 
können;  eine  weitere  Steigerung-  des  Schmuckes  durch  Ätzung-  war  ausg-e- 
schlossen. 

Wir  lassen  nachstehend  das  Wenig-e  folgen,  was  die  oben  erwähnte  Hand- 
schrift über  die  genannten  Ätzmacher  noch  weiter  berichtet.  Hans  Konrad  Spörl 
starb  1641;  in  den  Jahren  1618—1621  war  er  Vorgeher;  als  seine  Lehrlinge  werden 
Lienhart  Negelein  von  1604—1608  und  Philipp  Schuster  genannt,  der  1608  in 
die  Lehre  trat,  aber  nicht  auslernte.  Hans  Keiser  war  ein  Sohn  des  Kandel- 
giessers  Heinrich  Keiser;  er  gieng  zu  dem  Flach-  und  Ätzmaler  Hans  Dorn  von 
1600  160Ö  in  die  Lehre.  Lehrlinge  von  ihm  waren  Georg  Schatz  von  1616  bis 
16^1  und  Stefan  Rösian,  der  1621  in  die  Lehre  trat.  Von  Georg  Hartniann  wird 
nur  berichtet,  dafs  er  Hensslein  Mayr  im  Jahre  1603  und  Nikolaus  Körber  vom 
Jahre  1609  an  zu  Lehrlingen  angenommen  habe. 

Sehr  interessante  Aufschlüsse  aber  gibt  die  Handschrift  über  das  Ver- 
hältnis der  Flachmaler  und  Ätzmaler  zu  einander.  Es  beschwerten  sich  nämlich 
die  Flachmaler  unterm  3.  Juli  162Jd  darüber,  dafs  die  Ätzmaler  Flaehmalergesellen 
halten  und  zweierlei  Werkstätten,  eine  für  das  Flachmalen  und  eine  für  das 
Ätzen,  führen,  während  sie  als  Meisterstück  doch  nur  einen  Harnisch  ätzen,  die 
Flachmaler  aber  allein  ein  »Stückh  von  Ölfarben»  machen  müssen.  Sie  bean- 
tragten daher,  die  Ordnung  dahin  zu  erläutern,  «dass  die  Ezer,  so  mit  dem 
Harnisch  Ezen  Meister  worden,  bei  jhrem  Ezen  sollen  verbleiben,  hergegen  die 
Mahler,  so  ihr  Probstückh  von  Öllfarben  gemacht,  auch  bei  dem  Flachmahlen 
gelas(5en  werden,  vndt  allßo  kein  theill  dem  Andern  inn  seine  Arbeit  fallen  solle.» 

Aus  der  hierauf  ergangenen,  ebenso  ausführlichen  als  kräftigen  Erwiderung- 
Hans  Hauers,  Flachmalers,  Reissers  und  »Gratirers«  geht  u.  a.  hervor,  dass  auch 
Hauer  einen  Harnisch  in  das  Zeughaus  geliefert  hat,  dass  die  Ätzmaler  aller- 
dings Kupferstecher  sein  konnten  und  vielfach  auch  waren,  aber  nicht  sein 
mussten,  und  dass  sie  sich  vorzugsweise  mit  dem  Ätzen  von  eiserneu  Waffen 
und  Geräten,  Harnischen;  Messer-  und  Wehrklingen,  Hellebarten,  Putzscheereu, 
Beutelringen,  Auzügeln  (?)  und  anderem  Eisenwerke  beschäftigten.  Dieses  Schrift- 
stück gibt  einen  interessanten  Einblick  in  das  Kunstleben  Nürnbergs  zu  jener 
Zeit;  erfreulich  ist  er  jedoch  nicht.  Wiederholt  wird  in  scharfer  Weise  einem 
grofsen  Teile  der  Flachmaler  Unfähigkeit  vorgeworfen.  Wir  werden  den  Streit 
zwischen  den  Nürnberger  Flach-  und  Ätzmalern  an  anderer  Stelle  ausführlich 
behandeln,  hier  sei  nur  bemerkt,  dafs  der  Rat  verordnete,  dafs  auch  künftig 
jeder  Meister  das  Flachmalen  und  Ätzen  betreiben,  Gesellen  und  Lehrlinge  auf 
beide  halten  dürfe,  soferne  er  für  beide  Meisterftücke  gemacht  habe. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


Register  zum  Jahrgang  1891 

der 

Mitteilimi?en  aus  dem  srermanisclieii  Natioiialmiiseum. 


Atz  mal  er  in  Nürnberg  57  ff.     87  f. 

Bayern,   Maximilian  I.,  Kurfürst:  chiffrierter 
Brief  dess.  44  ff. 

Beitrag  zur  Geschichte  des  Schmal kaldischen 
Krieges  33  ff. 

Böhmen,  Johann,  König:  Brief  an  dens.  70  ff. 

Briefe,  chiffrierte,    aus  der  Zeit  des  Regens- 
burger Reichstages  von  1641  44  ff. 

Briefe,  deutsche,  des  Rudolf  Grafen  v.  Habs- 
burg-Laufonburg  70  ff. 

Dachziegeleindeckungen,  ältere  25  ff. 

Dien  Steinteilung  des  oberpfälz.  Ausschus- 
ses von  1610  81  ff. 

Exerzierreglement     des    oberpfälz.    Aus- 
schusses von  1610  81  ff. 

Fastnaehtsbelustigung  voju  J.  1657  i22  ff. 

Glas  vom  J.  1519  7  ff . 

Glasi  ndustri  e  im  Spessarl:  zur  Geschichte  39  ff. 

H  a  b  s  b  u  r  g  -  Lau  f  c  ii  1)  u  r  g ,    R udolf   Graf : 
deutsche  Briefe  dess.  von  1313  70  ff. 

II  a  r  n  i  s  c  li  e ,  zwei  geätzte  57  ff.     87  f. 

Henneberg.  BertoldGraf:  Brief  an  dens.  72 ff. 

Hütten,  Ludwig  von:  aus  dessen  Lehen  18  ff. 

Jamitzer,    Wenzel.-    zwei  Radierungen    dess. 
36  ff. 

Karlsbad:  Kur  daselbst  vor  .300  Jahren  10  ff. 

Keiser  ,  Hans,  Ätzmaler  in  Nürnberg  57  ff.  87 f. 

K  r  a  m  e  r ,  Gabri  el  60  ff. 

K  rie  g,  schmalkaldischer :  Beitrag  zu  <h'nis.  33  ff. 

Kübel  stechen   im  J.  1657  22  tT. 

Kupfers  t  i  c  hkun  d  (■:  Beiträge  zu  ders.  36  ff. 
()0  ff. 

Kur  in  Karlsbad   vor  .SOO  Jaiu'en   10  IT. 

Mainz,  Anselm  Kasimir,  Erzbischof:  cliiffrierte 
Briefe  an  dens.   44  ff. 

Mariae  Krönung  von   liollcnhniiiiiicr  (»^  IT. 

Möbfi  41  ff.     51  ü:     SU. 


Nassau,    Johann    Graf:    Befehlshaber  in  der 

Oberpfalz  81  ff. 
Nürnberg:  Ätzmaler  das.  57  ff.  87  f. 

—  Schi-ank  des  17.  Jahrh.  80  f. 
Oberpfalz,  Ausschuis  von  1610:  dessen  Exer- 
zierreglement u.  Diensteinteilung  81  ff. 

Paulus  im  Gemache,  Gemälde  von  Rem- 
brandt  3  ff. 

Polen,  Johann  König:  Brief  an  dens.  7011". 

Prunkhärnische,  zwei  geätzte  57  ff.    87  f. 

Radierungen,    zwei,    von  W.  Jamitzer  36 ff. 

Rauschenberg,  Oberst  von :  chiffrierter 
Brief  dess.  44  ff. 

Regensburg,  Reichstag  von  1641:  cliiffrierte 
Briefe  aus  der  Zeit  dess.  44  ff. 

Reichstag  von  1641  zu  Regensburg:  chiff- 
rierte Rriefe  aus  dessen  Zeit  44  ff. 

Reliquien  glas  vom  J.  1519  7tY. 

Rembrandls  Paulus  im  Gemache  3  IT. 

Rezepte  zur  Weiubei'eitung,  aus  (hin  IS. 
Jahrh.  54  ff. 

Rh  ei  n  lande:  Stollenschrank  d.  16.  Jahrli.  41  ff. 

Rotten  ham  m  e  r  ,  .loli.,  Maler:  Krönung  Ma- 
riae 62  ff. 

—  aus  dem  Leben  dess.  64  ff. 
Schrank,  Nürnberger,  des  17.  Jaiu'h    80. 
Skulptur  des  12.  Jahrh.  51  ff. 

Solms,  Reinhard  Graf:  Obrist  in  der  Ober- 
pfalz 81  ff. 

Spessarl:  zur  Gescliichlc  der  Glasindustrie 
daa.  39  ff 

Spörl,  Hans  Konrad.  Ätzmaler  in  Nürnberg 
57  ff.    87  f. 

S  toll  en  sehr  an  li.  rheinischer,  d.  lOJalirii.  41  ff. 

Sl  Ulli   des   12.  Jahrb.  51  ff. 

VVeinrczcpte  des   IS.  .Iuhrh    54  ff. 

Z  i  e  g  e  I  e  i  n  d  e  c  k  u  n  g  c  ii ,  altere  25  ff. 


Mitteilungen 


aus  dem  gerinaiüselien  Nationaliiiuseiini, 


herausgegeben  vom  Direktorium. 


Jahrgang  1892. 

Mit  Abbildungen. 


Nürnberg,  1892. 
Verlagseigentum  des  germanischen  Museums. 


Trincierbüclier  des  17.  Jahrhunderts  ^). 

as  Rittertum    hatte  bereits   seine  höchste  Blüte    erreicht,    als   die   erste 

deutsche  Hof-   und    Tischzucht   erschien.    Für  Kreise  berechnet ,  deren 

i  Mitglieder   von  Jugend   auf  zu   höfischer  Zucht   angeleitet   wurden,   in 


denen  ein  Verstofs  gegen  die  Etikette,  besonders  bei  Tische,  strenge  Bestrafung 
seitens  des  überwachenden  Truchsessen  fand,  zeigt  sie  verhältnismäfsig  milde 
Formen;  die  Vergehen,  vor  denen  sie  als  unhöfische  warnt,  sind,  wenn  auch 
nach  modernen  Begriffen  überraschend,  so  doch  für  die  damalige  Zeit  leicht  be- 
greiflich. Als  aber  mit  dem  Verfalle  des  Rittertums  der  Bürgerstand  mehr  in 
den  Vordergrund  trat,  als  auch  er  zu  einem  hölischen  Wesen  sich  emporarbeiten 
wollte,  mufsten  die  Tischzuchten,  da  sie  mit  einem  wenig  vorbereiteten  Publikum 
zu  rechnen  hatten,  eine  auf  gröbere,  den  Kreisen  der  ritterlichen  Minnesinger 
unerhörte  Dinge  eingehende,  schärfere  Form  annehmen.  Sie  gehen  zwar  alle, 
obwol  sie  uns  erst  aus  dem  14.  und  IS.  Jahrhunderte  erhalten  sind,  indirekt 
auf  Thomasin  von  Zirklaria  zurück,  zeigen  aber  in  ihren  Erweiterungen  und 
Umarbeitungen  auf  Schritt  und  Tritt,  dafs  sie  für  ein  gröberes  Holz  gefertigt 
worden  sind.  —  Und  wieder  verschiebt  sich  ihre  Aufgabe  mit  den  Änderungen 
der  sozialen  Verhältnisse.  AVährend  der  höhere  Bürgerstand,  das  Patriziat,  in 
vornehmer  Abgeschlossenheit  zu  einer  verfeinerten  Lebensweise  durchgedrungen 


1)  Es  sind  nur  die  im  Besitze  des  germanischen  Museums  befindlichen  Trincier- 
bücher  herücksichtigt  worden.  —  Das  Wort  Trincieren,  Trinciren  (vom  ilal.  trinciare  = 
vorschneiden,  die  Speisen  zei-legen)  dringt  erst  mit  den  Trincierbüclicrn  im  17.  Jahrhunderte 
in  Deutschland  ein.  Im  16.  Jahrhunderte  ist  es  noch  nicht  gängig,  man  wendet  die  deutsche 
Bezeichnung  »zerlegen«,  »vorschneiden«,  »zerschneiden»,  auch  blos  »schneiden«  an,  welch 
letzteres  mhd.  allein  gebräuchlich  ist.  (Benecke -Müller  mhd.  WB.  2^,  437b.  _  Colloquia 
et  Dictionariolum  septcm  Linguarum  etc.  Antverpiae.  1586.  in  »W.  Seibt,  Notizen  zur 
Culturgeschichte  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahi-hunderts  etc.  Frankfurt  a.  M.  1874,  S.  42  u.  44: 
zerschneidet  die  veldthwier ;  schneidet  mi/r  Fleisch:  trenchez  moy  de  la  chnir.  —  Brant,  de 
moribus  et  facetijs  mense  (1490),  Bl.  5'»:  Und  schnid  das  dinem  herren  für.  ibid.  Ob  ander 
speisen  ouch  sey  not  \  Das  mans  zerteil,  glich  wie  dem  brot  \  Volhring  diu  ziicht,  zerschnyd 
das  vin.  —  Grobianus  (Ausg.  Milchsack)  v.  3428:  Er  dacht,  sol  ich  das  Jlnn  zerlegen,  \ 
All  meine  Kunst  jiiiisz  ich  da  regen;  v.  3531 :  (Dann  wie  sies  soll  zertheilet  hon,  |  Wie  sich 
nach  liojfzucht  das  gehört,  \  Das  rimr  die  gtit  Fraw  nil  gelert . .).  Doch  kann  die  italienische 
Form  sich  nicht  behaupten  gegenüber  der  französischen,  welche  noch  im  17.  Jahrhunderte 
sich  Geltung  verschaflt,  Miscliformen  hervorruft  niiii  im  18.  alleinherrschend  ist.  c.  1680, 
Trenchier  -  Buch  S.  4:  Trenschierer :  Thieme,  Maus -Feld -Arzney -Koch -Kunst  und  Wunder- 
Buch.  1682:  Korn  Trinchicren;  Slieler,  der  Deutschen  Sprache  Stainiiiliaum  und  Fortwachs. 
1691,  1117:  Trinschiren;  Marperger,  Küch-  und  Kellfr-Dictionariimi.  1716.  S.  12591'  f.: 
trenchiren;  Kramer,  das  Königliche  Nider-Hoch-Teutsch  und  Hoch-Nidcr-Teutsch-Dictionarium. 
1719.    II,  S.  214  1j:  transchken. 


_    4    — 

ist,  macht  sich  seit  dem  15.  uüd  besonders  dem  16.  Jahrhunderle  in  den  wol- 
habenden  Handwerkerständen,  in  der  Studentenschaft  und  unter  den  Bauern, 
zumal  dort,  wo  der  Einzelne  nach  wildem  Ijandknecbtsdienste  in  die  Heimat 
zurückkehrt,  eine  unmäfsig-e  Schlemmerei  und  »Säuerei«  geltend,  gegen  welche 
die  althergebrachte  Tischzucht  machtlos  war.  Sie  nimmt  eine  neue  Gestalt  an: 
mit  den  Waffen  der  Satire  und  des  Spottes  sucht  sie  die  Untugenden  zu  be- 
kämpfen; es  entsteht  die  Grobianuslitteratur,  deren  Anfäng-e  noch  ins  15.  Jahr- 
hundert fallen,  die  ihren  Höhepunkt  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  er- 
reicht und  das  g-anze  17.  in  Neudrucken  und  Umarbeitungen  überdauert. 
Die  letzte  kurzgefasste  Prosaausgabe  des  »Grobianus«,  welche  das  germanische 
Kationalmuseum  besitzt,  stammt  aus  dem  Jahre  1710  und  ist  der  alamodischen 
Hobel -Banck  von  Waarmund  beigedruckt  (Bibliothek  d.  g.  M.  Gs.  2044  d). 
Neben  den  Grobianusschriften  halten  sich  ernstgemeinte  Tischzuchten,  die  jedoch 
nicht  mehr  zu  gröfserer  Bedeutung  gelangen,  da  an  ihre  Stelle  eine  neue  Er- 
scheinung tritt.  Schon  das  ausgehende  16.  und  vornehmlich  das  17.  Jahr- 
hundert bringt  eine  bunte  Reihe  von  Komplementier-  und  Zuchtbüchlein  und 
neben  ihnen  oder  mit  ihnen  verbunden  das  Trincierbuch,  welche  beide  aber, 
entgegen  der  Grobianuslitteratur,  für  die  feinere  Gesellschaft  bestimmt  sind. 
Hier  waren  die  Vorschriften  der  alten  Tischzucht  längst  aus  dem  Rahmen  des 
Zeremoniells  herausgerückt  und  ein  notwendiges,  selbstverständliches  Glied  des 
gesellschaftlichen  Auslandes  geworden  —  die  aus  Italien  kommende  Trincier- 
kunst  dagegen  tritt,  wie  meist  eine  neue  Sitte  in  der  ersten  Zeit,  zunächst 
durchaus  zeremonienhaft  bei  Tafel  auf. 

Im  früheren  Mittelalter  geschah  das  Trincieren  in  der  Küche,  war  Auf- 
gabe der  Dienerschaft,  welche  die  zerlegten  Speisen  den  einzelnen  Tischen  zu- 
trug. Selten  nur  finden  wir  ein  Vorschneiden  bei  Tafel  selbst  durch  ein  Mit- 
glied der  Gesellschaft  erwähnt  (Rudlieb  VII,  1 ;  XI,  15).  Erst  zur  Zeit  der 
Minnesänger  tritt  die  Person  des  Vorschneiders,  jedoch  auch  nur  vereinzelt  an 
fürstlicher  Tafel  in  den  Vordergrund  (K.  Bartsch,  Gesammelte  Vorträge  und 
Aufsätze  S.  243.  A.  Schultz,  das  höfische  Leben  zur  Zeit  der  Minnesinger,  2.  Aufl. 
Bd.  I,  S.  424  f.  A.  Pabst,  Messer,  Gabel  und  Löffel  in  Pallas  VIII.  Jhg.,  Nr.  3  u.  4) 
Geflügel  legt  man  sich  meist  gegenseitig  vor  unter  Beobachtung  der  Galanterie 
und  der  gesellschaftlichen  Rangstufen.  Eine  weitere  Ausbildung  nach  der  zere- 
moniellen Seite  hin  erfährt  die  Trincierkunst  bei  Tafel  in  der  nächsten  Zeit 
nicht.  Im  16.  Jahrhunderte  legt  man  bereits  grofses  Gewicht  auf  gutes  und 
vorschriftsmäfsiges  Trincieren,  auch  in  Bürgerkreisen,  doch  wird  es  selbst  einer 
Edeldame  noch  nicht  sehr  verargt,  wenn  sie  mit  einem  Hechtkopfe  nicht  umzu- 
gehen versteht  (Scheidts  Grobianus,  Ausg.  Milchsack,  v.  3520  ff.)  Auch  vollzieht 
sich  allmählig,  der  steigenden  Bedeutung  der  Trincierkunst  entsprechend,  eine 
Umwandlung  dahin,  dafs  es  gröfsere  Ehre  ist,  zum  Vorschneiden  aufgefordert 
zu  werden,  als  selbst  vorgelegt  zu  bekommen.  —  An  Fürstenhöfen  waren  Tran- 
schiermeister aogestellt,  welche  die  Edelknaben  im  Vorschneiden  zu  unterrichten 
hatten.  —  Man  benutzte  in  Deutschland  zum  Vorschneiden  gewöhnlich  zwei  Messer, 
ein  spitzes,  schmaleres,  zum  Festhalten  des  Bratens  und  ein  breiteres  zum  Schnei- 
den. Mit  dem  ersteren  reichte  man  auch  die  zerlegten  Stücke  den  Gästen  zu.  Zur 
Anschauung  wiederholen  wir  die  Abbildungen  zweier  Vorlegmesser  des  15.  Jahr- 
hunderts aus  den  Sammlungen  des  germanischen  Museums^  welche  im  Anzeiger 


—     5 


für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit,  n.  F. 
Band  30.  S.  322  bereits  gegeben  und  be- 
schrieben wurden.  —  Die  Ausbildung-  der 
Trincierkunst  und  ihre  Verbreitung  wäh- 
rend des  17.  Jahrhunderts  lehren  uns  die 
Trineierbücher. 

Im  Jahre    1601  erschien  in  Rom  das 
erste  Triucierbuch,  dessen  Verfasser  Gia- 
como    Procacchi   aus    Ancona   ist.     Aus 
seiner   Vorrede    erfahren    wir,    dafs   die 
Trincierkunst  um  jene  Zeit  in  Italien  be- 
reits weit  verbreitet  war,    dafs  der  Ver- 
fasser selbst  die  hauptsächlichsten  Städte 
seines  Heimatlandes  bereist,    dort   seine 
Beobachtungen  gemacht  und  diese  in  sei- 
nem Buche   auf   »inständiges  Anhalten« 
vornehmer,  römischer  Hofschranzen  und 
adeliger    Studenten     niedergelegt     hat. 
Auch  von  deutschen  »Trincianten«  weifs 
er  Einiges    im   3.  Kapitel    zu  berichten : 
«Vnd  ob  wol  die  Trincianten  in  Deutsch- 
land ,  wie   ich   mir  von  dessen  Einwoh- 
nern sagen  lassen,    mehr   und   gröfsere 
instrumenta  zu   ihren  vorlegen  gebrau- 
chen sollen  . .  Als  bleiben  wir  billich  auf 
unser  alten  . .  manier«  —  und  diese  Ma- 
nier wurde,   wie  die  deutschen  Trineier- 
bücher   lehren,   überall    in    Deutschland 
eingebürgert,  mit  der  dem  17.  Jahrhun- 
derte eigentümlichen  Sucht  nach  Fremd- 
ländischem nachgeäfft.     Doch  ist  zu  be- 
merken,  dafs  dieser  Brauch  nur  in    den 
vornehmen  Kreisen  Platz  hat. —  Ich  habe 
den  Wortlaut  aus  Procacchis  Werke  nach 
der  Übersetzung  angeführt,    welche   im 
Jahre    1()20,    also   verhältnismäfsig  spät 
nach    der    römischen    Ausgabe,    durch 
den    Buchhändler    Henning    Grol's    den 
Jüngeren   in    Leipzig   besorgt    und    von 
dem     sächsischen   Maler   Andreas    Bret- 
schneider     inil     Ku[)rerii    geziert    wurde 
(Hibl.  (1.  g.  M.     üs.  1263). 

Der  vollständige  Titel  lautet:  »Trin- 
cier  I  Oder  Vorleg-Buch,  |  Darinnen  be- 
i-ichtot  wird,  ]  Wie  man  allerhand  ge- 
bratene I  vnd  gesottene  Speisen,  so  auff 
Fürst-  I  liehe  und  andere  Taffein  getra- 


% 


—     6     — 

gen  werden  mögen,  |  Nach  Italianlscher,  vnd  vornemlich  Romanischer  |  Arth, 
anschneiden,  vnd  aulT  der  Gabel  zierhch  |  zerlegen  soll.  1  Vor  dessen,  vonGia- 
como.  Procacchi.  |  In  Italianlscher  Sprach  beschrieben.  |  An  jetzo  aber  i  In  das 
hochdeutsche  trewlichen  versetzet,  vnd  |  mit  den  signirten  Kupferstichen  aulfs 
best  vnd  |  lleissigstc  geziert,  etc.  |  Leipzig,  |  In  Verlegung  Henning  Großen  des 
Jüngern  |  Bucbhiindlers.  [  Im  Jahr  M.  DC.  XX. «  (2«-  8  u.  70  Seiten.  17  Kupfer- 
lai'oln.)  In  der  Einleitung  erklärt  uns  Grofs ,  weshalb  er  das  Bnch  habe  über- 
setzen lassen:  Jizumal  weil  dessen  Contenta,  alß  das  Vorschneiden  an  der  Gabel, 
nicht  allein  an  Fürsten  vnd  Herren  Höfen,  sondern  auch  bey  Adel  vnd  Vnadel, 
heute  zu  tage  sehr  gebräuchlichen  were.«  Alle  fürstlichen  »Tafelschneider»,  deren 
3Ieinung  er  über  seinen  Plan  eingeholt  hat,  haben  demselben  lebhaft  beigestimmt. 
Den  »politischen  Hoffleuten,  vnd  löblichen  Studenten«  wird  das  Buch  ganz  be- 
sonders empfohlen. 

Der  Inhalt  beschäftigt  sich  zunächst  mit  der  Person  des  Trincierers,  und 
es  wird  verlangt,  dal's  er  »eine  von  Natur  thatige  und  hurtige  Person,  uemiichen, 
wol  proportionirtes  Leibes,  guter  gerader  langen  Armen,  leichter  und  nicht 
schwerer  Hände  sey.  Auch  dafs  er  beyde  Arme  zu  gebührender  zeit  zierlichen 
zuheben  und  zulegen  wisse,  Ingleichen  dafs  er  zu  den  motionibus  im  schneiden 
sich  nur  der  zweyen  fordersten  gelencke  an  Händen,  da  die  Pulsse  schlagen, 
gebrauche,  und  unter  deß  die  Arme  mit  ihren  Ellebogen  ruhen  lasse,  und 
welches  sonderlich  abschewlich  stehet,  sie  nicht  weit  vom  Leibe  hindan  sperre  etc.« 
Alle  späteren  deutschen  Trincierbücher  haben  dieses  Verlangen  aufgenommen 
und  leiten  es  stets  mit  der  Redensart  ein:  «Weil  des  Trincianten  Ampt,  an 
Fürstlichen  Höfen  nit  das  geringste,  sondern  unter  die  fürnembsten  gerechnet 
wird,  soll  derselbe  entweder  vom  Adel,  oder  sonsten  gutes  Herkommens.,  seyn.« 
Dieses  Gewichtlegen  auf  gute  Figur,  kräftige  Arme  und  geschickte  Hände  wird 
verständlich,  wenn  man  bedenkt,  dafs  alle  kleineren  Braten,  zu  denen  das  Span- 
ferkel, der  Kalbskopf,  Nierenbraten,  Gans  etc.  noch  gerechnet  werden,  in  freier 
Luft  auf  der  Gabel  zerlegt  werden  müssen,  Bei  Geflügel  ist  es  sogar  A^orschrift, 
dafs  die  einzelnen  Stücke  am  Skelett  haften  bleiben,  dal's  der  Braten,  trotzdem 
er  bereits  zerlegt  ist,  als  zusammenhängendes  Ganzes  auf  den  Kredenzteller  ge- 
legt wird.  Die  nebenstehende  Abbildung,  das  Titelblatt  eines  noch  zu  erwähnen- 
den Trincierbuches,  zeigt  den  Vorschneider,  wie  er  im  Begriffe  steht  ein  auf 
der  Gabel  gehaltenes  Stück  Geflügel  zu  zerlegen.  — 

Zum  Transchieren  sind  verschiedene  Paare  von  Gabeln  und  Messern  nötig, 
auf  welche  ich  weiter  unten  zurückkommen  werde.  Die  ersten  Übungen  soll 
der  Trinciant  an  Holzmodellen  vornehmen. 

Ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  diesem  und  den  späteren  Trincier- 
büchern  besteht  in  dem  Zeremoniell,  welches  sie  dem  Vorschneider  auferlegen. 
Sehr  umständlich,  unglaublich  geziert,  ist  in  dieser  Beziehung  Procacchi  —  seine 
späteren  deutschen  Bearbeiter  wollen  von  allen  den  kunstvollen  Wendungen  und 
Hantierungen  vor  dem  eigentlichen  Beginne  des  Zerlegens  nichts  wissen,  da  sie 
es  nicht  für  erbaulich  halten,  dort  unnötig  lange  auf  den  Genufs  zu  warten,  wo 
der  Bratenduft  die  Geruchsnerven  bereits  kitzelt.  Ich  füge  als  Beispiel  die  Vor- 
schrift ein,  welche  Procacchi  für  die  Zerlegung  eines  Kapaunes  gibt:  »Nachmals 
wenn  du  ihn  imbrocchiren  wilst,  so  halte  das  Messer  mit  deiner  rechten  Hand 
im  Rumpff  steckend,  ziehe  die  Gabel  aus  dem  Kappauueu,  ein  wenig  zu  deinem 


—    7     — 

Leibe  zurücke,  hebe  ihn  mit  dem  Messer  im  Rumpffe  geraachsam  auff,  kehre  ihn  so 
bald  mit  dem  Messer  einwärts  zu  deinem  Leibe  umb,  das  sein  Rücken  oben  und 
der  Bauch  unten  kömpt,  schiebe  in  deme  die  (jabel  mit  der  Lincken  band  unter 
den  Kappauneu,  daß  er  darauff  ruhen  möge,  und  lege  ihn  hernacher  mit  unter- 
g-estützter  Gabel  und  eing-estossenen  Messer  wiederumb  in  die  Schüssel,  als 
denn  halt  das  Messer  noch  immer  in  ihm  steckend,  ziehe  die  Gabel  unter  ihm 
aufs  new  herfür,  halt  sie  mit  dem  daumen  und  fördersten  zweyen  Fingern 
zierlich  in  deiner  Lincken  band,  laß  die  anderen  zwey  Fingern,  als  den  Gold 
und  kleinen  Finger  etwas  gekrümmt  von  der  Gabel  abstehen,  erhebe  geschwind 
die  Gabel  unter  sich  gekehret  über  des  Kappaunens  Rücken,  mache  mit  der- 
selben, da  du  sie  imbrocchiren  wilst,  zur  gebräuchlichen  Ceremoni,  zwey  kleine 
geschwinde  und  enge  Ringelein,  Als  denn  setze  die  Gabel  zum  imbrocchiren 
oben  auff  dem  Rückgrad  oder  Gerüppe  recht  in  der  mitten  an,    uugefehr   eines 


guten  daumens  breit  über  dem  gelencke,  daran  das  gantze  untertheil  oder 
Steis  stehet,  halt  das  Messer,  so  in  des  Kappaunens  Rumpffe  steckt,  etwas  wieder 
die  Gabel  in  die  Höhe  an,  stos  im  selbigen  tempo  sie  mit  geraden  lincken  Armen 
gleich  unter  sich  in  den  Rumpff  hinein,  das  die  zwey  spitzen  der  Gabel  rorht 
mitten  auff  der  Brust,  nicht  weit  oder  fast  gar  nichts  durchgehe,  sondern  ilie- 
selben  nahe  an  dem  Brustbeinlein  möchten  erblicket  werden,  und  also  wirstu 
auch  den  Kappaunen  imbrocchiert  haben. 

Wann  nun  dieses  verrichtet,  so  hebe  gemelten  Kappaunen  mil  unverrücklen 
Messer  und  Gabel  auff,  kehre  ihn  einwärts  zu  deinem  Leibe  umb.  das  die  Gabel 
mit  der  Lincken  band  unten,  das  Messer  aber  mil  der  Rechten  band  oben  komme, 
streck  alle  zwey  Annen  mit  den  Kappaunen  gerade  von  dir  hinweg,  und  ini- 
selbigen  terapo  drücke  auch  mit  dem  in  Rumpffe  eingestossenen  Messer  den 
Kappaunen    unter   sich   etwas   fester   an   die   Gabel    an,     Alsdann    ziehe    beyde 


—    8     — 

Armen  zu  dir,  thu  das  Messer  aus  dem  Rumpffe  heraus,  mache  damit  ein  tempo, 
oder  ceremonien,  und  schiebe  es  letzlichen  unter  die  Gabel  hienunter,  das  der 
Kappaunen  darauff  ruhe,  und  (hi  dich  im  schneiden  erholen  oder  respiriren 
mögest.  So  wird  denn  auch  mit  diesen  der  Kappaun,  zu  seiner  zertheilunjj;'  an 
der  Gabel  recht  und  wol  erhoben  seyn.«  —  Jetzt  also  beginnt  erst  die  eigent- 
liche Hauptsache,  das  Zerlegen  des  Bratens,  bei  welchem  abermals  unzählige 
Vorschriften  zu  beobachten  sind.  Zum  Transchieren  des  Kaj)auus  sind  18,  der 
Gans  20.  des  Kalbskopfes  ii,  des  indianischen  Hahns  22  streng  vorgeschriebene 
Schnitte  zu  machen  I  — 

Procacchi  verspricht  in  einem  weiteren  Buche  Anleilung  zum  Falten  der 
Tisch-  und  Tellertiicher,  sowie  zum  Transchieren  des  Obstes  zu  geben,  doch  weifs 
ich  nicht,  ob  er  seine  Absicht  zur  Ausführung  gebracht  hat,  da  die  Bibliothek 
des  germanischen  Museums  kein  Werk  auCser  dem  besprochenen  von  ihm  be- 
sitzt. Alle  diese  Dinge  hat  dagegen  Matthias  Giegher,  ein  Bayer  aus  Mosburg, 
in  seinem  Trincierbuche  verarbeitet,  welches  in  italienischer  Sprache  verfafst, 
im  Jahre  1639  in  Padua  erschien  (Bibl.  d.  g.  M.  Gs.  1264).  In  Deutschland 
ruhte  die  Arbeit  während  der  Stürme  des  30jährigen  Krieges,  von  1620  bis 
zum  westfälischen  Frieden  scheint  kein  Trincierbuch  erschienen  zu  sein.  Dann 
aber  beeilt  man  sich,  das  Versäumte  nachzuholen:  in  kurzer  Zeit  erscheinen  an 
verschiedenen  Orten  schnell  nach  einander  eine  Anzahl  von  Trincierbüchern, 
welche  alle  Procacchi  und  Giegher  als  Vorbilder  haben  und  dabei  noch  sich 
gegenseitig  nach  besten  Kräften  ausschreiben,  so  dafs  die  Unterschiede  zwischen 
den  Einzelnen  im  Kerne  der  Sache  verschwindend  sind.  Das  erste,  welches 
uns  begegnet,  ist  1648  erschienen,  und  nennt  sich  »Newes  Compleraentir  vnd 
Trincir  Büchlein.  \  Rinteln.  Gedruckt  und  verlegt  bey  Petro  Lucio.  |  Typogr. 
Acad.  1648«  (qu.  8.  Bibl.  d.  g.  M.  Gs.  2038)  i).  Es  ist  den  Söhnen  des  Obristen 
und  Kommandanten  auf  der  Veste  Mansfeld,  Georg  Wetzel,  gewidmet  und 
erlebte  1650  eine  zweite  Auflage  (Gs.  1266).  Das  Complimentierbuch  kann 
hier  nicht  berücksichtigt  werden;  ich  führe  aus  ihm  nur  an,  was  unser 
Thema  berührt.  Auf  Reisen  mufste  man  sein  Besteck  mit  sich  führen,  denn  in 
den  Wirtshäusern  gibt  nicht  der  Wirt  die  Löffel,  sondern  jeder  Gast  bedient 
sich  seines  eigenen  Exemplares.  Der  Arme  benutzt  in  solchem  Falle  die  Rinde 
des  Brotes  als  Löffel.  Interessant  ist  ferner  die  Bemerkung  über  die  Trincier- 
kunst  in  dem  Kapitel  »Von  Jungfern  Gomplementencc :  »Zuweilen  begiebt  sichs 
bey  sothanen  Gesellschaften,  dafs  einem  oder  dem  andern  das  Trinciren  vnd 
Vorschneiden  auffgetragen  wird,  darbey  muß  einer  kein  Mopsus  seyn,  sondern 
frisch  mit  guter  Bedacht,  ohn  Wanckel-  oder  Kleinmütigkeit  darin  verfahren, 
jedoch  wol  gelernet  haben.  Quo  gestu  lepores  &  quo  gallina  secetur,  einen  Hasen 
muß  man  nicht  vorschneiden,  wie  einen  Westphälischen  Schincken,  wovon  man 
ein  gut  Stück  auß  der  Mitte  kan  schneiden,  ist  auch  so  bald  kein  Verstoß 
dabey,  wie  bei  einem  Feldhun.  Wie  denn  dabey  auch  das  Leber-reimen  nicht 
ungebräuchlich  zu  seyn  pflegt:  etc.«  Das  Trincierbuch,  dessen  Sondertitel  lautet: 
»New  Vermehrtes    |    Trincier-Buchlein:    1    Wie  man  nach  rechter  Italienischer 


1)  Auf  der,  Seite  7  gegebenen  Abbildung  des  Titelblattes  dieses  Trincierbuches  ist  die 
schwer  leserliche  8  in  der  Jahreszahl  1648  bei  der  Reproduktion  durch  überflüssige  Retoucbe 
irrtümlich  in  eine  9  verwandelt  worden. 


—    9    — 

auch  itzig-er  Art  |  vud  Manier  allerhand  Speisen  zierlieh  zerschneiden,  |  vnd 
hoflich  fürleg-en  soll:  |  Alles  mit  zug-ehorig-en  Newen  Kupfferstücken  gezieret. 
I  Rinteln,  |  Druckts  vnd  verleg'ts  Petrus  Lucius,  der  Universität  bestalter 
Buchdrucker  daselbst,  i  Im  1(348  Jahr.«  (8*^.  32  Seiten),  ist  gegen  das  erste  deutsche 
von  1620  um  die  Kunst  des  Obstzerleg-ens  erweitert,  während  erst  die  zweite 
Ausgabe  von  1050  das  Falten  der  Servietten  mit  behandelt.  In  letzterer  Kunst 
scheint  die  damalige  Zeit,  nach  den  Abbildungen  zu  urteilen.  Erstaunliches 
geleistet  zu  haben. 

Fächer,  Schiffe,  Fische,  Vögel,  Hunde,  Löwen,  Kaninchen  etc.  wufste  mau 
aus  den  »Fatscheinlein«,  den  Servietten,  durch  geschicktes  Falten  herzustellen; 
man  scheute  sieh  auch   nicht  kleine  obszöne  Szenen  nachzubilden,   so  dafs  ein 


gedeckter  Tisch  ein  durchaus  eigenartiges,  manirieries  Aussehen  bot.  Die 
vorstehende  Abbihhing  ist  doin  Werke  von  (jiegher  entiiommon  und  stellt  einige 
Mustei'vorlagen  für  das  Fallen  tler  StMvielloii  dar.  ßei  Besprechung  dieser 
Fertigkeit  versäumen  es  die  Verlasser  nie,  an  das  Wort  FatscheinUMn  (Grimms 
Wb.  III,  1218:  lacenellein.  lalzenetli  etc.:  1221):  lacilet,  lalzolin.  lal/Anm- 
lein ;  1365:  fatzenei,  latzild.  Dürer,  luliiinicn  S.  78:  fatzalet)  rin  Wortspiel 
zu  knüpfen:  »Die  FatscheinhMii.  Hand-  oder  Tellertücher,  können  mit  fug  Fat- 
oder  Faltscheinicin  gcntMinet  werden,  weil  sie  naclilblgender  geslalt  dii'  Falten 
scheinen  machen,  wie  autV  Königlichen  und  Fürstlichen  Tafeln  mit  VerwnndtMung 
anzuschauen. (f  —  Das  entschiedene  und  scheinbar  plötzliche  Auftreten  des  Wortes 
»Fatscheinlein«    in    den    deutschen    Trincieibüchern    ist   auffallend,    zumal    die 


Mitteiluiigott  aus  dem  goniiaii.  Xatioiialmiiseiiiii.     1802. 


II. 


—     10    — 

italienischen  Vorbilder  niemals  mit  fazzoletto,  sondern  stets  mit  tovagliolino 
oder  salvietta  die  Serviette  bezeichnen,  und  aufserdem  das  vor  dem  17.  Jahr- 
hunderte in  Deutschland  bereits  g-ebräuchliche  Wort  fatzenet  früher  meist  in  der 
allgemeinen  Bedeutung  »Tüchlein«  und  besonders  »Schnupftuch«  steht.  Doch 
hält  es  sich  nicht  lange,  sondern  weicht  dem  französischen  seruiete.  Marperger 
(Vollständiges  Küch-  und  Keller-Dictionarium.  Hamburg  1716)  erklärt  unter  dem 
Artikel  Servietten.  S.  IU88  b.  Fatscheinlein  für  ein  besonders  in  Xürnberü' 
gebräuchliches  Wort,  während  aber  dieser  Behauptung  widersprechend  Johann 
Chri.stoph  Thieme  in  seinem  »Haus-  Feld-  Arzney-  Koch-  Kunst-  und  Wunder-Buch, 
Nürnberg  iüSi«,  S.  1046  die  Bezeichnung  »der  Serviet«  anwendet.  Serviette  ist 
übrigens  auch  schon  im  16.  Jahrhunderte  gebräuchlich:  in  »Colloquia  et  Dictio- 
nariolum  septem  Linguarum  etc.«,  Antverpiae  1386  (siehe  W.  Seibt,  Notizen 
zur  Gült  Urgeschichte  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  etc.  Frankfurt  a.  M.  1874, 
S.  38  b.  Programml  heifst  es:    gehe  hole  teller,  becher  und  serueten. 

Die  Benutzung  der  Serviette  kann  vor  dem  16.  Jahrhunderte  eine  weitere 
Verbreitung  nicht  gehabt  haben,  obwol  man  bereits  in  Reineri  Phagifacetus 
(Ausg.  H.  Lemcke,  1880)  Vers  260  niantile  als  Serviette,  oder  wenigstens  als 
Handtuch,  welches  gleichzeitig  die  Stelle  der  Serviette  vertrat,  auffassen  mufs 
(vergl.  dazu  Vers  o3)^).  Für  die  Auffassung,  daPs  das  Handtuch  zunächst  mit 
als  Serviette  diente,  dafs  letztere  sich  aus  ersterem  entwickelte,  scheint  mir 
aufser  dem  angeführten  Grunde  auch  das  Mittelbild  des  Altars  in  der  Peters- 
kirche zu  Löwen  von  Dirck  Bouts  (1466)  zu  sprechen.  Über  den  Schofs  der 
drei  im  Vordergrunde  sitzenden  Apostel  ist  ein  schmales  langes  Leinentuch 
gebreitet,  welches  offenbar  als  Handtuch  resp.  Serviette  zu  deuten  ist.  Gegen 
eine  weitere  Verbreitung  in  früherer  Zeit  ist  ihr  seltenes  Vorkommen  in  Schrift 
und  Bild  beweisend.  Die  älteren  Tischzuchten  2),  bis  gegen  das  Ende  des 
13.  Jahrhunderts,  erwähnen  die  Serviette  nie  und  begnügen  sich  dort  mit  ande- 
ren Vorschriften,  wo  jüngere  Tischregeln  den  Gebrauch  der  Serviette  verlangen. 
Beispielsweise  schreiben  jene  vor,  wenn  man  bei  Tische  husten  oder  rülpsen 
müsse,  solle  man  sich  umdrehen,  oder  mindestens  die  Hand  vor  den  Mund  halten. 
Marperger  dagegen  sagt  (nach  la  Civilite  moderne,  cap.  11)  S.  203  a:  »Sich  mit 
seinem  Schnup-Tuche  öffentlich,  ohne  das  Serviet  vorzuhalten,  die  Nase  zu 
putzen,  oder  den  Schweisz  des  Gesichtes  abzuwischen,  den  Kopf  zu  kratzen  .  .  . 
sind  ünflätereyen,  die  einen  Ecket  erwecken«.  —  Man  trug  die  Servietten,    wie 


1)  Braut  übersetzt  im  ersten  Falle ,  v.  33,  mantile  uiit  zwehel ,  v.  2ßO  mit  disctituch. 
Kannte  er  die  Serviette  nicht,  oder  vertritt  dischtuch  hier  ihre  Bedeutung?  Jedenfalls  wäre 
es  auffallend,  müJ'ste  man  dischtuch  als  tischlalcen  nehmen,  da  dasselbe  nach  den  Tischzuchten 
nie  zum  Abwischen  der  Hände  etc.  benutzt  werden  darf,  da  man  nicht  einmal  die  grofseu 
Weinkannen  auf  die  Tafel  stellt,  um  das  Tischlaken  nicht  zu  beträufeln. 

2j  M.  Geyer,  altdeutsche  Tischzuchten.  Altenburg  1882.  Progr.  S.  2i,v.  240:  »An 
saltz,  brot,  tischtuch,  vmbleg  gedenck«  ;  S.  24.  (Köbelsche  Tischzucht)  v.  19:  »Den  tisch  zu 
decken  sey  nit  treg;  |  Ein  zwehel  tleiszlich  darum  leg» ;  hier  ist  vmbleg  und  zwehel  offenbar 
als  Serviette  zu  nehmen,  was  durchaus  mit  meiner  Erklärung  des  angeführten  Altarbildes 
übereinstimmen  würde.  Die  Vocabularien  des  13.  und  16.  Jahrhunderts  geben  »mantilc« 
meist  dui-ch  »handzwehcl«  ,  selten  durch  »tischzwehel«  wieder.  Daneben  steht  mantile  auch 
für  Tischlaken,  ebenso  wie  das  einfache  zwehel  in  der  Bedeutung  von  Handtuch,  Serviette, 
bisweilen  auch  Tischlaken  vorkommt. 


—    11   — 

noch  heute,  über  den  Schofs  gelegt  (vergl.  das  Gemälde  von  Bartholomäus 
vanderHelst:  Amsterdamer  Schützenmahl  zur  Feier  des  westfälischen  Friedens 
im  Rijksmuseum  zu  Amsterdam).  — 

Das  ausführlichste  der  deutschen  Trincierbücher  ist  das  in  Nürnberg  bei 
dem  Kunsthändler  und  Kupferstecher  Paul  Fürst  erschienene.  Leider  ist  die 
erste  Ausgabe  dieses  AYerkes,  welche  das  germanische  Museum  besitzt  (Bibl.  d. 
g.  M.  (js.  1260),  nur  sehr  unvollständig  und  auch  bei  der  zweiten  —  1652  aus- 
gegebenen (Gs.  1267)  —  fehlt  das  Haupttitelblatt.  Ich  kann  deshalb  auf  den  Unter- 
schied zwischen  den  beiden  Auflagen  nicht  näher  eingehen  und  bin  gezwungen, 
mich  lediglich  an  die  zweite  Ausgabe  zu  halten.  Nur  zweierlei  ist  zu  erwähnen: 
die  zweite  Auflage  ist  mehr  als  doppelt  so  stark  als  die  erste.  Ferner  sind  in 
dieser  ein  Gedicht  und  eine  poetische  Beschreibung  von  »der  Götter  Blumen- 
mahl«  mit  G.  P.  H.  (Georg  Philipp  Harsdörffer)  gezeichnet,  während  in  jener 
diese  Bezeichnung  überall  fortgefallen  ist.  —  Das  Buch  beginnt  mit  einer 
historischen  Vorrede,  in  welcher  uns  von  der  Zerlegkunst  bei  den  Hebräern, 
den  Griechen,  Römern  und  alten  Deutschen  in  der  anekdotenhaft  gelehrten 
Weise  des  17.  Jahrhunderts  erzählt  wird.  Für  die  Deutschen  ist  Opitz  Gewährs- 
mann und  ein  für  die  Anschauung  der  damaligen  Zeit  höchst  charakteristischer 
Kupferstich  illustriert  seine  schönen  Verse: 

»Ob  er  gleich  auf  den  Tisch  die  Ellenbogen  stüzt, 
und  nicht  mit  steiffer  Brust  wie  eine  Jungfrau  sizt, 
so  fasst  Er  doch  den  Krug  mit  allen  beeden  Händen, 
trinckt  auß  der  hellen  Quell,  biß  daß  er  auß  den  Lenden 
drauf  Athem  holen  muß.     Die  Speiß  ist  bald  zerlegt, 
die  Er  nie  hoch  empor  auf  einer  Gabel  trägt  etc.« 

Die  Gegenwart  erhält  folgende  kurze  Beleuchtung:  »An  den  Türckischen, 
Persischen  und  Moscowitischen  Hof  ist  das  Tafeldecken  und  Zerlegen  unbewust, 
weil  selber  Herren  mehr  auf  Sau-  als  auf  Schauessen  halten.  In  Italiu  aber, 
die  Erfinderin  alles  Wolstands,  in  Franckreich,  die  Pllegerin  aller  Höflichkeit, 
und  in  England,  die  Handhaberin  guter  Sitten,  ist  besagte  Kunst,  von  Tafel- 
decken und  zierlichen  Spoißzerschneiden ,  so  wol  Manns-  als  Weibspersonen 
nicht  unbekandt.»  Gegen  den  Schlufs  der  Vorrede  werden  die  ängstlichen  Ge- 
müther von  der  Gottgel  all  igkeit  der  Gastereyen  durch  unzweifelhafte  biblische 
Belege  überzeugt,  deren  vornehmsten  Luc.  13,  28  bietet:  »und  da|5  sogar  auch 
das  ewige  Leben  mit  einem  Mahl  verglichen  wird,  wann  die  E'rommen  mit 
Abraham,  Isaac  und  Jacob  zu  Tische  sit  zen  werd  en  .  ..  als  ist  der 
rechte  Gebrauch  der  Gastereyen  keines  weges  für  gar  verwerlflich  und  straflich 
zu  achten.« 

Der  erste  Teil  behandelt  das  Falten  der  Tischtücher  und  Servietten,  gibt  An- 
leitung, wie  man  Wappen  und  Buchstaben  in  die  Fatscheinlein  drucken  kann 
Ulli!  iierichlct  endlich  kurz  über  die  »Ordnung  der  Speisen«  :  »Die  Speisen  sollen 
dergestalt  auf  die  Tafel  gestellet  werden  ,  dafi  niemals  zwey  gesottene  Richten, 
oder  zwey  Essen  Fische  nebeneinander  zustehen  kommen.  Hat  nuin  Haubt- 
richten,  so  müssen  sie  mitten  auf  der  Tafel  eingetheilet  werden,  und  ist  sehr 
zierlich,  wann  man  mit  allerhand  Blumen  den  Tisch  als  überstreuet,  dal's  jede 
Schüssel  ihren  gewissen  Platz  gleichsam  in  einem  Krantz  stehend ,  IVey  hat  .  . 
Die  Speisen,   sonderlich  die  Fische,    sollen  mit  andern  Schüsseln  bedeckt,    und 


—     12     — 

mit  einem  Tellertuch  zusammen  g-ehalten,  hoch  daher  getragen  werden:  Wie- 
wohl dieser  Gebrauch  an  den  Höfen  ungleich  .  .  Bey  grosser  Herren  ßancketen, 
gibt  man  vor  Aufftragung  deß  zweyten  Gerichts,  welches  man  auch  den  Gang 
zu  nennen  pfleget,  neugewaschne  Servieten  mit  irischen  Tellern  zu  reichen  .  .» 
Erst  der  zweite  Teil,  welcher  durch  einige  Harsdörffersche  Verse  »An 
Herrn  Grobian  von  Säuhausen«  eingeleitet  wird,  handelt  von  der  eigentlichen 
Trincierkunst.  Natürlich  wird  die  Wichtigkeit  dieser  edlen  Kunst  kräftig 
betont,  wie  sie  nicht  nur  dem  männlichen  Geschlechte,  sondern  auch  dem  »hold- 
seligen Frauenzimmer«  zur  Zierde  gereicht.  Und  ganz  ernsthaft  läfst  der  Ver- 
fasser den  Dichter  singen : 

»  .  .  Ja,  der  Allwasser-Stein 
kann  nicht  so  Kreidenweiß,  gleich  Ihren  Armen,  seyn, 
denn  Sie  mit  zarter  Hand  die  Ermel  autTgestreiffet, 
und  weil  für  Ihrem  Ort  die  Messer  sich  gehäuffet, 
setzt  sie  das  Haselhun  für  sich  und  spisst  es  an, 
weist  wie  Sie,  nach  der  Kunst,  so  wol  zerschneiden  kann. 
Die  Finger  spitzte  Sie,  liefs  sich  nicht  lang  erbitten, 
in  einem  Augenblick  hätt  Sie  das  Hun  zerschnitten, 
und  legte  davon  für,  mit  so  beliebter  Art, 
dafs  in  derselben  Stund  mein  Herz  verwundet  ward. 
Die  Lieb,  die  heisse  Lieb,  durchpfeilte  meine  Glieder, 
durchnitte  mir  das  Herz,  und  ich  kann  nichts  darwider. 
Ach  Jungfrau  lehrt  mich  doch  :   Ist  nicht  dort  in  der  Mitt, 
Wie  man  zu  reden  pflegt,  der  beste  Pfaffenschnitt  ? 
Wir  alle  schauen  zu,  und  werden  noch  heschencket ; 
Recht  ist,  dafs  man  auch  Ihr  mit  einem  Glaß  gedencket, 
und  die  Gesundheit  trinckt,  der,  die  mit  solchem  Scherz, 
mir  von  der  Speise  gibt,  und  nimmet  mir  das  Herz.« 

Ich  weifs   nicht,    ob   der  würdige  Harsdörffer   auch  diese  Verse  gereimt  hat. 

Über  Amt  undPerson  des  »Trincierers«  ist  schon  oben  das  Nötige  gesagt  worden, 
Neues  fügt  das  Nürnberger  Buch  nicht  hinzu.  Es  folgt  jetzt  die  Beschreibung 
der  Messer  und  Gabeln,  welche  zum  Transchieren  nötig  sind,  doch  zeigt  das 
häufig  beigesetzte  »eigentlich«,  dafs  wol  selten  die  Vorschrift  in  dieser  Be- 
ziehung strenge  gehandhabt  wurde.  Fünf  Gabeln  und  vier  Messer  von 
verschiedener  Form  und  Gröfse  werden  verlangt;  die  gröfste  Gabel  hat  am 
besten  eine  lange  und  eine  kürzere  Spitze  und  dienl  beim  Vorlegen  von  Hasen 
und  Rehrückeu.  Die  kleinste  Gabel  und  das  kleinste  Messer  wird  zum  Obst 
gebraucht.  Aufserdem  »wann  von  dem  kleinsten  Flügelwerck  etwas  zur  Tafel 
käme,  und  man  die  gantze  Tafel  damit  bedienen  solte,  doch  von  demselben 
einem  jeglichen  ein  gantzes  zu  präsentiren  nicht  genug  were,  als  pfleget  man 
6.  oder  8.  zugleich  auf  die  Gabel  zu  fassen  ,  und  mit  einem  Schnitt  sie  alle 
mitten  durch  die  Gabeln  entzwey  schneiden,  darzu  man  ein  absonderliches 
Messer,  so  gar  schmal,  und  eine  Gabel  mit  gar  langen  und  dünnen  Zaucken, 
zu  haben  pfleget.  Über  das,  hat  man  bey  Fürstlichen  Tafeln  ein  Instrument, 
gar  dünne,  so  das  Credentzmesser  genennet  wird,  mit  welchem,  so  etwas  von 
Brosamen,  oder  sonsten  auf  dem  Tafeltuch  were  abgenommen,  und  die  Fisch, 
so  in  Suppen  gesotten,  uns  allbereit  zerschnitten,  vorgelegt  werden  .  .«  Diese 
Gredenzmesser   haben   eine   dünne,    breite,    ungeschärfte   Klinge,   Rücken   und 


—     13     — 

Schneide  sind  g-leich  und  laufen  bis  zum  obersten  Ende  parallel,  wo  sie  zu  einer 
runden  oder  stunipfwinklig-en  Endung-  ausg-ehen.  Endlich  bedarf  der  Vorleger 
eines  Eierhalters,  eines  Markpfriemen  und  Marklöffels,  des  Ostrien- (Austern-) 
Messers  und  des  Wetzstahls.  Der  Eierhalter  besteht  aus  einem  Griff",  in  den 
drei  Stäbe  beweg-lich  eing-elassen  sind,  deren  jeder  in  seinem  oberen  Teile  halb- 
kreisförmig- ausg-ebuchtet  ist.  Ein  Ring-  hält  sie  zusammen  und  gestattet  durch 
Hinauf-  oder  Herunterschieben  ein  Eng-er-  oder  Weiterstellen  des  Halters. 
Markpfriemen,  Marklöffel  und  Austernmesser  haben  die  ihrem  Namen  ent- 
sprechende Form,  nur  sind  sie,  gemäfs  dem  Zwecke,  welchem  sie  dienen,  sehr 
widerstandsfähig-  hergestellt.  Nachstehend  geben  wir  eine  Abbildung  dieser  Ge- 
räte; sie  ist  dem  an  letzter  Stelle  zu  erwähnenden  »Trenchir-Buch«  entnommen 
und  zeigt  in  stark  verkleinerter  Form  die  Summe  des  Werkzeugs,  dessen  der 
Vorschneitler  bedarf.  Nr.  7  stellt  den  Eierhalter,  Nr.  8  den  Markpfriemen,  Nr.  9 
den  Marklöffel  und  Nr.  10  das  Austernmesser  dar. 


Z33^3 


Der  Reichtum  an  Gabeln,  welcher  zum  Vorlegen  nötig  war.  führt  auf  den 
Gedanken.  daCs  viele  von  den  uns  erhaltenen  Fxemplaren.  auch  die  kleineren, 
nicht  als  El'sgabeln ,  sondern  lediglich  als  Transchierwerkzeuge  zu  betrachten 
sind.  Und  in  der  That  beweisen  uns  die  zahlreichen  Gemälde  des  17.  Jahr- 
hunderts, welche  ein  Gastmahl  zum  Vorwurfe  haben,  sowie  die  schrilllichtMi 
Quellen,  dals  der  Gebrauch  der  Efsgabel  ein  keineswegs  allgemeiner  war.  ob- 
wol  er  damals  bereits  eine  Vergangenlicil  von  einem  liallicn  Jalirtauscnd  hatte. 
Kirche  und  Volk  slräui)len  sich  gegen  diese  Sitte,  und  letzteres  hält  in  vielen 
Gegenden  unseres  Vaterlandes  noch  bis  heule  an  der  allen  Gewohnheil  fest. 
Als  zum  erstenmale,  nach  unserer  Kenntnis,  eine  einem  venetianischen  Herzoge 
vermalte  Byzantinerin  gegen  Ende  iIcs  11.  Jahrhunderts  sich  erlaubte,  mit 
einer  Gabel  zu  speisen,  da  eiferte  der  ehrenfeste  Petrus  Daniianus  gegen  die 
neue  Sitte  als  gegen  eine  sündhafte  Üppigkeit.    Als  Jahrhunderte  später,    zur 


—     14    — 

Zeit  Heinrichs  III.  der  Brauch  in  Frankreich  in  den  Hofkreisen  Einzug-  hielt, 
schrieb  man  Spottverse  dag:eg'on :  in  England  hiefs  man  im  17.  Jahrhundert  den 
eine  Gabel  zum  Essen  Benutzenden  höhnisch  »furcifer«  (Gabelträger,  eine  Strafe, 
mit  der  im  alten  Rom  die  Sclaven  belegt  wurden) ,  und  ob  das  von  Stieler 
S.  G03  angeführte  Wort  »Gabeler,  der,  qui  furcinula  edendo  utitur'^  nicht  au("h 
einen  spöttelnden  Beigeschmack  ursprünglich  gehabt  hat ,  mul's  dahingestellt 
bleiben.  —  Wir  können  Herkunft  und  Verbreitung  dieser  Sitte  mit  einiger 
Sicherheit  verfolgen,  doch  möchte  ich  vorweg  bemerken,  dafs  hier  besonders 
die  Benutzung  der  Gabel  beim  Genüsse  gröberer  Gerichte  in  Betracht  kommt, 
da  man  Obst,  Kompotetc.  in  Frankreich  bereits  im  18.  Jahrhunderte  mit  kleinen 
Gabeln  zu  sich  nahm,  ohne  dafs  aber  auch  diese  Sitte  meines  Wissens  weitere 
Verbreitung  gefunden  hätte.  Der  erste  Beleg  weist  auf  Byzanz  hin.  W^enn 
wir  mit  diesem  den  Reisebericht  des  Rubruk  von  1233  zusammenstellen  ,  der 
die  Tartaren  das  Fleisch  mit  Gabeln  essen  sah,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe, 
dafs  von  diesen  östlichen  YfHkerschaften  die  Byzantiner  die  Sitte  aufnahmen, 
dafs  sie  von  hier  aus  dem  Handelswege  nach  Venedig  folgte  und  von 
Italien  aus,  allerdings  sehr  allmählig,  Verbreitung  in  den  übrigen  Ländern 
Europas  fand.  Des  Weiteren  verweise  ich  auf  den  schon  angezogenen  ausführ- 
lichen Artikel  von  Dr.  A.  Pabst  und  führe  hier  nur  noch  an  ,  dafs  bereits  in 
einem  Gerichtsbriefe  über  Erbteilung  der  Katharina  Leramel  und  der  Marg. 
Tucher,  Töchter  des  Paul  Imhof,  von  1314,  eine  grofse  Anzahl  von  Messern 
und  Gabeln  Erwähnung  findet,  während  noch  1787  in  einer  Würzbmgischen 
Ordnung  für  die  Pfrüudner  im  Spitale  zu  Rothenfels  am  Main  als  Tischutensilien 
nur  Messer  und  Löffel,  aber  keine  Gabeln  genannt  werden i).  Auch  hieraus  er- 
hellt, wie  einseitig  und  langsam  die  Benutzung  der  Efsgabel  fortschritt. 

Und  selbst  als  Tranchiergerät  konnte  die  Gabel  offenbar  nur  schwer  Boden 
gewinnen.  Denn  Marperger  (1716)  äufserst  sich  S.  338:  »Eß-  und  Tisch- Gabeln 
seynd  diejenige,  welche  man  beym  Tische  gebrauchet,  um  die  Speisen  damit  zu 
embrochiren,  damit  mans  mit  dem  Messer  desto  besser  schneiden  könne;  Weil 
es  unhöfflich  stehet,  der  fast  häufßg  eingerissenen  Weise  nach,  solche  mit  den 
Fingern  anzugreiffen,  daß  das  Fett  darzwischen  durchrinne. . .  Bey  vornehmen 
Tafeln  aber  ist  diese  Familiarität  ausgebannet,  und  sollte  sich  billig  manches 
vornehmes  Frauenzimmer,  ihrer  zarten  Hände  wegen,  desfals  auch  nichts  voraus 
nehmen  (wie  doch  ihrer  viele  thun). . .  Am  allerwenigsten  befördert  ein  solches 
Frauen- Vorschneiden  den  Appetit,  wenn  es  durch  eine  alte  runtzlichte  Hand, 
und  bey  triefenden  Augen  und  Nasen,  mit  blossen  Händen,  ohne  Gabel,  ver- 
richtet wird.  Es  sind  aber  die  Gabeln  zwey-  oder  nach  heutiger  Frantzösischer 
Manier  die  silberne  Gabeln,  drey-  oder  vier-spitzige. . .« 

Ich  wende  mich  wieder  zur  Besprechung  des  Fürstschen  Trincierbuches 
zurück.  An  die  Vorschriften  über  die  Messer  und  Gabeln  schliessen  sich  Be- 
lehrungen über  die  Übungen  an  Holzmodellen  und  das  Imbrochieren;  darauf 
beginnt  die  meist  durch  Abbildungen  unterstützte  genaue  Beschreibung  vom 
Zerlegen  des  Kapauns,  des  gesottenen  Huhns,  des  Fasanen,  indischen  Hahns, 
welschen  Hahns.  Auerhahns,  Rephuhns,  jungen  Huhns  »in  Stücken«,  der  Schnepfe 


1)  Wirtembergisch  Franken.    Zeitschr.  d.  bist.  Vereins  für  das  wirtembergische  Franken. 
Jbrg.  1868.     VIII,  S.  19. 


—     15    — 

der  jungen  Taube,  des  jungen  Huhnes  »ganz«,  »in  2  Stücken«,  der  jung-en  Taube 
»in  4  Stücken«,  von  allerlei  Kleingeflügel,  der  jung-en  Taube  »g-anz«,  der  Krick- 
ente, AVachtel,  Gaus,  Ente,  des  Hasen,  Kaninchens,  Kalbskopfs,  Wildschweins- 
kopfs, der  Schöpsenkeule,  des  Schinkens,  des  Lämnierbratens,  des  Nierenbratens, 
Rückg-ratsbratens.  Spanferkels,  Krebses,  der  Forellen  und  anderer  Fische^). 
Danu  folg-t  die  Behandlung-  von  Rindfleisch  und  g-esotteneni  Fleische,  von  Pasteten, 
abgesottenen  Austern,  Eiern,  Artischocken,  Torten,  Marzipan,  Konfekt  und  end- 
lich das  meist  zu  allerhand  künstlerischen  Figuren  g-eschnittene  Obst.  —  Wie 
weit  man  in  letzterer  Beziehung-  die  Spielereien  trieb,  beweist  nachstehende,  dem 
Fürst'schen  Trincierbuche  entnommene  Abbildung-.  —  Den  Beschlufs  des  zweiten 
Teiles  bildet  eine  freundliche  Mahnung-  an  den  Vorschneider:  »Der  Fürschneider 


oder  Trincianl  wolle  auch  errinnert  seyii,  daß  er  vor  Antrettung  seiner  Be- 
dienung die  Nasen  wol  g-ereiniget  halte,  für  Husten  und  Hetschen  sich  hüte, 
unter  dem  Fürschneiden  oder  Fürlegen  nicht  hinter  den  Ohren  kratze,  oder  in 
die  Nasenlöcher  stiere,  dadurch  den  Gästen  ein  Eckel.  und  ihm  ein  böser 
Nachklang  entstehen  möge.«  — 

Die  weiteren  Teile  des  Trincierbuches  haben  niil  derivunsl  des  Vorschncidcns 
sehr  wenig  zu  thun,  ich  gebe  deshalb  nur  in  aller  Kürze  die  Überschriften  der 
einzelnen  Kapitel.  «Deß  vollständigen  Trincir-Buchs  HI.  Theil.  Von  rochier 
Zeitigung-  aller  Mundkoste,  Oder  Von  dem  stets  wärenden  Kuchen  -  Oalender.« 
Vorrede.    (Entwickelung  und  Bedeutung  des  Wortes  »essen«  etc.)  Cap.  I.    >Von 


1)  Hans  Sachs  (Ein  tisdi-zuchl)  }fi('l)l  iinGof?cnsat/c  zu  (Ion  Trinciorbüclicni  in  Hcziig 
auf  die  Fische  die  Vorscliril't,  welche  mehr  unserer  niodernen  Gewühnheit  entspricht;  "Zer- 
schneid das  flaisch  und  hricli  die  lisch.« 


—     16    — 

den  vierf'Qssigen  Thieren.«  (^ap.  II.  »Von  zahmen  und  wilden  Geflügel. (f 
Cup.  III.  »Von  den  Fischen.«  Gap.  IV.  »Von  etlichen  Eidg-evvächsen.(f  — 
»[-•aradoxon.  Widersinniger  Beweiß,  daß  der  Geschmack  der  übertreftlichste 
unter  allen  äußerlichen  Sinnen  seye.«  »Vorstellung  der  VViderigen  Meinung, 
daß  in  dem  Geschmacke  keine  warhatT'te  Belustigung  zu  finden.«  —  IV.  Theil: 
»Von  den  Schauessen  und  Schaugerichten.  Mit  angefügter  Erzehliuig  der  vor- 
nemsten  und  kostbarsten  Bancketen,  so  zu  unsrer  Vätter  und  unsren  Zeiten 
gehalten  worden.«  Vorrede  (Von  dem  Wort  Bancket).  Gap.  I.  »Welcher  Gestali 
grosse  Herren  zu  empfahen.«  Gap.  II.  »Von  den  Schauessen  und  Schaugerichten.« 
Gap.  III.  »Von  den  Schaugerichten.«  Gap.  I\".  »Von  den  Schauspielen  nach 
den  Gastereyen.«  Gap.  V.  »Das  Hochzeitliche  Bancket  deß  Herzogen  von  Mantua, 
gehalten  in  Mantua  1581.«  Gap.  VI.  »Das  Hochzeitliche  Bancket  deß  Königs 
Philippi  II.  in  Hispanien,  bey  dem  Königlichen  Beylager  der  Princeßin  auß 
Franckreick  gehalten.«  Gap.  VII.  »Das  Bancket  des  Pabsts  Gregorii  Xltl.  etc.« 
Gap.  VIII— XII  enthalten  weitere  ausführliche  Beschreibungen  von  Bancketen. 
»Der  Götter  Blumeumahl«,  eine  Harsdörffersche  Reimerei,  beschliefst  den  vierten 
Teil.—  »Füntrter  Theil,  Bestehend  In  Erörterung  XXV.  Gast-  oder  Tisch-Fragen, 
von  Essen,  Trincken  und  dergleichen  Sachen,  die  bey  Mahlzeiten  zu  nützlichem 
und  erfreulichen  Gespräch  veranlassen.«  Von  den  hier  erörterten,  meist  recht 
gleichgiltigen  Fragen  führe  ich  nur  einige  auf:  Frage  II.  »Wie  oft  man  den 
Tag  über  essen  soll?«  Fr.  IV.  »üb  alles,  was  den  Menschen  nehren  soll,  ein 
Leben  haben  müsse?«  Fr.  IX.  »Wie  viel  man  Gäste  laden  soll?«  Fr.  XL  »Wie 
man  die  Speise  aulTtragen  und  geniessen  soll?«  Fr.  XIV.  »Woher  das  Gesund- 
heit Trincken  entstanden?«  Fr.  XVII.  «Ob  zu  einem  guten  Gespräche  mehr 
Verstand  oder  mehr  Gedächtniß  erfordert  werde?«  Fr.  XIX.  »Was  dem  H.  Ghristo 
an  dem  Greutz  zu  trincken  gereichet  worden?«  etc. 

Von  den  eigentlichen  Trincierbüchern^)  bleibt  uns  in  der  Bibliothek  des 
germanischen  Museums  aus  dem  17.  Jahrhunderte  nur  noch  eines  übrig,  dessen 
vollständiger  Titel  lautet:  »Neu  |  Vermehrt  Nützliches  |  Trenchier-Buch,  |  da- 
rinnen zu  befinden  |  Wie  man  nach  itziger  Art  und  Manierlichen  Gebrauch, 
allerhand  |  Speisen  ordentlich  auff  die  Tafel  setzen,  zierlieh  zerschneiden  und 
vorlegen,  i  auch  in  guter  Ordnung  wieder  abheben  soll.  ]  Deme  beygefüget 
etzliche  |  Reden,  Briefe  und  Reime  |  So  bey  Hochzeiten,  Gevatterschatfteu  und 
Leichen-Begängnüfsen  |  zu  gebrauchen,  |  Samt  einer  Beschreibung  |  Des  Edlen 
Weydwercks.  |  Gedruckt  zu  Kunstburg  |  In  diesem  Jahr.«  |  (c.l680)  (9  u.  146Seiten, 
8").  (Bibl.  d.  g.  M.  Gs.  1268).  Aus  der  Vorrede  geht  hervor,  dafs  der  Verfasser 
in  Jena  studiert,  und  auf  Ansuchen  von  Jenenser  Studenten  sein  Buch  ge- 
schrieben hat.  Aufser  den  schon  im  Titel  zu  ersehenden  Zusätzen  bringt  der 
Verfasser  nur  eine,  gegen  die  übrigen  Trincierbücher  ausführlichere  Anweisung 
für  die  Verteilung  und  Auftraguug  der  einzelnen  »Trachten  oder  Gänge«.  Das 
kunstvolle  Falten  der  Servietten  bleibt  ganz  unberücksichtigt,  wir  werden  dafür 
aber  mit  einer  ganz  aufserordentlichen  Fülle  von  Leberreimen  beglückt.  — 


1)  In  oQuellen  und  Forschungen  etc.«  H.  66  (A.  Häuften,  Caspar  Scheidt.  der  Lehrer 
Fischarts)  finde  ich  S.  93  citiert:  Georg  Greflinger,  Ethica  couiplementoria,  das  ist  Gomple- 
mentir-Büchleiu  mit  angefügtem  Trenchir-Büchlein.    Amsterdam  1675.     8. 


—    17    — 

Ich  kann  jetzt  die  Trincierbücher  verlassen  und  habe  aus  den  Schätzen 
unseres  Museums  für  das  17.  Jahrhundert  nur  noch  ein  Buch  anzuführen, 
welches  die  Regeln  über  die  Trincierkunst  vollständig'  aufgenommen  hat,  das 
schon  angeführte  Haus  -  Feld- Arziiey- Koch  -  Kunst-  und  Wunder- Buch. .  von 
Johann  Christoph  Thieraen;  Achter  Theil.  Nürnberg  1682.  4».  (Gs.  1224.)  — 
Das  18.  und  19.  Jahrhundert  hat  noch  manche  Transchierbücher  gezeitigt i), 
doch  vermag  ich  nicht  anzugeben,  ob  und  wie  weit  sie  auf  die  älteren  zurück- 
gehen, da  mir  kein  Exemplar  vorliegt.  Wer  sich  heute  über  die  edle  Kunst 
informieren  will,  mufs  sich  zur  Kalenderlitteratur  wenden:  Der  »Daheim- 
Kalender«  auf  das  Jahr  1892  bringt  Seite  1S5  ff.  einen  Aufsatz:  »Die  Kunst 
des  Vorschneidens.  Von  L.  Holle«,  der  mit  unseren  Trincierbüchern  allerdings 
nur  den  etwas  selbstbewufsten  Ton  gemein  hat.  Sein  erster  Satz  lautet:  »Nicht 
eher  sollte  ein  junger  Mann  heiraten  dürfen,  als  bis  er  jeden  Braten  geschickt 
und  zweckmäfsig  zerlegen  kann!«  — 

Nürnberg.  Franz  Fuhse. 


Stiideutisclie  Schlittenfahrteu  im  Karueval. 

ine  Seite  des  studentischen  Lebens,  die  kulturhistorisch  von  grofser 
Bedeutung  ist  und  die  dennoch  kaum  je  Beachtung  gefunden  hat,  ist 
^^  der  »erlaubte  Zeitvertreib«  in  den  Tagen  des  Karnevals.  War  man  im 
protestantischen  Lager  der  Ansicht,  dafs  »Momraen  und  Butzen-Kleider  vor 
Gott  ein  grofser  Greuel  sei«  und  sah  sich  deswegen  die  Württembergische 
Landordnung  von  1698  bewogen,  »ernstlich  zu  verbiethen,  dafs  niemand  zu 
einiger  Zeit  des  Jahrs  mit  verdeckten  Angesichtern  oder  in  Butzen-Kleidern  gehen 
soll  bei  Straff  des  Thurms  oder  Narren-Häuslins«  (Tit.  102,  S.  219),  so  glaubten 
die  Oberen  der  »Herren  Studenten«  katholischer  Stifter  weitherziger  sein  zu 
dürfen.  Die  Anschauung,  der  die  Saehsen-Gothaische  Landesordnung  (1667) 
Ausdruck  gibt,  dal's  nämlich  »alle  Mummerey  und  alles  Umblauffen  in  Fast- 
nachts -Kleidern  ein  Heydnisches  und  Christen  übel-anständiges  Wesen«  sei 
(Part.  2.  G.  4.  Tit.  16,  S.  234)  konnte  auf  eine  Weltanschauung,  die  auch  den 
J^runlv  und  schauspielerische  Veranstaltungen  in  ihren  Dienst  zu  stellen  gewohnt 
war,  keine  Geltung  haben.  Mufste  sie  doch  gerade  wünschen,  durch  gelegent- 
liches Schaugepränge  auf  die  schaulustige  Menge  zu  wirken  und  so  durch  die 
Berücksichtigung  eines  starken  Volksbedürfnisses  sich  das  Volk  selbst  enger 
zu  verbinden.  Vielleicht  bot  sich  dann  hin  und  wieder  Gelegenheit,  ilurch  Ver- 
spotten gegnerischer  Anschauungen  und  Gebräuche  direkt  auf  das  moralische 
und  religiöse  Empfinden  der  Massen  zu  wirken. 

So  gestattete  man  den  Studierenden  gern,  in  allerlei  Fastnachtsscherzen 
vor  die  Augen  der  EinudliiuM-  zu  treten,  zumal  in  der  Form  sog.  Fastnachls- 
schlittenfulirlcn ,    die    vor    anderen    Veranshillungcn    dcii    Vorteil    besafsen.    die 

1)  Nach  Heinsiu.s,  uilgemeines  BiicluM-liCxikdii :  Trciicliikanl,  dor  gcscliickto.  die  loiclilc 
Art  dio  Speisen  zierlicli  /ii  zer.schiioidcii  iiihI  vor/.iili'j;cri.  S.  I.pz.  17.M.  Treiichirkuiisl,  voll- 
vollkonuncnste  ui.d  ueucslc,  in  ciiior  i^edoppclUMi  Aiiwois.  in.  K.  8.  Carlsrulic  17G9.  Kocli- 
l)uch,  neues  wohloinger.  mit  Trcnchirliucli.  8.  Tüb.  1777.  Trunchirkunst.  neueste  und  voll- 
kommene, od.  Anleitung  alle  Gattungen  etc.  Speisen  zu  zerlegen.     Wien.    180o. 

Mitteilungen  aus  dem  gennau.  Nationalmuseum.     1R92.  III. 


—     18    — 

gTülsle  Zahl  von  Zuscliaueni  zu  erlauben.  Derartige  SchüLtenfahrten  führleii 
in  der  Kegel  in  geseiilosseneni  Zuge  ein  Bild  vor  Augen,  das  der  Phantasie 
der  staunenden  Menge  weiten  Spielraum  gönnte  und  die  Augen  durch  die 
Mannigfaltigkeit  der  Kostüme  fesselte. 

Die  Bibliothek  des  germanischen  Nationalmuseums  befindet  sich  im  Besitz 
einer  Reihe  von  gleichzeitigen  Beschreibungen  solcher  Schlittenfahrten,  die  von 
der  studierenden  Jugend  in  Landshut,  München  und  Augsburg  in  Szene  gesetzt 
wurden.  Dieselben  verteilen  sich  auf  einen  Zeitraum  von  17  Jahren  (1750— 60) 
und  gestatten  einen  interessanten  Überblick  über  den  inneren  und  äufseren 
Charakter  dieser  eigenartigen  Schaustellungen.  Vor  allem  scheint  uns  bedeutsam, 
wie  der  Genius  loci  der  jeweiligen  Stadt  auf  den  Gedankeninhalt  der  »Schlitten- 
fahrten« einwirkt.  Das  »Churfürstliche  Lyceum  S.  J.  zu  Landshut«  zeigt  sich 
auch  in  dieser  Beziehung  philosophisch-dogmatisch  angehaucht  und  verzichtet 
in  der  Regel  auf  jeglichen  Humor;  bald  benutzt  es  die  Gelegenheit  einer 
Schlittenfahrt  ihren  Groll  gegen  Descartes,  »welcher  mit  gefährlichen  An- 
schlägen auf  den  gäntzlichen  Umbsturtz  des  Philosophischen  Reiches  umbginge«, 
Ausdruck  zu  verleihen,  bald  begnügt  es  sich  damit,  in  einem  »Narren-Concurs, 
da  Eine  Importante  Charge  V^acierend  geworden«,  scharfe  Kritik  an  allerlei 
menschlichen  Schwächen  zu  üben.  Dagegen  zeigen  die  »Herren  Studenten  zu 
München«  eine  ausgesprochene  Vorliebe  für  substantiellere  Vorwürfe.  Ob  sie 
nun  den  »Pompösen  Einzug  des  Gantz  neu  zum  Leben  erweckten  Edlen  Kredits« 
oder  eine  »ordentliche  Retirade  der  sich  zu  Land  und  Wasser  auf  Schlitten 
zurückziehenden  Utopischen  Käuferen«  zur  Darstellung  bringen,  immer  handelt 
es  sich  um  eine  Verherrlichung  materieller  Lebensgüter.  Die  naive  Freude  am 
Essen  und  Trinken  äufsert  sich  dabei  häufig  in  recht  drastischer  Weise.  Augs- 
burg ist  unter  dem  vorliegenden  Material  nur  durch  die  Beschreibung  einer 
einzigen  Schlittenfahrt  vertreten,  aber  schon  diese  eine  scheint  zu  zeigen,  dafs 
die  Karnevalsumfahrt  der  »Augspurgischen  Herren  Studenten«  einen  Charakter 
trug,  der  im  Wesentlichen  durch  die  stolze  Vergangenheit  der  Stadt  bedingt 
war.  Statt  eines  humoristischen  Aufzuges  sehen  wir  ein  Bild  des  Gewerbefleifses, 
das  mit  den  Jubiläumsunizügen  der  Gewerkschaften,  wie  die  neuere  Zeit  sie  liebt, 
viel  Ähnlichkeit  hat;  nur  dafs  man  hier,  um  doch  dem  P'astnachtscharakter 
einigerraafsen  zu  entsprechen,  einige  Götter  in  die  menschliche  Gesellschaft  mischt. 

Den  inneren  und  äufseren  Gegensatz  dieser  verschiedenen  Schlittenfahrten 
und  gleichzeitig  deren  verwandtschaftliche  Beziehungen  werden  wir  am  deut- 
lichsten wahrnehmen,  wenn  wir  einzelne  derselben  etwas  eingehender  betrachten. 

Für  München  scheint  uns  besonders  charakteristisch  ein  »Honorabler  Ab- 
zug Der  zahlreichen  Fleischmannischen  Garnison  Aus  der  Citadelle  Kuchenburg; 
Da  selbe  au  die  Trouppen  des  (Titl.)  Herrn  General  Wallersee  Und  Dessen  hohe 
Alliirte  per  Accord  übergangen.  Zur  Fast-Nacht-Zeit  In  einer  Schlittenfahrt 
Von  denen  Herren  Studenten  zu  München  vorgestellet  Anno  17öl.«  (Bibl  Nr. 
W.  1721  gb.) 

Der  Vorbericht  der  Beschreibung  dieses  Zuges  erzählt  ein  tolles  Märchen 
von  der  Absicht  des  »bekannten  Herrn  General  Wallersee,«  mit  frischen  hol- 
ländischen Truppen,  »meistens  aus  denen  S.  T.  Stock-,  Fisch-,  Häring-  und 
Blateisischen  Reginienteren,  welche  ayf  daselbstigen  See-Küsten  zu  Prisonier 
gemacht«    und  den  Kontingenten   anderer  Länder   zusammengesetzt,  gegen  die 


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berühmte  Citadelle  Kuchenbiirg:  vorzugehen,  und  g-laubt,  »dem  Publico  einen 
sonderen  Gefallen  zu  erweisen*,  wenn  er  »den  Verlauff  dieser  Attaque  aufrichtig 
und  unpartheyisch«  erzählt,  ohne  erst  das  Geschehen  derselben  abzuwarten. 
Er  bittet  sich  die  Erlaubnis  aus,  »das  Theatre  in  etwas  zu  veränderen,  und  durch 
einen  so — genannten  Syncronismum  von  zukünftigen  Dingen  so  zu  reden,  als 
wären  sie  schon  würcklich  vergangen.« 

Und  nun  wird  erzählt,  dafs  der  General  von  Fleischmann  in  der  Citadelle 
belagert  wird,  sich  nicht  mehr  halten  kann  und  kapituliert.  Die  Nachricht, 
dafs  die  Garnison  in  3  Tagen  sich  marschfertig  halten  soll,  wird  von  der  Be- 
satzung mit  Murren  aufgenommen.  Die  einen  sind  »so  sehr  an  die  Citadelle 
angebacken,  dafs  sie  lieber  Leib  und  Blut,  als  selbe,  verlassen  wollen,«  anderen 
ist  die  Frist  zu  lang,  sie  versuchen  zu  desertieren.  General  Fleischmann  ist 
darob  aufs  Höchste  ergrimmt.  »Er  Hesse  seine  Leib-Guarde,  so  aus  dem  Kern 
der  ansehnlichsten,  achtbarisLen,  Ungarischen  Metzgeren  bestünde,  alsogleich 
auf  dem  Platz  anrucken,  mit  geschärften  Befehl,  all  und  jede  von  der  Garnison, 
die  ihnen  in  geringsten  suspect  wären,  auf  der  Stelle  niderzumachen;  welche 
dann  dise  Ordre  auf  das  genauiste  befolget.  Aus  denen  ermordeten  Cörperen 
Hesse  er  einige  spissen,  andere  in  sied-heisses  Wasser  versencken,  andere  auf 
villerley  andere  Weis  peynigen,  wie  es  ihme  nemlich  die  Wuth  uud  äusseriste 
Verzweiflung  in  den  Kopf  brachte.«  Vervollständigt  wird  das  Gemetzel  durch 
die  Bürgerschaft,  die  heimlich  mit  dem  Feind  unter  einer  Decke  steckt,  und 
bald  diesen,  bald  jenen,  in  ihre  Häuser  lockt  »ohne  alle  Barmherzigkeit  ermordet 
und  Stuck-weis  in  die  flnsteriste  Magens-Winkel  vergrabet.«  So  gehen  die  drei 
Tage  hin.  Am  Tage  des  Abzugs  bereut  der  General  seinen  Jähzorn  und  wird 
gleichzeitig  von  Unwillen  über  das  Thun  der  Bürgerschaft  erfüllt.  Er  beschliefst, 
um  »seinen  Zorn  recht  enipündlich  abzukühlen,  und  zugleich  seinen  Abzug 
doch  in  etwas  herrlicher,  und  zahlreicher  zu  machen  .  .  .  auch  von  denen  er- 
mordeten Cörperen  nicht  ein  eintziges  Stuck  in  der  Citadelle  und  Stadt  übrig 
zu  lassen.  Liesse  demnach  durch  öffentlichen  Trommelschlag  bey  schwärer 
Stratr  ausruffen:  alles,  was  von  dergleichen  der  Garnison  zustehenden  Effecten 
in  denen  Häuseren  noch  hinterhalten  wäre,  also  gleich  in  die  Citadelle  zu  liferen, 
woselbst  es  in  die,  zu  dem  End  in  grosser  Anzahl  schon  vorbereitete,  Schifsl- 
Couvert  gar  embsig  eingehackt  wurde.«  Dann  zwingt  er  die  Bürgerschaft  »all 
dise  Pagage  mit  ihren  eignen  Pferden  und  Schlitten  (es  wäre  halt  dazumahl 
ein  grofser  Schnee  gefallen)  bis  an  die  Gräntzen  zu  liferen«,  und  die  Garnison 
zieht  mit  fliegenden  Fahnen  und  klingendem  Spiel  aus  der  Citadelle. 

Dieser  Einleitung  folgt  dann  die  Beschreibung  des  Festzuges  mit  nament- 
licher Aufzählung  der  mitwirkenden  Studenten. 

Voran  ziehen  der  Hegimentsquartiermeister,  vier  Trompeter,  der  Regiments- 
metzger und  die  ungarische  Leibgarde  der  Metzger;  dann  folgt  als  »Vortrapp« 
im  ersten  Schlitten  der  Hauptmann  Eber,  »dessen  unterhabendes  Corpo  fast 
gäntzlich  bis  auf  wenige  Uberbleibslein,  so  nachnuihls  zum  Vorschein  kommen 
werden,  ruiniret  worden,«  gelührt  von  dem  Ober-Wildmeisler.  im  zweiten  und 
dritten  Schlitten  »zwei  Edle  junge  Herren  Schuncken  aus  Westphalien  gebürtig, 
welche  Zweiflels  ohne  gleichfals  ihr  Grab  in  der  Citadelle  wurden  gefunden 
haben,  wann  sie  sich  nicht  in  einen  Camin  salvirl.«  Ein  »Regiments-Leyrer« 
mit  »seinen  Scholairn«,   die  ein  gar  »anmüthiges  Abschids-Lied«   singen,    bilden 


—    20    — 

die  Ueberleitung  zu  den  vier  Colonnen,  »deren  die  3.  erste  fast  in  lauter  Pagage- 
Schlitten  bestanden ,  doch  unter  verschidenen  Bedeckungen.  Die  erste  com- 
mandirte  der  Herr  Obrist-Lieutenant  Voressen;  die  zweyte  der  Herr  Ingenieur- 
Obrist  von  Bratten;  die  dritte  der  Obrist- Wachtmeister  Wildmann;  die  vierte 
der  Herr  General  Fleischmann  selbst.« 

In  den  Schlitten  der  einzelnen  Kolonnen  befinden  sich  natürlich  die 
wunderbarsten  Dinge,  die  dem  Namen  des  jeweiligen  Anlührers  entsprechen. 
In  den  ersten  vier  Schlitten  der  ersten  Abtheilung  werden  »4  wohl-einpallirte 
Fleisch-Suppen«  einhergefahren.  »Man  sagt,  sie  wären  von  besonderer  KrafTt, 
doch  hätten  sie  einen  Defect  in  Augen;  dessentwegen  sie  dann  sorgsam  be- 
decket worden,  damit  ihnen  das  allzugrelle  Liecht  nicht  schade.«  Die  Begleitung 
bilden  »Lötfel-Krammer«  aus  den  Weltteilen  Afrika,  Amerika,  Asien  und  Europa. 
Des  weiteren 'folgen  in  dieser  Kolonne  Gefäfse  mit  eingemachten  Lungen,  Kälber- 
füfsen  und  Eutern,  Pasteten  von  Hühner-  und  Taubenfleisch,  die  —  »damit  nicht 
gähling  der  rauhe  LufTl  der  zarten  Jugend  schadete ,  hermetice  geschlossen 
worden«,  —  vier  Schlitten  »mit  uuterschidlicher  zur  Artilleri  gehörigen  ilunition«, 
als  eine  Kiste  von  »mit  Speck  gefüllter  Knödl-Bomben,  eine  andere  von  Leber- 
Granaten,  die  dritte  von  Schweinernen,  auf  den  Rost  zuvor  wohl  abgedörrten 
Wurst-Lunden,  die  vierte  von  scharfTgeladenen  Bluntzen-Patronen.  Die  Dräxler 
und  Sailler  hatten  hierbey  die  Convoy,  jene,  damit  die  Bomben  und  Granaten 
der  Runde  nicht  vergesseten,  dise,  auf  dafs  die  Lunden  und  Patronen  wohl 
gebunden  hüben.« 

An  diese  schliefsen  sich  vier  »grosse  ansehnliche  Tafl-Stuck«  als  »Viertl- 
Cartaunen«,  deren  »LalTeten  oder  Vehicula  gleichsam  per  modum  eines  Zu- 
gemüfs  die  Kräutler  herschaffen.« 

»Bis  daher  nun  erstreckte  sich  das  Gommando  defs  Herrn  Obrist-Lieutenant 
Voressen,  welcher  jedoch  aufs  angebohrner  Müdigkeit,  damit  zugleich  seine 
Pagage  lüfftiger  beförderet,  und  zugleich  der  Nachkommenden  der  Weeg  er- 
leuchteret  wurde,  weifslichist  angeordnet,  dafs  seinen  Zug  weisse  und  braune 
Bierschenck  beschliesseten.«  Eine  durstige  Musikantenbande  fühlt  sich  von  dem 
»angenehmen  Geruch  dises  Liqueurs«  angezogen  und  bildet  den  Abschlufs  der 
ersten  Kolonne  und  die  Überleitung  zur  folgenden. 

Diese,  in  der  allerlei  in-  und  ausländische  Braten  und  ein  Fafs  Wein  unter 
sorgsamer  Bedeckung  geführt  werden,  ist  in  ähnlicher  Weise  angeordnet,  des- 
gleichen die  dritte  Kolonne  mit  einem  Reichtume  von  Wiklpret  und  edlem  Ge- 
flügel. »2  Teutsche  aus  Burgund,  und  ein  Frantzos  aus  Campanien  und  ein 
Welscher  dal  raonte  Pultiano«  figurieren  als  Vertreter  der  Getränke  ihres  Landes. 

In  der  vierten  und  letzten  Kolonne  aber  befindet  sich  »nur  allein  die  noch 
frische,  und  der  Massacre  entzogene  Trouppen.  Weilen  es  aber  meisten  Theils 
solche  waren,  die  entweders  zarten  Jugend  oder  zähen  Alters  halber  verschonet 
worden,  Hesse  er  auch  dise  nicht  zu  Fufs  ausraarchiren,  sonderen  wurde  ver- 
schidenen aufgebotten,  selbe  auf  Schlitten  zu  transportiren.  Voraus  führe  der 
General-Adjutant  Herr  von  Oberkoch  cum  suo  cognato.«  Dann  zieht  Geflügel, 
Stall vieh,  Wild  vor  uns  vorüber,  von  Bauern,  Metzgern  und  Jägern  eskortiert. 
»Endlich  beschlösse  den  gantzen  Zug  en  suit  defs  zweyten  Theil  seiner  Leib- 
Guarde,   und   unter   herrlichen   Schall   der   Kuchenburgischen   Trompeten   und 


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Paucken,  Ihro  Excellenz  Herr  General  Fleischraana  in  eigner  schweren  Persohn  ... 
in  Bedienung  2  Lauffer  .  .  .  und  2  Heyducken. « 

Der  burleske  Text  schliefst  mit  den  Worten:  »Es  ist  aber  mit  keiner  Feder 
zubeschreiben,  was  grosses  Leydwesen  bey  disen  Abzug  das  gute  Hunds- Volck 
getragen:  sie  schreyeten  und  beuleten,  als  wolten  sie  von  Sinnen  kommen. 
Ja,  ich  habe  mir  gantz  glaubwürdig  erzehlen  lassen,  der  grosse  Laelaps  habe 
hierbey  die  hell-liechte  Zäher  geweinet. 

P.  S.  Eben  jetzt  lauffet  die  Zeitung  ein,  es  seye  Monsieur  Surkruot  mit 
einem  Detachement  Häring  denen  Flüchtigen  nachgeschickt  worden,  um  alle 
Bier-  und  Weinschenck  widerum  einzuheilen.  Und  dises  gantz  weislich:  dann 
wie  kunten  wir  wohl  ohne  selbe  durch  die  liebe  Fasten  subsistiren?« 

Spricht  uns  aus  dieser  Fastnachtsschlittenfahrl  ein  lebenslustiger,  dem 
materiellen  Genüsse  keineswegs  abgeneigter  Humor  an,  der  nichts  weiter  will, 
als  frühliehes  Lachen  erregen,  so  tritt  uns  in  einer  Schlittenfahrt  der  »Herren 
Studenten  zu  Landshut«  vom  Jahre  1766  ein  jeder  Lebenslust  abgewandter  Sinn 
entgegen.  Die  Darsteller  wollen  durch  ihren  kostümierten  Umzug  keine  Heiter- 
keit erwecken,  sie  wollen  bekehren,  vor  den  »falschen  Propheten«  warnen:  ihre 
Schlittenfahrt  soll  eine  populäre  Predigt  ohne  Worte  sein.  Das  Thema  derselben 
lautet:  »Antichrist  Oder  Der  von  dem  Vater  der  Lugen  gesandte  After-Mefsias.« 
Um  keinen  Zweifel  darüber  zu  lassen,  welches  die  Absicht  der  Studierenden, 
verkünden  sie  in  der  Einleituug  des  beschreibenden  Textes  (Bibl.  Nr.  W.  1721  gl.) 
»Antichrist,  der  aus  lauter  Bofsheit  zusammen  gemachte,  und  von  der  Höllen  als 
ein  teuflisches  Kunstuck  ausgebrüttete  Antichrist  soll  zu  unseren  Absehen 
dienen.  Dieses  erbofste  Gemüth,  was  es  für  ein  Nater-Brut  in  seiner  Brust 
ernähre,  können  wir  aus  diesen,  den  After-Mefsias  vorlauffenden  Lugen-Propheten, 
undvergiffteten  Ertz-Ketzeren,  die  unsere  H.Mutter  mit  einen  mehr  als  teuflischen 
Hafs  zwar  anfallen,  aber  nicht  übergwältigen  mögen,  grossen  theils  ersehen.« 
Vor  diesen  sei  zu  warnen,  da  sie  ihre  »Schalckheiten«  unter  den  Schafsfcllen 
verborgen  halten.  »Darum  dann  meine  Herren  Landshuter  bitten  wir  euch: 
Hütet  euch  von  den  falschen  Propheten,  die  den  unschuldigen  Seelen  nach- 
stellen: und  damit  ihr  euch  von  diesen  abscheulichen  Mifsgeburten  zu  hütten 
wisset,  werden  wir  euch  dieselbe  lebhafft,  so  viel  es  unsern  geringen  Verstand 
möglich,  und  die  Zeit  zulasset,  vor  Augen  zu  stellen  uns  befleisseu.« 

Der  seltsame  Zug  beginnt  mit  »den  drey  Höll-Furien,  welche  mit  einen 
Fahnen,  und  Fackl  bewaffnet  den  jänuuerlichen  Krieg  und  erschröckliche 
Niderlag  des  Antichristes  ankünden.«  Ein  Musikantenschlitten  trennt  dieselben 
von  den  drei  Schwestern  Sünde,  Heidentum  und  Ketzerei  »als  grausame  Vor- 
bothen,  die  diesen  vergilTteten  Basilisken  vorgeloffen  sind.«  Und  nun  IriK  ein 
buntes  Gewürfel  jener  »grifsgramenden  Wölfe«  auf,  die  als  Apostel  des  Anti- 
christ bezeichnet  werden.  Die  antike  Well,  das  Zeitalter  der  Kirchenväter,  die 
kirchlichen  Sekten  älterer  und  neuerer  Zeit  stellen  ihre  Kontingente.  Um  die- 
selben zu  charkterisieren,  greift  man  zu  ilen  wunderlichsten  Mitteln.  T)ie 
»Sa[tientes  oder  die  Weise  genennet«  erhielten  zum  Vorreiter  einen  Narren; 
Wiclef,  (loiti  Vorläufer  der  Kirchenreformation,  wurde  ein  Metzger  als  Begleiter 
zugeteilt,  ilu  er  »ein  lauterer  Ochs,  dahero  er  nicht  umsonst  von  Ochsfurt  ge- 
bürtig war«;  Luther  erschien  in  Begleitung  eines  Kochs,  da  er  die  Irrlehren 
{'rubrer   Ketzer    »wieder   aufgewärmet    und   für   frische    verkuuflet.«      Dafs   die 


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»Flag-ellantos  oder  die  Geisler<f  einen  Wundarzt  im  Gefolge  haben,  ist  immerhin 
zu  verstehen,  ihr  Auftreten  im  Zuge  wird  durch  die  Worte  motiviert:  »Haben 
ihren  Ursprung  in  Deutschland  genommen,  dieser  Anfangs  löbliche  Brauch  zu 
Geislen  ist  endlich  in  eine  Kezerey  verwandlet  worden.«  Überraschend  und 
tirastisch  aber  wirkt  die  Einführung  eines  Kaminfegers  als  Geleiter  der  Puritaner. 
Begründet  wird  dieselbe  durch  die  scharfe  Bemerkung:  »Die  Puritaner  .  .  .  wolten 
für  rein  angesehen  werden:  stancken  doch  ärger  als  die  Bück.« 

Den  SchluCs  dieses  höchst  eigenartigen  Aufzuges  bildet  die  nähere  Um- 
gebung des  Antichrist.  »Die  zwölf  After  Apostel;  Jeder  mit  seinem  Vorreiter. 
Nach  denApostelen  folgen  die  Hocherleuchte  Scilicet  After  Evangelisten.  Nach 
diesem  endlich  kommt  weis  GOtt  wan!  der  Vater  aller  Erz-Ketzer,  die  .  .  .  wind- 
Grube^)  aller  Laster,  nenilich  der  Antichrist.  Dem  rebellischen  Sohne  folgt  der 
Vater  der  Lügen.« 

Um  Jeder  abfälligen  Kritik  von  vornherein  zu  begegnen,  wird  hinter  dem 
Zuge  in  einem  Schlitten  »Zoilus  an  einer  Hundes-Kette  gefangen«  einhergefahren 
»zu  zeigen,  dafs  die  Beschnarcher  zwar  bellen  aber  nicht  beissen  könen.« 

Bisweilen  verflüchtigt  sich  der  Landshuter  Kampf-  und  Bekehrungseifer 
zu  einem  ziemlich  harmlosen  Moralisieren,  in  dem  aber  doch  von  Zeit  zu  Zeit 
die  dogmatisierende  Tendenz  zum  Durchbruche  kommt.  So  in  dem  »Winter 
und  Somniei-  moralisch  und  satyrisch  in  einer  Schlittenfarth  zu  Landshut  vor- 
gestellt von  denen  Herren  Studenten  des  Studii  Generalis  Thomistici  den 
28.  Jenner  1768.«  (Bibl.  Nr.  W.  1721  gn.)  Hier  besteht  der  ganze  Zug  aus 
zwei  Kolonnen  — ,  jede  angeführt  durch  einen  »Musikalischen  Vorzug«  — ,  die 
in  einer  stattlichen  Reihe  von  Schlitten  Personifikationen  derjenigen  Eigen- 
schaften, die  für  den  Winter  und  für  den  Sommer  charakteristisch  sind,  dem 
Publikum  vor  Augen  führen.  Der  poetische  Vorwurf  hat  den  Verfasser  der 
erläuternden  Beschreibung  zu  Versen  begeistert,  die  vor  allem  die  Aufgabe 
haben,  den  oft  etwas  dunklen  Zusammenhang  zwischen  dem  Inhalt  der  einzelnen 
Schlitten  und  deren  kostümierten  Vorreitern  klar  zu  legen.  Die  ersten  drei 
Schlitten  enthalten  den  Reif  »mit  einem  kühlen  G'spafsmacher«,  den  Schnee  »mit 
der  Eitelkeit  der  Welt«  und  die  Kälte  »mit  einem  Zitterschlager«;  ihnen  folgt 
»der  Eiszapf  mit  einem  vollgesoffenen  Zapfen  deren  Vorreiter  der  Eislebische 
Prophet  mit  seinem  sogenannten  Catechismusglafs«.  Die  etwas  unklaren  be- 
gleitenden Verse  lauten: 

»Wann  sich  viele  Tropfen  mehren  Solcher  Zapfen  wäre  eben 

Und  in  Frost  zusammen  kehren,  Der  Prophet  vou  Eisenlebeu 

Nennt  man  es  ein  Zapf  vou  Eifs.  Wie  die  ganze  Weite  weifs.« 

Und  nun  folgen  allerlei  Mitgaben  des  Winters,  die  durch  allgemein  ge- 
haltene,' moralisierende  und  didaktische  Sprüche  ihre  besondere  Prägung  er- 
halten. Der  Nordwind  wird  mit  der  Hotfart  verglichen,  der  Sturm  überhaupt 
mit  den  Ketzereien  und  Schwärmereien;  das  trübe  Gewölk  gibt  Veranlassung, 
denen  eine  Verwarnung  zu  erteilen,  die  »in  beständig  Neid  und  Grollen,  Den 
sie  doch  ablegen  sollen,  ja  in  stäten  Zorn  und  Hafs«  leben.  Ein  Schlitten  fährt 
den  »kurzen  Tag  und  lange  Nacht,  deren  Vorreiter  die  Aegyptische  Finsternufs.« 
Der  ermahnende  Ton  ist  hier  besonders  eindringlich: 

1)  Die  ersten  Buchstaben  dieses  Wortes  sind  duixh  das  Beschneiden  des  Heftes 
fortgefallen. 


—    23    — 

»Kurzer  Tag  das  Leben  neiget,  Drum  soll  man  in  Lustbai'keiten, 

Lange  Nacht  den  Tod  anzeiget  Und  in  den  erlaubten  Freuden 

Ja,  den  Weeg  zur  Ewigkeit.  Denken  an  die  Seeligkeit.« 

Dann  wird  bildlich  dargestellt,  dafs  der  Winter  in  seinem  Gefolg-e  »Melan- 
colie  und  Langweil«  habe,  der  man  durch  die  Freuden  der  Fastenzeit  zu  be- 
gegnen suchen  müsse.  Es  wird  aber  sofort  ein  Schitten  angefügt,  der  »das 
desperate  Fastengesicht,  dessen  Vorreiter  ein  vacierender  Koch«  dem  Volke  zeigt. 
Die  Begleitverse  bemerken: 

»Vor  den  Thron  des  Höchsten  tretten        Dann  schier  allzeit  Fastnacht  liaben 
Fasten,  Wachen,  Bussen,  Betten  Sich  mit  Fleisch  und  Würsten  laben 

Sollt  boy  Menschen  öfters  soyn  :  Trüg  der  Seele  gar  nichts  ein.« 

Den  AbschluCs  der  Winterkolonne  bildet  ein  Wagen  mit  Insassen,  die 
unter  den  Unbilden  des  Frostes  leiden  müssen ;  zum  Vorreiter  ist  ein  Wundarzt 
ausersehen.     Dazu  meint  der  erklärende  Text: 

»Hand,  Füfs,  Nasen,  Barth  und  Ohren       Aber  G'fröhr  in  Kopf  curiren 
Sind  im  Winter  gnug  erfrohren,  Ist  kein  Sach  zum  practiciren 

Doch  diefs  alls  noch  heilbar  scheint.  Weil  sie  nicht  zu  heilen  seynd.« 

In  der  zweiten,  der  Sommerkolonne,  zieht  zunächst  die  heitere  Luft, 
»dessen  Vorreiter  die  Sonn«,  auf;  Gärtner  und  Gärtnerin,  Vogelsang,  Hitze,  Aus- 
dünstung, Blitz,  Donner  und  Regenschauer  folgen.  Die  Ausdünstung  erhält 
zum  Vorreiter  einen  Fackelträger.  Die  Reime  suchen  diese  W^ahl  zu  erklären. 
Blitz  und  Donner  bieten  Anlafs  zu  der  Vermahnuug 

»Nach  den  Donnern,  nach  den  Knallen     Bist  vielleicht  ohn  dein  Vcrhoffen 
Nach  den  Blitzen,  nach  den  Schallen         Plötzlich  von  dem  Streich  gelroft'cn 
Folgt  der  helle  Sonnenschein:  Schick  dich  nur  gedultig  drein.« 

In  ähnlicher  Weise  dient  die  Vorführung  der  »auf  einmal  gäher  massen 
eingefallenen  grossen  Sonnenhitze«,  der  Mondfuisternis,  die  sich  im  Juni  er- 
eignen würde,  der  Ernte  u.  s.  w.  zur  Betonung  der  sittlichen  Prinzipien.  Da- 
zwischen durch  erhält  dann  auch  das  anspruchlose  Behagen  an  den  Freuden 
des  Sommers  sein  Recht.  Der  »abkühlende  Schatten«,  der  »Sommerpalais«,  der 
»Merzenkeller<f  erhalten  Worte  der  Anerkennung,  selbst  die  Jagd  wird  gefeiert. 
Den  Schlufs  macht  dann  ein  Wagen  mit  »Grafsmenschern,  Heuleuthen, 
Schnittern,  Dreschern  etc.« 

Auch  diesmal  glaubt  sich  der  Verfasser  des  Textes  jede  Kritik  der  fest- 
lichen Veranstaltung  verbitten  zu  müssen.  Es  lautet  daher  die  Schlufsbemer- 
kung:  »Wer  Lust  und  Lieb  hat,  diese  Schlittenfarth  entweder  wegen  der  Ord- 
nung, oder  Kleidung  zu  tadlen.  der  ist  höllichst  eingeladen,  sich  in  dieser  Källr 
um  Mitternacht  auf  ofenilichen  Platz  zu  stellen,  dainit  er  seiniMi  kritiscIuMi 
Gedanken  längere  Audienz  geben  könne.«  — 

Es  ist  eine  völlig  andere  Welt,  in  die  uns  die  Augsburger  Schlitlonfahrl 
hineinführt.  Schon  der  lateinische  Haupttitel  des  beschreibenden  Textes  deute! 
eine  gewisse  Feierlichkeit  an.  Dci'  (Jesamltilt'!  laute!  :  »Augusta  commune  oni- 
porium  Uder  Augspurger  Dult  Von  denen  Augspurgischen  Herren  Studenten 
in  einer  Schlitlonfahrl  zur  erlaubten  Zeitvertreib  vorgeslellt  Im  -lahr  17;);i.n 
(liibl.  Nr.  W.  1721  d.)  Und  der  Zug  selbst  nuicht  den  Eindruck,  als  hällon 
die  Studenten  diese  Gelegenheil  weniger  benutzt,  um  übermütiger  Karnevals- 
lust Ausdruck  zu  geben,  als  um  ihre  Freude  an  dem  groCsslädtischen  Handel 
und  Wandel    der  Stadt   Augsburg    zu   zeigen.      Charakteristisch    sind   die   ein- 


-    24    - 

leitenden  Bemerkungen:  »Die  breite  Welt  weist  von  Augspurg  zu  sprechen. 
Wenig  Länder  seynd,  welche  nit  ihre  berühmte  Künstler,  und  Künsten,  grosse 
Werbung  und  Handl  mit  selbst  eigner  ihrer  Zierde  und  Nutzen  bewunderen. 
Wir  haben  geglaubt  uns  erlaubt  zu  sej'n  zu  einer  wenigist  geringer  Ergötzung 
der  Augen  und  des  Gemüths  selbes  in  etwas,  und  in  dem  Schatten  vorzustellen. 
Wir  bringen  etwas  von  Gewerb,  und  von  Künsten,  wir  führen  für  nähe,  und 
weit  entlegene  Nationes,  so  weit  sich  nemlich  das  gewerbliche  Augspurg  er- 
strecket, wir  machen  sie  einkauffen,  und  also  mit  Waaren  beladen  von  disei- 
allgemeinen  Dult  widerum  nacher  Kaufs  kehren.  Die  Götter  als  grofsmächtigste 
Gönner  und  Schützer  der  so  schönen  Künsten,  und  Bemühungen  haben  auch 
Antheil  zu  nehmen  geruht.  Das  Publicum  herentgegen  wird  gebetten  vieles 
mit  Dencken  zu  ersetzen,  und  wann  wenig  Zeit  zu  Lachen,  gütig  zu  betrachten, 
dafs  auch  wenig  Zeit  gewesen  zu  machen.« 

Um  doch  wenigstens  ein  äufseres  Zugeständnis  an  die  Karnevalszeit  zu 
machen,  gehen  dem  Zuge  »2  Arlequins«,  von  4  Trompetern  begleitet,  voraus. 
Die  eigentliche  Einleitung  bilden  dann  der  Friede,  der  den  Kriegsgott  als  den 
»allgemeinen  Stöhrer  des  freyen  Handels  und  Wandels  unter  denen  schönen 
Künsten«  gefesselt  führt,  Merkur  »mit  dem  Titul:  Die  Götter  verkauffeu  alles 
um  die  Arbeit«  und  mit  dem  »Geuius  industriae«  und  als  dritter  Jupiter,  »der 
grosse  Gönner  und  Schützer  der  schönen  Künsten.« 

Dann  folgen  Goldschmiede,  Kaufleute,  »ein  gefährliche  Stein-Klippen  für 
die  Kautfarthey  Schiffe,  auf  welcher  sitzt  der  Herr  Fallit  ein  grosser  Wind- 
macher«,  Seidenhändler,  Bildschnitzer,  Wollenweber,  Kürschner,  Drechsler. 
Perrückenmacher,  Tabakhändler,  Schlosser  und  Schmiede,  Buchhändler,  und 
sonstige  Gewerbtreibende;  dazwischen  bewegen  sich  die  Götter,  soweit  sie  zu 
Kunst  und  InduvStrie  in  irgendwelcher  Beziehung  stehen,  die  personifizierten 
Jahreszeiten,  Türken,  die  mit  ihrer  Nationalmusik  vom  Markte  zurückkehren. 
Ausländer,  die  auf  der  Dult  Kostbarkeiten  erhandelt  haben,  und  mancherlei 
andere  ungewöhnliche  Erscheinungen. 

Den  Abschlufs  der  Hauptabteilung  bildet  ein  »Bilder-Krammer«,  der  des 
»Fortunati  Wünsch-Hüetlein  mit  Gold  und  Silberschnitt  .. .  in  die  mifsverguügte 
Welt«  trägt. 

In  der  Nachhut,  »Gmisch,  Gmasch,  oder  ordentliche  Confusion«  genannt, 
befindet  sich  ein  buntes  Nebeneinander  aller  möglichen  Berufsarten  als  Karten- 
raacher,  Schneider,  Pfannflicker,  Lederer,  Saitenmacher,  Sattler,  Weber  u.  s.  w., 
die  von  Marktschreiern  mit  Raritäten  und  allerlei  Tand  begleitet  werden.  Müfsig- 
gaug,  Faulheit  und  ein  Schlitten  mit  »allerhand  ligenden  und  fahrenden  btrafs- 
Gütlein  als  Contraband- Wahren,  die  denen  guten  Künsten  nit  anständig  in 
Narragonien«  machen  den  Schlufs  des  Aufzuges. 

Man  wird  nicht  umhin  können,  den  Münchener  Veranstaltungen  dieser 
Art  mehr  Humor,  den  Landshuter  mehr  Originalität  zuzugestehen,  aber  die 
Augsburger  Art  und  Weise  wird  wol  dem  modernen  Geschmacke  am  meisten 
Rechnung  tragen.  Sie  bildet  gewissermafsen  den  Übergang  zu  den  modernen 
Festzügen,  die  sich  in  historischen  Reminiscenzen  und  in  der  Betonung  des 
gewerblichen  Lebens  gefallen,  aber  mehr  und  mehr  aus  dem  engeren  Rahmen 
studentischer  Vergnügungen  herausgetreten  sind. 

Nürnberg.  Th.  Volbehr. 


-     2-i 


Die  Helme  aus  der  Zeit  vom  VI,  bis  zum  Begiuue  des  10.  Jahrhunderts 

im  germanischen  jVIuseum. 

or  Jahren  schon  hat  der  Verfasser  dieses  Aufsatzes  im  »Anzeiger  für  Kunde 
der  deutschen  Vorzeit«  Beiträge  aus  dem  germanischen  Museum  zur  Ge- 
schichte des  Waffen  Wesens  aus  dem  Mittelalter,  aber  auch  einzelne  Waffen 
aus  späterer  Zeit  veröff'entlicht,  sowie  einzelne,  kleine,  hieher  gehörige  Aufsätze 
auch  in  diesen  »Mitteilungen«.  Es  war  dabei  weniger  darauf  abgesehen,  neue  Ge- 
sichtspunkte zu  eröff'nen,  noch  Material  zum  ersten  male  zu  geben,  welches  so 
wichtig  wäre,  dafs  es  dasjenige  in  den  Hintergrund  zuschieben  vermöchte,  welches, 
anderen  Sammlungen  entnommen,  seither  bei  Betrachtung  der  Watfengeschichte 
zunächst  Berücksichtigung  gefunden  hätte,  denn  als  ganz  neu  entstehende  Samm- 
lung hatte  man  bis  dahin  die  des  germanischen  Museums  gar  nicht  zu  berücksich- 
tigen gehabt.  Es  lag  mehr  daran,  zu  zeigen,  dafs  das  Museum  durch  die  Un- 
ermüdlichkeit, mit  welcher  es  sein  Ziel  verfolgte,  nach  und  nach  Einiges 
erworben  hatte,  das  der  Beachtung  wert  war,  dafs  es  aber  nicht  blofs  in  seinen 
Waffenbeständen,  sondern  auch  in  Miniaturen  und  Handzeichnungen,  in  Original- 
skulpturen und  Abgüssen  Material  gesammelt  habe,  so  dafs  es  immerhin  damals 
bereits  nicht  unwichtige  Beiträge  für  das  Studium  Jenen  bieten  konnte,  welche  um 
eines  solchen  willen  die  Waffensammlung  und  die  sonstigen  Museumssammlungen 
betrachteten.  Wenn  auch  kaum  eine  Abteilung  schwieriger  zu  bilden  und  zu 
vervollständigen  war  und  noch  ist,  als  die  Waffensammlung,  wenn  die  hohen 
Preise  uns  nötigten,  auf  so  manches  zu  verzichten,  welches  wir  zu  erwerben 
Gelegenheit  gehabt  hätten,  so  war  ja  doch  dem  festen  Willen  manches  erreich- 
bar geworden,  und  was  damals  veröffentlicht  wurde,  war  weitaus  nicht  alles, 
was  unser  Museum  bieten  konnte.  Es  ist  daher  mehr  dem  Umslande  zuzu- 
schreiben, dafs  die  vom  Museum  herausgegebenen  Zeitschriften  auch  anderen 
Zweigen  der  Kulturgeschichte  Rechnung  zu  tragen  hatten,  um  unsere  vielen 
Freunde  zu  befriedigen,  von  welchen  ja  mancher  anderen  Zweigen  mehr  Interesse 
entgegenbringt,  als  gerade  der  Waffensammlung,  dafs  jene  Aufsätze  abge- 
brochen wurden.  Nachdem  nun  aber  bereits  eine  längere  Pause  eingetreten 
war,  als  die  Sulkowskische  Sammlung  erworben  werden  konnte,  und  zugleich 
andere  Bereicherungen  erfolgten,  so  fafste  der  Verfasser  sofort  den  Gedanken, 
jene  Aufsätze  wieder  aufzunehmen,  um  wieder  eine  Anzahl  merkwürdiger 
Watfenstücke  den  P'reunden  der  Anstalt  vorzuführen,  welche  ja  doch  mit  grofsem 
Interesse  diese  Erwerbung  begrüfst  und  sofort  beträclilliilie  Gaben  der  Anstalt 
zugewendet  haben  und  noch  zuwenden,  um  ilii-  Jene  P^rwerbungen  zu  erleichtern. 
Leider  ist  dieSanjmlungam'li  durch  diese  Erwerbungen  noch  nicht  so  syste- 
matisch abgerundet,  dafs  ein  etwa  jetzt  schon  in  Druc.'k  gegebener  Katalog  der- 
selben ein  Bild  des  Watfenwescns  in  seiner  gesamten  Entwickelung  geben  könnte. 
Es  mufste  also  die  Bearbeitung  eines  druckfähigen  Jvataloges  noch  immer  ver- 
schoben werden;  doch  ist  das  Material  schon  so  reich,  dafs  es  sich  Idhiü,  die 
Aufsätze  nicht  mehr  in  solch  bunter  Reihe  sich  folgen  zu  lassen,  als  damals,  son- 

Alitteiluu^eu  aus  dem  geriiiau.  Nationaliiiuseum.     1892.  l\ . 


—     2()    — 

dern  systematisch,  als  Vorarbeit  zu  dein  Katalog-e,  das  gleichartige  zusauinien- 
zufassen.  Es  sollten  also  die  sämtlichen  Stücke  der  einzelnen  Waffengattungen 
zu  (iruppen  vereinigt  betrachtet  werden,  wobei  sich  natürlich  nicht  vermeiden 
läl'st,  auf  Einzelnes  zurückzukommen,  welches  in  den  früheren  Aufsätzen  be- 
trachtet ist.  Es  war  beabsichtigt,  z.B.  die  ganze  Reihe  der  Gesamtrüstungen 
im  Zusammenhange  zu  betrachten,  ebenso  die  Helme,  die  Schilde,  die  Schwerter, 
die  Speere  und  sonstigen  Stangenwaffen ,  den  Pferdezeug,  den  Turnierzeug, 
Bogen  und  Armbrust,  Geschütze  und  Handfeuerwaffen  u.  s.w.  Der  Verfasser  be- 
gann das  Material  für  eine  Reihe  solcher  Aufsätze  zu  studieren  und  zu  bearbeiten. 
Längst  sollten  die  Arbeiten  veröffentlicht  sein,  gewisserraafsen  als  Seitenstück 
zu  Viollet-le-Duc's  Arbeit  in  seinem  Dictionnaire  du  mobilier  franc^ais;  allein 
Krankheit  hinderte  deren  Fertigstellung,  obwol  teilweise  nur  wenig  mehr  daran 
zu  thun  ist.  Hier  erscheint  nun  der  erste  Aufsatz.  Ev  würde  wol  nicht  der 
erste  geworden  sein,  wenn  nicht  die  Studien  dazu  am  weitesten  gediehen  wären. 
Ein  zweiter,  die  Helme  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  umfassend,  wird  hoffentlich 
in  nicht  zu  langer  Zeit  folgen  dürfen,  falls  nur  der  Gesundheitszustand  des  Ver- 
fassers es  möglich  macht,  auch  diese  Arbeit  zum  Abschlüsse  zu  bringen. 
Gelingt  dies  nicht,  gelingt  es  nicht,  weiter  zu  kommen,  so  möge  ein  noch  mehr 
Berufener  die  Sache  in  die  Hand  nehmen.  Das  Material  ist  interessant  genug, 
um  auch  den  besten  Bearbeiter  anzulocken  und  die  Dankbarkeit  vieler  Leser 
wird  ihm  sicher  sein. 


Die  ältesten  Helme. 

Wenn  wir  das  Wort  »Helm«  nicht  als  Bezeichnung  für  eine  oder  mehrere 
bestimmte  Formen,  sondern  als  Sammelnamen  für  alle  eisernen,  bezw.  stählernen 
Kopfbedeckungen  auffassen,  welche  den  Schutz  des  Trägers  gegen  Angriff 
mittelst  Waffen  bezwecken,  so  tritt  uns  in  der  Waffensammlung  des  Museums 
eine  stattliche  Reihe  von  Stücken,  teils  einzelner,  teils  zu  ganzen  Rüstungen 
gehöriger,  entgegen,  welche  dem  Mittelalter  entstammen,  als  dessen  Abschlufs 
wir  noch,  mindestens  auf  diesem  Gebiete,  die  Zeit  des  letzten  Ritters,  Maximilians  L, 
anzusehen  haben. 

Die  Zeit  bis  zum  12.  Jahrhunderte  ist,  wie  der  Kundige  weifs,  schwer 
zu  vertreten,  weil  der  metallene  Helm  überhaupt  von  der  Völkerwanderung 
bis  zum  11.  Jahrhunderte  nicht  jene  Rolle  spielte,  wie  später,  und  weil,  da 
olfenbar  nur  wenige  solcher  Helme  überhaupt  getragen  worden  sind,  sich 
nur  eine  ganz  verschwindend  kleine  Anzahl  überhaupt  erhalten  hat.  So 
grofs  die  Zahl  der  Gräber  ist,  welche  man  in  den  letzten  Jahrzehnten  geöffnet 
hat,  in  denen  germanische  Krieger  vom  4.  bis  9.  Jahrhunderte  beigesetzt  worden 
sind  und  in  welche  man  ihnen  die  im  Leben  geführten  Angriffs-  wie  Verteidi- 
gungswaffen mitgab,  so  reich  die  Ausbeute  dieser  GräberötTnungen  an  Waffen 
und  Waffenresten  war,  so  vollständig  wir  demgemäfs  das  Waffenwesen  jener 
Zeit  studieren  können :  der  Helm  ist  uns  daraus  nicht  bekannt  geworden,  weil 
die  Gräber  keine  Helme  enthielten.  Was  uns  die  Miniaturen,  die  wir  vom 
9.  Jahrhunderte  ab  zu  Rate  ziehen  können,  bieten,  sind   nur  die   allgemeinen 


—    21    — 

Formen;  sie  reg-en  aber  so  manche  Zweifel  über  Material  und  Konstruktion  au, 
und  wir  werden  eben  doch  noch  Funde  erwarten  müssen,  bis  wir  berechtigt  sind, 
aus  den  Miniaturen  allein  mehr  als  Andeutungen  entnehmen  zu  wollen.  Soviel 
geht  freilich  aus  denselben  hervor,  dafs  der  Kampf  mit  blofsem,  unbedecktem 
Haupte,  wie  er  ja  auch  aus  manchen  Darstellungen  sich  erkennen  läfst  und  wie 
er  ursprünglich  allgemein  war,  für  die  spätere  Zeit  nicht  mehr  als  Regel  gelten 
kann.  Es  müssen  also  wol  die  Helme  aus  anderem,  vergänglicherem  Stoflfe 
gefertigt  worden  sein.  Von  jenen  wenigen  Stücken ,  die  man  der  in  Rede 
stehenden  Zeitperiode  zuschreiben  zu  können  glaubt,  hat  das  Museum 
nichts.  Aber  auch  andere  Museen  sind  nicht  besser  daran.  Ob  wir  jene  Helme, 
die  zu  Falaise  gefunden  sind,  über  welche  Gh.  d.  Linas  gehandelt i),  und  dia  er 
nordischen  Seeräuberfürsten  zugeschrieben  hat,  als  solche  jener  Zeit  be- 
trachten dürfen ,  müssen  wir  dahin  gestellt  sein  lassen.  Wir  würden  in  den- 
selben eher  Arbeiten  der  klassischen  Zeit  sehen,  wie  sie  die  römische  Provinzial- 
kunst  hervorgebracht,  oder  vielleicht  Barbaren  unter  dem  Einflüsse  der 
klassischen  Kunst  gefertigt  haben,  als  so  späte  germanische  Arbeiten.  Mit  den 
strengen,  ernsten  Formen  der  aus  den  Gräbern  zu  Tage  gekommenen  Waffen 
harmonieren  sie  so  wenig,  als  mit  dem,  was  uns  die  Miniaturen  zeigen. 

Wir  wissen  aus  den  Schriftquellen  der  frühen  Zeit  von  »Eberhelmen«. 
Aber  wie  sie  aussahen"?  Im  Museum  zu  Kopenhagen  finden  sich  zwei  Bronze- 
täfelchen, deren  jedes  zwei  Figuren  enthält,  und  die  wol  als  Grürtelschmuck 
angesehen  werden  können 2).  Aber  aus  welcher  Zeit  stammen  sie?  Die  eine 
Figur  trägt  als  Larvenhelm  ein  Eberhaupt,  welches  wie  ihr  eigenes  erscheint; 
zwei  andere  tragen  einen  formlosen  Helm,  der  oben  durch  eine  Eberfigur  über- 
deckt ist.  Irgendwelche  weitere  Anhaltspunkte  für  diese  Form  der  »Eber- 
helme« finden  sich  in  keiner  bildlichen  Darstellung  und  wir  müssen  als  die 
älteste  mittelalterliche  Helmform  jene  ansehen,  die  in  karolingischen  Miniaturen 
vorkommt  3).  Wir  möchten  nicht  annehmen,  dafs  sie  aus  Eisen  sind,  denken 
vielmehr  eher  an  Leder,  vielleicht  mit  Filz  gefüttert  und  mit  Hörn  überzogen. 
Den  Kamm  können  wir  etwa  aus  Kupferblech  getrieben  ansehen.  Hüte  dagegen 
haben  sich  gefunden,  welcher  dieser  Zeit  angehören  und  es  wird  unten  davon 
die  Rede  sein.    Anders  sind  zwei  Helme,  welche  in  England  gefunden  wurden 


1)  Revur  archeologiciuc.  Nouvelle  Serie,  V,  p.  225  u.  Taf.  V.  Zitat  von  Viollet-le-Duc 
in  seinem  Diclionnaire  raisonn6  du  mobilicr  frangais  de  l'cpoque  Carlovingienne  ä  la 
Renaissance  t.  VT,  p.  97,  der  sie  abbildet  und  j;;oncigt  ist,  Linas  zu  f()lg:on. 

2j  Montelius,  Fübrer  durch  das  Museum  vatoriändischer  AlU'rliimer  in  Stockliolm. 
Übersetzt  von  J.  Mestorf.     Hamburg  1876,  S.  91. 

3j  Essenwein,  kullurliistorischcr  Bilderatlas  II,  Taf.  XVII.  AVcnn  wir  im  Verlaufe  des 
Aufsatzes  so  oft  als  tliuiilicli  dioson  Band  zitieren,  so  verweisen  wir  auf  das,  was  wir  in 
demselben  über  seinen  Wt^rt  selbst  gesagt  haben.  Da  es  sich  hier  jedoch  nicht  um  beson- 
dere historische  Forschungen  handelt,  so  werden  uns  die  Leser  dankbar  sein,  wenn  wir 
sie  iiiclit  nötigen,  zu  viele  ()riginai(iiiellcti  seihst  diinli/.iiselien  .  und  so  viel  als  nuii^Hicli 
dieselben  schon  vereinigt  ihnen  darhieten.  —  Es  soll,  wie  die  Westdeutsche  Zeitschr.  f.  Gesch. 
u.  Kst.  .Ihrg.  X,  Heft  4,  S.  IV.)0  meldet,  in  allerjün;i:ster  Zeit  ein  kandingiscber  Helm  gefun- 
den worden  und  in  das  l'aulusmuseum  zu  Worms  gekommen  sein;  wir  dürfen  liotTentlich 
auf  baldige  VerölVentlichung  eines  solch  wichtigen  Stückes  rechnen. 


—     2H     — 

miil  doli  iiiiCbewalii'l.  werden'*).  Es  sind  aus  vier  ira  Scheitel  sich  treffenden 
Büg-ehi  ji-ebildete,  g-lockenförmig-e  Gerüste,  die  sich  auf  einer  Stirnspange  er- 
heben. Aul"  der  Spitze  des  einen  ist  ein  Eberbiid.  Diese  Glocke  ist  nur  das 
Gestelle  l(ir  einen  Helm  aus  Leder,  Hörn,  Filz  oder  dgl.  Erst  mit  diesen  be- 
finden wir  uns  auf  ^Teilbarem  Boden.  An  sie  schliefst  sieh  der  ähnlich  g-elbrmte 
»Helm  Heinrichs  des  Löwen«  an,  welchen  Lindenschmit  mit  Recht  dem  10.  Jahr- 
hunderte zuschreibt •'^)  und  der  aus  sechs  Spang-en  von  Bronze  seine  Kuppel 
bildet,  die  mit  Eisenplatten  ausgefüllt  ist.  Dafs  einige  Helme,  welche  sich  in 
Kircheuschätzen  erhalten  haben   und  als  Reliquien   von  Heiligen   (so  ein  Helm 


Fig.  1. 


in  Prag  als  jener  des  heilig-en  VVenzeslaus)  angesehen  werden,  in  der  That 
noch  dem  9.  bis  11.  Jahrhunderte  angehören,  ist  ebenso  sicher  als  die  That- 
sache,  dafs  sie,  unter  festem  Verschlusse  gehalten,  dem  Studium  wenig  zu- 
gänglich sind,  wie  der  Prager  Helm,  den  Bock  in  seinem  Werke  über  die 
Reichskleinodien  zu  publizieren  in  der  Lage  war;  leider  nur  von  einer  Seite. 
Es  scheint  eine  aus  zwei  Teilen  getriebene  Glocke  zu  sein.  Ein  Stirureifen  ist 
noch  daran;  ebenso  ein  Nasenschutz ^). 

Die  Darstellungen  des  11.  Jahrhunderts,    insbesondere  jene  des  Teppich- 
werkes von  Bayeux''),   zeigen  geradezu  konische  Helme  mit  Naseneisen,  unten 


4)  Lindenschmit.  Handbucli  der  deutsclien  Altertumslcunde  S.  256  u.  257. 

5)  das.  S.  258. 

6)  vgl.  Essenwein,  kulturhistorischer  Bilderatlas  It,  Tat.  XIX. 

7)  das.  Tat.  XXV. 


—    29    — 

111  iL  einem  meist  umg'eschlag'euen,  senJirecbten  Randfriese  und  vier  im  Scheitel 
sich  treffenden  Büg-eln,  wie  solche  der  angebliche  Helm  Heinrichs  des  Löwen 
hat.  Nach  einer  Miniatur  des  11.  Jahrhunderts  aus  der  im  germanischen 
Museum  befindlichen  Merkeischen  Sammlung'^)  geben  wir  hier  in  Fig.  1  einen 
mit  solchem  Helme  versehenen  Krieger  wieder,  der  auffallend  jenen  von  Bayeux 
ähnelt. 

Das  Museum  darf  es  schon  als  besonderen  Vorzug  ansehen,  dafs  es  ein 
Stück  besitzt,  welches  aus  dem  12.  Jahrhunderte  stammt  und  die  chronologische 
Reihe  eröffnet.  Es  ist  der  in  Fig.  2  u.  ,S  abgebildete  Helm ,  der  aus  Einem 
Stücke  besteht.  Derselbe  hat  eine  Höhe  von  22  cm.  und  ein  Gewicht  von  1,91  kgr. 
Er   ist  aus  Eisen   geschmiedet.     Wir   haben    die  Vorder-  und  die  Seitenansicht 


Fiff.  2. 


Fig.  3. 


desselben  gegeben  und  zwai-  gieicii  allen  folgenden  in  Vs  der  wirklichen  Gröfse. 
Von  der  Seite  gesehen  hat  er  eine  ovale  Form,  wie  solche  einige  Helme  im 
Hortus  deliciarum  der  Herrad  von  Landsberg  zeigen^);  von  vorn  dagegen  ist 
er  beinahe  als  konisch  zu  bezeichnen  und  erinnert  noch  an  den  Helm  des 
heiligen  Wenzeslaus.  Er  ist  stark  mitgenommen  und  in  alter  Zeit  gellickt. 
wobei  er  von  seiner  ursprünglichen  Höbe  etwas  eingebülst  hat.  Man  sieht 
daraus,  dafs  er  zur  Zeit  seines  Gebrauches  von  seinem  Besitzer  geschätzt 
und  daher,  als  er  im  Kampf  durch  einen  Schwerlhieb  eine  Beschädigung  er- 
halten halte,  (iurcli  welche  wol  der  lliei)  so  geschwächt  wurde,  dafs  er  nicht 
mehr  in  das  Haupt  des  Trägers  eindringen  konnte.  Non  demselben  nicht  bei 
Seite  geworfen,  sondern  ausgebessert  und  ferner  benützl  wurde.  Ohnehin  halte 
die  grofse  Höhe,  die  weil  über  den  Scheitel  emporstieg,  den  Zweck  sicheren 
Schutzes.     Er   hatte    auf   seiiuM-  llrdie    (tlTenhar   (mikmi    leichten  Grat  :    die    Form 


8)  Anzcijgor  f.  Kiimlc  d.  d.  Vor/.cil    IH^iJ,  Sp.    I. 

9)  Knjjelhariii ,    lIciTiid   von   Luiid.sjjcriK  ...  und   iiir   Werk:    lldiliis  dclicinniiii 
garl  1818,  Taf.  III.  VI. 


Stillt- 


-     30     — 

iiiicli  (Irii  Seiten  ist  so  g-ewähll,  dtifs  ilas  Schwert  des  (jegners  abgleiten  sollte; 
tluichliirl)  (hisselljc  aber  in  Folge  der  Wucht  des  Schlages  den  Scheitel  des 
Helms,  so  niulste  es  abwiirts  gehend  noch  ein  Stück  dti'  Vorder-  und  Rückseite 
des  Helmes  durchschneiden,  bevor  es  den  Kopf  traf,  der  sodann  noch  mit  einer 
Polsterung  gedeckt  war,  so  dafs  es  in  der  That  eines  tüchtigen  Schwaben- 
streiches bedurfte,  um  den  Helm  samt  dem  Schädel  zu  spalten.  Die  Reste  einer 
Reihe  von  Nieten  belinden  sich  über  der  Stirne.  Sie  mögen  dazu  gedient  haben, 
die  Polsterung  zu  befestigen.  Der  untere  Rand  ist  etwas  unregelmäfsig;  man 
könnte  also  annehmen,  dafs  er  nicht  mehr  ursprünglich,  sondern  nachgehauen 
ist,    wobei    auch   der   ursprünglich  vorhandene  Nasenschutz   verloren   ging^") 

Es  darf  kaum  angenommen  werden,  dafs  der  untere  Rand  eine  Reihe  von 
Löchern  neben  einander  hatte,  in  welche,  wie  bei  den  Beckenhauben,  von 
welchen  sofort  die  Rede  sein  wird,  das  Ringgellechte  der  Brünne  eingewoben 
wurde;  dal's  ein  Nasenschutz  vorhanden  war  und  derselbe  nicht  flach,  sondern 
annähernd  nach  der  Form  der  Nase  gebildet  war,  zeigt  der  Rest  des  kleinen 
Hügels  über  der  Nasenwurzel.  Von  Interesse  ist  eine  Unebenheit  auf  der  Seite, 
ein  klein  wenig  hinter  der  Mitte,  aus  welcher  hervorzugehen  scheint,  dafs  eine 
Art  von  Sturmband,  wol  zur  Befestigung  des  auf  dem  Kopfe  balanzierenden 
Helmes,  vorhanden  war,  dessen  Ansatz  jene  Spuren  hervorgerufen  und  zurück- 
gelassen hat.  Wenn  solches  zur  Verwendung  gekommen  ist,  können  wir  nicht 
annehmen,  dafs  das  Ketteugeflechte  am  Helm  befestigt  war. 

Verwandt  mit  diesem  Helme  ist  ein  ähnlicher  im  Musee  d'artillerie  zu  Paris, 
der,  aus  Kupfer  hergestellt,  vielleicht  ein  wenig  höher  war,  im  oberen  Luftteile 
über  dem  Kopfe  aber  einige  Löcher  hat,  die  wir  nicht  als  ursprünglich  ansehen 
können,  denn  sie  mülsten  ja  der  Lanzenspitze  des  Gegners  Gelegenheit  gegeben 
haben,  den  Helm  zu  fassen,  mit  Hebelkraft  den  darunter  befindlichen  Träger 
aus  dem  Gleichgewichte  zu  bringen  und  vom  Pferde  zu  werfen.  Dafs  solches 
mitunter  versucht  worden  sein  mag,  zeigt  ein  gleichfalls  geflicktes  Loch  unter 
der  Spitze  unseres  Helmes,  welches  in  dieser  Form  nur  durch  einen  Speerstofs 
entstanden  sein  kann,  aber  ebenfalls  zu  hoch  ist,  als  dafs  er  noch  den  Kopf 
selbst  hätte  treffen  können.  Auch  beim  Pariser  Helme  dürfte  der  untere  Rand 
nachgearbeitet  und  gekürzt  seinC?),  wobei  wol  der  Nasenschutz  ganz  weg- 
gefallen ist").  Von  Nieten  oder  Löchern  zur  Befestigung  eines  Polsterfutters 
ist  nichts  zu  sehen.  Die  Helme  sowol  des  Teppiches  von  Bayeux,  als  bei 
Herrad,  zeigen,  dafs  sie  über  die  Haube  der  Brünne  gesetzt  sind. 

IL 

Die  Becken  ha  üben. 

Eine  sehr  interessante  Erscheinung  zeigt  sich  im  13.  Jahrhunderte  in 
dem  gleichzeitigen  Aufkommen  des  Topfhelmes  und  der  Beckenhaube,  die  über- 

10)  Wir  haijcii  in  den  Figuren  2  u.  3  diesen  angedeutet,  docti  bemerken  wir  ausdrück- 
lich, dafs  wir  keineswegs  damit  auch  die  ursprüngliche  Form  andeuten  wollten,  für  welche 
gar  keine  Anhaltspunkte  vorliegen,  vielmetir  diese  einfache  formlose  Darstellung  gerade 
deshalb  gewäiilt  haben,  um  nicht  über  eine  Andeutung  hinauszugehen.  Der  Helm  ging  aus 
einer  Wiener  Sammlung  in  die  unserige  über. 

llj  Viollel-le-Uuc  a.  a.  0.  Bd.  VI,  S.  103,  Fig.  11. 


—    31     — 

einauder  getrag-en  wurden,  so  dafs  die  Beekenliaube  aus  leichterem  Bleche  auf 
dem  Kopfe  lag,  der  Topfhelm  aus  sehr  schwerem  darüber  gestülpt  wurde. 

Miniaturen  und  Skulpturen  des  13.  Jahrhunderts  zeigen  uns  an  der  Brünne 
eine  Haube  aus  Kettengeflecht,  welche  den  ganzen  Kopf  deckt,  augewoben,  über 
welche  jedoch  die  offenbar  ritterlichen  Träger  derselben  einen  Helm  nicht  gestülpt 
haben^^),  die  aber  wol  mitunter  schwere  Falten  auf  dem  Kopfe  bildete.  Wir 
brauchen  deshalb  jedoch  nicht  anzunehmen,  dafs  sie  ohne  Helm  in  den  Kampf 
gingen.  Vielmehr  können  wir  denken,  dafs  er  erst  im  Augenblicke  des  Kampfes 
über  den  mit  Kettengeflecht  bewehrten  Kopf  gestülpt  wurde,  und  so  mag  es  im 
12.  Jahrhunderte  auch  schon  der  Fall  gewesen  sein.  Das  Aufkommen  des 
weiten  Töpfhelmes  mag  damit  zusammenhängen,  dafs  eben  dieser  über  die  aus 
Kettengeflecht  bestehende,  mit  der  Halsberge  ein  Ganzes  bildende  Haube  bequem 
im  letzten  Augenblicke  gestülpt  und  deshalb  gerne  gerade  so  getragen  wurde. 


Fig.- 4. 


Eine  ähnliche  Haube  aus  Kettengeflecht  ist  auch  mil  der  Hrüiine  des 
Kriegers  verbunden,  welcher  auf  einer  Alinialur  iles  gennanischcn  Museums 
(Miniaturensammlung  Nr.  11)  dargestellt  ist,  ohne  über  derseliteii  einen  Ht'lm 
zu  haben  [Fig  4]  ^^).  Unter  diesem  Kettengeflechte  wurde  noch  eine  weiche 
Polsterhaube  getragen.  Villard  von  Honnecourt  gibt  uns  in  seinem  Skizzen- 
buche die  Zeichnung  eines  zu  Pferde  steigenden  Hüters '^).  Derselbe  hat  die  an 
der  Brünne  befestigte   Ketteiihaid)e  rückwärts  faltig  über  die  Schultern  lierab- 

12)  Viollet-le-Diic  a.  a.  0.  Bd.  VI,  S.  88,  Fig.  ß,  nach  Skuipliiivii  uns  Rlioims. 

13)  vgl.  Anzeiger  f.  K.  d.  .1.  V.   ISSO,  Sp.  237  u.  238. 

I4j  Kssenwein,   kiilliirhistdriscliei-  Milderallas   II.   Md..  Tal'.   XX.Wli.   \'\<i.  0. 


-    :M    - 

hängen  und  nur  ein«  Polsterhaubo  iiul'  den  Kopf  gebunden.  So  steigt  er  zu 
Pferde.  Erst  wenn  er  oben  ist,  zieht  er  die  Haube  über  die  Polsterung  des 
Hauptes  und  schützt  so  dasselbe. 

Mun  aber  sehen  wir  auf  einmal  im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  den 
Scheitel  dieser  Kaputze  ausgeschnitten  und  eine  Hache,  aus  glattem  Bleche  her- 
gestellte Haube  in  denselben  eingesetzt  und  darüber  dann  den  Topfhelm 
gestülpt.  Diese  Haube  wird  als  Beckenhaube  bezeichnet.  Der  in  Fig.  o  dar- 
gestellte Kampf  (Elfenbeinschnitzerei  im  germanischen  Museum  i^),  zeigt  den 
Ritter  nur  mit  dieser  Beckenhaube  geschützt. 

Die  Beckenhaube  mag  ganz  einfach  daraus  entstanden  sein,  dafs  man  es 
bequemer  zum  Tragen  und  billiger  in  der  Herstellung  fand,  den  Scheitel  mit 
flachem,  schon  nach  der  Form  des  Kopfes  gebildeten  Stahlbleche  zu  decken  und  da- 
ran erst  das  Kettengetlecht  zu  knüpfen,  als  durch  dessen  etwaige  Falten  den  Schädel 
drücken  zu  lassen.  Anfangs  hatte  diese  Beckenhaube,  welche  uns  die  Ritter  bei 
abgelegtem  Topfhelme  zeigen,  genau  die  Kopfform;  nicht  sie  sollte  vorzugsweise 
den  Schädel  schützen,   sondern  der  Topfhelm.     Sie  bedurfte  daher  auch  keiner 


Fig.  6. 

besonderen  Stärke,  noch  Höhe.  Miniaturen  zeigen  ein  einfaches,  der  Schädelform 
anpassend  getriebenes  Blech,  an  dessen  Rand  in  Löchern  die  ersten  Ringe  des 
Halsbergegefiechtes  befestigt  sind.  Da  aber  der  Topfhelm  sich  hoch  erhob,  so 
konnte  auch  die  darunter  liegende  Beckenhaube  höher  werden,  wie  wir  sofort 
an  mehreren  Beispielen  sehen  werden.  Fig.  6  gibt  die  Nachbildung  einer  solchen 
Haube  aus  der  AVaffensammlung  des  Museums.  Sie  ist  schwach  im  Eisen  und 
hat  demnach  ein  geringes  Gewicht.  War  doch  der  darüber  gestülpte  Topfhelm 
schwer  genug!  Unser  Exemplar  wiegt  immerhin  noch  0,70  kgr.  Wir  haben 
dasselbe  s.  Z.  von  Herrn  Pickert  in  Nürnberg  erworben.  Es  ist  daher  wahr- 
scheinlich, dafs  es  aus  dem  Dresdener  Zeughause  kommt. 

AVir  liegegnen  hier  in  Fig.  6  zum  ersten  male  und  werden  noch  öfter 
Reihen  von  Löchsrn  begegnen,  welche  an  den  Rändern  eingeschlagen  sind. 
Wozu  dienten  diese  ursprünglich?  Auf  alten  Abbildungen  tiuden  wir  sie 
nirgends.  Wir  können  also  nur  annehmen,  dafs  sie  dazu  dienten,  das  Ring- 
gewebe der  Brünne  hier  anzuflechten,  so  dafs,  wie  heute  noch  bei  den  Tscher- 
kessen,  ein  Stück  Blech  die  Deckung  des  Hirnes  bildet  und,  davon  ausgehend, 
eine   Halsdecke   und  darunter   ein    Hemd    mit   Ärmeln   aus   Ringen    geflochten 

15)  vgl.  Anzeiger  f.   K.  d.  .1.  V.  1886,  Sp.  L 


-     33     - 

wurde,  eiue  ähnliche  Brüime  entstand,  deren  obersten  Teil  die  Becken- 
haube bildete.  Wir  haben  alsdann  auch  auf  den  Abbildung-en  eine  Be- 
festig-ung-  der  Ring-e  an  der  Haube  nicht  zu  suchen,  weil  ja  Ringe  die 
Löcher  ausfüllen.  Zwar  ist  bei  der  Beckenhaube  Fig.  6  das  Getlecht  nicht  mehr 
vorhanden,  und  ebenso  ist  es  bei  anderen  Beckenhauben,  die  ja  ohnehin  so 
selten  sind,  nicht  mehr  da.  Man  könnte  also,  um  so  mehr,  als  noch  zwei  andere 
Arten  der  Befestig-ung  des  Ring-getlechtes  auftreten,  die  wir  in  Fig.  11  und 
Fig.  14  sehen  werden,  annehmen,  dafs  in  diesen  Löchern  das  Polsterfutter 
eingenäht  worden  sei.  Allein  abgesehen  davon,  dafs  dieses  Futter,  je  nach 
der  Person,  welche  den  Helm  trug,  fester  und  dicker,  oder  elastischer  werden 
mufste,  dafs  man  also  jedesmal  ein  anderes  Polster  brauchte,  so  war  es  auch 
bequemer,  das  Polster  auf  dem  Kopfe  selbst  aufzubinden,  als  im  Helme  fest 
zu  haben.  War  das  Polster  unabhängig  vom  Helme  selbst,  so  kamen  auch  die 
auf  den  Helm  fallenden  Hiebe  nicht  so  direkt  auf  den  Kopf,  wie  beim  festen 
Polster.  Nun  haben  wir  aber  auch  den  direkten  Beweis,  dafs  das  Futter  nicht 
mit  der  Kettengeflechthaube,  also  natürlich  später  auch  nicht  mit  der  Becken- 
haube verbunden  war,  in  dem  aufsitzenden  Reiter  des  Villard  von  Honnecourt. 

Es  ist  zwar  an  unil  für  sich  gar  nicht  wahrscheinlich,  dafs  wir,  wenn  wir 
die  Helme  des  Mittelalters  in  ihren  verschiedenen  Formen  betrachten  und  sehen, 
wie  sich  eine  genetische  Entwickelung  von  Form  zu  Form,  Konstruktion  zu 
Konstruktion  ergibt,  auch  das  Recht  haben,  zu  behaupten,  es  müsse  diese  genetische 
Reihenfolge  absolut  mit  der  chronologischen  stimmen,  es  müsse  also  in  der 
That  aus  jeder  weniger  entwickelten  Grestaltung  die  nächst  folgende,  mehr  ent- 
wickelte, sich  gebildet  haben.  Es  kommen  dabei  doch  die  Individualitäten  sowol 
der  WafTenschmiede,  als  der  Träger  der  Helme,  zu  sehr  in  Betracht  und  man- 
cher Helm  von  scheinbar  älterer,  weil  weniger  entwickelter  Form  mag  erst 
später  entstanden  sein,  als  ein  jünger  scheinender;  allein  annähernd  im  grofsen 
Ganzen  betrachtet,  läfst  sich  doch  wol  nicht  leugnen,  dafs  die  Eriahrung  zu 
einer  fortwährenden  Weiterbildung  geführt  hat,  die  sich  auch  zeitlich  an  der 
genetischen  Formenfolge  erkennen  läfst.  Wir  glauben  deshalb  wol  davon  sprechen 
zu  dürfen,  wie  eine  Helmart  sich  in  eine  andere  umgestaltete;  nur  müssen  wir 
auch  gelten  lassen,  dafs  Helme  der  älteren  Form  noch  lange  neben  der  neuen 
hergingen,  dafs  andere  Waffenschmiede  nur  Einzelnes  annahmen  und  solchergestalt 
Zwischenstufen  bildeten.  Es  läge  nun  nahe,  anzunehmen,  dafs  durch  Minderur.g 
der  Höhe  der  Helmglocke  die  Beckenhaube  des  13.  Jahrhunderts  aus  der  Form 
unserer  Helmes  Fig.  2  entstanden  sei.  Wenn  indessen  unser  Helm  über  die  Hals- 
i)erge  mit  ihrer  Haube  oder  Kai»ulze  gestülpt  und  durch  besondere  .Sturmbäiider 
am  Kinn  befestigt  wurde,  so  liegt  es  näher,  den  ebenfalls  übergeslülpten  Toitfhelm 
von  dieser  Form  abzuleiten,  was  ja  auch  insoferne  stimmt,  als  auch  der  Topfhelm 
in  allen  seinen  Formen  ülicr  den  Kopf  aufsteigt  und  teilweise  eine  ähnliche  Spitze 
zeigt.  Die  Formen  desselben  sind  sehr  verschieden.  Altere  Slindce  sinil  freilich 
sehr  selten  und  für  manche  der  Formen  hal)en  wir  nur  aus  den  niciil  zuver- 
lässigen Bildern  Anhaltspunkte  von  zweifelhaftem   Werte. 

Der  Topfhelm  war  aber  schwerfällig  und  halle  als  KriegswatTe  beschränkte 
Verwendung.  Nur  btii  Turnieren  erscheint  uns  in  den  Zeichnungen  und.Miniaturen 
das  ungelenke  Wail'enstück  auf  dem  Kopfe  des  Mannes,  welcher  ja  beim  Turniere 
nur  ganz  bestimmte,  der  Kegel  genau    entsprechende  Stöfse    und  Hiebe  zu   er- 

Mitteiluugüii  aus  dem  germuii.  Natiuiiulinuseiiiii.     1S92.  V. 


-     34    — 

waiLcii  hatte,  denen  er  entgegensehen  konnte,  ohne  daCs  der  Helm  ihn  behin- 
derte, so  dafs  er  diesen  um  so  unbedenklicher  tragen  durfte,  als  er  ja,  wenn 
gehörig  auf  dem  Kopfe  befestigt,  Schutz  gegen  zufälliges  Ausgleiten  der  Lanze 
des  Gegners  gegen  den  Hals  hin  gewähren  konnte.  Die  Siegel,  diese  reiche, 
aber  doch  auch  nur  vorsichtig  zu  benützende  Quelle  der  Belehrung,  zeigen  uns, 
wie  im  13.  Jahrhunderte  der  Tnpfhelm  im  Kampfe  getragen,  anfangs  nicht  bis 
zur  Schulter  reichte  und  wie  von  ihm  eine  Kette  zur  Brust  des  Mannes  ging, 
an  welcher  er  hing  und,  so  hängend  getragen,  erst  im  letzten  Augenblicke  auf 
den  Kopf  gestülpt  wurde.  Nach  und  nach  wurde  der  Topfhelni  länger  und 
stand,  wol  nur  der  besseren  Befestigung  wegen,  auf  der  Schulter  auf.  War 
nun  der  Topfhelm  noch  mit  flatternder  Helmdecke  und  Zimier  (Helmschmuck) 
versehen,  so  war  er  ein  solches  Hindernis  für  den  Träger,  dafs  er  im  Kampfe 
unmöglich  getragen  werden  konnte,  ohne  den  Kämpfenden  den  schwersten  Ge- 
fahren auszusetzen.  Er  mufste  im  Kampfe  abgelegt  werden  und  so  zeigt  unseres 
Wissens  vom  Beginne  des  14.  Jahrhunderts  an  keine  deutsche  Miniatur  mehr 
im  Ernstkampfe  den  Ritter  mit  anderem,  als  etwa  einfachem,  kleinem  Topfhelme, 
meist  sogar  ohne  denselben;  VioUet-le-Duc  indessen  weifs  eine  Reihe  solcher 
bei  Kriegern  vorzuführen,  die  zum  Ernstkampf  gerüstet  sind.  Ob  alle  die 
Formen,  welche  er  gibt,  wirklich  in  Gebrauch  waren?  Deutsche  Bilderhand- 
schriften zeigen- uns  erst  mit  dem  Schlüsse  des  14.  Jahrhunderts  den  Topf  heim 
wieder  im  Kriege,  jedoch  ganz  anders  ausgebildet  und  ohne  den  heraldischen 
Schmuck.  Das  germanische  Museum  besitzt  leider  keinen  solchen  Topfhelm 
des  13.  und  14.  Jahihunderts  in  Original. 

Wie  sodann  im  Ernstkampfe  die  Beckenhauben  auch  ohne  den  schweren  , 
Topfhelm  getragen  wurden  und  demgeraäfs  die  weitere  Entwickelung  des  Helmes 
ganz  von  der  Beckenhaube  ausgeht,  wie  sie  erst  wieder  höher  wird,  um  wie 
jener  Helm  des  12.  Jahrhunderts  dem  Schwerte  besser  zu  widerstehen,  dann,  wir 
möchten  sagen,  dem  Stile  der  Zeit  entsprechend,  die  Rundung  aufgibt  und  spitz 
wird,  wie  sich  dann  ein  Visier  zum  Gesichtsschutze  damit  verbindet,  das  können 
wir  im  Museum  an  den  Miniaturen,  sowie  an  den  Gipsabgüssen  der  Grabsteine 
des  14.  Jahrhunderts  verfolgen,  die  in  langer  Reihe  im  Kreuzgange  aufgestellt 
sind;  wie  dann  die  Beckenhaube  im  Nacken  und  an  den  Seiten  tiefer  herab- 
geht, wie  das  Kettengeflechte  der  Brünne,  an  besonderen  Bügeln  aufsen  am 
Helm  befestigt,  das  Gesicht  umrahmt,  läfst  sich  ebenfalls  aus  diesen  Grabsteinen 
ersehen,  auf  denen  meist  der  Topfhelm  mit  dem  Kleinode  der  Familie  unter  dem 
mit  der  Beckenhaube  versehenen  Kopfe  liegt. 

Wie  mit  der  Entwickelung  des  engen,  ledernen,  über  dem  Kettengetlechte 
getragenen  Lendners,  mit  dessen  nach  und  nach  erfolgender  Verstärkung  durch 
Platten  die  Halsberge,  soweit  sie  mit  der  Beckenhaube  verbunden  ist,  zu  einem 
Kragen  wird,  der  auf  dem  Lendner  liegt,  wie  sie  sich  endlich  vom  Helme  ganz 
löst  und  ohne  Haube  unter  der  eigentlichen  Rüstung  als  Unterkleid  getragen 
wird,  wie,  nachdem  das  Visier  sich  entwickelt,  auch  Hals  und  Kinn  noch  ge- 
schützt wird,  darüber  geben  die  plastischen  und  bildlichen  Geschichtsquellen 
jener  Zeit  ebenfalls  Auskunft.  B'ig.  7  zeigt  den  Kopf  des  Albrecht  von  Hohenlohe, 
■}■  1338,  und  Fig.  8  jenen  des  Otto  von  Pienzenau,  f  1371,  auf  ihren  Grabsteinen 
nach  den  Abgüssen  im  Museum  ^ß);  ersterer  noch  mit  der  beinahe  an  die  Helme  der 

16j  Anzeiger  für  Kunde  d.  d.  Vorzeit  1880,  Sp.  327  und  328. 


—    35    — 

Herrad  erinuernden  Form  der  Beckenhaube,  letzterer  bereits  mit  der  spitzig:en 
Form  und  den  tief  an  den  Seiten  des  Kopfes  zur  Schulter  herabg-ehenden  Seiten- 
wänden der  Glocke,  sowie  der  mittelst  Schienen  angesteckten  Halsberg-e. 


-Fis 


Aus  dem  Miniaturenschatze  des  Museums  geben  wir  hier  in  Fig.  9  zwei 
Krieger  mit  der  ßeckenhaube,  an  welche,  ohne  dafs  sich  indessen  deutlich  er- 
kennen liefse,  wie  und  aus  welchem  Materiale  ein  Kragen  befestigt  ist^'J.  Aus 
einem  Gemälde  der  altnürnberger  Schule  vom  Ende  des  14.,  vielleicht  erst  vom 
Beginne  des  13.  Jahrhunderts,  den  Kindermord  darstellend  (Gemälde  Nr.  o4)i8). 


Fig.  8. 

geben  wir  zwei  Kriegskncchic  wieder,  Fig.  10,  welche,  wie  Kig.  U.  /eigen,  dafs 
nichl  blos  die  rilterlichen  Kreise  die  Beckenhaube  (rügen,  sondern  wol  auch 
Jeder  Knecht,  welcher  sich  eine  solche  ebenso  gut  beschalTen  konnte,  als  einen 
Kisenhul.  von  welchem    unten    die    Rede   sein    wird.      Wir    dürfen    also   keines- 

17)  Anzeiger  für  Kunde  d.  d.  Vorzeil   1880,  Öp.  Ml   u.  :242. 
18j  An/cijjci'  für  Kunde  d.  d.  Viuv.eit   KS82,  Sp.   löl,  Fig.  1. 


—     36     — 

weji^s  in  jeileni  Träg-ei-  einer  Beckenhaube  einen  Ritter  sehen;   sie  wurden   von 
diesen  wie  von  den  Knechten  getragen. 

Wie  die  Helme  des  10.— 12.  Jahrhunderts  ohne  Ausnahme  unten  einen 
horizontalen,  ghitten  Rand  hatten  und  der  Nackenschutz,  von  einzelnen  Beispielen 
abgesehen,  wo  eine  dem  Naseneisen  ähnliche  Metallspange  rückwärts  herabgieng, 
nur  aus  der  Brünne  besieht,  so  sind  auch  alle  primitiven  Beckenhauben  des  13.  und 
vorzugsweise  des  14.  Jahrhunderts  mit  unterem,  horizontalem  Rande  über  der  Stirne 
versehen  und  von  da  ab  diente  die  Haube  der  Halsberge  als  Nacken-,  Schulter-, 


Fig.  9. 


Hals-  und  Brustschutz  (vergl.  unsere  Figuren  5,  8,  9  und  10).  Greifbar  wird  die 
Tendenz,  die  Beckenhaube  mit  bestimmtem  Gesichtsausschnitte  und  stets  tiefer 
gehendem  Nackenschutze  auszubilden,  im  14.  Jahrhunderte,  ohne  dafs  man 
gerade  eine  bestimmte  chronologische  Entwickelung  annehmen  könnte.  Am 
Grabmale  des  Albrecht  von  Hohenlohe  geht  sie  noch  als  Glocke  mit 
horizontalem  Rande  um  den  Kopf  (Fig.  7).  Dagegen  ist  im  Balduineum,  welches 
noch  dem  Beginne  des  14.  Jahrhunderts  angehört,  die  Rückseite  der  Becken- 
haube, an  welcher  die  Kettenhaube  hängt,  um  ein  kurzes  Stückchen  länger 
als    die   vordere  Seite,     In  der  Welislawschen  Bibel  kommen  einzelne  Figuren 


—     37     — 

vor,  bei  welchen  schon  die  Rückseite  der  Beckeuhaube  bis  iu  die  Mitte  des 
Ohres  g-eht^^).  Auf  dem  Grabsteine  des  Hans  von  Ybs^o)  geht  der  Nacken- 
schutz fast  bis   zum  ünterrande  der  Wange.     Indessen   sind   einzelne  Becken- 


Fip.  H). 


hunbon  schon  so,  dal's  auch  iler  g-esainto  IIiiil('rko|)r  gcschützl  wird.  Der 
Ziniiiierinanu ,  welcher  dW  grofse  Schleuder  in  Ik'wegung  sol/,t.  die  wir  in  der 
Fierabrashandsciirill  zu  Hannover  nach  Mitteilung:  von  Schultz  in  seinem  höli- 


19)  Essonwoin.  kiilhirliistorisclier  Hililcrallas  II.  Taf.   LM\.   Kiy;.  S. 

20)  (las.  Taf    LX.WIll,   Kig.    I. 


—    38    — 

sehen  Loben  kennen  Irnicii,  Uiigl  keine  inelallene  Haube 2^);  es  ist  eine  solche 
von  Filz  oder  Loden  am  Kinne  g^ebunden.  Solche  waren  auch  wol  jene,  die  als 
Polsterfuücr  unter  der  Kopf'brünne  g-etrag-en  wurden.  Das  Material  ist  nicht 
kenntlich,  aber  wol  auch  nicht  Eisen  wie  bei  der  ähnlichen  Haube' des  Arinbrust- 
schützen,  welchen  Schultz  nach  dem  Manuskripte  des  Matthäus  Parisiensis  im 
Benet- College  zu  Canibridg-e  wiedergiebt^^)  ^.m  tiefsten  herab  geht  der 
Nackenschulz  und  sitzt  auf  der  Schulter  auf  bei  dem  Krieger  in  Figur  lU. 
Wie  wir  gesagt  haben ,  lälst  sich  eine  chronologische  Folge  gerade  hier  nicht 
annehmen;  die  rückwärts  hinausgespitzte  Haube  zeigt  durch  ihre  Form  etwa 
den  Schluls  des  14.  Jahrhunderts  an. 

Wir  besitzen  jedoch  ein  Original,  dessen  eirunde  Kopfform  zeigt,  dafs  es 
wesentlich  älter  ist  als  die  Beckenhauben  in  Figur  9,  denen  es  sonst  am  nächsten 


Fi-   11. 


Fig.  12. 


Fig.  13. 


steht.  Es  ist  eine  auf  einem  halbkreisförmigen,  unteren  Rande  schräg  hinaus- 
getriebene, eirunde  Glocke,  von  welcher  ein  auch  annähernd  halbkreisförmiger 
Gesichtsausschnitt  abgeschnitten  ist.  (Vergl.Fig.il — 13.)  Der  Rand  ist  an  den 
beiden  so  entstehenden  unteren  Ecken  etwas  auswärts  gebogen  und  mehrfach 
gerissen.  Eine  leichte  Hämmerung,  durch  welche  die  Schlitze  geschlossen 
werden,  müfste  die  ursprüngliche  glatte  Form,  wie  sie  über  der  Stirne  und  im 
Nacken  noch  vorhanden  ist,  ringsum  ergeben.  In  Entfernung  von  10  mm.  vom 
Rande,  die  sich  an  den  unteren  Ecken  auf  20  mm.  verbreitern,  ist,  ähnlich  wie 
bei  Fig.  6,  eine  Linie  von  Löchern,  die  etwa  1 — 2  mm.  haben,  eingeschlagen. 
Neun  aus  starken  Blechen  hergestellte  Öhren  dienen  dazu,  den  Leder-  oder 
Drahtring  aufzunehmen  und  anzuschnüren,  an  welche  die  Brünne  angeflochten 
war.  Bemerkenswert  ist,  dafs  diese  Öhren  durchaus  ungleich  eingenietet  sind 
und  die  obersten  beiden  fast  in  Gesichtsbreite  auseinander  stehen.  In  der 
Mitte  (man  darf  das  Wort  auch  nicht  zu  genau  nehmen)  des  Kreises  dieser 
Öhren  ist  ein  drehbares  Doppelhäkchen.  Es  läfst  sich  also  annehmen,  dafs  an 
dem   unterem   Teile   der   aus  Ringgeflecht    gebildeten   Gesichtsbedeckung,   wie 


21)  Essenwein,  kullurhistorisclicr  Bilderatlas  ff,  Tat".  XXXXV,  Fig.  1. 
22J  das.  Taf.  XXXXV,  Fig.  11. 


—     39    — 

dies  beim  Grabmale  Günthers  von  Schwarzburg  der  Fall  ist,  ein  Plättchen  in 
das  Geflecht  eing-enietet  war,  welches  ein  Querloch  hatte,  das,  wenn  diese 
Gesichtsbedeckung  in  die  Höhe  geschlagen  war,  das  Doppelhäkchen  horizontal 
durchliefs,  worauf  es  vertikal  gedreht,  den  Gesichtsschutz  wie  ein  Visier  vor 
dem  Gesichte  fest  hielt. 

Wir  haben  bei  Figur  6  angenommen,  dafs  die  Löcher  ringsum  am  Rande 
des  Häubchens  zur  Einflechtung  des  Ringwerkes  der  Brünne  dienten.  AVir 
können  also  konsequenter  Weise  auch  hier  nichts  in  denselben  erblicken,  als  einen 
ursprünglichen  Zustand.  Man  fand  es  später,  etwa  im  Schlüsse  des  14.  Jahrhun- 
derts, nicht  mehr  bequem,  dieses  Geflecht  am  Helme  fest  zu  haben,  mau  ent- 
fernte es  und  brachte  eine  Vorrichtung  an,  welche  das  Aufschnallen  des 
Kragens  möglich  machte. 

III. 

Die  Beckenhauben  mit  Visier. 

In  Figur  14  bis  17  ist  eine  Beckenhaube  wiedergegeben,  welche  leider 
durch  langes  Liegen  in  der  Erde  viel  gelitten  hat.  Der  Vorbesitzer  erklärte, 
dafs  das  Stück  schweizerischen  Ursprunges  sei,  dafs  er  dasselbe  aus  Händlers- 
händen erworben  habe  und  nicht  in  der  Lage  sei,  den  ursprünglichen  Fundort 
zu  erforschen,  was  uns  um  so  mehr  leid  thut,  als  wir  glauben  möchten, 
dafs  diese  Beckenhaube  vom  Schlachtfelde  zu  Sempach  stammt.  Sie  ist 
infolge  des  Liegens  in  der  Erde  zerdrückt  und  zerschlagen  und  so  stark 
gerostet,  dafs  ihr  jede  Elastizität  fehlt  und  es  uicht  mehr  möglich  ist,  sie  ohne 
neues  Schmieden  so  in  die  alte  Form  zu  bringen,  dafs  man  sie  auf  den  Kopf 
setzen  könnte.  Die  verbogene  Form  des  Visieres,  wie  die  zerdrückte  Gestalt 
der  Glocke  würden  auch  eine  Abbildung,  wie  wir  sie  von  den  übrigen  Original- 
helmen haben  fertigen  lassen,  unmöglich  macheu,  weil  die  Zeichnung  unver- 
ständlich wäre.  Es  blieb  uns  also  nichts  übrig,  als  genau  geometrische  Kon- 
turzeichnungen zu  fertigen,  wobei  die  leichikenntliche  ursprüngliche  Form 
(vielleicht  doch  noch  ein  wenig  zu  schmal?)  hergestellt  wurde. 

Der  Helm  besteht  aus  zwei  Hauptteilen.  Der  erste  ist  die  aus  einem 
Stücke  geschlagene,  trefflich  gearbeitete  Glocke,  die  eigentliche  Beckenhaube, 
mit  rückwärts  bis  zum  Nacken  herabgehender,  auf  der  Schulter  aufstehender  Ver- 
längerung und  vollständig  in  eine  scharfe  Spitze  getriebener  Endigung  (Fig.  1  'i  u.  lo). 
Eine  oben  flache  Gesichtsöfl'nung,  in  steiler  Linie  gleich  von  der  Schulter  be- 
ginnend, ist,  wie  der  untere  Rand  der  Rückseite,  vollständig  mit  einer  Reihe 
von  Lüchern  versehen,  welche  je  l,ö  mm.  weit.  13  mm.  vom  unteren  Rande  und 
je  12  mm.  von  einander  entfernt  sind.  So  dürfte  der  Helm  ursprünglich  in  der 
Mitte  des  14.  Jahrhunderts  beschatfen  und  in  den  Löchern  entweder  der  lederne 
oder  tilzene  Kragen,  die  Reminiszenz  an  die  Haube  der  Bii'iniie.  oder  ilas 
Kettengeflechte  derselben  angenäht  gewesen  sein.  Die  Meliillslärko  und  das 
ursprüngliche  Gewicht  dieser  Beckenhaube  aus  dem  jetzigen,  stark  vom  Roste 
zerfressenen  Stücke  zu  bestimmen,  dürfte  schwer  sein;  wir  möchten  die  Stärke 
des  Bleches  im  Durchschnitte  mit  l  mm.  annehmen. 

Eine  Veräntlerung  wunle  wol  bald  mit  der  lliuibe  vorgenonunen  zur 
besseren  J'iefesligung  des  Kragens,  indem  man  wenig  oberhalb  der  Liiclierreihe 


—     40     — 

eine  Reihe  Nieten  im  Helme  befestigte,  welche  durchbohrt  sind,  und  so  es  ge- 
statteten, drtfs   der   Kettenkrag-en    mit   einem  Drahte   an  jene   Nieten   befestigt 


Fig.  14. 


Fig.  15. 


Fig.  IT. 


Fig.  16. 


wurde,  worauf  eine  durchlöcherte  Schiene  gelegt  wurde,  durch  welche  die 
Nieten  durchgritTen,  so  dafs  alsdann  ein  durch  die  ÖH'nungen  hindurchgezogener 
Draht  den  ganzen  Kragen  befestigte. 


-     41     — 

Der  zweite  Hauptteil  des  Helmes  ist  das  unserer  Meinung  nach  ursprüng- 
lich nicht  dazu  gehörige,  sondern  erst  später  dazu  gekommene  Visier.  Es  ist 
ebenfalls,  wie  die  Glocke,  aus  einem  Stücke  getrieben.  Charakteristisch  ist  die 
starke  Spitze  desselben.  Wenn  es  geschlossen  war,  so  bildete  seine  untere  Öffnung 
k  1  mit  dem  Rückteile  der  Haube  b  a  eine  ovale  Öffnung,  von  welcher  zur  Spitze 
des  Visiers  und  zum  Seitenrande  am  Ende  der  Augenschlitze  h  zwei,  etw^as  wind- 
schiefe Flächen  sich  bildeten,  während  die  Augenschlitze  stark  herausgetrieben,  aber 
enge,  eine  schöne  Linie  über  die  Mitte  des  Helmes  bildeten,  und  der  obere  Teil  wie 
eine  breite,  glatte  Stirnbinde  über  dem  Helme  lag.  Die  Sehschlitze  sind  nach 
oben  und  unten  von  je  einer  Reihe  von  Löchern  begleitet.  Im  übrigen  ist  die 
ganze  schnauzenartige  untere  Hälfte  des  Visieres  von  runden  Löchern  durch- 
brochen, so  dafs  der  Träger  des  Helmes  nicht  blos  Athem  genug  schöpfen, 
sondern  selbst  durch  das  Sieb  hindurch  blicken  konnte. 

Wenn  auch  die  Metallstärke  der  gewöhnlichen  Glocke  wie  Fig.  11  u.  14 
genügend  schien,  um  den  Schädel  gegen  einen  Hieb  zu  decken,  so  war  doch 
das  Gesicht  selbst  ungedeckt  gegen  Hieb  und  Stich,  so  lange  nicht  der 
Topfhelm  aufgesetzt  war.  Je  mehr  dieser  in  Abnahme  kam,  je  seltener  er 
im  Kampfe  getragen  wurde,  um  so  wichtiger  war  das  Visier  als  Gesichtsschutz. 
Man  zog  anfangs  jenen  Teil  der  Haube,  welcher  unter  das  Kinn  in  Falten 
herabhing,  wie  beim  vorigen  Beispiele  gesagt  ist,  in  die  Höhe,  machte  auf  der 
Glocke  ein  Knöpfchen  und  an  der  Mitte  des  herabhängenden  Teiles  der  Haube 
ein  Blechplättchen  fest  mit  einem  Öhre,  welches,  wenn  das  Gesicht  durch  den 
herabhängenden  Haubenteil  bedeckt  war,  an  dem  Knöpfchen  befestigt  wurde. 
(So  am  Grabmale  des  Königs  Günther  von  Schwarzburg.)  Später  legte  man 
eine  einfache,  ovale  Platte  von  der  Gröfse  des  Gesichtsausschnittes  vor  die 
Öffnung  im  Gellechte  auf  und  gab  ihr  oben  an  der  Stirne  ein  kurzes  Scharnier, 
so  dafs  sie  offen  senkrecht  in  die  Höhe  stand,  geschlossen  über  die  Gesiehts- 
öffnung  herabhing.     (So  am  Grabmale  des  Rudolf  von  Sachsenhausen.) 

Um  1380  etwa  setzte  man,  wie  bei  unserem  Helme,  ein  von  beiden  Seiten 
drehbares  Visier  an.  Wir  sehen  in  E'ig.  16  das  aus  einem  doppelten  Bleche  ge- 
fertigte Scharnier,  welches  sich  um  die  Mitte  der  Rosette  drehte.  In  dieses 
Scharnier  wurde  jederseits  das  schuuile  Ende  des  Visieres  eingesteckt. 

Man  war,  wie  aus  dieser  Vorrichtung  zu  erkennen,  noch  vorsichtig.  Man 
hätte  ja  das  Visier  direkt  an  dem  Helme  befestigen  können,  wo  es  sich  ebenso 
gut  um  die  Rosette  gedreht  haben  würde;  allein  wenn  das  Visier  aufgesteckt 
ist,  ist  es  nicht  mehr  möglich,  den  Topfhelm  aufzusetzen.  Dies  unterlag  aber 
keiner  Schwierigkeit,  wenn  man  das  Visier  abstecken  konnte;  dann  konnte  man 
ja  verschiedene  Topfhclme  aufsetzen,  solche  wie  den  Pranckher  Helm  in  der 
VVaffensanunlung  des  allerhöchsten  Kaiserhauses  zu  Wien,  wie  den  in  Tannen- 
berg ausgegrabenen  2^),  wie  jenen  im  Museum  zu  Kopenhagen '■^),  das  Bruchstück 
im  Museum  zu  Linz,  oder  andere,  wie  sie  teilweise  niil  heraldischem  Schmucke 
versehen,  im  Tuniicre  vorkommen^^).  Die  mit  V^isieren  versehenen  Heime 
zeigen    sich    schon    bei    den    Darstellungen    des    Balduineums.     Es    sind    keine 

23)  vgl.  Ilefner-Allcncck.  die  Burg  Tanncnberi;  iiiul  iliic  Au.sgraliungen  (Frkl'l.  1850), 
Taf.  X. 

24)  vgl.  Essi-nwoiii,  kullurliislorisclior  Bildoiatlas  II.  Tal".  liXX,  Fig.  4. 

25)  das.  Taf.  LXV,  Fig.  2.     Taf.  LXVIII.   Tig.  1.     Taf.  l.XIX.  Fig.   1. 

Mitteiluugoii  aus  dem  gerniaii.  Nutioiialmuseuiii.     18^2.  VI. 


Fig.  18. 


—     43     — 

anderen  als  Beckenhauben  mit  Visieren,  welche   unseren   Helmen   ähnlich    sind 
und  wol  ebenfalls  abgesteckt  werden  konnten. 

Wenn  wir  die  Vermutung'  ausgesprochen  haben,  dafs  der  Helm  einmal 
auf  dem  Schlachtlelde  von  Sempach  gefunden  worden  sei ,  so  gründen  wir 
unsere  Meinung  nicht  blos  darauf,  dafs  er  gerade  in  diese  Zeit  (1386)  passe, 
sondern  auch  darauf,  dafs  in  den  verschiedenen  Reihen  der  Bildnisse,  welche 
von  den  bei  Sempach  gefallenen  Rittern  uns  erhalten  sind,  allenthalben  die 
Helme  ganz  den  unserigen  ähnlich  gezeichnet  sind.  Wir  haben  auch  eine  dem 
Ereignisse  ziemlich  gleichzeitige  Darstellung  der  Schlacht,  auf  welcher  eben- 
falls die  Ritter  gerade  diese  Helmform  zeigen  ^^^  ])qy  gleiche  Helm  findet  sich 
auch  in  einem  angeblichen  Verzeichnisse  der  bei  Sempach  Gefallenen  mit  Dar- 
stellung ihrer  Porträte  in  einem  Kodex  zu  Linz  (vgl.  Anzeiger  f.  K.  d.  d.  V. 
1867,  Sp.  193  ff.  nebst  Tafel). 

Das  Museum  besitzt  ein  interessantes  Denkmal  für  die  Geschichte  der  Be- 
waffnung in  dem  Kodex  973,  einer  deutschen  Prosaerzählung  des  trojanischen 
Krieges,  entstanden  in  den  letzten  Jahren  des  14.  oder  den  ersten  des  15.  Jahr- 
hunderts 2').  Freilich  sind  die  Bilder  sehr  flüchtig  gezeichnet,  doch  sind  sie  so 
charakteristisch,  dafs  unsere  Wiedergabe  in  Fig.  18  sehr  bestimmt,  neben 
anderen  Helraformen,  sowol  unsere  Beckenhauben  mit  und  ohne  Visier,  mit 
den  Kragen,  dann  aber  auch  eine  Anzahl  Topfhelme  erkennen  lassen,  wie  sie 
in  solcher  Form  im  Kriege  nun  etwa  hundert  Jahre  lang  getragen  wurden  und 
im  Turnierzeuge  zur  Zeit  Kaiser  Maximilians  I.  eine  Rolle  spielten.  Wir  wer- 
den ihnen  unter  der  Bezeichnung  »Stechhelme«  dort  begegnen.  Auch  in 
unserem  Kodexe  von  Konrads  von  Würzburg  trojanischem  Kriege  von  1441 
begegnen  uns  diese  Stechhelrae  im  Kampfe,  während  die  Beckenhauben  voll- 
ständig verschwunden  sind^s),  dagegen  allerdings  so  manche  an  sie  erinnernde 
Formen  zwischen  der  grofsen  Mannigfaltigkeit  sonstiger  Helmformen  überhaupt  in 
dem  Kodexe  erscheinen.  Mit  dem  Schlüsse  des  14.  und  dem  Beginne  des  15.  Jahr- 
hunderts wird  das  Visier  zu  einem  konischen  Kasten,  welcher  sich  vor  die  fast 
quadratische  Gesichtsöffnung  setzt  und  entweder  oben  ein  einziges,  oder  an  den 
Seiten  zwei  Scharniere  hat,  um  welche  es  sich  dreht.  Es  haben  sich  auch  davon 
nur  wenige  Stücke  iu  Original  erhalten;  dagegen  sind  auch  einige  im  Bilde  er- 
halten geblieben.  So  haben  wir  im  Anzeiger  f.  K.  d.  d.  V.  1866,  Sp.  368  und  bei- 
liegender Tafel  den  Ritter  Jörg  Tumersdorfer  nach  einem  Glasgemälde  in  der  Kirche 
zu  S.  Marien  am  Wasen  bei  Leoben  veröirentlicht  und  verweisen  hiemit  auf  diese 
letzte  Stufe  der  Fntwickelung  der  Beckenhaube.  Wir  werden  bei  iler  Be- 
trachtung der  weitei'en  Entwickelung  der  Helme  im  VII.  Teile  dieses  Aufsalzes 
auf  diesen   Gegenstand  zurückkommen. 

IV. 
Die  wälsclien  Becken  haubo  ii. 

Ganz  ähnlich,  wie  in  Deutsehlanil,  vollzog  sich  die  Kniwickclung  aiicii  in 
Italien  und  davon  sind  bei  uns  interessante  Beispiele  zu  sehen.  Die  Fig.  19  und 
20  geben  einen  sehr  stark  beschädigten  Helm,   welcher  ilem  Museum  aus  einei- 


26)  vgl.  Esscnwciii,  kuilurhistdi-ischcr  liildi-nitlas  II.  Taf.   L.\.\.\VI 
■il)  Anzeiger  i"   K.  d.  d.  V.  1880,  Öp.  271     274. 
28)  das.  Sp.  270-279. 


_     44     — 

Wiener  Sainmliii^ü:  zugekommen  ist.  Rr  niuii'  iiiil  seinem  Grate  dem  14.  Jahr- 
hunderle ang-chören.  Er  ist  jedoch  seiner  Zeit  in  Tiiol  iiiid  zwar  im  deutschen 
Teile,  in  Marg-reilh  im  Ktschthale  hei  Bozen,  l)eim  Abi)ruclie  einer  Mauer  f>-e- 
fundi'ii  worden,  kfuinte  also  in  die  deutsche  iieiln!  herein^'ehören,  aber  der 
Kiindorl  lieg-l  doch  so  nahe  an  llalien,  dafs  die  italienische  Herkunft  nicht  wun- 
dern kann,  habe  nun  ein  deutscher  Tiroler  sich  die  wälsche  Waffe  fertig:en 
lassen,  oder  sei  sie  als  Beutestück  oder  wie  immer  dalun  j^ekomiuen.  Wir 
sehen  auch  hier  die  Glocke  an  den  Seiten  und  rückwärts  verlängert.  Die  Löcher- 
reihe  rührt  hier  doch  wol  von  der  Befestigung  der  Polsterung  im  Inneren 
her.  Freilich  ist  die  enge  Stellung  der  Locher  alsdann  schwer  erklärlich.  Von 
einer  V'erbindung  mit  dem  Kettengellechte  läfst  sich  keine  Spur  entdecken.  Der 
Helm  ist  also  frei  über  der  Brünne  getragen  worden,  was  in  Deutschland  doch 
nicht  der  Fall  gewesen  wäre.  Er  ist  verhältnismäfsig  leicht  im  Eisen,  wiegt  in 
jetzigem  Zustande  nur  1,6  kg.  Von  einem  Waffenschmiedezeichen  ist  bei  ihm 
so  wenig  die  Rede,  als  bei  verschiedenen  andern,  hier  abgebildeten  Helmen. 


/N^ 


Fig.  19. 


Fig.  20. 


In  der  weiteren  Entwickelung  werden  nun  diese  ilalienischen  Helme  eben- 
falls höher,  so  dafs  ihr  Scheitel  nicht  unmittelbar  auf  dem  Schädel  liegt,  sondern 
eine  hohe  Haube  mit  hübsch  geschwungenem  Grat  sich  darüber  erhebt.  Aber 
auch  im  vollständigen  Gegensatze  zu  den  deutsclien  Beckenhauben  des  14.  Jahr- 
hunderts wird  das  antike  Motiv  wieder  aufgenommen,  auch  die  Wangen  zu 
schützen;  die  Helmwände  wurden  also  hervorgezogen,  so  dafs  nur  eben  ein 
senkrechter  Schlitz  für  den  Mund  und  die  Nase  blieb,  welcher  sich  oben  zu  beiden 
Seiten  zu  Schlitzen  für  die  Augen  erweiterte.  Doch  ist  dieser  Schutz  der  Backen 
nicht  der  Gesichtsforra  genau  angepafst,  da  der  Helm  nicht  dicht  auflag,  son- 
dern etwas  vor  die  Gesichtsiläche  trat,  so  dafs  die  Nase  nicht  aus  dem  Schlitze 
hervorragte  und  die  Wangen,  wie  der  ganze  Kopf,  durch  eine  starke  Polsterung 
nicht  blos  Schutz  fanden ,  sondern  auch  im  Helme  festgehalten  wurden.  Es 
war  also  das  Gesicht  gegen  Schwerthiebe  geschützt,  nur  der  Speer,  welcher 
doch  damals  im  ritterlichen  Kampfe  etwas  mehr  zurücktrat  und  beinahe  ganz 
dem  Schwerte  Platz  gemacht  hatte ,  konnte  das  Gesicht  treffen.  Gerade  diese 
Helmform  unterstützt  also  das  Gewicht  der  Darstellungen,  aus  welchen  wir  auf 
Siegeln  schon  am  Schlüsse  des  13.  Jahrhunderts  sehen,  was  dann  das  Balduineum 


—     45     — 

in  den  ersten  Jahrzehnten  des  14.  Jahrhunderts  vor  Augen  führt,  dafs  iium  vorzug's- 
vveise  mit  dem  Schwerte  kämpfte,  sich  also  gegen  Schwerthiebe  im  Ernstkampfe 
ausschliefslich  zu  schützen  ptlegte,  während  freilich  die  Entwickelung  des  Visiers 
iu  Deutschland  zeigt,  daCs  auch  der  Speer  noch  thätig  war.  Auf  Bildwerken 
allerdings,  insbesondere  auf  Grabsteinen ,  sehen  wir  auch  in  Italien,  nicht  blol's 
in  Deutschland,  in  den  Händen  des  Ritters  die  Lanze  mit  dem  mit  dem  Wappen- 
bilde bemalten  Fähnlein. 

Ein  sehr  charakteristisches  Beispiel,  welches  der  zweiten  Hälfte,  vielleicht 
dem  Schlüsse  des  14.  Jahrhunderts  angehört,  bietet  der  sehr  schöne  Helm  un- 
serer Waffensammlung,  welcher  in  Fig.  21  und  22  dargestellt  ist.    Er  wurde  in 


Fig.  21. 


Y\s.  22. 


Belluno  gefunden  und  ging  von  Antiquar  Überbacher  durch  mehrere  Walfen- 
sammlungen,  zuletzt  jene  Wiener,  in  die  unsrige  über,  der  auch  das  in  Fig.  2 
dargestellte  Stück  entstammt.  Dieser  Helm  ist  ziemlich  stark  im  KistMi.  trotz- 
dem aber  in  schönen  Linien  entwickelt.  Am  unteren  Rande  ist  er  zu  einem 
Wulste  umgebogen;  der  vordere  Rand  ist  durch  eine  starke  Eisenschiene  um- 
säumt, die  wol  vor  Allem  den  Zweck  der  Ver- 
stärkung hatte.  Ziemlich  grol's  sind  die  Löcher, 
welche  die  Nieten  für  die  Polsterung  aufzunehmen 
halten.  Zwei  Nieten  oberhalb  der Stirnesiml  cilialli'ii 
geblieben  und  zeigen  noch  Untei-lagsplällclien  um 
einen  gröCseren  Teil  der  Helmlläche  als  einen  einzigen 
Punkt  für  die  Befestigung  in  Anspruch  zu  nehmen.  Der  Helm  zeigt  m'ben- 
stehende  Watfenschmiedemarken,  die  grCtlsere  Rosette  zweimal,  die  kleinei'(>  ein- 
mal.    Sein  Gewicht  beträgt  3,85  kgr. 

Wesentlich  kleiner  als  dies(M-  Flelm.  der  beinahe  wieder  den  (lliarakler  eines 
T()[)lhelmes  angenomnnm  hat,  aber  ih)ch  entschieden  Kampf-,  nicht  Turuierhejm 


--    46     — 

ist,  ist  dei-  Iblg-endc,  ang-eblii-li  aus  Spilul  in  Kärnten  stammende  und  aus  Dresden 
uns  /up'knmmene,  in  Fig-.  2:i  und  M  abg-cbildete.  Er  ist  auch  leichter;  er  hat 
ein  Gewicht  von  2,20  kü;.  und  g-ehört  vvol  dem  15.  Jahrhunderte  an.  J)a(s  er  eben- 
lalls  auf  der  Schulter  aulVuhl,  ist  ersichtlich.  In  der  Form  weicht  er  nur  durch 
ilen  Schwung-  der  Linien,  vor  allem  Jener  des  Gesichtsschlitzes  und  die  gering-ere 
Höhe,  vom  vorangehenden  ab.  Während  jener  etwa  gleich  dem  Topfhelme  über 
der  Brünne  und  einer   zweiten  kleinen  Beckeuhaube   getragen    werden   konnte. 


Fig.  23. 


Fig.  24. 


weshalb  wir  für  ihn  auch  den  Ausdruck  Beckenhaube  vermieden  haben,  so  mufs 
dieser  unmittelbar  auf  dem  Kopfe  getragen  worden  sein,  und,  da  die  Höhe  über 
den  Augenschlitzen  sehr  gering  ist,  mit  seiner  Schale  ziemlich  dicht  auf  dem 
Schädel  des  Mannes  gesessen  haben.    Eine  Walfenschmiedemarke  trägt  er  nicht. 

V. 

Die  Eisenhüte. 

Der  Eisenhut  ist  nicht  aus  der  Beckenhaube  hervorgegangen,  vieiraehr  als 
gleichzeitig  entwickelter  Kopfschutz  anderer  Grattung  anzusehen.  Er  hat  einen 
älteren  Stammbaum,  er  knüpft  ohne  Zweifel  an  jene  hutähulichen,  etruskischen 
Bronzehelme  an,  welche  eine  über  den  Kopf  in  die  Höhe  steigende  Kappe  mit 
rings  umlaufenden,  auswärts  gebogenen  Rändern  haben,  wie  deren  das  Museum 
ebenfalls  einen  besitzt,  über  desssen  Herkunft  nichts  genaues  bekannt  ist,  da 
er  schon  zu  einer  Zeit  in  Nürnberg  war,  als  die  Sammler  noch  absolut  un- 
emptanglich  für  die  Erforschung  der  Frage  waren,  woher  irgend  ein  Stück 
stamme.  Er  war  alter  Bestand  der  Pickertschen  Sammlung  und  ist  vor  langer 
Zeit  aus  dieser  in  jene  des  Museums  übergegangen,  eben  weil  in  dem  Stücke 
ein  V^orläufer  der  mittelalterlichen  Eisenhüte  zu  erblicken  sein  dürfte. 

So  wenige  metallene  Helme  des  frühen  Mittelalters  uns  erhalten  sind,  so  be- 
stehen an  ICisenhüten  doch  zwei  Stücke,  welche  hierher  gehören.  Der  in  Sesto 
Galende  gefundene,  jetzt  in  dem  arcliäologischen  Museum  der  Kunstakademie  zu 
Mailand   belindliche   Hut,  wol  longobardischen  Ursprunges,  hat  einen  ringsum- 


—    47     - 

laufeaden  Rand.  Viollet-le-Duc,  welcher  denselben  in  seinem  Artikel  »heaume« 
abbildet  29),  hat  versucht,  ihn  mit  einem  Kamme  auszustatten,  welchen  er  aus  be- 
maltem Kupfer  hergestellt  denkt,  und  damit  in  der  That  ihm  ein  Aussehen  gegeben, 
welches  an  die  Abbildungen  karolingischer  Helme  erinnert,  ein  sehr  interessan- 
ter, dankenswerter  Versuch,  der  zu  weiterer  Verfolgung  der  Frage  anregt,  für 
welchen  jedoch  die  Belege,  sowie  das  nötige  Material  noch  fehlen.  Die  Grund- 
form freilich  bleibt  eine  andere  als  die  der  auf  Bildern  vorkommenden  Helme  der 
Karolingerzeit,  von  denen  wir  oben  gesprochen  haben.  Aber  der  Hut,  Pileus, 
wird  von  den  Geschichtsschreibern  der  Germanen  dem  Helme,  Galea.  direkt 
gegenübergestellt  und  gilt  als  fürstliche  Kopfbedeckung  3*').  Einen  Helm  im 
Artilleriemuseum  zu  Paris,  gefunden  zu  Abbeville^^),  welchen  Viollet-le-Duc  in 
Abbildung  mitteilt,  möchten  wir  doch  auch  eher  hierher  zählen,  als  mit  ihm 
dem  12.  Jahrhunderte  zuschreiben,  dem  man  gewohnt  ist,  alles  zuzuteilen,  für 
das  man  keine  richtige  Zeitbestimmung  geben  kann;  der  Rand  ist  dort  schmal, 
vorne  und  rückwärts  unterbrochen ,  um  ein  Naseneisen  sowie  ein  Nackeneisen 
anzubringen.  Zwei  über  die  Stirne  herabgehende  Flügel  geben  dem  Helme  ein 
eigentümliches  Aussehen,  so  dafs  er  an  die  antiken  Gladiatorenhelme  erinnert. 
Eine  Miniatur  vom  13.  Jahrhunderte  im  german.  Museum,  die  Gefangen- 
nahme Christi.  Nr.  27  unserer  Miniatureusammluug,  zeigt  einen  Krieger  mit  einem 
Eisenhute  und  zwar  keine  ritterliche  Gestalt,  so  dafs  wir  annehmen  dürfen, 
der  Eiseuhut  sei  vom  12. — 14.  Jahrhunderte  keine  ritterliche  Kopfbedeckung  ge- 
wesen ^2).  Der  Rand  ist  noch  schmal;  es  scheint  der  ganze  Hut  aus  einem  einzi- 
gen Stücke  getrieben  (Fig.  25).    Er  unterscheidet  sich  auf  der  Zeichnung  deutlich 


Fig.  25. 


29)  a.  a.  0.  Bd.  VI,  S.  100,  Fig.  7  und  7  b. 

30)  vgl.  Lindciisciiinil  .  Haii(lluicli  der  doutsi-lion  Altcrtuni.skuiido  I,  S.  :2.'iU  IV.  »Der 
Helm«,  wo  Nachweise  über  reich  ver/ierte,  mit  Edcisleiiien  liesclzte  und  mit  lieraldiiinpon- 
den  Zierbändern  von  Purpur  gcscbinückte  Hüte  gegeben  sind,  wie  gerade  der  in  Abbeviile 
gefundene  Hut  einen  Apparat  zur  Befestigung  rückwärts  hcrabliängendcr  Slofl'e  lial. 

.S1  )  das.  S.  104.,  Fig.  12.  32)  Anzeiger  f.  K.  d.  d.   V.   KSSl,  Sp.  2. 


—    48     - 

von  (Ich  .lu.leiiliüh'n  der  Hoc-leilor.  welche  allerding's  doch  auch  Krieg-sknechte 
darstellen  sollen.  Miniaturrn  vom  Knde  des  13.,  vielleicht  vom  14.  Jahrhunderte 
zeig-en  sclinii  dtii  K'and  liiiilscr.  So  ist  in  einer  Gruppe  der  Welislawschen 
Biiderliilit'l  zu  l^rag'  ein  Arnibrustschütze  mit  gTolsem  Eisenhute  zu  ersehenes). 
Km  solcher,  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts  ang-ehörig-er,  Eisenhut  befindet 
sich  im   Musoiim  und  ist  hier  in  Fig-.  2ü  im  Malsstahe  der  übrigen  Helme  ahge- 


/•>Bf--, 


Fig.  26. 


itihiel,  nachdem  er  sclion  ciiimal  in  diesen  Mitteilung-en  erschienen  ist^*).  Wir  be- 
richtigen hier  sogleich  die  Angaben  über  die  Herkunft  desselben.  Man  fand  in 
Kärnten  in  der  Umgegend  von  Friesach  auf  der  Spitze  eines  Kirchthurmes  einen 
solchen  Eisenhut  als  Schutz  der  Dachdeckung,  welche  unter  seinem  Rande  zu- 
sammenlief. Ein  Loch,  in  der  Spitze  des  Hutes  roh  eingeschlagen,  liefs  die  eiserne 
Stange  des  Turmkreuzes  hindurch.  Dadurch  aufmerksam  gemacht,  liefs  der 
Sammler,  in  dessen  Hände  der  erste  Eisenhut  gelangt  war,  noch  andere  Thürme 
der  Gegend  untersuchen,  und  es  ergab  sich  noch  bei  mehreren  das  gleiche  Re- 
sultat, so  dafs  er  vier  an  Form  verschiedene  Eisenhüte  bekam.  Drei  davon 
gl  engen  an  den  Antiquar  Überbacher  in  Bozen  über,  der  nicht  Auskunft  ^-eben 
konnte,  wohin  der  vierte  gelangte.  Er  überliefs  unserem  Museum  diesen  einen,  zwei 
andere  gelangten  in  eine  Wiener  Privatsammlung.  Unser  Hut  besteht  aus  einem 
getriebenen  Rande  und  einer  nicht  sehr  spitzen  Glocke,  welche  beide  so  ver- 
bunden sind,'  dafs  der  Kontur  eine  einzige,  schön  geschwungene  Linie  bildet. 
Der  Hut  hat  nur  am  hinteren  Teile  des  Randes  einen  Grat,  der  sich  auch  ein  wenig 
in  eine  Spitze  zieht  und  durch  einen  Wulst  gesäumt  ist.  Die  am  Rande  sicht- 
baren Nieten  dienten  zum  Festhalten  einer  Polsterung.  Da  wir  wol  anzunehmen 
haben,  dafs  zur  Zeit  des  Gebrauches  der  Hut  von  einem  Knechte  getragen  wurde, 
so  ist  nicht  nötig,  anzunehmen,  dafs  sich  eine  Kettenbrünne  darunter  befand;  es 
kann  auch  der  Schutz  des  Kinnes  und  Halses  durch  eine  lederne,  selbst  eine 
wollene,  faltige  Kapuze  oder  einen  Kragen  gebildet  worden  sein.  Trug  etwa  ein 
Bogen-  oder  Armbrustsehütze,  der  nicht  in  vorderster  Reihe  stand,  den  Hut,  so 
war  der  Träger  Lanzenstöfsen  und  Schwerthieben  nicht  ausgesetzt,  sondern  nur 

33)  Essenwein,  kulturhistor.  Bilderatlas  II,  Taf.  LXIX,  Fig.  8. 

34)  Bd.  I,  S.  23. 


—    49     — 

Pfeilen ;  er  bedurfte  alyo  auch  einer  Halsberg-e  aus  Ketteng-eflechte  g-ar  uiehl. 
Wol  eben  deshalb  ist  er  leicht  im  Eisen ;  er  wiegt  bei  einem  Durchmesser  von 
46,5—49  cm.  nur  2,70  kgr.  Er  raufste  aber  auf  dem  Haupte  festgebunden  wer- 
den; es  befanden  sich  deshalb  im  Inneren  auf  jeder  Seite  des  Hauptes  zwei  ange- 
nietete, mit  runden  Löchern  versehene  Plättcheu,  an  denen  ein  Sturmband  von 
Leder  befestigt  werden  konnte.  Eine  Waffenschmiedemarke  hat  das,  mit  Ausnahme 
des  Loches  im  Scheitel  und  eines  solchen  im  Rande,  sehr  wol  erhaltene  Stück  nicht. 
Es  ist  nicht  sehr  gewagt,  anzunehmen,  dafs  ein  Söldner  der  Bischöfe  von  Bam- 
berg, der  dortigen  Landesfürsten  und  Besitzer  der  Burg  zu  Friesach,  den  Hut 
getragen,  der  sodann,  wann  immer,  wahrscheinlich  nicht  schon  bei  der  Erbau- 
ung, sondern  erst  bei  einer  späteren  Umdeckung  des  Kirchturmes,  auf  seine  hohe 
Stelle  erhoben  wurde. 

Etwas  jünger,  wol  dem  14.  Jahrhunderte,  vielleicht  der  zweiten  Hälfte  des- 
selben, angehörig,  ist  der  in  Fig.  27  abgebildete  Eisenhut,  bei  welchem  sich  die 


Fig.  27. 

Spitz  in  die  Höhe  getriebene  Glocke  scharf  von  dem  ilachen  Rande  trennt.  Der 
untere  Rand  ist  nach  aufsen  umgebogen,  nicht  zu  einem  Wulste  geroll I.  Ihis 
Gewicht  des  Stückes  beträgt  1,60  kgr.  Eine  VVaffenschmiedemarke  fehlt.  Er  ist 
aus  Neustift  bei  Brixen  in  eine  Wiener  Privatsammlung  und  von  da  zu  uns 
gekommen. 

Nach  und  nach,  wol  schon  im  13.  Jahrhunderte,  geht  der  Eisenhut  von 
der  Bewaffnung  der  Knechte  auch  auf  jene  der  Ritter  über.  Der  weite  Rand 
liel's  ihn  auch  für  den  Nahkami^f  zum  Schutze  des  Kopfes  sehr  geeignet  erscheinen. 
Viollet-le-Duc^'')  gibt  allerdings  einen  solchen  schon  auf  einer  ritterlichen  Gestalt 
eines  Grabsteines  von  ungefähr  1195,  die  wir  tief  in  das  13.  Jahrhundert  setzen 
würden,  aus  dem  Museum  /u  Niort,  und  erwähnt  ähnliche  Figuren  nach  Minia- 
turen des  13,  Jahrhunderts;  aber  er  spricht  gerade  an  dieser  Stelle  nicht  vom 
Eisenhute,  wie  auch  nicht  bei  anderen  von  ihm  komponierten  Figuren,  welchen 
er  den  Eisenhut  aufgesetzt  hat^ß).  Bei  einer  einem  Manuskripte  von  ungerähi- 
1350  nachgebildeten  Darstellung  liegt  ein  Eisenhut  auf  einer  spitzigen  Becken- 
haube^').     Nehmen  wir  selb.st  an,   das  Manuskript  sei  etwas  zu  früh  datiert,  so 

38)  Dictionnair.'  du  mobilicr  V.  l?fl.,  S.  70  und  80. 

36)  daselbst  S.  155.  Fi(f.  6  ii.  n.  AI)  dasolbst  S.  2üS.  Fi};:.   1. 


Mitteilungen  aus  dcni  geruiait.  Xatioiialniiiseiiin.     lSi)2. 


VII. 


—     50    — 

liahoii  wir  doch  für  die  Krühzoit  des  14.  Jahihunderls  Anhaltspunkte.  Im  Bal- 
(hiiiiiiiiii  sind  unter  den  käniidenden  Fürsten  solche  mit  dem  Eisenhute,  auf 
einem  Bilde  ist  es  Jialduin,  der  Krzbischof  von  Trier,  selbst,  welcher  ihn  trägt ^s). 
Allenthalben,  wo  Viollet-le-Duc  Eisenhüte  g-ibt,  haben  dieselben  nicht  den 
breiten  Kand  wie  die  unsrig'en,  sondern  derselbe  ist  wesentlich  schmaler.  Nur  in 
dem  Artikel'^'-'),  welchen  er  dem  Eisenhute  selbst  widmet,  sind  solche  mit  breiten 
Händern  gegeben.  In  der  weiteren  Entwickelung  zeigt  er  die  Ränder  insbeson- 
dere steiler,  teilweise  auch  nach  und  nach  wieder  schmaler  werdend.  Die  Formen, 
welche  er  nach  den  Miniaturen  des  15.  Jahrhunderts  konstruiert ,  dürften  wol 
zum  Teile  nur  in  der  Phantasie  der  alten  Künstler  bestanden  haben  und  bewei- 
sen uns  nur  eben,  dal's  neben  den  uns  an  Original waffen  erhalteneu  Formen  noch 
mannigfaltige  andere  vorgekommen  sein  müssen*'^),  was  uns  auch  ein  neuer 
Beweis  dafür  ist,  dafs  jede  Waffe  ein  Individuum  ist,  und  dafs,  wenn  wir  ja  auch 
an  vielfache  Anfertigung  von  Waffen  nach  demselben  Muster  denken  müssen,  dies 
doch  nicht  so  weit  ging,  als  bei  der  heutigen  Ausstattung  der  Heere. 


Fig.  28. 


Die  Museumssammlung  besitzt  einen  Eisenhut,  der  in  Fig.  28  abgebildet 
ist,  dessen  Glocke  rund,  wie  die  oben  beschriebenen,  jedoch  mit  schmaleren 
Rändern  erscheint.  Gleich  den  vorhin  beschriebenen  Stücken  ist  er  aus  leichtem 
Metalle  gefertigt.  Der  Rand,  obwol  in  scharfer  Linie  von  der  Glocke  sich  ab- 
hebend, ist  mit  derselben  aus  einem  Stücke  getrieben  und  unten  zu  einem  Wulste 
umgeschweist.  Ein  Grat  ist  nicht  vorhanden.  Die  Einfachheit  des  Stückes  macht 
es  sehr  schwierig,  eine  Datierung  dafür  zu  geben.  Wir  möchten  die  Wende 
des  14.  und  15.  Jahrhunderts  dafür  annehmen.  Er  hat  ein  Gewicht  von  1,46  kgr. 
Das  Museum  hat  ihn  mit  der  Wolfschen  Sammlung  aus  Altenburg  erhalten. 

Von  den  Kriegern  unseres  Manuskriptes  des  trojanischen  Krieges  von 
Kourad  von  Würzburg,  das  1441  fertiggestellt  wurde,  wird  der  Eiseuhut  ziem- 
lich  häufig   getragen,   ohne  dafs    man   zweifeln   könnte,   dafs  die  Betreffenden 


38)  Esscmvein,  kulturhistor.  Bildcratlas  II,  Taf.  LXVIII,  Fig.  1. 
39j  VioUet-lc-Duc  a.  a.  0.  S.  265  IT.,  Fig.  %  3,  4,  5. 
40)  vergl.  oben  Fig.  18. 


—    51     — 


Fürsten  oder  Ritter  sind.  Wir  geben  davon  in  Fig.  29  vier  Figuren  wieder. 
(Vergl.  auch  Fig.  9  u.  18.)  Die  Verbindung  des  Eisenhutes  mit  der  ritterlichen 
Rüstung  gibt  eine  Handzeichnung  unseres  Museums,   welche  etwa  der  Zeit  um 


FiL'.  •>). 


-    52    — 

1420— l4iU  aii^ehnil  (Hz.  145)  und  welche  hier  in  Faksimile  darg-ostellL  ist 
(Fi^.  30).  Der  Hut  hat  hier  eine  bewegte  Form,  eine  spitze  Glocke  mit  einem 
Grate,  und  einen  nicht  sehr  breiten  Rand  mit  zwei  Sehschlitzen. 


Fig.  30. 


—     53     — 

Der  in  Fig.  31  abg-ebildete.  in  der  Form  mit  dem  in  Fig-.  28  dargestellten 
fast  identische  Eisenhut  ist  ebenfalls  aus  der  Wolfscheu  Sammlung  aus  Alten- 
burg in  das  Museum  gekommen.  Woher  der  eifrige  Sammler  Notar  AVolf  ihn 
bekommen  hatte,  steht  nicht  fest;  er  hat  ihn  vvol  von  einem  Antiquare  in 
Thüringen  gekauft,  woher  doch  die  Mehrzahl  seiner  Stücke  stammte.  Was  ihn 
besonders  interessant  macht,  ist  vor  allem  die  beträchtliche  Metallstärke  des 
Hutes,  welche  ihm  ein  Gewicht  von  6,20  kgr.  gibt,  sodann  die  Thatsache,  dafs  die 
Löcher  zur  Befestigung  der  Halsbrünne  (?)  so  weitaufsen  am  Rande  sitzen.  In  der 
Glocke  selbst  sind  jederseits  nur  zwei  angebracht,  zur  Befestigung  eines  Sturm- 
bandes dienend.  Die  grofse  Stärke  sowol,  wie  die  Befestigung  des  Schutzes  für 
Hals  und  Nacken  ganz  aufsen  am  Rande,  mögen  auf  eine  Benützung  hinweisen, 
die  sich  auf  bestimmte  Zwecke  beschränkte;  im  eigentlichen  Kampfe  konnte  das 
Stück  nicht  dienen,  da  es  den  Träger  sehr  belastete.  Wol  aber  mag  es  im  Augen- 
blicke eines  Sturmes  gedient  haben,  wenn  der  Träger  eine  Leiter  erkletterte  oder 


Fig.  31. 

etwa  an  Untergrabung  einer  Mauer  arbeitete  und  von  oben  herabgeworfene  Steine 
oder  herabgegossene  heifse,  vielleicht  auch  wenig  wolriechende  Flüssigkeiten 
über  sich  ergehen  lassen  mufste.  Als  Zeit  der  Entstehung  möchten  wir  den 
Schlufs  des  15.  Jahrhunderts  ansehen. 

Noch  besitzt  das  germanische  Museum  einige  Eisenhüte,  die  vielleicht 
ebenfalls  in  diese  Periode  fallen,  die  wir  aber  doch  als  erst  dem  weiter  vor- 
geschrittenen 16.  Jahrhunderte  angehörig  ansehen  und  mit  den  Helmen  des 
16.  Jahrhunderts  nach  der  Zeit  Maximilians  zu  betrachten  gedenken. 

Wenn  die  Eisenhüte  von  den  Rittern ,  selbst  von  Kaisern  und  Königen 
getragen  wurden,  so  geschah  dies  wol  stets  in  Verbindung  mit  einem  Kinn- 
scliutzc  und  sie  wurden  alsdann  im  Kam[)fe  so  tief  über  die  Stirne  vorgezogen. 
dafs  zwei  Schlitze  für  die  Augen  im   Uaiule  angebracht  werden  mul'slen. 

VL 

Die  Schal  I  (M-n. 

Aus  der  letzterwähnten  Gestall  des  Eisenhutes  bilileten  sich  Übergänge 
zur  jetzt  zu  betrachtenden  Form  der  Helme,  zu  den  Scballern  (Salade)  heraus. 
Das  Museum  bietet  nun  kein  Beisj)ieK  welches  wir  eher  an  den  Schlufs  der 
Eisenhüte,  als  an  den  Beginn  der  Schallern  reihen,  das  wir  nicht  besser  mit  den 


—    54    — 

Irl/.lrifii  zng-l(^ich,  als  luil  tlt'ii  Kisenhüteii  betrachten  würden,  aber  doch  möchten 
wir  glauben,  dafs  die  überhaupt  erst  spät  ausgebildete  Form  der  Schallern  aus 
den  Eisenhüten  hervorgeg-angen  ist,  und  dafs  wir  also  die  Schallern  überhaupt 
im  Anschlüsse  an  die  Eisenhüte  folgen  lassen  müssen,  wenn  schon  sich  auch, 
wie  die  folgende  xVbteilung  /eigen  wird,  Übergänge  von  der  Beckenhaube  zur 
Schallern  linden.  Wahrscheinlich  sind  sie  aus  beiden  zugleich  hervorgegangen, 
indem  die  ältesten  als  individuelle  Produkte  einzelner  Waffenschmiede  oder  als 
solche  einzelner  Ritler  anzusehen  sind.  So  zeigt  das  nachweislich  älteste  datierte, 
uns  bekannte  Beispiel  einer  Salade,  der  Grabstein  des  Georg  Schenken  von 
Erbach,  7  1481.  in  der  Schlofskapclle  zu  Erbach  (Abgufs  im  Museum,  darnach 
unsere  Figur  32),  den  Ritter  mit  einer  Kopfbedeckung,  die  ebensowol  ein  Eisenhut 


Fig.  32. 


mit  Augenschlitz,  aber  sehr  steilem  Rande,  als  eine  Salade  sein  kann,  Der  Rand 
ist  von  der  Glocke  nicht  scharf  getrennt,  wie  bei  einem  Elsenhute,  dessen  Rand 
etwas  steil  abfällt;  nur  eine  leichte  Ausbiegung  ist  am  vorderen  Teile  des  Randes, 
um  für  den  Sehspalt  eine  horizontale  Fläche  zu  bekommen  und  denselben  so  für 
Lanzenstöfse  weniger  gefährlich  zu  machen. 

Einen  ähnlichen  Schallern-Eisenhut  besitzen  wir  in  Original.  Es  ist  der 
hier  in  Fig.  33  und  34  abgebildete,  welcher,  in  Franken  erhalten  geblieben,  jeden- 
falls aus  einer  der  schon  damals  so  hochberühmten  Nürnberger  Werkstätten 
hervorgegangen  ist;  er  kam  durch  Hofantiquar  S.  Pickert,  welcher  ihn  in  Ans- 
bach erworben  hat.  in  unsere  Sammlung.  Fränkischen  Ursprung  dürfte  auch 
die  von  Georg  Schenk  von  Erbach  getragene  Originalwaffe,  welche  auf  dem  Grab- 
steine abgebildet  ist,  gehabt  haben.  Unser  Helm,  (wir  wählen  absichtlich  dieses 
allgemeine  Wort,  da  wir  das  Stück  weder  zu  den  Eisenhüten  rechnen  wollen, 
noch  als  Schallern  gelten  lassen  müssen,  weil  sich  doch  der  Rand  in  bestimmter 


—     53    — 

Weise  von  der  (ilocke  trennt),  mag  ungefähr  gleichzeitig  mit  dem  Erbachscheu 
Grabsteine  sein.  Er  hat  einen  scharfen  geschwungenen  Grat,  einen  SehschHtz, 
der  ebenfalls  in  einer  schmalen  horizontalen  Fläche  liegt;  der  Rand,  dessen  unte- 
rer Saum   umgeschlagen   ist,   ist  schon  in  alter  Zeit  ausgebessert  worden.    Die 


Fig.  33. 


Fig.  3i. 


Stärke  des  Eisens  ist  nicht  zu  bedeutend,  so  dafs  er  mit  3.30  kgr.  Gewicht  das 

Haupt  nicht  zu  sehr  belastet.    Eine  Waffenschmiedemarke  ist  nicht  vorhanden. 

Daran  schliefst  sich   eine  aus  einem  Stücke  getriebene  Schallern,  welche 

wir  in  Fig.  33  und  36  abgebildet  haben,  bei  welcher  der  Hauptunterschied  von 


3 


^ 


FifT.  ä'). 


Fiir.  ;iü. 


der  vorigen  darin  besteht,  daCs  der  Rand  nicht  mehr  beslimmt  abgeselzl  ist. 
wie  in  Fig.  33  und  34,  sondern  beide  Teile  in  einer  geschwungeniMi  Linie  in 
einander  übergehen.  Aulserdom  ist  dieses  Stück  etwas  schmäler  und  riu-kwärls 
in  eine  mehr  ausgesprochene  Spitze  gezogen;  im  Ül)rigen  al)er  sowol  in  Mezug 
auf  Konstruktion,  als  auf  Form,  dem  vorhergehenden  Stücke  ähnlich.  Das  hier 
fragliche  hat  eine  Watfenschmiedemarke  in  Gestalt  eines  Kleeblatles  wie 
nebenstehend.  Es  dürfte  daher  das  Erzeugnis  eines  der  Angehörigen 
der  Innsbrucker  Platlnerfamilie  Treytz  sein.  Es  stamml  aus  SiUltirol, 
wo  es  sich  in  Neustift  \\v\  l'.iixon  erhalten  hallo.  Sein  (iiMvicliI  beträgt 
2,23  kgr. 


f 


\^ 


-    IW    — 

Zu  allen  diesen  Schallern  j^-chörl  als  ergänzender  Teil  die  Barthanbe,  und 
es  ist  uns  kein  Beispiel  bekannt,  dals  wir  auf  iig-end  einer  gleichzeitigen  Abbil- 
dung eines  vollständig  Geharnischten  die  Schallern  ohne  solche  gesehen  hätten. 
Zu  den  ältesten  Beständen  des  Museums  gehört  die  in  Fig.  37  und  38  abgebildete 
Schallern,  welche  mit  der  l'reiherrl.  v.  Aufsefsschon  Sammlung  bei  Begründung  des 
Museums  in  dieses  überging.  Auch  hier  ist  fränkische,  also  speziell  iS'ürn- 
bergische  Entstehung  demnach  wahrscheinlich.  Bei  ihr  ist  nach  den  Seiten  und 
nach  vorn  die  stärkere  Ausbiegung  verschwunden;  fast  senkrecht  stellt  sie  sich, 
wenn  der  Mann  sie  zum  Kampfe  zurecht  gerichtet,  d.  h.  horizontal  zurecht  ge- 
schoben hatte,  so  dal's  er  durch  den  Augenschlitz  blicken  konnte,  vorn  und  zu 
den  Seiten    über  den  Kand    der  Barthaube,    und    nur  nach  rückwärts   steht   die 


Fig.  37. 


Fig.  38 


Nackenspitze  über  die  Rüstung  heraus,  den  Nacken  gegen  senkrecht  von  oben 
kommende  Würfe  oder  Hiebe  schützend.  Die  Schallern  Fig.  37  ist  jedoch  an  der 
\rorderseite  ausgeschnitten,  so  dafs  das  Gesicht  bis  zur  Stirne,  so  hoch  es  über 
die  Barthaube  hervortritt,  also  vor  allem  Nase  und  Augen  frei  werden,  bei 
mancher  anderen  Barthaube  wird  auch  der  Mund  frei.  Um  diese  Teile  zu 
schützen  ist  ein  bewegliches  Visier  angebracht,  welches  erst  im  letzten  Augen- 
blicke geschlossen  zu  werden  braucht.  Das  Metall  ist  nicht  stärker  als  bei  den 
meisten  Stücken,  das  Gewicht  beträgt  2,35  kgr.  Eine  Vorrichtung  zur  Befesti- 
gung des  Visiers  fehlt.    Ein  Plattnerzeichen  ist  auch  nicht  vorhanden. 

Tritt  die  Schallern  in  dieser  Form  auf,  so  möchte  man  allerdings  geneigt 
sein,  die  Entstehung  derselben  aus  der  Beckenhaube  (vgl.  Fig.  6)  abzuleiten, 
denn  gleich  der  Beckenhaube  liegt  sie  unmittelbar  mit  einer  Polsterung  dicht 
auf  dem  Kopfe,  und  wenn  man  annehmen  kann,  dafs  in  ausnahmsweisen  Fällen 
eine  kettengeflochtene  Brünne^  oder  Halsberge,  vielleicht  eine  solche  aus  Leder, 
Loden  oder  Wollenzeug  zu  dem  Helme  Fig.  33  und  35  getragen  wurde,  so  ist 
dies  für  Fig.  37  nicht  wol  denkbar,  denn  dal's  zu  der  Schallern,  neben  der 
Polsterung,  irgend  etwas  anderes  als  die  Barthaube  getragen  worden  sei,  ist  uns 
aus  Abbildungen  nicht  bekannt  geworden.  Wenn  auch  unter  jenen  Platten- 
rüstungen, zu  welchen  Barthaube  und  Schallern  gehören,  ein  Keftengellecht 
getragen  wurde,  so  ist  dies  doch  offenbar  nur  bis  zum  Halse  gegangen,  nach- 
dem sich  schon  im  14.  Jahrhunderte  mit  Eni  Wickelung  der  Beckenhaube  das  an 


—     07     — 

derselben  befestigte  Kettengeflecht  auf  einea  Krag-en  beschränkt  hatte,  welcher 
ganz  vom  Kettenhemde  getrennt  war  und  ganz  wegQel ,  als  zu  den  Platten- 
harnischen die  Salade  gekommen  war. 

Spitziger  als  beim  vorigen  ist  der  Nacken  schütz  hinten  ausgetrieben  bei 
dem  jetzt  zu  betrachtenden  Beispiele,  der  Schaltern  von  der  Rüstung,  die  wir 
früher  veröffentlicht  haben  *i).  Diese  Schallern  weicht  von  der  vorhergehenden 
aber  vor  allem  durch  die  Art  des  Visiers  ab,  dessen  Drehpunkt  so  hoch  sitzt, 
daCs  oberhalb  des  Kopfes  wieder  mehr  freier  Raum  bleibt,  als  zur  Einlage  der 
Polsterung  nöthig  ist,  und  dafs  über  seiner  Oberlinie  noch  ein  Teil  der  Gesichts- 
öffnung soweit  frei  bleibt,  dafs  dadurch  der  Sehspalt   entsteht.    Die  Glocke  ist 


Fig.  39. 


Fig.  40. 


wie  eine  hohe,  vortretende  Stirne  stark  ausgetrieben  und  hat  einen'  breiten, 
oben  abgeflachten  Grat.  Das  Gewicht  beträgt  2,49  kg.  Eine  mit  einem  Knopfe 
verbundene  Feder  auf  der  rechten  Seite,  unten  am  Rande,  dient  zur  Feststellung 
des  Visiers.  Ein  Plaltnerzeichen  stellt  ein  gekröntes  U  dar.  Fig.  39  u.  40  zeigen 
diesen  Helm  von  vorn,  sowie  dessen  linke  Seite. 

Zu   demselben    gehört    die    in  Fig.  41    von   vorn   und    in   Fig.  42   von   iler 


t'ist.  -11. 


l-'itr.  !•.'. 


41)  Anzeigjcr  für  Kiiiuli'  der  (Iciilsclion  Vorzeil  1SS;2.  Sp.  fi.    Sie  ist  ans  dorn  Hcsitzo  des 
Dr.  Wiilieluii,  wclclier  dainals  in  lioriiii  Icble,  jeducli  die  lUisImn;  in  Siiddeulscliliuid  orworlien 


Mittuiliiiigoii  aus  dem  gornuin.  NatioiiahiniseniM.     1S<)2. 


VIH. 


—    38    - 

Seite    alti-el.ildcLe    liurLliaube,    welche   aui'  der    IWusl    des    Harnisches    festg:e- 

steckt  wurde. 

Eine  andere  Schallern  des  Museums,  in  Fig.  43  u.  44  abgebildet,  hat  den 
emporgetriebenen  sluin[)ren  Grat  wie  Fig.  39,  dagegen  die  Visierbildung  wie 
Fi°-.  37.  Sie  hat  die  engste  Stelle  etwas  unterhalb  des  Sehschlitzes  und  erweitert 
sic^h  gegen  den  unteren  Ranri  wieder.  Die  über  den  Nacken  herabgehende 
rückwärtige  Spitze  ist  beweglich.  An  die  Glocke  ist  ein  Nackenblech  derart 
befestigt,  dafs  es  um  Nieten  am  Anfang  und  Ende  sich  drehen  kann,  an  das- 
selbe sind  vier  andere  mit  dem  oberen  Rande  stets  zurückbleibende  Schienen, 
ähnlich  beweglich,  angebracht.  Man  nannte  diese  Konstruktion,  welche  ja  an 
allen  Teilen  der  damaligen  Plattenrüstungen  sich  ßndet,  ^)geschoben«.  Die 
technische  Sprache  bezeichnet  also  diesen  Nackenschutz  als  viermal  geschoben. 
In  unserer  Zeichnung  sind  die  Schienen  sehr  zusammengeschoben,  da  der  Helm 
auf  einer  Fläche  aullag,  als  er  gezeichnet  wurde.  Sich  selbst  überlassen  sinkt 
der  Nackeuschirm  vielleicht  10— lä  cm.  tiefer  herab.    Der  Helm  wiegt  2,70  kg. 


Fig.  43. 


Fig.  44. 


Ein  Loch  im  Scheitel  des  Grates  diente  dazu,  eine  Schmuckfeder  oder  sonst  einen 
Helmschmuck  aufzustecken.  Er  hat  kein  Waffenschmiedezeichen.  Vormals  be- 
fand er  sich  in  der  Bertholdschen  Sammlung  in  Dresden  und  ist  lange  vor 
deren  Auflösung  für  das  Museum  erworben  worden. 

Die  Schal  lern  sind  spät  entstanden  und  hatten  verhältnismäfsig  kurze 
Dauer,  wie  die  sogenannten  gotischen  Plattenrüstungen,  zu  denen  sie  gehörten, 
obwol  dieselben  nicht  gerade  schwer  waren.  Sie  wurden  unter  Kaiser  Maximilian 
verlassen,  dauerten  also  etwa  60  Jahre.  Sie  waren  elegant  in  der  Erscheinung, 
wie  alles  was  dem  Schlüsse  des  13.  Jahrhunderts  angehörte.  Kaiser  Maximilian, 
welcher  sie  noch,  in  jüngeren  Jahren  getragen  und  im  Kriege  erprobt  hatte, 
raufs  sie  unzweckmäfsig  gefunden  haben,  so  dafs  er  sich  um  Einführung  anderer 
Harnische  und  mit  denselben  anderer  Helme  lebhaft  bemühte. 


hatte,  in  jenen  des  Museums  ül)ergegangen.  Sie  ist  jedoch  nicht  ganz  intalvt,  sondern 
restauriert  und  dies  mit  solchem  Geschick,  dafs  man  sie  für  vollsfündig  neu  halten  liönnte. 
Doch  liahen  Freunde,  welche  sie  vor  der  Restauration  kannten,  geglaubt,  alle  allen  Teile, 
insbesondere  auch  die  Schallern,  als  alt  jetzt  noch  nachweisen  zu  können. 


—     Ö9     — 

Eine  Gratlung  Sturmhauben,    den  Schallern    verwandt,   g'ing-   als  Kopfbe- 
deckung  der   Fufsknechte   neben   dieser   Helmg-attung  her.      Das   germanische 


Flg.  45. 


Fig.  46. 


Museum  besitzt,  ein  Stück,  welches  der  Verfasser  im  Zeughause  zu  Rhodus  ge- 
funden, wo  es  mit  anderen  mittelalterlichen  Waffen  als  Überbleibsel  der  Ritter- 


Fig.  47. 


—     (50     — 

heiTSchal't  sich  crliulten  hatte,  miil  von  wohei'  er  dasselbe  als  Geschenk  des 
Suitaus  Abdul-Aziz  vor  bald  25  Jahreu  in  das  gerniauische  Museum  brachte. 
Wir  geben  es  hier  in  Fig.  44  u.  45  wieder.  Das  Gewicht  beträgt  1,20  kgr.  Auf 
dem  Bilde,  welches  den  Kampf  der  Nürnberger  mit  dem  Markgrafen  von  Branden- 
burg vor  den  Thoren  ihrer  Stadt  im  Jahr  1002  zeigt,  haben  die  niirnbergischen 
Söldner  ähnliche  Hauben,  während  die  Ritler  meist  andere  Helmgattungen  als 
Schallern  tragen,     in  Fig.  47  geben  wir  zwei  Krieger  aus  diesem  Bilde. 

VII. 

Die  geschlossenen  Visierhelme. 

Wir  haben  die  Schallern,  welche  ausschliefslich  der  zweiten  Hälfte  des 
15.  Jahrhunderts  angehören  und  im  16.,  wenn  freilich  von  solchen,  die  nicht 
die  Mittel  hatten,  jede  neue  Mode  im  Kriegswesen  mitzumachen,  wol  noch  lange 
getragen'*^),  nicht  mehr  gefertigt  wurden,  als  Fortsetzung  der  Eisenhüte  be- 
trachtet und  sind  daher  ziemlich  weit  der  geschichtlichen  Entwickelung  voraus- 
gegangen, welche  andere  Helmgattungen  durchgemacht  haben,  die  gleichzeitig 
neben  den  Eisenhüten  und  den  Schallern  herliefen.  Wir  kommen  daher,  wenn 
wir  auch  diese  Helme  in  ihrer  Entwickelung  verfolgen  wollen,  wieder  auf  die 
spitzigen  Beckenhaubeu  zurück,  die  mit  einem  Kettenkragen  verbunden  waren, 
welcher  über  dem  ledernen,  mit  einzelnen  Platten  und  Schienen  belegten  Lendner 
getragen  wurde,  wenn  wir  die  Entstehung  des  geschlossenen  Helmes  suchen, 
welcher  im  Schlüsse  des  15.  Jahrhunderts  besonders  beliebt  und  begünstigt 
wurde  und  in  den  verschiedensten  Varianten,  vom  Beginne  des  16.  Jahrhunderts 
an,  die  eigentliche  ritterliche  Kopfbedeckung  bildete  und  als  «Helm«  kurzweg 
bezeichnet  wurde. 

In  Frankreich  war  mitunter  schon  im  14.  Jahrhunderte  ein  Halsschutz,  aus 
einem  hohen,  plattenförmigen  Ringe  bestehend,  mit  der  spitzigen  Beckenhaube 
verbunden  worden,  so  dafs  der  aus  Ringeln  bestehende  Kragen  überflüssig 
wui'de;  teilweise  wurde  dieser,  ba viere  genannte,  Halsschutz  auch  nur  am  vorde- 
ren Teile  des  Halses  und  Kinnes  getragen  und  deshalb  am  unteren  Teile  der 
Beckenhaube  befestigt,  ebenso  wie  das  Visier  am  oberen.  Viollet-le-Duc  gibt  in 
seinem  Dictionnaire  du  mobilier  fran(?ais  im  Artikel  »Helm«  mehrere  Beispiele. 

Aus  Deutschland  ist  uns  kein  Beispiel  aus  so  früher  Zeit  bekannt  ge- 
worden. Wir  haben  am  Schlüsse  der  III.  Abteilung  dieses  Aufsatzes  noch  auf 
die  letzten  Helme  aufmerksam  gemacht,  welche  wir  als  Beckenhauben  bezeichnen 
möchten.  Wir  haben  auf  das  Bild  des  Georg  Tumersdorfer  in  dem  Glasfenster 
der  Kirche  S.  Maria  am  Wasen  bei  Leoben  aufmerksam  gemacht *3j  u^j  knüpfen 
hieran  auch  jetzt  wieder  an^  indem  wir  das  von  uns  bereits  veröffentlichte  Bildnis**) 
desselben  hier  in  kleinerem  Mafsstabe  wiedergeben  (Fig.  48).  Besonders  charak- 
teristisch ist  die  durch  drei  horizontale  Falten  hergestellte  Gliederung  des  Visiers. 


42)  vergl.  A.  Dürers  »Ritter,  Tod  und  Teufel«  (B.  98)  vom  Jahi-e  1513,  wo  der 
Ritter  eine  solche  Schallei'n  auf  dem  Kopfe  trägt,  sowie  einige  Gemälde  dieses  Meislers. 

43)  s.  0.  S.  43.  Schon  nach  dem  Drucke  der  ersten  Bogen  dieses  Aufsatzes  ist  es  dem 
german.  Museum  gelungen,  noch  zwei  solche  Beckenhauben  aus  derselben  Quelle  zu  erwerben, 
Varianten  in  der  Form  von  Fig.  11  und  14,  von  welchen  eine  das  Häkchen  zeigt,  welches 
zur  Befestigung  der  Insignie  der  Zopfgescllschaft  diente. 

44j  Anzeiger  f.  K.  d.  d.  V.  1866,  Sp.  368  u.  Tafel. 


Die  mittlere  Falte  spi'ing-t  weiter  vor,  als  die  obere  und  uatere.  Gerade  dadurch 
erhält  das  Visier  jene  fratzenhafte  Bildung,  wegen  deren  diese  Helme  den  Namen 
Hundshauben  (Hundsgug-eln)  erhielten.  Der  mittlere,  spitze  Teil,  mit  Löchern  ver- 
sehen, erscheint,  wenn  das  Visier  geschlossen,  als  Schnauze,  die  zwei  horizontalen 
Sehlöcher  darüber  als  Augen  und  die  hinter  der  Nase  zurückliegenden  unteren 
Schlitze  als  Maul.  Diese  Gliederung  in  drei  Falten  ward  sodann  für  das  Helm- 
visier auf  längere  Zeit  mafsgebend.  Der  Kragen  ist,  wenn  auch  vielleicht  mit 
eisernen  Einlagen,    doch  jedenfalls    aus   Filz   oder   Leder.     Erst   mit   dem    13. 


Fig-  4s. 

Jahrhunderte  sehen  wir  einen  an  der  Beckenhaube  befestigten  Ivinnschutz  aus 
Platten.  Wir  verweisen  hier  auf  die  in  Bronze  gegossene  Figur  des  Konrad 
V.  Weinsberg,  1  141(3,  auf  seinem  Grabmale  in  Schönthal,  wovon  wir  einen  Ab- 
gufs  besitzen,  und  dessen  Kojif  wir  hier  (Fig.  49)  wiedergeben.  Es  ist  ersichtlich, 
dals  auch  der  Ketlenkragen  durch  Stalilphitten  ersetzt  ist.  Keinen  Anfschlufs 
erhalten  wir,  ob  die  ganze  Helingloeke  aus  einem  Stücke  beslehl  (xlrr  aus  zwei 
senkrechten,  einem  vorderm  und  einem  hinteren,  uuddli  sodann  der  llals- 
kragen  ebenfalls  aus  zwei  Teilen  besteht  noch  wie  solche  verbunden  sind. 

In    unserem    Manuskripte  des    trojanischen  Krieges    vom  Jahre  1441    fällt 
die    grofse   Zahl   verschiedener  Helmformen    auf.    welche    wir    mindestens    zum 


-     02     — 

übei'vviegendeü  Teil  als  l)Cistehend  annehmen  müssen,  so  dafs  wir  in  Fij^.  oO  eine 
Zusammenslelhing'  geben.  Es  ist  bezeichnend,  dafs,  während  in  der  Rüstung 
des  gesamten  Körpers,  wo  solche  auftritt,  eine  gewisse  GleichmäCsigkeit  sich 
kund  gibt,  gerade  der  Helm  solch  groCse  Verschiedenheiten  zeigt.  Freilich  mag 
unter  den  in  unserer  Figur  gegebenen  Helmen  auch  mancher  sein,  welcher  älterer 
Zeit  angehört  und  so  zeigt,  daCs  die  damaligen  Leute  nicht  so  rasch  mit  der 
Beseitigung  von  WafTen  bei  der  Hand  waren,  an  welche  sie  sich  einmal  gewöhnt 
hatten;  aber  was  die  höchsten  ritterlichen  Kreise  trugen,  was  selbst  dem  Achilles 
und  dem  Hektor  beigelegt  wurde,  das  ist  doch  sicher  die  damals,  im  Jahre  1441, 


Fig.  49. 


neueste  und  für  die  beste  gehaltene  Art  der  Helme.  Es  ist  daher  interessant, 
diese  Bilder  näher  zu  betrachten.  Aus  unserem  jüngeren  trojanischen  Kriege 
von  1441  können  wir  die  allgemeine  Bemerkung  machen,  dafs  die  Spitzen  der 
Beckenhaubeu,  wenn  wir  dies  Wort  noch  beibehalten  dürfen,  zwar  noch  nicht 
ganz  verschwunden  sind,  dafs  aber  die  Glockenform  auch  häufig  oben  abgerundet 
ist,  dafs  die  Helme  einen  Kinnschutz  haben,  welcher  sich  mit  dem  Visiere  um 
denselben  Punkt  dreht,  dafs  die  Visiere  teilweise  vielseitig  durchlöchert  sind, 
wie  Fig.  16  u.  17,  teilweise  aber  auch  senkrechte  Schlitze  haben.  Auch  die  Reste 
der  Brünne,  die  Kettenkragen,  schwinden  mehr  und  mehr  und  es  tritt  ein 
aus  Platten  geschmiedeter  Halsschutz  auf. 

Zu  den  Lücken  in  der  Waffensammlung  des  Museums,  welche  sich  nur 
schwer  werden  ausfüllen  lassen,  müssen  wir  nun  auch  jene  rechnen,  welche  in 
der  Reihe  bestehen,  die  den  Übergang  von  der  Beckenhaube  zum  geschlossenen 
Helme  vor  Augen  führen  soll,  und  welche  durch  Helme  aus  der  ersten  Hälfte 
des  15.  Jahrhunderts  geschlossen  werden  müfsten.  Wir  haben,  soweit  wir  sie 
nicht  noch  zu  den  Beckenhaubeu  selbst  rechnen,  nur  ein  Stück,  welches  diesen 
Übergang  zum  Helme  bezeichnet,  aber  wol  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 


—     63     — 

aug-ehürl,  und,  wenn  auch  bald  nach  des  Mitte  desselben  zu  setzen,  schon  zu  den 
späteren  Stücken  dieser  Gattung  zu  rechnen  ist.  Es  ist  der  in  Fig.  51 — 34  zur 
Darstellung  gebrachte  Helm.  Er  wurde  vor  Jahren,  als  die  Mittel  des  Museums 
es  nur  selten  zuliefsen  solch  teuere  Ankäufe  zu  machen,  vom  Antiquar  Steiner 
in  Innsbruck  erworben;   woher  dieser  denselben  bekommen,    konnten  wir  nicht 


Fig.  50. 


erfahren  und  da  er  viel  aufser  Tirol  einkaufte,  so  ist  es  auch  leicht  möglich, 
dafs  er  diesen  Helm  von  auswärts  cingekaufl  halte.  Kr  ist  nicht  schwer  im 
Metall;  sein  Gesamtgewicht  beträgt  2  kgr.  Va-  besteht  blol's  aus  zwei  Stücl^en, 
der  gleich  der  Beckenhaube  an  der  hinteren  Seite  heruntin-  getriebenen  Glocke, 
welche  der  Koi)(form  genau  folgt,  so  dafs  sie  das  Haupt  des  Trägers,  wenn  sich 
innen  eine  Polsterung  befand,  genau  umsehlol's.  uinl  dem  Visier,  welches  das 
Gesicht,   zugleich    das  Kinn    deckend,    umschliel'st.      Das   Kehlen   eines  eigenen 


—     64     — 

Kinnstiickes  isl  ikmIi  ein  Morkiiuil.  welches  auf  allere  Zeit  deutet.  Die  so  genau 
dem  Kopfe  ang-epurste  Form  der  (jlocke  deutet  freilich  vielleicht  auf  spätere  Zeit, 
(leim  das  Manuskript  von  1441  zeigt  solche  Formen  nicht.  Das  Visier  ist  durch 
mehrere  horizontale  Gliederungen  helebt,  von  welchen  die  mittlere  etwas  weiter 
vorspringt,  als  die  obere  und  die  untere.  Der  mittlere,  mit  Löchern  versehene 
Vnrspniiig  liedeckt  die  Naso.     Der  obere  enthält  zwei  Sehschlitze,    der   untere 


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Fig.  51. 


Fig.  53. 


Fiff.'  54. 


zwei  Schlitze  zur  Lufteinnahme  durch  den  Mund.  Diese  beiden,  früher  so  be- 
trächtlichen Vorsprünge  sind  in  ganz  geringe  umgewandelt.  Man  wird  sofort 
erkennen,  dafs  es  dieselbe  Gliederung  ist,  wie  sie  die  Visiere  der  sogenannten 
Hundsgugeln  zeigen,  an  denen  jedoch  noch  die  zum  Kragen  gewordene  Brünne 
befestigt  ist.  Das  früher  absteckbare  Visier  dreht  sich  hier  nach  oben  um  eine  Niete. 
An  der  linken  Seite  des  Visiers  ist  ein  Knopf  mit  einer  Feder  (auf  der  inneren 


—    65    — 

Ansicht  [Fig.  ö2]  ist  die  scliräg-e  Feder  deutlich  erkennbiii)  zum  Feststellen 
desselben  augebracht.  Unterhalb  der  Schlitze  ist  noch  eiue  g-röfsere  Öifnung 
mit  gezahntem  Rande,  vvol  später  erst  im  Visiere  angebracht,  um  demselben,  da 
es  keine  Hundefratze  mehr  darstellen  konnte,  annähernd  den  Charakter  einer  Ge- 
sichtsfratze zu  geben,  vielleicht  aber  auch,  um  mehr  Luft  zum  Atmen  einzulassen. 
Der  Scheitel  und  Hinterkopf  zeigt  mehrere  Löcher,  von  denen  die  mittleren  vvol 
zur  Befestigung  einer  Helmzier,  etwa  Straufsfedern,  dienten,  die  übrigen  für  die 
Helmdecke,  welche  hinten  das  Haupt  umtlatterte.  Die  Polsterung  mag  gesondert 
auf  dem  Haupte  getragen  worden  sein.  Die  Löcher  am  unteren  Rande  dienten 
zur  Feststellung  eines  Verbindungsstückes  mit  Brust  und  Nacken.  Wenn  schon 
der  Helm  ganz  zur  Benützung  im  Ernstkampfe  geeignet  scheint,  so  zeugt  doch 
nicht  blofs  die  Vorbereitung  zur  Befestigung  von  heraldischem  Schmucke  auf  dem 
Helme,  sondern  auch  seine  Bemalung,  dafs  der  Träger  sich  überhaupt  heraldisch 
schmücken  wollte.  Von  dieser  Bemalung  sind  freilich  nur  noch  Reste  vorhanden. 
Doch  ist  er  in  der  Mitte  über  den  Scheitel  \veg  geteilt  und  noch  zu  erkennen, 


Fig.  55. 


Fig.  56. 


dafs  die  rechte  Hälfte  mit  (den  bayerischen?)  Wecken  weifs  und  blau  bemalt  war, 
während  auf  der  linken  Seite  roter  Grund  sich  erkennen  läl'st.  wobei  allerdings 
von  einer  etwaigen  heraldischen  Figur,  welche  vielleicht  auf  dem  roten  Grunde 
stand,  nichts  mehr  festzustellen  ist.  Es  mag,  wenn  einzelne  Spuren  wirklich  Reste 
von  Farbe  sind,  eine  schwarze  Figur  (was  jedoch  gegen  den  heraldischen  Ge- 
brauch sein  würde)  gewesen  sein,  welche  diesen  Teil  des  Helmes  schmürkle. 

Der  Helm,  welcher  in  Fig.  ;iö  u.  56  abgebildet  ist,  zeigt  nun  diejenige 
Form  vollkommen  ausgebildet,  welche  im  Schlufse  des  15.  Jahrhunderts  sich 
gerade  aus  der  vorangehenden  Form  entwickelt  hatte.  Was  dort  als  Visier  aus 
einem  Stücke  gebildet  ist,  ist  hier  in  zwei  sich  übereinander  wegschiebende,  um 
denselben  Drehpunkt  bewegliche  Teile  zerlegt.  Davon  ist  der  unlere,  ilas  Kiini- 
retr,  noch  mit  einem  Ansätze  /iir  Bedeckung  des  Halses  versehen,  der  Nacken 
ist  durch  einen  kleinen  (sonst  meist  dreinuilj  geschobenen  Ansatz  aji  ilem  Helme 
geschützt,  welcher  an  unserem  Exemplaie  abhanden  gekommen  isl.  Der  obere 
Teil  des  Visiers  zeigt  noch  ilie  Erinnerung  an  die  Geslall  der  abgeschwächten 
Hundsgugel;  noch  ist,   wie   beim  vorigen  Beispiele,   ein  spitzer  Vorsprung  für 


Mitteilungen  aus  dem  gorniau.  Natioualinuseuin.     IH1)2. 


IX. 


—    66     - 

die  Nase,  darUbei-  ein  schwächerer  mit  den  zwei  Sehschlitzen;  die  untere  Falle 
vor  dem  Munde  ist  Jedoch  verschwunden  und  das  Visier  geht  vom  Nasenvor- 
sprunge  bis  zu  in  uii  Irren  Rande  schräg;  acht  kleinere  Schlitze,  sowie  eine  An- 
zahl Löcher,  lassen  die  zum  Atmen  nötige  Lnft  eindringen.  Der  Helm  ist  aus  der 
Sammlung  des  Jetzt  verstorbenen  vormaligen  Direktors  des  Salzburger  Museums, 
Jobst  Schiirmaun,  als  er  nach  München  übersiedelt  war,  zu  uns  gekommen. 
Er  gehört  nicht  zu  den  seltenen  Formen  und  es  ist  daher  nebensächlich,  festzu- 
stellen ,  woher  er  ihn  erworben,  wol  aus  der  Gegend  um  Salzburg  oder  aus 
Kärnten,  woher  SchilTnumn  andere  Rüstungsteile  bekommen  hatte.  Er  wiegt 
1,80  kgr.    Eine  Waffenschmiedemarke  ist  nicht  zu  erkennen. 

Um  auch  in  diesem  Abschnitte  die  chronologische  Folge  einigermafsen  bei- 
zubehalten, fügen  wir  noch  in  Fig.  o7  ein  Stück  aus  dem  oben  erwähnten  Bilde 


Fig.  57. 

der  Schlacht  vor  Nürnberg  vom  Jahre  tö02  bei,  um  wieder  die  Mannigfaltig- 
keit der  damals  getragenen  Helmformen  zu  zeigen.  Freilich  ist  die  Zeichnung 
so  frei  und  tlüchtig,  daCs  es  schwer  fallen  müfste,  irgend  einen  Helm  zu  rekon- 
struieren. 

Deutlicher  tritt  der  Helm  an  der  Figur  des  Grafen  Hermann  von  Henne- 
berg auf  dem  bronzenen  Grabmale  in  der  Kirche  zu  Römhild'^^)  hervor,  welches, 
ein  Werk  Peter  Vischers,  in  Abgufs  das  germanische  Museum  ziert.  Es  ist 
als  gemeinsames  Denkmal  für  ihn  und  seine  Frau,  Elisabeth  von  Brandenburg, 
welche  1507  gestorben  ist,  gefertigt.  Der  Gatte  liefs  dasselbe  wol  sofort  nach  dem 
Tode  der  Elisabeth  fertigen  und  für  seinen  Todestag  in  dem  Inschriftsfriese  Raum, 
so  dafs  alsdann,  wenn  auch  er  gestorben  war,  die  Angaben  aus  dem  Metalle 
ausgehallen  werden  konnten.  Er  starb  jedoch  erst  1335.  Der  Meister  brauchte 
zur  Ergänzung  der  Inschrift  nicht   den  gesamten   ausgesparten  Raum ,   so  dafs 


45)  All/,,  f.  K.  (I.  (1.  V.  1882,  Sp.  100  und  Tafel. 


—     67     - 

beim  rechten  Ellbog-en  noch  ein  Teil  des  für  die  Schrift  stehen  gebliebenen 
Metalles  bis  heute  unbenutzt  ist.  Wir  erwähnen  diese  Thatsache  ausdrücklich, 
da  aus  ihr  hervorg'eht,  dafs  das  Grabmal  schon  bald,  vielleicht  sofort  nach  dem 
Tode  der  Frau  und  nicht  erst  nach  1535  g-efertig't  ist,  dafs  alfo  der  Helm  hier  unter 
die  Jahre  1507—1510  in  die  chronologische  Reihe  einzufügen  ist.  Er  ist  als  Fig.  58 
dargestellt.  Ob  indessen  der  Bildhauer  den  Helm  ganz  richtig  modelliert  hat? 
Zwar  erkennen  wir  die  vorn  bis  zur  Stirne  rückwärts  über  den  Hinterkopf  weg 
hinter  dem  Halse  sich  herabziehende  Glocke;  wir  erkennen  das  um  die  Rosette 
sich  drehende  Visier.  Wir  sehen  das  Kinnreff,  aber  wir  können  nicht  sehen, 
wie  dieses  beweglich  war  und  doch  ist  dies  ja  unerläfslich.  Wir  sehen  aber 
auch,  dafs  der  Hals  und  das  Kinnreff  unten  zusammen  einen  hohlen  Wulst 
haben,  in  welchen  der  obere  Rand  eines  dreimal  geschobenen,  aus  vier  Schienen 


Fig.  58. 

bestehenden  liulskragens  cingreifl,  dci'  auf  dem  lirusl hämische  und  ilcm 
Rücken  ruht,  während  der  Helm  einfach  auf  diesem  Halsschut.ze,  den  oberen 
Rand  deckend,  aufrulil.  Was  wir  aus  dem  Hennebergschen  Grabmale  am  deut- 
lichsten sehen,  das  ist  das  Aussehen  des  Kopfes  bei  aufgeschlageniMii  Visiere, 
welches  doch  wesentlich  von  jenem  abweicht,  das  sich  hol.  wenn  das  Visier  der 
Beckenhauben  des  14.  Jahrhunderts,  insbesondere  der  Huiidsgugol,  aufgeschlagen 
war,  das  ja  dauernd  gar  nicht  offen  gehalten  werden  konnte,  ohm^  (mii  unan- 
genehmes Bild  zu  zeigen.     (Vgl.  Fig.  48.) 

Wir  sind  mit  den  Helmen  vom  Ende  i]vs  15.  und  Beginne  dos  lü.  Jahr- 
hunderts in  das  Zeitalter  Kaiser  Maximilians,  des  letzten  Ritters,  einu'etrelen. 
welcher  bekaiuitlich  der  Kntwickelung  des  ^^'affenwesens  grofse  Aufmerksam- 
kril  scilcnkli'  nnil  iM'isiinlicIi  neue  Kriindungen  zu  niaclieii  bestrebl  \\;\y.  Kr 
trug  noch  in  seiner  Jugeml  die  Schalleiii  in  Vorbindung  mit  der  IMattenrüstung 
jener  Zeit  und  den  spitzen  Schuhschnäbeln.  AufointMii  Holzschnitte  von  Hurgk- 
mair  vom  Jahre  1518  B.  32  (im  Museum  unter  11.  Il>7  d(>s  Kupfcrstiohkabinottes 


Fig.  59. 


—     69     — 

vorhanden),  welchen  wir  hier  geben  (Fig-.  59),  trägt  er  einen  Helm,  welcher 
jenem  eben  vorgeführten  Hennebergischen  fast  vollständig  gleicht.  Bemerkens- 
wert ist  nur  die  Reihe  Löcher  um  die  GesichtsötTnung  im  Kinnreff,  sowie  der 
heraldische  Schmuck.  Die  Faltung  des  Visieres  hat  vier  herausstehende  Streifen. 
Des  Kaisers  eigene  Erfindung  sollen  nun  die  gestreiften  Harnische  gewesen 
sein,  zu  denen  natürlich  auch  gestreifte  Helme  gehören,  aber  bei  Behandlung 
des  gesamten  Harnisches  werden  wir  zu  zeigen  haben,  dafs  diefs  durchaus  nicht 
der  Fall.  Im  Weifskunig,  wo  er  in  einem  eigenem  Kapitel  seine  Erfahrung  in 
der  Plattnerei  und  seine  Verdienste  um  die  Umgestaltung  derselben  erwähnt, 
spricht  er  nicht  davon,  die  Arbeiter  in  der  Plattnerwerkstätte  fertigen  keine 
solchen  und  in  dem  ganzen  Bande  kommen  nur  ganz  vereinzelt  Reminiszenzen 
solcher  vor.  .Merkwürdigerweise  aber  gehen  diese  auf  jenem  Blatte  am  weitesten. 


Fi^.  00. 


t'if?.  (iL 


WO  der  Kaiser  im  (jes[)räch('  mit  einzelnen  lombardischen  Kriegern  dargestellt 
ist,  von  denen  er  lombardisch  lernt,  Krieger,  welche  man  etwa  als  Mailänder 
ansehen  kann.     Übrigens  ist  hier  nicht   der  Orl  zu  solcher  Untersuchung. 

Wir  bilden  hier  in  Fig.  60  u.  61  den  Helm^^)  einer  der  schönsten  unserer 
kannellierlen  Rüstungen  ab,  welche  Gurlilt'^^)  unter  Nr.  68  beschreibt.  Der  Helm 
hal  zwischen  den  Kannelliorungen,  welche,  wie  dies  bei  allen  solchen  die  Regel 
ist,  nur  den  Scheitel  der  (jlocke  decken,  drei,  vorn  und  hinten  in  eine  einzige  Spitze 
zusammenlaufende,  schi'äg  gewundene  Wulste.  Der  Schutz  der  Hinterseite 
des  Halses  isl  nii  hl  mit  der  Glocke  aus  demselben  Stücke  getrieben,  sondern 
am  unteren  Rande  derselben  aus  eiiii'iii  lirsoiultM-eii  Stücke  angenietet,  wobei 
der  unlere  Rand  der  Glocke  selbst,  die  über  das  Nackenslück  deckt,  unten 
in  runden  Bogen  ausgezackt   ist.    .\ii  dirsem  Xackenschutzstücke  und  dem  Kinn- 


46)  Der  Harnisch,  zu  wclclioiu  dieser  llcliii  jiclKn-i.  kam  (liircli  V('niiilllun}r  von  Droy 
in  Münclicn  aus  drv  .schon  ölten  erwiihnjeii  Satiimhiiin'  des  Dr.  \\  illiejnii  .  dainals  in  Horlin, 
in  die   unsrige.     Wir  hahen  dens(^lhen   im  An/eit^er  1".   K.  d.  d.   \.  1882,  Öp.  97/98  ahtjehiliiet. 

47j   Dontsche  TurnitM-e,   lUisInn^cn   und   Plaltner  t\fi<   Kl   .lalirhiiuderls.     Dresden   ISS'.I. 


70    — 


rt'llV'  isl  ein  i^Torscr  Wiilsl  lür  ilcii  iiiilt'i-rii  Huiul  durch  g'üwundeiie  Treiliarbeil; 
herg-eslellt,  in  welchciii  der  in  den  Wulst  eing-reifende  Kragen  umgeht.  Um 
dieselbe  Rosette,  um  welche  sich  das  Kinnreff  dreht,  dreht  sich  auch  das  Visier, 
welches  zu  vier  Vorsprüng-en  g-estaltet  ist,  hinter  deren  oberstem  die  Sehschlitze 
lieg-en,  während  in  den  drei  anderen  Falten  zwöH'LuftölT'nungen  ang-ebracht  sind. 
Ein  B'ederknnidchen  zum  Verschlusse  des  Visiers  läCst  sich  auf  der  rechten 
Seite  des  Helms  aus  der  Zeichnung-  erkennen  ,  ebenso  ein  Griff  der  angefaCst 
wurde,  um  das  V^isier  zu  heben  und  zurückzuschlagen.  Wir  gel)en  nebenstehend 
die   Marke,    welche    der   J3rustharnisch    träg't,   da    sie    bei    (Jurlitt   nicht    g-anz 

korrekt  wiedergegeben  ist.     Wendelin   Böheim  schreibt  den   Eisenhut, 
I  ^      aber  in  einem  Schilde,  dem  Plattner  Veit  zu.    Das  Gewicht  des  Helmes 

l)eträgt  2,75  kgT. 

Einer  sehr  schönen,  kannellierten  Rüstung-,  welche  breite  geätzte  Streifen 
(das  erste  Vorkommen  der  Ätzung  in  unserer  Watfensammlung)  zwischen  schmalen 
glatten  trägt,  gehört  der  originelle  in  Fig.  62  u.  68  abgebildete  Helm  an,  welcher, 


Fig.  62. 


Fi!?.  63. 


wie  der  vorige  drei,  so  zwei  Wulste  (Grate)  auf  dem  Scheitel  hat,  dessen  Visier 
aber  zu  einer  Schembartlarve  ausgetrieben  ist,  die  freilich  nur  sehr  naive  Gemüter 
zu  schrecken  vermag,  im  übrigen  durch  freundliches  Grinsen  eher  einen  er- 
heiternden Eindruck  macht.  Die  Augen  sind  neben  der  Treibarbeit  noch  durch 
Gravierungen  hervorgehoben,  die  Pupillen  durchlocht,  doch  befindet  sich  ein 
Sehschlitz  erst  oberhalb  der  Augen,  während  der  Zaun  der  grinsenden  Zähne 
die  Luft  zum  Atmen  einläfst.  Das  Kinnreff  dreht  sich  nicht  auf-  noch  abwärts, 
sondern  öffnet  sich  in  der  Mitte  des  Kinnes  und  dreht  sich  mittelst  Scharnieren 
nach  beiden  Seiten  ziemlich  weit  hinter  den  Kopf.  Ein  Haken  schliefst  dasselbe 
wieder;  ein  Federknopf  dient  zum  Festhalten  des  Visiers  am  Kinnreffe.  Ein 
Wulst  am  unteren  Rande  liefs  den  Helm  im  Kragen  umgehen.  Die  Ätzung  ist 
reizend.  Der  Harnisch  hat  die  Nürnberger  Beschaumarke,  zeigt  also  seine  Her- 
kunft von  dort  an.  Er  befand  sich  wol  im  Nürnberger  Zeughause,  ist 
aus  demselben  nach  Feistritz  entführt  worden  und  hat  erst  mit  der  Sulkowski- 
schen  Sammlung  den  Weg  nach  Nürnberg  zurück  gemacht.  Das  Gewicht  des 
Helmes  beträgt  8,0o  kgr. 


—     71     — 

Grleichfalls  aus  dem  Nürnberger  Zeughause  rührt  ein  anderer  Helm  her, 
welchen  wir  in  Fig-.  (34  u.  65  abbilden,  der  sich  jedoch  im  Besitze  der  Stadt 
erhalten  hatte  und  von  dieser  unserem  Museum  mit  einem  gotischen  Harnische 
übergeben  wurde.    Er  hat  dieselbe  Konstruktion  wie  der  in  Fig.  53  dargestellte, 


Fig.  64. 


h"\s.  Gb. 


geht  jedoch  nicht  im  Kragen  um,  sondern  legt  sich  mit  seinem  kleineren  Kragen 
über  den  Halsschutz  der  Rüstung.  Sein  Nacken  ist  dreimal  geschoben.  Der 
Schädel wulst  (Grat)  ist  etwas  höher,  als  bei  dem  vorhergehenden  Helme.  An 
der   rechten  Wange  befindet  sich  ein  Stäugelchen,  dessen  eines  Fnde  um  einen 


KiL'.  (')(■). 


Fip.  (V 


Knopf  drehbar  ist,  während  es  am  anderen  freien  Ende  einen  gabelförmigen 
Einschnitt  hat.  so  dafs  es  aulg(!stollt  und  das  Visier  damit  olTen  gehalliMi  werden 
konnte.  Er  hat  das  Nürnberger  Beschauzeichen  und  (hei  Punivtr.  Der  Helm 
hat  ein  Gewicht   von  2,15  kgr. 


—     72    - 

Einigfe  wenige  Sireilen  sind  noch  in  den  Scheitel  der  Glocke  des  nun  in 
unserer  Sammlung  folgenden  Helmes  einwärts  getrieben ,  an  die  gestreiften 
Rüstungen,  welche  in  der  That  nur  einer  ganz  kurzen  Zeit  angehören,  erinnernd. 
Wir  bilden  ihn  in  Fig.  66  u.  (i?  al).  Kr  hat,  wie  so  viele  vorher  und  nachher, 
keinen  Grat.  Wenn  er  auch  ein  wenig  gröfser  ist,  so  gleicht  doch  seine  Kon- 
struktion vollständig  jener  des  in  Fig.  Irö  abgebildeten.  Insbesondere  ist  die 
Konturlinie  des  Visiers  eine  ähnliche.  Der  Harnisch,  zu  welchem  er  gehüi-t,  trägt 
in  Ätzung  die  Jahreszahl  lo22,  zu  welcher  Zeit  man  also  die  alte  Form  noch 
trug,  welche  älter  ist  als  die  Erfindung  Maximilians  und  sie  überdauert  hatte. 
Es  ist  der  Helm  jenes  Harnisches,  der,  aus  dem  Nürnberger  Zeughause  nach 
Feistritz  gelangt,  dort  bis  zuletzt  als  solcher  des  Götz  von  Bcrlichingen  gegol- 
ten hat.  Das  geätzte  Wappen  auf  der  Brust  widerlegt  jedoch  diese  romantische 
Annahme.  Es  ist  nicht  das  Götzens.  Es  ist  mit  seinen  drei  Rädern  im  Schilde 
jenes  der  Familie  Steinrück,  gen.  Steinau;  auf  Götzens  Grabstein  erscheint  es 
freilich  auch;  aber  als  das  der  zweiten  Ehefrau  seines  Vaters  Kilian,  welche 
dieser  Familie  angehörte,  während  Götz  der  dritten  Ehe  seines  V'aters,  mit  einer 
gebornen  von  Thüngen,  entstammt.  Der  Brustharnisch  trägt  das  Nürnberger 
Beschauzeichen.  Der  Helm  hat  ein  Gewicht  von  2,60  kgr.  Die  Helme  dieser  Form 
sind  unter  dem  Namen  Burgunderhelm,  Bourgoiguon,  bekannt  und  haben  ihre 
schönste  Entwickelung  in  der  folgenden  Periode,  wo  noch  viel  von  ihnen  zu 
handeln  sein  wird. 

VIII. 

Den  Stech  hei  men   ähnliche  Kriegshelrae. 

Unter  den  verschiedenen  Helmformen,  welche  schon  in  den  Bilderhand- 
schriften   des    trojanischen    Krieges   vom    Schlüsse   des   14.  Jahrhunderts   und 


Fig.  68. 


von  1441  sowie  auf  dem  Bilde  der  Schlacht  bei  Nürnberg  lo02  sich  zeigen,  kommt 
auch  eine  solche  nicht  selten  vor,  welche  den  alten  Topfhelm  in  neuer  Gestalt 
vorführt.    Wir  geben  hier  in  Fig.  68  einige  solche  Helme  aus  dem  Trojanerkriege 


-     73     — 

von  1441  wieder.  (Vergl.  auch  Fig.  18,  Fig-.  29  u.  Fig.  50.)  Ein  Beispiel  eines 
solchen,  nicht  mit  den  Turnierhelmen  zu  verwechselnden  Kriegshelmes,  besitzt 
das  germanische  Museum  ebenfalls  und  wir  bilden  dasselbe  in  Fig.  69  u.  70  ab. 
Der  Helm  konute,  gleich  dem  Topfhelme,  nur  von  oben  über  den  Kopf  gestülpt 
werden.  Da  er  zur  vollen  Plattenrüstung  getragen  wurde,  die  herabgehenden 
Enden  auf  dem  Rücken  und  der  Brust  desselben  befestigt  wurden,  so  ist  nicht 
anzunehmen,  dafs  eine  Beckeuhaube  darunter  getragen  wurde,  vielmehr  wol  blofs 
eine  Polsterkappe.  Der  Helm  besteht  aus  zwei  Stahlblechen,  welche  nach  oben 
erweitert,  an  der  Seite  vernietet  und  mit  einem  dritten  bedeckt,  eine  feste  Hülle 
bildeten,  die  den  gesamten  Kopf  umfafste.  Eine  kleine  blattförmige  Verdoppelung 
am  Hinterkopfe  schmückt  unser  Stück  mehr,  als  es  dasselbe  verstärkt.  Das  Glewicht 


Fig.  69. 


FiL'.  70. 


beträgt  8,lö  kgr.  Das  Stück,  welches  auf  den  Schultern,  wie  auf  BrusL  uiul 
Rücken  des  Reiters  aufruhte,  beschwert  also  denselben  genug,  um  ihn  nicht 
auch  noch  eine  Beckenhaube  dazu  wünschen  zu  lassen.  Die  Stärke  des  Stahles 
isL  indessen  nicht  wesentlich  gröfser,  als  bei  den  meisten  Helmen.  iMohr  als 
diese,  macht  ihn  seine  Gröfse  schwer.  Der  obere  Deckel  verschliefst  die  Öffnung 
des  Helmes  nicht  ganz,  sondern  lüCst  eine  kleine  Fläche  vorn  offen.  Es  ent- 
steht so  ein  Sehschlil/,  von  l)ulrächl lieber  Gröfse.  Aber  er  liegt  über  der 
Augenhöhe  und  das  jjicht  fällt  senkrechl  von  oben  ein,  so  dafs  zwar  der  Kopf, 
inshesondere  das  tiesicht  gegen  Hieb  und  Stich  Schulz  fand,  aber  der  Träger 
den  Gegner  nur  sehen  konnte,  wenn  er  den  Kopf  zicMiilich  tief  lierabbtMigte. 
Dann  aber  konnte  ein  Pfeil  leicht  das  Gesicht  treffen,  wie  Itoi  Kig.  68  er- 
sichtlich   ist.     Es    mag    ein    hübsches  Ohrensausen    gegeben   haben,    wenn  der 


Mitteiluugeu  aus  dem  güriiiuii.  Natiuuuliiiuseuin.     1892. 


X. 


—     74     — 

Kopf  in  dem  eiseruen  geschlossenen  Zylinder  steckte,  der  nur  über  dem  Scheitel 
eine  Öffnung-  hatte,  den  Sehschlitz,  der  7Aig:leich  den  Lufteinlafs  vermittelte. 
Diese  unangenehme  Wirkung-  auf  die  Ohren  zu  beseitig-en,  diente  ein  Schlitz 
auf  der  Seile  g-erade  ungel'ähr  an  der  Stelle,  wo  das  Ohr  des  Trägers  sich  be- 
fand, und  welcher  als  Gehürschlitz  zu  bezeichnen  ist. 

Eine  Anzahl  Lücher  au  dem  Helme  haben  uns  noch  zu  beschäftigen;  ein 
Paar  Lck-her  im  Scheitel  und  ein  solches  Paar  zu  jeder  Seite  der  Deckplatte 
dienten  zur  Befestigung  der  Helmdecke  und  des  Zimiers,  falls  der  ritterliche 
Träger  dieses  Helmes  solche  anzubringen  beliebte.  Auf  den  Abbildungen 
Fig.  17,  48  u.  57  finden  wir  solchen  Schmuck  jedoch  nicht.  Die  Polsterkappe 
gab  eine  gehörige  Wattierung  des  Kopfes  ab,  der  nicht  jeden  Hieb  fühlen 
sollte,  welcher  auf  den  Helm  traf,  und  auch  den  Druck  des  Helmes  selbst 
gemildert  finden ,  sich  dagegen  vollständig  fest  in  demselben  fühlen  sollte. 
Diese  Polsterkappe  wurde  unter  dem  Kinne  festgebunden,  hatte  aber  beiderseits 
je  zwei  Paare  Schnürriemen,  deren  freie  Enden,  durch  Löcherpaare  herausge- 
schoben, es  gestatteten,  dafs  der  Helm  noch  jederseits  an  zwei  Stellen  mit  der 
Polsterkappe  verknüpft  wurde.  In  jedes  Loch  der  Reihe,  welche  unten  rings 
um  den  Hals  geht,  griff  ein  an  Brust  und  Rücken  des  Harnisches  befestigter 
Haken  ein,  so  dafs  der  Helm  von  dem  Harnische  getragen  wurde.  Dafs  etwa 
eine  Schraube  in  jedem  Loch  befestigt  worden  wäre,  ist  doch  der  Umständlich- 
keit wegen  kaum  anzunehmen,  höchstens  eine  oder  mehrere  auf  der  Brust 
konnten  etwa  die  Befestigung  des  Helmes  an  dieser  und  ähnliche  auch  jene  am 
Rücken  bewirken.  Vielleicht  lief  auch  ein  leinener  oder  lederner  Schnürriemen, 
ein  Nestel  mit  messingenem  Stifte  an  der  Vorderseite  und  ein  ähnlicher  an 
der  Rückseite,  welche  beide  an  einem  Polsterkragen  befestigt  waren,  durch 
den  Ring  von  Löchern  und  wurden  auf  den  beiden  Schultern ,  wo  doppelte 
Löcher  sind,  herausgezogen  und  gebunden,  so  dafs  doch  der  Kopf  mit  dem 
schweren  Helme  nicht  vollständig  bewegungslos  auf  dem  Körper  safs,  sondern 
dafs  die  Elastizität  des  gepolsterten  Kragens  und  der  Polstermütze  doch  einige 
Bewegung  zuliefs.  Das  sehr  merkwürdige  Stück,  welches  keinerlei  Marke  trägt, 
gehörte  der  Sulkowskischen  Sammlung  an.  Ganz  entgegengesetzt  in  vieler 
Beziehung  ist  die  Aufgabe  der  Turnierhelme ,  von  welchen  zu  reden  wir  bald 
Anlafs  haben  werden. 

IX. 

Hauben. 
Kaiser  Maximilian  I.  bildete  in  seinem  Heere  das  Landsknechtswesen  aus. 
Es  waren  diese  Landsknechte,  wie  das  Wort  sagt.  »Knechte«  und  so  grofs  auch 
deren  Bedeutung  war,  so  weit  ihr  Stolz  ging,  sie  hatten  doch  knechtische 
Waffen;  die  schwere,  ritterliche  Wehr  durften  sie  nicht  tragen,  schon  aus  dem 
Grunde  nicht,  weil  ihre  Beweglichkeit  und  Manövrierfähigkeit  darunter  gelitten 
haben  würde.  Als  Kopfbedeckung  trugen  sie  meist  das  Barett  aus  Tuch.  In- 
dessen wollten  auch  sie  eine  eiserne  Kopfbedeckung  nicht  stets  missen  und 
wir  sehen  auf  Abbildungen,  dafs  sie  teilw^eise  eiserne  Hirnhauben  trugen,  welche 
nichts  anderes  sind,  als  die  alten  Beckenhauben  einfachster  Konstruktion,  wie 
wir  z.  B.  solche  in  unserer  Fig.  6  kennen  gelernt  haben.  W^ir  sehen  auch  den 
mit   der  Haube   verbundenen    Panzerkragen   wieder   auftauchen.     In    den    Fig. 


—     7ö     — 

71  u.  72  geben  wir  Nachbildungen  der  Köpfe  solcher  holzschnittlich  verbreiteter 
Landsknechtsfig'ureu ,  welche  noch  der  Maximilianischeu  Zeit  angehören^  wenn 
auch  ihre  Veröffentlichung  durch  H.  S.  Beham,  Melderaaun,  Guldenmund  u.  A. 
noch  ein  bis  zwei  Jahrzehnte  nach  Maximilians  Tod  fortgesetzt  wurde.    Unsere 


Fig.  71. 


Fig.  72. 


Sammlung  hat  aber  auch  solche  Hirnhauben  in  Original.  Da  ist  eine,  welche  wir 
gar  nicht  abzubilden  brauchen,  weil  sie  beinahe  mit  Fig.  6  übereinstimmt,  nur 
dafs  nicht  der  dichte  Kranz   von  Löchern  vorhanden  ist.   in  welchem  dort  das 


^^ 


Flg.  73. 


Fig.  74. 


Keltongenpchte  angeschlossen  war.  Es  sind  vielmehr  nur  wenige  Löcher,  um 
eine  Polsterung  und  vielleicht  einen  woIIciumi  oder  ledernon  ihilskragcn  z\i  be- 
festigen.    Wir   haben    das  Stück   einem   Wiener  Saiiniilcr    zu    daiikcii .    der    eine 


71)      — 


jjrüfsere  Zulil  soU-hci-  hcsafs.     Es  ist  im  Eisen  ein  ivleiu  wenig-  stärker,   als  das 
in  Fig-.  6  darg-estelltc  und  wiegt  0,75  kgr. 

Dagegen  bilden  wir  ein  Häubchen  ab  (Fig.  73),  welches  sich  nicht  so 
dicht  dem  Kopfe  anschlieCst,  vielmehr  mit  llachem  Scheitel  versehen,  über 
dem  Haupte  des  Trägers  etwas  Luft  läfst.  Zu  beiden  Seiten  hängen  in  Schar- 
nieren runde  Klappen  als  Schutz  der  Ohren  und  Wangen,  zugleich  zur  Befesti- 
gung von  Sturmbändern  aus  Lederriemen,  welche  unter  dem  Kinne  geschnallt 
wurden.  Wir  besitzen  deren  einige  Stticke  mit  leichten  Varianten  der  Form 
und  teilweise  mit  getriebenen  Verzierungen  auf  der  Backenklappe.    Sie  stammen 


Fig.  75. 


i<ig.  76. 


sämtlich  aus  der  Rüstkammer  der  freiherrlich  v.  Künsbergschen  Famihe  zu 
Wernberg  in  Oberfranken,  jener  in  der  Reihe  der  Förderer  unserer  Anstalt  so 
hervorragenden  Familie,  die  durch  geschenkweise  Überlassung  fast  des  gesamten 
Bestandes  ihrer  Rüstkammer  die  Waffensammlung  des  germanischen  Museums, 
welche  bis  dahin  nur  wenige  Stücke  umfafst  hatte,  erst  eigentlich  begründete. 
{Ebendaher  kommen  auch  einige  andere  Hirnhäubchen,  von  denen  wir  eines 
in  Fig.  74  abbilden,  die  auf  dem  flachen  Scheitel  drei  gewundene  Wulste  haben. 
Sie  sind  nicht  selten,  w^aren  meist  mit  rotem  Sammet  bezogen,  so  dafs  nur  eben 
die  blank  geputzten  Wulste  aus  dem  Sammet  hervorsahen,  was  diesen  Waffen 
ein  ebenso  elegantes  als  einnehmendes  Aussehen  gab,  so  recht  geeignet,  die 
Landsknechte  von  der  glänzenden  Seite  zu  zeigen. 


—     /  /     — 

Noch  sei  hier  in  Fig-.  75  ein  anderes  Häubchen  tlargestelll,  jenen  nachge- 
bildet, die  in  Sammt  und  Seide,  mit  Stickereien  besetzt,  von  vornehmen  Herren 
als  bürg-erliche  Tracht  g-etrag-en  wurden  (vergl.  Fig.  76),  wie  gerade  damals  ja 
auch  die  geschlitzten  Hosen  und  Wämser  der  Landsknechte  von  treibkuudigen 
Plattneru  in  Stahl  nachgebildet  wurden.  Es  war  nur  eben  ein  Schutz  des 
Hinterhauptes  und  auch  so  nicht  schwer,  nicht  bestimmt,  unter  einer  gröfseren 
Kopfbedeckung  getragen  zu  werden.  Die  Landsknechte  sollten  ja  allseitig  be- 
weglich augreifen  und  durch  Ungestüm  des  Angriffes  siegen.  Unser  Stück  hat 
ein  Gewicht  von  0,75  kgr.  Es  ist  gleich  dem  Scheitel  der  Helme  «maximiliaui- 
scher«  Rüstungen  kannelliert.  Das  Museum  hat  dasselbe  vor  Jahren  von  Pickert 
erworben. 

Mit  diesem  Häubchen  ist  alles  abgeschlossen,  was  in  Bezug  auf  Maxi- 
milians L  Zeit  sich  von  den  Helmen  sagen  läfst,  die  im  Kampfe  getragen 
wurden  und  in  unserem  Museum  vertreten  sind. 

X. 

T  u  r  n  i  e  r  h  e  1  m  e. 

Noch  haben  wir  aber  eine  Reihe  von  Helmen  anzuführen,  wenn  jene  des 
Museums  bis  zur  Zeit  Kaiser  Maximilians  L  besprochen  werden  sollen,  die 
Turnierhelme.  Wir  wissen  ja,  dafs  gerade  der  Kaiser  es  war,  dessen  ritterlichem 
Sinne  die  Turniere  in  der  Form ,  wie  sie  damals  zur  Ausführung  kamen ,  die 
höchste  Förderung  zu  danken  hatten,  wir  wissen,  dafs  er  der  Umgestalter  des 
Turnierw^esens  war,  wie  er  dasselbe  schützte  und  verbreitete.  Das  germanische 
Museum  ist  durch  die  Erwerbung  der  Sulkowskischen  Sammlung  in  den  Besitz 
sehr  schonen  und  trefflichen  Turnierzeuges  aus  Kaiser  Maximilians  Zeit  in  ziem- 
licher Zahl  gekommen,  und  das  Direktorium  hat  jedenfalls  Veranlassung,  den 
Freunden  der  nationalen  Anstalt  einmal  im  Zusammenhange  von  diesem  Turnier- 
zeuge zu  erzählen,  so  dafs  wir  lange  Bedenken  trugen,  hier  blofs  die  Helme 
zu  betrachten,  obwol  es  uns  der  Titel  dieses  Aufsatzes  vorschreibt.  Und  doch 
würde  der  Aufsatz  ja  eben  unvollständig  sein,  wollten  wir  hier  von  den  Turnier- 
helmen absehen.  Dazu  kommt,  dafs  Schild  und  Helm  eine  Bedeutung  haben, 
welche  weit  über  jene  hinausgeht,  die  ihnen  als  Waffen  zukonmit.  da  sie  als  Träger 
des  heraldischen  Schmuckes  als  Grundlage  der  Heraldik  anzusehen  sind.  So- 
weit nun  auch  die  Kunst  des  Wappenzeichnens  sich  gestattet,  in  ihren  Formen 
über  die  Grenzen  hinauszugehen,  welche  jene  beiden  Waffenstücke  in  der  histori- 
schen Folge  der  Entwickelung  des  Waffenwesens  innc  gehalten  haben .  so  hat 
sie  doch  immer  wieder  auf  die  Originalformen  zurückzugehen .  welche  die 
Waffen  selbst  trugen  und  da  stehen  ihr  naturgemäls  keine  näher,  als  jene, 
welche  im  Turniere  getragen  wurden,  dem  ritterlichen  Spiele,  in  welchem  die 
Heraldik  eine  so  grofse  KoUe  spielte.  Aber  wir  lassen  jede  Befrachtung  der 
Turniere  uiul  des  Turnierzeuges  im  allgemeinen  beiseite  und  halten  uns  lediglich 
an  die  Helme. 

Es  sind  nun  vorzugsweise  drei  Formen  di'r  Helme .  wrlclic  den  drei 
Hauptgattungen  des  Turniers  entsprechen,  deren  jede  wieder  mehrere  Unterarten 
entwickelt  hatte.  Alle  dici  sind  sind  im  germanischen  Museum  vertreten.  Sie 
schliefsen  alle  an  Helme  an,  welche  uiieli  im  Ernslkampl  dieiilen:  in>|iriinglich 


78 


g-ab  es  wol  ii:ar  keine  besonderen  Waffen  für  tlie  Turniere,  denn  auch  der  alte 
Topfhelm  wurde  ja  im  Ernstkampfe  getragen ,  nur  dort  bald  aufser  Gebrauch 
gesetzt,  während  er  im  Turniere  beibehalten  wurde;  aber  zur  Zeit  Maximilians 
ist  der  Turnierzeug  bereits  in  charakteristischer  Weise  umgestaltet.  So  viel  die 
Helme  im  Ernstkampfe  Sicherheit  gegen  Angriffe  bieten  sollten,  so  durften  sie 
doch  die  Beweglichkeit  nicht  zu  sehr  beeinträchtigen,  sie  durften  nicht  blofs 
für  die  Defensive  geeignet  sein,  sie  mufsten  auch   dem  Ritter  die    nötige  Frei- 


Fig.  77. 


Fis 


heit  für  den  Angriff  lassen,  denn  nur  siegreicher  Angriff  konnte  zum  Erfolge 
führen.  Beim  Turniere  aber  handelte  es  sich  darum,  nur  gegen  ganz  bestimmte, 
durch  die  Regeln  allein  gestattete  Stöfse  gerüstet  zu  sein;  aber  auch  so  gerüstet, 
dafs  sie  für  den  Getroffenen  unschädlich  waren,  denn  auch  der  Helm  konnte 
getroffen  werden;  im  sicheren  Treffen  des  Gegners  lag  der  Erfolg,  wenn  der 
Stofs  stark  genug  und  richtig  geführt  wurde,  aber  der  Getroffene  durfte  durch- 
aus keinen  Schaden    nehmen ,   denn   es  handelte   sich   nur    um    eine  ritterliche 


— .    79    — 

Übung   zwischen   Freunden,    die   auch   nach   der   Übung   Freunde  bleiben 
wollten  und  sollten. 

Die  erste  Art  der  Helme  sind  die  beim  »Stechen«  dienenden.  Sie  haben 
sich  aus  den  alten  Topfhelmen  des  14.  Jahrhunderts  entwickelt;  sie  gehen  mit 
den  Stechhelmen  parallel,  welche  für  den  Ernstkampf  hergestellt  wurden  und 
von  denen  wir  in  Fig.  69  ein  Beispiel  abbilden  konnten.  Für  den  Turnierge- 
brauch wurden  sie  nun  gefertigt,  wie  Fig.  77  u.  78,  gleichfalls  aus  drei  Platten 
zusammengesetzt,  sie  zeigen.  Unsere  Figuren  führen  einen  der  zu  ganzen 
Turnierrüstungeu  gehörigen  Stechhelme  des  Museums  vor  Augen,  deren  sieben  fast 
ganz  identische,  nur  eben  durch  Einzelheiten  und  die  Plattnermarken  von  einander 
unterschiedene  zu  uns  gekommen  sind,  eine  Fülle,  auf  welche  wir  vorher  nie  zu 
hoffen  gewagt  hätten.  Verglichen  mit  jenem  in  Fig.  69  abgebildeten,  fällt  vor  allem 
die  gröfsere  Stärke  des  Stahles  auf,  die  unserem  Turnierhelme  ein  Gewicht  von 
8,40  kgr.  gibt,  andere  sind  noch  schwerer;  die  zweite  Bemerkung,  welche  wir 
machen,  bezieht  sich  auf  die  geringere  Höhe,  die  gröfsere  Breite  des  Helms  und  die 
breite  Auflage  desselben  auf  der  Schulter.  Nehmen  wir  dazu  die  sofort  ersichtliche 
andere  Befestigungsart,  so  zeigt  sich  die  Aufgabe  des  Turnierhelmes  als  eine  von 
jener  beim  Ernstkampfe  ganz  verschiedene.  Dafs  unsere  Turnierhelme  eleganter 
gearbeitet  sind,  als  der  oben  augeführte,  verwandte  Kriegshelm  kaon  nicht  auftallen. 
Wenn  hier  bei  dem  abgebildeten  Helme  die  Kanellierung  des  Deckblechs ,  die 
durch  kleine  Bogen  gesäumten  Ränder,  der  starke  Grat,  die  messingenen 
Rosetten  um  die  Schnürlöcher,  die  Ausbildung  der  Gehöröffnung  zu  einem 
gotischen  Fenster,  die  Zierlichkeit  der  Schnallen  uns  auftällt,  so  zeigen  alle 
diese  Kleinigkeiten,  dafs  man  den  Helm  eben  als  Spielzeug  vornehmer  Herren 
anzusehen  hat.  Auf  dem  Grate  liegt  oben  ein  schmaler  federnder  Blechstreifen 
um  die  Helmdecke  sowie  die  Helmzier  zu  fassen.  Zwei  Rosetten  vor  und  zwei 
hinter  demselben  auf  dem  Grate  dienten  zur  weiteren  Befestigung  der  damit 
verbundenen  Helmdecke  und  des  mit  ihr  verbundenen  Zimiers.  Dazu  dienten 
noch  je  zwei  Löcher  auf  jeder  Seite  des  Deckbleches  und  des  Schädelbleches; 
die  zwei  horizontal  nebeneinder  stehenden  unterhalb  und  oberhalb  der  Gehör- 
öffnung dienten  zum  Festbinden  einer  Polsterhaube  im  Helme  ^s),  welche  die 
Stöfse  milderte,  die  etwa  auf  den  Kopf  hätten  wirken  können.  Besonders  wich- 
tig war  aber  die  feste  Verbindung  des  Helmes  mit  der  Harnischbrust  und  dem 
Rücken  für  die  Sicherheit  des  Turnierenden.  Brust ,  Rücken  und  Stechhelm 
mufsten  zu  einer  absolut  unverschieblichen  Einheit  noch  mit  den  Bauchreifen 
verbunden  werden,  in  welcher  der  Träger  der  Rüstung  lose  safs  und  deren  Last, 
vermittelt  durch  den  Beinschutz,  nur  den  Sattel  beschwerte.  Delshalb  war  am 
Rücken  eine  ülTnung,  in  welche  ein  vom  Helme  tief  herabgehender  Hak(Mi  eingrill' 
und  sodann  durch  Bewegung  einer  Schraube  soweit  in  die  Höhe  gezogen  wurde, 
dafs  er  den  in  der  Öffnung  liegenden  Teil  des  Rückenbleches  fest  fafste  und  so- 
mit verhinderte,  dafs  der  Helm  sich  vor-  oder  rückwärts  neigen  konnte.  Drei 
mächtige  Schrauben  mit  grofsen,  innen  belindlichen  Köjiten   gingen  von    innen 

48)  Es  lag  zwar  nicht  viel  daran,  dafs  diese  Polslerliaubc  atn  lloltnc  liofosliiit  \vtir<lo; 
allein  sie  konnte  nicht  gut  auf  dem  Kopfe  des  Trägers  bt'fi\sligt  worden  und  so  wurde  sie 
eben  am  Helme  angeschnürt.  Vier  doppelte  Bänder,  zwei  auf  jeder  Seite,  waren  daran 
befestigt;  die  Haube  wurde  eingelegt  und  die  Nesteln  durch  die  Rosetten  nach  aul'seii  ge- 
schoben und  alsdann  aul'sen  jedes  solche  Bäruierpaar  festgeknüpft. 


80     — 


Fi^.  79, 


Fig.  80. 


XI. 


—    82    — 

tlurch  drei,  den  in  der  Briisfplafle  des  Holmes  entsprechende,  im  Bruststücke 
des  Harnisches  bellndliche  Lücher  hervor,  am  freien  vorderen  Ende  mit  einem 
Schraubong'owinde,  in  welches  je  eine  gTofse  Schraubenmutter  pafste,  die  vorn 
ani;o'^<"liiaubt  wurde,  so  dafs  der  Helm  vorn  ebenso  lest  mit  iler  Brust  ver- 
bundeil  wurde,  als  hinton  mit  dem  Rücken,  ohne  daCs  er  auf  den  Schultern 
des  Turnierenden  auflag',  welcher  auch  seinen  Kopf  im  Helme  frei  beweg-en 
konnte.  Ein  LanzenstoCs,  welcher  auf  den  Helm  traf,  zog-  dadurch  den  Kopf 
des  Trägers  nicht  ins  Mitleid;  es  war  g-anz  genau  so,  als  ob  die  Brust  ge- 
trofTen  worden  wäre;  ja,  die  vielen  Stöfse,  welche  an  unseren  Hehiien  in  der 
Halsgegend  ihre  Spuren  zurückgelassen,  zeigen  deutlich,  dafs  man  gerade  dahin 
die  Stöfse  mit  Vorliebe  richtete.  Auf  der  Schulter  liegen  Schnallen,  an  welchen 
der  Armzeug  befestigt  wurde,  während  zwei  andere  Schnallen  an  der  Rückseite 
Riemen  trugen',  die,  um  den  Hals  vorgehend  und  vorn  geschnallt,  den  festen 
Zusammenhalt  des  Helmes  vermeinten.  Zu  erwähnen  haben  wir  noch,  dafs  der 
hier  abgebildete  Helm  kein  Meisterzeichen  trägt,  während  die  übrigen  zu  Harni- 
schen gehören,  welche  durch  das  Nürnberger  Beschauzeiehen,  zwei  überdies 
noch  durch  Marken  des  Meistors  Valentin  Siebenbürger  bezeichnet  sind. 

Für  die  heraldischen  Zeichner  blieb  stets  der  Stechhelm  die  beliebteste 
Helmform;  indessen  nahmen  es  die  wenigsten  sehr  genau  und,  ebenso  wie  die 
Formen  der  Schilde,  so  waren  auch  jene  der  Helme  meist  der  Phantasie  entnom- 
men, selten  einem  Originale  entsprechend.  Nur  auf  Albrecht  Dürers  Wappen- 
zeichnungen ist  alles  klar.  Sein  Wappen  mit  dem  Hahn  als  Kleinod  (B.  100) 
zeigt  uns  die  Nesteln  aus  den  Löchern  hervortretend  und  zusammengebunden. 
Es  zeigt  den  Stechhelm  schräg  von  vorne,  während  bei  dem  Wappen  mit  dem 
Todtenkopfe  und  einem  Fluge  (B.  101)  als  Helmzier  der  Helm  ganz  von  der  Seite 
gesehen  ist.  Bei  beiden  Helmen  raufs  er  die  ornamental  so  reich  ausgebildete 
Helmdecke  aus  Leder  modelliert  gedacht  haben.  Bei  dem  Hahne  hat  er  den 
vorderen  Teil  abgeschnitten  gezeigt,  so  dafs  die  zwei  Rosetten  auf  dem  Grate 
leer,  bei  jenen  auf  dem  Deckbleche  die  Nesteln  blind  aufgebunden  sind.  Er  hat 
dies  lediglich,  um  seine  Helmstudie  genau  verwenden  zu  können,  gethan,  denn 
jeder  Techniker  wird  erkennen,  dafs  eine  solch  schwere  Helmdecke  auf  dem  Helme 
nicht  halten  kann,  wenn  nicht  auch  die  drei  vorderen  Nesteln  zur  Befestigung 
verwendet  sind.  Die  Helmdecke  und  -zier  hatten  die  Tendenz,  vom  Helme  rückwärts 
herunterzugleiten,  und  da  der  ganze  Turnierzeug  zu  einer  Einheit  verschraubt  ist, 
diese  Einheit  und  damit  den  Turuierenden  nach  rückwärts  zu  ziehen,  gerade  so, 
wie  es  sein  Gegner  wünschen  mufs.  Wir  geben  in  Fig.  79  das  Wappen  mit  dem 
Hahne  wiederund  stellen  ihm  in  Fig.  80  jenes  mit  dem  Totenkopfe  gegenüber^^). 
Aus  diesem  wird  es  noch  deutlicher,  was  Dürer  gemeint  hat.  Er  wollte  nicht  die 
Zeichnung  des  Helmes  teilweise  durch  die  bewegte  ornamentale  Helmdecke  unsicht- 
bar machen,  hat  daher  nur  die  rechte  Seite  derselben  gezeichnet,  jene  der  linken 
aber,  die  hier  die  V^orderseite  wäre,  ganz  weggelassen,  so  dafs  selbst  der  Grat 
des  Helmes  sichtbar  wird,  da  er  gleichzeitig  den  Schmuck  über  den  Helm  in 
die  Luft  gehoben.  Die  hinteren  Rosettchen  sind  daher  sichtbar  und  die  Nesteln 
gehen  durch  dieselben  in   der  Luft   in  die  Höhe.    Die  Schleife   derselben   mufs 


49)  Wir  verdanlien  die  Ül)erlassung  der  Cliches  zu  diesen  beiden  Dürersclien  Wapi)en 
ebenso  wie  zu  dcni  Burgkniairschen  Maximilian   ilciiii   Dr.  (!.   liiilli  in  Mündien. 


—     S3     — 

zwischen  den  beiden  Flüg-eln  stehen,  ist  also  nicht  sichtbar.  Von  den  anderen 
Rosettchen  läfst  sich  auf  unserem  Abdrucke  nur  eines  mit  einer  Nestel  er- 
kennen. Es  müssen  derem  auch  zwei  und  ihre  Schleife  hinter  dem  aufge- 
bog-enen  platte  in  der  Tiefe  der  Mulde  sein,  welche  sich  hinter  dem  vorderen 
Rande  des  linken  Flügels  unseres  Helmes  bildet.  Zu  bemerken  ist  noch,  dafs 
Dürer  es  nicht  unterlassen  hat,  die  vom  Helme  herabhängende  Rückenschraube 
zu  zeichnen. 

Eine  zweite  Gattung  Helme,  von  welcher  wir  ebenfalls  vier  Stück  haben 
und  in  Fig.  81  und  82  einen  abbilden,  sind  jene  für  das  Rennen.  Sie  gleichen 
den  Schallern  und  hiefsen  »Rennhüte«.  Auch  sie  hatten  mit  den  zugehörigen 
Harnischen  im  Anfange  des  Jahrhunderts  den  Weg  nach  Feistritz  gemacht  und 
kamen   mit   der  Sulkowskischen  Sammlung   in    das  germanische  Museum.     Zu 


B'ig.  81. 


Fig.  82. 


jedem  Rennhute  gehörte  die  ßarlhaul>e,  welche  mit  der  Rennbrust  verschraubl 
war,  während  der  Hut,  aufser  jeder  Verbindung  mit  dem  Harnische,  auf  dem 
Kopfe  ruhte.  Wie  die  Zeichmiiigen  ersehen  lassen,  ist  der  Rand  des  Hutes  an 
der  Vorderseite  von  der  Hehnglocke  aus  dem  ihr  anhaflenden  Stahle  abwärts 
getrieben,  an  den  Seiten  und  rückwärls  ai)i'r  ein  Stück  Melall  herausgeschiiiticii 
und  dann  der  bleibende  Kand  diiich  Nii'lcn  un  dem  unti'n'ii  Kaiuh'  der  Glocke 
befestigt.  Auf  dem  Scheiifl  lirr  Glocke  isl  ein  lircitrr.  naclicr  Gral  s<>hr  sorg- 
fältig ausgetrieben,  auf  dessen  Scheitelhöhe  ein  blallarlig  ausgeschnittenes, 
federndes  lilerli  mit  finciii  Knopfe  aufgelegt  isl,  welches  die  llelindecke,  ilie  beim 
Turni(;re  auch  auf  dem  Kcnidiute  lag,  festhielt.  Vier  li(")clier  dienen  zum  ßefestigen 
des  Zimiers,  sowie  unten  am  Hute  solche  zu  weiterem  Aiuiesteln  desselben,  so- 


—     84     — 

wie  zum  Aiinestelu  der  Polsterhaube,  die  um  so  sicherer  befestigt  sein  mufste, 
da  ja  ihre  Elastizität  sie  allein  festhielt.  In  den  Turnieren  des  Freydal.  d.  h.  den 
Turnieren,  welche  Kaiser  Maximilian  I.  selbst  gekämpft,  in  denen  er  zumeist 
auch  gesiegt  hatte,  sehen  wir  nirgends,  dafs  einer  der  Rennenden  seinen  Renn- 
hut verloren  hätte,  obwol  dieselben  oft  genug  hintenüber  vom  Pferde  gestofsen 
wurden.  Er  mufs  also  fest  auf  dem  Kopfe  gesessen  haben.  Die  Zeitstellung  der 
Rennhüte  unserer  Samndung  ergibt  sich  daraus,  dafs  zwei  der  dazu  gehörigen 
Brüsle  die  Jahreszahl  1498  tragen.  An  Meisterzeichen  findet  sich  auf  dem  dar- 
gestellten Rennhut  neben  dem  Nürnberger  Beschauzeichen  das  Zeichen  Hans 
Grünwalds,  das  wir  nebenstehend  genau  wiedergeben,  da  es  von 
|^|?S[|  anderen  Wiedergaben  etwas  abweicht.  Dasselbe  Zeichen  tragen  noch 
UmM  zwei  der  Rennzeuge,  während  das  vierte  eine  Arbeit  Valentin  Sieben- 
bürgers ist. 
Eine  dritte  Helmform  kam  zur  Verwendung  ])eim  Turnieren  mit  dem 
Kolben,  eine  Art,  welche  wir  schon  in  unserer  Handschrift  des  Wilhelm  von 
Orlens  von  Rudolf  von  Monfort,  welche  zu  gleicher  Zeit  entstanden,  1441 
dargestellt  finden,  die  jedoch  im  Freydal  nicht  vorkommt.  Über  die  Rüstung 
selbst  und  deren  Besonderheiten  werden  wir  zu  sprechen  haben ,  wenn  wir 
über  den  Turnierzeug  im  allgemeinen  handeln.  Da  die  Kolben,  welche  übrig 
geblieben,  ziemlich  leicht  sind,  so  werden  wol  auch  die  Helme  ursprünglich 
keine  besondere  Stärke  nötig  gehabt  haben.  Die  Helme  knüpften  an  die  Kriegs- 
helme an.  In  der  älteren  Handschrift  des  Trojaner  Krieges  kommen  keine  vor, 
welche  wir  als  Vorgänger  der  hier  in  Betracht  kommenden  hätien  erkennen 
können.  Im  Trojanerkriege  von  1441  dagegen  finden  wir  (vgl.  Fig.  50)  wieder- 
holt Helmformen,  welche  eine  grofse,  den  ganzen  Kopf  deckende  Beckenhaube, 
teilweise  spitz,  meistens  jedoch  schon  rund  zeigen,  an  welcher  ein  Kinnschutz 
und  ein  Visier  sich  befinden,  das  durch  senkrechte  Schlitze  durchbrochen  ist. 
Unser  Wilhelm  von  Orlens  dagegen  enthält  die  Darstellung  eines  Kolbenturnieres, 
die  um  so  wertvoller  ist,  je  weniger  wir  sonst  gerade  diese  Art  der  Ritterspiele 
dargestellt  sehen  ^°).  Wir  finden  volle  Übereinstimmung  der  Helme  mit  den  späteren 
Originalen.  Es  scheint  hier,  als  ob  der  Helm  aus  einem  einzigen  Stücke  getrieben 
sei.  Indessen  ist  doch  wol  anzunehmen,  dafs  mindestens  das  mit  sehr  grofsen  Öff- 
nungen versehene  Visier  besonders  eingesetzt  oder  angenietet  war.  Die  Heraldiker 
wenden  Helme  gerade  nach  der  Zeichnung,  wie  Fig.  83  sie  gibt,  öfter  noch  in  viel 
späterer  Zeit  an.  Von  Originalhelmen  sind  uns  zwar  nur  verhältnismäfsig 
wenige,  aber  doch  einige  erhalten  geblieben.  Sie  sind  schwer  und  stark.  Von 
allen  bekannten  ist  der  unsrige  (Fig.  83  u.  84)  vielleicht  der  späteste,  aber  auch 
der  schönste.  Ein  württembergischer  Händler  brachte  ihn  uns  vor  etwa  10  Jahren 
ins  Museum  und  wir  wurden  bald  handelseins.  Wir  vermuthen,  dafs  er  aus 
Ludwigsburg  stammt.  Er  ist  sehr  grofs,  so  dafs  eine  tüchtige  Polsterung  des 
Kopfes  darunter  getragen  werden  konnte,  die  wol  vom  Kopfe  selbst  festgehalten 
war.  Er  besteht  aus  sechs  Teilen,  erstens  der  Glocke  mit  flachem,  breitem  Grate 
und  dem  Halsteile,  welcher  an  diese  angenietet  ist.  Zwei  weitere  Teile  bilden  den 
Kragen.  Der  rückwärtige  Teil  des  Kragens  ist  mit  Nieten  an  dem  Halsteile  der 
Glocke  befestigt.  An  der  Glocke  drehen  sich  um  zwei  durch  Rosetten  geschmückte 


50)  vergl.  Anz.  L  K.  d.  d.  V.  1880,  Sp.  105  u.  106. 


—     85     — 

Zapfen  die  beiden  letzten  Stücke,  das  Visier  und  das  Kinnreil'.  an  welches  der 
vordere  Teil  des  Kragens  angenietet  ist.  Das  Visier  kann  durch  einen  Feder- 
knopf am  Kinnreff  festgestellt  werden,  welches  seinerseits  durch  einen  ähnlichen 
Knopf  am  Unterteile  der  Glocke  gehalten  werden  kann.  Das  charakteristische 
Zeichen  des  Kolbenturnierhelms  besteht  darin,  dafs  das  Visier  keine  weitere 
Gliederung  hat,  dafs  nur  von  einem  einzigen  grofsen  Ausschnitte  aus  seiner 
Fläche  eine  Ötfnung  gebildet  ist,  die  durch  ein  Gitter  verschlossen  wird,  welches 
aus  fünf  senkrechten  und  drei  horizontalen  starken  Rundeisenstangen  gebildet 
ist.     Wie  aller  Turnierzeug,  so  ist  auch  dieser  Helm  sehr  sorgfältig  und  schön 


Fig.  84. 


gearbeitet.  Geätzte  Friese  bilden  einen  zierlichen  Schmuck  dieses  vornehmen 
Spielzeuges.  Zur  Befestigung  an  der  Harnischbrust  hat  er  drei  Löcher  unter 
einander.  Eine  Waffenschmiedemarke  trägt  der  Helm  nicht.  Kr  wiegt  7,80  kgr. 
Wir  sind  dadurch,  dafs  das  Museum  bis  jetzl  koino  älteren  Holme  (H(>sor 
Gattung  besitzt,  nur  in  der  Lage,  das  vorliegende  ßeispiel  hier  abzubilden  und 
zu  besprechen.  Die  Gesamtform  sowol  wie  die  Verziiuung  zeigen,  dafs  es  wol 
erst  etwa  um  1530  entstanden  ist.  Da  wir  jedoch  die  Helme  des  lO.  und  17.  Jaiu-- 
hunderts  ohnehin  einer  üliiilichen  Besprechung  unterziehen  udl'U.  die  unmittel- 
bar den  gegenwärtigen  Aufsatz  fortführen  soll,  falls  wir  die  K'rafI  behalten,  die 
schon  vor  längerer  Zeit  gemachten  Studien  zu  einem  Aufsalze  abzurunden,  so 
bleibt  es  sich  ja  gleich,  ob  wir  mit  diesem  Stücke  unseren  gegenwärtigen  Teil 
abschliefsen  oder  den  folgenden  damit  beginnen. 


—    86    - 

Wir  halten  .iiioh  für  jiMien  Zeitraum  ein  selten  uinfang'reiches  Material  in  der 
Suinnilung:  des  germanischen  Museums  beisammen,  mit  .welchem  gerade  der  Ver- 
fasser sich  so  enge  verbunden  fühlt,  weil  er  es  gröfstenteils  beschaffen  zu 
künnen,  so  glücklich  war.  Der  Kenner  des  für  die  Kulturgeschichte  so  wich- 
tigen Waffenwesens  wird  es  zu  würdigen  verstehen,  was  es  heifst,  dafs  ein 
Bettelmann  in  diesen  letzten  Jahren  es  vermocht  hat,  bei  den  enormen  Preisen 
aller  Einzelstücke,  die  ja  blofs  durch  Aufsuchung  und  Benützung  jeder  Gelegen- 
heit zu  Erwerbungen  überhaupt  erlangt  werden  können,  eine  solche  Serie  zu- 
sammenzubringen ,  sie  werden  des  Verfassers  Gefühle  verstehen,  mit  welchen 
er  auf  die  Reihe  der  Helme  blickt,  deren  erster  Teil  hier  besprochen  ist.  Die- 
jenigen, welche  denselben  bei  Beschaffung  des  Geldes  unterstützt  haben,  werden 
die  Tiefe  seiner  Dankbarkeit  ebenso  ermessen ,  wie  Jene,  welche  beigeholfen 
haben,  das  Material  zu  beschaffen,  und  welche  so  manches  geschenkt  haben. 

Aber  auch,  dafs  es  dem  Verfasser  schwer  wurde,  zu  scheiden  von  dieser 
Sammlung,  die  noch  so  viele  Lücken  bietet,  die  noch  lange  des  gleichmäfsigen 
Interesses  bedarf,  wird  jeder  begreiflich  finden,  der  da  weifs,  dafs  der  Verfasser 
als  Direktor  seinen  Stolz  darein  gesetzt  hat,  die  Wünsche  des  deutschen  Volkes 
und  aller  Schichten  ilesselben  zu  verstehen  und  zu  erfüllen,  da  ihm  wol  be- 
kannt ist,  dafs  die  Nation  zu  keinem  anderen  Zwecke,  als  jenem,  eine  umfang- 
reiche, belehrende  Sammlung  zu  bilden,  sich  vereinigt  hat,  nicht  aber  damit  er 
und  andere  Gelehrte  oder  Künstler  hier  versorgt  werden. 

Der  Verfasser  hatte  die  Absicht,  indem  er  zeigte,  was  auf  einem  kleinen 
Einzelgebiete  geschehen,  was  aber  auch  noch  zu  thun  ist,  bei  seinem  Rücktritte 
Rechenschaft  zu  geben;  er  knüpft  dabei  die  Bemerkung  an,  dafs  er,  soweit  es 
gelingen  mochte,  auf  jedem  anderen  Gebiete  ähnlich  gearbeitet  hat,  dafs  aber 
auf  allen  auch  heute  noch  ähnliche  Lücken  klaffen,  die  sich  aber  von  Jahr  zu 
Jahr  leichter  füllen  lassen,  weil  die  Popularität  der  Anstalt  stets  wächst.  Möge 
auch  des  Verfassers  Nachfolger  erkennen,  dafs  dies  der  Weg  ist,  sie  ferner  zu 
mehren;  mögen  die  Herren,  welche  ihn  zu  wählen  berufen  sind,  auch  des  Volkes 
Wünsche  erkennen,  sodafs  ein  Mann  berufen  wird,  welcher  mit  dem  gesamten 
Volke  Berührung  sucht  und  aus  dem  Boden  des  Volkes  stets  neue  Kräfte  schöpft, 
der  nicht  die  Stelle  erstrebt,  um  eine  Sinekure  zu  erhalten,  die  ja  Mancher  wol 
reichlich  verdient  haben  mag,  sondern  Jener,  der  die  Gelegenheit  zur  Arbeit 
sucht  und  der  selbst  vor  persönlichen  Opfern  nicht  zurückschrickt,  welche  heute 
noch  die  Anstalt  von  ihrem  Direktor  fordern  mufs. 

Nürnberg.   1890/92.  A.  v.  Essen  wein. 


Aus  den  lihehaltcbücheru  des  Paulus  Bchaini. 

]'  aulus  Behaim  L  (Lol9— 156S),  Mitglied  des  Nürnberger  Rats  und  Vorstand 
1er  Kriegsstube  1),  war  ein  sehr  gewissenhaCter  und  pünktlicher  Herr,  der 
jeden  Kreuzer,  den  er  ausgab,  nachTiteln  ausgeschieden,  in  Bücher  eintrug, 
die  mit  dem  Archive  der  froiherrlich  von  Behaimschen  Familie  in  das  germanische 
Museum   gekommen   und    von  J.  Kamann   in   den  Mitteilungen  des  Vereins  für 

1)  Über  ihn  vgl,  .MiUciluiiKcn  des  Vereins  lür  Gcsdiiclite  der  Stadt  Nürnbeii'   III,  73  ff. 
VI,  ül. 


—     87     — 

Geschichte  der  Stadt  Nürnberg-^)  veröffentlicht  worden  sind.  Sie  bilden  eine 
reiche  Quelle  für  die  Kulturgeschichte,  geben  einen  interessanten  Einblick  in 
das  Hauswesen  und  die  Bedürfnisse  einer  Nürnberger  Patrizierfamilie  jener  Zeit, 
und  sind  namentlich  auch  für  die  Geschichte  der  Preise  nicht  ohne  Bedeutung. 

Am  Schlüsse  seiner  V'eröffeutlichungen  gibt  Kamann  auch  recht  beachtens- 
werte Auszüge  aus  den  beiden  Ehehaltenbüchern  Paulus  Behaims,  die  von  1552 
bis  1572  reichen,  also  nach  seinem  Tode  und  zwar  von  seiner  Witwe  Magdalena, 
einer  gebornen  Römer,  in  kräftigen,  energischen  Zügen  fortgeführt  sind.  Nie- 
derschreibungen über  die  Dienstboten  jener  Zeit  sind  so  selten,  dafs  wir  uns 
veranlafst  sehen ,  die  gegebenen  Auszüge  zu  ergänzen.  Wir  bemerken  dazu, 
dafs  bei  Behaim  eine  Köchin  6  fl.  jährlichen  Lohn,  die  Untermagd  einen  solchen 
von  4  fl.,  die  Kiudsmagd  aber  7  fl.  und  jede  noch  einen  Leihkauf  erhielt  und  nur  in 
Ausnahmsfällen  eine  geringe  Mehrung  oder  Minderung  dieser  Beträge  stattfand. 
Es  macht  einen  guten  Eindruck,  dafs  der  Dienstbote,  dem  die  Kinder  anvertraut 
waren,  den  höchsten  Lohn  bekam.  Über  das  Nürnberger  Dienstbotenwesen  hat 
Kamann  2)  Näheres  mitgeteilt,  auf  welches  wir  hiemit  verweisen.  Es  sei  nur  be- 
merkt, dafs  der  Dienstbotenwechsel  zu  Nürnberg  au  Maria  Lichtmefs,  Walburgi, 
Lorenz!  und  Allerheiligön  stattfand,  die  Dienstboten  immer  auf  eine  bestimmte 
Zeit,  meist  ein  Jahr,  gedingt,  dieser  Termin  aber  nur  selten  eingehalten  wurde 
und  ein  aufserordentlich  starker  Wechsel  stattfand.  War  das  Jahr  herum,  so 
war  der  Dienst,  sofern  nicht  wiederum  gedingt  wurde,  eben  auch  abgelaufen. 
Die  Mitteilungen  Kamanns  und  unsere  nachstehenden  geben  zu  erkennen,  dafs 
die  Klagen  über  die  Dienstboten  durchaus  nichts  Neues  sind;  schade  ist  es  nur, 
dafs  nicht  auch  die  Aussetzungen  der  Dienstboten  über  die  Herrschaft  uns  über- 
kommen sind  —  erst  hiedurch  würden  wir  ein  richtiges  Bild  erhalten. 

Wir  entnehmen  den  beiden  Handschriften  noch  Folgendes: 

Die  Köchin  Susanna  war  von  Lichtmefs  bis  Walburgi,  1556,  also  nur 
ein  Vierteljahr  im  Dienst.  Man  liefs  sie  fahren,  »umb  (weil)  das  sy  so  gar  faul 
und  langksam  gewest«. 

Die  Köchin  Kuen  I  ein  N.  stund  von  Laurenzi  1556  bis  20.  Febr.  1557  im 
Dienst:  »ist  von  mir  komen,  umb  sy  mir  im  Haus  lang  kranck  wart,  auch  sonst 
nichts  an  ir  war.« 

Die  Untermaid  B  erb  lein  diente  von  Allerheiligen  1557  bis  1559:  »hat 
ir  mein  weib  urlaub  geben,  umb  sy  selbst  urlaub  oft  begert,  do  maus  aber  ge- 
peten  hett  zu  pleiben,  so  wers  pliben.« 

Gredla  N..  Köchin,  diente  von  Allerheiligen  1558  bis  25.  Januar  1561: 
»hat  ein  landskuecht  am  dinst  Hans  Wagner  von  Vorcheim  genomen,  so  ein 
vischer  gewest  ist.« 

Die  Unterraaid  Gredla  »hat  nit  mar  pleiben  wollen«;  sie  diente  von  Wal- 
burgi 15()0  bis  Febr.  1562. 

Die  Köchin  Clara  »ist  gar  faul,  frech  und  entwicht  (unnütz)  gewest«;  sie 
war  vom  15.  Sept.  1560  bis  10.  Febr.  1561  im  Dienst  gestanden. 

Die  Untermaid  Endlein,  die  Lichtmofs  1562  in  den  Dienst  getreten, 
wurde  zu  Lorenz!  bereits  wieder  geurlaubt,  »umb  wegen,  daß  sy  so  kindisch 
unachtsam  gewest  ist,  und  ir  nichts  zu  vertrau(Mi  grosser  ungeschicklickeit 
halben,« 


1)  VII,  39  IT.     2)  a.  u.  0.  S.   lül  IT, 


—     88     - 

Die  Köchin  Eis  Iral  Lichimefs  1562  in  den  Dienst:  »und  nach  dem  ir 
mutter  zu  Bamberg  gestorben  ist,  hat  sy  vil  Ursachen  furgewendt  nit  zu  plei- 
beu,  also  hat  sy  mein  weib  adj  20.  marcio  1563  faren  lassen.« 

Die  Untermaid  Juli  an  a  trat  Lorenz!  I;i62  ihren  Dienst  an  und  ist  am 
29.  Juli  1563  »geurlaubt  worden,  daß  sy  sich  mit  der  kindsmaid  nit  hat  können 
betragen.» 

Die  Kindsmaid  Eva  tral  Allerheiligen  1562  in  den  Dienst,  »hat  mein  weib 
itzt  liechtmes  1563  wider  geurlaupt,  umb  sy  so  gar  pös  und  heftig  ward.« 

Die  Kindsmaid  Madalena  Rinckauerin  wurde  zu  Laurenz!  1563  ge- 
dingt. Sie  blieb  bis  Laurenzi  1565,  »ist  geurlaupt  worden,  von  wegen,  daß  sy 
unter  mein  kindern  allein  einem  kind,  dem  P'ridrich,  ist  obgelegen,  und  ir  die 
andern  zu  vil  sind  gewest  der  zu  warten.« 

Die  Köchin  Ketterle  von  Bamberg  diente  von  Laurenzi  1563  bis  eben 
dahin  1565.  »Ist  also  geurlaubt  worden,  umb  sy  als  bös  gegen  andern  maiden 
gewest  und  sonst  nichts  kenth  hat.« 

Die  üntermaid  Werble,  ebenfalls  eine  Bambergerin,  trat  ihren  Dienst 
zu  Laurenzi  1563  an,  dem  sie  bis  Laurenzi  1564  vorstand.  »Ist  geurlaupt  wor- 
den von  wegen,  daß  sy  sich  mit  der  kochin  nit  hat  können  vertragen.« 

Die  üntermaid  Berblein  ist  von  Allerheiligen  1564  bis  14.  August  1565 
in  Dienst  gestanden:  »ist  geurlaupt  worden,  umb  sy  gar  faul  und  nit  arbeitsam 
gewest.« 

Die  Kindsmaid  Margrett  diente  von  Laurenzi  1565  bis  Lichtmefs  1566: 
»hat  sy  mein  weib  faren  lassen,  umb  sy  ein  gar  grober  püffel  gewest  ist.« 

Die  Untermaid  Ger  lein,  die  1565  zu  Laurenzi  in  den  Dienst  getreten, 
wurde  am  24.  Sept.  desselben  Jahrs  wieder  beurlaubt:  »umb  daß  sy  der  Eis 
meiner  kochin  2  halshemet  gestolen  hat.« 

Ihre  Nachfolgerin  Werblein  ward  vom  24.  Septbr.  1565  bis  Walburgi 
1566  im  Dienste  Behaims:  »ist  sy  geurlaupt  worden,  umb  sy  gar  geschwetzig 
als  ein  Schwebin  und  fürwitz  gewest.« 

Die  Kindsmaid  Agnes  war  gar  nur  ein  Vierteljahr,  von  Lichtmefs  bis 
Walburgi  1566,  im  Dienst:  »Adi  primo  May  1566  hat  solche  kindsmaid  ein 
zimermansgesellen  genomen.« 

Die  Köchin  Eis  diente  von  Lichtmefs  1566  bis  ebendahin  1567:  »ist  geur- 
laubt worden,  umb  sy  zu  einer  kochin  nichts  kenth  hat.« 

Die  Kindsmaid  Mar  gr  et  t  trat  zu  Walburgi  1566  in  den  Dienst  und  ßeng 
den  4.  Februar  1567  zu  kochen  an.  »Adj  25  Juni  1567  hat  sy  mein  weib  ge- 
urlaubt, umb  hurerey  willen  mit  dem  knecht  Jobst,  und  daß  sy  auch  nit  treu 
gewest.« 

Nun  kommt  als  ein  weifser  Rabe  die  Untermaid  Endlein,  die  vom  1. 
Mai  1567  gedient  hatte:  »hatt  sich  wol  gehalten,  die  stiegen  gern  gefegt,  hat 
nit  lenger  ploiben  wollen.« 

Khüen,  die  Untermaid,  diente  vom  1.  Mai  bis  13.  August  1567:  »hat  ir 
mein  weib  urlaub  geben,  umb  sy  so  gar  faul,  grob  und  ungeschickt  gewest  ist.« 

Madlin  Rinckauerin,  die  Kindsmaid,  war  vom  25.  Juni  1567  bis  5. 
Februar  1568  im  Dienst:    »ist  auf  die  letzt  gar  einfeltig  und  kindisch  gewest.« 

Nürnberg.  H  a  n  s  B  ö  s  c  h. 


—     89     — 

Yemegerichtsiirknnden  aus  Tirol. 

as  im  Besitze  des  germanischen  Nationalmuseums  befindliche  gräflich 
Wolkensteinische  Archiv  birgt  einen  reichen  Schatz  von  Urkunden,  die 
uns  über  Verhältnisse  und  Schicksale  Oswalds  von  Wolkenstein,  des 
letzten  Minnesäugers,  Auskunft  erteilen.  In  seinem  tretflichen  Aufsatze  »Der 
Wolkenstein -Haueusteinische  Erbschaftsstreit  und  dessen  Austragung  unter 
Oswald  von  VVolkeustein«  (Zeitschrift  des  Ferdinandeums  für  Tirol  und  Vorarl- 
berg, 3.  Folge,  Heft  26,  1882,  S.  99  ff.)  hat  uns  der  um  die  Aufhellung  der  viel- 
fach verschlungenen  Lebenspfade  Oswalds  verdiente  tirolische  Forscher  Anton 
Noggler ,  zum  Teil  gestützt  auf  die  Urkunden  des  germanischen  Museums, 
wertvolle  Aufschlüsse  über  eine  der  wichtigsten  Perioden  im  Leben  des  Dichters 
gegeben.  Nachfolgende  Urkunden,  deren  genauer  Abdruck  uns  nicht  nur  im 
Interesse  der  Litteraturgeschichte  zu  liegen,  sondern  auch  nutzbringend  für 
Kultur-  und  Rechtsgeschichte  schien,  beziehen  sich  auf  eine  Episode  des 
Wolkenstein-  und  Hauensteinischeu  Handels,  die  wir  hier  kurz  nach  Nogglers 
Ausführungen  wiederholen. 

Im  Spätherbst  1421  war  Oswald  von  Wolkenstein  durch  seine  Gegner, 
die  er,  wie  seine  Vorfahren,  an  Gut  und  Habe  empflndlich  geschädigt  hatte,  mit 
Hülfe  seiner  früheren  Geliebten,  Sabine  Jäger,  in  eine  Falle  gelockt  und  ge- 
fangen genommen  worden.  Der  Führer  der  Gegenpartei,  Martin  Jäger,  lieferte 
ihn,  da  er  einsah,  dafs  er  allein  nicht  imstande  sei,  sich  gegen  den  über- 
mächtigen Wolkensteiuischen  Anhang  zu  halten,  dem  alten  Gegner  der  Wolken- 
steiner und  insbesondere  des  Dichters,  Herzog  Friedrich  von  Oesterreich,  aus. 
Dieser  benutzte  die  Gelegenheit,  den  übermütigen  Tiroler  Adel,  der  sich  zum  Teil 
in  otTenem  Aufstande  befand,  zu  schädigen.  Erst  am  18.  März  1422  entliefs  er 
Oswald  gegen  die  Bürgschaft  Michaels  von  Wolkenstein  und  der  Herren  von 
Freundsberg,  Vilanders  und  Velsegg  seiner  Haft.  Die  Bürgen  mufsten  sich  bei 
einer  Strafe  von  6000  Dukaten  verpflichten,  den  Dichter,  falls  es  nicht  gelungen 
sei,  ihn  bis  zum  kommenden  Bartholomäustag  mit  der  Gegenpartei  auszusCdinen 
und  zu  vergleichen,  »zur  Rechtsleistung  wieder  als  Gefangenen  dem  Burggrafen 
auf  Tirol  zu  stellen. «f  Oswald  von  Wolkensteiu  verschrieb  dagegen  den  Bürgen 
»alle  seine  Habe,  .  .  damit  sie  sich  an  derselben  für  jeden  Schaden,  den  sie  viel- 
leicht ihrer  Handlung  wegen  nehmen  sollten,  entschädigen  könnten^)«. 

Der  eine  der  Bürgen,  ein  entfernter  Vetter  Oswalds,  Hans  von  Vilanders. 
nahm  die  Bürgschaft  zum  Vorwande,  sich  von  dem  bedrängten  Dichter  weitere 
Vorteile  zu  sichern.  Nicht  nur,  dafs  er  zu  seiner  Sicherstellung  weitere  Ver- 
pfändungen von  Geld  und  Gütern  zu  erlangen  wufste,  er  scheute  sich  sogar 
nicht,  die  Notlage  des  Verwandten  auszunützen,  um  Darlohen  von  ihm  zu  er- 
pressen. Über  die  Rückgabe  der  pfandweise  überlassenon  Summen,  wol  auch 
des  Darlehens,  die  der  Schuldner  auch  nach  Erledigung  der  Bürgschaftssache 
in  unredlicher  Weise  verzögerte,  entstand  bittere  Feindschaft  zwischen  Hans 
von  Vilanders  und  denen  von  Wolkenstein.  Eine  Reihe  von  darauf  bezüglichen 
Mahn-  und  Gerichts-,  Vergleichs-  und  Fehdebriefen,  ilie  bis  ins  Jahr  1465 
reichen,  befindet  sich  im  Wolkensleinischeu  Archive  des  germanischen  Museums 


1)  Noggler  a.  a.  0.  S.  130. 

Mitteilungen  aus  dem  gennan.  Nationalmuscuni.  XII. 


—    90    — 

Die  interessantesten,  auch  schon  von  Lindner  in  seinem  Aufsatz  »Die 
Fragen  des  Königs  Ruprecht  über  die  Vemeg-erichte«  (Mitteilungen  aus  dem 
germanischen  NatiomUmuseum  I,  S.  200)  erwähnten  Schriftstücke  dieses  ür- 
kundenbündcls  beziehen  sich  auf  den  Versuch  Oswahls  von  Wolkenstein,  sein 
Recht  mit  Hilfe  der  heiligen  Veme  zu  erlangen.  Oswald  hat  wol  auf  einer 
seiner  Reisen  »die  Freigerichte  kennen  gelernt  und  selbst  die  Wissenschaft  er- 
worben.« Herbst  1429  wendete  er  sich  mit  seiner  Klage  gegen  den  betrüge- 
rischen und  verläumderischen  Verwandten  an  dieselben.  In  der  ältesten  Ur- 
kunde bevollmächtigt  er  seinen  »Diener<f  (adeligen  Knecht)  Eitel  Volmar,  in 
seinem  Namen  bei  irgend  einem  Freigrafen  gegen  Hans  von  Vilanders  Recht 
zu  suchen.  Es  folgen  die  Vorladungen  des  Beklagten  vor  die  Freigeri(;hte  von 
Volmarstein  und  Arnsberg.  Letztere  wurde  erlassen,  nachdem  Hans  von 
Vilanders  auf  die  erste  nicht  geantwortet  hatte.  Wir  fügen  einen  Brief  Tiroli- 
scher Adeliger,  der  sich  auf  dieselbe  Sache  beziehen  dürfte,  und  die  Vorladung 
Eitel  Volmars  vor  den  Freistuhl  von  Villigst  hinzu,  der  wegen  der  Ermordung 
des  bischüilich  Brixener  Rates  Johann  von  Annenberg  belangt  und  späterhin 
auch  wegen  dieser  That  vervemt  wurde 2). 

L 

Vollmacht  Oswalds  von  Wolkenstein  für  Eitel  Volmar,  in  seinem 
Namen  den  Hans  von  Vilanders  vor  einem  Freistuhl   zu  verklagen. 

1429.    Sept.  5. 
or.  chartac.  lit.  c.  sig.  impr.  def. 

Ich  Oswalt  von  Wolckeustain,  ain  freyer  schepf,  dez  allerdurchluchtigisten 
Remschen  küngs  versprochener  dener,  enbütt  allen  freygrefen  der  freyen  stüel 
dez  hairalichen  gerichts,  die  got  und  dem  hailigen  rieh  gesworen  haben,  den 
diser  briet  gezaigt  wirt,  meinen  freuntlichen  willigen  deinst,  ich  hab  Ytal 
Volmaler,  meinen  gegen  wirtigen  dener,  etwas  bepholhen  von  meinen  wegen  an 
den  fryen  stül  ze  bringen,  und  besünderlich  von  graf  Hanns  Mainharts  von 
Görcz,  dez  bischoft  von  Brichsen,  Hannfs  von  Vilanders  wegen,  und  welchen 
freygrefen  der  obgenannt  mein  dener  gelangt,  der  mag  im  darumb  aller  sach 
und  furbringes  geloben,  im  mas  als  ob  ich  selber  gegenwirtig  wer  und  beger 
darumb  gerichts  und  fürwendens,  alz  sich  daz  gebürt.  och  süllent  ir  wissen, 
daz  mir  der  obgenannt  von  Görcz  sein  brief,  eir  und  sigel  nicht  gehalten  hat, 
der  abgeschrift,  die  ir  wo!  hören  werdent,  und  Hanns  von  Vilanders  von  mir 
geret  hat,  ich  hab  mein  treu  und  eir  nicht  gehalten,  darumb  in  bayden  von 
dem  freygrefen  to  Arnsporg  vormals  geschreben  ist  oder  sy  süllent  sich  umb 
sölich  obgenant  Zuspruch  iuer  drein  vierzenechten  mit  mir  ainen.  dez  aber 
nicht  beschehen  ist  nach  beser  beschadung  und  under  wissens  meins  gegen- 
wirtigen  deiners  aller  obgeschribner  sach,  alz   ir  daz  wol  vernemen   wert,   für 


2)  Beim  Abdrucke  der  Urkunden  wie  in  den  Auszügen  aus  den  Ehehaltenbüchern  des 
Paulus  Behaliu  S.  8G  dieser  Mitteilungen  wurde  zum  ersten  male  von  der  seither  in  unseren 
Publikationen  üblichen  diplomatisch  treuen  Wiedergabe  der  Orthographie  und  Interpungierung 
des  Originals  zu  Gunsten  einer  vereinfachten  Schreibweise  abgewichen,  der  mit  geringen 
Ausnahmen  di(>  von  Weizsäcker  im  1.  Bande  der  Deutschen  Reichstagsaklen  aufgestellten 
Regeln  zu  Grunde  liegen.  Wir  werden  auch  bei  künftigen  Veröffenliichuiigi'n  an  dieser  ver- 
einfachten Schreibweise  festhalten.  D.  R. 


-     91     — 

welchen  freygrefe  die  klag:  gelangt  und  g-eer  darumb  gericlils,  as  vär.  versigelt 
mit  meinem  aygen  aufgedruchten  iusigel.  geben  ze  Briuhsen  des  meutags 
vor  unser  lieben  frouentag  nativitatis  anno  vicesimo  nono. 

II. 

Vorladung  des  Hans  von  Vilanders  vor  das  Freigericht 

zu  Volraarstein.     1429.     Okt.  3. 

cop.  chartac.  coaev.  Korrektiu-en  mit  anderer  Tinte. 

Sunderlix  gute  frunt.  bey  myr  ist  gewesen  an  dem  freyenstule  vur  der 
burch  zu  Volmestein  für  deim  offenbar  Ireye  gerichte  eyn  vulmechtig  cleger 
met  namen  Eytel  V'olraer  und  was  dar  clagende  von  wegen  des  wolgeboren 
heren  Öswalcz  von  Wolkenstain.  welke  clage  endgande  ist  an  eür  gelyrap  und 
ere ,  darum^)  daz  ir  deim  egenanten  heren  Öswalt  obergesait  suUen  haben  dey 
im  dreffen  an  seyn  lyp  und  an  seyn  ere,  als  ume  syner  breyve  willen  und  gelcz, 
daz  er  euch  in  geloben  zu  guter  haut  hatte  gedan  zu  halden  und  ir  im  daz 
furenchaldent  weter  got,  ei-e  und  weter  recht,  dar  euch  auch  vor  zuden 
warnunges  breyf  aufgescriben  und  gesant  syt  dar  ir  keyn  antw(u)rt  weder  auf- 
gescriben  noch  geben  haut,  daz  sich  nyt  enpurde.  hirum  so  wellen  dem 
egenanten  heren  Öswalt  tun  bynnen  veyrzintagen ,  so  ir  im  darum  von  eren 
und  von  rechtes  wegen  ptlichtig  sint  zu  tun.  es  seche  das  ir  des  nyt  tun  enwellent 
und  im  des  ausgan  weit,  komet  dan  der  egenante  her  Öswalt  von  Wolkenstein 
ofte  der  egenante  cleger  Eytel  Volmer  und  eyschet  myr  gerychte  ober  euch  zu 
tun,  so  mos  ich  im  nach  der  clage  rychten  alz  recht  ist  und  alz  sich  dan 
gepurt  und  enmach  des  bey  mynen  eyden  nyt  laczen.  hir  weit  euch  nach 
wißen  zu  richten  myt  deim  besten  und  warnen  euch  mit  düssen  breyd'e,  daz 
ir  des  nycht  darzu  laczen  komen  ofte  daz  wolde  men  myt  swarer  gerichte  an 
euch  forderen  und  wes  ir  hirzu  tun  weit,  des  beger  eich  eür  bescriben  antworde 
weder  by  düssen  boten  brenger  dus  breyfs  dar  weis  ich  my  nach  zu  rechte, 
got  sey  niyi  euch.  gegeben  vur  der  burch  zu  Volmestein  an  dem  freyustül 
des  monendages  nest  Michahelis  under  meyn  segel  anno  xxix. 

[in  verso]   copiä  Hannssen  von  Vilanders. 

III. 

Vorladung  des  Hans  von  Vilanders  vor  das  Freigerichl 

im  Baumgarden  zu  Arnsberg.     14iJ9.     Noy.  27. 

or.  chartac.  lil  c.  sig.  inipr.  dol'. 

Wettet  Hans  van  Vlanders,  dat  eyn  kleger  vur  my  ghekomen  ys  lo  demo 
anderen  male,  also  late  ych  yu  weicu  myt  vcyr  vrygen  scheppen.  dal  gliy  syn 
to  Arnsberg  in  deme  bumgarden  des  neston  mandags  na  sente  agneten  daglie  vur 
denie  vrygen  stolle  in  der  hoiiirlil<tMi  adilc  to  daghclyl  ind  antwerden  dar  deme 
vurgenant  kloger  to  yuwcr  hogeslen  achte  onder  konigsbannc.  wyllycli  kleger 
genant  ys  (»swall  van  Wolkenstcyii.  ind  fiiwvilcri  des  dags  nycht  viiisumen, 
wante  uch  dey  klaglie  au  yu  lylT  ind  rrc  th-epcnde  ys.  wer  zake  dat  ghy  des 
nycht  eudeden  ind  vursumedeii   den  dach,    wordc   iny   tlan  vorder  gheclaget,   so 


3)  Mit  andcri'r  Tinte  aui  Hände. 


—    92    — 

moste  ych  vuri  ryclilcn  as  ret-hi  wer  ind  enmochtc  des  nycht  laten.     orider  myn 

ingliesig^el.        (laliiiii    aniio    ddiiiiiii   iii"ccccxxix  des  anderen  donesiag's  na  sente 
Martine. 

[in  verso]    Dem  edelen  ind  vesLen  Gert  dey  Seyner  vryg'reve  to 

Hannes  van  Vilanders.  Arnsberg,  myus  genedig-en 

lud  (lassen  bryf  soll  nemant  lesen,  heren  van  Golne. 

hey  ensy  en  recht  vryschepye. 

IV. 

Brief  des  Jakol)  von  Trautsun  u.a.  an  Oswald  von  VV  o  I  kenste  i  n. 

1430.     Jan.  22. 
or.  diartac.  lit.  c.  sig.  impr.     Wappen  mit  3  Schrägbalken  (der  Gneusse?). 
Unser  willige  dinst  zuvor.  Jacob  Trautsun.  Steffan  Gneusse,  Jorig  Schenkch, 
Fily  von  Tum,    Ghunrat  Vol ,  Hanns  Swartz,    Eitl  Volmar,    die   haben  den  an- 
dern schepfen,  die  hinab  an  den  stul  reiten  w^erden,  auf  unsers  genedigen  herrn 
von  Osterreich  gescheftbrief  kuntschaft  geben,  die  ir  mitsambt  Jacoben  Trautsun 
und  Steffann  Gneussen   bcsigeln   werdet,      also  bitten   wir   eu    all  als  wir  dann 
vorbenenl   sind,   daz    ir    euer   insigel    durch  unser  aller  fleizziger  gepet  willen 
auf  dieselben  kuntschaft  drukchet  von   euer   und   unser   aller  notdurft   wegen. 
Geben  zu  Stertzing  an  suntag  vor  conversionis  Pauli  anno  xxx°. 
[in  versoy.  Dem  edlen  vesten  Jacob  Trautsun.     Steffan  Gneusse. 

Oswalden  von  Wolkenstein.  Jorig  Schenkch.     Fily  von  Tunn. 

Ghunrat  Vol.     Hanns  Swartz. 
Auf  einem  angeklebten  Streifen'-  Schreibet  Jacoben  Trautsun  und  dem  Gneufsen,  daz 
sy  von  euer  gepet  wegen  auch  besigeln^  damit  uns  kain  irrung  auch  darinn  valle. 

V. 
Vorladung  des  Eitel  Volmar  vor  das  Freigericht  zu  Villigst. 

1430.  Mai  3. 
or.  cliiU'tac.  lit.  c.  sig.  iinpr.  def. 
Wetet  Volmar,  so  als  ich  Johann  van  Essen,  vrygreve  des  hoghebornen 
Junckern  Gerardes  van  Gleve,  greve  tor  Marke,  ind  vrygreve  des  vryen  stols 
to  Velgiste,  gelegen  vor  Swerte,  van  wegen  des  vromen  hern  Diderichs  van 
der  Reke,  ritters,  erfhere  desselven  egenanten  vryen  stoils  iu  by  twen  echten 
vryen  schepen  under  konynx  banne  geschriben  ind  enboden  hadde  von  claghe 
weghen  Partzevole  van  Annenbergh ,  dey  hey  vor  my  in  der  hemliken  achte 
over  iu  clagede,  dey  iu  galt  an  iu  lyf  ind  an  iu  ere,  ind  dey  in  der  hemelikeu 
achte  vemmeplichtich  gewyst  synt.  ind  hadde  iu  darop  overnuts  raynen  brieve 
ind  by  twen  echten  vryen  schepen  eynen  rechten  dynkliken  plichtdach  gelacht 
ind  betekent  to  rechte  dagetyt  vor  den  vryen  stoll  to  Velgiste,  gelegen  vor 
Swerte,  dat  y  dar  quemen  op  den  dynxstach  uu  dem  sundage  raisericordia 
domini  to  rechter  tagetyt  ind  vorautworn  dar  iu  lyf  ind  iu  ere  tegen  den 
egenanten  kleger.  also  synt  vor  my  gekomen  twe  echte  vrye  schepen  dar  ich 
den  egenanten  vryen  stol  beseten  hadde  in  des  hilgen  rykes  hemeliken  achte 
ind  bekanten  dar  vor  my  in  der  hemeliken  achte  op  er  ede,  dey  sey  dem  hilgen 
ryke  gedan  hebn,  dat  sey  dey  eirsten  bedinge  an  iu  gedan  hedden ,  als  des 
hilgen  rykes  hemeliker  achte  recht  is.  so  ensyn  y  of  neymant  an  uwer  wegen 
op  dey  vorschriben  tyt  dar  nicht  gekome'n  ind  hebn  uwe  lyf  ind  ere  dar  vor- 
antwort,  so  late  ich  iu  weten  to  dem  andern  male  mit  veir  echten  vryen  schepen 


—    93    — 

ind  g-ebeide  iu  linder  konynx  banne,  dat  y  syn  des  donrestag-s  nest  na  unser 
lieveu  vrouwen  dage  visitationis  nest  tokomende  op  der  rechter  dinkliker  stede 
to  rechter  dagetyt  vor  dem  vryen  stole  to  Velgiste,  gelegen  vor  Swerte,  ind  geven 
dar  dem  egenanten  Partzevole  of  eyme  syner  gewissen  procuratore  antworde 
dar  in  des  hilgen  ryken  hemeliken  achte  ind  vorantworn  dar  iue  lyf  ind  uwe 
ere.  ind  dis  entwilt  nicht  vorsümen.  ind  wert  dat  y  dar  nicht  enequemen  ind 
dan  dey  egenante  klegere  mit  ordele  voirder  gerichts  an  my  gesunne,  so  meste 
ich  na  säte  ind  rechte  des  rykes  hemeliken  achte  ind  van  myner  ede  weghen 
vorder  gerichte  over  iu  don,  als  sich  dat  geborde.  dar  wetet  iu  na  to  richten, 
gegeven  under  myrae  segele  in  dem  jare  onses  hern  dusent  veirhondert  ind  der- 
tich  jar  op  des  hilgen  cruces  dach,  als  dat  gevuuden  wart. 

[in  verso]  An  V'olmar  des  Wolkensteuers  Johann  van  Essen  vrygreve* 

knecht  komme  disse  brief  ind  disen  des  stoils  to  Velgiste. 

briet'  ensal  neymant  opbreken  noch  lesen, 

hey  ensy  dan  eyn  vry  echte  schepen. 

Nürnberg.  J.  R.  Dieterich. 


fiJevatterbriefe  an  die  Reichsstadt  Uiiidsliciiii. 

er  Hang  zu  übertriebenem  Luxus,  der  sich  namentlich  im  Mittelalter 
geltend  machte  und  zahlreiche  Gesetze  gegen  die  Ausschreitungen  des- 
^  selben  veranlafste,  erstreckte  sich  auch  auf  die  Taufen,  bei  welchen 
nach  den  verschiedensten  Richtungen  Übertreibungen,  besonders  auch  hin- 
sichtlich der  Zahl  der  Gevatter,  vorkamen.  Schon  Berthold  von  Regensburg 
eiferte  gegen  die  Unsitte,  eine  recht  grofse  Anzahl  von  Taufzeugen  —  bis  zu 
zwölf  —  sich  zu  erbitten  und  hält  deren  drei  für  mehr  als  genügend  ^).  In 
Nürnberg  ward  bereits  im  14.  Jahrhunderte  durch  Gesetz  bestimmt  »daz  nieman 
er  sei  burger  oder  burgerin  keinen  gevattern  zw  sinem  kinde  mer  gewinnen 
soll,  dann  einen  gevattern.  Vnd  wer  daz  vberfüre  ez  sei  frauwe  oder  man  der 
muz  geben  von  ie  der  persone  funfe  pfunt  haller«  ').  Solchor  Gesetze  un- 
geachtet nahm  der  Luxus  bei  den  Taufen  immer  mehr  überhand  um!  Hans 
von  Schweinichen  berichtet,  dal's  er  zu  den  Taufen  seiner  Kinder  immer 
gleich  einige  Dutzend  Gevattern  gebeten.  Wol  im  lü.  Jahrhunderte  erst  kam 
die  Sitte  auf,  nicht  nur  Personen,  sondern  auch  Städte  und  Stände  um  die 
Übernahme  des  Ehrenamtes  eines  Taufzeugen  zu  bitten.  (Jing  dieses  Ersuchen 
von  dem  eigenen  oder  einem  benachbarten  Laudesherren  aus,  so  darf  darin  wol 
ein  Zeichen  besonders  gnädiger  oder  freundnachbarlicher  Gesinnung  gesehen 
werden;  andernfalls  war  es  hauptsächlich  auf  das  i'athengeschenk  abgesehen, 
mil  dessen  Hilfe  man  vielleicht  einen  Teil  der  Kosten  der  Taufe  docken  wollle. 
wenigstens  hat  Hans  von  Schweinichen  der  Gesamtsumme  der  Geschenke  immer 
die  Kosten  der  Taufe  gegenübergestellt. 

Auch  in  dem  T(!ile  des  Archivi's   der  Uciclisstadl   Windshrini   in  Krankon, 
den  das  germanische  Museum  besitzt,  llndon  sich  (Jesuche  an  die  Stadt   mit  der 


i)   IkMllioiil    von    Kcjicoii.sliurjij.       Vüllslüiuii{;c     AiLSifiihc     sciiii-i-    l'n.'(lijtrkMi    .  .  .    von 
Franz    IMoitVer.     (VVion  ,    18G^,J  I,  S.  3±. 

2)  Siebenlvees,  Muterialien  ziu-  ISürnbergischcn  GcschicJile.    (Nürnhcrt;,   ITJä.J  1,  S.  48. 


—    94    — 

Bitte,  um  Ühcnuihine  der  Gevatlerschal't.  Sie  gehen  von  Nachbaren  und  Per- 
sonen in  Amt  und  Würden,  die  zu  der  Stadt  irgendwelche  Jieziehungen  hatten,  aus. 

Der  älteste  dieser  Gevatterbriefe  ist  leider  nicht  datiert;  nach  der  Hand- 
schrift dürfte  er  in  den  Schlufs  des  16.  Jahrhunderts  fallen.  Kr  ist  von 
Hieronynius  Lucius,  »dcrozeit  armer  unwürdiger  Seckhendörffischer  pfarrer  zu 
Etzeiheim'f  an  den  Bürgermeister  und  Rat  zu  Windsheim  gerichtet  und  hat 
folgenden  charakteristischen  Wortlaut: 

»Ehrnveste,  fürsichtige,  erbare,  wolweyse  herrn  burgermeistere  und  rhat, 
insonders  grosgünstige  vilgeliebte  herrn  mecaenates  und  patres  patriae  sampt 
und  sonders.  euer  e.  f.  e.  w.  kan  ich  endsernander  armer  kirchendiener 
hierneben  meinem  freundlichen  grus  und  jederzeit  bereitwillig  gevlissenen 
diensten,  sampt  wüntschung  eines  glückseligen  freudenreichen  neuen  jars  in 
unterthenigkeit  und  demut  nicht  bergen,  daß  der  getreue  barmherzige  gütige 
gott  nach  seiner  grosen  unaussprechlichen  gnad  und  baiiiiherzigkeit  mein 
liebes  ehweib  dermaleinst  ihrer  schweren  leibsbürden  entbunden  und  uns  becde 
arme  eheleutlein  in  unserm  wehrendem  ehstande  herwiderumben  mit  einem 
jungen  söhn  (darfür  ihme  lob,  prei|5  und  dank  gesagt)  erfreuet.  Wann  dann 
nach  frölichem  anblick  bescherter  junger  leibsfrucht  diß  fürneralichen  ampts- 
halber  frommen  gotlesförchtigen  eitern  eignen  und  gebüren  wil,  daß  sie  mit 
derselben  zum  fördersten  und  fürderli(;hsten  der  christlichen  kirchen  zueilen 
und  durch  das  sacrament  der  h:  tauf  Christo,  seiner  kirchen  und  reich  incorpo- 
riren  lassen:  solchs  christliche  hohe  werk  aber  ohne  gevattern,  zeugen  und 
andere  darzu  gehörige  mittelpersonen  keineswegs  kan  verrichtet  werden:  als 
haben  wir  beede  eitern,  wie  gebreuchlich,  billich  auch  noch  ehester  zeit  uns 
umb  dieselbige  bekümmern  und  umbthun  sollen,  dieweil  aber  anjetzo  geschwinde 
theure  zeit  und  teuften,  also  daß  fast  ein  jedweder  ehrlicher  mann,  bevorab  uf 
dem  land  und  in  den  gringen  dörfern  mit  der  lieben  narung  und  haushaltung 
zu  schicken  und  zu  schaffen,  auch  ein  mancher  (der  es  doch  sonsten  ganz  willig 
und  gern  thet)  zu  solcher  zeit  wol  von  herzen  erschrickt,  da  man  ihn  zu  einem 
christlichen  werk  oder  ehrendienst  bittlich  erfordern  Ihut,  also  sind  wir  beede 
eitern  dißlialb  nicht  in  geringen  gedanken  gestanden,  wohin  wir  uns  doch  etwan 
fürden  selten,  damit  wir  nur  ehrliche,  fromme,  gottsförchtige  und  willfehrige  per- 
sonen  antreffen,  und  ja  niemand  irgend  solcher  unser  gevatterschaft  halber  sonder 
beschwehrliche  Unkosten  utladen  möchten,  endlichen  sind  wir  dann,  uf  vergangene 
unsere  einfeltige  delibcration,  gleiches  sinnes  worden,  euer  e.  f.  e,  w.,  als  unsere 
grosgünstige  hochgeachte  vilgeliebte  herrn  in  gesarabtem  ganzem  erbarn  rhat  diser 
keyserlichen  freyen  reichsstatt,  meines  lieben  Vaterlands,  alhier  mit  Vertretung 
solchs  christlichen  dapfern  werks  und  gevatterschaft  halber  unterthenig  zu  be- 
grüssen  und  bittlich  anzusprechen,  dero  getrosten  hoffnung  und  Zuversicht, 
wie  euer  e.  f.  e.  w.  sonsten  gottes  wort  lieb  haben,  auch  allen  treuen  kirchen- 
dienern  mit  allem  günstigem  geneigtem  willen  von  herzen  gewogen  und  zuge- 
than :  also  würden  dieselbe,  in  beförderung  dises  hohen  und  gott  wolgefelligen 
werks  gewislichen  sich  auch  gegen  uns  arme  eitern  wegen  unsers  unmündigen 
kleinen  kindleins  (als  welchem  auch  all  sein  heil  und  Seligkeit  daran  gelegen) 
nicht  ungünstig,  sondern  sehr  geneigt  und  bereitwillig  erfinden  lassen. 

Und  zwar  zu  solcher  zeit  bei  euer  e.  f.  e.  w,  solchs  christliche  werk  zu 
suchen  und  zu  werben,  hat  mir,  als  dem  kindsvatern,  sonderlich  gebüren   und 


—    95    — 

zustehen  wollen,  aus  der  ursach,  auf  das  nemlichen  gegen  euer  e.  f.  e.  w..  als 
meinen  allerseits  hochgeachten  grosg-ünstig-en  und  vil geliebten  herrn  bene- 
factoribus,  für  deren  vilfaltige  hohe  grose  mir  erzeigte  wolthaten  ich  mich 
hierdurch  nicht  allein  etlicher  massen  dankbar  erzeigen,  sondern  auch  gegen 
dieselbe  mich  jetziger  Zeit  armen  unwürdigen  kirchendiener  sampt  all  den 
meinigen  gleich  von  neuem  ferners  zu  allem  günstigem  geneigtem  gutem  willen 
und  getreuer  beförderung  anbefehlen  und  verbinden  möge:  sintemal  in  was 
grose  abgunst  und  unwilleu  bei  euer  e.  f.  e.  w.  wir  beede  arme  eheleutleiu 
(leider)  in  ueuligkeit,  allein  durch  andrer  leute  abgunste  geriiaten  und  kommen, 
das  haben  wir  schon  zur  gnüg  vermerkt.  Derentwegen  damit  dieselbe  in  der 
zeit  nocli  wider  gestillt  und  abgetragen,  uns  auch  hinfüro  desto  eher  zu  unserm 
rechtmessigen  billichen  begern  verholten  werden  möchte:  als  ist  und  gelangt  an 
euer  e.  f  e.  w.  und  gesamptem  ganzen  rhat  alhier  mein  und  meiner  lieben 
hausfrauen  untertheniges  hochvleissiges  flehen  und  bitlen,  euer  e.  f.  e.  w. 
wollen  uns  beeden  armen  eheleutlein  fürs  erste  von  herzen  verzeihen  und  ver- 
geben alles  dasjenige,  was  Unrechts  und  sträflichs  gegen  dieselbe  wir  etwan 
in  Worten  oder  werken  sollen  oder  mögen  begangen  haben,  dann  und  fürs 
andere  wollen  euer  e.  f.  e.  w.  auch  ganz  unbeschwert  aus  christlicher  lieb  und 
niitleidentlichem  herzen,  ja  umb  gottes  willen  sich  unsers  armen  unmündigen 
Kindleins  erbarmen  und  annemen,  und  dasselbe  (wofern  bey  euer  e.  f.  e.  w.  unsere 
hohe  bitte  änderst  mag  statt  finden)  durch  eine  abgeordnete  person  aus  dero 
erbarn  woUöblichem  ansehnlichem  mittel  oder  burgerschaft  zu  der  h:  christ- 
lichen tauf  befördern  helfen,  damit  es  auch  ein  Christ  und  kind  gottes  werden 
möge,  welchs  hocherweisende  gott  wolgefellige  christliche  werk,  dogegen  euer 
e.  f.  e.  w.  in  gesamptem  ganzem  rhat  und  gemeiner  statt  alhier  wir  beede 
arme  eitern  sampt  unserm  kind  die  zeit  unsers  leben  entweder  aus  armut  oder 
Unverstand  nimmermehr  zu  beschulden  wüsten,  so  wirds  doch  der  ewige  all- 
mechtige  gott  euren  e.  f.  e.  w.  gewis  in  diser  und  jener  weit  unvergolten  nicht 
lassen,  inmassen  wir  dann  unsers  theils  bey  demselben  auch  ganz  vleissig  und 
embsig  unterdessen  für  euer  e.  f  e.  w.  langwüriges  leben,  bestendige  leibs- 
gsundheit  und  glückliche  regierung  bitten  und  anhalten  wollen,  nicht  zweifleud, 
gott  werde  in  genadeu  unser  armes  demütiges  gebet  erhören,  und  euer  e.  f  e. 
w.  sampt  uns  allen  ein  glückseligs  freudenreiches  neues  jar  bescheren,  hierauffer 
empfelen  euer  e.  f.  e.  w.  sauipt  dero  ganzen  statt  wir  dem  lieben  gott  zu  ganz 
genodiger  getreuer  erhaltung  und  bewarung,  und  versehen  uns  keiner  ab- 
schlägigen anwort.  sind  wir  so  hoher  vornemer  gevatterscliafl  nicht  wlrdig, 
so  sind  wir  derselben  ab(!r  hochnohtdörftig. 

E.  e.  f.  e.  w.  untertheniger  und  willig  gevlissener 

Hieron  ymus   Lucius, 

dero/A'it   aiimr  iinuüniij^or  SecklKMiiiörniscIu'r 

pfarrcr  zu  lilzclheiiii   iii|)  ■ 

Ob  diese  de-  und  wclinUithige  Bittschrift  einen  Krfolg  gidiabt,  ist  niclil 
festzustellen;  als  ein  Ausflufs  der  Neigung  zum  Luxus  ist  sie  sicher  nicht  zu 
betrachten. 

Unterm  14.  Oktober  1033  ersuchte  Karl  Ahirt.cnson,  ^»Obr.  Lcut.«  auf  dem 
Schlosse  ob  Würzburg,  die  Stadt  Windsheim,  sein  am  lU.  desselben  MunaLs  go- 
bornes  Söhnlein  am  21.  Oktober  aus  der  Taufe  zu  heben. 


—    96    - 

Etwas  theurer  als  diese  Gevatterschaften  dürfte  der  Stadt  Windsheira  die 
bei  der  Tochter  des  Georg  Friedrich  Herrn  zu  Linipurg,  des  heiligen  römischen 
Reichs  Erbschenk  und  Seniperfrei,  g-ekomraen  sein.  Am  9.  September  lü39  theilte 
dieser  dem  Bürg-ermeister  iintl  Rat  mit,  dass  seine  Gemahlin  einer  jungen  Toch- 
ter genesen.  Unter  Bezugnahme  auf  die  freundnachbarlichen  Beziehungen  er- 
sucht er  Bürgermeister  und  Rat,  »neben  atulorn  hierzu  erpetenen  sich  mit  der 
gevatterschaft  ohnbeschwert  zu  beladen,  gestalt  dann  hiermit  an  dieselben  unser 
g.  nachbarlich  pitteu,  sie  wollen  angedeuten  Tag  (22.  Oktober)  abends  zuvor 
jemanden  aus  ihrem  mittel,  dero  belieben  nach  hiehero  abordnen  und  bei  die- 
sem christlichen  actu  ihre  stell  vertreten  lassen. (f 

.  Über  die  Kosten ,  welche  durch  diese  Gevatterschaft  der  Stadt  erwachsen, 
gibt  ein  dem  Schreiben  beiliegendes  Verzeichniss  Auskunft.  Dasselbe  enthält 
folgende  Posten:  »Item  2  iL  6  b.  dem  freyherrlichen  abgeordneten  verehrt 
22.  septembris.  item  40  fl.  48  kr.  Johann  Conrad  Lawrens  (?)  wittiben  zu 
Nürnberg  für  ein  pocal  von  2  Marc  u.  13  loth  verguldt.  1  fl.  3  b.  für  almosen 
....  2  11.  0  b.  einer  J.  v.  Rotenhan  ,  so  das  kind  getragen.  1  fl.  3  b.  der 
hebammen.  1  fl.  3  b.  der  säugammen.  2  fl.  6  b.  dem  pfarrer.  2  fl.  6  b.  den 
Spielleuten.  7  fl.  3  b.  den  koch,  keilner,  aufwarteru  und  cammerdienern.«  Der 
Stadt  erwuchsen  durch  solche  Gevatterschaften  also  ganz   beträchliche  Kosten. 

Im  Jahre  1648  am  10.  Februar  schrieb  der  Oberkommissarius  Wolf  Hafner 
zu  Weissenburg  a.  S.  und  bat  Bürgermeister  und  Rath,  bei  dem  ihm  am  selben 
Tage  geborenen  Söhnlein  »neben  andern  hierzu  erbetenen  vornehmen  gevatters- 
leuten«  am  13.  Februar  Gevatter  zu  stehen.  Am  16.  bedankte  sich  Wolf  Hafner 
für  die  vom  Rate  ausgedrückte  Bereitwilligkeit,  »da  nur  die  gelegenheiten 
solches  zugelassen  bette.«  Der  Rat  suchte  sich  also  wol  der  Gevatterschaft 
unter  irgend  einem  Vorwande  zu  entziehen. 

Der  Rath  von  Weissenburg  erkundigte  sich  1687  bei  dem  Windsheimer, 
ob  er  vielleicht  auch  vom  Grafen  Georg  Eberhard  Herrn  zu  Limpurg  um  die 
Gevatterschaft  gebeten  worden  sei,  worauf  laut  vorliegendem  Konzepte  der 
Windsheimer  Rath  unterm  31.  Oktober  erwiderte,  dafs  solches  diesmal  nicht 
geschehen  sei^  dafs  er  aber  1686  die  ihm  von  Herrn  Schenk  VoUrath  zu  Speck- 
feld und  im  Jahre  1685  die  ihm  von  Graf  Georg  Eberhard  angetrageneu  Ge- 
vatterschaften angenommen  habe.  Dem  Überbringer  der  Ersuchschreiben  hatte 
der  Windsheimer  Rath  zwei  Thaler  verehrt  »und  jedwedern  frau  gemahlin  inner 
der  6  wocheu  «eine  vergoldete  Kanne  zu  je  30  Reichsthaler  überschickt. 

Den  letzten  der  uns  vorliegenden  Gevatterbriefe  an  die  Stadt  Windsheim 
hatte  in  militärischer  Kürze  Wachtmeister  Johannes  Leyenberger  in  Wenners- 
heimb  unterm  27.  August  1696  an  dieselbe  gerichtet. 

Die  hier  mitgetheilten  Gesuche  sind  sicher  —  wie  schon  das  Konzept  des 
Schreibens  an  die  Stadt  Weissenburg  beweist  —  nicht  die  einzigen  gewesen, 
welche  der  Stadt  Windsheim  zukamen.  Es  ist  wol  recht  oft  eine  solche  Bitte 
an  den  Bürgermeister  und  Rat  herangetreten  und  die  Ausgaben  für  Gevatter- 
schaften mögen  zu  jener  Zeit  ein  häufig  wieder  kommender  Posten  in  den 
Rechnungen  der  Stadt  Windsheim,  wie  anderer  Städte,  gewesen  sein. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


—    97    — 

Zur  Frage  uach  Haus  Sachs'  Quellcu  uud  Stoflfeu. 

ie  Erforschung-  der  umfäng-lichen  uud  auch  erstaunlich  vielseitigen 
dichterischen  Thätigkeit  von  Hans  Sachs  hat  in  den  letzten  Jahren  einen 
äufserst  erfreulichen  Aufschwung"  genommen.  Drei  Gelehrte  besonders 
förderten  neuerdings  das  genauere  Verständnis:  allen  voran  Edmund  Groetze,  der 
gründlichste  Kenner  der  Daten  sowie  der  handschriftlichen  uud  gedruckten 
Texte,  als  Herausgeber,  Bio-  und  Bibliograph,  und  in  den  letzten  Jahren,  von 
ihm  unterstützt.  Victor  Michels  und  Karl  Drescher.  Michels'  archivalische 
Forschungen  in  Nürnberg  kamen  besonders  der  theatergeschichtlichen  Seite  zu 
gute,  Drescher  berücksichtigte  mehr  die  rein  litterarhistorische.  Aber  das 
streng  philologische  Streben  beider  ging  auf  Ergründung  von  H.  Sachs'  Stellung 
in  der  Litteratur  seiner  Zeit  und  zu  seinen  Vorgängern  verschiedenster  Art^). 
Dreschers  beide  ergebnisreiche  Bücher^)  enthalten  sogar  im  wesentlichen  systema- 
tische Quellenuntersuchungen,  wie  auch  der  Verfasser  im  Vorworte  zum  zweiten 
bekanntgibt.  Erst,  wenn  man  für  die  überwiegende  Mehrzahl  aller  gröfseren  und 
charakteristischen  Dichtungen  die  Vorlagen  aufgedeckt  haben  wird,  kann  ein 
endgiltiges  Urteil  über  H.  Sachs'  Gabe  der  Konzeption,  der  Fabelgestaltung, 
der  künstlerischen  Komposition  und  Technik  abgegeben  werden.  Behufs  Fest- 
stellung der  gesamten  einschlägigen  Poesien  des  Dichters  aus  dem  Umkreise 
eines  bestimmten  Stoff'-  oder  Litteraturgebietes  besitzen  wir  erstlich  Emil  Wellers 
noch  immer  unentbehrliches  Büchlein  »Der  Volksdichter  Hans  Sachs  und  seine 
Dichtungen.  Eine  Bibliographie«  (1868),  dann  das  von  Karl  Goedeke,  dem  um  die 
Sachs-Bibliographie  hochverdienten  Vorarbeiter  aller  jüngeren  Forscher^),  ange- 
legte Verzeichnis  im  »Grundrifs  z.  G.  d.  dtsch.  D.«  2.  Aufl.  ü,  S.  400-437*).  Ein 
äufserst  wertvolles  Hilfsmittel  hinterliefs  ja  der  Meister  selbst  in  dem  interessanten 
Kataloge,  den  Goedeke  nach  dessen  eigenhändiger  Niederschrift^)  als  »Die  Bücher- 
sammlung des  Hans  Sachs«  abgedruckt  hat^).  Hier  gewinnt  man  zwar  manchen 
schätzbaren  Anhalt,  gerät  aber  doch  des  öfteren,  falls   man  lediglich  ilie   dort 

i)  »Die  uuifasseiidste  und  gründlichste  Behandlung«  fand  aucli  dieses  Vei'hältnis  in 
der  einzigen  bis  jetzt  vorhandenen  Sachs-Biographie,  die  wir  (wie  die  ersten  Biographien 
Fischarls,  Klopslocks.  Herders,  Jean  Pauls,  Chaniissos)  einem  Franzosen  verdanken:  Charles 
Schweitzer,  ün  poete  alleniand  au  XA'I''  siecle.  Etudo  sur  la  vie  el  les  (euvres  de  Hans  Sachs 
(Paris  und  JNancy  1887;  ausgegeben  lS89j;  die  angol'ührle  Ivi'itik  slauiml  von  Karl  Frouimann 
(iun.J  in  seiner  Neubearbeitung  von  Lützelbergers  »Hans  Sachs.  Sein  Leben  und  seine 
üichtung«  (1891),  S.  39.  Hierbei  erlaube  ich  mir  auf  meine  Rezension  Schweitzers  zu  ver- 
weisen: Literaturl)latt  für  germanische  und  ronianisdie  Piiilologie  XI  (1890),  S.  2S4     57. 

1)  Studien  zu  Hans  Sachs  I.  fBerlin  1890/91);  Studien  zu  Hans  Sachs.  Neue  Kolge. 
(Marburg  i.  H.  1891.j 

S)  Wie  deren  Füiirer  Goetze,  aucii  hier  wie  beim  »Grundrifs«  gleichsam  Goedekes 
Tt!slamenlsvolistrecker,  freudig  anerkennt  (Hans  Sadis.     Bamberg  1891.     S. -i  u.  6S,  Anm.4.) 

4j  Dazu  sind  die  von  Goetze  (nacli  Allg.  Dlscii.  Biogr.  XXX,  1:27)  gesammelten  iilirigen 
Erwähnungen   im   l'x'^Hsfer  S.  .'597   !iinzuziifii;,nMi. 

.Ti  hl  der  »Summa  aller  meiner  gedieht«  (die  zu  den  auf  dem  Zwickauer  Halsarcliive 
helindlichen  Handschriften  gehört)  Bl.  122  f.,  in  fünf  Spalten,  nach  Goetze  (Hans  Sachs  S.  38j 
1562  über  100  Nummern. 

6j  Archiv  f.  Liigesch.  VH.  l-ß.  Zum  lulgemleii  vgl.  Orescln'rs  1.  These  hinter  der 
Dissertation  rsi(>he  unten  Anni.  10). 

Mitieiliiiigeii  aus  (Umii  gurinan.  Natioiialiiiiisciiiii.     1S{)2.  \1I1. 


—    98     — 

vei-zeichiieleii  ßUclier  ins  Aug-e  lUlsK  in  dii;  Ine.  Ja,  Hans  Sachs,  der  bekamit- 
lieli  insoleni  zu  dm  g-e\visseiihane8l.eu  Litierateii  aller  Zeiten  zählt,  als  er  seinen 
nächsten  Gewährsmann  zumeist  iiiil  Namen  anlührt,  l)eruft  sich  bisweilen  auf 
Vorbilder,  die  jener  »nach  (h'iii  AIjc«  {geordnete  Katalog-  nicht  «verzeichnet«, 
wo  freilich  auch  »oft  mer  puecher  dan  ains  zw  samcu  eitigepiinden  sent  in  ain 
puech«.  Von  derartig-en  dem  klassischen  Altertume  angehöreiuien  Unterlag-en 
sei  beis|)ielsweise  Lukians  MivLnnog  genannt,  der  in  «Der  Eygen  nutz,  das  g-reu- 
lich  Thier,  mit  sein  Zwüllf  Eygenschaö'ten«')  (1027)  V.  28—25  wie  folgt  vor- 
gestellt wird: 

mein  Nani  heist  Menipus 

Der  weyß  Poet  Lucianus 
Von  mir  g-eschriben  hat  g-ar  klug-. 
Diese  Stelle  ist  für  die  Zitlermelhode  des  H.  Sachs  bezeichnend,  erweist  aber 
—  durch  die  beiden  Namenslbrmen  —  wol  aufserdem  ihrerseits,  dafs  er  griechische 
Schriftsteller  nur  indirekt,  durch  Vermittlung-  lateinischer  oder  deutscher  Über- 
trag-ung-en  oder  Nachbildungen,  benutzte^).  Dies  ist  überhaupt  ein  Punkt,  der 
noch  der  völlig'en  Aufklärung-  harrt.  Inwieweit  H.  Sachs  überhaupt  direkte 
Eiusichtnahme  fremdsprachlicher  Darstellungen  zuzutrauen  und  ob  eine  solche 
in  g-röfserer  Ausdehnung-  stattgefunden,  ist  im  einzelnen  bis  jetzt  noch  ebenso- 
wenig- ausgemacht  wie  bezüg-lich  Shakespeares.  Jedenfalls  mufs  mau,  wie  bei 
letzterem  auCser  der  Muttersprache  nur  das  Französische  und  »ein  wenig  Latein«**), 
bei  ihm  blofs  Lateinisch  und  eine  oberflächliche  Ahnung-  vom  Italienischen 
voraussetzen.  Nötig-  war  ja  damals  bei  dem  mehr  und  mehr  abschwellenden 
Reichtume  der  Verdeutschungen  eine  thatsächliche  Herrschaft  über  fremde 
Idiome  durchaus  nicht,  und  die  meisten  zeitgenössischen  Erzähler  von  Schwanken 
mögen  ihr  Muster  jenseit  der  Alpen  nur  nach  deutschen  Umarbeitungen  nach- 
geahmt haben,  nicht  wie  H.  Sachs  direkt  »Gento  Nouella  Johannis  Bocacij«. 

Von  antiken  Dichtern  zog  Ovid  den  Nürnberger  Fabulisten  am  nachdrück- 
lichsten an.  Die  Metamorphosen  (»von  verenderung  der  gestalt«)  und  die 
remedia  amoris  (»von  der  lieb  arzney«)  führt  er  selbst  in  seinem  Bücherregister 
an.  Dl  Goetze's  Auslassung  Allg.  Dtsch.  Biogr.  XXN,  121  bleibt  undeutlich,  ob 
seines  Erachtens  H.  Sachs  Ovid  nie  im  Original  benutzt  habe.  Man  geht  hier 
allerdings  erst  jetzt  auf  sicherem  Boden,  wo  man  Dreschers^")  gediegene  Ab- 
handlung- »Hans  Sachs  und  Ovid  bis  zum  Erscheinen  der  Metamorphosenbearbei- 
tung Jörg  Wickrams«^^)  (d.  h.  bis  lo4o)  zur  Hand  hat;  denn  mit  Recht  erötfnet 
Drescher  seine  Darlegungen  mit  dem  Satze:  »Zu  den  noch  völlig  unerörterten 
Fragen  der  Hans  Sachsforschung  gehört  das  Verhältnis  iles  Dichters  zu  Ovid«. 

7j  Mit  dicsfin  merkwürdigen  Gedicht  (Bibl  d.  i-orui.  Mus.  17764)  rechnet  Hans  Sachs 
in  die  Physiologus-Litteratur;  Abdruck  Keller-Goetzt's  Ausgabe  III,  491. 

8i  Bei  einer  ganz  anderen  Gelegenheil  diente  mir  (Germania  XXXVI.  189)  »der  im 
1(3.  Jahrhundert  wohlbeiiannle  Lucian«  (vgl.  H.  Förster  im  Arcliiv  f.  Litgesch.  XIV,  337—363) 
als  Beispiel. 

9)  Nach  der  bekannten  Charakteristik  in  Ben  JonsoiK,  poetischem  Nekj-olog. 
10)  Der    dies    Problem    schon    in    seiner    vierten    Promotionsliiese    aufgewori'en    hatte 
(s.  seine  Dissertation    »Hans  Sachs  und  die  Heldensage«,  Berlin  1890,  S.  41  ).  wonuch  Sachs 
vor  134.'}  keine  »direkte  Übersetzung  der  Metamorpliosen«  benutzte. 
lij  Studien  zu   Hans  Sachs.     Neue  Folge.     S.  ;ä8— 89. 


—    99    — 

Die  im  Verlaufe  dieser  Ausführung-en  enthüllten  merkwürdig-en  ümslände,  wie 
z.  B.  die  Aufnahme  von  blofs  handschriftlich  verbreiteten  Sachs'schen  Ovid- 
Nachdich(ung-en  in  Wickrams  Werk,  leg-en  die  Frag-e  nahe,  wie  sich  die  Sach- 
lag-e  mit  dem  Jahre  lö4o,  wo  Wickrams  bequemeres  Hilfsmittel  auf  den  Plan 
tritt,  ändert.  Nun  erhebt  sich  die  Frage  nach  dem  Entscheide  des  Dichters,  ob 
er  dem  alten  Urtexte  treu  bleibt,  der  ihn  so  verläfslich  durch  zahlreiche  Verse 
g-eleiteti2-)_  o(^er  sich  zu  der  neug-emodelten  Übersetzung-  bekehrt.  Da  ich  Drescher 
(S.  89)  unbedingt  beiptlichte,  dafs  eine  derartig-e  Aufgabe  zu  lösen  überhaupt 
nicht  mög'lich  ist,  ohne  die  stetig-e  Heranziehung'  des  handschriftlieh  erhaltenen 
Materials,  mir  aber  im  g-ermanischen  Nationalmuseum  für  diese  Studien  blofs 
Folioausg-aben  und  eine  Reihe  von  Einzeldrucken  zur  Verfügung'  stehen,  so  will 
ich  hier  nur  auf  zwei  vortretl'lich  verwertbare  Belege  für  die  bezügliche  Be- 
trachtung aufmerksam  machen:  »Das  feindtselig  Hauß  des  Neides,  auß  der 
beschreibung  Ouidij«  (15o4^3j  ^^^j  ^j^s  zweite  Stück  in  »Dreyerley  klagred  dreyer 
Weibsbild,  Lucrecie,  Thisbes^  vnd  Virginie.« 

Ersteres  Gedicht  behandelt  natürlich  die  berühmte,  von  dem  phantasievollen 
Römer  grausig  ausgemalte  Geschichte  metamorph.  II,  761  ff.,  die  letztere  das  be- 
kannte orientalische  Volksmärchen  von  Pyramus  und  Thisbe.  Der  letztere  Einzel- 
druck, von  dem  Weller  a.  a.  0.  S.  57  unter  Nr.  102  drei  Exemplare^^)  nennt,  ward 
bisher  noch  nicht  erneuert,  obschon  er  es  stofflich  und  litterarisch  eher  verdient 
hätte,  als  manche  weit  gehaltloseren.  Die  Geschichte  von  der  Lucretia  beruht 
ebenso  wie  die  der  Virginia  auf  «Thitus  Liuius«,  erstere  daneben  noch  auf 
Valerius  Maximus,  die  Thisbefabel  auf  Ovid,  alles  nach  des  Dichters  genauer 
Angabe.  Interesse  gewinnt  dieser,  nur  vier  Blattei-  umfassende  Einzeldruck 
(der  auf  dem  Titel  mit  »Hans  Sachs«  bezeichnet  und.  obschon  ohne  Drucker- 
und Druckortangube,  den  Typen  zufolge  zweifellos  zu  Nürnberg  herauskam) 
zunächst  durch  die  Thatsachc,  dafs  H.  Sachs  die  beiden  livianischen  Themata, 
nachdem  er  in  richtiger  Erkenntnis  ihres  stark  dramatischen  Zuges  sie  längst 
als  Tragiidien  bearbeitet  hatte,  hier  nochmals  in  engstem  Rahmen  als  sogenannte 
apologi  vorführt.  Das  Lucietiadranui  (lo27)  von  H.  Sachs  ist  ebenso  wie 
seine  »Virginia«^^)  (l;)8l))  die  älteste  dramatische  Umgestaltung  des  betreffenden 
Problems.  Zwischen  beide  hat  H.  Sachs  die  mehr  sagenhafte  Figur  der  Thisbe 
gestellt,  mag  sein  lediglich  vom  al|)habetischen  Standpunkte  aus,  mag  auch  sein 
um  ilic  beiden  tragischen  ultr/imischen  Historien  durch  die  mildere,  im  Stile  der 
(irientaiischen  .Märchen  gehaltene,  babylonische  von  Pyramus'  und  Thisbes  un- 
glückiii-licr  Liebe  zu  trennen.  Doch  ei-scheint  es  allerdings  fraglich,  ob  man  dem 
Dichter  eine  derartigverfciiierlc  Ivünsthu'ischeÜberleguiigzutrauen  soll.  Dieäul'sere 
Zusammenfassung  der  drei  Stoffe  ergab  sich  wol  l)lols  aus  dem  Umstände,  dafs  in 
jedem  cim'  lit'iirnswüi'dige,  sympalhische,  Junge  Frauensperson,  in  ihrem  liiebes- 
rechte  gekränkt,  durdi   IVeiwilligcn  Tod  durch  das  Schwer!  dem  bevorstehenden 

\i)  Dresclier  Icill  als  Aiiliiiii;;  /.in-  •..Neuen  Folge«  seiner  Studien  tireifsijr  liislanj;  reclil 
unbekannte  Texli'   mil.   vnn   denen  (i — 29  auf  Ovid  fufscn. 

1;})  Er.sclieinutn^sjain'  des  Ein/eldruci\S  (vj;;!.  Weller  S  74.  iNr.  löo;  Hild.  d.  ^ei-ni.  Mus. 
I7.SUI);  -iedietdel  wurde  das  Werke  he  n  am  1..Ian.  l.'l'iS.  nen-redruckt  i)ei  Kener-(i(tel/e  111.  :l'V.). 

14)  Gernnmisches  Museum  fl  77S(lj,  Stadlliildidlln-k  iNnndn'r-i;.  Köni^H    IWidiolliek  Berlin. 

löj  AlMlrnck   hei    Keller-Uool/.e   II,  3. 


—     100     - 

Uiig'liicke  enlg-ehl  (um  hier  Jas  Geiueinsaiue  müg'liohst  auf  eine  Linie  /u  bring-en). 
Äul'sei'st  lehrreich  mrichle  eine  vergleichende  Nebeneinanderstell ung  der  anderen 
Bearbeihingen  derselben  Stoffe  im  16.  Jahrhunderte  sich  gestalten.  Sie  würde 
auch  aut  H.  Sachs'  Genialität  in  der  inventio  materiae.  wie  die  Rhetorik  sagt, 
auf  seinen  in  der  SlolTwahl  bekundeten  kühnen  Wagemut  manch  neues  Licht 
werten.  Ich  habe  seit  mehreren  Jahren  behufs  einer  umfänglicheren  Betrachtung 
die  Materialien  zu  einer  solchen  Parallelisierung  gesammelt  und  auch  bereits  für 
iilli'  drei  Fabeln  gelegentlich  einzelne  Proben  davon  mitgeteilt:  für  Lucretia 
Ztschr.  f.  vergleichd.  Litteraturgesch.  u.  Renaissancelit.  N.  F.  IV,  77  Anm.  2 
und  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  roman.  Philol.  XII,  298  f.;  für  Thisbe  Englische 
Studien  XV,  442—444,  auch  XVll  129;  für  Virginia  Magaz.  f.  die  Litteratur  des 
In-  und  Auslandes  ;)9,  264  f.  und  Engl.  Stud.\\VII.  122—124.  Unsere  Klag- 
reden sind  im  Kreise  der  Litterarhistoriker  fast  völlig  uiil»ekannl,  was  freilich 
nienumden  wunder  zu  nehmen  braucht,  wenn  er  hört,  dafs  selbst  Spezialisten 
die  einschlägigen  Dramen  nicht  kennen.  Der  sehr  grümiliche  und  feinsinnige 
Kenner  der  Renaissance,  Gteorg  Voigt,  geht  in  seinem  Aufsatze  über  »Die 
Lucretia-Fabel  und  ihre  litterarischen  Verwandten« ^^)  nicht  auf  Hans  Sachs' Be- 
handlung ein,  wie  auch  Otto  Rumbauer  in  seiner  Breslauer  Inaugural-Dlssertation 
»Die  Geschichte  von  Appius  und  Virginia  in  der  englischen  Litteratur«  (1890) 
in  tler  einleitenden  Aufzählung  der  nichtenglischeii  Bearbeitungen  den  Nürn- 
berger nicht  nennt.  Für  die  Thisbegeschichte  ist  jetzt  eine  allgemeine  Sammlung 
der  Belege  von  Georg  Hart^'')  vorhanden;  doch  erwähnt  er  H.  Sachs,  seineu 
Landsmann,  auf  seinen  107  Seiten  überhaupt  nicht. 

Übrigens  hatte  H.  Sachs  auch  des  unseligen  Schicksals  der  Morgen- 
länderin  Thisbe  schon  früher  in  längerem,  wenn  auch  nicht  selbständigen  Zu- 
sammenhange gedacht.  Sein  ^^Faßnacht-spiel  mit  4  personeu:  Von  der  eygen 
schafft  der  lieb«  ^^),  am  8.  Januar  iol8  entstanden,  enthält  folgende  Stelle^^): 

Wo  aber  rehte  liebe  leit, 

Üb  gleich  ein  klaffer  etwas  seit, 

Dem  glaubt  sie  nit,  das  es  war  sey, 

Sie  wont  im  stets  in  trewen  bey 

Und  gieng  bil's  in  den  todt  mit  im, 

Wie  ich  von  Piramo  vernim: 

Da  Thisswes  (l)^^)  in  erstochen  sach. 

Da  kam  sie  trewer  liebe  nach 

Und  zog  das  schwerdt  aus  seinem  leib, 

Stach  das  durch  sich,  das  trewe  weih. 


16)  in:  Bcriclite  d.  ivönigi.  Sachs.  Gesellscti.  d.  Wissenschaft.  Pliilut-liislur.  Ivlassc.  1883. 

17)  I.  Teil  u.  d.  T. :  Ui-sprung-  und  Verbreitung  der  Pyrainus-  und  Thisbe-Sago.  Teil 
einer  Münchner  Inaugurai-Dissei-talion.  Beilage  zum  Jahresbericht  der  k.  Kreisrealschule  in 
Passau  pro  1889.  Passau  1889.  Verlag  von  Gust.  Fock  in  Leipzig.  II  Teil  u.  d.  T. :  Die 
Pyramus-  und  Thislie-Sage  in  Holland,  England,  Hallen  und  Spanien.     Passau  1891. 

18)  Bei  Keller-Goetze  XIV,  12  ff. 

19)  Ebd.  XVII,  I,  V.  14-23. 

20j  Auch  in  gleichzeitigen  englischen  Drucken  gehen  verschiedene  Formen  neben  ein- 
ander her;  doch  isl  Thisswes,  beziehenllich  Thisbes  (s.  S.  101  unlenj,  wol  versehentlicher  Genitiv. 


—     101     — 

H.  Sachs  hat  hier  tlen  Thisbestoff  schon  zu  einer  Zeit  bearbeitet,  wo 
von  einer  anderen  Gattung-  von  Darstellung-eu  desselben  Motivs,  die  sonst  mit 
ihm  Berührungspunkte  haben  mag,  noch  nichts  verlautet.  Ein  eigenartiger 
Holzschnitt,  der  die  Schlufsszene  der  Thisbekatastrophe  versinnlicht  und  ent- 
schieden der  Cranachschen  Schule  zugehört,  taucht  132(3  im  Titel  von  Sauronians 
»Ein  kurtze  Vermanungc  u.  s.  w.  in  dem  Verlage  der  bekannten  Wittenberger 
Oftizin  von  Georg  Rhau  (Rhaw)  auf  und  ziert  seitdem  eine  Reihe  von  Büchern, 
1553  auch  ein  Londoner  Druckwerk.  Darauf  hat  K.  Th.  Gaedertz  (der  insbesondere 
seit  Jahren  für  den  Thisbestofi'  sammelt)  eine  umfangreiche  und  geschickt  ver- 
teidigte Hypothese  aufgebaut,  die  bekannte  Pyramus-  und  Thisbe- Episode  in 
Shakespeares  »A  midsumraer  night's  dream«  entstamme  einem  englischen  Buche 
über  die  Thisbefabel ,  das  vorn  mit  eben  demselben  Cranachschen  Holzschnitte 
über  den  Tod  Thisbes  geschmückt  gewesen  sei ,  wie  ein  verlorenes  deutsches 
gleichen  Stotfes  aus  G.  Rhaus  Verlag.  Man  findet  diese  Kette  von  Schlüssen 
mit  den  zugehörigen  Unterlagen  in  seinem  Buche  »Zur  Kenntnis  der  alteng- 
lischen Bühne  nebst  andern  Beiträgen  zur  Shakespeareliteratur«  (Bremen  1888), 
Kapitel  II,  dem  auch  eine  »Nachbildung  von  Lucas  Granachs  Pyramus"  und 
Thisbe«  vorgesetzt  ist.  In  den  «Engl.  Stud.«  XV,  442  habe  ich  diese  Vermutungen 
zu  prüfen  versucht  und  u.  a.  den  Mangel  mancherlei  erwünschten  Materials 
])edauert.  Nun  bietet  der  Hans  Sachs'sche  Einzeldruck  der  »dreyerley  klagred« 
auf  dem  Titel  einen  über  ein  Drittel  der  Seite  einnehmenden  Holzschnitt,  der 
sichtlich  Thisbe  in  dem  Augenblicke  darstellt,  wie  sie  verzweifelt  das  Schwert 
des  Geliebten  sich  in  den  Busen  stöfst.  Kostüm  u.  s.  w.  entsprechen  ganz  und 
gar  dem  Stile  des  Cranach  zugewiesenen  Schnitts;  nur  ist  alles  wesentlich  ver- 
einfacht, die  Szenerie  arg  zusammengedrängt,  alle  irgend  entbehrlichen  Reiiui- 
siten  fortgelassen.  Es  sei  hier  schliefslich  noch  darauf  hingewiesen,  dafs  Lucas 
Cranach  d.  Ä.  den  auf  H.  Sachs'  Titelholzschuitt  herausgegriffenen  Höhepunkt 
in  Pyramus'  und  Thisbes  tragischem  Schicksal  dreimal  behandelt  hat,  worüber 
mau,  aul'ser  Gaedertz  a.  a.  0.,  Joseph  Heller,  Lucas  Cranach's  Leben  und  Werke, 
2.  Aufl.  (Nürnb.  1854),  S.  G(3,  81  und  92  einsehe.  Die  Lucretia  malte  Cranach 
1532,  153(3,  1543,  1545  (zweimal),  154(3,  also  ausnahmelos  zwischen  Sachs'  Drama 
und  Klagred  über  denselben  Stoff";  man  vergleiche  die  Notizen  bei  Heller  a.  a.  0. 
35,  54,  61,  63,  67,  85,  88.  91,  94,  96,  101,  104,  108,  ferner  Schuchardt.  Lucas 
Cranach  d.  Ä.  Leben  und  Werke  H  (1851).  S.  25,  37,  43,  61,  96.  107,  140.  161, 
1(36,  181  und  III  (1870)  270. 

Ein  kunsthi.^torischer  Fund  könnte  hier  unter  Umständen  Sachs  mit  Cranach 
(den  ja  auch  der  Nürnberger  Patrizier  Antonius  Tücher  bcsrhäftigle!)  verknüpfen, 
ja,  wer  sich  gern  auf  dem  Felde  der  Wissenschaft  in  kühnen  Träumen  wiegt, 
erblickt  vielleicht  schon  die  oft  gesuchte  Brücke  zwischen  H.  Sachs  und  dem 
groCsen  stariimverwandit'ii  Bühnendichter,  der  in  H.  Sachs' Todesjahr  erst  ein  zwidf- 
jähriger  Knabe  war,  William  Shakespeare.  Nicht  unwahrscheinlich  komm!  es  mir 
jedoch  vor,  dal'sder  Altdorfcr  Universitätsprofes.^or  Daniel  Schwenler  (1585— 1636), 
dessen  für  uns  verlorenes  Stück  mit  der  Pyramus -Thisbe -Historie  als  Mittel- 
punkt teilweise  den  Boden  für  Andi-eas  Gryphius"  IrelVliches  Schim|»fspiel  »Peter 
Squenz«  (zwischen  1647  und  1650)  abgab,  mit  bei  H.Sachs  Anregungen  empfangen 
hatte.  Allerdings  ist  für  1(304  eine  »Flislorie  vonn  Thisbes^")  vnndt  [tyiamoff 
belegt,   für   ilie    neben    anderen   am   29.  Januar  dieses   Jahres   eine    wandernde 


—     102     — 

8chauspielerlrii|)|»e  Ikmiii  Kalo  der  freien  Keichssladt  Nör(llinp:en  die  Konzession 
nachsucht  2^).  Aulserdem  kann  Schwenler  sicli  auch  den  StofT  von  einem  fremd- 
sprachlichen Muster  g^eholl  haben;  denn,  was  für  ein  sprach kundigrer  iMann  er 
war^ä),  l)e\veist  ein  in  meinem  Besitze  belindliches  Autog-raph  mit  hebräischen 
und  persischen  Zeilen. 

Nürnberg-.  iJr.  Jjudwig-  Franke). 

21)  Aufgefunden  von  Karl  Trautuiann  um!  von  iiini  inilgeteill  im  »Archiv  f.  Litteratur- 
gfschichte.  XI,  626. 

22)  Dies   tritt    in   seiner  von  Cantor   verfal'stcn  Biographie  in  der  A!li^.  Dtsch.  ßiogr. 
rXXXIlI,  413  f.)  nicht  zur  Genüge  hervor. 


Her  Nürnberger  Hotscliniied  Jakob  Weiniiianii. 

ni  »Kataloge  der  im  germanischen  Museum  befindlichen  Bronzeetaphien 
des  lo. — 18.  Jahrhunderts«  haben  wir  unterer.  102—108  sieben  Epitaphien 
ang:eführt,  die  von  einem  Meister  I  VV,  dem  ersten  der  Nürnberg'cr  Rot- 
g-iefser,  der  seine  Initialen  auf  den  Epitaphien  anbrachte,  herrühren.  Wir  be- 
merkten (]b.7.u,  dafs  es  uns  leider  nicht  möglich  sei,  anzugeben,  wer  sich  hinter 
diesen  Buchstaben  birgt.  Bei  einem  Besuche  des  hiesigen  Johannesfriedhofes  haben 
wir  nun  nicht  weniger  als  einige  Dutzend  Epitaphien  gefunden,  die  räumlich 
nahe  beieinander  liegen,  und  in  welche  ebenfalls  die  Initialen  I  W  eingeschlagen 
sind.  Sie  fallen  sämtlich  in  die  gleiche  Zeit,  in  der  die  unter  Nr.  102—108 
des  genannten  Kataloges  angeführten  gefertigt  wurden.  Mitten  unter  ihnen  ist 
aber  auch  noch  eine  Tafel,  die  sich  durch  ihre  Gtrölse  vor  den  anderen  aus- 
zeichnet und  den  vollen  Namen  ihres  Verferligers  »Jacob  Weinman«  einge- 
schlagen trägt.  Sie  ist  dem  Andenken  des  1623  verstorbenen  Georg  Rem.  »beider 
Rechten  Doctor,  seiner  Vater-Stadt  Augfpurg  und  der  Republic  Nürnberg  Gon- 
sulenttf  gewidmet^).  Es  ist  wol  nicht  zu  zweifeln,  dafs  dieser  Jakob  Weinmann 
auch  der  Verfertiger  der  lediglich  mit  I  W  bezeichneten  Epitaphien  ist,  der  aber 
nur  bei  der  grofsen  Tafel  es  für  notwendig  fand,  seinen  ganzen  Namen  anzubringen. 
Aus  dem  auf  Seite  14  des  genannten  Kataloges  angeführten  Verzeichnisse  von 
Nüi-nberger  Rotschmieden  des  16.  Jahrhunderts,  das  sechs  Meister  dieses  Namens 
aufführt,  ist  ersichtlich,  dafs  Weinmann  einer  alten  Nürnberger  Rotgiefserfamilie 
angehörte.  Sein  hübsches  Epitaph  ist  bei  Trechsel^)  ausführlich  beschrieben, 
sein  Todesjahr  aber  nicht  angegeben  ;  er  hatte  eine  Katharina  Finsterin  zur 
Ehewirtin. 

Der  Rotgiefser  N  VV,  der  das  Epitaph  Nr.  128  des  Kataloges  fertigte  und 
der  zweite  Rotschmied  ist,  der  sich  auf  unseren  Epitaphien  nennt,  ist  vielleicht 
ein  Namensvetter  des  1  W,  also  ein  N.  Weinmann  gewesen,  den  wir  allerdings 
noch  nicht  nachweisen  konnten. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


1)  Vgl.  Joh.  Marlin   Trechsels   Verneuertes   Gedächtnis   des  JN ürnbergischen  Johannis- 
Kirchhofs  (Frankfurt   u.  Leipzig  1735)  S    137,  Nr.  1428.     ±)  a.  a.  ().  S.  126  I". 


—     103    — 

Kosteu  einer  Reise  vou  Nüruberj;  iiacli  Venedig  1581. 

ü  Band  1  dieser  Mitteilung-eti  haben  wir  auf  S.  äö3  i'.  über  einen  Eilboten 
berichtet,  tler  im  Jahre  1494  innerhalb  vier  Tag-en  und  einiger  Stunden 
von  Nürnberg-  nai-h  Venedig  gereist  ist.  Heute  wollen  wir  wiederum  die 
Aufzeichnungen  über  eine  nicht  ganz  hundert  Jahre  später  ausgeführte  Reise 
zwischen  diesen  beiden  Städten  bekannt  geben,  die  zwar  nichts  Besonderes  au 
sich  hat,  aber  ein  Bild  gibt,  in  welcher  Weise  sich  solche  Reisen  gewöhnlich 
abgewickelt  haben  dürften.  Bei  dem  regen  Verkehre  zwischen  Nürnberg  und 
Venedig  haben  wol  sehr  viele  Bewohner  der  erstereu  Stadt  und  Hunderte  an- 
derer Deutschen  diesen  Weg  unter  ganz  ähnlichen  Verhältnissen  zurückgelegt. 
Es  war  Friedrich  Behaim  (geb.  lo63,  f  1Ü13),  der  sich  lo81,  also  im  Alter 
von  18  Jahren,  von  Nürnberg  nach  der  Lagunenstadt  begab.  Seine  Aufschrei- 
bungen über  die  Ausgaben,  die  ihm  dabei  erwachsen,  sind  mit  dem  freiherrlich 
von  Behaimschen  Archive  in  das  germanische  Museum  gekommen.  Wir  geben 
sie  als  einen  kleinen  Beitrag  zur  Geschichte  des  Verkehrswesens  nachstehend 
wieder. 

»Rechnung   über  die  20  11.,  so   ich   auf  der  rai(5  von  Nürnberg  biß 

auf  Venedig  verzert  hab. 

Adi  31  August  zu  Nürnberg  3  patzen^)  (4  meilen)  zuRhot  39  ^.,  (2  meilen'-) 
zu  Bleinfelt  zu  nacht  9  p.  12  ^.,  dem  glaiter  (Geleitsmanu)  auf  den  Hannekamp 
3  p.,  (4)  Mauheim 3)  zu  mittag  22  kreuzer  6  ^.,  dem  thurner  alda  25  ^.,  (2)  zu 
Donawehrt  2  p.  9  4.,  dem  sattler  alda  38  4.,  (2)  zu  Wescheldortl'-*)  zu  nacht 
9  p.  12  4.,  (4)  zu  Augfpurg  den  poten  für  mein  velles^)  zu  füren  1  11..  item  für 
das  mittagmal  25  kr.,  dem  Sattler,  den  der  sattel  mitten  voneinander  war  6  p.,  (0) 
zu  Landt'perg  zu  nacht  11  p.  8  ^.,  (4)  zu  Schauingen  ß)  für  die  nuilzeit  25  kr. 
8  ^.,  dem  glaiter  alda  für  die  malzeit  und  Ihon  18  kr.  8  ^..  (4)  zu  Ammergaw 
zu  nacht  38  kr.  8  ^.,  (4)  zu  Mittewaldt  26  kr.  12  ^.,  (4)  zu  Zürla^)  zu  nacht 
44  kr.,  (4)  zu  Matra»)  zu  mittag  24  kr.,  (4)  zu  Stertzlingen  zu  nacht  3(3  kr.,  (4) 
zu  Brüxen  zu  mittag  22  kr.,  (5)  zu  Atzlwang  zu  nacht  4G  kr.,  ^3)  zu  Bozna  zu 
mittag  25  kr.,  dem  Schmidt  alda  für  eisen  aufzuschlagen  10  kr.,  (4)  zu  Salurna 
51  kr.,  (5)  zu  Perßn^)  zu  mittag  29  kr.,  (4)  zu  Burg^'^j  zu  nacht  42  kr.,  dem 
zollner  3  kr.,  (4)  zu  Zipmungi^)  zu  mittag  24  kr.,  (4)  zu  Schkalingien  (?)  12  p., 
(3)  zu  Casselfranckeu^äj  y  p^  ^^-^  y^^^  Masiev^^)  den  schifman  bifj  gen  Venedig 
40  schil.,  dem  iioten  zu  Venedig  3  IT..  das  zeughauß  zu  Venedig  zu  sehen  20  schil.. 
des  hertzogen  pallast  zu  sehen  20  schil.,  den  lluiiti  zu  s.  j\!arx  zu  sehen  8  schil., 
für  ein  drunck  malvasier  7  schil.,  dem  schitfman  \'uv  mich  und  noch  ein  l(d- 
metschen  biß  gen  Master ^3)  zu  faren  aUla  zu  meinem  roß  zu  sehen  8  schil..  für 
die  malzeit  für  zwen  52  schil..  wider  gen  Venedig  zu    faren   10  schil..  dem  l(d- 


Ij  Statt  pat/.oii  wird  iiünlti}^  p.  {gesetzt.  2)  In  diT  Folgo  lasstMi  wir  «lit'  Bczoichmnitr 
•»iiieilfiH  Ixii  (1(M'  piiigi'klaiiiim'ftcn  Zaiil  wo^,  wclclii'  iiiiiiicr  die  l'liitrcnuiiiti  des  vor.^^tolu'iidcii 
von  dem  iiaclisleluMidcii  Oric  aiit,niit.  ;{J  .Münlieini.  'n  \Vi>l  Weslomlorf,  IJ.-A  Wertint^cii. 
Im  .Munde  i\rf  .scliwähisclien  Bevöliieruntc  matt  der  iNanie  de.s  üi'le.s  Beliaini  st»  j^eiiliMii^eii 
liaiicu,  wie  <•!•  ilin  nieder.schricli.  ;>  i  Kelleiseii.  0)  Soll  wol  Sclionjiau  liei,>^.sen.  7)  Ziil  am 
Irin.  S)  Matrey.  'J)  Peririni-.  Kl)  {{ortiit.  die  it-t/te  von  {{eliaini  eiwiiiiiilc  (»iL-^chari  in  Sild- 
lintl.     11 J  Ci.smon  i  liaiicu.      \2)  Ca.steilraiuMi.      \:i)  Ale.slrc. 


—     104    — 

nietschen  ein  driiik^'rll  2  \<..  dorn  pnliMi  ITii'  ein  brief  12  schil..  übpral  ai'iiien 
leiiten  spendirl  3  p.,  suinina  in  allen   l'.l  11.  ."5  schil.  2ö  4- 

Das  mir  hie  an  der  rechnung-  noch  niang-elt,  so  vviß,  das  ich  an  den  Nurn- 
berg'ischen  3  verloren  im  Schvvabenland  ,  dan  wo  i  kreuzer  stehet,  hab  ü  ^ 
müssen  geben,  diweil  es  weise  müntz  ist.  im  Welschland  gill  I  11.  90  Schilling 
und  (isl)  1  irer  2  ^  werdt.  darumb  verstelle  ich  nodi  niclil  die  recht  colhdion 
mit  dem  welschen  und  deutschen  gelt«. 

Wie  lange  ßehaim  zu  seiner  Reise  gebraucht  liat,  geht  aus  seinen  Auf- 
zeichnungen leider  nicht  hervor.  Kr  sagt  nur  bei  acht  Orten,  dafs  er  über 
Nacht  geblieben  ist,  das  letzte  mal  zu  Borgo;  aber  sicher  hat  er  auch  noch 
nachher,  vielleicht  auch  schon  vorher  in  Salurn,  Nachtquartier  genommen.  Es 
kämen  also  auf  die  Reise  bis  nach  Mestre ,  von  wo  an  er  wol  das  Schiff  be- 
nützte, im  ganzen  eilf  Tage. 

Behaim  sagt  zum  Schlüsse  seiner  Rechnung  »tiarumb  verstehe  ich  noch 
nicht  die  recht  collation  mit  dem  welschen  und  deutscheu  gelt.«  Uns  kommt 
dies  auch  so  vor;  denn  wenn  wir  die  von  Behaim  angesetzten  Beträge  zusammen- 
zählen iiml  den  (julden  zu  In  Batzen,  den  Batzen  zu  4  Kreuzer,  den  Kreuzer 
zu  4  Pfennig  und  nach  Behaim  den  Gulden  zu  90  Schilling  und  den  Schilling 
zu  2  Pfennig  rechnen,  so  bringen  wir  an  Reisekosten  18  11.  40  Kr.  1  ^  und 
87  Schilling  heraus,  also  mehr  wie  Behaim.  Wo  die  Differenz  liegt,  wissen  wir 
nicht,  denn,  wenn  wir  für  die  in  Schwaben  verausgabten  Kreuzer  6  statt  4 
Pfennig  rechnen  wollen,  so  ergibt  sich  eine  noch  höhere  Summe. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


Eiserner  Thürklopter  des  18.  J<ahrhuuderts. 

(Hiezu  Tafel  I.) 

n  den  werth vollsten  Erzeugnissen  der  Schmiedekuust  des  18.  Jahrhunderts 
im  germanischen  Museum  gehört  der  auf  der  beiliegenden  Tafel  abgebil- 
dete, eiserne  Thürklopfer  (A.  1161),  eines  der  wenigen  Stücke  Schlosser- 
arbeiten, deren  Verfertiger  bekannt  ist.  Er  gelangte  im  Jahre  1872  nebst  Thür- 
schloCs,  Drücker  und  Schlüsselschild  als  Grescheuk  des  Schlossermeisters  und 
oberen  Zunftdeputierten  ü.  A.  Böckel  in  Kassel  an  das  Museum,  der  ihm  als  ein 
Meisterstück  eines  Vorfahren ,  des  Hofschlossers  J.  Chr.  Böckel  in  Kassel ,  vom 
Jahre  1729  bezeichnete.  Der  aufserordentlich  reiche  Thürklopfer  besteht  aus  der 
durchbrochenen  Unterplatte  von  kunstvoll  getriebenem  Bleche,  die  schon  ur- 
sprünglich in  zwei  Teilen  angefertigt  wurde,  und  dem  darauf  befestigten  Klopfer, 
bestehend  aus  einem  Piedestal  mit  einer  Büste,  in  dessen  Sockel  sich  das  Scharnier 
des  eigentlichen  Klopfers  bewegt,  der  durch  zwei  an  eine  Maske  gekettete 
ornamentirle  Hunde,  darunter  ein  Frauenkopf,  nicht  minder  reich  wie  die  Unter- 
platte geschmückt  ist.  Durch  die  Befestigung  des  Piedestals  auf  die  Unterlage 
ist  die  Verbindung  mit  dieser  hergestellt.  Das  Piedestal  mit  der  Büste  und  der 
eigentliche  Klopfer  sind  in  Eisen  gegossen,  der  GuCs  aber  sorgfältig  überarbeitet. 
Die  Höhe  der  ganzen  Arbeit  beträgt  69  cm.,  die  Breite  44,8  cm.  Die  hübsche 
Abbildung  verdanken  wir  der  Güte  des  hiesigen  Bayerischen  Gewerbemuseums. 
N  ü  I-  n  b  e  i-  g.  Hans  B  ö  s  c  h . 


Mitteilungen  aus  dem  german.  Nat.-Mus.    1892. 


Taf.  I. 


Eiserner  Thlirklopfer  des  18.  .Talirliundorts. 


—     105    — 

Die  )Ia(loiiii<i  vom  Woliiiliause  des  Veit  Stofs. 

ie  zwanzig-  Jahre,  die  Veit  Stofs  mit  einer  kurzen  Unterbrechung-  in 
Kraifau  thätig-  war,  brachte  diesem  nicht  nur  viele  Ehren  ein  —  1484 
wurde  ihm  seiner  »Tug-end  und  Kunst  willen«  das  Bürgerrecht  der  Stadt 
Krakau  verliehen  und  1495,  ein  Jahr  vor  seiner  Abreise,  wird  er  in  den  Krakauer 
Stadtakten  als  »Diag-ister  mechanicorum«  aufgeführt  — ,  sondern  verhallen  ihm 
auch  zu  einem  ansehnlichen  Vermögen,  so  dafs  er  sich-,  nachdem  er  1497  zum 
zweitenmale  geheiratet  hatte,  in  der  Lage  sah,  im  Jahre  1499  von  den  Häusern 
der  ein  Jahr  vorher  aus  Nürnberg  vertriebenen  Juden  »des  alten  Mair  Johels« 
Haus,  als  eines  der  gröfsten,  um  den  Preis  von  800  fl.  rh.  zu  kaufen.  Das  an 
der  Ecke  der  Wuuderburggasse  und  des  Prechtelsgäfschens  gelegene  Haus 
besteht  noch  heute  und  trägt  die  alte  Hausnummer  S.  939.  Möglicherweise  ge- 
hörte damals  auch  das  daranstofseude  Anwesen  S.  940  dazu.  Das  Haus  ist 
unansehnlich  und  ziemlich  schmucklos.  Herrn  Professor  Fr.  Wanderers  Hand 
verdanken  wir  die  hübsche  Darstellung  des  Hauses,  nach  seinem  jetzigen  Aus- 
sehen, am  Schlüsse  dieses  Artikels.  Die  einzige  Zierde  bildete  bis  vor  Kurzem 
ein  an  der  Ecke  angebrachtes  Madonnenbild,  das  aber  durch  vielfachen  Ölfarben- 
anstrich so  unscheinbar  geworden  war,  dafs  nur  der  geschulte  Blick  die  unter 
der  Verhüllung  verborgene  Schönheit  entdeckte.  Als  vor  einigen  Jahren  das 
Haus  in  neue  Hände  überging,  bot  der  nunmehrige  Besitzer  die  Madonna  zum 
Kaufe  aus;  der  Stiftung  zur  Erhaltung  Nürnberger  Kunstwerke  gelang-  es,  das 
Schnitzwerk  zu  erwerben.  Sie  ging-  aber  auch  die  Verpflichtung  ein,  eine  ge- 
treue Kopie  herstellen  und  als  ihr  Eigentum  an  dem  Hause  anbringen  zu 
lassen,  damit  die  äufsere  Erscheinung  des  Hauses  nichts  von  ihrem  Charakter 
verliere,  während  das  Original  im  germanischen  Museum  aufgestellt  wurde.  Hier 
ward  es  von  seinen  Übermalungen  befreit  und  entpuppte  sich  als  ein  Meister- 
werk, das  keinen  anderen  als  Deutschlands  gröfsten  Bildschnitzer,  Veit  Stofs, 
zum  Urheber  haben  kann.  Der  im  vierzehnten  Jahrhunderte  aufkommenden 
und  im  fünfzehnten  in  Nürnberg  allgemeiner  Brauch  werdenden  Sitte  folgend, 
hat  der  Meister  die  Ecke  seines  Hauses  mit  dem  Bilde  Derjenigen  geschmückt, 
in  deren  Schutz  er  sich  und  die  Seinen  stellte,  und  die  ebenso  Irische  wie  feine 
Ausführung  des  Werkes  läfst  darauf  schliefsen,  dafs  wir  eine  durchaus  eigen- 
händige Arbeit  von  ihm  vor  uns  haben.  Die  notwendige  Restauration  der 
Figur  wird  unter  Professor  Fr.  Wanderers  Leitung  von  Bildhauer  Gg.  Leistuer 
ausgeführt;   letzterer  wurde  auch  mit  der  Herstellung  der  Kopie  betraut. 

Die  Zahl  der  mit  Sicherheit  als  Stofsisch  beglaubigten  Arbeiten  ist  eine 
verhältnismäfsig  geringe.  Die  groCse  iMasse  der  früher  unter  seinem  Namen 
vereinigten  Schnitzwerke  hat  die  Stilkritik  schon  in  verschiedene  Gruppen  aus- 
einandergelegt, aber  um  ein  kiitisches  Verzeichnis  der  Stofsischen  Werke  auf- 
zustellen, haben  wir  noch  zu  wenig  Anhaltspunkte.  Zwar  sind  durch  seine 
beiden  Hauptwerke,  den  um  1480  geschaffenen  Marienallar  in  Kiakau  und  den 
im  Jahre  1518  ausgeführten  englischen  Grufs  in  der  Lorciizkirche  zu  Nürnberg, 
zwei  wichtige  Punkte  gegeben,  doch  liegen  diese,  eine  fast  vierzigjährige  Thätig- 
keit  in  sich  schliefsenden  Puidde,  zu  weit  auseinander,  um  zu  einei'  zuver- 
lässigen und   sicheren  Orientierung  zu  dienen.     Andere  datierbare  Werke  sind 

Mitteilungen  aus  dem  gerniari.  NatioRalmuseiini.     1892.  XIV. 


—    106    — 

(Jio  nach  seinen  Entwürfen  ausgeführten  Steinreliefe  in  der  Sebalduskirche  vom 
.lahrt-  1499  und  das  in  derselben  Kirche  befindliche  Kruzifix  mit  Maiia  und  Jo- 


hannes vom  Jahre  1526,  das  die  letzte  Arbeit  des  ang-ebiich  im  fünfundneunzig'sten 
Lebensjahre  1333  verstorbenen  Meisters  sein  soll.  Im  übrigen  liegt  die  Chrono- 
logie der  Stolsischen  Werke  noch  ganz  im  Argen.  Ein  Vergleich  des  Krakauer 
Altares  mit  dem  Englischen  Grufse   läfst  auf  eine  Entwicklung  von  Sturm  und 


—     107     — 

Draug-  zu  Ruhe  uud  Abklärung-  schliefsen.  Wie  uns  Melanchthon  von  Dürer 
berichtet,  tlafs  dieser  als  Jüng-liug-  die  bunten  und  vielg-estaltigen  Bilder  g-eliebt 
und  bei  der  Betrachtung-  seiner  eigenen  Werke  die  Mannig-faltig:keit  eines  Bildes 
besonders  bewundert,  dann  aber  als  älterer  Mann  begonnen  habe,  die  Natur  zu 
beobachten  und  deren  ursprüng-liches  Antlitz  nachzubilden,  und  erkannt  habe, 
dafs  diese  Einfachheit  der  Kunst  höchste  Zierde  sei,  so  wird  es  auch  Veit  Stofs 
ergang-en  sein.  Deutlich  nehmen  wir  in  seinen  Werken  ein  g-ewaltig-es  Ringen 
einer  zwiespältigen  Natur  wahr,  die,  von  gesundem  und  trotzigem  Naturgefühl 
erfüllt,  mit  den  alten  Idealen  gebrochen  hat,  zugleich  aber  bemüht  ist,  auf  dem 
Grunde  der  Natur  eine  neue  Idealwelt  aufzubauen.  Das  war  ja  überhaupt  das 
Streben  und  Ziel  jener  Tage,  das  ist  es  ja,  was  der  gewaltigen  Renaissance- 
bewegung  in  Deutschland  wie  in  Italien  das  eigentliche  Gepräge  verleiht.  Will 
man  unter  den  italienischen  Meistern  einen  nennen,  der  mit  Veit  Stofs  ver- 
glichen werden  kann,  so  ist  es  der  gewaltige  Donatello,  nur  dafs  diesem  neben 
der  Natur  die  von  ihm  mit  seltenem  Eifer  studierte  Antike  als  Führerin  diente 
und  seinem  unbändigen  Naturgefühle  die  ideale  und  zugleich  monumentale 
Richtung  gab,  während  für  jenen  nur  die  Gestalten  der  alten  heimischen  Kunst, 
mit  denen  er  sich  selbst  im  Widerspruch  befand,  das  Ideal  darstellten,  das  zwar 
nicht  nachzuahmen  sei,  aber  durch  tiefes  Eindringen  in  die  Natur  wieder  zu 
gewinnen  sein  müsse.  »Denn  wahrhaftig  steckt  die  Kunst  in  der  Natur,  wer 
sie  heraus  kann  reifseu,  der  hat  sie«.  Wenige  Meister  jener  Tage  haben  so 
ganz  in  dem  Sinne,  der  in  diesem  tiefsinnigen  Ausspruche  Dürers  steckt,  ge- 
arbeitet, wie  Veit  Stofs.  Die  Art,  wie  er  die  Natur  künstlerisch  zu  bezwingen 
suchte,  gleicht  in  der  That  einem  gewaltsamen  HerausreiCsen.  Aber  durch  die 
Gewalt,  durch  die  Unruhe  und  den  Drang  nach  neuer  Formgestaltung  hindurch 
ringt  sich  ein  tiefes,  aus  einem  nach  Frieden  und  Klarheit  sich  sehnenden  Ge- 
müte  entsprungenes  Gefühl  em|tor,  das  uns  mächtig  bewegt.  Wir  empfinden, 
dafs  hier  der  Geist  Herr  geworden  ist  über  die  Leidenschaften,  und  indem  er 
es  that,  das  Schöne  zeugte.  Das  ist  es.  was  den  von  einigen  wegen  ihrer  Innig- 
keit und  Zaj-theit  der  Kmplindung  gepriesenen,  von  anderen  wegen  der  un- 
ruhigen Bewegtheit  und  des  krassen  Naturalismus  verschrieeneu  Schöpfungen 
des  Veit  StoCs  ihre  Bedeutung  verleiht,  das  ist  es,  was  das  von  seinem  Hause 
stammende  Marienbihi  zu  einem  so  anziehenden  Werke  macht. 

Der  Kojif  der  Maria  ist  kein  Idealtypus,  sondern  reich  an  individuellen 
Eigentümlichkeiten  und  es  dürfte  nicht  schwer  gewesen  sein,  sein  VorbiUl  unter 
den  Nürnberger  Bürgei-innen  zu  linden,  ebenso  pulsiert  ein  warmes  Leben  in 
dem  mit  einer  Hand  das  Fül'schen  umklammernden  und  mit  der  anderen  eine 
grofse  Birne  haltenden  .lesusknaben,  und  auch  die  Hände  der  Madonna  sind  von 
grofser  Naturlebendigkcil.  Auch  si)ielt,  gerade  so  wie  bei  den  Werken  Donalellos. 
ich  erinnere  nur  an  den  hl.  Petrus  in  Or  San  Micchele  zu  Florenz,  der  Zufall 
in  der  reichen  Drapierung  des  Gewandes  eine  grofse  Rolle  und  hat  der  Meister 
hier,  wie  in  der  Mehrzahl  seiner  Werke,  in  der  Wiedergabe  des  zufälligen,  un- 
ruhigen (Jefältels  und  (icknitters  förmlich  geschwelgt,  aber  daneben,  welche 
(irofszügigkeit  und  welcher  Schwung  der  liiiiic,  welche  Holieil  und  Anmut  zu- 
gleich in  der  Haltung  der  zarten  Gestall.  ilii-  niil  ihren  schmalen  Schullern  so 
recht  minnig  und  junglVäulich  erscheint,  und  Irolz  d(M-  Bewegtheit  einztdner 
Partien,  welch'  ruhige  Geschlossenheit  iler  Gesamtkomposition.    Unil  merkwünlig, 


—     108     — 

(las  uns  bei  der  Fieii'achtimi;'  dei-  Einzelheiten  so  nürnbergisch  l)ürg'erlich  an- 
mutende, vom  niederwallenden  Lockenhaar  umrahmte  Haupt  kann  doch  nur  das 
der  Madonna  sein,  das  würdig  ist,  die  stattliche  Krone  zu  tragen,  und  das  mit 
ihr  zu  einer  so  schönen  Gruppe  vereinigte  Kind  kann  doch  niemand  anders  sein 
als  das  Jesuskindlein,  vor  'dem  die  heil,  drei  Könige  sich  beugten.  Und  jenes 
unruhige  Gelaltcl,  möchten  wir  es  missen,  oder  dient  es  nicht  vielmehr  dazu, 
durch  Kontrastwirkung  den  Eindruck  ruhiger  Klarheit  und  schöner  Harmonie, 
den  das  Werk  in  uns  hervorruft,  zu  verstärken'?  Als  besondere  Eigentümlichkeit 
sind  noch  die  aus  Zinn  gegossenen  Sterne  zu  erwähnen,  die  als  anmutiger 
Schmuck  über  den  Mantel  verstreut  sind. 

Wann  das  Werk  entstanden  ist,  wissen  wir  nicht,  doch  steht  der  Annahme 
nichts  im  Wege,  dafs  es  jenen  Tagen  angehört,  da  der  Meister  sein  Haus  bezog, 
also  seiner  mittleren  Kunstperiode.  In  bezug  auf  seinen  künstlerischen  Charakter 
hält  es  auch  so  ziemlich  die  Mitte  zwischen  der  unruhigen  Hast  des  Krakauer 
Marieualtares  und  der  ruhigen  Klarheit  des  Englischen  Grui'ses. 

Nürnberg.  Dr.  Paul  Johannes  Re'e, 


—     109    — 

Disziplin  im  dreifsigjälirigen  Kriege. 

(Aus  dem  Archive  der  Reichsstadt  AA'indsheim.) 

I)  seiner  Geschichte  VVallensteins  stellt  Ranke  an  einschlagender  Stelle 
die  mannig'fachen  Geg-ensätze  dar,  welche  zwischen  den  Absichten  Wallen- 
steius  als  kaiserlichen  Heerführers  und  der  katholischen  Lig-a  bestanileu. 
Von  Wichtig-keit  ist  in  dieser  Beziehung'  der  auf  Beschhifs  der  Lig-a  im  Scjd- 
tember  und  Oktober  des  Jahres  16ä7  zu  Mühlhausen  abg-ehalteue  Kolleg-ialtag 
der  Kurfürsten.  Die  Proposition,  sag-t  Ranke,  betraf  die  Abstellung  der  Gewalt- 
thaten,  welche  die  undisziplinierte  Soldateska  im  Reich  allenthalben  verübe.  Mit 
einer  gewissen  Beredsamkeit  beklagte  der  Kurfürst  Johann  Georg  von  Sachsen, 
dafs  der  Krieg  infolge  der  Werbungen,  Durchzüge  und  schweren  Kontributionen 
Deutschland  ganz  und  gar  zu  veröden  drohe.  Er  hütete  sich  sehr,  blofs  von 
Wallenstein  und  den  kaiserlichen  Völkern  zu  sprechen,  obschon  die  auf  dem 
Kollegialtag  überlegene  katholische  Majorität  ihre  Propositiou  direkt  gegen 
Wallenstein  gerichtet  hatte.  Aber  gegen  den  General  der  Liga,  Tilly,  liefen  nicht 
weniger  laute  und  begründete  Beschwerden  ein,  als  gegen  den  kaiserlichen  Heer- 
führer. Vollkommen  kam  daher  die  Liga  in  Mühlhausen  nicht  zu  ihrem  Zwecke. 
Zu  einer  eigentlichen  Mission  gegen  Wallenstein  entschlossen  sich  die  Kurfürsten 
nicht.  Sie  begnügten  sich  mit  ermahnenden  Schreiben  an  die  beiden  Generale 
und  einer  schriftlichen  Vorstellung  an  den  Kaiser  über  die  dringende  Not- 
wendigkeit einer  Abhilfe  der  unerträglichen  Beschwerden.  In  dem  Schreiben 
an  Friedland  bemerkte  man  einige  Drohworte.  Die  brandenburgischen  Ge- 
sandten forderten  die  Weglassung  derselben,  denn  sie  würden  den  General  nur 
noch  mehr  aufreizen. 

Unter  dem  in  obiger  Darstellung  Rankes  aufgestellten  Gesichtspunkte  mögen 
einige  kleine  Aktenstücke  der  Beachtung  nicht  unwert  erscheinen,  welche  sich, 
vereinzelt  und  ohne  geschlossenen  Zusammenhang,  in  einem  die  Ereignisse  des 
dreifslgjährigen  Krieges  und  zwar  der  Jahre  1616— 163S  betreffenden  Faszikel 
des  Windsheimer  Archives  im  germanischen  Museum  finden. 

Das  erste  Stück  ist  die  Kopie  eines  Schreibens,  welches  Wallenslein  aus 
seinem  Hauiitquartiere  Dömitz  an  Don  Verdugo  richtet  und  welches  schon  vor 
den  Kollegialtag  zu  Miihlhausen  fällt.     Wir  geben  es  mit  der  Aufschrift: 

«Gopia  herzogen  zu  Friedland  Schreibens  an  don  Guilelmo  Verdugo  de 
(lato  Dömnitz  den  30.  aug.  1627.  Wolgeborner  etc.  Wiewol  dcv  herr  ein  ge- 
raume zeit  zu  seinen  Werbungen  gehabt  und  er  dahero  iiiil  dein  volk  gar  \\(d 
hat  aufkommen  können,  als  wurdet  iler  herr  ohn  ferneren  verzug  sein  volk, 
wenngleich  die  regimenter  nicht  complet,  mustern,  den  ersten  monalsidd, 
weiln  er  solchen  versprochen ,  selbst  hergeben,  und  das  volk  dahin,  wo  ihiiie 
von  beirn  gnd'  WoIITl'U  von  Mansfeld  ordinanz  geben  wurdl.  üiluen  lassen. 
Weilen  wir  auch  vernehmen,  dafs  seine  oflicier  von  dem  Fränkischen  kreis  die 
contribution  gar  vom  ersten  iiia>  /u  extorciuiren  sich  underslehen.  welches 
uns  nichl  wenig  wunder  iiiiiibl,  daß  dassellie  volk,  so  ihr  kay.  iiisl.  noch  nie 
gedienet,  solches  begehren  darf,  zweifeln  auch  nicht,  der  lici  r  werde  denselbigen 
ernstlichen  befehlen,  damit  sie  die  geldexactiones  einstellen,  und  weder  von 
den  sländen  noch  von  i\rv  ritterschaft  einige  contribution  fordern,  in  widrigen 
werden    die    ofticit'r    nil    allein    die    geldexactiones    erstatten    müssen,    sondern 


—     110    — 

uucli  weilten  dieser  exoiliiUiiilien  ernstlich  bestraft  werden,  verbleiben  benebens 
etc.     Geben  im  haubtquartier  zu  Dümnitz  den  3(J  aug-.  1627.     Albrecht.« 

Das  zweite  Aktenstück,  ein  vom  7.  November  1627  aus  Nürnberg-  datiertes 
Schreiben,  ist  ebenfalls  eine  Kopie^j  und  scheinl  rin  Zeitungsausschnitt  oder  ein 
Auszug-  aus  einem  umfang-reicheren  Berichte  oder  Briefe  zu  sein,  dem  die  anders 
woher  entnommene  Darstellung  desHauptereig-nisses  inseriert  ist.  Unterschrieben 
»Catbarina  Johann 2)  Weinrich«  zeig-t  das  Schriftstück  eine  ohne  Zweifel  männ- 
liche Hand.  Das  Schreiben  war  vielleicht  an  ein  Mitglied  des  Rates  von 
Windsheim  gerichtet.  Es  g'iebt  ein  anschauliches  Bild  sowol  von  der  bereits 
eingerissenen  Zügel losig-keit  der  Soldateska  und  ihrer  Führer,  wie  von  der 
gegen  dieselbe  angewandten  Strenge  und  Handhabung  der  Gerechtigkeit.  Auch 
der  Stand  der  Offiziere  schützte  nicht  davor,  auf  der  Folter  gereckt  und 
gewippet  zu  werden. 

»Endurtheil  wider  den  obr.  von  Gortzenich  etc.  Demnach  den  9.  octoberis 
disses  1627.  jahrs  auf  klag  und  antwort,  auf  red  und  Widerrede,  auch  uf  aller- 
hand eingezogene  urkundschafi,  gut-  als  peinliche  gezeuguufä  und  dann 
selbsteigenes  bekani-  und  erkantnu|S  wider  des  profossens  hochbeinliche  au- 
klag  beklagter  obr.  von  Görzenich  ganz  nichts  der  erheblichkeit  rechtlicher 
notturft  sich  zu  defendiren  oder  zu  entschuldigen,  vorzuwenden  oder  zu 
exculpiren^)  weder  gewusst  noch  gehabt. 

Als  ist  ihme  beklagten  obr.  von  Görzenich  etc.  wegen  seines  bößlichen 
verübten  ungehorsambs,  veracht  und  hintansezung  kays.  salva  guardia,  auch 
vielfeltiger  fürstl.  und  sines  deputirteu  kays.  herrn  muester  und  quartir  com- 
missari,  herr  Johann  Mezger  ordinanz,  allerhand  insolentien,  geltes  extorsion, 
blünderungen,  intentionirten  Straßenraubs  und  würklichen  mord  und  anderen 
ärgerlichen  übelhalten,  von  den  herrn  praesidenten  general  Schultheiß  und 
den  herren  assessorn  disses  unparteyischen  cammerrechtens,  durch  urteil  und 
recht  zuerkandt  und  ausgesprochen  worden,  daß  er  dem  profossen  in  seine 
handfeste  geliefert  werden  solle,  welcher  ihme  einen  beichtvater,  so  er  den- 
selben begehrt,  deme  er  seine  sünde  bekenne,  reue  und  leid  darüber  verführe, 
des  hochwürdig  heyl.  sacraments  sich  gebrauche  und  also  sein  letztes  testa- 
nient  beschließe,  beybringen,  nachmalen  ine  obr.  Görzenich  dem  henker  über- 
antworten,*) welcher  ine  endlichen  uf  einen  freien  platz  führen  und  nach  kays. 
rechten  mit  dem  schwerd  vom  leben  zum  tod  und  den  körper  uf  das  rath^) 
legen,  den  köpf  ufstecken,  hinrichten 6),  also  dass  der  körper  der  grössere  und 
iler  köpf  der  kleinere  teil  verbleibe;  wenn  solches  beschehen,  so  ist  den  kays. 
raalefizkriegsrechten,  alsdann  ihme  zu  wol  verdienter  straf  und  andern  zum 
exempel  und  absehen  ein  benügen  beschehen.  Actum  im  veltläger  oder  haubt- 
quartier von  Renßburg  ut  supra. 

Darauf  ist  den  ^  octoberis  A."  1627  diß  urteil  im  freyen  feld  bey  Renß- 
burg an  dem  obr.  von  Görzenich  exequirt  und  vollstreckt  worden. 


1)  Das  m.  [).  am  Schlüsse  kann  niclit  irre  führen,  da  es  von  dem  Abschreiber  mit 
hinüber  genommen  wurde.  2)  Bezeichnet  wol  die  Ehefrau  des  Johann  Weinrich,  Namens 
Calhariiia.  So  unterzcichncl  z.  B.  die  Gemahlin  des  Ballhasai-  Baumgartner,  Magdalena, 
geb.  Behaim,  einen  Brief  vom  24.  März  158S:  Madelena  Balteser  Paumgartnerin.  (Original 
im  ßehaimschen  Archive.)  3)  Im  Text  steht  exupircn.    4)  seil.  soll.    S)  das  Rad.    6)  soll.  soU. 


—   lli   — 

Es  werden  auch  noch  meher  andere  ofücirer  in  Verwahrung-  gehalten, 
darvon  schon  theils  g-ereckt  und  gewippet  worden;  ihren  sentenz  und  urteil 
würdt  die  zeit  auch  eröffnen. 

Extract  us  Leipzig-  vom  2.  novemberis  1627.  Alhier  wurdt  auch  stark 
discurirt  ein  herzog-  von  Sassen ,  der  in  g-leicher  tyranney  als  wie  der  obr. 
Grörzenich  liberal  getrieben,  den  hohe  Rom.  kays.  mayst.  beiden  churfr.  zu 
Mainz  und  Sachsen  zu  stroffen  anheimb  g-estelt.  Dat.  Nürnberg-,  den  7.  novem- 
beris 1627.    E.  e.  u.  h.  in  ehren  willige  Gathariua  Johann  Weinrich.  m.  p.« 

Im  Anschluss  an  diese  beiden  Dokumente  möge  ein  drittes  Aktenstück, 
demselben  Faszikel  entnommen,  an  dieser  Stelle  Aufnahme  finden,  da  es,  obschon 
späterer  Zeit  angehörig,  nämlich  vom  28.  Mai  datiert,  doch  dem  Stoffe  nach 
durchaus  verwandt  ist. 

Es  war  die  Zeit,  in  welcher  die  Gregner  Wallensteins  seine  Entlassung 
bereits  dringend  von  dem  Kaiser  forderten.  Die  katholischen  Kurfürsten  in 
Person  und  die  Bevollmächtigten  der  protestantischen  versammelten  sich  Ende 
Juni  1680  in  Regensburg,  wo  dann  auch  der  Kaiser  mit  seinem  ganzen  Hofe 
eintraf.  Die  Fürsten  drangen  hauptsächlich  auf  die  Abstellung  der  Grewaltsam- 
keiten.  durch  welche  alle  Reichsordnungeu  über  den  Haufen  geworfen  wurden, 
namentlich  der  Kontributionen,  wie  mau  sie  bis  jetzt  eintrieb,  und  auf  die  Ein- 
richtung regelmässiger,  auf  die  Kreise  zu  verteilender  Leistungen,  wozu  dann 
ein  einheitliches  Kriegsdirektorium  notwendig  sei.  Alle  diese  Klagen  zielten 
gegen  Wallenstein,  der  schlechterdings  von  dem  Kriegsdirektorium  entfernt 
werden  sollte.  Er  war,  in  der  Absicht,  den  Krieg-  gegen  Frankreich  vorzu- 
bereiten, nach  Memmingen  gekommen  und  erließ  von  dort  aus  seine  militäri- 
schen Befehle. 

Die  nachfolgende  Ordonauz,  die  auf  Wallensteins  Befehl  erlassen  wurde, 
bewegt  sich  in  den  von  den  Kurfürsten  geltend  gemachten  Tendenzen.  Die 
Wirkung,  die  sie  an  ihrer  Stelle  ausüben  konnte,  war  aber  nicht  mehr  imstande, 
den  Gang  der  Ereignisse,  der  zunächst  zur  Abdankung  Wallensteins  führte, 
■/AI  hemmen.  Dennoch  entbehrt  das  Schriftstück,  ebenfalls  Kopie,  nicht  des 
historischen  Interesses.     Es  hat  folgenden  Wortlaut: 

»Nachdem  die  fürsten  und  stände  des  löblichen  Schwäbischen  crayszes 
bey  ihr  fr.  gn.  herrn  generaln  etc.  herzogen  zue  Mechelburg,  Friittlandt  und 
Sagan  etc.  sich  über  die  vorgchendte  exorbitantien  der  kayßerlichen  soldatesca 
zum  höchsten  beclaget,  also  haben  ihr  f.  gn.  mir  mit  ernst  befohlen,  solches 
zue  remedijon,  auch  damit  sich  keiner  der  Unwissenheit  zu  entschuldigen  habe, 
gnedig  bevohlen,  den  fürsten  und  ständen  diese  ordinanz  otl'en  zu  ertheilen, 
und  ihnen  zuzustellen,  darmil  sie  solche  den  durchziehenden  oflicirern  könten 
vorweisen  und  sie  sich  darnach  zu  richten  hätten,  dann  i.  fr.  gn.  entlich  ent- 
schlossen, da  defswegeu  einige  gegründte  clug  ferner  ihr  li'n  kduiiiMii  sollte, 
daß  sie  auf  solchen  fall  die  befehlshaber  niil  so  ernstlicher  strall"  ansehen 
wollen,  darmit  sich  künftig  ein  anderer  davon  zu  spiegeln  haben  werde,  deß- 
wegen   sich  ein  jeder  vor  schaden    und   ungelegenheil    zu  hüeten  wissen  wirdt. 

Erstlich  daß  sich  ein  jeder  mit  der  verordneten  commiss  soll  vergnügen 
lassen  und  diu-chaus  weder  hohe  noch  niedere  oflicirs  viel  weniger  die  gemeine 
Soldaten  etwas  weilers,  unter  was  Scheines  auch  beschehen  kau.  hegeren  sollen. 


—     112    — 

Mail  soll  iiiich  weder  obrisLen  noch  andern  officiren  aujier  was  täglich  in 
der  ordinanz  dei»utirt,  weder  lalel  zu  halten,  oder  vor  dasselbe,  wie  bisher 
von  etlichen  beg-ert  worden,  also  vors  confect,  noch  anders  den  geringsten 
heller  noch  das  coiumissgeld  nit  geben,  derentwegen  sich  keiner  gelüsten  lasse, 
solches  von  l'ürsten  oder  ständen  zu  begehren. 

Ferners  da  auch  ein  oder  der  ander  ofücir  zum  andern  zu  gast  gieng, 
soll  ihnie  der  wirth.  bei  dem  er  losiert,  wegen  seiner  absents  durchaus  vor 
den  costen  noch  anders  zu  geben  nichts  schuldig  sein. 

Item  befellen  ihr  fr.  gn.  ernstlich,  daf5  man  insonderheit  vor  die  abwe- 
sende officirs  oder  Soldaten  uf  der  marche  weder  in  vivers  noch  gelt  nichts, 
sondern  allein  vor  ihre  diener,  so  gegenwärtig,  die  verordnete  proviandt 
liefern  sollen. 

Da  auch  ein  oder  der  ander  soklat  von  den  bauren  oder  unterthanen, 
under  was  schein  es  gescheh&u  kan,  gelt  heraus  zu  pressen  sich  unterstündte, 
und  da  solches  dem  ofücir  geclagt,  wer  die  erstattung  nit  alsbald  thun  lassen 
würde,  dessen  nahmen  soll  man  ihr  fr.  gn.  oder  mir  alsobald  zuschicken,  so 
wollen  sie  wissen,  gegen  einen  solchen  zu  verfahren. 

Ingleichen  da  sich  auch  ein  oder  der  ander  unterstünde  an  heusern  und 
fänstern,  Öfen,  kisten  und  kästen  zerschlagen,  aufzubrechen  oder  wegzune- 
men,  sollen  die  stand  und  unterthanen  es  den  befehlshabern  und  comman- 
direnden  derselben  compagni  anzeigen  und  clagen,  würdt  er  nit  alsobald  solches 
alles  widerumb  bezahlen,  befehlen  ihr  fr.  gn.  solchen  offlcir  zur  straf  ihr 
nahmhaft  zu  machen. 

Wofern  man  aber  einen  oder  den  andern  zum  ofticirn  zu  clagen  und  selbst 
mit  ihnen  zu  reden,  durch  die  schildwachten  oder  sonsten  nicht  lassen,  sondern 
verhindern  wolte,  so  soll  man  es  einen  als  den  andern  weg  ihr  fr.  gn.  avi- 
siren,  wollen  sie  dann  solchen  befehlshaber  dessen  und  der  excess  halben 
wissen  zu  strafen. 

Insonderheit  da  einer  oder  der  ander,  er  sei  hoch  oder  gemeiner  officir 
und  Soldat,  einen  ihr  mayt.  ihnen  verordneten  pladts-commissarien  oder  den 
von  den  ständen  geordneten  den  gebürenden  respect  entziehe,  mit  worten  oder 
werken,  solchen  wollen  ihre  fr.  gn.  ohne  begnadigung  ernstlich  strafen. 

Es  soll  auch  kein  officir  sich  unterstehen,  einen  unterthanen  umb  was 
ursach  es  auch  sey,  gefenklich  oder  mit  gewalt  mit  sich  zu  führen,  sondern 
da  er  etwas  zu  fordern  oder  an  die  statt  und  unterthanen  zue  sprechen,  solle 
er  ordentlich  an  gehörigen  orten  clagen  ,  den  soll  man  alsdann  nach  beflndung 
der  Sachen  zu  seinen  rechten  behülllich  sein. 

Wegen  des  Vorspanns,  so  soll  ein  jeglicher  offlcir  bey  ernstlicher  straf 
seine  eigene  pferd  gebrauchen,  da  es  aber  ja  die  noth  wegen  fortbringung  der 
kranken  erforderte,  daß  man  etliche  Vorspann  und  wägen  haben  müsste,  so 
soll  man  ufs  höchst  und  mehrers  nit,  als  4  wägen  uf  ein  compagnia  geben, 
aber  sonsten  vor  den  befehlshabern  wegen  ganz  keine  vorspannpferd. 

Da  auch  einer  oder  der  ander  ein  oder  mehr  vorspannpferd  behielte, 
und  solches  nit  alsobald  er  ins  quartier  kommen,  wider  erstattete:  so  soll  der 
commandirende  officir  derselben  compagni  angezeigt  und  mit  ihrer  fr.  gn. 
herrn  generaln  etc.  ernstlicher  straf  angesehen  werden. 


—    113    — 

Es  soll  sich  auch  keiner  understehen,  die  arme  leut,  so  den  Vorspann 
hergeben  oder  selbsten  mitfahren,  zu  schlagen  oder  etwas  abzufordern,  sondern 
sie  ohne  hindernuss  mit  gueten  Worten  zurücklassen. 

Da  nun  wider  diese  jetzt  erzeblte  puncten  viel  oder  wenig  clagen  ein- 
kommeu  solten,  wollen  ihr  fr.  g-n.  solches  keineswegs  ungestraft  lassen  hin- 
gehen, er  sey  auch  wer  da  wolle,  deswegen  sich  ein  jeder  wol  vorzusehen  und 
zu  hüeten  hat.  Massen  aus  empfangenen  gnedigen  befelch  ich  solche  ordinanz 
verfertigen  sollen,  Memmingen,  den  28.  iunii  A"  1630. 
Rom:  kay:  may :  kriegsrath  und  bestellter  obrister,  (L,  S.)  WolfT  Rudolph  v.  Ossa.« 

Nürnberg.  R.   S  c  h  m  i  d  t. 


Register  zum  Jahrgang  1892 


der 


Mitteiliiii2en  aus  dein  sermaiüsclieii  Nationalmuseum. 


'Ö^ 


B  e  c  k  c  n  li  a  u  l»  e  II  HO  11'. 

Behaim,     Paulus,     aus     dessen     Ehchalten- 
büchern  86  ff. 

Dienstboten:  zur  Geschichte  ders.  86  ff. 

Disziplin  im  dreir.sipjiihr.  Kriege  109  ff. 

Ehehalteii  bü  eher  des  Paulus  Bohaim  86  ff. 

Eisenhüte  46  ff. 

Eisenarbeit:  Thürklopfer  des  18.  Jalii-h.  104. 

Frage  nach   Hans  Sachs'  Quellen  und  Stoffen 
97  ff. 

Gabel:  zur  Gesch.  ders.  13  f. 

Gevatterbriefe   an  die   Reichsstadt  Winds- 
heim 93  ff. 

Hauben  von  Eisen  74 ff. 

Helme  vom  12.  bis  16.  Jahrb.  25  ff. 

Karneval:  studentische  Schlittenfahrton  17  ff. 

Kosten     einer     Reise    von     Nürnberg    nach 
Venedig  1581  103  f. 

Krieg,  dreifsigjähriger:  Diszii)lin  in  dems.  109 ff. 

M  ad  0  n  na  vom  Wohnhause  des  VcitStofs  105 ff. 

Nürnberg:  Reise  nach  Venedig  103. 
—  Rothschmied  das.  102. 

Reise  von  Nürnberg  nach  Venedig  103. 

Rotschmied  Jakob  Weinmann  102. 


Sachs,  Hans:  zur  Frage  nach  dessen  Quellen 
und  Stoffen  97  ff. 

Schal  lern  53  ff. 

Schlittenfahrten,  studentische,  im  Karne- 
val 17  ff. 

Serviette:  zur  Gesch.  ders.  9 ff. 

Skulpturen:  Madonna  von  Veit  Stofs  105  ff. 

Stechhelme  72 ff. 

Stofs,  Veit:  Madonna  von  dessen  Wohnhaus 
105  ff. 

Studenten:  Schlittenfahrten  ders.  im  Karne- 
val 17  ff. 

Thürklopfer,  eiserner,  des  18.  Jahrhdts.  104. 

Tiroler  Vemegerichtsurkunden  89  ff. 

Trincierbücher  des  17.  Jahrhdts.  3  i'f. 

Turnierhelme  77  ff. 

Venedig:  Reise  von  Nürnberg  dahin  103. 

Vemegerichtsurkunden  aus  Tirol  89  ff. 

Visierhclme,  geschlossene  60  ff. 

Weinmann,  Jakob,  Rothschmied  102. 

Winds  heim,  Reichsstadt:  Gevatterbriefe  au 
dies.  93  ff. 

Wolkenstein,  Oswald  von  89  ff. 


Mitteilun2:eii 


aus  dem  gerniaiiiselien  Natioiialiiiuseuin, 


herausgegeben  vom  Direktorium. 


Jahrgang  1893. 

Mil  A1)1)il(liiim'en. 


Nürnberg,  1893. 
Verlaj^seigeiitiim  des  ji:<'rmsiiiisclieii  Museums. 


U.B.Ssbald.NUrnberg. 


Zur  (üescbiehte  der  technischen  Verwendung  des  Papiers. 

i  ie  Gegenwart  verfügt  nach  landläufigen  Ansichten  über  eine  Reihe  von 
Objekten ,  durch  welche  sich  mit  Leichtigkeit  die  Stufe  ermessen  lassen 
soll,  welche  die  Kulturentwickeluug  eines  Landes  erklommen.    So  soll  die 


Quantität  der  Seife,  welche  ein  Land  verbraucht,  sehr  geeignet  sein,  genaues 
Licht  auf  den  kulturellen  Standpunkt,  welchen  dessen  Bevölkerung  einnimmt,  zu 
werfen.  Und  wer  wollte  daran  zweifeln,  dafs  ein  solcher  Mafsstab  nicht  eine  ge- 
wisse Berechtigung  hätte?  Nicht  minder  wird  die  Zahl  der  Dampfkräfte  eines  Landes 
als  ein  solcher  Mafsstab  betrachtet,  und  dafs  die  Verbreitung  der  Elektrizität 
im  vollsten  Sinne  des  Wortes  geeignet  ist,  Licht  auf  den  Kulturzustand  eines 
Volkes  zu  werfen,  wird  wol  kaum  Jemand  im  Ernste  bezweifeln.  Als  ein  weiterer 
Kulturmesser  der  Gegenwart  wird  der  Papierverbrauch  bezeichnet,  und  zwar 
die  Quantität  desselben,  denn  wollte  man  die  Qualität  zu  einem  solchen  Vergleiche 
heranziehen,  müfste  die  Zeit  kurz  nach  Einführung  der  Papierfabrikation  in 
Deutschland  als  die  goldene  bezeichnet  werden.  Aber  nicht  allein  die  Frage,  wie 
viel  ein  Staat  Papier  konsumiert,  sondern  auch  wozu  er  den  Papierstoff  verwendet, 
spielt  hiebei  eine  grofse  Rolle.  Er  hat  in  der  Neuzeit  eine  sehr  umfangreiche 
Verwendung  für  alle  möglichen  Zwecke  gefunden,  denen  er  früher  fremd  ge- 
wesen sein  soll.  Man  macht  Eisenbahnräder  aus  Papierstoff,  fertigt  Geschirre 
aller  Art,  die  mancherlei  Vorzüge  haben  sollen,  stellt  Leibwäsche  aus  ihm  dar, 
und  es  vergeht  kaum  ein  Monat,  in  dem  nicht  aus  Amerika,  der  Wiege  so  vieler 
neuzeitlicher  Verwendungen  des  Papiers,  die  Nachricht  eintrifft,  dafs  man  dort- 
selbst  Brücken,  Schiffe  und  Gott  weifs  was  alles  von  Papier  baut.  Dafs  solche 
Nachrichten  häufig  nach  einigen  Monaten  wieder  als  unbegründet  bezeichnet 
werden,  wird  natürlich  oft  übersehen,  und  es  bleibt  meist  nur  die  erstero  Meldung 
im  Gedächtnis  haften.  Die  Aufgabe  dieser  Zeilen  aber  ist  es,  darzuthun,  dal's 
die  Verwendung  des  Papieres  und  Papierstoffes  zu  anderen  Zwecken  als  zum 
Schreiben  und  Drucken,  besonders  zu  technischen  Zwecken,  in  ziemlich  frühe 
Zeit  zurückreicht,  und  dafs  die  Anlange  der  moderneu  Benützung  des  Papier- 
stoffes im  Beginne  der  neuen  Zeit  zu  suchen  sind. 

Das  wolfeilere  Papier  trat  zunächst  die  Erbschaft  des  theuerern  Pergaments, 
das  Ja  auch  zu  technischen  Zwecken  Verwendung  gefund(>n  hatte,  auch  in  dieser 
Beziehung  an.  Hatte  man  vorher  mit  Mennig  gefärbtes  Pergament  als  Tnler- 
lage  für  die  zierlich  getriebenen  und  durchbrochenen  eisernen  Thürbeschläge, 
oder  blaugefärbtes  Pergament  als  Hintergrund  vergoldeten  Mafswerkes  an  Altären 
verwendet,  so  gebrauchte  man  jetzt  mit  denselben  Farben  behandeltes  Papier. 
Ob  die  drei  gemalten  Engel,  welche  im  Hintergrunde  des  Katharinenaltars  im 
germanischen  Museum^)   auf  die  Wand   geklebt  sind   und  einen  burgundischen 

1)  Katalog  der  im  germaii.  Museum  belindlichen  Originalskulpluren  Nr.  271  u.  Taf.  I. 


_    4    - 

Teppich  halten,  auf  Pergament  oder  Papier  g-emalt  sind,  können  wir  ohne  dieselben 
zu  beschädig-en,  nicht  entscheiden,  weshalb  wir  von  der  Ltjsung  dieser  Frage 
absehen  müssen.  Dagegen  besitzt  das  germanische  Museum  in  seiner  Samm- 
lung von  Hausgeräten  ein  Kästchen,  dessen  ganzer  Schmuck  lediglich  aus  aus- 
geschnittenem Papier  besteht,  mit  welch  einfachem  Materiale  es  der  Verfertiger 
verstanden  hat,  ein  ganz  reizendes,  höchst  anziehendes  Möbel  herzustellen. 
Wir  geben  von  demselben  die  vordere  Ansicht  und  eine  Seitenansicht  in  der 
Hälfte  der  natürlichen  Gröfse  unter  Figur  1  und  ä  wieder. 


Figur  1. 


Wie  aus  der  Abbildung  zu  ersehen,  hat  das  Kästchen  ganz  die  Gestalt  der 
grofsen  gotischen  Truhen;  es  besteht  aus  einem  ziemlich  hohen,  ausgeschnittenen 
Untersatze,  auf  welchem  das  eigentliche  Kästchen,  welches  durch  einen  gesims- 
artig übergreifenden  Deckel  verschlossen  ist,  aufgesetzt  ist.  An  den  Ecken  und 
Kanten  läuft  ein  gewundener  Rundstab  aus  Holz,  die  Flächen  dagegen  sind  durch 
graziöses,  spätgotisches  Mal'swerk  auf  das  Ansprechendste  geschmückt,  das  ledig- 
lich aus  ausgeschnittenem  und  aufgeklebtem,  weifsem  Papier  hergestellt  ist.  Ist 
schon  die  ungemeine  Geschicklichkeit  zu  bewundern,  die  dazu  gehörte,  das  Papier 
in  so  aufserordentlich  zierlicher  uml  korrekter  Weise  auszuschneiden,  so  steigt 
die  Bewunderung,  wenn  wir  sehen,  dafs  um  ein  möglichst  hohes  Relief  zu  erzielen 
und  den  Rippen  eine  Profilierung  zu  geben,  drei-  und  vierfache  Lagen  ausge- 


—   s   — 

sohnittenen  starken  Papieres  aufeinander  geleg:t  sind  und  auch  g-anz  ausgezeichnet 
aufeinander  passen.  Die  untere  Lage  ist  natürlich  die  breiteste,  die  oberste  am 
schmälsten  ausgeschnitten.  Nur  die  Hauptlinien  weisen  eine  vierfache  Lage  auf, 
die  dazwischen  liegenden  teils  eine  doppelte,  teils  eine  dreifache,  während  die 
auslaufenden  Blättchen  nur  aus  einer  Lage  Papier  hergestellt  sind.  Es  mufs  ein 
wahrer  Tausendkünstler  gewesen  sein,  der  es  verstanden  hat,  das  Papier  so  aus- 
gezeichnet zu  bearbeiten.  Das  Papierrelief  ist  weifs  angestrichen  worden,  wes- 
halb es  mehr  geprefster  Papiermasse  gleichsieht,  als  ausgeschnittenem  Papiere, 


Figur 


als  welche  es  auch  früher  angesehen  und  im  Kataloge  (H.  Cr.  802)  angeführt 
ist.  Einzelne  beschädigte  Stellen  ,  bei  welchen  sich  die  einzelnen  Papierlagen 
abblättern,  lassen  jiMloch  keinen  Zweifel,  dafs  man  es  mit  verschiedenen  T;agen 
höchst  kunstvoll  ausgeschnittenen  und  aufeinander  gelegten  Papieros  zu  Ihun 
hat.  Um  die  Wirkung  des  aufgelegten  Ornamentes  zu  erhfihen,  ist  das  Holz 
des  Grundes,  auf  welchem  dasselbe  befestigt  ist,  in  senkrechten  1^4 — l^/a  cm. 
breiten  Streifen  in  verschiedenen  Farben  gef^irbt.  Rosa,  firün.  Hot  und  Violett 
Avechseln  miteinander,  aber  nicht  regelmäfsig,  al);  (irün  und  Violett  sind 
direkt  mit  dem  IMnsel  auf  das  Holz  aufgetragen,  Rosa  und  Rot  durch  aufge- 
klebte Streifen  Buntpapier  in  diesen  Earl)en  hervorgebracht.  Krsten>  Fariien  sind 
teilweise  stark  abgeblättert,  letztere  viel  besser  erhallen.    Wir  haben  darauf  ver- 


—     6    — 

/icliteL,  auf  der  Abbildung  die  verschiedenen  Farben  des  Hintergrundes  durch 
verschiedenartig-e  Schraffierung  anzudeuten,  da  dies  zu  unruhig  erschienen  wäre 
und  die  Wirkung  des  Möbels  beeinträchtigt  hätte. 

Die  beiden  Seitenteile  des  Kästchens  sind  gleichmäfsig  verziert,  die  hintere 
Seite  desselben  weicht  aber  von  der  vorderen,  von  uns  in  Fig.  1  wiedergegebenen, 
vollständig  ab.  Durch  die  Pfosten  des  Fufsgestelles  geht  je  ein  reichverziertes, 
grofses  Mafsworkfenster,  ähnlich  wie  bei  den  Pfosten  der  Seitenwände  auf 
Figur  i,  der  Teil  über  dem  Ausschnitte  aber  zeigt  eine  Gallerie  von  13  einfachen 
Spitzbogen,  in  welchen  unten  je  ein  Blatt  auf  zwei  Stielen  steht.  Die  Rückwand 
des  Kästchens  selbst  ist  in  sechs  Rechtecke  geteilt,  deren  jedes  oben  und 
unten  in  regelmäfsiger  Anordnung  vier  Fischblasenmuster  und  in  der  Mitte  eine 
Raute  enthält.  Ganz  reizend  ist  auch  der  Deckel  ornamentiert;  um  ein  vertieftes 
Feld  läuft  ein  schmaler  Rahmen,  ähnlich  verziert  wie  der  abgebildete  Fries  des 
Deckels;  in  der  Mitte  der  Vertiefung  ist  eine  grofse,  reichornaraentierte  Rosette, 
die  wie  Filigranarbeit  erscheint,  daneben  finden  sich  auf  beiden  Seiten  in  je  zwei 
kleineren  Quadraten  ebenfalls  Rosetten,  von  welchen  immer  die  zwei,  die  eine 
Seite  einnehmen,  gleich  sind. 

Im  Inneren  des  Kästchens  ist  an  der  einen  Seitenwand,  wie  meist  auch 
bei  den  grofsen  Truhen,  ein  kleines  quergehendes  Kästchen  mit  einem  Klapp- 
deckel angebracht,  der,  ebenso  wie  die  Wand  dieses  Kästchens,  in  gleicher  Weise 
wie  das  Äufsere  des  Möbels  verziert  ist;  dieser  Schmuck  ist  hier  noch  viel  besser 
erhalten,  da  er  ja  gegen  Staub  und  Schmutz  bestens  geschützt  war  und  noch  ist. 
Das  Deckelchen  zieren  zwei  Rosetten,  wie  sie  sich  auch  auf  der  Aufsenseite  des 
grofsen  Deckels  finden;  die  Wand  schmückt  einunddreiviertel  des  Rechteckes  der 
hinteren  Aufsenwand,  hier  nur  liegend,  während  es  aufsen  stehend  angebracht  ist. 
Das  Relief  des  Deckels  ist  ebenfalls  ziemlich  kräftig,  wenn  auch  etwa  um  eine 
Papierlage  schwächer  als  das  der  Aufsenseite,  das  Relief  der  Wand  des  inneren 
Kästchens  ist  dagegen  nur  zwei  Papierlagen  stark.  Auf  den  violetten  Streifen 
des  inneren  Kästchens  zeigen  sich  Spuren  von  Blattmetall ;  vielleicht  hat  das  Vio- 
lett nur  als  Grund  zur  Auflage  von  solchem  gedient.  Im  Inneren  des  Kästchens, 
das  sonst  ganz  schmucklos  ist  und  das  nackte  Holz  zeigt,  ist  das  Rosa  noch  ganz 
gut  erkennbar,  aufsen  ist  es  meist  mit  Mennig  später  überstrichen  worden,  wie 
Farbspuren  auf  den  Zacken  und  Blättern  des  Papierreliefs,  die  mitbetroffen  wurden, 
bezeugen.  Über  die  Herkunft  des  Kästchens  vermögen  wir  weiter  keine  Auskunft 
zu  geben,  als  dafs  es  mit  der  Aufsefs'schen  Sammlung  in  das  Museum  gekommen 
ist.  Seine  Enstehung  dürfte  in  die  erste  Zeit  des  16.  Jahrhunderts  fallen.  Den 
modernen  Kartonnagefäbrikanten  aber  möchten  wir  zu  erwägen  geben,  ob  es  sich 
nicht  empfehlen  dürfte,  Kästchen,  die  in  gleicher  Technik  durch  gestanztes,  durch- 
brochenes Papier  verziert  sind,  wieder  herzustellen.  Die  Kosten  würden  sich 
nicht  sehr  hoch  belaufen,  und  dafs  man  ganz  reizende  Stücke  damit  fertigen 
kann,  zeigt  unser  Möbel.  Allerdings  dürfte  dem  Verfertiger  neuer  solcher 
Kästchen  derselbe  Formen-  und  Schönheitssinn  zu  wünschen  sein,  wie  dem 
des  alten. 

Ein  zweites  Geräte,  das  in  dieser  Ausschneidetechnik  verziert  ist,  besitzt 
das  germanische  Museum  aus  so  früher  Zeit  nicht.  Ihre  Blütezeit  war  aber  be- 
kanntlich das  I.S.Jahrhundert,  wo  Jagden,  Landschaften,  figürliche  Darstellungen, 
nicht   zu   vergessen   die  Silhouetten   aus  schwarzem  und   weifsem,   meist   sehr 


dünnem,  daher  leichter  zu  behandelndem  Papier  mit  mehr  oder  weniger  Ge- 
schick in  grofser  Anzahl  ausg-eschnitten  wurden. 

Das  rote  Buntpapier,  mit  dem  der  Grund  der  kleineu  Truhe  teilweise  be- 
klebt ist,  und  das  auch  dem  durchbrochenen,  ehemals  vergoldeten  Schlofsplätt- 
chen  als  Unterlage  dient,  dürfte  eines  der  ältesten  Buntpapiere  überhaupt  sein. 
Wie  dieses  damals  angefertigt  wurde,  meldet  eine  Handschrift  der  Nürnberger 
Stadtbibliothek  2),  die  ungefähr  derselben  Zeit  wie  die  besprochene  kleine  Truhe 
angehört.  Da  es  nicht  unmöglich,  dafs  diese  Nürnberger  Herkunft  ist,  so  geben 
wir  nachstehend  die  Rezepte  wieder,  nach  welchen  vielleicht  auch  das  Bunt- 
papier des  Kästchens  gefertigt  ist. 

(B1.33a.)  »Wie  man  färb  macht  aufzustreichen  auf  papir.  Wiltu 
färb  machen,  aufzestreichen  auf  papir,  sie  sey  rot,  plob  oder  grün,  so  temperir  sie 
mit  essig  und  mit  alaun.  wiltu  gute  rote  färb  machen  auf  papir,  so  nym  iiij  lot 
prisilg  und  1  lot  alaun  und  ein  halbs  lot  kreyden,  und  ein  seydel  essigs;  nym 
die  iiij  lot  (Bl.  33  b)  prisilg  und  thu  sie  in  ein  neus  hefelein  und  thu  ein  lot  ge- 
stossens  alaun  darunter  und  ein  halbs  lot  geribner  kreyden,  und  nym  das  seydol 
essigs,  und  mach  es  warm,  doch  daß  es  nit  syd  und  geuß  es  in  die  prisilg  und 
Sturz  einen  stürzen  darüber,  und  verkleib  es,  daß  kein  dunst  müg  davon  gyn,  und 
setz  es  an  ein  sunnen  oder  auf  ein  warmen  ofen ,  und  los  es  sten  acht  tag,  so 
wirt  es  schon  rot  als  ein  rote  ros. 

Plobe  färb  auf  papir.  Wiltu  gute  plobe  varb  machen  auf  papir,  so 
nym  der  ploben  heydelper^)  und  zutreyb  die  zu  einem  muß,  und  thu  ein  gute 
hant  vol  gestossens  alaun  darunter,  und  setz  es  an  ein  sunnen  und  los  es 
dürr  werden,  und  nym  es  denn  und  geuß  es  (Bl.  34a)  in  ein  tegelein,  und  thu 
essig  daran  und  ein  wenig  alauns  darunter,  so  wirt  es  gut. 

Grüne  varb  auf  papir.  Wiltu  grüne  färb  machen  auf  papir,  so  nym 
saftgrün,  temperir  den  auch  mit  essig,  und  thu  ein  wenig  alaun  darunter,  so 
wirt  es  gar  gut. 

Gelbe  färb  auf  papir.  Wiltu  gelbe  färb  machen  auf  papir,  so  nym 
huntzper^)  und  los  die  dürr  werden,  und  send  sie  in  einem  essig,  und  los  sie 
kalt  werden  und  thu  einen  alaun  daran,  so  wirt  es  gut.« 

Diese  Vorschriften  zur  Bereitung  von  Buntpapier,  bezw.  der  Farbon  für 
solches,  die  mit  dem  Pinsel  auf  das  Papier  einfach  aufgetragen  wurden,  dürften 
wol  zu  den  frühesten  gehören,  weshalb  der  Abdruck  an  dieser  Stelle  wol  keiner 
Rechtfertigung  bedarf.  — 

Lange,  bevor  ausgeschnittenes  Papier  zur  Verzierung  von  Flächen  Ver- 
wendung (and,  wurde  eine  aus  Öl  und  Kreide  hergestellte  Masse,  die  den  Bild- 
hauern und  Malern  durch  den  Kreidegrund  auf  Skulpturen  und  Bildern  wolbc- 
kannt  war,  zu  diesem  Zwecke   benützt.    Zu   dieser   seiir  alten  Technik ,   deren 

2)  Sie  führt  den  Titel :  »Das  puchlein  hat  dreu  taii,  das  erst  tayl  saget  von  iloii  kl:ii- 
dern,  die  dem  gollichcn  dinsl  zugchorii  .  .  .  das  ander  loil  .  .  .  von  aulTrucken  siUtor  und 
goll  und  von  wollen  und  von  allon  färben  und  wie  man  pild  truck  von  papir  .  .  .  das  tril- 
toil  .  .  .  von  glas  /,u  machen,  als  do  ist  gemolt  j,Mas  und  scheybcnglas«  (Ms.  Cent.  VI.  89.  S*\ 
69  BU.)  Es  stauwnt  aus  dem  Kalharinenkloster  und  zeigt  auf  Bl.  ib  den  Kintra^;;:  »Das 
büchlein  ist  Margareta  Bindtterin  hat  mirs  dyo  alt  w.  m.  pryorin  Magdfalena  llolzschuchcrin 
geschenkt  MB  (lö)lO.t 

8)  Heidelbeeren.  4)  Ilundsbeeren. 


—     8     — 

Aiiwciiduu^^  mau  im  germanischen  Museum  an  vcrschiedeuen  Kästcheu  und 
Scliaehteln,  dann  au  selbsLäudig-eu  Skulpturen  veriolgen  i^ann,  kam  gegen  Schlufs 
des  Mittelalters  eine  zweite,  die  Herstellung  von  teigartiger  Masse  aus  Papier. 
Auch  von  dieser  Technik  finden  sich  Proben  im  germanischen  Museum.  Wir 
uenuen  die  runde,  bemalte  Pappschachtel  vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts,  die 
bei  Becker  und  v.  Heiner ^j  abgebildet  und  deren  Deckelrelief,  das  Urteil  des  Paris 
darstellend,  dort  als  von  Papier  oder  Papiermasse  hergestellt,  bezeichnet  ist.  Die 
Sammlungen  des  Museums  besitzen  aber  auch  ein  Stück,  aus  dem  hervorgeht, 
dafs  man  Papier  oder  Papiermasse  zu  Beginn  des  16.  Jahrhunderts  in  Deutsch- 
land in  der  Architektur  verwendete,  während  diese  Stofie  in  Italien,  woher  deren 


Figur  3. 

Technik    wol   nach  Deutschland   gekommen,   schon  früher  in  dieser  Weise  be- 
nützt wurden. 

Die  hölzerne  Decke  eines  Zimmers  in  einem  Hause  der  Wunderburggasse  zu 
Nürnberg  ist  durch  einfach  profilierte  Leisten  in,  der  Brettbreite  entsprechende, 
quadratische  Füllungen  geteilt,  mit  grofsen,  runden,  eisernen  Knöpfen  an  der 
Kreuzung.  In  jedem  der  Felder  ist  nun  eine  den  Raum  ausfüllende,  aus  Papier 
geprefste,  quadratische  Platte  angebracht,  welche  in  mäfsigem  Reliefe  einen 
stilisierten  Löwenkopf  zeigt.  In  der  Mitte  jeder  Seite  befindet  sich  am  Rande 
eine  kleine  Öffnung,  um  die  geprefste  Platte  aufnageln   zu  können,   doch  sind 


S)  Kunstwerke  und  Gcrätschal'leii  des  Milielalters  und  der  ]lcnüis.sance  111.  Bd.  fFrank- 
lurt  a.  M.  18Ü3)  Tat.  ÜU. 


—    9    — 

sie  alle  auf  das  Holz  aufgeleimt.  Durch  die  Beraalung  —  man  kann  noch  die 
rote  Zung-e,  sowie  die  g-emalteri  Pupillen  der  Aug-en  erkennen,  während  der 
Kopf  heute  braun  (ob  schon  ursprünglich?)  ist  —  hat  das  geprefste,  nicht  sehr 
starke  Papier  eine  erhöhte  Festigkeit  erhalten  und  die  direkt  auf  dem  Holze 
aufliegenden,  nicht  reliefierten,  äufseren  Teile  klingen  beinahe  wie  Blech.  Von 
dieser  Decke  ist  ein  Teil  im  Jahre  1880  als  Geschenk  des  Hausbesitzers,  Herrn 
Fabrikanten  Kästner,  in  das  germanische  Museum  (A.  1530)  gekommen,  den 
wir  als  Figur  3  in  \8  der  natürlichen  Gröfse  wiedergeben. 

Über  die  Anfertigung  dieser  geprefsten  Papierplatten  gibt  das  obener- 
wähnte, mit  diesen  gleichalterige  Rezeptenbüchlein  der  Nonnen  zu  St.  Katharina 
in  Nürnberg  ebenfalls  Auskunft,  weshalb  wir  nachstehend  die  Anweisung  zur 
Herstellung  von  Papierreliefen  wortgetreu  wiedergeben. 

(El.  23a.)  »Zu  tr  u  c  k  e  n  mit  p  a  p  ir.  Item  wiltu  pild  trucken,  die  der- 
haben  sein,  von  papir  als  (ob)  sie  von  holz  gesnitzet  sint  oder  gewechs  oder 
rosen  oder  ander  matery,  welcherley  das  sey,  so  nym  zwen  pogen  papir  oder 
drey  wie  vil  du  der  matery  geprauchen  wilt,  und  die  zureiß  zu  kleinen  stucken, 
und  thu  die  in  einen  säubern  hafen  und  geuß  ein  kalt  wasser  daran,  und  setz 
es  zu  dem  feur  und  laß  es  syden  zwu  stund,  und  darnach  seyh  das  wasser  herab 
und  pall  es  daraus  und  stoß  sie  in  einem  morser  als  lang  bis  sie  bey  einander 
beleih;  und  nym  denn  ein  form  von  kupfer  oder  von  pley  und  nym  die  gestossen 
matery  und  leg  sie  in  (El.  23b)  die  form  des  ersten  gar  dünne  und  wenig  und 
subtil  darein,  darnach  ye  lenger  ye  paser  alles  dick  du  es  haben  wilt  und  stoß 
es  darein  mit  einer  herten  pursten  und  nym  denn  ein  warm  tuch  und  tunk  es 
gar  hert  hinen,  damit  so  zeucht  es  die  feuchtigkeit  heraus  und  nym  denn  ein 
ander  warm  tuch  vier  oder  fünffach  und  leg  es  auf  die  form  oder  ein  ticken  filz 
und  leg  ein  pret  darauf  und  leg  es  unter  ein  preß  ein  urteil  einer  stund  und  thu 
es  denn  heraus  und  nym  denn  einen  warmen  zigelstein  und  leg  ihn  darauf  und 
las  in  ein  weil  da  auf  ligen  (El.  24a)  und  darnach  klopf  an  die  form,  so  schelt 
es  sich  herab  und  wirf  scharpf  gut«. 

Von  einem  Überzug  der  gedruckten  Bilder  mit  Firnis  oder  Ölfarbe,  der 
wol  nie  fehlte,  ist  in  dem  Rezepte  nichts  erwähnt. 

Aus  etwas  späterer  Zeit  können  wir  die  Verwendung  des  Papiers  zur  Her- 
stellung von  Greschirren  nachweisen.  In  der  Sammlung  von  Hausgeräten 
(H.  Gr.  3969)  befindet  sich  eine  ovale,  reich  mit  Reliefen  verzierte  und  bemalte 
Platte  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts,  die  lediglich  aus  Papiermasse 
hergestellt  ist;  wir  geben  sie  unter  Fig.  4  genau  in  V^  der  Origiiialgröfse  wie- 
der. Der  Rand  der  Platte  ist  durch  vier  doppelte,  gekreuzte  Füllhörner  in 
vier  Felder  geteilt,  in  welchen  zwischen  Rankenwerk  Jagden  auf  AVildschweiue, 
Hasen,  Bären  und  Hirsche  dargestellt  sind,  die  an  Virgil  Solls'  Stiche  erinnern. 
In  der  Mitte  des  P'onds  der  Schüssel  erhebt  sich  ein  von  einer  Kartusche  um- 
schlossenes Medaillon,  das  innerhalb  eines  Lorbeerkranzes  einen  ovalen,  ge- 
krönten, gevierten  Schild  enthält,  welcher  abwechselnd  die  sächsischen  Rauten 
mit  dem  Meifsenschen  (?)  Löwen  und  einen  zweiten  Löwen  (von Thüringen?)  zeigt. 
Die  Querbalken  des  sächsischen  Wappens  sind  jedoch  irrtümlich  rot  angestrichen. 
Das  Herzschildchen  des  Wappens  ist  leider  so  abgewetzt,  dafs  sich  dessen  Figur 
nicht  mehr  fesistellen  lüist.  Die  Kartusche  in  der  Mitte  ist  umgeben  von  vier 
ovalen  Medaillons  mit  der  Darstellung  der  vier  Jahreszeiten,  die  Zwischenräume 

Mitteilungen  uns  dem  germuu.  Nationalniusoum.     1893.  II. 


—     10 


werden  durch  graziöses  Blumenwerk  ausgefüllt.  Diese  ganze  Dekoration  ist  mil 
verschiedenen  Farben  bemalt,  der  Grund  gelb  gehalten.  Natürlich  haben  die 
Farben  im  Laufe  der  Jahre  stark  gedunkelt,- so  dafs  sich  die  buntbemalten  Reliefe 
nicht  mehr  so  abheben ,  wie  dies  bei  der  Anfertigung  der  Fall  gewesen  sein 
mag.    Die  Rückseite  ist  rotbraun  angestrichen. 

Das  Wappen  in  der  Mitte  deutet  wol  auf  sächsischen  Ursprung  des  Geschirres, 
obgleich  es  einen   etwas  französischen  Anstrich   hat   und  die  Verzierungen  an 


Figur  4. 


Etienne  de  Laune,  allerdings  auch  an  Jost  Amman  erinnern;  es  kam  im  Jahre 
1886  durch  Kauf  von  Antiquar  Drey  in  München,  der  über  die  Herkunft  nichts 
näheres  mitteilen  konnte,  in  das  Museum.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dafs  für 
unsere  Papierschüssel  die  Form,  in  der  sie  gedruckt  wurde,  besonders  herge- 
stellt wurde;  es  ist  vielmehr  wahrscheinlich,  dafs  eine  ältere,  vielleicht  für  Zinu- 
gufs  oder  Thonplatten  bestimmte  und  auch  schon  ausgenützte  Form  schliefslich 


—   11   — 

zur  Herstellung  der  Papierplatte  gebraucht  wurde.  Hiefür  spricht  auch  die 
StumplTieit  mancher  der  Dekorationen,  die  nicht  der  Abnützung  des  Geschirres, 
sondern  der  Form  zugeschrieben  werden  mufs. 

Aus  den  Beschädigungen  am  Rande  ist  zu  ersehen,  dafs  bei  der  Anferti- 
gung in  die  Form  zuerst  einige  ganze  Bogen  Papier  eingelegt  wurden  und  dann 
erst  die  gekochte  Papierraasse  daraufgelegt  und  mit  der  harten  Bürste  sorgfältig 
eingestofsen  wurde.  Wir  wagen  nicht  zu  entscheiden ,  ob  wir  es  hier  mit 
einem  zufällig  entstandenen  Stücke  zu.  thun  haben  ,  oder  ob  Papiergeschirre 
auch  schon  damals  in  gröfseren  Massen  hergestellt  wurden.  Das  Material,  aus 
welchem  dieselben  gefertigt  sind,  ist  ein  so  vergängliches,  dafs  nur  wenige 
Stücke  auf  uns  g-ekommen  sein  dürften;  uns  ist  nur  das  hier  beschriebene 
bekannt.  Jedenfalls  ist  es  gelungen,  ein  ganz  reizendes,  selbstverständlich 
leichtes  Geschirr  herzustellen,  das  als  Brodschüssel  ganz  gut  seinen  Zweck  erfüllte. 

Eine  Anweisung,  wie  man  Geschirre  aus  Papier  fertigt,  findet  sich  in  dem 
Werke:  »Die  1  so  kluge  als  künstliche  |  von  Arachne  und  Penelope  |  getreulich 
unterwiesene  |  Hauß-Halterin,  |  Oder  !  Dem  Frauen-Zimmer  wohlanständiger  | 
Kunst-Bericht  1  und  Gründlicher  Haußhaltungs-Unterricht«  |  (Nürnberg,  1703) 
S.  135  (Bibliothek  des  germ.  Museums  Gs.  1228),  im  29.  Kapitel  der  1.  Abteilung: 
»Wie  aus  Papier  verschiedene  Geschirre  auf  Gold-  und  Silber-Art  zu  machen.« 
Der  Vollständigkeit  halber  lassen  wir  das  ganze  Kapitel  nachstehend  folgen. 

»Man  trachte  sich  erstlich  Mödel,  die  von  Holz  gedrehet  sind,  in  der 
Form  wie  silberne  Schalen,  Kannen  oder  Becher,  jedoch  nur  ganz  glatt,  so 
dann  auch  Mödel  von  Hafners  Arbeit  (zu  verschaffen),  diese  müssen  formiret 
seyn  wie  die  Blumen  auf  denen  verguldeten  Geschirren,  und  nachmal  auf  das 
Glatte  bevestiget  werden:  Ist  nun  dieses  beysammen,  so  nehme  man  gemein, 
oder,  welches  besser,  zart  Papier,  wie  es  die  Goldschlager  pflegen  zu  gebrauchen, 
solches  weiche  man  in  frisches  Brunnenwasser,  und  lasse  es  über  Nacht  stehen, 
dann  süde'man  es  in  einer  Pfanne  so  lang,  bis  es  wie  ein  Brey  wird,  alsdann 
seihe  man  es  ab,  und  zerstofse  es  in  einem  Mörsel,  daß  es  so  hart  werde,  als 
ein  Teig,  hernach  thue  man  es  wieder  in  ein  kaltes  Wasser,  und  schlage  es  über 
die  Mödel,  drucke  es  mit  einem  Schwammen  auf,  daß  es  aber  fein  in  einer 
Gleiche  komme,  auch  schön  dick  und  vest  aufeinander  liege,  alsdann  lasse  man 
es  auf  dem  Model  so  lang  liegen,  bis  es  recht  trocken  und  hart  wird,  dann 
sonsten  wirft  es  sich  krumm.  Wann  solches  geschehen,  muß  es  3  oder  4  mal 
mit  Leimwasser  bestrichen  werden.  Nach  diesem  reibe  man  eine  Kreide  mit 
Leimwasser  auf  einem  Reibstein  ab,  gründe  die  Arbeit  4  oder  5  mal  damit,  und 
lasse  sie  allezeit  trocken  werden.  Zum  letzten  mal  aber  muß  man  solche  über 
Nacht  stehen  lassen,  damit  sie  recht  durchaus  trocknen:  alsdann  überreibe  man 
sie  mit  gelindem  Sand  allenihalbcn  wohl,  hernach  mit  den  Schachtelhalmen, 
bis  sie  schön  glatt  werden,  nachmahls  überstreiche  man  solches  Geschirr  mit 
dem  Pollement,  4  bis  5  mal,  doch  a  so,  daß  es  inzwischen  allezeit  ertrockne; 
letzlich  aber  wische  man  es  mit  einem  wollenen  Tuch  iilso  trocken  wohl  ab. 

Inzwischen  müssen  die  dazu  gehörigen  Blumen  auch  verfertigt  werden: 
hiezu  drucket  man  den  gestossenon  Papierteig  fein  gleich  in  die  gegläste  ordene 
Mödel,  daß  cr^an  einem  Ort  so  dick  ist  als  an  den  andern,  und  lasset  ihn  gleich- 
falls recht  durchaus  trocken  werden,  daß  er  nicht  schwinden  oder  sich  werfen 
könne:  sind  sie  nun  gegründet,  und  mit  dem  Pollement  bestrichen,  wie  zuvor 


—    12    —  . 

g-emeldet,  so  schneide  man  sie  mit  einem  scharfen  Federmesserlein  fein  gleich 
zu,  daß  sie  ganz  goheb  auf  dem  Geschirr  aufliegen,  und  leime  sie  mit  gutem 
Leim  auf  dassolbige  recht  an,  doch  müssen  sie  dabey  mit  etwas  beschweret  oder 
fest  aufgedrucket  werden,  da|5  sie  nicht  so  leicht  wieder  in  die  Höhe  steigen, 
und  abspringen  können:  ist  nun  dieses  alles  geschehen,  so  nehme  man  guten 
Brandwein,  bestreiche  so  viel  damit  an  dem  Geschirr,  als  man  auf  einmal  ver- 
giildeu  kann,  und  lege  das  Gold  gleich  darauf,  dann  es  trocknet  schnell.  Wann 
es  über  Nacht  gestanden,  und  recht  durchaus  getrocknet,  so  nehme  man  einen 
reinen  Hundeszahn,  der  im  Holz  eingefasset  ist,  wie  es  die  Buchbinder  ge- 
brauchen, und  polire  das  Verguldete  damit,  die  weisse  Blumen  aber  werden 
matt  gelassen,  und  mit  Silber  überleget,  so  kommet  beedes  recht  schön. 

Dabei  ist  noch  zu  merken  ,  daß  wann  ein  Geschirr,  Kanne  oder  Becher 
gemacht  wird,  solches  auf  beeden  Seiten  aufgeschnitten,  von  dem  Model  herabge- 
noramen,  und  fein  subtil  wieder  zusammgemacht  werden  müsse,  sollte  man  es 
aber  etwan  merken,  daß  er  aus  zweyen  Stücken  zusamragesetzet  seye,  kau  man 
solches  mit  dem  Falzbein  wieder  verstreichen  und  nieder  drucken,  daß  man  es 
nicht  ferner  siebet^ 

Zu  welchem  Zwecke  man  die  papiernen,  vergoldeten  und  versilberten  Ge- 
schirre benützte,  geht  weder  aus  dieser  Anweisung,  noch  aus  dem  4.  Kapitel 
des  2.  Teils,  betitelt  »Von  denen  zur  Haußhaltung  gehörigen,  und  unter  der 
Aufsicht  einer  klugen  Hauß-Mutter  stehenden  Zimmern,  samt  deroselben  so 
zierlich,  als  nützlichen  Aus-staffierung«  hervor,  in  welchem  in  höchst  ausführ- 
licher und  lehrreicher  Weise  die  Zimmer  und  anderen  Räume,  welche  eine  bessere 
Familie  um  1700  benötigte,  und  deren  Ausstattung  beschrieben  sind.  Wahr- 
scheinlich wurden  sie  jedoch  auf  das  Gesimse  des  Wohnzimmers  zum  Schmucke 
desselben  gestellt.  Es  heifst  in  dem  Kapitel:  »Die  Gesimse  pfleget  man  ge- 
meiniglich mit  Mahlereyen  zu  belehnen ,  manchmal  Pyramiden ,  verguldete 
Kugeln,  antiquische  von  Holz  geschnittene,  oder  nur  von  Gyps  gegossene 
Brust-Bilder ,  au(3h  wohl  von  Porcellain  gemachte ,  grosse  Schalen  dar- 
zwischen  zu  stellen  und  aufzulehnen,  wie  es  nemlich  einem  jeden  beliebt,  und 
dessen  Zustand  und  vermögen  leidet.«  Wo  man  vergoldete  Kugeln  aufstellte, 
konnte  man  auch  vergoldete  Papiergeschirre  brauchen.  In  einem  der  Puppeu- 
häuser  des  Museums  finden  sich  auf  dem  Gesimse  aus  Holz  gedrehte  und  ver- 
goldete Kugeln,  die  mit  einem  Fufse  und  einer  Spitze  versehen  sind  und  da- 
durch eine  pokalähnliche  Form  erhalten.  Solche  Kugeln  sind  wol  gemeint; 
sie  sind  ebenso  Surrogat  wie  die  papiernen  Geschirre.  Man  behalf  sich  also 
schon  vor  200  Jahren  bei  der  Schmückuug  der  Wohnräume  mit  Imitationen, 
was  wir  zum  Tröste  aller  Jener  hier  besonders  hervorheben  wollen ,  welche 
die  Mode,  sich  »altdeutsche«  Zimmer  einzurichten,  mitmachen,  und  vielleicht 
Gewissensbisse  darüber  empfinden,  dal's  sie  vielfach  Imitationen  zur  Ausstattung 
derselben  verwenden.  — 

Einen  Originalbeleg  dafür,  dafs  man  früher  das  Papier  auch  schon  zur 
Anfertigung  von  Wäsche  oder  Kleidern  verwendete,  können  wir  aus  den  Samm- 
lungen des  germanischen  Museums  nicht  beibringen;  bei  der  Vergänglichkeit 
des  Stoffes  dürften  solche  auch  kaum  mehr  existieren.  Dagegen  steht  uns  ein 
literarischer  Nachweis  zur  Verfügung,  dafs  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  18.  Jahr- 
hunderts  in  Prankreich   von  Damen   papierne   Kleider   getragen   wurden.     Im 


—     13     — 

3.  Teile  der  »Allg-emeinen  Schatz-Kammer  Der  KaufFmannschafft  Oder  Vollstän- 
diges Lexicon  Aller  Handlung-en  und  Gewerbe«  (Leipzig  1742) 0)  findet  sich  auf 
S.  678  auch  ein  Artikel  über  papierne  Kleider.  In  demselben  wird  zuerst  über 
die  Kleider  aus  Spinneweben,  aus  welchen  gefertigt  Ludwig  XIV.  eine  Weste 
von  dem  Kammerpräsidenten  Bon  zu  Montpellier  erhalten  hatte,  berichtet  und 
bemerkt,  dafs  Gewebe  dieser  Art  herzustellen,  grofse  Schwierigkeiten  mache. 
Sodann  wird  weiter  gefahren:  »Doch  die  französische  Munterkeit  ist  fähig  ge- 
nug, bey  dem  Mifsrathen  eines  Vorschlages  gar  bald  einen  neuen  zu  gebähren. 
Und  wir  beschreiben  hier  nicht  eine  Erfindung  von  Seide,  doch  von  Kleidern, 
welche  vorher  in  Europa  schwerlich  in  Gebrauch  gezogen,  aber  im  Jahre  1718 
in  Paris  jung  wurden,  und  die  mehr  die  Bequemlichkeit,  als  den  Nutzen  zur 
Absicht  gehabt.  Es  sind  solches  Frauenkleider  von  Indianischem  Papiere,  wo- 
von die  Nachricht  aus  Paris  zu  Ende  des  Junius  selbigen  Jahres  folgender  Ge- 
stalt lautete:  »Zu  Paris  tragen  die  Dames  bei  dieser  Sommers-Zeit  Kleider  von 
Indianischem  Papiere,  welche  aber  nicht  länger,  als  einen  halben  Tag  halten. 
Es  hat  diese  Fagon  von  Kleidern  der  Spitzenbändler  Boileau  erfunden,  welcher 
selbige,  mit  allem,  was  dazu  gehörig,  als  Manteaus,  Jupes,  Jupons,  Gorsets,  die 
allein  mit  Leinwand  gefüttert,  Band  und  dergleichen  für  fünf  und  zwanzig 
Livres  verkauft.« 

Mit  Recht  wird  in  dem  Artikel  vermutet,  dafs  es  sich  hier  um  chinesisches 
oder  japanisches  Papier  handelt.  Am  Schlüsse  gibt  der  Herausgeber  des 
Lexikons  seiner  Meinung  Ausdruck,  dafs,  wenn  sich  ein  Mittel  finden  liefse, 
dem  Papier  eine  gröfsere  Haltbarkeit  zu  verleihen,  die  Kleider  aus  Papier  viel- 
leicht eine  Zukunft  haben  könnten.  Er  schreibt:  »Es  mag  allerdings  dieser  Art 
Kleidung  bey  heifser  Sommerzeit  dem  Frauenzimmer  eine  gar  angenehme  Art 
von  Wedeln  geben,  nur  dafs  sie,  wegen  allzu  kurzer  Dauer,  dem  Beutel  etwas 
zu  beschwerlich  fallen  dürfte.  Doch  wer  weifs  ob  nicht  ein  Mittel  auszufinden, 
diesen  papiernen  Zeug  etwas  haltbarer  zu  machen.  Zum  wenigsten  dürfte  es 
vielleicht  noch  geschehen,  dafs  man ,  wo  nicht  in  diesem ,  doch  andern  sehr 
dünnen  Zeugen  mit  dem  Lackiren  einen  Versuch  zu  machen  belieben  möchte, 
weil  doch  diese  schöne  und  nutzbare  Kunst  zu  mehrerii  Dingen  gebraucht 
wird,  als  man  jemals  geglaubt.  Doch  die  Mode  liebt  in  ihrer  Erfindung  eine 
freie  Hand,  ob  sie  schon  in  ihrem  Fortgange  ihr  Regiment  mit  einer  unwider- 
treiblichen  Stärke  ausübet,  so,  dafs  man  also  die  Zeit  erwarten  mufs,  ob  auch 
in  diesem  Stücke  dereinst  der  Lack  in  Gebrauch  gezogen  worden  dürfte ,  wo 
nicht  in  der  Absicht  einer  grofsen  Bequemlichkeit,  doch  vielleicht  kraft  eines 
nicht  verwerflichen  Vortheiles.« 

Nürnberg.  Hans  Bosch, 


Ein  Brief  vom  )laler  )lüllcr  an  »icland. 

?8p^  in  Leben,  dessen  hoffnungsreichem  Anfang  die   kärgliche  Enlwickelung 
a  [|\?|^  nicht  entsprach,  ist  ilasjenige  des  Dichters  und  iMalers  Johann  Friedrich 
^i*«^  Müller,  bekannt  als  Maler  Müller.     Geboren  in  Kreuznach,   im  Geburts- 
jahre Goethes,    begab   er  sicii    iiiii   das  Jahr  1701)   nach   Zweibrücken,   um   das 

6)  Bibliothek  d.  g.  M.  11.  7'J. 


—     14    — 

Malen  zu  eiloi-non.  und  verlehle  hier  seine  Jugend  unter  dem  Einflüsse  des 
Hoi'Iebens,  künstlerisches  wie  dichterisches  Talent,  entfaltend.  1774  siedelte  er 
nach  Mannheim  über.  P]ntscheidcnd  für  ihn  war  das  Jahr  1778,  in  welches  der 
unten  mitgeteilte,  der  Autographensammlung-  des  germanischen  Museums  an- 
gehürige  Brief  von  ihm  an  Wieland  zu  setzen  ist.  Im  August  dieses  Jahres 
verliefs  er  seinen,  an  geistiger  Anregung  reichen  Wirkungskreis  in  der 
pfälzischen  Residenz,  der  Stätte  seines  Aufblühens,  und  ging  nach  Rom,  dem 
Ziele  seiner  Sehnsucht,  welches  seinen  Kampf  mit  dem  Leben,  seine  bittere  Not, 
seine  Resignation  auf  den  Beruf  als  Künstler,  als  Maler  sah.  Auch  seine 
dichterische  Kraft  entfaltete  sich  in  Rom  nicht  in  dem  Mafse,  wie  man  nach 
den  Anfängen  seiner  in  Deutschland  entstandenen  Erstlingswerke  und  Ent- 
würfe erwarten  konnte.  Das  Feuer,  die  Natürlichkeit  wichen  einer  gewissen 
Kälte  und  Gezwungenheit.  Auf  dem  Gebiete  der  Malerei  verwandelte  sich  der 
schaffende  Künstler  mehr  und  mehr  in  den  gediegenen  Kunstkenner.  Vom 
Jahre  1806  an  scheint  sein  Leben  nach  Kämpfen  und  Entbehrungen  härtester 
Art  gesichert  und  seine  finanzielle  Lage  günstig  geblieben  zu  sein. 

Noch  völlig  den  jugendlich  kräftigen  Geist  des  aufstrebenden  Talentes, 
»Sturm  und  Drang«  atmet  der  vorliegende  Brief.  Die  treffliche  Biographie 
Seufferts^)  giebt  ein  ebenso  knappes  wie  reichhaltiges  Bild  von  dem  jugend- 
lichen Streben  unseres  Autors,  von  den  mannigfachen  Beziehungen,  die  er  in 
Mannheim  auknü[)fen  konnte  und  die  in  unserem  Briefe  zu  Tage  treten,  von 
seiner  Stellung,  die  in  der  1777  erfolgten  Ernennung  zum  kurfürstlichen  Kabi- 
netsmaler  sich  charakterisierte.  Unser  Brief  ist  Seutfert  unbekannt  geblieben, 
doch  ist  genau  erkennbar,  wo  derselbe  seinem  Buche  sich  einfügt.  Wir  geben 
zunächst  den  betreffenden  Abschnitt  der  Biographie. 

»Von  der  1777  gehegten  Neigung,  zuvörderst  in  Paris  zu  studieren,  war 
Müller  abgekommen,  und  dies  wol  durch  den  Umgang  mit  Lessing,  der  zur 
Zeit  seines  Aufenthaltes  in  Mannheim  noch  voll  der  lebhaftesten  Eindrücke 
von  Italien  war.  Dafs  beide  Dichter  von  Italien  sprachen,  bezeugt  Müllers 
mehrfache  Äufserung,  Lessing  habe  gewünscht,  mit  ihm  den  Rest  seines  Lebens 
dort  zu  verbringen.  Vielleicht  war  mit  der  Ernennung  zum»Kabiuetsmaler 
schon  die  Gewährleistung  einer  Unterstützung  zur  Ausbildung  in  Rom  ge- 
geben. Jedenfalls  wufste  man  schon  Ende  August  1777  von  Müllers  Vorhaben, 
dorthin  zu  reisen  ....  Doch  sollte  es  nicht  so  rasch  gelingen.  Anfang  1778 
stand  die  Ausführung  der  Reise  noch  so  in  der  Ferne,  dafs  Müller  noch  vor 
der  Abreise  sein  Wrama  »Genovefa«  zu  beenden  gedachte.  Allein  so  lange 
verzögerte  sich  dieselbe  doch  nicht.  Karl  Theodor^)  sicherte  ihm  eine  Pension 
zu,  und  da  diese  trotz  der  »beträchtlichen  Erhöhung«  von  Müllers  bisheriger 
Besoldung  unzureichend  war,  so  eröffneten  Müllers  Freunde  eine  Subskription. 
Der  Erfurter  Statthalter  von  Dalberg  erliefs  die  Aufforderung  dazu  den  4.  Mai 
1778,  der  Weimarer  Hof,  Knebel,  Wieland  und  Goethe  leisteten  derselben  Folge. 
Müller  empfing  3ö0  fl.« 

An  dieser  Stelle  fügt  unser  Brief  sich  ein.  Er  trägt  das  Datum  des 
29.  Juni,  ohne  Hinzufügung  der  Jahreszahl,  und  enthält  den  Dank  für  die  er- 

i)  Maler  Müller  von  Dr.  Bernhard  Seuffert.    Berlin.  Weidmannsche  Buchhandlung.   1877. 
2)  der  Kui-füi-st. 


—     15     — 

wähnte  Pension.  Aufser  an  Wieland  richtet  sich  derselbe  an  das  herzogliche 
Paar,  au  Goethe  und  Dalberg.  Von  Interesse  ist  die  Bezeichnung  »der  liebe 
teure  Goethe«.  Sie  paFst  vortrefflich  zu  dem  unmittelbar  an  Obiges  sich  an- 
schliefsenden  Urteile  Seufferts  über  Müllers  Stellung  zu  Goethe,  dasselbe  bestäti- 
gend und  ergänzend.    Seuffert  fährt  nemlich  fort: 

»Es  ist  demnach  durchaus  nicht  abzusehen,  dafs  Küpkes  Vermutung, 
welcher  andere  folgten,  Müller  sei  aus  Verstimmung  von  Deutschland  geschie- 
den, besonders  voll  Verdrufs  über  Goethes  Superiorität ,  irgendwie  begründet 
ist.  Im  Gegenteil  brachte  man  ihm  von  allen  Seiten  Wohlwollen  entgegen  und 
hegte  die  besten  Erwartungen.  Der  Herzog  von  Weimar,  Karl  Theodor^)  von 
Erfurt  und  Goethe  sandten  ihm  ihre  Silhouetten  und  Müller  äufsert  sich  an 
Heribert  von  Dalberg:  »Sehr  lieb  sind  sie  mir  alle  drei  und  müssen  hübsch 
mit  mir  nach  Rom  reisen.«  Er  sendet  dem  Herzog  Zeichnungen  durch  Goethe, 
kurz,  es  ist  keine  Spur  von  Verstimmung  aufzudecken;  nur  die  Sehnsucht 
nach  dem  Lande  der  Kunst  rief  ihn  im  August  1778  nach  Rom.  Freilich  hatte 
er  eine  Kunstreise  geplant  und  nicht  erwartet,  dafs  er  die  Heimat  nicht  mehr 
sehen  sollte.« 

Unser  Brief  liefert  für  diese  Sätze  die  Belege.  Das  Verhältnis  Müllers  zu 
Goethe,  die  Ueberseudung  der  Zeichnungen,  die  Erwartung  wieder  nach  Deutsch- 
land zurückzukehren,  Alles  stellt  sich  in  dem  Briefe  so  dar,  wie  der  aus- 
gehobene Abschnitt  der  Biographie  es  ausspricht.  Interessant  ist  der  Stil  des 
Briefes.  Ganz  die  Ausdrucksweise  der  Geister  der  Sturm-  und  Drangperiode, 
z.  B.  an  den  Stellen,  welche  sich  auf  Müllers  Auffassung  von  der' Kunst  be- 
ziehen. »Wenn  anders  einer  sich  ehrlichen  Kerls  genug  fühlt,  kein  falsch 
Zeugnis  gegen  Gottes  Schöpfung  abzulegen;  Schöpfer  und  Kind  zugleich  sein, 
der  Natur  gebieten  und  nachlallen«  und  Anderes.  Manches  erinnert  an  den 
Stil  des  jungen  Goethe,  dessen  am  Schlüsse  berührter  Götz  von  Berlichingen 
den  edelsten  Typus  jener  Periode  darstellt,  deren  Geist  auch  dieser  Brief  nach 
Auffassung  und  Ausdruck  sich  anschliefst.  Wir  behalten  für  die  Wiedergabe 
des  Briefes  die  urspüngliche  Orthographie  und  auch  die  charakteristische  Inter- 
[lunktion,  die  gröfstenteils  in  Gedankenstrichen  besteht,  bei. 

Mannheim  den  29t''"  Juny. 

Will  Euch  denn  so  lang  und  viel  plaudern,  dafs  ihr  halt  ein  rufen  sollt  — 
vor  allem  aber  wifst  dafs  ich  drey  Wochen  schon  nicht  wohl  bin,  eines  Adonis 
wegen  den  ich  in  diesen  uiierlräglich  heifsen  Sommertagen  anfing  in  Lebens- 
gröfse  nach  der  Natur  zu  mahlen.  Meister  Gwibald'*)  rief  mir  zu  hifsts  seyn 
Bruder  ihr  haltets  nicht  aus  werdet  Euch  all  SäiTt  di'über  aus  dem  Leib 
arbeiten.  Meister  Gwibald  predigt'  einem  Dauben,  Tuch  und  Skizze  waren  mal 
fertig  —  so  viel  Gewalt  hab  ich  noch  nicht  um  den  Hrey  herum  zu  gehn  bifs 
er  kalt  ist  —  wenn  man  alles  so  gut  i»räparirL  vor  sich  findet,  kurzum  kdtuit 
iiiicli   nicht   zurückhalten    und    im   sechsten  Tag    lud    ich  ein   Kiober  am   Hals  — 


8)  Siehe  Seite  IG  AminTkuu^  ö. 

4)  Nikolaus  Guibal,  t^vh.  in  Liinevillc,  war  Gallcricdirektor  in  Slultpirt.  Kr  war  in 
dieser  Zoll  besuchsweise  in  Maiinliciin.  Vgl.  SeulTerl,  S.  "H:  Klotz  (Hoftheulennalor  in 
Mannhoiinj  führte  Müller  auch  seiui-n  lA-lirer,  (iuilial  in  Slultgarl,  hei  dessen  ücsucli  in 
Mannheim  zu,  an  dem  Müller  einen  herrliciien  .Maler  und  noch  herrlicheren  Menschen  erkannte. 


—    16    - 

Lieber  Freund  Wieland  ihr  wifst  vielleicht  nicht  was  hinter  dem  nach  der 
Natur  mahlen  steckt  —  g'laubt  mir  das  ist  das  schwerste,  wenn  anders  einer 
sich  ehrlichen  Kerls  genug  fühlt  kein  falsch  Zeug-nifs  gegen  Gottes  Schöpfung 
abzulegen  —  das  mindeste  nicht  vorbeygehn  läfst  ohne  sich  selbst  davon 
Reclienschaft  geben  zu  können  —  und  wenn  er  obendrein  einen  Corrector  im 
Sinn  trägt  und  dem  gemäfs  alle  Formen  bildet,  Schöpfer  und  Kind  zugleich  ist, 
der  der  Natur  gebiethet  und  nachlallt  —  da  wirds  einem  doch  oft  so  schwind- 
lich  und  eng  ums  Herz  als  ob  man  in  einem  heifsen  Backofen  verschlossen 
säl's.  Ach!  was  Ihr  mir  vor  Freude  gemacht  —  seyd  doch  herrliche  Menschen 
untereinander  —  Euer  vortreftliches  Herzogliches  Paar,  Euer  Göthe  und  Dahl- 
berg^)—  ich  kann  nichts  sagen  mache  eine  verflucht  dumme  Mine  wenn  ich  mich 
über  was  bedancken  soll  —  es  ist  so  ganz  herrlich  was  Ihr  macht  —  mein  liebster 
Üahlberg  hier^)  zeigte  mir  alles  weitläuftiger')  —  mein  Herz  war  so  gerührt 
so  voll  davon  —  werde  gewifs  alles  als  ein  ehrlicher  Kerl  thun  und  wohl  mehr 
noch  als  Ihr  von  mir  begehret  —  Bitt  Euch  doch  liebster  legt  meinen  Dank 
zu  eures  gnädigen  Herren  und  eurer  gnädigen  Frauen  Füfsen,  sagt  Ihnen  wie 
durchdrungen  ich  von  Ihrer  Güthe  bin  —  gleichfalls  Göthen  meinem  lieben 
theuren  Göthe  und  vortrefflichen  Dahlberg  an  Mund  und  Wange  —  sagt  Ihnen 
in  meinem  Nahmen  mein  gröfster  Stolz  wärs  Unterstützung  von  Ihren  Händen 
anzunehmen  —  es  wird  eine  Zeit  kommen  wills  Gott  kehr  ich  wieder  aus  Italien 
zurück  ^)  werd  ich  nichts  Pressanteres  zu  thun  wifsen  als  beyde  ^)  von  An- 
gesicht kennen  zu  lernen. 

Künftigen  März  bin  ich  in  Rom  i'')  jetzt  copir  ich  einen  Rubens  11  Schub 
lang  9  hoch  die  Sabiner  und  Römer  im  Streit  vorstellend  zwischen  die  ihre 
Weiber  mit  ihren  Kindern  sich  stürzen  —  die  Figuren  in  Lebensgröfse.  Nach 
diesem  gleich  fang  ich  einen  van  Dyk")  an,  die  Marter  des  heil.  Sebastians  vor- 


5)  Geraeint  ist  der  Bruder  des  Intendanten  des  Mannheimer  Nationaltheaters,  Karl 
Theodor  v.  Dalberg,  seit  1772  Geheimer  Rat  und  kurmainzischer  Statthalter  in  Erfurt,  der 
spätere  Fürstprimas  und  Grofshcrzog  von  Frankfurt. 

6)  Heribert  v.  D.,  kurpfälzischer  Geheimer  Rat  und  Kämmerer,  Präsident  der  deutschen 
Gesellschaft,  Intendant  des  Mannheimer  Nationaltheaters.  »Er  war  Müllers  Gönner  und 
Freund  noch  über  den  Aufenthalt  in  Deutschland  hinaus.  Müller  widmete  ihm  seine  Niobe.« 
Seuffert. 

7)  Bezieht  sich  wol  auf  nähere  Mitteilungen  über  die  »Weimarer  Pension«  und  die 
Art  der  Unterstützung. 

8)  Diese  Zeit  kam  nicht.     Müller  blieb  bis  zu  seinem  Tode  (182S)  in  Italien. 

9)  Das  herzogliche  Paar.  Mit  Goethe  war  Müller  schon  bei  dessen  Aufenthalt  mit 
Jacobi  in  Mannheim  (vor  dem  5.  Februar  1773)  bekannt  geworden.  Über  Müllers  Be- 
ziehung zu  dem  Erfurter  Dalberg  entnehmen  wir  aus  Seuffert:  In  der  vorangegangenen  Zeit 
(vor  dem  9.  Juni  1777)  scheint  Müller  viel  gereist  zu  sein ,  man  hört  von  Aufenthalten  in 
Heidelberg.  Frankfurt,  Mainz,  Kreuznach,  Erfurt,  wo  er  gewifs  Heribert  v.  Dalbergs  Bruder 
den  Statthalter,  kennen  lernte. 

lOj  Seuffert  S.  30.  »Anfang  1778  stand  die  Ausfütu'uiig  der  Reise  noch  so  in  der 
Ferne,  dafs  Müller  noch  vor  der  Abreise  sein  Drama  »Genovefa«  zu  beenden  gedachte.« 
Müller  glaubte  demnach  nach  der  unzweifelhaft  richtigen  Datierung  unseres  Briefes,  die  in 
das  Jahr  1778  zu  setzen  ist,  noch  am  29.  Juni  dieses  Jahres,  erst  im  März  1779  nach  Rom 
abreisen  zu  können,  während  die  Abreise  schon  im  August  1778  erfolgte. 

11)  Die  Originalgemälde  sind  jetzt  beide   in  der  königlichen  Pinakothek  in  München 


—     17    — 

stelleud,  beyde  Gemälde  was  Pinsel  Spiel  antrifft  Meister  Stücke  in  ihrer  Art 
—  Sobald  beyde  fertig  sind  g-eh  ich  nach  Stuttgart,  dort  mahl  ich  eine  eigene 
Composition  unter  Gwibalds  Direction  für  den  hiesigen  Hoff  —  und  dann  zu 
Anfang  künftigen  Märzen  adjeu  Deutschland. 

Was  mein  Portefeul  voll  Zeichnungen  betritt  ^2)  gtehts  ganz  allein  bey 
eurem  gnädigsten  Herrn  ob  Ers  behalten  will  —  ich  halte  mirs  vor  eine  grofse 
Gnade  —  fragte  nur  defswegen  nach  H.  Graff  v.  Sickingen  ^^)  in  Paris  schrieb 
mir  ich  möcht  ihm  einen  Stofs  Zeichnungen  von  mir  zusenden,  weil  man  defs- 
wegen sehr  bei  Ihm  nachgefragt  —  da  ich  nun  Alles  zu  meiner  italjeuischen 
Reifse  sammle  —  etc.  —  doch  was  plauder  ich  davon  Ihr  begreift  das  schon  am  besten. 

Was  eure  alte  Rosamunde  macht,  wolltet  ihr  gerne  wifsen  —  die  hat 
auf  Euch  und  eure  Oprai"^)  ziemlich  renuncirt  —  wies  natürlich  ist  weil  die 
Opra  nicht  gespielt  wird  und  Ihr  auch  nicht  mehr  in  Mannheim  seyd^^)  — 
desto   befser  hat  mann  Euch  bei  Dahlberg,  Gemingeu^^)^   Hecki'),   Schwanns) 


12)  Vergl.  die  oben  angefahrte  Stelle  bei  Seuffert:  er  sendet  dem  Herzog  Zeichnungen 
durch  Goethe. 

13)  Reichsgraf  Karl  Heinrich  Josepb  v.  S.,  Sohn  des  Reichsgrafen  Karl  Anton  v.  S., 
Oberamtmanns  zu  Simmeni,  war  pfalzbayerischer  Geheimrat  und  bovoUmächtigter  Minister 
des  Kurfürsten  am  liöniglich  französischen  Hofe.  Er  ist  Verfasser  wichtiger  Arbeiten  auf 
dem  Gebiete  der  Chemie.  1778  wurden  seine  Versuche  über  das  Platin  in  der  Akademie  vor- 
gelesen. Sein  Vater  Karl  Antou,  ebenfalls  der  Alchemie  ergeben,  lebte  später  in  Mainz  und 
sein  Ende  hat  vermutlich  den  Stoff  zu  jener  Begebenheit  ii^  Schillers  Räubern  abgegeben, 
wo  Franz  Moor  seinen  Vater  bei  Wasser  und  Brot  gTifangen  hält.  Er  verschwendete  nemlich 
mit  seiner  Goldmacherei  so  grofse  Summen,  dafs  ihn  die  beiden  Söhne,  Karl  Heinrich  und 
Wilhelm  Friedrich  (kurmainzischer  Staatsminister),  um  nicht  ganz  zu  Grunde  gerichtet  zu 
werden,  entführten  und  in  einem  Gewölbe  der  im  Besitze  der  Familie  beündlicben  Sauer- 
burg, im  Sauerthal  bei  Lorch,  gefangen  hielten.  Als  der  Kurfürst  den  Greis  zu  befreien 
befahl,  fand  man  ihn  nicht  mehr.  Wie  die  örtliche  Tradition  spätor  bestätigte,  soll  er  in 
einer  Hütte  am  Fufse  der  Burg  hinter  eisernem  Gitter  verwahrt  worden  sein.  Er  starb  um  1786. 

14)  Die  fragliche  Oper  ist  wol  Wielands  Alceste. 

15)  Wieland  war  Ende  1777  und  Anfang  1778  in  Mannheim. 

16)  Otto,  Freiherr  v.  Gemmingen-Ilornberg,  Hofkammerrat  in  Mannlieiiu,  war  eifriges 
Mitglied  dei'  kurpfälzischen  Gesellschaft.  Er  ist  Verfasser  der  »Semiramis« ,  die  Mozart 
komponieren  wollte.    Bemerkenswert  ist  seine  »Mannheimer  Dramaturgie«  für  das  Jahr  1779. 

17)  Über  diese  Persönlichkeit  habe  ich  nichts  tinden  können.  Auch  die  alle  Rosa- 
munde bleibt  im  Dunkel  (vielleicht  eine  Sängerin  der  Mannheimer  Bühne?,  jedenfalls  doch 
wol  ein  Mitglied  des  hier  besprochenen  Kreises). 

18)  Christian  Friedrich  Schwan,  Buchhändler  in  Mannheim,  nahm  besonders  lebhaften 
Anteil  an  der  Gründung  und  Pflege  des  Mannheimer  Nalionalthealers.  Müller  lernte  ihn 
schon  von  Zweibrücken  aus  kennen.  Schwan  ward  später  sein  Verleger.  Brietlicber  N  er- 
kehr verbürgte  die  Dauer  der  Freundschaft  auch  nach  Müllers  Abreise  von  Deutschland, 
und  die  Hochachtung  für  Scliwan  währte  bis  zu  Müllers  Tode.  (SeulTerl.)  Über  Schwan 
heifst  es  in  der  Allgemeinen  deutschen  Biographie  (der  auch  ein  Teil  der  übrigen  iSotizen, 
über  Sickingen  u.  a.,  entnoinnicn  ist):  Das  gastliche  Haus  des  vielgereisten  Mannes  von  weiter 
VVeltbildung  scheint  eine  ijusundere  Anziehungskraft  gehabt  zu  haben.  Als  kenntnisreicher  und 
wolwollender  Verleger  und  Buchhändler  konnte  der  brave  Herr  llufkammerral  (diesen 
Titel  cmpling  er  1778j  besonders  jüngeren  Schrifstellcrn  mit  Ital  und  That  beistehen.  Er 
verkehrte  mit  J.  N.  Götz,  Gotter,  Lenz,  Maler  Müller,  Schubart;  auch  Lessing,  Wieland, 
Herder,    Goethe   und   Schiller   dankten    ihm   manchen    Frcuudschaflsdicnst    und    erlebten    in 

MitteiUiugeii  aus  dem  geniiaii.  Xatioiiuliuii.suiini.     l8D>t.  HI. 


—     18    — 

uiitl  iiudren  Orten  im  IJedächlimrs.  Ganiiabich  ^^)  liebt  Euch  herzlich  und  sein 
Weib  erkundigt  sich  bey  jeder  Gelegenheit  nach  Euch  und  eurem  Wohlbefin- 
den —  die  kleine  Rose  blüht  täglich  mehr  auf  ihre  Wänglein  werden  alle 
Tage  lichter  aber  ihre  Äuglein  trüber  das  Mädchen  schmachtet  den  Frühling 
nicht  durch  —  Sie  wird  sterben  in  der  Liebesblüthe. 

Das  beste  dartf  ich  nicht  vergefsen,  Verhelst^o)  beklagt  sehr,  dafs  euer 
Drucker  in  "Weyniar  nichts  verstünde  und  das  Papier  an  euren  Abdrücken  zu 
schlecht  war,  macht  sich  anheischig  Euch  künftig  die  Drucke  guth  und  rein 
zu  liefern ,  den  Probedrucken  gemäfs  die  ich  Euch  übersend  —  das  100. 
Papir  und  Druckerlohn  zusammen  gerechnet  ad  30  Xer  —  das  scheint  mir 
nun  sehr  billig  —  ich  dencke  ihr  werdet  nicht  säumen  difs  anerbithen  an- 
zunehmen weil  euer  Merkur  augenscheinlich  dabey  gewinnt.  Lalst  mich  eure 
üedancken  darüber  wifsen. 

Was  Sickings^i)  Kopf  betrifft,  sollt  ihr  ihn  haben  —  ich  bin  ihm  ziem- 
lich auf  der  Spuhr  und  hoffe  nächster  Tage  ihn  gewifs  habhaft  zu  werden, 
will  ihn  dann  selbst  zeichnen  und  Verhelst  zum  siechen  einhändigen. 

Schick  euch  hier  ein  Programm  zu  einem  Ballet,  dafs  mich  die  hiesige 
Noblefse  entwerfen  liefs,  um  "es  bei  der  Ankunft  Ihrer  Durchlaucht  hier  zu 
geben ,  —  allein  es  kamen  Hindernisse  dazwischen  warum  es  nicht  gegeben 
werden  konnte  —  —  lafsts  gefällts  Euch  so  stehts  zu  euren  Diensten  es  in 
euren  Merkur  einrucken  zu  lafsen,  doch  mit  der  Note  dafs  ihr  es  von  ungefehr 
erhalten,  weils  die  hiesige  Reingesellschaft  gerne  in  ihre  Beyträge  abdrucken 
lafsen  wollte  und  ichs  ihr  abschlug  —  geh  Euch  das  Kind  in  den  Windeln 
nehmt  nicht  übel,  wenn  ihr  die  Hände  ein  wenig  schmuzig  dran  macht. 

Adjeu  adjeu  —  Hebt  mich  und  bleibt  immer  mein  lieber  guter  Wieland  — 
Klinger  22)   kam   als   kayserlicher   Leutenant   hier   durch   —    er  schnaubt  nach 


seinem  Hause  die  angenehmsten  Stunden.  Er  war  es,  der  Schillers  Bekanntschaft  mit  Dal- 
berg  vermittelte  und  dadurch  den  »Räubern«  den  Weg  aufs  Theater  bahnte. 

19)  Christian  Cannabich  war  Musikdirektor  der  Mannheimer  Kapelle.  Seine  hier  ge- 
nannte Tochter  Rosa,  ein  begabtes  Mädchen,  wurde  von  Mozart,  der  im  Hause  ihres  Vaters 
viel  ein-  und  ausging,  im  Klavierspiel  unterrichtet. 

20j  Egidius  Verhelst  oder  Vereist,  Sohn  des  Antwerpener,  später  nach  München  be- 
rufenen Bildhauers  gleichen  Namens,  wurde  1742  zu  Ettal  in  Bayern  geboren.  Im  Jahre  1765 
erhielt  er  einen  Ruf  nach  Mannheim,  wo  ihn  der  Kurfürst  Karl  Theodor  zum  Hofkupfer- 
stecher und  zum  Professor  an  der  Akademie  ernannte.     Er  starb  1818  in  München. 

21)  Über  S.  schreibt  Georg  Forster  am  14.  August  1784  von  Wien  an  Thomas 
Sömmering  nach  Mainz:  der  Graf  S.  ist  auch  hier;  er  sieht  aus  wie  ein  alter  Liebhaber 
in  der  französischen  Komödie  oder,  ich  möchte  sagen,  wie  ein  Charlatan ,  das  er  aber  nicht 
ist,  oder  wie  ein  Alchymist,  der  Mittel  hat,  auf  sein  exterieur  was  zu  verwenden.  Das  letztere 
pafst,  denn  man  versichert  mich,  er  laboriere.  Ein  gescheuter  Kopf  ist  er  aber.  Er  hat 
ein  Stück  Platiuablech,  das  über  einen  Schuh  ins  Gevierte  hält,  es  .sieht  wie  Silber  aus  und 
ist  völlig  biegsam. 

22)  Über  Friedrich  Maximilian  Klinger  sei  hier  nur  Folgendes  bemerkt.  Nachdem  er 
die  Seylersche  Schauspielergesellschaft,  wo  er  Theaterdichter  war,  verlassen,  wurde  er,  von 
Schlosser  empfohlen,  Lieutenant  in  einem  kaiserlichen  Freikorps  bei  Ulm;  er  zog  mit  nach 
Böhmen  und  wandte  sich  nach  Beendigung  des  bayerischen  Erbfolgekrieges  in  die  Schweiz. 
Den  Maler  Müller  hatte  er  wol  auf  der  Theaterkampagne,  welche  die  Seylersche  Gesell- 
schaft in  Süddeutschland  (Mannheim,  Mainz,  Frankfurt)  machte,  in  Mannheim  kennen  gelernt. 


—    19    - 

Pulver  und  Dampf,  nun  kann  er  vom  Pl'erd  herunter  g'egen  die  preusischen 
Kanonen  Sturm  und  Drang-  austoben  wenn  anders  Sturm  und  Drang  in  seinen 
Gebeinen  brau fst  —  adjeu  grüfst  mir  herzlich  eure  Rebecca  und  liebe  Kinder- 
lein und  habt  g-rofsen  möchlichen  Dank  für  euren  Schach  Lolo  ^^)  —  ist  ein 
stattliches  Ding-  —  eure  Logogryphen  sind  Nüfse,  woran  manche  Maufs  und 
Älster  dran  pickt  und  sich  amüfsirt      bin  mit  dem  wärmsten  Herzen 

Euer  Müller. 

Wie^)    kommt    ihr    aufn    Gedanken   —  Meyer  ^5)    und    Gothe   —    Sturm 
V.  Bocksberg-   und  Götz    von  Berliching-en  —  cloch  man  schriebs  Euch  —  da 

ists  zu  verzeyhen ,   sonst   hätt  mich   entrüstet  wenn  ihr bedenckt 

doch  lieber  Wieland  was  ich  Euch  schon  sag-te,  der  Kerl  ist  nicht  mehr  im 
Stand  bei  seinem  Weib  zu  schlafen,  ist  lendenlahm,  wie  ists  möchlich  dafs 
einer  ein  Publikum  an  sein  Herz  drücken  will  der  seine  Frau  nicht  mehr 
erwärmen  kann  —  dazu  gehört  ein  ganz  anderer  Krebs  —  das  ganze  Ding 
wenn  ihrs  noch  nicht  gelefsen  habt  ist  nichts  als  eine  Rüstkammer  von  alten 
Schilden  und  WatTen,  wohinter  man  die  Ritter  nicht  sieht. 

Viel  Gomplimenten  von  Schwan  und  seinem  lieben  Weibe. 

]S  ü  r  n  b  e  r  g.  D  r.  R  u  d  o  1  f  S  c  h  m  i  d  t. 


Zur  Ciescliiclitc  des  Reicbenlialler  Salzhaiidels. 

n  die  Sammlungen  des  Handelsmuseums  im  germanischen  Museum  ist 
ii]i  vorigen  Jahre  ein  Quartheft,  bestehend  aus  18  Blättern,  wovon 
Bl.  14—18  leer  sind,  des  1(3.  Jahrhunderts  gekommen,  in  welchem  auf 
Befehl  des  fürstlichen  Kammerrates  Sebastian  Preu  in  München  die  Aussagen 
einer  Reihe  von  Fuhrleuten  niedergelegt  sind,  die  sich  über  ihre  schlimme 
Lage  in  lebhaften  Klagen  ergehen.  Aus  ihren  Aussagen  geht  hervor,  dafs  sie 
Getreide  aus  der  bayerischen  Ebene  nach  Reichenhall  brachten  und  dafür 
Kochsalz  als  Gegenfracht  mitnahmen.  Das  Salz  wurde  hauptsächlich  nach 
Landshut,  Wasserburg  und  Traunstein,  von  einzelnen  aber  auch  bis  nach  Augs- 
bui-g  und  Nürnberg  geliefert. 

Allgemein  ist  die  Klage  der  Fuhrleute,  dafs  alles  was  sie  kaufen  müfsten, 
gar  teuer  sei,  die  Maut-  und  Zollgebühren  übergrofs  seien,  die  Forderungen 
der  Handwerker  immer  grölsere  würden,  alle  Dinge  auf  der  Welt  auf  das 
Höchste  gekommen  seien.  Als  die  Wurzel  der  schlechten  Verhältnisse,  in  welche 
die  Fuhrleute  gekommen  seien,  wird  der  Umstand  bezeichnet,  dafs  Se.  fürst- 
liche Gnaden,  d.  i.  der  Herzog  von  Bayern,  ilas  Salzwesen  zu  sich  genommen 
habe  und  man  für  das  Getreide,  das  in  den  fürstlichen  Kasten  abgeliefert  wer- 


23)  Schach  Lolo  oder  das  göUliche  Recht  der  Gewalllialicr,  eine  Diorgenläudisilio  Er- 
zählung.    Im  Teutschen  Merkur  1778,  2,  S.  97—130. 

24)  Das  Folgende  ist  Randbemerkung. 

25)  Es  scheint,  als  ob  Meyers  ScbiUispiel  »Der  Sturm  von  Roxberg«  (erschienen  1777) 
mit  Goethes  Götz  von  Rerlithingen  verglichen  oder  anfangs  gar  (ioetbc  zugesclirieben  wor- 
den ist.  Jakob  Meyer  (geb.  17.'59  in  MannbcMui,  gestorben  17S4)  war  aulserdcni  noch  der 
Verfasser  des  Trauerspieles  »Fast  von  Strom berg«  ,  welches  1783  erschien.  Griifse  (Lehr- 
buch der  allgemeinen  Literärgeschiclite,  3.  Band,  3.  Abteilung,  1.  Hälfte,  g  88)  bezeichnet 
beide  Stücke  nebsL  vielen  anderen  dieses  Zeilrauiiies  als   Mvalirliafl  absolienlicbes  Zeug«. 


—  so- 
llen müsse,  zu  wenig-  bezahle,  auch  zu  oft  den  Salz  ändei-e.  Die  Herstellung 
des  fi-Uheren  Zustandes  wird  als  das  beste  Heilmittel  für  die  obwaltenden 
Schäden  angegeben.  Offenbar  steckten  hinter  diesen  Klagen  auch  die  Salz- 
sender, denen  durch  die  Neuordnung  der  Dinge  eine  gute  Einnahmequelle  ver- 
loren gegangen  sein  mag.  Die  Aristokratie  der  Fuhrleute  verschmähte  es  aber 
doch,  trotz  der  schlechten  Zeiten ,  in  Bierbrauereien  einzukehren  —  nur  Wein- 
schenken wurden  dieser  Ehre  gewürdigt. 

Die  Handschrift  scheint  eine  alte  gleichzeitige  Kopie  eines  Abschreibers 
zu  sein,  der  öfter  nicht  recht  gelesen,  hie  und  da  Wörter  ausgelassen  hat,  so 
dals  der  Text  oft  so  holperig  und  unbeholfen  erscheint,  als  ob  ihn  einer  der 
Fuhrleute  selbst  niedergeschrieben  hätte.  Wir  lassen  nachstehend  den  Text  der- 
selben als  einen  kleinen  Beitrag  zur  Geschichte  des  bayerischen  Salzhandels, 
dann  zur  Geschichte  des  Verkehrs  und  des  Fuhrmannswesens  jener  Zeit  folgen. 

Bl.  1»  1588.  Erfarung  wie  die  fuerleut  auf  der  Strassen  bey 
allen  herbergen  werden  gehalten,  und  was  sy  sonsten  furbeschwä- 
rungen  haben.  Aus  bevelch  herrn  Sebastian  Freuen,  fn.  camerrats 
zu  München  beschechen. 

Bl.  3»  1588.  Georg  des  wierts  zu  Ehartting,  ausserhalb  Ettingeni)  gelegen, 
ein  geydafern^),  diener,  gibt  auf  beschechens  anfragen  antwort.  Wie  gespärrig 
und  klueg  er  zesein  vermain,  daß  er  kärglich  zere,  in  den  schlaf-  oder  andere 
drunk  sich  ausser  der  ordenlichen  malzeiten,  die  er  täglichen  zwo  einneme,  nit 
bewegen  lasse,  so  künde  er  doch  seinem  herrn  nichts  ausschiessen,  was  der 
gewinn  sein  solle,  muesse  dahaim  auf  das  ausfertigen,  und  vil  mer  darzu,  dann 
sein  herr  alle  sachen  vleissig  ausrechne,  gelegt  werden,  one  das,  und  nit  gerech- 
net, indeme  täglichen  die  roß  nur  elter,  wägen  und  geschierr  auch  (Bl.  3^)  zer- 
schlaitfen  und  deglichen  letzer ^)  werden;  nit  allain  die  zerung,  sonder  alle  an- 
der ding,  was  doch  einer  haben  oder  machen  lassen  mueß.  alles  in  hochem  teu- 
rem gelt  bezalt  werden.  Ein  gemaine  malzeit  so  wol  bey  seinem  herrn,  als 
anderer  orten  gebreuchig,  vorderlich  weil  der  wein  nunmer,  je  lenger  je  mer, 
teurer  wirdet,  (koste)  per  15,  16  oder  noch  mer  kreizer,  darzu  seye  es  wol  bei 
einem  wiert  der  guete  halben  nit  zuvil,  aber  wol  bei  dem  andern,  wegen  der 
schlechten  gewiertung,  mer  als  zuvil.  Bey  vier  strich  habern,  oder  wann  es 
wenig  seye,  vierthalben  strich,  mueß  er  ein  nacht  auf  vier  roß  haben,  den  strich 
per  14,  15,  16,  17  oder  wol  gar  18  kreizern,  darnach  das  maß  und  die  guete  des 
haberns,  (Bl.  4*)  alle  nacht  von  einem  roß  ainen  kreizer  stalmuet;  die  weg  und 
landstrassen  werden  an  einem  ort  guet,  an  dem  andern  ort  wol  wenig  gemacht, 
jedoch  sein  dieselben  im  Bayrlannst  (I)  noch  umb  ein  guets  besser,  als  ausser 
lands,  (daselbst)  mach  man  gar  nichts  rains. 

Jörg  Stieff  zu  Friderfing*)  Tittmaninger  laudgerichts  seßhaft,  sagt,  er 
sey  nunmer  nechner  bei  50  als  bei  40  jarn ,  das  fuerwerk  gedenk  er  nie,  als 
jetzo  so  schlecht,  und  der  namhaften  fuerleut  so  wenig;  er  hab  ir  vil  ge- 
kennt, die  in  seinem  leben  gestorben  und  verdorben,  (Bl.  4*)  die  eines  gueten 
vermugen  gewest,  das  salz  kun  oder  muge  das  grosse  ausgeben,  so  einem 
fuerman  obligt,  nit  ertragen,  es  muessen  die  fuerleit  bey  disen  schweren  und 
teuren  jargengen  verderben,  man    rait   nie  all   ding  genaug,   vil    tierens  und 

1)  Altölting?  Neuölting?  3)  ein  Landwirtshaus.  3)  d.  i.  schadhafter. 

4)  Fridorfing,  Landger.  Tittmoning. 


—     21     — 

wenig-  Ion  sey  irgewin  und  zum  £>-e\vissesl(Mi.  Dasg-elraid  kaufen  daussen  im  land 
die  fuerleut  gar  hoch  und  hie  zal  raans  nach  dem  satz,  den  man  auch  stätigs 
ender.  dessen  sy  auch  entgelten.  Er  und  seines  gleichen,  die  ein  ganzes  jar 
auf  der  Strassen  ligen  und  nur  bei  den  weinwierten  einkeren,  den  rossen 
lautern  habern,  do  sy  änderst  dieselben  erhalten  und  aus  dem  land  kommen 
wollen,  gnueg  geben  müessen,  dürfen  (Bl.  5'i )  wol  ein  merere  aujigab  als  die, 
so  nur  faren,  wanns  inen  wolgefelt,  wann  sehen  wetter  und  gueter  weg  vorhan- 
denMst,jlie  ir  fuetterei  selbs,  so  weit  ir  rais  langt,  mitfieren,  bei  den  i)reuen5) 
oder  andern  drucknen  gastungen  ring^)  zeren.  Nit  allain  die  zerung,  sonder 
schmid,  sattler,  sayler,  riemer  und  wägner,  in  suma  was  einer  doch  haben  mueß, 
ist  in  hochem  wert,  die,  welche  alles  hoch  muessen  kaufen,  schenkens  alsdann 
einem  andern  auch  nit.  Er  künde  gleich  kainem  wiert  die  schuld  geben,  obs 
wol  je  mit  der  gewiertung  etwas  schiebt,  so  wirdet  es  doch  andere  malen  wider 
erstatt,  (Bl.  5^)  wann  nur  die  roß  mit  guetem  fuetter,  hey  und  strey  gnueg 
versechen,  sey  ime  zu  einem  drunk  wein  bald  kocht.  Der  weg  und  landstras- 
sen  wolt  er  gleich  geschw^eigen,  wann  nur  sonsten  mit  der  wagenfart  ein  ver- 
dienen verbanden;  daß  die  traydsatzung  nit  so  oft  geendert  und  ring^)  angeschla- 
gen würde,  dahie  seis  salz  auch  teur,  entgegen  außer  des  lands  nit  gültig  dar- 
nach. Grleichwol  wiß  er  diser  zeythero  nindert  kain  ort,  da,  wie  vor  zeiten 
gewest,  etwas  zu  erholen. 

Dergleichen  sagen  alle  andere  fuerleut  auch,  es  mug  ninier,  als  es  ge- 
west, guet  werden,  alleding  auf  der  weit  sei  auf  das  höchst  kommen;  der  ge- 
(Bl,  6a  )  main  man  hab  kain  gelt,  was  er  bedürfe,  müeße  er  hoch  zalen,  groß 
gülten  und  steur  geben:  es  trelTe  in  w^as  Unglück  es  welle,  nicht  desto  weni- 
ger dises  und  zals  bar,  haiß  es  jetzo. 

Georg  Streittwiser,  Tittmaninger  landgerichts,  sagt  umb  das  getraid  alhie 
geh  und  zal  man  zu  wenig;  sy  müessens  daussen  zu  Landtshuett  und  wo  sys 
bekommen  in  hochem  wert  annemen;  oftmals,  sonderlichen  wann  beses  wetter 
anfeit,  daß  die  wog  überall  gar  tief  oder  nit  recht  zugefroren  sein,  umb  gar 
ein  schlechten  Ion,  jawol  umbsonsten  alher  geen  Reichenhail  fiern.  So  schlag 
man  zu  Lanndßhuet  an  der  Scheiben''),  wann  ein  anzal  (Bl.  6^ )  Scheiben  alda, 
oder  da  der  weg  guet,  oftmals  ab,  das  komme  dem  fuerman  zeschaden,  künde 
nichts  erdienen.  Die  Scheiben  allain  ertragen  den  uncoslen  und  ausgab,  die 
einem  auHaufe,  bei  weitem  nit,  wann  er  nit  sonsten  auf  andern  waarn  auch 
etwas  erlang;  es  sey  doch  alles  das,  was  einer  docli  haben  und  kaul'on  mueß. 
das  wenigst  sowol  als  (das)  maist,  in  gar  hochem  wert,  alle  liWi  aber  gar  klain: 
der  strich  habern,  einer  in  den  andern  gerechnet,  gelt  gemainlichen  10  und 
12  kr.;  also  auch  ein  jede  malzeil.  ein  gonieinen  wein  und  drey  ricbt^^).  er  und 
seinesgleichen  fUetern  laulern  babern,  mischen  kain  geschnitten  stro  darunter, 
es  mechtens  sonsten  die  roß  nit  ertaurn^)  auf  diser  Strassen.  Do  einer  gleich 
das  piermaP*^)  einnembe.  mueß  doch  derselb  (Bl.  7« )  jelz  auch  bei  ."i  kr.  darumbcn 


5)  Bierbrauereien.  6)  gerinp:. 

7)  Salzscht'iben,  von  ungefälir  aiuiertlialLi  Zciiliifr  (iowiclit,  wolclu'  (Jincli  l'^iiislolscn 
von  Salz  in  eine  cylindrischo,  hölzt-rne  Einlassuiif?  die  koinpakle  Form  einer  Sclioii)C  orliailcn. 
Sctinieller-Frommann,  iiayer.  Wörter!).  II,  T61. 

8)  die  einzeln  aufgetragene  Speise,  das  Gcriclil.  9)  ausdauern. 
lOj  in  einer  üicrbräuert'i  esse,  s.  o.  Zeile  S. 


—    22    - 

Zillen,  aber  i;-ar'^)  werd  einen  liir tragen.  Der  nieuL^^)  und  zoll  sein  vil  ühei'- 
gros,  von  einem  ro(5  ein  nacht  stalmuet  (sei)  1  kr.  zimblichen,  werde  hey  und 
strey  daruniben  hergeben ;  die  schmid,  sayler,  sattler,  riemer  und  wägner  wern 
auch  mit  irem  verdienen  je  lenger  je  teurer,  und  sei  oftmals  an  den  vvaaren 
oder  aber  der  arbet  nit  vil  guets.  Das  treffe  als^^)  die/uerleut;  wann  nur  das 
l'uerlon  besser  würde,  wollte  er  für  sein  person  der  weg  und  alles  andern  ge- 
schweigen,  im  lands  ßayrn  werden  die  Strassen  weit  besser  als  ausser  desselben 
gemacht  und  unterhalten. 

Hanns  Ständschiel  (f),  Merttel  Nie[5berger,  Schmid  von  Lochen  und  Paur 
am  Schanramb.  (Bl.  7'' )  all  drey  Tittmaninger  landgerichts,  im  erzstift  Saltzburg, 
wonende,  sagen  eben  wie  hievor  verstanden,  es  sei  das  fuerwerch  gar  verderbt, 
überall  nichts  darmit  zu  erhalten,  alle  ding  auf  das  höchst  komen,  des  haberns 
etzen  sy  vil,  wellens  änderst  die  roß  auf  der  straß  erhalten,  ain  strich  auf  ein 
roß  well  nit  klecken^*),  ein  nacht  cost  gemainlichen  einer  pey  10  oder  11  kreu- 
zer,  am  morgens  frue  halb  sovil. 

Hanns  Freybagen  sagt,  seyt  das  unser  gn.  f.  und  herr  das  salzwesen  zu 
sich  genommen,  seye  es  ime  alle  fört^^j  umb  einen  gülden  schad,  den  er  sonsten 
bey  seinem  wiert  zu  Wasserburg,  der  ein  guet  man,  am  Ion  und  der  zerung 
im  vorteP^)  gehabt;  dann  er  hab  im  vil  Scheiben  zugefiert.  Er  halt  ine  noch 
an  (ohne)  clag,  aber  vormals  (Bl.  8^  )  wer  im  oft  etwas  nach  gesechen  worden, 
des  er  jetzo  bezalen  mueß,  das  thun  andere  gleich  so  wol.  Hievor  haben  auch 
die  fuerleut  bey  den  salzsenderni'),  leichen^^)  und  peyten^^),  wannS  einer  bedurf, 
im  vortel  gehabt.  Er  für  sein  person  könude  über  nichte  (!)  clagen;  es  sey 
alle  ding  teur,  bey  dem  Widraan  alhie  «ere  er  das  pfenwerth  2*^),  was  er  begert, 
das  geh  man  ime,  treffe  gemainlichen  bei  10  kr.;  den  habern  fier  er  selbs  mit 
ime;  bey  dem  Argl  zu  Deißendorff^^)  über  ein  guts  trucken  mal  3,  4,  oder  0  kr., 
darnach  die  zeit  und  das  essen  sey;  der  habern  gelt  je  der  mezen  30,  wol  nur 
28  kr.;  stalmuet,  hey  und  strei  auf  dreir  roß  3  kr.  von  danen  auf  die  nacht  haimb; 
obbemelter  sein  wiert  zu  Wasserburg  geh  ime  auch  was  er  beger^  zwing  ine 
zu  nichlen,  zer  er  vil  (Bl.  S^>),  so  mueß  er  desto  mer  zaleu;  nichtsmer  sey 
aller  orten,  die  er  wiß,  zu  gewynnen,  an  den  wog  und  landstrassen,  da  es  än- 
derst guete  Wetters  zeit,  sey  nit  ze  clagen;  windterszeiten,  ee  ein  pan  wierdt 
und  wann  dieselb  widerumben  aufgee,  mus  es  nit  guet  sein,  besonder  in  den 
nassen  jaren. 

Jörg  Waldner  von  Neunkirchen  2^)  im  erzstift  Saltzburg  seßhaft,  auf  zuvor 
beschechens  anfragen  gibt  er  antwort:  er  far  mit  guetern  oder  Scheiben  geen 
Lanndshuett,  Nürberg,  Auspurg,  Wasserburg  oder  Traunstain ;  seye  der  gewinn 
schlecht;  wann  sy^^)  einer  eines  mals  zu  ebens  auspar  (!),  so  sey  es  gewys,  das 
er  das  andermal    mueß  hinzugeben;   wanns  einer  alls^^^  rechnen  und  bedenken 


11)  fertig.      1:2)  Maulgebüliren.      13)  alles.     14)  genügen.     15)  jede  Fahrt.     16)  Vorteil. 
17)  Salzsender  und  Salzfertigcr  sind  Spediteure,  welche  sich  mit  der  Ausfuhr  und  Ver- 
sendung von  Salz  befassen.     Schru.-Fr.  BWB.  I,  761.  11,  273.  18)  leihen. 

19)  zuwarten,  bis  einer  bezahle.     Schui.-Fr.  BWB.  I,  S.  300. 

20)  d.  h.  er  lieis  sich  einzelne  Speisen  reichen,  nahm  nicht  an  dem  Mahle  teil,  oder 
nach  heutigem  Sprachgcl)rauche:  er  speiste  nach  der  Karte,  nicht  an  der  Tafel.  Schm.-Fr. 
BWB.  1,  432.  21)  Teiseudort;  Bez.-A.  Laufen. 

22)  Vielleichl  das  heutige  IN'euliirchen  im  Pf.-Al.  Teisendorf.  23)  sich. 


-    23    - 

wolle,  in  allem  g-ee  einem  fuer(mann)  (Bl.  9'0  vil  (entgeg-en  die  einnamb  gar 
g-ering  und  auf  den  nagl  gerechnet)  auf,  daß  er  sich  verwundern  nuieß,  es  thet 
ime  noch  andern  ain  jeder  nit  einen  handgriff  umbsonsten.  Die  weg  sein  ainsteu 
guet,  das  andermal  bes,  nach  gelegenhayt  der  zeit  und  des  wetters,  ausser  lands 
sein  dieselben  aber  gar  nichts  werdt  und  über  die  massen  aller  orten  dief,  man 
mach  wenig  daran.  Yber  die  zerung  wij5  er  gleich  nit  ze  elagen;  es  dürf  kainer 
über  die  nottürftig  Unterhaltung  zeren,  er  oder  andere,  do  solches  durch  sy 
bescheche,  hetten  den  gewin  zeitlichen  einglegt.  Es  gee  schier  alls^^)  auf  die 
meut,  roß  und  geschierr  bei  disen  teuren  und  schweren  jargengen,  und  wiß 
nit  zeraiten.  wie  dem  zuvorkommen:  alles  sei  auf  das  höchst  kommen. 

(Bl.  9^ )  Gristan  Spickhenreitter  zu  Spickhenreytt,  Lienndl  Runckhner  von 
Kieming^*),  Jörg  Eder,  Zwerchensfeldner  Hueber  von  Ainhering,  Caspar  von 
Richstetten  und  Haintzl  Stockhamer  in  Deisendorffer  gerieht  wonends:  wann 
sy  nach  Wasserburg  oder  Traunstain  Scheiben  ze  üern  alhie  aulladen,  zeren  sy 
für  ir  personen  nichts,  als  daß  sy  ein  druckens  prol  kaufen  und  essen  dasselb, 
die  ligerstatt  in  den  stuben  auf  den  penken  oder  bey  den  rossen  im  stall;  beym 
Ärgl  zu  Vnntterndeisendorff  geb  einer  über  das  mal  3V2,  4  oder  3^2  kr.;  das 
fuetter  etzen  sy  wenig,  aber  es  sei  überall  teyr,  dessen  die  fuerleut  aber  vil 
zu  erhaltung  der  roß  müessen  haben ,  den  metzen  per  28,  30  raer  und  weniger 
kreyzer;  welcher  je  kain  gesott ^5)  bei  ime,  oder  dasselbe  schon  veretzt  habe, 
(Bl.  10^)  der  kauf  den  metzen  alda  per  zwen  oder  dritthalben  kreizer;  die 
stalmuett  ist  gering,  von  einem  roß  1  4,  dergleichen  mainung  hab  es  bey  dem 
Grüppel  und  andern  drucknen  gastungen,  was  er  sonsten  wil  haben,  das  wirdet 
ime  gegen  der  bezalung  gegeben.  Zu  Traunstain,  weil  die  herrn  den  salzhandl 
nit  raer  haben,  spannen  jetzo,  des  vor  nit  beschechen.  die  maisten  pauru.  umb 
das  sy  kainen  vortel  mer  ze  suechen,  gar  die  roß  nil  von  wägen,  sonder  sobald 
sy  die  Scheiben  von  den  wägen  gebracht  und  das  fuerlon  eingenommen,  faren 
sy  auch  ungezerl  hinweg,  jeder  seiner  glegenhait  nach,  oft  ganz  nacht,  darnach 
einer  weit  haimb  ze  faron;  vorhin  aber  hat  gemainlichen  einer  bei  seinem 
herrn,  dem  er  die  Scheiben  geliert,  (Bl.  10 'Jj  eingestölt,  je  mer  er  im  Scheiben 
zu  geliert,  je  besser  er  ine  mit  roß  und  geschierr  gehalten,  und  ist  ime  gott- 
willigkhemb^*')  gewest,  ime  darzu,  sonders  welcher  vast")  gelarn.  glichen 
und  gebitten^s),  auch  allerlay  vorll  und  dienstwilligkait  erzaigt,  der  kreizer 
drinkgelL  das  wenigist  gewest  über  den  bestimbden  Ion.  Dises  wolten  sy  und 
andere  noch  zum  liebsten  haben,  und  nichts  anders  elagen. 

Michael  Weiß  zu  Friderling'*)  im  Salzburger  land  glegen :  derzeit,  daß  es  zu 
Ueichonhall  guet  und  besser  als  jetzt  gewest.  man  hab  einem  fuernuin  auf  der 
Scheiben  (Bl.  ll=ij  uiul  dem  driltl  körn  einen  Ion  lassen,  jetzt  aber  rech  man 
es  als^^J  dem  fuerman  auf  das  kluegest  nach,  damit  sy  kainen  gewyn  oder  Über- 
schuß haben  sollen;  nochmer,  lummals,  daß  er  mui  aiideie,  wann  sy  wie  hievor 
beschechen,  mil  Irayd  iiacli  Keichenhall  unil»  Scheiben  zur  gegenlailung  faren 
muessen,  sy  das  lieb  getrayd  sowol  (als)  das  salz  iimh  riiici)  Ion.  als  vom  drittel 
traid  20  kr.  uml  von  der  Scheiben  salz  18  kr.,  tieni,  dariiri  aber  nichts  als  Ver- 
derbens gewin;  danoelit   welle  er  liebers  uiiih  disen  sohl  dann  hievor  um  funf- 

24)  Cliierning,  B.-A.  Traunsleiu.  ^lo)  d.  i.  Häcksel,  lläckorling. 

26)  (i.  i.  {roHwilllioiimi.  ein  Mewillkoiiiiiiiiun;:sgriil's :  .sei  willkomiinMi  I  Scliiii.- Kr. 
BWß.  I,  ÜOI.  ±1)  viel,  Uli.  28)  s.  Aiimfikuiiyoii   I8J  u.   l'Jj- 


—    24    — 

/eclieii  krcizer  die  scheibL'n  viui  Keichenhall  g'eeii  ELtiiij^'  luul  von  dauneri  das 
drittl  traid  geen  Reichenhall  i)er  20  kr.,  welches  durch  den  (Bl.  11^)  herrn 
luaulner  zu  Etting  iiiul  N.  Freidelsperger  daselbs  aug-estölt  worden,  faren, 
dessen  well  er  sich  aber,  so  im  mug-lich,  verhüeten,  destoweniger,  wie  es  andere 
auch  tuen  werden^  g-een  Reichenhall  kommen;  doch  verniaint  er,  das  fuerlon 
von  der  Scheiben  18  kr.  und  dem  drittel  traid  25  kr.,  wer  wol  sovil  nihi  ,  daß 
etwas  darbei  zu  erhalten,  aber  es  wurden  danocht  etliche  fuerleut  uiub  disen 
Ion  Taren,  wievol  liievor  ein  l'uerman,  weil  der  das  g'etrayd  alhier  auf  dem  fn. 
casten,  entgegen  die  Scheiben  anderer  orten  seiner  g:elegenhayt  nach'verkauft, 
,auch  nit  vil  darbei  gewin  g-ehebt,  danuen  sey  es  ime  nutzer  als  jetzo  gewest; 
wo  es  wider  (würde),  als  vor  gewest,  wurden  der  fuerleut  noch  vil  gefunden 
werden,  sonsten,  (Bl.  12*1}  und  wie  es  derzeit  geet,  mugs  niemand  thun. 

In  suma  was  nachlengs  hergeschriben,  ist  der  fuerleut  und  paurn  sagen 
und  clagen  miteinander,  wolten  gleich  weder  zerung,  Ion,  meut,  Strassen,  noch 
anders  nicht  anndtteu^'*),  da  es  nur  mit  dem  fuerwerch  zu  dem  wie  es  hievor 
gewest  keme,  also  muge  sich  niemand  erhalten,  was  auf  der  untern  straß  gesvest. 
Habe  je  einer  selbs  ein  getraid  alher  ze  fieren  und  zu  verkaufen  gehebt,  der  an- 
der sich  sonsten  beworben,  daß  er  auf  negstes  ein  ladung  bekomen  und  nit  gar 
umbsonst  knecht  gewest  seye,  und  der  je  die  ladung,  ausser  deren  man  ime 
kain  Scheiben  (Bl.  12  ^)  alhie  geben,  zu  Lanndshuett  theur  erkaufen,  jemals  wenig 
daran  zu  Ion  gehebt,  wo  verliessen  muessen,  sey  ime  entegegen  doch  bevor  und 
frey  gestanden,  mit  den  Scheiben  nach  seinem  gefallen  ze  faren,  jeder  sein  vleissige 
nachfrag  gehebt,  wie  hoch  aller  orten  di  Scheiben  salz  im  werth ,  an  welchem 
ort  also  derselb  abzeladen,  oder  zu  verkaufen  ime  am  nutzesten  zesein  befunden, 
dahin  er  gefarn,  damit  er  das,  so  er  negstes  mals  verfaren,  wider  hereingebracht. 

Die  Traunstainer  und  Wasserburger  salzsender^')  seien  den  paurn  oder 
fuerleuteu,  sonders  denen,  die  vil  Scheiben  gefiert,  mit  essen  und  drinken,  habern, 
hey  und  strey,  auch  leichen  und  beyten^^)  (one  dasselb  manuicher  nit  faren 
mugen),  vast^')  zu  hilf  (Bl.  13 a)  kommen;  (es  sei)  wol  (kaum)  je  einer  gewest, 
der  dem  fuerman  über  das,  was  er  ime  schuldig,  nit  vil  geschenkt  oder  nach- 
gesechen,  er  hab  ine  aber  donacht  schön  gehalten,  damit  er  nit  ursach  gehebt, 
einem  andern  salzsender  zuzefaren,  sych  jeder  seiner  gewissen  herberg  und 
stalluug  sich  getrösten  dürfen,  Gott  geh  er  hab  vil  oder  wenig  gezört.  Ob  sy 
wol  noch  von  etlichen  werden  der  gebur  nach  gehalten,  mueß  er  doch  alles,  was  er 
empfach,  vleissig  bezalen,  hab  sich  kaines  vortls  mer  zugetrösten,  dardurch  der 
arm  geursacht,  sobald  er  di  Scheiben  vom  wagen  bringt,  unausgespant,  wie 
grob  das  wetter  und  weit  der  wog  sei,  nach  seiner  wonung  zufaren,  roß  und  ge- 
schierr  abzenemen.  Wann  (Bl.  13  b)  ein  paur,  weil  die  von  Traunstain  den 
salzhandl  gehebt,  uugewitter  oder  nächtlicher  zeit  wegen,  bey  seinem  herrn  oder 
gar  bey  einem  andern  salzfertiger  ^^j  eingestölt  und  aber  nit  gezert,  hett  er 
dannocht  aufs  wenigist  den  rossen  einen  puschen  hey  umbsonsten  oder  schlechte 
bezalung  sambt  der  stalmuet  im  vortl  gehebt  —  des  jetzt  als^^)  ab  (sei). 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


29)  nicht  l»elreiii(llicJi,  nicht  auffallend  finden.     Schm.-Fr.  I,  9t). 


—    25    — 

Eine  Karte  von  Flandern  vom  Jahre  1538. 

I  ie  historischeForschung-  der  g-eog-raphischen  Wissenschafthat  in  derjüngsten 
Zeit  erhöhtes  Interesse  dem  Studium  der  Entwicklung  der  Kartographie  zu- 

^  gewendet,  wozu  wir  Deutschen  besondere  Veranlassung  in  dem  Umstände 
finden  können,  dafs  es  gerade  unserem  Volke  vorbehalten  war,  der  Kartographie 
die  streng  wissenschaftliche  Grundlage  und  Methode  zu  geben,  auf  der  sie  sich 
zu  hoher  Vollkommenheit  emporgeschwungen  hat.  Während  andere  Nationen 
Europas  am  Ausgange  des  Mittelalters  diejenige  Geschlossenheit  besaCsen ,  die 
erforderlich  ist,  nach  aufsen  gerichtete  Unternehmungen  ins  Werk  zu  setzen, 
litt  Deutschland  an  dem  Verhängnis,  seine  Kräfte  in  politischer  und  religiöser 
Zerrissenheit  jahrhundertelang  zu  binden,  und  während  Spanier,  Portugiesen, 
Niederländer  und  Engländer  den  Gesichtskreis  durch  ununterbrochene  Ent- 
deckungen erweiterten  und  ihre  Macht  durch  Erwerbung  reicher  Kolonien  ver- 
gröfserten,  gingen  wir  bis  in  unsere  Tage  hinein  leer  aus.  Indessen  erwuchs 
auch  hier  ein  Vorteil  aus  der  Ungunst  der  Verhältnisse:  der  Gelehrte  in  der 
Zurückgezogenheit  des  Studierzimmers  bemächtigte  sich  mit  kritischer  Prüfung 
der  praktischen  Resultate,  welche  die  glücklichen  Entdecker  anderer  Nationen 
heimgebracht  hatten,  suchte  die  Fülle  der  festgestellten  Daten  auf  Karten  ein- 
zutragen und  kam  so  dazu,  in  der  scharfsinnigen  Erfindung  wissenschaftlicher 
Projektionen  den  Kartenbildern  Brauchbarkeit  und  Zuverlässigkeit  zu  verschaffen. 
Vieles  ist  aus  dem  Wiegenalter  der  Kartographie,  an  deren  Aufschwung  sich 
auch  Italien  und  die  Niederlande,  angeregt  durch  die  Erfolge  der  deutschen 
W^issenschaft,  beteiligt  haben,  unserer  Zeit  glücklich  erhalten  worden,  anderes 
aber,  und  darunter  manches  wichtige  und  fundamentale  Werk,  blieb  verschollen 
oder  ist  erst  in  neuerer  Zeit  aus  dem  Staube  vergessener  Faszikel  durch  Zufall 
an  das  Licht  gekommen.  Das  gröfste  Ereignis  dieser  Art,  welches  schwerlich 
seiner  historischen  Bedeutung  nach  wird  übertroffen  werden  können,  ist  die 
Entdeckung  der  drei  Merkatorkarten  auf  der  Stadtbibliothek  zu  Breslau.  Neben 
ihr  müssen  Mitteilungen  ähnlicher  Art  geringfügig  erscheinen,  was  aber  niemals 
Veranlassung  geben  darf,  den  Besitz  seltener  Karten  geheim  zu  halten,  selbst 
auf  die  Gefahr  hin,  daCs  die  Mitteilung  nur  zu  dem  Nachweise  von  dem  Vor- 
kommen derselben  Karte  auch  an  anderen  Orten  Veranlassung  bietet.  Aus 
diesem  Gesichtspunkte  sei  hiermit  die  Aufmerksamkeit  auf  eine  Karte  gelenkt 
die,  wenn  nicht  gar  als  ein  Unikum,  so  doch  als  eine  grofse  Seltenheit  bezeichnet 
werden  darf,  von  deren  Vorhandensein  im  günstigen  Falle  mir  Wenige  unter- 
richtet sein  werden.  Ganz  besonders  aber  glaubt  der  Unterzeichnete  auf  die 
Person  ihres  Autors  hinweisen  zu  sollen,  von  dessen  kartographischer  Thälig- 
keit  bisher  anscheinend  nichts  bekannt  gewesen  ist,  über  ilen  er  aber  leider 
zur  Zeit    selbst  keine  genügende  Auskunft  zu  erteilen  vermag. 

Die  Karte,  um  die  es  sich  hier  handelt,  slrlll  in  Holzschnitt  Flandcni  auf 
vier  guterhaltenen  Perganientblältei'n  dar,  die  ans  dein  Nachlasse  der  Niiiiibei  ger 
Landkartenluiiidlung  von  Fembo  vor  10  Jatin'ii  in  den  IV-sit/-  des  Museums 
übergingen.  Uic  bedruckte  Fläche  diu-  einzt'lnrn  Pdällrr  inil'sl  zwischen  48,5 
bis  49,5  zu  30,5  bis  37,5  cm.  bei  einem  nur  1  cm.  breiten  Hände.  Genau  lassen 
sie  sich  wegen  dieser  Verschiedenheit,  mit  der  sich  das  Pergament  gezogen 
hat,    nicht   aneinanderlegen,  wie  sich  auch   infolge  dessen  der  Mafsstab  nui'  un- 

Mitteilun^eu  aus  dein  gerinuu.  Nutiuiuilinusouin.     1893.  IV. 


—    26    — 

geföhr  auf  I  :  230000  iitifj^eben  lilfst.    Wir  bezeichnen  die  Blätter  der  Lage  nach 
in  folgender  Weise  mit  1—4: 


1 

2 

3 

4 

Blatt  1  enthält  in  einem  grofsen,  oblongen,  goldverzierten  Rahmen  die 
Titellegende  in  niederländischer  und  französischer  Sprache  und  zwar  in  Druck 
mit  gotischen  Typen  nebeneinander.    Die  erstere  lautet  folgendermafsen : 

»Pieter  van  Beke  gheborete  Grhedt  de  goedertieren  leserSaluut.  |  Ommedies- 
wille  dat  vele  scriuers  van  historie  en  chronicuers  nu  ter  tyt  die  |  wils  verbalen 
vande  lande  van  Ulaöndre:  eü  dat  tot  nu  toe  danof  gheen  ze  |  kere  descriptie  en 
es  ghevveist  volghen  der  gheleghenthede  vanden  zeluen  |  lande.  0ns  helft  ghe- 
docht  ouer  noots^kelick  en  zeer  prollte  ick  vä  uieus  te  stelle  |  ne  een  figure  en 
Charte  van  dien».  Vis  folgt  darauf  die  Zeichen-  und  Schrifterklärung  und  die 
Gröfsenangabe  I  I  »vä  eender  ülaerascer  mile«,  und  zum  Schlüsse 

heifst  es:  »vp  de  welcke  mate  stellen  den  passere  ghylichtelic  mete  muecht  |  en 
wete  de  warachteghe  distantie  van  alle  de  plaetsen  vä  Ulaedre  in  welck  lädt  | 
de  alder  machtichste  alder  duerluchtichste  en  alder  excellenste  Keyser  vande  | 
Ro  I  meynen  Kaerle  de  vijfste  ghebore  es  in  zijn  triumphäte  stadt  vä  Grhendt 
int  iaer  |  naer  der  gheboorten  Christi  MGGCCG«. 

Der  französische  Text  schliefst  sich  dem  Wortlaute  nach  eng  an  diesen 
holländischen  an,  während  der  lateinische  in  einer  kleineren  Kartusche  mit 
Antiqualettern  auf  Blatt  2  eine  selbständigere  Fassung  besitzt.  Er  lautet  voll- 
ständig unter  Beseitigung  der  auch  hier  angewendeten  Abkürzungen : 

»Petrus  Torrentinus  (jandauus  pio  lectori  Salutem.  | 
Entibi  studiose  rerum  Inquisitor,  flandrici  comitatus  autiqui  nobilis  omniura- 
que  i  rerum  imprirais  necessariarum  foecundi:  frequentia  ciuitatum  edificiorumque 
nulli  I  alteri  secundi:  graphicam  ac  suis  lineis  expressam  figuram ,  in  qua  illud 
admo  I  nitum  necessarium  duximus:  ciuitates  muratas,  et  insignes:  designatas 
magnis  lit  |  teris  capitalibus  et  eorum  insignijs.  Eas  vero  quae  ciuitatis  quidem 
ins  adeptae  sunt:  rerum  |  vel  vetustate  collapsae,  vel  nouitate  nondum  excretae 
rainoribus  litteris  capitalibus  i  descriptas  habeto.  Si  quae  vero  arces  castraque 
fortia  in  agri  Flandrici  nmnitionem  |  constructa  sunt  forma  castri  signantur.  Per 
vniuersum  autem  abbatiarum  insignia  mo  |  nasteria  atque  canonicorum  praeposi- 
turarum  vel  prioratuum  collegia  in  ([uibus  A  litte  |  ra  abbatias,  P  prioratus  vel 
praeposituras ,  adiuncta  enim  bis  M  marium  vel  virorum,  F  ve  |  ro  foeminarum 
loca  Sacra  designant.  Habes  insuper  vetustium  Flandriae  locorum  expres  |  sa 
passim  insignia,  tutn  Scaldis  Legiaeque  aliorumque  nauigabilium  tluaiorum 
expressa  no  |  mina  ac  designatos  alueos.  Vicinorumque  locorum  vndique  adiunc- 
tam  partem  quo  facilius  '  Flandrici  agri  pateret  intuenti  terminus.  Haec  linealis 
longitudo  I  I  I  Flandricum  mensura  aequat  miliare,  quod  horae 

plerumque  vnius  est  iter.  |  Idque  notandum  est,  diio  iiiiliariu  Flandrica  tria  fere 
galli  I  ca  constituere.  Hanc  nostram  operam  atque  diligentiam  boni  [  quaeso 
lector  consule.    ac  Vale«. 


—     27    — 

Die  Nebeneinanderstellung"  der  g-eoaiinten  drei  Sprachen  kehrt  auch  sonst 
noch  wieder,  so  im  Titel  der  Karte:  De  Charte  Van  Viaendren,  Charta  Flandriae 
und  La  Charte  De  Flandres  und  in  der  Gröfsenaug'abe  des  Landes:  Gomitatus 
Flandriae  continet  in  long-itudine  miliaria  Flandrica  circiter  XXXL  in  latitudine 
fere  XX  etc.  Nur  in  lateinischer  sind  die  Druckangaben  gemacht:  »Gandaui  in 
officina  Petri  Caesaris  iuxta  diuae  Pharahildis  templum  Anno  M.  quing-entesimo 
trigesimo  octauo.  mensis  Maij  die  octaua.  Cautum  est  ne  quis  alius  hanc  Flan- 
driae Chartam  emittat  intra  anuos  quatuor,  ne  sui  suo  pereant  sudores  autori«. 

Die  Karte  ist  sehr  sorgfältig'  und  sauber  und  zwar  so  stark  dem  Perg-a- 
ment  aufg-edruckt,  dal's  man  die  Eindrücke  mit  dem  Finger  verspürt.  Auf 
jedem  Blatte  ist  ein  aufrechtstehender  Bär  nahe  an  den  Ecken  der  ganzen 
Karte  symmetrisch  angebracht  (auf  eins  und  zwei  links  und  rechts  oben,  auf 
drei  und  vier  links  und  rechts  unten),  der  mit  der  einen  Tatze  eine  Fahne  hält, 
mit  der  anderen  einen  Helm  mit  farbigen  Helmdecken  und  der  Helmzier.  Die 
Farben  der  Fahne  des  ersten  Bären  sind  die  burgundischen,  blau  und  Gold,  die 
Helmzier  bildet  ein  wachsender  Adler  in  denselben  Farben;  die  des  zweiten  sind 
rot  und  weifs,  die  Helmzier  ein  roter  Hirschkopf;  die  des  dritten  rot  und 
Gold,  die  Helmzier  ein  Wildschwein  zwischen  zwei  Flügen,  und  die  des  vierten 
ein  weifser  Schild  in  rotem  Felde,  die  Helmzier  ein  roter  Ochsenkopf  (wol  für 
Kleve).  Die  beiden  ersten  Blätter  sind  aufserdem  mit  verschiedenen  in  Gold 
und  Farben  ausgeführten  Wappen  geschmückt  und  zwar  oben  nahe  der  Mitte 
der  ganzen  Karte  mit  dem  des  Kaisers,  rechts  und  links  tlankiert  von  den  Wappen 
von  West-  uml  Ostllandern,  darunter  der  geographischen  Lage  entsprechend, 
die  Wappen  von  Brabant,  Hennegau  und  Artois.  Am  reichsten  sind  Blatt  3 
und  4  ausgestattet,  belebt  von  zahlreichen  höchst  malerischen  Schilfen,  die  mit 
geschwellten  Segeln  oder  durch  Ruder  getrieben  im  Schmucke  bunter  AYimpel 
und  Flaggen  dahinfahren.  Die  Holzstöcke  sind  hier  aufs  sorgfältigste  ge- 
schnitten, die  Malereien  aufs  feinste  in  Gold  und  Farben  ausgeführt;  die  Flaggen 
zeigen  die  Wappen  von  Österreich,  England,  Schottland,  Frankreich,  Portugal 
und  Venedig.  Die  Fluten  der  Nordsee  auf  Blatt  3  und  4  befinden  sich  in  sanfter 
Wellenbewegung  und  in  zart  aufgetragener  mattgrüner  Färbung,  doch  fehlen 
hier  die  sonst  auf  den  Karten  dieser  Zeit  üblichen  fabel hallen  Seetiere;  die 
Küstenkonturen  der  Nordsee  und  ihrer  Buchten  sind  ziegelrot  hervorgehoben. 
Das  Bild  ist  aus  der  Vogelperspektive  gedacht,  ein  hellrot  und  blau  gefärbter 
Himmel  spannt  sich  am  oberen  Rande  von  Blatt  I  und  2  darüber  aus.  Die 
Ortschaften  zeigen  bildliche  Darstellungen  mit  Mauern,  Häusern  und  Türmen, 
und  zwar  der  Gröfse  nach  durch  die  Beschriltung  und  den  Gebäuilekomplex 
unterschieden.  Zum  Überlluls  wehen  von  ilen  Zinnen  der  Städte  Fahnen  und 
Standarten  in  ihren  Farben  oder  mit  ihren  Miniaturwap|)en ,  wodurch  der 
Gesarateindruck  noch  an  Lebendigkeit  gewinnt.  Sämtliche  geographische  Namen 
sind,  im  Gegensätze  zu  den  nachträglich  mit  Typen  gedruckten  Legenden,  in  die 
Holzstncke  geschnitten,  wobei  merkwürdiger  Weise  alle  vorkommenden  S  dieser 
Form  verkehrt  stehen,  also  so:  ?..  Wegen  der  bildlichen  Darstellung  der  Ort- 
schaften ist  eine  genaue  Entfernungsmessung  nicht  möglich  und  sie  würde 
selbst  bei  richtiger  Symbolisierung  derselben  falsche  Resultate  ergeben,  weil  die 
gegenseitige  Lage  der  geographischen  Objekte  ungenau  und  verschoben  ist. 
Graduierung  fehlt  den  Blättern,   ebenso   beschränkt    sich   die   Terraiuzeichnung 


—    28    - 

auf  ein  Minimum;  die  Hiinnielsrichtung-  ist  nach  der  Weise  älterer  Karten  die 
ump:ekelirte  wie  heute,  indem  die  Nordseeküsten  dem  jetzt  üblichen  Südrand  zu- 
gekehrt liog'en.     Genauer  (g-enauer)  genommen  ist   die  Richtung  also  NW— SO. 

Fragen  wir  nun  nach  dem  Autor  der  Karte,  so  ist  zwar  sein  Name  im 
Titel  selbst  genannt,  aber  übei'  seine  Person  und  seine  Stellung  in  der  Wissen- 
schaft sind  wir  so  gut  wie  vollständig  in  Unwissenheit.  Jöcher  kennt  nur  den 
niederländischen  Grammatiker  Hermann  Torrentinus  von  Zwoll  und  den  be- 
deutenden Gelehrten  Laevinus  Torrentius  oder  van  der  Becken,  den  späteren 
Bischof  von  Amsterdam  und  Krzbischof  von  Mecheln,  geboren  1520  zu  Gent. 
Auch  Zedlers  LIniversatlexikon  nennt  vvol  diese  beiden,  nicht  aber  Petrus 
Torrentinus,  der  ebenso  in  dem  Catalogus  auctorum  tabularum  geographieai-um 
von  Ortelius'  Theatrum  orbis  terrarum  1570  und  in  den  späteren  Ausgaben  fehlt. 
Vergeblich  sucht  man  ihn  ferner  in  der  Elogia  illustrium  Belgii  scriptnrum, 
Antverpiae  1002,  in  Fraucisci  SwerLi  Athenae  Belgieae  sive  nomenclator  inferioris 
Germaniae  scriptorum,  Antw.  1628,  in  Valerii  Apdreae  Desseli  bibliotheca  Belgica, 
Lovan.  1643,  in  Thomas-Pope  Blount,  censura  celebriorum  authorum,  Colon. 
Allobr.  1694,  in  David  Haubers  Versuch  einer  umständlichen  Historie  der  Land- 
Charten,  Ulm  1724,  in  den  Ausgaben  von  Peter  Bayles  historischem  Wörterbuche, 
in  Job.  Hubners  Museum  geographicum,  bei  Gottschling,  Breusing,  Wuttke  u.  a. 
Nur  eine  kurze  Notiz  vermochte  ich  bisher  zu  ermitteln  in  Antonii  Sanderi  de 
Gandavensibus  claris  libri  HI,  Antv.  1624;  er  sagt  S.  108/9:  »Petrus  Torren- 
tinus. vir  eximie  doctus  ac  poeta  elegans,  ut  ait  Harduynus,  patruus  Leuini 
Torrentij  lamigeratissimi  Antuerpiensium  episcopi  fuit;  cuius  meutiouem  honori- 
ficam  faeit  Ludouicus  Guicciardinus  in  descriptione  Flandriae«.  Die  lateinische 
Übersetzung  dieses  letzteren  Werkes  vom  Jahre  1634,  welche  mir  zu  Gebote 
stand,  erwähnt  auf  S.  321  unter  den  Genter  Gelehrten  Petrum  Torrentinum  et 
Levinum  ejus  nepotem,  doch  tritt  auch  hier  gegen  den  grofsen  Neffen  der  Oheim 
gänzlich  zurück.  Die  Worte  »ut  ait  Harduynus«  beziehen  sich  wahrscheinlich 
auf  des  Genters  Dionysius  Harduin  Schrift  de  praesidibus  curiae  proviucialis, 
welche  mir  nicht  vorgelegen  hat;  doch  ist  zu  vermuten,  dafs  auch  dort  ein- 
gehender der  Amsterdamer  Bischof  Laevinus  Torrentius  als  der  minder  hervor- 
ragende Petrus  Torrentinus  besprochen  sein  wird.  Es  mag  in  den  Neigungen 
der  Zeit  begründet  sein,  dafs  von  unserem  Autor  mehr  der  poeta  elegans,  als  der 
Mann  der  Wissenschaft  in  Erinnerung  blieb,  wie  ja  auch  die  Berühmtheit  des 
Laevinus  zu  einem  ansehnlichen  Teile  auf  seinen  gewandten  lateinischen  Dich- 
tungen beruhte,  mit  denen  er  nach  dem  Urteil  der  Zeitgenossen  den  Horaz  nahe- 
zu oder  völlig  erreicht  habe. 

Dafs  eine  Karte,  wie  die  Charta  Flandriae  so  unbekannt  bleiben  konnte, 
dafür  möchte  ich  folgende  Gründe  geltend  machen:  Erstens  ist  es  eine  leider 
nur  zu  häufig  wiederkehrende  und  jedem  Forscher  bekannte  Thatsache,  dafs 
ganze  Auflagen  von  Kunstwerken,  Landkarten,  Büchern  u.  s.  w.  spurlos  ver- 
schwunden oder  oft  nur  in  einem  einzigen  Exemplare  erhalten  geblieben  sind. 
Das  scheint  auch  bei  dieser  Karte  der  Fall  zu  sein,  und  das  uns  überkommene 
Exemplar  mag  seine  f^rhaltung  dem  Material  (Pergament)  und  der  auffallend 
prächtigen  Ausstattung  verdanken,  wonach  es  für  eine  hochgestellte  Persönlich- 
keit bestimmt  gewesen  sein  dürfte;  möglicherweise  hängt  es  damit  zusammen, 
dafs  in  den  Titellegenden  so  ausdrücklich  auf  Kaiser  Karl  V.  Bezug  genommen 


—    29    — 

wird,  der  ein  grofser  Verehrer  von  Kartenwerken  und  seinem  Hofkartog-raphen 
Gerhard  Merkator  freundlichst  zugethan  war.  Sodann  erschien  hereits  1540,  eben- 
falls in  vier  Blättern  (Kupferstiche).  Merkators  Karte  von  Flandern,  welche  die- 
jenige des  Torrentinus  weit  überragt  und  wahrscheinlich  in  kurzem  verdrängt 
haben  wird;  die  verkleinerte  Abbildung  dieser  bis  auf  ein  Exemplar  verschol- 
lenen Merkatorkarte  findet  sich  im  Theatrum  orbis  des  Ortelius.  Endlich  möge 
an  das  habeut  sua  fata  libelli  erinnert  werden:  war  es  doch  möglich,  dafs  selbst 
Apians  grofse  Kartenwerke  von  den  älteren  Schriftstellern  höchst  selten  erwähnt 
werden,  so  dafs  es  unseren  Tagen  vorbehalten  blieb,  die  Leistungen  dieses  Mannes 
in  das  richtige  Licht  zu  stellen  i).  So  werden  wir  uns  auch  nicht  wundern  dürfen, 
wenn  eine  wissenschaftlich  bald  überholte  Karte,  wie  die  des  Torrentinus,  rasch 
der  Vergessenheit  anheimgefallen  ist.  Das  Interesse,  welches  sie  heute  bean- 
spruchen kann,  beruht  neben  dem  historischen  Gesichtspunkte  recht  wesentlich 
auch  auf  der  äufseren  Ausstattung. 

Nürnberg.  Eugen  Traeger. 

1)  Vgl.  Herrn.  Wagner,  die  dritte  Weltkai-te  Peter  Apians  vom  J.  1530,  in  den  Nachr.  v. 
d.  kgl.  Ges.  d.  Wissensch.  zu  Götlingen,  1892.  pag.  342. 


GescIiTYorneiibuch  der  Nürnberger  Barbierer  und  T^und^Hrzte. 

^  enn  Kaiser  Maximilian  L  als  der  letzte  Ritter  bezeichnet  wird,  so  soll 
damit  nicht  auch  gesagt  sein,  dafs  er  mit  seinem  Sinnen,  Denken  und 
Trachten  noch  im  Mittelalter  wurzelte;  im  Gegenteile:  er  fühlte  sich 
als  ein  Kind  der  neuen  Zeit  und  verstand  es,  sich  die  Fortschritte  derselben  auf 
den  verschi'edensten  Gebieten  zu  Nutzen  zu  machen,  ja,  entfaltete  selbst  in  dieser 
Beziehung  eine  fruchtbare,  fördernde  Thätigkeit.  Und  wenn  er  auch  den  mittel- 
alterlichen Ritterkünsten  neues,  wenn  auch  nicht  lange  andauerndes  Leben  einzu- 
hauchen wufste,  so  ward  doch  gerade  durch  ihn  das  Kriegs-  und  Waffenweseu 
um  ein  gutes  Stück  vorwärts  gebracht,  der  Kunst  der  Renaissance  aber  Ge- 
legenheit zur  Entfaltung  herrlicher  Blüten  gegeben. 

Allerdings  bediente  Maximilian  sich  der  grofsen  Künstler  seiner  Zeit  haupt- 
sächlich zur  Verherrlichung  seines  alten  ruhmreichen  Hauses  und  zur  Verewi- 
gung seiner  eigenen  Person,  was  er  auch  ganz  olTen  im  Weilskunig  ausspricht: 
»Wer  ime  in  seinem  leben  kain  gedachtnus  macht,  der  hat  nach  seinem  todt 
kein  gedachtnus  und  desselben  menschen  wirdt  mit  dem  glockondon  vergessen; 
und  darunib  so  wirdt  das  gelt,  so  ich  auf  die  gedechlnus  ausgib.  nit  verloren, 
aber  das  gelt,  das  erspart  wirdt  in  meiner  gedachtnus.  das  isl  ein  unlenlruckung 
meiner  kunlligen  gedüchlnus.  und  was  ich  in  meinem  It^ben  in  meiner  gedacht- 
nus nit  vollbring,  das  wirdt  nai  h  meinem  todt  weder  durch  dich  oder  ander 
nit  erstat.«  Allein  wir  müssen  ihm  hiefiir  aufserordenllich  dankbar  sein,  denn 
abgesehen  von  den  grofsartigen  Kunstwerken,  die  ihm  in  .Ausführung  dieser  An- 
schauungen und  Gesinnungen  ihre  h^ntstehung  verdanken,  verbreitete  er  durch 
seine  Bestrebungen  das  Interesse  an  der  (ieschichte  der  Vergangenheit  und  an 
dem  Leben  der  Vorfahren,  das  seit  dieser  Zeit  rege  geblieben  ist  und  in  der 
Gegenwart  sich   wiederum   ganz    besonders   entfallet.     Hauptsächlich    in    Nach- 


—     30     — 

ahinung-  seines  Beispieles  leg-ten  sich  nicht  nur  fürstliche  und  adelige  Familien, 
sondern  auch  wolhabende  iiürgerlainilieu,  (jeschlechterbücher  und  Stannntaieln 
an.  durch  deren  Anfertigung  und  häufig'  prächtige  Ausstattung  den  Ktinstlern 
jener  Zeit  Gelegenheit  zur  Entfaltung  ihrer  Talente  und  reichem  Erwerbe  ge- 
boten wurde.  Sicher  verdanken  auch  die  Stammbücher,  welche  sich  der  Einzelne 
zur  Erinnerung  an  seine  Freunde  und  Bekannten  anlegte,  ebenfalls  den  vom 
Kaiser  JMaxiinilian  I.  gegebenen  Anregungen  ihre  Iilntstehung.  Ganz  besonders 
dankbar  hat  ihm  die  (leschichtswissenschalt  zu  sein,  da  man  nun  auch  den  alten 
Kamilienurkunden  erhöhte  Aufmerksamkeit  schenkte,  Nachforschungen  nach  ihnen 
anstellte,  und,  wenn  man  auch  bei  der  Verabfassung  der  Geschlechterbücher 
ganz  unkritisch  verfuhr,  man  heute  doch  von  recht  vielen,  die  auch  für  die 
allgemeine  Geschichte  von  Interesse  sind,  keine  Kenntnis  mehr  haben,  manche 
derselben  nicht  mehr  existieren  würde,  wenn  die  von  Maximilian  angefachte  Be- 
wegung nicht  vorsorgend  hier  eingegriffen  hätte. 

Der  Sitte  der  Reichen  und  Vornehmen  ward,  wie  allem,  auch  in  dieser 
Beziehung  von  den  Minderbegüterten  nachgeahmt.  Stammbäume  und  Geschlech- 
terbücher liefs  sich  der  gewöhnliche  Handwerker  allerdings  nicht  fertigen; 
dagegen  legten  die  Angehörigen  eines  Handwerkes,  einer  Innung,  die  sich  ja 
als  eine  grofse  Familie  fühlten,  besondere  Bücher  an,  in  denen  sie  ihre  Vorgeher 
und  Geschwornen,  die  Besten  und  Tüchtigsten  des  Handwerkes  zu  allen  Zeiten, 
durch  Bild  und  Wort  verewigten,  um  auf  diese  Weise  das  Gedächtnis  derselben 
auf  die  Nachwelt  zu  bringen.  Diesem  Gebrauche  verdankt  auch  das  Geschwor- 
nenbuch  der  Nürnberger  Barbiere  und  Wundärzte  seine  Entstehung,  das  vor 
einigen  Monaten  dem  germanischen  Museum  von  der  Nürnberger  Bader-,  Bar- 
bier-, Friseur-  und  Perrückenmacherinnung  übergeben  worden  ist. 

Obgleich  erst  1626  angelegt,  hört  man  doch  in  der  Einleitung  des  Buches 
recht  deutlich  die  Maximi Manschen  Ansichten  über  das  Gedächtnis  heraus,  das 
man  sich  und  seinen  Vorfahren  zu  stiften,  die  Pflicht  habe.     Sie  lautet: 

»Conrad  Schurtz  von  Hachenburg  ufm  Westerwald  bürtig, 
burger  und  wundarzt  in  Nürraberg,  wünschet  dem  freundlichen 
leser  alles  guts. 

Freundlicher  lieber  leser,  es  ist  im  Sprichwort: 
Derjengen  man  gedenken  soll. 
So  sich  Utrecht  und  ghalten  wol. 
Welches  dann  nicht  allein  von  mächtigen  potenten,  grosen  häusern  und  statt- 
lichen familien  zuverstehen,  sondern  auch  von  allen  denen  personen,  so  nach 
ihrem  von  Gott  verliehenen  pfund,  in  dem  ampt.  stand  und  beruf,  darein  sie 
Gott  verordnet,  dem  Vaterland,  gemeinem  nutz  und  ihrem  nächsten  mit  rath  und 
that  treueiferig  beystehen,  gesagt  ist.  Dahero  dann  auch  nicht  nur  der  kayser, 
könig,  fürsten  und  herrn  bildnus  zum  gedechtnus  der  posteritet  in  gewise 
bücher  zu.samm  zu  bringen,  sondern  auch  anderer  ehrlicher  leut  conterfayt  zu 
colligirn  und  ufzubehalteu ,  fast  bey  allen  Völkern  und  nationen  eine  langhero 
observirte  gewonheit  ist,  sintemal  man  sihet,  das  bald  ganzer  stammen  und 
geschlechten,  bald  aber  ganzer  collegien  Zünften  und  anderer,  so  sich  etwa  in 
einem  ehrlichen  cränzlein  wol  beyeinander  befunden,  tauf-  und  zunamen  fleißig 
notirt,  ihre  imagines  und  wappen,  den  namen  beygefügt,  und  den  lieben  nach- 
kommen, gleichsam    als   ein  anreizung  zu  denjenigen   tugenden,  mit   welchen 


—    31     — 

die  abg-ebildete  vorfahren  begabt,  vorg-etrag-en  uud  gezaigt  werden.  Welches 
dann  auch  zweifelsfrey  vor  jarn  einen  aus  den  alhiesigen  maistern  der  bar- 
birer  und  wundärzt  bewegt.  da|5  er  sowoln  aus  guter  affection  gegen  den  selig 
verstorbenen,  als  auch  löblicher  inteotion  zu  den  uachkomiulingen,  etzliche  nun- 
mehr vor  vielen  jarn  im  herrn  entschlafene  alte  maister,  in  ihrem  habit,  zu- 
samm  in  ein  buch  machen  lassen,  auf  daß  derselben  ehr  und  guter  nam  desto- 
mehr  nach  irem  absterben  in  frischem  gedechtnus  bleibe,  die  hineinkommende 
aber  auch  nach  tugent  zu  streben,  anlas  bekommen,  und  solcher  ehi'iichen  gesell- 
schatt  einverleibt  werden  mögen.  Welche  gutherzige  mainung  aber,  weiln  sie 
ihren  effect  nicht  erreicht,  sondern  das  angefangene  werk,  gleichsam  im  staub 
ligen  blieben,  jedoch  nicht  fein,  wann  dasjenige,  was  einmal  zum  gedechtnus 
angefangen,  von  andern  nicht  continuirt  würd,  als  habe  ich,  doch  aus  keinem 
ehrgeiz  oder  hochmuth.  sondern  allein  umb  gedechtnus,  wegen  der  alten  ehr- 
lichen maister  und  damit  ihrer  bey  christlichen  Zusammenkünften  nicht  so  gar 
vergessen  werde,  mir  den  last  auferlegt,  und  soviel  ich  der  alten  verstorbenen 
abconterfait  zur  band  bringen  können,  in  di[5  buch,  und,  welche  mit  C.  S.  be- 
merkt, auf  meinen  aigenen  kosten  malen  lassen,  welches  mich  dann  nicht  wenig 
gestanden,  der  mühe,  arbeit  und  versaumbnus,  so  bey  complirung  des  werks 
angewendet  werden  müssen,  zu  geschweigen;  wie  ich  dann  noch  tägiichs  dahin 
trachte,  mehrer  der  alten,  längst  verstorbenen  maister  bildnus  zu  erlangen,  und 
auch  herbeybringen  zu  lassen,  der  hoffnung,  es  werde  solch  mein  wolgemeintes 
werk  von  ehrliebenden  leuten  nicht  allein  nicht  übel  gedeutet,  sondern  vilmehr 
mit  dank  angenommen,  und  der  gute  anfang  fürters  glücklich  von  andern  con- 
tinuirt werden,  gestalt  dann  allen  und  jeden,  so  zum  geschworuen  wundärzt 
ordenlich  erkiest,  zugelassen  sein  soll,  daß  er  seine  bildnus  und  wappen  herein 
machen  lassen  mög.  Im  fall  auch  der  allmächtige  einen  maisler  der  barbierer, 
ehedann  er  zu  solchem  ampt  wegen  kürze  seiner  lebenszeit  gelanget,  aus  diesem 
Jammerthal  abfordert,  welcher  doch  ehrlich  gegen  gemeiner  statt  und  freund- 
lich gegen  dem  löblichen  handwerk,  auch  sonsteu  sich  unsträflich  verhalten, 
solle  dessen  erben  und  nachkommen  ungewehret  sein,  das  conterfet  ebenmeßig 
herein,  doch  uf  ihren  costen  malen  zu  lassen.  Und  tlamit  ein  ganz  ehrlöblich 
handwerk  meine  gute  Intention  und  wolmainung  gegen  demselben  destomehr 
für  und  für  zu  verspüren,  alß  begehre  ich  auch,  daß  nach  meinem  todt  solch 
buch  dem  barbiererhandwerk  in  ihre  laden  überantwortet  werde,  und  da  ent- 
weder einer  sein  conterfet  hinein  will  malen  lassen,  oder  da  die  geschwornen, 
oder  aber  sonsten  ehrliche  maister  beysammen,  welche  diese  gedechtnus  und  der 
selig  verstorbenen  bildnus  sehen  wollen,  so  will  ich  denjenigen  geschwornen, 
welche  je  zu  zelten  die  laden  und  das  buch  in  Verwahrung  haben  würde,  hie- 
mit  freundlich  ersucht  haben,  dasselbe  sauber  zu  halten,  darmit  es  nicht  von 
denjenigen,  denen  man  es  bey  ehrlichen  zusammeidcünflen  vorzaigt.  maculirt 
werde,  wie  dann  auch  kein  geschworner  ohne  die  andei  ii  oder  dicven  das  hudi 
aus  der  laden  lluiii.  iiiid  wie  obgedacht  vcrlcyluMi  soll,  sdudcni  sidh'u  allmvcgen 
die  geschwornen  beysaniinen  sein.  I>t>s(*lilit'(5('  demnach  diese  meine  einlallige 
vorred,  aus  welcher  alle  treue  herzen.  :  dann  nach  den  bösen  und  lalschen 
gemütern,  wie  auch  nach  ihrer  oiunion,  es  gefall  oder  mißlall  ihnen  das  werk, 
ich  so  wenig,  als  nach  dem  hundshellen  frage:  ,  mein  gemülsmainung  leicht  ab- 
nehmen können,  mit  dem  wünsch,  daß  der  allerhöchste  (liejenigen,  so  unter  den 


—    32    — 

abg-ebil tiefen  noch  uf  dieser  weit  wandlen,  noch  leng-er  frisch  und  gesund  er- 
halten und  den  nachkommenden  auch  seine  gaben  reichlich  mitteilen  wolle, 
damit  die  löbliche  wundarzney  in  dieser  statt  bey  ihrem  guten  namen  und  lob 
erhalten,  dem  nechsten  aber  dardurch  ersprießlich  geholfen  werden  möge. 

Das  verleyh  in  seim  höchsten  thron 

Der  ewig  vater  durch  sein  söhn, 

Unserm  herren  Jesum  Christ, 

Der  unser  rechter  wundarzt  ist. 

Welcher  herrscht  mit  dem  heyligen  geist, 

Der  ein  nothelf  und  tröster  heist. 

Von  anfang  bis  in  ewige  zeit, 

Gelobt  sey  dheylig  trifaltigkeit. 
Geschehen  in  des  heyligen  reichs  statt  Nürnberg,  donnerstags  nach  Mi- 
sericordias  Domini,  an  welchem  man  altem  löblichen  gebrauch  nach  daselbst  die 
geschwornen  dieser  kiinst  der  wundarzney  erwehlt,  und  mit  pflichten  von  Ob- 
rigkeit wegen  fertigen  thuL,  im  jähr  unsers  erlösers  sechzehenhundert  sechs 
und  zwainzig.« 

Dieser  ausführlichen  Erklärung  über  die  Anlage  des  Buches  folgen  dann 
in  langer  Reihe  die  Herren  Geschwornen  in  ihrer  Sonntagstracht  immer  in  ganzer 
Figur  dargestellt,  soweit  sie  in  Wassermalerei  ausgeführt  sind:  nur  die  wenigen 
Kupferstiche,  die  in  das  Buch  eingeklebt  sind,  geben  die  Betreffenden  lediglich 
in  Brustbild  wieder.  Wir  lassen  eine  kurze  Beschreibung  desselben  folgen,  da 
es  durch  die  Darstellung  der  Geschwornen  in  der  Tracht  ihrer  Zeit  für  die 
Kulturgeschichte,  namentlich  die  Geschichte  des  Kostüms,  um  so  mehr  von  In- 
teresse ist,  als  die  einzelnen  Bilder  meist  sehr  sorgfältig  ausgeführt  sind.  Herr 
Schurtz  hat  es  sich  in  der  That  ein  hübsches  Stück  Geld  kosten  lassen,  um  dem 
Handwerke  ein  wertvolles  Buch  hinterlassen  zu  können.  In  dem  stattlichen 
Folianten,  dessen  einzelne  Blätter  eine  Höhe  von  32  und  eine  Breite  von  22,5  cm. 
haben,  wechseln  solche  von  Pergament  mit  solchen  von  Papier  ab;  vor  jeder 
Abbildung  ist  zum  Schutze  derselben  noch  ein  dünnes,  rötlichgraues,  glattes 
Blatt  Papier  eingebunden.  Aufser  der  bereits  mitgeteilten,  kalligraphisch  aus- 
geführten Einleitung  enthält  das  Buch  keinerlei  weiteren  Text  als  die  gereimten 
Inschriften,  die  sich  bei  den  einzelnen  Figuren  befinden  und  über  deren  Namen, 
und  was  sonst  noch  Wichtiges  von  ihnen  zu  melden,  Aufschlufs  geben.  Dem 
Porträt  ist  gewöhnlich  noch  das  Wappen  des  Dargestellten  beigegeben;  letztere 
halten  meist  eine  Pflanze,  ein  chirurgisches  Besteck  oder  Instrument  in  der 
Hand,  auch  auf  dem  oft  danebenstehenden  Tische  liegen  solche.  Einzelne  Blätter 
dazwischen  sind  leer  gelassen,  um  eventuell  später  noch  Nachträge  einschalten 
zu  können;  es  sind  dies  die  in  der  nachfolgenden  Aufzählung  fehlenden. 

Auf  Blatt  l  ist  der  Stifter  dieses  Buches,  Conrad  Schurtz,  hier  aber,  und 
auch  weiter  hinten,  Schortz  genannt,  in  ganzer  Figur  dargestellt  neben  einem 
Tische  mit  einem  entzweigesägten  Schädel  und  entsprechenden  Instrumenten. 
Daneben  stehen  die  Verse:  »162(3.  Da  ich  Conrad  Schortz  hat  die  gstalt,  im 
obstehendem  jar  abgemalt,  war  ich  einundfünfzig  jar  alt.  Gott  so  längs  ihm 
gfelt  mich  erhalt,  hab  zweymal  das  gschwornampt  verwalt.«  Auf  Bl.  2  und 
3  folgt  sodann  die  oben  gegebene  Einleitung,  auf  Bl.  4''  in  einem  Schwarz- 
kunstblatte vom  Georg  Fönitzer  das  Bildnis  des  Melchior  Meschker,  »der  Stadt 


—    33     — 

Nürnberg-  wohlverdienter  Sljähriger  Ambtman  in  der  Schau,«  dessen  Vorkommen 
in  diesem  Buche  durch  die  Inschrift  auf  Bl.  5a  erklärt  wird:  »Dem  erbaru  und 
kunstreichen  herrn  Conrad  Schurtz,  Stiftern  dieses  buchs,  barbirer  und  wunil- 
arzt,  meinem  lieben  seh  wager  zu  ehrn,  vererbt  dieses  hienebenstehenden  geist- 
lichen arzts  fig:ur  Melchior  Meschker,  derzeit  eines  edlen  und  hochweisen  raths 
amptman  in  der  schau  zu  Nürmberg,  geschehen  den  9:  octobris  anno  1626.« 

Auf  der  Rückseite  von  Bl.  5  nun  und  Bl.  6*^  findet  sich,  über  diese  zwei 
Blätter  gehend  und  dieselben  vollständig  ausfüllend,  in  Wassermalerei  Christus 
als  Apotheker  mit  der  Wage  in  der  Hand  dargestellt,  zu  dem  die  Krauken, 
Mühseligen  und  Beladenen  kommen.  Über  ihm  schweben  Engel  mit  der  Kreuzes- 
fahne, auf  welcher,  und  auch  an  anderen  Orten  auf  die  Darstellung  bezügliche 
Sprüche,  wie:  »Ich  bin  der  herr  dein  arzt,  dein  heyland  und  ein  meister  zu 
helfen,  der  all  dein  gebrechen  heilet«  u.a.  eingeschrieben  sind.  Sodann  folgen 
die  Bildnisse  verschiedener  Barbiere  und  Wundärzte  in  ununterbrochener  Reihen- 
folge, von  denen  wir  nachstehend  nur  die  Namen  und  Beischriften  nennen,  falls 
nicht  noch  etwas  Besonderes  zu  erwähnen  ist. 

Bl.  7^:  »Herr  Magnus  Stimpfel  hat  dem  höchsten  haubt  und  führer,  |  dem 
andern  Ferdinand,  gedient  als  leibbarbierer  |  vier  und  auch  zwanzig  jähr:  für 
seiner  tugend  lohn  |  und  kunst  gebracht  mit  rühm  den  edlen  stand  davon  | 
a:  1630.«  Bl.  8^:  «Melchior  Welandus  churfürstl:  durchleucht  zu  Colin  leib- 
chirurgus  ao.  Chri.  1630  aetat:  68.«  Bl.  9^  ein  Mann  im  Kostüm  von  etwa  1500 
mit  der  Beischrift:  »Deß  namen,  welcher  so  bekleidt,  ist  unbewust  wegn  leng 
der  zeit,  doch  find  man  so  sein  conterfait.«  C.  S. ^)  Bl.  9*^:  »Dieser  Matthias 
Grabuer  gnent,  so  zum  curirn  ein  heilsam  hend,  vor  viel  jarn  sein  lehn  geendt. 
Ao.  1550.«  C.  S.  Bl.  10^:  »Abr  wegen  viel  verflossenen  jarn,  kundt  man  des 
nani  auch  nit  erfarn,  ob  man  schon  keinen  vleis  thet  sparn.«     C.  S. 

Auf  Blatt  10^  ist  ein  junger,  reichgeputzter  Badergeselle  aus  der  Mitte 
des  16.  Jahrhunderts  dargestellt,  wie  er  zu  einem  vornehmen  Bräutigam  geht, 
um  ihm  bei  der  Toilette  behilflich  zu  sein.  In  Figur  2  ist  derselbe  nach  einer 
Nachzeichnung  in  halber  Grölse  des  Originals  wiedergegeben;  durch  den  Mangel 
an  Farben  hat  die  Darstellung  jedoch  viel  von  ihrem  Reize  verloren.  Das  ünter- 
gewand  ist  weiCs  mit  karmoisinrotem  Ausputz,  die  Binden  au  den  Knieen  grün, 
der  Rock  hochrot  mit  grünem  Besatz.  Die  beigesetzten  Verse  lauten:  »Wann 
hochzeit  hetten  vornem  leut,  kam  der  barbierersgsell  so  kleidt,  zum  breutigam 
und  butzet  ihn,  mit  blosen  armen  trug  mit  hin,  sein  beck  und  kandel  beede 
glentz.  Die  braut  verehret  ihm  ein  kränz,  welchn  er  auf  blosem  haupt  hat, 
wie  er  dann  hier  abgnuilet  stet.«     C.  S. 

Bl.  11  a;  »Peter  von  Hausn  ward  dieser  genannt,  zbarhirn  gieng  aus  in 
solchem  gwant,  zierte  damit  damals  sein  stand.«  C.  S.  Auch  dieser  ist  nach 
einer  Umzeichnung  in  Figur  1  hier  wiedergegeben.  Kr  hat  ein  schwarzes, 
ärmelloses  Ubergewand  mit  viereckigem  Ausschnitt,  iler  das  reichgefältelte  Henul 
sehen  läfst.  Das  Untergewand  ist  braun,  wie  aus  den  aufgestülpten  Ärmeln  er- 
sichtlich ist.  Unter  dem  linken  Arme  trägt  er  zusammengelegte  weifse  Tücher, 
in  der  Rechten  eine  Kanne,  in  der  Linken  Kanne,  Becken  und  ilas  Futteral  mit 
dem  Bestecke.    Er  gehört  noch  in  die  erste  Hälfte  des  16.  .lahrhuiulerts. 

1)  Die  Buctislalicn  C.  S.  l)odcuteii,  wi<'  in  der  Rinleitiiiit,^  tcesatcl  ist,  dafs  (Conrad 
Schurtz  die  damit  bezeidinoten  Bildnis.se  auf  seine  eigenen  Kosten  hat  anfertigen  lassen. 

Mitteiluugeu  aus  dem  gerinuu.  Natiuuulmuseuiii.     181)!).  V. 


—     34     - 

Bl.  [Q^:  »Anthoni  Meiisg-on  war  sein  nam,  das  gschwornampt  einmal  an 
ihn  kam,  ward  fridfertig,  keim  menschen  gram.«  Ao.  1584.  G.  S.  Bl.  iQ^>:  »Der 
ward  g-nannt  Michel  Egerer  zum  (hiln  mal  war  er  gschworner,  Melcher  Bayr  ihn 
ließ  malen  her,  ihm  zur  gdechtnu(5.  dem  buch  zu  ehr.«  Ao,  1567.  Bl.  17*: 
»Damit  dieses  buch  wird  vermehrt,  hat  drein  herr  rathschreiber  Schwartz  ver- 
ehrt, Peter  Morgenwecks  bild,  so  sich  wol  gnehrt.«     Ao.  1545.     Auf  Blatt  17'' 


Fig.  1. 

und  18=i  sind  wiederum  die  Bildnisse  zweier  Ungenannten,  von  denen  der  erstere, 
nach  der  Tracht  noch  in  das  15.  Jahrhundert  gehört.  Bl.  18^:  »Wilhelm  Huber 
der  wundarzney,  in  allen  stücken  erfahru  frey,  gab  ein  guten  waidman  darbey. 
Ward  zweymal  gschworner,  hielt  sich  treu.«  C.  S.  1547.  Bl.  19 ^i  »Dieser  vor 
Jaren  wol  bekant,  der  war  Hanß  Beutelrock  genant,  hett  zum  haiin  ein  glück- 
selge  Hand,  war  zweymal  in  dem  gschwornen  stand.«    CS.  Ao.  1546.    Bl.  19^: 


—    35    — 

aJan  Ritter,  welcher  hie  g-emalt.  leibhaft  am  hart  uud  aller  g-.stalt,  hat  das 
gschwornaiupt  viermal  verwalt.«     C.  S.    Ao.  1563. 

Ähnlich  lauten  die  Verse  der  übrigen  Bilder,  von  denen  wir,  um  nicht  zu 
ermüden,  neben  dem  Namen  in  der  Folg-e  nur  Das  briug-en  werden,  was  beson- 
ders erwähnenswert  ist. 

Bl.  20'^:   Hans  Holder...    »mit   wundarzney   umb  g-meine   statt,   sich    zur 


Fig.  2. 

pestzeit  wol  verdient  hal.«  C.  S.  1548.  Ward  zweimal  Geschworner.  Aus  seiner 
offenen  Gürleltasche  häng-t  der  Zijtlel  eines  weifsen  Taschenluches,  eines  damals 
noch  nicht  sehr  häulig-en  ToiletLeng:ogenstandes.  Bl.  20'':  Peter  von  llaujJtMi... 
»mit  distilirn  g-habt  g-rofi  mühe,  ^velches  doch  ihn  g-ereuet  nie.«  Dreimal  Ge- 
schworner. lo(31.  Bl.  21'':  Jacob  Bauman.  C.  S.  1556.  Bl.  21  »J;  Niclaus  Tratz. 
Zweimal  Geschworner.  1573.     Bl.  22 "i;    «Aber  seim  söhn  Georg-  Tratz  glils  hol- 

6* 


—    36     — 

lehn  I  baß.  dann  der  zwag-stuhl,  darumb  ebn  |  begab  er  sich  zur  reuterey  1  hielt 
sich  allzeit  dapfer  darbey,  |  mit  l'ürsten  und  herrn  ist  er  bekand  1  angenehm 
bey  hoch  und  niderm  stand  |  und  Brandenburgischer  glaitsman  |  noch  uf  die 
stund  hat  oft  gricht  an  |  guter  ehrlicher  kurzweil  viel  |  Gott  leugre  ihm  sein 
lebensziel«.  Georg  Tratz  war  eine  sehr  stattliche  {Erscheinung;  er  ist  in  dunklem 
Galugewand  mit  roten  Zwickeln,  prächtigem  Spitzenkragen,  reich  geschmücktem 
Hule,  in  der  Rechten  ein  Venetianer  Glas  mit  goldenem  Weine,  in  der  Linken 
ein  mächtiges  Schwert  mit  reichem  Griffe  haltend,  dargestellt.  Sein  trelTiich 
ausgeführtes  Bild  mit  charakteristischem  Kopfe  ist  wol  das  beste  des  ganzen 
Buches. 

Dieser  Georg  Tratz,  der  die  Baderei  an  den  Nagel  gehängt  hatte,  war  eine 
der  volkstümlichsten  Nürnberger  Persönlichkeiten  seiner  Zeit.  Als  branden- 
burgischer Geleitsmann  wohnte  er  im  Heilsbronner  Hofe,  wo  die  Fechtschulen 
und  anderen  öffentlichen  Lustbarkeiten  abgehalten  wurden.  Und  dabei  mag  unser 
Georg,  wie  schon  die  Verse  andeuten,  eine  wichtige  Rolle  gespielt  haben:  sein 
mächtiges  Schwert  verrät,  dafs  er  ein  eifriger  Teilnehmer  an  den  Fechtschulen 
der  Marxbrüder  und  Federfechter  war,  der  Ring  im  rechten  Ohr,  dafs  er  auch 
Schauspieler  gewesen,  dafs  er  Komödie  gespielt.  In  der  kostbaren  Glasgemälde- 
sammlung des  Museums  sind  nicht  weniger  als  sechs  Scheiben,  welche  Tratz 
verewigen.  Zwei  Mal  ist  er  auf  denselben  allein,  zwei  Mal  mit  vier  Söhnen, 
einmal  gar  mit  sechs  Söhnen,  immer  hoch  zu  Rofs  dargestellt.  Mit  vier  Söhnen 
ritt  er  am  2.  Juli  1612  dem  Kaiser  Mathias  entgegen.  Welch  wichtige  Person 
unser  Georg  Tratz  gewesen,  bekundet  die  dritte  Scheibe,  auf  welcher  er  mit  vier 
Söhnen  dargestellt  ist;  sie  liefs  der  Wirt  »zur  goldnen  Gans«  machen  ,  um 
das  Gedächtnis  an  einen  Besuch  seines  Hauses  durch  Tratz  festzuhalten.  Die 
Umschrift  desselben  lautet:  »Anno  Domini  1612  den  29  Junij  ist  Georg  Tratz, 
fl.  B.  gleidtsman  in  Halsbrunner  hoff  mit  sampt  4  söhnen  zu  mir  Hanns  Liener 
gastgeb  zur  gülden  ganfs  eingeritten  und  allhierinen  malzeit  gehalten  und  einem 
guten  nachtdrunk.«  Offenbar  war  unser  Tratz  auch  ein  fröhlicher  Zecher,  wie 
ihn  sich  die  Wirte  wünschen. 

Bl.  22  b:  Herwart  Tratz.  1587.  Bl.  23 a :  Hannfs  Netzer.  Zweimal  Geschwor- 
ner.  1591.  C.  S.  Bl.  23 b;  Sebastian  Herman,  1626  76  Jahre  alt,  der  älteste  des 
Barbiererhand  Werks,  ward  zweimal  Geschworner.  Bl.  24  *:  Thomas  Kiechel,  »das 
treponirn  in  dieser  statt  hie  thet  einführn.«  1588.  Ward  zweimal  Geschworner. 
G.  S.  Bl.  24 b;  Haus  Werherr,  Stadt-  und  Franzosenarzt,  ward  einmal  Geschwor- 
ner. 1599.  G.  S.  Bl.  25«:  Wolfgang  Wolff,  ward  viermal  Geschworner.  1595. 
Bl.  25^:  Han(5  Kerschnesser.  Einmal  Geschworener.  1597.  Bl.  26^:  Christoph  Eise- 
lein. Zweimal  Geschworner.  1576.  C.  S.  Bl.  27  b;  Hieronymus  Böhner,  im  Alter 
von  84  Jahren  dargestellt.  1570.  G.  S.  Bl.  28»:  Endrefs  Kirchberger.  Zweimal 
Geschworner.  1558.  C.  S.  Bl.  28^:  Martin  Früe.  Dreimal  Geschworner.  1586.  C.  S. 
Bl.  29*:  Thomas  Schatz.  Einmal  Geschworner.  1574.  C.  S.  Bl.  29^:  Endrefs  Schwe- 
der. Einmal  Geschworner.  1594.  C.  S.  Bl.  30«:  Hanfs  Feiner.  Dreimal  Geschwor- 
ner, aetatis  s.  74:  1615.  Bl.äO^:  Noe  Liechtenberger,  »war  ein  guter  Theophrasist. c 
1562.  Bl.  31»:  Liechtenbergers  (geb.  1527,  f  1607)  Bildnis,  gestochen  von  I.  F. 
Leonart.  Bl.  32«:  Vincenz  Liechtenberger.  Einmal  Geschworner.  1621.  Bl.  32^: 
Johann  Teubelius.  Einmal  Geschworner.  1617.  Bl.  33«:  Joseph  Schnabel,  gestochen 
von  L  F.  Leonart.   Zweimal  Geschworner.  1585.    Bl.  34«:  Johann  Rehe  (1563  bis 


—     37    — 

1616),  g-estochen  von  I.  F.  Leonart.    Dreimal  Geschworner.  1601.    Bl.  35»:  Jacob 
Baumann,  seines  Alters  im  35.  Jahre.  1556.    Radierung-  von  Virg;il  Solis  (?). 
Interessant  sind  die  darunter  stehenden  Verse: 

»Der  Artzt  dem  Krancken  geordnet  ist. 

Der  darff  keins  artzt  dem  nichts  g-ebrist. 

Ein  artzt  aber  drey  ang;esicht  hat, 

Eng-elisch:  so  er  den  krancken  rhat. 

So  sich  bessert  des  krancken  noht, 

So  sieht  der  artzt  gleich  wie  ein  Gott, 

Wan  nun  der  artzt  um  lohn  anspricht, 

Hat  ein  Teufflisch  ang-esicht.« 
Bl.  36»:  Andreas  Seh  weder  der  Jüng-er  .  .  .  »gab  ein  gutn  Musicanten«.  Ein- 
mal Geschworner.  1598.  G.  S.  Bl.  36^:  Martin  Seippel.  Zweimal  Geschworner. 
1606.  Bl.  37»:  Georg  Gellmann  (1603—1672).  Radierung  von  I.  F.  Leonart. 
Bl.  38»:  Lienhard  Herman.  Einmal  Geschworener.  1610.  Bl.  38^:  üieterich 
Sailer.  Geschworner.  1612.  Bl.  39»:  Hannß  Melchior  Haug.  Zweimal  Ge- 
schworner. 1622.  Bl.  39'^:  Thomas  Küchel  der  Jünger  ...  »in  Frauckreich, 
Teutsche  und  Welschen  Laudt,  ward  wert  gehalten  und  wol  bekant.«  Dreimal 
Geschworner.    1588.    G.  S. 

Auf  Bl.  40^  findet  sich  in  kalligraphischer  Schrift  ein  Gedicht  über  das 
Ableben  des  in  jungen  Jahren  verstorbenen  Thoma  Schweder,  den  Conrad  Schortz, 
der  Stifter  des  Buches,  dessen  Namen  unter  dem  Gedichte  steht,  als  seinen  lieben 
Sohn  bezeichnet;  vielleicht  war  es  sein  Stiefsohn.  Der  Name  des  Conrad  Schortz 
ist  mit  Schreiberzügen  in  Gold  umrahmt,  an  welchen  ein  Täfelchen  mit  S.  G. 
hängt,  darüber  1626.  Hinter  diesen  Buchstaben  dürfte  der  Modist  Sebastian 
Kurtz  (1576—1659)  versteckt  sein. 

Bl.  41»:  Daniel  Schweder.  Einmal  Geschworner.  1600.  Bl.  41^':  Conrad 
Schortz  der  Jünger  im  Alter  von  26  Jahren.  Hatte  Deutschland  und  Niederland 
bereist.  Meister:  9.  Oktober  1626;  verheirathet:  25.  Februar  16i9.  Zweimal 
Geschworner.  Bl.  42»:  Stephan  Flock,  Stadtarzt.  Zweimal  Geschwoiner.  1626. 
Bl.  42h:  Hanß  Walter.  Zweimal  Geschworner.  1624.  Bl.  43»:  Tobias  Keller. 
Einmal  Geschworner.  1625,  aetatis  66.  Bl.  43'':  Johann  Ernst  Zatzer,  Rathsbar- 
bierer  zu  Regensburg,  geboren  zu  Nürnberg.  1628.  Ein  loses  Blatt  dürfte  dem 
Kostüm  des  Dargestellten  nach  wol  hier  einzuschalten  sein.  Nur  der  Vorname : 
Hieronymus,  findet  sich,  der  Familienname  ist  weggerissen;  er  mulste  sich  auf 
»abgebildt«  reimen,  hiefs  also  vielleicht  »Wild«.  Er  war  kein  Nürnberger:  »von 
Augspurg  hurtig  zwar,  doch  übt  er  seine  kunst,  daß  er  zu  Neuburg  ihm  ver- 
dient des  fürsten  gunst.  Bl.  44»:  Paul,  Lienhard  Hermans  Sohn,  ein  Sohnes 
Sohn  des  alten  Sebastians.  1629,  aetatis  suae  XXXll.  Bl.  44'':  Elias  Höliner. 
1629  Geschworner,  aetatis  suae  58.  Bl.  45»:  Hannß  Daunekerch.  Viermal  Ge- 
schworner. 1632.  Bl.  46 'M  Friedrich  Kühne,  Stadtarzt.  Dreimal  Geschworner. 
1635.  1636,  aetatis  suae  36.  Bl.  47":  Johann  Heinrich  Juncker,  der  älteste 
Meister  1643,  55  Jahre  alt.  Zweimal  Geschworner.  Bl.  48":  Joachim  Keinecke. 
Viermal  Geschworner.  1641,  aetatis  suae  47.  Bl.  49«:  Hanß  Rüthel.  1642,  aetatis 
suae  34.  Zweimal  Geschworner.  Bl.  51»:  Paulus  Schüll.  1671,  aetatis  suae  59. 
Zweimal  Geschworner.  Bl.  53»:  Andreas  Harplf,  Stadt^  und  Spitalar/t.  gel».  16. 
Dezbr.    1613,    \  29.    Dezbr.    1677.     Viermal    Geschworner.      Bl.    54'':    Christoph 


—     38    — 

Schuch.  1665.  Einmal  Geschworner.  1667,  aetatis  suae  63.  Bl.  35^:  Georg  Rö- 
bölt  1637.  Stadtarzi  und  zweimal  Geschworner.  Bl.  37a-.  Justus  Frühen.  Kupfer- 
stich von  J.  Franck.  Bl.  38«:  Derselbe  in  Wassermalerei.  Dreimal  Geschwo- 
rener. 1639.  Bl.  39»:  Wolfg-ang  Karus.  Zweimal  Geschworner.  Aetatis  suae  23. 
1655.  Kupferstich.  Bl.  61''»:  Johann  Schel,  Chirurgus  im  Spital  und  dreimal  Ge- 
schworner. 1677.  Bl.  62 ^':  Johann  Hartman,  gen.  Faber.  Einmal  Geschworner. 
1661.  1662  50  Jahre  alt.    Bl.  63":  Daniel  Schortz.     Einmal  Geschworner. 

Auf  Bl.  66»  kommt  zum  erstenmal  ein  in  Öl  gemaltes  Bildnis.  Der  Name  des 
Dargestellten  ist  aber  nicht  angegeben.  Ebenso  fehlt  auch  der  Name  des  Künstlers, 
der  das  Bild  ausgeführt,  und  ist  somit,  wie  von  den  vorhergehenden  Blättern,  der 
Urheber  unbekannt.  Bl.  67» :  Johann  Georg  Freund,  geb.  23.  Febr.  1628,  ward  Stadt- 
arzt und  den  15.  Juni  1689  zum  drittenmal  Geschworner.  Er  wird  auch  als  ein 
«sonderbarer  Kunst-Schreiber  in  Stahl  und  Marmol«  bezeichnet.  Bl.  70»:  Johann 
Albrecht  Mey,  geb.  1633,  i  5.  Mai  1688.  Zweimal  Geschworner.  Bl.  71^:  Georg 
Prolmann,  Stein-  und  Bruchschneider,  Stadt-  und  Landarzt,  sowie  fürstl.  bay- 
reuthischer Leibchirurg  (1630—1710),  ward  dreimal  Geschworner.  Bl.  72»:  Pau- 
lus Salpeter.  Einmal  Geschworner.  1684,  aetatis  61.  Bl.  73 1':  Bildnis  in  Öl,  ohne 
Beischrift.  Bl.  73 1^:  Johann  Franck  (1642—1713).  Auf  der  folgenden  Seite  steht 
ein  langes  kalligraphirtes  Lobgedicht  auf  diesen  Herrn,  aus  dem  wir  nur  hervor- 
heben, dafs  er  dreimal  Geschworner  war.  Bl.  78»:  N.  N.  Bund.  Dreimal  Ge- 
schworner. 1683.  Bl.  80»:  Wilhelm  Reinecke,  geb.  14.  Aug.  1631,  i  29.  Sept. 
1693,  ward  zweimal  Geschworner.  Bl.  83»:  Nicolaus  Bockelmann,  geb.  3.  Nov. 
1630,  f  27.  Mai  1714. 

Bl.  86»:  Nicolaus  Grott,  geb.  21.  Sept.  1630,  i  10.  Juni  1716,  ward  Ge- 
schworner 1691.  Bl.  88»:  David  Gottlieb  Reyher,  Ihrer  Kaiserlichen  Majestät 
Leib-  und  Hofchirurgus,  seines  Alters  30  Jahr,  1707.  Anonymes  Schwarzkunst- 
blatt. Bl.  90»:  Bildnis  in  Öl,  ohne  Bezeichnung,  auf  dessen  Rückseite  sich  die 
Inschrift  «Job:  Justin  Preisler  pinx :  aetat:  17«  befindet  und  das  durch  die  Verse 
auf  B1.91»  als  das  des  Herrn  Igel  erklärt  wird,  der  viermal  Geschworner  war. 
Zum  erstenmale  findet  sich  also  hier  in  dem  Buche  der  Verfertiger  eines  der  Bilder 
genannt.  Bl.  97»:  Matthaeus  Günther,  geb.  30.  Sept.  1668,  i  14.  Mai  1716,  ward 
einmal  Geschworner  1703.  Bl.  99»:  Christian  Friedrich  Bück,  »hochfürstl.  Bam- 
bergischer, wie  auch  hiesiger  Stadt  und  Land  Bruch-  und  Wundarzt«,  und  drei- 
mal Geschworner  (1663—1737).  Bl.  101»:  Bildnis  ohne  Bezeichnung,  das  nach 
den  Versen  auf  Bl.  102»  das  des  Balthasar  Helmstreit  ist,  der  von  seinem 
ehemaligen  Lehrling  besungen  wird  und  viermal  Geschworner  war. 

Bl.  103»:  Erhardt  Höroldt,  zweimal  Geschworner.  1716.  Bl.  106»:  Johann 
Albrecht  Mayer,  geb.  26.  Juni  1682,  i  3.  Juni  1727.  Bl.  107»:  Michael  Betram 
Rosa,  geb.  13.  März  1688,  gemalt  von  Augustus  Johannes  Rösel  1731.  Bl.  108»: 
Joh.  Friedr.  Hermann  Zink,  geb.  14.  Okt.  1684,  in  Öl  gemalt.  Bl.  109»:  Esaias 
Gottlob  Jahn,  geb.  1691,  in  Ol  gemalt  1736  von  Nicol.  Friedr.  Eisenberger. 
Bl.  110^:  Theodorus  Alberti,  geb.  19.  April  1688,  i  17.  Septbr.  1733,  in  Öl  gemalt. 
Bl.  112»:  Leonhard  Abraham  Jäger  (1710—1776),  dreimal  Geschworner,  dessen 
Bildnis  erst  im  Jahre  1833  von  dem  bekannten  Kupferstecher  C.  Wilh.  Bock 
ausgeführt  wurde,  der  sich  den  ältesten  Künstler  in  Nürnberg  nennt.  Bl.  114»: 
Johann  Jakob  Hübner,  geb.  24.  Mai  1740,  Geschworner  1773.    Im  Öl  gemalt  von 


-     39    — 

J.  E.  Jhle.  Bl.  lloa;  Jakob  Friedrich  Krayl,  Eskadrons-Chirurgus  und  Accoucheur, 
geh.  den  10.  April  17ö2.   Kupferst.  v.  G.  W.  Bock  ISOO. 

Mit  diesem  Stiche  kommen  wir  in  das  19.  Jahrhundert,  nachdem  bei  den 
Nürnberg-ern  Barbierern  und  Wundärzten  das  Interesse  für  dieses  Buch  im  Laufe 
des  18.  Jahrhunderts  g-anz  merklich  abgenommen,  wie  die  verhältnismäfsig  sehr 
g-ering-e  Zahl  der  Bildnisse  dieses  Jahrhunderts  gegen  das  vorhergehende  be- 
kundet. Nun  kommt  nach  einer  langen  Pause  nur  noch  ein  einziges,  das  letzte 
Bildnis,  das  in  sehr  bedeutsamer  Weise  den  Wechsel  der  Zeiten  verkündet;  es  ist 
nämlich  eine  —  Photographie  des  Job.  Matth.  Dünkelmayer,  der  von  1832—1860 
Vorgeher  der  Barbiere  war.  Etwa  100  Blätter,  die  noch  folgen,  sind  leer  ge- 
blieben und  werden  leer  bleiben.  Nicht  lange  dauerte  es,  so  wurde  in  Bayern 
die  Gewerbefreiheit  eingeführt,  das  Handwerk  aufgelöst  und  damit  das  Eigentum 
desselben  zum  Privateigentum  der  damaligen  Mitglieder  des  Gewerbes.  Es  ist 
erfreulich,  dafs  der  Verein,  den  dieselben  sodann  bildeten,  die  Archivalien  des 
ehemaligen  Handwerks  sorglaltigst  aufbewahrt  und  das  Buch  nun  eine  sichere 
Stätte  gefunden  hat. 

Zu  dem  Buche  haben  wir  noch  zu  bemerken,  dafs  Conrad  Schurtz  oder 
Schortz,  wie  er  später  meist  genannt  ist,  der  Stifter  desselben,  es  sich  viele 
Mühe  und  auch  Geld  kosten  liefs,  auch  noch  die  Bildnisse  der  älteren  Ge- 
schworenen des  Handwerks  aufzutreiben  und  sie  dem  Buche  einzuverleiben. 
Der  Künstler,  der  einen  Teil  derselben  gefertigt,  hatte  die  Eigentümlichkeit,  die 
Köpfe,  obgleich  sie  ganz  gut  sind,  im  Verhältnisse  zum  Körper  viel  zu  grofs  zu 
machen,  so  dafs  die  Figuren  manchmal  an  die  Darstellungen  der  modernen 
Witzblätter  erinnern,  bei  welchen  grol'se  Porträtköpfe  von  kleinen  Körperu  ge- 
tragen werden.  Im  Grofsen  und  Ganzen  aber  sind  die  Bilder  ganz  respektable 
Leistungen  der  Nürnberger  Porträtmalerei,  und  es  ist  deshalb  um  so  lebhafter 
zu  bedauern ,  dafs  bis  auf  die  Maler  einiger  der  letzten  Bildnisse  kein  einziger 
der  Künstler,  die  Beiträge  zu  diesem  Buche  geliefert,  sich  als  Verfertiger  ge- 
nannt hat.  Im  Interesse  der  Nürnberger  Kunstgeschichte  des  17.  Jahrhunderts 
wäre  es  gelegen,  die  Verfertiger  der  Bilder  zu  kennen.  Dem  inneren  Werte  des 
Buches  entspricht  auch  die  Ausstattung  des  Einbandes;  die  Goldpressung  des 
Leders  hat  sich  zwar  abgeblättert,  dagegen  zeigen  die  gebuckelten,  durch- 
brochenen, rot  unterlegten  und  gravierten  Eckbeschläge  und  zierlichen  Schliefseu, 
die  von  Messing  und  vergoldet  sind,  noch  den  schönsten  Glanz.  Der  Goldschnitt 
ist  durch  eingeschnittene  Ornamente  geschmückt,  so  dafs  der  Einband  auch  ein 
hübsches  charakteristisches  Denkmal  der  Buchbinderkunst  jener  Zeit  bildet. 

Nürnberg.  HausBösch. 

Der  Todestag  des  Malers  Georg  Penz. 

ufS.  71  von  Band  II  dieser  Mitteilungen  haben  wir  nai-li  diMn  Totengeläut- 
buche  von  Sl.  Srhald  in  der  Bibliothek  des  germanischen  Museums  das 
Todesjahr  des  Georg  Penz  verölfentlicht,  welches  die  Nachricht  I)o|»pt>l- 
mayrs^),  dafs  Penz  l.ööO  zu  Breslau  verstorben  sei,  bestätigte,  und  die  An- 
nahme, sein  Tod  sei  anderwärts  erfolgt,  widerlegte.  Der  betreuende  Eintrag 
lautet  »Jörg  Penntz  moler  zu  Pressla  verschieden.« 

1)  Hislor.  Nachridil  Von  d.  Nürnl)crg.  MalluMiiaticis  u.  Kütistlcni  (NünilKTg  IT^JUi  S.  197. 


—     40     — 

Infolge  eines  Ansuchens,  vvonirig-lich  auch  den  Todestag  des  tüchtigen 
Künstlers  festzustellen,  haben  wir  die  Frage  einer  genauen  Untersuchung  unter- 
zogen, ohne  aber  zu  einem  vollständig  genügenden  Resultate  zu  kommen.  Neu- 
dorfer  in  seinen  Nachrichten  und  Sandrart  in  seiner  »Teutschen  Akademie«  er- 
wähnen Jahr,  Tag  und  Ort  des  Todes  gar  nicht;  auf  Bildnissen  des  Künstlers, 
die  allerdings  erst  im  17.  Jahrhunderte  gestochen  wurden,  ist  seinem  Namen 
in  der  Unterschrift  die  Jahreszahl  1J)74  beigesetzt,  ohne  dafs  angegeben  wäre, 
was  diese  zu  bedeuten  hätte.  Nur  Doppelniayr  gibt,  wie  schon  bemerkt,  das 
Jahr  und  den  Ort  richtig  an.  Das  erwähnte  Totengeläutbuch  enthält  den  Tag 
oder  das  Monat  des  Ablebens  der  aufgeführten  Personen  ebenfalls  nicht,  son- 
dern bringt  die  Verstorbenen  eines  und  desselben  Jahres  nur  immer  in  vier 
Quartale:  »von  Lucie  bis  Reminiscere«,  »von  Reminiscere  bis  Pfingsten«  (Trini- 
tatis),  »von  Pfingsten  bis  Grucis,«  und  »von  Grucis  bis  Lucie.«  abgeteilt.  Georg 
Penz  ist  nun  im  Quartale  »von  Grucis  bis  Lucie«  des  Jahres  15S0  verzeichnet, 
also  in  der  Zeit  von  Kreuzes  Erhöhung,  d.  i.  15.  September,  bis  13.  Dezember, 
und  wird  als  der  sechzehnte  der  in  diesem  Quartale  Verstorbenen  genannt. 
Von  den  fünfzehn  vor  ihm  als  verstorben  Angeführten  —  darunter  als  fünfter 
Hans  Vischer,  der  also  in  der  zweiten  Hälfte  des  September  des  Jahres  1550 
das  Zeitliche  gesegnet  haben  dürfte  —  konnten  wir  von  keinem  den  Todes- 
tag feststellen;  von  den  nach  Penz  angeführten  liefs  sich  erst  bei  dem  fünfund- 
dreifsigsten  »Linhardt  Drechsel  Grofskopf  Schneider  bei  der  parfuserprucken« 
der  Todestag  —  6.  Dezember  —  nach  TrechseP)  ermitteln.  Als  zweiund- 
vierzigste wird  Katharina,  des  Lienhard  Tucher  zweite  Gemahlin,  eine  ge- 
borne  Nützet,  angeführt,  die  am  13.  Dezbr.  1550  verstorben  ist.  Zwischen  dem 
15.  Septbr.  und  6.  Dezbr.  mufs  also  der  Todestag  des  Penz  liegen  und  zwar  in 
der  ersten  Hälfte  dieses  Zeitraumes.  Letzterer  umfafst  82  Tage,  auf  welche  35 
Verstorbene  kommen,  demgemäfs  durchschnittlich  ein  Verstorbener  auf  nicht 
ganz  2V2  Tage.  Nun  ist  Penz  der  sechzehnte  in  der  Reihe,  was  mit  2V2  multi- 
pliziert 40  Tage  gibt,  wovon  wol  noch  2  Tage  abgerechnet  werden  dürfen,  da 
eben  nicht  ganz  2V2  Tage  auf  einen  Toten  treffen.  Rechnet  man  diese  38  Tage 
zum  15.  September  hinzu,  so  erhält  man  als  ungefähren  Tag  des  Eintrages  den 
23.  Oktober.  Nun  ist  aber  Penz  »zu  Pressla  verschieden«;  er  mufs  also  schon 
vor  dem  23.  verstorben  sein.  Bei  dem  lebhaften  Verkehre  zwischen  Breslau 
und  Nürnberg  hat  die  Todesnachricht  sicher  nicht  länger  wie  zehn  Tage  ge- 
braucht, um  nach  letzterer  Stadt  zu  gelangen;  wir  werden  also  kaum  weit  fehl 
gehen,  wenn  wir  den  Todestag  Penz's  in  die  erste  Hälfte  des  Oktobers,  speziell 
in  die  Tage  vom  10.  bis  lo.  Oktober  des  Jahres  1550  verlegen. 

Sicher  hat  sich  die  Wittwe  des  Penz  nach  Empfang  der  Nachricht  des 
Ablebens  ihres  Gatten  beeilt,  ihm  die  letzte  Ehre,  die  ihm  zu  Nürnberg  erzeigt 
werden  konnte,  durch  das  grofse  Totengeläute  zu  St.  Sebald  zu  Teil  werden  zu 
lassen.  Und  dafs  sie  trotz  der  Dürftigkeit,  in  welcher  sie  ihr  Mann  zurückge- 
lassen hatte,  auch  die  Kosten  des  Geläutes  bezahlt  hat,  ist  der  Schlufsbemerkung 
des  Quartals  »von  Grucis  bis  Lucie«  zu  entnehmen,  dafs  von  sämtlichen  ange- 
führten Personen  nur  Magdalena  Pfostin   »nichts  geben«  hat. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 

i)  Verneuertes  Gedächtnis  des  Nürnbergischen  Johannis-Kirch-Hofs  S.  370. 


—    41     — 

Verlobuug  und  Verehclichung  iu  Mruberg  im  16.  Jalirhiiudcrt. 

it  der  Aufsefs'scheu  ßiblioLhek  ist  auch  das  Tag-ebuch  des  Haus  Ölhafen 
zu  Nürnberg  in  das  g-ermauische  Museum  gekommen,  der  nach  Bieder- 
manns Nürnbergischem  Patriziat  als  ein  Sohn  des  Sixt  Ölhafen  den 
16.  März  1320  geboren  wurde,  1534  die  Universität  Wittenberg  bezog  und  bei 
Dr.  Martin  Luther  daselbst  wohnte,  dann  von  1346  an  in  den  Diensten  der  Stadt 
Nürnberg  stand  und  am  14.  April  1S8Ü  gestorben  ist.  Die  Handschrift  besteht 
aus  einer  Reihe  von  ungebundenen  Papierlagen  in  Folio,  die  einstmals  geheftet 
waren,  und  ist  deutlich  und  sauber  geschrieben.  Leider  fehlt  ihr  der  Anfang*; 
das  erste  Blatt  trägt  die  alte  Bezeichnung  11.  Die  alte  Pagiuierung  ist  aber 
nur  bis  30  geführt,  während  die  ganze  Handschrift  heute  133  Blätter,  darunter 
aber  manche  leere  und  viele  nur  teilweise  beschriebene,  enthält.  Hans  Ölhafen 
hat  namentlich  getreulich  über  die  seine  Familie  und  ihn  betreffenden  Ereignisse 
berichtet;  besonders  ausführlich  schildert  er —  er  war  zweimal  verheiratet  —  seine 
Verlobungen  und  Hochzeiten. 

Als  ein  Beispiel,  wie  Verlobungen  und  Verehelichungen  bei  den  Nürnberger 
Geschlechtern  im  16.  Jahrhundert  vor  sich  gingen,  geben  wir  die  Aufzeichnungen 
Ölhafens  über  seine  erste  Verheiratung  nachstehend  getreu  wieder;  iiur  die  Liste 
der  Namen  der  Gäste,  welche  zu  den  verschiedenen  Festlichkeiten  geladen  wur- 
den, lassen  wir  \YQg  und  begnügen  uns  mit  der  Angabe  der  Zahl  derselben. 

Wie  aus  den  nachfolgenden  Mitteilungen  zu  ersehen  ist,  wickelte  sich  die 
Geschichte  sehr  schnell  ab. 

Am  21.  Januar  hat  Haus  Ölhafen  seinen  Geschwistern  und  Verwandten  zu 
erkennen  gegeben,  dafs  und  wen  er  heiraten  wolle;  am  Tage  darauf  spricht  sein 
Vetter  mit  dem  Vater  der  Auserwählten;  wiederum  am  nächsten  Tage  erklärt 
er  sich  der  Jungfrau  und  ihrem  Vater  und  bringt  am  27.  seine  offizielle  Wer- 
bung durch  seine  Vettern  vor.  Am  31.  Januar  fand  auf  dem  Rathause  die  Ver- 
abfassung  des  Heiratskontraktes,  der  Handschlag  oder  die  Lautmärung  statt, 
denen  am  anderen  Tag  ein  Nachtmahl  mit  Tanz  folgte.  Am  6.  und  13.  Februar 
erfolgte  die  kirchliche  Verkündigung  des  verlobten  Paares,  der  am  18.  die 
Heimladung,  ein  Nachtmahl  mit  Tanz  folgte,  wol  in  Erwiderung  des  von  dem 
künftigen  Schwiegervater  gegebenen  Nachtmals  am  Tage  nach  dem  Handschlage. 
Und  am  1.  März  wunle  das  Paar  Mann  und  Frau,  nachdem  von  der  Verlobung 
bis  zur  Hochzeit  nur  ein  paar  Tage  über  fünf  Wochen  verflossen  waren.  Nur 
durch  den  Nürnberger  Brauch,  dafs  neuvermählte  Paare  das  erste  Jahr  ihrer 
Ehe  im  Hause  der  Eltern  der  jungen  Frau  verlebten,  dieses  sich  um  die  Einrich- 
tung eines  Haushalts  also  nicht  zu  kümmern  brauchte,  war  es  möglich,  dafs 
ein  so  kurzes  Verfahren  eingehalten  werden  konnte. 

Hören  wir  nun,  was  Hans  Ölhafen  geschrieben. 

»Anno  1347.  Nachdem  ich  allerley  rays  in  FrannckriMch,  llaliu,  Niderlanndt 
und  Deudtschlanndt  sludirns  und  land  untl  leut  seheus  halben  etc.  verbracht  het, 
und  nach  demselben  adi^)21  januarii  ein  jar  zu  Nuremberg  verharrt  hefte,  bab 
ich  adi  ditto  nach  allerley  vorgethaner  handlung  zwischen  meinem  vettern 
Hannsen  Rieter 2),  brüdern,  swestern  und  andern  guten  freunden 3),  in  dem  namen 

1)  d.  h.  an  dciiisclben  Tage  des  21.  Januar.  2)  Hans  d.  J.  Rieter  von  Kornl)urg 

(geb.  1501,  f  lö59j,  der  .",0  Julire  in  Nünibort,^  zu  Hut  gogangon. 

S)  In  dioseni  Falle  sind  unter  Freunden  diu  Verwandten,  die  Verwandtschuft,  zu  verstellen. 

Mitteilungen  aus  dem  german.  Nationalinusouin.     1893.  VI. 


—    42     — 

Gottes  beschlossen,  mich  nach  götlicher  Ordnung  ut  in  quantiim  posseni  obse- 
querer  Deo  servirem  proximo,  ac  satisfascerera  naturae,  in  den  stand  der  hey- 
ligeu  ehe  zu  begeben.  Hab  darauf,  dieweyl  ich  ein  sonderlich  herz,  lieb  und 
guten  willen  ein  gute  zeyt  getragen  und  noch  het,  zu  des  erbarn  und  weysen 
herrn  Jheronimj  Paunigartners*)  des  kleinern  rats  zu  Nuremberg  eeleybliche 
dochter,  Jungfrau  Sibilla,  gedachten  meinen  vettern  Hannsen  Rieter  desselbigen 
tags  gebeten,  mit  bemelteni  Paumgartner  davon  zu  reden  und  sein  geraüt  zu  er- 
kundigen, und  mir  alsdann  sein  gemüt  gegen  mir  und  dieser  handlung  zu  er- 
öffnen etc.  Solchs  ist  noch  des  tags  geschehen,  ungeverlich  vierthalbe  stund 
nach  mittag,  und  von  ime  geantwort  worden:  er  neme  des  meins  vettern  an- 
bringen etc.  mit  dank  an,  hab  auch  kein  bösen  willen  noch  neygung^)  zu  mir  etc.; 
allein  wolle  er  sich  des  mit  seiner  hausfrauen,  als  mit  der  so  auch  die  dochter 
sey,  unterreden. 

Adi  22.  ditto  ist  egemelter  herr  Jheronimus  Paumgartner  vor  mittag 
wider  zu  meinem  vettern  komen,  im  angezeygt,  dafs  wie  sein  auch  seiner  haus- 
frauen will  und  meynung  ganz  geneygt  gegen  mir  sey,  und  hoffen  es  sey  ein 
sunderlich  geschick  von  Grot,  mögen  darin  wol  handlung  leyden.  Darauf  ist 
von  meinem  vettern  begert  ort  und  zeyt  mich  allein  mit  der  Jungfrau  zu  be- 
sprechen, auch  so  er  wöl,  möge  er  sich  auch  mit  mir  unterreden;  welchs  im 
auch  nit  (zu)wider  gewest. 

Adi  23.  januarii  umb  4  stund  in  der  nacht ß),  bin  ich  beschieden  worden, 
mich  mit  ir  zu  bereden.  Bin  derhalben  um  dieselb  zeyt  komen  und,  nachdem 
ir  vater  und  muter  entwichen,  ungeverlich  diese  meynung  geredt:  Liebe  Jung- 
frau Sibilla.  Es  haben  mich  meine  gute  freund  3)  nach  allerley  vermanuugeu 
entlich  dahin  vermoget,  dafs  ich  von  viler  ursach  wegen,  meinen  willen  entlich 
darein  gegeben  hab,  mich  zu  verheyraten,  und  habe  mir  zu  solchem  unter  andern 
Jungfrauen  euch  erwelet.  Nu  trag  ich  ein  sunder  herz  und  willen  zu  euch  vor 
allen  andern,  und  merk  auch,  dafs  eur  eitern  gemüt  gegen  mir  nit  übel  geneigt 
ist.  Bin  derohalben  nu  zu  euch  komen^  euch  meinen  willen  zu  eröffnen,  und 
bit  euch  darneben  mir  auch  eur  gemüt  gegen  mir  zu  erofnen,  und  wolt  in  eur 
eitern  rath  gar  nit  bewilligen,  es  ziehe  euch  dann  auch  eur  herz  darzu,  und 
wolt  bedenken,  dafs  dieweyl  vil  creuz  und  bekumernus,  auch  mühe  und  arbeyt 
im  ehestand  sey,  dafs  ir  solche  vil  gedultiger  werdt  leyden  konden,  wenn  ihr 
es  mit  der  person  leydet,  die  euch  vor  andern  liebet,  wolt  derhalben,  bit  ich 
nochmals  eur  herz  mir  entdecken,  und  ob  ich  euch  wol  herzlich  lieb  hab,  so 
solt  ir  doch  gewifslich  dafür  halten,  wo  eur  herz  gegen  mir  nit  also  gesynt, 
dafs  ich  euch  eur  solche  anzeygung  in  nichten  wil  lassen  entgelten. 

Darauf  antwort  sy:  ir  wer  meins  gemüts  anzeygung  ganz  angenem,  und 
trüge,  wie  sy  auch  zuvor  irem  vater  und  muter  angezeygt,  ein  sunderlichen 
willen  gegen  mir,  und  wo  solchs  nit  wer,  wolt  sy  es  zu  dem  gesprech  nit  haben 


4)  geb.  1498,  f  1563,  bekannt  als  eifriger  Förderer  der  Lehre  Luthers  und  durch  seine 
im  Jahre  1S44  erfolgte  Gefangennahme  durch  Albrecht  von  Rosenberg. 

5)  Das  Wort  »Neigung«  ist  hier  in  entgegengesetztem  Sinne  seiner  heutigen  Be- 
deutung gebraucht. 

6)  Li  Nürnberg  begann  der  Tag  mit  einer  neuen  Stunde  und  ebenso  die  Nacht;  da  es 
am  23.  Januar  etwa  um  5  Uhr  nacht  wird,  so  entsprechen  die  vier  Stunden  in  der  Nacht 
etwa  der  Zeit  abends  9  Ufu\ 


—    43     — 

koiuen  lassen,  wolte  derhalben,  wo  es  Got  ferner  schicket,  gern  mit  mir  guts 
und  bös  leyden. 

Auf  dieses  antwort  ich:  ich  hofft,  Got  der  ahuechtig  würde  uns  weyter 
zusammenfügen,  den  wolten  wir  umb  gnad  und  segen  anrufen  etc.  —  Reden 
alsdann  auch  von  denzeu  und  andern  etc. 

Indes  käme  obgedachter  Paumgartner  wider  zu  uns  in  das  stüblein,  dem 
zeygt  ich  mein  herz  und  willen  gegen  ime  und  seiner  dochter  an,  und  melde 
darneben:  ich  versehe  mich,  dieweyl  ich  iren  willen  auch  gegen  mir  geneygt 
spüret,  es  würde  ime  und  seiner  hausfrauen  nit  wider  sein,  dafs  wir  etwa 
künftig  ehelich  beyeinander  woneten,  und  wo  ich  solchs  von  ime  anhöret,  wolt 
ich  weyter  darin  handeln  lassen.  —  Darauf  antwort  er,  er  hofft  genzlich,  Got 
schicket  es  sunderlich,  dafs  ich  und  sein  dochter  ein  guten  willen  zusammen- 
trugen, und  zweyfelt  nit,  die  matrimonia  wem  fatalia,  so  het  er  auch  gar  kein 
mangel  an  meiner  person,  wolt  derhalben  Got  bitten,  dafs  er  uns  glücklich  zu- 
sammen hülf. 

No ''),  an  demselben  23.  tag  januarii  ist  es  21  jar  gewest,  dafs  gedachter 
Paumgartner  mit  seiner  hausfrauen  Sibilla,  welche  ein  Dichtlin  von  München^) 
bürtig,  hochzeyt  gehabt  hat. 

Adi  27.  ditto  umb  2^/*  stund  nach  mittag  haben  auf  mein  bit  mein  vetter 
Hans  Rieter,  mein  bruder  Lienhart  Ölhafen  9)  und  swager  LafSlau  Derrer^^)  von 
meintwegen  an  herrn  Jheronimum  Paumgartner,  in  gegenwart  seins  bruders 
herrn  Bernnhartten  Paumgartners ,  herrn  Leon  Schurstabs  ^^)  und  Augustin 
Dichteis  umb  sein  dochter  geworben,  und  ist  mir  dieselbige  nach  wenig  umb- 
stenden,  in  betrachtung  eins  ehrlichen  herkomens  und  erbarn  wandeis  zugesagt 
worden.  —  Hab  derhalben  denselben  abend  mit  ir  geessen  und  sy  mit  einem 
berleiuharpant^^j^  ^glß^t^  i^ij.  yon  meiner  muter  seligen  erblich  zukomen,  verehret. 

Adi  30.  januarii,  haben  herr  Jheronimus  Paumgartner  und  mein  vetter 
Hanns  Rieter  in  meiner  gegenwart  ein  ganzen  rat  auf  volgenten  tag  zu  meinem 
handschlag  gebeten;  und  sein  nachvolgende  gewest,  unter  welchen  die  un- 
gezeichenten  auf  gedachts  Paumgartners,  und  die,  so  mit  einem  kleebletleiu 
bezeichnet,  auf  meiner  seyten  gebeten  worden.« 

(Folgen  nun  die  Namen  von  32  Patriziern,  von  denen  20  mit  dem  Klee])läll- 
lein  bezeichnet  sind.) 

»Mer  sein  von  meinem  bruder  Lienhartten  Ölhafenn  und  swegcrn  Christotfen 
Grolanndt^^)  und  Veytten  Holtzschuher^*)  auf  das  rathaus  zum  handschlag  ge- 
beten worden,  adi  ditto  volgende«. 

7)  Mundartlich  in  Nürnberg  für  »nun«. 

8)  TochliM'  des  bayerischen  Obcranifinanns  Bernhard  Dicblel  von  Didzing,  die  liei  ilirer 
Verinählunj,^  ujil  llieronynius  erst  Ifi  Jahre  zählte. 

9)  Der  ältere  Bruder  Hans  Ullialens,  (geb.  1513,  f  1860,  zu  Leipzig  wohin  er  lBß7  von 
Nürnberg  gezogen. 

10)  Ladisbuis  Dörrer  von  der  Unternbürg,  geb.  den  26.  Aug.  riOO.  f  den  11.  Mai  i;)69, 
ward   verinähll   den  T.'t.  Ukt.   l;):2y  mit  des  Hans  (»ihal'tui  Schwester  Barl)ara  (f  :2().  iMärz  1555). 

U)  geb.  1488,  f  7.  Novbr.  1559.     War  im   Uate  von  1516-1557. 

12)  Einem   mii    L'erb'n   iiesetzlen  Bande,  das  auf  dem   Kopfe  gelragen   wurde. 

l.Sj  Ciiristuf  Grolaud  von  Ödenberg  (]■  ±2.  Mai  1561J  ward  ajn  lü.  Oktober  15S6  vcr- 
niälilt  uiit  Magdalena,  des  Jlan.s  Ölhafen  Schwester,  die  am  6.  März  1547  verstarb. 

14)  Veit  llolzschuher,  geb.  den  15.  Juni  1515,  hatte  am  "11.  Dezbr.  154:2  des  Hans 
Ölhafen  Schwester  Anna  (geb.  21.  Juli  1516,  -l"  den  17.  Mai  1551)  zur  Frau  genoiuinen;  er 
starb  deu  21.  Novbr.  1580. 


_     44     — 

(Folg-en  die  Naiuen  von  56  Herreo,  darunter  neben  solchen  des  Patriziats 
auch  solche  anderer  angesehener,  aber  nicht  ratsfähig-er  Familien.) 

»Auch  sein  ander  person  auf  Jheronirai  Paunig-artners  seyten  beyni  hand- 
schlag  g-evvest  alhie  nit  verzeichent. 

Adi  31.  ditto  umb  2  uhr  auf  den  tag-^^)  bin  ich  auf  dem  rathaus  beneben 
meinem  brudcr  Lienhartten  und  etlichen  svvegern  erschienen,  und  gewart  bis 
ein  erbar  rat  aufg'estanden ;  indes  ist  mir  und  denen,  so  neben  mir  gestanden, 
glück  zum  heyligen  stand  der  ehe  und  neuer  freuntschaft^^)  gewünscht  worden, 
von  ytzgedachten  personen. 

Als  nu  der  rat  aufgestanden,  sein  ytzvermelte  person  alle  neben  herrn 
Jheronimo  Paumgartner  und  mir  in  die  ratstuben  gegangen.  Da  hat  herr 
Lienhart  Tucher  ^')  angefangen  zu  reden,  es  sey  ein  heyrat  in  dem  namen  Gottes 
zwischen  herrn  Jheronimi  Paumgartners  eheleybliche  dochter,  Jungfrau  Sybilla 
und  mir  beschlossen,  und  in  ein  notel  derselben  beding  verfafst  worden,  die 
werde  ytz  verlesen  werden,  und  dem  teyl,  so  dasselb  begert,  urkund  derselben 
von  gericht  erteylt  werden.  Ist  darauf  von  wort  zu  wort,  wie  volgt,  vom 
ratschreyber  verlesen. 

Ich  Lienhart  Tucher  dieser  zeit  an  eins  schulthaissen  stat,  und  wir  die 
schöpfen  der  Stadt  Nuremberg,  bekennen  offenlich  mit  diesem  briefe,  daß  auf 
dato  vor  sitzendem  gericht  erschienen  sind  die  erbern  Jheroniraus  Schurstab 
und  Laßlaw  Derrer,  bürger  und  genannten  des  Innern  und  gröfsern  raths  dieser 
stat,  und  haben  uns  ein  schrift  und  verzeichnus  einer  abred  und  heyratgedings, 
so  am  montag  den  letzten  januarii  nechst  darvor^,  zwischen  dem  erbarn  Hannsen 
Ölhafen  eins,  und  junkfrauen  Sibilla,  des  erbarn  weysen  herrn  Jheronimussen 
Paumgartners,  bürgern,  des  rats  zu  Nuremberg,  eelichen  dochter  anders  teils,  ge- 
macht, aufgericht  und  beschlossen  worden  ist,  übergeben,  und  bey  irem  genann- 
ten aid  angesagt,  daß  dieselbig  dermassen  vor  inen,  als  darzu  in  sonders  erfordert 
und  gebeten  zeugen  erzeugt  worden  wer,  wie  von  wort  zu  werten  hernach 
volgt.  In  dem  namen  uusers  liebsten  herrn  und  seligraachers  Jhesu  Christi  sol 
der  erbar  und  weyß  Jheronimus  Paumgartner,  bürger  und  des  klainern  rats  zu 
Nuremberg,  Jungfrau  Sibilla,  sein  eelich  dochter,  dem  erbarn  Hannsen  Ölhafen, 
weilend  des  erbarn  und  vesten  Sixten  Ölhafens  seligen  nachgelassnen  söhn,  zu 
der  heiligen  ee,  und  ime  zu  ir  zu  zuschatz  und  heyratgut  geben  achthundert 
guldin  in  grober  münz,  sy  auch  klaiden  und  fertigen  nach  eeren,  die  hochzeyt 
verlegen,  und  ein  jar  in  der  cost  halten,  oder  ime  hundert  guldin  darfür  geben, 
auch  ytzo  benannte  sein  dochter  erben  lassen,  als  ein  dochter  nach  dieser  stat 
recht.  Üargegen  sol  vorgenannter  Hanns  Ölhafen  ir  der  gedachten  junkfrau 
Sibilla  hinwiderumb  zu  zuschatz  und  heyratgut  zubringen  und  vermachen  ein 
tausent  guldin  egemelter  werung;  und  welches  under  inen  beden  vor  dem  an- 
dern mit  tod  abgieng,  nachdem  sy  ehlich  beygelegen  weren,  on  eelich  leybs- 
erben,  die  sy  miteinander  gehabt  betten,  so  solten  dem  andern,  das  dannoch 
lebte,   bede   vorgemelte    zuschetz    im   aigenthumb   und   genieß   verfallen    sein 

13)  Die  Sonne  geht  am  31.  Januar  etwa  um  halb  acht  Uhr  auf,  »2  uhr  auf  den  tag« 
ist  also  ungefähr  halb  zehn  Uhr  morgens. 

16)  d.  i.  Verwandtschaft,  s.  3.) 

17)  L.  T.,  geb.  den  13.  Febr.  1487,  f  den  13.  März  1568,  wurde  1544  vorderster 
Losungsherr  und  Reichsschultheifs. 


—     45    — 

und  werden,  gewonnen  sy  aber  erben  miteinander,  die  sollen  erben  nach 
der  stat  reciit  zu  Nuremberg-;  und  geschech  der  fal  an  irae,  also  daß  er  vor 
ir  mit  tod  abg-ieng-  und  leiblich  erben,  die  sy  miteinander  gehabt,  hinder  im 
verliesse,  so  solten  ir  von  beden  zuschetzen  abermaln  im  aigenthumb  und  ge- 
nieß volgen  und  werden  vierzehen  hundert  guldin  Reinisch  berurter  werung, 
darzu  allemal,  in  beden  fälen,  ire  kleider,  cleinot ,  weybliche  zier  und  gepende 
zu  irem  leyb  gehörig,  die  sy  zu  ime  gebracht  und  damit  er  sy  in  eelicher  bey- 
wonung  begäbet  und  verehret  hette,  und  die  überigen  vierhundert  guldin  von 
beden  zuschetzen  sollen  gefallen  und  werden  denselben  ir  beder  kindern.  Und 
was  ir  yglichs  ytzo  het,  oder  in  künftig  zeit  in  geschicks,  erbs  oder  ander  weys 
überkumen  würde  über  vorgemelte  bede  zuschetz,  darmit  möcht  ein  jedes  mit 
sein  ainshand  thun  und  lassen  wie  und  was  es  wolte,  ungehindert  von  dem 
andern  und  sunst  meniglichs  von  seinentwegen.  Und  solcher  beder  zuschetz 
und  Widerlegung  sol  sy  habend  und  gewertig  sein  auf  allem  dem ,  das  er  ver- 
lässt  vor  meniglichen.  Auch  soll  er  sy  nit  benötigen  einlebe  geschefts  noch  auf- 
gebens,  wo  es  aber  darüber  beschehe,  so  solt  es  doch  weder  kraft  noch  macht 
haben,  sunder  von  unwirden  sein.  Zu  urkund  sein  dieser  brief  zwen  gleichs 
lauts  von  gericht  zu  geben  erkannt  und  mit  des  gerichts  zu  Nuremberg  an- 
hangendem sigel  besigelt.  Geschehen  am  freitag  den  vierten  februarii  nach 
Christi  unsers  liebsten  herrn  und  seligmachers  geburt  im  fuufzehenhundert  und 
sibenundvierzigisten  jar. 

Zu  zeugen  dieser  abrede  und  geding  sein  von  Jheronimo  Pauragartner 
Jherouimus  Schurstab  und  von  mir  Laßla  Derrer  erbeten  worden. 

Nach  diesem  fragt  obgemelter  herr  Lieuhart  Tucher  den  Jheronimum  Paum- 
gartner,  ob  er  mir  gedachte  sein  dochter  zur  ehe  zusaget,  das  thet  er  mit  ge- 
gebner band  mir.  Alsdann  fragt  ytzgedachter  Tucher  mich,  ob  ich  gemelts 
Paumgartuers  dochter  etc.  zur  ehe  nemen  wolt,  das  sagt  ich  im,  dem  Paum- 
gartner,  auch  mit  gegebenen  henden  zu.  Darauf  wünschten  sy  uns  beyden 
glück.  Alsdann  gingen  wir  mit  etlichen  herrn  und  freunden  in  der  braut  be- 
hausung  und  ich  verehrt  sy  mit  einem  jungfraurink  und  einer  guldin  ketten. 

Desselben  tags  sein  auf  meiner  seyten  zum  nachtmal  gebeten  worden  vol- 
gende  pcrson.« 

(Nun  folgen  die  Namen  von  31  Herren  und  Damen,  darunter  »Hanns  RieLer 
als  vater  auf  der  hochzeyt  und  sein  braut«,  »Erasnius  Scheillin  als  muter  und  ir 
dochter  Katherina, Jungfrau  auf  der  hochzeyt«,  und  »ChristoiTColer  jungfraugesell.«) 

»Auf  Jheronimj  Paumgartuers  und  also  auf  der  braut  seyten  sein  zum  nacht- 
mal gebeten  worden  herr  Berniihart  Paumgartner  als  vater  neben  herrn  Jhero- 
nimo dem  sweher^^)  und  sein  Hausfrau.  Leo  Schurslab  und  sein  hausfrau,  des 
swehers  swester,  (Jasper  Paumgarlner,  VValthasar  PaiMiigartner,  Casper  Nülzels 
braut,  Jobs!  Hallerin,  Jobsl  Del/liii.  i\.  nuickhelbergcrin.  Kelilz  Paumgarlnerin, 
dischjungl'rau,  Augustin  Dichlel,  Jheronimus  Schurslab,  (jlabriel  Paumgarlner, 
jungfraugesell.  Drey  holierer^''),  calcanf'^''),  2  statknecht,  der  hegela-')  und  sein  luib. 


18)  Swoher  :—.  Schwioj^'orvulor.  19)  Spicllciilf.  .Musikimlcii. 

20)  iJaljjc   oder  BälgelreU-r  bei  Orjjjelii,    in    wcilcrcm  Siiiiu'    in  iSürnltiTg    lu'ulo    noch 
gebräuchlich  für  Jene,  welche  den  Mu.siki'rn  Handreichung  thun,  das  Geld  einsaninieln  u.  s.  w. 

21)  V'orlänzcr,  Sjjruch.Kprecher,    diT  nacli  der  NüriilicrgiT  lloch/eiUsordnun!;  von   l?)(57 
halb  so  viel   Lohn  erhält   als  der  Pfeifer  und  Posuuner.    SchnielliM-Froniniann  li.  Wb.  l,   iOGU. 


—    46    — 

Nach  dem  naclilmal  ist  ein  danz  gehalten  worden,  darauf  sein  die,  so  bey 
dem  mal  g-e\vesen,  hcliben  und  volg-ents  zum  danz  geladen  worden.« 

(Es  sind  sodann  die  Namen  von  40  Damen,  bis  aui'  wenige  alle  dem  Patri- 
ziat angehörend,  verzeichnet,  darunter  nur  zwei  verheiratete.) 

»Sein  gleich wol  nit  all  erschienen,  ist  aber  neben  diesen,  so  erschienen, 
von  ehemennern  und  gesellen  ein  grosser  danz  gewest. 

Adi  16.  l'ebruarii  3  stund  vor  mittemtag  bin  ich  von  Ulrichen  Wißmesser 
nadler  gebeten  worden  (dieweyl  den  nechsten  tag  darvor  sich  ein  jar  geendet 
het,  daß  ime  mein  braut  ein  kind  aus  der  tauf  gehebt  het,  und  ime  nu  der  al- 
mechtig  (iot  wider  ein  Jungen  erben  bescheret)  ime  umb  Gots  willen  ein  ge- 
bornen  heyden  zum  Christen  helfen  machen;  welchs  ich  ungeverlich  drey  stund 
nach  mittag  in  sant  Lorenntzen  kirchen  gern  gethan,  und  ist  im  der  name  Jo- 
hannes gegeben  worden. 

Hab  eingebunden  der  kindbetterin  ein  thaler,  den  weybern  zu  verdrinken 
geschenkt  6  zweifer,  der  wehemutter  oder  hebammen  zwen  patzen,  den  5  kinden, 
so  die  kerzen  getragen  2^2  patzen  2^),  dem  kirchenknecht  zu  Drinkgelt  ein  patzen. 
Obgemelts  kindlein  ist  ungever  eins  viertel  jars  alt  gestorben 2^). 

Adi  ditto  hab  ich  zu  meiner  breut  heymladung,  welche  den  18.  ditto  vol- 
bracht,  volgende  person  laden  lassen,  aus  welchen  die,  so  vorn  mit  dipfelein  ge- 
zeichent,  außenblieben  sein,  die  andern  aber  erschienen.« 

(Diese  Brautheymladung  hat,  wie  sich  weiter  unten  ergibt,  bei  Maximilian 
Ölhafen  (geb.  1512,  f  den  15.  Januar  1557  als  Junggeselle),  dem  Bruder  des  Bräu- 
tigams, stattgefunden;  neben  den  46  sonst  noch  geladenen  Personen  werden 
auch  »Jheronimus  Paumgartner,  sein  hausfrau,  die  braut,  sone  und  döchtercf 
angeführt.     Ausgeblieben  sind  nur  fünf  Personen.) 

«Volgente  sein  adi  17.^^)  februarii  zu  dem  danz  nach  dem  nachtmal  der 
heimladung  die  hernach  verzeichenten  Jungfrauen  geladen  worden,  aus  welchen 
die,  so  mit  einem  dipfelein  gezeichent,  ausblieben  sein.«  (Von  den  52  geladenen 
Jungfrauen  ist  nur  die  Hälfte  —  26  —  erschienen.) 

»Den  6.  und  alsdann  13.  tag  februarii  bin  ich  Hanns  Ölhafen  mit  Jungfrau 
Sibilla  des  herrn  Jheronimj  Baumgartners  dochter  neben  andern  öffentlich  auf 
der  canzel  verkündigt  (worden),  ob  jemand  ein  einspruch  in  die  heyrat  gedecht 
zu  haben,  mit  ermanung  an  die  gemein,  Got  den  almechtigen  zu  bitten,  daß 
er  glück  und  segen  zu  diesem  ehestand  wol  geben,  daß  er  auch  in  seinem  namen 
angefangen  werd  und  wol  gerate. 

Yolgen  die  hochzeytcosten. 

Adi  31.  januarii,  nachdem  die  lautmerung  oder  handschlag  auf  dem  rat- 
haus,  wie  obenbemelt  geschehen  was,  hab  ich  (wie  dann  der  gebrauch)  von  stund 


22)  Es  ist  heute  noch  in  Nürnberg  bei  Taufen  Sitte,  den  Kindern  der  Familie,  der 
Verwandten  und  Freunde  Geldstücke ,  in  Chokoladekonfekt  eingelassen,  zu  schenken,  welche 
den  Namen  Kerzendreier  führen  und  deren  Ursprung  auf  die  Belohnung  der  Kinder,  welche 
bei  der  Taufe  die  Kerzen  getragen,  zurückzuführen  ist. 

23)  Wir  haben  diese  Taufe,  die  scheinbar  mit  der  Vermälung  des  Hans  Ölhafen  nichts 
zu  thun  hat,  um  deswillen  mit  aufgeführt,  weil  zwanzig  Jahre  später,  als  Ölhafen  nach  dem 
Tode  seiner  ersten  Frau  zu  einer  zweiten  Ehe  schritt,  er  zwischen  Verlobung  und  Vorehe- 
lichung  wiederum  zu  Gevatter  gebeten  wurde,  hier  also,  wie  es  scheint,  ein  allgemein  geübter 
Brauch  vorliegt.  24)  Soll  wol  18.  heifscn. 


—    47    — 

an  Sebastian  Welser^^)  ein  goldg-uldin  g-eg-eben,  solchen  armen  leuten  in  g-emeinem 
almusen  zu  gut;  desgleichen  hat  mein  sweher  auch  g;ethan. 

Verehrung  der  braut  gethan. 

Adi  27.  januarii,  vier  Tag  vor  dem  handschlag,  als  die  Werbung  gethan 
worden  was,  und  ich  denselben  abend  mit  der  breut  aße,  verehret  ich  sie  mit 
einem  harpant,  so  an  mich  von  meiner  lieben  muter  seligen  erblich  komen  was. 

Adi  31.  ditto,  als  die  lautmerung  auf  dem  rathaus  geschehen  und  ich  zur 
glückwünschung  beneben  herrn  Bernharden  Paumgartner,  herrn  Leo  Schurstab, 
Lieuhartten  Ölhafen,  Laßla  Derrer,  Christoff  Grolanndt,  Veyt  Holtzschuher  und 
andern  seh  wegern  und  freunden  in  der  breut  haus  gieng,  verehret  ich  sy  mit 
einem  jungfrauring,  der  mit  allen  dingen  werth  war  und  mich  costet  zwenund- 
zweinzig  guldin  an  gold  und  vierzehenthalben  patzen. 

Meer  sy  verehret  adi  ditto  mit  einer  gelegten  ketten,  die  am  gewicht  helt 
sibenunddreissig  guldin  an  gold.  Hab  darvon  zu  machen  geben  drey  guldin 
und  30  ^  müntz. 

Adi  18.  februarii,  als  ich  die  braut  heimgeladen  het,  begäbet  ich  sy  mit 
einer  gürtel  an  des  heftleins  stat,  der(en)  geschmeid,  nemlich  rinken  und  senkel, 
sampt  den  52  spangen  wugen  17  lot  1  qu.,  das  gemacht  lot  für  1  fl  V2  ort  eins  fl, 
thut  19  n  3  %  12  ^.  Dafür  zalt  ich  19  ü  an  patzen  2  «,  24  4.  Jtem  für  2V3  ein 
sammetporten  darunter  (als  unterläge)  1  fl.  7  'tt)9  4. 

Adi  1.  martii  an  dem  hochzeyttag  in  der  kirchen  vor  dem  altar  begabt  ich 
sy  mit  einem  malrink-^),  das  was  ein  demutstein 2'),  der  cost  mich  in  allem  ein- 
unddreissig  guldin  an  patzen. 

Adi  ditto  nach  dem  fruemal  verehret  ich  sy  durch  den  hochzeytlader  mit 
einer  scheurn^sj^zur  morgengab,  so  an  mich  durch  meinen  lieben  vater  seligen 
erblich  komen,  die  was  ungeverlich  50  fl  wert. 

Nach  gehaltener  hochzeyt  schenkt  ich  ir  ein  glitzlete^^)  ketten,  die  wuge 
am  gold  achtunddreissig  goltguldin;  und  gab  davon  zu  machen  drey  guldin 
und  zwelf  pfenning. 

Item  ich  schenkt  ir  ein  sammetes  paret  costent  für  ^/a  sammet        fl    ß    h 

darzu,  die  ein  zu  55  ß  thut 213 

für  24  steft^o),  wegen  5  krona  IV2  ort,  thut 9  11     3 

von  einem  steft  zu  machen  1 V2  patzen,  thut 2    8  — 

für  steft  anzuschlagen  und  für  porten —    3  — 

für  ormasinpoden,  fransen,  schetter^")  und  zumachen  .    .    .       —  13    4 

Summa   .    .       i'i-  10  10 

Dagegen  hat  mich  die  braut  verehret. 

Adi  28.  februarii  schickt  sy  mir  zu  haus  ein  sack,  darinn  was  ein  breul- 

hembd,  hübsch  und  wol  ausgenehet,  davon  sy  37^  fl  geben,  ein  scheertuch^^)^ 

zwei  zwagtücher^^)^  di-ei  fazenetlein^^).    Unil  an  dem  hociizeyllag  in  der  kirchen 

vor  dem  altar  gab  sy  mir  ein  malrink,  darin  was  ein  dcmiil  gefasst.    Auch  zum 

25)  Senator,  geb.  1500,  f  1566. 

26)  auch  MahelrinK,  Mühciring,  Geiniilielring,  Hrautring-. 

27j  Diamant.  28)  Pokal,  HccIum-.  29)  t^liinzonde.  30)  Stiflr. 

31)  Tuch,  da.s  heim  Scheereii  (heute,  Balbierenj  des  IJarlcs  jjehrauchl  wurde. 

32)  llandlüchcr.  SS)  Schiiuiiflücher. 


—     48     — 

handschlag-,  heyinladung',  als  ich  deni  frembden  herrn  Wernnher  Muckhcnihaler 
und  seinen  dechtern  entgegen  geritten,  und  an  dem  hochzeyttag  hat  sy  mir  zu 
yedermaln  ein  kränz  gegeben.  Item  meinem  diener  und  zweyen  knaben  jedem 
ein  hembd. 

Costen  der  heimladung. 

Item  mein  lieber  vetter  Hanns  Rieter,  dem  ich  wenig  tag  zuvor  auf  seiner 
hochzeit   mit   einer   geborncn   Müllin *^)  Jheronimi    Tuchers   seligen    verlassene 

witlib  gedient,   und  Jungfruugesell  gewest  was,  verehret  mich  zur  heimladung 

meiner  breut  mit  einem  rehe  und  dreyen  hasen  fl    ft  /5j 

für  30  Vögel,  je  für  einen  13  ^.  thut 1     4  18 

für  3  enten,  je  umb  eine  53  4,  thut —    5  15 

für  3  par  dauben,  das  par  zu  34  ^,  thut —    3  12 

für  3  h.  speck,  das  h.  zu  14  4,  thut —    1  12 

für  drey  gemcste  koppen^^),  je  für  einen  9  ft.  6  ^,  thut.    .  3    2  12 

für  limoni,  olivi,  pomeranzen —    7  — 

für  91/2  h.  vorha36),  3  h.  pro  1  fl,  thut 3     1  12 

zu  drinkgelt 10 

für  12  h.  hecht  zu  32  4,  thut 1     4  12 

für  5  h.  karpfen  zu  18  ^     —    3  — 

für  8  ma(5  essig,  zu  14  ^  die  ma[5,  thut —    3  22 

für  62  brot,  je  eins  zu  3  ^,  thut —    6  6 

item  für  10  brot,  je  eins  zu  2  4)  thut 20 

item  für  5  dellerbrot,  eins  umb  12  ^,  thut —    2  — 

item  für  wein  an  dem  tag  der  heimladung  und  ein  tag 
darnach,  auch  für  holz  zum  kochen,  für  wachsliecht  und 
allerley  würz  hat  mein  bruder  Maximilian  nichts  nemen 
wollen,  sunder  mir  zu  ehren  aufsein  costen  gehn  lassen, 
dann  solche  heimladung  in  seinem  haus  gehalten  wor- 
den ist. 

Der  köchin  zu  lohn  geben —    4  12 

für  31/2  h.  Zucker  zur  collation^^)  das  h.  zu  42  ^,  thut    .  1     1  12 

der  Hertzin,  so  der  cammer  gewart —    2  12 

den  kirchendienern  von  den  depichen 24 

dem  Michel  Herdegen,  so   die  depicht  aufgeschlagen  und 

gedient —    3  6 

umb  vier  wintliecht,  umb  eins  42  ^,  thut —    5  18 

dem,  so  mir  das  rehe  etc.  von  meim  vettern  bracht  geschenkt  —    4  24 

der  maid,  so  in  der  kuchen  geholfen 18 

Summa  des  costens  so  auf  das  essen  gangen,  ane  das,  so  mir  darzu 

geschenkt,  cost  fl  17  ü  2  ^  1. 

Spill  eut.    Auf  der  heimladung  dem  Organisten  ein  guldin;  dem,  so  die 

pelge  gehebt  hat,  ein  ort  eins  guldins;  dem  Matheysen  N.,  so  die  trometen  ge- 

plasen,  ein  guldin;  dem  Jörgen  N.,  so  auf  der  zwergpfeifen  gepfiffen,  ein  guldin. 

Hege  lein.    Dem  hegelein,  so  den  danz  gefürt,  ein  ort  eins  guldins. 

34)  Katharina,  geb.  1802,  f  1576,  erstmals  vermählt  1331  mit  dem  1S46  verstorbenen 
Mieronymus  Tücher.  35)  Kapaunen.  36)  Forellen.  37)  d.  i.  Nachtisch. 


—    49     — 

Hochz  ey  1 1  ader.     Dem  Bastian  Burrj,   so  auf  die  heimladiing-  geladen 

hat,  geben  ein  par  schuch,  costeut  fünfzig-  pfeuning,  meer  an  münz  ein  halben 
guldin. 

Statknecht.    Dem  statknecht,  so  unter  der  thür  zugesehen  hat,  32  ^ . 

Kleydercostung.  11  ü.^ 

Für  4  ein  sammet  zu  38  ß  thut 7  5  — 

für  ein  doppel  schamlot^s)  zu  einer  einfachen  schauben  ^^j  14  4  6 

für  ein  ganzen  schetter**') 2  4  6 

für  2  zymer  marder  95  thaler,  thut 108  5  — 

meer  für  1  zymer  marder  (helt  40  marder  ^i) 45  —  — 

von  dreyen  zymeru  mardern  zu  lydern^^j 3  —  — 

für  ein  schamlot  über  die  marder 11  4  6 

von  der  schauben  zu  füttern  neben  dem  essen  geben  .    .  —  0  9 

von  beyden  schauben,  zu  machen  geben  von  der  zwifacheu  —  6  9 
und  von  der  einfachen,  dieweyl  sy  mit  schetter  (12  eln^^) 

gefütert  mit  sammet  prempt  und  mit  schnürlein  belegt  12  3 

für  1  ein  schetter  unter  die  gefütert  schauben —  —  24 

item  für  ^k  englisch  tuch  untenrumb —  2  7 

für  4  lot  (minus  1  qt^^^  pintseyden,  das  lot  um  48  ^,  thut  —  6  — 

für  neheseyden —  1  2 

für  34  ein  schnürlein  darzu,  die  ein  umb  5  h.,  LhuL ...  —  2  21 

für  neheseyden —  1  15 

für  3  ein  sammet,  davon  ich  das  leyblein  etc.  hab  macheu 

lassen,  die  ein  zu  38  ß  thut 5  3  18 

für  16  ein  schnürlein  darzu,  die  ein  zu  5  h.,  thut ....  —  1  10 

für  neheseyden —  —  15 

von  dem  sammeten  leyblein,  so  mit  schetter  gefüdert  und 

mit  schnürlein,  belegt  zu  machen —  2  24 

für  4  lot  minus  1  qt.  pintseyden  zur  gefütterten  schauben  —  6  — 

für  7  ein  schwarz  seydenporlen  zu  beyden  schauben    .    .  —  2  10 
für  33/4  ein   seydenarlaß^)   (zum  wammes^^)  die  ein   zu 

23  (5,  thut 4  2  12 

für  ein  ganzen  rieß  parchent 1  4  20 

für  IV4  ein  schwarz  tuch  zu  hosen 1  6  18 

umb  2  futterfeel —  4  20 

van  diesem  par  hosen  und  wammes  zu  machen —  6  9 

für  neheseyden —  —  21 

für  2  par  schuch —  3  19 

Summa  paginae  11.  213  fl.  4  ^  22. 


38)  Schamlot,  Camelot,  ein  Kleiderstofl'. 

39)  Mit  Pelzwerk  gefütterte,  lange,  niünnlidie  Überröcke. 

40)  Lockere,  undichte  Leinwand,  die  durch  Leim  oder  Kleister  steil"  gemacht  wurde. 

41)  Später  beigesetzt.     Am   Kandc  sieht:   »No  aus  den  swenzcn  gelöst  14  ft  dO  .^j.« 

42)  d.  i.  zu  gerben. 

43)  Später  beigesetzt.  44)  Seidenstoff  aus  Arles  in  Burgund. 


Mitteilungen  aus  dem  gurinuu.  Nutioualiiiiiseum.     18*):i. 


VII. 


—    50    — 

n  u  ^ 

für  3^/4  ein  aschefarben  daiiiascal  zum  wuinmes     ....  5  5  8 

lür  IV4  ein  aschefarb  hosentuch      1  6  18 

für  P/4  ein  a.scbefarben  daffet  darunter,  die  ein  pro  1 5  ß,  thut  12  18 

von  diesen  hosen  und  wamnies  zu  machen —  6  9 

für  ueheseyden —  —  21 

für  eiuleg-  und  2  hosenfeel —  4  28 

für  ein  paret  mit,  seyden  püntlein —  7  15 

für  6  ein  weysen  atlas  zu  hosen  und  wammes,  die  ein  pro 

1  thaler,  thut 6  7  G 

für  1^/4  ein  weißen  daffet  unter  die  hosen 1  2  4 

umb  2  futterfeel  unter  die  hosen      —  4  20 

umb  2/3  weyß  lundisch  tuch^^)  unter  der  hosen  atlase     .  —  6  — 

umb.. ^6)  weyß  venedisch  tuch  zu  stumpfen*') 1  4  G 

von  diesen  wcyßen   hosen  und  wammes  g-estept  zu  lohn  14  6 

für  neheseyden —  1  20 

für  2  dutzet  nestel —  —  16 

für  2V4  ein  atlas  zum  leyblein 2  8  10 

davon  zu  machen     —  2  5 

für  neheseyden    und  i^k  ein  Augspurg-er  schetter  unter 

ein  leyblein —  2  2 

den  schneydergesellen  zu  drinkg-elt —  1  8 

Summa  fl.  27  a  2  ^  22. 

Volgents  hab  ich  auf  die  hochzeyt  gekleydet  meius  lieben  bruders  Lien- 
hart  Ölhafens  son  Lienhartteu  *^),  herrn  Jheronimi  Paumgartuers  son  Jheronimum, 
und  meins  bruders  Maximilians  Ölhafens  knecht  Wolffen,  und  für  kleyder  geben 
wie  volgt: 

umb    9    ein    negelefarb    lundisch    tuch    zu    aller  dreien  fl  U  4 

röckhen,  die  ein  zu  9  ft,  thut 9  5  12 

Lilgen  von  bloe  und  geel  ^)  in  die  erbel  zu  sticken     .    .  1  —  18 

für  bloe  und  geelsammet  die  rock  und  hosen  zu  verködern*^)  —  8  — 

von  der  knaben  rock  zu  machen —  3  21 

von  des  knechts  rock  zu  machen —  3  11 

von  der  tuchern  zu  scheren      —  1  19 

umb  2V3  ein  rot  tuch,  inen  zu  hosen,  die  ein  umb  10  ft,  thut  2  9  16 

für  2  ein  geel  futtertuch,  die  ein  zu  48  ^,  thut —  3  G 

für  9V2  ein  roten  ormasin  zu  iren  wammesen,  die  ein  zu 

8  ß  (minus  2  4«)  tiiut 3  6  19 

umb  2  ein  roten  schetter  unter  dye  leib —  2  10 

für  5V2  ein  bloen  und  0^/2  ein  geelen  statzendel  ^i)  inen 

unter  die  hosen,  die  ein  zu  46  4,  thut 2 


45)  Tuch  aus  London. 

46)  der  Platz  für  die  Zahl  ist  nicht  ausgefüllt.  47)  d.  h.  zu  Strüiupfeu. 

48)  Lienhart  ward   geboren  am  7.  Oktobr.  1542,  bei  der  Hochzeit   also   nicht   ganz  4 
Jahre  5  Monate  alt;  er  starb  den  6.  April  1554. 

49)  d.  i.  mit  Lappen  zu  verzieren,  vgl.  Grimm  DWB.  XU,  678. 

50)  Blaue  und  gelbe  Lilien.  51)  Zendel  ist  eine  geringe  Sorte  Tafl'l. 


—    M     — 

für  rieß  parchent  unter  die  wanimes —      6    20 

von  der  knaben  ormasinen  wammes  zu  machen —      3     18 

von  der  knaben  hosen  mit  den  zuteylten  seyden    ....       —      2     10 
von  des  knechts  hosen  und  wammes  zu  machen    ....       —      6      9 

für  4  duizet  nestel —      1      2 

für  einleg- —    —    21 

für  neheseyden —       1     12 

dem  knaben  für  2  par  schuch —      2      4 

dem  knecht  für  ein  par  schuch —      1     20 

den  schustergesellen  zu  drinkgelt —    —    16 

Summa  fl.  25  %  0  ^  18. 
Volgen  meer  hochzeytcosten. 
Einem  eygen  poten,  so  ich  zu  meinen  freunden  Hannsen  Hornnburger  und 
Hannsen  Jag'stheimer  etc.  geschickt  und  sy  auf  die  hochzeyt  geladen  etc.,  neun 
patzen;  dann  er  gen  Rotenburg  an  die  Tauber  geloffen. 

Der  magd,  so  mir  das  breuthembd  bracht,  ein  halben  thaler. 
An  dem  hochzeyttag  dem  schaffer  vom  chor  ein  guldin. 
Musika.      Dem    Schulmeister     bey    sannt    Sebaldt    sampt       11      fb     ^ 
denen,  so  mit  im  in  der  kircheu  ligurate  gesungen     .         9      3    21 

dem  statpfeifer,  so  darzu  geplasen      —      4      6 

dem  Organisten  auf  der  orgel —      2      3 

dem  calcanten —      1      6 

dem  trummeter,  so  in  die  orgel  geblasen —      4      13 

Spilleut.     Au  dem  handschlagtag  dem  Organisten  Nötelein 

sampt  seinen  zweyen  gesellen  jedem  ein  guldin,  thut  .    .        3     —     — 

dem  so  die  pelg  gehebt     —      2      3 

an  dem  hochzeyttag  dem  Organisten  sampt  seinen  dreyen 

gesellen  jedem  anderthalben  guldin,   thut (5     —     - 

dem,  so  die  pelg  gehebt —      4      (i 

an  der  nachhochzeyt  obgemelten  dreyen  jedem  1  fl,   thut        3    —    — 
an   dem  hochzeyttag   dem    drummelschlager    und  pfeifer 

jedem  ein  halben  guldin,  thut i     —     — 

Hege  lein.    An  der  lautmerung  ein  ort,  an  dem  hochzeyt- 
tag ein  halben  guldin  und  an  der  nachhochzeyt  ein  ort,  thut        1     —    — 
Statknechten.    An   der  lautmerung  32  ^,  an  dem  hoch- 
zeyttag zweyen   statknechten  jedem  32  ^,  an  der  nach- 
hochzeyt einem  32  4,  thul —      4      8 

Den  tag  nach  der  hochzeyt,  als  ich  zu  morgens  aufgestanden, 

in  die  kuchen  geschenkt  ein  thaier. 
Item  nach  der  hochzeyt  geschenkt  von  mir  von  neuer  freund- 

schaft  wegen : 
adi  17.  aprillis,  meiner  geschweyhen  ^2)  Barbara  ein  schamlot 
an  Wasser,  bloc  in  rot  gewürkt,  costent  8V2  11  und  (hirzu 

ein   ein   roten  sammet,  costent  2^/2  fl,  thut II     —     — 

Iteni  den   geschweyhiein  ^3)   Regina   und  EliMia   jodem  ein 

sammetes  schleplein,  costend 2      4     12 

52i  d.  1.  SchwHj!;urin.  S3j  den  klciiifii  Scliwägrrinni'ii. 


Adi  25.  jenner  des  1548.  jars  meiner  swiger^)  ein  braun 

sehamlot,  dafür  gab  ich 15    —    — 

Der  breut  geschenkt. 

So  ist  meiner  braut  auf  der  hochzeyt  geschenkt  worden  von  dem  edeln 
und  vesten  Wernher  von  Mugkhenthal  zu  SannderßdorfT,  pfleger  zu  Voburg,  ein 
silberer  vergulter  becher  mit  einer  decken,  wug  1  mark  15  lot  1  f[u.  0  4.  Item 
ein  junger  edelman,  Erhart  von  Muckhenthal,  ein  vergultes  becherlein,  unten 
mit  schellein,  wug  6  lot  2  qu.  0  ^. 

Dem  breutigam  geschenkt. 

Item  mein  swegerin  Anna  Sixt  Ölhefin  zu  Leibtzigkh  ^^)  schenkt  mir  auf  die 
hochzeyt  39  11  16  ß  3  h.,  ein  drinkgeschir  davon  machen  zu  lassen;  darzu  legt 
ich  0  11  6  ß  und  lies  vier  inwendig  und  auswendig  vergulte  magolein^'^)  davon 
machen,  die  wugen  3  mark  3  lot  2  qu.  1  ^. 

Auf  die  hochzeit  sein  volgende  person  geladen  worden,  unter  welchen  die, 
so  mit  einem  dipfelein  gezeichent  außenblieben  sein. 

Zum  fruemal,  auf  meiner  als  das  breutigaras  seyten:  (folgen  neben  der 
Braut  und  dem  Bräutigam,  dem  Sweher  und  der  Schwiger,  die  Namen  von  31 
Personen,  von  welchen  11  der  Einladung  nicht  entsprochen). 

Zum  fruemal  auf  der  braut  seyten:«  (folgen  die  Namen  von  36  Personen, 
von  welchen  24  der  Einladung  Folge  leisteten). 

Zum  Nachtmahl  am  Hochzeitstag  wurden  von  Seite  des  Bräutigams  45, 
von  Seite  der  Braut  32  Personen  eingeladen.  Von  den  ersteren  kamen  38,  von 
den  letzteren  27  Personen. 

Zur  Nachhochzeit  waren  von  beiden  Seiten  58  Personen  eingeladen  wor- 
den, von  denen  nur  drei  weggeblieben  zu  sein  scheinen. 

»Summa  der  hochzeytcosten.  fl  a  ^ 

Auf  dem  rathaus  ein  goltguldin  thut 1  119 

für  ein  jungfrauring  münz 27  2  12 

ein  gelegte  ketten 47  1  22 

für  ein  gürtel 21  1  21 

für  ein  gemalring  münz 31  —  — 

item  ein  scheurn  war  wert 50  —  — 

item  ein  harbant  war  werth  meer  dann  20  tl,  cost  mich    .  17  —  — 

für  ein  glitzete  ketten 48  5  13 

für  ein  paret '  .  14  6  22 

die  heimladung,  so  das  essen  belangt 17  2  1 

den  hoürern  darzu 3  6  28 

für  hochzeytkleydung 265  6  12 

einen  poten  gen  Rotenburg —  5  — 

von  hochzeythembd  drinkgelt. —  4  24 

dem  schaffer  vom  chor 1  —  — 


54)  Sehwieger,  Schwiegermutter. 

55)  Anna,   geb.  Canzler,   vermählt  den  22.  Januar  1532  zu  Leipzig  mit  Sixt  Ölhafen 
(1503—1544),  t  den  3.  Sept.  1574. 

56)  d.  i.  Becher. 


—    53     — 

n    fb    ^ 

dem  Schulmeister  von  der  musica 10      7      - 

den  hofirern  der  hoehzeyt 15      2      ö 

in  die  kuchen 1       1      6 

Summa  .  .  574  4  23 
Mer  dem  hochzeytlader  bey  der  heimladung"  ^/a  fl  und  50  ,^  für  1  par 
schuch.« 

Hans  Ölhafen  hat  nicht  ganz  richtig  addiert,  es  ergibt  sich  eine  von  der 
vorstehenden  etwas  abweichende  Summe,  was  übrigens  auch  bei  den  schon  oben 
mitgeteilten  Rechnungen  voriiommt. 

Der  Hochzeit  folgte  ein  kleines  Nachspiel,  über  welches  Hans  Ölhafen  fol- 
gendermafsen  berichtet: 

»Adi  lö.  may  hab  ich,  beneben  meinem  lieben  s weher,  swiger  und  haus- 
frauen  erfordert,  geschworen,  daß  ich  das  hochzeitbuchleiii  in  nichten  übertreten 
hab,  dann  allein,  daß  ich  an  der  braut  heimladung  zuvil  person  zu  gast  gehabt, 
welchs  ich  von  wegen  meiner  lieben  geswistergit  nit  hab  umbgehen  konden. 
Auch  hab  ich  das  gebot  mit  dem  jungfrauriuk  übertreten,  damit  daß  er  zu  köst- 
lich, dargegen  die  scheurn  zu  gering.  Item  die  gürtet  zu  hoch,  so  man  den 
porten  daran  rechnen  wolt,  doch  an  des  heftleins  stat  geschenkt.  Ist  mir  aber 
von  einem  erbarn  rat  die  straf  erlassen.  Mein  sweher  aber,  darumb,  daß  er 
an  der  nachhochzeit  zu  viel  Jungfrauen  zum  nachtmal  geladen,  umb  2^2  guldiu 
gestraft  worden.« 

Das  junge  Ehepaar  blieb  beinahe  ein  ganzes  Jahr  im  Hause  der  Eltern 
der  jungen  Frau.  Ein  Eintrag  im  Tagebuch  vom  Jahre.  1548  meldet,  wann  das- 
selbe seine  eigne  Haushaltung  begann.  Er  lautet:  »In  dem  namen  der  heyligen 
und  unzertrennten  drifeltigkeit  bin  ich  Hanns  Ölhafen  sampt  meiner  lieben  haus- 
frauen  Sibilla  Jheronimi  Paumgartners  dochter  und  zweyen  magden  an  concor- 
diatag  den  18.  februarii  des  geraelten  jars  (1548)  ein  stund  nach  mittag  in  mein 
behausung  auf  der  vordem  Fulh  gelegen  zu  haus  gezogen;  dieselbige  einige  dri- 
feltigkeit verleyhe  glück  und  gnad  darzu  zu  irem  lob,  und  unser  seelen  heyl, 
amen.« 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


Selbstbiographie  des  Malers  Georg  Christoph  Kiiiiinart  des  Älteren. 

nter  den  Handschriften  der  Merkeischen  Sammlung  im  germanischen 
Museum  beHnd(it  sicii  ein  kleiner  Oktavband.  der  urs[)rünglich  im  Besitze 
eines  Niivodemus  Hofmann  aus  Schweinfurl  sich  befand  und  iliesom  als 
Stammbuch  diente.  Hofmann,  welcher  ein  Gelehrler  (vir  doctissimus.  litenitissi- 
mus)  war,  scheint  in  Königsberg  in  Franken  Stellung  gehabt  zu  haben,  jeden- 
falls lebte  er  dort  in  der  Zeit  von  1G12  —  IBID.  Als  späteren  Besitzer  des  Buches 
finden  wir  Jörg  Ghristofl"  Kimmaiilt  IG20  genannt  und  endlich  dessen  Sohn 
Christian:  »No:  50.  Christian  Eimniart  zugehörig.  KJGS.«  Das  Büchlein  ist  in 
braunes  Leder  gebunden,  zeigt  (jl(tl(l|iressung  und  (iohlschnitt  und  trägt  auf  der 
Stirnseite  die  Jahreszahl  1(512.  Einige  iler  Stammbueiihlätter  sind  mit  Zeich- 
nungen versehen,  die  auf  den  ersten  Hlick  verraten,  dafs  sie  von  Künstlern 
herrühren.    Das  eine  zeigt  ein  brennendes  Gebäude,  Tuschzeichnung,  in  schwarz 


—     34    — 

und  weifs  gehallen.  Die  Flamme  beleuchtet  grell  einen  Flufs  und  läfst  zur 
Rechten  desselben  die  Umrisse  einer  Stadt  erkennen.  Eine  gewölbte  Brücke 
bildet  den  Abschlufs  des  Mittelstückes.  Die  Zeichnung-,  welche  Hott  und  wirk- 
sam entworfen  ist,  trägt  die  Aufschrift:  »Johannes  Schramio  Kouigshofen  1619.« 
Jedenfalls  ist  dieser  Schramm  identisch  mit  dem  von  Naglcr  .Künstlerlexikon 
Bd.  16,  S.  6  genannten  »Schramm,  Johann,  Maler,  arbeitete  um  1640  in  Hasfurt.« 
Auch  wird  er  ein  Verwandter  des  weiter  unten  zu  nennenden  Michael  Schramm  sein. 

Das  zweite  Bild,  Federzeichnung  mit  getuschten  Schatten,  stellt  vier  zwerg- 
hafte Gestalten  dar,  die,  wie  die  erste  Zeichnung,  eine  geschickte  Hand  verraten. 
Als  Künstler  nennt  sich  Hansz  Jerg  Claus  Maler.  1632.  Etwas  näheres  konnte 
ich  über  ihn  nicht  ermitteln.  Zwei  andere,  ilüchtig  entworfene  Federzeichnungen 
haben  zum  Gegenstande  einen  Krieger  und  einen  Räuber.  Die  Namen  der  Künstler 
sind  nicht  genannt.  Endlich  findet  sich  noch  das  Malerwappen  mit  nackter, 
männlicher  Figur  als  Schildhalter  und  der  Unterschrift:  Jobannes  Rull  A. 
1617  (vielleicht  der  von  Nagler  a.  a.  0.  Bd.  14,  S.  38  erwähnte  Künstler  G.  J. 
Ruhl).  Die  übrigen  Stammbucheinträge  sind  ohne  Interesse,  ebenso  die  Re- 
zepte, welche  G.  Gh.  Eimmart  eingeschrieben  hat.  Wol  aber  dürfte  des  letzteren 
Selbstbiographie  zum  teilweisen  Abdrucke  wenigstens  sich  eignen.  Die  Geschichte 
der  deutschen  Kunst  im  17.  Jahrhundert  wird  stets  stiefmütterlich  bedacht,  kein 
Forscher  mag  sich  eingehend  mit  ihr  beschäftigen,  da  sie  unter  wilden  Kriegsstürmen 
keine  Blüten  zu  treiben  vermochte  und  in  Folge  dessen  ein  wenig  erfreuliches 
Aussehen  darbieten.  Aber  dennoch  wird  es  nötig  sein,  auch  sie  allmählich  einer 
eingehenderen  Prüfung  und  Behandlung  zu  unterziehen,  auch  in  ibr  einzelne 
Schulen  und  Kunstzentren  zu  unterscheiden,  die  verschiedenen  Strömungen,  wenn 
sie  auch  noch  so  schwach  und  unbedeutend  fliefsen,  zu  verfolgen.  Daher  liegt  es 
im  Interesse  der  historischen  Forschung,  dafs  alle  zerstreuten  Mitteilungen  über 
Künstler  und  Kunstwerke  jener  Epoche  gewissenhaft  gesammelt  werden,  um 
einem  späterem  Bearbeiter  als  Material  zu  dienen.  Besonders  sind  es  mit 
geringen  Ausnahmen  die  Künstler  selbst,  ihre  Namen  und  Geschicke,  über  die 
unsere  Nachrichten  nur  sehr  dürftig  sind. 

Yon  Georg  Ghristoflf  Eimmart  dem  Älteren  wissen  wir  bisher  nur,  was 
Sandrart  und  Nagler  über  ihn  berichten.  Ersterer  schreibt  (Teutsche  Akademie 
I.  Hauptt.,  IL  Teil,  Buch  3,  S.  373):  »Georg  Christof  Eimart  der  Elter  war  zu 
Regenspurg  wohnhaft,  auch  als  der  erfahrenste  Maler  in  Öl  und  Wasserfarben, 
wie  nicht  weniger  in  der  Architektura  und  andren  hierzu  gehörigen  Zierlich- 
lichkeiten  und  Wissenschaften  daselbst  berühmt.  Er  malte  viel  Coutrafäte  in 
LebensgröCse  und  Figuren,  auch  Kuchenspeise,  Fleisch,  Fische  und  Geflügel  nach 
dem  Leben:  derer  sonderlich  bei  Ihr.  Hochfürstl.  Durchl.  zu  Freysing,  auch 
anderwärts,  viele  zu  sehen  sind.  In  Landschaften,  auch  Miniatur,  hat  er  viel 
verrichtet,  und  wäre  selbiger  Stadt  seine  Wissenschaft  lange  Jahre  zu  Diensten: 
voraus  bei  dem  Wahl-Tag  des  Römischen  Königs  Ferdinandi  IV.  höchstseeligen 
Andenkens:  da  er  auf  sich  nähme  die  zum  Einzug  verlangte  Ehrenpforten  zu 
machen,  die  er  auch  ganz  zierlich  inventirt  und  wol  ordinnirt  mit  gemalten 
Emblematibus,  grossen  Bildern  und  anderer  Bezeichnung:  wordurch  er  sein  Lob 
merklich  bei  hoch  und  niederen  Stands-Personen  vermehret.  Er  wufste  sieh 
hiermit  beliebt  zu  machen  und  erreichte  ein  ziemliches  Alter,  verschiede  allda 
zu  Regenspurg  A.  1663  und  hinterließe  etliche  Kinder:   darunter  3  Söhne,   die 


—    55    — 

alle  zu  Studien,  KuusL  und  Tug-eud  geueigl  sind,  wie  dann  schon  von  dem 
ältesten  Sohn  Georg-  Christof  Eimart  an  seinem  Ort  g-edacht  worden.  Der  andere, 
g'enaunt  Matthäus,  wartet  seiner  Profession  zu  Regensburg-  ab.  Der  dritte, 
Namens  Christian,  befindet  sich  bereits  viel  Jahre  in  Italien  und  ist  nunmehr 
zu  Rom,  um  durch  mehrere  Erfahrenheit  sich  zu  perfectioniren.«  Diesen  Bericht 
erg-änzt  Nagler  (Künstler-Lexicon  Bd.  4,  S.  96)  nur  insoweit,  als  er  noch  er- 
wähnt: »In  Kirchenstücken  war  Eimart  besonders  g-ut  und  auch  im  Landschafts- 
fache war  er  g-eübt.  .  .  Eimart  hat  auch  in  Kupfer  g-estochen;  uebeu  andern 
drei  gTofse  Thesen  und  die  Heimsuchung-  Maria.  Einig-e  seiner  Bildnisse  wurden 
von  anderen  Künstlern  g-estocheu«.  Als  Todesjahr  g-ibt  er  mit  Sandrart  fälsch- 
lich 16(33  au,  über  Jug-eudzeit,  Lehrmeister  etc.  des  Künstlers  erfahren  wir  von 
ihnen  nichts.  Da  kann  nun  ergänzend  und  bisweilen  berichtig-end  die  kurze, 
tag-ebuchartig-  g-eführte  Lebensbeschreibung-  eintreten,  wie  sie  der  Künster  selbst 
uns  hinterlassen  hat. 

»Anno  Christi  1603  an  S.  Nicolauy  abend  bin  ich  Jörg-  Christoff  Eimmardt 
auf  diese  weit  g-eboren  worden.  Mein  vater  ist  gewesen  der  ehrbar  und  kunst- 
reiche Christoff  Davit  Eimmardt,  burg'er  und  maier  zu  Künig-sperg-  in  Franken, 
mein  mutter  Khunig-unde,  ein  g-eborne  Strübin  mit  namen.  Meiu  düt  (Pate) 
ist  g-eweseu  der  ehrbare  und  mannhafte  Jörg-  Nabel,  burger  und  back  in  ge- 
dachten Khönigsperg. 

Anno  1616  bin  ich  von  meinem  Stiefvater  und  lieben  multcr  seeligen  nach 
Hasfurt  gethan  worden  zu  dem  ehrbaren  und  kunstreichen  herren  Michael 
Schräm,  burger  und  maier  daselbst,  vor  einen  lehrjungen  auf  vier  jähr  laug 
versprochen  worden,  welche  ich  Gott  lob  ehrlich  erlernet  und  nach  gedachten 
lehrjahren  noch  ein  jähr  und  3  monate  vor  einen  gesellen  gearbeitet  und 
daselbst  verblieben. 

Anno  1622  bin  ich  zum  ersten  mal  nach  Regenspurg  kommen  zu  dem  ehr- 
baren und  kunstreichen  Hermann  Wivernitz,  burger  und  maier  allhie. 

Anno  1629  den  11.  april  hab  ich  allhier  umb  das  burgerrecht  angehalten. 
Meine  beistand  sein  gewesen  der  ehrbar  und  kunstreich  Hanns  Chuntz,  burger 
und  goldschmied  allhie,  Hermann  AYivernilz,  nuiler,  und  ülerich  Urair.  orgel- 
macher,  auch  burger  allhie. 

Anno  1629  den  24.  septem.  hab  ich  mein  lieiraLtag  (Tag  des  Ehevertrages) 
gehalten  mit  der  ehr-  und  tugendsamen  Jungfrau  Ursula,  des  ehrbaren  und  kunst- 
reichen Hanuseu  Chuntz,  burger  und  goldschmied  allhie,  und  Ursula,  seiuer 
hausfrau,  ehliche  tochter. 

Den  4.  Oktober  anno  1629  hab  ich  meine  hochzeit  gehalten  in  der  Lantz- 
huter  herberg  bei  den  herreu  Dosseu,  gastgeber.« 

Am  25.  Okt.  1630  wird  ihm  eine  Tochter  geboren,  die  den  Namen  Rosiua 
Sofia  erhält,  aber  bereits  am  9.  Aug.  1632  stirbt.  Ebenso  stirbt  die  zweite,  am 
6.  Sept.  1632  geborene  Tochter,  Anna  Rosina,  im  Alter  von  4  Monaten. 

Am  18.  Dez.  1633  wird  ihm  ein  Sohn  geboren,  der  auf  den  Namen  Hans 
Georg  getauft  wird.  Pate  ist  Apotheker  Ambrosius  Gesner.  Dieser  Sohn  koiiuiit 
am  22.  Mai  1645  in  die  Lehre  zu  dem  Buchbindermeister  Georg  Sigmundt 
Ereisinger.     Der  Vater  mufs  40  11.  Lehrgeld  zahlen,   wovon  20  11.  sofort  zu  er- 


—    50     — 

iej^en  sind,  ausserdem  SVa  fl.  »zu  vertrinken.«  »Golt  geh,  daß  es  gut  an- 
gelegt sei.« 

Frau  Ursula  stirbt  am  12.  Aug.  1634  an  der  Pestilenz. 

»Anno  163Ö  den  30.  martzi  hab  ich  mich  durch  Schickung  Gottes  in  ehliche 
lieb  eingelassen  mit  der  ehr-  und  tugendsamen  Jungfrau  Ghristina,  des  ehrn- 
festen  und  wolgeachten  herren  Dainian  Banß,  burger  und  des  rats,  auch  Rüm. 
kay.  ma.  maulamtverwalter  zu  Ens  in  Oberüsterreich  seeligen  und  Catharina 
seiner  ehliuhen  hausl'rauen,  der  zeit  wittib,  ehliche  tochter,  welche  anno  1609 
den  7.  november  von  gedachten  ihren  lieben  eitern  geboren  und  erzeuget  worden. 

Anno  1635  den  20.  april  hab  ich  mit  der  obgedachten  Jungfrau  Christina 
Ban(5in  mein  hochzeit  gehalten  in  meiner  behausung  in  der  Schreinergassen, 
sonsten  Buch  veiter  Straß  genannt,  und  sind  von  M.  Donauer  cobelirt  (copuliert) 
worden,  dieweil  ich  schwachenthalb  nicht  aus  dem  haus  gedörft.« 

Aus  dieser  Ehe  entsprofsten  folgende  Kinder: 

1)  Regina  Christina,  geb.  am  25.  Hornung  1636.  Sie  verheiratete  sich  am 
2.,  resp.  am  19.  Juni  1654  mit  dem  bekannten  Kupferstecher  Jakob  von 
Sandrart,  dem  Neffen  des  Herausgebers  der  TeuLscheu  Akademie.  Er 
siedelte  1656  mit  seiner  Familie  nach  Nürnberg  über. 

2)  Amprosius  Christofferus,  geb.  23.  Juni  1637,  f  11.  Febr.  1638. 

3)  Jörg  Christoff,  geb.  22.  Aug.  1638.  Derselbe  wurde  Maler  und  Kupfer- 
stecher, lernte  bei  J.  Sandrart  und  liefs  sich  in  Nürnberg  nieder.  Er 
starb  1705. 

4)  Matthäus,  geb.  29.  Mai  1640. 

5)  Christian,  geb.  22.  Juli  1642. 

Die  beiden  letztgenannten  wurden  ebenfalls  Maler  (siehe  oben).  Bei  Ge- 
legenheit der  Taufe  Christians  erwähnt  Eimmart  den  Brand  der  S.  Emmerans 
Kirche  (1.  Aug.  1642). 

Am  17.  Juli  1654  stirbt  seine  Hausfrau  Christiua.  Doch  der  51  jährige 
hält  den  Witwerstand  nicht  lange  aus.  Noch  im  selben  Jahre  verspricht  er 
sich  zum  dritten  Male.  »Anno  1654  den  30.  November  hab  ich  mich  durch 
sonderbare  Schickung  Gottes  zum  dritten  mal  in  ehliche  lieb  eingelassen  mit 
Jungfrau  Maria  Salome,  des  ehrbaren  Wolf  Erst  (?)  gewesenen  cassendiener  all- 
hier  und  Anna  seiner  ehewirtin  geweste  ehliche  hinterlassenen  tochter. 

Anno  1655  den  16.  januari  darauf  mein  hochzeit  gehalten.« 

Soweit  reichen  die  Aufzeichnungen  Georg  Christof  Eimmarts.  Sein  Sohn 
Christian  fügt  hinzu: 

*Anno  1658  den  18.  September  ist  unser  herzlieber  vater  Georg  Christoph 
Eimmard,  bürger  und  kunstmaler  allhier  zu  Regenspurg,  selig  in  dem  herrn 
entschlafen  zwischen  2  und  3  uhr  nachmittag,  deme  Gott  in  der  erden  eine 
sanfte  ruhe  und  am  jüngsten  tag  eine  heilige  auferstehung  verleihen  wolle. 
Amen.« 

Nürnberg.  Franz  Fuhse. 


—     57     — 

Die  Briefbücher  der  Grafen   Hau«;   und   Franz   €hristo|»h   Kheveuhüller, 

österreichischer  (lesandteii  am  spanischen  Hofe. 

ier  Anzeig-er  des  germanischen  Museums  hat  im  Mai-Juni-Heft  dieses  Jahres 
die  wertvolle  Erwerbung-  verzeichnet,  welche  das  Archiv  des  Museums 
in  den  BriefbUchern  der  beiden  Grafen  Hans  und  Franz  Christoph  von 
Khevenhüller  gemacht  hat.  Es  sind  13  in  Schweinsleder  g-ebundene,  starke  und 
wolerhaltene  Bände,  welche  den  gesamten  Briefwechsel  der  beiden  Grafen,  so- 
weit derselbe  sich  auf  ihre  amtliche  Stellung  als  Botschafter  des  Hauses  Öster- 
reich beim  spanischen  Hofe  bezieht,  umfassen.  Die  ersten  sechs  Bände  enthalten 
die  Korrespondenz  des  Grafen  Hans  in  896  Briefen,  Berichten  u.  s.  w.  auf  4172 
Seiten  in  ununterbrochener  Reihenfolge  vom  Jahr  lo7i— 1605.  Dann  kommt  die 
Lücke  bis  zum  Jahr  1617,  in  welchem  Franz  Christoph  als  aufseronlentlicher 
Gesandter  nach  Madrid  geschickt  ward,  dessen  Briefe  30G4  an  der  Zahl,  in  sieben 
Bänden,  auf  3941  Seiten  sich  über  die  Jahre  1617—1625  erstrecken;  doch  fehlen 
leider  die  beiden  Bände  der  Jahre  1620  und  1622. 

Über  die  Geschichte  des  Geschlechtes  der  Khevenhüller  verweisen  wir  auf 
das  Werk  von  Bernhard  Gzerwenka,  Die  Khevenhüller,  Wien,  1867,  mit  der 
Bemerkung^  dafs  derselbe  die  in  Rede  stehenden  Briefbüeher  nicht  erwähnt. 
Überhaupt  sind  dieselben  bisher,  wie  es  scheint,  fast  nicht  benutzt.  Verwertet 
sind  sie  in  den  Annales  Ferdinandei,  dem  grofsen  gleichzeitigen  Geschichtswerke 
des  Grafen  Franz  Christoph  Khevenhüller  durch  diesen  selbst  i).  Ferner  hat 
Hammer-Purgstall  in  seinem  »Cardinal  Khlesl«^)  unter  den  etwa  1000  Briefen, 
Staatsschreibeu ,  Relationen,  Gutachten  des  Kardinals,  die  er  als  wertvollsten 
Teil  seines  vierbändigen  Werkes  demselben  angehängt  hat,  die  an  die  Grafen 
Khevenhüller  gerichteten  Briefe  des  Kardinals  unter  der  Bezeichnung  »Kheven- 
hüllers  Berichtecf  abgedruckt.  Vermutlich  hat  er  die  Briefbücher  gekannt  und 
hierbei  benutzt;  falls  ihm  statt  derselben  die  Originale  vorgelegen  hätten,  würde 
er  jedenfalls,  wie  bei  den  übrigen  abgedruckten  Urkunden,  statt  der  Bezeichnung 
»KhevenhüUers  Berichte«  das  Archiv  angegeben  haben,  in  welchem  das  be- 
treffende Original  sich  bellndet.  Doch  handelt  es  sich  nur  um  die  allerdings 
besonders  interessanten  Briefe  des  Kardinals,  nicht  um  die  Schreiben  der  Grafen 
an  KleseP).  Die  Anzahl  der  hier  benutzten  Briefe  ist  jedenfalls  eine  verschwin- 
dend kleine  im  Verhältnis  zu  den  etwa  4000  Schreiben  der  Briefbüeher. 

Weder  Gindely  in  seiner  Geschichte  des  30jährigen  Krieges,  noch  v.  Bezoid, 
Lossen,  Ritter  in  ihren  einschlagenden  Werken  (hun  dieser  Briefbüeher  Erwäh- 
nung. Von  den  kleineren  Aufsätzen  von  Jodok  Stülz  ist  uns  nui-  die  Abhand- 
lung im  Archive  für  Kunde  österreichischer  Geschichtsquellen,  Jahrgang  1850. 
Band  1 :  »Die  Jugend-  und  Wanderjahre  des  Grafen  Franz  Christoph  v.  Kheven- 
hüller nach   seineu   eigenen  Aufzeichnungen«   zu  Gesicht  gekommen.    Auch  er 


1)  Für  die  nachstchond  abj^cdruckleii  Stücke  komiiicii  die  Ann.  Ferd.  nur  an  einer 
auf  den  lierzoj?  von  Leruia  bezüglichen  Stelle  ^s.  iSr.  Üi)'!  Auni.  Hu)  in  i?elr;nlit.  Aul'serdeni 
vergi.  Annj.  46. 

2)  Khlesl's,  des  Cardinais,  Direktors  des  gelieinien  Cabinetes  Kaisers  Matliias,  Leben. 
Beschrieben  von  Ilanuner-Piirgstall.    4  Bände.     Wien   l.S'i7     liS?il. 

S)  Wach  Haninier-I'urjxstall  ha!  dann  wieder  Kersclibauriier.  (lardinal  Kiesel,  Wien  lt<6f5, 
dieselben  Briefe  verwertet  und  unter  der  He/eichniini(  •llanuin'r,  Irkunden«  zilierl. 

Mitteiliingoii  aus  dem  gcrmaii.  Nutioiiulmu.sciiin.     1893.  VIII. 


—     d8    — 

bezieht  sich  nur  uui  die  Anualeu  und  scheint  die  Briefbücher  nicht  gekannt 
zu  hüben*). 

Wie  es  gekommen  ist,  dufs  die  Briefbücher  so  wenig  gekannt  und  benutzt 
worden,  ist  eine  Frage,  die  hier  übergangen  werden  mag.  Dafs  die  sechs  Bücher 
des  Hans  Xhevenhüller  schon  vor  lü21  durch  den  Principe  de  Gastillan  von 
Madrid  nach  Mailand  weggeführt  waren,  und  dafs  Franz  Christoph  seinem  Haus- 
hofmeister Theodor  Hartmann  den  Auftrag  gab,  auf  seiner  Heise  nach  Wien  sich 
zu  Mailand  in  den  Besitz  dieser  Bücher  zu  setzen,  die  vermöge  Testaments 
immer  beim  Majorat  aufbewahrt  werden  sollten,  und  sie  dem  rechtmäfsigen  Be- 
sitzer zuzustellen,  erwähnt  Gzerwenka  a.  a.  0.  S.  363.  IJie  weiteren  Schicksale 
der  Bücher  mögen  hier  ununtersucht  bleiben. 

Die  Frage,  auf  die  es  ankommt,  ist  die  nach  den  Originalen  der  in  den 
Briefbüchern  kopierten  Schreiben,  Berichte,  Gutachten  u.  s.  w.  Es  ist  von  vorn- 
herein anzunehmen,  dafs  eine  gröfsere  oder  kleinere  Anzahl  der  Originale  in 
verschiedenen  Archiven  noch  vorhanden  ist.  Der  Wert  eines  viele  zerstreute 
Stücke  zusammenfassenden  Xopialbuchs  wird  nun  freilich  auch  in  dem  Falle 
nicht  vernichtet,  dafs  selbst  alle  Originale  noch  existieren.  Indessen  glauben 
wir  auf  Grund  eines  Umstandes  mit  Recht  anzunehmen,  dafs  von  den  in  unseren 
Briefbüchern  enthaltenen  Schreiben  nur  ein  verhältnismäfsig  geringerer  Teil 
noch  im  Original  sich  vorfindet.  Die  Archivbestände  des  kais.  und  kgl.  Haus-, 
Hof-  und  Staatsarchives  in  Wien  enthalten,  wie  uns  mitgeteilt  wird,  ungefähr 
5oO  Originalberichte  der  beiden  Haus  und  Franz  Christoph  Khevenhüller  aus 
der  Zeit  von  lo71— 1625,  wobei  z.B.  auf  die  Jahre  1617  und  1613  31  solcher 
Berichte  kommen,  eine  geringe  Zahl  im  Verhältnis  zu  den  4000  Nummern  un- 
serer Bücher. 

Dürfte  es  somit  ein  empfehlenswertes  Unternehmen  sein,  eine  umfassende 
Publikation  des  Gesamtbestandes  der  eine  so  wichtige  Zeit  umfassenden  und 
politisch  so  bedeutende  Verhältnisse  darstellenden  Protokolle  der  beiden  Grafen 
zu  bewerkstelligen,  ein  Unternehmen,  welches  auch  anderen  in  derselben  Rich- 
tung sich  bewegenden  gröfseren  Arbeiten  nicht  zuwider  laufen,  sondern  dieselben 
vielmehr  unterstützen  würde,  so  kann  zur  Zeit  und  an  dieser  Stelle  doch  nur 
eine  gewissermafsen  probeweise  und  dem  Stoffe  nach  sehr  beschränkte  Auswahl 
aus  der  Fülle  des  interessanten,  in  den  Briefbüchern  aufbewahrten  Materials 
gegeben  werden.  Es  mögen  die  nachfolgenden  Blätter  den  zahlreichen  Freun- 
den und  Gönnern  des  germanischen  Museums  zum  Zeugnis  dienen ,  dafs  ein 
wichtiges  Denkmal  deutscher  Geschichte,  welches,  in  den  Handel  gelangt,  leicht 
für  seinen  Zweck  hätte  verloren  gehen  können,  nunmehr  im  Archiv  des  Museums 
eine  sichere  Stätte  erhalten  hat,  wo  es  wissenschaftlicher  Forschung  zugänglich 
bleibt. 

Wenn  wir  nun  diejenigen  Stücke  vorlegen,  welche  sich  auf  den  Ausbruch 
des  böhmischen  Aufstandes,  des  dreifsigjährigen  Krieges  und  auf  die 


4)  Die  erwähnte  Abhandlung  beginnt:  »Von  der  Handschrift,  welcher  die  nachfolgen- 
den Nachrichten  entnommen  sind,  haben  wir  schon  früher  —  im  (Linzer)  Museal-Blatt  1839, 
Nr.  1  —  gesprochen.  Uns  darauf  beziehend,  schreiten  wir  allsoglcich  zur  Sache.«  Uns  ist 
das  Linzer  Museal-ßlalt  niclit  zugänglich  gewesen.  Die  in  Rede  stehende  Handschrift  hat 
jedenfalls  nichts  mit  den  Briefbüchern  zu  thun. 


—    59     — 

dem  Kaiserhaus  von  dem  so  nahe  verwandten,  politisch  mit  demselben  in  engster 
Verbindung'  stehenden  spanischen  Hofe  gewährte  Hülfe  beziehen,  —  eine  Ver- 
bindung- und  eine  Hülfleistung,  welche  in  den  sie  begleitenden  Verhandlungen 
und  der  Art  ihrer  Ausführung  die  schwierige  Lage  des  Kaiserhauses  veran- 
schaulicht, welche  fast  in  einer  Abhängigkeit  von  den  spanischen  Verwandten 
bestand,  wie  dasselbe  nach  den  eigenen  AuCserungen  des  Kaisers  seinen  eigenen 
Unterthanen  gegenüber  sich  in  einer  »Servitut«  befand,  —  so  greifen  wir  einen 
gewifs  allgemein  interessanten  und  auch  einigermal'sen  in  sich  begrenzten  Teil 
der  Protokolle  heraus.  Im  einzelnen  kann  die  Auswahl  immer  nur  eine  in  ge- 
wissem Sinne  willkürliche  sein.  So  geben  wir  des  Zusammenhangs  wegen  auch 
die  dem  östreichischen  Botschafter  zu  seiner  Information  zugeschickten  Ab- 
schriften der  Berichte  der  kaiserlichen  Statthalter  in  Prag  (Nr.  398—400).  Wir 
unterlassen  es,  die  an  sich  besonders  bedeutsamen  Schreiben  des  Kanlinals  Kiesel, 
da  dieselben  schon  in  Hammer-Purgstall  abgedruckt  sind,  hier  noch  einmal 
wiederzugeben.  Auch  ohne  dieselben  tritt  durch  die  Briefe  des  Kaisers,  des  Erz- 
herzogs bezw.  Königs  Ferdinand,  durch  die  Memorialien  des  Grafen  Khevenhüller 
selbst  die  Lage  deutlich  hervor.  Wir  erkennen  einerseits  die  schwierigen  und 
unerquicklichen  Verhältnisse  am  östreichischen  Hofe,  Schwäche,  Geldmangel, 
innere  Spaltung  und  Intriguen,  die  von  Ferdinand  und  Erzherzog  Maximilian 
bekämpfte  Stellung  Kiesels,  des  eigentlichen  spiritus  rector  der  Politik  des  Kaisers 
bis  zu  seinem  Sturz ,  wir  erkennen  auf  der  anderen  Seite  den  Karakter  des 
spanischen  Hofes  (Nr.  618,  619,  694,  698),  die  Gemessenheit,  die  Langsamkeit 
seiner  Bewegungen,  z.  B.  in  der  Verwendung  der  Armada,  den  guten  Willen 
des  Königs,  die  Sympathie  der  verstorbenen  »heiligen«  Königin  für  das  Kaiser- 
haus, das  »sollicitiern«  der  Erzherzogin  Margarete,  der  Schwester  des  Kaisers 
Mathias,  welche  im  Kloster  Des  Calcas  in  Madrid  lebte,  die  heimlich  minierende 
Thätigkeit  des  dem  Hause  Ostreich  keineswegs  freundlich  gesinnten  mächtigen 
J\Iinisters,  des  Kardinals  Herzog  von  Lerma,  und  seines  Sohnes,  des  Herzogs  von 
Uzeda,  welche  beide  »nicht  trauen  und  lieber  wollen,  dal's  das  Geld  im  Lande 
bleibe«,  endlich  die  aufopfernde  Arbeit  Khevenhüllers  selbst^). 

Vieles  ist  in  Ziffernschrift  geschrieben''),  namentlich  der  Briefwechsel 
Khevenhüllers  mit  seinem  Schwager  Franz  von  Eggen berg,  dem  Haushofmeister 
und  Vertrauten  König  Ferdinands.  Die  chitfrierten  Stelleu  beziehen  sich  meistens 
auf  die  verdächtige  Haltung  des  Herzogs  von  Lerma  und  seines  Sohnes.  Was 
den  Inhalt  der  ausgewählten  Stücke  selbst  betritt!,  so  ist  unsere  Absicht,  sie 
möglichst  für  sich  selbst  sprechen  zu  lassen.  Wir  begnügen  uns  deshalb  mit 
einer  getreuen  Wiedergabe  dersellien  und  li(!sclu-änkon  uns  auch  in  i\en  An- 
merkungen auf  das  zum  Verständnis  notwendigste  Mals.    Hier  soll  nur  rin  llin- 


5)  Ders(ill)e  aibrilclc  init  Einsetzung!:  seines  Verniötccns.  Melircrc.  seiner  SrtiroiltiMi 
an  Kardinal  Kiesel  liandcin  von  seinem  nickstiindigen  Gehalt,  von  welchem  er  iiaih  drei- 
jähriger Amlsrüliriiiij,^  aufscr  8000  II.  bei  seiner  Ahreisc  keinen  Kreuzer  erhallen  halle  i^iSlülz, 
a.  a.  ü.  S.  äl-i.)  Von  seiner  eitrigen  und  fruehtliaren  Tiiiiligki'it  ^'\Ul  er  seiltsl  das  hcsle 
Bild  in  dein  unten  abgedruckten,  in  meiirliuher  Beziehung,  auch  in  BelrelT  der  allgemeinen 
Lage  interessanten  Bericht  Nr.  K99.     Vergl.  auch  JN'r.  4i>y  "und  027. 

6j  Von  dieser  ZilTernschrift,  die  wechselnd  und  verschiedenartig  ist  und  deren  Sclilüssel 
zu  linden  nicht  immer  leichl  war,  denken  wir  in  einem  besonderen  Arlikel  einige  Heisiiiele 
aus  den  Bricl'iuichern  zusammen  zu  sh-iieti. 


—    r,o    — 

weis  uud  eine  Probe  des  reichhall ig-en  Materials  g-egeben  werden;  wir  behalten 
uns  eine  Bearbeitung  des  Ganzen  an  einer  anderen  Stelle  vor.  Sofern  in  den 
folgenden  Nummern. neue  Aufschlüsse  zu  finden  sind,  weisen  wir  an  der  betreffen- 
den Stelle  darauf  hin. 

Das  erste  Sehreiben  zeigt  sofort  die  Lage  des  Kaisers  und  seine  Hoffnung 
auf  spanische  Hülfe. 

Nr.  396.  Schreiben  von  der  Rom.  kay.  may.,  Wien,  den  ersten  tag  juny  datiert, 
Madrid  den  3.  tag  july  empfangen. 

i>i'!  Magnifice  fidelis  dilecte.     Cur  hunc  cursorem   istuc  expediamus,    et  quid 

Behemisciic')  ^^  serenissiniuoi  Hispaniarum  regem  catholicum  consobrinum  ac  nepotem 
iinriuiio  betr.  nostrum  charissimum  scribamus,  ex  apposito  literarum  nostrarum  exemplo  et 
additarum  scripiurarum  intelliges.  Quarum  sensum  cum  apud  serenitatem 
ipsius  et  ser.'i^ii  sororem  nostram  archiducissam  Margaretham,  itemque  apud 
cardenalem  Lermae  ducem  subsequeris,  quam  diligenter  instabis  et  urgebis,  ut 
optatum  responsum,  quam  flcri  primum  possit,  obtineas  nobisque  remittas, 
praecipuam  enim  in  serenissimi  regis,  nobis  et  august.^'ie  domui 
nostrae  sanguinis  propinquitate  coniunctissimi ,  et  religionis  cath.'"ae  defensoris 
zelantissimi  auxilio  spem  positam  habemus.  Quibus  fideliter  ac  solicite 
curandis,  nostrae  de  te  expectationi  satisfacies,  gratiamque  nostram,  quara  iam 
ante  mereris,  magis  magisque  promereberis,    Datum  etc. 

P.  S.  Postquam  ex  Belgio  ad  tempus  vocamus  comitera  ä  Buquoi,  quem 
nobilis  iam  ante  rex  coucessit,  ne  quid  istic  eo  nomine  modo  difficultatis 
moveatur,  sed  ut  omnia  illi  interea  in  Belgio  integra  serventur  et  relinquantur 
opportune,  ubique  fuerit,  curabis. 

Nr.  397.  Information  woher  und  welcher  gestalt  die  jetzige  unruehe  im  kunig- 
reich  Behaimb  zu  Prag  iren  Ursprung  genumeu  und  was  sich  dar- 
bey  verloffeu  hat. 

Ausfuehriiche  Nachdem   ir  kay.   may.  ao.  1611  in   das  Behemische  regiment  eingetreten, 

inforuiation  und  ist   alsbald    darauf  vom    h.    abfen    zu   Braunau    ein    clag   einkumen,    wie   dafs 

antang  des    ggjjjg  underthancu   zu  Braunau  wider  seinen  willen  ein  kirchen   in  seiner  stat 

Behouuschen 

Unwesen,     baueten  mit  bitt,  weil  sie  dessen   nit  befuegt,   ir  kay.  may.  gerueheten  solches 
bey  gedachten  seinen  underthanen  zu  Braunau  eiuzustöllen. 

Hierüber  haben  ir  kay.  may.  auf  guetachten  der  herrn  obristen  land- 
officier  erraelten  Braunauern  umb  bericht  geschriben,  mit  bevelh,  dafs  sie  under- 
.  dessen  den  pau  einstöllen  sotten,  welchem  bevelh  aber  sie  nit  nachkumen,  noch 
ainigen  bericht  irer  kay.  may.  nit  gethan,  sondern  im  bauen  fortgefahren,  auch 
von  den  defensorn  ein  schreiben  darüber  bekumen,  dafs  sie  uugeacht  irer  kay. 
may.  inhibition  disen  pau  aiuen  weg  als  den  andern^)  in  das  werk  setzen  und 
volfüehren  sotten,  welches  auch  beschehen. 

Wider  dises  hat  sich  der  herr  abt  jederzeit  beschwert,  ir  may.  aber 
haben  wegen  deroselben  aus  dem   künigreich  Behamb   verraisen,   auch   wegen 


7)  Diese  Randbemerkungen  sind  gleiclizeitig,  mit  roter  Tinte  geschrieben. 

8)  ainen  weg  als  den  andern,  d.  h.  in  einem  fort,  ohne  sich  stören  zu  lassen. 


—     61     — 

der  inmittels  zwischen  dero  landen  fürg-efallnen  underschidlichen  hochwichtigen 
handlung-en  und  gescheiten  dise  Sachen  differiern  niuefsen.  Letzlich  aber  im 
1616  jähr  sieh  nach  ersehung-  baides  des  mayestetbriefs  (in  welchem  nur  allain 
den  ständen,  und  nit  denen  underthanen  kirchen  zu  pauen  bewilliget)  dan  auch 
der  zwischen  denen  sub  utraque  und  una  aufgerichten  verainigung  (in  welchem 
den  underthanen  auf  den  kayserl.  herrschallen  ebenmäfsig  kirchen  zu  bauen 
A.  B.  wie  sub  litera  A.  und  B.  zu  sehen,  zuegelassen  worden)  dahin  gnädigst  in  per- 
sönlicher audienz  zu  Braudeifs  gegen  den  herrn  graten  von  Thurn  und  an- 
dern zwayen  defensorn  also  resolviert:  ir  may.  kündten  nit  befunden,  dafs 
den  underthanen  auf  den  geistlichen  gründen  kirchen  zu  pauen  zuegelassen 
seye^). 
6.  März'").  Hierüber   haben    die   defensores  aine   Zusammenkunft,    dessen    sie  sunst 

zwar  befuegt,  ausgeschriben,  und  die  in  obgemelter  vergleichung  gesetzte  die 
kay.  may.  herrschaft  unilerthanen  allain  betreffende  wort  auf  alle  geistliche 
gueter,  sintemalen  sie  kammergueter  wären  ^^),  a  simili  für  selbsten  allain 
ziehen  und  noch  darueber  in  genere  auf  alle  underthanen  und  inwohner  des 
lands  exteudiern^^),  solches  auch  pertinaciter  defendiern  und  handhaben  wollen, 
c.  Wie  solches  alles  sub  litera  C.  mehrers  bei  dem  NB.  inserierten  paragraphis  zue 
sehen,  ir  kay.  may.  aber  sein  auf  irer  vorigen  mainung  und  resolution  beruehet, 
und  denen  von  Braunau  bevolchen,  dafs  sie  die  kirchen  zueschliefsen,  und  die 
Schlüssel  in  die  Behmische  canzley  niderlegen  solteti,  weil  sie  aber  diseu  nit 
nachkumen,  sein  etliche  aus  den  rädlfuehrern  in  gefengliche  haft  gezogen 
worden.  Eben  ein  solcher  handl  ist  zu  Glostergrab  gewesen,  als  aber  die  under- 
thanen daselbst  die  obberuerte  kayserl.  resolution  angehört,  haben  sie  sich 
derselben  bequemt,  und  darauf  der  erzbischof,  dessen  die  Klostergraber  under- 
thanen sein,  hat  die  neu  aufgebaute  kirchen  wider  abbrechen  lassen. 

Hierauf  nun  haben  die  herrn  defensores  eine  neue  zusamenkunft^^^)  aus- 
geschriben und  in  solcher  ausschreibung  gemeldt:  dafs  elliche  unruehige  leut 
sie  wollen  umb  den  mayestetbrief  bringen,  mit  aufmahnung,  die  sub  utraque 
selten  zusamen  kumen,  und  dafern  sie  aussenbleiben  und  daraus  etwas  ge- 
fehrliches  entstehen  mochte,  wollen  sie,  die  defensores,  entschuldigt  sein. 


9)  Mit  welchem  guten  Rechte  diese  Unterthancn  aul"  Kirclu'iitiüli'i-n  die  BestiuiuuiiigiMi 
für  die  königlichen  Güter  (als  welche  auch  die  Kirchengüler  anzusehen  waren!)  für  sich  gel- 
tend uiaciilen,  darüher  siehe  Gindely  Kapitel  t.  1. 

10)  Die  am  Rande  beigefügten  Daten  sind  nicht  gleichzeitig,  sondern  vom  Heraus- 
geber hinzugesetzt. 

Hj  Hier  wird  der  Slreit[)unkt  richlij,'  angegeben,  der  nadi  (lindclys  scharfer  Unter- 
suchung zu  Gunsten  der  l'ruleslanlen  enlschieden  werden  niuls.  Die  Versaniinlung  fand 
auf  dem  Prager  Schlols  im  grofsen  Saale  des  (lamlinum  (so  genannt  nach  Karl  IV.)  stall 

12|  Aus  dem  »Majcstiilsbrief"  und  dem  »Vergleich  zwischen  den  katholischen  und 
protestantischen  Ständen«,  den  beiden  Uechtsgrundlagen  für  das  wechselseitige  Verhältnis  der 
beiden  Keligionsparleien,  geht  hervor,  dafs  »\c\\  Jeilcr  (ob  freie  oder  unfreie)  Rewobner  Höh- 
mens  fortan  zu  der  sog.  »böhmischen  Confession«  bekennen  und  Niemand  zum  katholischen 
Glauben  gezwungen  werden  durfte.  Dafs  die  Prolestanten  auch  darüber  hinaus  griffen,  wie 
die  etwas  allgemein  gehaltenen  Worte  der  kaiserlichen  Information  dies  andeuten  zu  sollen 
scheinen,  ist  nirgends  ersichtlich. 

13)  auf  den  :21.  Mai. 


—     62     — 

Als    nun    zu    dieser    zusamenkunft    vil     personen    erschienen,    ist    under 
dem   g-cniainen   mann   spargierL  worden,   dals  freiiibdes   kriegsvolk   in  Behaimb 
II.  konien   soll.     Welches   ir  niay.  enipfunten    und  geöffnet,  und  ihnen  wie  sub  D 

dergleichen  zusainenkunften  zu  verhuetung-  einer  aufruehr,  bis  auf  dero  an- 
kunl't  in  Behaimb,  damit  sie  Selbsten  persönlich  diesen  Sachen  seinen  ge- 
bürlichen  ausschiag  machen  köndten,  zuverschieben  und  einzustellen  befolhen. 

21.  Mai.  Ungeacht  aber  dieser  kayserl.  inhibition   sein   sie  defensores  den   montag 

post  dominicam  rogationum  wider  zusammen  kumen,  den  vorgehenden  sontag 
aber  in  allen  kirchen  eine  schriftliche,  allem  ansehen  nach  änderst  zu  nichts 
denn    nur  zu    ainer   aufruehr   geraichende   ermahnung  von   den  canzlen   durch 

E.  ihre  prediger  publiciern  lassen,  inmassen   ob  solcher  sub  E.  beyligend  ermah- 
nung zu  vernemben. 

23.  Mai.  Was  uun  hierüber  bevoraus  am   volgenden  raittwoch   vor  den   defensorn 

und  der  versambleten  gemain  sub  uiraque  auf  dem  künigl.  schlofs  zu  Prag 
und  in  der  künigl.  Behamischen  canzley  mit  irer  may.  Statthaltern,  zuwider 
nit  allain  den  öffentlichen  rechten,  sondern  auch  irem  selbst  aignem  sub  dato 
den  30.  marty  dises  Jahres  an  die  herrn  Statthalter  abgangnem  entschuldigung- 
schreiben ,  bevoraus  den  understrichenen  puncten  und  erbieten  ist  fürgenumen 
und  fern bt  worden,  bis^*)  obgedachten  herrn  Statthalters  an  ir  may.  destewegen 

F.  ergangenen  schreiben  sub  F  mehrers  zu  erfahren. 

Anlangend  den  mayestetbrief  und  die  zwischen  denen  sub  una  und  utra- 
que  der  religion  wegen  aufgerichte  vergleichung ,  haben  ir  kay.  may.  was 
darine  ausdruklich  gesetzt  nie  gefochten ^s),  sein  auch  noch  nit  des  willens  etwas 
dergleichen  fürzunemen ,  wie  dan  deren  unterschidliche  kayserl.  resolutioues 
und  rescripta,  die  sie  in  dieser  sach  gethan,  mit  raehrern  ausweisen,  und  haben 
allain  etliche,  als  den  kirchenpau  auf  dem  geistlichen  grund  betreffend  und  in 
obgehörten  religions  concessionen  gai-  nit  begrüffene  einzüg  und  für  sich  selbst 
von  den  defensorn  und  denen  sub  utraque  zu  interpretiern  und  extendiern  an- 
gemaste  articl  bis  gebürlicher  erkantnufs  einstöUen  wollen. 

Und  w^eil  es  also  diser  zeit  gar  nit  umb  den  mayestetbrief  noch  umb  die 
religion,  sondern  umb  dasjenige  was  die  defensores  und  versamblete  personen 
mit  deme  so  sie  gegen   ir  may.  Statthalter  und  per  consequens  ir  may.  person, 


14)  jedenfalls  Schreibfehler;  hier  müsste  stehen:  isl  aus  .  .  . 

15)  nie  angefochten.  —  Dafs  der  Majestätsbrief  verletzt  worden  war,  ist  kein  Zweifel, 
fndirekl  und  direkt  wurde  dies  von  der  kaiserlichen  Partei  selbst  zugestanden.  Khuen  riet 
am  8.  Juni  dem  Kaiser,  in  einem  Patente  feierlich  die  Haltung  des  3Iajestätsbriefes  und  die 
Beobachtung  des  Vergleiches  im  Sinne  der  Protestanten  zu  versprechen,  dabei  aber  nicht  zu 
behaupten,  dafs  er  beide  Gesetze  stets  beobachtet  habe,  weil  dies  den  Widerspruch  zu  sehr 
erwecken  würde!  Eine  Konferenz  des  Königs  Ferdinand  mit  Eggenberg,  Khlesl,  Molarl  und 
Trautmansdorf,  in  Pressburg  am  9.  Juni  gehalten,  beschlols,  dafs  sie  dem  Kaiser  um  keinen 
Preis  die  gänzliche  und  vollkommene  Einhaltung  des  Majestälsbriefs  und  des  Vergleichs  em- 
pfehlen wollte,  weil  sie  die  bisherige  Behandlung  der  Kirchengüterfrage  nicht  aufgeben  mochte. 
Gindely  S.  323  und  32G.  Freilich  richtete  der  Kaiser,  der  in  der  Information  ausgesprochenen 
Behauptung  entsprechend,  am  11.  Juni  eine  Zuschrift  an  die  Böhmen,  in  welcher  er  sich  feier- 
lich zur  ungeschmälerten  Einhaltung  des  Majestätsbriefes  verpflichtete,  zugleich  aber  auch  be- 
hauptete, dafs  derselbe  nie  von  ihm  verletzt  worden  sei.     S.  auch  Anm.  16. 


—     63     — 

ja  ihrem  Jüngsten  oben  sub  F.  allegierten  ausdruklichen  entschuldig-ung  und 
erpieten  selbsten  e  diaraetro  zu  wider  attentiert  und  verlebt  haben,  zu  thuen  ist, 
welchem  ob  zwar  ir  may.  wol  wissen,  auch  an  mittl  kainen  mang!  haben,  wie 
solchen  als  ainer  g-ewalthätigen  praecipitanz  gehöriger  massen  zu  begegnen, 
jedoch  damit  auch  in  dissem  lal  die  ganze  weit  ir  kay.  may.  zu  frid  und 
ruehe  auch  mehrers  zu  gnaden  dan  dem  ernest  genaigtes  gemuet  zu  spüren, 
als  wollen  sie  auch  ir  disfals  nit  entgegen  sein  lassen,  dafs  solches  factum  per 
ordinariam  causae  coguitiouem  vermög  der  im  künigreich  Behamb  löbl.  rechten 
erörtert  werde,  alda  dan  die  gedachte  defensores  und  ihre  verwante  ihr  ex- 
ception  aufs  böst  als  sie  können  zu  befördern  wüssen,  und  denjenigen  was  dis- 
fals zu  recht  wird  erkent  werden,  sich  zu  underwerfeu.  Inmittels  ire  für- 
habende  kriegsvolks  Werbung  abzustöllen  schuldig  sein,  und  nit  durch  ein 
solches  gewaltsames  unversochtes  mittel  iren  selbst  aigneu  land  statutis  sich 
öffentlich  zu  widersezen,  ainzige  fragliche  ursach  haben  werden. 

23.  Mai.      Nr.  398.    Schreiben   von  denen  dreyen    kayserl.   Statthaltern  zu  Prag   an   die 

Rom.  kayserl.  may.  auff  dem  Prager  schlofs  am  mittwoch  post  do- 
minicam  rogationum  datiert. 

Wir  können  e.  kay.  may.  in  aller  unterthenikheit  nit  bergen,  dal's  heu- 
tigen tags  ein  grofse  anzahl  personen,  aus  dem  herrn,  ritter,  und  burger- 
stand sub  utraque  zwischen  9  und  lU  uhr  halben  zeigers  der  teutscheu  uhr 
nach  in  e.  may.  Behambischeu  canzley,  auf  dem  Prager  schlofs  kumen  sein, 
und  haben  etliche  wortreden  und  etlich  Schriften  ablesen  lassen,  in  welchen 
sie  vermeldet,  was  für  Ursachen  sie  zu  dem  obristen  landrichter  des  könig- 
reichs  Behamb,  auch  den  herrn  burgrafen  zu  Carlstein,  herrn  von  Marlinitz 
wie  auch  den  secretary  Philippen  haben,  welchem  dise  widersprochen,  aber  die 
andern  bey  diser  entschuUligung  nit  verbleiben  lassen  wollen,  sondern  sie  alle 
drey  alsbald  nach  einander  in  der  Behamischen  canzley  zum  fenster  heraus 
geworfen.  Ob  sie  gleichwol  noch  etwas  im  leben,  so  ist  doch  zu  besorgen, 
dafs  sie  schwerlich  mit  dem  loben  darvon  werden  kumen.  Welches  wir  e. 
may.  in  der  eul  underthenigist  zu  wissen  machen  wollen ,  weil  nunmehr  aus 
denen  Statthaltern  unser  nur  drey  zugegen  sein.  Thuen  uns  mit  unsern  ge- 
horsamisten  dinsten  diemuetigist  bevelhen. 

21.  Mai.      Nr.  31)9.    Schreiben  von  denen  kayserl.  Statthaltern  zu  Prag  an  die  Köm.  kayserl. 

may.  datirt  auf  dem  Prager  schlofs  am  iiinnlag  nach  dem  creuz  sonlag. 

Wir  haben  von  e.  kay.  may.  bey  der  heintigen  sonabendlichen  ordinari 
post  kain  schreiben  empfangen,  geben  aber  e.  may.  von  den  hiesichen  Sachen 
disen  bericht  diemüetigest,  dals  die  hern  aller  drey  stend  des  künigreichs 
Behamb  sub  utraipu^  aufs  Prager  schlofs  in  grosser  anzahl  sich  ver.^amblen, 
und  gewifse  Sachen  in  der  landstuben  Iteratschlagtm,  was  aber  das  sein  möchte, 
darvon  haben  wir  in  der  warheit  nichts  gewisses  erfahrt'n  kiinnen,  dan  etliche 
roden  dil's,  die  andern  ein  anderes.  Wir  wollen  e.  may.  ungern  ein  ungewisses 
zueschreiben ,  difs  aber  wird  in  gemain  geriull .  dafs  die  herrn  sub  utraiiue  e. 
kay.  may.  schreiben ^^)  und  ein  apologiam  in  Iruk  ausgehn  lassen  wollen;  ilafern 

16)  Es  ist  flic  am  Hl.  März  von  Wien  iiltiri-schickic.  in  Nr.  .S'J7  als  I)  /.itirrU-,  .stn-iigu 
Aalwort,  welciie  die   Kcciiliijaraiyl^eit   der  Uehaiitlluiig  der  KloshTgralior  und   hraiiiiauor  auf- 


—     04     — 

wir  was  anderes  erfahren  wülden,  wir  nii  unlerlassen  e.  inay.  difs  underthcnigist 
anzeig'on.  Aiierguädig-ster  kayser,  es  ist  kein  zweifel,  e.  may.  werden  unser 
schreiben  bey  der  negsten  ordinari  post,  was  für  ein  uiiglik  um  vergangnen 
niittwoch  etlichen  zugestanden,  empfangen  haben,  darneben  uns  kayserl.  und 
königlichen  gnaden  bevelhend. 

P.  S.  Allergnädigster  kayser,  künig,  und  herr,  aus  diemuetigistem  ge- 
horsamb  und  pllicbL  erachten  wir  für  ein  unumbgengliche  notturft  zu  sein, 
e.  may.  gleichfals  anzuzaigen,  sie  wollen  ohne  aufschub  auf  mittel  weeg  be- 
dacht sein,  wie  difs  feur  im  künigreich  ßehamb  ausgelescht  und  gedempft 
werde,  es  ist  albereit  so  weit  komen,  dafs  die  herrn  stand  sub  utraque  auf 
die  bewilligte  contributioues  bestellte  obriste  steur  einnember  (ainen  ausge- 
numen)  abgesetzt  und  andere  erwöhlt,  und  wofern  difs  aufs  ehist  nit  wird  ehist 
eingestelt  werden,  ist  zu  besorgen,  dafs  sie  volk  zu  rofs  und  fuefs  aufnehmen 
werden.  Es  ist  zeit  disem  vorzukumen,  wollen  hierüber  c.  may.  nit  verhalten, 
aber  allererst  da  mir  difs  schreiben  zu  fertigen  anbcfolhen,  haben  wir  dü's  er- 
fahren. 

30.  Mai.      Nr.  400.     Schreiben  der  Statthalter  in  Behaimb   an   die  Rom.  kay.  may.  geben 

auf  dem  Prager  schlofs  am  mittwoch  nach  dem  sontag  exaudi. 

23.  Mai.  Allergnädigster  kaiser,   künig  und  herr.    Das  schreiben  so  wir  am   ver- 

schinen  mittwoch  an  e,  kay.  may.  gehorsamist  haben  abgehen  lassen,  zweiflen 
nit,  dafs  überantwortet  sey,  wir  aber  bishero  darauf  kein  antwort  bekumen. 
Aus  dem  andern  unsern  am  verschinen  sonabend  an  e.  may.  ausgefertigtem 
schreiben  werden  dieselben,  was  wir  von  etlichen  notwendigen  grossen  und 
unvermeidlichen  Sachen  geschriben,  gnädigst  verstanden  haben.  Anjetzo  aber, 
was  für  ein  apologiae  und  patent  in  allen  craisen  in  euerer  kay.  may.  künig- 
reich Behamb  von  dem  theil  sub  utraque  ausgangen,  welche  beiden  schritten 
wir  heunt  bekumen,  und  e.  may.  gehorsamlich  übersenden,  und  wie  wir  im 
vorigen  am  sambstag  datierten  schreiben  aus  schuldiger  pflicht,  mit  welcher 
wir  Gott  dem  alraechtigen  und  e.  kay.  may.  unserem  allergnedigsten  herrn 
verbunden  sein,  gebeten,  nochmals  in  underthenigisten  gehorsamb  bitten,  dals 
e.  may.  ohne  ainzigen  aufschub  gnädigst  darauf  gedenken  und  darzue  sich 
befleifsen  wollen,  auf  difs  übel  alhier  in  Behamb  abgestrikt  und  gestölt  möchte 
werden,  wird  solches  nit  geschehen,  ist  zu  befahren  dafs  difs  wesen  wie  das 
Wasser  wird  wachsen,  eur  may.  werden  auch  deren  sub  utraque  weitere  In- 
tention aus  der  apologia  zu  was  end  sieh  die  Sachen  lenken  wollen,  gnädigst 
vernemen.  Die  patenten  zu  Werbung  des  volks  zu  rofs  und  fuefs  sind  gestern 
ausgangen,  wird  also  öffentlich  kriegsvolk  geworben,  sie  sagen  wider  die, 
welche  wolten  e.  may.  disem  künigreich  und  denen  sub  utraque  schaden  zue 
fuegen  zum  schütz.    Wir  haben  auch,  allergnädigster  kaiser,    künig  und  herr, 


recht  erhielt,  ausdrücklich  behauptete,  dafs  weder  der  Majeslätsbrief,  noch  der  ständische  Ver- 
gleich verletzt  woi'den  seien ,  jede  weitere  Zusammenkunft  der  Protestanten  verbot  und  sie 
mit  schweren  Prozessen  bedrohte.  Der  wirlvliche  Urlieber  dieser  grofse  Erbitterung  hervor- 
rufendon  Antwort  war  der  Kardinal  Kblesl.  Doch  hielt  man  die  Herren  von  Martinitz  und 
Slawata  für  die  eigentlichen  Verfasser,  und  diese  Vermutung  war  es,  die  zu  dem  Angriffe 
auf  das  Leben  derselben  führte.     Gindely  S.  2S8. 


—    65     — 

veruumen,  dafs  die  herren  sub  utraque  in  das  künigreich  Hungarn  und  in 
andere  lender  auch  zu  chur  und  fürsten  schreiben  abgehen  lassen,  was  sie  bey 
ihnen  suchen,  haben  wir  noch  nit  künden  erfahren.  Wie  dan  heint  datum 
dises  briefs  etliche  schreiben  gefertiget  und  ihnen  gewifse  personen  zur  ver- 
schikung  deputiert  worden.  Der  herr  Schlawata  ist  etwas  besser  auf,  hat  denen 
sub  utraque  einen  revers  von  sich  geben  muessen,  wie  man  sagt,  der  herr 
von  Martinitz  wo  er  sein  soll  kan  man  nit  wissen,  dan  er  denselben  mittwochen 
abends  sich  verloren^'').  Wir  drey  aus  den  Statthaltern  verbleiben  allain  zu 
Prag.  Für  difsmal  wissen  wir  nichts  mehr,  sondern  befelhen  e.  raay.  mit  unsern 
underthenigisten  gehorsamisten  diensten  Gott  dem  almechtigen  diemuetigist. 

Adam  von  Sternberg. 

Adam  von  W^aldtsteiu. 

Diebolt  von  Lobkhowitz. 

Nr.  405.  Literae  sac.i'^e  caes.^^  jj^tis ,  datae  Vienuae  die  undecima  mensis  junii, 
acceptae  Madriti  die  3,  mensis  julii  A^  1618. 
Magnifice,  fldelis,  uobis  dilecte.  Graviora  in  dies  ad  nos  ex  Bohemia  ad- 
feruntur,  quemadmodum  ex  appositis  scriptis  intelliges.  Quamobrem  gravius  et 
vehementius,  adhibita  ope  ser-'na-ß  sororis  nostrae  charissimae  archiducissae 
Margarethae  instabis,  ut  ser.™"»  ^ex,  nepos  et  consobrinus  noster  charissimus, 
eo  se  celerius  et  llberalius  declaret  et  resolvat.  Ad  quod  obtinendum,  nulluni 
in  te  curam  diligeutiamque  desiderari  passurum  esse,  scimus.  Quo  gratiam 
nostram  cumulatiorem  consequeris. 

Nr.  406.  Copia  literarum  sac^e  caes.^e  mtis,  ad  regem  cath,«"'"  clatarum  Vienuae 
prima  junii  1618. 
Quanta  repente  malorum  tempestas  in  nostrum  Bohemiae  regnum  incu- 
buerit,  cum  23  elapsi  mensis  maii  die,  a  quibusdam  ex  statibus  uon  eatholicis 
in  arce  nostra  regia  Pragensi  in  cancellariam,  locum  consilii  eius  regui  supre- 
mi,  invaserunt,  ac  duos  ex  constitutis  nostris  locum  tenentibus  vices  nostras 
gerentibus,  et  qui  aderat,  secretarium,  per  fenestras  praecipitariint,  arcomque 
ipsam  et  quae  ad  arcis  et  regni  praesidium  atque  aerarium  pertinebant,  suam 
in  potestalem  rcdegerunt,  ser.t^^  y.a  ex  oratore  suo  comite  de  Onate,  cum  per 
consiliorum  nostrorum  primos  diligenter  bis  de  rebus  agi  curavimus,  intelligct. 
Neque  in  eo  quidem  eorum  temeritas  et  audacla  substitit,  sed  ad  iiuiioru  vi 
graviora  in  dies  facinora  violentianKiue  in  cos  iiiii  iio!)is  luictenus  lidi  ,  lidolos- 
que  et  religionis  cath.^»«  cultores  constantes  fuerunl,  nova  ab  iis  iurameiita 
extorquendo,  quaeque  sibi  opporLuna  videaiilur.  oecupando.  omniaque  ail  apcrlum 
bellum  necessaria  (;omparando,  ac  pro  libilu  impcraiulo  vi  urgrndo  progrcdiun- 
tur.  ünde  quam  pracsenLi  in  periculo  et  magno  religio  cath.'''  nun  solum  in 
Bohemia  sed  etiam  in  aliis  regnis  vicinis  ililionibusquc  constituta  sit  ,  sal 
ser.tO'S  .y.a  perspicil.  Quam  taiKiuiiiii  suhlimo  auguslae  ddiiius  uoslrao  columcn 
et  iusiguc  religionis  lirmamentum  minime  defuluiam  conlidiiinis .  i|iiia  cclcrem 
nobis  et  expeditam  opem  nulla  mora  iulerposila,  pro  praesenli  necessilale.  ijua 


17)  Die  merkwürdige  Uellung  heider  Herren  und    die  Kincld  des  Miirtiiiit/.  Iiesclireibl 
Gindeiy  auf  Seile  291-297. 

Mittoiluugeu  aus  dein  guriiiaii.  Natiüiialiiiu»ouiii.     18i)<i.  IX> 


—     6Ü     — 

maior  esse  nou  possit,  destinet.  Petimus  id  enixe,  quod  uou  solum  ad  nos,  sed 
et  cath.cüs  ubique  omnes  animuudos  et  ad  domus  nostrae  maiestatem  firmandam 
conservaudauique  opportunaui  futurum,  qua  de  re  cum  ser.**^  v.**-  orator  noster 
proiixius  aget.  Nos  vicissiin  ser.*'^  y.rae  causa  quicquid  possimus  amanter 
olTerimus. 

2.  Juni.       Nr.-  407.     Schreiben   der  lierru  Statthalter   in   Behamb  an   die  Rom.   kay.  may. 

Praag'  den  souabend  nach  dominica  exaudi  datiert. 

2'j.  Mai.  E.  may.    gnädig^stes    schreiben,   dessen   datum   zu  Wien  am  dinstag-   nach 

himmell'art  Christi  dises  lül8  Jahrs,    ist   uns  gestrig-es  tags  gar  auf  den  abend 
übergeben  worden.     Nach  ablesung  haben   wir  den  inhalt  diemuetig  vernumen 
Der  kay.  statt-  und  wie  uns  6.  may.  gnädigst  bevelheu,  dal's  wir  deroselben  ausführlicher  von 
haiter  aiisfiihr-  j^j,  ur.sach,    welchcr  der  thail   sub  utraque  wider  den    herrn  Schlawata ,   herrn 
des  von  Martiniz,   auch  Philipp  Fabricium  gehabt,   worumb   sie   zum  fenstern    aus 

Bebamisoiu'n  e.  uiay.  Behamischer  canzley  geworfen  sein  worden ,  brichten  solten.  Als 
künen  wir  e.  may.  nit  bergen,  dals  sy  auf  uns  dazumal  in  der  canzley  ver- 
samblete  Adam  von  Sternberg,  Wilhelm  Schlawata,  Jarosjaw  von  Martinitz, 
Diepolt  von  Lokhowitz,  weil  h.  obr.  landhofmaister  des  küuigreichs  Behamb 
wegen  leibsschwachheit  dazumal ,  wie  der  unglikselige  fal  sich  hat  zuege- 
tragen,  nit  hat  sein  könden,  wegen  des  schreiben,  welches  uns  Statthaltern 
wegen  der  Zusammenkunft  in  collegio  kaysers  Garoli  des  vierten  ist  gethan 
worden  sub  dato  Wien  dem  mittwoch  post  dominicam  oculi  jetzt  laufenden 
Jahrs,  welches  sie  ausdeuten,  als  wan  sy  darinen  umb  leib,  ehr  und  guet  ver- 
urtheilet  wären,  etliche  fragstuk  gethan  und  was  weiter  wegen  des  Schreibens 
von  dem  thail  sub  utraque^  in  grosser  anzahl,  sowol  schriftlich  als  mundlich 
ist  geredt  und  abgelesen  worden,  was  nun  wir  alberait  obbenente  vier  darzu- 
mal  in  der  canzley  geantwortet,  und  was  weiter  von  der  zeit  au,  wie  obbe- 
nenute  personen  zum  fenster  sein  heraus  geworfen  worden ,  ist  geredt  worden, 
das  wollen  wir  Adam  von  Sternberg  und  Diepolt  von  Lokhowitz,  was  uns  hier- 
von noch  ingedeuk,  uns  mit  einander  underreden  und  e.  kay.  may.  zu  wissen 
thaiu. 

Allergnedigster  kayser,  was  die  apologia,  welche  der  thail  sub  utraque 
in  truk  hat  ausgehen  lassen,  und  wir  sie  den  vorigen  mittwoch  e.  may.  haben 
zuegeschikt,  zweiflet  uns  nit,  e.  kay.  may.  werden  aus  dero  ablesen  solches 
vernumen  haben,  und  wo  e.  kay.  may.  uns  genedigist  bevelhen,  dafs  wir  sa- 
mentlich,  was  gestalt  disem  mehr  kuudte  geholfen  werden,  unser  räthliches 
guetachten  e.  kay.  may.  eröffnen  sollen.  Ob  wir  nun  wol  uns  ein  gering  an- 
zahl beiluden,  und  allein  unser  drey  von  (!)  e.  k,  m.  gnädigstem  willen  von  uns 
ein  geniege  bescbehe,  so  können  wir  bey  uns  nichts  änderst  befunden,  dau  dafs 
e.  kay.  may.  straks  alsbald  unsaumblich  durch  mandat  in  alle  crais  den  ständen 
und  einwohnern  in  disem  köuigreich  gnädigst  zu  wissen  machen  sollen,  als  ir 
notturft  war  ein  kriegsvolk  anzunehmen,  und  in  dem  land  ein  beraitschaft,  ver- 
mög  der  landtafel  articl  vor  beschützung  des  lands  anzuordnen.  Inmafsen  diser 
in  der  landsordnung  gesetzter  articl  mehrers  in  sich  holt. 

Derowegen  so  ersuechen  e.  k.  m.  gnädigst  und  theten  bevelhen,  damit 
das   geworbne    volk    erlassen,   auf  des   uukostens,   und   des   armen  volks  aus- 


—     67     — 

saug-ung  entibrigt  (!),  und  diser  Unkosten  dahin,  warzue  er  bewilliget,  gelassen 
wurde.  Ingleichen  dafs  auch  alle  städt  sub  una  und  utraque  mit  Worten  und 
werken  nichts  für  sich  nehmen  ,  und  einer  dem  andern  mit  nichten  betrengte, 
sondern  ainer  gegen  den  andern  sich  freundlich  und  fridlich  verhalte,  und  in 
lieb  beyeinander  verbleiben.  Der  ungezweifleten  hoflfnung,  dafs  sy,  als  e.  k. 
m.  treue  und  gehorsame  underthanen  sich  disfals  gehorsamlich  wurde(n)  ver- 
halten. Weil  auch,  allergnädigster  kayser,  wir  niemands  haben,  der  uns  die  in 
dergleichen  fälen  hiebevor  ausgangene  mandata  aufsuechte,  als  haben  wir  nach 
dem  zuestaud  jetziger  zeit  und  unser  einfalt,  dis  unser  beschriben  guetachten 
zu  wissen  thuen,  nit  zweiflend,  e.  k.  m.  ihrem  von  Gott  dem  almechtigen  ge- 
gebenem hocherlauchtem  verstand  solche  mandat  dergestalt  lassen  ausgehen, 
dafs  sy  mögen  frucht  schaffen. 

Wir  bergen  auch  e.  k.  m.  nit,  dafs  aus  bevelh  des  theils  derer  sub  utraque, 
welche  sie  dem  haubtman  des  künigl.  schlofs  Prag  gethan,  die  in  e.  kay.  may. 
gefengnus  des  weissen  thurns  gesessne  Praunauer  sein  ausgelossen  worden,  was 
auch  von  denen  erwölten  und  deputierten  personen  des  theils  sub  utraque  für 
ein  schreiben  dem  Adam  Hensam  und  den  patribus  der  societet  Jesu  gethan, 
und  heut  nach  dem  dato  desselben  ihnen  ist  übergeben  worden,  thuen  wir  deren 
beder  abschritt,  also  auch  das  an  die  stött  dises  künigreichs  in  truk  ab- 
gangnen  briefs  beyverwart  underthenigist  überschiken.  Wir,  eur  kay.  may. 
nunmehr  drey  Statthalter  und  diener,  wollen  gern  bey  denen  sub  utraque 
personen,  an  welchen  was  gelegen,  underhandlung  pflegen,  ob  etwan  es  von 
disem  ausbot  mecht  widerkumen,  oder  aber,  ob  es  aufs  wenigist  in  solche 
ausbot  schreiben  zur  dilation  mechte  kunien.  Dan  dafs  ein  solches  ausbot- 
schreiben  den  jesuitern  sol  beschehen  sein,  haben  wir  zuvor  kein  Wissenschaft, 
das  weifsGott,  bis  auf  heintigen  tag  nit  gehabt,  und  haben  uns  darüber,  als  wir 
es  vernumen,  nit  wenig  gestofsen  und  entsetzt. 

Es  gehet  auch  allerhalben  in  der  geinain  das  geschray,  dafs  die  herrnstände 
etliche  orter  auf  der  gränitz  in  disem  künigreich  mit  disem  volk  wollen  be- 
setzen, ob  aber  difs  wird  geschehen,  künnen  wir  nit  vor  gewifs  wissen. 

Allergnädigster  kayser  und  herr,  bey  dem  beschlufs  e.  k.  m.  gnädigsten 
Schreibens,  auf  das  wir  jetzo  antwort  geben,  haben  wir  dis  verstanden,  dafs 
e.  k.  in.  mit  ihren  ganzen  hohen  haus  Osterreich  darob  sein,  solche  weg  und 
mittel  unsaumlich  für  die  band  zu  nonien,  damit  disem  jetzigen  im  kütiigreicb 
Behem  wesen  gebürlich  niöcht  ai)geholfen  werden.  Hieneben  thuen  wir  e.  k.  m. 
diemiotigist  und  gehorsamist  bitten,  e.  k.  m.  geruehen  diCs  aufs  ohist  so  es 
müglicli ,  beydes  wegen  e.  k.  m.  selbslori  also  wegen  e.  k.  in.  höh.  haus  (X'^tor- 
reich  bestem,  und  auch  wegen  unser  als  e.  k.  m.  treuen  underthanen  und  diener 
zu  end  zu  richten.  Der  almechtige,  guetige  und  genedige  Gott,  welcher  r.  k.  ni. 
in  seinen  hcnden  hat,  der  welle,  warumben  wir  seine  göttliche  almachl  diMnuetig 
bitten,  e.  k.  m.  gnedig  verleihen,  dafs  allem  unglik  in  disoin  künigreich  möchl 
geholfen  werden,  dergestalt,  damit  e.  k.  in.  als  unser  allergnedigster  herr  über 
uns  in  friden  gnedig,  gliklich  und  IVidlich  regiere  um!  herrschen  m(>gen .  und 
thuen  also  uns  mit  unserm  alzeit  diemuetigen  gehorsamen  diiMisten  zu  dero 
kay.  schütz  diemuctigist  bevelhen. 


—    68     — 

Nr.  408.    Schreiben  iler  herren  Statthalter  in  Behanib  an  die  Rom.   kay.  may. 
Praag  den  6,  juny  datiert. 

31.  Mai.  Nebent  e.  k.  iii.  g'nedigvsten    bevelh,   dessen  datum   Wien    am    donnerstag 

octava  ascensionis,  haben  wir  das  klainer  und  grosser  hmdrecht  bis  auf  den 
termin  s.  Hieronymi  negstkunftig-en  verschieben  lassen.  Es  ist  uns  auch  ein 
anders  e.  k.  m.  gnedigstes  schreiben  -am  sambstag  nach  dem  sontag  exaudi  zu 
Wien  datiert  zuekumen,  in  welchem  uns  zu  wissen  gemacht,  dafs  eur  kay. 
may.  herrn  Johan  Eusebium  Khain^^),  dero  gehaimen  ralh  und  obristen,  zu  uns 
absenden. 

Thuen  e.  k.  m.  gehorsamst  anzaigen,  dafs  heintigen  tags  in  e.  k.  m. 
canzley  zu  uns  drey  auf  unser  begehren  der  herr  Khain  kumen,  alda  wir 
nach  empfangnen  credential  von  dem  herrn  nach  lengs  e.  k.  m.  bevelh  ver- 
nuraen,  thuen  uns  deme  gnedigsten  väterlich  für  dis  künigreich  tragende 
vorsorg  gehorsamist  bedanken. 

AVas  wir  vor  ein  antwort  dem  herrn  abgesandten  geben,  ist  kein  zweifei, 
dafs  er  von  dem  allem  e.  kay.  may.  berichten  wird.  Vermerken  sovil,  dafs 
der  herr  abgesandt,  sovil  er  nur  wird  kunnen,  zu  dem  obbemelten  friden 
neben  kay.  may.  gnedigsten  bevelh  richten,  nebend  seinem  grofsen  verstand 
an  seiner  person  wird  nichts  ermangeln  lassen.  Wir  wollen  erwarten,  ob  er 
uns  ferner  in  etwan  brauchen,  damit  wir  nebent  dem  herrn  unserm  eusseristen 
vermögen,  von  allen  Sachen  uns  underreden,  was  zum  hosten  e.  k.  m.  und  zur 
stüllung  des   grossen   Unwesens    in   disem   künigreich  Behamb   dienen   möchte. 

Wir  wollen  gerne  die  gerechtikheit  nach  unserm  vermögen  jedermenik- 
lich  ertheilen  und  befürdern,  es  kurabt  aber  niemand  zu  uns,  wir  wissen  auch 
nit,  ob  wir  für  Statthalter  gehalten  oder  nit,  dan  uns  auch  solcher  titul  nit 
gegeben  wird. 

Bitten  derohalben  underthenigist,  e.  k.  m.  geruehten  darein  willigen,  dafs 
wir  von  hinnen  von  Prag  nach  haus  und  unser  nahruug  uns  versurgen  möchten. 
Was  wir  für  ein  intercession  für  die  patres  jesuiter  zu  den  herrn  sub  utraque 
gethan,  was  wir  für  ein  antwort  darauf  bekumen,  desgleichen  was  ihnen  für 
ein  patent  gegeben ,  nicht  weniger  was  sie  heutigs  tags  für  ein  schritt  in  die 
Behemische  canzley  durch  gewisse  personen  uns  überschikt,  betreffend  den 
verschub  des  landrechten,  dies  alles  übersenden  wir  e.  k.  m.  gehorsamist. 

Von  dem  herrn  Ponson^^)  zweiflen  wir  nit,  e.  k.  m.  haben  gehört,  das 
schreiben  von  den  herrn  sub  utraque,  wie  wir  bericht,  in  arrest  geben  worden. 
Der  almechtig  Gott  behuete  e.  k.  m.  ubirall  vor  allem  übel,  wir  mit  unsern 
gehorsamisten  diensten  thuen  e.  k.  m.  uns  underthenigist  bevelhen. 

Nr.  421.   Schreiben  an  herrn  cardinal  Glesel,  Madrid  den  11  july  datiert  in  ant- 
wort des  Schreibens  nr.  4142°). 
Deroselben   gnedigstes  schreiben  vom  9.  juny  Prespurg  datiert,   hab  ich 
bey  dem   aignen  kay.  curier  den  3.   ditto  gehorsamist  empfangen,  und  die  con- 


18)  Oberst  Khuen  (hier   öfter  Khain    geschrieben)    war  nachher   unter  Bouquoy  und 
neben  Dampierre  einer  der  Kommandierenden  des  kaiserlichen  Heeres. 

19)  Dr.  Ponzon  war  es,  der  als  erzbischöflicher  Beamter  die  Protestanten  in  Braunau 
aufs  härteste  bedroht  hatte. 

20)  Dieses  interessante  Schreiben   des  Kardinals   vom  9.  Juni,    welches  hauptsächlich 


—    69    - 


Das 

ßehemische 

Unwesen 

betreifend. 


Conte  de 
Bouqnoy  betr. 


H.  cardiual 

luaett'nsiou 

betr. 


!    Wi.'gen  iler 
•Pienipotenz  des 
kiinijj 
Ferdinand. 


firmation  des  iyranischen  schädlichen  und  hoch.strafmefsigen  proces  zu  Praag 
mit  hegster  betribnus  vernumen.  Wie  ich  nun  vorhero  diejenige  diligeuz,  so 
mir  die  kay.  may.  bei  disem  curier  anbevolchen,  bei  dem  künig  verriebt,  wie 
e.  hochf.  gn.  aus  vorigem  meinem  schreiben  werden  verstanden  haben,  also 
bin  ich  de  novo  und  mit  mehrerm  fundament,  wie  beylag  ausweist,  bey  dem 
künig-  einkumen,  und  mundlichen  ir  may.  die  g-efahr  dises  schädlichen  wesen 
genugsamb  vorgetragen.  Der  künig,  erzherzogin  Margredt,  herr  cardinal 
duque  de  Lerma  und  alle  ministri  emptindens  sehr  hoch  und  lassen  ihnen  das 
der  kay.  may.  von  e.  hochf.  gn.  zuegestelten  guetachten^i)  (so  ich  ihnen  com- 
municiert)  sehr  wol  gefallen  und  erbieten  sich  alle  mit  rath  und  that  beizu- 
springen, wie  ich  dan  hoffe,  werde  in  wenig  tagen  die  künigl.  resolution  zu 
content  hinaus  schiken  können.  Graf  von  Onate  hat  in  disem  negocio  ge- 
schriben  als  des  haus  getreuer  diener.  Den  don  Balthasar  de  Zuniga  betriebts 
bis  ins  herz,  und  alle  schliefsen  darauf,  man  solle  die  rädelführer  strafen, 
zu  Gott  hoffend,  weil  er  sein  hülf  augenscheinlich  denen  übers  fenster  hinab- 
geworfnen  cavallieru  erzaigt,  er  wird  die  kay.  may.  bey  so  gerechter  sachen 
nimmermehr  lassen. 

Wegen  grafeu  von  Bouquoi  hab  ich  gleichfal  verriebt,  was  e.  hoehf.  gn. 
geschafft,  jetzt  wird  e.  hochf.  gn.  propheceiung  erfült ,  und  erfahrt  man  in  der 
that,  für  w^en  sie  durch  schreiben  durch  mich  und  andere  gebeten  und  ermant 
haben,  Gott  wend  das  weitaussehende  iinglik  und  erhalt  die  kay.  may.  und 
e.  hochf.  gn.,  so  zweiflet  mir  nit,  dise  sach  wird  zu  Gottes  ehr,  der  religion 
aufnemen  und  zu  der  kay.  may.  und  des  ganzen  hochlühl.  haus  Oesterreich 
reputation  accommodiert  werden. 

Wegen  e.  hochf  gn.  praetension  hab  ich  abermal  mit  dem  cardinal  duque 
de  Derma  geredt,  und  darbey  dero  congratulation  schreiben  uberautwort,  hat 
sich  de  novo  alles  guets  erboten,  und  will  e.  hochf.  gn.  selbst  antworten, 
sonsten  kan  ich  nit  änderst  inen  werden ^^j,  als  dafs  alle  sachen  in  gueten 
terminis  stehnt  und  verhoffeutlich  disen  sommer  alles  zu  dero  content  ervolgen 
wird. 

Künig  Ferdinand  hat  den  an  dem  kay.  hof  residierenden  Venedigischen 
embaxadorn  lustiniano  die  neue  Pienipotenz  (darvon  mir  o.  hochf  gn.  vor 
disem  geschriben)  zuegestelt,  der  hals  dem  hiesigen  embaxadorn  Pedro  Griili 
zuegeschikt,  mit  dem  hab  ichs  in  beysein  des  künigl.  secretario  Antonio  de 
Arostequi  ausgewexlet  und  die  alten  cassiert,  ist  also  dises  auch  richtig. 

Durch  den  estreeho  de  Gibilterra  sein  den  Venedigern  18  schitT  Holleiuler 
zuepassiert,  haben  3  spanische  schiff  antrolfcn.  mit  denselben  geschlagen,  giiele 
steefs  empfangen  und  wider  ausgeben,  doch  zu  beiden  seilen  kein  schitf  zu 
grund  gangen,  ist  ein  schlechter  apiiial,  dafs  die  VtMiodiger  wollen  frid  hallen. 

über  den  Grafen  Bouquoy  und  das  »hoiiniische  Unwesent  handoil ,  auch. einen  Diskurs  dt-s 
Kardinals  wider  die  Ketzer  bringt,  welche  «die  calholische  kirohcn  für  die  Italiiioiiische 
huer,  den  habslen  für  don  anlekrisicn .  alle  peisllichc  für  liaalspfafl'cn ,  dieli  und  inörder 
U.S.W,  halten,«  ist  bei  Hammer,  Kardinal  iOilcsl.  Nr.  HiW  nhtjedrui'kl.  Wir  vor/.iililen  dos- 
halb auf  die  Wiedergabe. 

21)  Dieses  wichtige  Gutachten  (Nr.  Mli  des  Uriefbuchsj  ist  ebenfalls  bei  llanuner 
Nr.  865  abgedruckt. 

22)  kann  ich  nicht  anders  innewerden. 


—     70     — 

sunst  bleibt  die  arniada  in  alten  terminis,  duque  de  Cosuna  aber  mit  seiner 
arniada  will  fast  verzag-en,  weil  er  durch  die  hiesige  langsame  expedition  so 
schene  zeit  und  guete  gelegenlieit  verliert. 

Ob   ich  wol  vorher  umb   ein  züffer   geschriben,   so   ist  mir  doch  bishero 
keins  uberschikt  worden,  und  wie  ich  nachvolgendes  änderst  nit  als  in  züffern 
hab   schreiben    künden,   also   wollen   e.   hochf.  gn.  herrn  Max.  von  Trautraans- 
torff  mit  mir  habende  zülTer^^)  abfordern  und  es  deszüfferiren  lassen, 
4  92  18  30  2  16  GO  Ö5  4  36  2  60   12  48   16  48   92   8    18    2   60  77  60  2   12  48 

Auf  die  spanische  hülf  ist  sich 

13  92  16  59  8  60  60  16  36  40  2  IG  60  13  92  10  16  59  60  77  16  36  7  16  40  2 

zuerlssen*-')  wies  zum  ersten  bewi 

8  2  33  77  40  2  16  59  77:  4  81  65  93  6  4  12  4825)  4  92  18  1  16  2  36  2  4  59 

ligt  wiert  :  hernach  auf  kein  iar 

10  IG  59  30  4  36  30  4  60  33  16  8  77  60  34  10  4  36  48  2  36  4  92  60 

mer  dan  das  gelt  so  man  hinaus 

60  12  48  2  12  1  77  4  8  8  16  60  4  92  18  33  59  34  60  2  36  77  16  59  16  60  60  16 

schickt  alles  auf  gros  interesse 

4  36  77  2  12  2  55  2  16  59  77  40  34  59  30  16  36  36  2  77 

anticipiert  worden  und  man  noch  ff^    nit 

33  16  18  34  8  38  16  36  1  4  36  4  59  10  4  30  4  60  12  48  (3)4  36 

gefolgen  kan  und  auf  die         armada  schon 

3 

13  40  34  10  2  8  2  34  36  4  92  18  33  4  36  83  16  36 

zwo  milion  aufgangen  und  nichtsdestoweniger  bishero 

3 
36  2  77  4  92  60  13  16  8  34  18  18  16  36  2  60  77         13  92  59 

nit  aus  geloflfen  ist.  Das  hab  ich    zur 

8  3 

36  4  12  48  59  2  12  45  77  92  36  13  4  92  2  60  2  16  59  16  36  40  16  8  8  16  36. 

nachrichtung  avisieren  wellen. 


23)  Der  Schlüssel  dieser  Ziffernschrift  ist 

folgender: 

a  =    4. 

in  =  10. 

1  =  k. 

33  =  g. 

b  =     7. 

n  =  36. 

2  =  i. 

34  =  0. 

c  =  12. 

0  =  34. 

4  =  a. 

36  =  n. 

d  =  30. 

p  =  55. 

7  =  b. 

40  =  w. 

e  =  16. 

r  =  59. 

8  =  1. 

48  =  h. 

f  =  18. 

s  =  60  (66). 

10  =  m. 

55  =  p. 

g  =  33. 

t  =  77. 

12  =  c. 

59  =  r. 

h  =  48. 
i  =    2. 

""]=:  92. 

13  =  z. 
16  =  e. 

60(66)  =  s. 
77  =  t. 

k  =     1. 

1  =     8. 

w  =  40. 
z  =  13. 

18   r=  f. 

30  =  d. 

92  _f- 

Ueber  die  Art,  wie  der  Schlüssel  gefunden  wurde,  sowie  über  verschiedene  andere 
Zifferschrift  in  einem  der  nächsten  Hefte. 

24)  =  zu  verlassen.  Die  Ziffern  stimmen  nicht  immer  genau.  An  einzelnen  Stellen 
haben  wir,  wo  der  Schreiber  sich  geirrt  hatte,  die  richtige  Ziffer  darüber  gesetzt,  an  anderen 
eine  fehlende  Ziffer  in  ()  beigefügt.  Die  Worte,  über  welchen  keine  Ziffern  stehen,  sind  in 
gewöhnlicher  Schrift  geschrieben. 

25)  Die  im  Text  stehenden  Ziffern 

4.  81.  65.  98.  6.  4.  12.  48  müssen  in  folgender  Weise: 
48.  16.  59.   36.    4.    12.  48  abgeteiltwerden,  um  mit  dem  Schlüssel 
zu  korrespondieren,  und  ergeben  dann  das  Wort:  hernach. 

26)  Dieses  Zeichen  kommt  sonst  nicht  vor.  Das  Wort  vor  demselben  kann  auch  macht 
gelesen  werden,  da  das  a  oft  gleich  o  geschrieben  wird. 


I 


—     71     — 

Nr.  422.    SchreibeQ  an  die  rüm.  kay.  may.    Madrid  den  15.  july  datiert,  in  aut- 
wort  des  uuin.  396  und  num.  40327), 

Zway  derselben  allergnedigste  schreiben,  ains  den  1.,  das  ander  den 
11.  juuy  datiert,  hab  ich  sambt  denen  schreiben  an  könig,  erzherzogin  Mar- 
gredt  und  cardenal  duque  de  Lerma  allerunterthenig-ist  bey  dero  aiguen  ab- 
geortnen  curier  empfangen  und  daraus  sambt  den  beygeschlofsneu  abschriften 
Das Behemische  den  unerhörten,  erschröklichen  process  etlicher  e.  kay.  may.  von  der  religion 
Unwesen  betr.  ^^^  utraque  Behamischen  landständ  allergehorsamist  und  mit  schmerzen  ver- 
standeu,  wie  ich  nun  dero  kay.  schreiben  den  künig,  erzherzogin  Margredt 
und  cardenal  duque  de  Lerma  in  ertheilten  underschidlichen  audienzen  aufs 
ehist  so  muglich  gewest  Überantwort  und  den  künig  neben  Vorstellung  der 
grossen  gefahr  zu  rettung  Gottes  ehr,  der  catholischen  religion  conservation 
und  e.  kay.  may.  höh.  haus  reputation,  auch  zu  confusion  und  au.stülgung 
dero  feind  und  ungehorsamen  zu  erspruefslicher  hülf  stark  ermant  und  mit 
A.  Übergebung   eines   memorial    beygelegte   abschritt   gehorsamist   ausweist,   umb 

ehiste  erspruefsliche  expedition  underthenigist  gebeten,  also  haben  sich  ir 
künigl.  luay.  wirklich  zu  helfen,  erzh.  Margredt  es  lleisig  zu  sollicitieru,  und 
herzog  von  Lerma  nach  muglikeit  zu  der  ehisten  gueten  expedition  zu  helfen 
sich  Vetter,  brueder  und  gehorsamist  erboten,  auch  dise  that  wie  billich 
zum  hegsten  empfunden,  und  sich  darüber  stark  alteriert,  hoffe  zu  liott  (ob- 
woln  alle  Sachen  hier  pflegen  langsamb  fortzugehen)  den  curier  inner  wenig 
tagen  (weil  ich  vor  seiner  ankuuft  die  maiste  diligeuz  gethan)  mit  gueter 
erwinschter  Verrichtung  widerumb  abzufertigen,  der  almechtig  wolle  e.  k.  m. 
mit  gesund  und  glik  langwirig  erhalten,  damit  sie  ihre  künigreich  in  frid  und 
ruehe  regieren,  die  ungehorsamen  nach  verdienst  strafen,  die  gehorsamen  und 
getreuen  begnaden  und  zuforderist  Gottes  ehr  untl  die  heyl.  catholische  religion 
in  denselben  erweitern  und  defendiern  mögen,  darzu  ir  der  zeit  der  almechtig 
unverhotrte  mittel  in  die  hend  geben.  Der  wird  ir  auch  den  sig  verleihen, 
weil  sein  aigen  Interesse  darinen  versiert  und  die  gerechte  ursach  für  sich 
selbst  triumphiert. 

CondedeOüate  Gonde  de  Oüate  hat  über  dise  Sachen  dem  künig  eufrig,  und  als  e.  k.  m. 

treue        hochlübl.    liaus    getreuer   diener   geschriben    und    umb    eheste    wirkliche    gelt- 

inforniatiou.  ,  ,,     ,      ,  ,     ,  ,  •      ,         i  ■>    i,i  i       r/       •  •      i  i       ■    i 

und  VülkshüÜ  angehalten  und  ermahnl ,    don    Balthasar  de   Zumga  nimbt  siclis 

auch  stark   au   und   thuet  das  seiuig  darbey,    wie  ers  schuldig    unil   maus   von 

ihm  begehren  kan. 

D.s  künig  aus  Der  künig  aus  frankreieh  hat  dem  hiesigen  künig  wegen  tlises  vorgelollnen 

hraukhruicb    f^-gyels  bewcglich  zugcschribeu  und  niil  vermelden,  wan  man  solches  ungestraft 

opiuion  "  °  ...  I     •  1        I  ■    1      ■  1  I 

wegen  des      lasscu  wurde,  es  ein  solche  consetjuenz  md  sicli  ziige,  dals  es  täglicli  ihm  und 
iMi. mischen    andern  küiiigen  und  potentaten  auch  geschehen  könte'^*'). 

Unwesens.  ,  •       n  i-       i     i  i 

Was  e.  kay.  may.  mir  wegen   des  grafon  Hou(iuoi   allergnedigsL   bey   dem 
künig  anzubringen  bevelhen,  deme  kom  ich  allergehor.samist  nach. 


27)  Du3  Ürigiiiul  dieses  Briefes  hflintlfl  sicli  im  Wiener  Sluiil.siiiiliiv  ' 'i',""'"  l''S  «'irtl 
hei  Giiidely  a.  u.  0.  S.  Tö'J  zitiert,  woselb.sl  aiicli  das  Urteil  Liidwitjs  .\lll.  iiIkt  •di.><eii  vor- 
j^elulTueu  frevel«  erwüliul  wird. 

28J  Siehe  Auiu.  27. 


—     72     — 

Wegen  der  lu  6.  k.  iJi.  uauicii    luil    lieiT   cai'dinal  Clescl    mir   allerg-nedig-ste   Ordnung 

Pienipotenz  des  gethan,  wan  andere  Pienipotenz,  betr.  den  Venedig'ischen  friden  von  der  künigl. 
Feidinand.     würdc  in  Beheimb  mir  zucg-eschikt  wurden,  soll  ichs  mit  dem  hiesigen  Venedi- 
gischen embaxadorn  auswechsleu  und  die  alten  cassiern,  wie  nun  högstgedachte 
ir  künigl.  würde  angedeute  Pienipotenz  dem  an  e.  kay.  may.  kayserl.  hol"  resi- 
dierenden  Veuedigischen    potschaf'ter  Justiniano    zuestellen ,   also    hat   ers    den 
hiesigen    anwesenden    potschal't   Petro   öriti    uiirs    einzuhendigen    zuegeschikt, 
mirs  zuegestelt,  und  ist  die  auswechslung  und  cassieruug  zu  sein   content,   in 
beysein  des  künigl.  gehaimen  secretario  Antonio  de  Arostequi  beschehen.    Durch 
den  stretto  de  Gibilterra  sein  18  Holl-  und  Engellendische  schiff  den  V'encdigern 
zue   passiert,  die  haben   drey  spanische  schilt"  angetroffen ,  und  dieselben   also 
feindlich    angriffen,   dafs   zu   baiden   thailen  grosser   schad,   doch  kain   under- 
gang  ainiches  schiflfs,  ervolgt,  und  wie  solches  ein  schlechte  f'rid  iutention  bey 
denen  Venedigern  bedeut,  also  ist  zu  besorgen,  die  Spanier  werden  disen  spot 
nit  leiden ,   sich  rechen  und  die  sachen  möcht  zu  einer  erweiterung  erwachsen, 
Gott  wöll  alles  übel  verhueten,  und  den  heyl.  f'rid  in  der  Christenheit  erhalten. 
Die  Spanische  Des  küuigs  armada  ißt  noch  nit  abgeloffen,  und  weil  nunmehr  die  halbe  beste 
.irinada  betr.    zeit   des  jars  zum   navigirn   Ibruber,   zweifelt  man   ob  sie  dieses  jar  abfahren 
sollen;    beschihts   nun   nit,  so  ist  wider  ein  million  umb  ein  sunst  verzehrt, 
welchen  so  man  ihn  hinaus  hat  remitiern  sollen ,  wurden  etliche  genuegsame 
dilficulteten  darüber  gehabt  haben,   Gott  verzeihs  ihnen,   und  beker  sie,  damit 
sie  besser   ires   herrn   und  des  hob.  haus  Interesse  als  ir  aignes  in  acht  haben, 
wie   dan   ir   durchl.    erzh.  Margredt   sich  nit  wenig  darüber  bekumern.    Jetzt 
HeL'fhruu"  et-  bügstgedachte   ir   durchl.  haben  gnedigst  beyligende  granat,  sie  e.  k.  m.   zue- 
lidier  ^'raiiaten  schiken   zucgestelt,   mit  gnedigsten    bevelh,   e.    m.    gehorsamst   zu   bitten,   sie 
füi^  die  iiifanta  wollen  ir  eines  jeglichen  sorten  1000   ehist   zue  zubefürdern  allergnedigst  be- 
aigan  a.  j.^j^^^  lassen,   dan   sie  von  der  ersten   ein  mefsgewand   zu   stiken   angefangen, 
darzue  sie  noch,  weiln  der  andern  nit  genueg  waren,  gedachte  bederft.    So  er- 
warten ir  durchl.  mit  hechsten  verlangen  auch  der  von  mir  zu  mehrmale  alier- 
gehorsamst  angedeutten   monstranzen,   und  werden   sich  gewifs  über  dise  kay. 
gnaden   zum   hegsten  erfreyen,   und  es  mit  dero   täglichen   andechtigen   gebet 
gegen  Gott  um  e.  k.  m.  und  dero  kay.  gemahlin  widerurab  verschulden. 

Hieher  ist  zeitung  kumen,  dafs  die  ordinari  vom  may  bey  Yron  ins 
Wasser  gefallen,  und  diebrief  nach  Prüssel,  darbey  meine  gewest,  verloren 
worden.  Daher  e.  m.  ich  beyligendes  duplicat  underthenigist  übersende.  E.  k. 
m.  thue  zu  dero  kay.  gnaden  und  landsfürstl.  hulden  ich  mich  unterthenigist 
hieneben  bevelhen. 

Nr.  423.    Memorial  an  den  könig  alhier  die  Behemische  aufruehr  betr. 

Der  Graf  von  Frankhenburg,  embaxador  des  römischen  kaysers,  vermeldt, 
Hüifs  soiiici-  dafs  er  bey  einem  aignen  curier  von  seinem  allergnedigsten  herrn  e.  may. 
den  gefehrlichen  gegenwertigen  stand  des  künigreichs  Behem  vor  die  äugen 
zu  stellen,  Ordnung  empfangen,  nemblichen  dafs  diejenigen  von  der  religion 
de  utraque,  nachdem  sie  etliche  vorneme  catholische  der  kay.  may.  ministros, 
in  dem  Prager  schlofs,  aus  dem  fenster  hinaus  geworfen,  noch  in  irer  rebeilion 
continuiern,  werben  volk,  vorlagen  die  geistlichen  der  catholischen,  haben  sich 
des  schlofs  bemechtiget,  setzen  neue  gesetz    und  gubernatores,  bedienen   sich 


tiurung   wider 
die  Beheuib. 


-     73     — 

des  künig-1.  eiukuiiieii ,  schreiben  plasphemias .  publicieren  solche,  damit  das 
g-emaine  volk  wider  die  kay.  uiay.  ang-ehetzt  werde,  auf  deti  predigersluel. 
schiken  coniniissarios  zu  denen  teutschen  fürsten  und  umblieg-enden  landen, 
sich  mit  ihnen  zu  coufoederiern ,  damit  sie  wider  die  catholischen  ziehen  und 
dieselben  selber  orten  austülg-en  künden,  bestellen  ein  neue  formam  reipu- 
blicae.  allein  die  succession  künig's  Ferdinandi  zuverhindern,  und  dieselbe  von 
dem  höh.  haus  von  Osterreich  zu  bringen.  Und  wie  das  remedium  diser  sched- 
likeiten  in  der  kürze  der  zeit  consistiert,  also  bemuehen  sich  ir  kay.  may. 
aus  dem  gTo(strag;pnden  eufer  zu  der  heyl.  catholischen  relig'ion  und  aus  ver- 
langen des  aut'nemens  des  hob.  haus  von  Osterreich  stark  dahin,  damit  es  im 
anlang-  remediert  wird,  und  nit  meher  schödliche  weitleufikheit  daraus  erfolge, 
wirbt  derowegen  volk  und  macht  grofse  kriegspraeparation ,  befilht  auch  ge- 
dachten grafen  von  Frankhenburg  bey  e.  may.  ernstlich  anzuhalten,  dal's  sie 
an  allen  orten  wo  vonnöten  mit  volk  und  gelt  succuriern,  das  Friaulisch  volk 
dahin,  und  wo  gröfsere  gefahr  erwiechs,  das  Maylandische  gleichfals  zu  schiken: 
und  die  bezalung  der  ;|^,  fl.,  so  man  schon  soviel  lange  jähr  schuldig,  und  zu 
einer  so  billichen  und  rechten  occasion  der  zeit  brauchen  köndte,  anzubevelhen 
ir  belieben  lassen  weiten,  und  dieweil  in  disem  negotio  Gottes,  der  catholischen 
religion  und  des  höh.  haus  von  Osterreich  Interesse  begriffen  und  e.  may.  einer 
der  fornemsten  defensorn  ihrer  ist,  also  versichert  sich  die  kay.  may.  des  effect. 
und  alle  catholische  erwarten  mit  verlangen  dises  succurs  von  e.  may.  catho- 
lischen und  christlichen  eufer,  welchen  der  Almechtig  in  e.  künigl.  may.  kü- 
nigl.  person  vil  und  lange  jähr  zu  consolation  der  catholischen  und  zu  con- 
fusion  Gottes  und  des  höh.  haus  von  Osterreich  feinden  erhalten  wolle. 

Nr.  443.     Extract  aus  einem  schreiben  an  herrn  von  Eggenberg,  Mailrid  den 
20.  july  datiertes). 

Bey  disem  kay.  curier    hab    ich  von    meinem    h.    schwagern  kein    schrei- 
ben gehabt,  kan  wol  gedenken,  wird  der  Ungrisch  landtag  und  das  Behomische 


17  —  u. 

19  =  i. 

21  =  1. 

22  =  f. 

26  =  d. 

27  =  n. 

SO  =  e. 

81  =  X. 

84  =  w. 

86  =  l. 

fu. 
42  z=' 

\^- 

Was  die  Bezeichnung  von  Personen  (IuitIi  ciiizi-ltii'  üiiclisliilicn  oilcr  Fitjuicn  ln-lriiVi. 
so  war  die  EnlzilTerunt?  wejrcn  iMun^^els  an  .Anliiillspunklen  nicht  ininiei-  inüglicli.  In  »iiescni 
Schreiben  kouimen  lünl'  tJi'rarlige  CliiltVrn  vor.  (1  iii'dculcl  den  llcr/itjr  von  lATinii.  W  den 
Kaiser,    ^    Onale,  den  spanisclien  Ge.sandli'o  am   osti'rn'irhisilii'ii   lluli'.   und  (»)  Znniira  .  den 

Vorgänger  Onale's  in  der  genannten  Stellung. 

Mitteiliiiiguii  aus  dem  gcriii.in.  Natioiialiniisoiiiii.     ls'J.'(.  \. 


29)  Der  Schlüssel 

für  die  Ziffer  dieses 

Schre 

bens  ist  dej 

a  = 

9. 

n  = 

27. 

2  =  p. 

b  = 

13. 

0  = 

17. 

3  =  r. 

C  := 

ö. 

P  = 

2. 

4  =  m 

d  = 

26. 

q  = 

6. 

5  =  c. 

e  = 

30. 

r  = 

3. 

6  =  q. 

f  = 

22. 

S   =1 

10. 

8  =  g. 

S  = 

8. 

t  = 

36. 

9  =  a. 

h  = 

IS. 
19. 

"1_ 
^1" 

42. 

10  =  s. 

11  =  z. 

k  = 

16. 

w  = 

34. 

18  =  b. 

1  = 

21. 

X    = 

81. 

IB  —  h. 

in   =: 

4. 

z  = 

11. 

k;       k. 

—     74 


weseu  die  verhindernus  g-evvesen  sein.  Gott  scliiks  alles  /um  hosten  und  wie 
es  zu  seinem  lob  frid  und  ruehe  gedeyen  müg-e.  Alsbald  der  könig-  von  mir 
das  Beheraische  unwesen  und  die  grofse  weit  aussehende  g-efahr  verstanden, 
hat  er  sich  euferig-  zu  helfen  erklärt,  als  mit  dem  Friaulischen  volk,  und  wer 
vonnüten  zugleich  mit  dem  Maylendischen ,  auch  über  das  jetzt  alsbald  iiiil 
.^li  duc.  und    in  zwav  oder   drei    monat    wider  sovil.    26  30  3       9  13  ^0  3 

M)  •'  l)or  '-<  aber  iiiul 

10  30  19  27   36  17  27     26  9  10   8  30  21  36   34  19  26  30  3   26  30  27 

sein  son  haben         das  gelt  wider  den 

8  30  13  9  4  30  27  3  9  36  42  30  3  15  19  27  26  30  3  36        22  3  30  4  13  36  30  27 

gchanien  rat  verhindert,  weil  sie  lieber  frembten 

26  30  27   10  30  19  27  19  8  30  27   15  30  21  22  (27)  30  27 

als  dem  fp  und  den  seinigen  helfen.  ^l- 

13  30  16  42  4  30  3  6  10  19  5  15  10  (10  30  27)  10  30  3    34  9  10  34  19  21 

bekumert  sichs  ser.  aber         was  will 

4  9  27   4  9  3  15  30  27  27  19  36  3  30  4  30  26  19  30  3  3  30  27 

man  machen  weil  mans  derzeit  nit  remedierren 

16  9  27     /A    hat    in    dieser   materi   als   des   erzhaus   treuer   diener   geschriben. 

kan.  I  M  1  1  1 

ü)  last  ihms  so  angelegen  sein,  dafs  man  nit  mer  von  ihm  begehrn  kan. 


Behemische 
unrnhe  und 
den  graf 
von  Thurn 
betreffend. 


Nr.  444.  Schreiben  an  herrn  Max  von  Trauttmannstorff,  Madrid  den  20.  july 
datiert. 
Z^vay  meines  h.  obr.  hofmeisters  schreiben  als  den  30.  may  und  11.  juny 
datiert  hab  ich  zurecht  empfangen,  verantwort  dieselben  hiermit.  Wie  hoch 
mich  der  schedlich  und  weit  ausfehende  Behemische  handl  betriebt,  kann  ich 
nit  genuegsamb  schreiben.  Gott  schiks  zum  besten,  sonst  wirds  ein  seltzame 
wesch  abgeben.  Dafs  herr  graf  von  Thurn,  den  ich  als  mein  vettern  respectier 
und  lieb,  sich  darzue  brauchen  last,  und  nach  allen  avisen  das  haubt  ist,  macht 
mir  das  herz  blieten  und  kan  mirs  ganz  nit  einbilden,  dafs  dieser  herr,  so 
für  sein  person  und  für  seine  voreitern  so  ansehlich  umb  das  höh.  haus 
Osterreich  verdient,  jetzt  auf  ainmal  wider  sie  und  per  consequenz  wider 
sein  obrikheit  und  Gott  seye.  und  so  gar  sein  ptlücht  und  aid  vergefsen  haben 
solle;  dise  ir  Sachen  kan  nit  bestehen,  obs  wol  ein  weil  geweren  mag,  und 
ist  in  Beharab  nit  ein  solche  form  zu  regiern  wie  in  Schweiz,  Holland  und  deren 
orten  anzuschiken,  so  ist  auch  die  tiraney  so  grofs,  dafs  Gott  in  die  leng 
nit  wird  gedulden  können,  und  selbst  für  sein  sachn  streiten  muefsen;  allain 
ists  umb  unser  arme  länder  zu  thun,  die  werden  verderbt  und  allen  last  tragen 
muefsen.  Gott  wend  alles  ungiik.  Was  herr  Khain  guets  ausgericht^o),  erwart 
ich  mit  verlangen  zu  wifsen,  an  seinem  gueten  Intention,  und  hohen  erbarn 
verstand  wirds  nit  gemanglet  haben.  Ehe  der  kay.  curier  alhier  augelangt, 
hab  ich  ein  Interim  diligenz  bei  dem  künig  umb  hilf  gethan,  die  wird  ervolgen, 
mit  dem  Friaulischen  volk,  und  wo  vonnöten  mit  dem  Maylendischen  auch, 
und  mit  ein  creditbrief  an  conde  de  Onate  und  was  er  darauf  aufnemen  und 
spendiern  wird,  es  ihm  herein  alsbald  richtig  wird  gemacht  werden,  so  nun 
^  mann   also  vonnöten,  so   kan  ers  haben,  denn   hats   der   künig  mit  Mantua 


30)  Es  bezieht  sich  dies  auf  die  Sendung  des  Froiherrn  von  Khuen  nacli  Prag  nach 
dem  Fenstersturz,  um  an  Ort  und  Stelle  Nachrichten  über  die  Tragweite  des  Aufstandes 
zu  schöpfen. 


—    75    — 

Ihun  können,  darvon  er  wenij;'  dank,  vielmehr  hier,  das  uinh  sehkheit.  reieh 
und  des  haus  von  Osterreich  woliahrt  gehet.    30  ^i)  2  66  66  16    48  2  8  18 

Disse  hilf  hat  der 

33  16  48  4  10  10  16  59  4  77  30  16  10     33  16  59  4  77  77  16  36 

gühamme  rat  dem  qq  geratten  und   köndt 

30  16  59     60  16  2  36  60  34  36  /\  4  7  16  59 

mau  nit  mehr  begehreu.      Der  St.  und  sein  son  ^\/       aber  (so   nit 

7   16  59   16  2  12  48  16  36 

mehr  als  die  draufsige  correspondenz,  damit  sie  sich  und  ihre  diener  bereichen 

7  16  60  77  16  8  8  16  36       13  92  92  16  59  48  2  36  30  16  59  36 

und  den  qci  bestellen  künnen^2|_  ^u  verhindern) 

48  4  8  77  16  36  60   7  2  60  48  16  59  59  34   36  34  12  48   4  92  18 

haltens  bisherro  noch  auf  und  werden 

30  4  59  92  34  36   60  12  48  10  16  8  8  16  59  36      4  36 

sovil    sie   können   darvou  schmellcrn.  Ich  iass  an 

10  2  59  36  2  12  48  77  60  16  59  40  2  36  77  16  36 

mir  nichts  erwinton,  so  wolj  auch  E.  und  B..  so  hat  auch 

33  16  30  4  12  48  77  36  13  40  16  36 

hierüber   der  F,  als  des  haus  treuer  diener  geschriben,  gedachte  zweu 

4  7  16  59        33  16  18  4  36  33  16  36  13  92  6012  48  59  16  2  16  36 

aber  halten  den  qq  gefangen,  und  wer  vil   davon  zu  schrei(b)en. 

36  2  36  33  8  4  92  7  16  36  14  36     92  36  33  8  2  U  14  8 

das  mein  herr  obi-.  hofmcister  nie  ghuibon  kau.        Ich  bin  unglickh 

60  16  8  2  33  48  59  59   16  2  36  1  92  10  10  16  36   7  2  36 

selig,  dal's  ich    zu   diser  zeit    hrr  einkummen-")  bin. 

mufs  nur  gedenken,  dafs  der  pogen  schon  so  hoch  gespant,  dal's  er  ohne 
brechen  nit  weiter  kan  gespant  werden,  bitte  mein  herr  obr.  holmeister,  er 
coinmunicier  30  2  16     13  92  18  18  16  59     48  16  59  59  36    , 

die  züffer  lierrn  V,  so  schreib  ich  auch  etliche 

4  92  18   60  16  2  36   13  92  18  18  16  59 

advertimeuta  rtem  0  und  I)  und   referier  mich  auf  sein  züffer 

1  16  2  36  16  (10  2)  10  2  59  4  92  18  33  16  59  2  12  48  77. 

weil  sie  keine  mir  aufgericht. 

Nr.   451.     Schreiben   au   könig  Ferdinandt  aus  Behenib,   Madrid   den   2().  july 
datiert. 
Den  kiinigi.  Ob    ich    wol    bey    dem    künig  vor   ankunll    des    kay.    curiers    allr    mug- 

succurs  Wider   jjchistc  üTchorsamiste  diligenzgepllegt,  so  hab  ichs  doch  hernach,  als  er  angidanirt. 

die  Hehemen  ,      ^       ,  ,•,.,,■,  -Z     i     c  ,■        i  .  •  ••  i        . 

betreffend,  mund-  und  schrilthchcn  mit  befserm  lundanienl.  wie  e.  iiiay.  gnädigst  aus 
beylag  zu  sehen,  thuen  können,  fr  may.  der  kiiiiig,  erzherzogin  .Ahirgrel, 
caidenal  duijue  de  Lernia  und  alle  hiesigen  minist ri  haben  sicli  über  diesen 
der  Heheml)  ers('hr()k-  und  unveranl wörtlichen  geliertrii  process  zum  ht'gsleii 
verwundert,  uiul  denselben  wie  billich  selir  empt'iindni.  der  künig  hat  wirk- 
lichen zu  hellen,  die  erzherzogin  Margredt  es  vleifsig  zu  soilicitit-rn .  und 
herzog  von  Leriiia  zu  gueter  expedilion  zu  licltVi).  und  dir  andern  miiiislri 
das  ihrige  darbey  zu  Ihuen,  sich  erboten,  und  ob  ich  wol  vermaint  d<'n  riirier 
alsi)ald    mil    erwinschler    antwort    abzufertigen,    so    hab    ich    d(«-h    bey    dieser 

til)  in     (iicsoiii    Stücii    (ZillVr    wie    in    Nr.  421  i    hcd.'utcl    i|i|    ilrn    s|mniscliiMi    Könii?. 

St.    den  llcr/.otf  von   Lcriiia,  Sfinrn  Solin.  den   \\ir/.>n;  von   U/cdii.     !•'    i.-^t   \\o\    Onalc. 

die    liiirigcn    Bczcicliiiiiimcn  sind  .siliwcr  zu   ix'stirnnifii. 
S"!)  Üen  Köni^,'  von  Spanien  iiestolilon  künnen. 
33j  Soll  oit'cnbar  licr  (4«  15  öUj  einkiinunen  iu'ifscn. 


—     76     - 

ticilioii,  der  die  liini^sainkeil  in  ulleii  saehtüi  uiig'cboreii ,  l)isiiero  iiil  wie  ich 
^evvölt,  vortkomcn  ivCmdeii,  hotte  aber  solle  die  abfertig-ung-  gedachtes  curiers 
wo  iiil  diese  doch  dir  andere  wochen  zum  coiilenl  erfolgen.  Was  ich  nun  der 
zeit  von  dieser  hüll'  lialt,  schreib  ich  zu  wenig'er  o.  ni.  ijohelligung  dero  obr. 
holmeister  h.  von  Eg-g-enberg;  zue,  der  wirds  derselben  gehorsaniist  zu  referiern 
wüssen.  Cönde  de  Onate  hat  hierüber  der  catholischen  raay.  als  des  hob.  haus 
von  Osterreich  g-etreuer  und  g-ehorsamister  diener  g-eschrieben ,  und  wie  es 
difs  neg-otiuni  erfordert,  berichtet,  den  Ballhasar  laft  ihms  also  angelegen  sein, 
dafs  er  raehrs  nit  thuen  noch  man  mer  von  ihm  beg-ehrn  köndte. 

E.  künig'l.  niay.  winsch  ich  von  dem  Almechtigen  sowol  in  disen  als  allen 
andern  neben  der  kay.  may.  meinem  allergnädig-sten  herrn  süg"  und  Überwindung- 
dero  felnd  und  widerwertig-en,  und  zweiflet  mir  nit,  (iott  wird  selbst  für  sein 
und  der  frumb  heyl.  catholischen  obrikeit  ehr  allergnädig'st  streiten,  und  die 
ungehorsamen  zue  spotl  und  schänden  machen,  damit  die  treu  und  gehor- 
samisten  underthanen  in  frid  und  ruhe  langwirig  das  christl.  und  siesse 
regiment  des  hob.  haus  von  Osterreich  geniessen  mögen. 


Den  succurs 

und  expedition 

des  curiers 

betreffend. 


Nr.  452.     Schreiben  an  erzherzog  Maximilian.  Madrid  den  26.  july  datier!. 

Als  in  der  kay.  may.  meines  allergnädigsten  herrn  namens  ich  der  künigl. 
hiesigen  den  erschrök-  und  türanischeu  process  etlicher  Behemischer  stend 
angebracht,  haben  sie  es  zum  högsten  empfunden  und  wirklich  und  ansehlich 
zu  helfen  sich  erboten,  wie  aber  diese  nation  von  natur  langsamb,  also  hab 
über  vilfeltiges  ermahnen  und  sollicitiern  die  expedition  des  kay.  curiers  ich 
bishero  noch  nit  haben  könden,  hoffe  aber,  wo  nit  dise,  es  aufs  wenigist  die 
ander  w^ochen  zu  bekumeu,  und  den  curier  abzufertigen,  bey  deme  des  künigs 
aigentliche  resolution,  e.  hochf.  durchl.  ich  underthenigist  avisiern  will. 

Gonde  de  Onate  hat  als  des  höh.  haus  von  Osterreich  getreuer  diener 
hierüber  geschriben,  don  Balthasar  de  Zuniga  thuet  darbey  das  seinig,  dafs 
man  mehrers  von  ihm  nit  begehren  kan  und  obwol  etliche  nit  zum 
besten  hinaus  inclinierende  die  sach  vor  gering  und  wenig 
gefährlich  halten,  so  hoffe  ich  doch  die  wol  intentionierte  und  in  diesen 
Sachen  besser  erfahrne  werden  mit  ihren  gerechten  Sachen  vorschlagen,  und 
die  hülf  wirklich  und  zum  content  ehist  erfolgen.  Die  avisen  sein  wie  aus 
vorgehenden  an  künig  Ferdinand  schreiben  zu  vermerken. 


Jieheniische 

unruehe 

betreifend. 


Nr.  455.    Schreiben  an  p.  Bonauentura  Damianum,  Madrid  den  30.  july  datiert. 

Cum  furorem  et  rebellionem  Bohemicorum  contra  imperatorem  et  religionem 
cath.<a">  intellexissem,  statim  operam  dedi  ut  cath.o's  rex  auxilium  suum 
effective  praestaret,  quod  sine  difTiculfate  et  magna  cum  laude  sui  catholici  zeli 
obtulit,  et  voluntatem  suam  monstrare  iussif.  Dens  est  pro  nobis,  quis  ergo 
contra  nos?  et  si  tandem  bona  causa  triumphat,  quoniam  haec  ipsius  Dei,  quid 
dubitandum  est  de  victoria? 

R.  p.  V.  rogo  vehementer,  mein  kuchel  latein  mir  zu  verzeihen,  hoc  ago 
exercitii  causa,  ne  linguam  latinam  omnino  oblivioni  tradam.  Valeat  et  me 
cum  uxore  et  filiis  meis  suis  precibus  commendatum  habeat. 


77 


Künigl. 
'     resolution 
I     wogen  des 
ciccurs  wider 
ilie  Behmen. 


lue  Y()  H- 
betreffend. 


Meine 
<  mbaxada 
betreffend. 


Nr.  459.     Srhreibeii  uii  die  ii'nin.  kuv.  iiiuy.,  Madrid  deu  31.  iulv  datiert. 

Als  die  abfertig-iiiiii'  e.  k.  m.  mir  zueg-eschikten  curiers  ich  instanter 
und  zu  hoilT'en  importune  sollicitiert,  wie  sie  allerg-nädigst  aus  meinen  under- 
schidlichen  allerunderthenig-isten  schreiben  und  beyg-eleglen  duplicat  verstehen 
können,  ist  mir  letztlichen  von  dorn  cardenal  duque  de  Lerma  nachvolg;ente 
antwort  ervolg't,  nemblich  er  habe  bey  dem  künig-  solche  dilig-enz  in  befürderung: 
des  succurs  in  dem  Behemischen  unwesen  gethan,  als  wie  es  e.  kaj'.  may.  und 
des  g-anzen  hob.  haus  g-etreuen  g-ehorsamisteu  diener  g-ebürt,  kündt  also  mein 
curier  abfertigen  und  des  künig-s  schreiben  nit  erwarten,  dan  ir  künigl. 
may.  ehist  ein  eig-nen  dem  conde  de  Onate  absenden  wurden.  Was  nun  die 
expedition  und  des  künig-s  hierüber  geuumen  resolution,  werde  ich  von  des 
künig-1.  g-ehaimen  raths  secretario  Antonio  de  Arostequi  verstendigt  werden, 
der  alsdan  zu  mir  in  mein  haus  sieh  verfueg-t  mit  vorbringen,  ir  künigl.  may. 
sein  ganz  resolviert,  e.  k.  m.  nach  mugükheit  und  gelegenheit  der  zeit  wirk- 
lichn  zu  helfen.  Weil  aber  bey  hieigem  hof  ein  langhergebrachter  nutz- 
befundener gebrauch,  dafs  ihren  embaxadorn  die  resolution  zum  ersten  und 
ehr  als  den  frembden  avisiert  werden ,  so  haben  sies  durch  aigneu  curier 
dem  conde  de  Onate  die  völlige  resolution  e.  k.  m.  zu  entdeken  zasenten 
wollen.  Wan  nun  solcher  curier  verraist,  als  dan  solle  ich  von  allen  ausführ- 
lich bericht,  und  mir  lieenz  (so  ich  mein  curier  vorher  abfertigen  wolle) 
alsbald  ertheilt  werden.  Als  ich  aber  vor  unnot  gehalten  e.  k.  m.  curier  ohne 
aigentliche  antwort  vorher  und  per  posta,  wan  die  künigl.  resolution  schon 
hinaus,  hernach  abzuschiken ,  also  hab  ich  bey  mir  beschlofsen,  ihn  zu  tag- 
raisen  zu  expediern,  und  meine  schreiben  .dem  künigl.  aufzugeben  und  hernach 
mit  verraisung  der  ordinari  (so  fast  so  bald  anlangen  kan)  die  ausführliche 
relation  hinnach  zu  senden ,  dardurch  wird  des  curiers  Unkosten  erspart 
und  dabey  auch  nichts  verabsäumt.  Was  ich  nun  auf  tliesmal  wegen  dieser 
hülf  mit  fleiCsigen  nachforschen  peuetriern  könen .  hab  ich  in  zitfer  aller- 
underthenigist  Interim  beschliessen ,  und  darneben  e.  k.  ir..  ullergehorsamist 
bitten  wollen,  sie  geruehen  allergnedigst  dero  löbl.  hofcamer  anzubevelchen. 
damit  mir  die  so  oft  versprochne  "[,  fl.  aufziggell.  ohne  weiter  dilation  erlegt 
und  ich  bey  denen  Fuggerischen  dardurch  in  credit  erhalten  wenle**). 

So  wollen  ohne  beschwert  e.  k.  m.  aueli  allergneiligst  bedenken,  (hiss 
die  hiesige  bezalung  von  dem  Sevillianischen  gell  nil  allerdings  riehlig.  ieh 
der  embaxada  halber  mit  einem  grolsen  Unkosten  beladen  vil  e.\tra(>rdiiiari 
albereit  für  dieselbe  ausgeben,  und  wan  ich  nil  Ordinarius,  sie  zu  diesei-  Bebe- 
mischen occasion  ein  andern  mit  groCser  spesu  herein  hellen  schiken  mueisen. 
Wie  ich  nun  in  e.  k.  m.  angeborne  Österreichische  niuelde  und  guete.  dafs  sie 
dero  allerunderthenigiste  und  getreueste  underthanen  vil  mehr  zu  begnaden 
und  zu  licfürden  als  zu  schaden  uml  inigeb;g(Miheil  zu  füchren  genaigl  .  mein 
ganz  undrrthenigistes  vertrauen  setze,  also  leb  ich  der  allergehorsamsten  und 
tröstlichen  holTnung.  e.  k.  m.  werden  mein  undei-tlienigistes  verli'auen  mil  deio  kay. 
äugen  also  allergnedigst  (ansehen ).   dals   ich  zu  dem  wirklicher  Ixv.alung  ohne 


34j  Ui'bcr  KlievciiliülliTs  lii-riolduii^^    vv^r].    i\\,'    Kiniciluug   (Amn.  (iK    snwio 
(Punkt  b),  iSr.  6iJ7  und  Nr.  ÜU«. 


Nr.  :i9y 


-     78 


VVcLCLMi  (lor 

graiiaton  für 

(He  Krzli. 

Margret. 


vveilei'  iiuCsL-hiil)  g-eraiclion  und  zu  dei-o  kay.  autorilel  ohne  nioiu  inerklichon 
schadeil  und  euCsei-islen  verderben  bey  dieser  eiiiliaxada  lange  zeitcontinuiern  iniig-e. 

E.  k.  in.  ermahnen  die  hociil'.  durdil.  abermalen  g:ehorsaraist  und 
suhvvesterlicli,  derselben  die  vorher  von  mir  allerunderthenigist  angedeutte 
g-ranaten  (wie  muster  hiebey  jeder  Sorten  lUUO)  zu  stickung  eines  mefsg-evvands 
ehest  zu  schiken,  das  werden  sie  für  ein  g-rolse  kay.  und  bruederliche  g-nad 
halten,  und  mit  ihren  andächtigen  gebet  alles  wider  hereinbringen. 

Der  duque  de  Alcala  ist  vice  rey  de  Barcelona  publiciert  worden,  ir 
künigl.  may.  und  dero  künigl.  künder  geniefsen  der  gesund  der  zeit  zu  S.  Lorenzo 
en  Escurial.  Thue  e.  k.  m.  hulden  und  landsf.  gnaden  mich  hiemit  allerunder- 
thenigist  bevelchen. 

Nr.  401.     Schreiben  an  die  Rom.  kay.  may.,  Madrid  den  1.  augusti  datiert. 

Sovil  ich  von  der  hülf  mit  fleifsiger  nachf'orsch  liab  penetriern  können, 
Spccification  ist.  dals  dem  conde  de  Onate  j"},  duo.  hiemit  remitiert  werden,  und  daCs  man 
des  küni^d.  j^.j,  pi'incipio  das  Friaulisch  volk  brauchen  solte.  Mer  schikt  man  im  ein 
die  Behemen.  sccdula  de  credito,  was  er  darauf  aufnemen,  es  die  cammer  alhier  alsbald 
richtig  machen  will,  von  diesem  wird  er  graf  meins  erachten  wenig  meidung 
thuen.  Der  künig  hat  wiederumb  etliche  räth  deputiert,  über  dis  Behemische 
Unwesen  ein  Zusammenkunft  zu  halten,  damit  wan  vonnöten,  man  mit  gelt 
(davon  alhier  grofser  mangel)  succuriern  kündt,  ich  will  an  meinen  fleifsigeu 
sollicitiern  und  urgiern,  damits  zu  e.  kay.  may.  content,  und  wie  die  gefahr 
das  remedium  erfordert,  ervolge,  an  mir  nichts  erwinden  lafsen.  Dem  graten 
wird  nit  weniger  bevolchen,  tleilsig  in  acht  zu  haben,  ob  e.  k.  ra.  sich  selbst 
dises  urtheil  zu  remediern  eufserist  angreift,  so  ers  betindt,  soll  er  thuen  was 
er  kan,  wo  nit,  sovil  an  sich  halteji ,  so  möglich  ist.  Das  hab  ich  meiner 
allerunderthenigisten  ptlicht  nach  e.  k.  m.  nit  verhalten  wollen,  und  wird 
mehr  benanten  graten  dis  alles  in  züffer  zuegeschrieben ,  was  nun  weiter 
hierinen  verlauft  und  negotiert  wird,  bericht  e.  k.  m.  neben  uberschikung 
bey  der  negsten  gelegenheit  der  völligen  relation  ich  allerundertheuigist  und 
thue  zu  dero   kay.   hulden   und  landsf.  gnaden  mich  allergehorsamist  bevelhen. 

Nr.  462.    Schreiben  an  herrn  cardenal  Glesel,  Madrid  den  1.  augusti  datiert. 
Sovil    ich    von  der    hülf   mit   heimlicher   diligenz    ergrinten    können,   ist, 


Siiecification 

dos  künig). 

siiccurs  wider 

die  Beiiemb. 


dafs  dem  conde  de  Onate  /("»duc.  mit  diesem  curier  remitiert  werden,  und 
daCs  er  sich  des  Friaulischen  volks  zu  dieser  occasion  bedienen  solte.  So 
ihm  auch  ein  cedula  de  credito  geschikt,  was  er  daraus  aufnemen,  man  ihms 
hierinnen  guctmachen  will,  darvon  er  aber  vielleicht  wenig  sagen  wird.  Item 
so  wird  ihm  conde  de  Onate  bevolchen,  tleissig  in  acht  zu  nemen,  ob  ir  kay. 
may.  dis  unwesen  zu  strafen  sich  selbst  aufs  eufserist  angreift;  wo  es  beschicht, 
soll  er  thuen  was  er  kan,  wo  er  aber  langsarakeit  verspür,  auch  einhalten, 
und  dies  hat  ein  curier  verursacht,  so  vor  tagen  hieher  angelangt  und  schreiben 
von  gedachtem  conde  de  Onate  in  der  stüU  gebracht,  darin  er  der  langsamkeit 
und  Verzugs  zu  diesem  werk  befürcht,  das  hab  e.  hochf.  gn.  in  högstem 
vertrauen  ich  avisiern  wollen.  Man  wird  noch  dise  wochen  ein  ander 
Zusammenkunft  von  etlichen  räthen  über  dise  Behemische  rebellion  halten, 
will  aber  muglichen  ileifs  anwenden,  dafs  zu  content   ir  may.  abgehe,    und  auf 


-     79    — 


publicieruDg-  der  künig'l.  resolution  wans  vonuüten  replicieru.  Vil  räth  sein 
wol  zu  grofsen  hülfen  g-eueig-t,  die  aber  zum  meisten  können,  als  hei-zog  von 
Lerma  und  sein  söhn  üceda,  schiken  das  gelt  nit  gerne  aus  dem  land.  so 
haben  wir  kein  künigin  oder  kayserin  mehr  alhier,  die  erzherzogin  thät 
gern  das  ihrig,  aber  man  halt  ab,  sovil  man  kan,  dals  der  künig  nit  in  zu 
grofses  vertrauen  mit  ihr  kume. 

Nr.  474.  Schreiben  an  herrn  von  Eggenberg,  Madrid  den  2.  augusti  datiert. 
Diser  curier  bringt  dem  conde  de  Onate  die  resolution  der  Behemischen 
hülf  halber,  und  weil  sie  hier  im  brauch,  dafs  sie  den  frembden  embaxadoru 
dergleichen  resolutionen,  ehe  sies  den  ihrigen  avisiert,  nit  [»ubliciereu,  also 
werden  sie  mirs  vor  abraisung  des  curiers  nit  communiciern,  was  ich  aber 
fication  glaubwirdig  erfahren,  ist  das^^)  man  jetzt  dem  zt,  ^ß)  j^  dncaten  hinaus  remittiert 
und  dals  man  sich  des  friaulischen  volckhs  bedienen  solt.  Es  ist  mir  auch 
ein  zedula  de  credito  geschikt.  Was  er  darauf  aufuemen,  mans  alhier  alsbald 
bezallen  wolt.  Daneben  wird  ihme  sehr  encargiert,  wol  in  acht  zu  haben,  ob 
der  q  das  unheil  zu  remediern  sich  selbst  eusserist  angreif l,  so  es  beschicht, 
thuen   sovil    er   kau,    im    widrigen    aber    sovil   als    mueglich   an    sich   halten, 

3'^),  dafs  mau  nichts  tue  und  den  ganz  cargo   auf  den  ¥¥  werfen 

(will)^^).  Ich  hab  genueg  zu  despersuadiern ,  aber  die  schreiben,  so  kumen, 
klagen  alle  fardenza  an,  und  in  summa  man  traut  unssern  herren  S  nit. 
Gott  schiks  alles  zum  besten  und  weil  ich  mein  h.  obr,  sonst  nichts  neues, 
und  was  vorhanden  er  aus  ir  künigl.  may.  schreiben  wird  verstehen  können, 
zu  schreiben  waifs,  so  thue  ich  etc. 


-peci 

düs  succurs 
wider  die 
Belieinen. 


Nr.  478. 


july    datiert, 


I'.eheniische 

iinruehon  und 

-llicitierung 

d(.-r  hülf 
iiutreft'eiid. 


Schreiben    von    der   Rom.    kay.    may.,    Wien    den    9 
Madrid  den  8.  tag  augusti  empfangen. 

Magnilice  fidelis  dilecte.  Motuum  Bohemicorum  procellae  ita  in  dies  in 
horas  in  momenta  crescunt  et  augentur,  ut  post  cursorem  noslrum  iam  istuc 
ante  expeditum  et  literas  scriptas  aliquem  ex  consiliariis  nostris  magnis  itineribus 
expedienduni  duceremus,  nisi  de  ferventi  tuo  in  negotiis  nostris  studio  ac  zelo 
eam  opinionem  haberemus,  fore  ut  quae  illi  praescribere  et  per  euudeni  significare 
potuissemus,  tu  diligenter  ipse  fideliterque  et  acurate  exequaris.  Mitimus  iluque 
in  praesenti  per  cursorem  hunc  nostrum,  quae  post  prioroin .  qiii  iamdudum 
istuc  advenerit,  de  novis  tumultuantium  attentis  aceepimus.  Quae  omnia  vivide 
frequenterque  tum  serenissimo  regi,  ser.°'»c  sorori  nostrae  regiisque  ministris 
et    quidem    imprimis   cardinaii    duci    Lermae    et    don    Balthasaro    de    Zuniga 


35)  Hier  beginnt  die  ZilVcrnsclirift.  Wir  lassen  die  ZilTeni  jet/.l  «i'^r  und  geben 
diejenigen  Worte,  welche  in  ZitTern  geschrieben  sind,  mit  schn'iffem   Drink. 

36j  Dies  Zeichen  bedeutet  wol  Onate.  q  ist  der  Kaiser;  VV  der  Ivönig  von  Spanien; 
Herr  S,  dem  man  nicht  traut,  ist  Khlesl. 

37)  I3ie  hier  stehenden  ZilTern  geben  die  Auflösung:  der  gelianie  rinnlisr/in  tirieggeu. 
Offenbar  liegt  hier  ein  Fehler  des  Schreibers  liezw.  eine  Auslafsung  vor;  es  liandelt  sich 
wol  um  eine  Resolution  des  geheimen  Uates,  in  der  auf  den  friaulischen  Krieg  Bezug 
genoniuien   wird. 


38J  Die  letzt.-n  ZilVern  des  Textes  34  42  5  30  80 
haben  dafür  das  cingeklanimerle  Wort   eingeschaltet. 


wucee    nebi'ii   Kiinfii   Sinn.      Wir 


—    80      - 

explicabis,  ul  qiuie  [iro  suimiia  rcniin  iiosliariiiii  neccssilutc  iioslulaiiius  auxilia 
eo  citius  et  ellicaciiis  urg-eanter^  iiialiiientui"  el  iiiiiieiieiitur.  Nos  quidera  ipsi 
in  repentina  liac  necessitate  co[iias  ium  equestres  tum  pedestres  de  nostro 
conscribimus  et  conduciinus,  in  quod  mag-nam  pecuniaruni  sumniam  impendimus, 
sed  cum  ad  sustentandam  tautam  belli  iiiojem  vires  nostrae  impares  sii)t.  aliotuiii 
potentatuum  cath.c'J'i""  quorum  iutersit  religionem  ac  rempublicam  salvam 
esse,  imprimis  antem  ser.'"'  reg-is  cath.c"  et  nobis  vin(Milis  coniuncti,  potenti 
ope  celeriter  nos  iuvari  neoesse  est.  Cum  deinde  de  auxiliis  in  specie  et 
auxilioium  modis  ag-etur,  id  iuxta  memoiiale  quod  separatim  bis  additur  agere 
pei'g:es.  Proinde  urg-ebis,  instabis,  tlagitabis,  (luam  vehementer  possis,  et 
optatam  reg'is  resolutionem  sine  mora,  quae  nobis  et  religioni  cath.cae  reique 
publicae  niniis  damnosa  sit,  obtineas  eaque  obtenta  eundem  hunc*  cursorem 
eelerrirae  remittas.  Exequeris  in  eo  voluntatem  ac  desiderium  nostrum  gratianique 
nostram  magis  ac  magis  promereberis,  quam  tibi  benig-nissime  offerimus. 

Nr.  479.     Puncta  secreta  Possonio  missa,  de  auxiliis  et  auxiliorum  modis ^s), 

1.  Narret  periculosam  illam  rebellionem  ßohemicam  ex  passionibus  parii- 
instruction  culariuiu  quorundam  natam,  turbationem  exereitii  relig-ionis  praetendi,  reliquos 
iBehemische  jj^idgu^  status  et  provincias  Austriacas   per   seditiosos   illos   ad   couspirationem 

efalir  furzu-      .  .  .,  .     .  .  , 

zustellen.  luvitari,  militem  a  rebellibus  publice  conscribi,  insurrectionem  universalem  per 
totum  regnum  inaudiri,  jesuitas  expelli,  cath.cos  oranes  sub  Servitute  esse, 
regni  proventus  in  rebellium  usum  converti,  praesidium  arcls  reg'iae  ad 
coniunctionem  cum  rebellibus  cogi. 

Cum  autem  communis  totius  haec  domus  sit  causa  caesarem  a  rege  amice 
nunc  requirere,  ut  statim  suo  oratori  in  aula  resident!  caes.*  sumptibus  regis 
^  peditum  et  niille  equites  ali,  et  ad  flnem  belli  usque  sustentari  iniungat,  non 
grave  id  regi  posse,  cum  imperatori  Rudolpho  non  minus  quam  6000  peditum 
semper  aluerit,  cum  nunc  in  bello  Foro-Juliensi  regi  Ferdinando  totidem 
sustentarit,  cum  hie  non  minus  periculi  immineat. 

2.  Exponet  rebelles  etiam  ab  imperii  principibus  et  statibus  sub  unionis 
nomine  comprehensis  auxilia  et  ilagitare  et  iam  expectare,  imo  et  a  statibus 
Hollandicis  aliisque  omnibus  inclytae  domus  hostibus  et  aemulis  subsidia  vel 
publica  vel  clandestina  sperare,  et  hoc  non  obscure  ita  ut  haec  rebellio,  in 
universale  quoddam  bellum  contra  domum  augustam  et  contra  cath.cos  ab 
imperii  fastigio  domum  et  ex  imperio  ipsos  cath.^os  deturbando  et  ejiciendo 
exarsura  videatur. 

Hoc  autem  generale  periculum  cum  omnibus  universorum  cath.corum 
viribus  sit  vel  praecavendum  vel  propulsandum.  Idem  rex  peramice  requiratur, 
ministris  suis  in  Itatia  iniungat  ut  ad  notificationem  caes.^™  statim  via,  qua 
commodissime  poterunt,  (quae  Mediolano  per  Grisones  et  Tyrolim,  Neapoli  vero 
traiiciendo  ßrunduisio  mare  Adriaticum  et  Tergestinum  appelleudo  maxime 
opportuna  videtur)  ^  pedites  bene  armatos  et  exercitatos  sub  ductu  expertorum 
capitaneorum,  quique  per  provincias  obedientes  milites,  ab  omni  insolentia  et 


39)  Die  in  dieser  und  den  nächsten  Nummern  gegebene  faktische  Darstellung  bedarf 
keiner  weiteren  Erörterung;  die  einzelnen  Stücke  geben  in  ihrem  Zusammenhang  ein  scharfes 
ßihl  der  Lage,     Wir  weisen  besonders  auf  den  Brief  des  Kaisers,  Nr.  485,  hin. 


—     81     — 

devastatinne  cocrceanl,  quo  uaesar  volueril.  inittant,  suiii|tlibus  reg'is  catli/' 
ad  tiuem  belli  eos  susteülel,  vel  ad  sex  menses  ad  uiiniinuni.  neque  haec  petilio 
uimia  reg-i  videri  potest,  cum  ob  multo  minorem  causam  in  Italia  pro  coiiser- 
vatione  status  Monferratensis  maximum  exercitum  et  in  Juliacens.  provinciis 
non  minorem  in  auxilium  Neoburg-iei  ducis,  tam  stricto  sanguinis  vinculo  non 
coniuucti,  per  aliquot  annos  continue  aluerit. 

Periculum  ex  hoc  incendio  ipsi  regi  maximum  imminere.  perditis  istis 
provinciis,  et  directe  domo  ab  imp.to"a  dignitate  non  amplius  auxilia  rex  ex 
Germania  vel  Mediolanum  vel  in  Belgium  conscribere  vel  educere  i)oterit .  ut 
inlinita  alia  taceautur,  quod  consilium  regis  optime  noverit. 

3.     Ad  haec  priora  duo  puncta  resolutione  regia  iam  impetrata  et  precibus 

obtentis,  de  Finarieusi  marehionatu  rege  investiendo,    aget.     Summa  per  ipsuni 

caesarem    denominatur,    pecunia   per   cariibia   Viennara    vel    mare   Tergestinum 

transferatur  investitura  oratori  regio  hie  postea  tradatur  et  orator  regis  nomine 

I  investiatur. 

}  Haec  secretissime  tractanda,  ne  vel  in  aula  caes.äi  vel  Hispaniis  haec  com- 

j  missio  Finariensis,    antequam  duo   illa   puncta  obtineantur,    de  hac  tractatioue 

quicquam  evulgetur. 

I 

Nr.  480.    Notae  innovationura  Bohemicarum. 

I  Puncta  brevia  Apologiac  a  tumultuantibus  Pragae  contumeliis  plenae  eduntur,  maiores 

<kT  Bebe-      jndies  coi)iae  militares  conscribuntur. 

mischen  ^,,  ■  i  i  i  •         •■  •  •  i-      i  •  i- 

aufruehr.  Ultra  prius  decretum   contra  jesuitas  proscriptorium  aliud    lypis   editum. 

I  quo  illos  tanquam  templarios  omnis  mali  auctores  merito  exterminandos  dicunt. 

Patentes  suae  mtis  excusae,  quibus  paterne  ad  deponenda  arma  et  ad 
I  quietem  amplectandam  monebantur,  quibusque   motus  hosce  sua   mtas  pacificis 

!  modis  per  viam  iuris  se  componere  benigne  paratam  ostendit,  spernuntur. 

Arx  Carlostenia,  in  qua  Corona  regni  et  sceptrum  et  anli(|ii!i  r\  praecipua 
regni  privilegia  ac  monumenta  servari  solent,  occupata. 

Oppidum  Tabor  in  illorum  poteslatem  redactum. 

Buduilium  copiis  mililaribus  cinctum  diras  minas  audit.  fore  sciiicel  in 
sese  dedant,   ut  in  cineres  redigatur,  neque  Ibetni   in    utero  matcrno   parcalur. 

Crombouia,  mtis  suae  arx  et  dominium  praesidiariis,  qui  eo  missi  l'uerunl. 
diniissis,  ad  illorum  nutum  redacla. 

Optimatus  cath.'',  ijui  in  illorum  sese  dedei-e  voluntalem  noiinl.  luganlnr. 
quorum  multi  relictis  rebus  omnibus  Vieninim  aul  alio  proluginnl. 

Auxilia  non  solum  in  (iorniania.  sod  el  in  (iallia.  Anulia  et  hania  ol 
statibus  Hollandiae  poluntur.  • 

Exactiones  in  dies  graviores  et  novac  imponiiiilur. 

Incorporatae  regni  Bohemiae  ol  annexae  ditiones  in  annoruni  societalem 
solicitantur. 

Militem  suae  mtis  alineum  et  exlernum  constilulionibus  regni  |Mil»Iicis 
contrarium.  suuni  autem  pro  delensione  patriae  vcnini  ac  |>ro|U'ium  esse  asserunl. 
Ijaclilanl  variis  proleslalionibus  adhibilis.  si  suae  mlis  milcs,  conli-a  illos  in 
rcgnnm  inlrcl.  s(ise  impcdire  non  posse.  (juin  picbs  e(H-l('sias  et  ecciesiaslicos 
obrual,  ad  ([uud  im|)ediendiiin  njiligati  esse  noliid. 

Mitteiliiiig-eii  aus  dem  gerinaii.  Naiioiialiiiiisoiiin.     \S\)l\.  \I. 


—    82    — 

Patentes  publicae  eduiiLui'  (luibus  oiuik's  ml  conchiniationem  in  armis 
parati  esse  iubeutur. 

Superiorum  regni  conventuum  coutributiones  et  ab  ipsis  usurpantur  et 
novae  Imponuntur. 

Gommissarius  quldum  in  Hungariam,  cum  iam  coronatio  regis  instaret,  ad 
comniovendos  ordiuuui  illoruni  aninios  missus. 

Burg-ravio  suprenio  et  quibusdani  ex  locuintenentibus  suae  mtis  ne  ad 
consilia  habeuda  aniplius  couveniaut  interdictum,  excubiae  iilis,  queniadnioduni 
etiam  aliquibus  absentiuni  officialium  couiugibus  ac  liberis,  omnibus  item  arcis 
regiae  portis  constitutae. 

Novus  trig'inta  virorum  mag-istratus,  penes  quos  summa  rerum  potestas 
Sit,  designatus. 

Litterae,  quae  per  postas  ordinarias  mittuntur,  etiam  suae  mtis  propriae, 
aut  aperiuntur  aut  omnino  tenentur. 

Ulis  qui  a  sua  mte  citantur,  ue  pareant  iuterdicitur. 

Qualibet  hora  quid  novae  machinationis  auditur. 

Nr.  483.    Schreiben  von  herrn  cardenal  von  Diettrichstein,  Wien  den  14.  juny 
datiert.    Madrid  den  8.  tag  augusti  empfangen. 

Die Behemische  Es   gehet   alhier,   dafs   zu    erbarmen,   nit   allein   under    hohen   personen, 

aufruehr  suuder  auch  under  den  ministris  grofse  misverstand  und  mistrauen,  die  direction 
)e  re  en  .  .^j.  ^^^  küuig  aufgetragen  worden,  in  den  Behemischen  negocien,  zu  räthen 
zugegeben  oberster  camraerer*°),  der  mit  dem  h.  cardinal  nit  wol ,  und  Hans 
von  MoUärth.  In  cammersachen  Muschioger  und  Underholtzer.  In  bellicis 
Hofrkhirchner  und  Lukhan,  aber  es  wird  letztlich  allein  müfsen  auf  die  haubt- 
mühl  kumen.  Ich  furcht  sehr,  dafs  wau  Gott  nil  hülft,  es  were  nit  wol 
ausgehen;  alles  zu  schreiben  were  vil  papier  vonnöten.  Herr  Khain,  so  jetzt 
vil  gült  bey  dem  kayser,  soll  bis  auf  ankunft  des  Bouquoi  das  volk  sub 
nomine  commissarii  coramandiern.  Ir  1.  der  frau  gräfin  meine  ganz  willige 
dienst,  bitt  sie  und  e.  1.  wollen  meiner  armen  Schwester  und  anderer  meiner 
befreundten  negocia  nit  vergefsen. 

Nr.   485.    Abschrift   eines   schreiben   von    der   Rom.   kay.  may.   an    ir   durchl. 

erzherzogin  Margredt,  Wien  den  6.  july  datiert. 

Das  Bebe-  Durchlauchtigtehochgeborne  Erzherzogin,  freundlich  geliebte  frau  schwester. 

mische  Unwesen  Dje  eufserJste  noth ,  dafs   ich  nunmehr  bey  meinen   ungetreuen   und   unkatho- 

betreffend.     ^g^^j^gj^  underthauen  weder   land  noch  leut  und  letztlich  selbst  nit  sicher  bin, 

dringt  mich  e.  1.  zu  importunieru;  was  ich  hab  und  vermag,  dabey  ich  weder 

clainoter  noch  nichts  verschone,  wende  ich  daran,  diese  ungetreue  underthanen 

dermaln  ains  zu  strafen,  auch  mich  und  mein  haus  bey  dieser  gelegenheit  aus 

der  Servitut  zu  bringen.     Es  stehet  aber  auf  ihrer  selten  alles  zusammen,  was 

nur  unkatholisch  und  calvinisch   ist,  heimlich   und  öffentlich  ihnen  zu  helffeu, 

und  also  mein  ganzes  haus  umb  iren  erbthail  zu  bringen,  die  catholisch  religion 


40)  Der  Oberst-Kämmerer,  der  dem  Kardinal  Khlcsl  nicht  wol  wil,  ist  Herr  Leonhard 
Seyfrid  von  Meggau,  dessen  Korrespondenz  mit  Khevenhüller  ebenfalls  in  den  Briefbüchern 
vorliegt. 


-     83     — 

aber  ganz  und  g'ar  zu  vertilgen,  wie  sie  nie,  dan  dieser  tagen  vermöfsen 
schreiben  dürfen,  dafs  sie  noch  die  übrigen  geistlichen  auch  aus  dem  künigreich 
verjagen  wollen.  Wie  ich  nun  jetzund  verlafsen,  muefs  ich  mich  dringlich 
mit  ihnen  in  einen  accordo  einlafsen,  und  thuen  was  sie  mir  fürschreiben,  das 
ist,  die  Jesuiten  zu  ebigen  Zeiten  ins  künigreich  nit  eiiizunemben,  die  übrigen 
geistlichen  auszuschatfen,  kainen  catholischen  rath  zu  gebrauchen,  und  nur  die 
so  ihnen  gefeilig  zu  befördern,  und  in  summa  sy  das  regiment,  ich  aber  nur 
den  namen  haben,  denen  werden  gleich  Ungarn  und  die  andern  länder  folgen, 
und  ich  thuen  mül'sen,  was  sie  wollen,  oder  ich  muefs  mich  mit  gewalt  schützen; 
das  aber  kan  ich  von  mir  selbst  nit  thuen,  weil  e.  1.  wifsen,  wieviel  millionen 
unser  herr  brueder,  kaiser  Ruedolph  hochsei.  gedechtnus,  schulden  verlassen, 
wie  alle  ambter  versetzt  und  verschribeu,  und  ich  von  Behemb  jetzunder 
kainen  heller  einkummen  mehr  hab.  Daher  ich  zu  einen  exiremo  getrungen 
war,  unserm  herrn  vüttern,  dem  künig  ungelegeuheiten  wider  meinen  willen 
zu  machen,  oder  aber  mich  auf  das  ander  extremum  zu  resolviern,  da  ich 
lieber  wolte  tot,  als  nur  ein  herr  mit  dem  namen  sein.  Mir  ist  auch  wenig 
geholfen,  wan  die  hülfen  verzogen  werden.  Ersuche  diesem  nach  e.  1.  bruederlich 
und  freundlich,  sie  wollen  mich  nit  lal'sen,  dem  künig  die  noth  wol  ausfüehren 
und  eindruken,  auch  alda  ihr  lieb  gegen  mir,  unserem  haus,  und  ihrem  aigneu 
Vaterland,  sonderlich  aber  der  catholischen  religion  erzaigen,  das  will  ich  mit 
bruederl.  affection  erstatten  und  Gott  (in  defsen  protection  ich  dieselbe  bevilche) 
wirils  erstatten. 

Nr.   487.    Schreiben    von    herrn    von    Eggenberg,   Wien    den    12.  july    datiert, 
Madrid  den  8.  augusti  empfangen. 

DeCselben    schreiben    ist   mir    zu    end   juny    zuekommen.      Dal's    S*^)    sein 


41)  S  ist  Khlesl,  dossen  falsches  Doppelspiel  dieses  Schreiben  in  ZilVenischrifl  darstellt. 
(Die  Worte,  die  im  Texte  des  Briefhuches  durch  Zilfern  ausjiedrückt  sind,  bezeicinien  wir 
wieder  durch  schrägen  Druck).  Das  Doppelspiel  Khlesls.  welclies  den  Krzherzog  .Ma.xiniiiian 
lind  den  König  Ferdinand  zu  den  heftigsten  Gegnern  des  Kardinals  machte,  die  auch 
schlielsiich  seinen  Sturz  und  seine  »amotion«  hcrbeifülirlen,  bestand  in  der  llintanhaltung 
jeilcr  -Vktion.  die  Ferdinands  Stellung  heben  konnte  (Erhebunsi:  auf  den  böhmischen,  den 
uiigarisciien  Thron,  energisches  Vorgehen  gegen  die  Böhmen)  unter  dem  Deckmantel  der 
l^ielät  für  den  Kaiser  Mathias,  der  Fürsorge  für  das  Haus  Üeslereich.  Bemerkenswert  ist, 
dafs  man  dem  Kardinal  audi  in  Madrid  am  spanischen  Hofe  nicht  traiile.  W'rgl.  die  (in 
ZitTernschrift  gegebene)  Notiz  in  dem  Schreiben  Kheveiihüllers  an  ICggenberg  vom  i.  August 
(Nr.  474j:  in  Summa,  man  traut  unserm  Herrn  S.  nit.  Zu  verschiedenen  .Malen  hescliwerl 
er  sich,  dafs  am  spanischeii  Hofe  »ungleiche  information«  über  ihn  bestelle,  dieselbe  ist 
dann  der  Gegenstand  seiner  Korrespondenz  mit  Khevenhüller  (Nr.  ist  ii.  a),  seiner  Ueoiit- 
fertigungen  und  Versicherungen  Kli.  schreibt  einnuil  an  den  Obrislen  Khueii  (}>.  Aug., 
Nr.  4U3i:   Herr  Cardinal  ist  hier  wieder  de  novo  hiUslich  hineiiigehant. 

[n  dem  voi-lietreiideii  Stücke  wird  er  bescluildigt ,  Kheveiihüllers  und  Anden-r  Briefe 
aufzubrechen,  Uneinigkeit  und  Mifstrauen  zu  säen.  Nur  wenige  Stimmen  erheben  sich  für 
^ihn.  So  diejenige  —  wenigstens  in  beschränkter  Weise  —  des  Herrn  Jörg  TeulTel  im 
Schreiben  Nr.  543.  Dagegen  Hartmann  Trach  (1.  Aug.,  Nr.  544):  .  .  und  ist  seinen  t  Kiesls) 
favorisanten ,  darunter  |iriiicipaliter  der  herr  Kliuen .  graf  von  l'uehaimb  und  .Max  von 
TrautlmaiiiistortV  bekaiit   worden,   das  haimbliche  practiciern   einzustellen,    cTii>llii!i    und  .<iib 


—     84     — 

falsches  doppedieren  nicht  verenderl,  das  klitnl  iedermann  mit  schmerzen ,  und 
ich  hab  es  nie  so  wol  erkennt^  als  die  zeit  hermnb  zu  Pressbur<i  in  der  hum/e- 
rischen  Iraclntion  und  erfahre  es  iezt  allhie  in  der  bh(e)mischen  noch  mehr 
und  nur  //«?•  zu  v(i)l.  Dahero  wol  zu  g-lauben,  daCs  er  meinem  herrn  schwag-er 
so  KJol,  als  andern  brief  auf  bricht  und  anders  mehr  thuet,  denn  ihm  ist  nichts 
zu  ril.  Mein  herr  schwag-er  (der  sich  in  der  Ziffer  mit  difsjem  zeichen  ^o 
eintmmien  icollt)  hat  ihme  aber  auf  sein  arg-wohnisches  schreiben  gar  tcol 
(jeantwort.  An  diesem  erscheinet  sein  böse  intention,  dafs  anstatt  das  er  die 
herrn  des  hauses  unieren  solle,  er  alles  thuet,  was  zu  diffidenz  und  entzicaiung 
dient. 

Des  marques  Paris  Pineli  neg'ocium  bleibt  diserseits  wol  in  f/ehaini  und 
waifs  darvon  niemand  als  C,  Z,  die  person,  die  die  schreiben  geschriben,  und 
der  abbale  Rossi.  S  soll  wol  darron  nichts  wissen*"^).  Bitte  mein  herr  Schwager 
mich  unbeschwert  erindern,  wie  dasselbe  negocium  geschaffen,  was  darvon  zu 
hoffen,  der  wolle  auch  dasselbe  aufs  beste  patrocinieren  und  promovieren. 

Den  statum  des  spanischen  hofs  hab  ich  mir  wol  ex  ^v^^cedentibus  etlicher 
mafsen  imayinieren  können.  Aber  so  vil  particularia  hab  ich  nicht  geuyüsst, 
danke  derwegen  1p  umb  die  vertrauliche  communication ;  ist  fast  ein  ritratto 
des  q*3)  regiments  und  zu  erbarmen,  dafs  die  höchsten  heubter  des  hauses  sich 
durch  solche  lose  leut  regieren  und  betriegen  lassen.  l)'\s%vseits,  hoffe  ich, 
werde  man  bald  Wendung  sehen.    Ich  verlange  zu  vernemen,  ob  in  der  heurats- 

-  o 

Sachen  zwischen  ü  söhn  und  G  tochter  etwas  geredt  oder  gehandlet  worden. 
J.  ritratto  ist  schon  vor  vielen  wochen  und  ehe  dan  mein  gnädigster  künig 
nach  Prefsburg  geraist,  dem  ^  nach  ^  zu  schikhep  angehendiget  worden. 
0'*-*j  ist  von  mier  wol  erkant,  dafs  nie  in  guettem,  sondern  alzeit  als  ein 
grandissimo  vellaco  und  ob  er  schon  den  namen  und  titul  zwaimal  verendert, 
so  ist  ihm  doch  der  obgenannte  alzeit  bliben.  Er  ist  der  verstorbnen  heiligen 
kUnigin^^)  ergster  feind  alzeit  gewesen,  wierts  gegen  den  kindern  und  ganzem 
geblüet  nit  weniger  sein  wollen,  und  dahero  ist  deste  weniger  zu  verwundern, 
daCs  er  die  tractation  mit  U  zu  verhindern  so  vil  mittel  gesuecht. 


comminalione  vom  künig  und  crzh.  geboten  worden.  Die  Relation  über  die  am  äU.  July 
erfolgte  Verhaftung  und  Wegführung  des  Kardinals  (Nr.  333)  übergehen  wir,  ebenso  die  den- 
selben Gegenstand  behandelnde  Nr.  672,  da  beide  Stücke  bei  Hammer  a.  a.  0.,  Urk.  Nr.  882 
und  916,  abgedruckt  sind.     Vergl.  übrigens  Nr.  56.S  und  Nr.  600.  Anm.  37. 

42)  Die  Prätensionen  des  Marques  Pinelli  am  spanischen  Hofe  interessieren  hier  nur 
wegen  der  auf  Kardinal  Khlesl  bezüglichen  Stelle,  der  nichts  davon  wissen  soll. 

43)  q  ist  der  Kaiser.  Die  folgenden  Beziehungen  sind  nicht  so  leicht  zu  erkennen. 
Welche  Heiratsangelegenheit  gemeint  ist,  ob  es  sich  um  den  Plan  der  Verbindung  des 
älteren  Sohnes  Königs  Ferdinand  (U  ?),  Erzherzogs  Karl  Johann,  mit  der  Infantin  Maria  (J?) 
handelt,  ist  nicht  völlig  klar  zu  ersehen.  »Contrafets«  wurden  in  dieser  Sache  mehrfach 
geschickt.  ist  Onate.    Das  Zeichen  ,S  ist,  da  jeder  Anhaltspunkt  mangelt,  nicht  zu  deuten. 

Ebensowenig  die  Worte  »zu  schikhep« ,  wie  nach  Mafsgabe  der  vermutlich  unrichtigen 
ZitYern  11  42  10  3  13  19  16  13  30  2  (Schlüssel  s.  Anm.  29)  zu  lesen  ist. 

44)  Lerma. 

45)  Königin  Margareta,  Philipps  III.  Gemahlin,  starb  1611. 


8Ö 


wegen  graf 
von  Thiirn. 


siircuFB  wider 
die  Behinen 


Nr.    512. 


Schi'eil)en 
datiert. 


an 


heiTi]  Hans  Ludwig-  von  Ulm.  ^ladiid  ilen    14.  anj>-iisli 


Weg-en  glikiicher  Verrichtung'  der  ung-erisciieu  crönung-  congral ulier  ich 
ihm  aufs  schönest,  sonderlich  weil  ich  waiCs,  dafs  er  davon  vil  parte  hat,  Gott 
helf  ehest  zu  der  römischen  mit  frumen  und  aufnemen  der  catholischen  religion. 
und  stülle  nii(  des  höh.  haus  reputation  das  Behemische  Unwesen,  das  mich 
herzlichen  schmerzen  thuet,  und  sonderlich,  dafs  der  graf  von  Thurn  als  mein 
vatter  und  muetter  brueder  ir  haubt  ist;  wer  sintlig-t  soll  g-estralt  werden, 
wans  mein  söhn  were,  wolts  nit  widerrathcn.  Der  künig-  hat  sich  resolviert,  auf 
mein  so  starkes  anhalten  dem  conde  de  Onate  der  Behemischen  ung'elog:enheit 
halber  jetzt  ^  duc.  richtig:  zu  machen*^),  und  das  Friaulisch  volk.  solang- 
diese  rebellion  wehret,  zu  underhalten,  und,  wan  mehrers  vonnöten.  sein  guber- 
natorn  zu  Mayland  und  vice  rey  zu  Neapoli  alsbald  nach  müglikheit  zu  succur- 
riern  aubevolchen.  Wer  weifs,  wie  die  Sachen  hier  stehen,  der  kan  mir  umli 
solche  neg'ociation  (doch  ohne  beruehnd)  zu  melden)  danken,  ich  furcht  aber, 
ich  wers  mein  tag-  wenig  zu  genieCsen  haben,  den  man  halt  mir  nit  allein  was 
man  mir  bey  der  cammer  zuegesagt,  nit,  sonder  man  antwort  mir  gar  nit  iiuMu- 


auf  dise  mein    billiche  begehren;    ich   will   dienen   so 
nichts  mehr,  so  ist  es  mir  schon  verboten. 


lang 


ii'h    kan.    hab    ich 


Den  Behcini- 
schon  succuis 
und  dises  Un- 
wesen betr. 


Nr.    563.    Schreiben  von   h.   von  Eggenberg,   Wien  den  4.  septembris   datiert, 
Madrid  den  3.  octobris  empfangen*'^). 

Aus  meines  h.  Schwägern  schreiben  vom  20.  july  hab  ich  verstanden,  wie 
euferig  sich  der  künig  erzaigt  irer  kay.  may.  zu  remedierung  des  Behmisehcn 
Unwesens  würklich  zu  helfen.  Also  hab  ich  auch  aus  einem  andern  schreiben 
an  Hartman  Trachen  ausgangnen  vernumen  ,  dafs. zu  solchem  ende,  ehist,  ein 
curier  mit  der  künigl.  hülfsresolution  heraus  abgefertigt  hat  sollen  werden. 
Desselben  curiers  erwart  maii  min  alliier  mit  grol'sem  verlangen,  sonderlieh 
auch  der  conde  de  Onate,  der  sich  beklagt,  dafs  er  über  die  gewöhnliche  zeit 
keine  schreiben  aus  Spanien  gehabt  und  dahero  in  allerley  zweit!  und  sorg- 
feltikheit  gestanden.  Der  graf  von  Bomiuoy  ist  nun  mehr  mit  dem  kay.  höhr 
in   Behmen,   und   erwart  man   täglich  avisa   glikliches   success'*^);   underdessen 

le    stand.    dur(tli    abgesanle.    alhio 
Im  reich  aiinierl   man  last  ullenihalben  und  sieht   ihm 
nit  ungleich,  da  das  Behmische  wesen  nil  bald  accomodieil  wird,  dafs  ein  general 


tractiern    die   Mährerische    und    Schlesingisc 
guetliche  corapositiones 


relig'ion  krieg  daiaiis   entstehen  soll.     MtMn 


gnedigsler 


kiinii 


llC 


ind 


sich  jelzl 


imendar  alhier,  weil  ihm   von   ii-  nniy.  dem  kayser  die  direction  des  Bchmischcn 

46j  Hin-  zeigt  sicli  der  l^rlolti  dor  Tiiiilitclit'il  Klit'vt'iiiiiillfr.s.  Iiiilf.ssi'ii  .so  licilculfiitl 
die  llült'ici.stuntr  war,  so  wenig  geiiügte  .sie  dem  vorliuiidcnen  Hediirlnis.  S.  Nr.  JiDU.  Aiiiii.  5Ji. 
—  Die  Annales  l''fi(lin;iii(lei  (Tom.  IX.  Spalte  78— 8S)  golt.ii  nur  das  Meiiiurial  des  Kardinals 
Khle.si  (Nr.  4io,  aljgcdruekl  liri  llaiiiiner,  Urk.  86?i)  und  dann  ganz  kurz  das  V(»n  Klievenliiiller 
erzielte   Ucsuttat  der  spanisciu'n   llülfleislung. 

47j  Es  sind  aucli  in  diesem  Stück  die  niil  ZilTornschrirt  aus^redrüi  klcn  Worte  sthraji 
gedruckt. 

48)  Der  Krieg  gestaltete  sieh  anfangs  sidir  ungünstig  füi-  dm  Kaisi-r  und  nahm  erst 
gegen  Knde  des  Jahres  1G18  eine  hesscre  Wendung,  nachdem  der  Anscidufs  der  Oeslerreicher 
und    .Miiliren   an   die   Höinni'ii   unterldielien    war.     (liiuiely.  Cap.   7.    Vergi.  Nr.  (ÜMI. 


-     86 


Wesens  uuigu 


uleii  worden.  Etliche,  timl  \it'lleichl  nil  mit  l)()seni  fiiiuluinent, 
sein  der  inainimg',  es  möchte  die  Böhmische  coniposition  dem  churfürstl.  coilegio 
übergeben  und  zugleich  der  vorangestelte  churfürstentag  gehalten  und  das 
Römische  succession  werk  tractiert  werden.  Dal's  G^^)  in  seinem  geiz  und 
widericertiyen  inlentionen  forlfehrl ,  tlal's  ihm  <iach  nein  söhn  secundieri  und 
?iochfol{/t,  vil  mehr  aber  dal's  Vl*^^)  die  äugen  nicht  avflhui  und  sich  und 
sein  munurc.hid  von  der  ruimi  salvier^en,  wie  zu  hoffen  ist,  es  werde  das  exempel 
Uli/  dem  S^^)  auch  in  s/janien  nnz  sein,  and  zu  einer  yuefen  nachfoUj  dieneti^'^). 


Nr.    594.     Schreiben    uii    die    Rom.    kay.   may.,   Madrid    den    18.    tag   octobris 

datiert,  und  abschrift  dessen  künig  Ferdinand  uberschikt. 

E.  kay.  may.  soll  ich  underthenigist  nit  verhalten,  was  rnassen  alhie  beyin 

Fr.  .ii.sLpiuim    küuig  vou   der   babstl.   heyl.  nuntio  vor  etliche   monat,  jetzt   aber   von    neuem 

durch  einen  capuciner  ordens  priester,   so  sich  Fr.  Josephus  Parisiensis  nennet 

10  9  il  5  36  94      21   19  8  9  453)  /.wischen  den  högsten  christlichen  potentaten, 


Parisiouseni 
und  gewisse 
nejrotia  betr. 


saiictam 


Caesar  Gail 

nach  Spanien 

expedition 

betreffend. 


als  babst,  e.  k.  m.,  künig  von  Hispanien,  Frankreich  und  Polen  gegen  36  42  3  8  30  27 


tnrfren  ■'*) 


ZU    schliel'sen    angehalten    worden 


Und    hat  Frankreich ,   jedoch    dal's    solches 
noch   gehaim   gehalten  werde,  26  9  11  42      42  31  3  34  19  21  21  8  36    Gleich- 

dazu  verwiilgt. 

fals  ist  von  künig  alhie  das  wort  gegeben,  also  dafs  nunmehr  gedachter  pater 
von  hinen  nach  Frankreich  wider  verraist,  welcher  in  grofser  gnad  beym  künig 
und  von  seinen  vornemsteu  ministris  sehr  beliebet,  er  hat  sich  selbst  anerboten, 
im  fall  der  von  der  Reekh  seinen  weg  nach  Paris  nemen,  auch  mit  e.  kay.  may. 
notwendigen  reversalibus  versehen,  bey  seinem  künig  umb  dienliche  zuedem- 
l>fung  der  Behraischen  unruehe,  sonderlich  wegen  abhaltung  der  Hollendischen 
und  unierten  hülf  anhalten  werde;  dafs  er  verhofft  nit  allein  das,  sondern  noch 
ein  mehrers  zu  erhalten. 

Nr.  599.  Schreiben  an  die  Rom.  kay.  may.,  Madrid  den  21.  tag  octobris  datiert. 
Durch  Italia  werde  ich  von  glaubwirdigen  personen  avisiert,  dafs  e.  k.  m. 
zu  mehrer  intbrmation  des  Behmischen  Unwesens  und  sollicitierung  erspriefs- 
lichen  succurs  ein  aigne  person.  als  den  Caesar  Gail^ö)  hereinzuschiken  aller- 
gnedigst  willens  sein.  Wie  ich  diese  hereinfertigung  nun  aus  vielen  Ursachen 
gar  nit   vor  rathsamb  achte,   also   hat   michs   gewissen    und  meiner  allerunder- 

49)  Der  Herzog  von  Lernia. 
SOj  Der  König  von  Spanien. 
51)  Kardinal  Kiesel. 

32)  S.  Anui.  65. 

33)  Den  Sclilüssel  der  Zitl'ernschriit  siehe  Anuj.  29. 
54)  Türken. 

33)  Diese  Sendung  des  Cesare  Gallo,  die  Khevenhüller  kränkte,  hatte  ihren  Grund 
in  dem  Umstände,  dafs  die  spanische  Hülfe  (s.  Nr.  312J  schon  im  voraus  verwerte!  war. 
Dem  Kaiser  blieb  nichts  übrig,  als  Philipp  HI.  schon  jetzt  um  weitere  Unterstützung  zu 
ersuchen.  Als  eigener  Gesandter  wurde  C.  Gallo  abgeschickt,  der  als  Augenzeuge  der  in 
Wien  herrschenden  Not  den  König  zu  den  grössten  Opfern  hewegen  sollte.  Gindely,  S.  412. 
Vergl.  auch  Nr.  698.  716.  Kin  deullichi's  Bild  von  dor  Thätigkeit  des  G.  Gallo  gehen  die 
Protokolle  Khevenhüllers  vom  Jalire  1619. 


—    87    — 

thenig'isten  Schuldigkeit  nacli  gebüren  wollen,  etliche  aachgesetzteinconvenionlia 

darüber  für  dero  kay.  äugen  allergehorsamst  zu  Stollen. 

Erweisung  Erstlichen  wird  er  nichts  mehrers  ausrichten  können,  dan  alle  mügliche 

iiieiiier übrigen  jjijg-enz  bey  dem  künig-    und   seinen  ministris  jetzt    und  vorher,   ja    ehe.    dal's 

Behmischen     6.  k.  lu.  mir  vou  der  gedachten  entstandnen   unruehe  allerguedigst  geschriben. 

uegotio.       von  mir  gelaist  worden,   wie   ich  mit  Gott   dem    künig.   ir  durchl.  erzherzogin 

Murgredt,  denen  künigl.  ministris,  dem  von  der  Reekh  (so  mir  treulich  assistiert) 

und  allen  warhalten  darumb  wissenden  personen  bezeugen  kan  ,    und  es  meine 

an  e.  k.  m.  allergehorsameste  vilveltige  schreiben  und  relationen .   auch  aller- 

gnedigsten  autwort  (darinnen  mein  ileils  und  arbait  zu  allergnedigsten  gefallen 

aufgenunien  wird)  ausweisen. 

Erweisung,  Zuiu  andern  so  halt  ich  darvor.  dafs  ungeacht  bei  so  grofsem  geltmangel 

dafs  zu  dem    ^Ihier    und   dafs  Venedig  wegen    der   starken    armada   im  goltb   nit   zu  trauen, 

Behemischen  .  i  ■      •  i 

nnwesen  nichts  Savova  in  ueucr  Werbung  und  ein  ansehnliche  Aimada  wieder  die  mnhrrauber 
weiter  kundt  ausgcrüst .  auch  ein  gechwinde  unverhoö'te  veränderuna-  etlicher  vornemster 
^w'rden"^  ministri  (welche  die  mehreste  tardanza  verursacht)  bey  disem  hol'  gewest. 
jedoch ^ß)  nit  wenig  ausgericht  worden,  dan  der  künig  sich  klar  resol viert  mit 
^duc. ,  so  bey  ^  11.  bringt,  pro  principio  zu  succuriern ,  darvon  sein  j^  duc. 
hinaus  remitiert,  die  andern  schon  beschlossen,  und  hats  weniger  des  küuigs 
willen  zu  helfen,  noch  mein  weniger  tleifs,  sondern  dafs  kein  gelt  vorhanden 
gewest,  aufgehalten,  und  hab  ich  genueg  zu  thain  gehabt,  es  vor  der  flota 
ankunft  zue  richtikheit  zu  bringen,  hernach  haben  ir  künigl.  may.  auch  das 
Friaulisch  volk  zu  uuderhalten  dem  conde  de  Onate.  und  wan  die  sach  (darvor 
Gott  sein  woll)  zum  brechen  kome,  seinen  ministris  in  Italia  nach  müglikheit 
zu  helfen  Ordnung  gegeben,  wie  dan  e.  k.  m.  ich  darüber  vorher  allergehor- 
samest  geschriben.  Dal's  aber  solche  Ordnung  von  hier  so  spat  geschehen, 
das  weifs  Glott,  dafs  nit  ich,  sunder  die  langsame  gewohnliche  spanische  expe- 
dition  daran  schuldig.  Die  meinen  antecessoribus  überschikte  curier  habeus 
so  wol  und  bösser,  als  die  jetzigen,  dan  sie  oft  in  den  wichtigsten  Sachen  zu 
Jahresfristen  hier  aufgehalten  worden,  erfahren,  daher  waii's  ich  auch  nit,  was 
gedachter  Caesar  Grail  hieriuen  mehrers  ausrichten,  als  allein  grol'sen  Unkosten 
anwenden  und  vil  gelt  verzöhren  solle. 
(■:u sar  Gaiiu  Fürs   dritte  so    kan   e.  k.  m.   ich   gewil's   versichern,   dal's   mehrgedachter 

pursou.  weil  er  (jj^esar  Gaü    aihier,   als   kein  Teutscher  aus   dem   reich   oder  e.  k.  in.    und  ilero 

kein  Teutscher    ,     ,       ,  i  i        i  i    .    ,  •  ■  ■  i  •  i 

betreffend,  ^oh.  haus  crblaudeu  geburtig.  zu  negociern  ml  angcneml»  sein  wurde,  wie 
man  mirs  dan  oft  zu  verstehen  geben,  dal's  sie  mjl  llaliancrn  nit  gern  tractiern 
und  destwegen  mit  der  künigl.  würden  künig  Kcrdiiiand  agcnten,  einem  Carlo 
Gagino,  weil  er  ein  geborner  Italiaiier  ist.  iiits  zu  tliuen  haben  wollen.  In- 
gleichen auch  in  ge|>llegter  traclalion  über  den  Venedigiseheii  frieden  wider- 
fahren, in  welcher  mir,  dem  Hernando  de  Chaues  das  geringste  nit  zu  ver- 
trauen noch  auch  in  negolialionen  zueziilassen.  von  (len  vornemslen  künigl. 
ministris  angezaigt  worden. 

Fürs  vierte,  so  wird  durch  diso  hereinschikung  e.  kay.  iiiay.  von  mir  aii- 
hengig  gemachte  negotia  in  grol'sen  mistrauen  gesetzt.  Dan  weil  ich  den  an- 
fang  in  der  embaxada  und  l'orgelolTnen  gesehenen  (niil  denen  e.  kay.  may.  laut 

86)  Gleich:  di'uiiocli. 


—     88     — 

(lero  allei-g-nedi^slen  schreiben  content  jeder  zeit  g-eweseni  yciiuiciit  und  ein  üd- 
derer  jetzt,  sie  zu  tractiern  und  prosequiern  undcrlang-en  wolte,  so  künen  e.  kay. 
may.  von  Gott  hochbeg-abten  verstand  nach  selbst  allergnädigst  erachten,  ob  nit 
der  Idinig  und  seine  luinistri ,  e.  ivay.  may.  setzten  nit  ganz  völlig-  trauen  in 
mich  oder  ich  seye  zu  diser  mir  allergnedig-st  aufgetragenen  embaxada  weder 
tüchtig-  noch  sutficient,  g-leich  als  ob  die  vorig-en  übel  eneaminiert  und  vor- 
getragen weren  worden,  gedenken  und  dahero  mein  credit  in  e.  k.  m.  ueg'otien 
g-euzlichen  g-eschwecht  wurden. 

Fürs  fünfte,   so  haben  e.  k.  m.  zum  zweitenmal  weg-en  g^edachter  Behmi- 

wegen bezaiung  schen  schwierikheit  irn  curier  von  liof  alhero  abg-efertlgt,  welche,  nachdem  sie 

meines  dar-     yvider  von  hineu  zu  raisen  von  mir  bevelh  empfangen,   sich  stets  des  wenigen 

gel  enge  s.    ^^^^^^  g^  ihnen  von  der  hofcamer  geraicht,  aufs  bögst  beklag-t,  ich  aber  zu  fort- 

setzung    e.  k.  m.   Sachen    eufserist   mit    darleih-  und  vorstrekung  der  Unkosten 

erzaigt,  welches  sintemal   mein    jars  underhaltung  noch   das    lang  versprochne 

aufzuggelt  der  jg  fl.   bis  auf  diese  stund    nit  bezalt  worden,   weiter   mit   ihme 

Caesar  Gail  oder  künftig  mit  andern  zu  praestiern,  mir  unmüglich. 

Wie  nun  e.  kay.  may.  jederzeit  ihre  underthenigiste  diener  und  aller- 
Caesar  Gaiin  gehorsameste  underthanen  in  ehren  zu  erheben,  sie  zu  recompensiern  und  zu 
expedition  zu   begnaden  allergnedigst  incliniert  gewesen,  also  lob  ich  der  allergehorsamesten 

underlassen.  i    .    ..    .i-    i  i     «.''  •  i  •  i         •,  ■  •  i 

und  trostlichen  hounung,  sie  werden  an  mir  auch  nit  weniger  erzaigen  und 
aus  obausgetierten  erheblichen  Ursachen  dise  hereinschikung  allergnedigst 
einstölleu,  und  wan  er,  Caesar  (jail,  schon  auf  der  rais,  in  allergnedigist  wider 
zuruk  fordern  lassen,  das  will  umb  e.  k.  m.  ich  in  aller  iinderthenikheit 
wiederumb  zu  verschulden  mich  eufserist  befleifsen  und  thue  etc. 

Nr.  600.  Schreiben  von  herrn  obr.  camerer  herrn  Leonhart  Seyfridt  von 
Meggau ,  Eberstortf  den  24.  september  datiert,  Madrid  den  25.  octobris 
empfangen. 

Behniische  Bey  uns  non  mancan  fastidii  und  ist  die  Böhmische  unruehe  gröfser  und 

Sachen.  getähi'licher  als  jehe,  die  baide  läger  unser  und  der  feind  ligen  bey  Taschlau 
negst  beysamen  fast  in  einer  anzal  stark,  sie  aber  haben  inen  das  geworbne, 
auch  das  landvolk  und  vil  andere  fändl  zum  hosten,  erwarten  auch  täglich 
hülfen  aus  Schlösien  und  dem  Rom.  reich,  wir  hergögen  wüssen  von  wenig 
oder  kainen  succurs.  Die  remissa  dem  Span,  potschaft,  so  er  allein  auf  ^^  krönen 

fürgiben.  ist  vil  zu  wönig,  so  werden  uns  auch  des  babst  ^  fl.  monatlich  und 
Florenz  augenomne  500  pfärd  nit  vil  helfen,  zuinaln  die  chur-  und  fürsten  im 
reich  alle  an  sich  halten,  daher  mein  herr  potschafter  desto  euferiger  ergübige 
hülfe  aus  Hispania  zu  befürdern  hat,  da  auch  diese  fahlen,  würd  besorglich 
der  Verlust  land  und  leut  oder  doch  ein  schandlich  praeiudicierlicher  friden 
(darvor  Gott)  volgen.  Unsers  curier  erwarten  wir  dortenhero  mit  gueter  expe- 
dition, mit  hohem  verlangen.  Dafs  unser  camerer  ihme  mit  dem  raisunkosten 
so  übel  versehen,  ist  w^ol  gar  unrecht,  und  muefs  meinem  herrn  das  fürleihen 
in  all  weg  erstattet  werden.  Was  er  sunste  ir.  may.  in  und  aufser  züffer 
berichtet,  hab  ich  alles  vernumen,  und  erzaigt  er  seinen  lleifs  und  valor  zu 
geniegen;  irer  may.  resolutiones  hierauf  wird  mein  herr  potschafter  jetzo  und 
inskünftig  aus  irer  may.  aignen  schreiben  zu  vernemen  haben,  dan  kainer 
aus  den  jetzigen   räthen   alle   negotia   für   sich   allein    ziehen    und 


-     89     — 

also  in  Irici  eru  wird,  wie  der  cardinul,  so  seinen  lohn  em  pl'u  n  g'on. 
so  werden  auch  hinforter  wir  andere  ir.  may.  g-elreue  dieuer  mit  einander 
Ireyer  correspondieren  können,  als  bishero,  da  sehr  schwär  zu  hausen  gewösen^''). 
Weiln  der  herr  von  TrauttmannstorfT  allbereit  mit  meinem  herrn  die  züffer, 
wird  er  dieselbe  vort  mit  ihme  tüehren,  wie  auch  von  der  expedition  ihme 
ordentliche  comraunicationes  ervolgen.  Weiln  der  curier,  so  meinem  herrn 
letzlich  zuegeförtig-t  worden,  so  lang-  aul'sen  bleibet,  und  hiesiger  Spanischer 
potschatter  aufser  der  underhaltung  des  kriehingischen  regiment,  so  iiit  ui»er 
tausent  man  stark  aus  mangel  bevelchs  von  seiner  herschaft  nichts  mehrers 
bishero  thuen  will,  ja  uns  gar  das  don  Balthasar  Zuniga  pfärd  zu  ziehen 
wegen  expe-  iucargiert,  also  halten  ir.  may.  für  ein  iiotturll  über  vorige  schriftliche  infor- 
(litiun  Caesaris  mationes  ciu  aiguc  person  in  Hispauia  zu  schiken,  aber  nit  potschaft,  sondern 
allein  mehr,  als  curierweis,  und  weiln  wir  keinen  anhäbigeu  als  den  Caesar 
Gallo  fürbringen  künnen,  also  solle  er  per  posta  fort,  doch  allein  zu  meinem 
herrn  potschafter  abgeförtigt  werden,  der  wird  ihm  schon,  was  noch  vonmUen 
zu  iuformieru  und  sollicitiern,  zu  remitiern  wissen. 

Nr.  618.     Schreiben  an  herrn  von  Eggenberg,  Madrid  den  8.  novemb.  datiert  ^^), 

Hiesiges  hofs  Wie  status   huius   aulae  beschaffen,   kann    ichs  nit  bösser  meinm   herren 

zuestand.  vortragen,  als  ichs  göstert  meim  gueten  freund,  der  den  8°-')  wol  kendt.  avi- 
siert, er  verzeih  aber  meiner  kuchel  latein,  und  erfülle  mit  seinem  verstand, 
wo  ich  geraanglet.  PP  ait:  (:),  redde  rationem  villicationis  tuae,  iam  enim  non 
poteris  villicare;  ait  autem  villicus  inter  se:  reddere  male  parta  non  valeo, 
furtum  conliteri  erubesco:  scio  quid  faciam,  per  ijisa  munera  et  doua,  ijuae 
oculos  meos  excaecarunt,  excaecabo  oculos  iudicum,  et  i>ropt€r  maiora  inconimoda 
\^^  ducatos  Romam  mitlam;  si  dhus  laudaverit  iniquitatcm  meam .  pruilenter 
fecerim ,  sin  minus,  conferam  me  Romam,  cum  sub  umbra  alarum  rubrarum 
extra  Romam  nie  protegere  amplius  non  possim.    Intelligenti  salis  ^'). 

Nr.    627.     Schreiben   an  die   Hruii.    kay.   may.,    Madrid   den    17.   tag   novcmbris 

datiertöi). 

Obwoln  e.  k.  m.  bey  diesen  schweren  kriegsluufen  und  groCson  ungelegen- 

heiten    ich    mit   gell   anforderung  allergehorsamest    gern  verschonte,  so   tringt 

mich   doch   die   eufseriste   und   unuiubgcngliciie  tiotli.   c.  k.  m..  dafs  sie,  damit 


57)  Ks  ist  dies  die  in  Anm.  41  angozüKoiie  Sli'llc. 

38)  Wir  lassen  den  Anlung  dieses  Sclireiliens  als  vnn  j,'eriii;cer  IJ.'ilentuiijj  \ve^'. 

59j  {-)   ist   l.,eruia  is.  jNr.  4S7.  Amii.  4'h;  I'l*  wieder  iler  sitaiiisclie  luMiitr. 

60)  In  einem  Schreihen  .in  ll.-rrii  vnn  lim  vom  ^'leiclien  Daluni  (ISr.  tilDisagl  Klieveii- 
liüller:  Alliier  sagt  der  kiini^^  /ii  i-llii  Ihmi  :  ledde  rationem  villieatiiuiis  luae!  CJIaiib.  es  höre» 
vil  darüber  bey  der  naclit  die  mens  lauleii.  Des  küniKS  |irii|ic»si(um  ist  lier/lieli  und  giiel. 
aber  kein  kra  beisl  der  amlern  die  äugen  aus.  Unser  redlicher  Ii.mt  don  Balthasar  (ZunigaJ 
non  est  ex  illis.  Den  briefen  ist  nit  zu  vertrauen,  .sunsl  köndl  und  vvist  ieh  die  vügl  wol 
zu  ncnen. 

61)  Czerwenka  a.  a.  0.  S.  362  erwähnt  ein  späteres  Schreilien  Kh<-venhüller.s  in  dieser 
Angelegenheit  an  Kaiser  Kerdiiiand  vom  l'.t.  Del.  16H»  (Nr.  Sii.'i  in  Kln'v  enhiillers  l'rol.ikcdirii 
vom  Jahre   KU'.»;,  aber  nicht  dieses;  eli.iK..  Sliilz  ein  s|iiil<Ti-~. 

Mitieiliinguu  aus  dem  geriiiaii.   Natioiialiniiscuin.     \S*X\.  Ml. 


1     '"  (I 


-     90    — 

Bewdffiich  iiiii'  iiit  allein  die  hiiii;'  und  oft  von  dero  ITiIj!.  hofcuiner  v^erspi-ochne  '.'',  11.  iinf/.ug 
anmahnung  g.^ij-  Q|^^p  venier  diluLion  bezalt,  sunder  auch  mein  ausstehende  besoldune: 
sanibt  dem  durg-el ihnen  und  von  e.  ra.  ausg-eleglen  gelt  daran (sen  auf  sichere 
und  gewisse  mittel  angeschaft  und  angewisen  werden,  allergnedigst  anbevelohen 
weiten,  allerundertheuigist  zu  bitten.  Dan  e.  kay.  niay.  kan  in  aller  under- 
thenikhait  ich  nil  verhalten,  dals  der  Behmischen  uberschikten  und  noch  in 
künftig  erwarteten  hülfen  halber  alhier  wegen  erlegung  der  ~  11.  gar  schlecht 
und  fast  keine  hoffnung  gegeben  wird.  Wie  ich  nun  schon  in  die  "',  11.  her- 
gestrekt  und  zu  erhaltung  billicher  e.  k.  m.  reputation  mein  bestes  albereit 
versetzen  muessen,  also  lafs  e.  kay.  may.  dero  hochbegabten  verstand  nach 
ich  allergnedigst  selbst  erachten,  ob  mir  weiter  ohne  obgedachter  ehesten 
bezalung  und  richtiger  anweisung  bey  dieser  embaxada  zu  continuiern  möglich 
sein:  und  ob  ich  nit  aus  tringenter  noth  und  mangel  mit  högstem  praeiudicio 
e.  kay.  may.  autoritet  und  meinen  eufseristen  schaden  abzuziehen  gezwungen 
wurde?  Welches  e.  k.  m.  allergnedigist  zu  remediern,  und  mir  über  vermögen 
nichts  aufzulegen,  auch  die  unmüglildieit  für  ein  guete  und  genuegsame  ent- 
schuldiguug  an-  und  aufnemen,  ihr  allergnedigist  gefallen  lassen  werden. 

Nr.  651.     Schreiben  an  künig  Ferdinand,  Madrid  den  29.  novemb.  datiert. 

Weil  weder  von  der  kay.  may.  noch  e.  küuigl.  ich  schon  ein  geraume 
zeit  kain  ainiges  schreiben  von  der  Behmischen  unruehe  empfangenes),  also 
wais  ich  jetzt  darüber  in  underthenigistem  gehorsamb  nichts  zu  berichten, 
allain  underthenigist  zu  bitten,  sie  wollen  gnedigst  verhülllich  sein,  auf  dafs 
mir  bey  allen  ordinari  der  verlauf  von  der  kay.  expedition  erindert,  und  in 
e.  may.  hier  angehengten  negocien,  darüber  ich  zum  oftermaln  gehorsamest 
angehalten,  resolution  erthailt  werde,  dan  anderer  gestalt  kan  der  kay.  may. 
dienst  (wie  sie  ihren  von  Grott  hochbegabten  verstand  nach  gnedigist  selbst 
erachten  können)  ich  nit  so  euferig,  wie  ich  unterthenigist  gern  wolt,  treiben 
und  volziehen^ä). 


Nr.  694.     Relation  alles  desjenigen,    was   sich  im    mouat   uovembris   bey    dem 
Spanischen  hof  verloffen  und  einkumen  ist^*). 

Der  Cardinal  duque  de  Lerma^^)  befmdt   sich  noch  zu  Derma  und  erzaigt 


62)  Mehrfach  beklagt  sich  Khevenhüller,  dafs  seine  Informationen  über  den  Verlauf 
der  böhmisclien  Dinge  in  Anbetracht  der  Wichtigkeit  der  von  Spanien  zu  erzielenden  Hilfe 
ihm  so  langsam  zugehen.  So  in  einem  Schreiben  au  den  Kaiser  vom  29.  Nov.  (Kr.  647j 
mit  ähnlichen  Worten  wie  hier;  ebenso  in  Nr.  661. 

63)  Der  Schlufs  dieses-  Schreibens  handelt  von  der  Reise  des  Landgrafen  Ludwig 
v.  Darmstadt  nach  Spanien  und  Jerusalem,  von  der  Impressa  de  Argel,  und  von  der  Abreise 
des  kais.  Kämmerers  Preuncr  von  Spanien  nach  Oesterreich. 

64)  Es  ist  dies  der  einzige  zusanunenfassende  Monatsbericht,  den  Khevenhüller  in  dem 
von  uns  berücksichtigten  Abschnitt  giebt.  Wir  geben  das  Stück  mit  einigen  unwesentlichen 
Auslassungen. 

65)  Die  von  Eggenberg  (Nr.  863,  Anm.  52)  ausgesprochene  Hoffnung  auf  die  Re- 
signation Lermas  hatte  sich  erfüllt.  In  merkwürdigem  Gegensatz  zu  der  in  dem  Briefbuche 
durchgehends    sich  tindenden  Beurteilung   des   Herzogs    von  Lerma    durch  Khevenliüller  und 


^  -     91     - 

sieh  dir  ul)i-ig-e  Zeil  seines  lebeus  in  i'uehe  und  abmirtung'  seines  Gottsdienst 
zuezubring-en.  Sonst  discurriert  man  noch  von  andern  vereuderung-en  bey 
disem  hof,  von  welchen  man  der  zeit  nichts  gewisses  schreiben  kann. 

Die  g-alliones  sein  mit  dem  silber  und  g'olt  bei  13  millionen  gliklichen 
ang-ekumen,  und  wie  man  die  rechnung'  macht,  so  sein  heur   aus    den  ori-  und 

occidentalischeu  Indien  in  die  20  millionen  von  silber,  g-olt  und  waren  in  Por- 
tug'al  und  Spanien  ankumen.    und    wan   noch    sovil    anlang-eten,    waifs    man    zu 

hoilen^ß)  nit,  wo  das  g-elt  hinkumbt. 

Hccretvom  Ir  uiay.  der  künig-  haben  auf  alle  tribuual  und  praesidenteu  decret  abgehen 

kimi^  betr.     jafsen,  keinem  decret  vom  duque  deLerma,  duque  de  Uceda  und  andern  under- 

schriben,    wie  bishero  g-eschehen ,   g-laubeu  zu  geben,   und  sie  alle  auf  ir  may. 

aigne  uuderschrift  g-ewisen^^). 

Es  hat  sich  auch  alhier  ein  g-rofser  comet  erzaigt,  dessen  abrifs  hiebey  ligt. 

Ki.ta  ankimft.  Was  die  gallioncs  uiul  letztern  llota  dis  jähr  ertragen  unil  mit  gebracht, 

ist  aus  nachvolgender  verzaichuus  zu  sehen. 

Nota  was  dis  jähr  1(J18  mit  den  flotten  von  Nova  Espana,  Terraferma  und 
galleones  aus  Indien  nach  S.  Lucar  und  Sevillia  geregistriert  ankumen,  uemblich 

Für  ir  may.  von  Terraferma  in  silber,  golt  und  gelt  th.     1089  d.^^)  8o7 

Item  von  Nova  Espana 

Für  particular  von  Terra  ferraa 

Item  von  Nova  Espaiia 

Summa  in  golt,  silber  und  gelt 
lleni  für  particular  allerley  waren  als  seiden,  eudego, 
oxenheit,  farbholz  und  mehrs,  defsen  wert 

summa  summarum 

Nota.  Die  waren  sein  alzeit  mehr  wert  und  ob  man  gleich  difs  jar  scharf 
gewesen,  so  komjjt  doch  alzeit  von  ain  und  andern,  sonderlich  von  golt  viel, 
wie  auch  schier  alles,  so  die  marineros  und  Soldaten  ungeristriert  (!),  also  dafs 
sich  alles  wol  auf  !(>  millioncs  wert  belauft;  ain  peso  oder  tlialor  ist  8  real. 

seine  Freunde  .steht  eine  Notiz  der  Ann.  Ferd.  tum.  IX,  Spalte  2ü2.  Bei  Geiegenheil  der 
Erncnnunjf  IjCrnias  zum  Kardinal  und  der  jrleicli/.eitipen  Uesiirnalion  de-sselben  auf  alle  seine 
ll(»tamler  zu  {j^unsten  seines  Sohnes,  des  Herzogs  von  L'zeda.  fand  eine  Illumination  stall. 
Mit  Bezug  auf  diese  letztere  heisst  es  a.  a.  ü. :  „Wie  nun  Graf  Khevenliüller  kein  frennler 
enihaxador,  Herzog  von  Lciiria  dem  Maus  Österreich  allezeit  devot  und  alle  viTrnehme  IJe- 
\  Schäfte  durch  seine  Hände  gegangen,  also  hat.  er  seine  Luminurias,  als  sichs  gehühret,  auch 

f,  mil    ailfgesteckt.'-     Dieses    ahweicliende    Urteil    über  Lerma,    der    sonst    keineswegs  als  di'ni 

Hause  Osterreich  ergehen  hingeslelll  wird,  scheint  die  Auffassung  zu  unlerslützen ,  dafs  der 
Anteil  Khevenhüllers  an  der  Abfassung  der  Annales  kein  durchweg  direkter,  sondern  ein 
mehr  mittelbarer,  leitender  gewesen  ist,  während  die  in  den  Schreiben  der  Briefbücher 
uicdergeleglen  Ansichten  als  seine  eigenen,  ursprünglichen  anzusehen  sind. 

66)  Bei  Hofe?  oder  zu  häuligen  Malen? 

67)  Ein  Beweis,  dafs  die  Resignation  des  Herzogs  von  Lerma  keim-  freiwillige  war. 
OSj  d.  vielleicht   ein   Dinero,  von  denen,   wie  die  ohigi-  HiThnonn  ergibt.   1000  auf  i  Ih. 

(^span.  Tlialer  oder  Peso  -^^  S  Silber-liealenj  gehen. 


th. 
th. 
th. 

o84  d. 
7310  d. 
3313  d. 

174 
736 

th. 

Ih. 

12297  d. 

1702  d. 

767 

233 

th. 

14000  d. 

— 

'J2     — 

Nr.  698.     Scliieilx'ii  an  die  Kruii.  kay.  iiiay.     Madrid  den  2U.  discciuber  dal. 

Eur   kay.   raay.   von   dero   kay.  hof  an   den   hiesigen    künig-l.  auf  der  post 
Ccsar  Gaiis     alifi'eortner  rath  Caesar  Gallo  hat  dero  kay.  allergiiedig'ist  sehreiben,  den  22.  octo- 
aukimft.       j,^,j.  ^,j   Wien  dat..    mii'    dun   ID.  dis  zu  recht  eing-ehendig-t ,    und  den    17.  darauf 
sein    instruction   vorg-ewisen    und    allerlay   mundlich  vorg-ebracht.     Wie  nun  e. 
kay.  raay.  instruction  und  credential  an  künig  auf  ihn   allergnedig-ist    und   dafs 
ich  ihm  in  allem  g-uet  rath  und  anweisung-  g'eben  solte,   gesielt,   also   will   ich 
demselben    allerunderthenig-ist    uakkumen ,  und    ihm   was  zu  e.  k.  m.  nutz  und 
sunst  meinem  g-etreuesten  vermainen  nach  tauglich  sein  kan,  aufs  böst  und  müg- 
lichisl  rathen  und  anweisen.     Suust  belindt  ich  vornemblich  drey  punct  in  ge- 
dachter instruction,  nemblichen  den  ersten,  dafs  der  künig  mehr  hülf  zu  stül- 
lung  der  Behmischen  schwierikheit  so  wol  an  gelt  als  kriegsvolk  hergeben,  den 
andern,  in  Italia  und  in  andern  des  künigs  ort  und  landen  sein  künigl.  ministris 
anzubevelchen,  damit  sie  zur  zeit  der  noth  e.  kay.  m.  mit  ihrem  under  haben- 
dem kriegsvolk  wirklich  assistiern,    und    den    dritten,   dafs    ir   babst.  hey.    der 
Seine        künig  ZU  ersprüefslicher  hülf  anmauen  solte.     Betreffend  den    ersten    hab    den- 
voibrin^en.     s;elben  dem  künig  ich  weitleufig  in  underschidlichen  audienzen  und  memorialen 
mit  eiuliehrung  viler  exempel  (wie  es  an  e.  k.  m.  meine  gehorsamiste  schreiben 
und  beygeschlofsne  memorialen  ausweisen)  vorgestelt  und  darauf,   dafs  högst- 
gedachter  künig  ^  mann  dem  grafen  von  Onate,  so  lang  diser  krieg  gewert,  zu 

underhalten,  darzue  ihm  erstlich  ^  duc.  und  hernach  ^  escudos  hinaus  alberait 

remitiert  worden,  bevolchen,  zue  antwort  ervolgt;  zweiflet  mir  nit,  angezogener 
conde  de  Onate  wird  seines  künigs  bevelch  nach  die  berierte  ^  man  auch  auf 
den  fuefs  gebracht  und  zu  e.  k.  m.  kriegsvolk  gestofsen  haben.  So  es  aber 
gegen  gemefsnem  königl.  bevelch  und  der  vornerasten  räth  verraanen  noch  von 
ihme  grafen  nit  ins  werk  gesetzt,  sonder  gedachtes  gelt  zu  andern  ausgaben 
verwendet  wurde,  alsdan  möchte  e.  k.  m.  hieher  schriftlich  zu  der  künigl.  m. 
gelangen  lafsen  und  mirs  vorzubringen  allergnedigist  bevelchen. 

Auf  den  andern  hat  der  künig  mir  zu  underschidlich  malu  geantwort, 
wolle  und  habe  seinen  Ministris  in  Italia  und  Niderlandt  austruklichen  bevelch 
geben,  zu  zeit  der  noth  (dahins  der  Almechtig  nit  wolle  gelangen  lafsen)  e.  kay. 
ra.  aufs  eufserist  zu  succurriern,  halt  auch  gewifs  darvor,  dafs  sie  sowol  als  der 
conde  de  Onate  defswegen  heimlichen  bevelch  erapfanareu. 
Behamische  Auf  den  dritten  punct,  obwol  von  e.  k.  ra.  mir  bishero  uiths  darvon  aller- 

hülfen betr.  g-nedigist  anbevolchen  worden,  hab  ich  selbst  die  diligenz  gethau,  und  der 
kunig  (über  welchen  kalten  assistenz  man  sich  hier  sehr  verwundert)  ^^)  nit 
allein  ir  bäbst.  hey.,  so  gleichfals  durch  den  verraisten  Antonio  Gaietano,  erz- 
bischofen  zu  Capua  und  jetzt  residierenden  nuntio,  aufs  euferigist  beschehen, 
schriftlich,  sonder  auch  alle  catholischen  fürsten  im  reich  ermant  und  beweglich 
zuegeschriben,  sein  auch  stark  in  willens  die  zertrente  confoederation  der  catho- 
lischen fürsten  in  Teutschland  wider  aufzurichten  und  insonderheit  zu  diser 
Behmischen  occasiou  sich  derselben  zu  bedienen.    Don  Balthasar  de  Zuniga  hat 


69)  Es  ist  nicht  ganz  klar  ersichtlich,  wo  und  über  wessen  kühle  Unterstülzunit  man 
sich  wundert.  Am  nächsten  liegt  anzunehmen,  dals  die  Umgebung  des  Königs  von  Spanien 
sich  über  dessen  langsame  lliill'leistung  wundert,  doch  betont  andererseits  Kh.  den  guten 
Willen  des  Königs. 


—    93     — 

ir  iiiay.  darüber  ein  g-uetachten  zueg-esteU.    tlalV    ich    iiit    wii^t.    wie  es  e.  k.  in. 
gemaine  räth  alles  treuer  und  euferig'er  niainen  und  verfassen  kündten. 

Jetzt  bemiehe  icb  micli  dabin,  auf  dafs '^)  bei  di.ser  (Iota  wider  ein  g-eits 
remissa,  in  bedenkung;  niehrers  der    zeit   allem    ansehen  nach    nit    zu    erhalten, 

Item.  ervolg:en  möchte,  dan  ir  may.  zu  abhelfung-  der  hiesig^en  kunigreich  und 
lander  grofsen  beschwer  und  verhüetung-,  dafs  die  möhr  rauber  und  mohren 
nit  järhchen  sovil  1000  seelen  in  ewig-e  g-efenknuCs  Heren,  auch  Versicherung- 
der  Spanischen  neg'ociation.  dieweil  vast  kein  schiff  mehr  in  Italia.  Nider-  und 
Teutschland  sicher  ablaufen  kann  und  letztlich  die  llota  auch  gespert  werden 
möchte,  eine  ansehliche  armada,  darauf  allein^  combatentes  sein  sollen,  wider 
Arxel  zue  richten  last.  Im  fall  diese  armada  solte  abg-eschikt  und  dero  expe- 
ditiou  gliklicher  verriebt  werden,  so  bin  ich  vergrwist.  dal's  e.  k.  m.  stark  hülf 
wider  dero  aiifgestanden  Behmische  underthanen  von  hiesigem  kunig:  zu  g:e- 
warten  haben. 

Meiner  underthenigen  pflicht  nach  bin  e.  k.  m.  mein  gehorsamiste  mainung 
von  der  Spanischen  hülf  allergehorsaraest  zu  entdeken  ich  verobligiert,  und 
die  ist,  dafs  man  mit  den  mehrgedachteu  6000  man  und  andern  remissen  gelt 
(welches  spott^^)  genug  ervolgt)  continuiern  und  sich  gewifs  vor  gliklicher 
herwiderkunft  mehr  angezogener  armada  keines  mehrern  soccors  (wie  hoch 
man   sich    auch   erbieten  möcht)    resolviern    wird.     Kr.    may.    aber    muel's   bald 

Item.  und  jetzt  auf  den  martio  (da  die  armada  noch  nit  wird  aiisgeloffen  sein)  ge- 
holfen werden,  daher  e.  k.  m.  ichs  zeitlich,  und  auch  dal's  ich  mich  stark  dahin, 
doch  bishero  vergebens,  dem  künig  und  etlichen  dorthin  inclinierten  ministris 
von  dieser  empressa  abzuhalten  und  die  hülfen  nach  Behem  zu  transferieren, 
bemüeht,  uiiderthenigist  berichten  wollen.  Dafs  sich  der  künig  wider  die 
Behamb  genzlich  erkleren  soll,  fallen  denen  ministris  vil  bedenken  vor,  sun- 
•  derlich  wan  die  angezogene  confoederation  nit  auf  dem  fuel's.  Dan  sunsl  die 
catholischen  fürsten,  die  Rollender  und  andere  des  künigs  feind  auch  brechen 
und  ir  may.  in  grofse  gefahr  dadurch  gefüert  wurden,  unil  sein  e.  k.  m.  aller- 
gehorsamest  versichert,  dafs  die  privados  des  künigs  eiukumen  also  versetzt, 
verschenkt  und  abgezört,  dal's  ir  may.  in  grol'se  gelt  ungelegenhoit  gorotten, 
und  zeit  haben  die  remedierung  vor  die  band  zu  nemen.  Dan  alle  milliones 
und  gefelP^)  vorgessens  brod,  und  sie  sicherlich  oft  gern  wirklicher  und  moh- 
rers, als  sie  thuen,  wan  die  müttel  vorhanden  weren.  assistierten. 

Aus  oberzelten  meinen  allerunderthenigisten  Ursachen  und  allorgehor- 
samesten  relation  veruemen  e.  k.  ni.  allergnedigst,  dal's  alles  was  (laesar  (lallo 
in  der  instruction  mit  sich    luingl    iiiid    noch    weit    ein    nu^hrers    \o\\  mir  vcr- 

itcm.  bracht  und  ein  gueter  thail  erhalten  worden.  Was  er  nun  auf  sein  viuhringcn 
mehrers  verrichten  wird,  gibt  die  zeit,  übermorgen  soll  (>aesar  liallo  neben  mir 
bey  ihr  kunigl.  m.  audienz  haben,  li-  durchl.  erzh.  Margrcill  hat  er  allhereil 
e.  m.  überschikte  Sachen  überani wortl.  Dii'  haben  sich  darüber  zum  hr.gslen 
erfreut,  und  werden  nach  den  feuertagen  e.  m.  .selbst  anlw(n-ten. 


70)  auf  dafs  =z  im  Falle  dals. 
71  j  spät 

72)  seil.  sind.     Denn    allr   Millionon    und    Uolalli'    .sind    vorausvfr/clirt.    und   \v>'   May. 
würden  sicherlich  L;erii   mehr  lliiin,  wenn  die  Millid  vurhandeii   wären. 


—    94    — 

Nr.  713.     .Mt'iii(iri:il  uii  den   köiiig-,  Madrid  den  22.  lag'  decembris  üljerg-eben '■'*). 

Der  g-raC  von  -Frankhenburg;  zeigt  an,  daCs  er  bei  der  g'estrigen  ordinari 
aus  Niderland  schreiben  und  Ordnung  vom  7.  novenibris  von  dem  kayser,  seinem 
allerg;nedig-sten  herrn ,  e.  m.,  dal's  dazuemalen  von  dero  künigl.  hüllen  in  dem 
kay.  leg-er  nit  mehr  als  600  gesunter  Soldaten,  die  da  streiten  mögen,  sich 
befunden,  und  dafs  die  kay.  m.  ganz  hülflos  gelassen  wird,  und  dero  Behmi- 
schen  untertlianen  die  künigl.  einkumen  zue  sich  nemen  und  sich  deren  wider 
ir  may.  gebrauchen,  item  dal's  die  calholischen  sowol  im  reich  als  in  erblandern 
alleulhalben  neutral  und  hergegen  die  protestierenden  aufs  müglicliist  denBehmen 
helfen,  anzuzeigen,  empfangen.  Dahero  verlangen  ir  kay.,  dafs  e.  königl.  m.  ir 
wolten  belieben  lassen,  ihrem  ambas.satoru  den  conde  de  Onate  anzuebevelchen, 
damit  er  auch  die  1000  pferd  des  don  Baltasar  de  Maradas  von  dem  ersten  tag 
der  Werbung  an  ir  nt.  bezalung  neme,  und  es  so  lang  die  notturft  erfordern 
wird,  underhalten,  und  wie  die  kay.  e.  königl.  m.  gueten  willens  und  eufer  zu 
erhaltung  der  catholischen  religion  und  aufnemen  des  höh.  haus  von  Österreich, 
so  jetzt  in  grol'ser  gefahr  stehet,  versichert,  also  erwarten  sie  nit  allein  dieser, 
sondern  noch  inehrer  und  grösserer  hülf. 

Nr.  716.     Schreiben  an  die  Rom,  kay.  m.,  Madrid  den  28.  december  dat. 

Deroselben  allergnedigstes  schreiben  vom  7.  november  betr.,  dafs  ich  bey 
dem  hiesigen  köuig  die  gesuechten  hülfen  euferig  treiben,  insonderheit  aber 
mich  dahin,  damit  jetzt  högsigedachter  könig  des  obr.  don  Balthasar  de  Maradas 
1000  pfercl  von  anfang  als  sie  e.  ra.  dienen,  in  sein  bezalung  nemen  und  con- 
tinuiern,  auch  derowegen  seinem  an  e.  kay.  m.  hof  residierendem  oratorn  grafen 
von  Onate  gemessen  bevelch  geben,  auf  dafs  also  e.  k.  m.  höh.  haus  feinden 
desto  mehr  abbruch  beschehen  könne,  bearbaiten  und  allen  möglichen  lleiCs 
anwenden  solte,  hab  ich  allergehorsamest  emplangen.  Auf  difs  hab  ich  alsbald 
bey  ir  königl.  m.  audienz  gesuecht  und  dieselbig  den  22.  dis  erlangt,  auch 
neben  langer  mündlicher  ausfüerung  der  Behmischen  ungelegenheiten  ir  königl. 
Behmischc  m.  bcygeschlossenes  memoria] ''*)  überraicht,  die  sich  aller  guetwillikheit,  wie 
sacheu  betr.  alzeit  zuni  högsten  erboten.  Was  nun  weiter  in  dieser  Behmischen  hülfen 
alhier  vergangen,  das  hab  e.  k.  m.  ich  den  20.  dis  in  züffer  allergehorsamest 
avisiert,  und  zu  mehrer  Versicherung  schlieCs  ich  allerunderthenigist  duplicat 
hiebey  ein.  Mit  diesem  assiento,  hofT  ich,  soll  wider  ein  guete  summa  gelts 
dem  conde  de  Onate  hinaus  remitiert  werden. 

Dieweil  sich  das  alte  jähr  endet  und  das  neue  hereingehet,  so  hab  e.  k.  m. 
ich  zu  beschluCs  dises  briefs  von  dem  Almächtigen  ein  gliksel.  freudenreiches 
gesundes  und  neues  jähr,  damit  das  hereingehent  sie  mit  mehr  ruehe  frid 
und  einikheit  ihre  königreich  und  länder  regiern  und  ihre  allergehorsameste 
underthanen  beschützen,  die  widerwertigen  strafen  und  alles  zu  (Jottes  ehrn 
aufnemen  und  zu  des  hob.  haus  von  Österreich  reputation  vollenden  möge, 
winschen  und  zu  dero  kay.  hulden  und  landsfürstl.  gnaden  mich  allergehorsamist 
bevelchen  wollen. 


733  Nr.  712  ist  das  spanische  Original  des  Memorials,    während   Nr.  713  die  deutsche 
Übersetzung  desselben  ist. 
74)  Nr.  713. 


-     95    — 

Wir  schliefsen  mit  diesem  Stück.  Die  Protokolle  Khevenhüllers  vom  Jtihre 
t619  mehren  sich  sowol  iu  Bezug-  auf  den  böhmischen  Krieg,  wie  sie  an  Reich- 
haltigkeit und  Bedeutung  des  Inhaltes  überhaupt  wachsen. 

Nürnberg.  Dr.  Rudolf  Schmid  t. 


Aus  der  Oeuiäldegalcrie  des  geriiiaiiischeii  Miiseiiiiis. 

ei  meinem  jüngsten  Besuche  des  germanischen  Nationalmuseums  zu 
Nürnberg  im  April  1893  hatte  ich  Gelegenheit,  alte  Notizen  zu  über- 
prüfen und  neue  zu  sammeln.  Viele  dieser  Notizen  hotte  ich  in  einigen 
grofsen  Arbeiten  zu  verwerten,  deren  Veröffentlichung  in  Aussicht  steht.  Zwei 
neue  Diagnosen,  die  mit  jenen  Arbeiten  nicht  im  Zusammenhang  stehen,  möchte 
ich  gern  in  der  Zeitschrift  des  germanischen  Nationalmuseums  mitteilen,  bevor 
noch  die  neue  Auflage  des  Galeriekataloges  fertig  gestellt  ist. 

Nr.  309  der  Galerie  des  german.  Museums,  einen  Prometheus  am  Felsen, 
dem  Salvator  Rosa  zugeschrieben,  halte  ich  bestimmt  für  ein  Werk  des  Martin 
Speer  aus  Regensburg,  eines  Malers,  dem  Naglers  Lexikon  schon  einige  Auf- 
merksamkeit zugewendet  hat,  der  im  grofsen  Füfslischen  Küustlerlexikou  untl 
dessen  Nachträgen  und  anderwärts  vorkommt,  den  aber  die  moderne  Forschung 
vielleicht  ungerechter  Weise  bei  Seite  gelassen  hat.  Ein  signiertes  Werk  des 
Martin  (bei  Anderen  Michael)  Speer  in  der  städtischen  Galerie  zu  Mainz  (neue 
Nr.  128),  das  einen  heiligen  Bartholomäus  etwa  in  Lebensgröfse  darstellt, 
führte  mich  darauf,  auch  das  Bild  Nr.  309  des  germanischen  Museums  mit 
Bestimmtheit  für  ein  Werk  dieses  Speer  zu  halten.  Der  neapolitanische  Cha- 
rakter beider  Werke  springt  in  die  Augen.  Die  derbe  Pinselführung  mit  halb 
trockener  Farbe  in  den  Lichtern  ist  bei  Speer  aber  noch  deutlicher  zu  be- 
obachten als  etwa  bei  Ribera  oder  Solimena,  mit  denen  er  eine  gewisse  Ver- 
wandtschaft hat.  Eigentümlich  ist  bei  Speer  aber  die  Behandlung  des  Nackten, 
insbesondere  die  konzentrischen  Züge  um  die  Brustwarzen,  eine  Behandlung, 
die  bei  den  gleichzeitigen  Neapolitanern  nicht  vorkommt,  ich  kenne  von  Speer 
noch  drei  weitere  Bilder,  die  übrigens  zur  Vergleichung  nicht  ebenso  für 
unseren  Fall  passen,  als  das  sichere  Bild  in  Mainz.  Es  sind' die  drei  grofsen 
Gemälde  in  der  Sammlung  des  historischen  Vereins  zu  Rogensburg  und  zwar 
der  Maler  selbst  mit  Frau  und  Kiml,  lebensgrofs,  energisch  hingesetzt.  Ferner 
zwei  grofse  Breitbilder  niil  vichii  Figuren  und  einigermafscii  an  d.Mi  Nrtipoli- 
taner  Gargiulio  gemahnend.  Kines  stellt  eine  Pestszene  dar,  das  andere  einen 
Kam|if.  Kine  Vergleichung  mit  den  Stichen,  die  Naglor  anführt,  ist  erst  durch- 
zuführen, wobei  ich  ausdrücklich  l)enierke.  dafs  diese  Notiz  nur  auf  das  Bild 
in  Nürnberg  hinzielt  und  keine  Monographie  des  M.  Speer  geben  will.  Ich 
überlasse  es  der  Regensburger  Ortsforschung,  oder  wenigstens  der  bayerischen 
Kunstgeschichte,  den  inunerhin  inieressanten  uml  lalcnt.vollen  Maler  des 
18.  Jahrhunderts  eingehend  zu  würdigen.  Die  Zuschreibung  des  Prometheus 
in  Nürnberg  an  unseren  Speer  ist  übrigiMis  l'üi-  mieh  überzeugend.  Sollte  das 
Bild  nicht  dasselbe  sein,  das  in  Naglers  Lexikon  als  ein  Lazarus  »in  der 
(jalerie    zu    Nüi'tilierii'«    und    als    Werk    eines    Harllmlnniäus    Speer    |iiai-h  »liick) 


—     9f)     — 

aiigeriilirl  wird?  liiirtlioloiiiüus  Speer  undMarliii  ii ml  .Micliiicl  Speer  sind  olfen- 
bar  mit  einander  identisch. 

Die  zweite  Diagnof^e,  die  icli  hier  zu  gehen  ha))e,  hetrill't  Nr.  835  der 
Galerie  des  g'eruian.  iMuseuius  ,  ein  kleines  Breiliiild,  das  die  Plünderung'  eines 
Dorfes  darstellt.  Zwar  isl  das  Gemälde  nichl  iiidir  gut  erhalten,  doch  konnte 
ich  mit  Bestimmtheit  die  Irland  des  Carel  Breydel  darin  erkennen,  der  mir 
aus  mehreren  sicheren  Bildern  wol  bekannt  ist.  Breydel  ist  der  neueren  Kunst- 
geschichte weit  besser  bekannt,  als  M.  Speer,  weshalb  ich  darauf  verzichte, 
über  ihn  Notizen  zu  geben.  Nur  auf  die  wenig  mehr  beachteten  Mitteilungen 
bei  Descamps  (vis  des  peintres  IV,  19U  ff.)  möchte  ich  hinweisen,  und  darauf, 
dat's  im  März  1883  im  Osterreichischen  Kunstverein  zu  Wien  zwei  nette  kleine, 
wolerhaltene  Breit bi hier  von  C.  Breydel  (beide  signiert)  versteigert  worden 
sind  und  zwar  ein  »Kampf  zwischen  Bauern  und  Infanterie«  und  ein  wReiter- 
gefechtff. 

Wien,  April  und  -luni  1893.  Dr.  Th.  v.  Frimmel. 


„Das  Deutschland  segiien^^ 

n  dem  Tagebuch"  des  Hans  Ölhafen,  aus  welchem  ich  auf  Seite  41  ff. 
lieser  Mitteilungen  dessen  Verlobung  und  Verehelichung  im  Jahre   1;)47 
mitgeteilt  habe,    ist   auch   ein  Bericht   über  eine  Reise  nach  Frankreich 
enthalten,  wohin   dieser  im  Jahre  1541    durch  die  Schweiz  reiste.    Ölhafen  er- 
wähnt dabei  eines  seltsamen  Brauches,  der  bei  Freiburg  in  der  Schweiz,  offen- 
bar bei  Passierung  der  deutsch-französischen  Sprachgrenze  von  den  Deutschen 
beobachtet  wurde.     Wir  wollen  Hans  Ölhafen   hierüber  selbst  berichten  lassen: 
»Adi  1.  augusti  gen  Berrn  3  meyl,  6  stund,  da  helt  man  ein  seer  großen  leben- 
digen Bern,   und  stehet  ein  großer  S.  Ghristoff,  der  etwan  vor  in  einer  kirchen 
gewest,  über  dem  thor,  mit  einer  helleparten  als  ein  landsknecht.    Adi  2.   Frey- 
berg 2  meyl,  4  stund.    Da  sihet  man  vor  der  stat  gegen  Gallia  zu  ein  creuz,     _l_ 
welchs  Deudtschlandt  und  Frannckreich  von  einander  schaidet,  da  müsen      /v 
die  jungen  gesellen  niderknien  und  das  Deudtschlandt  segenen,  alsdann  ^^ 
durch  die  pfosten  kriegen.« 

Nur  die  jungen  Gesellen  mufsten  diesen  Brauch  beobachten,  wahrschein- 
lich auch  nur  dann,  wenn  sie  zum  erstenmale  die  Sprachgrenze  überschritten. 
Man  hat  es  also  hier  mit  einem  dem  Hänseln  von  Kautleuten  und  Fuhrleuten, 
die  zum  erstenmale  eine  Messe  besuchten,  ähnlichen  Gebrauch  zu  thun. 

Ölhafen  hielt  sich  einige  Jahre  in  Frankreich  und  Italien  auf  und  kehrte 
im  März  1545  durch  Tirol  wieder  in  die  Heimat  zurück;  über  einen  dem  oben 
mitgeteilten  ähnlichen  Gebrauch,  der  etwa  bei  dem  Überschreiten  der  italienisch- 
deutschen Sprachgrenze  zu  beobachten  gewesen  wäre,  meldet  Ölhafen  nichts, 
obgleich  damals  in  Bozen  Messe  gewesen  und  Diejenigen,  welche,  von  Norden 
kommend,  diese  Messe  zum  erstenmale  besuchten,  unterwegs  gehänselt  wurden. 
Über  die  Sprachgrenze  sagt  er  nur  bei  Trient  »ist  ein  kleine  stat,  redet  halb 
welsch  und  halb  deudtsch«. 

N  ü  r  n  b  e  r  g.  H  a  n  s  B  ö  s  c  h. 


97    — 


Entwurf  eines  gotischcu  Bruiiiicns  vom  Ende  des  15.  Jahrhnnderts. 

ie  g-cdi'uckten  Arznei-  und  Kräuterbüeher,  die  noch  im  lii.  Jahihunderte 
erschienen  sind  und  sich,  wie  aus  ihrer  fi-rolsen  Anzahl  hervorgeht,  bei 
den  nach  Heilmitteln  sich  sehnenden  Menschen  ^Tofser  Beliebtheit  erfreu- 


ten, sind  wol  gröfstenlrils  niil  harsicllungeii  hcillvräriiii'or  PHan/on  verschon,  die 
meist  ganz  gut  g-ezeichnet,  alicr  nichl  naluralislisch  dargcsiclll.  sondern  stilisiert 
sind.     Einzelnen    dieser  IMlan/.cnalibildungiMi    sind    hie    und    da    noi-li    lliriirliche 


Mitteilungen  aus  deui  gerniiin.  Naiiouulinuseuni.   1S9>{. 


XIII. 


—    98    — 

S/cnen  bcig-cg-eben,  die  sich  auf  die  Wirkung-cn  der  betreffenden  Pflanze  beziehen, 
und  auch  sonst  finden  sich  manchmal  noch  ganz  interessante  Darstellungen,  die 
man  in  diesen  Werken  nicht  vermutet.  Wir  verweisen  nur  auf  den  Rötelhändler 
auf  S.  32  des  I.  Bandes  dieser  Mitteilungen,  der  dem  148(5  von  Hans  Schün- 
sperger  zu  Augsburg  gedruckten  Hortus  sanitatis  entnommen  ist. 

Umstehend  geben  wir  den  Entwurf  eines  gotischen  Brunnens,  welcher 
der  niederdeutschen,  1492  von  Stefan  Arndt  zu  Lübeck  gedruckten  Ausgabe 
desselben  Werkes  entnommen  ist,  in  Originalgröfse  wieder,  da  er  in  diesem 
Buche  kaum  gesucht  werden,  als  brauchbares  Motiv  aber  doch  manchem  Künst- 
ler willkommen  sein  dürfte.  Der  hübsche  Brunnen  dient  als  Illustration  des 
Artikels  »Aqua  water«.  Die  sich  durchschneidenden  Wimperge  und  die  gebogenen 
Fialen  kennzeichnen  den  Brunnen  als  der  Spätgotik  angehörend;  die  Konsolen 
mit  den  Baldachinen  sind  für  anzubringende  Figuren  freigelassen.  Wenn  die 
Spitze  nocih  etwas  hiHier  und  schlanker  wäre,  würde  die  Erscheinung  des  Brun- 
nens wesentlich  gewinnen. 

Wenn  schon  die  Ornamentstiche  des  IS.  Jahrhunderts  zu  den  Seltenheiten 
gehören,  so  ist  dies  mit  den  Ornamentholzschnitten  dieser  Zeit  noch  in  höherem 
Mafse  der  Fall,  soweit  es  sich  nicht  um  Bücherornamentik  handelt;  als  eine  kleine 
Bereicherung  der  Kenntnis  der  Ornamentholzschnitte  des  15.  Jahrhunderts  möge 
daher  diese  Mitteilung  angesehen  werden. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


Die  Chemie  des  Markgrafen  Friedrich  I.  von  Brjindenhnrg. 

^^^^^  m  vorigen  Jahre  gelangte  in  den  Besitz  des  germanischen  Museums  eine 


bislang  unbekannte,  deutsch  geschriebene  Pergaraenthandschrift^)  von 
S09  Folioseiten  Umfang,  welche  die  ersten  genauen  Nachrichten  darüber 
enthält,  wie  in  Nürnberg  Alchemie  und  die  mit  dieser  zusammenhängende  Chemie 
gelehrt  und  getrieben  wurde.  Das  Werk  ist  nach  den  unter  den  einzelnen  Ka- 
piteln sich  findenden ,  genauen  Datierungen  in  den  Jahren  1414  bis  1418  ge- 
schrieben. Der  ungenannte  Verfasser  widmete  dasselbe  dem  Burggrafen  Fried- 
rich VI.,  welcher  seit  1398  auf  der  Burg  zu  Nürnberg  residierte.  Bekannt- 
lich erwarb  dieser  Ahne  unseres  Kaisers  im  Jahre  1415  das  Kurfürstentum 
Brandenburg  und  legte  hiedurch  den  Grund  zur  Machtentwickelung  der  Hohen- 
zollcrn.  Aus  der  Widmung  (Fig.  1)  ist  zu  vermuten,  dafs  sich  dieser  B'ürst, 
nunmehr  Markgraf  Friedrich  I.  von  Brandenburg,  selbst  mit  Alchemie  be- 
schäftigt bat.  Bestimmt  wissen  wir  dies  jedenfalls  von  seinem  ältesten  Sohne 
Johann.  Als  Feind  eines  unruhigen ,  kriegerischen  Lebens  und  wegen 
seiner  Vorliebe  für  die  Wissenschaften  verzichtete  dieser  zu  gunsten  seines 
jüngeren  Bruders  Friedrich  auf  die  Nachfolge  in  der  Regierung  des  Kur- 
fürstentumes  Brandenburg.  Er  erhielt  daher  bei  der  Erbteilung  im  Jahre 
1437  das  friedlichere  Markgrafentum  Baireuth -Kulmbach.  Sein  Vater  schlofs 
aufserdem  in  diesem  Jahre  noch  einen  Vertrag  mit  dem  damals  regierenden 
Herzog  Johann  L  von  Sagan,  in  dem  sich  letzterer  gegen  entsprechende  öegen- 


1)  Bibliothek  d.  gerin.  Museums  Nw.  1459  m. 


—     99     — 


leistung;en  verpflichtete, 
dein  g'enannteu  ältesten 
Sohne  des  Kurfürsten 
bhinen  der  nächsten  drei 
Jahre  die  Kunst  der  Al- 
chemie  zu  lehren^).  Wie 
weit  dieser  Lehrmeister 
in  der  Lage  war,  sein 
Versprechen  zu  halten, 
berichtet  die  Geschichte 
nicht.  Bekannt  ist  in- 
dessen, dafs  Johann,  d^r 
Sohn  des  Kurfürsten  von 
Brandenburg,  sich  sowol 
in  der  Nürnberg  nahe 
gelegenen  HohenzoUern- 
Residenz  Cadolzburg,  so- 
wie auch  später  auf  der 
alten  Bergfestung  Plas- 
seuburg  bei  Kulnibach 
viel  mit  alchemistischen 
Arbeiten  beschäftigt  hat. 
In  der  Geschichte  führt 
er  darnach  den  Namen 
Johann  der  Alchemist.  Es 
ist  nicht  unwahrschein- 
lich, dafs  er  dieses,  sei- 
nem Vater  gewidmete  al- 
chemistische  Werk  bei 
seinen  Arbeiten  benützt  hat.  Eine  grofse  Auswahl  von  alchemistischen  Lehr- 
büchern deutscher  Sprache  gab  es  damals  ja  überhaupt  noch  nicht.  Jedenfalls 
ist  dieser  alchemist ischc  l^n-gamentkodex  der  Hohenzollern  wenn  nicht  gar  das 
älteste,  so  doch  bestimmt  eines  der  ältesten,  grölseren  alchemislisi-hcn  Werke 
deutscher  Sprache,  das  auf  unsere  Zeit  gekommen  ist.  Auch  der  jüngste  Sohn 
des  Burggrafen  Friedrich  VI.,  der  nachherige  Markgraf  Albrecht  Achilles,  hatte 
alcheniistische  Anwandlungen,  in  der  Urfede  des  Ritters  Heinrich  von  Krcy- 
berg  zu  Waule^)  vom  Jahre  1447  verpflichtete  letzterer  sich  ilem  Albrecht 
Achilles  »sein  gnaden  die  kunst  der  alchamei  ufT  mein  aigen  ko^^len  und  scha- 
den und  sein  nutz  arbeiten,  da  er  alle  Jai-  forderlich  davoon  hundert  lausend 
gülden  soll  haben.« 

Nach  diesen  alten  Überlieferungen  blieb  auch  das  HohenzoUerngeschlecht 
Jahrhunderte  lang  seiner  Vorliebe  für  Alchemie  getreu.  So  beschäftigte  in  der 
Mitte  des  1(5.  -lahrhunderts  der  Kurfürst  Joachim  II.  mui  Hrandonbuig  in  Berlin 
eine  ganze  Anzahl    von  Alchemisten.     In   gleicher  Weise   soll    dem  Nachfolger, 


W^^^  uroTjiiif  ^ba^cH 

[bcm  piiuibc  (Oottfs.]  ^ 


Fig.  1 


2)  A.  F.  Riedel    i.  il.  iMürlciscIien   Forscliungcn,   herausgegeben   v.  ci.    \ .    (   Gesch.  d. 
Mark  Brandeiiljurg.     IJerliii  1850.  Bd.  IV,  S.  1B8. 

3)  Heruiaiui  Kopp,  die  Alchemie  ältercu'  und   nein-rcr  Zeit   I.  S. 


UM. 


—    1(10     — 

dem  k'iirrürslcn  Johann  Georg-,  der  nnirktsohreierische  Thnrneisser  ebenso,  wie 
ein  Jahrhundert  später  der  berühmte  Kunkel  dem  GroCsen  Kurfürsten,  anfänglich 
wesentlich  als  Alchemist  gedient  halben.  Auf  der  Plassenliurg  beschäftigte  der 
Markgraf  Christian  Ernst  von  Hrandeuburg-Baireulli  in  den  Jahren  1681 — 1686 
den  Alchemisten  Krohnemann  mit  Goldmacherei  und  liefs  ihn  schliefslich ,  weil 
er  kein  Gold  lieferte,  am  Galgen  mit  dem  Strange  hinrichten.  Ähnlich  ergieng 
es  dem  sogenannten  Grafen  Cajetan,  welcher  in  Gegenwart  des  Königs  Friedrich  I. 
von  Preufsen  im  Jahre  170ö  angeblich  ein  Pfund  Quecksilber  in  Gold  verwan- 
delte, alsdann  aber,  weil  er  sein  Versprechen,  binnen  sechs  Wochen  weiter  für 
sechs  Millionen  Thaler  Gold  zu  liefern,  nicht  hielt,  im  Jahre  1709  zu  Küstrin 
gehängt  wurde. 

Das  Interesse  für  Alchemie,  das  den  thronfolgenden  Sohn  des  ersten  Königs 
von  Preufsen  beseelte,  brachte  erst  vor  wenigen  Jahren  in  dem  bekannten  Ge- 
mälde: »König  Friedrich  Wilhelm  I.  bei  alchemistischen  Arbeiten  im  Laboratorium 
seiner  Schlofsapothcke  zu  Berlin,«  die  Künstlerhand  des  Berliner  Malers  A.  Bork- 
mann zur  Darstellung.  Auch  der  am  F]nde  des  vorigen  Jahrhunderts  lebende 
Friedrich  Wilhelm  11.  war,  wie  genugsam  bekannt,  ein  Freund  der  hermetischen 
Künste. 

Die  hier  zu  besprechende  Handschrift  wird  von  deren  Verfasser  »das  Buch 
der  heyligen  Dryvaldikeit«  genannt;  er  stützt  sich  in  derselben  auf  die  Lehren 
eines  anderen  unbekannten  Alchemisten.  Er  sagt:  »Diz  buch  ist  kein  neuer 
glaube,  es  ist  ein  gröfser  erkeutnusse  gotes  und  seiner  gebenedicteu  muter. 
Von  raynes  meisters  wegen  vor  mir  gefraget  ist,  do  habe  ich  gesprochen,  also 
mir  von  minem  raeister  zu  vernemen  worden  ist ,  da(S  mein  meister  diz  buch 
der  heiligen  drivaltikeit  us  keinem  buch  niht  hat;  es  ist  niendart  usgestudiret 
und  aus  keinem  buch  hat  er  es  nicht  gelernt  und  auch  aus  keinem  buch  hat 
er  es  nit  geschrieben,  wenn  got  vater  sain  heiliger  geist,  der  hat  es  im  inge- 
geben*).« Der  Inhalt  des  Buches  läuft  im  letzten  Ende  darauf  hinaus,  die  Be- 
reitung des  Steines  der  Weisen  zu  lehren.  »Wer  diz  buch  gotez  wol  vernymet, 
und  der  hy  den  roht  nachwürket,  dem  gibt  diz  buchs  lere  reichen  sold,  beide 
Silber  und  daz  alleredelst  golt  rot^).«  Nach  Angabe  des  Verfassers  vermochte 
der  Stein  der  Weisen  nicht  nur  alle  anderen  Metalle  in  Gold  zu  verwandeln, 
sondern  es  heifst  von  demselben  auch:  »Wer  dez  steinez  pulver  isset,  der  wirf 
von  allen  suchten  gesund.  Dis  golt  ist  so  lauterliche  gestalt,  hier  machet  ein 
harnesch  von,  daz  ziehet  au,  kein  waffen  mag  euch  hindern.  Wer  diesen  stein 
treget  über  im ,  kein  schade  mag  im  zukumen.«  ^)  Für  die  Geschichte  der 
Chemie  ist  diese  Pergamenthaudschrift  von  besonderem  Interesse,  da  in  derselben 
eine  ganze  Reihe  Vorschriften  '/u  chemischen  Präparaten  enthalten  sind,  welche 
einen  Einblick  in  den  damaligen  Stand  des  chemischen  Wissens  geben.  Ver- 
vollständigt ist  der  Text  durch  eine  Anzahl  Miniaturbilder,  welche  bestimmt  sind 
das  grofse  alchemistische  Rätsel  zu  erläutern  und  zu  erklären.  Wenn  die  meisten 
dieser  Bilder  durch  ihre  traumhaft  phantastische  Weise  auch  wol  nur  mehr  zur 
Verwirrung,  als  zur  Belehrung  des  Lesers  beitragen,  so  finden  sich  zwischen 
denselben  doch  auch  eine  ganze  Menge  von  realistischen  Abbildungen  chemischer 
Gerätschaften   und  Öfen.    Obgleich   sich  dieselben  von  denjenigen,    welche  sich 

4)  Seite  1  der  Handschr.  5)  Seite  2. 

6)  Seite  41. 


—    101     — 

in  deu  frühesten,  gedruckten  clicniischen  Inkunabeln  linilen,  nicht  sehr  wesent- 
lich unterscheiden,  so  sind  sie  doch  nahezu  lOU  Jahre  älter  und  daher  von 
kulturhistorischem  Interesse. 

Die  einzelnen  Kapitel  der  Handschrilt  hat  der  ung-enannte  Verfasser  immer 
g;euau  datiert  und  /war  meistens  ohne  Ang-abe  des  Ortes.  Nur  bei  den  Teilen 
der  Handschrift,  welche  aus  dem  Jahre  1417  herrühren^  ist  einigte  Male  als  sol- 
cher Gonstanz  genannt.  So  heifst  es  auf  Seite  159:  »In  die  solis  sancti  anthonii 
in  hora  saturni  tinita  est  in  unser  lieben  trauen  kirchen  zu  Gonstanz  des  an- 
dern sontag'S  nach  der  heiligen  drei  küngentag.     Anno  domini  1417.« 

Ua  bei  den  meisten  Zeitangaben  der  Verfasser  seinen  Aufenthaltsort  fehlen 
liels,  so  ist  wol  anzunehmen,  dafs  das  einige  Male  genannte  Konstanz  dem  Ver- 
fasser besonders  bemerkenswert  erschien  ,  weil  diese  Stadt  eben  nicht  sein  ge- 
wöhnlicher Wohnsitz  war.  Wahrscheinlich  befand  sich  der  Verfasser  mit  im 
Hofstaate  seines  Gönners,  des  Burggrafen  Friedrich  VI.  von  Nürnberg,  welcher 
im  Winter  1417  in  Gonstanz  lebte  und  dort  am  18.  April  1417  von  Kaiser  Sieg- 
mund feierlichst  mit  dem  Kurfürstentum  Brandenburg  belehnt  wurde.  Die  Mund- 
art der  Handschrift  deutet  entschieden  nach  Franken  hin.  Obgleich  der  Ver- 
fasser des  Buches  öfter  von  demselben  sagt:  »ich  schreib  es  auss  dem  munde 
gotes«,  so  lag  doch  die  Möglichkeit  vor,  dafs  die  ganze  Handschrift  eine  Über- 
setzung eines  altern  Alchemisteu  sei.  Zwischen  den  Werken  von  Albertus  Mag- 
nus, Roger  Baco,  Arnoldus  Villanovanus,  Raymund  Lull  und  den  beiden  Isaac 
Hollandicus  habe  ich  indessen  kein  Ähnliches  gefunden.  Die  Werke  arabi- 
scher Schriltsteller  kommen  nicht  in  Frage,  da  dies  Ghemiebuch  der  Hohen- 
zollern  ganz  mit  Gleichnissen  und  Bildern  des  christlichen  Glaubens  ilurchsetzt 
ist.  Wahrscheinlich  war  indessen  der  religiöse  Ton,  welcher  sich  durch  die 
ganze  Handschrift  zieht,  nicht  nur  ein  Ausilufs  der  Frömmigkeit  des  Schreibers. 
Nachdem  Papst  Johann  XXII.  im  Jahre  1817  eine  strenge  Bulle  gegen  das  Trei- 
ben der  Alchemisten  erlassen  hatte,  war  es  für  die  persönliche  Sicherheit  des 
Verfassers  ratsam,  tlie  Lehren  der  Alchemie  in  ein  Gewand  zu  kleiilen ,  welches 
dieselben  als  mit  dem  Dogmen  der  christlichen  Kirche' im  Einklänge  bellndlich 
erscheinen  lieCs.  Wie  schon  die  Lebensgeschichten  von  Roger  Baco,  Arnoldus 
Villanovanus  u.A.  zeigen,  kamen  die  Alchemisten  im  Mittelalter  oft  in  ilen  lÄf, 
mit  dem  Teufel  im  Bunde  zu  stehen.  Sie  wurden  daher  vielfach  auch  von  der 
Inquisition  als  Zauberer  verfolgt.  Die  verworrene  unklare  Bezeichnungsweise 
und  der  frömmelnde,  bilderreiche  Styl,  welcher  es  sehr  erschwert,  den  Schrill- 
steiler  zu  verstehen,  erinnert  an  die  Schreibweise  des  Alchemislrn  Lull.  Wie 
bei  diesem  wird  das  Verständnis  und  der  dadurch  beilingte  Erfolg  der  alclie- 
mislischeu  Ari>eit  von  der  Gottesfurcht  und  LaulerkeiL  des  Lebens  abhängig  ge- 
macht: «Wollen  wir  der  sünde  nihi  abegan,  so  können  wir  diz  verborgen  buch 
gutes  niht  vtustin,  und  alle  gutes  verljorgen  lere  dy  beleibet  um  ntisor  siiiule 
willen  \(»ii  uns  allen  verre.«  Von  der  Alchemie  sei  kurz  erwähnt,  dafs  der  Ver- 
fasser ziiin  l'xnveise  der  Miigliclikeit  der  Melallverwandlung  sich  wiedeiholl  auf 
die  von  der  Philosophie  des  mitlelalterliclien  Scholastizismus  plump  und  falsch 
aufgefafsteu  Lehren  der  Substanz  des  Aristoteles  bei'ult.  Sicht  lieh  nimmt  er 
wie  Aristoteles  an,  dafs  bei  allen  ningcn  und  NNcsm  die  als  etwas  Selbstän- 
diges gedachte  Form  das  Wesentlidir  ausmacht,  währi'ud  der  mit  dieser  ver- 
bundene Stotr  bei   allen  Substan/fu  der  gleiche  ist.     Die  Lehre  von  iler  Einheit 


—    102     — 

aller  Materie,  welche  sich  bei  der  heutigen  Annahme  verschiedener,  unzerleg- 
barer, chemischer  ürundsLolTe  nur  vereinzelt,  als  schüchterne  V'ermutuug  her- 
vorragt, war  bei  den  alten  Feuerphilosophen  ja  ein  ganz  unbestrittener  Glaubens- 
satz. Die  untereinander  so  sehr  ähnlichen  Metalle  sollten  nach  diesem  daher  alle 
das  gleiche  Substrat  enthalten.  Um  sie  ineinander  überzuführen,  brauchten  also 
nur  ihre  scheinbar  sehr  wenig  verschiedenen  Formen  und  Eigenschalten  um 
ein  Geringes  geändert  zu  werden.  Die  geringeren  Metalle  mulsten  eben  nur  von 
ihrem  Schmutze  und  ihrer  »Aussätzigkeit«  befreit  weiden  um  sie  in  Edelmetalle 
zu  verwandeln.  Unter  den  hiezu  angewendeten  Reinigungsmethoden,  spielt  der 
Amalgamations-  und  Destillationsprozefs  die  gröfste  Rolle.  Als  Ausgangspunkt 
zur  Darstellung  des  Steines  der  Weisen  dienten  fast  ausschlief'slich  nur  die  Me- 
talle selbst  oder  die  Vitriole ,  von  denen  der  blaue  Vitriol ,  Galitzenstein  und 
Vitriol  um  roiuanum,  der  Eisenvitriol,  genannt  sind. 

Wie  es  bei  jedem  Hirngespinnste  zu  erwarten  ist,  ist  auch  der  Stein  der 
Weisen,  welcher  die  Wesenhaftigkeit  des  Goldes  in  so  hohem  Grade  in  sich  ver- 
einigen sollte,  dafs  er  dieselbe  auf  grofse  Mengen  aller  anderen  Metalle  über- 
tragen konnte,  nur  unklar  beschrieben.  Der  Name  für  denselben  ist,  wie  bei  allen 
alchemistischen  Schriftstellern,  sehr  wechselnd.  Unter  anderem  wird  der  Stein 
der  AVeisen,  auf  dessen  Auferstehung  aus  den  in  dem  Buche  gelehrten  chemischen 
Präparaten  und  «Medicinen«  man  hoffte ,  wie  auf  die  Auferstehung  des  Kaisers 
Rotbart  aus  dem  Kyffhäuser,  wiederholt  der  rechte  Kaiser  Friedrich  genannt. 

Der  für  uns  wichtigste  Teil  des  Buches,  die  chemischen  Rezepte  oder  »Me- 
dicinen«, sind  in  demselben  verhältnismäfsig  dünn  gesät.  Die  Verschiedenheit 
der  Darstellungsmethoden  vieler  Salze  und  Säuren  von  den  modernen  Berei- 
tungsarten dieser,  wird  hauptsächlich  durch  das  Fehlen  der  zu  letzteren  meist 
geforderten  Mengen  von  Mineralsäuren  bedingt.  Der  Verfasser  erwähnt  zwar 
schon  das  Vitriolöl  und  schreibt  »die  terra  vitrioli  die  allzu  treu  gebrannt  sein 
ir  craft  al  aus  über  sich  destilliret«.  Eine  klar  verständliche  Beschreibung  zur 
Darstellung  des  Vitriolöles  habe  ich  indessen  nicht  gefunden.  Im  allgemeinen 
erzielte  man  die  Wirkung  der  Schwefelsäure  durch  Zusatz  und  Glühen  von 
Alaun  oder  Vitriol  indirekt.  Die  im  Nachfolgenden  beschriebene  Bereitung  des 
Afua  fortis,  der  Salpetersäure,  zu"  der  der  Verfasser  verschiedene  Vorschriften 
gibt,  macht  dies  ersichtlich.  So  heifst  es  auf  Seite  170:  »Zu  aqua  fortis  nemet 
ij  phunt  Salpeters  und  ij  phunt  alaun,  diß  stoßet  al  dein  under  ein  wol  ver- 
mengende, so  tut  es  in  ein  Cucurbiten  unter  einen  alembik  daruf  hart  gedeihet, 
so  distillirt  sanfticlichen  all  daz  wasser  darvon  in  das  receptaculum,  daz  darfür 
leit.  Ez  sol  sein  oben  kleibet  hart  zu,  daß  des  wassers  wint  der  starken  craft 
von  dem  wasser  nit  tlügen  mag.  Wen  das  wasser  distilliret  ist  al,  so  sult  ir 
€rst  das  für  sterker  und  sterker  vermereu ,  bis  all  die  starken  winde  ....  in 
das  wasser  zumal  blausende,  daz  chein  windescraft  darhinder  bleibe.  Also  stark 
sult  ir  in  lest,  das  für  treiben,  daß  us  dem  boden  durch  den  alembick  alle  die 
winde  in  das  wasser  fliegen  uf,  daz  ir  diß  wasser  in  dem  receptaculo  dester 
sterker  erkrigent.« 

»Wolt  ir  ein  sterker  aqua  fortis  so  nemet  ij  phunt  aluns  und  ij  phunt 
vitriolum  romanum  und  ij  phunt  Salpeters  auch  dise  drey  stoß  dein,  reybet 
sie  under  ein,  hie  distillirt  stark  wasser,  von  gleicher  weise.« 

Um  die  Salpetersäure  in  kürzerer  Zeit  destillieren  zu  können ,   wird  dann 


103 


noch  weiter  geraten,  den  dazu  zu  verwendenden  Alaun  vorher  durch  Glühen  zu 
entwässern  und  zum  Ersätze  des  dann  fehlenden  Kristall wassers  eine  \Yasser 
enthaltende  Vorlag-e  zu  benutzen.  Eine  Abbildung-  des  zur  Salpetersäureberei- 
tung- zu  verwendenden  Alendjik-Destilliergerätes,  welches  auf  einem  Kapellen- 
ofen im  Aschenbade  steht,  ist  der  V^orschrift  beig-efüg-t  und  in  Fig.  2  wieder- 
g-eg'eben.  Dem  Verfasser  war  nicht  nur  die  Benützung-  des  Aqua  fortis  zur 
Trennung-  von  Silber  und  Gold  bekannt,  sondern  er  wufste  auch,  dafs  eine  Ver- 
unreinigung des  Scheidewassers  mit  dem  ihm  natürlich  unbekannten  Chlor,  das- 
selbe zur  Goldscheidung  untauglich  macht.  Er  empiiehlt  daher  das  Aqua  fortis 
zu  diesem  Zwecke  nach  folgender  Methode  zu  reinigen:  »Wollet  ir  das  wasser 
clarificiren,  so  thut  J  lot  dünne  geslagen  silber  in  ein  glas  oder  in  einen  steyneu 
Schüssel,  daryn  sol  das  aqua  fortis  gewermet  warm  das  wasser  niit  dem  silber 
so  gysset  also  zusammene  in  eyn  phunt  der  vorge^chryben  aquarum  fortium 
in  das  receptaculum  warm  dissolviret.  Das  in  dem  bodeme  weiss  also  calk  das 
silber  liet.  so  gisset  das  wasser  dar  oben  von  dem  silberkalke  in  ein  recepta- 
culum.« ') 


Fig2. 

Man  erhielt  also  auf  diese  Weise  eine  salzsäurcfroic,  uIkt  dal'iir  silber- 
liallige  Salpetersäure.  IIitiiühiii  Kopp  tiilnl  in  seiner  Geschicble  Arv  (lliomio 
diese  Keinigungsart  als  eine  von  Agricola  in  seiner  Schrift  "de  re  inclallicii« 
angegebene  an.  Diese  Methode  war  also  in  Deutschland,  wie  num  aus  dem 
Mit.geteilten  sieht,  schon  100  Jahre  vor  dem  scliriftstellcriscluMi  Wirken  Agricolas 
bekannt. 

Um  mit  der  clilorlVei  gemaelilen  Salpeleisäure  (iold  und  Silber  zu  sclieiilen, 
giebt  die  Hamlschril't  folgende  Vorschrift:    »Also  j  pliiinl  aquas  fortcs  selzel  in 

7)  Seite  147. 


—    104     — 

(las  recoptaculum  ui'  den  ofen  in  die  wanne  usclie,  da  habet  yngevvorfen 
j  pluint  düne  g-eslagen  silber,  das  lasset  alzu  sanfte  syden  bis  das  silb(!r 
alles  '/AI  Wasser  wirt  und  das  golt  darus  feilet,  also  brun  pulver,  es  leyl  in 
dem  bodeme;  so  gisset  das  silberwasser  oben  von  dem  golde  i)ulvei'.  Das  golt- 
pulver  smelzet  zusammene  und  das  silber,  das  wasser  worden  ist,  denne  laß 
das  düne  wasser  alles  abe  rauchen  und  smelzet  auch  zusamene.  Also  scheydet 
ir  Silber  und  golt.«') 

Auf  Seite  172  wird  dann  nicht  nur  angeführt,  dal's  man  die  AuHösung 
des  Silbers  in  Salpetersäure  durch  Abdampfen  und  nachheriges  Erkaltenlassen 
als  festen  Körper  gewinnen  kann,  sondern  auch,  dafs  sich  das  Silber  aus  seiner 
Lösung  durch  einen  Kochsalzzusatz  ausscheidet:  »diß  salzes  oder  olei  traufent 
zu  dem  silberwasser  in  also  vil ,  daz  ir  sehent,  daß  es  das  silber  mit  ihm  in 
dem  wasser  zu  gründe  al.  zieh«.  »Das  silber,  daz  da  leit  in  dem  boden  also 
pulver«  sollte  dann  zu  Metall  eingeschmolzen  werden.  In  der  Geschichte  der 
Chemie  von  Kopp  findet  man  erwähnt,  erst  Libavius  habe  in  seiner  Alchemie 
von  1595  eine  deutliche  Beschreibung  von  dem  Chlorsilberniederschlage,  welchen 
Kochsalz  mit  Silberlösungen  hervorbringt,  gegeben. 

Nicht  nur  die  Einwirkung  der  Salpetersäure  auf  Silber,  sondern  auch  auf 
andere  Metalle  hat  der  Verfasser  sichtlich  schon  genau  beobachtet.  So  heisst 
es  z.B.  auf  Seite  146  von  Zinn,  Eisen  und  Kupfer  »werfet  ein  stucke  nach  dem 
andern  in  aquis  fortibus  bis  es  alles  zu  deinem,  pulver  zu  beyss  es.  Zyn  weiß 
pulver  wirt,  ysen  rot  pulvert  wirt,  cupper  grün  pulver  wirt.  Alle  diese  pulver- 
asche ,  die  treuget  sanftlichen  al  ir  wasserkeit  us,  daz  si  der  starken  windes- 
craft  der  aquarum  fortium  in  yn  alle  behalden  und  j  yglich  uf  ym  selber  in 
seiner  varben  bleybe.«  Dafs  diese  salpetersauren  Salze  beim  Erhitzen  die 
Salpetersäure  wieder  abgeben,  ist  dem  Schreiber  der  Handschrift  nicht  unbekannt, 
denn  er  läfst  »diese  drei  us  drei  Cucurbiten  gedistilliret  zumale  sänflichen  die 
elementa  vorbände  mit  al  ires  windeskrefte  in  ire  receptacula.«  Das  in  den 
Destilliergeräten  Zurückbleibende  bei  den  Destillleruugen  wird  bei  allen  Metallen 
gleichmäfsig  als  Leichnam  bezeichnet.  Späterhin  übertrug  man  diese  Bezeich- 
nung »Caput  mortuum«  bekanntlich  einzig  und  allein  auf  das  Eisenoxyd,  welches 
der  Eisenvitriol  bei  der  Abdestillierung  der  Schwefelsäure  als  Rückstand  zurück- 
läfst.  Die  Kenntnis,  dafs  das  Zinn  bei  der  Behandlung  mit  Salpetersäure  nur 
oxydiert  und  sich  nicht  mit  der  Säure  verbindet,  kann  man  in  den  Zeiten  der 
Entstehung  dieser  Handschrift  natürlich  noch  nicht  erwarten. 

Zur  Bereitung  von  Königswasser  findet  sich  in  dem  Buche  der  Dreifaltigkeit 
die  alte,  schon  von  Geber  angegebene  Vorschrift  aus  Salpetersäure  und  Salmiak: 
»Wollet  ir  auch  golt  solviren  und  in  wasser  verwandeln,  als  ir  das  silber 
vorthetet,  so  stosset  dein  sal  armoniacum  und  thut  das  iiij  unzen  oder  mer 
in  die  vorgeschrieben  clarificirten  aquas  fortes  das  j  phunt  es.  Wenn  das 
sal  armoniacum  in  diesen  aquis  fortibus  al  in  ein  wasser  gesolviret  ist,  so  machet 

ir  hir  ynne  golt  zu  wasser,  gleich  also  ir  hir  vor  das  silber  machtet  zu  wasser 

silber  solviret  ir  nicht  yne,  es  bleibt  ganz,  als  ir  es  hir  yn  leget.« 

Genaue  Angaben  finden  sich  in  dem  Buche  der  Dreifaltigkeit  bereits  zur 
Darstellung  des  destillierten  Zinnchloridöles,  als  dessen  Entdecker  bislang 
allgemein  der  vorhin  genannte,  im  Jahre  1616  verstorbene  Libavius  galt  und 
nach  welchem  es  den  Namen  Spiritus  salis  fninans  Libavii  führt.    Die  Vorschrift 


—    103     — 


begiuut  aul'  Seite  129  der  Hautlschrill:  «Siuelzel  ij  ü,  ziiies  uiul  g-ils  dareiu 
j  tt>  quecksilbers  und  setzet  es  zu  hant  von  dem  i'eur,  dal's  das  quecksilber  nicht 
verrauche.  Und  mit  einem  steckel  alzeit  riireude  bis  dafs  es  zu  pulver  wirt, 
tuet  es  denne  in  ein  weit  vass  und  gisset  darauf  warm  wasser  einer  hant 
breyt  ....  und  waschet  dis  zio  quecksilberpulver  zwischen  den  henden.« 
Es  folgen  dann  noch  weitläufige  Angaben  zur  Reinigung  des  Zinnamalgames 
und  weiter  eine  Vorschrift  zur  Darstellung  von  Quecksilbersublimat,  auf  die  ich 
gleich  noch  weiter  eingehen  werde.  Von  dem  trocknen  gereinigten  Zinnamalgam 
und  dem  (Juecksilbersublimat  heilst  es  dann  (S.  130):  »diese  zwei  reybet  wol  in  ein 
al  geleich,  und  tuet  wider  in  eyne  erden  schüssel  uf  ein  sanftes'feur,  durchrüren 
gleich  saufte  ....    denne   leget   es   auf  einem    mermelstein   oder   uf  ein    breit 


Fig.  3. 


Fig.  4. 


venedisch  glas  ....  yn  ein  tyfen  kalden  feuchten  koler  ....  dal's  das  oleum  sore 
flyfse  US  diesem   rohen    quecksilber    und   zynne   in   eym   breit    sobrugisrh   oder 

waldwerger  krause^) so    gyss   al    dis    oleum    in  ein    Cucurbiten    undei 

eynem  alembick  darauf  geclybet  und  dislilliret  al  die  clementa  mit  allen  iren 
windescreften  ....  in  ein  receptaculum  ....  dislilliret  sie  siben  malen  und  in 
allen  den  vij  distillacien  distilliret  nicht,  also  heyl's.  Zu  dem  viij  male  luet  sie 
wieder  in  die  Cucurbiten  vndcr  den  alembik  und  distilliret  us  dein  wasserbade 
das  dünne  unnütze  fremde  wasser  vor  alle  abe  von  dem  rechten  dicken  feisten 
oleo  elcmento.a  »Das  dünne  unnütze  fremde  wasser«,  das  im  Wasserbade 
abdestillierl  werden  sollte,  ist  jedenfalls  Salzsäure,  und  das  zurückblt'ibenile 
dicke  (eiste  i)\  Zinnchlorid.  Jetzt  stellt  man  letzteres  bekanntlich  in  ähnlicher 
Weise  dadurch  her,  dal's  man  Zinnamalgam  und  (Juecksilberchloriil  bei  gelimler 


8)  Krause,  Kniso,  ri.  i.  i-in  Kni^.  «'in  Trinkgcscliirr. 
Mitteilungen  uns  dem  gernian.  Nalionalniiiseiini.     ISJKt. 


\IV. 


—     lOß 


Wärme  iibtlestillieiL  Die  geg-ebene  Vorschiill  /ur  Bereitung-  des  Queck.silber- 
clilorides  gleiuhl  der  von  Albertus  Magnus  bereits  angewandten.  Nacb  derselljen 
wurde  eine  Verreibung  von  Ouecksilber,  riunischem  V^itriol  utid  Kochsalz 
subliniiert.  Um  ein  für  Alchemie  brauchbares  Sublimat  7ai  erzielen,  sollte 
dasselbe   wiederholt   mit  neuen    Mengen    Kisenvilriol    und    Kochsal/,    und    zwar 


:Sı32 


N 


Fi!?.  6. 


Fig.  5. 


Fig.  7. 


Fig.  a 


Fig.  10. 


siebenmal  in  aufwärts  steigender  und  ebenso  oft  in  abwärts  fallender  Richtung 
verllüchtigt  werden.  Auf  Seite  137  der  Handschrift  findet  sich  ein  eigenartiger 
Windofen  abgebildet  (Fig.  3),  mit  dem  nach  AVunsch  entweder  ein  Descensorium 
oder  ein  Sublimatorium  erhitzt  werden  kann.  »Denne  keret  also  unimen  den 
wintofen,  dafs  das  loch  des  vasses  nyderwert,  dafs  das  also  stecket  in  dem 
receptaculo  also  veste  mit  leyme  an  den  hals  beslossen  zu  ...  .  und  das  recep- 


107 


taculum  stende  iu  einem  vvasservafs  ....  also  sullet  ir  hier  von  oben  ayderwert 
allen  diesen  uiereurius  ....  al  in  das  leceptaculum  treyben.«  Aufser  dem 
gewöhnlichen  Windolen  (Fig.  Ji)  linden  sich  noch  verschiedene  andere  Olen- 
arten  abgebildet.  Auf  Seite  174  der  Handschrift  ist  die  Zeichnung  eines 
Kapellenherdes  gegeben  (Fig.  4),  auf  dem  sieh  drei  einlache  Kolben  im  Aschen- 
bade belinden.  Der  Benützung  desReverberierofens  zum  Glühen  und  Abtreiben  des- 
Quecksilbers aus  den  verschiedenen  Metallamalgamen  wird  oft  in  der  Handschrift 
Erwähnung  gethan.  Aufser  den  gewöhnlichen  Cucurbiten  oder  Kolben,  welche 
mit  Wachs  verklebt  oder  zugeschmolzen  vielfach  als  Digestionsgefäfs  dienen, 
finden  sich  als  solche  Abbildungen  von  Pelikan-Zirkuliergefäfsen,  und  zwar 
sowol  mit  einer,  als  auch  solcher  mit  zwei  Rückllufsröhren  (Fig.  6  und  7). 
Um  gelegentlich  der  Digestion  auch  Abdampfungen  und  Trennungen  leicht 
verdampfender  Flüssigkeiten  von  schwer-  oder  nichttlüchtigen  Körperu  im 
geschlossenen  Räume  vornehmen  zu  können,  benutzte  man  eigenartige  Digestions- 
kolben, deren  Hals  durch  den  Boden  eines  zweiten  oben  verschlossenen  Glas- 
gefäfses  einmündete  und  eingeschmolzen  war  (Fig.  8). 


Fig.  y. 

Die  aus  dciii  im  Mislbadc  stclirmlcn  Kolben  sich  vei-nih^hligendcn  l)iimpf(> 
verdichteten  und  sammelten  sich  in  dem  oberen  dunii  einen  Ilelmaufsalz 
verschlossenen  Teih;  dieses  Digest ionsgefäl'ses.  Digestionen  zu  denen  eine 
niedere  Temperatur  erforderlich  war,  wurden  in  warnnMu  i'ferdeiiiisle  vorge- 
nonunen.  Von  dem  Tempeiaturgrade  in  diesem  wird  gesagt:  »lasset  daz  in  dem 
mist  nicht    mcr   heisser  werden,    dcnne   eine   henne   yre  eyer  untier   ir  brütet.« 


—      lOH      — 

In  iloiii  Buche  ilei"  1,))  ciralli^IvL'it  linden  sich  auch  MiuiaLurljüder  von  i)ig'esli()ns- 
ül'en.  Anf  Seite  175  der  Handschrift  ist  ein  solcher  im  Durchschnitt  gezeichnet 
(Fig.  9).  Man  sieht,  dafs  in  demselben  drei  zu  erwärmende  Kolben  eingesetzt 
sind,  und  dafs  der  Ofen  alsdann  mit  einem  abhebbaren,  rosenhutartigcn  Thon- 
deckel  verschlossen  ist.  Die  Figur  10  zeigt  einen  gleichen  geschlossenen  Di- 
•gcstionsofen ,  welcher  nur  einen  Seiteneinschuitt  zum  Einblicke  des  Beschauers 
hat.  Es  wird  erwähnt,  dafs  tue  Erwärmung  des  Ofens  durch  eine  Öllampe  oder 
mit  gelindem  Feuer  geschehen  soll. 

Das  Mitgeteilte  dürfte  genügend  zeigen,  dafs  sich  in  dieser  für  den  Hohcn- 
zoUern  bestimmlen  Handschrift  nach  verschiedenen  Richtungen  hin  Manches 
tindot,  was  für  die  Geschichte  der  Chemie  von  Wichtigkeit  ist.  Die  einzelnen, 
ewigen  chemischen  Wahrheiten  aus  den  theosophisch-alchemistischen  Unwahr- 
heiten und  Hirngespinnsten  alle  herauszusuchen,  erfordert  allerdings  noch  Avei- 
teres  sorgfältiges  Studium.  Erschwert  wird  letzteres  besonders  durch  die  ver- 
worrene, bilderreiche  Schreibweise  der  Handschrift,  Aul'ser  mit  Theosophie  und 
Alcheniie  ist  diese  mittelalterliche  Chemie  nämlich  noch  mit  viel  Astrologie 
und  Philosophie  der  Scholastik  aus  der  Zeit  der  Herrschaft  der  aristotelischen 
Begrilfe  von  Stolf  und  Form  verquickt. 

Nürnberg.  H  e  r  m  a  n  n  P  e  t  e  r  s. 


Villi  Beitrag  zur  Büclieraiisstattiiiig. 

ekanntlich  waren  die  ältesten  gedruckten  Bücher  nicht  mit  Titelblättern 
versehen;  sie  entwickelten  sich  vielmehr  erst  nach  und  nach.  Was 
die  Titelblätter  heute  bieten:  die  Inhaltsangabe  des  Werkes,  den  Namen 
des  Verfassers  und  V^erlegers,  Ort  und  Zeit  des  Erscheinens,  mufs  man  sich  bei 
den  Erstlingserzeugnissen  der  Buchdruckerpresse  erst  zusammensuchen.  Die 
ganze  Einrichtung  und  Ausstattung  der  frühesten  Drucke  waren  den  Hand- 
schriften der  Zeit  nachgebildet,  denen  Titelblätter  ja  auch  nicht  eigen  waren. 
Man  findet  dementsprechend  die  Titelangabe  der  ältesten  Inkunabeln  entweder  an 
der  Spitze  des  Textes,  mit  denselben  Typen  gedruckt  und  von  ihm  meist  nur 
durch  den  Beginn  einer  neuen  Zeile  getrennt,  aber  auch  diese  Unterscheidung 
fehlt  manchmal,  oder  auch  am  Schlüsse  des  Buches,  oder,  was  sehr  häufig  vor- 
kommt, am  Anfang  und  Ende  zugleich.  Manchem  Buche  ging  das  Register 
voran  und  es  kommt  vor,  dafs  dann  hier  nur  so  nebenbei  der  Titel  des  Buches 
erwähnt,  sonst  aber  desselben  weder  vorn  noch  am  Schlüsse  gedacht  wird, 
wie  z.  B.  in  der  deutschen  Ausgabe  der  Goldenen  Bulle  i),  die  ohne  Ort, 
Drucker  und  Jahr  erschien  (Panzer  I,  S.  31,  51)  und  in  welcher  der  Titel  nur 
in  den  einleitenden  Worten  des  Registers:  «Das  Register  der  guldiu  Bullin« 
erwähnt  wird. 

Die  voranstehenden  Register  umfafsten  manchmal  mehrere  Seiten  oder 
Blätter,  nicht  selten  genügte  aber  auch  der  Bruchteil  einer  Seite,  der  dann 
öfters  von  dem  eigentlichen  Texte  losgelöst,  auf  ein  besonderes  Blatt  vor  Be- 
ginn  desselben   gedruckt   wurde,    aber   nicht    auf  die    Vorderseite   des   ersten 


1)  Die  in  dies(Mii  Arlikel  erwähnten  Inkunaljeln  finden  sich  sänillich  in  der  Bibliothek 
des  german.  Museuuis. 


—     109     — 

Blattes,  die  leer  blieb,  sondern  auf  die  Rückseile  desselben,  der  ersten  Seite 
des  zweiten  Blatles  gegenüber,  auf  welcher  der  eigentliche  Text  beginnt.  Man 
hat  es  also  hier  schon  mit  einem,  dem  eigentlichen  Werke  vorangehenden,  nur 
teilweise  bedruckten  Blatte  zu  thuii,  das  allerdings  nur  rückwärts,  nicht  vorn 
wie  die  Titelblätter,  bedruckt  war. 

Und  in  der  gleichen  Weise,  auf  die  zweite  Seite  des  ersten  Blattes,  ge- 
druckt, findet  man  auch  die  ersten  Vorläufer  des  Titelblattes.  In  dem  angeb- 
lich ältesten  Basler  Drucke  von  Berthold  Rodt:  repertorium  vocabulorum  von 
Gonradus  de  .Mure  (ca.  1468)  geht  dem  Texte  ein  Blatt  voran,  das  ähnlich 
wie  die  Registerblätter  auf  der  Vorderseite  leer  ist,  auf  der  Rückseite  aber 
eine  ausführliche  Mitteilung  über  den  Inhalt  des  Buches  und  dessen  Verfasser 
enthält  und  den  Drucker,  sowie  dessen  Wohnort  nennt: 

»Reptorium  vocabulorum  equisitorum  oratorie  poe(5  et  historia  |  rum  cum 
fideli  narracoe  earum  rerum  que  ambiguitatem  ex  hu  j  iusmodi  vocabulis  accipiut 
per  quod  lere  omnes  oculte  et  diffi  1  cultates  et  subtilitates  in  studijs  humani- 
tatis  facile  Juxta  al  |  phabeti  ordinem  iuuenietur.  Editum  a  doctissimo  Irärum 
ama  !  tore  Magistro  conrado  I  turicensis  ecclesie  cantore  Et  completus  an  |  no 
domini  m  "  cclxxiij.  Jn  vigilia  assumpcionis  beate  marie  virgi  |  nis  Indictione 
prima  Incipit  feliciter.  | 

Vnde  liber  venerit  prefeus  si  forte  requiras 
Quid  ve  noui  referat  perlege  quod  sequilur 
Bertoldus  nitide  hunc  impresserat  in  basilea 
Vtque  adeat  doctos  protinus  ille  iubet 
nie  quid  abstrusum  si  diua  poeniata  seruant 
Exponit .  lector  ingeniöse  scies 
Quid  lacium  teucri  dignum  quid  grecia  gessil 
Preterea  magnus  »jue  videt  occeanus    . 
Si  libet  interdum  raris  gaudere  libellis 
Disperiam  si  non  hie  liber  vnus  erit.« 
Würde  vorstehetider  Text  an  statt  auf  der   zweiten   auf  der  ersten    Seite 
stehen,  so  wäre  das  Titelblatt  fertig  gewesen,   wenn  ihm  auch  noch  die  später 
übliche  Einteilung  fehlen  würde,  welche  den  Titel  des  Buches  und  den  Namen 
des  Autors  besonders  hervorhebt. 

Solchen  einzelnen  Vorläufern  des  Titelblattes  folgen  später  andere,  die 
unseren  heutigen  Titelblättern  viel  näher  kommen.  Ein  besonders  interessantes 
Beispiel  dieser  Art  llndct  sich  in  einem  Calendarium  des  Hegiomontan.  das  147() 
in  Venedig  in  lateinischer  Sprache,  zwei  Jahre  später  ebendaselbst  in  deutscher 
Spi-ache  erschien.  Auf  der  ersten  Seite  des  ersten  Blattes  —  wir  hallen  uns 
an  die  deutsche  Ausgabe  —  sieht  zwischt'u  zwei  Vasen,  aus  denen  sich  hübsch 
stilisierte  Blätter  und  Blüten  regelmärsig  entwickeln,  zu  den  Seilen,  einer  Leiste 
oben  und  zwei  Vignetten  unten.  Folgendes: 

»DAs  bi'ichlin  behende,  du  billig  lernen  solt  |  Vnd  es  achte  für  edelgeslain, 
Silber,  vnd  goll  |  Kalendaiin^  gehaissen  zu  latein  |  Lcrrl  dich  der  sonne  hoch 
vnd  müdes  schein  |  Czwelif  zeichen,  vnd  beider  liechle  ünslernus  |  Czaigt  dir  utT 
vil  jare  mit  kurtzer  gedechlnus  |  fiiddin  zal,  mittelzeit  tzwischen  fasnacht,  beide 
ciclon  I  Sonlagbuchslab.  oslern,  vnd  ptingsten  .^chon  !  Dar  zu  erkennen  briicli 
vnd  neweu    man  |  Artznei  pllegen  vnd  gute  zeit  zu  uderluu  |  Verkiimici    aticli 


—     HO     — 

tag-es  vnd  iiachles  long-  durchs  jar  |  Daizii  der  svtiiieii  aiift  viul  iiiderg'ang- offen- 
bar I  Quadranten  vnd  stunde  luaolien  höffelich  1  Allenthalben  zebrauchen  gewiss 
vnd  maisterlich  |  Das  hat  gemacht  maister  Hans   von  Königsperg  genant  |   In 


teutschen  vnd  welschen  landen  wol  erkant  |  Gzu  Venedig  gedrückt  mit  hübscher 
vernuft  vnd  fünden  1  Als  die  nach  gemelten  maister  wol  künden  |  1478. 

Bern  hart  mal  er  1 

Erhart  ratdolt    /   ^'^"  ^ug-sinn-g.« 


-    —   111   — 

Hier  fintlet  man  also  schon  alles  vereinigt,  was  man  von  einem  Titelblatte 
verlangen  kann,  ja  es  zeigt  sogar  schon,  seiner  Zeit  weit  voraus  eilend,  künst- 
lerischen Schmuck.    Dieses  Titelblatt  war  aber  eben  auch  nur  eine  Ausnahme  und 


dadurch  vcninlafst,  dals  die  Tabellen  des  Kah^nders  immer  iii>er  zwei  Seiten 
gehen,  also  schon  uiil'  drr  /weiten  Seite  des  Buches  beginnen,  so  dals  ilcr  Uiich- 
drucker  gezwungen  war,  wollle  er  di'ii  Tilel  de  nichl  am  Schlüsse  geben,  ihn 
iiiiC  die  erste  Seite  des  ersten  Hiallcs  /u  sci/.cii. 


—    112    — 

Mail  (Itirrniclil  cLwii  g'laubcn,  ihifs  sich  nun  eine  conLinuierliche  Reihe  von 
TilelbläKern  vorfolgen  liUst.  Das  TitelbhiU  entwickelte  sich  viehnehr  erst  aus 
dem  wol  in  den  achtziger  Jahren  des  15.  Jahrhunderts  zur  Einführung  kommen- 
den Gebrauch,  auf  die  erste  Seite  des  Buches  meist  nur  auf  einer  Zeile  in 
groCserer  als  zum  Texte  verwendeter  Schrift  den  Titel  des  Buches  kurz  anzu- 
geben. Diese  ältesten  Titelblätter  sind  ohne  künstlerischen  Schmuck;  der  Druck- 
ort, der  Drucker  und  die  Jahreszahl  erscheinen,  wie  vorher,  erst  am  Schlüsse 
des  Buches.  Derselbe  Buchdrucker,  Erhard  Ratdolt,  der  durch  die  eigentüm- 
liche Anlage  des  Kalenders  schon  1476,  allerdings  aus  rein  praktischen  Grün- 
den, veranlal'st  wurde,  ein  richtiges  Titelblatt  zu  drucken,  setzte  im  Jahre  1493 
auf  das  Titelblatt  lediglich  „gas  bud)  btr  Uljciircdjt",  ohne  irgend  welche  weitere 
Angaben  und  ohne  irgend  welche  Verzierungen. 

Das  Exemplar  dieses  Werkes,  welches  das  germanische  Museum  besitzt, 
ist  aber  noch  ganz  besonders  beachtenswert,  da  es  noch  den  sogenannten 
Schmutzumschlag  hat,  der  heute  keinem  Werke  vor  dem  Einbinden  fehlt, 
der  sich  aus  dem  lö.  Jahrhundert  aber  nur  sehr  selten  erhalten  hat,  von  dem 
Verfasser  wenigstens  noch  in  keiner  zweiten  Inkunabel  gefunden  wurde.  Der 
Schmutzumschlag  ist  durch  zwei  breite  Rahmen  geschmückt,  die  auf  schwarzem 
Gruude  weifses  Ranken-  und  Blattwerk  in  symmetrischer  Anordnung,  wie  aus- 
gespart erscheinend,  enthalten  und  von  dem  Buchdrucker  sicher  von  Venedig 
nach  Deutschland  —  das  Buch  ist  in  Augsburg  gedruckt  —  mitgebracht  wor- 
den sind.  In  dem  rechteckigen  Felde  des  vorderen  Blattes  ist  nun  ein  ganz 
ausführlicher  Titel  eingedruckt:  „Kömifd)tt 'jätUn  bf  |  ffütt  glaubljnftig  Ifd)  |  enrfd)tbutf) 
jcfnmpt  I  anbrrrn  xtd)\t\\  Ijicr-  |  jnne  begriffen  burd)  |  (Obfrtu  jtfom  gcfrijt  |  alle  gfifllitt)  •  ""^  '*'*'  I 
tlidj:  prrfonnbe  fo  Ic-  |  Ijcn  je  leiljeu  ober  feu  |  entpfaljen  Ijaben  m-  \  treffeiibc.  |  |l)cfus-  Paria»  | 
•  fit  .  ccrc  •  Irrrrliij."  |  Das  reich  verzierte  Umschlageblatt  mit  der  ausführlichen 
Inhaltsangabe  und  der  Jahrzahl  bildet  einen  grofseu  Gegensatz  zu  dem  schmuck- 
losen Titelblatt  mit  der  einen  Zeile  Text!  Es  kann  aber  doch  auch  als  ein 
Vorläufer  der  verzierten  Titelblätter  betrachtet  werden. 

Bei  dem  hinteren  Blatte  ist  das  mittlere  Rechteck  ebenfalls  durch  Orna- 
ment ausgefüllt,  in  dessen  Mitte  ein  Wappenschild  ausgespart  erscheint,  in 
welches  der  Besitzer  des  Buches  sein  Wappen  einzeichnen  konnte  und  in  dem 
vorliegenden  Exemplare  auch  eingezeichnet  hat.  Der  Schild  ist  quer  geteilt,  das 
obere  Feld  nochmals  senkrecht  weifs  und  rot,  das  untere  ist  blau.  Da 
unser  Schmutzumschlag  durch  das  Alter  braun  geworden,  auch  an  einigen  Stellen 
beschädigt  ist,  konnte  die  zinkographische  Reproduktion  nicht  direkt  nach  dem 
fh'iginale  erfolgen,  sondern  dieses  mufste  gepaust,  die  Pause  ergänzt  und  nach 
ihr  ein  Zinkcliche  hergestellt  werden.  Es  ist  deshalb  auch  die  Schrift  auf  dem 
vorderen  Blatte  weggelassen  worden,  da  sie  durch  das  Pausen  doch  viel  von 
ihrer  Regelmäfsigkeit  verloren  hätte.  Da  in  der  Schlufsschrift  des  Buches  1493 
als  Druckjahr  genannt  wird,  auf  dem  Umschlag  aber  1494  steht,  so  ist  derselbe 
erst  nachträglich  angefertigt  worden,  vielleicht  um  durch  das  hübsche  Äufsere 
die  Käufer  zu  bestechen. 

Ob  Schmutzumschläge  im  l.S.  Jahrhundert  allgemein  üblich,  oder  ob  sie 
nur  Ausnahmen  waren,  wissen  wir  nicht;  jedenfalls  sind  sie  so  selten,  dafs  die 
Wiedergabe  des  besprochenen  —  in  ^/ö  der  Originalgrüfse  —  am  Platze  ist. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


113 


Ein  ScUreibpult  des  17.  Jalirliuiiderts  im  gcrinaiiisiiicii  Hiiseum. 

uf  den  Gemälden,  Holzschnitten  und  Stichen  des  13.  und  16.  JahrhuDderts. 
dann  aber  auch  noch  des  17.  und  18.,  sieht  man  auf  Darstellungen  von 
Evang-elisten ,  Heiligen  und  Gelehrten  diese  oft  vor  Pulten  sitzen,  die  sieh 
kastenartig-  vom  Fufsboden  aus  aufbauen,  in  deren  unteren  Fächern  man  Bücher 
und  Papiere,  Schachteln  und  Leuchter  sieht,  während  hinter  Riemen  oder 
Schnüren  an  der  Seite  Briefe,  die  Scheere,  Federn  und  Anderes  stecken.  Ein 
hübsches  Beispiel  dieser  Art  sieht  man  auf  dem  Dürerschen  Holzschnitte  des 
hl.  Hieronymus. 


Kij:.  1. 

Neben  diesen  Möbeln,  die  keinen  besonderen  Untersulz  haben,  scniderii  mit 
dem  Unterbau  ein  org-aiiisches  Ganze  bilden,  I»(MiimiI  aber  noch  riiic  andere  .\i't 
von  Piillni  \(ii-.  die,  kleineren  Uinlanges.  eines  rnlerhaues  üJuM'haupt  entbehren 
und  deshalb  auf  einem  ijelieliigen  Tische  auf  einen  IMalz  gfestellt  wurden,  den 
man  des  Lichtes  lialher  oder  aus  einem  anderen  (iiiiiide  als  besonders  gt'eig'nel 
zum  Lesen  odei'  Si-hreiben  l'aud,  und  die  nach  der  Arbeil  W(d  in  irirend' ein»« 
Ecke  wanderten,  um  den  Tisch  fCir  andere  Zwecke  frei  zu  haben,  hiese  INille 
scheinen  meist  sehr  schmal  gewesen  zu  sein,  so  dafs  Derjenig^e,  welcher  sich 
derselben   zum   Schreiben    bediente,  eine   recht    unbei|iirine  Stellung;  einnehmen. 


Mitteilungen  aus  dem  geriauu.  NutiouuliiuiscMiiii.     ls*j;t. 


XV. 


—     114     — 

den  rechten  Arm  gsiiVA  an  den  Körper  anziehen  und  sich  wol  der  Steilschrift 
bedienen  mul'ste.  Die  Platten  der  Tische,  auf  welchen  solche  tragbare  Pulte 
stehen,  sind  meistens  vielfach  gröfser  als  die  Basis  jener. 

Ursprünglich  bestanden  diese  Pulte  wol  nur  aus  zwei  Seitenteilen,  aui 
welchen  schräg-  die  Pultplatte  aufg-eleg-t  war.  Einen  solchen  sieht  man  z.  B, 
auf  dem  Kupferstiche  des  hl.  Hieronymus  im  Gehäuse  von  Albrecht  Dürer;  die 
Seitenteile    desselben    sind    unten    eselsrückenfürmig'    ausg;eschnilten;    weiterer 


Fig.  2. 


Schmuck  fehlt  dem  Pulte.  Bei  dem  Erasmus  von  Rotterdam  desselben  Künstlers 
bleibt  es  zweifelhaft,  ob  wir  es  dort  ebenfalls  mit  einem  offenen  Pulte  oder  mit 
einem  kastenartigen  zu  thun  haben.  Dafs  es  aber  letztere,  bei  welchen  der 
untere  Teil  zu  einem  geschlossenen  Kasten  umgewandelt  wurde,  dessen  Deckel 
das  in  Scharnieren  sich  bewegende  Auflagebrett  bildete,  ebenfalls  frühzeitig  gab, 
lehren  ältere  Holzschnitte  und  Kupferstiche.  Wir  erblicken  in  der  Ausbildung 
des  Pultes  zu  einem  verschliefsbaren  Kasten  einen  ganz  wesentlichen  Fortschritt, 
da  man  in  dem  letzteren  das  Schreibgeräte  und  Skripturen  aufbewahren  konnte; 


—     115    — 

nur  konnte  man  das  Geräte  dann  nicht  mehr,  wie  bei  dem  ursprünglichen  Pulte, 
auch  auf  der  schmalen  Seite,  um  Platz  zu  sparen,  in  eine  Ecke  stellen.  Unter 
Fig.  l  geben  wir  aus  der  im  Jahre  1499  in  Venedig  bei  Aldus  Manutius  er- 
schienenen Ausgabe  des  Poliphilus  ein  Beispiel  eines  solchen  geschlossenen 
tragbaren  Schreibpultes  wieder,  das  jedes  Schmuckes  entbehrt^).  Besonders 
bemerkenswert  erscheint  dieses  Pult,  weil  es  oben  noch  ein  wagerechtes  Brett 
hat,  auf  welches  man  den  Tintenbehälter  bequem  aufstellen  und  benutzen  konnte. 


Icf-K     VociM'      dcirt  ^erühtnie.  J\.v»riß  r 
V)ef>t   ladt    xiu.  •^y^fhrert  iß  ymh ßnß  ,^ 
J<et'n    Kvaut    nachyi(/u^l-z.{dtejcl'hs    ycr-cftrhlj 
Zthutt    dal   htbin  <iäji    nkhf  ßirht . 


Figr.  3. 


Dieses  wagrechte  Brett,  das  auch  auf  den  angeführten  Dürerschen  Stichen 
fehlt,  mangelt  auch  dem  Pulle  auf  Fig.  2,  der  Reproduktion  eines  dem  Hans 
Burgkmair  zugeschriebenen  Holzschnittes  aus  dem  Banketlbuch  des  kaiserlic-hen 
Leibarztes  Luys  de  Avila,  das  1530  bei  Steiner  in  Augsburg  erschienen  ist.  Kr 
stellt  einen  Arzt,  vielleicht  den  Leibarzt  selbst,  in  seinem    Studienzimmer  vor. 


1)  Wir  verdanken  die.se  Abliildunjj,  sowio  die  Itcidt-n  to]j,'end('n  der   (.liito   des    llorrn 
Dr.  Georg  Hirlh  in  München,  in  dessen  Kuilurgesctiiclilliclieui  Bildcrbuclio  sie  publiziert  sind. 


—     \Ui     — 

Das  Pult  ist  hier  vorn  mit  oiuoiu  weiten  Ausschnitt  in  Form  eines  runden 
Bogens,  dem  Stile  der  inzwischen  zur  Herrschaft  gelang-ten  Renaissance  ent- 
sprechend, verziert.  Bemerkenswert  ist  das  danehen  stehende  Doppelpult,  das 
auf  einem  Fufse  befestig-i  ist  und  ein  praktisches  Möbel  g'ewesen  sein  dürfte, 
zumal  das  Pult,  auf  dein   Kiil'se  wol  g-edreht  werden  konnte. 


nc  Jtrbi:^  Ma'tll*C? 


Fig.  4. 


Nicht  allein  die  Gelehrten,  Ärzte  und  Beamten  benützten  die  kleinen  von 
uns  beschriebenan  Pulte,  sondern  auch  in  den  Schreibstuben  der  Kautleute 
waren  sie  heimische  Möbel ;  ein  Blick  auf  Jost  Ammans  grofse  Alleg'orie  des 
Handels  lehrt  dessen  vielseitig-e  Verwendung"  in  denselben. 

Ein  Beispiel  des  Gebrauches  der  besprochenen  Pulte  im  17.  Jahrhundert 
gibt  Fig.  3,  die  Reproduktion  einer  Radierung  des  Conrad  Meyer  (1G37)  aus 
dessen  Todtentanz,  den  Arzt  darstellend,  ein  Beispiel  aus  dem  18.  Jahrhundert 


—     117     - 

führt  F\g.  4  vor  Augen,  der  in  halber  Gröfse  wiedergebene  Kupferstich  aus 
dem  Verlag  von  Jeremias  Wolfs  Erben  in  Augsburg:  »der  Abschied  nehmende 
Famulus  eines  Weltweifsen«.  Beide  Möbel  sind  verschliefsbare  Kästen,  während 
aber  dem  älteren  das  horizontale  Brett  fehlt,  weist  es  der  jüngere  auf  und  ist 
das  Schreibzeug  in  einem  runden  Ausschnitte  desselben  eingelassen.  Recht 
deutlieh  zeigt  die  Decke,  welche  auf  dem  Tische  von  Fig.  4  zwischen  ihm  und 
dem  Schreibpuli  liegt,  dafs  dies  zwei  selbstständige  Möbel  für  sich  sind. 

Die  kleinen  tragbaren  Pulte,  die  früher  so  allgemein  waren  und  nament- 
lich auch  Ott  bei  Beschäftigungen  verwendet  wurden ,  die  wir  heute  auf  der 
wagrechteu  Tischplatte  direkt  abmachen,  sind  heute  wol  so  ziemlich  aufser 
Übung  gekommen  und  auch  solche  aus  früheren  Jahrhunderten  dürften  nicht 
häufig  sein.  Vor  einigen  Wochen  fand  der  Unterzeichnete  bei  einem  Ellwanger 
Antiquitätenhändler  ein  solches  Pult,  das  er  für  einige  j\rark  für  das  ger- 
manische Museum  erwerben  konnte.     In  Fig.  5  ist  die  vordere  und  die  Seiteu- 


Fis. 


ansieht  dieses  Möbels  in  ca.  ^jio  der  Originalgrölse  wiedergegeben.  Der  Haupt- 
schmuck  desselben  findet  siiii  auf  der  vorderen  niederen  Langseite;  er  besteht 
aus  zwei  runden  Bögen  zwischen  geschuppten  Pilastern.  Während  auf  den  in 
Fig.  1 — 4  vorgeführten  Pul  ton  die  vordere  Seite  nur  eine  minimale  Höhe  hat. 
ist  sie  bei  unserem  Original«  viel  beträchtlicher,  was  wol  duii-h  die  geringe 
Höhe  des  Tisches  oder  durch  die  hohe  Gestalt  des  Besitzers  bedingt  wurde.  Die 
hohe  Langseite  ist  gänzlich  uiiverziert,  die  Seitenwände  durch  aufgesetzte  profi- 
lierte Leisten  belebt.  Fine  horizontah'  IMatle  hat  das  Pull  nicht,  das  Schreibgeräte 
iiiui'^lf  ;ilso  neben  ihm  auf  den  Tisch  gestellt  werden.  Im  Ininnii  tinden  sich  oben 
an  der  hohen  Längswand  zwei  Fächer,  darunter  zwei  Schubladen,  die  aber  nicht 
direkt  auf  dem  Boden  aufstolsen,  sondern  unter  denen  sich  noch  ein  durch  die 
ganze  Länge  des  Kastens  laufendes  Fach  belindet.  Wie  den  meisten  Kästchen. 
Schränken  und  Schränkchen  di^s  Ki.  und  17. . Jahrhunderts  fehlt  auch  unsen-m  l'ult 
das  fieheimfarh  iiieht:  die  rechte  Seitenwand  läfst  sich,  wenn  der  Deckel  olTeii 
steht,  herausziehen  und  nuiii  liiidet  dann  unten,  da  das  Kästchen  dop|telten  Boden 
hat.  ciiii'  durch  das  ganze  Mrdicl  gehende  ziemlich  Hache  Schublade.  Das  aus 
weichem  Holz  gefertigte  Pult,  das  Reste  eines  wol  kaum  ursprünglichen  Anstriches 
mit  grüner  Ölfarbe  zeigt,  dürfte  dem  Beginne  des  17.  'lahrhunderts  angehören. 


Nürnberg. 


Hans   Bosch. 


—     118     — 


Schloss  Röseiibriiiin. 

n  den  Reibereien  des  Mark<i;rafen  Friedricli  von  Ansbach  rail,  der  Reichs- 
stadt Nürnberg  zu  Anfang-  des  16.  Jahrhunderts  wurden  iui  Oktober  des 
Jalu'es  löUl  einige  Nürnbergische  Streiireiter  von  dem  Ritter  Jobst  von 
LUchau  teils  erschossen,  teils  gefangen  nach  Neustadt  a.  d.  Aisch  geführt,  für 
welche  Tat  die  Nürnberger  vom  Markgrafen  vergebens  Genugthuung  forderten. 
Die  Reichsstadt  suchte  sich  deshalb  solche  selbst  zu  verschaffen  und  be- 
auftragte Ulman  Stromer,  sich  des  Schlosses  Bösenbrunn  —  auch  Brunn,  nörd- 
lich von  Emskirchen  —  zu  bemächtigen,  das  dem  Jobst  von  Lüchau  zugehörte. 
Über  den  Zug  gegen  Bösenbrunn  wird  in  den  Stadtchroniken^)  Folgendes  er- 
zählt: Ulman  Stromer,  der  Hauptmann  des  Zuges,  zog  mit  1100  Mann  zu  Fufs 
und  100  Reitern  am  '.).  Jan.  (»zwu  stund  in  die  nacht«  heifst  es  auch  in  dem 
Briefe  vom  11.  Jan.)  zu  Nürnberg  aus,  während  eine  andere  städtische  Truppe 
(130  Mann)  von  Lonerstadt  her  schon  um  Mitternacht  vor  dem  Schlots  >^Bosen- 
prunn«,  um  dasselbe  einzuschliefsen,  anlangen  sollte,  was  auch  geschah.  Stromer, 
der  »ungeverlich  zwu  oder  droy  stund  vor  tags«  dort  einzutreffen  beabsichtigte, 


Fi-    1. 

erreichte  wegen  des  schweren  Greschützes  sein  Ziel  erst  »ungeverlich  annder- 
halben  stund  auff  den  tag.«  Es  entspann  sich,  besonders  als  die  auf  Bedingung 
(Sicherung  Leibes  und  Lebens)  angebotene  Übergabe  von  den  Nürnbergern 
zurückgewiesen  worden  war,  ein  lebhafter  Greschützkampf.  Stromer  aber,  als 
er  sah,  »das  die  stainpuchs,  noch  vil  mynnder  die  schlangen  an  dem  gemewer 
des  schlofs,  dann  es  ser  fest  und  wolgespeist  ist  gewest,  nichts  haben  gevvurkt«, 
er  auCserdem  vernahm,  dafs  die  Markgräflichen  »auff  den  bainen  wern  und  sich 
ser  sterckten«,  beschlols  den  Sturm.  Er  wurde  durch  das  Feuer  der  Nürn- 
bergischen Büchsen  eingeleitet,  von  300  Mann  ausgeführt  und,  obwol  sich  die 
25  im  Schlofs  »gar  ser  und  trostlich  haben  gewert«,  dasselbe  erobert,  geplündert 
und  ausgebrannt,  das  Dorf  jedoch  verschont.  Am  Morgen  des  Dienstags  waren 
die  Nürnberger,  soweit  sie  nicht  durch  das  Hereintreiben  des  Viehes  aufgehalten 
woi'den,  wieder  in  ihre  Stadt  zurückgekehrt.  —  An  Geschütz  hatte  Stromer  »ain 
quartan,  ain  steinpuchsen  und  ain  schlangen^  daizu  etlich  prot  nnd  wein  und 
bey  den  38  wegen«  mitgeführt. 


1)  Bd.  XI  (Nürnberg  V),  S.  680. 


—    119     — 

Diese  Einnahme  mufs  den  Nürnbergern  sehr  viele  Freude  gemacht  haben, 
denn  ein  Lokaldichter  namens  Hanns  Peck  sah  sich  veranlafst,  den  Kriegszug, 
sowie  einen  anderen  kurz  vorher  stattgefundenen,  in  einem  Liede  zu  verewigen, 
und  »das  Med,  das  er  gedieht  hat,  schenkt  er  eiiu  weisen  rate«  reimt  er  selbst 
in  diesem.  Er  liefs  es  aber  auch  als  Flugblatt  drucken,  das,  mit  einem  Holz- 
schnitte geschmückt,  in  die  Welt  hinausging  und  die  Kunde  von  den  Kriegs- 
thaten  der  Nürnberger  verbreitete.  Ein  Exemplar  desselben  hat  sich  in  den 
Sammlungen  des  Museums  erhalten;  neu  abgedruckt  ist  es  bei  Liliencron^). 
Wir  geben  unter  Fig.  1  ein  Faksimile  der  Hlustration  dieses  Flugblattes  wieder, 
aus  dem  zu  ersehen  ist,  in  welcher  Weise  sich  nach  der  Meinung  eines  gleich- 
zeitigen Nürnberger  Briefmalers  die  Einnahme  von  Böseubrunu  abgewickelt  hat. 

Dieses  Ereignis  hat  aber  auch  Veranlassung  zur  Anfertigung  noch  eines 
zweiten  xylographischeu  Erzeugnisses  gegeben,  und  dieses  ist  der  Grund,  warum 
wii'  uns  heute  mit  dies*er  Angelegenheit  beschäftigen.  Der  zweite  Holzschnitt 
(Fig.  2)  stellt  das  Schlofs  »posen  pruu«  vor  der  Zerstörung  dar  und  es  besteht 
wol  kein  Zweifel,  dafs,  im  Gegensatze  zu  der  obigen  Darstellung  der  Erstürmung, 
das  Schlofs  so,  wie  es  der  Holzschnitt  vor  Augen  führt,  inj  Grofsen  und  Ganzen 
auch  wirklich  bestanden  hat.  Aber  weniger,  weil  es  erstürmt  worden  ist.  geben 
wir  den  Holzschnitt  —  in  2/3  Gröfse  des  Originals  —  hier  wieder,  sondern  viel- 
melir  weil  derselbe  eine  sehr  lehrreiche  und  übersichtliche  Darstellung  eines  in 
der  Ebene  gelegenen,  adelichen  Sitzes  vom  Schlüsse  des  Mittelalters  giebt,  wie 
es  in  ähnlicher  Weise  deren  sehr  viele  gegeben  haben  mag. 

Dafs  diese  Burgen  nicht  sehr  behagliche  Wohnsitze  gewesen,  hat  schon 
Ulrich  von  Hütten  in  einem  Briefe  an  Willibald  Pirkheimer  vom  äö.  Oktober  1518 
klargelegt.  Er  schreibt:  »Ob  die  Burg  auf  einem  Berg  oder  in  einer  Ebene  liegt, 
immer  ist  sie  nicht  zur  Behaglichkeit,  sondern  zur  Befestigung  erbaut,  von 
Gräben  utid  Wiill  umgeben,  immer  eng.  mit  Vieh-  und  Pferdeställen  zusammen- 
gedrängt, da  sind  nahebei  dunkle  Kammern  mit  Kanonen,  mit  Pech  und 
Schwefel,  und  was  sonst  zur  Kriegsrüstung  gehört,  vollgefüllt.  Überall  riecht 
man  den  Gestank  des  Schiel'spulvers,  dann  die  Hunile  und  ihren  Unrath  —  auch 
ein  schöner  Dult  wie  ich  meine.  Es  kommen  und  gehen  Reiter  und  unter  ihnen 
Räuber,  Diebe  und  Wegelagerer,  denn  gewöhnlich  stehen  unsere  Häuser  offen, 
und  wir  wissen  nicht,  wer  ein  Jeder  ist  oder  kümmern  uns  nicht  zu  sehr  darum. 
Man  hört  das  Blöken  der  Schafe,  das  Brüllen  der  Ochsen,  das  Bellen  der  Hunde, 
das  Geschrei  der  Leute,  die  auf  dem  Felde  arbeiten,  der  Karreu  und  Wagen 
Knarren  und  Gerassel,  Ja  in  unserer  Heimath  auch  der  Wölfe  Geheul,  da  die 
Wälder  nahe  sind.«  3) 

Betrachten  wir  uns  die  Burg  näher,  so  sehen  wir.  dafs  auch  auf  sie  die 
Beschreibung  Huttens  angewendet  werden  kann.  Sic  ist  mit  doppelten  Mauern 
umgeben,  die  an  und  für  sich  allerdings  nicht  sehr  hoch,  aber  Je  durch 
einen  vorliegenden  Wassergraben  und  eingefügle  i-unde  Thürme  verstärkt  sind. 
Die  äufsere  Mauer  weist  deren  vier,  ilir  innere  deren  zwei  auf;  es  ist  auch  kaum 
anzunehmen,  diil's  noch  etwa  hinter  dem  Schlo.sse  sich  einer  befunden  hätte,  da 
zu  Jener  Zeit  die  Zeichner  von  •  »rt liehkeilen  bestrebt  waren,  alles  was  der   »Mt 

"2)   Diu  hi.slorisclien   Volkslieder  (In-  DciitscIiOM   vom    l.f.      IG.  .Iiilirii.   II.   Nr.  25.S 
3)  Alwin  Schultz,  Ucutschea  Leben  im  XIV.  u,  XV.  Jahrh.  S.  9. 


120 


Bemerkenswertes  bot.  dein  Beseher  vor  Aug-en  zu  lühren.  auch  wenn  es  der 
Künstler  von  dem  Standpunkte  aus,  von  welchem  er  die  Aufnahme  bewerk- 
stelligfte,  nicht  erblicken  konnte.  Jede  der  Mauern  weist  natürlich  auch  ein  Thor 
mit  darüber  betindlichem  Wehrg-ang-  und  eine  vor  ihm  lieg-ende  Zugbrücke  auf. 
Der  Uufsere  Thorbau  hatte  rechts  noch  ein  besonderes  kleines  Thürchen.  Die 
äufsere  Mauer  umg-ab  den  äufseren  Hof,  die  innere  den  inneren  Hof.  In  ersterem 
linden  sich  einig-e  an  die  Mauer  ang-elehnte  Gebäude,  die,  die  einzig-en  der  Burg, 
nach  der  instruktiven  Kolorierung:  des  Originalholzschnittes,  mit  Stroh  bedeckt, 
also  ohne  Zweifel  Ükonomiegebäude   waren.     Bei    einer    Belagerung-   allerdings 


m^ 


dürfte  das  Vieh  gleich  in  den  inneren  Hof  gellüchtet  worden  sein,  da  der  rote 
Hahn  sehr  rasch  auf  diese  an  der  äufseren  Mauer  anstofsenden  Strohdächer  von 
den  Belagerern  gesetzt  werden  konnte.  Der  Wassergraben  der  inneren  Mauer 
ist  auch  noch  mit  einem  Pallisadenkranze,  diesem  uralten  Befestigungsmittel, 
umgeben,  welcher  der  äufseren  fehlt. 

Der  innere  Hof  enthält  die  zwei  das  eigentliche  Schlots  bildenden  Gebäude, 
die  scheinbar  nicht  miteinander  zusammenhängen.  Die  Mauer  zieht  sich  enge 
um  dieselben;  die  Düfte,  die  sich  nach  Hütten  so  unangenehm  fühlbar  machten, 
dürften  im  Sommer  durch  die  Ausdünstungen  der  Wassergräben  noch  unan- 
genehmer gewesen  sein.  Die  unteren  Geschofse  der  Schlofsgebäude  sind  aus 
Sandstein    massiv    gebaut,    der  in   der   dortigen    Gegend    überall    in    trefflicher 


—     121     —  ■ 

Qualität  gebrochen  wird.  Sie  zeigen  nur  Schiefsscharten  und  keine  Fenster; 
sie  bargen  die  finsteren  Kammern,  die  nach  Hütten  mit  Munition  und  Kriegs- 
material, und  sicher  auch  mit  Proviant  für  Menschen  und  Vieh  gefüllt  waren 
und  in  denen  auch  die  Knechte  gewohnt  haben  dürften.  Für  die  Herrschaft 
blieb  nur  das  obere  in  Fachwerk  erbaute  und  mit  Fenstern  versehene  Stockwerk 
als  Wohnung  übrig.  Diese  Häuser,  die  Thorbaue,  die  Thürme  und  Mauern 
waren  mit  Ziegeln  gedeckt. 

Bei  der  Einnahme  der  Burg  mufsten  also  um  nur  vor  die  inneren  Gebäude 
zu  kommen,  zwei  Wassergräben  überschritten,  eine  Pallisade  und  zwei  Mauern 
überstiegen  werden,  dann  galt  es  erst  noch  in  die  festen  Häuser  einzudringen. 

Von  Interesse  ist  es,  dafs,  nach  den  alten  Aufzeichnungen,  die  Geschütze 
gegen  die  festen  Mauern  des  Schlosses  nichts  vermochten,  dafs  es  daher  mit 
Sturm  genommen  wurde,  wobei  die  25  Mann  Besatzung  der  grofsen  Zahl  der 
Belagernden  natürlich  nicht  lange  Widerstand  leisten  konnten.  Nach  den  Städte- 
chroniken a.  a.  0.  wurde  Ulman  Stromer  schon  am  11.  Januar  beauftragt,  »dy 
handlung  und  geschieht,  dy  zu  Brun  beschehen  ist,  ordenlich  in  ein  buch  auf- 
schreyben«  zu  lassen.  Es  wäre,  nachdem  eine  identische  Abbildung  des  Schlosses 
vorliegt,  nun  auch  wichtig,  diese  Niederschreibung  kennen  zu  lernen,  um  aus 
derselben  zu  ersehen,  wie  eigentlich  der  Sturm  ausgeführt  worden^  wie  die 
Einnahme  verlaufen  ist.  Aus  dem  linken  Thurme  der  inneren  Mauer  schlägt 
eine  Flamme  heraus.  Hat  der  Zeichner  damit  andeuten  wollen,  dafs  die  Burg 
überhaupt  in  Flammen  aufgegangen  ist?  oder  dafs  sie  dort  zuerst  in  Brand 
gesteckt  wurde?   Es  wird  sich  dies  schwer  feststellen  lassen. 

Nürnberg.  Haus  Busch. 


Zur  Geschichte  der  techuischeu  Verwendung  des  Papieres. 

u  dem  an  der  Spitze  dieses  Jahrgangs  unter  obiger  Überschrift  veröffent- 
lichten Artikel  sind   uns  von    Freunden  des   Museums  eine   Reihe   von 
Zuschriften    zugegangen,   die   sich  mit  den   dort,  besprochenen  Gegen- 
ständen beschäftigen. 

Über  die  Technik,  in  welcher  die  aufgelegten,  aus  Papier  ausgeschnittenen 
Verzierungen  der  hübschen  gotischen  Truhe  auf  Seite  4  u.  o  der  »Mitteilungen« 
ausgeführt  sind,  schreibt  uns  ein  eifriger  Freund  unserer  Anstalt:  »Die  beiden 
Abbildungen  habe  ich  sofort  in  der  wirklichen  Gröfse  gezeichnet  und  gefunden, 
dafs  die  Arbeit  gar  nicht  so  subtil  und  schwierig  ist.  Anbei  eine  kleine  Probe 
aus  einem  Stück  schmutzigen  Packpapiers  mit  meinem  Taschenmesser  angefertigt. 
Die  Technik  ist  folgentic:  Man  schneidet  zuerst  die  oberste  Lage  sehr 
korrekt  aus  und  klebt  sie  auf  das  volle  zweite  Blalt.  Da  macht  es  dann  keine 
besondere  Schwierigkeit,  mit  spitzem  Messer  die  Konturen  sauber  so  zu  um- 
fahren, dafs  die  zweite  Lage  als  etwas  breitere  Unterlage  erscheint.  Ebenso 
wird  es  mit  der  dritten  und  vierten  Lage  gemacht.  .Mau  arbeitet  so  von  oben 
nach  unten,  nicht  in  umgekehrler  Reihenfolge.  Durch  dieses  VorfahiiMi  wird 
als  Täuschung  erzielt,  als  ob  zwei  sclbstsländig  ausgeschnittene  BUitler  auf- 
einander geklebt  wären,  was  uniiberwindliclie  Schwierigkeiten  nuu'hen  würde. 
Das  Papierrelief  des  alten  Kästchens  ist  mit  weil'ser  Farbe  übermalt;  das  ist  eine 

Mitteilungen  aus  dem  gernian.  Nutiouulmuseura.     1893.  XVI. 


—     122     — 

Notvvendig-keit,  denn  man  kann  beim  Aufkleben  nicht  so  sauber  arbeiten,  dafs 
nicht  hiu  und  wieder  der  blanke  Leim  sichtbar  wird.« 

Das  freundlichst  mitg-esandte  Muster  ist  eine  treflliche  Bestätig-ung  der 
vorstehenden  Ausführungen. 

Von  einem  Antiquare  wurde  uns  auch  ein  rechteckiger  Rahmen  vorgelegt, 
der  dieselben  gotischen  Motive  in  derselben  Technik  zeigte.  In  ihr  sind  nament- 
lich auch  die  durchbrochenen  Verzierungen  der  Schallöcher  alter  Musikinstru- 
mente ausgeführt.  — 

Bezüglich  des  Wappens  der  auf  S.  10  abgebildeten  reliefierten  Papierschale 
sind  wir  von  geschätzter  Seite  darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  daCs  hier 
das  Wappen  der  Herzoge  von  Savoyen  vorliegt,  wie  es  von  diesen  am  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  geführt  wurde.  Das  abgeriebene  Herzschildchen  zeigte 
das  inzwischen  als  Wappen  des  Königreichs  Italien  adoptierte  silberne  Kreuz 
im  roten  Felde,  das  erste  und  vierte  Feld  die  vereinigten  Wappen  von  Nieder- 
sachsen (silbernes  Rofs  in  rotem  Felde),  Kursachsen  und  Engern  (drei  rote  so- 
genannte Schröderhörner  im  silbernen  Felde)  —  bekanntlich  leitet  das  Haus 
Savoyen  seinen  Ursprung  von  dem  Sachsenherzoge  Wittekind  ab  — ,  das  zweite 
und  dritte  Feld  aber  das  Wappen  des  Herzogtums  Ghablais  (schwarzer  Löwe 
in  mit  gleichfarbigen  Schindeln  bestreutem  Felde). 

Unsere  Zweifel  bezüglich  des  deutschen  Ursprunges  der  Platte  waren  also 
wol  begründet. 

Nürnberg.  Hans  Bosch. 


Ein  Rieter -Kobergersches  Alliancewappen. 

or  einigen  Jahren  hat  das  germanische  Museum  bei  einem  Nürnberger 
Antiquare  eine  Federzeichnung  erworben,  welche  die  Wappen  der  Nürn- 
berger Patrizierfamilie  Rieter  von  Kornburg  und  der  berühmten  Buch- 
drucker- und  Buchhändlerfamilie  Koberger  enthält,  gehalten  von  einer  Dame  in 
der  Tracht  der  Zeit  von  1535,  welche  Jahreszahl  auf  der  Zeichnung  steht.  Wir 
geben  das  flott  gezeichnete  Blättchen  auf  der  nächsten  Seite  in  */5  der  Original- 
gröfse  als  eine  hübsche  heraldische  Zeichnung,  als  ein  gutes  Vorbild  für  ein 
Alliancewappen  wieder.  Wer  von  den  Nürnberger  Künstlern  Jener  Zeit  der 
Urheber  derselben  gewesen,  läfst  sich  mit  Sicherheit  nicht  feststellen;  lediglich 
in  Vermutungen  uns  zu  ergehen,  haben  wir  keine  Veranlassung. 

Über  die  Persönlichkeiten,  deren  Wappen  hier  vorliegen,  erfahren  wir  aus' 
Hase^),  dafs  des  berühmten  Buchhändlers  und  Buchdruckers  Anton  Koberger 
Kinder  sich  mit  den  ersten  Familien  Nürnbergs  und  anderen  adeligen  Geschlech- 
tern verbanden.  Seine  Tochter  Katharina  hatte  Eustachius  Rieter  zum  Gemahl. 
Es  waltet  kein  Zweifel  ob,  dafs  unser  vorliegendes  Wappen  nur  diesem  Paare 
angehört  haben  kann.  Katharinas  Gemahl  war  1498  nach  Jerusalem  gezogen, 
hatte  sich  nach  seiner  Rückkehr  1500  mit  Katharina  Koberger  vermählt  und  ist 
1530  zu  Bamberg  verstorben,  während  seine  Hausfrau  Katharina  erst  1557  das 
Zeitliche  segnete. 


1)  Oskar  Hase,  Die  Koberger.  2.  Aufl.  (Leipz.  1883J  S.  21  S. 


—    123     — 

Zu  welchem  Zwecke  das  Wappen  gezeichnet  wurde  —  denn  einen  solchen 
mufs  es  doch  g-ehabt  haben  —  geht  aus  dem  Blättchen  nicht  hervor.  Es  würde 
sich  ganz  gut  für  ein  Bibliothekzeichen  eignen;  doch  ist  kaum  daran  zu  denken, 
dafs  Frau  Katharina  sich  nach  dem  Tode  ihres  Gemahls  eine  Bibliothek  angelegt 
hat;  das  besorgten  damals  doch  beinahe  ausschliefslich  die  Männer.  Wahr- 
scheinlicher ist  es,  dafs  der  Entwurf  für  einen  Glasmaler  bestimmt  war,  der 
darnach  eine  Scheibe  zum  Gedächtnis  des  verstorbenen  Gemahls  anfertigen  sollte, 
oder  vielleicht  für  einen  Rotgiefser,  dem  es  als  Vorlage  für  ein  zu  modellierendes 
Wappenepitaph  des  Eustachius  Rieter  gedient  haben  mag.  Mag  dem  nun  sein 
wie  ihm  wolle,  jedenfalls  ist  es  ein  ganz  anziehendes  Blättchen,  das  jeden  Freund 
der  Heraldik  interressieren  dürfte. 

Nürnberg.  H  a  n  s  B  ö  s  c  h. 


^r-^r 


Register  zum  Jahrgang  1893 


der 


Mitteil  Uli  Ji'en  aus  dem  sfermaiiisclien  Natioiialmuseum. 


AUiance Wappen  der  Rieter-Ko berger   122 f. 

Barbierer   zu    Nürnberg:    Gescbwornenbuch 
29  ff. 

Beitrag  zur  Bücherausstatlung  108  ff. 

Biographie  des  Malers  Gg.  Christoph  Eiiiiojart 
d.  Ä.  38  ft". 

Bösenbrunn,  Schlofs  118  ff. 

Brandenburg,  Friedrich I.  Markgraf:  Chemie 
dess.  98  ff. 

Breydel,  Garel:  Gemälde  dess.  96. 

Brief  vom  Maler  Müller  an  Wieland  13  ff. 

Briefbücher    der    Grafen    Hans    und    Franz 
Christoph  Khevenhüller  S7  ff. 

Brunnen,  gotischer :| Entwurf  97  f 

Bücherausstattung:  Beitrag  zu  ders.  108  ff. 

Chemie  des  Markgrafen  Friedlich  I.  von  Bran- 
denburg 98  ff. 

Deutschland  segnen  96. 

Eimuiart,  Gg. Christoph  d  Ä.:  Selbstbiographie 
53  ff. 

Entwurf  eines  gotischen  Brunnen  97  f. 

Flandern:  Karte  von  1538  25  ff. 

Friedrich    I.,    Markgraf    von    Brandenburg: 
Chemie  dess.  98  ff. 

Gemäld  egalleri  e    des    german.    Museums: 
Notizen  zu  ders.  95  f. 

Geschichte  der  technischen  Verwendung  des 
Papiers:  Beitrag  zu  ders.  3  ff.  121  f. 

Gescbwornenbuch     der    Nürnberger    Bar- 
bierer und  Wundärzte  29  ff". 

Handzeichnung:   Rieter-Kobergersches Alli- 
ancewappen  122  f. 

Holzschnitt:  gothischer  Brunnen  97  f. 
—  Schlofs  Bösenhrunn  118  ff. 

Karte  von  Flandern  von  1538  25  ff. 

Khevenhüller,   Hans   und   Franz    Christoph 


Grafen,  österr.  Gesandte  am  spanischen  Hofe: 

Briefbücher  ders.  57  ff. 
Koberger:  Wappen  122  f. 
Krieg,  dreifsigjäbriger :  zum  Beginn  dess.  57  ff. 
Landkarte  von  Flandern  von  1538  25  ff. 
Müller,    Job.  Friedr.,  Maler  u.  Dichter,  Brief 

an  dens.  13  ff. 
Nürnberg:   Gescbwornenbuch    der   Barbierer 

und  Wundärzte  29  ff. 
—  Verlobung   und  VereheJichung  das.    41  ff. 
Ölhafen,  Hans:  Verlobungu.Verehelichung41ff. 
Österreich:  Gesandteam  spanischen  Hofe  57  ff. 
Papier,  zur  techn.  Verwendung  dess.  3  ff.  121  f. 
Penz,  Georg,  Maler:  Todestag  dess.  39  f. 
Pult  des  17.  Jahi-hunderts  113  ff. 
Reiehenhall:  zur  Geschichte  des  Salzhandels 

das.  19  ff. 
Rieter-Koberger  sches  AUiancewappen  122  f. 
Salzhandel   zu  Reicbenliall :    zur  Geschichte 

dess.  19  ff. 
Schlofs  Bösenbrunn  118  ff. 
Schmutzumschlag  des  13.  Jahrb.  108  ff. 
Schreibpult  des  17    Jahrb.  113  fl'. 
Selbstbiographie  des  Malers  Gg.  Cliristoph 

Eimmart  d.  Ä.  53  ff. 
Spanien:    österreichische  Gesandte   am  dort. 

Hofe  57  ff. 
Speer,  Martin:  Gemälde  dess.  95  f. 
Todestag  des  Malers  Georg  Penz  39  f. 
Verehelichung  in  Nürnberg  im  16.  Jahrb. 

41  ff. 
Verlobung  in  Nürnberg   im  16.  #ahrh.  41  ff. 
Wappen  der  Rieter-Koberger  122 f. 
Wiel  and,  Brief  an  dens.,  von  Maler  Müller  13  ff. 
Wundärzte  zu  Nürnberg:  Gescbwornenbuch 

29  ff. 


^M  Nuremberg.     Germanisches 

101  Nationalmuseum 

N84K5  ItLtteilungen 

1890-93  1890-93 


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