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Full text of "Mitteilungen der geographischen Gesellschaft in Hamburg"

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MITTHEILUNGEN 



der 




QräDiciie 



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Uli l 



Band XI. 



Im Auftrage des Vorstandes herausgegeben 

von 

L. Friederichsen, 

Erstem Sekretär. 



Alle Recbte vorbehalten. 



HAMBURG. 
L Friederichsen & Co. 

Land- und Seekartenhandlung, 

Geographischer und Nautischer Verlag. 

Neuerwall 61. 

1896. 



- • 



Vorwort. 



Das nnregelmässige Erscheinen der »Mittheilungen« hat. 
eine Aenderang des Titels erforderlich gemacht. Die » M i t - 
theilungenc werden von jetzt ab nicht mehr nach Jahrgängen, 
sondern nach Bänden betitelt werden. Der vorliegende Band, welchem 
2 Jahresberichte (1873-74 und 1874—75) und 10 Bände der 
»Mittheilungenc voraufgehen, hat die Bezeichnung >Band XI 
der Mittheilungenc erhalten. Wenn derselbe weniger reich- 
haltig an , Original -Abhandlungen und Tafeln ist, als seine Vor- 
gänger, so liegt die Schuld daran, dass Herr Dr. C. Gottsche in 
Folge einer achtmonatlichen ernsten Krankheit an der Fertigstellung 
einer Abhandlung über seine auf Kosten der Geographischen 
Gesellschaft in den Jahren 1892 und 93 ausgeführten geologischen 
Untersuchungen bezüglich des Vorkommens und der Verbreitung der 
Endmoränen in Schleswig-Holstein, verhindert worden ist. Die zu 
dieser Abhandlung gehörenden zahlreichen, seit Jahr und Tag ge- 
druckt vorliegenden Kupfertafeln ohne Text dem XI. Bande ein- 
zuverleiben, schien nicht' thunlich. 

Hamburg, im Januar 1896. 

L Friederichsen. 



400681 



Inhaltsverzeichniss. 



Seit« 

Friederichsen, L.: Der Sechste Internationale Geographen-Kongrets in 

London (26. Juli-3. August 1895) 1—28 

Michow, H., Dr.: Die Geographieche Ansatellwig anf dem Internationalen 

Geographen-Kongress in London 1895 29—40 

Heintze, W.: Eisenbahnen in der TQrkei 41—61 

Petersen, Job, Dr.: Die Erforsohnng des Dirk Gerritz-Arobipel. Einige 
Bemerkungen zu dem Aufsatze: »Das Wiedererwaohen der ant- 
arktischen Forschungc in Dr. A. Petermann's Mittheilungen 1895, 
Heft 6 62—79 

Markow, Anatol, Dr.: Der zukQnftige Handel Chinas 80—95 

Sitzungsberichte 1893, 1894 und 1895, zusammengestellt von H. Michow.. 96—186 
Plan fflr eine Deutsche Expedition zur Durchforschung der Sfldpolar- Region 187—191 

Mitglieder- Verzeichniss Ende 1895 192-199 



Der Sechste 
Internationale Geographen- Kongress in London 

(26. Juli — 3. August 1896). 

Von 

L Friederichsen. 



In den Tagen vom 26. Juli bis 3. Augast a. c. hat in London 
der VI. Internationale Geographen-Eongress getagt, dem als Delegirter 
der Hamburger Geographischen Gesellschaft beizuwohnen, mir vergönnt 
war. Der Kongress hat mancherlei Anregungen, Verhandlungen 
und Beschlüsse gezeitigt, welche in grossen Zügen zu skizziren 
die Aufgabe der folgenden Zeilen sein soll. 

Die offizielle Mitgliederliste nebst Nachträgen ') weist 1511 Theil- 
neUmer nach, von denen 42ö dem Auslande, 1086 Grossbritannien und 
Irland angehören. Unter den Ausländern war Frankreich mit 130, 
Deutschland mit 73, Amerika mit ö7 (worunter allein 40 aus den 
Vereinigten Staaten), Belgien mit 19, Russland mit 18, Italien mit 
17, Oesterreich-Ungarn mit 16, Schweiz mit 13, Schweden-Norwegen 
mit 13, Afrika mit 12, Asien mit 12, Australien mit 12, Spanien 
mit 8, Portugal mit 7, Niederlande mit 6, Türkei mit 4, Rumänien 
mit 4, Dänemark mit 2 und Neu- Seeland und Griechenland mit je 
einem Mitglied vertreten. Demnach hatten Frankreich und Deutsch- 
land zusammen fast die Hälfte der auswärtigen Theilnehmer gestellt. 

Die früheren internationalen Geographen-Kongresse hatten folgende 
Betheiligung : 

1. Antwerpen 1871: 586 Mitglieder (293 Ausländer «J, 293 Belgier.) 

*) Dieselbe ist steilenweise lückenhaft und inkorrekt. Einige Namen fehlen (z. B. 
Ernst Debes), andere kommen doppelt vor. Ich habe mich bemüht, die Unregel- 
mässigkeiten zu berücksichtigen. 

') Frankreich 95, England 50, Niederlande 32, Oesterreich-Ungarn 30, Deutschland 
24, Italien 13, Amerika 11, Russland 10, Schweden-Norwegen 9, Spanien 7, Schweiz 5, 
Dänemark 3, Griechenland, Portugal, Rumänien und Türkei je i Mitglied. 



2 

2. Paris 1875 : 1545 Mitglieder (1229 Sonscripteurs k 15 frcs., 
worunter 281 Ausländer, und 316 Membres Donateurs k 50 frcs., 
worunter 84 Ausländer), i. e. 365 Ausländer und 1180 Franzosen. 

3. Venedig 1881: 1447 Mitglieder (709 Ausländer, 738 Italiener'). 

4. Paris 1889 : Mitgliederzahl unbekannt. 

5. Bern 1891: 537 Mitglieder (294 Ausländer «), 243 Schweizer). 
Unter Nichtberücksichtigung des Pariser Kongresses von 1889, 

worüber keiti Material zur Verfügung steht, hatte sich der Pariser 
Kongress von 1875 bisher der grössten Theilnehmerzahl zu erfreuen; 
ihm folgt London 1895, dann Venedig 1881, dann Antwerpen 1871 
und schliesslich Bern 1891. Betrachtet man indessen die Theilnehmer- 
zahl der vorerwähnten 5 Kongresse hinsichtlich der Betheiligung 
seitens des Auslandes, so fallen auf Bern 55 %, auf Antwerpen 50 %, 
auf Venedig 49 **/o, auf London 28 % und auf Paris 18 % Ausländer. 
Dem bisherigen Gebrauch gemäss war man auch in England 
bemüht gewesen, allerhöchste, höchste und hohe Herrschaften als 
Patrone oder Ehren-Präsidenten des Kongresses zu gewinnen. Ihre 
Majestät die Königin und Kaiserin hatte das Patronat, Sr. Königl. 
Hoheit der Prinz von Wales das Vice- Patronat übernommen, während 
Seine Majestät der König der Belgier, Ihre Kgl. Hoheiten der Herzog 
von Connaught, Herzog von York, Kronprinz von Dänemark und 
Seine Kaiserl. Hoheit der Grossfürst Nicolas Michailovich als Ehren- 
präsidenten fungirten. Von diesen höchsten Herrschaften betheiligte 
sich nur der Heimzog von York an dem Kongresse, indem er denselben 
am 26. Juli im Namen der Königin und des Prinzen von Wales 
durch eine Ansprache eröffnete, nachdem ihm zuvor die Delegirten 
durch ihre Gesandten vorgestellt waren. Als aktiver Vorsitzende!' 
fungirte der jetzige Präsident der Royal Geographical Society, 
Mr. Clemens Robert Markham. Ihm, dem 65jährigen be- 
rühmten Geographen, der 20 Jahre seines Lebens der Einführung 
der Chinchona in Britisch-Indien gewidmet, musste jeder Fachmann 
von vorne herein mit den lebhaftesten Sympathien begegnen; seiner 
umsichtigen Geschäftsleitung gebührt der Dank aller Betheiligten. 
Von den übrigen Mitgliedern des geschäftsführenden Ausschusses 
verdienen in erster Linie die Herren Major Leonard Darwin 
(Sohn Charles Darwin' s), die Sekretäre J. Scott Keltie und 

*) 231 AusläiulcT uml 103 Italiener, welche in (kr Mil|^'Iiederliste vcrzeichiul sind, 
waren nicht erschienen. 

'') Frankreich 99, Deutschland 55, Ücstcrreich-Ungarn 29, Italien 28, (iross- 
britannien 25, Russland 20, Amerika 10, Niederlande 5, Schweden-Norwegen 5, Belgien 4, 
S])anicn 3, Portugal 3, Afrika 2, Griechenland 2, Kumänien 2, Türkei i, Australien i. 



3 

Dr. H. B. Mill und unser Landsmann E. G. Ravenstein als die 
Hauptstützen des Kongresses genannt zu werden. 

27 Staaten »nd ungefähr 80 geographische Korporationen, 
worunter 13 deutsche, hatten Delegirte zum Kongress geschickt. 
Regierungsseitig war Deutschland leider nicht vertreten^). 

Die Sitzungen des Kongresses fanden in dem zum Gedächtniss 
des 50jährigen Regierun gs- Jubiläums der Königin im Jahre 1887 er- 
bauten und 1893 eröffneten Imperial Institute statt. In diesem 
prächtigen Monumentalbau South Kensington's war die grosse, noch 
unfertige Halle für die Allgemeinen-, Zimmer des ParteiTe und 
der I. Etage für die Sektions- Sitzungen und die geographische Aus- 
stellung reservirt. Auch waren im Erdgeschoss die Bureaus einge- 
richtet, in denen die Mitglieder in zweckentsprechender Weise tag- 
täglich die erforderlichen Drucksachen, Briefe, Einladungen etc. in 
Empfang nehmen konnten. Einem unverbürgten Gerücht zufolge soll 
für Miethung dieser Lokaltitäten £ 2000 gezahlt worden sein. Die 
gesammten, dem Komit6 aus dem Kongress erwachsenen Kosten 
werden auf rund £ 1 000 (200 000 JH.) geschätzt. 

An die um 10 7« Uhr beginnenden Allgemeinen Versammlungen, 
schlössen sich Sektions -Sitzungen an, so dass vollauf Gelegenheit 
geboten war, täglich bis 4 Uhr Nachmittags wissenschaftlichen Auf- 
gaben obzuliegen. Dem allzugrossen Wissensdrange war durch die 
gleichzeitige Tagung der beiden Sektionen ein Hemmschuh angelegt. 

Vor Beginn der Sitzungen wurden gedruckte »Abstracts of 
Paperst vertheilt, welche die im Laufe des Tages zu verhandelnden 
Themata und Thesen zur allgemeinen Kenntniss brachten. Durch 
diese zweckmässige Neuerung wurde es den Mitgliedern ermöglicht, 
rechtzeitig Stellung zu den aufgeworfenen Fragen zu nehmen und 
über alle Vorgänge unterrichtet zu bleiben. Auch die Herausgabe eines 
»Journal of the Congress« mit der Tagesordnung und Bekannt- 
machungen aller Art, erleichterte die nicht immer leichte Aufgabe 
des au fait-Seins sehr. 

Vorträge und Verhandlungen wurden, obgleich neben der eng- 
lischen auch die deutsche, französische und italienische Sprache gleich- 
berechtigt waren, vorwiegend in englischer Sprache geführt, was seine 
Erklärung in erster Linie natürlich in dem Ueberwiegen der Eng- 

*) Frankreich , Russland, Oesterrcich , Ungarn, Schweden, Norwegen, Spanien, 
Niederlande, Belgien, Portugal, Schweiz, Türkei, Griechenland, Rumänien, Persien, Ver- 
einigte Staaten von Nord-Amerika, Mexico, Costa Rica, Brasilien, Chile, Indien, Queens- 
land, Tasmanien, Süd-Australien, West-Australien, Neu-Seeland, Kap-Kolonie. 

*•*) Auch Italien und Dänemark nicht. 



länder (72%) findet. Aber auch die allmählich zu Tage tretende 
geringe Eenntniss der deutschen Sprache in den yomehmsten 
Kreisen Englands, Hess demjenigen, der allgemein verstanden sein 
wollte, schliesslich keine Wahl. Nichts desto weniger kam die 
deutsche Sprache auch zu ihrem Rechte und fand sogar Anwendung 
bei den Vorträgen der Professoren Kan aus Amsterdam und Anut- 
schin aus Moskau. 

Was nun die Verhandlungen des Kongresses anlangt, so nahmen 
dieselben am Vormittag des 27. Juli ihren eigentlichen Anfang. Die 
Eröffnungs-Sitzung des vorhergehenden Abends hatte sich nur auf die 
vor einer glänzenden Versammlung von Herren und Damen ge- 
sprochenen Begrüssungsworte des Herzogs von York und des 
Präsidenten Markham beschränkt, welche seitens des Seniors der 
Präsidenten sämmtlicher existirenden geographischen Gesellschaften, 
des Chief Justice Daly aus New- York, ebenso herzlich erwidert wurden. 

Die in der ersten Allgemeinen Versammlung gegebene Präsidial- 
Adresse Markham 's dauerte IV2 Stunden. Sie erstreckte sich sowohl 
auf die Bedeutung der geographischen Forschung und Kenntnisse für 
alle Kreise der menschlichen Gesellschaft, in's Besondere für die 
Unterthanen des Britischen Eeichs, als auch auf eine Vorführung der 
Grundgedanken, welche den einzelnen angekündigten Verhandlungen die 
Berechtigung eines internationalen Gedanken - Austausches vindiciren. 
Hinsichtlich dieser ist das offene Geständniss Markham's von 
Bedeutung, dass die Zukunft der geographischen Wissenschaft im 
Britischen Reich von einer Aufbesserung des geographischen Unter- 
richts bedingt werde; denn dieser lasse viel zu wünschen übrig, 
entbehre der staatlichen Unterstützung und finde selbst auf den 
englischen Universitäten nicht die ihm gebührende Berücksichtigung. 

In der kurz darauf durch Vorträge der Herren Levasseur 
(Paris) über den geographischen Unterricht auf französischen Schulen 
und Universitäten, Lehmann (Münster) über die Vorbildung der 
Geographielehrer auf den Universitäten, Herbertson (Manchester) 
über den geographischen Unterricht auf englischen Schulen und 
Universitäten unter Befürwortung einer der Royal Geographica! 
Society zu unterstellenden Centralstelle, eingeleiteten Verhandlung, 
wurde dem Ausspruche Markham's durch folgende Resolution 
Ausdruck gegeben: »Der 6. Internationale Geographen-Kon- 
gress ist durch Britische Mitglieder von den Bestrebungen 
derBritischen geographischen Gesellschaftenzu Gunsten 
eines geregelten geographischen Unterrichts auf britischen 
Schulen und Universitäten in Kenntniss gesetzt worden. 



Der Eongress sympathisirt nicht nur mit diesen Be- 
strebungen, sondern empfiehlt sie auch anderen Ländern 
zur Berücksichtigung.« Mit dieser Resolution hofft man eine 
Pression auf die englische Regierung auszuüben; man verhehlt sich 
aber keineswegs, wie dies seitens der Professoren Mackinder 
(Oxford) und Yule-Oldham (Cambridge) auch betont wurde, dass nur 
von tief in das jetzige britische Unterrichtswesen einschneidenden 
Gesetzen Besserung zu erwarten steht und mit dem auf veralteten 
Prinzipien beruhenden Unterrichtssystera der Universitäten Oxford 
und Cambridge (Privatinstitute mit staatlichen Privilegien) gebrochen 
werden muss. 

Unter dem Vorsitz des Prinzen Roland Bonaparte und des 
General Walker tagte am 27. Juli auch die Section C. Ihre 
Themata betrafen die Anwendung der Photographie bei topographischen 
Aufnahmen ^ (Referent: Colonel Laussedat, Paris), Anwendung 
der Photographie bei geographischen Längenbestimmungen durch 
Monddistanzen (Referent: Capt. E. H. Hills, London), und An- 
wendung der Photographie bei ozeanographischen Untersuchungen 
(Referent: Prof. J. Thoulet, Nancy). 

Die 2. Allgemeine Versammlung am 29. Juli war in erster Linie 
für die antarktische Forschung bestimmt. Wie bekannt, hatte diese 
Frage auch den diesjährigen XI. Deutschen Geographentag in Bremen 
beschäftigt. In Bremen wie in London ist sie von dem Direktor 
der Deutschen Seewarte, Prof. Dr. Neumayer, mit der ihm eigenen 
Wärme und Sachkenntniss als das wichtigste aller noch zu lösenden 
geographisch - physikalischen Probleme beleuchtet worden. Bevor 
ich auf die Londoner antarktischen Verhandlungen eingehe, will mir 
eine Vorbesprechung der darauf bezüglichen Bremer Beschlüsse an- 
gezeigt erscheinen. In Bremen wurde von mir beantragt: »Der 
XI. Deutsche Geographentag in Bremen wolle in voller Würdigung 
der Wichtigkeit der antarktischen Forschung für Geographie und 
Naturwissenschaften einen Ausschuss ernennen, dessen Aufgabe es ist, 
über die Möglichkeit der baldigen Entsendung einer deutschen wissen- 
schaftlichen Südpolar-Expedition zu berathen und günstigenfalls die 
Ausführung in die Wege zu leiten.« Nachdem der Antrag ein- 
stimmig angenommen, wurden in den Ausschuss gewählt die Herren 
Albrecht, von Bezold, von Drygalski, Friederichsen, 
Hellmann, Kirchhoff, Koldewey, Kollm, Lindemann, 

') Photugraphische Festlegungen von Fixpunkten, Material zur Konstruktion von 
Höhenkurven und zur Terraindarstellung. 



6 

Graf Linden, Neumayer, von Riclitliofen, Schauinsland, 
Schönlank, von den Steinen und Wagner. Derselbe 
konstituirte sich noch selbigen Tages unter Vorsitz des Herrn Prof. 
Neumayer als »Deutsche Kommission für die Stidpolarforschung« 
und wählte die Herren Albrecht und von den Steinen zu 
Vice-Präsidenten und Dr. Lindem an zum Schriftführer. Am S.Juni 
hat diese Kommission zum ersten Male in Berlin getagt, um ihre 
Aufgabe »Zweck und Ziel« näher zu präcisiren. 

Der Wortlaut einer an die Deutsche Nation zu richtenden Dar- 
legung ihrer Bestrebungen und des Plans einer deutschen Südpolar- 
Expedition ist einer Subkommission (Neumayer, von den Steinen, 
Lindeman, Hellmann, v. Drygalski) zur Aufgabe gestellt 
worden, welche gleichzeitig die Agitation in die Wege zu leiten 
haben wird. 

Auch in London gelang es Dr. Neumayer, die Südpolarfrage auf 
bereits gepflügtem Boden Wurzel schlagen zu sehen. Seine Auseinander- 
setzungen, welche in dem Wunsche nach einer internationalen In- 
angriffnahme der Südpolar- Forschung gipfelten, sowie die sich daran 
reihenden nicht minder überzeugenden Worte Sir Joseph Hooker's 
(des einzigen noch lebenden Begleiters Sir James Clark Ross' 
auf dessen antarktischen Expedition 1839—43), Dr. John Murray's 
(des Gelehrten der Challenger-Expedition und des Verfechters eines 
grossen antarktischen Kontinents), des Parlaments- Mitgliedes George 
Baden- Po welTs und General Greeley's hatten folgende 
Resolution des Kongresses zur Folge: »Der zu London 1895 
versammelte VL internationale geographische Kongress 
hält die Erforschung der antarktischen Regionen für 
das bedeutendste der noch zu lösenden geographischen 
Probleme und empfiehlt, in Anbetracht der aus derselben 
voraussichtlich für alle wissenschaftlichen Disziplinen 
entstehenden Vortheile, dass die verschiedenen wissen- 
schaftlichen Gesellschaften der ganzen Welt auf den 
ihnen am wirksamsten erscheinenden Wege darnach 
streben, dieseAufgabe vorSchluss des 19. Jahrhunderts 
gelöst zu sehen.« 

Fragen wir nach den Gründen, welche die antarktische Frage 
neuerdings so energisch in Fluss gebracht hat, so sind solche in dem 
unbehinderten Vordringen norwegischer resp. deutscher Waldampfer 
in hohe südliche Breiten in den Jahren 1892—1894 zu suchen. Die 
Dampfer »Jason« (Kapt. Larsen) und »Hertha« (Kapt. Evensen) der 



hamburgischen Dampfschiff- Gesellschaft Oceana '), sowie der dem 
jüngst verstorbenen, bekannten norwegischen Rheder Sven Foyn 
gehörige Dampfer »Antarctic«, (Kapt. L. Kristensen), an dessen 
Bord sich der norwegische Naturforscher C. Egeberg Borchgre- 
V i n k als Matrose befand, haben wahrscheinlich gemacht, dass ein Vor- 
dringen in hohe südliche Breiten vermittelst guter hölzerner Dampf- 
schiffe zur Sommerszeit angängig, und dass in dem vor 54 Jahren von 
Ross entdeckten Süd- Victoria-Lande Gelegenheit zur T] eher Winterung 
eines wissenschaftlichen Stabes gegeben ist. Auf die Walfeng- 
Expedition des »Antarctic« werde ich später zurückkommen. 

Im weiteren Verlauf der 2. Allgemeinen Versammlung wurde 
auch die arktische Frage behandelt und von einem Vortrag des 
Admirals A. H. Markham^) eingeleitet, in welchem er die ver- 
schiedenen Wege skizzirte, welche bisher zur Erforschung hoher 
nordischer Breiten eingeschlagen worden sind. Markham's Ansicht 
geht dahin, dass das Franz Joseph Land, welches sich vielleicht bis 
85 ° N. Br. erstreckt, die Basis künftiger Schlitten - Expeditionen 
bilden solle und die meisten Chancen für ein Vordringen zum Nordpol 
biete. — General Greeley, der amerikanische Forscher im Systeme 
der internationalen Polarforschung während 1881—84, dem wir eine 
erweiterte Kenntniss des Grinnell- und Ellesmere-Landes verdanken, 
sprach darauf über Zweck und Werth der arktischen Forschung. Er 
führte aus, dass dieselbe 3 Phasen, eine kommeraielle, eine geographische 
und eine Phase wissenschaftlicher Untersuchungen durchgemacht habe; 
die kommerzielle habe mit Richard Chancellor's Erreichung 
der Dwina-Mündung 1553 ^) ihren Anfang genommen und zur Gründung 
der Moskowi tischen Gesellschaft im Jahre 1607 geführt, der England 
die Vortheile eines intimen und derzeit ausschliesslichen Handels- 
verkehrs mit dem bisher unzugängigen Russischen Reiche verdankt 
habe. Die geographische Phase datirc vom Anfang unseres Jahr- 
hunderts und gipfele in den mit unvergleichlichen geographischen 
Resultaten heimkehrenden britischen Expeditionen zur Aufsuchung 
Franklin's. Die dritte, die wissenschaftliche Phase, der zweiten 
Hälfte unseres Jahrhunderts angehörend, dominire in so hervorragender 
Weise, dass keine Expedition auf Unterstützung resp. Verwirklichung 

*) Siehe Mittheil ungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg 1891 — 92 
Heft II, 1895. 

*) Kommandanten des englischen Schiffes »Alert« der Nares' sehen Smith-Sund- 
Expedition , dem es am 12. Mai 1876 gelang, zu Schlitten die hohe Breite von 
83 ° 20' 26 " zu erreichen. 

') An Bord des englischen Expeditionsschiffes » Bonaventura <. 




8 

rechnen könne, deren ausgesprochener Zweck nicht ein wissen- 
schaftlicher sei. 

Nach General Greeley sprach der Oberingenieur S. A. Andr6e 
aus Stockholm und entwickelte in fesselnder Weise den Plan einer 
im Sommer 1896 auszuführenden Ballonfahrt nach dem Nordpol. Die 
Details derselben sind mittlerweile so vielfach und ausführlich in 
Tagesblättern mitgetheilt worden, dass ich sie als bekannt voraus- 
setzen zu können glaube. Es erübrigt mir nur hervorzuheben, dass 
das persönliche Erscheinen Andr6e's auf dem Kongress und seine 
geschickte und sachkundige Yertheidigung gegenüber Männern wie 
Admiral Markham die lebhaftesten Sympathieen für ihn hervor- 
geiTifen hat. Die anfangs belächelte und abenteuerlich erschienene 
Ballonfahrt ist in der That ernst zu nehmen und nur als solche 
diskutirbar. Andr6e selbst machte einen vorzüglichen und energischen 
Eindruck. Seine Erfahrungen in der Luftschiffahrt (er hat bereits 
11 wissenschaftliche Ballonfahrten ausgeführt, von denen eine von 
Schweden über den Bottnischen Golf nach Finland führte) lassen 
einen Erfolg als wahrscheinlich und das neue Unternehmen weit 
weniger gefahrvoll erscheinen, als dasjenige Nansen' s oder früherer 
Schiffsexpeditionen. Die Einwände Markham 's hinsichtlich der Mög- 
lichkeit, vom Ballon aus wissenschaftliche Beobachtungen an und mit 
Instrumenten etc. machen zu können, entkräftete An dr6e mit seinen 
und anderer Luftschiffer Erfahrungen. Mit dem Sextanten in einem 
Ballon zu beobachten, sei weniger schwierig, als auf einem Schiffe, 
denn dieser schwanke weniger als letzteres. — Einwänden gegen die 
Möglichkeit der Steuerung vermittelst herabhängender Seile wusste 
auch Colonel Watson zu begegnen, indem er konstatirte, dass er 
dieselben bei militärischen Ballonfahrten, wenn auch nicht zur Steuerung, 
so doch zum Zwecke des Bringens und Erhaltens des Ballons auf 
einer gleichen Höhe erfolgreich angewandt habe. Ob in der That 
aus einer Höhe von 250 m, selbst bei klarstem Wetter und zur 
Zeit der hellen Polamächte, unter günstigen Windverhältnissen die 
in Aussicht genommenen wissenschaftlichen Beobachtungen sowie 
photogi*aphische Terrainaufnahmen in dem Maasse ausführbar sein 
werden, dass sie der Wissenschaft wesentliche Dienste leisten können, 
entzieht sich vorerst unserer Betrachtung. 

Zum Schlüsse der arktischen Verhandlungen gab noch der 
Oberstlieutenant des Kaiserlich Russischen Hydrographischen Amtes, 
Herr von Shokalsky Auskunft über die Arbeiten der Russen 
bezüglich des Seeweges nach Sibirien. Aus ihnen erhellt, dass 
russischerseits ernstlich an den Aufnahmen der arktischen Küsten 



9 

gearbeitet wird, verbunden mit astronomischen, magnetischen, meteo- 
rologischen, ozeanographischen und Pendelbeobachtungen* 

An die Verhandlungen der 2. Allgemeinen Sitzung am 29. Juli 
schlössen sich Sektions-Sitzungen mit Vorträgen über physische Geo- 
graphie und Geodäsie an. Von diesen seien hervorgehoben: 

1. Prinz Koland Bonaparte 's Mittheilungen über periodische 
Veränderungen an Gletschern der französischen Alpen, basirend auf 
seit 1890 regelmässig angestellten Beobachtungen an mehr als 
200 Gletschern, aus denen das Einschrumpfen der meisten Gletscher 
bestätigt wird, sich aber eine Tendenz im entgegengesetzten Sinne an 
manchen Plätzen zu zeigen beginnt, Veränderungen, die ohne Zweifel 
mit allgemeinen atmosphärischen Erscheinungen in Beziehung stehen. 

2. Dr. J. de Rey Pailhade's') Vorschläge fttr internationale 
Einfuhrung des Dezimal- Systems bei Zeit- und Winkelmessungen*) 
und des Astronomen Louis Fabry (Marseille) Vorschlag der Ein- 
theilung des rechten Winkels in 100 Theile. Der Kongress be- 
schränkte sich darauf, den geographischen Gesellschaften 
das Studium dieser Fragen zu empfehlen. 

3. General J. T. W alker' s Mittheilungen über die geodätischen 
Arbeiten der Indischen Landesaufnahme. 

4. Colonel Holdichs Desiderium betreffend die geodätische Ver- 
bindung der Landesaufnahme Russlands mit derjenigen Indiens. 

5. Ingenieur M. Ch. Lallemand's Mittheilungen über die 
neuen, seit 1884 ausgeführten Nivellements-Arbeiten in Frankreich. 

6. A. de Smidt's Bericht über kartographische Arbeiten in 
der Kap-Colonie von 1652 bis auf die Neuzeit. 

In der 3. Allgemeinen Sitzung am 30. Juli stattete Herr National- 
rath Dr. A. Gobat, der Präsident des 1891 in Bern stattgehabten 
5. Internationalen Geographen - Kongresses, im Namen des Berner 
Komit6s einen Generalbericht ab über den bisherigen Verlauf der 
in Bern gefassten Beschlüsse, welchem alsdann Spezialberich te folgten. 
Unter letzteren ist derjenige des General Sir Charles Wilson 
über den Fortgang der Bemühungen zur Herstellung einer einheitlich 
durchgeführten Karte der Erde im Maasstabe von 1 : 1 000 000, wie 
sie von Prof. Penck (Wien) in Bern in Anregung gebracht worden war, 
besonders erwähnenswerth. Die mit dem Verfolg dieser Frage be- 
traute Kommission hält die Anfertigung einer solchen Karte für 
äusserst wünschenswerth. Sie hält den proponiiten Maasstab für 

*) Präsident der Geogr. Ges. in Toulouse. 

■) I Tag = loo ces (Abkürzung von centijour), i ce = loo centic^s. i Kreis = 
loo cirs (Abkürzung von circulus), i cir = lOO ceuticirs. 



10 

zweckmässig, empfiehlt, die einzelnen Sektionen der in polykonisclier 
Projektion zu entwerfenden Karte bis zum 60. Grad nördlicher Breite 
auf 4 Breiten- und 6 Längengrade, nördlich des 60. Breitengrades aber 
auf 12 Längengrade zu begrenzen, und den Meridian von Green wich 
sowie das Metermaass in Anwendung zu bringen. Indem die Kom- 
mission ihr Mandat als erloschen betrachtet, hofft sie, dass die Exe- 
kutive des Londoner Kongresses die weitere Verfolgung der als 
wünschenswerth erkannten Aufgabe im Auge behalten und zu dem 
Zwecke sich mit Wissenschafts-Männern der verschiedenen Länder in 
Verbindung setzen werde. — Dem Beschlüsse dieses Kongresses ge- 
mäss wird dies zu geschehen haben. — Zu Gunsten vorstehender 
Propositionen sprachen der französische Kartograph Sehr ad er, Prof. 
de Lapparen t, Prof. Penck, Raven stein und Fabry. Hervor- 
gehoben zu werden verdient, dass Herr de Lapparent, der Präsident 
der Pariser Geographischen Gesellschaft, die Erklärung abgab, dass 
die Franzosen der Annahme des Greenwicher Meridians zustimmen 
würden, wenn England sich zur Annahme des metrischen Systems für 
alle wissenschaftlichen Zwecke bequemen würde. — Gegen das 
Projekt überhaupt, sprach nur Prof. Herm. Wagner aus 
Göttingen. Ihm ist das gegenwärtige Wissen von der Erde viel 
zu lückenhaft und ungleichmässig, um die Verhandlung über Her- 
stellung einer einheitlichen Karte im Maasstabe von 1 : 1 000 000 
auf einem Geographen - Kongress gerechtfertigt erscheinen zu lassen. 
Wagner's Ansicht wird von deutschen Fachleuten vielfach getheilt. 
Gegen das » wünschenswerth c hat im Grunde Niemand etwas einzu- 
wenden; wer aber soll die Sache unternehmen, wer das Risiko laufen? ') 
Diese Kardinalfragen hat die Berner Kommission unbeantwortet gelassen 
und ich würde die Pen k' sehe Millionenkarten-Frage als begraben be- 
trachten, wenn mir nicht eine dem Londoner Kongresse unterbreitete Denk- 
schrift des Russischen Generallieutenant Dr. Alexis von Tillo eine 
Vermittelung zu bieten schiene, welche den Penck 'sehen Gedanken 
fruchtbringend werden lassen kann. Herrn von Tillo ist der Maass- 
stab von 1 : 1 000 000 ebenfalls zu gross. Das gänzlich unerforschte 
Gebiet unserer Erde zusammen mit demjenigen Gebiet, in welchem 
nur einzelne Ortsbestimmungen vorliegen und in welchem unsere 
Kenntniss nur auf Routenaufnahmen und Erkundigungen basirt, 

*) Penck hat die Kosten der Millionenkarlc bei 880 Blättern mit 191 4m Papicr- 
iKHche und einer Auflage von 1000 Exemplaren auf 3828760^1. berechnet. Bei einem 
Preise von 2 M. pro Blatt würde eine Einnahme von i 760 000 JAt. erzielt werden können 
und eine Unterbilanz von 2000000 Mi. verbleiben, deren Deckung aus Staatsmitteln 
erhofft wird. 



11 

prevalirt vor dem genau vermessenen oder genauer erforschten 
Gebieten *). In absehbarer Zeit wird diese Lücke nicht auszufüllen 
sein und deshalb schlägt Tillo vor, den Maasstab der geplanten 
Karte entsprechend dem Staudpunkt unseres Wissens zu wählen. 
Jedem Zeitpunkt entspricht ein gewisser mittlerer Maasstab; der 
Jetztzeit würde nach Tillo derjenige von 1:4000000 entsprechen. 
Um aber selbst diesem Maasstabe genügen zu können, hält Tillo 
zuvor die Bildung eines internationalen kartographischen Mittelpunktes 
für geboten, dessen Aufgabe es sein müsste, tabellarische und karto- 
graphische Uebersichten aller topographischen Originalarbeiten und 
Forschungen, eingetheilt nach den natürlichen Regionen der Erdtheile, 
anzufertigen. Auch würden die Aufnahmen und Beiseberichte in die 
Form von druckfertigen Verzeichnissen gebracht werden müssen, in 
die jede neue Wegaufnahme oder jede neue Einzelheit eingetragen 
werden müsse. Ein solcher Mittelpunkt lasse sich am leichtesten 
an die bereits bestehende internationale geodätische Vereinigung an- 
schliessen und würde verhältnissmässig unbedeutende Mehrkosten 
verursachen. — In diesen Vorschlägen ist ein Weg gezeigt, der zum 
Ziele fähren könnte. Eine Haupt- Schwierigkeit würde ich aber noch 
in den Grundsätzen erblicken, nach welchen die Beschreibung einer 
einheitlich gedachten Karte der ganzen Erde erfolgen müsste. Der 
Berner Kommissionsbericht empfiehlt das lateinische Alphabet und 
die Annahme der verschiedenen nationalen Orthographien der die 
Erde besitzenden Kulturvölker; das Ideal einer einheitlichen, streng 
phonetischen Schreibung wird als unerreichbar bezeichnet. General 
Tillo plaidirt für Anwendung der französischen als der Diplomaten- 
sprache. Mir scheint, dass die Berner Kommission in dieser Hinsicht 
das allein Mögliche vorgeschlagen hat. 

Wie schwierig eine einheitliche Orthographie der Ortsnamen den 
Fachleuten überhaupt erscheint, erhellt aus der Thatsache, dass die 
von der Section C am 30. Juli beantragte internationale Kommission zur 
Erörterung dieser Frage vom Kongresse abgelehnt und nur der Wunsch 
ausgesprochen wurde, die geographischen Gesellschaften 
möchten sich das Studium dieser Frage angelegen sein 
lassen und über das Resultat desselben auf dem nächsten 
Kongress Bericht erstatten. 



*' Vergl. Ijartholomew's Karten zur \'cranschaulichung des Standes kartographischer 
Aufnahmen mi Scottish Geographica! Magazine 1891 und Wagoer und Debes' Karte 
zur Veranschauli^hung der kartographischen Darstellung der Erde in Heltner's geogr. 
Zeitschrift, Heft I. 



12 

Als zweiter Spezialberich t des Berner Komit^s, gelangte derjenige 
über den Stand der geographischen Bibliographien in den einzelnen 
Staaten zur Verlesung. Aus ihm geht hervor, dass Deutschland, 
Oesterreich Ungarn , Niederlande und Schweiz den Wünschen des 
Berner Kongresses bereits gewillfahrt, Mexico, Argentinien, Brasilien, 
Uruguay und Aegypten denselben sympathisch und auch bereits werk- 
thätig gegenüberstehen, die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, 
Paraguay, Australien und Canada die Wünsche diskutiren, während 
Grossbritannieu und Irland und Spanien demselben noch nicht näher 
getreten sind. Der Berichterstatter, Prof. Brückner knüpfte daran 
den Antrag: »das Bureau des Kongresses möge autorisirt 
werden, die Frage der geographischen Bibliographie 
weiter zu verfolgen«. Dieser Antrag wurde einstimmig ange- 
nommen, nachdem noch zuvor der Bibliothekar des Britischen Museums, 
Herr Frank Oampbell zu Gunsten staatsseitig zu registrirender 
National-Bibliographien ein internationales Komit6 befürwortet und 
eingehend die Gesichtspunkte erörtert hatte, welche solchen Biblio- 
graphien zu Grunde gelegt werden müssten. 

Das nahe Ende des 19. Jahrhunderts hatte Herrn G. Saint- 
Yves aus Marseille veranlasst, in gleicher Sitzung die Anregung 
zur Anfertigung eines geographischen Repertoriums von 1800—1900 
zu geben, welches nach Zeitabschnitten (1800—1850, 1850—1870, 
1870—1900) und Regionen die positiven wissenschaftlichen Resultate 
aller Reisen des 19. Jahrhunderts zu verzeichnen haben würde. 

Schliesslich gelangte in der 3. Allgemeinen Versammlung noch 
der Antrag der Berner Geographischen Gesellschaft zur Annahme, 
»welcher im Interesse der Bestrebungen der geogra- 
phischen Kongresse das Bureau jedes Kongresses in 
Funktion belässt bis zum nächsten Kongress und zwar 
mit dem Mandat, für die Ausführung der Beschlüsse 
des letzten Kongresses nach Kräften zu streben, die 
Beziehungen zu den Spezial-Kommissionen zu unter- 
halten, sich mit dem Organisations-Komitä des nächsten 
Kongresses über alle schwebenden Fragen zu ver- 
ständigen, sowie dem nächsten Kongress Bericht über 
die in der Zwischenzeit ausgeführten Arbeiten zu 
erstattenc. 

In der für den 30. Juli anberaumten Sitzung der Sektion B stand 
die Ozeanographie auf der Tagesordnung. Herr J. Y. Buch an an, 
Mitglied des wissenschaftlichen Stabes der Challenger-Expedition und 
vornehmlich mit ozeauographischen Forschungen betraut, gab einen 



13 

Rückblick über den Stand dieser Wissenschaft vor dem Abgang der 
Expedition, skizzirte in grossen Zügen die während derselben gemachten 
Entdeckungen und zeigte, nach welchen Richtungen diese in der 
nächsten Zukunft zu verfolgen seien. -^ Im Anschluss daran wurde 
bekannt gegeben, dass der durch seine Meeresuntersuchungen an Bord 
der Yacht »Hirondelle« bekannte Prinz Albert von Monaco 
vorgezogen habe, dem Eongress fern zu bleiben, um an Bord seiner 
neu erbauten und speziell für ozeanographische Forschungen ausge- 
rüsteten Dampfyacht »Princesse Alice« durch physikalische, chemische 
und biologische Untersuchungen im Nord-Atlantischen Ozean plan- 
mässig der Wissenschaft; zu dienen. Ueber den Fortgang seiner 
Arbeiten und deren bisherigen Resultate hatte der Prinz in einer 
Denkschrift Mittheilung gemacht. 

Herr Capitain A. S. Thomson trug sodann über Meeres- 
strömungen vor und gab praktische Winke hinsichtlich der Methode 
der Beobachtung derselben. Er suchte besonders auf die Ünter-Ober- 
flächen- Strömungen (sub - surface - currents) als auf einen wichtigen 
Faktor in der organischen Zirkulation hinzuweisen, deren Studium 
bisher vernachlässigt, ein weites Feld für wissenschaftliche Ent- 
deckungen böte. 

Herr Prof. William Libbey (Washington) lenkte im weiteren 
Verlauf der Sitzung die Aufmerksamkeit auf die Beziehungen des 
Golfstromes zu dem Labrador- Strom. Er illustrirte seine Betrachtungen 
durch das stellenweise Verschwinden von Fischarten an der Küste der 
Vereinigten Staaten in Folge der Veränderungen des Golfstrom-Profils. 

Herr Prof. J. Thoulet (Nancy) glaubte schliesslich auf zweck- 
mässigere Arbeitstheilung seitens der einzelnen geographischen Ge- 
sellschaften hinweisen zu sollen; er meinte z. B., dass die in See- 
städten oder nahe der Küste domizilirten Gesellschaften sich das 
Studium der Ozeanographie ihrer Gegend als Spezialität angelegen 
sein lassen müssten. 

Die Sektion C beschäftigte sich am 30. Juli vorwiegend mit der 
einheitlichen Orthographie der Ortsnamen. Das Resultat habe ich 
bereits auf Seite 11 mitgetheilt. Ausserdem wurde von Herrn Dr. 
Giuseppe Ricchieri (Rom) die bestimmte Abgrenzung der einzelnen 
Erdtheile und Meere, die bisher nur konventionell und willkürlich 
von geographischen Schriftstellern gehandhabt werde, zur Diskusion 
gestellt. Ein darauf bezüglicher von der Sektion C eingebrachter 
Antrag, wurde vom Kongress abgelehnt. 

Mit besonderem Interesse sah man der für den 31. Juli anbe- 
raumten 4: Allgemeinen Sitzung entgegen, denn in ihr sollte Afrika 



14 

und speziell das tropische Afrika in Bezug auf seine Entwicklung 
durch oder unter Oberaufsicht der weissen Rassen den Hauptgegen- 
stand der Tagesordnung bilden. Wenn auch nicht viel Neues zu 
Tage gefördert worden ist, so muss ich doch des hervorragenden 
Interesses wegen, welches Afrika zur Zeit beansprucht und noch lange 
für sich in Anspruch nehmen wird, etwas ausführlicher darauf eingehen. 
Die Reihe der Reden eröffnete der vormalige englische Generalkonsul 
in Sansibar, Sir John Kirk. Seinen Worten, wenn auch nicht 
auf eigenen Forschungen im Innern des tropischen Afrika beruhend, 
wurde mit Spannung gelauscht. Sie betrafen vornehmlich das in eng- 
lischem Besitze befindliche Ost- Afrika und zergliederten sich in die 
Fragen nach: 1. der Möglichkeit der Kolonisation ; 2. der Errichtung 
europäischer Ansiedelungen an Plätzen, welche temporären Aufent- 
halt gestatten; 3. den Mitteln, mit welchen die Eingeborenen zur 
Erschliessung des Landes herangezogen werden können. Was die 
Möglichkeit der Kolonisation betrifft, so sind dafür nach Kirk 
5 Punkte resp. Bedingungen erforderlich: 1. annähernd gleiche klima- 
tische Verhältnisse wie in denjenigen Ländern, welche bereits von 
Europäern besiedelt sind; 2. Malaria in Form der galligen und re- 
mittirenden Fieber darf nicht vorkommen; 3. das Land muss nicht 
nur den Europäern die nothwendigen Lebensbedürfnisse gewähren, 
sondern auch Aussicht bieten auf mineralische und andere Htilfs- 
quellen zur Belebung der Energie und zur Gewährung eines verhält- 
nissmässigen Komforts in Verbindung mit klingender Münze; 4. diese 
Bedingungen müssen sich erstrecken über ein angemessen grosses 
Areal jungfräulichen Bodens, ohne dazwischen liegende Fieberzonen, 
so dass bei wachsender Bevölkerung eine Selbst - Vertheidigung 
möglich ist; 5. Mittel und Wege müssen geschaffen werden, um 
aus den das ganze tropische Afrika einsch liessenden fieberreichen 
Küstengebieten auf rascheste Weise in die gesunden Distrikte ge- 
langen zu können. 

Vorstehenden 5 Bedingungen entspricht nach Kirk nur das 
Matabele-Land vollkommen; das Nyassa- und Batoka-Land scheint 
ihnen zu entsprechen und das britische Massai-Land wird ihnen ge- 
nügen, sobald der Zugang zu demselben per Eisenbahn beschleunigt 
werden kann. Auch Abessinien kann in Betracht kommen, wenn- 
gleich wenig Positives über dessen Klima bekannt ist. Hingegen 
muss ganz West- Afrika mit Ausnahme von Deutsch-Südwest-Afrika, dem 
es leider an Häfen mangelt, als kolonisationsunfähig bezeichnet werden. 

Wenngleich bisher nur unzulängliche klimatische Beobachtungen 
gemacht werden konnten, so ergeben dieselben nach Kirk doch zur 



15 

Evidenz, dass alle Etistenzonen nnd alle anter 5000 Fnss hohen Ge- 
biete des inneren tropischen Afrika wegen der vorherrschenden 
Fieber als kolonisationsnnfähig bezeichnet werden müssen. Auf den 
höheren und gebirgigen^ centralafrikanischen Plateaus gleicht das 
Klima aber demjenigen Transvaals und wird das Klima allein kein 
Kolonisations-Hinderniss abgeben. Hier sind die galligen remittirenden 
Fieber selten und von milderer Form als im Tieflande; auch wird 
die erforderliche Fruchtbarkeit des Bodens und ein gewisser Beich- 
thum an Mineralschätzen zu finden sein. 

Temporärer Ansiedlung steht nirgends ein Hinderniss entgegen; 
wird solche aber an niedrig gelegenen Punkten gewählt, so ist ein 
zeitweiliger Zwischen-Aufenthalt in Europa oder an höher gelegenen 
Stationen (Sanatorien) geboten. Solche Sanatorien sind im ganzen 
Nyassa-Lande, Usambara und an den Ostabhängen des Kilima Ndscharo 
zu schaffen. Die zu ihrer Bewirthschaftung erforderlichen eingeborenen 
Arbeitskräfte sind auf das Nothwendige zu beschränken, damit die 
Weissen stets die Mehrzahl ausmachen. Feuerwaffen dürfen in den 
Händen der Eingeborenen nicht geduldet werden; auch muss. für 
letztere der Zwang bestehen, nach europäischem Muster zu leben. 
Einer Vermischung der Rassen ist mit Energie zu begegnen, hingegen 
ist die Einführung von Hindus ') in die den Europäern weniger zu- 
sagenden Distrikte als Vorbild für die Neger zu empfehlen. 

Auf Sir John Kirk folgte Joachim Graf von Pfeil mit 
einem Vortrag über die Aufschliessung des tropischen Afrika. Der 
Erfolg kolonisatorischer Bestrebungen hängt nach ihm von folgenden 
3 Bedingungen ab: 1. von einer genauen Kenntniss des Landes; 
2. von einem mit besonderer Aufmerksamkeit betriebenen Studium 
der Tropen-Hygiene; 3. von der Heranbildung des Negers zum aktiven 
Mitarbeiter an der Civilisations- Bestrebung. Um eine genaue Kenntniss 
des Landes zu erlangen, bedürfe man der Dienste der Geographen. 
Alle bisherigen Explorationen hätten sich auf die allgemeinen Züge 
derjenigen Gegenden beschränkt, welche der Reisende mehr oder 
weniger an der Reiseroute liegend getroffen habe. Der Zeitpunkt 
sei nunmehr gekommen, die Forschung weniger extensiv als intensiv 
und systematisch zu betreiben. Was die Heranbildung des Negers 
zum Mitarbeiter anlange, so könne dies nur dadurch geschehen, dass 
man ihm Bedürfnisse beibringe. Einem militärischem Regime stehe 
er fern; auch glaube er, dass diejenigen sich täuschten, welche 
lediglich durch gutes Beispiel und Kanzelreden auf den Neger ein- 
wirken zu können vermeinten. 

*) Auch von Kapt. Lugard und Anderen vorgeschlagen. 



16 

Henry M. Stanley fühlte sich darauf berufen, die Ansichten 
Eirk's und PfeiTs durch den Ausspruch zu entkräften: »dass die 
Erschliessung Afrikas nur eine Aufgabe des gesunden Menschen- 
verstandes, nicht die der wissenschaftlichen Geographie seic. Er 
flihrte dies in längerer Rede aus, indem er auf die Entwicklung des 
Kongostaates und des Britischen Süd-Afrika hinwies. Weder der 
Gründer des Eongosta^ites, noch der Heros Süd- Afrikas, CecilBhodes, 
hätten sich lange beim Studium wissenschaftlicher Geographie auf- 
gehalten — von letzterem bezweifele er überhaupt, dass er eine 
Ahnung von wissenschaftlicher Geographie habe — , sondern Beide 
seien in medias res, in das Studium der zweckmässigsten Lebensweise 
eingetreten und hätten durch ihre Leistungen die Bewundemng des 
Jahrhunderts hervorgezaubert. — Was die Kirk'schen Ansichten 
über die Kolonisationsfähigkeit Afrikas anlange, so sei ihm nicht 
bekannt, dass in irgend einem Theile Central - Afrikas zur Zeit 
ernstliche Kolonisations-Absichten beständen; wohl aber bemühe mau 
sich, auf dem Wege des Handels und der Erziehung des Negers die 
Wege zu einer in weiter Ferne liegenden Kolonisation zu ebnen. 
Er halte für richtig, in diesem Sinne langsam und vorsichtig vor- 
zugehen. Es sei Aufgabe der Pioniere die Wege zu ebnen, ausfindig 
zu machen ob ein Land lebensfthig sei oder nicht, und im bejahenden 
Falle sich mechanischer Kräfte für das zu unternehmende Civilisations- 
werk zu bedienen. Der Kongostaat biete hierfür ein Vorbild; dort 
seien jetzt 40 Dampfschiffe zur Verfügung der am Kongo lebenden 
ca. 800 Weissen, wo vor 16 Jahren noch nicht ein einziges existirt 
habe. Aehnlich müsse man im Britischen Ost- Afrika vorgehen; 
alsdann werde man erfahren, dass der Lebenskomfort den Fortschritten 
der Civilisation auf den Fersen zu folgen pflege. Eine Nation be- 
dürfe oft lange Zeit, um unter anderen Verhältnissen leben zu lernen ; 
wenn dies aber geschehen sei — und hierzu bedürfe es ja nur eines 
Bischen gesunden Menschenverstandes, nicht des Studiums wissen- 
schaftlicher Geographie — , so werde Central- Afrika (mit Ausschluss 
der Küstengebiete natürlich) den Europäern eine ebenso gute Heim- 
stätte bieten, wie Mexiko, Brasilien oder Ceylon. Er spreche aus 
Erfahrung und könne versichern, dass er sich nach 23 jährigem Auf- 
enthalt in Afrika so gesund fühle, als sei er nie dort gewesen. 

Der geringe Applaus, der den Worten Stanley's folgte, bekundete 
das Missfallen der Versammlung an den Ausfällen gegen die in dem 
Kongress verkörperte wissenschaftliche geographische Forschung. Man 
fragte sich unwillkürlich, wie kommt Stanley dazu, vor einem 
Kongress von Wissenschaftsmännern, denen er als Vicepräsident des 



17 

Tages anzugehören obendrein den Vorzug hatte, in dieser Weise die 
Bestrebungen der Wissenschaft in den Staub zu ziehen? Ob er 
damit den vielfach gegen seine Wissenschaftlichkeit gerichteten An- 
griffen hat begegnen oder lediglich den leichten Sinn hat tadeln 
wollen, mit welchem unerfahrene Jünger der Wissenschaft zum 
Schaden der guten Sache nach Afrika entsandt worden sind? 

Unschwer gelang es dem Grafen von Pfeil, Stanley mit 
eigenen Worten zu schlagen und zu beweisen, dass das, was er als 
conditio sine qua non für die Kultivationsarbeit in Central-Afrika 
hingestellt, nämlich » unter veränderten Verhältnissen leben zu lernen c, 
just die Aufgabe der wissenschaftlichem Geogiaphie sei und nur durch 
voraufgegangenes Länder- und Völker- Studium und vornehmlich durch 
voraufgegangenes Studium der hygienischen Verhältnisse erreicht 
werden könne. 

Herr A. Silva White, der Verfasser des in mehreren Auflagen 
vorliegenden Buches > The Development ofAfricac, entwickelte darauf 
seine Ideen bezüglich des tropischen Afrika. Er theilte die Ansicht 
Kirk's, dass das tropische Afrika als Ganzes betrachtet für die 
Kolonisation untauglich und nur in beschränktem Maasse entwicklungs- 
fähig sei. Er befürwortete, angesichts der Thatsache, dass Privat- 
kapital in der Knltivation keinen entsprechenden Vortheil erzielen 
könne, staatliche Beihülfe, Bau von Eisenbahnen nach Inner-Afrika und 
Einführung von Arbeitskräften im Falle Mangels an zuverlässigen Ein- 
geborenen. Auch glaubte er, dass die Aufschliessung am leichtesten von 
Süden aus, längs der Hauptaxe des Landes zu bewerkstelligen sein werde. 

Herr Lionel D^cle befürwortete, den an der Aufschliessung 
Afrikas interessirten Staaten folgende Gesichtspunkte zu empfehlen: 
1. Vereinbarung einer internationalen Konvention zur Begelung des 
Elfenbein-Handels; 2. Einführung einer kleinen Münze als Zahlmittel 
innerhalb der verschiedenen Interessen-Sphären; 3. Einsetzung einer 
permanenten internationalen Kommission zur Schlichtung von Streit- 
fragen im Sinne der Brüsseler Akte. — Der Kongress lehnte den 
Decle'schen Antrag ab, weil er einen politischen Charakter trüge. 

Unter den weiteren Rednern zur afrikanischen Sache sei noch 
Slatin Paschas erwähnt. Er schilderte seine Erlebnisse während 
einer 11jährigen Gefangenschaft beim Mahdi und gab der Ueber- 
zeugung Ausdruck, dass die Macht des Mahdi auf schwachen Füssen 
stehe und der religiöse Enthusiasmus, welcher ihr bisher als Halt 
gedient, die Sudanesen zu verlassen beginne. 

Im Anschluss an vorerwähnte Themata der 4. Allgemeinen Ver- 
sammlung wurde in der am gleichen Tage abgehaltenen Sitzung der 

2 



18 

Sektion B auf Antrag des Generallieatnant E. F. CkapmaD das 
Interesse der geographischen Oesellschaften für exaktere Aufnahmen 
und Kartirung Afrikas wachgerufen, welches in folgenden auch vom 
Kongress gebilligten Thesen seinen Ausdruck fand: 

1. Genaue topographische, auf Triangulation basirende 
Aufnahmen derjenigen Gebiete Afrikas, welche für Kolo- 
nisation durch Europäer geeignet erscheinen, sind an- 
zustreben. 

2. Geographische Eeisende sind anzuweisen, sich 
nicht nur auf Aufnahme ihres Keisewegs zu beschränken, 
sondern weitere Gebiete gleichzeitig zu skizziren. 

3. Es ist erwünscht, eine Liste derjenigen Orte 
Afrikas aufzustellen und zu publiziren, welche astro- 
nomisch festgelegt worden sind, gleichzeitig aber auch 
die Beobachtungsmethode zu bezeichnen. 

4. Einegenaueastronomische Festlegung der wichtigsten 
Plätze des unvermessenen Afrika an den bereits er- 
richteten oder im Entstehen begriffenen Telegraphen- 
linien ist zu erstreben. 

Den Schluss dieser Sitzung bildete die Vorlage einer > Crestopraphic- 
Map of Africa« betitelten Karte des Herrn Silva White. ') Diese 
Karte verfolgt den Zweck, vermittelst Kurven nach Art der Höhen- 
schichten-Kurven zu zeigen, welche Gebiete Afrikas der europäischen 
Besitznahme am meisten Widerstand leisten. 

Am Nachmittage des 31. Juli trat die Sektion C zusammen, um 
weitere ozeanographlsche und limnologische Mittheilungen entgegen 
zu nehmen. Zunächst legte Herr Prof. Dr. Otto Petterson aus 
Stockholm einen Entwurf zu einer internationalen hydrogi*aphischen 
Aufnahme der Ostsee, Nordsee und des Nord -Atlantischen Ozeans 
vor, welcher in folgender Fassung die Billigung des Kongresses 
gefunden hat: »Der Kongress, in voller Würdigung der 
wissenschaftlichen und wirthschaftlichen Bedeutung 
(namentlich hinsichtlich der Hochseefischerei) neuerer 
hydrographischer Forschungen in der Ostsee, Nordsee 
und im Nord-Atlantischen Ozean, spricht seine lieber- 
Zeugung dahin aus, dass die Untersuchungen in diesen 
Meeren fortgesetzt und eine Kooperation der verschiedenen 
Staaten auf Basis des von Prof Dr. Pettersson vor- 
gelegten Entwurfes erstrebt werden solle.« 

*) Zuerst im Scottish Geographica! - Magazin 1891 unter dem Titel »Comparativc 
Value of African Lands 1891« publicirt. 



19 

Sodann berichtete Herr H. N. Dickson über seine Unter- 
snchangen der Circulation und des Salzgehalts des Meerwassers, 
angestellt im Auftrage des ^Fishery Board for Scotlandc an Bord 
I. M. S. > Jackall c im August und November 1893, und Herr F. A. 
Pezet (Lima) reihte daran Betrachtungen, welche den »El Ninoc 
benannten Gegenstrom an der Küste des nördlichen Peru betreffen. 
Dieser Gegenstrom, so meinte Pezet, sei von bedeutendem Einfluss 
auf das Klima der von ihm berührten nordperuanischen Küsten. Er 
scheine in den letzten Jahren Aenderungen erfahren zu haben, deren 
Ursprung auf die selten schweren Regenfälle des Sommers 1891, die 
den Strom in einer ungewöhnlichen Weise bemerkbar gemacht hätten, 
zurückzuführen sei. 

Das Interesse, welches seitens der Geographen neuerdings der 
»Seenkunde (Limnologie) « zugewandt wird, hatte Prof. F. A. Forel 
(Genf) veranlasst, seine Ideen über die Limnologie als Zweig der 
Geographie der Section C vorzutragen. Er vindicirte ihr sowohl den 
Charakter einer Wissenschaft, als den eines besonderen Zweiges der 
Geographie. Sie habe sich auf die Hydrographie (Beschreibung und 
Charakteristik), Geologie (Genesis), Petrographie (Zusammensetzung 
des Bodens), Hydrologie (Zu- und Abfluss etc.), Klimatologie (atmos- 
phärische Erscheinungen), Chemie (Zusammensetzung des Wassers), 
Thermisches (Temperatur- Verhältnisse etc.), Optisches (Transparenz 
und Farbe) und auf Biologie (Studium der Fauna und Flora) der 
Seen zu erstrecken. 

Anschliessend an Foreis Deduktionen berichtete Dr. Bob er t 
Hill über dasjenige, was bisher auf dem Gebiete der Limnologie auf 
den Britischen Inseln geschehen ist und speziell über seine eigenen, 
die Entwickelung der Seenkunde des englischen Seengebietes be- 
treffenden, in extenso im Juli - August - Heft des diesjährigen Geo- 
graphical Journal publizirten Arbeiten. 

Bei Besprechung der antarktischen Frage (Seite 7) habe ich 
bereits auf die 1894—95 (25. Sept. bis 12. März) von Melbourne ab 
nach Süd-Victoria-Land ausgeführte Reise des Norwegischen Wal- 
Dampfschiffes »Antarctic« unter Führung des Kapitän Leonard 
Kristensen hingewiesen. In der 5. Allgemeinen Versammlung 
am 1. August schilderte der Naturforscher C. E. Borchgrevink aus 
Kristiania, welcher sich zur Zeit des Abgangs des »Antarctic« in 
Melbourne aufhielt und sich aus wissenschaftlichem Interesse als ein- 
facher Matrose an Bord des »Antarctic« hatte verheuern lassen, seine 
Erlebnisse auf dieser Fahrt. Die Details der Expedition sind durch 
Publikation eines Keiseberichts des Kapitän Kristensen an das 



20 

Australische Antarktische Explorations-Komitä in Melbourne i^owie 
durch Vorträge der Herren Borchgrevink und H. J. Bull (Dis- 
ponent der Khederei an Bord des > Antarctic t) vor der Royal Geographical 
Society of Australasia am 19. März 1895*) mittlerweile weiteren 
Kreisen bekannt geworden. Sie umfassen einerseits die kommerziellen, 
andererseits die wissenschaftlichen Ergebnisse. Während erstere 
negativer Art waren ^), haben letztere mancherlei Interessantes zu 
Tage gefordert, was künftigen Expeditionen zur Richtschnur dienen 
kann. Sie haben vor Allem bewiesen, dass ein Landen im Süd- 
Yictoria-Lande zur Sommerzeit unschwer zu bewerkstelligen ist und 
einem Vordringen auf dem Festlande gen Süden anscheinend keine 
unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen. Auch hat das am 
22. Januar unter 74 " 10 ' S. Br. angetroffene, nach allen Richtungen 
hin offene Fahrwasser sich zum weiteren Vordringen per Schiff als 
geeignet erwiesen. Kapitän Kristensen hat die Ueberzeugung 
gewonnen, dass der Packeisgürtel unter 179° O. L. v. Gr. im Januar, 
Februar und März am leichtesten zu durchbrechen sein wird. Er 
wird gebildet aus den Eismassen, welche jeden Winter in der Bucht 
des Victoria- Landes entstehen und im Sommer in Folge des starken 
nördlichen Stromes (stellenweise mit 4 — 5 Knoten Geschwindigkeit) 
in Verbindung mit den vorherrschenden Winden in nördlichere 
Regionen (zwischen 60 und 65® ß. Br.) getrieben werden. Die 
Temperatur der Luft in der Bucht des Victoria- Landes hielt sich 
konstant auf dem Gefrierpunkt. Die niedrigste Temperatur der Luft 
innerhalb des antarktischen Gebietes betrug — 5" C (25® F), die 
höchste 7,8 °C (46" F). Die Temperatur des Wassers im Packeis 
betrug — 2"C (28» F). 

Dem Borchgrevink' sehen Vortrage folgte Herr Prof. Dr. C. M. 
K a n (Amsterdam) mit einer Abhandlung über den Stand der geo- 
graphischen Untersuchungen in der Westhälfte von Neu-Guinea. Als- 
dann sprach Herr David Lindsay (London) über die Erschliessung 
der 350 ÜOO Square miles umfassenden unbekannten Gebiete Australiens, 

*) Siehe : Journal, Notes and Addresses on the Voyage of thc Norwegian iS. S. 
Antarcticc to the South Polar Seas in the Years 1894 — 95. Edited under the Authority 
of the Council of the Royal Geogr. Society of Australasia (Victorian Branch) by Messrs. 
Macdonald and Pott er. Melbourne. — Ferner: The Geographical Journal, June 1895, 
London, und Norske Sjöfartstidende, 9.— 12. Sept. 1895. Kristiania. 

-) Der Retwal (Balaena), auf dessen Fang Alles basirt war, wurde wider Erwarten 
nicht angetroffen ; Finnwale (Balaenoptera) hingegen überall reichlich zwischen 64 u. 74 ** S. Br. 
Die Jagd auf letztere lohnt nur da, wo man wie in Norwegen Gelegenheit findet und 
Einrichtungen getroffen hat, ausser dem Speck auch den Körper und die Knochen zu 
Dünger zu verarbeiten. 



21 

und Herr E. F. Gautier (Paris) aber seine in den Jahren 1892-94 
im Westen Madagaskars ausgeführten Reisen. 

Die Sektions-Sitzungen des 1. August erstreckten sich auf Karto- 
graphie (Sektion B) und physische Geogi*aphie (Sektion C). Die 
kartographischen Vorträge begannen mit dem Projekt des Professors 
an der Brüsseler Privat-Universität Elis6e Reclus, betreffend 
die Konstruktion eines Relief- Erdglobus im Maasstabe von 
1 : 100 000 im richtigen Verhältniss der Höhen zu den Grundflächen 
und der Aufstellung desselben in einem der Centren des Weltverkehrs, 
in London, Paris oder New York unter grösstmöglichster Erleichterung 
der Benutzung. Es ist sehr zu beklagen, dass ein Mann wie Elis6e 
Reclus, der bei allen Fachleuten durch seine 19 Bände umfassende, 
unvergleichliche Nouvelle Geographie Universelle in hohem wissen- 
schaftlichen Renommee steht, dem Kongi*esse nichts Anderes zu 
bieten für gut befunden, als diesen seltsamen Vorschlag der An- 
fertigung eines Riesen-Globus von 127,1 m (417 engl. Fuss) Durch- 
messer. Man wird begreiflich finden, dass der sich an die Worte 
Reclus' anschliessenden Aufforderung des HeiTu von Hesse- 
Wartegg: »durch Erheben von den Sitzen den Ausdruck der Ver- 
ehrung und Bewunderung für den Verfasser der Nouvelle Geographie 
Universelle zu erkennen zu geben«, in dem gegebenem Momente von 
Manchem nur ungern entsprochen wurde. 

Der bekannte Pariser Geograph L. Drapeyron machte sodann 
einige Mittheilungen über das Leben und die geographischen Arbeiten 
Cassini de Thury's (geboren 1714, gestorben 1784), Verfassers 
der ersten topographisehen Karte Frankreichs, und Herr V. von 
Haar dt (Wien) legte seine druckfertige ethnographische Karte von 
Europa (1 : 3 000000) vor. Der Verfasser beabsichtigt, auch die 
übrigen Erdtheile in derselben Weise herauszugeben und mit einem 
Texte zu versehen. 

Was die Vorträge der Section C (Physische Geographie) am 
1. August anlangt, so sprach Herr Prof. J. Palacky (Prag) über 
die geographischen Bedingungen für die Entwicklung der Pflanzen 
und Thiere, Herr Prof Dr. E. Naumann (München) über die 
Grundlinien Anatoliens und Centralasiens, Herr Dr. S. Pas sarge 
(Berlin) über Rotherden und Laterite in Afrika und Indien und 
Hen- Henry G. Bryant (Philadelphia) über die nördlichsten 
Eskimos auf Grund seiner 1891 an der Küste Labrador's und 1892—94 
in Nord- und Süd-Grönland gesammelten Erfahrungen. 



') Asien ist bereits 1887 erschienen. 



22 

Die 6. Allgemeine Sitzung (2. August) war vorwiegend der 
historischen Geographie gewidmet. In erster Linie hatte sich Herr 
Prof. A. E. von Nordenskiöld (Stockholm) vorbehalten, über alte 
Seekarten und Segel -Anweisungen zu sprechen. Durch den vor 
Kurzem erfolgten Tod seines Sohnes am persönlichen Erscheinen ver- 
hindert, übernahm es der Präsident Markh am, Nordenskiöld's 
Arbeit zu verlesen. Es ist natürlich misslich, über einen Vortrag zu 
referiren, der bisher nur durch Verlesen und in fremder Sprache zur 
Eenntniss der Versammlung gebracht werden konnte; daher beschränke 
ich mich darauf, als Kernpunkt des Nordenskiöld' sehen Themas 
»die Noth wendigkeit zu bezeichnen, die alten Portulane (Segelan- 
weisungen) der atlantischen Gestade mit den alten nautischen Karten 
in Beziehung zu bringen«. 

In engem Zusammenhang mit dem vorerwähnten Vortrag, stand 
der darauf folgende des Herrn Geheimrath Prof. Dr. Hermann 
Wagner (Göttingen): »über den Ursprung der italienischen See- 
karten des Mittelalters»^). Dieser Gegenstand, der bereits auf dem 
diesjährigen XI. Deutschen Geographentag in Bremen von Wagner 
mit grossem Beifall behandelt worden war, seheint in London nicht 
das richtige Verständniss gefunden zu haben, denn in dem soeben 
im September - Heft des Geographical Journal, des Organs der 
Londoner Geographischen Gesellschaft, erschienenen Kongress- Bericht, 
ist weder des Namens Hermann Wagner Erwähnung gethan, noch 
auf die Bedeutung seiner für die Geschichte der Nautik und Karto- 
graphie höchst werthvollen Arbeit aufmerksam gemacht worden, ob- 
gleich Wagner, um allgemein verstanden zu werden, in englischer 
Sprache vortrug. 

Sodann sprach Herr H. Yule-Oldham, Professor an der Uni- 
versität Cambridge über den Werth mittelalterlicher Manuskriptkarteu 
für das Studium der Geschichte der geographischen Entdeckungen 
und wies im Speziellen auf die in vielen Bibliotheken verstreuten 
Portulane hin, die meist für praktische Zwecke gemacht, oft werth- 
volle Beiträge für die Geschichte unserer Wissenschaft enthielten 
und vielleicht den Nachweis einer praekolumbianischen Entdeckung 
Amerikas zu liefern vermöchten. Sorgfältige photographische Re- 
l)roduktion derselben sei zu empfehlen. 

*) Wagner ist in scharfsinniger Weise der Nachweis gelungen, dass die plötzlich 
um das Jahr I3CX> auftauchenden zierlichen und mit überraschender Richtigkeit ge- 
zeichneten italienischen Seekarten keine loxodromischen Karten, wie B reusing behauptet, 
sondern Uebersichtskarten sind , welche nach vorhandenen Plan-Karten verschiedenen 
Maasstabes und weit älteren Datums zusammengeschweisst wurden. 



23 

Mit der Demonstrirang einer alten rassischen Karte aus dem 
17. Jahrhundert and Erklärung der charakteristischen Momente 
derselben durch Herrn Prof. Anutschin (Moskau) schlössen die 
historischen Vorträge ab. Ihnen folgten Betrachtungen des Herrn 
W. L. d'Abartiague (Paris) über die Basken zu beiden Seiten der 
West-Pyrenäen, dem einzigen Volksstamm Europas, über dessen 
Ursprung man im Unklaren sei, dessen Tage gezählt zu sein schienen 
und dessen Sprache der Korruption anheim zu fallen drohe. Geographen, 
Ethnographen und Linguisten sei das Studium der Basken dringend 
zu empfehlen. 

In der am Nachmittag des 2. August abgehaltenen Sitzung der 
Section B wurde eine Arbeit des bekannten Höhlenforschers E. A. 
Martel (Paris), der persönlich zu erscheinen verhindert worden 
über Höhlenfunde verlesen. Sie bezweckte in erster Linie, britische 
Höhlenforscher zum Studium der bisher wenig bekannten englischen und 
irischen Höhlen anzuregen. — Alsdann sprach Herr M. F. Schrader 
(Paris) über die Pyrenäen und die seit 20 Jahren bei topographischen 
Aufnahmen derselben von ihm angewandten Tachiographen und Oro- 
graphen, Instrumente resp. Maschinen zum Aufnehmen von Skizzen. — 
Ihm folgte Herr Prof. Dr. J. J. Rein (Bonn) mit einem Vortrage 
über die spanische Sierra Nevada auf Grund eigener Forschungen im 
Jahre 1892. 

In der gleichzeitig tagenden Sektion C trug Herr Prof. A. Penck 
(Wien) über die Morphologie der Erdoberfläche und Herr J. Batalha- 
Reis (Portugiesischer Konsul in Newcastle on Tyne) über die 
Definition der Geographie als Wissenschaft vor. — Den Wünschen 
des Herrn Prof. G. Gerland (Strassburg i/E.) in Betreffeines inter- 
nationalen Systems von Stationen zur Beobachtung von 
Erdbeben, wurde durch einen darauf bezüglichen Sektions-Beschluss, 
welcher am folgenden Tage auch die Billigung des Kongresses fand, 
einstimmig Rechnung getragen. 

Am Sonnabend, den 3. August, fand die 7. und letzte Allgemeine 
Versammlung statt. Für sie war nur ein Vortrag reservirt, im 
Uebrigen sollten die restirenden Anträge zur Abstimmung gebracht 
und die üblichen Schlussreden gehalten werden. Der Kaiserlich Russische 
General Annenkoff, der Erbauer der transkaspischen Bahn, hielt den 
angekündigten Vortrag »über die Bedeutung der Geographie im 
Hinblick auf die gegenwärtige wirthschaftliche und landwirthschaftliche 
Krisisc. Von dem Standpunkte ausgehend, dass die Zeit der grossen 
geographischen Entdeckungen vorüber, dass die Verbesserungen der 
Verkehrsmittel mit den Entdeckungen Schritt gehalten und ein 



34 

internationaler Handel alle Völker der Erde umspanne, könne der 
Tag nicht mehr fern sein, an welchem Angebot und Nachfrage nach 
Produkten gleichmässig über Tausende von Meilen vertheilt sein 
würden. Nichtsdestoweniger gäbe es zur Zeit noch Distrikte ein und 
desselben Landes, welche hinsichtlich ihrer Ei^eugnisse und 
Produktionsfähigkeit nichts von einander wüssten und in Folge dessen in 
dieser oder jener Hinsicht Mangel litten. Hier einzugreifen, sei Sache der 
geographischen Gesellschaften. Sie seien berufen, sich in den Dienst der 
Humanität zu stellen, auf Verbesserung der Lebensbedingungen, auf 
Befriedigung der Lebensbedürfnisse und hauptsächlich auf Beschaffung 
von Nahrungsmitteln durch Studium der einschlägigen Verhältnisse 
neu erschlossener Gebiete hinzuwirken. Dasjenige, was man über 
diese Verhältnisse aus Konsulatsberichten oder durch kommerzielle und 
industrielle Vereinigungen zu wissen bekäme, sei meist nicht zuverlässig 
und werde von politischen und kommerziellen Interessen beeinflusst. 
Mit einem Dank an den Redner ging der Präsident Mark harn 
zur Abwickelung der noch zu erledigenden Geschäfte über. Diese 
betrafen die bereits bei Besprechung der einzelnen Themata mitge- 
theilten Eongressbeschlüsse. Zu ihnen gesellte sich noch der allgemein 
getheilte, vorwiegend englische Verleger angehende Wunsch des Herrn 
Jacques Leo tard(Marseille), dahin zu wirken, dass alle geographischen 
Karten künftig mit dem Datum der Publikation bedruckt werden 
möchten, um Irrthümern vorzubeugen. — Alsdann schritt man zur 
Wahl des nächsten Kongressortes. Der Delegirte der Vereinigten 
Staaten von Nord- Amerika, Herr W. Woodville Rockhill, der 
bekannte Tibet- Reisende, trug zunächst eine Einladung seiner Regierung, 
unterstützt von anderen wissenschaftlichen Korporationen der Vereinigten 
Staaten, vor, die in verlockendster Weise auf Washington als nächsten 
Kongresssitz abzielte. Im Namen der den Kongress besuchenden 
Deutschen schlug alsdann Herr Geheimrath Dr. Neumayer Berlin 
als nächsten Kongressort vor. Ihn unterstützte der Vorsitzende der 
Berliner Gesellschaft für Erdkunde, Herr Prof. von den Steinen. 
Da die meisten Stimmen des Seniorenkonvents sich bereits zu 
Gunsten Berlins geeinigt hatten und Herr General Greeley Namens 
der anwesenden Amerikaner die Gründe anerkannte, welche zu Gunsten 
Berlins sprachen, so wurde Berlin gewählt und der nächste Kongress 
auf 1899 anberaumt. 



*) Unter Seniorenkonvent sind die Präsidenten und Vicepräsidenten der einzelnen 
Sitzungen zu verstehen, welche Vorberathungen über Anträge hielten und Stellung dazu 
nahmen. 



25 

Somit war das immense Programm des Kongresses erschöpft, und 
der Vorsitzende des organisirenden Ausschusses, Hen* Major Leonard 
Darwin, konnte mit Befriedigung derjenigen Komit6-Mitglieder ge- 
denken, welche unter seiner Führung sich um den würdigen Verlauf 
des Kongresses verdient gemacht hatten. 

Zum Schluss gab noch der Präsident eine kurze Uebersicht über 
die Arbeiten des Kongresses, unter denen er den Beschluss der Um- 
wandlung des Kongresses von einem internationalen Stern am Firmament 
der Wissenschaft in einen konstanten Fixstern als die wichtigste 
Errungenschaft bezeichnete. Es folgte sodann der Dank der Ver- 
sammlung an den Präsidenten Markham, welchem die Herren 
Professoren de Lapparent (Paris) und Semenow (St. Petersburg) 
in warm empfundenen und allgemein getheilten Worten Ausdruck gaben. 

Es bleibt mir jetzt noch übrig, über die mit dem Kongress ver- 
knüpfte geographische Ausstellung in Kürae zu berichten, welche von 
Herrn E. G. Ravenstein in den Räumen des Imperial Institute 
veranstaltet worden war. Wer einmal eine derartige Ausstellung im 
Anschluss an einen Kongi-ess zu arrangiren gehabt hat, der wird 
meine Ansicht theilen, dass es kaum eine undankbarere Aufgabe giebt. 
Sie erfordert viel Geschick, noch mehr Verständniss, einen grossen 
Zeit- und Kraftaufwand und wird schliesslich meist nicht dem- 
entsprechend gewürdigt. Bei der Fülle der in London zu verhandelnden 
Themata und der Unsumme der den fremden Kongressbesucher an- 
ziehenden öffentlichen Sammlungen und Museen, konnte dem eifrigsten 
Mitgliede nur geringe Zeit zum Besuch der geographischen Ausstellung 
verbleiben. Die Meisten werden sich mit einem Ueberblick und mit 
dem Bewusstsein, an einem sorgsam ausgearbeiteten Katalog daheim 
das Weitere nachholen zu können, haben begnügen müssen. Aehnlich 
Ist es auf früheren internationalen und nationalen Kongressen gegangen 
und wird es künftig gehen, wenn nicht mit dem bisherigen System 
gebrochen und die Ausstellungen auf anderen Prinzipien aufgebaut 
werden. Zu diesen rechne ich in erster Linie eine Einreihung der 
Ausstellung in das Tagesprogramm und ein systematischer gruppen- 
weiser Besuch derselben unter Führung von Sachverständigen. Wer 
die heiTliche und mit so seltenem Verständniss von Geheimrath 
Wagner aufgebaute historisclie Karten- Ausstellung auf dem Bremer 
diesjährigen XI. Deutschen Geogi'aphentag gesehen und nun wieder 
in London wahrgenommen hat, welchen Fleiss Herr Raven stein der 
Aufstellung von historischen Karten-Denkmälern und Herr John 
Coles der Vorftihrung von alten Messinstrumenten etc. gewidmet, 
ohne damit der vorhandenen Wissbegierde auch nur im Entferntesten 



26 

• 

gedient zu haben, der wird mit mir das Bedürfniss nach einem künftig 
geregelten Besuch der Ausstellung theilen müssen. *) Aber noch einen 
zweiten Punkt möchte ich bei künftigen Ausstellungen der Erwägung 
empfohlen halten; dieser betrifft ein systematischeres Arrangement 
der geographischen Lehrmittel. Ich verkenne die Schwierigkeiten 
nicht, w^elche sich demselben entgegenstellen w^erden, namentlich 
werden die Verleger von Schul- Wandkarten solche hervorsuchen, 
indessen sollte man sich dadurch nicht beirren lassen und es eventuell 
mit Umgehung der Verleger aus den Beständen der Staatsinstitute 
(Bibliotheken, Schulen) zu erreichen sich bemühen. Ich meine eine 
Ausstellung von Wandkarten der verschiedensten Autoren und Verleger 
nach Ländern geordnet, dergestalt, dass man beispielsweise in 
einem Saale eine vergleichende Uebersicht der besten in Deutschland 
publizirten Schul- Wandkarten von Afrika oder Amerika etc. vereinigt 
fände. Meiner Erfahrung nach würde dies für Lehrer von grossem 
Nutzen und Interesse sein, gegenüber der bisher verfolgten Methode, 
Karten von Afrika etc., die gleichen Zwecken dienen sollen, auf 
verschiedene, weit von einander abliegende Räume vertheilt, unter 
der Firma des Verlegers ausgestellt zu sehen. 

Was die Londoner Ausstellung im Speziellen anlangt, so hatte 
der zur Verfügung stehende Raum von vorne herein eine Beschränkung 
auf nur auserlesene, vorbildliche Gegenstände vorgeschrieben. Sie 
konnte in Folge dessen bei Weitem nicht den Umfang erhalten, 
wie die früheren Ausstellungen in Paris und Venedig, ja selbst 
nicht wie diejenige des Berner Kongresses. Aber auch dem inneren 
Werth nach ist sie hinter diesen zurückgeblieben, was seine Erklärung 
in der Nichtbeschickung grosser Staaten wie Russland finden mag. 
Unstreitig zeichnete sich die deutsche Abtheilung durch geschmack- 
volle Aufmachung vortheilhaft vor den übrigen aus. Der Dank gebührt 
einerseits dem Herrn Reichskanzler, welcher durch eine pekuniäre 
Unterstützung die geschmackvolle Ausstattung ermöglicht hatte, 
andererseits der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin, welche sich der 
Mühe einer deutschen Sammel- Ausstellung unterzogen und in ihrem 
Präsidenten und Generalsekretär, den Herren Prof. Karl von den 
Steinen und Hauptmann Kollm und Dr. Wegener unermüdliche 
Helfer gefunden hatte. — Die Ausstellung erstreckte sich auf Mess- 
instrumente, Land- und Seekarten, Globen, Reliefkarten, Modelle, 
Photographien und Bilder aus dem Gebiete der Erdkunde, Aus- 



^) Dr. K. Peucker äussert sich in gleichem Sinne in einem Bericht über den 
diesjährigen Bremer Geographentag, vergl. Mittheüungen der K. K. geogr. Gesellschaft 
in Wien. XXXVIII, No. 5 u. 6 p. 330. 



27 

rtistung für Reisende, historische Gegenstände und Veröffentlichungen 
von geographischen Gesellschaften. Ausserdem waren in den Bäumen 
des Britischen Museums aus den Beständen der Museums-Bibliothek 
61 verschiedene Manuskriptkarten, Portulane, gestochene Karten und 
Atlanten und 258 Astrolabien, Quadranten und Sextanten von be- 
sonderem historischen Interesse zu einer Extra- Ausstellung vereinigt. 
Die getrennte Ausstellung war durch die Bibliotheksgesetze, die 
kein Verleihen der dem Britischen Museum einverleibten Gegenstände 
ausserhalb der Bibliotheksräume gestatten, gegeben. Bei der knappen 

Zeit wurde der Besuch dadurch sehr erschwert, ja Vielen sogar 
unmöglich gemacht. 

Einen nicht unbedeutenden Theil der Kongressprogramme pflegen 
die geselligen Vereinigungen in Anspruch zu nehmen und mit Recht; 
denn durch sie wird eine persönliche Annäherung und ein freier Ge- 
dankenaustausch der Mitglieder ermöglicht. London excellirte in dieser 
Hinsicht vor allen früheren Kongressen und bot den Fremden durch 
» Receptions« der verschiedensten Art einen Einblick in das englische high 
life, wie er sonst nicht so leicht zu haben ist. Eine kleine Blumenlese 
derselben kann ich mir als bescheidenen Ausdruck des Dankes für 
die überaus liberale Gastfreundschaft nicht versagen: 

26. Juli, Abends: gesellige Vereinigung und Concert des Strauss'schen 
Orchesters im Garten des Imperial Institute. 

27. Juli: Diner im Ship Hotel in Greenwich, gegeben von den 
Geographical und Kosmos Clubs. 

28. Juli, Abends: Kommers im Deutschen Athenaeum. 

29. Juli, Abends: Empfang seitens des Right Hon. George 
N. Curzon. 

30. Juli, Nachmittags: Gartenfest der Frau Baronesse Burdett- 
Coutts in HoUy Lodge. 

Abends: Anniversary- Dinner of the Royal Geographical Society 
im Hotel Metropole. 

31. Juli, Nachmittags: Themsefahrt Aussah wärts, gegeben von Herrn 
Peek (M. R). — Diner bei der Zunft der Fishmongers. — Abend- 
fest im Botanischen Garten. 

1. August, Nachmittags: Empfang seitens des Herrn Direktor 
Thiselton Dyerin Royal Gardens, Kew. 

2. August, Nachmittags: Empfang seitens des Lord Northbrook. 
{Abends: Empfang sdtens des Herrn Präsidenten Markham in 
der Gallerie des Royal Institute of Painters in Water Colours. 

3. August: Abendessen im Savage Club. 



28 

4. August: Themsefahrt stromaufwärts, gegeben von Herrn R o b e r t 
Kaye Gray. 

6. August: Besuch der Universitäten Oxford oder Cambridge. 

7. August: Besichtigung des Ordnance Survey Office in Southampton. 

8. August: Exkursion nach Liverpool. Abends: Empfang seitens 
des Lord Mayor von Liverpool in der Town Hall. 

9. August: Besichtigung Liverpools und Fahrt auf dem Mersey. 
10. August: Exkursion nach Edinburgh. 



Die Geographische Ausstellung 

auf dem 

Internationalen Geographen-Kongress in London 

1895 



von 

H. Michow. 



Der vorstehend mitgetheilte Bericht des zum Londoner Kongress 
deputirten Herrn Friederichsen nimmt zum Schluss auch auf die 
mit dem Kongress verbundene Geographische Aasstellung Bezug, in- 
dem er dieselbe nach ihren Hauptzügen charakterisirt. Im Folgenden 
soll, unbeschadet des in vorstehendem Eongressbericht über die Aus- 
stellung gefällten Urtheils, der Versuch gemacht werden, von dem 
Vielen, was immerhin von den Ausstellern geboten wurde, Einzelnes 
und zwar das, was von allgemeinerem Interesse zu sein schien, in der 
von den Ausstellern selber beliebten Ordnung und Gruppirung vor- 
zuführen. 

Die für die Ausstellung bestimmten Räume, eine Flucht von 
Zimmern und mehrere Corridore, waren für das dargebotene Material 
lange nicht ausreichend. Durch Aufstellung von Scheerwänden , die 
kaum das Begegnen mehrerer Personen gestatteten, war jede Ueber- 
sichtlichkeit genommen und die schönsten Objekte mehrfach nur 
mühsam auf Kamin- Gesimsen u. dgl. zusammengehäuft. 

Eine rühmliche Ausnahme machte die deutsche Ausstellung, 
welche den ersten, einen grösseren Baum ausfällte. Dieselbe war im 
Auftrage der Berliner Gesellschaft für Erdkunde durch deren Präsidenten 
Prof. von den Steinen und General- Sekretär Hauptmann Kollm 
arrangirt worden. Durch Draperien war diesem Baum ein wohnliches 
Aussehen gegeben, keine Querwände hinderten die XJebersicht; da- 
gegen luden die auf bequemen Tischen ausgebreiteten Kunstwerke 
und inhaltreiche Mappen zur Besichtigung ein. Ausgestellt waren 
hier, wie überall, vornehmlich Kartenwerke und andere Erzeugnisse 




30 

geographischer Veranschaulichungs-Technik; Textwerke treten nach 
der Natur der Sache bei solcher Gelegenheit sehr zurück. Die 
grösseren Kartenwerke bedeckten die Wandflächen. Letztere, auf den 
drei Innenseiten des Raumes, waren über den Karten gekrönt mit 
drei grossen, von dem Maler Kuhnert zu diesem Zwecke herge- 
stellten Landschaftsgemälden (etwa 4 m lang bei 2 m Höhe), Motive 
aus unseren Kolonien. Das eine stellt den Kilimandscharo von der 
Südostseite dar nach Skizzen, welche der Künstler an Ort und Stelle 
(1891/92) genommen; das zweite nach Skizzen des Grafen Götzen 
(eines der letzten Durchquerer Afrika's) ein Nachtlager seiner Karawane 
am Fusse des rauchenden Kirunga-Vulkans bei Mondschein; das dritte 
ein Motiv aus Kaiser- Wilhelmsland auf Neu-Guinea nebst zwei 
typischen lebensgrossen Portraits dortiger Eingeborener. Zur Ermög- 
lichung dieser ebenso imposanten wie interessanten Dekoration hatte 
die preussische Regierung eine namhafte Summe beigesteuert. 

Auch an Ausstellungsobjekten hatten die Reichs- wie die 
preussischen Landesämter Ausgezeichnetes hergeliehen , auch die 
Landesämter von Bayern, Baden und Hessen waren mit Arbeiten ver- 
treten. Wir erwähnen die Internationale Geologische Karte von 
Europa (1 : 1 500 000) in den drei bis jetzt fertigen Sektionen (Island 
und Frankreich), welche im Auftrage des Internationalen Geologen- 
Kongresses, seit langer Zeit vorbereitet und im Manuskript fertig, 
durch die Preussische Geologische Landesanstalt ausgeführt wird. 
Die Karte zeigt die durch internationale Uebereinkunft für diesen 
Zweck angenommene neue preussische Farbenskala, die für den an 
die alte Dechen'sche Skala Gewöhnten etwas Befremdendes hat. Die 
in Mitteleuropa weit verbreiteten sekundären Formationen des Jura 
u. s. w. zeigen statt des früheren freundlichen lichtblauen oder grünen 
Tones ein sehr deckendes Violett ; dafür hat aber in der neuen Skala 
jede Formationsgruppe in allen Abstufungen ein und denselben Grund- 
ton. Erwähnt sei ferner die geologisch - agronomische Spezialkarte 
Preussens (1 : 25 000) , auf der die Bodenverhältnisse (wohl zu Boni- 
tirungszwecken) nach ihrer mineralogisch-chemischen Zusammensetzung 
dargestellt sind; ferner ein geologisches Relief des Harzes ohne 
Ueberhöhung. 

Beigetragen hatten ferner mehre geographische Gesellschaften 
Deutschlands; besonders unsere Hamburger und die Berliner Gesell- 
schaft waren mit ihren zahlreichen Publikationen vertreten, diminter 
die ersten direkten Photographien des Nordlichtes, durch Brendel 
in Bossekop aufgenommen, und Drygalski's grossartige Photographien 
grönländischer Gletscher. 



31 

Für die [deutschen Forscher und Reisenden hatte die Berliner 
Gesellschaft eine besondere Ehrung vorgesehen, indem sie nicht nur 
eine grosse Zahl persönlicher Andenken an die hervorragendsten 
unter ihnen, wie Humboldt, Barth, Nachtigal ausgestellt, 
sondern auch ein umfangreiches Album von Photographien zusammen- 
gestellt hatte, welches unsere deutschen Forscher, sowohl lebende wie 
verstorbene, womöglich in ihren Reisekostümen, soweit eine Voll- 
ständigkeit zu erreichen war, nach ihren Forschungsgebieten gruppirt, 
zeigte. Auch eine Büste Emin Pascha's von H. Magnussen 
war aufgestellt. 

Eine Reihe Verlagsflrmen und Privat- Aussteller nahm den Rest 
dieses ersten Saales ein, vor Allen J. Perthes- Gotha und Dietr. 
Reimer (Hoefer& Vohsen), Berlin. Unsere Hamburger Firma 
L. Friederichsen & Co. hatte ihre hervorragenden nautischen 
Publikationen mit denen der Geographischen Gesellschaft vereinigt; 
ebenso unser Centralbureau der Bau-Deputation und Herr Obergeometer 
Stück (Relief der Central- Schweiz). Aus Perthes' Verlage er- 
wähnen wir die in 28 Sektionen ausgeführte und hier zu einem 
interessanten Tableau zusammengestellte VogeTsche Karte des 
Deutschen Reiches, 1 : 500000, schon in zweiter Auflage, eine in 
ihrer Terrainzeichnung ausserordentlich wirksame und durch Heran- 
ziehung alles ei^enklichen litterarischen Materials sehr zuverlässige 
Arbeit, die, in ihre Sektionen zerlegt, für den Handgebrauch sehr 
bequem ist und nicht genug empfohlen werden kann; auf Grund der 
Situationszeichnung derselben hat R. Lepsius eine geologische Karte 
Deutschlands geschaffen, die, in Handzeichnung fertig, gedruckt in 
einigen Sektionen vorlag. Ebenfalls im Erscheinen begriffen ist der 
deutsche Kolonial - Atlas von Lang h ans, auf 30 Blatt berechnet. 
Der Verfasser nimmt seine Aufgabe im weitesten Sinne, indem er 
sich nicht auf die deutschen Kolonien beschränkt, sondern die Ver- 
breitung des Deutschthums auf der Erde auch ausserhalb derselben 
zur Darstellung bringt und dabei allen Wirthschafts- und Verkehrs- 
verhältnissen Rechnung trägt. In seiner Tendenz geht er somit weit 
über einen eigentlichen Kolonial - Atlas hinaus und dürfte dem 
Kiepert' sehen Kolonial- Atlas erfolgreiche Konkurrenz machen. Die 
schulgeographischen Publikationen des Perthes' sehen Verlages, 
welche auf dem Berner-Kongress von 1891 in ihrer Vollständigkeit 
berechtigtes Aufsehen erregten und die höchste Anerkennung fanden, 
waren in London nur in Proben vertreten, haben sich auch längst 
in unsern Schulen eingebürgert. Genannt seien nur zwei neueste 
Werke, Supan's Schulgeographie, eine Musterleistung in einfacher 




32 

Darstellung, die wir, wo ein Leitfaden in der Hand des Lernenden 
für nöthig erachtet wird, nicht nur in Schulen, sondern auch zu 
privater Belehrung angelegentlichst empfehlen möchten. Neben 
diesem Textbuch im Gebranch gedacht ist Dr. Lüddecke's Schul- 
atlas , auf den im Texte fortlaufend verwiesen wird ; er enthält auf 
42 Seiten 71 freundliche und klare Eartenbilder, bietet Manches, was 
wir auch in den grösseren Schulatlanten vermissen und reicht für 
höhere Mädchenschulen wie Knabenschulen vollkommen aus. — Die 
Firma Dietr. Beim er- Berlin hatte die fertigen Sektionen von 
Eiepert's grosser Karte von Deutsch - Ostafrika ausgehängt; diese 
erscheint in 29 Sektionen im Maasstabe 1 : 300 000. Dahin gehört 
das reich illustrirte Werk von Reichenow: »Die Vögel Deutsch- 
Ostafrika's«, gewissermaassen als Fortsetzung der von unserm Ham- 
burger Dr. Stuhlmann eingeleiteten Monographien-Sammlung über 
das genannte Gebiet; ebenso Baumann's »B^ise durchs Massai- 
Landc, die zu den glänzendsten Thaten der afrikanischen Entdeckungs- 
geschichte zählt. Als besonders zeitgemäss erwähnen wir Futterer: 
»Afrika's Bedeutung für die Goldprbduktion 1895c und Schmeisser: 
> Vorkommen und Gewinnung der nutzbaren Mineralien in Transvaal 
1894t, welche, einander ergänzend, ein anschauliches Bild von der 
Goldproduktion Afrika's geben. Auch auf dem Gebiete der Schul- 
geographie leistet die Firma Dietr. Beimer Bedeutendes, einmal 
>durch ihre Globen, dann durch die schon vielfach eingebürgerten 
Kiepert' sehen Schul Wandkarten, die nach Annahme des grünen 
Tieilandskolorits nun auch den Sydow- Habe nicht' sehen Karten 
aus Perthes' Verlag ebenbüi*tig erscheinen. Genannt seien noch 
von Leipziger Publikationen BatzeTs Völkerkunde, 2. ed. in 2 Bänden, 
ein unentbehrliches Nachschlagewerk und zuverlässiger Bathgeber 
für Fachleute wie Laien, und als wichtigstes Handbuch fürs Deutsche 
Beich, ebenfalls in Neubearbeitung, Neumann's Ortslexikon des 
Deutschen Beiches. 

Von deutschen Privat- Ausstellern sei Professor Dr. Naumann- 
München erwähnt mit einer Beihe von Landes - Aufnahmen aus 
Japan und Kleinasien. Speziell interessant waren uns mehrere von 
ihm ausgestellte selbstgefertigte Apparate, welche er bei seinen Vor- 
lesungen über mathematische Geographie an der Universität benutzt. 
Es sind elementare Veranschaulichungsmittel , welche durch Unter- 
stützung der Baumvorstellung die siderischen Erscheinungen und ihren 
Zusammenhang mit den tellurischen verständlich machen sollen. Es 
sind dies ein Tellurium, welches mit Hülfe einer Schattenkappe die 
Beleuchtungsverhältnisse der Erdkugel veranschaulicht, die Ent- 



33 

stehang der Klimagürtel erklärt, das Verhältniss zwischen Tag- und 
Nacbtbogen für jeden Ort nnd jede Zeit bemisst, auch die Präzession 
der Tag- und Naehtgleichen und manches Andere verständlich macht; 
ferner ein Planetenschleifen- Apparat, der mit Hülfe zweier fester 
Planetenbahnen, auf denen Sternpnnkte als Planeten in Bewegung 
gesetzt werden können, die von dem einen Planeten gesichteten 
schleifenartigen Bewegungen des andern entstehen und graphisch 
fixiren lässt; ferner ein Universal- Globus, der der Naturbeobachtung 
dienen soll, auf dem, im Freien benutzt, die scheinbare Bewegung 
der Sonne direkt verfolgt werden kann; schliesslich eine Datums- 
scheibe, die das Verhältniss der Mitternachtslini^, auf der wir alle 
das Datum wechseln, zur Datumsgrenze veranschaulicht; erstere ver- 
ändert ihre Stellung nach der Jahresbewegung, letztere nach der 
Tagesbewegung der Sonne. Bei Benutzung der Apparate in dieser 
Reihenfolge wird vom Kopernikanischen Weltsystem aus- und zu den 
scheinbaren Bewegungen übergegangen. Zu der gewöhnlichen, umge- 
kehrten Methode lassen sich die Apparate ebenso gut benutzen, 
da sich die scheinbare Bewegung leicht in die wahre über- 
leiten lässt. 

Dass die deutsche Ausstellung nicht nur reich an innerem Gehalt 
war, sondern auch in Beachtung der äusseren Form ein nachahmungs- 
werthes Beispiel gegeben, wurde allgemein anerkannt. Die ungünstige 
Aufstellung der übrigen Abtheilungen hat uns gewiss manches werth- 
voUe Objekt übersehen lassen; wir können uns deshalb nicht an- 
heischig machen, hier irgendwie Vollständiges zu geben; was wir 
Nennenswerthes gesehen oder dafür gehalten haben, das heben wir 
aus dem Vielen heraus. 

In der Belgischen Ausstellung interessirte vor Allem die 
neueste Karte des Kongostaates, Probeblatt in vier Sektionen, 
1 : 2 000000, von Prof. Du Fief, General - Sekretär der Brüsseler 
Geographischen Gesellschaft, mit Einzeichnung der Wege aller kongo- 
staatlichen sowie fremden Expeditionen bis Juli 1895. Die Regierung 
des Kongostaates bot eine Eeihe von Photographien in grösstem 
Maassstabe dar, Scenerien aus dem Stationsleben am Kongo dar- 
stellend, wie die Beschäftigung der Eingeborenen an den staatlicher- 
seits aufgeführten Ziegelbauten und andere charakteristische Motive. 

In der Niederländischen Ausstellung sahen wir, ausser 
einer Waterstaats - Kaart von den grossen Wasserbauten bei 
Amsterdam, einen im Katalog fehlenden Schulatlas yon Bos: Natur- 
en staatkundige Atlas, der den Einfluss der deutschen Schul-Karto- 
graphie deutlich erkennen lässt; in den allgemeinen Karten hat unser 



I 



34 

deutscher Schul- Atlas von D e b e s Modell gesessen ; jener bietet aber 
auch manche Karten eigenartigen Inhaltes, die die für Holland 
charakteristischen Vorkommnisse zur Darstellung bringen. 

Portugal hat eine grosse Zahl unbedeutender, theils veralteter 
Brochuren und Textwerke ausgestellt, welche seinem Kolonisations- 
werk in Afrika dienen sollen. 

Die Schweiz konnte auf den Lorbeeren ausruhen, die sie in 
Bern 1891 sich erworben; sie ist hier schwach vertreten; wir sahen 
einige Sektionen des seit 1870 erscheinenden topographischen sogen. 
Siegfried - Atlas und einige aus den Sektionen dieses Atlas durch 
Kolorit hergestellte Reliefkarten im Maassstabe 1 : 25 000. 

Für Schweden hatte die Geologische Landesanstalt geologische 
Uebersichts- wie Spezialkarten, das Marine- Amt ein Seekartenwerk, 
ferner Dr. Gerard de Geer eine Reihe von Karten ausgestellt, die 
die geologische Entwickelung Skandinaviens seit der Eiszeit veran- 
schaulichen sollten. Ausserdem sind die schön ausgeführten Roth'schen 
Schulwandkarten und Almquist's, sowie Carlson's gut iliustirte 
geographische Leitfäden für Volksschulen zu nennen. 

Für Oesterreich-Ungarn hatte nur die Landesregierung 
von Bosnien und der Hei-zegowina neue Werke über ihr Gebiet u. A. 
eine topographische und eine Verkehrskarte ausgestellt. 

Italien war reichhaltiger vertreten, mit vielen Text- und 
Kartenwerken des Militärgeographischen und des Geodätischen Instituts, 
vor Allem Karten der Kolonie Erythraea, wo die Italiener in 
kürzester Zeit Erstaunliches geleistet haben, und geologische Auf- 
nahmen aus Italien. Auch das von der Firma Paravia & Co. in 
Turin, als Segment der Erdoberfläche ohne Ueberhöhung und mit 
Belassung der natürlichen Krümmung hergestellte Fomba'sche 
Relief von Italien (1 : 1000000) prangte hier, wie schon vor vier 
Jahren in Bern. 

Für Frankreich hatte das Kolonialamt eine Reihe von Publi- 
kationen über die französischen Kolonien in Afrika geliefert. 
Alfred Grandidier hatte eine grosse Sammlung Monographien über 
Madagaskar zusammengestellt, darunter sein eigenes 17 bändiges Werk : 
Histoire Physique, Naturelle et Politique de Madagascar, Paris 
1875—95, mit 1308 Tafeln und Karten, und topographische Karten 
der Insel, welche er nach den Aufnahmen der Jesuitenpatres 
Roblet und Colin aufs Sorgfältigste ausgearbeitet hat. — Die 
französische Landesaufnahme war mit feinen Arbeiten vertreten. 
Interessant war ein neues System, vermittels der Photographie 
Kataster- Aufnahmen zu macheu, wovon mehrere Proben vorlagen. — 



35 

Von verschiedenen Pariser Firmen waren gute Karten- und Text- 
werke ausgelegt, so die Atlanten von Vidal de la Blache, in 
mehreren Abstufungen, für den Hand- und Schulgebrauch berechnet 
und, dem französischen Ilnterrichtsprinzip, gemäss Geschichte und 
Geographie verbindend. Im gleichen Verlage (Armand Colin & 
C i e. in Paris) erscheinen auch die geographischen Normal-Lehrbücher 
des französischen ünterrichtsministerii , verfasst von Foncin, nach 
einem ausgebildeten Stufensystem entworfen; Karte und Bild sind 
mit dem Text verbunden; ausserdem werden die Wandkarten und 
Schul- Atlanten des vorhin genannten Vidal de la Blache benutzt; 
dessen Schulwandkarten sind bedeutend kleiner als unsere deutschen, 
auf beiden Seiten bedruckt, auf der einen das physische, auf der 
andern das politische Bild des Landes gebend, letzteres mit Ein- 
zeichnung allerlei wirthschaftlicher Verhältnisse. Charakteristisch 
für die Methode und empfehlenswerth für manche unserer deutschen 
Schulbücher ist, dass für die genannten Lehrbücher Parallelkurse 
existiren, die, nur für den Lehrer bestimmt, denselben in den Stoff 
einführen sollen. Von gleichem Interesse sind die geographischen 
Lehrbücher von Levasseur, besonders die für Mädchenschulen in 
drei Jahreskursen, alle in kleinem handlichem Format, nach dem 
ofüziellen Ministerial-Erlass für Mädchenschulen von 1882 entworfen. 
Der Verfasser war von dem französischen Unterrichtsministerium zum 
Kongresse delegirt worden und trug am ersten Verhandlungstage seine 
methodischen Ansichten über den geographischen Unterricht, denen 
die deutschen Methodiker durchaus beistimmen mussten, mit einer 
Schärfe und Klarheit vor, wie wir es in Deutschland selten gehört 
haben. Dabei haben die Franzosen neben den auch uns geläufigen 
allgemeinen Grundsätzen eine Fülle eigener Gedanken, die, ins 
Praktische übersetzt, gute Früchte tragen müssen. Auch vortreff- 
liche Anschauungsbilder haben die Franzosen in F. H6ment's 
Tableaux G6ographiques, ähnlich den Holz eT sehen (Wien) Charakter- 
bildern, zur Einführung in die geographische Terminologie. — Er- 
wähnt seien ferner die kartographischen Werke der Firma Hachette 
& Co., nämlich der Handatlas von Schrader und ein kleiner 
Taschen- Atlas desselben, sowie ein in drei Stufen angelegter Schul- 
Atlas von Schrader & Lemonier, unseren besten Schulatlanten 
völlig ebenbürtig. Dieselbe Firma hat auch die viel gelobte 
Geographie Universelle von E6clus mit dem 19. Bande vor Kurzem 
zum Abschluss gebracht. 

Russland war offiziell garnicht an der Ausstellung betheiligt; 
doch sahen wir 2 interessante, privatim ausgelegte, russische Arbeiten, 



36 

nämlich die im Auftrage eines geologischen Comit6s durch 14 Autoren 
bearbeitete geologische Karte des Europäischen Russlands (1 : 420000), 
welche, um den geologischen Untergrund zu zeigen, die aufliegende 
Quartärdecke nur dort belassen hat , wo sie für das Verständniss der 
Entwicklungsgeschichte nicht fehlen darf; ferner in einigen Sektionen 
die neue Tillo'sche topographische Karte vom Europäischen Bussland 
(1 Zoll = 40 Werst natürlicher Länge) , welche noch nicht veröffent- 
licht ist. Auf derselben ist wegen mangelnder zuverlässiger Auf- 
nahmen vom nördlichen und östlichen Theile Busslands noch abge- 
sehen worden, dagegen ist im Unterschiede einer früheren Ausgabe 
derselben Karte (in kleinerem Maassstabe) jetzt das Karpaten- 
Gebirge mit hineinbezogen worden, um die Beziehung dieses Gebirgs- 
systems zu den vorgelagerten Höhen im südwestlichen Bussland 
hervortreten zu lassen. 

Im Gegensatz zu Bussland war Finland sehr reichlich ver- 
treten. Finland sucht immer seine Sonderstellung im Bussischen 
Beiche hervorzukehren und hat deshalb durch offizielle wie private 
Mittel eine grosse Sammlung vortrefflicher Karten und Diagramme, 
besonders wirthschaftlich - statistischen Inhalts , zusammengebracht : 
ausserdem eine Sammlung charakteristischer Photographien, Volkstypen 
und Volksszenen, Landschafts- und Vegetationsbilder darstellend, die 
eine bessere Vorstellung von Land und Leuten geben, als die beste 
Beschreibung im Stande wäre ; die Vegetationsbilder (z. B. Ligularia 
sibirica, eine unserem uferliebenden Huflattich ähnliche Blattpflanze) aus 
der Halbinsel Kola, im höchsten Norden, waren geradezu überraschend. 

AVir kommen zu E n g 1 a n d. Das Kriegsministerium hatte Manu- 
skript-Aufnahmen englischer Offiziere aus allen Erdtheilen, aus den 
letzten hundert Jahren, hergeliehen, nach den verschiedenen Aufnahme- 
Verfahren ausgewählt. Von den Kolonien war Indien am reichsten 
vertreten; sehr wirksam war eine Beihe grosser Photographien aus 
der Gletscherregion des Karakorum- Gebirges von Sir Martin Con way, 
dem Verfasser eines Beisewerkes über genannte Gegend. Von Süd- 
Afrika lagen zwei neueste Karten von 1895 vor, vom Betschuana- 
Land und von der Kap-Kolonie (1 : 800000). — Die Gesellschaft des 
Palestine Exploration Fund hatte eine Beliefdarstellung Palä- 
stina's aufgestellt. Trotz der meisterhaften Ausführung oder gerade in 
Folge der subtilen Wiedergabe aller vorhandenen Terrain- Verschieden- 
heiten erhält man, wenn wie hier, das Belief überhöht ist, ein un- 
natürliches Bild; bei einem so wechselnden Terrain end weder 
Generalisirung oder keine Ueberhöhung! — Die Firma Stanford- 
London hatte gute politische Wandkarten ausgestellt. Betreffs der phy- 



37 

sischen Oeographie sah man in der englischen Ausstellung viele 
Wandkarten und theure Atlanten mit veralteter schematischer Grebirgs- 
Zeichnung. Eine rühmliche Ausnahme machte die Firma George Philip 
& Son mit einer guten topographischen Karte von England (1 : 200 000), 
im Erscheinen begriffen ; ferner mit Philipps Systematic- Atlas, Ausgabe 
für höhere Schulen und Selbstbelehrung mit guten physischen und 
wirthschaftlichen Karten, nach deutschen Vorbildern entworfen von 
unserm in London lebenden Landsmanne Ravenstein, mit Unter- 
stützung der beiden Vorkämpfer für Reform des Geographie- Unterrichts 
in England, Mackinder's, Reader in Geography, Oxford, und Scott 
Keltie*s, Sekretärs der Londoner Geographischen Gesellschaft. Auch 
Philipps Geographical lUustrations sind. vortreffliche Anschauungs- 
bilder. — Aus dem Gebiete des Europäisch-Britischen Reiches er- 
wähnen wir noch die Tiefenkarten der britischen Seen, entworfen 
vom Sekretär des Kongresses, Rob. Mill, und die geologischen Karten 
der britischen Inseln, in übergrossem Maassstabe aufs Feinste aus- 
geführt, weil Stich statt der sonst üblichen Lithographie. 

Von den vielen zu Unterrichtszwecken bestimmten Apparaten, die 
von Londoner Firmen ausgestellt, aber meist unzugänglich in grossen 
Schauschränken aufgehäuft waren, fiel uns ein Modell des Atlantischen 
Ozeans zur Darstellung der Meeresströmungen auf, von A. W. Clay den, 
von der genannten Firma Philip & Son ausgestellt. Der Apparat 
stellt das Becken des Atlantischen Ozeans dar, gefüllt mit Wasser, 
welches mit Hülfe eines Blasebalges und eines Röhrensystems, das 
seine Oeffnungen der Wasserfläche zuwendet, solchen Luftströmungen 
ausgesetzt wird, wie sie der mittleren Richtung der beständigen Winde 
entsprechen. Die so im Wasser erzeugte Bewegung giebt ein so treues 
Bild nicht nur der Haupt-, sondern auch der eigenthümlichen Neben- 
strömungen im Atlantischen Ozean, dass ein Fachmann, wie Rear Admiral 
W harten, in einem in London 1894 gehaltenen Vortrage (Geographical 
Journal, London, Sept. 1894 p. 2ö2 ff.) erklärt hat, es sei ihm durch 
diesen Apparat der letzte Zweifel an der jetzt geltenden Ansicht 
genommen, dass nämlich die Meeresströmungen durch die bewegende 
Kraft der grossen Windsysteme, die die Erde beherrschen, zusammen- 
genommen mit der Ablenkung der Kästen, erzeugt werden. (Durch 
aufgestreuten Bärlappsamen werden die Strömungen in dem Modelle 
deutlich sichtbar gemacht.) 

Wenden wir uns zur Perle des Ganzen, der Historisch-Geo- 
graphischen Ausstellung, welche sich in einem geräumigen Garten- 
Pavillon des Imperial Institute befand und von unserm Landsmann 
Ravenstein arrangirt war. Beiträge hatten die Britische Admiralität, 



38 

die India Offtee Library, die Berliner und mehrere englische geo- 
graphische Gesellschaften, verschiedene Londoner Antiquare und die 
Privatbibliotheken der Königin Victoria, des Earl of Craw- 
ford u. A. geliefert. Absicht der Aussteller war, die Entwickelang 
der Kenntniss von der Erdoberfläche sowie den Fortschritt der karto- 
graphischen Technik an möglichst charakteristischen Beispielen, wo- 
möglich an Originalwerken und, soweit diese nicht zu beschaffen waren, 
an guten Reproduktionen darzulegen. In der Mitte des Baumes, 
auch dekorativ wirkend, stand ein riesiger Mollineux-Globus 
von 1592, der Middle-Temple-Gesellschaft gehörig. Der Verfertiger 
Emeric Mollineux war ein Engländer, Freund von Hakluyt 
und John Davis, und in der Kunst der Globen- Verfertigung der 
eigentliche Nachfolger Merkators; die Keisen des Sir Fr. Drake u. A. 
sind auf dem Globus eingetragen. Die Mollineux- Globen waren die 
ersten in England und von einem Engländer angefertigten Globen; 
das ausgestellte Exemplar ist, so viel wir wissen, das einzig jetzt 
noch vorhandene. Diesen Riesenglobus von ^/am Durchmesser wie 
Planeten umkreisend, waren 8 kleine, für diesen Zweck gefertigte 
Globen aufgestellt, auf denen über einem schwach getönten modernen 
Erdbilde der Reihe nach die Erdbilder des Eratosthenes (220 v. Ohr.), 
Ptolemäus (150 n. Chr.), Behaim (1492), Ruysch (1508), 
Leonardo da Vinci und Schoener (beide 1515), Finn6 (1531) 
und Merkator (1569) in kräftigen Konturen aufgetragen waren, um 
so die Entwickelung des Brdbildes bis zu jenem des Mollineux zu 
zeigen. — Wir beschränken uns im Uebrigen auf die Nennung einiger 
Originalwerke: Ein Manuskript aus dem 12. Jahrhundert, den 
im Mittelalter sehr verbreiteten Kommentar zur Apokalypse vom 
Mönch B e a t u s (f 798) enthaltend, mit einer äusserst seltenen ei- 
förmigen Weltkarte (statt der sonst im Mittelalter üblichen kreis- 
förmigen sog. »Radkarten«) und vielen höchst fein ausgeführten 
Miniatur - Malereien ; femer des gelehrten Kardinals von Cambray 
Petrus deAlliaco Kosmographie, betitelt : > Tractatus de Imagine 
Mundi«, ed. princeps, Louvaine 1480, die Hauptquelle für des Columbus 
geographisches Wissen (in der Bibliotheca Colombina zu Sevilla befindet 
sich noch des Columbus Handexemplar mit zahlreichen Randnoten 
des Entdeckers versehen): ein Portolan des Jac. Maleolus aus 
Genua von 1467, Handzeichnung; das Rudimentum Novitiorum, 
Lübeck 1475, mit den ältesten in Holzschnitt hergestellten Karten; 
ferner ein Macrobius »Somnium Scipionis^: von 1483, der auf 
der beigegebenen Weltkarte zum ersten Male »Antipoden« verzeichnet: 
30 vei-schiedene Ptolemaeus -Ausgaben, von der ältesten Florentiner 



39 

Ausgabe in Versen von 1478, mit den ersten in Kupfer gestochenen 
Karten, bis zur kritischen Pariser Ausgabe von 1883. Von deutschen 
Seltenheiten lagen noch vor des Martelli Germani Insularium 
illustratum mit einer Karte von ca. 1492 und des Nicolaus von Cusa 
älteste Karte von Deutschland, 1491. — Grosses Interesse erregten 
mehrere Zeichnungen und Kartenskizzen von dem berühmten Leonardo 
da Vinci aus der Handschriften-Sammlung Ihrer Majestät der 
Königin in Windsor, darunter eine Weltkarte, aus vier Quadranten 
bestehend, die sich zu einem Globus zusammenfügen sollen; dieselben 
zeigen im W bereits eine KontinentaMnsel »Amerika«; die Zeichnung 
ist spätestens von 1516, weil man weiss, dass in diesem Jahre der 
Künstler diese Blätter aus der Hand gegeben. Andere Blätter des- 
selben Verfassers enthalten sorgfältig ausgeführte Karten italienischer 
Landschaften, darunter eine solche von Toscana (1504), das erste 
Beispiel einer Höhenschichten-Karte, die es sehr verdiente, publicirt 
zu werden. Die vorher genannte Weltkarte da Vinci' s ist bereits 
im Druck seit einiger Zeit bekannt gegeben, aber nur eine sehr 
flüchtige Skizze, vermuthlich die Kopie eines unbekannten Originales. — 
Wir sahen ferner mehrere Exemplare handschriftlicher Atlanten 
von dem Genueser Battista Agnese, der von 1527 — 54 in Venedig 
lebte und arbeitete; seine Karten sind die feinsten Miniatur-Malereien; 
ferner einen uns bisher unbekannten Manuskript- Atlas des F r e d u c c i, 
Conte de Hoctomanno, aus Ancona von 1531; des Pierre Descelier 
aus Argues bei Dieppe grosse Weltkarte von 1546, auch im Original; 
es ist dies die sogenannte Dauphin-Karte, die für den Dauphin, späteren 
Heinrich II. angefertigt war; ein zweites Exemplar, aber von 1550 
datirt, befindet sich ebenfalls handschriftlich in England, im Britischen 
Museum. Von bekannteren Sachen nennen wir das grosse de Bry'sche 
Sammelwerk von ost- und westindischen Reisen, vor und nach 1600 
erschienen, in allen Ausgaben und Auflagen, zusammen 182 Bände 
Folio, das einzige vollständige Exemplar, dem Earl of Crawford 
gehörend. 

Von den vielen Kartenwerken des 17. und 18. Jahrhunderts, die 
nach Nationalitäten gruppirt waren, heben wir ausser einer Sammlung 
chinesischer und japanischer Karten aus dem 18. Jahrhundert, und 
dem Schiffstagebuch James Cook's über dessen erste Weltreise 
1768/71, nur noch einige Einzelkarten hervor, die allgemeines Interesse 
beanspruchen dürften, so des Athanasius Kircher, Jesuit in 
Fulda (t 1680), Ozeankarte, welche zum ersten Male die Meeres- 
strömungen graphisch zur Darstellung bringt; die älteste Windkarte 
aus dem BrCise werke Dampier's von 1729; die erste kartographis-' 



40 

Darstellung der Thierverbreitung in Zimmermannes Specimen 
Zoologiae Geograptaicae von 1777; von Philippe Baacbe (t 1773) 
eine erste Tiefenschieb ten-Earte, den Kanal darstellend; des Jirasek 
Karte vom Riesengebirge (1791), eine der ersten geologischen Karten. 
Als Abschlnss sei genannt J. G. L e h m a n n ' s epochemachende > Dar* 
stellang einer nenen Theorie der Bergzeichnung c, Leipzig 1799, welche 
die Methode des Schraffirens zur Bezeichnung schiefer Flächen einführte. 

Wäre das Britische Museum nicht durch sein Reglement 
verhindert, seine Schätze aus seinen Mauern zu verleihen, dann hätte 
obige Sammlung noch um manches schöne Stück vermehrt werden 
können. Um aber auch seinerseits dem Kongresse zu dienen, hatte 
es in seinen Räumen eine Extra-Ausstellung veranstaltet von ca. 60 
hervorragenden Kartenwerken, darunter Ptolemaeus-Handschriften des 
14. und 15. Jahrhunderts und des Matthew of Paris Karte von 
Grossbritannien (ca. 1250). 

In einem andern Räume hatte das Museum eine Sammlung von 
hautischen älteren Instrumenten aufstellen lassen, als Astrolabien, 
Quadranten, Sonnenuhren, darunter 34 orientalische (arabische, per- 
sische, chinesische), die arabischen bis zum 11. Jahrhundert zurück- 
gehend; und 230 Instrumente europäischen Ursprungs, englische Astro- 
labien bis zurück ins 13. Jahrhundert, deutsche, italienische, fran- 
zösische aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. 



Eisenbahnen in der TOrIcei. 

Von W. Heintze. 



In den letzten Jahrzehnten, besonders seit Eröffnung der direkten 
Dampferlinien zwischen den norddeutschen Häfen und dem östlichen 
Mittelroeer, hat sich unser Handel mit der Türkei bedeutend gehoben ; 
es ist daher vielleicht nicht ohne Interesse auch die Entwicklung des 
Verkehrswesens in der Türkei etwas näher zu betrachten. 

Bis zum Anfang der sechziger Jahre dieses Jahrhunderts vollzog 
sich fast der gesammte Waarenverkehr zwischen den Hafenplätzen 
der Türkei und dem Innern des Landes durch Pferde- oder K^meel- 
Earawanen, nur in manchen Distrikten der europäischen Türkei und 
im Norden Kleinasiens, wo es leidlich fahrbare Strassen gab, wurden 
auch von Ochsen oder Büffeln gezogene vierrädrige Wagen oder 
Karren sehr primitiver Konstruktion verwandt. Bemerkenswerth ist, 
dass in Kleinasien der Wagen nur in denjenigen Theilen in Gebrauch 
war, in denen die Gallier, welche im dritten Jahrhundert vor Christo 
Thracien und den Norden Kleinasiens überschwemmten, sich nieder- 
gelassen hatten, während ausserhalb dieser Distrikte der Gebrauch 
des Wagens als Transportmittel bis in die neuere Zeit fast unbekannt 
blieb. Die Gallier fährten bekanntlich auf ihren Zügen ihre Familien 
und ihren Hausrath auf Wagen mit sieh, und von ihnen nahmen die 
Völker im Norden Kleinasiens dieses Transportmittel an, welches 
ihnen bis dahin unbekannt gewesen war. 

Zu Ende der fünfziger Jahre unseres Jahrhunderts machten sich 
die ersten Bestrebungen nach Verbesserung der Verkehrsmittel in 
der Türkei geltend, und führten anfangs der sechziger Jahre zum 
Bau der Eisenbahn Küstendsche— Czernawoda, welche eine kürzere 
Verbindung der unteren Donau mit dem Schwarzen Meere durch die 
Dobrudscha herstellte und durch Abschneidung des Umweges durch 
die Sulina-Mttndung den Weg zwischen Wien und Konstantinopel etwa 
um eine Tagereise abkürzte. 



42 

« 

Wenige Jahre später wurde dann die Bahn von Vama nach 
Rustschuk gebaut, welche diesen Weg um eine weitere Tagereise 
verkürzte. Beide Bahnen dienten hauptsächlich dem Passagierverkehr, 
der Waarenverkehr der Donauländer mit dem Schwarzen Meere be- 
vorzugte nach wie vor den Weg durch die Sulina-Mündung, welcher 
bei dem Mangel an geeigneten Hafenanlagen in Eüstendsche und 
Varna der bei Weitem bequemere war; ein Binnenverkehr in Waaren 
existirte in den ersten Jahrzehnten kaum. In Folge dessen konnten 
die Bahnen nur sehr klägliche finanzielle Resultate geben; selbst im 
letzten Jahrzehnt, wo sich der Getreideverkehr nach den Häfen mehr 
entwickelt hatte, ergab die Varna — Rustschuk Bahn nie mehr als 
2000 bis 3000 Franken pr. Kilometer Nettoertrag, d. h. kaum 1 bis 
1 Vq Prozent des Anlagekapitals. Seitdem die Bahn in die Hände 
der bulgarischen Regierung übergegangen ist, deckt der Betrieb kaum 
die Betriebskosten; einer besseren Zukunft wird sie vielleicht entgegen- 
gehen, wenn einmal die im Bau begriffene grosse bulgarische Trani^versal- 
bahn von Sofia nach Schumla fertig und der beabsichtigte Bau eines 
Hafens in Varna vollendet ist. In Küstendsche (jetzt seit seiner Ein- 
verleibung in Rumänien Eonstanza genannt) baut die rumänische 
Regierung einen guten Hafen, und da auch die Eisenbahnbrücke über die 
Donau bei Czernawoda inzwischen dem Verkehr übergeben ist, so geht 
diese Bahn einer aussichtsvollen Zukunft entgegen. Da Küstendsche oder 
Konstanza nunmehr direkten Anschluss an das rumänische Bahnnetz 
hat, so wird es sich ohne Zweifel zu einem bedeutenden Handels- 
platze entwickeln und Galatz und Braila grossen Abbruch thun. Da 
sein Hafen fast den ganzen Winter über eisfrei ist, während die Donau 
während drei bis vier Monaten gefroren ist, so wird sich wahr- 
scheinlich der grössere Theil des rumänischen Exporthandels mit der 
Zeit hierher ziehen. 

Auch in Kleinasien machten sich um dieselbe Zeit Bestrebungen 
nach Verbesserung der Verkehrsverhältnisse geltend und fährten 
gleichfalls zu Anfang der 60er Jahre zum Bau der 140 Kilometer 
langen Eisenbahn von Smyrna nach Aidin, dem alten Tralles. Die 
Bahn übersteigt hinter Ephesus auf einem etwa 800 Fnss hohen 
Passe das Messogis- Gebirge und verbindet Smyrna mit der reichen 
und fruchtbaren Ebene des Mäander. Obgleich diese Ebene auch 
heute noch sehr ergiebig ist und die Bahn entlang den Anblick 
eines herrlichen Fruchtgartens gewährt, so ist sie doch nur ein 
Schatten von dem, was sie in alten Zeiten war, wo sie über hundert 
volkreiche Städte schmückten, deren Ruinen heute noch Zeugniss 
geben von dem Reichthum ihrer Bewohner und der Blüthe des 



43 

Handels, welcher diese Gegenden belebte. Ich nenne nur Milet, 
Lagina, Magnesia, Tralles, Nissa, Aphrodisias, Laodicäa, Hierapolis 
Colossae. 

Heute ist, wie gesagt, das Land nur noch ein Schatten von dem 
was es in alten Zeiten war; die Städte liegen in Ruinen, die FIuss- 
mündnngen sind versandet. Milet, die reiche Handelsstadt an der 
Mfindung des Mäander, liegt unter dem Sande begraben, so dass man 
bis jetzt nicht einmal ihre Stätte aufgefunden hat. Zwischen Ephesus, 
welches in alten Zeiten ein vielbesuchter Seehafen war, und dem Meere 
dehnt sich heute eine mehrere Meilen breite Fläche von durch den 
Kayster angeschwemmtem Sand aus; die Bewohner sind untergegangen 
in den vielhnndertjährigen Kämpfen der Bömer, Byzantiner, Seld- 
schucken, Türken und Mongolen. Besondei's die Züge des Massen- 
mörders Timur haben das Mögliche geleistet, das Land zu entvölkern, 
und die Herrschaft der Türken war gerade nicht dazu angethan, 
die Verluste zu ersetzen. Die Fruchtbarkeit des Bodens aber ist ge- 
blieben, und das Land wartet nur auf fleissige Bewohner, um wieder 
das Paradies zu werden, welches es früher war. Von dieser Frucht- 
barkeit kann man sich einen Begriff machen, wenn man hört, dass 
Getreide im Mäanderthale bei einigermaassen vernünftiger Bearbeitung 
des Bodens dreissig- bis vierzigfältig trägt. Das wunderbare Klima 
gestattet den Anbau der verschiedenartigsten Produkte; neben dem 
Weinstock, der Feige, der Orange und der Olive gedeihen Sesam, 
Tabak, Mohn und Baumwolle ebenso wie unsere europäischen Getreide- 
arten und geben reiche Ernten. 

Vor fünf oder sechs Jahren hatten sich in der Mäanderebene 
eine Anzahl aus^ Bussland ausgewanderter deutscher Bauernfamilien an- 
gesiedelt und waren entzückt von der ausserordentlichen Fruchtbar- 
keit des Landes, welches ihren Fleiss mit über alle Erwartung 
reichen Ernten lohnte. 

Wenige Jahre nach Vollendung der Smyrna-Aidin-Bahn wurde 
eine Eisenbahn von Smyrna nördlich um das Sypilos-Gebirge herum 
über Magnesia nach Cassaba gebaut, und später bis zu dem 169 Kilo- 
meter von Smyrna entfernt liegenden Alaschehir, dem alten Philadelphia 
fortgeführt. 

Diese beiden Bahnen, von denen die erstere inzwischen über 
Aidin hinaus bis zu dem schon am Rande der kleinasiatischen Hoch- 
ebene liegenden Diner verlängert wurde und eine Anzahl von kürzeren 
Zweigbahnen besitzt, durchziehen die reiche Provinz Smyrna vun der 
Käste bis zur Ostgrenze und haben seit einer B>eihe von Jahren 
finanziell verhältnissmässig recht günstige Besultate* ergeben. Die 



44 

Smyrna-Cassaba-Bahngesellsctaaft hat auch vor einigen Jahren von 
Magnesia am Sypilos aus eine Zweigbahn nach Norden in der Richtung 
des Marmara - Meeres gebaut, welche jetzt bis Somma fertig ge- 
stellt ist. Diese Stadt liegt etwa 90 Kilometer von Magnesia ent- 
fernt in der Nähe des durch die Ausgrabungen Humann's wieder der 
Vergessenheit entrissenen Pergamon, welches das Berliner Museum 
mit den schönen, die Gigantomachie und die Telephossage darstellenden 
Frisen des pergamenischen Zeusaltars bereichert hat. Von diesem 
Zeusaltar ist offenbar im 13. Verse des 2. Kapitels der Apokalypse 
die Bede, wo es von der Gemeinde zu Pergamon heisst: »Ich weiss 
was du thust und wo du wohnest, da des Satans Stuhl ist«. 

Die Erinnerung an dieses grossartige Bauwerk war völlig verloren 
gegangen, erst Hum ann und Conze fanden es wieder auf, förderten 
es an*s Tageslicht, sicherten unserem Vitterlande den Besitz der un- 
schätzbaren Funde und erwarben sich dadurch ein bleibendes Verdienst. 

Die bisher genannten Bahnen wurden durch englische Gesell- 
schaften gebaut; bis gegen das Ende der sechziger Jahre be- 
schäftigten sich überhaupt nur englische Gesellschaften mit dem 
Bahnbau in der Türkei und den von ihr abhängigen Ländern. Die 
Schwierigkeiten, mit denen die Bahnunternehmungen zu kämpfen 
hatten, waren gross und mannigfacher Art. Die Erwerbung der 
Konzessionen kostete Mühe und beträchtliche Summen ; die Bauunter- 
nehmer und Ingenieure waren mit den Landesverhältnissen unbekannt 
und mussten oft und viel Lehrgeld zahlen, und das Publikum in Eng- 
land, welches das Geld zum Bau hergeben sollte, betrachtete diese 
Unternehmungen mit misstrauischen Augen, so dass Aktien sowohl 
wie Prioritätsanleihen nur mit grossem Disagio unterzubringen waren. 
Es darf daher nicht Wunder nehmen, dass auch die besten dieser 
Bahnen im ersten Jahrzehnt ihrer Existenz und noch während eines 
guten Theiles des zweiten Jahrzehntes ihren Aktionären keineswegs 
Freude bereiteten. Erst nach und nach entwickelte sich der Verkehr 
so, dass an eine Vertheilung von Dividenden an die Aktionäre ge- 
dacht werden konnte. Besonders war es die Fortsetzung der beiden 
von Smyrna ausgehenden anatolischen Bahnen nach dem Innern des 
Landes, welche einen grossen Aufschwung des Verkehrs auf diesen 
Linien und eine nicht unbeträchtliche Ersparniss in den Beüiebs- 
kosten zur Folge hatte. Nach und nach gewann auch das europäische 
Publikum Vertrauen, die neueren Anleihen behufs Verlängerung der 
Bahnen wurden zu immer steigenden Kursen untergebracht, so dassz. B. 
die 5 "/o Prioritäten der beiden Smyrnaer Bahnen jetzt über Pari stehen , 
während die erste 6 ^/o Anleihe unter 80 ^/o ausgegeben werden musste. 



45 

Gegen Ende der sechziger Jahre begannen auch andere als 
englische Unternehmer sich für die Anlage von Bahnen im Osten 
zu interessiren. Zuerst erwarb der bekannte Strousberg eine Bahn- 
konzession in Rumänien, welche aber, wie bekannt, für die Aktionäre 
eine bittere Quelle von Enttäuschungen wurde. Auf die Geschichte 
dieser Bahn will ich hier nicht weiter eingehen, sie ist in Deutsch- 
land sattsam bekannt. Die Bahn ging nach dem letzten russisch- 
türkischen Kriege in die Hände der rumänischen Regierung über und 
giebt unter der jetzigen Verwaltung recht günstige Resultate, hat 
auch mächtig beigetragen zu der wirthschaftlichen Entwicklung 
Rumäniens. 

Der zweite nichtenglische Unternehmer, welcher auf der Bild- 
fläche erschien, war der bekannte Baron Hirsch, welcher eine 
Konzession für den Bau beträchtlicher Bahnstrecken in der euro- 
päischen Türkei erhielt, dieselbe aber nur theilweise ausführte. Die 
Anschlussbahnen an das ungarische Bahnnetz wurden erst in neuester 
Zeit in Folge einer Stipulation des berliner Friedens von der türkischen, 
bulgarischen und serbischen Regierung gebaut 

Während des Baus der Hirsch' sehen Bahnen wurde die 
türkische Regierung von dem Gelüste ergriffen, auch selbst Bahnen 
zu bauen ; sie baute die ca. 90 Kilometer lange Bahn Haidar Pascha — 
Ismid. Haidar Pascha ist eine Vorstadt von Skutari, auf dem 
asiatischen Ufer des Bosporus, Stambul gegenüber, gelegen. Der Bau 
dieser Bahn verschlang Unsummen infolge der Unfähigkeit, und, wir 
wollen einmal sagen, Unzuverlässigkeit der mit der Ausführung be- 
trauten Organe. So lange der Betrieb der Bahn nach ihrer end- 
lichen Fertigstellung in den Händen der türkischen Behörden lag, 
konnte man auf der Fahrt die unwahrscheinlichsten Abenteuer 
erleben. 

Später versuchte die türkische Regierung auch die dem Baron 
Hirsch konzedirten, von ihm aber nicht ausgeführten Linien in der 
europäischen Türkei für ihre eigene Rechnung durch ihre General- 
stabsofüziere bauen zu lassen; der Versuch musste aber, wie voraus- 
zusehen war, wieder aufgegeben werden, nachdem ungeheuere Summen 
nutzlos hinausgeworfen waren. 

Es wird wohl noch einige Zeit dauern, ehe die Türkei selbst 
Ingenieure hervorbringen wird, denen man derartige Bauten mit 
einiger Aussicht auf Erfolg anvertrauen kann, und bis die Regierungs- 
organe einsehen werden, dass es zur Ausführung solcher Arbeiten 
nicht genügt, Pfeifenstopfer oder Kaffeesieder eines Paschas gewesen 
zu sein, sondern dass dazu Fachkenntnisse gehören, welche sich nur 



46 

durch ernstes Studium erwerben lassen. Wenn auch die höchsten 
Behörden sich dieser Ueberzeugung grösstentbeils schon lange nicht 
mehr verschliessen , so finden sie doch bei den unteren Behörden, 
denen die eigentliche Ausführung obliegt, nur sehr selten das nöthige 
Yerständniss dafür. 

Die von Baron Hirsch erbauten Bahnen sind Eigenthüm der 
türkischen Regierung, welche mit dem Baron Hirsch einen f&r diesen 
recht günstigen Betriebsvertrag abgeschlossen hatte. Diesen Betriebs- 
vertrag nun erwarb vor einigen Jahren ein deutsch-oesterreichisches 
Konsortium unter Führung der Deutschen Bank in Berlin, so dass 
diese Bahnen jetzt unter deutscher Verwaltung stehen. Es macht 
einen eigenen Eindruck auf den von Westen kommenden deutsehen 
Reisenden, wenn er die türkische Grenze überschreitet, und nun, wo 
er sich so recht im echten wilden Orient glaubt, überall auf den 
Eisenbahnstationen um sich herum wieder die Laute seiner Mutter- 
sprache hört. Auch die Eommandoworte sind deutsch, und den Ruf 
»Fertige hört man vor der Abfahrt des Zuges auch aus dem Munde 
des türkischen oder levantinischen Schaffners. In Folge dessen nennt 
das niedere Volk in der europäischen Türkei die Eisenbahnschaffner 
»Fertigdschis«. 

Das durch die Deutsche Bank geleitete Konsortium hat sich nun 
aber nicht mit der üebernahme der fertigen Bahnen in der europäischen 
Türkei begnügt, sondern fing bald an auch für eigene Rechnung zu 
bauen. Zuerst erwarb es die Konzession zum Bau einer Bahn von 
Ismid, dem alten Nikomedia, nach Angora. In dieser Konzession 
war die Üebernahme der Bahn Haidar Pascha — Ismid einbegriffen. 
Der Bau wurde rasch gefördert, und schon vor drei Jahren wurde 
die letzte Strecke eröffnet. Die Bahn ist nach Allem, was man hört» 
gut gebaut, und man kann der Entwickelung derselben mit gutem 
Gewissen ein günstiges Frognostikon stellen, da das Land fruchtbar 
und reich an Produkten ist, und die Bevölkerung sich, wie es früher 
an anderen Orten geschah, mehr und mehr in die Nähe der Bahnlinie 
ziehen wird. Zur Beschleunigung dieses Processes könnte die Bahn- 
gesellschaft manches thun durch Erwerbung geeigneter Landstreken 
längs der Bahn und Unterstützung der Ansiedler durch Vorschüsse, Ver- 
theilung der Zahlung der Kaufgelder auf eine Reihe von Jahren u. s. w. 
Allerdings ist kein augenblicklicher Erfolg zu erwarten, derartige 
Unternehmungen bedürfen naturgemäss einer gewissen Zeit zu ihrer 
Entwickelung, an dem schliesslichen günstigen Resultat ist aber 
nicht zu zweifeln. Schon im letzten Jahre zeigte sich die Wirkung 
des Bahnbaues auf die Entwickelung des Landes in dem etwa 



47 

40 prozeirtigen Mehrertrage der Zehntenabgabe in den von der Bahn 
durchschnittenen Distrikten, und die voijährige Ernte gehörte keines- 
wegs zu den besonders günstigen. 

Ferner baute dasselbe Konsortium auch eine Bahn von Salonik 
nach Monastir, dem alten Bitolia, der Hauptstadt Ostalbaniens. 
Die etwa 200 Kilometer lange Bahn durchschneidet reiche Distrikte, 
und auch sie hat eine gute Zukunft. 

Vor einigen Jahren erwarb dasselbe Konsortium eine Konzession zu 
einer Bahn von Eski-Schehir, einer Station der Ismid — Angorabahn, 
dem alten Dorylaeum, nach Konia, dem alten Ikonium, der Haupt- 
stadt des Seldschuckenreiches in Kleinasien, und auch dieser Bahn 
kann man eine günstige Entwickelung prophezeien. 

Die Unterhandlungen wegen Portführung der Bahn von Angora 
nach Caesarea sind im Gange, aber noch nicht abgeschlossen. 

Ausser den eben genannten grossen Bahnen sind in den letzten 
10 Jahren noch einige kuiTse Linien gebaut, und zwar: 

1. Mersina — Tarsus— Adana, eine etwa 45 Kilometer lange Bahn, 
welche den Anfang einer von Süden her tief in das Innere Klein- 
asiens eindringenden Eisenbahn bilden sollte, aber aus Mangel an 
Mitteln nicht über Adana hinausgelangte. Dieselbe gehört einer 
englisch-belgischen Gesellschaft. Der Verkehr auf der Bahn ist ein 
minimaler, welcher nicht einmal täglich die Ablassung eines Zuges 
nach jeder Richtung erlaubt. Das finanzielle Resultat ist in Folge 
dessen ein überaus klägliches, wie überhaupt im ganzen Orient eine 
kurze Bahn nie gedeihen kann; sie wird allein schon durch die 
Direktions- und Bureaukosten ruinirt. 

2. Die Bahn Mudania— Brussa, welche die letztere Stadt mit 
dem Marmara-Meer verbindet. Die Bahn, welche von einer belgischen 
Gesellschaft erbaut, und vor etwa zwei Jahren eröffnet wurde, ist 
gleichfalls kaum 40 Kilometer lang und wird ihren Aktionären auch wohl 
nicht viel Freude bereiten. Immerhin sind ihre Aussichten besser als die 
der vorigen, da die von Konstantinopel aus viel besuchten Eisen- und 
Schwefelbäder Brussa' s doch eine gewisse Passagierfrequenz sichern. 

3. Die Bahn Jaffa— Jerusalem, eine von einer französischen 
Gesellschaft erbaute etwa 70 Kilometer lange Bahn, welche vor zwei 
Jahren eröffnet wurde. Der Güterverkehr auf dieser Bahn ist gleich 
Null, Passagierverkehr von einiger Bedeutung existirt nur zur Zeit 
der Wallfahrten; daher ist es mehr als zweifelhaft, ob diese Bahn 
jemals auch nur ihre Betriebskosten decken wird. 

Von im Bau begriffenen Bahnen ist noch die etwa 500 Kilometer 
lange Bahn Salonik — Dedeaghatsch zu erwähnen, welche ausschliess- 



48 

lieh aus strategischen Grttnden gebaut wird und im Kriegsfälle den 
Truppenverkehr zu Lande zwischen Konstantinopel und Macedonien, 
beziehungsweise Albanien vermitteln soll, da es immerhin denkbar 
ist, dass der Seeweg einmal verlegt werden könnte. Die Bahn hat 
ihren Ausgangspunkt in Salonik und soll bei Feredschik in die Bahn 
Adrianopel — Dedeaghatsch einmünden. Sie führt auf einer langen 
Strecke durch das unwegsame und kahle Rhodope- Gebirge.- Ein 
irgendwie bedeutender Verkehr ist auf dieser Strecke kaum zu 
erwarten, da die von der Bahn durchschnittenen Distrikte grössten- 
theils schwach bevölkert und wenig produktiv sind, oder so nahe am 
Meere liegen, dass sie für ihre Transporte den billigeren Seeverkehr 
vorziehen. Der Bau der Bahn ist daher nur dadurch möglich geworden, 
dass die türkische' Begierung eine besonders hohe Jahressubvention 
bewilligte. Das ist nun ganz gut, so lange als die Türkei zahlungs- 
fähig bleibt, so bald sie aber in Zahlungsschwierigkeiten geräth, 
werden die Aktionäre und Obligationsgläubiger schwerlich einen 
Pfennig Dividende oder Zinsen zu sehen bekommen. Die Bahn- 
gesellschaft ist eine französische. 

Es sind nun augenblicklich in der Türkei folgende Eisenbahnen 
im Betrieb: 

I. in Europa: 

a) Die sogenannten Orientalischen Bahnen in der europäischen 
Türkei, welche Eigenthum der Türkei, aber von der bereits erwähnten 
deutsch-oesterreichischen Gesellschaft in Betrieb genommen sind. 

Dieselben bestehen aus den 4 Linien: 

Adrianopel — Philippopel — Bellova , Adrianopel — 
Dedeaghatsch, Salonik— Uskub—Sibeftsche, Uskub— 
Mitrovitza, zusammen 1265 km 

b) Salonik — Monastir 218 » 

in Europa 1483 km 



IL in Asien: 

a) Die Bahn Haidar Pascha— Ismid—Eski- Schehir— 
Angora, Eigenthum der mit deutschem Kapital er- 
richteten Anatolischen Bahngesellschaft; Länge 578 km 

b) Mudania — Brussa, einer belgischen Gesellschaft gehörig 40 > 

Transport 618 km 



49 

Transport 618 km 

c) Smyrna— Magnesia— Alaschehir u. Magnesia —Somma, 
Eigenthnm des türkischen Staates, aber von einer früher 
englischen, jetzt franz. Betriebsgesellschaft gepachtet 259 > 

d) Smyrna — Aidin— Diner nebst Zweiglinien, einer eng- 
lischen Gesellschaft, der Ottoman Railway Comp., ge- 
hörig 515 » 

e) Mersina — Tarsus — Adana, einer englisch -belgischen 
Gesellschaft gehörig 45 » 

f) Jaffa— Jerusalem, einer franz. Gesellschaft gehörig . . 70 > 

1507 km 



Zusammen also in der europäischen und asiatischen Türkei in 
Betrieb 2990 km. 

Dazu kommen folgende im Bau begriffene Linien: 

Salonik— Dedeaghatsch ca. 500 km 

Eski-Schehir— Konia » 440 t 

ca. 940 km 

Um den Bau aller dieser Bahnen zu ermöglichen, musste sich 
die türkische Regierung dazu verstehen, den Bahngesellschaften mehr 
oder weniger bedeutende Subventionen zu bewilligen, da eine 
B^ntabilitftt der Bahnen bei der schwachen Bevölkerung des Landes 
erst nach einer gewissen Eeihe von Jahren zu erwarten war. Wie 
sich aber die Bahnen trotz dieser schwachen Bevölkerung entwickeln 
können, beweist das Beispiel der Bahnen Smyrna-^Cassaba— Alaschehir 
und Smyrna — Aidin — Diner, von denen in normalen Jahren die erstere 
eine Brutto - Einnahme von 16— ISOOOfrcs. pr. km und die letztere 
auf der alteren Strecke Smyrna — Aidin— Seraiköi eine solche von 
18— 20 000 frcs. pr. km hat, wovon die Betriebskosten bei ersterer 
ca. 45 ^0, bei letzterer, wegen der starken Steigerungen, welche die 
Bahn zu überwinden hat, ca. 50 % absorbiren. Die neuen Linien 
dieser beiden Gesellschaften bedürfen allerdings noch einiger Zeit, 
ehe sie ein gleich günstiges Resultat erzielen können; man kann aber 
mit ziemlicher Sicherheit voraussehen, dass sie mit der Zeit in dieser 
Beziehung den alten Linien nicht nachstehen werden. So kann auch 
den Linien Salonik — Monastir, Haydar Pascha— Angora, Eski- 
Schehir— Konia eine günstige Entwickelung prophezeit werden. Auch 
die Bahnen der Orientalischen Bahngesellschaft geben ein verhältnis- 
mässig günstiges Resultat, die übrigen oben genannten schon im 
Betrieb befindlichen oder im Bau begriffenen Bahnen aber werden ihren 
Aktionären schwerlich jemals Freude bereiten. 



50 

Unter den der Aasf&hmng noch harrenden Babnprojekten sind 
vor allen die folgenden hervorznheben : 

In der earopäiscfaen Türkei ist dem mehrerwälinten deutsch- 
oesterreichischen Eonsortinm die Eonzession znr Yerlängemng der 
Bahn Salonik — Monastir bis an das Adriatische Meer mehr oder 
weniger aufgedrungen worden. Diese Linie, welche bei Valona oder 
Durazzo an der adriatischen Küste ausmünden würde, geht quer durch 
das albanische Gebirge und durchzieht meistens wenig produktive 
und sehr schwach bevölkerte Distrikte; auch würde der Bau der Bahn 
sehr schwierig und kostspielig sein, so dass in absehbarer Zeit ein 
nennenswerther üeberschuss der Einnahmen über die Betriebskosten 
kaum zu erwarten wäre. Die türkische Regierung, welche aus 
politischen Eücksichten Werth auf den Bau dieser Linie legt, würde 
sich zu einer ausreichenden Eiüuahme-Garantie herbeilassen, aber 
diese von der türkischen Regierung geleisteten Einnahme-Garantien 
bieten doch nur eine sehr prekäre Sicherheit, wenn das Land selbst, 
durch welches die Bahn führt, nicht entwickelungsfäbig ist, und das 
ist Centralalbanien, wenigstens in absehbarer Zeit, entschieden nicht. 
Daher wird die Ausführung dieser Bahnlinie vorläufig wenigstens ad 
calendas graecas verschoben werden, was für die Konzessionäre ent- 
schieden das Beste wäre. 

Zwei andere projektirte Linien bezwecken den Anschluss der 
macedoniscli-thracischen Bahnen an die bulgarischen Linien. Die 
eine derselben geht von Komanova in der Nähe der türkisch-serbischen 
Grenze über Köstendil nach Sofia. Ein Anfang zur Ausführung dieser 
Linie ist von bulgarischer Seite durch den Bau der Bahn Sofia — Pernik 
gemacht worden, und die Fortführung dieser Bahn bis Köstendil ist 
auch in nicht ferner Zeit zu erwarten; den Anschluss nach Komanova 
zu bauen, scheint aber die Betriebsgesellschaft der Orientalischen 
Bahnen noch keine Lust zu haben, weil sie sich dadurch eine Kon- 
kurrenz für ihre Bahn Belova — Adrianopel - Dedeaghatsch zu schaffen 
fürchtet. Dennoch glaube ich, thäte sie gut die Sache etwas schärfer 
in's Auge zu fassen, da die Gefahr nahe liegt, dass sonst die andere 
projektirte Linie Sofia— Dubnitza— Seres gebaut werden wird, welche 
gleichfalls den westbulgarischen Verkehr von der Linie Sofia— 
Adrianopel — Dedeaghatsch nach Salonik leiten würde, und zwar ohne 
die Linien der Orientalischen Eisenbahngesellschaft zu berühren. 
Während der Transport über Komanova nach Salonik über ihre 
Linie ginge. 

In Kleinasien liegt in erster Linie die Verlängerung der Bahn 
Ismid-Angora nach Caesarea vor. Die Konzession wird der Anatolischen 



51 

Bahngesellschaft wahrscheinlich schliesslich ertheilt werden, und die 
Ansf&hrung wird dann nicht lange anf sich warten lassen. Das Land, 
welches diese Linie durchziehen soll, wird als fruchtbar und zum 
grossen Theile jetzt schon produktiv geschildert, so dass eine günstige 
Entwicklung auch dieser Linie in absehbarer Zeit wohl erwartet 
werden kann. Ob nun diese Linie später nach dem Mittelländischen 
Meere, d. h. nach Adana zum Anschluss an die Bahn Mersina— Adana, 
oder nach dem Euphrat weitergeftihrt werden wird, lässt sich heute 
noch nicht entscheiden. Zwischen Caesarea und dem Euphrat liegen 
noch reiche Distrikte, Mesopotamien aber ist heute ein so schwach 
bevölkertes und so wenig produktives Land, dass die vielbesprochene 
Euphrat— Tigris'Bahn wohl schwerlich für irgend eine Betriebsge- 
sellschaft etwas Verlockendes haben wird. Auch die Heiüberziehung 
des indischen Verkehrs auf diese Bahn muss in's Reich der Träume ver- 
wiesen werden, denn der Transport der indischen Produkte nach Europa 
wird zu Wasser immer rascher und billiger beschafft werden können, 
während der Passagier- und Postverkehr längst nicht bedeutend genug 
ist, um eine solche Bahnlinie zu alimentiren. Deshalb glaube ich auch 
nicht an die erhoffte grosse Subvention seitens der englischen Regierung. 

Es ist auch viel die Rede gewesen von einer Bahn Samsun— Siwas, 
aber es hat sich nie eine Gesellschaft zur Ausführung dieser Bahn 
finden lassen, da dieselbe vorläufig nicht vielversprechend erscheint. 
Wenn einmal die Linie Angora— Caesarea gebaut sein wird, so ist es 
möglich, dass die Anatolische Bahngesellschaft von irgend einem Punkte 
dieser Linie aus über Amasia den Anschluss an das Schwai*ze Meer, 
vielleicht bei Samsun suchen wird, bis dahin aber wird die Frage 
wohl ruhen. Dem Anschluss von Caesarea nach Adana steht das 
Taurus-Gebirge als schwer zu überwältigendes Hinderniss entgegen. 

Als Kompensation für die Ertheilung der Eonzession für die 
Linie Eski-Schehir — Eonia an die Anatolische Bahngesellschaft er- 
hielt die Smyma—Cassaba- Eisenbahngesellschaft von der türkischen 
Regierung die Eonzession zur Verlängerung ihrer Hauptlinie von Ala- 
schehir nach Afiun - Earahissar. Diese Eonzession ist jedoch von 
recht zweifelhaftem Werthe, weil die Linie sehr schwierig und kost- 
spielig ist, weil sie auf einer langen Strecke sich der Eonkurrenzlinie 
Smyrna— Aidin — Diner zu sehr nähert, und weil ihr das Feld nördlich, 
östlich und südöstlich durch die ebenfalls Earahissar berührende Linie 
Eski-Schehir — Eonia abgeschnitten ist. Im Vertrauen auf die der 
Bahn gewährte, aber doch recht prekäre, besonders hohe kilometrische 
Einnahmegarantie hat die Gesellschaft den Bau doch unternommen; 
dass sie aber viel Freude daran erleben wird, darf man wohl bezweifeln. 



52 

Die Smyrna-Aidin- Eisenbahn -Gesellschaft hatte die Absicht, 
ihre Hanptlinie von Diner nach Konia fortzusetzen, jetzt aber, wo die 
Anatolische Bahngesellschaft anf Eonia baut, wird der Smyma—Aidin- 
Bahn wohl nichts übrig bleiben, als sich südöstlich zu wenden, wo 
ihr noch fruchtbare Distrikte, wie Bnldar and Sparta offen stehen. 
Später wird dann vielleicht auch die Verbindung mit der Südküste 
Eleinasiens bei Adalia gesucht werden, obgleich auch hier wie im 
ganzen Süden die Tauruskette ein schwer zu bewältigendes Hindemiss 
bildet. 

Eine französische Gesellschaft hat eine Eonzession fbr mehrere 
Bahnen in Syrien erlangt; was daraus werden wird, lässt sich noch 
nicht übersehen. Es scheint die Absicht zu bestehen, Syrien der 
Länge nach mit einer Bahn zu durchziehen; wo aber in Nordsyrien 
der Ausgangspunkt nach dem Mittelmeere sein wird, scheint noch 
nicht bestimmt zu sein. Der vortheilhafteste Punkt wäre wohl 
Tripolis, da von dort aus das Gebirge sich am leichtesten durch- 
brechen lassen soll, und Tripolis eine Art Centralpunkt für Syrien 
bildet, auch die Hafenverhältnisse dort nicht so ungünstig sein sollen, 
wie an den anderen Punkten der syrischen Eüste. Syrien scheint 
dazu bestimmt zu sein, eine französische Domaine zu werden. Schon 
jetzt übt dort Frankreich durch Vermittlung der katholischen Eirche, 
welche dort ausser den Maroniten noch sonst viele Anhänger zählt 
und das Land mit einer Eette von mit Hochdruck arbeitenden 
Missionsstationen überzogen hat, einen dominirenden Einfluss aus; 
die französischen Eisenbahn- und Hafenbauten und sonstigen in- 
dustriellen Unternehmungen können nur dazu beitragen, diese Stellung 
zu befestigen. Deshalb sollte Deutschland mit aller Eraft dahin 
streben, sich in Eleinasien ein Gegengewicht gegen diese französischen 
Bestrebungen zu schaffen. Noch ist es Zeit, aber vielleicht nicht 
mehr lange; die letzte Finanzoperation der deutsch-oesteireichischen 
Gruppe, durch welche eine grosse Anzahl von Aktien der Orientalischen 
Bahngesellschaft in französische Hände übergegangen sind, birgt 
eine geiä.hrliche Tendenz für unsere Stellung im Orient in sieb. 
Die Smyrna-Cassaba-Bahn ist in französische Hände über- 
gegangen, die Smyrnaer Eai- Anlagen sind ein französisches 
Unternehmen, in der Ottomanischen Bank hat das französische 
Element das englische völlig in den Hintergrund gedrängt, 
daher wäre dringend zu wünschen, dass die Unter- 
nehmungen der deutschen Finanzgrnppe hinfort so ge- 
leitet würden, dass sie als deutsche Unternehmungen 
bestehen blieben und dass sie auch in Deutschland die- 



53 

jenige Unterstfitzang fänden, welche nöthig ist, um 
dieses zu ermöglichen. Die Gefahr dabei ist geringer, als bei 
den meisten anderen derartigen Unternehmungen, da wenigstens das, 
was bisher unternommen wurde, auf gesunder Basis ruht und Klein- 
asien zweifellos einer grossen Entwickelung entgegen geht. 

Die Entwickelung des Bahnsystems der Türkei und die Renta- 
bilität der Bahnen hängt nun in erster Linie von der Zunahme der 
Dichtigkeit der Bevölkerung und der Verbesserung des Ackerbaus 
ab. Die Dichtigkeit der Bevölkerung ist in der ganzen Türkei eine 
sehr geringe, in der europäischen Türkei übersteigt dieselbe auf dem 
Lande im Durchschnitt wohl kaum 9 — lOEinw. auf den qkm, in 
Kleinasien wird der Durchschnitt kaum viel mehr als 4—5 Binw. auf 
den qkm sein. So hat z. B. die bestbevölkerte Provinz Kleinasiens, 
die Provinz Smyrna, wenn man die Stadt Smyrna abrechnet, nur 
etwa 7, die Centralprovinz Konia nicht viel über 3 Einw. auf den 
qkm. Ganz Kleinasien vom Mittelländischen Meere bis zur russischen 
und persischen Grenze, welches einen Flächeninhalt von ungefähr 
einer Million Quadrat-Kilometer hat und zur Bömerzeit eine Be- 
völkerung von gewiss wenigstens 50 — 60 Millionen Einwohnern be- 
sass, hat heute kaum den zehnten Theil dieser Bevölkerung. Kriege, 
besonders die Mongolenzüge, und Epidemien haben zusammengewirkt, 
um dieses traurige Resultat hervorzubringen, und die Sorglosigkeit 
der türkischen Regierung und ihr Mangel an Verständniss für wirth- 
schaftliche Fragen haben dafür gesorgt, dass die dem Lande auf solche 
Weise geschlagenen Wunden bis jetzt nicht wieder heilen konnten. 
Erst in neuerer Zeit beginnt die Bevölkerung wieder, sich etwas zu 
vermehren; allerdings vermehrt sich nur die christliche Bevölkerung, 
während die Zahl der Türken rapide zurückgeht. 

Es liegt auf der Hand, dass hier unter diesen Verhältnissen ein 
weites Feld für europäische, besonders deutsche Kolonisation offen 
steht, doch kann dieselbe nur dann von Erfolg sein, wenn sie in 
geschlossenen Gemeinden und unter dem Schutze von kapitalkräftigen 
Kolonisationsgesellschaften auftritt. Der einzelne Kolonist würde bald 
durch die ihm entgegentretenden Widerwäitigkeiten zu Grande gehen, 
im besten Falle aber würden schon seine Kinder ihre Nationalität 
und Muttersprache verlieren und in der griechischen Bevölkerung 
aufgehen, welche Europäern aus den unteren Klassen gegenüber eine 
ausserordentliche Assimilirungskraft besitzt. Unter den Widerwärtig- 
keiten sind vor Allen hervorzuheben der Brodneid der einheimischen 
Bevölkerung, welcher sich dem einzelnen Fremden gegenüber in 
Angriffen und Ghikanen aller Art Luft macht, und die Chikanen 



54 

und Bedrückungen der türkischen Behörden. Eine von kapital- 
kräftigen Gesellschaften gestützte Einwanderung aber, welche in 
geschlossenen Gemeinden aufträte, wie in früheren Jahrhundeiten die 
deutschen Einwanderer in den Ländern des Ostens, würde alle diese 
Schwierigkeiten siegreich überwinden, besonders, wenn sie von ihrer 
heimischen Eegierung einigermassen geschützt würde. Am praktischsten 
wäre es, wenn sich solche Kolonisationsgesellschaften im Anschlass 
an die Eisenbahngesellschaften bildeten, welche ein direktes Interesse 
an der Vermehrung der Bevölkerung und der besseren Ausnützung 
des Grund und Bodens haben. Dann würde sich auch ein Theil der 
deutschen Auswanderung mit Yortheil nach diesen Ländern leiten 
lassen, und würde ihnen zuführen, was sie zu ihrer Entwickelung 
in erster Linie brauchen, eine arbeitsame an Ordnung gewöhnte 
Bevölkerung. 

Der Ackerbau steht in der ganzen Türkei noch auf einer recht 
niedrigen Stufe, nur in wenigen Provinzen ist der europäische Pflug 
in Gebrauch, Egge und Walze sind fast unbekannt. In sehr vielen 
Gegenden dient als Pflug ein zugespitzter Baumzweig, mit dem die 
Erde aufgeritzt wird. Düngung ist der einheimischen Landbevölkerung 
fast unbekannt. Intelligentere Ackerbauer sind nur die kleinasiatischen 
Griechen und die aus der Krym eingewanderten Tataren. Dass 
trotz der im allgemeinen so primitiven Bewirthschaftungsart reiche 
Ernten erzielt werden, spricht gewiss für die Güte des Bodens. Das 
günstige ^lima gestattet den Anbau sehr verschiedenartiger Produkte, 
so dass sich die Bauern nicht auf Eörnerbau zu beschränken brauchen. 
Auf den grösseren Gütern hat man auch Versuche mit Maschinen 
gemacht, besonders sind Dresch-, Mäh- und Drillmaschinen mit 
Pferde-, Ochsen- oder Büffelbetrieb mit gutem Erfolge angewendet 
worden, die Dampfkraft aber kann nur auf solchen Komplexen ange- 
wandt werden, deren Ausdehnung die volle Ausnutzung der Maschinen- 
kraft gestattet, da der Dampfbetrieb, sonst viel zu kostspielig ist. 
Mancher Grundbesitzer ist schon an der Nichtbeachtung dieser Be- 
dingung zu Grunde gegangen. 

Hier ist wohl der Platz auch einiges über die deutschen Ver- 
tretungen im Auslande einzuschalten. Es soll nicht verkannt werden, 
dass da wo vitale deutsche Interessen verletzt werden, die deutschen 
Vertreter stets mit anerkennenswerther Energie auftreten; wo es sich 
aber um rein kaufmännische Fragen handelt, vermisst man doch bei 
den Konsuln manchmal das richtige Verständniss. Zum Theil mag 
dieses daher kommen, dass die deutschen Konsuln den Verkehr mit 
ihren dem Kaufmannsstande angehörigen Landsleuten nicht selten 



56 

meiden oder doch auf das unvermeidliche beschränken and auch die 
Einziehung von Informationen über die Verhältnisse des deutschen 
Handels und speciell über die Interessen der in ihrem Bezirk an- 
sässigen deutschen Kaufleute nicht selten Snbalternbeamten über- 
lassen, anstatt sich selbst durch direkte Aussprache mit den Interes- 
seuten aus eigener Anschauung einen Einblick in die einschlägigen 
Verhältnisse zu verschaflFen. 

Die Ursache dieses Verhaltens mancher Konsuln liegt wohl zum 
grossen Theil in der in den Kreisen deutscher Beamten und Militärs 
und besonders in adeligen Kreisen heute noch vielfach herrschenden 
Missachtung des Kaufmannsstandes und in dem damit Hand in Hand 
gehenden mangelndem Verständniss für die wirthschaftliche Bedeutung 
des Handels. Der Handel wird vielfach als eine Art unvermeid- 
liches Uebel und die Handeltreibenden werden als Leute von mehr 
oder weniger zweifelhafter Ehrenhaftigkeit angesehen. Diese Miss- 
achtung ist noch ein Ueberbleibsel aus der Zeit des Kampfes der 
Keichsfürsten und der Reichsritterschaft gegen die Städte, die Krämer, 
ein Kampf, welcher in erster Linie dem Neide und dann auch dem 
mangelnden Verständniss für die Wichtigkeit der gewerbfleissigen 
Städte mit ihrem lebhaften mächtigen Handel im nationalen I^ben 
entsprang, und welcher dazu führte, dass eine der stolzesten Er- 
scheinungen unseres Volkslebens, die Hansa, ein so klägliches 
Ende nahm. 

In den erwähnten Kreisen kann man sich den Kaufmann auch 
heute noch vielfach nicht anders vorstellen, als entweder als Hausirer, 
seine Waaren von Thür zu Thür feilbietend, oder liinter der Toon- 
bank stehend, und Häringe, Zucker und Syrup etc. dem Publikum 
verkaufend; von dem Wesen des durch den Handel vermittelten Güter- 
austausches zwischen den Nationen, wie zwischen Produzenten und 
Konsumenten im Inlande, hat man meistens keine Ahnung. 

Auch über das Bankgeschäft hat man die krassesten Ideen 
Der Bankier ist in diesen Kreisen häufig entweder der Wucherer, 
welcher die Nothlage seiner Mitmenschen ausbeutet, um ihnen das 
nöthige Geld zu den härtesten Bedingungen vorzustrecken, oder 
der Schwindler, welcher ihre Unerfahrenheit benutzt, um ihnen faule 
Papiere aufzuhängen. Dafür, dass der ernsthafte Bankier, welcher 
Gott sei Dank bei uns noch die weit überwiegende Mehrzahl der am 
Bankgeschäfte Betheiligten bildet, ein wahrhaft fruchtbringendes 
Element im wirthschaftlichen Leben ist, indem er das überflüssige 
Geld des Einen den Kapitalbedürftigen zuführt, und zwar mit 
einem durch die Konkurrenz so auf ein Minimum herabgedrückten 



56 

Nutzen, dass es einer ausserordentlichen Rührigkeit und Umsicht 
bedarf, um dabei bestehen zu können, fehlt noch vielfach das Yer- 
ständniss. 

Auch die Stellung der Deutschen im Auslande unterliegt in 
diesen Kreisen häufig der eigenthttmlichsten Beurtheilung. Man hört 
gar nicht selten die Aeusserung, ein Deutscher, welcher in's Aus- 
land ginge, hätte keinen Anspruch mehr auf Berücksichtigung seitens 
seiner Landsleute im Yaterlande und folglich auch keinen Anspruch auf 
Schutz seitens der Regierung seines Vaterlandes. Dass die deutschen 
Eaufleute und Pflanzer im Auslande die Pioniere des deutschen 
Handeis sind, dass der Einfluss, welchen sie vermöge ihrer Wohl- 
habenheit und ihrer Rührigkeit in den Ländern ausüben, in welchen 
sie sich niedergelassen haben, in erster Linie unserem Vaterlande zu 
Gute kommt und dessen politischen Einfluss hebt, dafür findet man 
nur selten Verständniss. Man sollte doch nachgerade auch begreifen, 
dass der Reichthum, welchen unsere Landsleute in fremden Ländern 
erworben, unser Nationalvermögen vermehrt; denn die weit über- 
wiegende Mehrzahl dieser dem Eaufmannsstande angehörenden Lands- 
leiite kehrt später nach Deutschland zurück, um die Früchte ihrer 
Arbeit im Vaterlande zu geniessen ! Was sind dem gegenüber unsere 
Kolonien! Ich unterschätze die Kolonial bewegung keineswegs, sie 
hat gewiss ihre grosse Wichtigkeit; auch bedaure ich das Geld nicht, 
welches dafür ausgegeben wird, wenn es nicht in schlecht geleiteten 
Unternehmungen oder in von vorne herein aussichtslosen Experimenten 
vergeudet wird, es wird gewiss einst reichliclie Früchte tragen; aber 
gegenüber der Ueberschätzung der bisher erzielten Resultate, welcher 
wir in gewissen Kreisen begegnen, ist es gewiss angebracht, darauf 
hinzuweisen, dass die in fremden Ländern ansässigen deutschen Kauf- 
leute und Industriellen doch Interessen von ganz anderer Bedeutung 
für unser Vaterland repräsentiren. 

So lange wir nun aber in den erwähnten Kreisen in Deutschland 
einer gewissen Missachtung des Handels und des Handelsstandes be- 
gegnen, können wir nicht erwarten, dass diejenigen Konsuln, welche 
aus diesen Kreisen hervorgegangen sind, zu einem vollen Verständniss 
der Wichtigkeit des Handels und des Handelsstandes gelangen, wenn 
auch nicht verkannt werden soll, dass die Zahl derjenigen Beamten 
des auswärtigen Dienstes, welche ihrer Aufgabe in dieser Beziehung mit 
Erfolg das grösste Interesse entgegen bringen, von Jahr zu Jahr wächst. 
Es könnte aber vielleicht auch noch Manches für eine praktischere 
Vorbildung der Konsuln für ihi^en Beruf geschehen. Bei uns werden 
die Konsuln fast ausschliesslich aus dem Stande der Assessoren ge- 



nommen; sie sind meistens trockene Juristen und Bui*eaukraten, bringen 
meistens auch wenig Yerständniss für die praktischen Forderungen 
des Lebens mit, wodurch ihnen die Einarbeitung in ihren Beruf 
ausserordentlich erschwert wird, auch mangeln ihnen häufig die 
Sprachkenntnisse. Viel besser ist die Vorbildung, welche die meisten 
der oesterreichischen Konsuln geniessen. Dieselben beziehen, nach- 
dem sie die Schule absolvirt haben, nicht die Universität, sondern die 
orientalische Akademie in Wien, in welcher sie in neueren Sprachen 
und in den Institutionen und wirthschaftlichen Verhältnissen der 
hauptsächlich in Frage kommenden fremden Länder unterrichtet 
werden und einen kurzen juristischei^ Kursus durchmachen, in dem 
sie für ihren Beruf genügende Kenntnisse in der allgemeinen Juris: 
prudenz erwerben. Grösseren Konsulaten in solchen Ländern, in 
denen die Konsuln die Jurisdiktion über ihre Schutzbefohlenen be- 
sitzen, kann ja ein tüchtiger Jurist als Bichter beigegeben werden, 
welcher auch als Appellinstanz für die übrigen Konsulargerichte seines 
Distriktes dienen könnte. Diese Einrichtung besteht im englischen 
Konsulatswesen und hat sich da durchaus bewährt. Für Deutsch- 
land würde es sich im Falle einer ähnlichen Organisation um kaum 
mehr als ein halbes Dutzend solcher Richterstellen handeln. 

Nach Beendigung ihrer Studien werden die jungen österreichischen 
Kousular-Eleven während einiger Jahre grösseren Konsulaten beige- 
geben. Sie erhalten dann vor ihrer Ernennung zu Vice- Konsuln häufig 
ein Stipendium zu einer auf etwa 6 Monate bemessenen Informations- 
reise durch die österreichischen Industrie- und Handelscentren. Haben 
sie sich ausgezeichnet, so erhalten sie wohl auch noch die Mittel zu 
einer grösseren Beise in fremde Länder. Ueber die Erfahrungen 
und Beobachtungen auf ihren Reisen haben sie Bericht zu erstatten. 
So wird in den jungen Leuten das Interesse für ihre zukünftigen 
Aufgaben geweckt, und sie erhalten die nöthige Vorbildung dafüi*. 
Ich bin überzeugt, dass ähnliche Einrichtungen auch in Deutschland 
die besten Früchte tragen würden. 

Zu empfehlen wäre auch die Bildung von deutschen Handels- 
kammern im Auslande, und zwar möglichst in Anlehnung an die 
Konsulate. Zu denselben wären aber nicht nur die dort ansässigen 
Deutschen heranzuziehen, sondern auch solche Nichtdeutsche, welche 
sich an dem Handel zwischen dem betreffenden Lande und Deutschland 
in hervorragender Weise betheiligen. Frankreich und Oesterreich haben 
mit ihren Handelskammern im Auslande recht gute Erfahrungen gemacht. 

Kehren wir nun zu unserem Thema zurück und fassen wir 
nun speziell die mit deutschem Gelde im Auslande gebauten 



58 

Bahnen in's Auge, so lässt sich nicht verkennen, dass dieselben 
Deutschland in mehrfacher Beziehung grossen Nutzen bringen. 
Dieser Nutzen besteht nicht nur in der voraussichtlich guten Ver- 
zinsung, welche das darin angelegte Kapital einmal erlangen wird, 
sondern hauptsächlich noch in den Vortheilen, welche der deutschen 
Industrie daraus erwachsen. Dahin gehören zuerst die Lieferungen 
für den Bahnbau und das rollende Material; auch ist der Um- 
stand nicht gering anzuschlagen, dass diese von deutschen Werken 
ausgeführten Lieferungen die deutsche Industrie in den betreffenden 
Ländern mehr bekannt machen und alle Zweige derselben dort mehr 
und mehr einführen. Im Orient ist dieses wenigstens der Fall ge- 
wesen; die Bahnbauten der deutschen Unternehmer haben mächtig 
dazu beigetragen, den Import deutscher Fabrikate zu heben. Daraus 
zieht denn auch wieder die deutsche Schiffahrt Nutzen, indem der 
deutsche Export nach dem Orient heute zum weitaus grössten Theile 
und auch schon ein grosser Theil des deutschen Importes aus' dem Orient 
durch deutsche Schiffe besorgt wird. Dieser Nutzen ist viel bedeutender, 
als man im allgemeinen glaubt; Smyrna allein exportirt jährlich 25 
bis 80,000 Tonnen Waare nach Deutschland. Ein beträchtlicher Theil 
dieser Waaren geht allerdings noch durch die holländische Dampfechiff- 
fahrtsgesellschaft, sowie über Triest und Venedig, doch vergrössert sich 
der Antheil der deutschen Linien zusehends. 

Die Erfahrungen, welche England mit seinen Eisenbahnbauten 
in fremden Ländern gemacht hat, zeigen, dass solche Unternehmungen 
nicht nur von dem engherzigen Standpunkte aus, ob das darin ange- 
legte Kapital auch vollkommen gesichert ist, zu beurtheilen sind. Wenn 
mit Umsicht und Sachkenntniss vorgegangen wird, so werden sie stets 
sicherer sein, als das faulen Staaten geliehene Geld, denn es ist immer ein 
entwickelungsfähiges Pfandobjekt vorhanden. Bei Beurtheilung solcher 
Unternehmungen"" sollte man stets auch den Vortheil, welcher der hei- 
mischen Industrie und dem heimischen Handel direkt und indirekt 
daraus erwächst in Betracht ziehen, ferner auch den Umstand, dass der 
Ueberschuss von tüchtigen Männern der gebildeten Stände, welchen 
Deutschland besitzt, dabei vortheilhafte Verwendung finden kann. 
In England betheiligen sich häufig industrielle Etablissements mit 
Kapital bei auswärtigen Unternehmungen wie Eisenbahnbauten, Hafen- 
anlagen etc. und sichern sich dadurch die Lieferung eines Theiles 
des nöthigen Materiales. Das geschah in besonders hervorragender 
Weise bei den Eisenbahnbauten in der Türkei. Wenn sie hierbei 
nicht immer den gehofften Vortheil gefunden haben, so war die Ur- 
sache gewöhnlich, dass die Bauleiter nicht genügend mit den ein- 



59 

schlägigen Verhältnissen vertraut waren, oder m anderer Hinsicht 
das in sie gesetzte Vertrauen nicht rechtfertigten. Deshalb muss 
bei allen solchen Unternehmungen die erste Bedingung sein, dass 
die Leitung Männern anvertraut wird, welche Land und Leute 
kennen, gründliche Fachkenntniss und praktischen Sinn besitzen und 
unbedingt vertrauenswürdig sind. An tüchtigen und ehrlichen Fach- 
leuten mit praktischem Sinn ist in Deutschland kein Mangel, und 
landeskundige zuverlässige Deutsche findet man auch in allen Ländern. 

Ich möchte noch etwas über die Währungsverhältnisse in der 
Türkei sagen. Die Türkei besitzt eine passive Handelsbilanz; ihre 
Schuld befindet sich fast ganz im Auslande, die Eisenbahnen gehören 
ausländischen Gesellschaften; ebenso befinden sich die Aktien der 
Banken und industriellen Gesellschaften grösstentheils in fremden 
Händen. Die Zahlungsbilanz zeigt somit ein grosses Deficit, dennoch 
hat die Türkei nie Schwierigkeiten gehabt, ihre Metallwährung auf- 
recht zu erhalten. Der Ausfall in der Zahlungsbilanz wurde durch 
den Zufluss von Geld aus Europa sowohl für die mit europäischem 
Kapital in der Türkei in's Leben gerufenen Eisenbahn-, Hafen- und 
sonstigen Anlagen und Unternehmungen, als auch aus dem Erlöse 
der in Europa aufgenommenen Anleihen stets reichlich gedeckt. Da 
die erwähnten Unternehmungen die Erzeugung von Exportprodukten 
stetig heben, andererseits auch die sich mehr und mehr entwickelnde 
einheimische Industrie den Import gewisser Produkte einschränkt, so 
ist die Zeit vielleicht nicht fern, wo die Handelsbilanz der Türkei 
eine aktive werden wird, und damit wäre dann auch die Möglichkeit 
näher geiiickt, mit der Pumpwiithschaft zu brechen, ohne die Auf- 
rechterhaltung der Metallwährung in Frage zu stellen. 

Die offizielle Währung der Türkei ist die Goldwährung; in 
Wirklichkeit besteht diese jedoch nur in der europäischen Türkei, 
während die asiatische Türkei in der Praxis Silberwährung hat. 
Dennoch hält sich das Goldagio seit etwa 15 Jahren stabil auf un- 
gefähr 8 ^io mit kleinen Schwankungen von etwa 1 % auf- oder ab- 
wärts. Es ist dieses dadurch möglich geworden, dass die Türkei die 
Prägung von Silbermünzen schon seit mehr als 10 Jahren eingestellt 
hat, so dass der Betrag des im Lande zirkulirenden Silbergeldes nicht 
grösser ist, als der Bedarf unter normalen Verhältnissen erfordert. 
Die Türkei liefert ein Beispiel dafür, dass eine grössere Verwendung 
des Silbers zu Münzzwecken möglich ist, ohne die Währungsverhält- 
nisse zu zerrütten, vorausgesetzt, dass an der Goldbasis der Währung 
nicht gerüttelt wird und dass die Ausprägung von Silbermünzen sich in 
normalen Zeiten im richtigen Verhältnise zu dem Bedarf des Landes 



60 

hält. Es könnte dies wobl ein Fingerzeig für die Regnlierung der 
indischen Währung sein, da auch Indien ein armes Land ist, in dem 
Goldwährung nicht allgemein durchführbar ist. 

Zum Schluss will ich noch einige Worte über die in der Türkei 
lebenden Deutschen sagen. In allen grösseren Hafenstädten des 
Landes bestehen mehr oder weniger starke deutsche Kolonien, welche 
eine geachtete Stellung einnehmen. Unsere Landsleute dort sind 
Kaufleute, Industrielle, Gelehrte, Beamte und Handwerker. Besonders 
stark ist die deutsche Kolonie in Konstantinopel, zu welcher die 
Beamten und Arbeiter der Eisenbahngesellschaften ein zahlreiches 
Kontingent stellen. Ebenso bilden diese Beamten auch einen starken 
Bruchtheil der deutschen Kolonie in Salonik. Deutsche Schulen 
existiren in Konstantinopel, Smyma, Sofia, Salonik, Beirut, Alexandrien 
und Kairo. Die Schule in Konstantinopel erhält eine beträchtliche 
Unterstützung seitens der deutschen B«ichsregierung, auch die meisten 
der anderen Schulen werden von derselben unterstützt; die Schule in 
Salonik erhält einen beträchtlichen Jahresbeitrag von der Eisenbahn- 
Gesellschaft. 

Von grösster Wichtigkeit für die Erhaltung des Deutschtbums 
in diesen Ländern sind die deutschen evangelischen Gemeinden, sie 
bilden den Hort des Deutschtbums und einen Wall gegen die Yer- 
levantinisirung der dortigen Deutschen. Um sie schaart sich Alles 
was deutsch ist, selbst die deutschen Katholiken. Dass die katholische 
Kirche dem Deutschthum abhold ist und alle ihm feindlichen Be- 
strebungen unterstützt, sehen wir täglich in unserem eigenen Yaterlande, 
im Orient aber betreibt dieselbe direkt französische Propaganda und 
zwar mit solchem Erfolge, auch unter unseren Landsleuten, dass 
überall, wo nicht eine deutsche evangelische Gemeinde 
und die mit derselben verbundene Schule dem energisch 
entgegentritt, schon die Kinder der deutschen Katholiken und 
solche aus gemischten Ehen sich meistens nicht mehr als Deutsche, 
sondern als Franzosen fühlen. Deshalb wäre es dringend zu wünschen, 
dass die deutschen evangelischen Gemeinden im Orient und auch in 
anderen Ländern vom Yaterlande aus kräftig unterstützt würden. 
Der Gustav- Adolph- Yerein thut ja was er kann, aber seine Mittel sind 
beschränkt, und bei der deutschen Reichsregierung lässt leider das Yer- 
ständuiss für diese wichtige Frage manchmal zu wünschen übrig. So 
bemühte sich z. B. die deutsche Kolonie in Salonik seit Jahren eine 
deutsche evangelische Gemeinde mit deutschem Prediger zu bilden, 
ihre Mittel sind aber ungenügend, sie bedarf einer Jahresunterstützung 
von etwa 4000 Mark. Der Gustav- Adolph- Yei-ein hat bereitwillig einen 



61 

Beitrag zugesagt, welcher natürlich bei Weitem nicht ausreicht; die 
deutsche Eeichsregierung und die preussische Regierung aber ant- 
worteten auf die Gesuche um Unterstützung, dass das Reich keine 
einseitig konfessionelle Bestrebungen unterstützen könne und die 
preussischen Interessen in Macedonien zu unbedeutend seien, um eine 
solche Ausgabe zu rechtfertigen. Schliesslich hat sich die preussische 
Regierung doch zu einer Unterstützung der in der Bildung begriffenen 
Gemeinde entschlossen; es wird aber noch grosser Anstrengungen 
bedürfen, um den Bestand der Gemeinde sicher zu stellen. Im vorigen 
Jahrhundert gab die Stadt Danzig reiche Spenden zur Unterstützung 
deutscher protestantischer Gemeinden im Auslande; sie bestritt sogar 
allein die Ausgaben der deutschen Gemeinde in Smyrna. Die napoleo- 
nischen Kriege zwangen die Stadt Danzig diese Spenden einzustellen, 
vielleicht nehmen andere reichere deutsche Handelsstädte das von 
Danzig nothgedrungen aufgegebene Werk wieder auf. 



„Die Erforschung des Dirk Gerritsz^- Archipel". 

Einige Bemerkungen zu dem Aufsatze: >Das Wiedererwachen der 
antarktischen Forschung« in Dr. A. Petermanus Mittheilungen. 

1895, Heft 6. 

Von 

Dr. Johannes Petersen. 



Die im zweiten Heft des Jahrganges 1891—92 dieser Mit- 
theilungen erschienene Abhandlung: »Die Reisen des Jason und 
der Hertha in das antarktische Meer«, dem eine Originalkarte des 
Dirk Gerritsz- Archipel von L. Friederichsen beigegeben 
war, erfuhr in dem in der Ueberschrift genannten Aufsatze aus der 
Feder H. Wichmanns^) eine abfällige Beurtheilung , die auch an 
dieser Stelle im Interesse einer wahrheitsgemässen Darstellung der 
Ergebnisse der Jason-Expedition eine Zurückweisung verdient. Leider 
hat das Ansehen, das die genannte Zeitschrift geniesst, dazu geführt, 
dass die grundlosen Behauptungen des Referenten schon in Wagners 
Geographisches Jahrbuch übergegangen sind, und es ist zu befürchten, 
dass sie noch weitere Verbreitung finden, wenn ihnen nicht entgegen 
getreten wird. 

Die Aussetzungen in Fet. Mitth. lassen sich kurz dahin zusammen- 
fassen : 

1) Manche Stellen sind nicht immer zutreffend übersetzt worden. 
Daraus ergeben sich mehrfach Irrthümer, welche auch auf die 
Konstruktion der Karte von Einfluss waren. 



*) Dirk Gerritsz, nicht Dirck Gherritz, cf. Rüge, Deutsche Gcogr. Blätter, 
XVIII, Heft 3. L. F. 

*) H. Wich mann giebt an, zu seiner Kritik durch ein t ausführliches Memoire« 
des Kapt. Schuck in Hamburg veranlasst zu sein, doch schliesst er sich, nach 
dem Wortlaut der Kritik, den Aussetzungen dieses Herrn ganz an und macht sie sieb 
zu eigen. 



63 

2) Der Unterschied des Meilenmasses ist in der üebersetzung nicht 
überall berücksichtigt worden. 

3) Eine Veröffentlichung in Norske Qeograflske Selskabs Aarbog 
V, 1893—1894 ist als »Originale zu betrachten, eine dort ent- 
haltene Skizze »dürfte wohl unter Beihülfe oder wenigstens 
Billigung von Kapt. Larsen entstanden.sein«. H. Wichmann 
hält es für seine Pflicht, künftige Expeditionen auf den an- 
geblichen »Originalbericht« des Eapt. Larsen zu verweisen. 

4) » Die Frage ist, wie genau bestimmt werden konnte der Schiffs- 
»ort bezw. Schiffsweg, hierfür bietet weder der Bericht noch 
» der Journalauszug den geringsten Anhalt; nur vermuthet man 
»schon am 19. November, an welchem Tage der Mittagsort 
»nach Peilung von Paulet-Insel bestimmt ist, dass die Ent- 
»fernung erheblich überschätzt wurde«. . . . 

Ich erwidere hierauf: 

zu I. H. Wichmann hätte bei aufmerksamer Durchsicht der 
Begleitworte L. Friederichsens zu seiner Karte bemerken müssen, 
dass die Karte auf den Eintragungen Kapt. L a r s e n s in die englische 
Admiralitätskarte beruht, dass also keine Fehler in der Konstruktion 
der Karte aus angeblichen Irrthümern der Üebersetzung herrühren 
können. 

In dem Referat der Pet. Mitth. wird eine von mir angeblich falsch 
übersetzte Stelle als »wichtiger« für die Topographie angeführt: 

»Bei der Schilderung der kleinen Kobben-Inseln bei Kong Oskar II.- 
»Land lautet die Üebersetzung: »»Soweit ich bei klarem Wetter sehen 
»konnte, liegt weder nach N noch NW hin Land«« — eine Angabe, 
»welche entscheidend sein musste für die vollständige Trennung des 
» Louis Philippe-Landes vom Kong Oskar II.-Land. . . Das norwegische 
»Original*) unterstützt diese Ansicht jedoch nicht, denn dort heisst 
»es: »»Auch soweit ich bei klarem Wetter zu sehen vermochte, konnte 
»ich nichts entdecken bis zum Land in N und NW- Richtung, nur NO 
»von Lindenbergs Zuckerhut sah ich viele Erhöhungen im Eise««. 
»Zudem heisst es kurz vorher: »»da sonst alle Gipfel auf dem Hoch- 
» lande und umher schneebedeckt sind««. Diese beiden Stellen sprechen 
»nicht dafür, dass im Westen der Robbeninseln Land sich nicht 
»befinden soll«. 

Auf welcher Seite mangelhaftes Verständniss des Norwegischen 
oder unzutreffende üebertragung liegt, ob auf Seiten des Referenten 

^) Der norwegische Original-Text lautet: »Og saa vidt jeg har kunnet se i klart 
veir intet kunnet opdage til land i N og Nvestlig retning undtagen nordost fra Lindenbergs 
Sukkertop har jeg scet flcre forheininger i isen.« 



64 

resp. seines Gewährsmannes oder auf meiner Seite, das beweist gerade 
diese Stelle ganz schlagend. 

Diese Stelle ist von mir richtig übersetzt, nicht von 
dem Referenten, wenn dieser sich auch berufen fühlt, meine Ueber- 
setzung als nicht zutreffend zu bezeichnen. Die üebersetzung, wie 
H. W i c h m a n n sie giebt, wäre nur dann richtig, wenn im norwegischen 
Text landet stände, statt land. Ich verweise noch auf einen weiter 
unten abgedruckten Brief Larsens. 

Auch die in Pet. Mitth. weiter herangezogene Stelle, ida sonst 
alle Gipfel auf dem Hochlande und umher schneebedeckt sindc ist 
nicht richtig übersetzt. Im Norwegischen steht: da ellers alle toppe 
rundt omkring paa h0ilandet er snebedaekket. Aus der Stelle soll 
hervorgehen, dass ausser dem Hochlande noch »umher« sich Gipfel 
befinden. — Das u n d in Pet. Mitth. ist aber fälschlich eingeschoben, 
davon steht nichts im Norwegischen, es steht dort nur: Da sonst 
alle Gipfel auf dem Hochlande rund umher schneebedeckt sind. Es 
ist hier von dem schon oft erwähnten Hochlande König Oskar IL -Land 
die Rede, nur gewaltsame Ausdeutung kann aus dieser Stelle noch 
das Vorhandensein anderen Hochlandes oder anderer Gipfel schliessen. 

Man sieht schon hier, mit welchem Becht der Beferent in 
Pet. Mitth. die Karte Friederichsens an dieser Stelle bemängelt. 
Eine eigene Art der Kritik ist es, eine richtige üebersetzung als 
falsch hinzustellen und eine falsche dafür anzugeben! Warum hat 
nicht der Beferent den norwegischen Text citirt? Dann hätte 
jeder Kenner der norwegischen Sprache sofort seine Entscheidung 
treffen können! 

zu 2. Ich habe mich in allen Fällen in der üebertragung der 
Entfernungsangaben genau nach dem Manuskript ') gerichtet, das ich 
dem Abdruck des N. G. S. A. gegenüber als »Originale bezeichnen 
muss. 

zu 3. Ich wiederhole, damit nicht noch einmal übersehen 
wird, wie schon seitens des Beferenten geschehen zu sein scheint, 
dass L. Friederic hsen, wie er in den Begleit werten zu seiner 
Karte sagt, diese mit Benutzung einer Originalkartenskizze 
des Kapt. Larsen ausgearbeitet hat. Diese Skizze ist ein Blatt 
der englischen Admiralitätskarte, inwelcheLarsen eigenhändig 
die neuen Inseln, Küstenlinien u. s. w. eingetragen hat 
(U. a. fehlt auch bei dieser Skizze die von H. Wich mann an.- 
genommene Verbindung zwischen Louis Philippe- Land und König 

^) Im Folgenden bezeichne ich mit Manuskript die mir vorliegende Handschrift des 
Reiseberichts, mit N. G. S. A. den Abdruck im Norske Geogr. Selskabs Aarbog. 



65 

Oskar IL -Land). Der Referent in Pet. Mitth. muss die Bemerkung 
Friederichsens über die Materialien seiner Karte nicht beachtet 
haben, sonst könnte er nicht die minder^verthige Skizze des N. 6. S. A. 
als »wohl unter Beihilfe oder wenigstens Billigung des Eapt. Larsen 
entstanden», empfehlen. Aber auch weiterhin ist er etwas unvorsichtig. 
Nachdem er eben vermuthet hat, dass die Karte im N. G. S. A. 
»Wohle unter Billigung des Kapt. Larsen enstanden ist, wird einige 
Zeilen später gesagt, dass sich deutlich erkennen lasse, dass 
Kapt. Larsen eine Verbindung zwischen Louis Philippe- 
Land und König Oskar 11.- Land annimmt. Wie es damit 
steht, was nach H. Wichmann »deutlich zuerkennen ist«, sagt der 
unten folgende Brief Larsens. 

Noch sei bemerkt, dass ein einigermassen aufmerksamer Vergleich 
des Textes im N. 6. S. A. mit der daselbst befindlichen Skizze schon 
die Nicht-Uebereinstimmung gezeigt haben würde. Auffallend ist, dass 
diese Fehlerhaftigkeit der Kartenskizze nicht nur dem norwegischen 
Herausgeber, sondern auch dem Bearbeiter der englischen Ausgabe 
entgangen ist — die norwegische Skizze stimmt überein mit der im 
Geogr. Journal (Oktober-Heft 1894) befindlichen, und scheint nur eine 
Kopie der letzteren zu sein. Trotzdem sind diese Nicht-Ueberein- 
stimmungen vorhanden. Um nur eine besonders auffallende Stelle zu 
nennen: Im N. G. S. A. und Manuskript steht gleichlautend: 

» Mellem denne og B>obertson lober der et smalt sund 
»i VNVlig^) retning som bliver ganske smalt midt paa Christensen 
»0 og udvider sig paa den anden side igjen«. »Zwischer dieser Insel 
» und Kobertson-Insel verläuft ein schmaler Sund in westnordwestlicher 
»Richtung, der in der Mitte bei Christensen-Insel ganz schmal wird 
»und sich auf der andern Seite wieder verbreitert«. Dieser ganz 
schmale Sund ist auf der norwegischen Kartenskizze ca. 12 deutsche 
geogr. Meilen breit!! 

zu 4. Obgleich keine positiven Anhaltspunkte dafür angegeben 
sind, vermuthet der Gewährsmann des Referenten Fehler in der Orts- 
bestimmung. Der Referent zitirt hier seinen Gewährsmann wörtlich — 
vielleicht weil er sich diesem Theile von dessen Ausführungen nicht anzu- 
schliessen vermag. Es werden Angaben vermisst über die Genauigkeit 
der Ortsbestimmungen. Im Schiffsjoui^nal sind selbstverständlich, wie bei 
einer wissenschaftlich genauen Aufnahme geschehen sein würde, die De- 
tails der Ortsbestimmungen nicht mitgetheilt, Larsen unterscheidet nur 



*) Christensen- Vulkan. 
«) Manuskr. : NV. 



66 

astronomisch bestimmte und durch Loggerecbnung ermittelte Positionen 
(so anch geschehen in meinem Anhang, der die meteorologischen Angaben 
enthält). Da aber Larsen seine Positionen selbst in die Karte ein- 
trug, mnsste der Kartograph, dessen Aufgabe es war, eine zur Yer- 
anschaulichung der Larsen'schen Reise dienende Karte zu liefern, 
sich an diese Eintragungen halten und durfte nicht, ohne feste Grund- 
lagen zu besitzen, willkürlich von diesen abweichen. Im Uebrigen 
sei auch für diesen Punkt auf den Brief Larsens verwiesen. 

Der Aufsatz aus Petermanns Mittheilungen wurde Herrn Kapt. 
Larsen, der sich diesen Sommer hindurch in den ostgrönländischen 
Gewässern aufhielt, nach seiner Rückkehr von dort übersandt und er 
zur Rttckäusserung veranlasst. 

Er antwortete so *) : 

O. A. Larsen 

Skibsferer Sandefjord den 22de Okt. 1895. 

Sandefjord. 



Hr. Sekretaer L. Frederichseu. 

Hamburg. 

»Deres Brev af Ute dennes med vedlagde Peteimanns uddi*ag 
>af Jasons reise i de antartiske farvande har jeg gjennemgaaet og 
»ligeledes ved de spörgsmaal de stiller til meg angaaende forsjelligt 

> som der har stillet sig delte meninger om. 

> Forste spörgsmaal angaaende vorvit jeg saa land i NW og Nord- 

> lig retning vil jeg herved besvare saaledes jeg havde klart veir og 
»sigtbart paa en lengere distangse og künde ikke se noget Land 
» mellem Louis Phillippe Land og Selöerne i NW og Nordlig retning 
>men betvivler slet ikke at Palmer Land og Trinity Land ligger 
»som kartlagt af dem og ere öer der kan vere större eller mindre 
>da jeg ikke som her Schuck tror skulde künde se S5 Sömile da det 
»er en sjeldenhed at man kan see en saadan lang distangse det kau 

> kun ske i et meget klart veir med tynd Luft og man da har meget 
»höit Land for sig i saadant veir har jeg kunnet paa Nordishavet 

') Der Abdruck entspricht in allen Eigenheiten der Schreibweise und Zeichen- 
setzung dem Original. 



67 

»seet optil SO Sömile meu da kuns överste toppe som Laftspeiling 
>saa klart yar veiret ikke da jeg skitsede af de opdagede öer og 
' landstrekninger og alt blev skitset af efler Skibets plads og det 
»skal jeg bemerke at mit Chronometer har vaeret korrekt saa jeg 
»aldrig paa min tur har vaeret bange for at seile og altid vaeret 
»korekt i mit bestik saa her Schuck behöver ikke at tvivle paa at 

> det kart som er udarbeitet af dem ikke skulde vere nöiagtig nok da 
>det er fulstendig planlagt efter den original jeg skitsede ved min 
»fart dernede. 

» Andet spörgsmaal angaaende de forhöininger som jeg saa i NOlig 
9retning fra Lindenbergs Sukkertop vil jeg herved lade Hr. Schuck 

> vide at jeg antog disse for muligens at vere undervands roks opstaaede 
9 ved udbrud fra den sterkt arbeidende Vulkan Lindenbergs Sukkertop 
» der vär i deres umiddelbare nerhed og at der ikke eksisterer land 
»mellem Lindenbergs Vulkan og Louis Philippe Land kan jeg med 

> bestem thed sige den Is der bedekker stredet mellem de ny opdagede 
>öer og L. P. L. er ganske lav saa Hr. Schuck er feil i at tro at 
»Kong Oskar 2de Land og L. P. L. skulde vere sammenhengede 
>Hr. Fredrichsen har en ganske korrekt opfatning og har udarbeidet 
»alt saa godt at jeg ingen feil derved kan finde at udsette derpaa da 
» alt svarer efter mine optegnelser og jeg forstaar mig ikke paa hvad 
>Hr. Schuck grunder sine paastande paa da jeg til det norske geo- 
»grafiske Selskab ikke til dato har indsendt noget kart ei heller har 
» seet noget til hvad der er skrevet fi-a det Norske Geografiske Selskab 
» den opgave jeg indsendte til Christiania var enslydende ^) med den 
>Hr. Fredrichsen har erholdt af mig det skulde vere meg en fornöielse 
>at reise ned til Tydskland vis det skulde vere saa at nogen 
»önskede det. . . . 

Hoiagtelsfuldt 

(gez.) C. A. Larsen. 



*) Dies > enslydende c (gleichlautend) kann insofern nicht wörtlich genommen 
werden, als Manuskript und N. G. S. A. nicht buchstäblich gleichlautend sind. 
Herr Larsen theilt in seinem Brief nur mit, dass er auch einen Reisebericht nach 
Christiania gesandt habe. Durch welche Hände er ging, bis er zum Abdruck im 
N. G. S. A. gelangte, weiss ich nicht, doch scheint es, als ob Aenderungen mit demselben 
vorgenommen sind. Diese Aenderungen betreffen durchweg nur die Form, viel- 
leicht hat Jemand sich veranlasst gesehen, die Ausdrucksweise des Reiseberichts 
etwas mehr der Schriftsprache anzugleichen. An den Stellen, wo sich materielle Ab- 
weichungen zeigten , hatte ich keine Veranlassung, von dem Text des Manuskriptes abzu- 
gehen, da mir daneben noch das Schiffsjournal zur Verfügung stand, und dieses, wie 



68 

Die Uebertragung ins Deutsche bietet insofern einige Schwierig 
keiten, als die eigenartige Schreibweise des Eapt. Larsen sich schwer 
wörtlich wiedergeben lässt, und bei dem Versuch wörtlicher Wieder- 
gabe sich sprachliche Härten ergeben. Indessen kann über den 
Sinn der Larsen' sehen Ausführungen, soweit sie die Zuverlässigkeit 
der Karte Friederichsens betreffen, keine Zweideutigkeit oder 
Unsicherheit irgend welcher Art bestehen. 

Ich übersetze den Brief so : 

Herrn Sekretär Priederichsen. 

»Ihren Brief vom 11. d. M. mit dem beigelegten Auszug^) 
»Petermanns aus der Jason- Reise in die antarktischen Gewässer 
»habe ich durchgesehen und ebenso die Fragen, die Sie an mich 
»richten betreffend Verschiedenes, über das sich getheilte Meinungen 
»gebildet haben. 

»Was die erste Frage angeht, wie weit ich Land in NW- undNIicher 
»Kichtung sah,^) will ich hiermit so beantworten: Ich hatte klares 
»und auf eine weitere Entfernung durchsichtiges Wetter und konnte 
»irgend welches Land zwischen Louis Philippe-Land und den 
»Eobbeninseln in NW-oderNlicher Richtung nicht erkennen. 
»Aber ich bezweifle garnicht, dass Palmer- Land und Trinity-Land so 
»liegen, wie von Ihnen kartirt ist, und Inseln sind, die grösser oder 
»kleiner sein können, denn ich würde nicht, wie Herr Schuck glaubt, 
»35 Seemeilen weit haben sehen können, da es eine Seltenheit ist, 
»dass man über eine so weite Entfernung sehen kann. Das kann nur 
»geschehen bei sehr klarem Wetter, bei dünner Luft und wenn man 
»sehr hohes Land vor sich hat. Bei solchem Wetter habe ich im 
»Nordmeere bis 30 Seemeilen weit sehen können, aber nur die höchsten 
» Spitzen wie Luftspiegelung. So klar war das Wetter nicht, als ich 
»die entdeckten Inseln und die Erstreckung des Landes skizzierte. 
»Alles wurde gezeichnet nach dem Schiffsorte, und da muss ich 
»bemerken, dass mein Chronometer sehr genau gewesen 
»ist, so bin ich auf meiner Tour nie bange gewesen zu 



Larsens Originalskizze gaben in ZweifelsßUlen stets den Ausschlag. Sollte vielleicht 
die Behauptung , meine Uebersetzung sei ungenau , sich darauf beziehen , dass die 
stilistischen Wendungen des N. G. S. A. bei mir stellenweise abweichend sind? Ich 
bemerke noch, dass der von mir zu Grunde gelegte handschriftliche Reisebericht von 
Kapt. Larsen seiner Rhederei, der OceanaDampfschiffsgesellschaft in Hamburg, einge- 
reicht wurde. 

^) Es ist damit der Wich mann' sehe Artikel aus dem Juniheft d. J. gemeint. 

') Nämlich von Christensen-Insel aus. 



69 

»segeln uud bin immer genau in meinem Besteck gewesen.') 
>So braucht Herr Schuck nicht zu zweifeln, dass die Karte, 
»die von Ihnen ausgearbeitet ist,nicht genau genug sein 
»sollte, da sie vollständig nach dem Original entworfen 
»wurde, das ich auf meiner letzten Fahrt dort unten 
»skizzirte. 

»Was die andere Frage betreffend die Erhöhungen, die ich in 
»nordöstlicher Richtung von Lindenbergs Zuckerhut sah, angeht, so 
»will ich Herrn Schttck hiermit wissen lassen, dass ich diese dafür 
» ansah, dass sie möglicher Weise unter Wasser liegende Felsen waren, 
»entstanden bei einem Ausbruch des stark arbeitenden Vulkans 
» Lindenberg Zuckerhut, der sich in deren unmittelbarer Nähe befand. 
»Und dass kein Land zwischen Lindenbergs Zuckerhut und Louis 
» Philippe Land existirt, kann ich mit Bestimmtheit sagen. Das Eis, 
»welches die Strasse zwischen den neu entdeckten Inseln und L. F. L. 
»bedeckt, ist ganz niedrig, so ist Herr Schttck im Irrthum, wenn 
»er annimmt, dass König Oskar II.-Land und Louis Philippe- 
»Land zusammenhängen. Herr Friederichsen hat eine 
»ganz korrekte Auffassung, und hat alles so gut aus- 
»gearbeitet, dass ich keinen Irrthum auszusetzen finden 
»kann, da alles meinen Aufzeichnungen entspricht, und 
»ich verstehenicht, worauf Herr Schuck seine Behauptungen 
»gründet, da ich an die Norske Geografiske Selskab bis 
»heute keine Karte eingeschickt habe, noch etwas ge- 
»sehen habe von dem, was von der Norske Geografiske 
»Selskab geschrieben ist. Die Aufgabe^) die ich nach Christiania 
»einschickte, war gleichlautend®) mit der, die Herr Friederichsen 
»von mir erhielt*). Es würde mir ein Vergnügen sein, nach 
»Deutschland zu reisen, wenn es so sein sollte, dass jemand es 
»wünschte. . • . 

Hochachtungsvoll 

- (gez.) 0. A. Larsen. 

Ich habe dem Briefe Larsens eigentlich nichts weiter hinzu- 
zufügen. Jeder Unbefangene wird sich sagen können, ob die Kritik 
in Petermanns Mittheilungen berechtigt war. 

') Man vergleiche den 4. Punkt der Kritik. 
') Abschrift, Ausfertigung. 

•) Vgl. Anmerkung zum norwegischen Text dieses Briefes. 

^) Damit ist doch wohl genügend bewiesen, dass uns Originalmaterial zur 
Verftigung stand. 



70 

Zu bedauern ist, dass durch diese unberechtigte Kritik eine Verdre- 
hung der Ergebnisse der kühnen Reise Larsens eingetreten ist, ebenso 
sehr, dass die Redaktion von Fetermanns Mittheilungen sich nicht hat 
entschliessen können, ihre im Juniheft gebrachten Ausstellungen bald- 
möglichst zu widerrufen, obgleich ich um Mitte Juli eine ausführliche 
Widerlegung einsandte und zugleich mich erbot, die Originalkarte 
des Kapt. Larsen der Redaktion zur Verfügung zu stellen. Man 
hat weder für gut befunden von meinem Anerbieten Gebrauch zu 
machen, noch eine Berichtigung gebracht. Wenn es auch schwer 
sein mag, einen Irrthum einzugestehen, so hätte es doch im Interesse 
der wissenschaftlichen Wahrheit geschehen müssen, schon um zu ver- 
hindern, dass so bedauerliche Irrthümer, wie leider geschehen, weitere 
Verbreitung finden. 

Hoffentlich nimmt die Redaktion von Petermanns Mittheilnngen 
noch nachträglich Gelegenheit, die Sache richtig zu stellen. 

Ich darf wohl die Gelegenheit, die mich zwingt, auf meine Arbeit 
zurück zu kommen, benutzen, um drei Irrthümer, die bei der 
Korrektur in derselben stehen geblieben sind, zu berichtigen. 

Auf Seite 58 des Sep.-Abdr. (302 der Mitth.) ist als südlichster 
Punkt der Hertha 69» SB und 79» WL irrthümlich statt 69« 10' SB 
und 76» 12' WL, wie auf Seite 26 (270) richtig zu lesen, angegeben. 

Am 20. November war die Hertha auf 76» 12' WL, nicht 70» 12' 
(Seite 39 des Sep.-Abdr., 283 der Mitth.). 

Am 21. November war die Hertha auf 75» 56' (statt 75» 76'). 

Hamburg, im November 1895. 



Petermanns Mittheilungen haben meinem oben ausgesprochenen 
Wunsche nach Aufnahme einer Erwiderung jetzt entsprochen (Dezember- 
heft 1895). 

An meine Entgegnung knüpft H. Wich mann aber Bemerkungen, 
die es nothwendig erscheinen lassen, vorstehenden Bemerkungen einige 
weitere folgen zu lassen. 

H. Wichmann behauptet, dass zwischen beiden Veröffentlichungen 
(der Abhandlung in diesen Mittheilungen und dem Abdruck im N. G. 
S. A.) ein so langer Zeitraum lag, dass es mir möglich gewesen wäre, 
Widersprüche zwischen beiden Quellen und zweifelhafte Punkte auf- 
zuklären. Diese Bemerkung, anscheinend richtig, ist thatsächlich 
unrichtig, und H. Wichmann hätte bei einiger Aufmerksamkeit, 
die bei einem Kritiker unbedingt verlangt werden muss, die unrichtige 



ri 

Beliauptuug vermeiden können. Wie in meiner Abhandlung angegeben, 
war sie im November 1895 vollendet. Während des Druckes 
(wie ausdrücklich angegeben) erschien der Abdruck im N. G. S. A., 
die Redaktion dieser Mittheilungen hat eine diesbezügliche Anmerkung 
während der Korrektur eingeschoben. Der Druck war soweit vorge- 
schritten, dass sich eine Angabe der zahlreichen Abweichungen nicht 
mehr bewerkstelligen liess. H. Wich mann sollte eigentlich selbst 
einsehen, dass sich fertige Abdrücke nicht bis zum letzten Augenblick 
des Erscheinens (H. Wichmann scheint zu glauben, dass mir die 
Zeit bis Anfang März zu Abänderungen zur Verfügung- stand) beliebig 
abändern lassen. Massgebend als Zeitpunkt für den Abschluss meiner 
Abhandlung ist der November 1895, der auch angegeben, nicht der 
von allerhand Zufälligkeiten, die ausser dem Bereich der Wirksamkeit 
eines Autors liegen, abhängige Zeitpunkt der Versendung. Zu 
textlichen Aenderungen gab mir das Erscheinen des Aarbog- 
Abdrucks keine Veranlassung, da ich Originalmaterial zur Verfligung 
hatte. H. Wichmann glaubt » gegen eine solche kritische Bearbeitung 
Verwahrung« einlegen zu müssen. Ich behaupte nirgends, den Abdruck 
des N.G.S. A. kritisch verwerthet zu haben, was allerdings geschehen wäre, 
wenn derselbe mir rechtzeitig vorgelegen hätte, wie die englische Ausgabe, 
aufweiche mehrfach Bezug genommen wurde. H. Wichmann konnte 
und musste sich sagen, dass äussere Gründe ein näheres Eingehen auf das 
Aaibog verboten — ich vermag nicht einzusehen, weshalb sonst eine 
Eücksichtnahme auf den norwegischen Artikel unterblieben sein sollte. 

H. Wichmann hat aber das Glück gehabt in seinem Vorrath von 
entdeckten »Irrthümern« einen sehr wesentlichen Punkt, in dem ein 
Versehen meinerseits — keinüebersetzungsfehler !— vorliegt, aufzufinden. 
Es betrifft dies die Stelle, wo im N. G. S. A. steht: »i VtN fra 
Christensens vulkan ligger fem öerc, im Manuskript: >i NV fra 
Christensens . . ..«. Letztere Angabe habe ich im deutschen 
Text beibehalten, da die Karte Larsens dieser Angabe nicht wider- 
spricht und ein Verschreiben Larsens nicht wahrscheinlich war. 
An einer anderen Stelle aber hat im Manuskript Larsens ein 
Schreibfehler sich eingeschlichen, ich hätte in einer Anmerkung sagen 
müssen, dass die »fünfte Insel« etwas weiter nach N liegt, als die 
übrigen (wo Larsen NW hat). Uebrigens glaube ich, dass ich 
einem aufmerksamen Leser nicht »zu verraten brauchte, welche 
Richtung ich damit bezeichnen wollte«, ein Blick auf die Karte ge- 
nügte, um die Sachlage klarzustellen. — 

Diesen einen Punkt hat H. Wichmann angeführt als Beweis, 
dass »ebenso eigenartig wie die Schreibweise Kapt. Larsens auch 



72 

die Interpretation von Dr. Petersen ist.« Parturiunt montes .... 
Wahrlich eine eigenartige Kritik, die nach kleinen Versehen sucht 
und Arbeiten mit groben Fehlem als zuverlässig empfiehlt! 

Eine Stelle ist vor allen anderen wichtig. Schon H. W i c h m a n n be- 
zeichnet sie so in seinem Artikel des Juniheftes^ in meiner Erwiderung 
im Dezemberheft von Pet. Mitth. habe ich auch nur auf diese eine Stelle 
mich eingehender bezogen. Man sollte erwarten, dass Herr W ichmann 
sich nun unzweideutig über seine Auffassung ausgesprochen hätte und 
nach den Aeusserungen Larsens sich zu unserer Ansicht bekehrt 
hätte. Es ist die Stelle, wo es sich um den Zusammenhang zwischen 
Louis Philippe- Land und König Oskar II.-Land handelt. Herr Wich- 
m a n n ist jetzt mit der Richtigkeit meiner Uebersetznng einverstanden, 
wenn er auch die andere, Schück'sche Uebersetznng, die dasgenaue 
Gegentheil besagt, ebenfalls als zulässig ansehen will. Diese 
Stellungnahme ist mir nicht verständlich. In dem Aufsatz vom Juni 
hat H. Wich mann selbst zugegeben, dass die »Angabe, »»soweit ich 
bei klarem Wetter sehen konnte, liegt weder nach N noch NW hin 
Lande«, entscheidend sein musste für die vollständige Trennung 
des Louis Philippe-Landes vom König Oskar II.-Land, wodurch der 
grösste Theil vom Palmer -Land wegfallen musste und eine breite 
Wasserverbindung zwischen dem Orleans - Kanal im W von Louis 
Philippe-Land und dem Meere im Osten von König Oskar II.-Land 
hergestellt wui^de«. Also so lange man glaubte, dass meine Uebersetzung 
falsch sei, war diese Angabe entscheidend. Jetzt hat Kapt. 
Larsen sich dahin ausgesprochen, dass meine Uebersetzung richtig 
sei, flugs wird gesagt, dass die Angabe, die vor einigen Monaten 
entscheidend sein musste, »nicht genügt, um mich (H. Wichmann) 
zu überzeugen, dass zwischen Louis Philippe-Land, König Oskar II.- 
Land und Palmer-Land trennende Meeresräume sich befinden müssen.« 
Dies behauptet weder Larsen, noch Friederichsen, noch ich. 
Larsen sagt, Louis Philippe-Land und König Oskar II.-Land sind 
durch ein Meer getrennt. Larsen ist der einzige, der bis jetzt 
an Ort und Stelle gewesen ist, Larsen sagt unzweideutig, dass die 
beiden genannten Länder nicht zusammenhängen, dann muss diese 
Angabe so lange für richtig gelten, bis Jemand an Ort und Stelle 
einen Irrthum Larsens nachweist. — Es ist nun allerdings möglich, 
dass zwischen Palmer-Land und König Oskar II.-Land einerseits, und 
Palmer- Land und Louis Philippe-Land andrerseits Landverbindung 
besteht. Schon die Art der Zeichnung auf Friederich sens Karte 
mit den entweder punktirten oder garnicht angedeuteten Grenzen 
zwischen Land und Wasser deutet an, dass auch Friederichsen 



73 

mit der Aaflösung des Grebiets in einen Archipel nur eine Hypothese 
giebt. Auch die fiegleitworte Friede rieh sens geben nirgends einen 
Anhaltspunkt fttr die Behauptung, es sei Friederichsens Ansicht, dass 
sich dort trennende Meeresräume befinden müssen, sondern Friede- 
richsen macht nur, unter steter Begründung, Vermuthungen und 
Annahmen geltend. Ich wiederhole hier, um zu zeigen, wie vor- 
sichtig L. Friederichsen sich ausdrückt, die betreffende Stelle der 
Begleitworte: »Als weitere empfehlenswerthe Neuerung glauben wir 
die einstweilige Beschränkung des Namens »Palmer-Land« auf die 
unter 62° w. L. und 64— 64V2® s. Br. gezeichnete Halbinsel bezeichnen 
zu sollen .... Ein Blick auf unsere Karte wird unsere Y ermuthung 
gerechtfertigt erscheinen lassen, dass die durch Kapitän C. A. Larsen 
entdeckte Yulkanreihe (Bobben-Inseln etc.) gegen Nordwesten ihre 
Fortsetzung findet in der Inselreihe der Hummock-, Small-, Inter- 
currence-, Hoseason-, Low- und Smith-Inseln. Auch finden unsere 
Bedenken hinsichtlich der Ausdehnung des Palmer - Landes gegen 
Osten und eines Zusammenhanges desselben mit südlicheren Festlands- 
massen (Graham-Land) reichlich Nahrung in der bereits vom Bobben- 
jäger Smiley 1842 brieflich an Lieutenant Maury gemeldeten That- 
sache, dass er Palmer-Land mehrere Male umschifft habe und sogar 
noch weiter gen Süden gekommen sei. Unsere Ansicht geht dahin, 
dass Smiley von Hughes Golf aus in die Bismarck- Strasse gelangte 
und so die Umschiffung des Palmer-Landes bewerkstelligt hat«. 

Kann man sich vorsichtiger ausdrücken?! 

Wenn H.W ich mann weiterhin behauptet, dass »die Aufnahme 
von Kapt. Larsen keine Veranlassung giebt, die auf den Angaben 
der bisherigen Forscher beruhende Darstellung des Zusammenhanges 
von Palmer-Land, Trinity-Land und Louis Philippe-Land einfach zu 
beseitigen«, so dürfte es ihm schwer fallen, den Beweis zu bringen, 
dass die bisherige Darstellung des Zusammenhanges der fraglichen 
Gebiete mehr war, als eine Annahme. Ich glaube, dass man gegen 
eine solche Art der Kritik entschiedene Verwahrung einlegen muss. 
Nach dem, was Herr Wichmann in seinem ersten Artikel im 
Juniheft gesagt hatte, musste er jetzt sich unbedingt der Friede- 
richsen'schen Darstellung anschliessen. 

Gewiss haben weder L. Friederichsen noch ich irgend welche 
Einwendungen gegen eine sachliche Kritik zu erheben, wohl aber 
müssen wir protestiren gegen eine Art und Weise der Beurtheilung, 
wie H. Wichmann beliebt hat, gegen uns zu richten. Zuerst 
sprach er in allgemeinen Verdächtigungen, ein wichtiger Punkt 
wurde hervorgehoben. In diesem konnten wir nachweisen, dass 



74 

H. Wichmann sich irrte, nun warden neue, falsche Behauptungen 
aufgestellt, Kleinigkeiten hervorgesucht um die Verdächtigungen zu 
rechtfertigen, und in der Beurtheilung des Hauptpunktes eine der 
früheren ganz entgegengesetzte Stellung eingenommen! Dabei mit 
keinem Worte versucht, sich zu vertheidigen gegen den von mir 
erhobenen Vorwurf, eine ohne Mühe als falsch erkennbare Karte als 
zuverlässig empfohlen zu haben, und die früher ausgesprochene Warnung 
vor unserer Arbeit, als angeblich nicht »Originale abzuschwächen. 

Es ist ja möglich, dass Irrthümer bei der Skizzirung Larsens 
stattgefunden haben. An anderer Stelle habe ich schon hervorgehoben, 
dass niemand den Anspruch an Larsens Karte erheben wird, eine 
gegen alle Kritik gefeite Darstellung der von ihm betretenen und 
unter erschwerenden Umständen erforschten Gebiete geben zu sollen. 
Nur muss ich mich dagegen verwahren, dass diese Aufnahmen des 
ersten und bis jetzt einzigen Seefahrers, der die in Bede stehenden 
Gegenden besucht hat, vom Schreibtisch aus in so wenig begründeter 
und einer die Grenzen sachlicher Kritik oft überschmtenden Weise 
angegriffen werden. Mir scheint, dass H. Wich mann seine im 
Juniheft von Petermanns Mittheilungen ausgesprochene Absicht, an 
dem Verdienste des Kapitain Larsen nicht rütteln zu wollen, im 
Dezemberheft aufgegeben hat. 

So nämlich können wir nur die Bemerkung auffassen, dass 
»Kapt. Larsen unabsichtlich einräumt, dass die von ihm gegebenen 
Positionen für die Bobben-Inseln falsch sind«. Ich gebe zu, dass 
Larsens Brief hinsichtlich der Angabe des Wetters, das zur Zeit 
der Aufiiahme der Bobben -Inseln herrschte, dem Beisebericht und 
Schiffsjournal nicht genau entspricht. Im Beisebericht wird für diesen 
Tag angegeben: »Wind flau, wechselnd von NO, S, SW, mit Schnee 
und klarem Wetter dazwischen«. Später ist noch einmal von 
klarem Wetter die Bede. Im Schiffgournal wird für einen Theil 
des Tages diesige, dann halbklare Luft angegeben. Der Widersprach 
ist also nur ein scheinbarer, da das Wetter an dem Tage wechselnd 
war. Jeder muss die Angaben des Beiseberichts und Schiffsjournals, 
die an Ort und Stelle niedergeschrieben wurden, der Angabe des 
Briefes vom 22. Oktober 1895, ca. 2 Jahre nach dem fraglichen Tage, 
vorziehen. Keinenfalls darf die letzte Angabe Larsens nun ohne 
weiteres genügen, die Inseln um 15 Seemeilen zu verschieben, wenn 
Larsen sie vor 2 Jahren an dem Orte eingezeichnet hat, wo sie 
sich auf Fried erichsens Karte befinden. Man kann dem Kapt. 
Larsen kaum zutrauen, dass er damals an Ort und Stelle eine 
falsche Eintragung gemacht hat, und jetzt nach zwei Jahren sich 



75 

erinnern soll, nur 30 Seemeilen weit haben sehen za können. Ich 
glaube HeiTU Larsen nicht zu nahe zu treten, wenn ich annehme, 
dass er damals gewissenhaft gezeichnet hat, jetzt vielleicht sich geint 
hat. Man kann sich nicht dem Eindruck entziehen, dass es dem 
Herrn Referenten weniger um eine möglichst objektive Darstellung der 
Entdeckungen Larsenszu thun ist, als um eine Herabsetzung unserer 
Arbeit um jeden Preis. 

H. Wichmann sagt ferner: »Noch weiter nach W meldet die 
Karte lakonisch »»kein Land (Larsen)€€; dieser Funkt ist sogar 
75 Seemeilen von Eapt. Larsens Peilungsorte entfernt«. Er scheint 
recht genau die Entfernung des Anfangsbuchstaben dieser Ein- 
tragung von Christensens Vulkan abgemessen zu haben. Ein 
ausgezeichnetes Verfahren! Die Inschrift bedeckt einen Kaum von 
rund 40 Seemeilen, natürlich muss ein gewissenhafter Kritiker von 
»einem Punkte« sprechen, der 75 Seemeilen entfernt liegt. Jawohl, 
Herr W i c h m a n n, es wäre vielleicht zutreffender gewesen, die Worte 
»kein Land (Larsen)« weiter gen Osten zu rücken, oder an Stelle 
des Namens Larsen ein Fragezeichen zu machen! 

Zu der Stelle, an welcher H. Wich mann angeblich nachweist, dass 
die Karte beeinflusst wurde durch Unsicherheit über das von Kapt. Larsen 
angewendete Meilenmaass bemerke ich, dass das Manuskript die Angabe 
enthält: Skibet befinder sig om treu dt 3 engl Mil ost af det 
naermeste land Cap Framnaes. Wenn dagegen das N. 6. S. A. 
angiebt: Skibet var 3 mil . . . so spricht diese Verschiedenheit für 
eine vermuthlich versehentliche Auslassung des »engl.« im N. G. S. A. 
»Nach der Karte ist aber das Schiff nirgends näher als 13 Seemeilen 
an Kap Framnaes herangekommen« sagt Wichmaan. Das Schiff 
war doch in der Position, die für den 1. Dezember angegeben 
ist, nicht den ganzen Tag festgenagelt! Larsen berichtet, dass 
in der Gegend von Kap Framnaes die Eisbamere 5—6 engl. Meilen 
breit ist — aus dem Schiffsjournal geht hervor, dass man in dieser 
Gegend dem Fange oblag — sollte nicht vielleicht eine Bucht in der 
sonst 5—6 Meilen breiten Eisbarriere ein Herankommen an das Land 
bis auf 3 engl. Meilen ermöglicht haben ? Also würde, um die Karte 
mit dem Bericht in ^Einklang zu bringen, nicht, wie H. Wichmann 
will, eine Verschiebung des Landes, für welches Larsen bestimmte 
Positionen angiebt, um 10 Meilen nöthig sein, sondern die Annahme 
einer Bucht in der Eisbarriere. 

Zum Schluss stellt H. Wich mann eine Behauptung auf, welche 
beweist, dass er meine Bemerkungen nicht aufmerksam gelesen haben 
kann. Ich sagte in einer Anmerkung zu dem Artikel im Dezember- 



76 

heft von Pet. Mitth.: »Es finden sich zahlreiche Abweichungen, die 
mit wenigen Ausnahmen rein redaktioneller Natur sind — wohl 
Angleichungen der bisweilen eigenartigen Schreibweise Larsens an 
die Schriftsprache. An einigen Stellen waren die Abweichungen 
nicht rein redaktionell . . . .< 

Hieraus entnimmt H. Wichmann, dass ich gegen die Redaktion 
der Jahrbücher der Norweg. Geogr. Gesellschaft den Vorwurf erhebe, 
die Abweichungen in dem Text von Eapt. L ar sen veranlasst zu haben, 
und erwartet von Christiania aus eine Erklärung, ob und aus welchem 
Grunde derartige eigenmächtige Aenderungen in der Angabe der 
Richtung, des Meilenmaasses etc. so vorgenommen wurden. 

Ich behaupte dem gegenüber, dass ich nie und nirgends gesagt 
habe, dass von Seiten der Redaktion der N. G. S. A. »eigenmächtige 
Aenderungencinder Angabe der Richtung, des Meilenmaasses etc. 
stattgefunden haben. Unter redaktionellen Aenderungen verstehe ich, 
und wohl jeder Andere mit mir, Aenderungen des Ausdrucks, die den 
Sinn nicht beeinflussen, mögen sie nun von einer »Redaktion« oder 
von irgend einem, dessen Hände ein Aufsatz passirt, vorgenommen 
werden. Auch ein Autor redigirt seinen ersten Entwurf. Wenn ich ge- 
sagt habe, es finden sich noch Abweichungen, die nicht rein redaktionell 
sind, so habe ich doch damit nicht behauptet, dass die Redaktion des 
N. G. S. A. »eigenmächtige Aenderungen« damit vorgenommen hat, 
wie H. Wichmann glauben machen will. Es können diese Ab- 
weichungen auf Irrthümern des Abschreibers, des Korrektors, I3ndeut- 
lichkeiten der Handschrift des Autors u. s. w. beruhen. 

Ich verwahre mich also ausdrücklich dagegen, gegen die Redaktion 
des N. G. S. A. einen Vorwurf erhoben zu haben und stelle hiermit 
fest, dass H. Wichmann mir ganz unberechtigter Weise einen 
solchen unterschiebt. 

H. Wichmann hätte sich ein grosses Verdienst erworben, wenn 
er, anstatt meine angeblichen Fehler vereinzelt zu nennen, die ganze 
Reihe der zwischen meiner Arbeit und dem N. G. S. A. bestehenden 
Abweichungen, soweit sie »Richtung, Meilenmaass etc.« betreffen, 
veröffentlicht hätte; er scheint sie ja vorräthig zu haben. Um aber 
die Bedeutung dieser Abweichungen klarzustellen, seien sie in 
Folgendem angeführt, wobei ich dem Urtheil der Leser überlasse zu 
entscheiden, ob es sich lohnte, dieser Abweichungen wegen den 
fertigen Druck umzustossen. 



77 




1 

2 

3 
4 

5 
6 



8 
9 



10 
11 



12 



20 

21 
22 

28 

24 



Nov. 17. 



. 20. 
9 21. 

« 24. 
9 80. 
Dec. 1. 



8. 



4. 
9. 



10. 



18 


• 11. 


14 


9 > 


15 


9 » 


16 


9 9 


17 


9 C 


18 


9 9 


19 





Jan. 26. 
März 1. 



Barometerstand 743 
Als wir eine Viertelmeile landein- 
wärts gekommen waren 

Windrichtung WNW u. NW 
Fahrtrichtung 4 Uhr S u. SSW 

9 9 NNO u. NO 
9 6 9 nach N 

Windrichtung NW zu N 
Die Eisbarriere ragt 5—6 engl. 

Meilen ins Meer vor 

Das Schiff ist ungeföhr 3 engl. 

Meilen von Land entfernt 

Position 59« 40' W. L. 

(fehlt.) 



Position 67 » ' S. B. 

Hebers.: Die Wetter-Insel liegt WSW 

von Kap Framnaes 

Man. : lidt Vlig af S 

Stromrichtung bei Robertson-Insel 

N, etwas NW 

Bichtang der Robben-Inseln NW 

Richtung des Sundes NW 

Eisbarricre ist 5—6 Fuss hoch 

Beschreibung der 4. Robben-Insel 

Nord-Ende von Foyn's Land 

61 *> 48' W. L. 

NO-Ende von Foyn's Land 59 <» 67 ' 

Eine Klippe bei Joinville liegt 2 Ml. 

vom Land 

(Manuskr. : 2 engl, mil) 

Die Shetland-Inseln werden zwischen 

Greenwich- undLivingston-Insel passirt 

Larsen landet auf Greenwich-Insel 

Auf Paulet-lnsel wird ein Strandsee 

entdeckt 
Larsen erreicht die Länge der Danger- 

Inseln 
Längenangabe fehlt 



fehlt 



.V« norwegische Meile. 

WNO 

SSO 

NNO 

NW 
NWN 



5-6 Meilen 



8 Meilen 

69M9' W. L. 
Bemerkung über die Ent- 
stehung der Eisberge aus 
der Barriere bei Kap 
Framnaes 

67« 7' S. B. 



V af S 



. NW, etwas N . 

W zu N 

WNW 

6-8 Fuss hoch 

fehlt 

60» 40' W. L. 

69« 56' 

. 2 engl. Meilen . 



fehlt 
fehlt 

fehlt 

fehlt 
Länge angegeben 



Hierza ist zu bemerken: 

Das Schiffsjournal bestätigt die Angaben meiner Arbeit bei 3), 
4), (forsjellige Kurser), 8), 10). 



78 

Die Karte spricht zu Gunsten unserer Angaben bei 13), 14), 
17) ; für 13) und 14) lässt sie auch die Angabe des N. G. S. A. zu. 

Ganz ohne Bedeutung sind neben einigen der vorstehenden An- 
gaben die Abweichungen 2), 5), 12), 15), 18, 19). 

Zweifellos Druckfehler im Aarbog sind 3), 6). 

Wahrscheinlich sind Druckfehler im Aarbog auch bei einigen 
anderen der Abweichungen vorgekommen. 

Was die Angaben unter 1), 16), 20), 21), 22), 23) anbetrifft, so 
sprechen sie zu Gunsten der uns eingesandten Ausfertigung des Reise- 
berichts gegenüber der vom N. G. S. A. abgedruckten. (Musste 
Eapt. Schuck diese Sätze, die dem Aarbog fehlen, die meine lieber- 
Setzung aber enthält, auf üebersetzungsfehler bei mir zurückführen, 
Herr Wich mann?) 

Bei 7), wo Manuskr. eine bestimmte Meile angiebt, wo N. G. 
S. A. aber nur von Meilen spricht, ist die Angabe des Manuskripts 
als zuverlässiger anzusehen. 

In 11) liegt ein Druckfehler bei mir vor, es sollte SSW heissen. 
Doch hat der Druckfehler auf die Karte keinen Einfluss, da Larseu 
für Wetter- Insel eine feste Position angiebt. 

In 9) und 24) hat das Aarbog Angaben, die dem Manuskript fehlen. 

Also in keinem einzigen Funkte dieser Differenzen konnten die 
Angaben des Aarbog die des Manuskripts umstossen. Nirgend 
werden die vorhandenen Abweichungen durch das Schiffsjournal oder 
die Karte zu Gunsten des Aarbog bestätigt. Lag bei dieser Sachlage 
eine Veranlassung vor, durch 24 Anmerkungen die Differenzen auf- 
zuklären und dadurch den fertigen Druck umzustossen? Ich bemerke 
noch, dass Zweifel durch die Aarbog-Angaben nicht entstehen 
konnten, wie Herr Wichmann meint, da bis auf ganz bedeutungs- 
lose Stellen- (2, 5, 12, 15, 18, 19) meine Angaben durch Schiffsjournal 
und Karte bestätigt werden. Wozu die sittliche Entrüstung, Herr 
Wichmann? 

In 9) und 24) hat Aarbog Angaben, die dem Manuskript fehlen. 
Aber da die Bemerkung Larsens unter 9) offenbar auf einer irr- 
thümlichen Anschauung beruht und 24) ohne Interesse ist, hatte ich 
keine Veranlassung, sie meiner Bearbeitung des Manuskriptes einzu- 
verleiben. 

Aber selbst wenn Karte und Schiffsjournal stellenweise zu Un- 
gunsten meiner Angaben sprächen, würde die grosse Mehrzahl der 
Abweichungen bei ihrer geringen Bedeutung für die Topographie eine 
vollständige Umwerfnng meiner fertigen Arbeit kaum gerecht- 
fertigt haben. 



Nachtrag zu Seite 70. 

Herr Dr. Björbygge, Sekretär der Norske Geogr. Selskab, 
schreibt mir unterem 21. Jan. a. c. aus München: 

»Das Tagebuch Kapitän Larsens wurde im Herbst 1894 an 
»die geographische Gesellschaft geschickt, der Absender hatte aber 
»vergessen seine Adresse anzugeben und da wir nicht wussten, wo 
»Herr Larsen sich in dieser Zeit aufhielt, mussten wir das Tage- 
»buch ohne Konferenz mit dem Verfasser drucken. Das Tagebuch 
» war deutlich geschrieben, die Schrift war diejenige einer Damenhand. 
»Es zeigte sich aber bei der Korrektur, dass die Sprache an ver- 
»schiedenen Stellen von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichend 
»war, und an solchen Stellen wurden freilich kleine Redaktions- 
Ȋnderungen vorgenommen, doch immer so, dass die Meinung oder 
»die vermuthete Meinung des Verfassers bewahrt wurde. In den 
» Angaben der Richtungen oder der Längen wurden keine Aenderungen 
»vorgenommen und die Korrektur sehe ich für voUaus befriedigend an«. 

Diese Mittheilungen bestätigen meine Vermuthung, dass redak- 
tionelle Aenderungen vorgenommen wurden und sprechen auch für 
meine Vermuthung, dass Versehen des Abschreibers (resp. der Ab- 
schreiberin) bei Herstellung der Abschrift für N. G. S. A. vorge- 
kommen sind. 

24. Januar 1896. J. Petersen. 



79 

Herr Dr. Hans Beasch, Direktor der Norwegischen Oeo- 
logischen Landesanstalt und Mitglied des Vorstandes der Norwegischen 
Geographischen Gesellschaft, an den ich mich um Auskunft gewendet 
hatte, schreibt mir: 

»Der Sekretär der Geogr. Gesellschaft ist auf Keisen, Dänemark, 
> Deutschland. Ich habe ihm geschrieben, dass er Ihnen einen Besuch 
»abstatte, ich weiss nicht, ob mein Schreiben ihn getroffen hat. 

»Unser Vorsitzende, Herr Obrist Haffner sagt, dass Eapt. 
»Larsens Artikel gedruckt wurde, wie wir ihn erhalten hatten, 
»sofern er weiss. Die Karte ist einfach ein Abklatsch der Karte, 
»die Larsens Artikel in »The Geogr. Journal (London)« begleitete. 
»Wir erhielten sein Manuskript ohne Karte.« 

Weiteres vermag ich jetzt zur Aufklärung der Differenzen 
zwischen Manuskript und N. G. S. A. nicht mitzutheilen. 

Kapt. Larsen selbst sagt, dass die beiden Berichte gleich- 
lautend gewesen sind. Ich glaube nun die Vermuthung hegen zu 
dürfen, dass — wenn nicht der Sekretär der N. G. Selskab zugeben 
sollte, dass er stilistische Aenderungen vorgenommen hat — Kapt. 
Larsen eine freie, nicht buchstä1>liche Abschrift seines eigenen 
Reiseberichts nach Christiania eingesandt hat. Dabei kann der Aus- 
spruch Larsens »gleichlautend« wohl bestehen bleiben, er darf nur 
nicht im Sinne »buchstäblich gleichlautend« genommen werden. Was 
die nicht stilistischen Abweichungen angeht, so lässt eine Durchsicht 
derselben es möglich erscheinen, dass Schreibfehler vorliegen, die bei 
einem Manne, der das Steuerruder, nicht die Feder zu führen gewohnt 
ist, wohl entschuldbar sind. — Uebrigens bleibt L a r s e n s Verdienst 
ungeschmälert. Er hat seine Aufnahmen an Ort und Stelle skizzirt, 
so wie Friederichsen sie veröffentlicht hat; gegenüber der Zeich- 
nung, deren Genauigkeit und Uebereinstimroung mit dem Original 
Larsen ausdrücklich hervorhebt, sind die Notizen von untergeordneter 
Bedeutung, wenigstens in ihren Ortsangaben — die übrigens beiläufig 
wiederholt, im Manuskript der Karte nirgend widersprechen. Was 
die sonstigen Schilderungen angeht, so bestehen ja keine Verschieden- 
heiten von irgend welcher Bedeutung in beiden Reiseberichten. 

Hamburg, Januar 1896. 



Der zukünftige Handel Chinas. 

Vortrag, gehalten in der Geographischen Gesellschaft in Hamburg 

am 5. Dezember 1895. 

Von 
Dr. Anatol Harlcow. 

Wir hatten es bis vor kurzer Zeit nur mit einer orientalischen 
Frage zu thun — in der Türkei — , jedoch seit dem Frieden von 
Schimonoseki ist an dem politischen Horizont eine gi*össere orienta- 
lische Frage aufgestiegen, die ganz Europa angehen muss, da unsere 
heiligsten Güter in Gefahr sind. 

Dass diese Bedeutung in den leitenden Kreisen Deutschlands er- 
kannt wird, habe ich mit grösser Genugthuung vor einigen Wochen 
wahrgenommen. Seine Majestät der Deutsche Kaiser hat das Ver- 
ständniss für die Bedeutung dieser Frage sogar künstlerisch allegorisch 
in einem Bilde dargestellt, in welchem meinem Vaterlande — Russland — 
eine besondere Bolle zuertheilt wird. 

Wohl selten ist einem Bussen die Ehre zu Theil geworden, vor 
dieser Gesellschaft zu sprechen, die sich soviel um Geographie und 
namentlich um die Handelsinteressen Hamburgs, Deutschlands 
grösster Handelsstadt, so verdient gemacht hat. Das Bestreben, der 
Vaterstadt einen Dienst zu leisten, mag auch dieses Mal den Herren 
Präsidenten der Geographischen Gesellschaft und Herrn 
Friederich sen, den Generalsekretär derselben, bewogen haben, mich, 
einen Bussen, der China besucht hat, aufzufordern, meine Ansichten 
über den zukünftigen Handel von China hier bekannt zu machen. Ich 
halte es für eine grosse Ehre, dieses heute thun zu können und 
muss nur die hochgeehrten Anwesenden um etwas Nachsicht bitten, 
meine deutschen Sprachkenntnisse einer nicht zu scharfen Kritik zu 
unterwerfen, da ich als Busse selbstverständlich die Sprache nicht 
so beherrschen kann, wie Sie. 

Im Jahre 1889 und 1890 habe ich China als Mitglied einer 
Handelsexpedition besucht, in welcher ich als Linguist thätig war. 
Jedoch beabsichtige ich nicht, heute Abend Ihnen über diese 



81 

Expedition zu berichten , sondern will Ihnen die Ansichten vorlegen, 
za denen ich während meines Aufenthaltes in China gekommen bin. 
Ich will das deutsche Publikum, vor dem ich heute das erste Mal 
erscheine, auf Manches aufmerksam zu machen suchen, was vielleicht 
bis jetzt von Chinareisenden ausser Acht gelassen ist. Ich kenne 
keine Beschreibung von China, in welcher der betreffende europäische 
Reisende es versucht hat, in das innere Leben der Chinesen einzu- 
dringen, sich mit ihnen zu befreunden, die Grundsätze kennen zu 
lernen, auf welchen das Leben derselben beruht. Es ist freilich nicht 
leicht, den Geist des Volkes kennen zu lernen, da man vor allen 
Dingen die Sprache kennen muss. Als Orientalist war ich in der 
Lage, mit den Leuten selbst zu verkehren, und ich muss sagen, dass 
mein Aufenthalt in dem Lande mir stets eine Quelle reichen Genusses 
gewesen ist und bleiben wird. 

Nach einigen Bemerkungen über die Grundsätze des Lebens der 
Chinesen will ich die ökonomische Lage und die Bedingungen für 
den Handel betrachten und dann suchen, einige Eath schlage zu 
geben, auf welche Weise der Handel in die Hand genommen werden 
kann. Die jetzige politische Lage ist so günstig für Deutschland, 
dass letzteres und namentlich Hamburg, nicht die Gelegenheit vor- 
übergehen lassen sollten, mit Energie und ein wenig Unternehmungs- 
geist den Handel zu ergreifen, der Deutschland harrt. 

Wenn wir auf dem Himalaya von Osten nach Westen gehen, 
das Pamir-Plateau überschreiten und uns nach dem Bolor Tagh im 
Norden wenden, so finden wir die Scheidelinie zwischem dem Orient 
und dem Occident im historischen Sinne. Auf der einen Seite sehen 
\\ir diejenigen Gegenden, welche das Chinesische Reich ausmachen 
oder unter dem Einfluss der chinesischen Kultur sich befinden, und 
auf der andern Seite finden wir die ganze sogenannte historische Welt. 
Wir wollen uns nicht auf eine Beschreibung dieser Gegenden ein- 
lassen, sondern nur bemerken, dass die historische Entwickelung der 
mongolischen und kaukasischen Basse ganz selbständig für sich vor- 
gegangen ist, wenn auch auf Grund von allgemeinen Gesetzen des 
menschlichen Fortschrittes. Wenn wir tiefer in die Geschichte dieser 
Länder eindringen, dann werden wir finden, dass die Geschichte des 
Orients keineswegs der des Occidents nachsteht, weder in der Zahl 
der Jahrhunderte der Geschichte, der Grösse der Nationen, die den 
historischen Faktor ausmachen, noch auch in dem Felde der Wirk- 
samkeit. 

Sehr oft hört man die stereotype Phrase, dass die Kultur der 
mongolischen Rasse äusserst einseitig sei und schon seit langer Zeit 

G 



82 

die erreichte Stufe nicht überschreite, während Europa keinen Auf- 
enthalt kennt. Ich kann mich nicht damit einverstanden erklären. 
Sicherlich hat im Laufe der Jahrhunderte der Westen grosse Fort- 
schritte gemacht, aber dieser Fortschritt ist willkürlich gewesen und 
oft durch lange Perioden von Dunkelheit, Aberglauben und Unwissen- 
heit unterbrochen worden. Graben die Archaeologen nicht aus dem 
Sande der Wüsten die Denkmäler der Aegypter, Assyrer und Baby- 
lonier aus, die die Grundlage zu den mathematischen Wissenschaften 
gelegt haben? Nur nach den Sarkophagen kennen die Gelehrten die 
Phönicier, welche die ersten waren, die Mittel zum internationalen 
Verkehr aufzufinden. Nur in den Museen finden wir die Ueberreste 
der grossen Werke der Griechen, die die höchste Stufe des Schönen 
erreicht haben. Lernen wir nicht die Römer nur aus deren Werken, 
aus Büchern kennen? Und wie unvergleichlich hoch steht das von 
ihnen bis zum Ideal ausgearbeitete Bürgerrecht da ! Wie viele Typen 
der Civilisation sind untergegangen, bevor das neuere Europa nach 
den dunklen Tagen des Mittelalters es verstanden, einen Theil der 
Errungenschaften des vorhergegangenen Zeitalters sich zu eigen zu 
machen, und allmählich erst gelang es ihm, auf den selbständigen Weg 
zu kommen und die herrliche Stufe der Entwickelung zu erreichen, 
auf der es jetzt sich befindet. Die Errungenschaften des Westens 
sind unzweifelhaft sehr gross, aber wir müssen sagen, dass nicht alle 
gut sind, dass sie nicht die einzig guten sind, wie wir auch nicht sagen 
können, dass die Kultur der mongolischen Rasse einseitig sei. Freilich 
der Mongole treibt seine Heerden ebenso auf die Weide wie sein Vor- 
fahre vor 1000 Jahren. Jedoch wir sehen , dass zu gleicher Zeit 
inmitten dieser Nomaden sich ein kleines Volk absondert, nach Osten 
zieht, sich am Knie des Hoangho niederlässt, das Nomadenleben aaf- 
giebt, das eines ackerbautreibenden Volkes annimmt und sich zu 
einem Volke heranbildet, das jetzt beinahe 500 Millionen zählt. 
4000 Jahre währt schon seine Geschichte, und kann irgend jemand 
sagen, dass im Laufe dieser Zeit kein Fortschritt gemacht worden 
ist? Ein kleines Volk wächst heran, vergi^össert sich, verbessert die 
Form seiner Lebensweise, vertheidigt sich mit aller Kraft gegen die 
Anfälle seiner nomadischen Nachbarn, beginnt Ackerbau und Handel 
und bildet nach und nach ein Eeich. Dieses breitet sich nach Süd- 
osten bis zum Ozean aus, die Urbewohner assimilierend und in sich 
aufnehmend. Es erobert alle Länder des jetzigen Chinas und wird 
so stark und mächtig, dass es nichts von seinen Nachbarn im Norden 
und Westen zu fürchten hat. Sicherheit nach aussen hin giebt China 
die Möglichkeit, seine ganze Energie für die Entwickelung seiner 



83 

Agrikaltur und Gewerbe zu verwenden ; sich daran zu wagen, bessere 
Formen der menschlichen Gesellschaft auszuarbeiten ; sich mit Litteratur 
aller Art zu beschäftigen und schliesslich eine exakte, bestimmte 
und feste philosophische Anschauung zu gewinnen. Als diese hohe 
Stufe von materiellem Wohlsein und Yerstandesbildung erreicht worden, 
bleibt China nicht auf halbem Wege stehen, sondern gleich einem 
dicht belaubten Baum beginnt es mit seiner Civilisation die ver- 
schiedensten Völker des Orients zu beglücken, zu gleicher Zeit die- 
selben unterwerfend. Schliesslich vereinigen sich alle diese Völker 
in das grosse Reich, welches Seinesgleichen nicht kennt, und wer 
kann sagen, dass dieses Land keine Grundsätze hat, die seine Existenz 
garantieren? Neben den grossartigen Millionenstädten mit ihrem 
Gewerbe und Handel sehen wir in den Dörfern eine Agrikultur, die 
auf sehr hoher Stufe steht, und Vieheerden grasen in den endlosen 
Steppen. Wäre das alles möglich ohne diejenigen Grundsätze, die 
allein im Stande sind, die Harmonie in einem Staat mit so verschieden- 
artiger Bevölkerung aufrecht zu erhalten? In der That, der Fort- 
schritt in dem letzten Jahrhundert scheint ein sehr langsamer zu sein 
oder gar nicht zu existieren. Aber wir müssen nicht vergessen, dass 
der Fortschritt Chinas nicht den plötzlichen Stoppungen unterworfen 
ist, die in der Civilisation des Westens so oft stattgefunden haben, 
und daher ist er auch weniger bemerkbar. Wir dürfen auch den Umstand 
nicht aus den Augen lassen, dass bei unseren unzureichenden Kennt- 
nissen des Ostens es sehr schwer ist, über die Qualität und die Quantität 
dieses Fortschrittes ein richtiges Urtheil abzugeben, da wir zudem 
als Maassstab unseren eigenen Ansichten folgen. Je höher die Sonne 
zum Mittagspunkt kommt, desto schwerer ist es zu beobachten, wie 
sie sich erhebt. Es ist viel leichter, den Aufgang der Sonne zu be- 
obachten. Die Veränderungen in einem Jüngling drücken sich viel 
deutlicher aus, als die in einem Manne, dessen physische Organisation 
und geistige Beschaffenheit bereits sich formirt haben. 

Wenn wir den Chinesen, den Repräsentanten der östlichen Kultur, 
vorwerfen, dass sie nicht vorwärts gehen auf der Bahn des Fortschrittes, 
so könnten sie ihrerseits, und vielleicht mit Recht, uns vorhalten, dass 
wir nicht stark genug sind in unseren Prinzipien in der Familie, im 
Staat und in der Gesellschaft. Die Lehre des Christenthums beleuchtet 
und durchdringt wohl die Menschheit und »Ich bin die Wahrheit« 
wird als Devise überall hochgehalten. Aber die Menschen selbst, 
entweder verblendet von den Erfolgen der Wissenschaft, der Philo- 
sophie, oder hingerissen von ihren Leidenschaften, suchen nicht immer 
ihren Thaten diese Devise aufzudrücken. 



84 

Wir haben schon bemerkt, dass die historische Entwickelang 
der] mongolischen und kaukasischen Rassen selbständig vor sich 
ging; aber unter dem Ausdruck selbständig verstehen wir nur, 
dass sie selbständig waren in der Ausbildung des Lebens und 
der Oesellschaft, aber durchaus nicht die absolute Isolirtheit der 
Entwickelung , welche jede gegenseitige Einwirkung der beiden 
sich ausbildenden Eassen ausschliessen würde. Zwischen dem Osten 
und Westen haben äussere Beziehungen seit undenkbaren Zeiten 
bestanden, wie sie auch jetzt bestehen. Wir brauchen nur an die 
Völkerwanderung zu denken oder an die berühmten Eroberungen eines 
Tschingis-Chan und seiner Nachfolger oder an Timur, und es 
wird uns ganz klar werden, welche ungeheure Anzahl von Faktoren 
dazu beigetragen haben, China zu dem zu machen, was es heute ist. 

Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat China dem Westen, dank den 
internationalen Handels- und politischen Bedingungen, seine Häfen und 
Märkte geöffnet. Reisende und Touristen wurden daher in den Stand 
gesetzt, in das »Reich der Mittet zu gelangen, und die Repräsentanten 
zweier sich selbständig entwickelnden Rassen sahen zum ersten Mal 
einander ins Gesicht, beide gleich bereit, auf einander einzuwirken, 
sei es auf friedlichem oder feindlichem Wege, beide gleich stolz anf 
die Errungenschaften ihrer Kultur. 

Während nun der Chinese alles Fremde verachtet, war der 
Europäer seinerseits hitzig und anmassend. Der erstere findet in den 
Grundsätzen und Institutionen des Westens nichts Belehrendes und 
will daher nicht einmal sich mit denselben näher bekannt machen. 
Der letztere, auf die Stärke seiner materiellen Kultur vertrauend, 
giebt leider noch nicht den Gedanken auf, auf dem Wege der Pro- 
paganda religiöser sowie moralisch- philosophischer Anschauungen in 
der allernächsten Zukunft die Grundprincipien des ganzen chinesischen 
Lebens zu untergraben und China dann auf den Weg der allgemeinen 
menschlichen Entwickelung zu fähren. 

Man hört so oft, dass China ein morscher Staat geworden ist, 
beinahe schon seine Lebenskräfte verloren, und dass bald die Zeit 
herannahen wird, wann dieser Koloss unter der Einwirkung der west- 
europäischen Kultur in Staub zerfallen wird. Aber es giebt auch 
viele Gegner dieser Meinung, die da sagen, dass China ein ungeheuer 
grosser Felsblock ist, der sich in die Erde eingegraben hat und im Laufe 
von 4000 Jahren seiner Existenz schon oft Schicksalsschläge erhalten 
hat, jedoch nicht zerstückelt, nicht einmal geplatzt ist; schon oft 
untergraben war, jedoch nicht von seinem ursprünglichen Platze sich 
gerührt habe; jedes einzige Mal nur noch tiefer sich in die Erde gräbt 



85 

und diejenigen erdrückt, die leichtsinnig genug waren, sich ihren 
Kräften anzuvertrauen und dieses Biesenwerk zu unternehmen. Welche 
Ansicht die richtigere ist, kann nur die Geschichte der Zukunft lehren. 
Ich glaube, dass eine grosse Aehnlichkeit zwischen Russland und China 
besteht. Nach dem Krimkriege glaubte Europa, Bussland sei für immer 
gedemtithigt; doch gerade der Krimkrieg machte Bussland gross und 
war die Ursache, dass vielleicht Bussland das 20. Jahrhundert gehören 
wird. Wird nicht vielleicht es mit China dasselbe sein nach dem 
Frieden von Schimonoseki? Wie das auch sein mag, ich kann nicht 
umhin zu bemerken: erstens, dass die Frage der Zukunft Chinas von 
grosser, ja geradezu Weltbedeutung ist, insofern als der Zusammen- 
stoss zwischen dem Osten und dem Westen den grössten Einfluss 
auf den Fortschritt der ganzen Menschheit haben wird; zweitens, 
um überhaupt ein Urtheil über diese Verhältnisse abgeben zu 
können, muss man eine genaue Kenntniss von dem jetzigen China 
sowohl als auch von dem historischen Gang seiner Entwickelung 
haben. An Quellen, aus denen man Belehrung über China schöpfen 
kann, fehlt es nicht, jedoch sind alle einander widersprechend, 
meistens subjektiv und voller Vorurtheile oder zu einseitig. Wir 
sehen aus einigen Werken, dass grosse Aehnlichkeit zwischen 
dem Osten und Westen besteht, dass man das Leben der 
assyrischen Könige, den römischen Kult der Laren, den pater 
familias, vorfinden kann. Diese Fakta zeigen uns, dass China 
ein archaisches Beich ist, welches bisher noch nicht die Stufe 
der Patriarchalität überschritten hat, die Europa schon längst hinter 
sich gelassen hat. 

Auf der andern Seite erfahren wir, dass in China eine vollständige 
Freiheit des Wortes und der Presse herrscht, wobei jedem Einzelnen 
das Becht zusteht, die Begierung zu kritisiren. Man hat dort 
Beligionsfreiheit, wie man sie bei uns garnicht kennt, die jedem Chinesen 
die Wahl stellt, Christ, Buddhist, Mohammedaner, Schamane oder 
Polytheist zu sein. 

Gesellschaften und Vereine haben eine solche Stufe der Ent- 
wickelung erreicht, wie noch lange nicht in Europa. Bankoperationen 
sind derart entwickelt, dass der Staat es für vortheilhafter erachtete, 
das Monopol der Münze und Prägung aufzugeben. Die äusserlich 
despotische Macht ist in der Ausübung mehr beschränkt als irgendwo 
in einem der konstitutionellen Staaten Europas. Müssen wir daher 
nicht zum Schluss kommen, dass China das liberalste Beich der Welt 
ist? Wie sollen wir nun diese Widersprüche vereinigen? Wo liegt 
der Grund derselben? 



86 

Die Hauptursache ist wohl die, dass man zu wenig Gewicht auf 
die Grundsätze legt, auf welchen das Leben des Chinesen beruht. 
Man glaubt in einem Monat oder in noch kürzerer Zeit (der englische 
Globetrotter!) bereits soviel zu verstehen, dass man über ein Volk 
anfängt zu urtheilen, welches eine Geschichte von über 4000 Jahren 
hat. Man ist nicht gründlich genug. Wenn nun letzteres überhaupt 
nöthig ist, so ist es namentlich hier von der grössten Wichtigkeit, 
wo wir es mit den uns so unähnlichen Chinesen zu thun haben. 
Könnten wir das Leben der Kömer in der Eaiserperiode verstehen, 
ohne Studien zu machen über die Grundsätze des christlichen Glaubens 
sowie der stoischen und epikuräischeu Richtung in der Philosophie? 
Sind wir im Stande, die einzelnen Erscheinungen im Leben des gegen- 
wärtigen Europas genügend und richtig zu erklären, ohne die haupt- 
sächlichsten Formen des Christenthums (Orthodoxismus, Katholizismus, 
Protestantismus) sowie die bedeutenderen philosophischen Systeme von 
Hegel, Kant und Hartmann in Betracht zu ziehen? Wie weit sind 
nun die Grundsätze bekannt, die dem Leben des Chinesen zu Grunde 
liegen, durch welche aus dem kleinen Staate am Hoangho das mächtige 
Reich entstanden ist? Die einen sagen, dass die Chinesen vollständige 
Atheisten sind, aber der Atheismus als Negatives kann schon an und 
für sich kein Prinzip sein. Andere glauben (die Sinologen ausgeschlossen), 
dass in China der Buddhismus herrscht, jedoch diese Anschauung ist in 
keiner Weise zu vertheidigen. Wieder andere glauben dass die Lehre 
des Confucius dem chinesischen Leben zu Grunde liegt, jedoch China 
existirte schon lange vor Con f uci us. Wenn ich hier von China spreche, 
so meine ich nicht das Reich von verschiedenen Nationalitäten, das 
im Laufe der Jahrhunderte bald grösser bald kleiner wurde, sondern 
das fundamentale unerschütterliche Prinzip, auf welchem die Grösse 
Chinas beruht. Was ist nun jeder Chinese? — Er ist Confucianer 
in der Theorie und, wohl zu merken, in der Praxis. Er ist ein 
Mensch, der als Ziel seines Leben das irdische Glück stellt, das er 
erlangt, wenn er das 4. Gebot erfüllt; und wohl nirgendwo können 
wir dieses Gebot besser beobachtet sehen, das uns sagt: »Ehre 
Vater und Mutter c. Er erreicht es durch die Ehrfurcht, mit welcher 
nicht nur die leiblichen Eltern, sondern jeder Aeltere betrachtet 
wird. Dadurch zieht das Glück in die Familie und in weitere Kreise. 
Die Erfahrung der Eltern wird von den Kindern als leitendes 
Prinzip genommen. 

Conf uciu s fasste die Grundsätze des chinesischen Lebens zusammen 
in seiner Lehre und sein philosophisches System herrscht in ganz China. 
Es kann in folgenden kurzen Worten zusammengefasst werden. Es 



87 

existirt die Natur, von der man nicht weiss, wie sie entstanden ist. 
Sie ist getheilt in Himmel und Erde nnd anf ihr wirken zwei einander 
feindliche Mächte, Janj und Inj. Biese beiden Kräfte bilden den 
Menschen, der eine gewisse Zeit zu leben hat, um dann zu sterben. 
Der Mensch wird mit gewissen Instinkten nnd Bedürfnissen geboren 
und sucht die letzteren zu befriedigen. Der Mensch lebt nicht allein 
auf der Erde, sondern in der Familie, der Gesellschaft, dem Beich, 
der Menschheit, zu welcher er in Beziehungen steht und denen gegen- 
über er Verpflichtungen hat, die streng zu erfüllen er sich bestreben 
muss. Die wichtigsten Pflichten haben wir den Eltern gegenüber, da 
sie die ersten sind, denen gegenüber wir unsere Anerkennung zeigen 
können. Daraus folgt die Lehre von der Ehrfurcht gegen die Eltern. 
Der Sohn hat Geschwister, mit denen er in Eintracht zu leben hat. 
Er hat Freunde, die er sich zu bewahren hat. Er hat seine Frau 
und seine Familie, die er zu lieben und zu versorgen hat. Das kann 
er thun, wenn er in den Staatsdienst tritt oder ein Gewerbe treibt. 
Zu allen diesen Pflichten muss er sich vorbereiten, um nicht die 
Harmonie des Lebens zu zerstören und dadurch selbst eines Glückes 
sich zu berauben, nach dem er strebt. Das höchste Glück auf i^rden 
ist nur dann erreichbar, wenn der Mensch genau versteht, was 
Wohlsein und Glück heisst und wenn er seine Verhältnisse 
anderen Menschen gegenüber genau bestimmt. Das Glück des Menschen 
hängt davon ab, in welchem Maasse der Mensch seine Pflicht erkennt 
nnd erfüllt. 

Wir sehen hieraus, dass der Chinese in seinem Streben nur darauf 
bedacht ist, das Leben auf Erden glücklich zu gestalten. Dank dem, 
dass jeder Chinese so denkt, haben alle Gruppen der Gesellschaft 
grosse Lebensfähigkeit, Solidarität und ein starkes Fundament. Ihr 
Lebensgrundsatz ist der Spruch : » Bevor du etwas thust, ist es noth- 
wendig, sich selbst zu verbessern«, oder wie ein russischer Dichter 
es sagt: »Willst du die Wirkung eines Gesetzes auf eine feste Basis 
bringen, so folge zuerst selbst dem Gesetze, das du in Wirksamkeit 
sehen willst. Verstehe es die Leidenschaften zu bekämpfen, sonst ist die 
Ehre und deine Existenz schon von vornherein in Ketten geschmiedet«. 
Wir sehen, wie die Chinesen ihren Grundsätzen folgen. Wir finden sie 
als die arbeitsamsten Leute in der Welt. Sehr oft hört man, dass 
sie deshalb arbeiten, weil die Noth sie zwingt, jedoch weshalb arbeiten 
diejenigen nicht, die gerade am äimsten sind? Nein, der Chinese 
arbeitet, weil er dank seinen Grundsätzen sucht, sich ein glücklicheres 
Leben auf Erden zu schaffen und das im weitesten Sinne des Wortes. 
Er sucht zunächst seine Verwandten mit in den Kreis der Wirksam- 



88 

keit zu ziehen und um sich her Wohlbefinden zu verbreiten. 
Der Chinese bleibt hierbei nicht auf halben Wege stehen, er hört 
nicht auf zu arbeiten, wenn er sich Mittel genug verschafift hat, um 
zu leben. Er giebt sich nicht dem Müssiggange hin, sondern arbeitet 
sein ganzes Leben. Deshalb sehen wir in China Alles, was der 
Mensch in seine Hand nimmt, zu einer solchen Vollendung gebracht. 
Der Europäer kann mit dem Chinesen im Handwerk nicht konkurriren. 
Die chinesischen Felder, die nicht selten auf dem nackten Felsen an- 
gelegt werden, müssen als die besten in der Welt anerkannt werden. 
Die Chinesen führen ihre Geschäfte mit einem solchen Kapital, dass 
sie mit den Engländern und den Juden nicht nur konkurriren können, 
sondern sie oft verdrängen. Das ist Alles nur möglich, weil der 
Chinese von klein auf sich an den Gedanken gewöhnt, dass das irdische 
Wohlsein nur dann erlangt werden kann, wenn er praktisch zu Werke 
geht, die Zeit nicht verschwendet mit unnützen Beschäftigungen. 
Armuth ist selten, denn die Verwandten helfen; und wer arm ist, muss 
daher ein schlechter Mensch sein, dem die Verwandten nicht mehr helfen. 
Und wenn man durch die Strassen geht und das rührige Leben 
beobachtet, das in den Märkten und Handwerkstätten herrscht, wenn 
man die unzähligen Boote auf den Flüssen und dem Meere beob- 
achtet, wenn man von einer hoch gelegenen Stelle auf die Felder 
herabsieht, die mit Fleiss und Ausdauer bearbeitet weixlen, sowohl 
unter den Wendekreisen, als auch im höchsten Norden, dann ronss 
man unwillkürlich an Ovids Beschreibung der Myrmidonen in den 
Metamorphosen denken. 

Dank dieser Arbeitsamkeit sehen wir, dass unter den Chinesen 
der Prozentsatz der Armen oder Proletarier ein verhältnissmässig 
geringer ist. Je reicher er wird, desto mehr kann er sich Befriedigung 
verschaffen ; doch verfällt er nicht in den Fehler, zu viel auszugeben. 
Meistentheils sind wir Europäer geneigt mehr auszugeben, als unsere 
Mittel es uns erlauben; der Engländer giebt gerade genug aus, 
jedoch niemand spart so wie der Chinese, er giebt weniger aus als 
er verdient. 

Nachdem ich so lange und so ausführlich über die Lebensgrund- 
sätze gesprochen, weil meiner Meinung nach es von der grössten 
Wichtigkeit ist, wie der Kaufmann sich dem Chinesen naht und mit 
ihm in Verkehr tritt, will ich mich der Frage zuwenden, was der 
zukünftige Handel von China sein wird. Von der grössten Wichtig- 
keit ist es hier, die politische Lage zu beleuchten. Der Friedens- 
vertrag von Schimonoseki wird der Eckstein einer ganz neuen Aera 
in den Handelsbeziehungen zu China werden, da er von den drei 



89 

Mächten Rasslaud, Deutsclilaud und Frankreich revidirt wurde, wo- 
bei die Engländer ausgeschlossen blieben. Das ist das erste Mal, 
dass England ausgeschlossen worden ist. England^ das bisher die 
unumschränkteste Macht im Osten hatte, hat zu seinem Schrecken 
warnehmen müssen, dass es, im Osten wenigstens, nicht mehr die See 
beherrscht und die Rolle als arbiter gentium verloren hat. Die 
Chinesen haben gesehen, dass sie sich auf England nicht stützen 
können, dass England, nach hergebrachter Gewohnheit sich auf die Seite 
der stärkeren Macht stellte und China preisgab. Mit grossem politischen 
Scharfblick nahm Bussland die Gelegenheit wahr und trat auf die 
Seite von China, dabei die Gefahr abwendend, die dem ganzen europäischen 
Handel und Leben von Seiten der neuen Macht Japan drohte, die ge- 
schworen hat, sich an Europa zu rächen, weil England so brutal sich 
den Eingang in Japan erzwungen hat. China war gerettet und jetzt 
liegt ein grosses Reich mit seiner Fülle von Arbeit und Material 
dem Handel Europas ofifen, der ihm einstmals die Stellung geben 
wird, das grosse Industriereich des Ostens zu werden. 

Wenn wir die finanzielle Lage Chinas studiren, werden wir 
sehen, dass China nur wenige Anleihen bis jetzt geschlossen hat, und dass 
es die wenigen Anleihen, die es hatte, stets pünktlich bezahlte. Wenn 
der Krieg nicht ausgebrochen wäre, würde die ganze Schuld schon 
getilgt sein. Wäre die finanzielle Lage eine schlechte, so würden 
sicherlich nicht sämmtliche Länder China bestürmen und ihm unter 
den günstigsten Bedingungen Millionen anbieten. Die ganze Summe 
der kontrahirten und zu kontrahirenden Anleihen beläuft sich auf 
1000 Millionen Mark. Einem Lande mit 500 Millionen Bewohnern 
wird es nicht schwer fallen, diese Summe zu zahlen, da die jetzige 
Revenue gegen 300 Millionen Mark beträgt, und sollte eine Reform 
im Eintreiben der Steuern eingeführt werden, so würde diese Summe 
verdreifacht oder vervierfacht werden können. 

Wenn wir die Handelsverbindungen von Japan mit seinen' 40 
Millionen Einwohnern als Massstab annehmen, dann können wir 
hoffen, dass der zukünftige Handel von China sich auf 4000 — 5000 
Millionen Mark jährlich belaufen wird. Diese Summe ist nicht zu 
hoch gegriffen, da China reicher ist als Japan und mehr Chancen hat 
für das Wachsen des Reichthums der kolossalen Bevölkerung. In 
China wächst die Baumwollenstaude, während Japan Baumwolle zu 
importiren hat. Bessere Seide und Thee wird in China gewonnen als in 
Japan; China beginnt schon Wolle zu exportiren. Zucker und Tabak 
haben eine grosse Zukunft in China, ja man kann sagen, dass es kaum 
irgend ein Produkt giebt, das nicht in der einen oder der andern Gegend 



90 

von China gezogen werden könnte, da China so reich an frachtbarem 
Boden ist. Es giebt kein Mineral, das nicht in China gefanden 
Averden kann. Gold, Silber, Eisen, nngeheare Steinkohlenlager mit 
der feinsten Steinkohle in der Welt, liegen überall and harren des 
Üeissigen Bergmannes. 

Die kommerzielle Bevölkernng zeichnet sich darch grosse Ehrlich- 
keit nnd Unternehmangsgeist aas, das Volk ist fleissig and ansdaaernd 
und liefert gute intelligente Arbeiter, die, nach den Worten der Eng- 
länder (die gewöhnlich prahlen, dass alles was englisch ist, das beste 
nnd schönste ist), mit den besten Arbeitern in Lancashire verglichen 
werden können. Der Arbeiter ist billig und wird wohl für eine lange 
Zeit billig bleiben, wobei die Arbeiterfrage unter den Chinesen wohl 
nicht den Fortschritt machen wird, mit dem wir im westlichen Europa 
nur zu gut bekannt sind, da der Chinese seinen Prinzipien nicht untreu 
werden wird. Für ein solches Land wie China sind selbsverständlich 
die grossen Yortheile sichtbar und klar, die mit der Silberwährung 
verbunden sind, da die Lebensmaterialien nicht theurer geworden sind. 

Wie kommt es nun, dass ein solches Land, mit solchen Reich- 
thümern nicht längst schon sämmtliche Errungenschaften der Kultur 
erworben hat? Die Antwort auf diese Frage kann wohl nur die sein, 
dass sich die Mandschurische Dynastie, die sich auf dem Sterbebett 
befindet, mit aller Macht gegen alles Ausländische gesträubt hat, 
das ihnen, wie den Japanesen, aufgedrungen wurde. Jetzt wird es 
wohl anders werden. Der letzte Krieg hat mit einem Schlage die 
ganze Sachlage verändert. Die Japanesen haben das B.echt bekommen, 
Handel zu treiben und zwar im Innern des Landes, und damit hat 
die ganze Welt dasselbe Recht bekommen. . Seiden- und Baumwollen- 
fabriken entstehen schon an den Ufern der Flüsse. Es ist jetzt nichts 
mehr noth wendig, als dass chinesische Arbeit mit ausländischem 
Kapital und Administration verbunden werden, dass Maschinen 
eingeführt werden und Eisenbahnen und Dampfschiffe den Weg 
ins Innere Chinas bahnen. 

Welches Volk wird nun wohl den Handel Chinas erben? Ich 
glaube, es wird dasjenige Volk sein, das anfangen wird, das innere Leben 
der Chinesen zu studiren. wozu namentlich die Kenntniss der Sprache 
nothwendig ist. Hierbei muss ich darauf aufmerksam machen, dass 
bei dem Studium der Sprache es von der grössten Wichtigkeit ist, 
die praktische Sprache des alltäglichen Lebens zu erlernen and 
sich nicht zuviel mit dem Lesen der philosophischen Schriften za 
beschäftigen, was bei dem Deutschen der Fall sein möchte, da er es 
liebt, sich philologisch zu beschäftigen. Die Philologen werden mit 



91 

der Zeit das Ihrige thun, uns mit den Schätzen der chinesischen 
Geschichte und Litterator bekannt zn machen, doch vorläufig ist es 
nöthig, praktische Leute ins Feld zu schicken, wie wir es in Kuss- 
land thun. Die meisten Eaufleute, die mit China, der Mongolei und 
Mandschurei Verbindungen haben, können nicht lesen und schreiben, 
jedoch sprechen sie die Sprache des betreffenden Landes mit der 
grössten Geläufigkeit, reisen daher durch ganz China unbelästigt, 
schliessen überall Kontrakte ab, werden von den Chinesen freundlich 
empfangen und bezeugen ihnen ihre Achtung, sehen auf sie 
nicht von oben herab und haben daher Gelegenheit, die guten Seiten 
des chinesischen Charakters kennen zu lernen. Der Engländer, nach 
dessen Ansicht das Englische Weltsprache werden muss, d. h. von 
Jedem gelernt und verstanden werden muss, wird dies nie thun. 

Der Chinese kennt nicht die üni versalliebe, jedoch pietas erga 
parentes mit allen seinen Konsequenzen ist der Lebensgrundsatz der 
Chinesen. Die Chinesen kennen nicht das Christenthum und folgen 
nicht dem Buddhismus. Da sie die Universalliebe in der Praxis nicht 
ausgeführt sehen, glauben sie einfach an dieselbe nicht, weil sie sehen, 
zn welchem Gegensatz sie in der Elternliebe führt. Der Chinese 
kann seinen Nächsten nicht lieben, mit dem er in keinen Verbindungen 
steht. Er versteht es ebenfalls nicht seinen Nächsten als gleich- 
stehend zu betrachten, wenn derselbe ein Bettler oder ein Verbrecher 
geworden ist, da die letzteren selbst die Schuld daran tragen. Es 
ist nicht so leicht, in China ein Bettler zu werden, da die Verwandten 
helfen müssen. Derjenige muss ein sehr schlechter Mensch sein., 
von dem sich sogar die Verwandten lossagen können. Wohl nirgend 
ist das Sprichwort, dass ein jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, 
so wahr wie in China. 

Der Chinese ist nicht a priori ein Feind des Ausländers. Zu 
keinem kultivirten Menschen, selbst wenn er ein unbekannter Fremder 
ist, verhält sich der Chinese von Haus aus feindlich, da er einerseits 
dafür keinen Grund sieht, und da er zweitens, in den Grundsätzen der 
Gerechtigkeit und Liebe erzogen wird. Ich habe es nur zu oft ge- 
sehen, dass der Chinese in sehr freundschaftliche Beziehungen zu 
Europäern getreten ist und mit ihnen die solidesten Geschäfte ab- 
geschlossen hat. Aber wenn der Fremde, selbst wenn er von Seines- 
gleichen als kulüvirt angesehen wird, anfängt, seine antisozialen Eigen- 
schaften in den Vordergrund zu stellen, den Chinesen verachtet oder ihm 
von vornherein jegliche Rechte abspricht (wie wir es so oft bei den Eng- 
ländern sehen), dann hört der Chinese auf, ihn als Mensch zu betrachten ; 
er sucht ihn mit dem grössten Eifer, wie ein wildes Thier oder wie 



92 

ein Unkraut auszurotten ; verschont er ja auch nicht die Glieder der 
eigenen Gesellschaft, die das Anrecht auf Hülfe und Unterstützung 
verloren haben. 

Ich denke zweitens, dass dasjenige Volk den Handel Chinas 
erben wird, das am wenigsten sich mit Missionen beschäftigt. 
Wohlgemerkt! Ich habe nichts Persönliches gegen die Missionäre, 
so lange sie Missionäre bleiben und nicht Kaufleute werden, und so 
lange sie sich nicht in dogmatische Lehren einlassen. In letzterem 
Falle bin ich mit Leib und Seele gegen dieselben, da sie dem Christen- 
thum nicht den geringsten Nutzen leisten, wohl aber den grösstmög- 
lichsten Schaden thun. So lange Jesuit, Protestant, Grieche, Katholik 
und die anderen 100 Seiten des Christenthums nicht übereinkommen 
werden, wenigstens in ihrer Missionsthätigkeit alle dogmatischen 
Streitigkeiten bei Seite zu lassen, wird es ihnen nicht gelingen, in 
China festen Fuss zu fassen. Der Chinese, dem es an und fbr sich 
schwer fällt, das Christenthum zu verstehen, da er bei den unglück- 
lich gewählten terminis technicis stets an Begriffe des Confocianismas 
oder Buddhismus denkt, versteht erst recht nicht, was er mit den 
Unterscheidungslehren der einzelnen christlichen Konfessionen zu thun 
hat. Es ist geradezu lächerlich, zu sehen, wie sonst vernünftige 
Menschen sich die grösste Mühe geben, in Wort und Bild gegen die 
Irrlehren des Katholizismus zu predigen, und die Katholiken den 
ersteren nichts schuldig bleiben. Wir sind in Europa daran gewöhnt, 
dem Chinesen jedoch das Bild der Uneinigkeit zu zeigen, ist wohl 
der schlechteste Dienst, der dem Christenthum geleistet werden kann, 
denn die Chinesen betrachten selbstverständlich die Streitigkeit mit 
grossem Skepticismus und verlieren den Glauben an die Solidität der 
Hauptgrundsätze des Christenthums. Das Christenthum hat sich nicht 
dem chinesischen Leben angepasst und tritt daher in direkten Gegen- 
satz zu den Lebensgrundsätzen der Chinesen, die sich im Laufe von 
4000 Jahren ausgebildet haben und von ihnen streng befolgt werden. 
Dann suchen die Missionäre nicht die rechten Mittel zur Bekehrung 
zu gebrauchen und nehmen in ihre Mitte meistens solche Leute auf, 
die von den Chinesen nicht geachtet werden, weil sie nicht ihren 
Grundsätzen folgen, daher schwache Naturen sind und nicht das thun, 
was zu thun sie vorgeben. Dann, was wohl die Hauptsache ist, die 
Missionäre mischen sich in die Politik, und wohl die meisten Christeu- 
metzeleien können darauf zurückgeführt werden. 

Drittens, müssen in alle Theile Chinas Expeditionen entsandt werden, 
wie dies seit langer Zeit von russischen Kauf leuten geschieht. Naturforscher 
sollten solche Expeditionen begleiten, während Kauf leute bemüht sein 



93 

mfissen, entweder für Import oder Export zu sorgen, ans das Gute und 
Praktische, was sie in China gesehen, zu übermitteln und bei den Chinesen 
ein Absatzgebiet fttr unsere Industrie und unseren Handel vorzubereiten. 
Schliesslich denke ich, dass dasjenige Land den Handel Chinas be- 
herrschen wird, welches mit Russland in China Hand in Hand geht, da 
Rassland das einzige Land ist, in welchem man die Chinesen wirklich 
versteht; haben wir doch in unseren Adern selbst mongolisches Blut, 
und haben wir doch mit den Mongolen im Jahre 1224 schon 
Bekanntschaft gemacht und seitdem einander nicht aus dem Auge 
gelassen. Ich glaube Russland hat vom Schicksal eine besondere 
Aufgabe bekommen — eine Aufgabe, die im Westen Europas noch 
nicht recht verstanden wird, jedoch wohl bald mit deutlicher Klarheit 
in den Vordergrund treten wird. Ich meine, Russland ist das Boll- 
werk der Europäischen Kultur und des Christenthums. Wie weit wir 
auch in der Geschichte Rasslands zurückschauen, wir sehen stets, dass 
grosse Yölkerschwärme sich über die endlose Ebene erstrecken und 
sich daselbst niederlassen, stets mit den Russen kämpfend und daher nicht 
weiter nach Westen vordringend. Wir sehen dann, wie im XIII. Jahr- 
hundert die Mongolen, die ganz Asien erobert hatten, mit Feuer und 
Schwert in Russland eindringen, alles zerstörend, jeglichen Widerstand 
niederwerfend. Jedoch durch die Kämpfe mit den Russen geschwächt, 
dringen sie nicht weiter vor, sie blieben in Russland, Alles verwüstend 
und die En*ungenschaften der damaligen Kultur zerstörend. Russland, 
das damals zerstückelt und uneinig war, war zu schwach, um sie zu 
besiegen und suchte daher stark zu werden. Wir sehen, wie der 
Fürst von Moskau allmählich die anderen Fürsten um sich sammelt 
und den Kampf mit den Mongolen beginnt, bis es schliesslich nach 
beinahe 300 Jahren Russland gelingt, vom Mongolenjoch frei zu 
werden, und einmal frei, folgten wir der Spur des Mongolen und des 
mit ihm verbundenen Tataren. Als wir eben frei geworden waren, 
kam der Türke, der Erzfeind des Christenthums, und wir mussten 
unseres Glaubens wegen den Kampf beginnen, den wir soweit glücklich 
geführt, haben. Jetzt sind unsere Hände frei, wir können wieder 
uns nach Osten wenden. Dank der Politik Alexander III. ist unser 
Reich ein starkes geworden, das jeglichen feindlichen Einfluss aus- 
schliessen muss. Als dieser seitens Japan drohte, da erkannten wir 
den Bruder des Chinesen und begannen den Kampf mit ihm. Als die 
Japanesen zuerst nach Europa kamen, wurde ihnen alles gezeigt. 
Man glaubte, der Japanese sei den Persern, Türken, Negem etc. 
ähnlich und werde alles bewundern und sagen : » was für kluge Menschen 
seid ihr.« Jedoch man übersah, dass sie sich mit einem Notizbuch und 



94 

Bleistift bewaffnet hatten. Man wusste nicht, dass sie nach Europa 
gekommen waren, um zu lernen, und sie hatten ihre besten Kräfte dazu 
auserlesen. Kaum hatten sie alles erlernt, was in Europa zu lemeu war, 
als sie auch suchten das Gelernte zu verwerthen und sich ihren Lehrern 
dankbar zu zeigen, um die heilige Rache zu üben, die sie ganz Europa ge- 
schworen. Mit welchem Resultate, haben wir im letzten Kriege gesehen. 
Da der neue Dreibund: Russland, Deutschland und Frankmch den 
Japanesen die Möglichkeit genommen hat, auf politischem Gebiet vor- 
wärts zu schreiten, werden sie es mit aller Macht versuchen, auf 
ökonomischem Gebiete Alles zu erlangen, was zu erlangen ist. Buss- 
land ist nicht in der Lage, den ganzen Handel Chinas allein zu 
übernehmen. China ist eine latente Macht, die nur organisirt zu 
werden braucht. Daher dürfte es gerechtfertigt erscheinen, dass der 
neue Dreibund (Russland, Deutschland, Frankreich) gemeinsam vor- 
geht und in China den Japanesen keinen Fuss breit ohne Kampf 
abtritt. Ich glaube es wäre deshalb gerathen. Folgendes zu thun. 
Erstens das Zentrum der Handelsthätigkeit nach Suchow und Hanchow 
zu verlegen und damit Shanghais Handel zu paralysiren. Shanghai 
ist jetzt die grösste Handelsstadt in China, deren Handel von England 
beherrscht wird. Die beiden genannten Städte sind Shanghais Rivalen ; 
dorthin sollte der Dreibund suchen den Handel zu ziehen. Wir be- 
kommen dadurch Zentren, die frei von englischem Einfluss sein werden. 
Zweitens müsste ein solches Zollamt von den drei Mächten eingerichtet 
werden, wie es jetzt die Engländer in den Maritime Customs haben. 
Drittens müsste der Staat in Deutschland mehr für den Handel 
thun und suchen Kaufleute zum Konsulardienste heranzubilden, da 
diese es am besten verstehen würden, ihre Interessen zu wahren. 
Deutschland müssCe suchen, die Erfolge, die es jetzt in China 
gewonnen, auszunützen; mit Russland im Rücken, sollte es wohl 
nicht schwer fallen. Ich hoffe, dass namentlich Hamburg eine 
grosse Zukunft beschieden ist, wenn nicht gar das Erbe des 
Londoner Welthandels. Durch die Ausstände in England hat 
Hamburg schon so viel gewonnen, und ich hoffe, dass es den 
Hamburgern nicht an Energie und Unternehmungsgeist fehlen wird, 
dass das alte Hansablut noch in ihren Adern rollt, dass sie sich 
zum neuen Kampf rüsten werden, denn nur wo Kampf ist, kann 
Erfolg und Fortschritt sein. 

Ich sehe im Geiste die Völker des Westens und des Ostens im 
grössten Wetteifer diesen Kampf beginnen. Es wird ein Kampf am 
Leben und Tod sein, da es nicht nur ein Kampf um den Handel ist, 
sondern um das Prinzip des Christenthums. Wer wird der Sieger 



95 

sein? Das ist schwer zu sagen. Jedenfalls der Stärkere und besser 
Vorbereitete. Wollen wir hoffen, dass das Christenthum den Sieg 
davonträgt, denn es handelt sich um kostbare Güter. Wollen wir 
hoffen, dass die christlichen Völker und namentlich Bussland 
nnd Deutschland, so wie Ihr erhabener Kaiser es uns in seinem 
schönen Bilde zeigt, Schulter an Schulter die kostbarsten Oüter 
vertheidigen. 



Sitzungsberichte^) 

zusammengestellt von H. Michow. 

177. Sitzung. 5. Januar 1893. 

Vorsitzender: Herr Schulrath Prof. Dr. Hoche. 

Der Vorsitzende begrüsst den Redner des Abends, Herrn Prof. 
Dr. Karl von den Steinen aus Berlin und ertheilt ihm das Wort zu 
dem angekündigten Vortrage: »Ueber das Problem des Ursprungs 
der amerikanischen Menschheit«. — Der Redner führte etwa 
folgende Gedanken weiter aus: Im Anschluss an die Columbus - Tage 
liegt es nahe zu fragen, was wir von der Herkunft der Eingeborenen 
der Neuen Welt wissen. Ihre Tage sind gezählt; es ist deshalb die 
höchste Zeit, sich ein Bild von ihrer Vorgeschichte zu machen und zu 
forschen, wo etwa in der Vorzeit ein Anschluss an unsere vorcolumbische 
Welt-Entwickelung zu vollziehen wäre. Das Resultat der Forschung ist 
bisher ein durchaus negatives. Früher glaubte man freilich über den 
Ursprung der Indianer ein Urtheil zu haben, doch in Wahrheit wissen 
wir nichts. Wie schwierig die Lösung dieses Problems ist, zeigt beispiels- 
weise der Umstand, dass wir über die viel näher liegende und leichter 
scheinende Frage, welche Beziehungen zwischen nord- und südamerika- 
nischen Eingeborenen obgewaltet haben, auch nichts wissen. Es ist 
schwer zu glauben, dass Panama eine Völkerscheide zwischen Nord und 
Süd gebildet habe; zwischen beiden scheinen Beziehungen zu bestehen, 
man denke an die gleichen Kulturpflanzen Mais und Tabak und das 
Hausthier, den Hund; doch bewiesen sind solche Beziehungen nur im 
engen Anschluss an die Küste; keine Bluts- und Sprachverwandtschaft 
ist nachzuweisen. Die Karaiben dachte man sich früher als Mittelglied 
zwischen Nord und Süd, da sie früher Westindien bevölkerten und jetzt 
auf Süd- Amerika beschränkt sind; doch haben die Forschungen ergeben, 
dass sie aus Süd -Amerika stammen und nicht mit Nord -Amerika in 
Beziehung gestanden haben. Auch ist diese Isolirtheit beider Amerika- 
Hälften leicht zu begreifen, war doch die SchiflSihrt bei den Maya- 
Völkern in Mittel- Amerika wenig entwickelt, man vermied das offene 
Meer; auch fehlten Transport-Thiere für weite Land Wanderungen , nur 
als Jäger ma<;hten die Eingeborenen Streifzüge, und auf diesen folgten 
sie den Strömen; deren Gebiets-Grenze wurde nicht überschritten. So 
fanden Völker -Verschiebungen nur innerhalb abgeschlossener geogra- 
phischer Provinzen statt, wie innerhalb des Amazonas- und Orinoko- 

*) Anschliessend an die in den Mittheilungen 1891 — 92 gegebenen Berichte. 



97 

Gebietes u. s. w. Innerhalb solcher Gebiete finden wir verwandtschaft- 
liche Beziehungen, weiter nicht. Ort und Art des Zusammenhanges 
zwischen Nord- und Süd-Amerika sind bisher nicht gefunden ; aber auch 
die Versuche, von der Neuen Welt eine Brücke hinüberzuschlagen nach 
benachbarten Erdtheilen, sind trotz aller H}^thesen missglückt, und 
die Aussicht auf den Nachweis einer Vermittlung dahin ist immer 
ferner gerückt. Die Versuche, dieses Räthsel zu lösen, begannen 
natürlich erst, als die Erkenntniss durchdrang, dass Amerika ein eigener 
Kontinent sei. Um die Existenz von Menschen in der Neuen Welt 
verständlich zu machen, knüpfte man anfangs am liebsten an biblische 
Personen und Begebenheiten an. oder man suchte nach Belegen aus 
dem klassischen Alterthum. Körperliche und kulturelle Analogien, so- 
wie sprachliche Anklänge unterstützten die Hypothesen. So suchte man 
die Bewohner Süd -Amerikas als eine Mischrasse aus Normannen und 
Mongolen hinzustellen, oder aus Aegyptern und Chinesen. Auch eine 
Einwanderung der Juden, der sogenannten 10 verlorenen Stämme, nach 
Nord- Amerika, wie es auch die Mormonen - Bibel lehrt, wurde von 
Gelehrten behauptet. Auch angenommen, dass eine Einwanderung aus 
der Alten Welt nachgewiesen würde, so wäre damit doch eine Auf- 
klärung über die Vorfahren der jetzigen Eingeborenen nicht gegeben. 
£>enn wir haben hier, wie die geologischen Funde zu verlangen scheinen, 
mit viel zu grossen Zeiträumen zu rechnen. Doch nicht alle diese 
Funde haben gleichen Werth. Es ist aber nachgewiesen, dass der Mensch 
überall in Nord - Amerika , und auch in Süd -Amerika zu gleicher Zeit 
mit den Riesenthieren der Diluvial - Periode gelebt hat. Nord-Amerika 
hat seine zwei Eiszeiten gehabt, ist im Norden von Inland-Eis bedeckt 
gewesen, in den Torflagern zwischen den Glacial-Massen finden sich die 
Knochen der Riesenthiere und die Steingeräthe des Menschen. Besondere 
Bedeutung, weil sehr hohes Alter, scheinen ein Schädelfund (Kalaveras- 
Schädel) und Geräthfunde in Californien zu beanspruchen, die im Vereine 
mit Mastodon -Knochen unter Lava-Schichten gemacht wurden und der 
Periode angehören, die der Diluvial - Periode unmittelbar voraufging. 
Aehnlich findet man in Süd -Amerika, in Argentinien, diluviale Thier- 
reste mit menschlichen Skelettresten und mit Geräthen aus Stein und 
Knochen. Solche Funde sind streng zu unterscheiden von prähistorischen 
Funden; letztere gehören unserer eigenen Aera, erstere einer anderen 
geologischen Epoche an. Der diluviale Mensch unterscheidet sich in 
seiner Kultur nicht von dem Indianer niedrigster Stufe, deshalb können 
über die Zeitverhältnisse nur geologische Funde Aufschluss geben. Die 
überall zu findenden Haufen von Küchen - Abfällen und Muschelresten, 
die niemals Ueberreste vorweltlicher Thiere enthalten, beanspruchen 
ebenso wenig ein hohes Alter, wie die künstlichen Erdhügel im Missuri- 
und Ohio-Thale, die von den unmittelbaren Vorfahren der jetzigen 
Generation gemacht sind, während man lange Zeit aus diesen Bauten 
Veranlassung nahm, auf ein uraltes Volk der Hügelbauer zu schliessen. 
Aber Mais und Maniok wurzel sind seit uralter Zeit von den indianischen 
Jägerstämmen als Fruchtpfianzen gezüchtet, deren Gebrauch ein Triumph 
des Indianergeistes ist, wenn man bedenkt, dass die Maniokwurzel im 
wilden Zustande stark giftig wirkt. Jeder Einfluss der Alten Welt ist 



98 

hier ausgeschlossen; der Mensch in Amerika existirt viel zu lange, als 
dass man ihn auf die Einwanderung einer Basse aus der Alten Welt 
zurückführen könnte. Die Spuren des Menschen in Amerika führen 
auf eine Zeit zurück, die weit über die Kultur-Epochen Aegyptens zurück- 
reicht. Die paläontologischen Funde lassen sogar die Deutung zu, dass 
man vielmehr die Neue Welt als Heimath der Menschheit ansehen 
müsse. Auf jeden Fall ist die gewöhnliche Schulmeinung beseitigt, als 
habe eine Einwanderung asiatischer Stämme über die Berings-Strasse 
die Neue W^elt bevölkert; es fehlen jegliche Spuren einer solchen 
Wanderung. Zufallige Einwanderungen aber, wie die der Normannen, 
oder das Landen Schiffbrüchiger aus Japan können keinen Einfluss auf 
die Kultur Amerikas gehabt haben. — Es ist aber überhaupt ein Zu- 
zug von aussen gar keine nothwendige Forderung. Denn eine einheit- 
liche amerikanische Rasse giebt es garnicht. Manches Mongolische ist 
dort zu finden , aber ebenso ausgesprochener jüdischer Typus ganzer 
Indianerstämme ist im Innersten Brasiliens vom Redner selber beobachtet 
worden. Von ältesten Zeiten her haben in Amerika Kurz- und Lang- 
Köpfe, Breit- und Schmalgesichter, neben einander gewohnt; es herrscht 
dort eine entschiedene Pluralität der Rassen. Auch die Sprache zeigt 
einen eigenen Bau mit vielen Sprach-Stämmen , durchaus fremd den 
Sprachen der Alten Welt, wie den Sprachen der Südsee -Insulaner. 
Amerika gehörte längst den Amerikanern, ehe eine Einwanderung aus 
anderen Erdtheilen stattfinden konnte. Niemand weiss, woher die 
amerikanische Urbevölkerung, und der Ausspruch des Geographen 
Carl Ritter, dass jeder Erdtheil ein Individuum sei, behält jedenfalls 
für Amerika seine volle Berechtigung. 

178. Sitzung. 2. Februar 1893. 

Vorsitzender; Herr Schulrath Prof Dr. Ho che. 

Der Vorsitzende macht darauf aufmerksam, dass das vom Amerika- 
Komite für den 12. Oktober 1892 ursprünglich geplante künstlerische 
Abendfest nunmehr am 16. März begangen werden solle, und dass der 
Vorstand der Geographischen Gesellschaft geglaubt habe, von einer 
besonderen Feier des 20jährig9n Bestehens der Gesellschaft, die am 
6. März d. J. hätte wie üblich begangen werden sollen, absehen zu 
müssen in der Voraussicht, dass an dem Amerika-Feste eine rege Be- 
theiligung auch seitens der Gesellschaft stattfinden werde. Die Versammlung 
stimmt dem zu. 

Da der Kassenführer der Gesellschaft von Hamburg abwesend ist, 
legt der Sekretär Herr Fried er ichsen an dessen Stelle den Rechuungs- 
abschluss für 1892 der Versammlung vor, nachdem derselbe von Seiten 
der Revisoren bereits für richtig befunden ist (Siehe Seite 101). Die 
Mitgliederzahl zu Ende 1892 betrug 549. 

Der Vorsitzende beantragt im Namen des Vorstandes, dem Prof. 
Dr. Sievers zur Vervollständigung seiner Studienreise in Venezuela 
einen Zuschuss von 1500 JK. zu gewähren, nachdem sich herausgestellt, 
dass in Folge der schwierigen politischen Verhältnisse daselbst die vcr- 



99 

anschlagten Kosten für Trägerlöhne, Maulthiere u. A. bedeutend 
erhöht werden miissten und die anfangs bewilligte Summe von 8500 JH. 
zur Erledigung dieses wissenschaftlichen Unternehmens nicht hin- 
reichen konnte. Der Antrag wird genehmigt. 

Der Vorsitzende beantragt ferner im Namen des Vorstandes, dass 
die statutenmässig für den März vorgeschriebene Neuwahl des Vorstandes 
auf die April-Sitzung verschoben werde, weil für den März ein Vortrag 
in Aussicht genommen sei, der wegen seines zeitgemässen Themas (über 
Chicago und die Weltausstellung, von Hesse-Wartegg) auch die Be- 
theiligung von Damen wünschenswerth erscheinen lasse. Der Antrag 
wird gleichfalls genehmigt. 

Der Sekretär Herr Friederichsen theilt auf Grund einiger Briefe 
von Prof. Dr. Sievers aus Venezuela mit, dass derselbe seine Unter- 
suchungen in den westlichen Provinzen Coro und Lara erledigt habe 
und bei Abgang des letzten Schreibens bereits nach dem Osten des 
Landes, nach den Llanos und den Goldfeldern aufgebrochen sei. 

Von unserm früheren Mitbürger und ehemaligem Kustos am Museum 
Godeflroy, Herrn Schmeltz, jetzt Konservator, des Ethnographischen 
Museums in Leiden , ist ein unter seiner Mitwirkung herausgegebenes 
Werk als Geschenk übersandt worden , welches durch seinen reichen 
Text, wie durch die bildlichen Beigaben gleich bedeutend erscheint. 
Es stellt die Resultate ethnographischer Sammlungen, die in letzter Zeit 
durch mehrere offizielle Expeditionen nach dem Niederländischen Neu- 
Guinea veranstaltet worden sind, svstematisch zusammen mit Hineinbe- 
Ziehung des aus Britisch- und Deutsch-Neu-Guinea bekannt gewordenen 
Materiales. Es ist betitelt: Ethnographische Beschryving van de West- 
en Nordkust van Niederl. Neu-Guinea und verfasst von de Clercq und 
F. D. E. Schmeltz, Leiden 1893, 4«. Es bietet auf 42 illustrirten 
Tafeln eine grosse Menge der interessantesten ethnographischen Gegen- 
stände und typische Bilder von den Eingeborenen. 

Ebenfalls als Geschenk des Verfassers liegt vor: Ehrenreich, 
Beiträge zur Völkerkunde Brasiliens (Veröff. des Museums für Völker- 
kunde, Berlin). Die Forschungen des Verfassers schlössen sich an die 
Schingu - Expedition von den Stein en's in 1 888 an und betreffen 
einmal die am Rio Araguay noch in indianischer Ursprünglichkeit 
lebenden Karaya-Stämme, die inmitten der umwohnenden Indianer eine 
ganz isolirte Stellung einnehmen ; ferner mehrere Indianerstämme am 
Rio Purüs, die zu den Maipure-Völkern gehören und so eine Verbindung 
herstellen zwischen den Maipure -Stämmen in Guayana und Bolivia. 
Diese Anwohner der Purüs sind Stämme, die durch das Vordringen der 
Kautschuk -Sammler bereits viel von ihrer Ursprünglichkeit eingebüsst 
haben. Auch dieses Werk bietet auf 15 Tafeln und in vielen Text- 
bildern ein reiches ethnographisches Anschauungsmaterial. 

Ferner hat Dr. Polakowsky seine umfangreiche Brochüre: 
»Panama- oder Nicaragua-Kanal ?€, Leipzig 1893, eingesandt. Der Ver- 
fasser giebt eine Geschichte des interozeanischen Kanal-Projektes seit dem 
16. Jahrhundert bis auf den Zusammenbruch des Panama-Unternehmens 
und den Beginn der Arbeiten am Nicaragua-Kanal. Dann beschreibt er 
genau die Trace des letzteren, veranschaulicht durch einen Plan und ein 



100 

Längenprofil, mit farbiger Unterscheidung der Bodenverhältnisse. Beides 
ist in gleicher Ausführung vom Panama-Kanal beigegeben. Femer be- 
richtet er über die bisherigen Arbeiten der Kanalbau-Gesellschaft, die 
geschäftlichen Manipulationen betreffend Konzession und Geldbeschaffung, 
die technischen Vorarbeiten, den Beginn der Kanalbauten am 8. Oktober 
1889, sowie deren Fortgang bis 1892. Auch glaubt der Verfasser die 
unbedingte Rentabilität des Nicaragua -Kanales nachweisen zu können, 
und es wird nach ihm vor Allem von der Unterstützung seitens der 
Regierung der Vereinigten Staaten abhängig sein, ob eine rechtzeitige 
Beschaffung der Baugelder zu erwarten ist. Ausser den genannten 
Plänen sind der Schrift interessante Abbildungen beigegeben, die einen 
unmittelbaren Einblick in die dortige Bau- und Arbeitsweise, sowie in 
die landschaftlichen Verhältnisse der Kanal trace gestatten. 

Nach Vorlegung dieser Geschenke seitens des Herrn Sekretärs giebt 
Herr Dr. Michow ein ausführliches Referat über die Festschrift, welche 
die Berliner Gesellschaft für Erdkunde zur Feier der Entdeckung 
Amerikas herausgegeben und auch der Hamburger Gesellschaft als 
Geschenk überreicht hat. Im Anschluss daran und als Ergänzung zu 
den im Atlasbande jener Festschrift reproducirten älteren Karten de- 
monstrirt Herr Dr. Michow eine Karte, welche er im Auftrage des 
Ausschusses für die 1892 geplante Hamburger Amerika- Ausstellung hatte 
photographisch herstellen lassen. Es ist eine Kopie, fast in Original- 
grosse (216 X 86 cm), von der älteren der beiden in Weimar aufbewahrten 
spanischen Weltkarten, deren Reproduktion für die Zwecke der Aus- 
stellung die grossherzogl. Regierung bereitwilligst gewährt hatte. Während 
von der jüngeren der beiden Weimar-Karten, gezeichnet von Ribero in 
Sevilla 1529, und zwar von einem zweiten, sehr ähnlichen, in Rom 
befindlichen Originale ein Faksimile veröffentlicht ist, existirte von 
dieser älteren, aus 1527 datirten, die die älteste erhaltene offizielle 
spanische Seekarte ist, bisher keine vollständige Kopie, nur der 
amerikanische Theil derselben ist früher veröffentlicht worden. Nach 
der Kartenlegende ist dieselbe 1527 in Sevilla von einem königl. 
Kosmographen gezeichnet worden; und da feststeht, dass der in 
Sevilla lebende Hernando Colon, der Sohn des Entdeckers, 1526 von 
Karl V. den Auftrag erhielt, eine solche Karte mit allen bis dahin 
bekannt gewordenen Landfunden herzustellen, so liegt es nahe, Hernando 
Colon als Verfertiger der Karte anzusehen, wogegen nur das Eine 
spricht, dass derselbe nicht den Titel eines königl. Kosmographen führte. 
Vielleicht rührt sie von dem königl. Kosmographen Nuno Garcia de 
Toreno her und ist eine Kopie jener Colon 'sehen Karte, von der 
Karl V. ausdrücklich wollte, dass sie als Musterkarte in Sevilla verbliebe. 
Referent betont, wie sehr viel anders wohl die Vorstellung vom Welt- 
bilde im 16. Jahrhundert sich entwickelt hätte, wenn nicht die spanische 
Regierung aus Eigennutz ihr besseres Wissen, wie es die wenigen nur 
handschriftlich erhaltenen offiziellen Karten zeigen, geheim gehalten hätte. 
Alsdann gab Herr Carl Eggert kurze Mittheilungen über die 
Eisenbahn- Verbindung zwischen Argentinien und Chile. Redner stellt 
zunächst einen Vergleich an zwischen den wichtigsten europäischen und 
den südamerikanischen Gebirgsbahnen , die nicht alle mit gleichem 



101 

Maassstabe zu messen sind, da die Schneegrenze dort in den Anden fast 
die doppelte Höhe von der in den Alpen hat. Die Puno-Bahn, welche 
zum Titicaca-See hinaufführt, endet hier, nach Ueberschreitung eines 
viel höheren Passes in einer Höhe von 3860 m; die Oroya- Bahn bei 
Lima erreicht, obgleich unvollendet, 3700 m. So hoch wird die Chile- 
Bahn nicht geführt werden. Der Plan der letzteren ist schon in den 
vierziger Jahren aufgetaucht. Die ereten Vermessungen wurden aber erst 
1885 gemacht und veröffentlieht. Damals dachte man dort noch nicht 
an eine Zahnradbahn; deshalb waren die Kurven und Umwege, die zu 
nehmen waren, übermässig gross und die Kosten unerschwinglich, jeden- 
falls die Anlage nicht rentabel. In Folge dessen wurde der Plan umge- 
arbeitet und ein Wechselsystem von Zahnradbahn und Adhäsionsbahn 
zu Grunde gelegt. Redner legt eine Skizze der Bahn vor, von Mendoza 
bis San Jago de Chile, welche immer noch reichlich Kurven bietet, aber 
viel weniger als das Projekt von 1885. Mendoza liegt in einer Meeres- 
höhe von 720 m, der die Cumbre (Spitze) der Anden schneidende Tunnel 
in 3186 m. Der Anstieg von Osten ist nur wenig steil, erfordert nur 
11 km Zahnradbahn. Das Schwierigste und Kostspieligste sind die 
Tunnel- Anlagen, im Osten nur 3 km im Ganzen, der Grenztunnel auf 
der Cumbre als der längste beträgt 3680 m, auf der Westseite sind 8 km 
Tunnel geplant, so dass die gesammten Tunnelstrecken etwa dem Gott- 
hardtunnel gleichkommen. Von diesen sind erst 2 V« km fertig; über- 
all wird mit Wasserkraft gearbeitet. In 1888 hat der Bau begonnen, 
im Betriebe sind in Chile schon 27 km, in Argentinien 150 km; es 
fehlen noch 60 km, aber der Tunnel wegen sind diese die schwierigsten. 
Beim Beginn des Baues war Geld noch leicht zu beschaffen; die 
politischen Wirren seitdem haben der Sache geschadet, so dass jetzt nur 
wenig gearbeitet wird, besonders in Argentinien, wo von einer Besserung 
der politischen Verhältnisse noch nichts zu merken ist. Trotzdem ist 
zu hoffen, dass in absehbarer Zeit das Unternehmen zu Stande 
kommen wird. 

Zum Schluss gab Herr Dr. Gottsche einen vorläufigen Bericht 
über seine vorjährige geologische Studienreise in Schleswig-Holstein, 
welche er im Auftrage der Hamburger Geographischen Gesellschaft 
unternommen hat und im nächsten Sommer fortzufuhren und zum 
Abschluss zu bringen gedenkt. 



Kassa-Bilanz für 1892. 

Einnahme : 

I. Saldo von 1891 

Bank-Saldo am 31. Dezbr. 1891 M. 963.63 
Kassa-Saldo » 31. Dezbr. 1891 » 41.49 

M. 1005.12 



102 

Transport JH. 1005.12 
II. Mitglieder-Beiträge » 6564. — 

III. Zinsen » 429.65 

IV. Staate-Subvention » 5000.— 

V. Extraordinaria: Rückprämie » 16.90 

VI. Verkauf von 2000 it-Rente » 1988.30 

VII. Vorschuss des Kassirers > 1550. — 

A 16 553.97 
Ausgabe: 

I. Für die Mittheilungen u. a. Drucksachen . . » 590.50 

IL » » Monatssitzungen und Vorträge . . . . » 752.95 

III. » » Bibliothek : Binden u. Anschaffungen » 389.55 

IV. » » Verwaltung » 3734.13 

V. Extraordinaria; 

Vertretung in Berlin bei Ent- 
hüllung des Nachtigal- 

Denkmals » 66.10 

Kranz fürs Nachtigal-Denkmal 

in Berlin » 31.50 

Beitrag zur Amerika-Festschrift » 1000. — 
Reisekosten f. Dr. W. Sievers in 

Venezuela » 8500. — 

Lothungsapparat f. Dr.W.Sievers » 75. — 
Reisekosten f. Dr. C. Gottsche, 

1. Rate » 1200.— 

Beitrag zu den Reisekosten 

Dr. Michaelsen's (Magalhaen- 

sische Sammelreise) » 200. — 

»11072.60 

VI. Saldo auf 1893 » 14.24 

it 16 553.97 



Baar-Vermögensbestand Ende 1892. 

5 Stück Hamburger SUuits-Rente i\ Vk^/o JH. 10000, z. Z. 

gekauft a 102V8 JUIU 212.50 

Fällige Zinsen vom 1. Aug. bis 31. Dezbr. 1892 (5 Monate 

a3V«o/o) > 145.83 

Bank- und Kassen-Saldo Ende 1892 » 14.24 

JH. 10 372.57 
abzüglich des vom Kassirer in 1892 geleisteten und noch 

zurückzuzahlenden Vorschusses von » 1 550.— 

M. 8 82~2.57 



103 

179. Sitzung. 2. März 1893. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der einzige Gegenstand der Tagesordnung war ein Vortrag des Herrn 
Ernst V. Hesse-Wartegg, Ehren-Kommissars der Welt-Ausstellung in 
Chicago für Europa, über: »Chicago, die Kanadischen Seen und 
die Welt-Ausstellung von 1893€. 

Der Vorsitzende begrüsst den Redner als langjähriges Korrespon- 
direndes Mitglied der Gesellschaft mit herzlichen Worten. Die Gedanken 
und das Interesse der Geographischen Gesellschaft, wie der weiteren 
gebildeten Kreise hierselbst seien seit Langem auf Amerika konzentrirt, 
die umfangreichen Vorbereitungen des letzten Jahres zu einer würdigen 
Amerika-Feier seien noch in aller Erinnerung. Die Feier selber sei ja 
in der geplanten Weise verhindert worden, aber unsere Gedanken hätten 
sich immer noch mit den Zielen jener Bestrebungen beschäftigt. Noch 
in der vorletzten Sitzung habe ein Gelehrter uns in die Urgeschichte 
Amerikas geführt und mit Interesse seien wir ihm in diese dunkle Vor- 
zeit gefolgt; heute sollten wir uns mit der Gegenwart Amerikas beschäftigen, 
der Vortragende werde uns nach Chicago führen, der neuesten Grossstadt, 
dem Brennpunkte, auf den sich in diesem Jahre das Interesse der Ge- 
bildeten aller Nationen konzentrire. Die Gesellschaft sei erfreut, für 
dieses so zeitgemässe Thema einen so befugten Redner gewonnen zu 
haben. 

Alsdann ertheilte der Vorsitzende dem Herrn v. Hesse-Wartegg 
das Wort: Chicago meint der Redner,, ist die Stadt nicht blos der Gegen- 
wart, sondern auch der Zukunft; sie ist bestimmt, die grössste Stadt 
Amerika's zu werden und ist es beinahe schon jetzt; sie hat ähnlich 
wie Berlin oder Newyork schon 1 V« Mill. Einwohner. Was hat nun 
aber die Amerikaner bestimmt, in Chicago die Austeilung zu machen, 
die der Feier der Entdeckung Amerika's gewidmet ist? Gibt es doch 
Städte in der Union, die eine viel ältere Geschichte und Kultur haben. 
Was hat Chicago mit der Entdeckung der Neuen Welt oder mit Columbus 
zu thun, der garnicht ahnte, dass im Norden von Guanahani ein grosser 
unbekannter Kontinent liege? Ahnte man doch im Anfange dieses 
Jahrhunderts nicht, dass Nord - Amerika einen solchen Aufschwung 
nehmen werde, wie wir es heute sehen. Der ganze Landstrich westlich 
vom Mississippi und den Kanadischen Seen war vor 60 Jahren leer von 
Kultur und weissen Bewohnern. Da kam eine Völkerwanderung; Millionen 
wanderten ein und siedelten sich im Westen, in den Prärien, an und 
Staaten wurden gegründet. Man brauchte Ackergeräthe, Kleidung und 
Nahrungsmittel, um in dem unkultivirten Lande zu existiren; ein Ein- 
tausch dieser nöthigsten Lebensbedürfnis.se aus dem Osten war nöthig; 
als Handelszentrum dafür entstand Chicago. Eisenbahnen wurden ge- 
schaffen, die von Ost nach West den Kontinent kreuzten. Da der 
Michigan-See sich als Barriere in diesen ostwestlichen Strassenzug hin- 
einschiebt, so musste man denselben umgehen, und da, wo die Bahnen 
an seinem Südende von Ost und West zusammentreffen, da musste 
dieser neue Knotenpunkt des Verkehrs entstehen. iDazu »bieten die 
Kanadischen Seen eine brauchbare Wasserstrasse, die vom Ozean 1500 km 



104 

landeinwärts führt. Und^ welch ein Verkehr hat sich hier auf diesen Seen 
entwickelt! Die Seeflotte ist an Tonnengehalt gleich der deutschen 
Handelsflotte, überragt dieselbe an Zahl der Dampfer sogar um 800. 
Der Verkehr auf dem St. Marys River zwischen dem Oberen See und 
dem Huronen-See, obwohl nur 220 Tage im Jahre offen, beziffert sich 
auf 10 Millionen Tons gegen 7 Mill. Tons, die den Suezkanal im ganzen 
Jahre passiren. Der Detroit River zwischen Huronen- und Erie-See be- 
fördert jährlich 5 Mill. Tons mehr, als der Waarenumsatz in den Häfen 
London (20 Mill. Tons) und Liverpool (14 Mill. Tons) zusammen beträgt. 
Das Areal der Kanadischen Seen verhält sich zu dem der Union wie 
etwa Oldenburg zum deutschen Reiche, und doch beziffert sich der 
Frachtenverkehr auf den Seen auf ein Viertel des ganzen Frachtenver- 
kehrs in der Union. 

Dazu kommt die Thatkraft und Unternehmungslust der Bewohner. 
In den 60er Jahren war Chicago eine Stadt, kleiner als heute Wandsbeck ; 
nur des Erwerbs wegen siedelte man sich dort an, der Boden war sumpfig, 
die Luft fiebrig; aber der Verkehr wuchs riesig, und man musste endlich 
System in die Ansiedlung bringen; anfangs fehlte aller Gemeinsinn, 
Jeder dachte nur an sich. Man musste vor Allem des Chicago-FIusees 
und des Sees Herr werden, die gelegentlich gefahrliche Ueberschwemmungen 
verursachten. Was war zu thun? Ein Yankee kaufte sämmtliche Wagen- 
winden, die er auftreiben konnte, Hess durch Maurer die Wände seines 
Hauses unten heraushauen, eiserne Schienen unterführen und dann mit Hülfe 
jener Winden das ganze Haus heben, neue Fundamente untermauern 
und dies so lange wiederholen, bis das Haus um 5 m gehoben war. 
Die übrigen Hausbesitzer machten es nach; die Häuserreihen waren ge- 
hoben und gegen Ueberschwemmung geschützt. In ähnlicher Weise 
wurden dann die Häuser zur Verbreiterung der Strassen rückwärts auf 
neue Fundamente verschoben. Im Jahre 1890 erhielten auf diese Weise 
nach offiziellen Berichten noch 1938 Häuser einen anderen Platz. So 
wurde auch Raum gewonnen zur Legung von Gas- und Wasserleitungen. 
Doch fehlte es an einem richtigen System für die Ableitung der Kloaken. 
Diese mündeten alle in den Chicago-Fluss und dieser mitten in der Stadt 
in den Michigan-See, aus welchem zugleich das Trinkwasser bezogen wurde. 
Da der See nahe der Stadt natürlich verunreinigt war, so wurde zur 
Gewinnung von Trinkwasser ein unterseeischer Tunnel angelegt, der aus 
einer Entfernung von 3 Va km das Seewasser zur Stadt leitete. In den 
letzten Jahren wurde dieser Tunnel sogar auf 6 V« km verlängert. In 
dieser Entfernung strömt das Seewasser durch einen senkrechten Schacht 
in den Tunnel, durch diesen zur Stadt und wird hier durch Dampfkrafb 
gehoben. Doch dies Alles genügte nicht. Man kam also auf den Ge- 
danken, den Chicago-Fluss umzukehren und so die Kloaken nach der 
entgegengesetzten Seite, nach der bisherigen Quelle des Flusses entwässern 
zu lassen, indem man das Flusswasser von der Mündung rückwärts zur 
Quelle leitete. Der Chicago Fluss entspringt nämlich auf einem nur 
etwa 3 m hohen Landrücken, der 20 km westlich vom See die Wasser- 
scheide zwischen diesem und dem Mississippi-Thale bildet, indem auf 
der Westseite dieses Höhenzuges der Piaines River entspringt, der zum 
Illinois und mit diesem zum Mississip])i entwässert. Der Höhenzug 



105 

wurde also durchstochen und das Wasser des Chicago-Flusses durch Pump- 
werke bergwärts hinau%esogen, nach dem Durchstich und durch diesen 
zum Illinois geleitet. Dies hatte ein Nachströmen des Seewassers in 
den Chicagofluss zur Folge, und die Kloaken der Stadt entwässern jetzt 
auf diesem künstlich geschaffenen Wege in einer Entfernung von 3300 km 
in den Golf von Mexiko. — Jetzt geht man sogar mit dem Gedanken um, 
auf gleichem W^e einen für Seeschiffe fahrlmren Bosporus zu schaffen, 
der den Michigan-See mit dem Mississippi verbinden soll. 

Die EntWickelung der Stadt seit dem Jahre 1871 bietet noch andere 
Beispiele einer ungewöhnlichen Energie. In 1871 wurden durch eine 
Feuersbrunst 20 000 Häuser, d. i. die Hälfte der Stadt, die damals 
300000 Einwohner zählte, zerstört. Im Jahre 1872 stand die Stadt 
schöner und grösser da als zuvor. Allein in den 6 Monaten von April 
bis Oktober 1872 wurden 11000 Häuser gebaut; in den letzten Jahren 
betrug die Zahl der Neubauten 12 000 in 1890, 13 000 in 1891 und 
15 000 in 1892, d. h. es wurden pro Stunde je zwei neue Häuser fertig. 
Günstig für die Ausstellung ist das Vorhandensein weiter städtischer 
Parks. Chicago ist, abgesehen von Philadelphia, die umfangreichste 
Stadt der Welt, denn ihr Areal, nahezu 500 qkm, übertrifft das des 
hambui^ischen Staatsgebietes (410 qkm). Durchkreuzt wird die Stadt 
von soviel Eisenbahnen, dass täglich 2000 Bahnzüge einlaufen, die das 
Geschäftszentrum mit den Vororten verbinden. Vor 14 Jahren kaufte die 
Stadt 4 engl. Quadratmeilen Grund zur Anlegung von Parks; dieselben 
liegen jetzt bereits mitten in der Stadt. Der von der Ausstellung ein- 
genonamene Jackson-Park liegt 11 km vom See entfernt, aber bequeme 
Verkehrsmittel, elektrische Hochbahnen, über Pfeiler geleitet, und Kabel- 
bahnen, deren Wagen an einem in den Boden eingebetteten Kabel laufen, 
rücken den Ausstellungsplatz dem Mittelpunkte der Stadt nahe. 

Die Ausstellung verspricht alle bisherigen an Grösse und Pracht zu 
übertreffen. Alle Staaten der Erde betheiligen sich daran; 60 Millionen 
Dollars sind von Chicago und den ausstellenden Staaten für dieselbe 
aufgewandt worden ; 20 Millionen Dollars geben die Stadt und die Bürger 
derselben aus eigenen Mitteln. In 9 Monaten des Jahres 1892 wurden 
alle Ausstellungsgebäude errichtet; es ist sichere Aussicht, dass zum ersten 
Male eine Ausstellung am Eröffnungstage, dem 1. Mai, fertig sein wird. — 
Die Pariser Ausstellung von 1889 umfasste an Terrain nur Vs von der 
in Chicago (166 preussische Morgen gegen 860). Die Ausstellungsgebäude 
in Chicago nehmen allein soviel Platz ein wie das Pariser Terrain ; alle 
Gebäude der Pariser Ausstellung von 1889 könnten Platz finden in dem 
einen Industrie-Palast, dem grössten Ausstellungsgebäude in Chicago; 
dasselbe bedeckt einen Raum von ca. Vio qkm, d. i. etwa die Hälfte 
der Binnen-Alster; der Kölner Dom hätte 18mal Platz darin; das mittlere 
Dach hat die grösste Spannweite von 130 m, welche bisher für ein Dach 
angewandt worden ist. Die grösste Spannweite von 56 resp. 61 m auf 
dem europäischen Kontinent haben die Bahnhöfe in Frankfurt a. M. 
und der neue Bahnhof in Köln, in England hat man bis 68 m Spann- 
weite. — Andere Riesenbauten in Chicago sind die Maschinenhalle und die 
Agrikulturhalle von zusammen 1 Vs km Frontlänge, der Kunstpalast u. a. — 
Sämmtliche Ausstellangsgebäude sind von Wasserbassins umgeben, die 



106 

zusammenhängen, also sind jene auch überall zu Wasser zu erreichen 
und zwar mit Hülfe von 200 echten Venetianischen Gondeln und vielen 
anderen Fahrzeugen. — Die Anwendung der elektrischen Kraft wird für 
die Ausstellung charakteristisch sein; der Ausetellungspark wird durcli 
140000 elektrisclie Lichter erleuchtet, d. h. dreimal so viel als Paris Gas- 
flammen hat. Auch alle Wasserbassins werden von unten her tageshell 
elektrisch beleuchtet sein und eine Unzahl elektrischer Fontänen führen. 

Charakteristisch ferner für Chicago ist ein Gebäude, welches der Frauen- 
welt gewidmet ist. In Amerika ist die Frau bekanntlich bereits in alle 
Erwerbszweige eingedrungen ; Frauen sind dort nicht nur Aerzte, sondern 
auch Küster, Advokaten, Baumeister u. s. w., in den Staaten Jowa und 
Kansas haben Frauen Bürgermeisterstellen und sind auch Polizisten. Für 
die Ausstellung wurde den Frauen ein Kredit von 1 Million Dollars be- 
willigt. Sie stellen ganz selbstständig aus ; zur Errichtung ihres Gebäudes 
schrieben die Frauen Chicago's drei Preise aus, aber nur an weibliche 
Architekten, 33 Pläne wurden eingeliefert und der Plan eines 18jährigen 
jungen Mädchens zur Ausführung bestimmt. In diesem Gebäude wird 
Alles ausgestellt, was weibliche Geistes- und Händearbeit geschaffen hat, 
u. A. eine Bibliothek von 12000 Bänden weiblicher Autoren, eine ganze 
Zeitungsredaktion, die nur von Frauen bedient wird. 

Auch Deutschland wird in Chicago würdig vertreten sein, auf 
früheren Ausstellungen bekanntlich schlecht oder, garnicht. Für Deutsch- 
land wird es sich besonders darum handeln, den Markt von Süd- und 
Mittelamerika und Westindien zu behaupten, der bisher von Hamburg 
beherrscht wurde. Frankreich und England werden sich sehr anstrengen, 
Deutschland dort aus dem Sattel zu heben, doch ist nicht zu beftirchten, 
dass ihnen dies gelingen wird. 

Das interessanteste Objekt der Ausstellung wird für alle Fremden 
Chicago selber sein, ein Spaziergang durch die Strassen mit dem 
enormen Verkehr und den grossartigen Verkehrsmitteln, dann die 
Riesenbauten von 10 bis 22 Stockwerken, die sog. Sky-scrai>ers »Himmels- 
kratzerc, wie auch das oberste Segel am Segelschiffe, das Oberbramsegel, 
benannt wird. Jetzt ist ein solches Gebäude im Bau begriffen, das mit 
seinen 34 Etagen die Höhe der Kölner Domthürme erreicht (160 m). Ein 
anderes, der Freimaurer-Tempel, erreicht mit seinen 22 Etagen 100 m 
Höhe, lieber 200 solcher Riesenbauten sind vorhanden ; unten enthalten 
dieselben meist Hotels, oben Bureaus, Kaufläden, Restaurationen. Der 
Verkehr in denselben ist durch viele bequeme und durchaus sichere Fahr- 
stühle erleichtert, von denen einige, die sogenannten Lokalzüge, in jeder 
Etage, die Schnellzüge erst von der 10. Etage an halten. Dabei haben 
diese Bauten nur Fundamente gewöhnlicher Stärke, denn die Mauern 
werden alle gehalten und getragen von kräftigen Stahlrahmen, die mit 
dem Mauerwerk verkleidet werden. Jede dieser Bauten bildet einen 
Block für sich, der seine eigene Dampfanlage für Wasserhebung hat und 
grosse Wasser-Reservoirs auf dem Dache, da die städtische Wasserkunst 
nicht im Stande ist, das Wasser zu solchen Höhen zu heben. Redner 
schildert die Liberalität der Bewohner, die sich in der Stiftung öffent- 
licher Wohlthätigkeits- und Unterrichtsanstalten zeigt, was erklärlich ist, 
da Chicago über 200 Dollar-Millionäre beherbergt, die ihr Vermögen nur 



107 

erst in den letzten 20 Jahren können erworben haben. Dabei ist Chicago 
betr. der Nationalität nur zu Vs (300000). amerikanisch, sonst von euro- 
päischen Einwanderern bewohnt, ein Gemisch von Nationalitäten in dem 
Verhältniss etwa, als wenn man sich ausser jenen 300 000 Amerikanern 
die Bewohner von Hamburg, also über V« Million Deutsche, und Dublin 
für Irland, Bergen für Norwegen, Gothenburg für Schweden, Vichy für 
Frankreich, Krakau für Polen, Pultawa für Russland, Pilsen für Oester- 
reich-Ungarn, Enkhuizen für Holland u. s. w. auf einer Stelle vereint denkt, 
und jede dieser Nationen hat ihre eigenen Theater, Schulen, Vereins- 
lokale. Daneben wohnen in eigenen Stadtvierteln 14 000 Neger und 
2000 Chinesen. Aber der dominirende Geist ist der Yankee-Geist, er 
giebt den Ton an und entwickelt jene grossartige Unternehmungslust. 

180. Sitzung. 20. März 1893. 

Extra-Sitzung der Geographischen Gesellschaft gemeinschaftlich mit dem 
Aerzlichen Vereine und dem Naturwissenschaftlichen Vereine. 

Ein Vorsitz findet nicht statt. 

Von Herrn Dr. Fr. Stuhlmann wird, unter Vorführung zweier 
Akka-Zwerginnen vomituri in Afrika, ein Vortrag über die Afrikanischen 
Zwergvölker gehalten. 

Redner geht aus von den Wundersagen, die aus dem homerischen 
Alterthum über Zwerge in Afrika uns überliefert sind. Herodot und 
Aristoteles gaben bereits positive Nachrichten von denselben, als von 
Menschen unter Normalgrösse, und nennen sie Pygmäen, d. h. Faust- 
menschen, Fäustlinge; sie wohnten im Gebiet der Nilquellen. Im Mittel- 
alter ging die Kenntniss von ihnen verloren, und vereinzelte Berichte 
über afrikanische Zwergvölker aus den letzten Jahrhunderten beruhten 
nur auf Hörensagen. Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung und 
Beobachtung sind die Pygmäen erst, seitdem Dr. Seh wein furth 
dieselben in 1870 bei den Mombuttu^ südlich vom Gazellenfiusse, antraf. 
Derselbe stellte auch sofort ihre Aehnlichkeit mit den Buschmännern 
in Südafrika fest. Später sind von vielen Reisenden, Lenz, Wissmann, 
Kund, Stanley u. A., in den verschiedensten Gegenden Central- Afrikas 
Zwerge beobachtet worden. Redner selbst fand auf seinen Zügen mit 
Emin Pascha die ersten Spuren von ihnen am Fuss des Ruwenzori-Berges, 
dann im westlichen Urwaldgebiet des Ituri vereinzelte Individuen. Die 
hier vorgeführten zwei weiblichen Zwerge, die Redner aus dem Innern 
Afrikas mitbrachte, stammen aus der Gefangenschaft der menschenfressenden 
Manjema, von denen Redner dieselben loskaufte, im SW des Albertsees. 
Auch ein männliches Individuum von circa 25 Jahren, 1,38 m hoch, 
wurde mit losgekauft, starb aber an der Küste. Sein Skelett befindet 
sich in Berlin zwecks wissenschaftlicher Untersuchung. Die durch- 
schnittliche Höhe der erwachsenen Männer beträgt 1,30 — 1,50 m, aber 
Personen von mehr als 1,40 m sind kaum noch reiner Abstammung. 

Die anwesenden zwei Zwerginnen, nach Redners Schätzung zwischen 
17 und 20 Jahren, sind zwischen 1,10 und 1,20 m hoch. Die eine ist 
kräftig, wohlgebildet, dunkler, die andere schmächtiger, hässlicher, heller. 



108 

Bei Beiden, wie bei allen Zwergen, ist das Flaumhaar auf dem ganzen 
Körper sehr stark entwickelt. Die Mundpartie und die Stirn treten 
auffallend vor; die Beine und Arme erscheinen normal und wohlgebildet, 
Füsse und Hände sind klein und zierlich mit weissen Nägeln. Der 
Bauch ist je nach der Ernährung vortretend oder eingezogen. Die 
Knochenbildung zeigt kindliche Verhältnisse, der Kopf ist in der oberen 
Hälfte breit, fast viereckig, die untere Hälfte klein, dreieckig sich zu- 
spitzend. Die Nase ist negerartig, niedrig mit breiter Basis; die Augen 
sind dunkelbraun, normal. Die Schleimhaut der Lippe hat röthliche 
Färbung, während sie bei den Negern dunkler als die Körperhaut ge&rbt 
ist; das Haar ist wollig, bei einer Länge von 4 cm bilden sich Zöpfchen, 
die Wurzeln stehen nicht in Büscheln. Der penetrante Geruch ihrer 
Hautausdünstung ist vielleicht durch die einseitige Fleischnahrung bedingt; 
die Haut ist dunkelchokoladenbraun, oft mit gelben Grundton, der je 
nach Alter und Nahrung verschieden erscheint. Im Ganzen ist die 
Zwei^rasse negerartig, körperlich in kindlichen Verhältnissen bleibend, 
aber nicht verkrüppelt oder missgebildet, wie der N^er geistig auf 
kindlicher Stufe stehen bleibt. In ihren Hantirungen sind sie leise 
und vorsichtig, geschickte Jäger, überlisten das Wild, klettern behende 
in den Bäumen. Ihr Charakter ist scheu, argwöhnisch, verschlagen, als 
Kinder des Waldes leben sie vom Ertrag der Jagd, ihr Gehör und Gesicht 
ist stark ausgebildet, sie sind gute Naturbeobachter und haben Emin Pascha's 
Vogelsammlung reichlich vermehren helfen. Sie lieben die Thiere, 
besonders die Affen und Hunde, auch sind sie leidlich intelligent; in 
Sansibar, wo sich unsere Zwerge monatelang aufhielten, lernten sie allerlei 
häusliche Verrichtungen, wie waschen, Kinder hüten, ausfegen, etwas 
nähen etc. 

In der Wildniss nomadisiren sie und streifen weit umher, dem Wild 
nachgehend, treiben auch Tauschhandel, Früchte von den Negern gegen 
Wild eintauschend; selber treiben sie niemals Ackerbau. Ihre Hütten, 
halbkugelig, 1,5 — 2m im Durchmesser, 1,3m hoch, haben niedrige 
Eingänge von V« m Höhe, daneben auch laubenartige Hütten, beide aus 
einem Gerüst von geflochtenen Gerten gebildet, mit geflochtenen Blatt- 
streifen gedeckt ; die Anlage der Hütten zu einem Dorfe ist kreisförmig. 
Sie rauchen leidenschaftlich Tabak. Als Kleidung tragen sie nur einen 
Lendenschurz, niemals Schmucksachen oder Amulette, sind nie tättowirt, 
nur die Oberlippe (auch bei unsern Zwerginnen) wird durchlöchert, um 
dünne Grashalme aufzunehmen. Die Zähne werden nicht, wie bei den 
Negern, spitzgefeilt. Die Zwerge sind schmutzig und haben Scheu vor 
dem Wasser, während die N^er im Ganzen reinlicher sind, als der 
Durchschnitts-Europäer. Grosse Sorge haben sie ums Feuer ; sie scheinen 
die Erzeugung von Feuer durch Reiben nicht zu kennen, denn sie 
nehmen beim Wechseln ihres Wohnplatzes ein dickes glimmendes Holz- 
stück mit sich, um sofort wieder ein Herdfeuer anfachen zu können. 
Ihre Wafien sind Bogen und Pfeile, letztere hölzern, oft mit Eisenhaken, 
vergiftet. Deshalb wird der Krieg mit ihnen von den Negern gefürchtet. 
Mit den Pfeilen greifen sie das Wild an, besonders Elefanten, Schweine 
und Büfiel; auch stellen sie ihm Fallen und machen Fallgruben. Ver- 
zehrt wird es an Ort und Stelle, nicht roh^ sondern geröstet. Als Haus- 



109 

thier kennen sie höchstens den Hund, der ihnen jagen hilft. Sie haben 
eine eigene Sprache, abweichend von der ihrer Umgebung, aber es ist 
vorläufig nicht zu entscheiden, ob sie die Sprache irgendwo entlehnt 
haben und ob alle Zwergvölker dieselbe Sprache sprechen. Bei ihrer 
Zurückhaltung ist die Anlegung eines Vokabulars höchst schwierig. 
Unsere Zwerginnen haben an der Küste das Suaheli gelernt und unter- 
halten sich darin. Zahlenreihen sind ihnen auch nicht zu entlocken; 
sie scheinen garnicht zu zählen oder wie die Buschmänner nur 1 und 2 
und » Viele c! Unsere Ituri-Zwerge nennen sich Ewe, von ihren Nach- 
barn werden sie anders genannt z. B. Akka, Tikki-Tikki. — Kanibalen 
sind sie nicht, wenigstens sprechen alle Beobachtungen dagegen. Einen 
staatlichen Verband haben sie nicht; der geschickteste Schütze übernimmt 
die Führung und bestimmt Weg und Ziel. Die Todten werden in runden 
Erdlöchern sitzend begraben. Religiöse Vorstellungen waren nicht zu 
finden. 

Ihre Verbreitung scheint mit der Grenze des Urwaldes zusammenzu- 
fallen, nach Norden gehen sie nicht über den Uelle, nach Osten nicht 
über die Seen hinaus. Vielleicht haben sie, wie auch der Urwald, in 
Central-Afrika früher eine grössere Verbreitung gehabt. Vielleicht sind 
sie die Ur-Rasse Afrikas, die durch einwandernde Bantu- Völker, die von 
Nord Osten nach Süden und dann von Süden nach Nord-Westen zogen, 
in das Innerste Afrika zurückgedrängt wurden. Dies würde eine Ein- 
heitlichkeit aller afrikanischen Zwergvölker vermuthen lassen; vielleicht 
hat in den Tropen Afrikas und Asiens eine gleiche Ur-Rasse die Wälder 
bevölkert, denn auch im tropischen Indien findet man noch räthsel- 
hafte einheimische dunkle Völkerstämme. Diese und andere ethnolo- 
gische Hypothesen führte Redner vor, mit dem Bedeuten, dass zu einer 
Entscheidung noch nicht genügendes Material vorliege, dass aber fleissig 
gesammelt und beobachtet werden müsse, um vor dem gänzlichen Aus- 
sterben der Zwergvölker zu einem Resultate zu kommen. 

Während dieses Vortrages befanden sich die Zwerginnen auf er- 
höhtem Sitz zur Seite des Redners. Die kurzen weissen Kleidchen 
standen ihnen ausgezeichnet, die unbekleideten Füsse, Unterschenkel 
und Arme erschienen normal entwickelt, die Füsse und Hände auf- 
fallend schön und zierlich gestaltet. Sie selber unterhielten sich neckend 
und scherzend, bisweilen laut auflachend. Dabei verbarg die Eine die 
ganze Zeit über ihr Gesicht hinter ihren Händen und beobachtete 
zwischen den Fingern hindurch das Publikum. 

Interessant war am nächsten Morgen ein Besuch mit den Zwerginnen 
im Zoologischen Garten, wo sie manche bekannte Thiere wiederfanden. 
Dass man dieselben in Häuser sperrt, war ihnen nichts Neues, denn 
der Sultan von Sansibar hält auch mehrere in Gefangenschaft. Manche 
Thiere erregten ihr besonderes Interesse, z. B. die Känguruhs, deren 
Sprünge sie nachzumachen suchten, und am meisten wohl die kleinen 
Vögel, die sie mit Wohlbehagen betrachteten. Die grossen Thiere, 
Elefant, Nashorn, Nilpferd, fütterten sie selber, mit grosser Geschicklich- 
keit ihnen Bissen zuwerfend; aber bei jedem lauten Ton, jeder raschen 
Bewegung der Thiere fuhren sie schreckhaft zusammen. Immer hatten 
sie das WortMa — mä als Ausdruck der Bewunderung auf der Zunge, zugleich 



110 

aber auch Worte der Sehnsucht nach Ruhe : »ich möchte gern mich hin- 
legen « , wie Herr Dr. Stuhlmann uns ihr Suaheli übersetzte. Ueber diese 
Müdigkeit kann man sich nicht wundern bei der schweren europäischen 
Kleidung, die auf ihnen lastete und dem überaus schwerfalligen Schuh- 
zeug, welch letzteres sie auch immer zuerst loszuwerden suchen, wenn 
sie in ihrem Quartiere angekommen sind. Jedenfalls bewegten sie sicli 
im Zoologischen Garten ohne alle Scheu und Verlegenheit. 



181. Sitzung. 13. April 1893. 
Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die Neuwahl des Vorstandes 
für die nächsten zwei Jahre. Auf Vorschlag des Herrn Schulraths 
Mahraun wird der Präsident der Gesellschaft Herr Bürgermeister Dr. 
Mönckeberg per Akklamation wiedergewählt, ebenso durch Stimmzettel 
die übrigen Vorstands- und Beirathsmitglieder. — Es sind dies im Vor- 
stande die Herren: L. Friederichsen, Emil Güssefeld, Prof. Dr. 
Hoche, Admiralitätsrath C. Koldewey, Senator H. Röscher, 
W. Westendarp; ferner im Beirathe die Herren: G. H. Blohm, 
Dr. C. Gottsche, Konsul P. Hernsheim, Schulrath J. L. Mahraun, 
Dr. H. Michow, Dr. med. W. Oehrens, Dr. H. Traun, Dir. Prof. 
Dr. Wibel, J. Witt, Otto E. Westphal. 

Der Sekretär Herr Friederichsen theilt aus dem letzten Briefe des 
Professor Dr. S i e v e r s, datirt vom 21. März aus Ciudad Bolivar am Orinooo, 
mit, dass derselbe den ihm bewilligten Reisezuschuss von 1500 M, dankend 
empfangen habe und für Ende April seine Rückkehr in Aussicht stelle. 
Von Carüpano, östlich von Cumanä , woher der vorletzte Brief datirte, ist 
Dr. Sievers nach Süden gegangen nach einer interessanten Stelle, wo das 
jüngere Gebirge an das ältere anschliesst. Dort sind zwei grossartige Gebiete 
heisser Quellen von 91 resp. 96® C. mit ausgedehnten Schwefellagern. 
Weiter südlich wurde dann die Guacharo-Höhle besucht und die Llanos 
in der Richtung von Maturin nach Sa. Barbara überschritten. Nahe 
dem letzeren geben gewaltige Canon-Bildungen dem Lande Gebirgs- 
charakter, während südlich am Rio Chive sich eine Sandsteppe ausdehnt. 
Von hier wollte Prof. Dr. Sievers noch östlich zum Rio Caroni gehen 
und dort über Trinidad die Rückreise antreten. 

Herr Admiralitätsrath Koldewey von hier hielt alsdann den an- 
gekündigten Vortrag »über die letzten Expeditionen zur 
Erforschung Nord- und Ost-Grönlands«. Es sind dies dio 
Expedition des Amerikaners Peary über das Inlandeis von Nord-Grönland 
und die des Dänen Ryder nach Ost-Grönland. Redner giebt einleitend eine 
Uebersicht der wichtigsten nach Nord-Grönland gerichteten Expeditionen. 
Dieselben beginnen erst mit der zur Aufsuchung Franklins bestimmten 
Expedition des brit. Admirals Ingelfield, der 1852 unter 78® n. Breite 
den Eingang zum Smith Sound fand. In 1853 erreich tej^ an e dieselbe 
Breite, überwinterte daselbst und sandte Schlitten • Exp^onen aus, die 
bis 80® n. Breite kamen und von dort aus offenes Wasser sahen, was 



111 

die Mythe von einem offenen Polarmeer aufkommen liess. In 1860 er- 
reichte Hayes, der schon als Arzt die Expedition Kane*s begleitet 
hatte, mit Schlitten die Breite von 80® 15' und fand ebenfalls 
die nach Norden führende Strasse (Kennedy - Channel) ganz offen, 
was sehr erklärlich ist, da das schwere Polareis wegen der Enge 
der Strasse nicht in dieselbe eindringen kann. So kam dann auch 
Hall mit seinem Schiffe Polaris 1871 bis etwa 82® n. Breite 
hindurch und fand hier, wo die Strasse sich wieder erweitert, 
schweres und undurchdringliches Eis lagern. Sein Versuch, unter der 
Westküste des Kanals weiter nach Norden vorzudringen, misslang voll- 
ständig. Konstatirt wurde aber, dass die dortigen Pluthwellen von NO 
her, Grönland im N umgehend, aus dem Atlantischen Ozean stammten, 
was durch Vergleich mit den Beobachtungen der deutschen Expeditionen 
von 1870 in Ostgrönland bestätigt wird. Auf jener Polaris-Expedition 
hatte man von dem nördlichsten Punkte aus zu erkennen geglaubt, dass 
das Land im Westen des Kanales sich weithin geradeaus nach Norden 
erstrecke. Dies gab Veranlassung zu der britischen Expedition von 
Nares, der jenes vermeintliche Land weiter nach N verfolgen wollte, 
1875 — 1876. Es wurde jedoch konstatirt, dass am Ende des Robertson- 
Kanales, bei Halls nördlichstem Punkte, die Küsten auf beiden Seiten 
umbiegen und nach O resp. W streichen. Noch mehr erreichte die 
Greely-Expedition in 1881, die zum System der Internationalen Polar- 
Forsch ung gehörte, indem sie die Nordküste Grönlands bis 78® n. Br. 
und 40® w. L. verfolgen konnte, so dass eine weitere nördliche Er- 
streckung Grönlands ausgeschlossen schien. Ueberall hatte man 
auf dieser Reise an der Nordküste Grönlands entlang das Inlandeis 
beobachten können. Dieses Inlandeis zu überschreiten und die Kon- 
figuration Nordgrönlands festzulegen, war der Zweck der Peary* sehen 
Expedition von 1891 — 92. Peary ging mit dem Wäler Kite durch die 
Baffin-Bai nach Norden, um hier in der McCormick-Bai (77® 40' n. Br. 
und 71® w. Lg.) an Land zu gehen. Seine Absicht war, bei den hier 
angesiedelten Eskimos Hunde zu erwerben und in längerem Aufenthalt 
von jenen die Kunst zu erlernen, wie mit Hunde-Schlitten das Inland- 
eis zu befahren ist. Es wurde also ein Holzhaus errichtet und darin 
überwintert. Die ergiebige Jagd auf Renthierwild gab den nötigen Lebens- 
unterhalt; im Frühjahr wurden dann Probefahrten mit Hundeschlitten 
unternommen. Im April 1892 war alles zum Aufbruch fertig. Von der 
Mc Cormick-Bai wurde der nöthige Reisebedarf aufs Inlandeis hinauf- 
geschafit und Ende April die Reise angetreten, anfangs unter grösserer 
Begleitung, die am 24. Mai zur Küste zurückgeschickt wurde. Von jetzt 
an fuhr Peary allein mit dem Norweger Astrup auf 2 Schlitten mit 
im ganzen 16 Hunden weiter in nordöstlicher Richtung. Uebernachtet 
wurde ohne Zelt ; dafür war die Kleidung ausreichend, gegen die grösste 
Kälte Schutz zu gewähren. Auf dem Körper wurde ein wollenes Hemd 
getragen, darüber eine Jacke von Seshundsfell mit gleicher Kapuze, dar- 
über eine zweite von Renthierfell, letztere mit der Haarseite nach innen 
gekehrt, ferner Pelzhandschuhe, wollene Strümpfe und Stiefel von Seehunds- 
fell. Geschlafen wurde in einem Sacke von Renthierfell. Die Reise ging 
nach NO zu einer Höhe von 5000' engl., dann trat eine Senkung ein 



112 

bis 35O0', später hob sich das Terrain wieder, und nach einer zweiten 
Senkung hob es sich zum dritten Male wohl bis zu 6000'. Immer nach 
NO steuernd behielt man in NW und N das eislose Küstenland in Sicht 
bis über 82® n. Br., wo dann die Küste Grönlands umbog nach O, 
schliesslich nach SO, so dass die beiden Forscher ihren Kurs ebenfalls 
nach SO richten mussten. Man verliess das Inlandeis an dessen Ost- 
wand und erblickte, ohne zur Küste hinabzusteigen, von einem 3800' 
hohen Gipfel in dem Küstengebirge am 4. Juli das Ostmeer. Tropisch 
warm erschien hier das Klima im Gegensatz zu der auf dem Inlandeis 
herrschenden Kälte von — 20 bis — 41° C. Blumen und Kräuter, 
Schmetterlinge und Moschusochsen gab es zahlreich; von letzteren er- 
legte man 5 Stück, etwa 4 mal soviel wurden gesehen. Das Inlandeis 
geht nach diesen Erfahrungen nur eben bis 81® n. Br., nördlich davon 
sind schneelose Thaler und Berge und überall Moränen - Bildungen, die 
auf eine Abnahme der Eisdecke schliessen lassen. Am 7. Juli brachen 
die beiden Forscher wieder auf nach W, aber südlicher steuernd als sie 
gekommen waren, um die Senkungen mit ihren Gletschern zu vermeiden. 
Am 15. August langten sie wieder in der McCormick-Bai an. — Peary 
hat das Problem der Erstreckung Grönlands nach N und dessen Insel- 
natur endgültig gelöst. Ausserdem zeigt er, wie am erfolgreichsten 
Schlittenreisen über das Inlandeis zu machen sind, so dass eine voll- 
ständige Aufnahme der noch unbekannten Küstenstrecken Grönlands 
nur eine Frage der Zeit ist. — Eine zweite letztjährige Grönland-Expe- 
dition ist die des dänischen Schiffslieutenants Ryder, der die Absicht 
hatte, die bisher von Europäern oder Amerikanern nicht betretene Ostküste 
von 65 — 70° aufzunehmen. Leider gestatteten ihm die Eisverhältnisse an 
der Küste nicht, sein Ziel zu erreichen ; er musste sich damit begnügen, 
weiter nördlich gelegene Küstenstrecken, die in allgemeinen Zügen schon 
bekannt waren, vor allem den Scoresby-Sund, genauer aufzunehmen. — Zum 
Schlüsse gedenkt Redner der von Dr. Nansen für dieses und die 
nächsten Jahre geplanten Reise durchs Arktische Meer. Dr. Nansens 
Absicht ist bekanntlich, von dem Karischen Meere, im Norden Asiens, 
aus in die Meeresströmung zu gelangen, die etwa von den Neusibirischen 
Inseln ausgehend, quer über das Arktische Meer nach Amerika resp. 
Grönland zu verlaufen scheint, um sich von dieser selber über den 
Nordpol oder nahe daran vorbei nach Grönland treiben zu lassen. Dem 
Redner ist diese Idee nicht sympathisch, weil es dem Seemanne wider- 
strebe, sich der Herrschaft über sein Schiff zu begeben und letzteres 
zum willenlosen Spielball der Elemente zu machen. Sollte das Ziel 
erreicht werden, dann würden natürlich unsere Kenntnisse der polaren 
Welt wesentlich bereichert werden. 

Zum Schlüsse spricht Herr Carl Eggert von hier über »die 
chilenischen Salpeterläger«. Redner schildert das Salpetergebiet 
und den Betrieb der Salpetergewinnung aus eigener Anschauung. Er 
war zuerst 1845, zuletzt 1879 daselbst. Das ergiebigste Gebiet war schon 
1845, wie noch heute, die früher peruanische Küste von 19—21® s. Br., 
die jetzt ganz zu Chile gehört. Das südlicher gelegene Gebiet von Anto- 
fagasta (23 Va " s. Br.) gehörte früher zu Bolivia und wurde, als auch 
dort Salpeterläger und Silberminen entdeckt wurden, die Veranlassung 



113 

ZU dem mehrjährigen Kriege in den achtziger Jahren, aus welchem Chile 
als Sieger und als Besitzer aller jener Salpeterregionen hervorging. 
Redner schildert eingehend die unwirthlichen klimatischen Verhältnisse 
dieser Küsten, wo die Existenz des Menschen nur durch Import aller 
Lebensbedürfnisse ermöglicht wird. Die Küsten sind ganz regenlos, als 
Trinkwasser dient destillirtes Seewasser, im Innern destillirtes Grund- 
wasser, das von Natur salzig ist. Die Caliche, das salpeterhaltige Mineral, 
findet sich am Fusse der Abhänge, wenige Meter unter der Oberfläche, 
ist steinhart, enthält ca. 40— 50®/o Salpeter. Die Caliche wird geklopft 
zu kleinen Stücken von der Grösse unserer Chaussee-Steine, dann durch 
Dampf erhitzt, wobei die Salze, Salpeter und Kochsalz, sich auflösen 
und in Folge der verschiedenen Löslichkeit beider Salze im Heisswasser 
der Scheideprozess eintritt. Redner erzählt auch von der Entwickelung 
des Salpeterhandels, wie im Jahre 1835 von einem unternehmenden 
Engländer eine erste Salpeterladung eingeschifft und in Nordamerika 
sowohl wie in England vergeblich angeboten wurde, bis sie schliesslich 
in Frankreich zu einem Spottpreise einen Käufer fand. In 1845 war 
der Handel schon schwunghaft, aber die Produktion sehr primitiv, in 
kleinen offenen Bottichen mit Kohlenfeuer darunter; der Transport zur 
Küste fand auf Maulthieren statt, für die das Futter, der Afalfa-Klee, 
importirt werden musste. Anfangs der 70er Jahre wurden Eisenbahnen 
gebaut, hauptsächlich der Silberminen wegen, aus dem Innern nach den 
Häfen Iquique und Pisagua, und eine Verbindungsbahn zwischen beiden 
Häfen. Der Werth dieses Chili- oder Natron-Salpeters, den man früher 
hauptsächlich durch Umwandlung in Kali-Salpeter für die Schiesspulver- 
Fabrikation verwerthete, ist erst gestiegen, seitdem man ihn als Düngungs- 
mittel in der Landwirthschaft verwendet. 

182. Sitzung. 4. Mai 1893. 
Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende theilt mit, dass innerhalb des in voriger Sitzung 
wiedergewählten Vorstandes die einzelnen Aemter in gleicher Weise wie 
früher vertheilt worden seien und Herr Prof. Dr. Hoche demnach 
wieder das Vice-Präsidium übernommen habe. 

Herr Prof Dr. Sievers ist am 22. April von seiner Forschungs- 
reise in Venezuela hierher zurückgekehrt, konnte aber einen längeren 
Aufenthalt in Hamburg nicht nehmen, da er bereits am 24. April seine 
Vorlesungen an der Universität Giessen wieder beginnen musste. Seine 
Sammel-Resultate, in zehn Kisten verpackt, würden ebenfalls demnächst 
hier erwartet. Die Reise sei durchaus programmgemäss verlaufen und 
die gewonnenen Resultate, die der Forscher in einer Herbst-Sitzung der 
Gesellschaft vorzulegen gedenke, dürften voraussichtlich den gehegten 
Erwartungen entsprechen. — Daran knüpft der Vorsitzende die Vorlegung 
eines aus der Feder desselben Forschers stammenden Werkes, betitelt 
»Allgemeine Landeskunde von Asien«, das der Verfasser der Gesellschaft 
als Geschenk überwiesen habe, und das ein neues Zeugniss für die 
Arbeitskraft und den Fleiss des Forschers ablege. 



114 

Betreffs der Amerika- Feier theilt derselbe mit, dass dieselbe einen 
Ueberschuss von 4050 iL ergeben habe und das Komite diese Summe 
programmgemäss zur Abhülfe von Nothständen, die durch die Cholera- 
Epidemie verursacht seien, verwandt habe. Zugleich habe das Amerika- 
Komite den erfreulichen Beschluss gefasst, die in 1892 für die geplante 
Amerika- Ausstellung angeschafften litterarischen Werke und Karten der 
Ge(^raphischen Gesellschaft als Geschenk zu überweisen. Indem der 
Vorsitzende einige dieser erworbenen Schätze: Kopie der Weimar- Karte 
von 1827; »Harrisse, discovery of North- America«; »The spanish letter 
of Columbus dated 15. Februar 1493«, ed. Quaritch; das Fest- Journal 
»El Centenario« namhaft macht und vorlegt, glaubt er im Sinne der 
Gesellschaft zu handeln, wenn er dem Amerika-Komite den lebhaften 
Dank der Gesellschaft übermitteln wird. Zugleich ist dankend zu 
erwähnen, dass der Gesellschaft zehn Exemplare der von dem Amerika- 
Komite herausgegebenen Festschrift gratis zur Verfügung gestellt sind. 

Alsdann ertheilt der Vorsitzende dem Sekretär Herrn Friederichsen 
das Wort zu einem Bericht über den diesjährigen X. deutschen Geo- 
graphentag, der in der Osterwoche in Stuttgart abgehalten worden ist. 
Die Theilnahme an demselben ist eine noch regere als früher gewesen 
(750 Mitglieder). Der König und die Königin von Württemberg 
wohnten den Hauptsitzungen bei. Prinz Hermann von Weimar, 
als Ehren-Vorsitzender, eröffnete die Tagung mit einer Begrüssung, und 
der Vorsitzende des ständigen deutschen Geographentages, Geheimrath Dr, 
Neumayer aus Hamburg, hielt eine besonders dem Schwabenlande in 
Bezug auf Erforschung und Kultivirung der Neuen Welt gerecht werdende 
Ansprache. Alsdann wurde in die Tagesordnung eingetreten, die auf drei 
Tage, Vor- und Nachmittage, vertheilt, eine grosse Zahl anregender Vortrage 
brachte, von denen nur einige von allgemeinem Interesse hervorgehoben 
werden sollen. Prof Kapf aus Tübingen hatte sich die dankbare Auf- 
gabe gestellt, die Bedeutung der auf afrikanischem Forschungsgebiet 
verdienten württembergischen Männer zu beleuchten; wir nennen die 
ersten Besucher der Maschona-Goldfelder Carl Manch und die 
Missionare Krapf und Ehrhardt. — Prof Th. Fischer aus Marburg, 
Spezialforscher im Mittelmeer-Gebiet, sprach über Italiens Bodenplastik. 
— Prof Brückner aus Bern berichtete über ein Unternehmen, welches 
auf dem Berner Internationalen Geographen- Kongress 1891 angeregt und 
zu dessen Verwirklichung daselbst eine Kommission ernannt worden 
war, nämlich die Herstellung einer einheitlichen Weltkarte im Maassstabe 
1 : 1 000 000. Nach dem Berichterstatter würde diese Karte in 739 
Blatt herzustellen sein und im Ganzen einen Kostenaufwand von 
3 800 000 M. erfordern, welche den daran betheiligten Staaten zur Last 
fallen würden. Redner bestreitet seinerseits die praktische Durchführbarkeit. 
Ein Beschluss konnte darüber in Stuttgart nicht gefasst werden, da die 
Angelegenheit eine internationale ist. — Auf Anregung des Professor» 
Dr. Koeppen von der hiesigen Seewarte wurde behufs Herbeiführung 
einer einheitlichen Schreibweise geographischer Namen, die übrigens5 
schon von anderer Seite (vom britischen Kolonialamt, von der Unions- 
regierung in Washington, vom Hydrographischen Amt in Berlin und 
vom deutschen Kolonialrath) gefördert iiSt, eine Kommission gewählt, 



115 

bestehend aus Vertretern des Hydrograph. Amtes, sowie der Gesellschaft 
für Erdkunde in Berlin und des Geogr. Instituts Perthes in Gotha. — 
Prof. Walter- Jena sprach über Denudation der Wüste, d. i. die Summe 
aller meteorologischer Einflüsse, welche sich an der Wüstenbildung be- 
theiligen, unter Vorlegung sehr lehrreicher Wüstenbilder, die der Redner 
in den Wüsten der Alten wie der Neuen Welt aufgenommen hatte. — 
Auch unser Landsmann Dr. Stuhlmann hatte Gelegenheit, die uns 
bekannten Akka-Zwerginnen in einem längeren Vortrage dem Geographen- 
Tage vorzuführen. — Mit der Tagung war eine vortreffliche Ausstellung 
von kartographischen Werken Württembergs und geographischen Mess- 
instrumenten verbunden. 

Alsdann hielt Herr Baupolizei-Inspektor Weyrich von hier den 
angekündigten Vortrag über »Die Abdämmung und Trocken- 
legung der Zuider-See«. Der Vortrag wurde durch grosse Wand- 
tafeln aufs Beste veranschaulicht und das reiche, vom Redner gebotene 
statistische Material betr. der technischen Ausführung des Projektes 
gewann dadurch Leben und Verständlichkeit. Da ohne solche Ver- 
anschaulichungsraittel aber der reichhaltige Vortrag in allen Einzelheiten 
nicht verständlich gemacht werden kann, so beschränken wir uns in 
diesem Berichte auf die übersehbaren, allgemeinen Verhältnisse. Redner 
gab einleitend die Entstehungsgeschichte der Zuider-See, die aus dem 
zur Römerzeit schon bestehenden Binnen-See Flevo durch verschiedene 
Ein- und Durchbrüche des Meeres, besonders in den Jahren 1170, 1237, 
1395, 1410 allmählich gebildet sei, wobei die ganze Reihe der West- 
friesischen Inseln vom Festlande losgetrennt seien. Auch die an der 
südlicheren Festlandsküste gebildete Dünenreihe sei, der Windrichtung 
folgend, mit dem Meeresstrand allmählich nach Osten gerückt, so dass 
ein ehemals am Ostfusse der Dünen belegenes römisches Castell schliesslich 
am Westfusse der Dünen wieder aufgetaucht sei. Da erst sei bei den 
Anwohnern der Entschluss gereift, dem Vordringen des Meeres Wider- 
stand zu leisten, mehrfache Eindeichungen seien erfolgreich ausgeführt 
worden. Nachdem in den Jahren 1866 bis 1876 der Nordsee-Kanal von 
Amsterdam zum Meere fertiggestellt war, wurde der Ij-Busen bei Amster- 
dam eingedeicht. Schon vorher, in den Jahren 1840- 1853, war das 
Haarlemer Meer^ trocken gelegt worden. Diese Erfolge ermuthigten zu 
dem Gedanken, auch die Zuider-See wieder dem Meere abzugewinnen. Der 
erste ernstlich gemeinte Plan dazu wurde von den Herren Beyerinck 
und Stieltj es vorgelegt, den, in der Grundsache unverändert, die Regierung 
zu ihrem eigenen machte und ihrerseits zur Ausführung vorschlug. Es 
handelte sich dabei um die Trockenlegung der südlichen Hälfte der 
Zuider-See durch Erbauung eines Abschluss-Deiches von Enkhuizen über 
die Insel Urk nach Kampen, südlich der Ijssel-Mündung. Allerlei Be- 
denken haben es zu der Ausführung dieses Planes nicht kommen lassen, 
und in 1886 bildete sich aus der Mitte reicher Holländer die Zuider-See- 
Vereinigung, um das Projekt in irgend einer Form wieder aufzunehmen. 
Die Gesellschaft liess die Frage technisch und finanziell untersuchen und 
hat nun ein auch vom Volke günstig aufgenommenes Projekt der 
Regierung vorgelegt, welches hoffentlich zur Ausführung kommen wird. 
Es soll ein Abschluss-Deich von der Insel Wieringen, östlich von Helder, 



116 

nach der gegenüberliegenden Küste von Friesland gezogen werden, um 
die mittlere und die südliche Zuider-See abzudeichen, mit Schleusen 
versehen, um das überschüssige Wasser ablassen zu können. Dadurch 
würden 360 000 ha abgedeicht, und von diesen würden 236 000 ha in 
vier Polderanlagen einzubauen und trocken zu legen sein, während der 
Rest als Binnen-See in der Mitte übrig bliebe. Der Abschluss-Deich 
wird in einer Meerestiefe von durchschnittlich 5 m angelegt werden 
müssen und 10 km Länge haben. Die Deichkrone wird 5 m über 
normalem Hochwasserstand zu liegen kommen und die höchste bisherige 
Sturmäuth noch um 2,30 m überragen. Der Deich selber, am Fusse 
100 m breit, wird auf Senkstücken erbaut, die bis Niedrigwasserstand 
reichen, darüber der Kern des Deiches aus Sand, mit einer Klei-Decke 
und einer Steinbedeckung in Wasserhöhe. Der Wasserstand in dem 
bleibenden Binnen-See ist abhängig von der Grösse des Zuflusses und 
von der Möglichkeit der Entwässerung. Nach aller Berechnung wird 
erster ein verhältnissmässig geringer und letzte eine sehr leichte sein, 
ohne motorische Hülfe, denn im Ganzen wird die Wassermenge, welche 
durch die Zuflüsse zugeführt wird, geringer sein, als die, welche die 
Schleusen bei der projektirten Breite von 300 m abführen können ; des- 
halb ist es unbedenklich, die Ijssel in den Binnen-See einzufuhren; 
dieser wird zu einem Süsswasser-See und dadurch geeignet, die Küsten- 
striche zu bewässern. — Die Seeschifffahrt der Zuider-See beschränkt 
sich auf Amsterdam, und dieses hat durch den Nordsee-Kanal direkten 
Weg zum Meere. Doch die Küstenschifflahrt auf der Zuider-See ist be- 
deutend, 70 000 Schiffe mit 7 Mill. Tonnengehalt; dieselbe muss einen 
Ersatz finden in zwei zu schaffenden Seitenkanälen. Die bei der Insel 
Wieringen projektirte Entwässerungsanlage von 300 m Weite soll aus 
24 Schleusen bestehen. Auf einer Tiefenkarte der Zuider-See, in welche 
die projektirten vier Polder eingetragen waren, war ersichtlich, dass die 
tiefsten Stellen derselben von den Poldern ausgeschlossen bleiben, also 
dem Binnen-See zugehören werden. Die abzuschliessenden 360 OÖO ha, 
incl. Binnen-See, setzen sich zusammen aus 180 000 ha schwerem und 
70 000 ha leichtem Marschboden, 100 000 ha Sandboden und 10 000 ha 
Moorboden. Auf einer geologischen Bodenkarte der Zuider-See war zu 
sehen, dass fast aller unergiebiger Sandboden ebenfalls in das Bereich 
des Binnen-Sees fallt. Die Polder können sofort nach Fertigstellung 
landwirthschaftlich betrieben werden und zwar in Unterabtheilungen, 
die gegen einander abgeschlossen sind. Der Abschluss erfolgt durch 
Polderkanäle, und zahlreiche Seitenkanäle, so dass die Einzelparzellen, 
in der Grösse von 200X800 m, auf drei Seiten von Wasser umgeben 
sind und auf der vierten Seite Landverbindung haben. Die Gesammt- 
kosten berechnen sich auf 828 Million Mark. Von den 236000 ha 
trockenzulegenden Bodens hoffit man 216 000 ha nutzbar zu machen. 
Der Preis von 1 ha würde sich auf ca. 1500 Ä, incl. Bauzinsen 
auf 1750 M. stellen; dabei sind die Kosten des Abschlussdeiches (71 
Mill. Mark) nicht mitgerechnet, weil dafür die Unterhaltung der See- 
deiche künftig wegfallen wird. Für 1750 iMl muss und wird 1 ha stetß 
verkäuflich sein, und dann ist das Projekt finanziell begründet; ausser- 
dem wird CS für ein Menschenalter lohnende Arbeit für Tausende bieten. 



117 

183. Sitzung. 1. Juni 1893. 
Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Vor Eintritt in die Tagesordnung nimmt der Vorsitzende Herr 
Bürgermeister Dr. Mönckeberg Veranlassung, dem Sekretär der 
Gesellschaft, Herrn Friederichsen, der an diesem Tage sein 25jähriges 
Geschäftsjubiläum feiert, zugleich im Namen der Gesellschaft für die 
guten Dienste zu danken, die derselbe der Gesellschaft während ihres 
ganzen Bestehens seit zwanzig Jahren geleistet habe. Die Worte des 
Vorsitzenden wurden von Seiten der Anwesenden mit Beifall aufgenommen 
und vom Jubilar wurde mit einigen Dankesworten darauf erwidert. 

Von Seiten der bekannten Smithsonian-Institution in Washington 
war ein Cirkular eingegangen, welches ein Preisausschreiben von all- 
gemeinem Interesse enthält und an alle gelehrten Gesellschaften der 
Alten und Neuen Welt versandt worden ist. Es werden darin mehrere 
namhafte Preise von 1000 bis 10000 Dollars ausgesetzt für Arbeiten, 
welche die Natur und Eigenschaften der atmosphärischen Luft in irgend 
welchem Bezug auf die Wohlfahrt der Menschheit in fordernder Weise 
bebandeln. 

Nachdem der Vorsitzende noch den als Gast anwesenden norwegischen 
Marineoffizier Herrn Hansen, welcher den bekaimten Polar-Reisenden 
Dr. Nansen auf dessen bevorstehenden Polar-Expedition begleiten wird, 
b^rüsst hat, ertheilt er dem ersten Redner des Abends, Herrn Haupt- 
mann V. Massow aus Posen das Wort zu seinem Vortrage ȟber die 
Wolga in ihrer Bedeutung für die Kultur-Entwickelung 
und Machtstellung Russlands.« Redner führt folgende Gedanken 
weiter aus: Russlands Bedeutung als Kulturmacht beruht auf seiner 
vermittelnden Stellung zwischen Europa und Asien und als erste Etappe 
oder Basis dieses kulturellen Vorgehens kann die Wolga gelten. Die 
Völkergeschichte Russlands ist dunkel, vielfache Völkerströmungen haben 
die Kulturentwickelung daselbst gestört. Die von Asien eindringenden 
finnisch-mongolischen Völker, die das nördliche und innere Russland 
besetzten, stiessen zuei'st auf eine von Westen kommende germanische 
Kulturströmung. Südlich tauchten die Slaven auf, die ihrerseits den 
germanischen Einwanderern die Herrschaft im Lande überliessen und 
bald selber den germanischen Namen »Russen« d. i. die Blonden an- 
nahmen. Von diesen sogenannten Grossrussen am Ilmen-See ging die 
Kultivirung der übrigen Völkerstämme des östlichen Europas aus. Die 
Wolga führte sie an die Küsten des Kaspi-Sees, wo im Mittelalter die 
wichtigsten Handelsstrassen aus dem Orient sich vereinigten. Unterwegs 
wurden die Wolga-Finnen bekämpft und Nishnij Nowgorod «als Stütz- 
punkt für die russische Herrschaft gegründet (1222). Bald aber erlag 
Russland den Mongolenhorden Dschingischan's, und ein selbstständiges 
mächtiges Tatarenreich schlug das Land in Fesseln. Erst Iwan dem 
Schrecklichen im 16. Jahrhundert gelang es, die inzwischen entstandenen 
kleineren Tataren-Reiche zu unterwerfen und das Wolga-Gebiet für 
Russland zu gewinnen. Doch die Einführung von Ackerbau und Kultur 
ging nur langsam von Statten, Flüchtlinge und Abenteurer führten als 



118 

sogenannte Kosaken, wie ehemals am Dniepr, ein freies Räuberleben, 
das im 17. Jahrhundert förmlich militärisch organisirt wurde unter dem 
berüchtigten StonkaRasin, der noch als Held ia der Volkssage fortlebt. 
Erst seit Katharina's II. Zeit im 18. Jalirhundert ist das Wolga-Gebiet 
definitiv der Kultur gewonnen. Die modernen Verkehrsmittel, Dampf- 
schiffe und Eisenbahnen, erschliessen das Land dem Handel und 
Gewerbe. Das Russenthum äussert eine grosse nivellirende Kraft auf 
die Wolgavölker, ohne deren Sprachen und Sitten anzutasten. Da sind 
die Mordwinen, Tscheremissen , Tschuwaschen und die Kasanschen 
Tataren, von denen nur die letzten eine auffallende Selbstständigkeit 
bewahrt haben. Die Wolga ist Russlands nationaler Strom, »Mütterchen 
Wolga« genannt. Sie hat, wie im Völkergemisch, so auch landschaftlich 
ihre eigenthümlichen Reize. Bekannt ist der Unterschied der beiden 
Ufer im Mittellauf, des rechten Bergufers und des linken Wiesenufers; 
ei-steres erhebt sich bis zu 250 m Meereshöhe in der Nähe von Samara. 
Auf dem niedrigen Wiesenufer, besonders zwischen Wolsk und Jekatrin- 
stadt, dann vereinzelt bis Sarepta liegt eine lange Reihe blühender 
deutscher Kolonien. Dann tritt die Wolga in die Kirgisensteppe ein, 
wo die Wolgastädte nur noch den Charakter von Stapelplätzen haben 
mit grossen hölzernen Waarenhäusern und kleinen Arbeiterhütten. Der 
Haupterwerbszweig hierselbst ist die Fischerei, deren Salzbedarf in der 
Steppe gewonnen wird. In Astrachan selber sind 300 Anstalten mit 
Fischereibetrieb, die mehr als 30 000 Arbeiter beschäftigen. Zum 
Handel mit frischen und gesalzenen Fischen (2 — 300 Millionen pro 
Jahr) kommt die Gewinnung von Kaviar, Fischbein, Fischthran. Die 
Lage von Astrachan ist insofern ungünstig, als seine Rhede im Kaspi- 
See 130 km entfernt liegt, und die Stadt macht keinen so vor- 
geschrittenen Eindruck, wie die anderen Wolgastädte: hier sind noch 
asiatisches und europäisches Wesen gemischt und in der dicht benach- 
barten Kalmücken-Steppe hat der Dalai-Lama, der Oberpriester Buddhas, 
mehr Ansehen als der Zar. - Die Wolga-Schifffahrt ist grossartig ent- 
wickelt, obwohl sie mit vielen Hindernissen zn kämpfen hat. So werden 
bei Hochwasser die Ufer der linken Seite weithin überschwemmt, und 
An- und Abschwemmung von Sand und Schlamm verändern alljährlich 
das Fahrwasser. Den regelmässigen Verkehr auf der Wolga unterhalten 
4 Dampfschiffs-Gesellschaften. Die grösseren Schiflfe ähneln den ameri- 
kanischen Flussdampfern. Sehr günstig betreffs der Sicherheit und des 
Kostenpunktes ist die Heizung der Maschinen mitNaphtha-Rückständen, 
die aus Baku bezogen werden. Centralisirt ist der Wolgahandel seit 
Jahrhunderten durch jährliche Messen, die seit Anfang dieses Jahr- 
hunderts in Nishnij-Nowgorod abgehalten werden. Hier strömt alljährlich 
die gesammte Handelswelt Russlands zusammen; die Stadt ist zur 
Messezeit ein Stapelplatz des Welthandels und bietet eine Musterkartc 
aller Völker des europäischen Russlands. Die Messe selber ist ein 
Spiegelbild der wirthschaftlichen Zustände Russlands. Der jährliche 
Umsatz beläuft sich bis auf 250 Millionen Rubel; dieses Maximum 
wurde i. J. 1881 erreicht. Im Vordergrunde steht der Getreidehandel, 
und die Nothstände der letzten Jahre warfen auch ihren Schatten auf 
den Umsatz in Nishnij. — Zu solchen Zeiten tritt die Unzulänglichkeit 



119 

des russischen Landbaues deutlich hervor, und schon Peter der Grosse 
suchte durch Heranziehen deutscher und holländischer Kolonisten den 
Landbau zu heben. Besonders Katharina II. gewährte den deutschen 
Ansiedlern weite Privilegien. Dieselben haben nicht blos äusserlich 
ihren deutschen Charakter bewahrt, sondern auch ihre Nationalität 
aufrecht erhalten, mehr als die deutschen Kolonien in Transkaukasien. 
Dies haben sie aber nur erreicht durch völlige Abschliessung nach aussen 
und sie haben infolge dessen auf ihre russische Umgebung gar keinen 
die Kultur fordernden Einfluss haben können. Die Kolonien betreiben 
Acker- und Gartenbau, nur Sarepta treibt Handel und Gewerbe. Die 
Vorzüge dieser deutschen Kolonien in ihrer Ordnung, Sauberkeit, Behag- 
lichkeit und vor allem in ihrem geordneten Schulwesen finden überall 
Anerkennung. Endlich liegt die Bedeutung der Wolga für Russland auch 
darin, dass sie die militärische Basis für Russlands asiatische Stellung 
bildet. Die Wolga ist die Hauptstrasse für die Verbindung mit Central- 
Asien, falls es sich um ein militärisches Vorgehen daselbst handelt, sei 
es über Orenburg, sei es über die Häfen am Kaspi-See. Freilich bleiben 
Schwierigkeiten bestehen, denn 8 Monate ist die Wolga durch Eis ver- 
sperrt und Astrachan ist für Seeschiffe unerreichbar, aber die rücksichtslos 
energische Heeresverwaltung weiss im Nothfall diese Schäden auszugleichen ; 
auch plant man, von Wladikaukas eine Eisenbahn nach Derbent am 
Kaspi-See und an diesem entlang nach Baku weiter zu bauen, um die 
schwierigen Kaukasuspässe umgehen zu können. Auf jeden Fall führt 
die Wolga aus dem Innern Russlands gerade in der Richtung nach Osten, 
in welcher Russlands wichtigste Kultur- Aufgabe jederzeit gelegen hat und 
immer liegen wird. 

Nachdem der Vorsitzende dem Redner den Dank der Versammlung 
ausgesprochen, ertheilt er dem zweiten Redner, Herrn Dr. Matthews 
aus Johannesburg das Wort. Redner spricht aus eigener Anschauung über 
»das Südafrikanische Dorado (Transvaal)c Er giebt eine über- 
sichtliche Darstellung der geschichtlichen Entwickelung des Landes und 
seiner staatlichen Konstituirung unter dem ersten Präsidenten Pretorius, 
schildert die damals primitiven Verhältnisse des Landes und seinen all- 
mählichen Fortschritt. Noch 1872 hatte der Staat nur Einkünfte von 
41000£, in 1892 überstiegen die Einnahmen um 88000 £ die Aus- 
gaben ; der Kredit des Landes ist so gestiegen, dass eine Anleihe von 
2'/« Millionen £ durch europäische Kapitalisten 16 Mal überzeichnet 
wurde. Das Land hat eine Nationalbank mit 4 Millionen £ Grund- 
kapital, und die Goldfelder haben bereits 20 Millionen £ ausländischen 
Kapitals ins Land gezogen. Eine eigene Münze in Pretoria prägt Gold-, 
Silber- und Kupfergeld. In 1857 war es noch verboten, nach Gold zu 
suchen, heute wird es belohnt. Damals hielt der Volksrath seine Sitzungen 
unter einem Strohdache, heute in einem Palaste, dessen Erbauung 
137000 £ gekostet hat. Der erste Präsident erhielt 300 £ Civilliste, der 
Präsident Krüger heute 8000 £. Redner schildert dann die natürliche 
Beschaffenheit des Landes, sein Klima, seine Bewohner, die Religion- 
Sprache, Gesetze und Sitten, die Ackerbau- Verhältnisse und den Mineral, 
reichthum desselben; ferner die sozialen Verhältnisse, die Entwickelung 
der Rechtspflege, die Errichtung eines stehenden Heeres (8 Offiziere und 



120 

120 Mann) und schliesst mit einer Beschreibung der wichtigsten Ort- 
schaften, die meist den Goldfunden ihren Wohlstand verdanken, Potchef- 
stroom, Heidelberg, Pretoria, Barberton, Johannesburg. Der Vortrag wurde 
veranschaulicht und begleitet durch eine grosse Reihe sehr charakteristischer 
Transparent- Bilder. 

184. Sitzung. 5. Oktober 1893. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Im Namen des Vorstandes beantragt der Vorsitzende für 1 Jahr die 
Wiederbewilligung der Summe von 2100 Jü. zur Bestreitung der Kosten 
für eine besoldete Hülfskraft des Vorstandes und deren Bureau. Der 
Antrag wird genehmigt. — Der Vorsitzende widmet dem kürzlich ver- 
storbenen Ehrenmitgliede der Gesellschaft, dem Prof. Dr. Henry Lange 
ehrende Worte des Andenkens. Derselbe hat sich um die Gresellschaft 
durch Schenkung vieler meist von ihm selbst entworfener Karten 
verdient gemacht; übrigens ist sein Name bekannt durch Herausgabe 
eines Volks-Schulatlas, der über 200 Auflagen erlebt hat, und durch 
den grösseren Schul -Atlas von Lichtenstern & Lange, der seiner 
Zeit in höheren Schulen weit verbreitet war. H. Lange war 1821 in 
Stettin geboren und erhielt mit Aug. Petermann zusammen in der 
Potsdamer Kunstschule von Berghaus seine kartographische und geo- 
graphische Ausbildung. Als Spezialität betrieb er die Förderung unserer 
Kenntniss von Süd-Brasilien. Bis 1859 leitete er die Brockhaus' sehe 
Geogr. Anstalt in Leipzig, dann siedelte er nach Berlin über, wo er seit 
1868 der Plankammer des Königl. Statist. Bureaus vorgestanden hat. 
Auch hat er viele Jahre dem Vorstande der Berliner Gesellschaft für 
Erdkunde als Mitglied angehört. 

Alsdann begrüsst der Vorsitzende Herrn Prof. Dr. Sievers au8 
Giessen, der im Auftrage der Gesellschaft jetzt zum zweiten Male Venezuela 
bereist und diese Reise erfolgreich zu Ende geführt hat. Der Reisende 
habe bereits gestern in einer Vorstands-Sitzung Rechnung abgelegt und die 
mitgebrachten zoologischen und geologischen Sammlungen dem Vorstande 
übergeben. Dieselben seien im Naturhistorischen Museum untei^ebracht 
und sollten demnächst durch Fachmänner bearbeitet werden. Auch 
stelle der Vorstand den Antrag, diese Sammlungen dem genannten 
Museum als Eigenthum zu überweisen mit der Maassgabe, dass dasselbe 
über die wissenschaftliche Bearbeitung derselben mit Herrn Prof. Dr. 
Sie vers sich zu verständigen habe. Nachdem die Versammlung diesem 
Antrage zugestimmt, ertheilt der Vorsitzende Herrn Prof. Dr. Sievers 
das Wort. Derselbe giebt einen übersichtlichen Bericht über den Verlauf 
seiner zweiten im Aufti-age der Gesellschaft in 1892/93 ausgeführten 
Reise in Venezuela. Redner bemerkt einleitend, dass, als er im Juni 1892 
der Gesellschaft den Plan seiner Reise entwickelt habe, sich schwere Be- 
denken gegen die Ausführbarkeit geltend gemacht hätten, da das Land 
damals sich im Kriegszustande befand. Trotzdem sei es ihm geglückt, 
die Reise programmgemäss ohne wesentliche Störungen durchzuföhren. 
Demgemäss sei er, von W anfangend, allmählich nach vorgedrungen, 



121 

um schliesslich das Innere von N nach S zu durchqueren und vom 
Orinoko aus die Bückreise anzutreten. Sein Vortrag betreffe 1. den 
Westen des Landes, die Provinzen Coro und Barquisimeto, 2. das centrale 
Gebirgsland, 3. den Osten. Von diesen 3 Theilen sei nur der zweite 
bereits auf seiner ersten Reise von ihm berührt worden, — I. Coro und 
Barquisimeto sind die Landschaften der Anden-Ausläufer. Die südliche 
Kette zwischen Barquisimeto und Acarigua schliesst sich unmittelbar 
an die Cordillere von Merida an und besteht wie der Südrand der letzeren, 
aus Kreide-Sandsteinen und Kalksteinen. Dann folgt das Tafelland von 
Barquisimeto und Carora, welches überleitet zu dem grossen Oebirgs- 
system von Coro im Norden. Jenes Tafelland ist sehr öde, mit dürftigster 
Vegetation (Cacteen) das rothe Erdreich nur wenig verhüllend. Durch 
dieses Land bricht in theilweise tiefem Erosionsthale der Rio Tocuyo, 
dem Verkehr eher hinderlich als förderlich. Von hier ging der Redner 
nördlich nach Coro und fand, das Gebirge von Coro überschreitend, in 
demselben nicht, wie nach unsern bisherigen Kenntnissen zu erwarten 
war, ein niedriges Hügelland, sondern ein gewaltiges Gebirgsland mit 
zahllosen Ketten, von WSW nach ONO streichend, geologisch der Kreide- 
formation zugehörig, im W vom tiefen Bruchfelde des Marai3aibo-Sees 
begrenzt. Landschaftlich herrscht hier grosse Verschiedenheit ; der Westen 
ist kahl, nur trocknes Gestrüpp, Cacteen und Mimosen; im Meridian 
von Coro giebts bereits Bergwald, die höheren Partien beherrschend und 
weiter östlich auch in die Thäler hinabsteigend, mit tropischem Urwalde 
am Rio Aroa endend. Oede ist auch die Küste von Coro, mit trocknem 
Gestrüpp bedeckt, nördlich übergehend in die Sand-Dünen, die den 
Isthmus von Pars^uanä erfüllen. Letzterer führt zur Halbinsel gleichen 
Namens. Sie ist geologisch vom Festlande verschieden, eine Granitplatte 
mit Aufsatz von Eruptivgestein im Berge Santa Ana (800 m) und tertiären 
Hügelzügen ringsum. Ersteres deutet auf Zusammenhang mit der im 
W gelegenen Sierra de Santa Marta und der Insel Cura^ao im Osten. 
Trotz dieser Mannigfaltigkeit macht das Land einen einförmigen Ein- 
druck, auch hier Gestrüpp- Vegetation, ohne jeden Wasserlauf; dagegen 
ist reichlich Grundwasser vorhanden, das in Tanks gepammelt wird und 
für eine reiche Zi^en- und Eselzucht genügt. — II. Das centrale Ge- 
birgsland. Jenes Bergland von Coro endet am Rio Aroa; südlich von 
diesem beginnt das Karibische Gebirge, aus Granit und Glimmerschiefer 
bestehend, wozu auch die Kupfergruben von Arco gehören. Dieses Ge- 
birge, hier am Yaracui, ist ebenfalls viel höher, als bisherige Angaben 
auf den Karten erwarten Hessen, es erhebt sich bis 2000 m (statt 1170), 
ist am Westabhang mit herrlichem Wald bedeckt, im Ostabhange wieder 
trockener, mit Aussicht auf das fruchtbare Thal des Yaracui, in welchem 
man zahlreiche Ortschaften und grossartige Kaffee- und Kakaopäanzungen 
erblickt. In den Bergen sind reiche Lager von Kupfer-, Blei , Silber- 
und Antimon-Erzen. Zur vollen Ent&ltung seines Reich thums wird 
das Thal erst gelangen, wenn durch eine Eisenbahn ein bequemer Ab- 
satz der Produkte nach einem Hafenplatze ermöglicht wird. Das Gebirge 
zwischen Valencia und Caracas hat Redner mehrfach überschritten und 
es gründlich durchforschen können. Danach zieht sich im Thale des 
Rio Tuy ein breites Band jüngeren Gebirges der Kreidezeit, an das ältere 



122 

nördliche sich anlehnend, entlang, was bisher nicht bekannt war. Auch 
schliessen die Llanos sich hier südlich vom centralen Grebirgslande nicht, 
wie man bisher meinte, unvermittelt an das nördliche Gebirge an, sondern 
eine 30 bis 80 km breite üebergangszone lagert sich zwischen beide als 
welliges Hügelland. Einen grossartigen Eindruck macht die mit deutschem 
Gelde erbaute Eisenbahn Caracas- Valencia, die 1894 eröffnet werden soll. 
Sie verläuft von Caracas südlich bis Las Tejerias in hohem Gebirge und 
von hier nach Westen am Ufer des Valencia-Sees entlang nach Valencia. 
Besonders die erstgenannte Strecke ist ein Kunstwerk ersten Ranges mit 
93 Tunnels und 120 Viadukten; die grösste Schwierigkeit beim Bau 
machte das stark verwitterte Gestein. Interessant ist auch die in 1838 
von Codazzi gegründete deutsche Kolonie Tovdr, im Küstengebirge nördlich 
von Victoria 1850 m hoch gelegen. Die Ansiedler sind meist Badenser, 
etwa 300 Köpfe, in Sprache und Sitten noch vollständig deutsch, doch 
scheint die Kolonie dem Verfalle entgegenzugehen. — HI. Der Osten. 
Von Caracas ging Redner, da in Folge des Regens die Gebirgswege nach 
Süden ungangbar waren, an der schlammigen Küste entlang nach Osten, 
zwischen üppigen Kaffee- und noch mehr Kakaopfianzungen hindurch 
bis Barcelona, wo die Cordillere unterbrochen ist. Das hier folgende 
Gebirgssystem des Ostens incl. Trinidad ist eine Fortsetzung der Gebirge 
von Cardcas und Valencia, zerrissen durch gewaltige Quer- und I^ngs- 
brüche. Die Nordkette ist hier die niedrigere, aber die höhere Südkette 
steht doch um ca. 2000 m Höhe zurück hinter den höchsten westlichen 
Bergen. Die Nordkette ist ein Schiefergebii^e, massig hoch (bis 600 m), 
klimatisch in eine Ost- und Westhälfte geschieden; erstere r^enreich, 
mit dichten Wäldern resp. Kakaopflanzungen bestanden; Palmen und 
Brotbäume, gewaltige Laubbäume herrschen vor ; im Westen lichter Bei^- 
wald bezw. Gestrüpp; nur Galleriewälder, sowie Zuckerrohr und Kokos 
palmen an allen Wasserläufen ; je weiter nach West, desto öder wird da.«^ 
Land, besonders bei Cumana, wenngleich die inselreiche, zerrissene Küste 
dem Auge einen besonderen Reiz bietet. Wendet man sich nach Süden, 
da trifft man mehrere Sehenswürdigkeiten, zunächst mehrere heisse Quellen 
mit einer Temperatur von 91 bis 96® C, schwefelwasserstoffhaltige, 
brodelnde Wasser mit Dampfentwicklung und Blasenwerfen unter reich- 
licher Absetzung von Schwefel. Das Südgebirge, zwischen Barcelona und 
Maturin , ist ohne landschaftliche Schönheit , mit Savannen bedeckt, 
aus grobem Sandstein bestehend. Bei Caripe im Sandsteingebirge, ist 
eine berühmte, sehr geräumige Tropfsteinhöhle, die Guacharo-Höhle, 
unheimlich besonders durch das Gekreisch der darin hausenden Guachan> 
Vögel. An Bodenschätzen findet sich ein reiches Kohlenlager, das von 
englischen Ingenieuren auf 5 Millionen Tons geschätzt wird. Südlich 
vom Gebirge beginnt, hier ohne Üebergangszone, der Llano von Maturin. 
bis an den Orinoko von Geröll übersäet, durchschnitten von tiefen 
Wasserläufen, an denen sich auch Kaffee- und Zuckerpflanzungen finden, 
während auf der Ebene Viehherden weiden und mit Palmstroh gedeckte 
Hütten häufig sind. Letztere werden nach Süden zu immer spärlicher, 
auch die Vegetation verliert sich, und es bleibt nur eine weite ^ndwäste 
übrig mit häufigen Sandwirbeln und einer Hitze von 40 ® C. Luft- 
temperatur. Erst näher zum Orinoko senkt sich die Ebene und bedeckt 



123 

sich wieder mit Gras. Man erreichte den Orinoko, wo an seinen Ufern 
die Städte Soledad und Bolivar einander gegenüberliegen. In 
letzter Stadt auf dem Südufer betritt man bereits die Provinz 
Guayana und das landschaftliche Bild hat sich völlig geändert; an 
Stelle der Ebene treten im Süden runde Granitkuppen und am 
Flusse selbst und in seinem Bette treten kohlschwarze Felsen auf. 
Reiches Leben entfaltet sich hier auf dem Strome und an seinen 
Ufern. Jene mit schwarzer Verwitterungskruste bedeckten Felsen engen 
hier den Strom ein und haben Veranlassung gegeben zur Entstehung 
der Stadt, die ihren ursprünglichen Namen Angostura jener Enge ver- 
dankt. Uebrigens treten jene Felsen auch am Nordufer auf, so dass 
der Fluss nicht die Nordgrenze des Guayana-Gebirges bildet, sondern in 
dasselbe einschneidet. Von Bolivar ging die Reise flussabwärts, wo die 
Landschaft sich wenig von den Ufern unserer heimischen Tieflands- 
ströme unterscheidet; Palmen fehlen gänzlich, Ansiedelungen auch ÜEist 
ganz, der Schiffsverkehr ist gering und die Thierwelt spärlich. Die letzte 
Exkursion galt den Wasserfallen des Rio Caroni, dessen chokoladen- 
braune Fluthen gegen die gelbbraunen Wasser des Orinoko abstechen. 
Jene Fälle imponiren weniger durch ihre Höhe (bis 20 m) als durch 
ihre gewaltigen Wassermassen. Erst das Orinoko-Delta bot wieder eine 
reiche Wald Vegetation, wenn auch nicht so erdrückend grossartig, wie 
am Maracaibo • See. — Als der Reisende sich am 6. April d. J. nach 
Trinidad zur Rückreise einschiffte, konnte er mit den Resultaten seiner 
Reise recht zufrieden sein, denn abgesehen von den centralen Llanos 
und dem Süden der Provinz Guayana war es ihm auf seinen 2 Reisen 
vorgönnt gewesen, ganz Venezuela zu durchforschen. 

185. Sitzung. 2. November 1893. 

Vorsitzender: Herr Schulrath Prof. Dr. Ho che. 

In Aussicht auf das 25jährige Stiftungsfest, welches der hiesige 
Verein für Kunst und Wissenschaft am 10. November begehen wird, 
hat der Vorstand beschlossen, dem Vereine eine künstlerisch ausgestattete 
Votivtafel zu stiften, die im Saale des Vereins f. K. u. W. eine bleibende 
Stätte finden werde. Die Schenkung sei geboten durch die den Mit- 
gliedern unserer Gesellschaft in den Vereins-Lokalitäten gewährte Gast- 
freundschaft. — Unter den litterarischen Eingängen hebt der Sekretär 
Herr Friederichsen 2 Geschenke namentlich hervor, welche der 
Gesellschaft geworden sind, und zwar seitens der Deutschen Kolonial- 
gesellschaft eine Karte von Kaiser Wilhelmsland und Bismarck-Archipel, 
in 4 Blatt, im Massstae 1 : 1 000 000, und seitens des Herrn Is. Adler 
hierselbst, Mitgliedes der Gesellschaft, ein reichhaltiges Album mit 
Photographien aus Natal und Sulu-Land, ethnographischen und land- 
schaftlichen Inhaltes, insbesondere Scenerien vom Kriegstheater des 
letzten britischen Zulukrieges enthaltend. Referent knüpft daran die 
Bemerkung, dass dergleichen Geschenke, welche nicht Mos den einzelnen 
Mitgliedern interessante Belehrung bieten, sondern auch gelegentlich bei 
Vorträgen als Veranschaulichungsmaterial dienen könnten, ganz besonders 
willkommen sind und reichlicher erbeten werden. — 



124 

Alsdann ertheilte der Vorsitzende Herrn Oberlehrer Dr. Kluss- 
mann von hier das Wort zu seinem angekündigten Vortrage über die 
»Römische Campagna«. Redner hat im Herbst 1892 im Auftrage der 
Oberschulbehörde an dem archäologischen Kursus theilgenommen, welcher 
Italien für seine Studien ausersehen hatte. Ein vierwöchentlicher Auf- 
enthalt in Rom hat ihm Gelegenheit gegeben, auch die Campagna 
gründlich kennen za lernen. Der Vortragende legt der Gesellschaft das 
Croquis vor, welches in 1846 der damalige Hauptmann v. Moltke 
von der Campagna entworfen^ und den Zuhörern war ein Kärtchen ein- 
gehändigt worden, welches die geologische Struktur der Campagna ver- 
anschaulichen sollte. Von dieser nahm Redner seinen Ausgang. — 
Die ganze Campagna war einst eine grosse Meeresbucht, begrenzt durch 
den Apennin, dessen zahlreiche Vulkane durch ihre Thätigkeit daR 
Meer allmählich zurückdrängten. Die bedeutendsten einstigen Vulkane 
lagen um den jetzigen Lago die Bracciano und auf dem Albaner-Massiv. 
Die verschiedenen Perioden ihrer Thätigkeit lassen sich noch unter- 
scheiden. In dem ursprünglichsten Krater des Albaner- Vulkans erhob 
sich ein zweiter, der heutige Monto Cavo. Um das riesige Centrum 
bildeten sich Nebenkrater. Solche seitlichen Ausbruchsstellen sind der 
jetzige Albaner- und der Nemi-See, sowie die kreisrunden Thalmulden 
von Ariccia und Torno. Durch die Schuttmassen dieser Vulkane ist 
die heutige Campagna aufgedämmt. Die drei vorherrschenden Gesteine 
sind Lava, Peperin und TufF. Die Lava bildet den Hauptkern der 
Bergkegel, ihre Ströme lassen sich auch noch theilweise in der Ebene 
verfolgen, der grösste über 20 km weit, vom Albaner-Gebirge bis zum 
Grab der Caeciüa Metella. Aus der Lava werden die unverwüstlichen 
Blöcke zur Strassenpflasterung gewonnen. Der Peperin, d. h. Pfefferstein, 
der Campagna eigenthümlich, hat seinen Namen von den eingesprengten 
schwarzen Lava- und weissen Kalksteinstückchen, von den Römern 
hauptsächlich zum Bau der Aquaedukte verwendet. Der Ausbruch des 
Albaner- Vulkans, durch den das Peperin entstand, fand statt, als der 
Bergabhang schon bewohnt war; denn 1817 wurden unter der meer- 
dicken Peperinschicht bei Lavinium (südlich vom Nemi-See) Aschen- 
Urnen und Kupfermünzen aufgedeckt. — Das Hauptgestein der Campagna 
ist der Tuff, die vei-schiedensten Farben und Texturen zeigend, mit 
Sand und Kalk gemischt die Puzzolona, ein Mörtel, der an Härte und 
Festigkeit den natürlichen Stein übertrifft. Auch das feuchte Element 
hat bedeutenden Einfluss auf die Campagna gehabt. Rom verdankt 
seine Bedeutung nicht nur seiner Lage in der Mitte Italiens und in- 
mitten der grössten italienischen Ebene, sondern auch der Wasserstrasso 
der Tiber; Ruoma bedeutet »Stromstadt«- Im Alterthum war die Tiber 
stromaufwärts bis Rom schiffbar, und das Importgeschäft sehr bedeutend ; 
denn der ganze Monte testaccio (Höhe 35 m. Umfang fast 1000 Schritt) 
besteht aus den Scherben der grossen thönernen Transportgefässe. 
Stromabwärts wurde der Travertin gebracht, der an den Ufern des Anio, 
jetzt Aniene oder Teverone, gebrochen wird. Der Travertin ist aus dem 
Anio-Wasser ausgeschiedener Talk, seine Festigkeit übertrifft die des 
Marmors; die Peterskirche, das Colosseum, überhaupt die monumentalsten 
Bauton der Stadt sind aus Travertin aufgeführt. Die kalkigen Nieder- 



125 

schlage des Anio überziehen auch die Uferpflanzen mit feiner Steinrinde 
und bilden so die Confetti di Tivoli. Der ganze 245 m hohe Hügel, 
auf dem Tivoli liegt, ist durch diese Kalkausscheidung entstanden. 
Noch heute bilden nicht nur die Sirenengrotte, umrahmt von Huflattich, 
Lorbeer und Myrthen, und dieser ganze Theil des Burgfelsens, auf dem 
der Sibyllentempel ruht, sondern auch die künstliche, 100 m herunter- 
stürzende Anio-Kaskade einen der landschaftlich reizvollsten Punkte 
Italiens. Weit bedeutender als der Wasserreichthum Tivolis ist der 
Roms. Die Stelle, welche Romulus zur Gründung der Stadt wählte, ist 
reich an säuerlichen und schwefelhaltigen Quellen ; überall ist in 5 m 
Tiefe Wasser zu finden; noch ergiebiger ist die Tiber, die das be- 
liebteste Trinkwasser im Mittelalter bot und zu einer umfassenden 
Besiedelung des Marsfeldes im Mittelalter führte. Durch die Aqusedukte 
wurden in der Kaiserzeit Rom täglich 953 000 Kubikmeter Wasser 
zugeführt. Der grossartigste Aqua^dukt ist die AquaMarcia; von dieser 
stehen noch 155 Bogen aufrecht, der Hauptschmuck der Campagna. 
Von den antiken 11 Wasserleitungen sind heute nur noch vier in 
Thätigkeit, und diese liefern nur den vierten Theil von der Wasser- 
nnenge, die im Alterthum die Leitungen lieferten. Die Tiber ist all- 
mählich der Hauptfeind der Campagna geworden; sie hat, infolge ver- 
kehrter Forstkultur an ihrem Oberlaufe, ihre Mündung versandet und 
über die Campagna die Malaria gebracht. Das Alterthum hat diese 
Plage auch schon gekannt, aber energische Massregeln dagegen ergriffen, 
üeberall in den Hügeln der Campagna befinden sich antike, jetzt ver- 
schlammte Drainage- Anlagen. Das antike Campagna- Bauernhaus ist ein 
bis auf die Eingangsthür geschlossenes Viereck um einen gepflasterten 
Hof Die Verödung der Campagna begann erst, als das Kleinbauernthum 
daselbst durch die Gutswirthschaft, und der Ackerbau durch Weide- 
wirthschaft mehr und mehr verdrängt wurde. Den Zersetzungsprozess 
vollendeten im Mittelalter das Eindringen des Feudalismus und die 
beständigen Kämpfe der römischen Barone; weder die Päpste noch bis 
jetzt das Königreich Italien haben Abhülfe schafien können. Das 
Ijatifundienwesen besteht heute noch, denn der römische Adel, seit der 
Säkularisation der ehemaligen geistlichen Besitzungen 1873 der Haupt- 
eigenthümer in der Campagna, verpachtet seinen Besitz nur an die 
Grosspächter in Rom, die Mercanti di Campagna. Da der Ackerbau 
bei seinem primitiven Betrieb unrentabel ist, so wird die regelmässig 
unter den Pflug genommene Fläche immer kleiner, die Weideflächen 
immer grösser; sie bringen durch die Höhe der Pachtsumme, welche 
die Schafheerden-Besitzer an die Mercanti zahlen müssen, reichlichen 
Ertrag, verschlimmern aber das Umsichgreifen der Malaria. Die Nacht- 
seite der Campagna-Zustände bilden die Arbeiter- Verhältnisse. Die 
Arbeiter in den übervölkerten Dörfern der Abruzzen, Umbriens und der 
Marken, werden durch einen Agenten, den sogenannten Caporale, zu 
den ungesunden Arbeiten in der Campagna für einen Lohn gedungen, 
der den vor hundert Jahren gültigen Lohnsatz kaum übersteigt. Am 
schlimmsten gestellt sind die Feldarbeiter, die in Compagnien von 25 
bis 30 Köpfen, bei dem Mangel an Häusern, in den Tuff'höhlen acht 
Monate ein elendes Dasein führen und massenweise am Fieber sterben. 



126 

Das Königreich Italien ist zwar schon im Oktober 1870 mit umfassenden 
Reformplänen hervorgetreten, hat aber bei der ungünstigen staatlichen 
Finanzlage und dem Widerstand der Mercanti gegen jede Aenderung in 
sozialer und wirthschaftlicher Hinsicht, bisher so gut wie nichts 
erreichen können. 

186. Sitzung. 7. Dezember 1898. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönkeberg. 

Herr Dr. Gottsche berichtet über die Ergebnisse der von ihm im 
Auftrage der Gesellschaft während der letzten Jahre in Schleswig-Holstein an- 
gestellten geologischen Untersuchungen. Den wichtigsten Punkt seines Pro- 
gramms bildete die Frage nach dem Vorkommen und der Verbreitung der 
End-Moränen in Schleswig-Holstein. Eigenthümlich schmale und niedrige, 
durch grossen Blockreichthum ausgezeichnete Hügelzüge, die aus Fin- 
land, Skandinavien und neuerdings auch aus Mecklenburg, Brandenburg 
und Pommern in grösserem Umfange beschrieben sind, werden bekannt- 
lich als End-Moränen, d. h. als Schutt-Anhäufungen am jeweiligen Rande 
des diluvialen Inlandeises gedeutet. Durch direkten Vergleich wurde 
festgestellt, dass solche End-Moränen, wie sie z. B. bei Oderberg, Lie^^e 
und Feldberg in der Mark, oder zwischen Moss und Frederickshald in 
Norwegen besonders typisch entwickelt sind, in Schleswig-Holstein nicht 
nur vorkommen, sondern sich sogar als ca. 250 km langer, kaum unter- 
brochener Gürtel von der dänischen Grenze bis zur Neustädter Bucht 
verfolgen lassen, und zwar etwa von Wamdrup über Woyens, Osterlyguro, 
Flensburg, Schleswig, Bordesholm, Preetz und Eutin nach Busendorf un<l 
Süsel im Westen von Neustadt. Innerhalb dieses, selten über 1 km 
breiten Gürtels wechseln Blockpackung und Blockbestreuung mit einander 
ab. Diese End-Moränen sind für das Relief von Schleswig-Holstein im 
Allgemeinen ohne erhebliche Bedeutung, und zwar, weil sie dasselbe im 
Wesentlichen schon vorfanden. Sie gehören zeitlich ans Ende der 
zweiten Eiszeit, bezeichnen aber wohl nicht den Höhepunkt der zweiten 
Vereisung, da die Ablagerungen derselben die End-Moränen-Kette nach 
Westen weit überschreiten. Wo die End-Moräne als Blockpackung, d. h. al> 
gänzlich ungeschichtetes Gewirr erratischer Blöcke auftritt, unterscheidet 
sie sich vom ungeschichteten Decksande nur durch die grosse Mächtig 
keit: beide dürften dieselbe Entstehung haben. Ist daher der Geschiebe 
sand die deckenartig ausgebreitete End-Moräne einer sich stetig zurück 
ziehenden Eisdecke, so entspricht die Blockpackung der End-Moränr 
während eines längeren Stillstandes. Die Seenplatte liegt aber bis t\\ 
30 m höher als die westlich gelagerte Heide-Ebene, und war daher sehr 
wohl geeignet, den Rückschritt des Eises für längere Zeit aufzuhalten 
Anderseits finden sich nicht allein Geschiebesande, sondern auch ober- 
flächliche Blockpackungen im ganzen Westen überall, wo namhaftf 
Höhenunterschiede auftreten, so dass es schwer wird, sich vorzusteller. 
die zweite Vereisung habe nicht den westlichen Geestrand erreich: 
Der Geestrand selbst ist nach den Untersuchungen Redners nichts weiter 
als die tertiäre Kü8t<9 des Landen. Der Beweis liegt darin, dass an zah! 



J 



127 

reichen Punkten des Geestrandes eben tertiäre Schichten und präglaziak 
Meeresabsätze vorhanden sind. Der Vortrag wurde erläutert durch eine grosse 
Wandkarte, in welche Redner die Resultate seiner Untersuchungen einge- 
tragen hatte, sowie durch zahlreiche Photographien, welche Redner der freund- 
lichen Beihülfe des Herrn Frucht, Apothekers in Ahrensburg, verdankte. 
Derselbe hatte zwecks Aufnahme charakteristischer Punkte einen letzten 
Streifzug des Redners durch das ganze untersuchte Gebiet mitgemacht. 
Der Vorsitzende sprach demRedner den Dank der Versammlung 
aus und ertheilte alsdann Herrn Knipping von hier das Wort. Der- 
selbe sprach über Itinerar- Aufnahmen. Einleitend handelte die Rede 
von der Wichtigkeit der Karten, als noth wendiger Grundlage aller 
geographischen, geologischen, ethnographischen und anderer Forschungen. 
Dann ging Redner über zur Herstellung der Karten und meinte, dass 
im Allgemeinen die Herstellung von Karten für schwieriger gelte, als 
sie wirklich sei. Dies habe wohl darin seinen Grund, dass die Geodäten, 
die ein Land vermessen oder die Techniker, die etwa einen Tunnel zu 
bauen, oder die Astronomen, die eine Position zu bestimmen hätten, 
allerdings mit einer Genauigkeit arbeiten, die ans Fabelhafte grenze 
und dem Laien den grössten Respekt abnöthige. Aber solche Genauigkeit 
lasse sich auf einer gewöhnlichen Karte garnicht wiedergeben, die Karte 
• sei immer nur ein möglichst ähnliches, aber stark verkleinertes Bild 
einer Gegend. Die schnellste und in vielen Fällen vollkommen aus- 
reichende Aufnahme einer Gegend sei die von den Engländern passend 
als »fliegend« bezeichnete, während eines Marsches oder Rittes bewerk- 
' stelligte, Itinerar- Aufnahme. Um zu zeigen, wie mit den geringsten 
' Hülfsmitteln eine solche Aufnahme ausgeführt werden könne, hat Redner 
' in der Umgegend Hamburgs zwei Spaziergänge zwecks Aufnahme des 
genauesten Weges unternommen und legte die Resultate dieser Spazier- 
ii gänge der Versammlung in Skizzen vor, indem er die Entstehung der- 
t selben im Einzelnen erläuterte. Die eine Aufnahme betraf den W^eg 
e von der Werderstrasse in Harvestehude, wo Redner wohnt, über das 
vi Terrain des Neuen Krankenhauses nach Lockstedt, und auf westlicherem 
i' Wege zurück nach dem Ausgangspunkte. Die andere Aufnahme gab 
tt? den Weg von der Werderstrasse über Rothenbaum, Lombardsbrücke und 
1 Uhlen borst, um die Aussenalster herum, ebenfalls nach dem Ausgangs- 
ri^^ punkte zurück. Die ganze Ausrüstung des Redners bei der Aufnahme 
M bestand in einem . Taschen-Kompass, dessen Strichrose in 360 Grad 
ei getheilt ist, einer Taschenulir, Papier und Bleistift. Die Aufnahme wird 
tr;: im Ausgangspunkte und an jeder Stelle, wo die Wegerichtung sich 
[dS ändert, in der Weise gemacht, dass man den Nullpunkt dar Strichrose 
>r in die Richtung der bevorstehenden Wegstrecke bringt und die Grad- 
ijV! zahl abliest, auf welche das Nordende der Nadel hinweist, und diese 
{jul Zahl, sowie die Zeit, in welcher ein solcher Punkt erreicht wird, notirt. 
^^cl Hervorragende Punkte in der Landschaft, Schornsteine, Kirchthürme u. a. 
pal werden zur Kontrole visirt und eingetragen. Mit Hülfe der gemachten 
jjjor Notizen wird dann zu Hause ein erster Entwurf gemacht, wozu man 
eines Winkelmessers und eines Massstabes bedarf. Redner demonstrirt 
an den genannten Beispielen die Fertigstellung des Entwurfes, sowie 
die an demselben vorzunehmenden Korrekturen. Zur Erreichung einer 






128 

grösseren Genauigkeit empfiehlt Redner einen grösseren Kompass mit 
Visir- Vorrichtung und Stativ, für Höbenmessungen ein Aneroi'd und 
einen einfachen Quadranten. Nachdem Redner dann noch an einigen 
Beispielen den Grad der Genauigkeit, der mit diesen Hülfsmitteln bei 
zweckmässiger Benutzung sich erreichen lässt, gezeigt hat, schliesst der- 
selbe mit einem Hinweise darauf, dass nicht nur der Forschungsreisende 
in fremden Ländern, sondern auch der Landwirth und andere Berufs- 
klassen diese einfachste aller kartographischen Methoden sich gelegentlich 
nutzbar machen könnten. 

187. Sitzung. 4. Januar 1894. 

Vorsitzender: Herr Schulrath Prof. Dr. Hoche. 

Von den litterarischen Eingängen erwähnt der Vorsitzende als Ge- 
schenk des Verfassers einen neuen, 3. Band von Prof. Sievers' grosser 
Erdbeschreibung, von der die zwei ersten Bände, Asien und Afrika um- 
fassend, im vorigen Jahre ebenfalls vom Verfasser der Gesellschaft als 
Geschenk überreicht worden sind. Der vorliegende 3. Band umfasst 
Amerika, das spezielle Forschungsgebiet des Verfassers, der, geborener 
Hamburger, seit Jahren Professor der Erdkunde in Giessen, mit Unter- 
stützung der hiesigen Geographischen Gesellschaft bekanntlich Venezuela 
durchforscht hat. Das Werk ist aufs trefflichste mit Karten und Ab- 
bildungen ausgestattet. 

Herr Admiralitätsrath Koldewey referirt kurz über eine von Dr. 
Stein, Mitglied der geologischen Landesvermessung in den Vereinigten 
Staaten, angeregte systematische Nordix)lar-Forschung, Dieselbe soll billig, 
ungefährlich und ununterbrochen sein. Ausersehen ist die Südküstc 
von Ellesmere Land am Eingange von Jones Sund, westlich von Nord- 
Grönland. Dahin fahren alljährlich die schottischen Walfanger. Mit 
deren Hülfe sollen Besatzung und Ausrüstung der Stationen transi)ortirt 
werden und alljährlich die nöthige Ablösung der Mannschaften bewirkt 
werden, so dass die wissenschaftlichen Beobachtungen beliebig viele Jahre 
auf einer solchen, resp. mehreren Stationen fortgesetzt werden könnten. 
Referent giebt sein Urtheil dahin ab, dass der Plan gut ausgearbeitet 
sei und die Sympathie der wissenschaftlichen und gebildeten Welt 
verdiene. Auf Vorschlag des Vorsitzenden wird beschlossen, dem Ur- 
heber und Einsender des Planes in jenem Sinne zu antworten und 
mitzutheilen, dass die Geographische Gesellschaft mit Interesse von 
seinem Plane Kenntniss genommen habe. — 

Im Anschluss hieran theilt Herr Friederichsen mit, dass Dr. 
John Murray, der berühmte Naturforscher der Challenger- 
Expedition, in der Londoner Geographischen Gesellschaft wiederum den 
Plan zur Erforschung der Antarktis zur Sprache gebracht habe. Audi 
hiernach würden systematische Beobachtungen von zugänglichen Stellen 
empfohlen, die Gründung zweier Stationen, etwa in Grahams- und in 
Victoria-Land, und die Ausrüstung zweier Schiffe für ausreichend erklärt, 
die zwei bis drei Jahre am Nordrande des Südpolar-Eises Tiefsoe- 
Forschungen anzustellen und mit jenen Stationen in Verbindung xu 



129 

bleiben hätten. Nachdem alle Versuche, die Mittel für eine antarktische 
Expedition privatim zusammenzubringen, gescheitert seien, glaubt Dr. 
Murray, dass allein von der britischen Admiralität die Bestreitung 
der Kosten der Expedition erhoffl; werden dürfe. 

Alsdann ertheUt der Vorsitzende Herrn Dr. Schott das Wort zu 
einem Vortrage über Land und Leute in Atjeh, wo derselbe kurze Zeit 
in 1892 geweilt .hat- Atjeh ist das Nordende von Sumatra und wird 
per Dampfer von Penang aus erreicht. Während in den südlich an- 
grenzenden Gebieten von Lankat und Deli Ruhe und Frieden herrschen 
und die Tabakskultur mit Erfolg betrieben wird, ist ganz Atjeh seit 20 
Jahren im Kriegszustand. Das Gebiet hat ein Areal etwa wie Schlesien, 
ca. 40 000 qkm, seine Bevölkerung wird geschätzt auf Vs Million 
(Schlesien hat 4 Millionen). Das Innere des Landes ist gänzlich un- 
bekannt und infolge des Kriegszustandes auch unzugänglich. Bekannt 
und in holländischem Besitz ist kaum der 20. Theil des Ganzen, das 
Gebiet des Unterlaufes des kleinen Atjeh-Flusses, von der Hafenstation 
Ole Leh bis zur Hauptstadt Kota Radja. Diese Niederung ist land- 
schaftlich reizvoll. Charakteristisch sind die, Luftwurzeln treibenden, 
indischen Feigenbäume und die zur Zuckergewinnung benutzten Arenca- 
Palmen, sowie das üppige Wachsthum der alles umspinnenden Lianen. 
Eine Eisenbahn führt von der Küste zur Hauptstadt, in deren Nähe 
auch Kokos-Plantagen und Reisfelder sichtbar werden. Das Klima ist 
sehr ungesund, besonders gefürchtet das Berriberri, eine der Wassersucht 
ähnliche Krankheit, die im Vereine mit Cholera besonders unter dem 
holländischen Militär wüthet. Bei Landwind stellen sich unter 
drückender Hitze auch Fieber ein. Heimisch ist hier die Pfefferpflanze, 
und Atjeh exportirt vielleicht 10 Millionen Kilogramm Pfeffer jährlich ; 
andere Produkte, wie Betelnüsse, Gold, Vieh, kommen jetzt nicht zur 
Geltung. Die Eingeborenen sind entweder mit der Holländischen Re- 
gierung befreundet oder deren oflFene Feinde. Zu trauen ist auch den 
Ersteren nicht, von Herzen hassen alle Atjeh-Leute die Europäer, erstlich 
weil letztere Eindringlinge sind und 1873 dem bis dahin wohl organisirten 
Staate mit geschichtlicher Vergangenheit ein Ende bereitet haben, zweitens 
weil die Eingeborenen sämmtlich fanatische Mohammedaner sind. In 
1873 eroberten die Holländer die Hauptstadt Kota Radja, mussten sie 
aber schon 1874 zum 2. Male erobern und haben sie seitdem behauptet. 
Dabei wurden der Sultanspalast und die herrliche Moschee zerstört. Die 
Stadt ist gänzlich umgewandelt, die Mitte bildet eine Festung mit 
steinernen Mauern, zur Aufnahme der Besatzung, ringsherum liegen die 
Stadttheile, die dann wieder im Ganzen von einem hohen eisernen 
Zaun umschlossen werden. In weiterer Entfernung liegen 12 Forts, 
zwischen denen und zu denen Eisenbahnen den Verkehr vermitteln, 
doch sind hier schon die Zustände so unsicher, dass die dort ver- 
kehrenden Eisenbahnwagen statt der Fenster Stahlplatten als Panzer 
tragen, die nur nothdürftig Luft durchlassen. Anderer Verkehr ist aus- 
geschlossen. Die Forts selber sind mit stachligen Aloe-Pflanzungen um- 
geben und mit Stacheldrath eingehegt. Offener Krieg wird nicht mehr 
geführt, desto wüthender betreiben die Eingeborenen den Guerillakrieg. 
Die Versöhnungspolitik, welche die Holländer versucht haben und noch 

9 



130 

versuchen, ist ebenfalls resultatlos. Offensive ist nicht durchführbar, 
die Holländer verhalten sich zuwartend in der Defensive. Trotzdem 
finden fast täglich Scharmützel statt, und das Gefühl der Unsicherheit, 
selbst im Innern der Stadt, ist vorherrschend. Wohlhabende lassen 
allnächtlich ihr Haus bewachen. Auch zur See herrscht Kriegszustand. 
Um den Eingeborenen die Zufuhr von Waffen abzuschneiden, halten 
die Holländer die Küste durch Kanonenboote blockirt, auch das Fischen 
im Meere ist verboten. Trotzdem ist der Handels- und Personenverkehr 
ähnlich wie an der chinesischen Küste gefährdet, und zwar dadurch, 
dass sich gelegentlich einheimische Seeräuber als Passagiere einschmuggeln 
und unterwegs die Besatzung, resp. die fremden Passagiere des Schiffes 
niedermachen und letzteres ausplündern. Dies ist erst im letzten Sommer 
1893 demselben SchiflTe passirt, welches den Redner ein Jahr zuvor nach 
Atjeh hinübergebracht hatte ; 60 Personen, einschliesslich des Kapitäns, 
eines Engländers, wurden dabei getödtet, nur wenige, welche sich ver- 
stecken konnten, retteten ihr Leben, das Schiff wurde ausgeplündert 
und danu*auf den Strand getrieben. Was für ein Interesse HoUand an 
Atjeh hat, ist nicht ersichtlich, denn ohne Einvernehmen mit den 
Eingeborenen, das aber ausgeschlossen scheint, ist der Besitz des kleinen 
Gebietes nicht nur werthlos, sondern schädlich und höchst kostspielig. 

188. Sitzung. 1. Februar 1894. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vor s i tzend e l^te in Abwesenheit des Kassenführers die Jahres- 
Abrechnung für 1893 vor. Diese balancirt in Einnahme und Ausgabe 
mit 12 062 Mark. Siehe weiter unten! Die Mitgliederzahl ist von 549 
in 1892 durch Abgang von 32 und Zugang von 39 auf 556 zu Ende 
1893 gestiegen. 

An Stelle des von Hamburg verzogenen Prof. Dr. Wibel wird 
für die Zeit bis zur nächsten Vorstandswahl Herr Dr. Hans Repsold 
in den Beirath gewählt. — Vom Magistrat in Nürnberg ist ein reich 
ausgestattetes Werk — die zu Ehren der Versammlung deutscher Natur- 
forscher und Aerzte herausgegebene Pestschrift — der Gesellschaft als 
Geschenk überwiesen worden. Die Schrift enthält eine eingehende Be- 
schreibung der Stadt und ihrer wissenschaftlichen Anstalten. — Herr 
Sekretär L. Priederichsen gedenkt zweier auf geographischem Ge- 
biete bekannter Männer, die kurz vor Schluss des Jahres 1893 gestorben 
sind. Es sind dies der Däne H. Joh. Rinck, geboren 1819, und der 
Engländer Sam. Baker, geb. 1821. Ersterer ist bekannt durch seine 
langjährigen Forschungen in Grönland, sowie durch seine über Natur 
und Bewohner Grönlands veröffentlichten Schriften. Letzterer hat sich 
um die Geographie Afrikas, speziell die Aufklärung des Nilquellen- 
Gebietes durch die Entdeckung des Albert-Nyanza (1864), verdient 
gemacht. 

Alsdann ertheilte der Vorsitzende Herrn Direktor Prof. Wege- 
haupt von hier das Wort zu dem angekündigten Vortrage »über den 
römischen Limes oder Grenzwall in Deutschland.« Redner 



131 

« 

b^ann mit der Erklärung des lateinischen Wortes limes. Dasselbe ist 
von der staatlichen Ackertheilung hergenommen und bedeutet zunächst 
den Zwischenweg zwischen 2 abgetheilten Ackerparzellen, sodann auch 
die abgesteckte und für die Vertheidigung eingerichtete Reichsgrenze. 
Eine solche Grenzwehr errichteten die Römer quer durch das südwest- 
liche Deutschland, vom Rheine in der Nähe von Neuwied, unterhalb 
Koblenz, ausgehend, über den Taunus und Main nach Süden zum 
Schwäbischen Jura und von hier östlich bis zur Mündung der Altmühl 
in die Donau bis Kehlheim, während flussabwärrts von Neuwied in den 
ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung der Rhein selber die Grenze 
zwischen dem Römischen Reich und dem freien Germanien bildete. 
Das zwischen dem Limes und der Donau und dem Rhein belegene 
Dekumaten-Land war den römischen Provinzen Rhaetien und Ober- 
Germanien angegliedert. Letztere Provinz reichte am linken Rheinufer 
nach Norden genau bis zu der Stelle, wo der Limes von Osten her den 
Rhein erreichte, d. i. bei Rheinbrohl rechts und Brohl links am Rhein, 
unterhalb Neuwieds. (Hier begann auf dem linken Rheinufer die 
römische Provinz Nieder-Germanien). Der ganze Limes hat eine Länge 
von 542 km, die sich zusammensetzt aus folgenden Strecken: 1. vom 
Rhein zum Main über den Taunus 215 km; 2. die Mainlinie 46 km; 

3. vom Main bis zum Jura in der Nähe des Hohenstaufen 107 km ; 

4. von hier bis zur Donau 174 km. — Der letztgenannte Theil geht 
von Kehlheim a. d. Donau über den Jura nach Westen, über Dinkels- 
bühl an die württembergische Grenze und von hier aus südwestlich am 
Jura entlang bis Lorch, welches an der Rems am Nordabhang des 
Hohenstaufen liegt. Dieser Theil führt seit Alters die Namen »Teufels- 
mauer« oder »Pfahlgraben«, denn es war hier nicht nur eine 2Va m 
hohe und 1 m breite Mauer mit Wachtthürmen und Kastellen, sondern 
auch ein vermeintlicher Festungsgraben, den man sich mit Pallisaden 
(Pfählen) verschanzt dachte. Die neuesten Forschungen haben auch 
anderswo Strecken eines solchen Grabens biosgelegt, z. B. im Taunus, 
und es wahrscheinlich gemacht, dass die Steinsetzung, welche sich auf 
dem Grabengrunde findet, nur dazu gedient hat, die Grenze zu markiren. 
Der Untergrund des kleinen Grabens ist nämlich mit Steinen ausgelegt, 
die der betreffenden Gegend fremd sind, und mit Thonscherben römischen 
Ursprungs, welche den römischen Feldmessern als geheime Erkennungs- 
zeichen dienten. Jedenfalls scheint der Graben nichts mit der Ver- 
theidigung der Grenze zu thun zu haben; er zeigt nur, dass die Ver- 
theidigungslinie mit der Reichsgrenze zusammenfiel. Dann ist aber 
auch das Wort »Pfahlgraben« nicht mit Pfählen oder Pallisaden zu- 
sammenzubringen, die nirgend nachzuweisen sind, sondern es spricht 
sich darin, wie Redner meint und Jacob Grimm bereits nachzuweisen 
gesucht hat, dieselbe Volksanschauung wie in » Teufelsmauer c aus, 
indem der erste Theil des Wortes von der alt- resp. mittelhochdeutschen 
Form Phol oder Faland, Voland für Teufel hergeleitet werden muss. — 
In einiger Entfernung von diesem rhätischen Limes findet man zwei 
Reihen von Kastellen, mit dem Grenzwall gleichlaufend. — Bei Lorch 
im Remsthal macht der Limes ein Knie, um eine nördliche Richtung 
einzuschlagen. Hier endet auch plötzlich die mit behauenen Steinen 



132 

gekrönte Steinmauer und macht einem Erdwalle Platz. Dieser verläuft 
in schnui^erader Richtung nord-nordwestlich durch Württemberg, tritt 
bei Jagsthausen auf badisches Gebiet, durchschneidet den Odenwald und 
erreicht bei dem bayerischen Städtchen Miltenberg den Main. Auch 
auf dieser Strecke begleiten in Entfernung von wenig Kilometern vom 
Limes Kastelle denselben; ausserdem zeigt sich hier eine zweite Grenz- 
wehr, etwa 20 km hinter dem Limes, beginnend an der Mündung der 
Rems in den Neckar, und von hier an durch den Neckar selber gebildet 
und durch Kastelle an dem Flusse gekennzeichnet; von dem Neckar- 
Knie an, wo der Fluss nach West umbiegt, wird sie nur durch eine 
Reihe von Kastellen gebildet, die sich über den Odenwald hinzieht und 
bei Wörth den Main trifft. Diese Nebenlinie heisst nach dem Neckar 
und einem kleinen Zuflüsse des Mains, den sie schneidet, die Neckar- 
Mümling-Linie. Für beide Linien dient als natürliche Fortsetzung der 
Grenzwehr der Main selber bis Gross-Kotzenburg oberhalb Hanau's; das 
ist der ebengenannte zweite Theil des Limes, vom Nordende an ge- 
rechnet. Von hier aus zieht die Walllinie zunächst nördlich, über- 
schreitet die Kinzig, erreicht bei Grüningen unweit Giessen ihren nörd- 
lichsten Punkt, um von hier aus in südwestlicher Richtung am Taunus 
sich hinziehend, das wie ein deutsches Pompeji ausgegrabene Römer- 
kastell Saalburg bei Homburg zu erreichen. Die Saalburg zeigt uns die 
Anlage eines römischen Lagers in allen Einzelheiten, und in dessen Mitte, 
in dem sogenannten Prätorium, dem Sitz des Kommandos, die Anlage 
des römischen Hauses, wie wir es aus Pompeji kennen. Die in der Saalburg 
gemachten Funde werden im Saalburg-Museum in Homburg aufbewahrt. 
Der Limes zieht von hier aus erst nach Westen , dann nach Norden, 
bei Ems die Lahn überschreitend, läuft auf den Vorhöhen des Wester- 
waldes entlang, das Neuwieder Becken umgehend, und vorbei an dem 
Kastell von Niederbiber, um schliesslich bei Rheinbrohl den Rhein zu 
erreichen. — Das weite Gebiet hinter dem Limes war durchzogen von 
einem sehr verzweigten Strassennetz, um die Kastelle unter sich und mit 
weiter zurückliegenden festen Punkten zu verbinden. Die mehrfach er- 
wähnten Doppellinien von Kastellen lassen schon erkennen, dass der 
Limes nicht in seinem ganzen Verlaufe auf einmal angelegt ist. Das 
nördlichste Ende, zwischen Rhein und Main, ist sicher unter Domitian 
(81 — 96) angelegt worden, die Mümling-Neckar-Linie wahrsdieinlich 
schon unter Vespasian (69 — 79), während die Hauptlinie 
von Miltenberg bis Lorch wohl erst in Anschluss an das Nord- 
ende, also nach Domitian entstanden ist. Das letzte Ende, die so- 
genannte Teufelsmauer, in ihrer Anlage der von Hadrian quer durch 
England gezogenen Grenzmauer ähnlich, verdankt vielleicht ihre Ent- 
stehung auch diesem Kaiser (117 — 33). — Ueber den Zweck der 
römischen Limes-Anlage gehen die Ansichten auseinander, doch scheint 
er jedenfalls militärischen Zwecken gedient zu haben; mit seinen 
Kastellen und Wachtthürmen bildete er eine Vorpostenlinie, hinter der 
die grösseren Kastelle als Grenzfestungen dienten. Unterstützt durch 
ein ausgedehntes Signalwesen konnten wohl an gefährdeten Punkten 
leicht Truppenmassen zusammengezogen und der Limes der Vertheidigung 
dienstbar gemacht werden, doch diente er gewiss auch als Grundlage 



133 

für die Offensive. — Die germanischen Volksstämme, die vornehmlich 
harte Kämpfe mit den Römern um den Limes veranlassten, waren die 
Franken im Norden und die Alamannen im Süden. Letztere setzten sich 
schliesslich im Dekumatenlande fest. Als beide Völkerstämme den 
Rhein überschritten hatten, wurden sie noch einmal durch Julianus 
Apostata (357) zurückgedrängt, aber bald nachher (406) wurde so- 
wohl der Limes wie die Rheinlinie durch die Fluthen der Völker- 
wanderung überschwemmt. 



Kassa-Bilanz für 1893. 

Einnahme: 

I. Saldo von 1892 

Bank-Saldo am 31. Dezbr. 1892 iL 10.66 
Kassa-Saldo » 31. Dezbr. 1892 > 3.58 

— M. 14.24 

II. Mitglieder-Beiträge » 6642.— 

III. Zinsen und Zins- Vergütung der Nordd. Bank » 390.47 

IV. Staatssubvention » 5000.— 

V. Extraordinaria : Rückprämie » 15.80 



M 12 062.51 

Ausgabe: 

I. Für die Drucksachen, Bibliothekskatalog etc. » 545.60 

II. » » Monatssitzungen und Vorträge » 1080. — 

III. » » Bibliothek » 334.14 

IV. » » Verwaltung » 3801.10 

V. Extraordinaria: 

Nachbewilligung f. Prof. Sievers M. 1500. — 
Beitrag zum X. Deutschen Geo- 

grapheniag » 15. — 

Vertretung auf dem Deutschen 

Geographentag » 284.60 

Reise - Stipendium an 

Dr. Gottsche, 2. Rate » 1200.— 

Widmungstafel f. d. Verein für 

Kunst und Wissenschaft ... » 150. — 

Mobiliar für's Bureau » 108.30 

Hektograph mit Zubehör » 11.55 

Zurückgez. Vorschuss v. 1892 . » 1550. — 

» 4819.45 

VL Saldo auf 1894 » 1482.22 

JH. 12 062.51 



134 

Baar-Vermögensbestand Ende 1893. 

5 Stück Hamburger Staats-Rente h 3Va % M. 10 000, z. Z. 

gekauft ä 102 Vs Ä 10 212.50 

Fällige Zinsen vom 1. Aug. bis 31. Dezbr. 1893 (5 Monate 

ä 3Va o/o) 1 145.83 

Bank- und Kassa-Saldo Ende 1893 » 1 482.22 

M. 11 840.55 



189. Sitzung. 1. März 1894. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit folgender Ansprache: 
»Meine Herren, in den nächsten Tagen (4. März) sind 500 Jahre ver- 
gangen, seit Prinz Heinrich von Portugal, genannt der Seefahrer, 
das Licht der Welt erblickt hat, und seine Vaterstadt Oporto rüstet sich, 
diesen Tag festlich zu begehen. Wo irgend Männer der Wissenschaft 
sich versammeln, um die Geographie zu pflegen, da wird jener Name 
ehrend genannt werden. Woher seine Bedeutung für uns heute? Prinz 
Heinrich gehört zu jenen interessanten Gestalten, welche den lieber- 
gang vom Mittelalter zur Neuzeit vermittelten, indem sie mit eigener 
Kraft sich von den Fesseln mittelalterlicher Wissenschaft losrissen und 
durch Ergründung der Wahrheit den Anbruch einer neuen !Zeit an- 
bahnten; er ist der Bahnbrecher des pfadlosen Weltmeeres geworden. 
— In seiner Jugend hatte Prinz Heinrich im Kampfe gegen die 
Mauren Ruhm gesucht und bei der Eroberung von Ceuta, 20 Jahre alt, 
durch persönliche Tapferkeit sich so hervorgethan, dass er als namhafter 
IJeerführer galt und die mächtigsten Fürsten Europas sein Feldherrn- 
talent für ihre Zwecke zu gewinnen trachteten. Daneben verfolgte er 
aber noch andere Zwecke. Als mit der Eroberung Ccuta's der grosse 
Handelsverkehr aus dem Innern Afrikas nach dieser Stadt aufhörte, 
suchte er neue Handelswege zunächst nach der Westküste Afrikas zu 
erschliessen, die Küste und vorliegenden Inseln wurden entschleiert und 
dem Verkehr erschlossen, und als durch päpstlichen Machtspriich »alle 
Entdeckungen von Cap Bojador bis Indien« den Portugiesen zuges])rochen 
wurden, suchte er durch Anknüpfen neuer Handelsbeziehungen jene 
Länder zu einer Quelle des Reichthums für sein Vaterland zu machen. 
Doch dies alles würde nicht genügen, ihn als Geographen zu feiern, 
wenn er nicht zugleich für die wissenschaftliche Forschung den Ent- 
decker-Ruhm sich erworben hätte. Er suchte die günstige Stellung 
Portugals auszunutzen, um durch die Kenntnisse und Erfahrungen, die 
den Portugiesen zu Gebote standen und die fleissig gesammelt wurden, 
über den dunkeln Erdtheil Afrika Aufklärung zu schafien. Aus den 
Reisen des Marco Polo, aus dem Studium des Ptolemäus, aus den Be- 



185 

richten arabischer Reisender wie aus den Legenden der mittelalterlichen 
Seekarten hatte er nicht blos Kunde von dem reichen Lande Guinea 
im Süden erhalten, sondern auch die Ueberzeugung gewonnen, dass 
nach Erreichung dieses Landes man Afrika würde umfahren, Indien auf 
dem Wasserwege würde erreichen und unterwegs die Bekanntschaft und 
Freundschaft des weitgepriesenen christlichen Priesterkönigs Johannes 
würde gewinnen können. Dieser Plan wurde trotz aller Enttäuschungen 
unablässig von ihm verfolgt; selber ist Prinz Heinrich nicht zur See 
gefahren, aber zahlreiche Expeditionen wurden nach Süden gesandt, auf 
seinen Befehl wurde das gefürchtete Dunkelmeer (dichte Nebel infolge 
kalter Meeresstörungen) durchschnitten und Cap Bojador umsegelt (1434); 
weiter drang man in die heisse Zone, wo nach Ansicht des Aristoteles 
und des ganzen Mittelalters die Existenz von Menschen und Thieren 
der Hitze wegen unmöglich sein sollte. Als man auch Cap Verde er- 
reichte, daselbst eine üppige Vegetation und volkreiche Negerländer 
fand, da war der Bann gebrochen, der solange der Forschung Fesseln 
angelegt hatte» als sei nur die kühlere Erdhälfte bewohnbar. Diese Er- 
rungenschaft war von solcher Bedeutung, dass nach Ueberwindung jenes 
Vorurtheils die ümschiffung Afrikas nur eine Frage der Zeit war. Mit 
derselben Klarheit der Ueberzeugung, dass Land gefunden werden müsse, 
und mit derselben Energie wurden Expeditionen nach dem Westen 
ausgesandt — und wenn man hier auch nur bis zu den Azoren vor- 
drang, so war doch dieses zielbewusste Segeln nach Westen der erste 
Schritt zur Entdeckung Amerikas. Die Grösse des Prinzen Heinrich 
bestand eben darin, dass er nicht planlos den Entdecker-Ruhm suchte, 
sondern auf Grund wissenschaftlicher Forschungen und vorhandener 
Thatsachen sich eine bestimmte Ueberzeugung. bildete von dem richtigen 
Wege, auf welchem Erfolg zu erhoffen war. Von seinem Vater zum 
Statthalter von Algarbe ernannt, hatte Prinz Heinrich sich auf dem 
Cap Sagres (bei Cap Vincent), auf kahlem Felsen niedergelassen, um 
Ausfahrt und Ankunft seiner Schiffe beobachten zu können. So ent- 
stand die Villa do Infante, das heutige Sagres. Hier gründete er eine 
Navigationsschule, und war unablässig bemüht, zu prüfen, zu sichten, 
zu korrigiren, die Nautik auszubilden und neue Kräfte zu neuen Unter- 
nehmungen anzufeuern; hier gelang es ihm, seine Landsleute aus 
Küstenfahrern zu Seefahrern umzubilden. Hier lebte er in seinem 
Schlosse, ein einsamer, ernster Mann, von dem man sagte, seine Lippen 
hätten nie Weib noch Wein berührt, aber freundlich und zugänglich 
für jeden Forscher und Gelehrten, und selber unablässig thätig, ein 
wahrer protector studiorum, unbeirrt durch Vorurtheile, nur darauf 
bedacht, menschliche Erkenntniss zu erweitern. — Wenn nun seine 
Vaterstadt Oporto sich rüstet, ihrem grossen Sohne ein Erinnerungsfest 
zu feiern, so ziemt es auch wohl unserer Gesellschaft, die die Erdkunde 
pflegt, diese Gelegenheit nicht vorübergehen zu lassen, sein Andenken 
zu ehren.« — Mit reichem Beifalle stimmte die Versammlung den 
Worten ihres Präsidenten zu. — 

Derselbe ertheilte alsdann das Wort dem Herrn Bankdirektor 
Heintze von hier zu einem Vortrage über »Eisenbahnen in der 
Türkei.« (Siehe Seite 41). 



136 

190. Sitzung. 5. April 1894. 
Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende theilt mit, dass im Anschluss an die Verhandlungen 
der vorigen Sitzungen der Vorstand es für angezeigt gehalten habe, 
dem Fest-Komite in Oporto unsere Sympathien mit dem 500jährigen 
Erinnerungsfeste für Prinz Heinrich dem Seefahrer durch ein Tele- 
gramm am 4. März kundzugeben und dass von Seiten des Bürger- 
meisters von Oporto darauf eine Dank-Antwort mit dem Worten: 
»Agr^ez les remerciments et les ealutations de notre patrie glorieusec 
an den Vorsitzenden eingegangen sei. — Von Seiten der Geographica! 
Society of the Pacific in San Francisco liegt eine Einladung vor zu 
einem Geographentage, der daselbst während der Internationalen Aus- 
stellung am 4. Mai soll abgehalten werden; desgleichen von dem Inter- 
nationalen Amerikanisten-Kongress zu seiner 10. Tagung, in Stockholm 
vom 3. — 8. Aug. d. J. — 

Der Sekretär, Herr Friederichsen, berichtet auf Grund der ihm 
von den Herren Woltereck und Robertson, den Rhedern der 
Dampfschififsgesellschaft »Oceana« in Hamburg, zur Verfügung gestellten 
Schiffsjournal- Auszüge, über die von ihren drei Wal-Dampfern »Jason«, 
»Hertha« und »Castor« in den letzten beiden Wintern innerhalb ant- 
arktischer Gewässer ausgeführten Reisen und dabei gemachten geo- 
graphischen Entdeckungen. Diese Mittheilungen sind von um so 
grösserer Bedeutung, als man gegenwärtig in England bemüht ist, das 
Interesse für neue Forschungsreisen in der Antarktis zu wecken und die 
Regierung für die Aussendung zweier wissenschaftlich ausgerüsteter 
Kriegsschiffe zu gewinnen. Die Triebfeder dieser gegenwärtigen englischen 
antarktischen Bestrebungen ist Dr. J. Murray, der berühmte Gelehrte 
der Challenger-Expedition, den die Fachgelehrten des In- und Auslandes, 
HO namentlich der in der antarktischen Frage als erste Autorität geltende 
Direktor der Deutschen Seewarte, Dr. N e u m a y e r, mit ihrem Kath und 
ihren Erfahrungen unterstützen. Die Unergiebigkeit des Walfanges in 
den nordischen Gewässern hatte sowohl die in Dundee beheimatheten 
schottischen, als auch die unter norwegischer Flagge und mit nor- 
wegischer Mannschaft fahrenden Dampfschiffe der »Oceana« veranlasst, 
im Winter 1892 zu 93 zum Zwecke des Walfanges in die Antarktis 
südlich vom Kap Hoorn vorzudringen. Beide Unternehmungen hatten 
leider in der ersten Kampagne so dürftige Fang-Ergebnisse (Wale waren 
überhaupt nicht erlegt), dass die schottischen Schiffe anf weitere Ver- 
suche verzichteten und bereits im Juni 1893 heimkehrten. Die Fahr- 
zeuge der »Oceana« aber erhielten von Hamburg aus die Weisung, noch 
einen Sommer im Süden zu bleiben. Soweit Berichte über diesen Zeit- 
abschnitt vorliegen, war das Fangergebniss zu Ende 1893 und zu Anfang 
1894 gleichfalls schlecht. In wissenschaftlicher Hinsicht sind aber 
diesem Hamburger Unternehmen einige geographische Entdeckungen von 
Bedeutung zu verdanken. Sie betreffen die Vervollständigung unserer 
Kenntnisse von dem im Süden der Süd -Shetlands- Inseln gel^enen 
Graham -Lande. — Schon früher ist es Deutschen gelungen, hierhin 



137 

vorzudringen. Am 22. Juli 1873 nämlich ging das Schift' »Grönland« 
der in Hamburg beheimatheten deutschen Polar-Schifffahrts-Gesellschaft 
(Direktor Albert Kosenthai) unter Führung des Bremer Kapitäns 
Dali mann von Hamburg aus in See, um südlich von Kap Hoorn dem 
Wal- und Robbenfange obzuliegen. Es gelang Dali mann, die 1832 
von dem Walfiinger Biscoe entdeckten Biscoe-Inseln zu erreichen und 
den nördlichen Theil des von Biscoe gesichteten Graham-Landes als 
aus Inselgruppen bestehend klar zu legen. Er lief in einen Hafen ein, 
den er »Hambui^-Hafen« nannte und gab bei seiner Rückkehr seiner 
Rhederei anheim, die von ihm gemachten weiteren Entdeckungen mit 
deutschen Namen zu belegen. So wurden die Kaiser Wilhelm-Insel, 
die Bismarck-Strasse, die Dallmann-Bai, RosenthaMnsel , Gossler-Insel, 
Roosen-Insel, Booth-Insel, Krogmann-Insel u. A. benannt und zuerst von 
Dr. A. Petermann auf seiner Südpolar-Karte im Stiel ersehen Hand- 
Atlas für alle Zeiten als deutsche Ergebnisse festgelegt. Auffallender- 
weise haben die D allmann 'sehen Entdeckungen bis heute auf den 
englischen Admiralitätskarten keine Berücksichtigung gefunden. Um so 
angezeigter scheint es dem Referenten, dieses Mal, wo wieder deutscher 
Unternehmungsgeist unsere Kenntniss von jenen fernen Gegenden be- 
reichert hat, auf die Mängel jener Karten hinzuweisen und in Anschluss 
daran die neuesten Entdeckungen, wie sie von ihm provisorisch nach 
dem Schiffsjournal des Dampfers »Jason«, Kapitän Larsen, karto- 
graphisch veranschaulicht worden, zur weiteren Kenntniss zu bringen. — 
Von den drei Dampfern der »Oceana« war der »Castor«, Kapitän 
Morten Pedersen, Ende 1893 vorwiegend bei Feuerland, die »Hertha«, 
Kapitän Evensen, westlich, und der »Jason«, Kapitän Larsen, öst- 
lich von Graham-Land thätig. Die »Hertha«, erreichte am 2. November 
1893 unter 76" 12' w. L. die höchste bisher von einem Dampfer ge- 
wonnene südliche Breite, nämlich 69® 10'. Packeis und Mangel an 
Robben resp. Walen veranlasste die »Hertha« von weiterem Vordringen 
gen Süden abzustehen. Der Dampfer »Jason« drang Mitte November 1893 
im Osten der Süd-Shetlands-Inseln , dem vorjährigen gemeinschaftlichen 
Fangplatze der schottischen und Hamburger resp. norwegischen Wsd- 
ianger nach Süden vor, wo vor 50 Jahren Sir James Clark Ross 
geforscht hat und seitdem nie wieder ein Schiff über 65** s. Br. hinaus- 
gekommen war, landete am 18. November 93 mit Böten auf der von 
Ross entdeckten Seymour-Insel und erreichte dieses Mal bei meist 
offenem Wasser am 6. Dezember 93 unter 60" w. L. die bemerkens- 
werthe Breite von 68® 10'. Angesichts eines in südlicher Richtung 
sich erstreckenden hohen Landes wurde er durch feste Bai-Eismassen 
zur Rückkehr gezwungen. Bereits am 1. Dezember 93 hatte der »Jason« 
längs einer dem bisher unbekannten König Oskar II. -Lande vorge- 
lagerten Eis -Barriere eine südliche Richtung einschlagen müssen. Ein 
hervorragendes Kap dieses schneebedeckten und von tiefen Fjorden 
durchschnittenen Landes (ca. 66" s. Br. und 60" w. L.) taufte der 
Kapitän Larsen »Framnfos« , während er dem höchsten Berge in 
WSW -Richtung den Namen seines Schiffes »Jason« beilegte. Ein 
anderes unter ca. 66 V«" s. Br. und 62" w. L. gesichtetes Land wurde 
»Foyns-Land« genannt. Unter ca. 59"w. L. zurückdampfend, entdeckte 



128 

grösseren Genauigkeit empfiehlt Redner einen grösseren Kompass mit 
Visir- Vorrichtung und Stativ, für Höbenmessungen ein Aneroi'd und 
einen einfachen Quadranten. Nachdem Redner dann noch an einigen 
Beispielen den Grad der Genauigkeit, der mit diesen Hülfsmitteln bei 
zweckmässiger Benutzung sich erreichen lässt, gezeigt hat, schliesst der- 
selbe mit einem Hinweise darauf, dass nicht nur der Forschungsreisende 
in fremden Ländern, sondern auch der Landwirth und andere Berufs- 
klassen diese einfachste aller kartographischen Methoden sich gelegentlich 
nutzbar machen könnten. 

187. Sitzung. 4. Januar 1894. 

Vorsitzender: Herr Schulrath Prof. Dr. Hoche. 

Von den litterarischen Eingängen erwähnt der Vorsitzende als Ge- 
schenk des Verfassers einen neuen, 3. Band von Prof. Sievers' grosser 
Erdbeschreibung, von der die zwei ersten Bände, Asien und Afrika um- 
fassend, im vorigen Jahre ebenfalls vom Verfasser der Gesellschaft als 
Geschenk überreicht worden sind. Der vorliegende 3. Band umfasst 
Amerika, das spezielle Forschungsgebiet des Verfassers, der, geborener 
Hamburger, seit Jahren Professor der Erdkunde in Giessen, mit Unter- 
stützung der hiesigen Geographischen Gesellschaft bekanntlich Venezuela 
durchforscht hat. Das Werk ist aufs trefflichste mit Karten und Ab- 
bildungen ausgestattet. 

Herr Admiralitätsrath Koldewey referirt kurz über eine von Dr. 
Stein, Mitglied der geologischen Landesvermessung in den Vereinigten 
Staaten, angeregte systematische Nordix)lar- Forschung. Dieselbe soll billig, 
ungefährlich und ununterbrochen sein. Ausersehen ist die Südküstc 
von EUesmere Land am Eingange von Jones Sund, westlich von Nord- 
Grönland. Dahin fahren alljährlich die schottischen Walfanger. Mit 
deren Hülfe sollen Besatzung und Ausrüstung der Stationen trans})ortirt 
werden und alljährlich die nöthige Ablösung der Mannschaften bewirkt 
werden, so dass die wissenschaftlichen Beobachtungen beliebig viele Jahre 
auf einer solchen, resp. mehreren Stationen fortgesetzt werden könnten. 
Referent giebt sein Urtheil dahin ab, dass der Plan gut ausgearbeitet 
sei und die Sympathie der wissenschaftlichen und gebildeten Welt 
verdiene. Auf Vorschlag des Vorsitzenden wird beschlossen, dem Vr- 
heber und Einsender des Planes in jenem Sinne zu antworten und 
mitzutheilen, dass die Geographische Gesellschaft mit Interesse von 
seinem Plane Kenntniss genommen habe. — 

Im Anschluss hieran theilt Herr Friederichsen mit, dass Dr. 
John Murray, der berühmte Naturforscher der Challcnger- 
Expedition, in der Londoner Geographischen Gesellschaft wiederum den 
Plan zur Erforschung der Antarktis zur Sprache gebracht habe. Auch 
hiernach würden systematische Beobachtungen von zugänglichen Stellen 
empfohlen, die Gründung zweier Stationen, etwa in Grahams- und in 
Victoria-Land, und die Ausrüstung zweier Schiffe für ausreichend erklärt, 
die zwei bis drei Jahre am Nordrande des Südpolar-Eises Tiefsee- 
Forschungen anzustellen und mit jenen Stationen in Verbindung zu 



129 

bleiben hätten. Nachdem alle Versuche, die Mittel für eine antarktische 
Expedition privatim zusammenzubringen, gescheitert seien, glaubt Dr. 
Murray, dass allein von der britischen Admiralität die Bestreitung 
der Kosten der Expedition erhofil werden dürfe. 

Alsdann ertheilt der Vorsitzende Herrn Dr. Schott das Wort zu 
einem Vortrage über Land und Leute in Atjeh, wo derselbe kurze Zeit 
in 1892 geweilt. hat. Atjeh ist das Nordende von Sumatra und wird 
per Dampfer von Penang aus erreicht. Während in den südlich an- 
grenzenden Gebieten von Lankat und Deli Ruhe und Frieden herrschen 
und die Tabakskultur mit Erfolg betrieben wird, ist ganz Atjeh seit 20 
Jahren im Kriegszustand. Das Gebiet hat ein Areal etwa wie Schlesien, 
ca. 40 000 qkm, seine Bevölkerung wird geschätzt auf V« Million 
(Schlesien hat 4 Millionen). Das Innere des Landes ist gänzlich un- 
bekannt und infolge des Kriegszustandes auch unzugänglich. Bekannt 
und in holländischem Besitz ist kaum der 20. Theil des Ganzen, das 
Gebiet des Unterlaufes des kleinen Atjeh-Flusses, von der Hafenstation 
Ole Leh bis zur Hauptstadt Kota Radja. Diese Niederung ist land- 
schaftlich reizvoll. Charakteristisch sind die, Luftwurzeln treibenden, 
indischen Feigenbäume und die zur Zuckergewinnung benutzten Arenca- 
Palmen, sowie das üppige Wachsthum der alles umspinnenden Lianen. 
Eine Eisenbahn führt von der Küste zur Hauptstadt, in deren Nähe 
auch Kokos-Plantagen und Reisfelder sichtbar werden. Das Klima ist 
sehr ungesund, besonders gefürchtet das Berriberri, eine der Wassersucht 
ähnliche Krankheit, die im Vereine mit Cholera besonders unter dem 
holländischen Militär wüthet. Bei Landwind stellen sich unter 
drückender Hitze auch Fieber ein. Heimisch ist hier die Pfefferpflanze, 
und Atjeh exportirt vielleicht 10 Millionen Kilogramm Pfeffer jährlich ; 
andere Produkte, wie Betelnüsse, Gold, Vieh, kommen jetzt nicht zur 
Geltung. Die Eingeborenen sind entweder mit der Holländischen Re- 
gierung befreundet oder deren oflfene Feinde. Zu trauen ist auch den 
Ersteren nicht, von Herzen hassen alle Atjeh-Leute die Europäer, erstlich 
weil letztere Eindringlinge sind und 1873 dem bis dahin wohl organisirten 
Staate mit geschichtlicher Vergangenheit ein Ende bereitet haben, zweitens 
weil die Eingeborenen sämmtlich fanatische Mohammedaner sind. In 
1873 eroberten die Holländer die Hauptstadt Kota Radja, mussten sie 
aber schon 1874 zum 2. Male erobern und haben sie seitdem behauptet. 
Dabei wurden der Sultanspalast und die herrliche Moschee zerstört. Die 
Stadt ist gänzlich umgewandelt, die Mitte bildet eine Festung mit 
steinernen Mauern, zur Aufnahme der Besatzung, ringsherum liegen die 
Stadttheile, die dann wieder im Ganzen von einem hohen eisernen 
Zaun umschlossen werden. In weiterer Entfernung liegen 12 Forts, 
zwischen denen und zu denen Eisenbahnen den Verkehr vermitteln, 
doch sind hier schon die Zustände so unsicher, dass die dort ver- 
kehrenden Eisenbahnwagen statt der Fenster Stahlplatten als Panzer 
tragen, die nur nothdürftig Luft durchlassen. Anderer Verkehr ist aus- 
geschlossen. Die Forts selber sind mit stachligen Aloe-Pflanzungen um- 
geben und mit Stacheldrath eingehegt. Offener Krieg wird nicht mehr 
geführt, desto wüthender betreiben die Eingeborenen den Guerillakrieg. 
Die Versöhnungspolitik, welche die Holländer versucht haben und noch 



130 

versuchen, ist ebenfalls resultatlos. Offensive ist nicht durchführbar, 
die Holländer verhalten sich zuwartend in der Defensive. Trotzdem 
finden fast täglich Scharmützel statt, und das Gefühl der Unsicherheit, 
selbst im Innern der Stadt, ist vorherrschend. Wohlhabende lassen 
allnächtlich ihr Haus bewachen. Auch zur See herrscht Kriegszustand. 
Um den Eingeborenen die Zufuhr von Waffen abzuschneiden, halten 
die Holländer die Küste durch Kanonenboote blockirt, auch das Fischen 
im Meere ist verboten. Trotzdem ist der Handels- und Personenverkehr 
ähnlich wie an der chinesischen Küste gefährdet, und zwar dadurch, 
dass sich gelegentlich einheimische Seeräuber als Passagiere einschmuggeln 
und unterwegs die Besatzung, resp. die fremden Passagiere des Schiffes 
niedermachen und letzteres ausplündern. Dies ist erst im letzten Sommer 
1893 demselben Schiffe passirt, welches den Redner ein Jahr zuvor nach 
Atjeh hinübergebracht hatte; 60 Personen, einschliesslich des Kapitäns, 
eines Engländers, wurden dabei getödtet, nur wenige, welche sich ver- 
stecken konnten, retteten ihr Leben, das Schiff wurde ausgeplündert 
und dann*auf den Strand getrieben. Was für ein Interesse Holland an 
Atjeh hat, ist nicht ersichtlich, denn ohne Einvernehmen mit den 
Eingeborenen, das aber ausgeschlossen scheint, ist der Besitz des kleinen 
Gebietes nicht nur werthlos, sondern schädlich und höchst kostspielig. 

188. Sitzung. 1. Februar 1894. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende l^te in Abwesenheit des Kassenführers die Jahres- 
Abrechnung für 1893 vor. Diese balancirt in Einnahme und Ausgabe 
mit 12 062 Mark. Siehe weiter unten! Die Mitgliederzahl ist von 540 
in 1892 durch Abgang von 32 und Zugang von 39 auf 556 zu Ende 
1893 gestiegen. 

An Stelle des von Hamburg verzogenen Prof. Dr. Wibel wird 
für die Zeit bis zur nächsten Vorstandswahl Herr Dr. Hans Repsold 
in den Beirath gewählt. — Vom Magistrat in Nürnberg ist ein reich 
ausgestattetes Werk — die zu Ehren der Versammlung deutscher Natur- 
forscher und Aerzte herausgegebene Festschrift — der Gesellschaft als 
Geschenk überwiesen worden. Die Schrift enthält eine eingehende Be- 
schreibung der Stadt und ihrer wissenschaftlichen Anstalten. — Herr 
Sekretär L. Friederichsen gedenkt zweier auf geographischem Ge- 
biete bekannter Männer, die kurz vor Schluss des Jahres 1893 gestorben 
sind. Es sind dies der Däne H. Joh. Rinck, geboren 1819, und der 
Engländer Sam. Baker, geb. 1821. Ersterer ist bekannt durch seine 
langjährigen Forschungen in Grönland, sowie durch seine über Natur 
und Bewohner Grönlands veröffentlichten Schriften. Letzterer hat sich 
um die Geographie Afrikas, speziell die Aufklärung des Nilquelleu- 
Gebietes durch die Entdeckung des AlbertNvanza (1864), verdient 
gemacht. 

Alsdann ertheilte der Vorsitzende Herrn Direktor Prof. Wege- 
haupt von hier das Wort zu dem angekündigten Vortrage »über den 
römischen Limes oder Grenzwall in Deutschland.« Redner 



131 

b^ann mit der Erklärung des lateinischen Wortes limes. Dasselbe ist 
von der staatlichen Ackertheilung hergenommen und bedeutet zunächst 
den Zwischen weg zwischen 2 abgetheilten Ackerparzellen, sodann auch 
die abgesteckte und für die Vertheidigung eingerichtete Reichsgrenze. 
Eine solche Grenzwehr errichteten die Römer quer durch das südwest- 
liche Deutschland, vom Rheine in der Nähe von Neuwied, unterhalb 
Koblenz, ausgehend, über den Taunus und Main nach Süden zum 
Schwäbischen Jura und von hier östlich bis zur Mündung der Altmühl 
in die Donau bis Kehlheim, während flussabwärrts von Neuwied in den 
ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung der Rhein selber die Grenze 
zwischen dem Römischen Reich und dem freien Germanien bildete. 
Das zwischen dem Limes und der Donau und dem Rhein belegene 
Dekumaten-Land war den römischen Provinzen Rhaetien und Ober- 
Germanien angegliedert. Letztere Provinz reichte am linken Rheinufer 
nach Norden genau bis zu der Stelle, wo der Limes von Osten her den 
Rhein erreichte, d. i. bei Rheinbrohl rechts und Brohl links am Rhein, 
unterhalb Neuwieds. (Hier begann auf dem linken Rheinufer die 
römische Provinz Nieder-Germanien). Der ganze Limes hat eine Länge 
von 542 km, die sich zusammensetzt aus folgenden Strecken: 1. vom 
Rhein zum Main über den Taunus 215 km ; 2. die Mainlinie 46 km ; 

3. vom Main bis zum Jura in der Nähe des Hohenstaufen 107 km; 

4. von hier bis zur Donau 174 km. — Der letztgenannte Theil geht 
von Kehlheim a. d. Donau über den Jura nach Westen, über Dinkels- 
bühl an die württembergische Grenze und von hier aus südwestlich am 
Jura entlang bis Lorch, welches an der Rems am Nordabhang des 
Hohenstaufen liegt. Dieser Theil führt seit Alters die Namen »Teufels- 
mauer« oder »Pfahlgraben«, denn es war hier nicht nur eine 2V« m 
hohe und 1 m breite Mauer mit Wachtthürmen und Kastellen, sondern 
auch ein vermeintlicher Festungsgraben, den man sich mit Pallisaden 
(Pfählen) verschanzt dachte. Die neuesten Forschungen haben auch 
anderswo Strecken eines solchen Grabens biosgelegt, z. B. im Taunus, 
und es wahrscheinlich gemacht, dass die Steinsetzung, welche sich auf 
dem Grabengrunde findet, nur dazu gedient hat, die Grenze zu markiren. 
Der Untergrund des kleinen Grabens ist nämlich mit Steinen ausgelegt, 
die der betreffenden Gegend fremd sind, und mit Thonscherben römischen 
Ursprungs, welche den römischen Feldmessern als geheime Erkennungs- 
zeichen dienten. Jedenfalls scheint der Graben nichts mit der Ver- 
theidigung der Grenze zu thun zu haben; er zeigt nur, dass die Ver- 
theidigungslinie mit der Reichsgrenze zusammenfiel. Dann ist aber 
auch das Wort »Pfahlgraben« nicht mit Pfählen oder Pallisaden zu- 
sammenzubringen, die nirgend nachzuweisen sind, sondern es spricht 
sich darin, wie Redner meint und Jacob Grimm bereits nachzuweisen 
gesucht hat, dieselbe Volksanschauung wie in »Teufelsmauer« aus^ 
indem der erste Theil des Wortes von der alt- resp. mittelhochdeutschen 
Form Phol oder Faland, Voland für Teufel hergeleitet werden muss. — 
In einiger Entfernung von diesem rhätischen Limes findet man zwei 
Reihen von Kastellen, mit dem Grenzwall gleichlaufend. — Bei Lorch 
im Remsthal macht der Limes ein Knie, um eine nördliche Richtung 
einzuschlagen. Hier endet auch plötzlich die mit behauenen Steinen 



142 

machen darf. Einmal war die damalige Windstärke eine ganz unge- 
wöhnliche, deren Wiederkehr nicht sobald zu befürchten ist, dann lehrt 
aber auch die Erfahrung, dass aussergewöhnliche Windstärken nicht 
lange andauern. Und wenn einmal durch Zusammentreffen der un- 
günstigsten Umstände eine noch höhere Wasserfluth herbeigeführt und 
selbst die Deiche theilweise überschwemmt würden, ist doch anzunehmen, 
dass unsere Deiche auch einer kurzen Ueberfluthung Stand halten würden. 



192. Sitzung. 7. Juni 1894. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende macht die Mittheilung, dass die vom Hohen Senat 
bei der Bürgerschaft beantragte Subvention für die Geographische Ge- 
sellschaft in der Höhe der früher gewährten Summe von JL 5000 auch 
für die Jahre 1894, 1895 und 1896 definitiv bewilligt sei. 

Es folgt als einziger Gegenstand der Tagesordnung der Vortrag des 
Herrn Dr. J. Bohls aus Göttingen über seine Reise im Gebiet der 
Lengua-Indianer im Gran Chaco von Paraguay. — Der Gran 
Chaco beginnt am Rio Salado in Argentinien und erstreckt sich nach 
Norden weit über den Rio Pilcomayo hinaus. Dieser nördliche Theil 
des Chaco ist die Heimath der Lengua-Indianer, die Redner als erster 
Europäer besucht hat. Frühere nach diesem Gebiet gerichtete Unter- 
nehmungen waren erfolglos, weil man einen südlichen seichten Arm des 
Pilcomayo als Fahrstrasse benutzte, während Redner einen wasserreicheren, 
nördlichen Arm hinauffuhr. Der Chaco ist auch im Innern schwierig 
zu bereisen : entweder ist er weithin überfluthet und dann nur auf 
Indianerpfaden zugänglich ; oder es herrscht Trockenheit, dann verpesten 
Tausende von Thierleichen die Luft, die Gewässer schrumpfen zu Salz- 
Lagunen zusammen, der Mensch leidet an Durst bei tropischer Hitze; 
auch viele Packthiere müssen für Proviant und Tauschwaaren mitgeführt 
werden ; die Jagd ist auf alle Fälle unsicher, die einheimischen Begleiter 
sind unzuverlässig, weil misstrauisch gegen die Fremden, an die sie ihr 
Handelsmonopol mit den Landesprodukten (Wachs, Häute, Straussen- 
federn) nicht verlieren möchten. Die Lenguas wohnen theils an den 
Ufern der Flüsse, wo sie stets mit den Weissen in Berührung sind, 
theils weiter im Innern. Erstere machen den Eindruck verkommener 
Menschen, sind durch Pocken dezimirt, dem Alkoholgen uss ergeben und 
haben das Vertrauen auf ihre eigene Kraft verloren. Die Inlandbewohner 
hingegen sind von den Pocken verschont geblieben, sind stattliche Er- 
scheinungen und viel zahlreicher. Zu letzteren begab sich Redner im 
September 1893 behufs zoologischer Studien in Begleitung von 4 In- 
dianern. Die Landschaft bot wenig Anziehendes; kümmerlicher Wald 
und baumlose Grasfluren wechselten mit einander ab. Charakteristische 
Erscheinungen der dortigen Pflanzenwelt sind die vereinzelten, tonnen- 
formig bestammten Bombax-Bäume, in deren Innerem stets ein S|)echt- 
nest angetroffen wurde; ferner die des festen Holzes wegen geschätzten 



143 

Jacaraada-Bäume, deren Gezweig an unseren deutschen Besenstrauch 
(Sarothamnus scoparius) erinnert; ferner sieht man viele Termiten- 
Bauten, zu auffallend regelmässigen Kolonien. vereinigt. Etwa 160 km 
oder 4 Tagereisen westlich vom Rio Paraguay gelangte Redner an einen 
ausgedehnten Sumpf, aus welchem es ihm gelingen sollte, eine lang ge- 
suchte zoologische Seltenheit, einen sogenannten Lungenfisch, Lepidosiren, 
in grosser Zahl zu erbeuten. An jenem Sumpf liegen 4 Indianer- Toldos, 
je eine Tagereise von einander entfernt, deren Bewohner sich haupt- 
sächlich von jenem Fisch ernähren. Redner betheiligte sich an einer 
Fischjagd. Der Fang mit Netzen und Angeln ist ausgeschlossen, da 
der Sumpf mit Gräsern u. a. Wasserpflanzen durchwachsen ist. Nackend 
gehen die Indianer in den Sumpf und beginnen da, wo das Wasser 
ihnen bis an die Hüften reicht, die Jagd, nachdem sie sich auf Rufweite 
von einander entfernt haben. Zum Jagen dient ein 2 m langer Speer 
aus Eisendraht (früher aus Jacarandaholz), der in einem 2 Fuss langen 
Bambusgriff steckt. Mit dem Speere stechen sie nach allen Seiten um 
sich, bis sie einen Fisch treffen, tödten ihn mit einem Schlag auf den 
Kopf, ziehen ihm einen Bindfaden durch ein Loch hinter dem Kopfe, 
schlingen sich die Schnur um den Leib und schleppen die Beute im 
Wasser hinter sich her. In 4 bis 5 Stunden haben sie genug erbeutet, 
sie gehen ans Land und weiden die Thiere aus. Die erbsengrossen 
Eier werden zu einem Kuchen verbacken und dieser als Proviant auf- 
bewahrt. Das Fleisch hat einen vortrefflichen Lachsgeschmack. Die 
Nahrung des Fisches bildet eine faustgrosse Sumpfschnecke, deren Ge- 
häuse er mit seinen starken Zahnplatten zerbricht. Beim Jagen des 
Fisches tritt man zuweilen in tiefe Löcher, so dass man bis zum Halse 
ins Wasser einsinkt. Die Indianer sagen, das seien die Wohnungen 
des Fiscnes. Die Lepidosiren haben gewaltige Schwimmblasen, die mit 
dem Schlünde in offener Verbindung stehen und den Thieren während 
der regenlosen Zeit als Athmungsorgane, als Lungen, dienen. Das 
beweist auch die hellrothe Färbung des arteriellen Blutes in denselben 
bei frisch getödteten Thieren. Da die Gewässer des Chaco alsdann aus- 
trocknen, so wird das Thier sich, wie ähnliche Lungenfische in andern 
Erdtheilen, in Schlamm hüllen und in demselben ausdauern. Aus dem 
tropischen Amerika waren bisher nur 3 vereinzelte Exemplare von Lepi- 
dosiren bekannt, die vor längerer Zeit im Gebiet des Amazonenstroraes 
angetroffen waren. Die Thiere scheinen nur in stehenden Gewässern 
zu leben und nur gelegentlich durch Zufall in einen Fluss verschlagen 
zu werden, wie ein vereinzeltes, sehr junges Exemplar im Museum zu 
Buenos Aires, das im Rio Paraguay bei Corrientes erbeutet wurde. 
Redner hat 60 in Alkohol konservirte Exemplare und 15 Skelette nach 
Europa gebracht; die Thiere lebend zu behalten, gelang ihm kaum für 
wenige Tage. — Auch das hiesige Nuturhistorische Museum hat ein wohl 
80 cm langes Exemplar erworben, welches neben einem kleineren 
Lungenfisch (Protopterus) aus Afrika bei dem Vortrage ausgestellt war. 
Der Lepidosiren ähnelt seiner Körperdicke wegen am meisten einem 
grossen Molche, zeigt im übrigen aber wie in der Beschuppung des 
Körpers, den flossenartigen Gliedmassen und ausgebildeten Kiemen mit 
Kiemendeckel, den Fisch- oder Aal-Charakter. 



144 

193. Sitzung. 4. Oktober 1894. 
Vorsitzender: H^rr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Im Namen des Vorstandes beantragt der Vorsitzende für 1 Jahr 
die Wiederbewilligung von 2100 Mark zur Bestreitung der Kosten für 
eine besoldete Hilfskraft des Vorstandes und deren Bureau. Der Antrag 
wird genehmigt. 

Alsdann ertheilt der Vorsitzende zunächst das Wort Herrn Dr. 
Michow zum Referat über geographische Litteratur. — Eine Schrift des 
Prof. Günther in München, betitelt »Adam von Bremen, der 
Erste deutsche Geograph« ist vom Verfasser übersandt worden. 
Adam von Bremen ist der bekannte Verfasser der Hamburger Kirchen- 
geschichte, der Hauptquelle für Hamburgs älteste Geschichte. Von 
dieser Seite ist derselbe längst in ausgiebigster Weise gewürdigt worden. 
Der Verfasser weist nach, wie Adam mit allen ihm zu Gebote stehenden 
Mitteln auch zugleich ein geographisches Gebäude errichtet hat, was nie 
zvLYor von deutscher Seite geschehen, indem er ein zusammenhängendes 
Bild des Nordens der Erde von Russland bis Winland in Nord- Amerika 
entworfen, und somit den Titel eines Ersten Deutschen Geographen 
verdiene. — Eine andere Schrift erinnert uns an die Bemühungen und 
Veröffentlichungen, welche zur Aufklärung der Entdeckungsgeschichte 
Amerikas dienen sollten. Man hat speziell auch alles zusammen- 
getragen, was an Schriftstücken von der Hand des Columbus herrührt 
und dasselbe auf ca. 200 Tafeln in Facsimiles veröffentlicht; bisher war 
es aber nicht gelungen, irgend eine Originalkarte zu seinen Entdeckungen 
oder von seiner Hand aufzufinden. Diese Lücke scheint sich ^u füllen 
durch eine Entdeckung, welche Prof. Wieser -Innsbruck in seiner 
Schrift: »Die Karten des Bartolomeo Colombo zur 4ten Reise 
des Admirals« bekannt giebt. Auf dieser 4ten Reise (1503) befuhr 
Columbus die Küste Mittelamerikas von der Honduras-Bucht bis Panama. 
Durch Erkundigungen erfuhr er von Goldschätzen im Innern und von 
einem jenseitigen Meere, das in wenigen Tagen zu erreichen. Dies be- 
stärkte ihn in seiner vorgefassten Meinung, das Festland Asiens vor 
sich zu haben und in der Nähe der Aurea Chersonesus der Alten (Halb* 
insel Malakka) zu sein. Der Admiml selber nahm die Küste, die er 
nach einem Flusse Veragua nannte, mit dem Komi)ass auf, und sein 
Bruder Bartolomeo Colombo, der ihn als Führer eines Schiffes 
begleitete, entwarf eine Karte von Veragua; beides wissen wir aus dorn 
Briefe des Admirals, den er 1503 von Jamaica aus an die spanischen 
Majestäten schrieb. Nach dem Tode des Admirals, 150G, reiste Barto- 
lomeo Colombo mit jener Karte nach Rom, um den Papst für 
Missionsexpeditionen nach Veragua zu gewinnen; in Rom übergab 
Bartolomeo Colombo eine Kopie der Karte mit einem Berichte über 
Veragua einem gewissen Frater Hieronymus, der seinerseits beides dem 
Alex. Strozzi, einem leidenschaftlichen Sammler von Entdeckungs- 
berichten, mittheilte. Diese Berichte, einschliesslich jenes über Veragua, 
sowie des obengenannten Briefes aus Jamaica, vereinigte Strozzi zu 
einem Snmnielbando, der noch heute auf der National-Bibliothek in 



145 

Florenz sich befindet. Die Karte des Bartolomeo Colombo zu seinem 
Berichte über Veragua schien dabei zu fehlen, ist aber, wie Professor 
Wies er im Einzelnen nachweist, wieder zu erkennen in drei flüchtigen 
Skizzen, welche von der Hand des Alex. Strozzi, zwar nicht dem 
Berichte des Bart. Colombo, wohl aber jenem Briefe des Admirals 
aus Jamaika beigefügt sind. Sie stellen die Tropenzone in 3 gesonderten 
Stücken dar : 1. Asien. 2. Afrika, 3. die von Coiumbus durchmessenen 
Erdenräume von Europa bis Veragua, der vermeintlichen Küste Asiens 
(Sinarum situs), so dass hier wie auf keiner andern Karte aus dem 
Anfang des 16. Jahrhunderts die Grundidee des Coiumbus, das 
Hauptargument für die Durchführbarkeit seines Projektes, Asien auf dem 
Westwege zu finden, nämlich die Verringerung der Meeresräume zwischen 
Europa und Ostasien auf Vs des Erdumfanges zur Darstellung gelangt 
ist. Die Karte ist die einzige Spezialkarte zu des Coiumbus 4. Reise 
und ihr Entwurf, wie es scheint, auf den Admiral und seinen Bruder 
zurückführen. 

Alsdann hielt Herr Artillerie-Lieutenant Schloifer ans Hagenau 
den angekündigten Vortrag über seinen Aufenthalt am Victoria- 
See. Redner geleitete im Auftrage des Antisklaverei-Komites im Sep- 
tember 1892 eine Expedition von der Ostküste Afrikas nach dem ge- 
nannten See. Die Absicht, den Dampfer »Carl Peters« nach dem See 
zu transportiren, musste aufgegeben werden, da die Transport-Kosten, 
auf etwa ^k Million Mark veranschlagt, von dem Komite nicht auf- 
gebracht werden konnten. Der Zug bis zum See nahm 2V« Monat in 
Anspruch; ein gewaltsames Eingreifen war nur bei den feindlich auf- 
tretenden Wakimba nöthig; sonst unbehelligt, kam der Zug nach Bu- 
kumbi am Südufer des Sees. Von hier aus setzte man über nach der 
Insel Ukerewe, um von dem dortigen Könige die versprochenen 200 
Arbeiter nach der Insel Ukara überzuführen, wo das Komite einen guten 
Hafen ausfindig gemacht hatte und nun eine Station angelet wurde. 
Die feindlichen Wakara mussten zunächst unterworfen werden. Ihre 
Niederlage machte grossen Eindruck, und die Arbeit an dem Stations- 
bau, wozu nur Eichenholz Verwendung finden konnte, ging, wenn auch 
langsam, von statten. Mit Anbruch des Jahres 93 zog Redner nach 
Uganda, um Mannschaften anzuwerben, zunächst mit Segelboot über 
den See nach Bukoba an der Nord Westküste. Diese Station, von Emin 
Pascha angelegt, ist die Grenzwacht gegen die Waganda in fruchtbarer 
viehreicher Gegend. Von hier ging es zum Sesse-Archipel, der aus ca. 
500 Inseln bestehend, politisch zu Uganda gehört, aber von einem 
andern, feigen und furchtsamen Volke bewohnt ist. Weiter ging der 
Zug nach Uganda im Norden des Sees. Uganda ist ein fruchtbares, sehr 
feuchtes Gebirgsland, wo nur die Banane als Nährpflanze gebaut wird, 
die wenig Arbeit erfordert, so dass die intelligenten Bewohner sich ganz 
der Politik und dem Kriege widmen können. Bei ihrer Gelehrigkeit 
und Wissbegierde hat das Christenthum schnell Eingang gefunden, leider 
nicht zum Segen des I^andes. Das Volk ist jetzt zersplittert in drei 
Parteien: Mohammedaner, Katholiken und Protestanten, von denen die 
beiden letztgenannten sich aufs Heftigste befehden. Der früher mächtige 
König ist jetzt machtlos, besitzlos, hat aber sein Schicksal reichlich durch 

10 



146 

Beine früheren Schandthaten verdient; auch hat er dreimal die Religion 
gewechselt; jetzt nennt er sich Protestant. Die Macht ist in Händen 
der Häuptlinge. Redner wurde als Deutscher überall freundlich auf- 
genommen, durchzog das Land, um Elefanten zu jagen, deren Fleisch 
die Eingeborenen nach dem östlich gelegenen Usoga verkaufen resp. gegen 
Schafe und Ziegen eintauschen. Die Engländer befanden sich im Kriege 
mit den Wawuma, den bis dahin noch nicht unterworfenen Bewohnern 
der Insel Uwuma im NO des Sees; 300 Böte der Engländer und 
Waganda hatten gegen mindestens 1000 feindliche Böte zu kämpfen ; 
letztere wurden durch die Maxim-Geschütze der Engländer zum Theil 
in Grund geschossen, die übrigen ergriffen die Flucht. Mehrere Stämme 
unterwarfen sich. Leider Hessen sich die christlichen Waganda bei der 
Verfolgung des Feindes schlimme Grausamkeiten zu Schulden kommen, 
wogegen die Engländer, die auf die Hülfe der Waganda angewiesen 
sind, nichts machen können. — Dem Redner gelang es schliesslich 
Soldaten anzuwerben, und zwar Mohammedaner, die am brauchbarsten 
sind, und auf den Sesse-Inseln, wo die Engländer ganz ohne Einfluss 
sind, wurden durch eigene Bemühung Böte erworben. Dann wurde 
der Rückzug angetreten über Bukoba nach Ukerewe, wobei die Expedition 
unter den heftigen Stürmen der Regenzeit zu leiden hatte. Nachdem 
die angeworbenen Waganda militärisch ausgebildet waren, ging es von 
Ukerewe nach der Ostküste des Sees, um an der KawirondoBucht eine 
Station anzulegen und die umwohnenden Stämme von ihren Plage- 
geistern, den Wagaia, zu befreien. Im Lande der Waruri wurde die 
Hauptfeste der Wagaia, die von Norden ins Land gedrungen waren, 
erstürmt. Alle Dörfer der Wagaia liegen auf Felsspitzen und bilden 
natürliche Festungen. Die Krieger sind nur mit 3 m langen Speeren 
ausgerüstet und wissen sich durch geeigneten Schmuck ein furchtbares 
Aussehen zu geben. Es wurde grosse Beute gemacht und mit der 
Sultanin der Wagaia Friedens- Verhandlungen angeknüpft. Doch wurde 
die beabsichtigte Station nicht angelegt, weil die politische Lage zu un- 
sicher ist und deshalb auch Mangel an Lebensmitteln herrscht; Anbau 
von Pflanzen findet nicht statt, und Fleischnahrung ist den Ein- 
geborenen nicht zuträglich. Zurück ging es nach Süden zur Ukara- 
Station, wo reiche Viehheerden gehalten, Butter und Käse gewonnen 
und europäische Gemüse gebaut werden. Von Ukara aus erhielt Redner 
durch den Chef Langfeld den Auftrag, wieder zur Küste zu gehen, 
um dort neue Träger anzuwerben. Am 28. Juni 1893 wurde aufgebrochen 
und der Weg unter mannigfachen Kämpfen zur Küste zurückgelegt. 
Am wenigsten Gefahr bot jetzt die Massai-Steppe, deren sonst sehr ge- 
fürchtete Bewohner durch Hunger und Seuchen dezimirt, gänzlich her- 
untergekommen sind. An der Küste traf den Redner der harte Schlag, 
dass das Antisklaverei-Komite ihm weitere Mittel nicht bewilligen konnte, 
sondern selber bald das Zeitliche segnete. — Redner kehrte nach Europa 
zurück. Die Schutztruppe aber hat das Erbe jenes Komitees angetreten 
und wird hoffentlich in der Lage sein, daselbst günstigere Verhältnisse 
herbeizuführen. Der Victoriasee scheint berufen, wegen seiner frucht- 
baren Ufer und intelligenten Umwohner noch eine grosse Rolle in der 
Geschichte unserer Kolonie zu spielen. 



147 
194. Extra-Sitzung. 11. Okiober 1894. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende legt zunächst einige litterarische Eingänge vor, 
namentlich ein Geschenk des Verfassers, Herrn Professor Kiepert in 
Berlin, die erste Lieferung seines neuen grossen Kartenwerkes, betitelt: 
vFormae Orbis Antiqui«, ferner von dem Herrn von Holten hierselbst 
ein bei dem jetzt allgemeinen Interesse für Ostasien zeitgemäss er- 
scheinendes Geschenk, nämlich zwei Werke über China aus dem An- 
fange dieses Jahrhunderts (1804): 1. Gebräuche und Kleidungen der 
Chinesen in 60 kolorirten Kupfern mit Erläuterung; 2. Die Strafen der 
Chinesen in 22 kolorirten Kupfern mit Text, beides in gross 4". 

Alsdann begrüsst der Vorsitzende Herrn Prof. Schweinfurth mit 
folgenden Worten: Eine ausserordentliche Sitzung hat natürlich eine 
ausserordentliche Veranlassung; dieselbe ist in diesem Falle zugleich 
eine hochfreudige, weil sie uns Gelegenheit bietet, unser verehrtes 
Ehrenmitglied in unserer Mitte zu sehen. Als Herr Prof. Schwein- 
furth vor 20 Jahren von seinen ejwchemachenden Reisen aus dem 
Herzen Afrikas zurückgekehrt war und ihm von allen Seiten Anerkennung 
zu Theil wurde, hat im Jahre 1875 auch unsere Geographische Gesell- 
schaft sich dadurch ehren zu müssen geglaubt, dass sie diesen Forscher 
zu ihrem Ehrenmitgliede ernannte, und ich glaube deshalb im Namen 
aller Anwesenden zu sprechen, wenn ich die Freude über sein Erscheinen 
ausspreche. Ich begrüsse Herrn Prof. Schweinfurth aufs Herzlichste 
und bitte ihn, nunmehr das Wort zu nehmen. 

Redner dankt für den herzlichen Empfang und fühlt sich glücklich, 
dass er sich der Gesellschaft persönlich vorstellen könne, bittet aber 
zugleich um Nachsicht mit seiner Vortragsweise, weil der Schauj^latz 
seiner Thätigkeit mehr die Wildniss als die Kulturwelt zu sein pflege. 
— Wie angekündigt, wolle er Mittheilungen machen über das Italienische 
Kolonialgebiet der Erythraea in Nord-Abessinien, welches er im 
letzten Winter bei Gelegenheit einer Jagd-Expedition durchforscht habe. 
Redner legt als Probe der grossen italienischen Landesaufnahme daselbst 
ein grosses Blatt vor, auf welchem im Massstabe 1 : 50 000, auf Grund 
sorgfältiger Triangulation, mit Höhenkurven von 50 zu 50 m ein Theil 
von Erythraea kartirt ist. Abessinien hat als orographische Grenzlinie 
nach Osten die 2000 m hohe Abfallslinie des Hochlandes, von wo das 
Tiefland sich bis zum Meere erstreckt. Ersteres bestehe aus Granit, 
Gneiss und Schiefer; letzteres aus Sand, Gerollen, mit vulkanischen 
Erhebungen und rezenten Korallen, wenig Regen, aber genügend Akazien- 
Vegetation für Kamelzucht und Hirtenlebeu, welches unter dem poli- 
tischen Schutze der Neuzeit sich wahrscheinlich günstig entwickeln 
werde. — In der Vegetation des Gebietes könne man etwa 9 Gruppen- 
bildungen von Gewächsen unterscheiden: 1. im Hochlande wintergrüne 
Buschwaldung, mit Grasfluren abwechselnd, die nur zur Regenzeit grünen, 
während jene die achtmonatliche Dürre überdauernd, stets in tiefem Grüne 
prangt; 2. ein Waldstreifen in der Tiefe der Flussthäler (Galerie- Wälder) 
mit Feigen und Akazien ; 3. Gebüsch-Dickichte an quelligen Stellen mit 



148 

Farnen, Schlingpflanzen und den hier sonst sehr seltenen Orchideen ; 
4. geschlossene Waldungen am Rande des Ostabhanges in 2000 — 2600 m 
Höhe mit Oelbäumen und bis 25 m hohem Baum- Wachholder ; 5. am 
Westabhange lichter Buschwald, ohne Laub in der Sonnen- oder 
Trockenzeit; 6. ausgedehntes Kulturland mit eigener Vegetation, die an 
den gelockerten Ackerboden gebunden ist, 7. Büschelgras-Steppe nach 
dem Sudan hin; 8. Hochlandswiesen oben an der Wasserscheide, der 
Viehzucht dienend, dazwischen überall Felsblöcke mit Succulentenflora, 
wie Grassulaceen u. a. ; 9. sandige Flussbetten mit eigener Flora. — 
Von Massauah fuhr Redner im Januar 1894 nach Sati auf der Eisen- 
bahn; hier wurden Thiere und Träger beschafft; dann ging es weiter, 
auf der Strasse von Maldi zum Hochlande aufisteigend, in der Richtung 
auf Keren, durch üppige Vegetation mit Winter-Regen (im Hochlande 
fallt nur Sommer-Regen.) Unterwegs wurde das grosse Lager von Wege- 
bauern besucht und konstatirt, dass die italienischen Genie-Offiziere 
überraschende Erfolge mit der Heranziehung der Eingeborenen zur 
Arbeit, speziell zum schwierigen Wegebau, erzielt haben. Hier machte 
Redner eine überraschende botanische Entdeckung, indem er in 
750 — 1600 m Höhe grosse Bestände von wilden Limonen (Citrus Limo- 
mum var. pusilla) und Pomeranzenbäumen (Citrus vulgaris) fand, deren 
Heimath bisher in Indien gesucht wurde, während ihr wildes Vorkommen 
in Afrika bestritten wurde (cf A. De Candolle, Origine des plantes 
cultivees p. 145). In der Nähe von Keren fand eine Concentration 
grosser Truppenmassen statt, die bei ihren militärischen Uebungen ein 
malerisches Schauspiel boten; meist sind es Abessinier, weniger andere 
Stämme, wie Somal, Sudaner u. a., Christen und Mohammedaner ohne 
Schaden durcheinander. Die Eingeborenen fühlen sich infolge der 
italienischen Siege über die Mahdisten wohl und sicher unter italienischem 
Schutze, besonders die Nomadenstämme des Westens, und die politische 
Stellung Italiens scheint somit in Afrika fest begründet zu sein. Durch 
Einnahme von Kassala hat Italien auch eine vorzügliche Grenzwehr 
gegen Westen gewonnen, denn unmittelbar dahinter (Kassala liegt am 
Mareb, Nebenfluss des Atbara) bis Obdurman am Nil erstreckt sich 10 
Tagereisen weit eine unwegsame Steppe. Das Bestreben der Mahdisten, 
für den Absatz ihres Sklavenhandels die Meeresküste im Osten zu er- 
reichen, scheint definitiv abgeschlagen ; und nachdem mit dem Tode des 
Mahdi, statt der den Abessiniern verwandten Dongolaner die barbarischen 
Bagarra (afrikanisirte Araberstämme) unter dem jetzigen Khalifa zur 
Herrschaft gekommen sind, haben die Mahdisten keine Sympathien 
mehr in Abessinien. — Von Keren ging Redner ins Hochland von 
Demb^llas, einer vorgeschobenen abessinischen Kolonie, deren Häupt- 
linge sich ebenfalls unter italienischem Schutze wohl fühlen. Ungeheure 
Schaaren von Federwild bedeckten und belebten das Hochland, Lauf- 
hühner, besonders Perlhühner den Boden, Tauben die Bäume. Einen 
Monat lang machte Redner hier botanische Studien, die allerhand 
interessante Daten für die Wanderung der Pflanzen lieferten. In den 
laublosen Akazienwaldungen fand sich hier eine wilde Baumwollstaude, 
die einzige der Alten Welt (Gossypium herbaceum L.) In Dembellaa 
blüht die Baumwollkultur bei primitivster Behandlung und ist sehr 



149 

ergiebig bei reichster Fruchtbildung, fast ohne Blatt; aber die Kapseln 
sind nur klein, die Wolle kurz und schwach, aber weiss und seiden- 
glänzend. Die Weberei der Baumwolle wird nur von Mohammedanern 
betrieben; die Christen treiben nur Ackerbau, weder Industrie noch 
Handel. Hier waren zum ersten Male Steuer-Erhebungen durch Italien 
eingeführt worden, und die Abessinier, statt darüber unwillig zu sein, 
produzirten triumphirend ihre Steuer-Quittungen, die ihnen erst einen 
rechtlichen Anspruch auf italienischen Schutz verbürgen und ihnen wie 
ein Talisman gegen ihre Feinde gelten. Auch die italienische Gerichts- 
verfassung mit ihrem öffentlichen Verfahren und der Zuziehung der 
Eingeborenen zum Beisitz gewährt ihnen das Gefühl rechtlicher Sicher- 
heit. In dem Gerichtssaale prangt in grossen Lettern, in italienischer, 
arabischer und amraischer Sprache, also allen verständlich, der Wahr- 
spruch: »Das Gesetz ist für Alle gleiche. So haben es die Italiener 
verstanden, die Eingeborenen willig zu machen zum Militärdienst, zur 
Arbeit und zum Steuerzahlen. Dies Bestreben Italiens, hier ein Thor 
zu öifnen für europäische Kultur und einen weissen Kolonisationskern 
zu bilden, muss den Freund des Kolonisationswesens hoch interessiren ; 
es ist eben einzig in seiner Art und wird von Seiten der italienischen 
Behörden mit Bewusstsein und Energie weiter verfolgt, unbeirrt durch 
die italienische Presse und die Stimme des italienischen Volkes, die 
leider noch wenig Verständniss für dieses Kulturwerk verrathen. Es 
bedarf hier keiner Gründungen von Plantagen und keiner umfassenden 
Einwanderung von Europa. Die tüchtigen Arbeiter sind vorhanden, 
und das Land bedarf nur einer sichern politischen Stellung, die die 
Italiener genügend gewährleisten. Der Ackerbau gewinnt an Ausdehnung, 
der Handel aus dem Sudan und Abessinien nimmt gewaltig zu, be- 
sonders der Kaffee-Handel; die Steuerkraft ist achtungsvoll, obwohl nur 
ein Zehntel von den Steuern bezahlt wird, die der frühere Negus 
Johannes dem Lande auferlegt hatte. Redner meint, dass aus dem 
weissen Kolonisationskern und den Eingeborenen allmählich eine tüchtige 
Mischrasse erwachsen werde. Für den Europäer ist Abessinien besonders 
günstig, weil er hier im Stande ist, als Viehzüchter und Ackerbauer sich 
eine Existenz zu schafien, wie er sie daheim gewohnt war. An der 
Spitze dieses italienischen Kolonisationswerkes steht Baron Franchetti;, 
der langsam, aber sicher vorgeht. Nur in kleinem Umfange, weil die 
Eingeborenen geschont werden müssen, werden Ansiedlungen von 
Europäern betrieben, und diese gedeihen vortrefflich; sie dienen einmal 
als Versuchs-Stationen und sollen zweitens anregend auf die Eingeborenen 
wirken. In weiterem Umfange geht der Staat nicht vor, weil jede 
Bevormundung die Initiative des Einzelnen lähmt. 

195. Sitzung. 1. November 1894. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der einzige Gegenstand der Tagesordnung ist der Vortrag des Herrn 
Oberlehrers Dr. Bromig von hier über »Aegypten, das Land der 
Wunder«, wo Redner im Jahre 1893 längere Zeit verweilt hatte. — 



150 

Redner sucht nachzuweisen, dass Aegypten seit den Tagen des Alter* 
thuuis, wo es von einem Herodot als reich an Wundern geschildert 
wurde, bis auf die Gegenwart dasselbe Wunderland geblieben ist. Eine 
grosse Zahl charakteristischer und lehrreicher Photographien von Land- 
schaften, Tempeln und Ruinen hatte Redner zur Veranschaulichung 
seines Vortrages ausgestellt, — Er schildert die wunderbaren Wand- 
lungen, die das Nilthal alljährlich durchzumachen hat infolge der Ver- 
änderungen des Wasserstandes im Nil, das Leben und Treiben der 
ländlichen Bevölkerung, die mühselige Bewässerung des Landes, den 
Anbau der Nutzpflanzen, die aus erhärtetem Nilschlamme erbauten 
ärmlichen Hütten der Bewohner, sowie die am Rande des Kulturlandes 
belegenen ßegräbnissstätten, die Abgeschlossenheit des Landes nach allen 
Seiten, 8i)eziell im Süden nahe der ersten Stromschnelle die Grenzheilig- 
thümer der Insel Philae mit ihrem Isiskultus. In diesem von aller 
Welt abgeschlossenen Lande bewundern wir ferner die zahlreichen 
Kunstwerke früherer Zeiten: nahe bei Kairo die Pyramiden und die 
Gräber von Sakara, weiter südlich die Gräber von Beni Hassan, die 
Temi^el von Abydos, Denderah und die Ruinen von Theben. Von 
besonderem Interesse, weil von dem düsteren Charakter späterer Bild- 
werke abweichend, sind jene Darstellungen aus der ältesten Zeit, wie sie 
sich in den Gräbern von Sakara finden. Hier hat das tägliche Leben 
der Bewohner mit seinen Vorrichtungen eine naturgetreue Wiedergabe 
gefunden, und die Bildwerke verrathen noch einige Freude am irdischen 
Dasein. Von den Tempelruinen Thebens gab Redner eingehende 
Schilderung an der Hand eines Situationsplanes. Von der im Westen 
des Nils gelegenen sogenannten Todtenstadt haben in neuerer Zeit die 
Königsgräber ein besonderes Interesse gewonnen. . In tiefen Schachten 
waren dieselben, 40 bis 50 an der Zahl, ursprünglich getrennt angelegt 
und schwer zugänglich. Trotzdem wurden sie bereits im Altertbum 
beraubt, und deshalb wurde schon damals ihr immer noch reicher Inhalt 
nach einem einzigen unbekannten Schachte in Sicherheit gebracht. Erst 
1875 wurde dieses Versteck durch Bewohner von Medinet Habu zufällig 
entdeckt und 1881 an die ägyptische Behörde verrathen. Seitdem 
befinden sich die reichen Schätze im Museum zu Bulak. — Tempel- 
bauten an anderen Orten, wie Denderah, gehören einer jüngeren iBeit 
an und lassen griechischen Einäuss deutlich erkennen. Die ägyptische 
Religion mit ihrem Thierdienste und ihrer Unsterblichkeitslehre musste 
für die Fremden viel Anziehendes haben. Zum Schlüsse verweilt Redner 
längere Zeit bei der Darlegung des ägyptischen Götterkultus, besonders 
dem der Isis und des Serapis. 

196. Sitzung. 6. Dezember 1894. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende beantragt Namens des Vorstandes, den 
Italienischen Geographen G uido Cora, Professor in Turin, gelegentlich 
seines am 20. Dezember a. c. zu begehenden 25jährigen Jubiläums als 



151 

ausübender wifisenschaftlicber Geograph, zum Korreepondirenden Mitgliede 
unserer Cresellschaft zu ernennen, Der Antrag winl angenommen. 

Alsdann nimmt der Vorsitzende (Seltenheit, die Aufmerksamkeit 
der Versammlung auf den vor 300 Jahren am 2. Dezember 1594 in 
Duisburg verstorbenen berühmten deutschen Greographen Gerhard 
Mercator zu lenken. Ueber seine äusseren Lebensverhältnisseist man 
so wenig unterrichtet gewesen, dass man sogar seine deutsche Ab- 
stammung bestreiten konnte. Wir haben aber jetzt das kompetenteste 
Zeugniss von ihm selber, indem er in einem seiner Werke bezeugt, dass 
er von deutschen Eltern im Jülich'schen Gebiet geboren und erzogen 
sei, wie er ja auch den grössten Theil seines Lebens in Deutschland 
zugebracht hat. Besser sind wir über seine wissenschaftlichen Arbeiten 
unterrichtet, und dies ist das Wichtigere; da sehen wir eine bewunderns- 
würdige Arbeitsleistung und Vielseitigkeit. Es sei daran erinnert, dass 
Mercator als Mechaniker für Kaiser Karl V. die sinnreichsten Instru- 
mente gemacht, dass er die besten Globen des 16ten Jahrhunderts 
gezeichnet und konstruirt, nicht blos die meisten Karten seines grossen 
Kartenwerkes selber gestochen, sondern auch als praktischer Geodät 
Flandern vermessen und aufgenommen hat. In Duisburg hat er am 
Gymnasium den mathematischen Unterricht geleitet und ist auf dem 
Felde der mathematischen Geographie, seiner Hauptbeschäftigung, stets 
thätig geblieben; daneben hat er sich mit den tiefsten Problemen der 
Theologie, Geschichte, Astrologie, Chronologie beschäftigt und darüber 
geschrieben. Auch beabsichtigte er eine allgemeine Kosmographie, d. i. 
Erd- und Himmelsbeschreibung, zu verfassen. Die meisten seiner 
Arbeiten sind veraltet, aber auf einem Gebiete, dem der mathematischen 
Geographie, findet er noch heute die allseitigste Anerkennung. Die 
geographische Karten-Projektion, die Mercator» Namen trägt, hat diesen 
unsterblich gemacht, und daher ziemt es wohl der Geographischen 
Gesellschaft, dass sie, bei Gelegenheit der SOOsten Wiederkehr seines 
Todestages, seiner gedenke. 

Alsdann b^rüsst der Vorsitzende Herrn Dr. Hans Meyer, Vor- 
sitzenden des Vereins für Erdkunde in Leipzig, und ertheilt demselben 
das Wort zu dem angekündigten Vortrage über die Central- 
afrikanischen Hochgebirge. Wir geben in Folgendem nur die 
Hauptgedanken des inhaltreichen und formvollendeten Vortrages wieder : 
Eine so gewaltsame Nebeneinanderstellung von Gegensätzen, wie Ewiger 
Schnee und Tropenklima, finden wir nur in Afrika und Süd-Amerika; 
hier sind die Hochgebirge aber gemeinschaftlich einem ausgedehnten 
Hochlande aufgesetzt, in Afrika sind dieselben zerstreut, ohne Zusammen- 
hang; dort wie hier aber ruhen sie auf meridionalen Bruchspalten, 
welche durch vulkanische Kräfte veranlasst sind. Die südamerikanische 
Bruchspalte entspricht dem Verlauf der Anden, in Afrika finden sich 
2 Verwerfungen, durch welche die Hochebene Ostafrikas von Nord nach 
Süd gespalten ist. Auf dieser vcrhältnissmässig niedrigen Hochebene 
(ca. 800 m) erheben sich die afrikanischen Bergriesen des Kenia, Kilima- 
Ndscharo und Runsoro, deren Kenntniss uns erst unser Jahrhundert 
gebracht hat. Der Missionar Rebmann sah zuerst den Kilima-Ndscharo 
1848, der Missionar Krapf den Kenia 1849, und die Stanley'schen 



152 

Offiziere JeptiHoii und Parke, früher als Stanley selber, den 
Runsoro 1888. Erstiegen bis zur höchsten Spitze ist bisher nur der 
Kilima-Ndscharo, und zwar, 1889, durch Redner und seinen B^leiter 
Purtscheller. — Die beiden Bruchspalten Ost- Afrikas haben folgenden 
Verlauf: Die Ostspalte (ca. 36" ö.) zieht sich von Ugogo nach N am 
Kenia und Kilima-Ndscharo vorbei zum Rudolf-See und weiter als 
Rothes Meer bis zum Hochlande von Syrien, hier als Jordan-Spalte 
u. s. w. bis zum Taurus-Gebirge. Die Westspalte beginnt im Süden 
mit dem Shire-Thal, zieht durcli den Nyassa-See, Tanganika-See, Albert- 
Edward-See, am Runsoro vorbei zum AlbertSee und weiter den Weissen 
Nil entlang. In beiden Spalten ist ein breiter Landstreifen in die 
Tiefe gesunken bis ca. 1000 m unter der umliegenden Hochebene. Das 
Runsoro-Gebirge ist aber selber nicht vulkanisch, sondern nur der emjxir- 
gehobene östliche Bruchrand jener westlichen Spalte zwischen Albert- 
Edward- und AlbertSee. Die vulkanischen Bergbildungen beider Spalten 
sind aus der Tiefe selber emporgestiegen, so der Mfumbiro im Süden 
des Albert-Ed ward Sees in der Westspalte, und der Kenia und Kilima- 
Ndscharo in der Ostspalte. Der Runsoro, eine 145 km lange Gebirgs- 
kette, ist begleitet im W von dem SemlikiNil, dessen breite Ufer von 
dichtem Urwald bedeckt sind. Der 50 km lange Hau})tkamm des 
Runsoro ist in Hörner und Zacken zerrissen. Bei Tage ist das Hoch- 
gebirge von dichten Nebeln, bezw. Wolken umhüllt, die aus den feuchten 
Urwäldern sich erheben und in heftigen Gewittern sich entladen. Zu 
Unterst bedecken den West-Abhang Kulturlandschaften bis 2200 m ; 
hier beginnt Urwald, untermischt mit Bambus- Dickichten, bis bei 
oOOO m Baum-Eriken den Beginn der Moor- und Moos-Region ankünden, 
die bis zur Schneegrenze bei 4300 m reicht; darüber das schneeige 
Hochgebirge, nach Dr. Stuhlniann's Beschreibung ohne Zweifel mit 
Gletschern bedeckt. — Anders ist das Bild des Kenia, der 5800 ni 
erreicht; bei ihm ist der Boden der Bruchspalte mit Vorbergen angefüllt, 
er selber ein sehr flacher Kegel mit einer aufgesetzten grotesk-zackigen 
Spitze. Der Kenia ist in seiner Mittelregion mit dichtem Bambuswald 
bedeckt, der bei 2400 m beginnt; an der Baumgrenze bei 3200 ni 
beginnt hier die Moossteppe und reicht bis zur Schneegrenze in 4500 ni 
Höhe. Wenig höher öffnet sich der alte Krater des Kenia, aus dessen 
Grunde die Pelsenspitze des Pik 1200 m emi)orragt, als übriggebliebener 
Kern des einstigen Eruptionskegels, während Gletscherströme seitlich 
hinausdringen. — Der Kilima-Ndscharo erhebt sich einsam aus der 800 m 
hohen Ebene bis 6010 m in do})pelgegipfeltem Kegel. Die tiefere Erd- 
senke zu seinen Füssen hat er ganz mit Laven zugeschüttet. Seine 
Basis hat eine Ausdehnung von 100 bei 80 km. Bei 4000 m Höhe 
gelangt man über steilen Hang auf eine 20 km breite Ebene, der die 
beiden Gipfel, Ki})o und Mawensi, aufgesetzt sind. Auch um dieses 
Hochgebirge lagern sich täglich die aus der Tiefe aufsteigenden Nebel, 
zu W^olken verdichtet, und verhüllen die Gipfel. Redner hat in 1887 
und 1889 den Berg bestiegen, von der Südost Seite aus. Hier kommt 
man aus der unteren, trocknen Baumsteppe bei 1000 m Höhe in die 
Kulturlandschaften von Dschagga; bei 1900 m beginnt, der Wolken- 
region entsprechend, ein dichter Urwald mit zahlreichen Spuren von 



153 

ElefaQten, ähnlich dem V^'egetationsbilde des Runsoro, zu oberst mit 
Baum-Eriken gemischt; nur fehlen am Kilima-Ndscharo die Bambus- 
dickichte, die am Kenia die Urwaldzone bilden; auch fehlen die Moor- 
und Moos-Steppen der 2 anderen Bergriesen; es folgen hier vielmehr 
auf den Urwald, bei 3000 m Höhe, weite Grassteppen, dann eine kahle 
Hochebene bei 4400 m, von der sich die beiden Gipfel erheben ; zwischen 
beiden Gipfeln wurde vom Redner bei seiner zweiten Besteigung für 
drei Wochen Standquartier genommen. Pelzsäcke mussten Nachts gegen 
die Kälte (bis — 14° C.) schützen; für die Verpflegung waren Zwischen- 
Stationen bis zum Fuss des Berges angelet; nur 1 Neger blieb im 
Standquartier, während Redner und Purtscheller die weiteren Be- 
steigungen ausführten. Der Kibo, der höhere der zwei Gipfel, ist mit 
einem Eismantel von 60 bis 80 m Dicke bedeckt, von dem Gletscher- 
zungen bis 4000 m Meereshöhe hinabreichen. Die Athemnoth infolge 
der dünnen Luft machte die Ersteigung besonders schwierig, aber nach 
12stündigem Klettern wurde die höchste Eiskuppe erreicht, und die 
kühnen Bergsteiger standen plötzlich am Rande eines' riesigen Kraters, 
dessen Wände nach innen jäh abstürzten. Im Innern erhebt sich 150 m 
hoch ein Eruptionskegel, und an der Westseite dringen Gletscher durch 
eine tiefe Schlucht nach aussen. Bei einer 2ten Ersteigung des Kibo 
wurde erst auf der allerhöchsten Spitze des Kraterrandes (6010 m) als 
auf der höchsten Stelle afrikanischen wie deutschen Landes die deutsche 
Flagge aufgepflanzt. — Bei allen 3 Bergriesen sind Eis und Schnee auf 
die Süd- und die Westseite beschränkt, und hier allein findet sich auch 
eine üppige Vegetation. Dies ist Folge der Windrichtung. In Central- 
Afrika herrschen südliche und westliche Winde; der Monsun der Ost- 
küste läuft mit dieser parallel und schneidet die Regenzufuhr vom 
Indischen Ozean her ab. Jene südlichen und westlichen Winde bringen 
die Feuchtigkeit aus dem Seen-Gebiet und der Urwald-Region des Congo. 
Die Vergletscherung der Hochgebirge ist früher ausgedehnter gewesen, 
wovon deutliche Spuren bis 2800 m hinab gefunden sind. Eine all- 
gemeinere Vereisung, auch des afrikanischen Tieflandes, ist nicht an- 
zunehmen, glazicale Spuren fehlen daselbst. . Im übrigen sind grosse 
Klima-Schwankungen nicht abzuleugnen. Eine frühere Periode starker 
Niederschläge in dem jetzt trockenen Ost-Afrika würde, wie Redner 
ausführlich nachweist, genügen, um jene weitergehende Vergletscherung 
der Hochgebirge, sowie eine Monge sonst räthselhafter thier- und pflanzen- 
geographischer Erscheinungen zu erklären. — Zum Schlüsse führte 
Redner eine grosse Zahl instruktiver Lichtbilder ans dem be«;prochenen 
Gebiete vor. 

197. Sitzung. 10. Januar 1895. 

In der Aula der Gelehrten-Schule, unter Betheiligung von Damen. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der einzige Gegenstand der Tagesordnung ist der Vortrag des 
Herrn Generalkonsuls v. Hesse- Wartegg über »Korea auf Grund 



154 

eigener AnBchauuugc. Der Vorsitzende giebt der Freude Aus- 
druck, dass es der Geographischen Gesellschaft wieder vergönnt sei, ihr 
Korrespondirendes Mitglied Herrn v. Hesse-Wartegg in ihrer Mitte 
zu sehen. Als derselbe zum letzten Male in unserer Mitte geweilt, habe 
er uns ein geistvolles Bild von Chicago gegeben, wohin damals alle 
Augen gerichtet waren. So seien in letzter Zeit auch aus unserer Mitte 
die Blicke nach dem fernen Osten Asiens gerichtet und unser lebhaftes 
Interesse durch den dortigen Krieg geweckt worden; wir seien nun in 
der glücklichen Lage, das Neueste aus diesem interessanten Gebiete aus 
dem Munde eines Augenzeugen hören zu sollen. Er danke dem Gaste 
für die Uebernahme des Vortrages und heisse ihn im Namen der 
Gesellschaft au& Freundlichste willkommen. 

Derselbe giebt alsdann ausführliche Mittheilungen über seine Er- 
lebnisse, wie über Land und Volk der Koreaner. Die Absicht, Korea 
von Süden nach Norden zu durchreisen, war nicht mehr möglich, weil 
bei seiner Ankunft bereits die jetzigen Kriegswirren begonnen hatten. 
Sein Besuch galt deshalb nur der Hauptstadt Seul (sprich : Schaul) und 
einigen Hafenplätzen; dies genügte auch, eine Fülle interessanter Be- 
obachtungen zu machen. Korea erschien ihm wie ein ostasiatisches 
Pompeji, wie ein China aus der Zeit der Ming-Dynastie vor 300 Jahren. 
Längst vorher hatte Korea seine Kultur von China erhalten; besonders 
berühmt war seine Porzellan-Industrie, die durch koreanische Arbeiter 
nach Japan verpflanzt wurde und das noch jetzt hochgeschätzte Satsuma- 
Porzellan lieferte. Als im 17. Jahrhundert die Mandschuren China 
überflutheten und die jetzige Mandschu- Dynastie gründeten, sperrte sich 
Korea ab und blieb zurück, was besonders dem Mandarinen-Unwesen 
zu verdanken ist. Damals wurde zwischen Korea und China eine 
neutrale Zone gebildet, vom Jalufluss bis 76 Kilometer nordwestlich, 
jetzt zu China gehörig. In dieser Zone wurden alle Ortschaften zerstört, 
die Bewohner ins Innere von Korea verpflanzt; ebenso wurden an der 
koreanischen Küste alle Orte niedergebrannt. 

In der Bevölkerung sind zwei Stämme zu unterscheiden, die älteren 
Tungusen, vom Norden eingewandert, jetzt noch spärlich im Nordosten, 
später unterjocht durch die von Westen kommenden Tataren, die hier 
ein ganz kaukasisches Aussehen haben, den behäbigen Mecklenburgern 
vergleichbar. Die Hauptstadt darf auf eine viertel Million Einwohner, 
ganz Korea auf 5 Millionen geschätzt werden. Die Volkstracht ist ein 
weisses Gewand bei den Männern, wie ein langes Nachthemd, und ein 
breitkrämpiger sogen. Rembrandt-Hut ; letzteren schreibt Redner dem 
Einfluss der Holländer zu, die dort gelegentlich ihrer Reisen nach Japan 
gestrandet sind. Jedenfalls blieb Korea bis 1882 dem Auslande ver- 
schlossen, und französische Missionäre, denen es gelang, sich Eingang 
ins Land zu verschaflen, haben dies schliesslich mit dem Tode büssen 
müssen. Hüte sind übrigens Zeichen der Verheiratheten, ebenso wie 
die Zöpfe; die Un verheiratheten haben das Haar lang herunterhängend. 

Die Frauen halten sich, wie im Islam, verborgen, tragen auch lange 
weisse Gewänder, die hoch zusammengehalten werden. Zur Schliessung 
der Ehe werden den Söhnen die zukünftigen Frauen durch die Väter 
ausgesucht. Die Hochzcitsceremonie ist höchst einfach und besteht 



155 

vornehmlich in der Annahme der neuen Haartracht. Die Stellung der 
Frau ist eine ziemlich knechtische; sie allein arbeitet, besonders viel 
Mühe macht die Wäsche und Glättung der weissen Gewänder. Die 
Häuser sind meist Strohhütten, die Strassen sind kleine Wasserläufe, 
die allen Unrath aufnehmen, und das Tragen von Sandalen erfordern, 
die handbreithohe Absätze haben. Die Häuser sind aus rohen Baum- 
stämmen errichtet, mit Reisstroh gedeckt, die Fensterscheiben aus 
Papier hergestellt. Geheizt wird Sommer und Winter, im Winter gegen 
die Kälte, im Sommer zum Austrocknen der Wohnungen ; der Rauch- 
fang führt den Rauch unter dem Fussboden hindurch auf die Strasse; 
so ein£EK;h ist auch der königliche Palast, nur das Audienzzimmer ist in 
europäischer Weise ausgestattet. Hauptnahrung ist der Reis, Getränke 
Reiswein und Reiswasser; gegessen wird auch Hundefleisch. Milch darf 
nur der König trinken. Sterblichkeit unter den Kindern ist der 
mangelhaften Ernährung wegen gross, unter den Erwachsenen gering, 
doch grassiren gelegentlich die Blattern. 

Die Religion besteht in Aberglauben und Ahnenkultus. In der 
Gerichtsbarkeit herrscht noch die Folter; die Strafen sind grausam, 
lassen sich aber umgehen durch Bestechung. Alle Beamten sind 
käuflich; die Mandarinen saugen das Land systematisch aus, daher die 
Verarmung und der Rückgang des Landes. Alle industrielle Thätigkeit 
ist gelähmt, Verkehrsmittel und Strassen fehlen. Seitdem das Land dem 
fremden Handel geöfihet ist (1882), hat das Hamburger Handelshaus 
des koreanischen Konsuls H. C. Eduard Meyer, sich zur Geltung zu bringen 
gewusst, und hat den europäischen Import nach Korea in Händen; 
sonst sind am koreanischen Handel ein wenig die Amerikaner, und 
stark die Japaner betheiligt. 

Redner warnt schliesslich die Deutschen vor zu grosser Sympathie 
mit den Japanern, die persönlich sehr liebenswürdig sind, aber nur 
Interessenpolitik treiben, die Fremden ausnutzen, um dann deren 
schlimmste Konkurrenten zu werden, uns sogar in fremden Ländern 
mit ihren Produkten unterbieten, wie in China, welches für Deutschland 
ein riesiges Absatzgebiet sein könnte. Japan ist als Absatzgebiet für 
Deutschlands Industrie in Zukunft nicht zu verwerthen; es importirt 
statt dessen jetzt schon in Deutschland. Besonders in der Kriegstechnik 
stehen die Japaner schon auf eigenen Füssen, haben ein vortreffliches 
Arsenal in Osaka und bauen eigene Kriegsschiö'e. Ihre Kriegsnachrichten 
sind aber übertrieben; übrigens sind ihre Siege nicht sehr ehrenvoll, 
denn die Chinesen wie Koreaner sind unkriegerische Völker; die dort 
Waffen tragen, sind Gesindel. Doch wird die chinesische Macht nicht 
so leicht gebrochen werden, weil das Reich zu gross und in der 
Stabilität Chinas eine grosse Widerstandsfähigkeit liegt. Jedenfalls 
sollte unsere Sympathie auf Seiten der Chinesen sein. 

Zum Schlüsse weist Redner auf die Vortrefflichkeit der Korea- 
Ausstellung hin, die Herr Konsul ÜJd. Meyer hier im Gewerbe-Museum 
veranstaltet hat, und die nirgendwo ihres Gleichen habe. — Uebrigens 
hatte Redner selber zur Veranschaulichung seines Vortrages eine grosse 
Zahl Photographien ausgestellt. 



156 
198. Extra-Sitzung. 24. Januar 1895. 

In der Aula der Gelehrten-Schule unter Betheiligung von Damen. 

Vorsitzender: Herr Schulrath Prof. Dr. Ho che. 

Einziger Gegenstand der Tagesordnung ist der Vortrag des Herrn 
Landgerichtsdirektors Dr. Föhring von hier über seine Reisen in der 
Normandie und Bretagne im Sommer 1894. 

Das nordwestliche Frankreich, welches heutigen Tages die Bretagne 
und die Normandie umfasst, die etwa 1200 Quadratmeilen gross, von 
der Loire und Seine, dem Kanal und dem Atlantischen Ozean begrenzt 
sind, und in alten Zeiten, wie ganz Gallien, von Kelten bewohnt war, 
hiess damals »Armorica«, von den keltischen Worten ar = an und 
mor = Meer. 

Als Cäsar 58 — 51 v. Chr. Gallien eroberte und auch diese Theile 
besetzte, verschwand der Name Armorica, und beide Provinzen erhielten 
die Namen Provincia Lugdunensis, secunda und tertia. — Im fünften 
und um die Mitte des sechsten Jahrhunderts bemächtigten sich die 
Franken Galliens und schlugen diese ganze Parthie zu Neustrien mit 
der Hauptstadt Soissons. Im neunten Jahrhundert kamen dann die 
Normannen und setzten sich in dem Gebiete fest, das sich von der 
Seine bis westlich zum Cuesnon und südlich bis zur Loire erstreckt. 
Ihr Führer Rolf oder Rollo nahm es 912 von Karl dem Kahlen zum 
erblichen Lehen, heirathete dessen Tochter Gisela und trat zum Christen- 
thum über. Von dieser Zeit an hiess das Land das Herzogthum 
Normandie. Später gehörte es bald zu England, bald zu Frankreich und 
war der Schauplatz blutiger Kriege, bis es im Jahre 1440, 9 Jahre niich dem 
Tode der Jungfrau von Orleans, von Karl VII. dauernd Frankreich 
einverleibt wuride." — Die Normandie ist etwa 550 bis 660 Quadratmeilen 
gross und gehört zu den bedeutendsten Provinzen Frankreichs. Um 
einen Beleg für ihre Bedeutung zu geben, braucht man nur hinzuweisen 
auf den Handelsplatz Havre, den Kriegshafen Cherbourg und die Fabrik- 
stadt Ronen, sowie auf ihre blühende Wald- und Landwirthschaft und 
ihren Viehstand ohne Gleichen. Nach einer Richtung hin erregt sie 
aber noch ein ganz besonderes Interesse: sie ist, wenn auch nicht die 
Wiege, so doch die Entwickelungsstätte des auch heute wieder und 
zwar mit Recht hochgeschätzten gothischen Baust^'ls. Die Grundclemente 
dieses Stils lernten die Normannen kennen, als sie ihre Raubzüge nach 
dem südlichen Italien und Sicilien unternahmen. In ihre neue Heimath 
zurückkehrend, brachten sie denselben dort zur vollen Entwickelung ; 
seinen Gipfelpunkt erreichte er bekanntlich in dem gewaltigen Bau des 
Kcrtner Domes. 

Die Besichtigung dieser gothischen Bauwerke, das Studium des 
allmählichen Ueberganges aus dem romanischen in den gothischen Stil 
zieht Tausende von Reisenden alljährlich dahin, namentlich seitdem die 
London South Western Railway Comp, in den Sommermonaten be- 
stimmte Routen und Züge unter dem Namen Catliednü trains dorthin 
arrangirt hat. Eine solche Tour führt auch nach der Abtei St. Michel, 



167 

die in architektonischer wie historischer Beziehung so interessant ist, 
dass Redner sie gern mehrfach und auf längere Zeit besuchte. Die 
Abtei ist etwa zwei Kilometer von dem Ufer der jetzigen Bucht von 
St. Michel entfernt und liegt auf einem kuppeiförmigen Felsen von etwa 
60 m Höhe. Auf ihm hatten zur Zeit der Kelten die Druiden ihrer 
höchsten Gottheit, der Sonne, ein Heiligthum errichtet. Die Römer 
bauten, als Klaiser Claudius 58 n. Chr. den Druidenkultus verbot und 
die Druiden selbst mit Feuer und Schwert verfolgte, an Stelle desselben 
einen Tempel des Jupiter. Als mit den Merovingern Frankreich anfing, 
ein christlicher Staat zu werden, wich dieser Tempel wiederum einer 
kleinen Kapelle. Im Jahre 708, so erzählt die Sage, erschien der Erz- 
engel Michael dem damaligen Bischof von Avranches, St. Hubert, und 
trug ihm auf, eine Kirche zu bauen; in dieser wollte er erscheinen. 
Kranke heilen, Wunder verrichten und damit das Werk der Heiden- 
bekehrung unterstützen. St. Hubert folgte dem Befehl und baute eine 
christliche Basilika, ähnlich z. B. derjenigen in Trier, die wir heute noch 
als einzige in Deutschland besitzen. Und der Erzengel Michael seiner- 
seits hielt ebenfalls Wort; er erschien, heilte Kranke und that Wunder. 
Der Platz bekam bald einen grossen Ruf, und unzählige Pilger zogen 
dahin, wie auch Karl der Grosse nachweislich dort gewesen ist. Bald 
stellten sich die bestehenden Einrichtungen als ungenügend heraus, und 
es machte sich das Bedürfniss sowohl nach einer grösseren Kirche geltend, 
als auch nach einem Kloster für die Priester und Mönche und nach 
Hospizien für die Pilger. — Der Bau der neuen Kirche dauerte von 
1020—1130, der des Klosters von 1190-1228. Diese langen Bau- 
perioden erklären sich mit den ausserordentlichen Schwierigkeiten des 
Baues, denn wegen der Kuppelform des Felsens waren eine Menge 
Unterbauten nöthig, um eine ebene Baufläche zu gewinnen. Beide Bau- 
perioden zeigen schon an sich das Verhaltniss der Baustile zu einander. 
Die Kirche ist im romanischen Stile begonnen, zeigt den Uebergang 
von diesem in den gothischen Stil und ist im gothischen Stil voll- 
endet. Den letzteren allein, in ernsten und edelsten Formen, zeigen 
die Hospizien und das Kloster. Kirche, Hospiz und Kloster haben 
ihren Zwecken gedient bis zum Beginn der französischen Revolution; 
1811 machte Napoleon I. daraus eine »Maison centrale et de correctionc, 
ein »Central-Gefängnissc ähnlich dem unsrigon in Fuhlsbüttel, und nach 
der Juli -Revolution haben hier viele politische Gefangene, darunter 
Blanqui, Raspail und Barbis gesessen. Nachdem die Abtei 1868 
als Gefängniss aufgehoben war, erliess 1874 der Präsident der Republik 
ein Dekret, wonach sie zum > Monument historique de la France« erklärt, 
die vollständige Restauration aller Bauten verfügt und die nöthigen 
Gelder dazu angewiesen wurden. Die Restauration wurde ausserordentlich 
energisch in Angriff genommen und ist heute fast vollendet. Bald 
wird Frankreich hier einen ähnlichen gothischen Wunderbau haben, wie 
Deutschland im Kölner Dom. 

An zahlreichen herrlichen Photographien, Plänen und Zeichnungen 
erläuterte Herr Dr. Föhring die wunderbaren Schönheiten dieses Baues, 
wie auch insbesondere seine Entstehung. — Der erste Grundriss z. B. 
zeigte die Anfänge der Unterbauten, darunter die Cr3rpte d'Aquilon die 



158 

von so ergreifender Schönheit ist, dass Meyerbeer sie nach der Voll- 
endung seines »Robert der Teufel« für die Pariser Aufführung zur Kirch- 
hofsscene im dritten Akt verwenden liess. Der Grundriss des Hospizes 
enthält einen Keller von riesiger Grösse und einen Schlafsaal sowie Ess- 
lokalitäten tür gewöhnliche Pilger. Der zweite zeigt die »Salle des 
Chevaliers« und das Refektorium, der dritte den Kreuzgang des Klosters 
und das Dortoir der Mönche. Der Eindruck, den der Bau auf den Be- 
schauer macht, ist ein so gewaltiger, dass die Bevölkerung der Gegend 
ihn nach seiner Fertigstellung »La Merveille« genannt hat. Diesen 
Namen hat die Abtei sich bis heute bewahrt; und Vaughan erklärte, dass 
es keinen grossartigeren Bau gebe als diesen. Nicht minder interessant 
als die Abtei ist der Meerbusen von St. Michel, aus dem der Felsen 
sich erhebt, wenn anders derselbe den Namen »Meerbusen« noch verdient. 
Denn er ist heute nichts weiter mehr als eine 12 — 15 französische Quadrat- 
meilen grosse Sandebene, die zweimal innerhalb vierundzwanzig Stunden 
von der Fluth benetzt und von der Ebbe trocken gelegt wird. Bis etwa 
in das 6. Jahrhundert hinein stand auf dieser Fläche ein herrlicher 
Eichenwald. Meeresströmungen und gewaltige Sturmfluthen haben den 
urkundlich festgestellten Wald verschwinden und an seiner Stelle einen 
Meerbusen entstehen lassen, der aber infolge der starken Fluth, die un- 
geheure Massen von Treibsand hierher führt, nach und nach wieder aus- 
gefüllt wurde. Der Treibsand ist stark durchsetzt mit kohlensaurem 
Kalk. In diesem ausserordentlich fruchtbaren Boden gedeihen gewisse 
salzhaltige Pflanzen, z. B. der Seekrapp vorzüglich. Diese setzen sich 
an den Ufern an, der Treibsand füllt die Lücken aus, und es wird auf 
diese Weise die Zeit kommen — man berechnet sie auf höchstens 
200 Jahre — wo der ganze Busen von St. Michel wieder von Erdboden 
ausgefüllt ist. Dann wird der Mont St. Michel nicht mehr eine Insel 
darstellen, sondern eine Erhebung auf flachem Lande, wie zu der Zeit, 
als die Druiden hier der Sonne ihr Heiligthum errichteten. Der kohlen- 
saure Kalk, der massenhaft mit dem Treibsand angeschwemmt wird, 
ist leichter als dieser und liegt daher obenauf. Wegen seiner Düngkraft 
wird er von der Bevölkerung hereingeholt und auf die umliegenden Aecker 
gebracht. Die letzten 5 Kilometer auf dem Wege von Pontorson nach 
St. Michel hat man daher alle 40 — 50 Schritte Kalkberge neben sich. 
Sobald nur der Treibsand einigermaassen sicher und kulturfähig ge- 
worden ist, wird ein Deich aufgeführt und dadurch ein gegen das Meer 
geschützter Landstrich hergestellt, ähnlich wie in Holland die Polder 
und in Schleswig - Holstein die Kooge. Dieser Sandboden bietet aber 
auch seine grossen Gefahren, wenn, wie es häufig geschieht, Leute 
zwischen der West- und der Ostküste, zwischen Cancale und Granvillo, 
zu Fuss oder zu Waagen verkehren wollen. Der Weg ist ein ähnlicher 
wie zwischen Cuxhaven und Neuwerk, jedoch ist der Boden nicht über 
all dicht und zuverlässig, sondern enthält eine ausserordentliche Menge 
von durchlässigen Stellen. Wer in diese geräth, ist rettungslos verloren ; 
er wird in wenigen Minuten von dem Sande festgesogen und ist in 
einigen weiteren Älinuten verschwunden. Ueber die Erklärung der Ur 
Sache und Gründe dieser Erscheinung sind sich die Forscher nicht einig. 
Zunächst wird sie zurückgeführt auf unterirdische Wasserwege, die aus 



159 

alter Zeit zurückgeblieben sind, dann auf eine Eigenthümlichkeit den 
Triebsandes an sich, die er z. B. mit dem Neuschnee der Gletscher ge- 
mein hat, nämlich hohl angetrieben zu werden. Es kommt aber noch 
hinzu, dass diese durchlässigen Stellen, Ilses genannt, nicht stabil sind, 
sondern oft wandern, wie die Wanderdünen, und hierfür fehlt es noch 
an jeglicher Erklärung. Dieser Beweglichkeit wegen nennt die Bevölkerung 
die ganze Sandfläche greve mobile oder sable mouvant. Es gehört ein 
erfahrenes Auge dazu, die durchlässigen Stellen zu entdecken ; sie unter- 
scheiden sich zwar von dem festen Boden (paumelles) dadurch, dass 
dieser facher- und rippenartig gezeichnet ist, die lises dagegen eine voll- 
ständig glatte Oberfläche haben. Wie wenig sich jedoch der Unkundige 
hierauf verlassen kann, das zeigen die vielen Unglücksfalle, die sich all- 
jährlich ereignen. Wollen die Uferbewohner von einer Seite der 
Bucht nach' der andern fahren, so werden 2—3 erfahrene Leute voraus- 
geschickt, die jede zweifelhafte Stelle umgehen. Ihnen folgt der erste 
Wagen, und genau in seiner Spur folgen die anderen. — Es ist keine 
Sage, sondern verbürgte Wahrheit, dass im Jahre 1780 ein Zweimaster, 
den die Ebbe hier festhielt , in einer Nacht verschwand ; und ein von 
dem Rheder des SchiflFes mit grossen Kosten hierher geschaffter Stein 
von 150 kg, der an einem Tau von 50 Fuss Länge befestigt war, verschwand 
ebenfalls vollständig innerhalb 24 Stunden. — Ein alter Strandläufer 
und Sonderling der dortigen Gegend, der sogenannte Marquis de Tom- 
belayne, hat 10 oder 11 Menschen gerettet, die im Begriffe waren, 
unterzusinken, und trotzdem traf ihn selbst in seinem 92. Jahre das 
Schicksal, in einer der lises sein Grab zu finden. — Herr Dr. Föhring 
versicherte, dass er während seines Aufenthaltes in St. Malo keinen 
Schifier habe finden können, der bereit gewesen wäre, mit ihm nach 
Granville hinüberzusegeln ; man erklärte ihm, dass, wenn Windstille 
eintrete und sie von der Ebbe überrascht würden, sie in eine lise ge- 
rathen könnten und dann rettungslos verloren wären. Mit den Worten: 
»Wer da nichts zu thun hat, der bleibe da weg« wies man ihn ab. — 

Als drittes Bild aus der Normandie verbreitete Redner sich noch 
eingehend über Ursprung, Geschichte und Herstellung eines Kunst- 
werkes von hervorragender Bedeutung, das die Normandie besitzt: über 
die in Bayeux befindliche »Tapisserie de la reine Mathilde«, eine Stickerei, 
die 70 Meter lang und 50 Centimeter hoch , auf feinster Leinewand an- 
gefertigt, in 58 Bildern mit 1325 Figuren den Zug ihres Gatten, Wilhelm's 
des Eroberers, nach England und die Schlacht bei Hastings darstellt, 
die ihn 1066 zum König von England machte. 

Es ist Herrn Dr. Föhring nach monatelangem Suchen gelungen, 
auf antiquarischem Wege ein Abbild dieser Tapisserie auf 24 Tafeln in 
seinen Besitz zu bringen, das noch die volle Frische der Farben zeigt. 
Diese Tafeln sollen im Kunstgewerbe- Verein oder im Gewerbe- 
Museum zur Ausstellung gelangen, womit sich den Hamburgern die 
Gelegenheit bietet, eine der interessantesten Stickereien des frühesten 
Mittelalters und zugleich eine der merkwürdigsten geschichtlichen und 
kulturgeschichtlichen Urkunden jener Zeit zu sehen und zu bewundern. 

Der Name »Bretagne« stammt daher, dass im 3. Jahrhundert n. 
Chr. der römische Kaiser Chlorus den sich stets wider die römische 



160 

Herrschaft empörenden Briten dienen westlichen Theil Armorica's als 
Wohnsitz anwies, und dass infolge dessen die Briten massenhaft dorthin 
auswanderten, worauf die Römer dem Landstrich den Namen Britannia 
minor gaben. 

Während der Herrschaft der Merovinger warfen sich dann nach 
und nach verschiedene kleine Dynasten fränkischen Ursprungs hier auf, 
die sich unter einander befehdeten, bis der stärkste und glücklichste 
von ihnen alle seine Gegner unterwarf und sodann zur Sicherung seiner 
Rechtstitel ebenso wie Rollo in der Normandie das Land von den 
Karolingern als erbliches Lehn entgegennahm. 

Von dieser Zeit an bildete die Bretagne ein selbständiges Herzog- 
thum, sank aber wieder zu einer Provinz Frankreichs herab, als der 
letzte Spross des herzoglichen Geschlechtes, die unglückliche und viel 
besungene Anne de Bretagne, obwohl mit dem Erzherzog ' Maximilian 
verlobt, gezwungen wurde, zunächst Karl VII. und nach dessen Tode 
Ludwig XII. ihre Hand zu reichen. 

Die Bretagne ist etwa 100 Quadratmeilen grösser als die Normandie, 
aber weder so reich, noch so bedeutend als diese Provinz. Ihre 
Hauptstadt Brest verdankt ihre heutige glänzende Stellung als Kriegs- 
und Handelshafen ganz wesentlich den Arbeiten Richelieu's, Colbert's 
und Vauban's; ihre Docks können z. B. 500 Linienschi£fe fassen. 
Aber auch schon im frühen Mittelalter galt Brest als e\n Platz ersten 
Ranges, denn es hiess schon damals von ihm: n'est pas maitre de la 
Bretagne, qui n'est pas sire de Brest. 

In der Richtung von Westen nach Osten wird die Bretagne von 
zwei grösseren Gebirgen, den Montagnes d'Arrees und den Montagnes 
Noires durchzogen, welche reich an sehr silberhaltigen Bleigruben sind 
und mit ihren Schieferbrüchen etwa 10 000 Bewohnern Beschäftigung 
geben. — Ein sehr erheblicher Theil des Bodens ist Sumpf und Heide, 
so dass Ackerbau und Viehzucht erheblich zurückstehen ; dennoch ist die 
Butterfabrikation (Morlaix), der Flachs- und der Gemüsebau von grosser 
Bedeutung; namentlich die Küstengegeud von RoscoflF liefert in den 
Sommermonaten alltäglich zwischen 60 und 80 bis 100000 Kilo Garten- 
früchte und Kleinobst aller Art nach Paris, so dass das Hektar Garten- 
land hier eine Pachthöhe bis 600 Frcs. erreicht. Zum Ausgleich dessen, 
was ihnen die Natur ihres Landes entzogen, haben sich die Bretagner 
in verschiedenen Arrondissements je nach Gestaltung der Umstände 
auf mancherlei Industriezweige geworfen, deren pekuniäre Erträgnisse 
nach und nach recht bedeutende geworden sind, namentlich unter 
energischer Ausbeutung des sich alljährlich noch steigernden ungeheuren 
Fremdenverkehrs, bestehend aus Franzosen, speziell Parisern, und Eng- 
ländern, welche alle, dank den bestehenden umfangreichen Einrichtungen, 
hier ebenso wie in der Normandie rasch, bequem und billig reisen 
können. Zu diesen Industrien gehören vor allen Dingen Stickereien 
aller Art und zu allen Zwecken aus der Basse Bretagne in vortrefflichen, 
theils hochinteressanten Mustern und bester Ausführung, Fayencen aus 
der Gegend von Quimper, von gefälligen Formen, bester Glasur, mit 
den klassischen Flächenornamenten der alten Potterien von Rouen und 
entzückenden Bildern aus dem Bretagnischen Volksleben, namentlich 



161 

KirmesBfeeten, Prozessionen, Hochzeiten etc. etc.> in denen allen die 
Musik, speziell der Dudelsackpfeifer eine grosse Rolle spielt; endlich die 
Fabrikation der »Meubles bretons« im Departement llle et Villaine, 
speziell in den Städten St. Servau und Dinan, welche dort Tausende 
von Tischlern und Bildhauern beschäftigt. Das Holz ist durchweg 
Kastanienholz, die Schnitzereien sind, soweit nicht dem Pflanzenreich, 
den Emblemen der Wappen der Bretagne bezw. der Städte derselben 
und dem Volksleben entnommen; die Beize ist tief dunkelbraun; die 
Preise sind nicht hoch. Daneben wird das Meer von den Küsten- 
bewohnern in einer Weise auFgebeutet, wie wohl nirgends anderswo. 
Neben einer ausserordentlichen Menge von Salinen, in denen das Meer- 
salz durch Verdunstung des Wassers gewonnen wird, ist überall, wo die 
Natur des Ufers es gestattet, die ganze ungeheure Küste mit Anlagen 
für die künstliche Au^ternzucht nach holländischem Muster und mit 
Austernparks zur Mästung der schon im Frühjahr gefangenen und in 
die Parks gesetzten Austern bedeckt. Aehnliche Parks für Hummer 
und Langusten mit einem Durchschnittsbestand von 15 000 bis 20 000 
Exemplaren finden sich in Cancarneau und in Roseoff und versorgen 
ganz Frankreich, Belgien etc. mit diesen beliebtesten aller Crustaceen; 
endlich ist der Sardinenfang in der Bucht von Douarnez, der ent- 
zückenden »baie de Naples du Nord«, von solcher Bedeutung, dass etwa 
3500 Fischer mit 700 Fahrzeugen ihm obliegen können. 

Das bis jetzt Besprochene giebt ein kurzes uud übersichtliches Bild 
der Bretagne von heute. In das heutige bunte Leben derselben ragen 
dann noch wunderbare Denkmäler einer so grauen und so lange ver- 
gangenen Vorzeit hinein, dass dieselben schon zu Cäsar's Zeiten als 
prähistorische Antiquitäten galten: ich meine die grosse Menge der 
megalithischen Steinsetzungen der Kelten, speziell ihrer Priester, der 
Druiden, und ich zähle dahin die Menhir, die Cromlech, die Dolmen 
und die Steinreihen von Carnac, theilweise befindlich auf der Halbinsel 
Crozon im Departement Finistere und theilweise und in der überwiegend 
grössten Mehrzahl und Grösse in der Gegend von Vannes, Auray und 
Carnac im Departement Morbihan. — Menhirs (men = Stein, 
hir = gross) sind in den Erdboden eingepflanzte, anscheinend als 
Gedächtnisssteine dienende Monolithen, von denen der grösste stehende 
35 Fuss hoch über dem Erdboden, 10 Fuss im Erdboden stehend, sich 
bei der Eisenbahnstation Dol, und der grösste umgestürzte und über- 
haupt der grösste der ganzen keltischen Welt mit 67 Fuss Länge und 
durchschnittlich 9 — 10 Quadratfuss Dicke in Carnac selbst sich befindet; 
jener wird auf 3000 Centner, dieser auf 5000 Centner Gewicht 
geschätzt ; der grosse Krahn unserer neuen Docks würde somit den ersten 
kaum, den zweiten bei weitem nicht bewegen können. — Cromlechs 
(crom = rund, lech = geweihter Stein) sind eine Anzahl in Kreisform 
zusammengestellter Menhirs, die wahrscheinlich religiösen Zwecken 
gedient haben; die Zahl der Steine beziffert sich gewöhnlich auf 12, 
19, 20, 30, 40 oder 60 ; auch pflegt ausserhalb des Kreises ein länglicher, 
theilweise etwas ausgehöhlter Stein zu liegen, der als der Platz angesehen 
wird, auf welchem das Opferthier geschlachtet wurde (Schlachtstein), 
um später das reine Blut auf den Altarstein bringen zu können. 

u 



162 

Dolmen (dol = gestreckt, men = Stein) sind Ganggräber, wie wir sie 
auch in Deutschland und in den nordischen Ländern häufig finden 
(z. B. das Denghoe auf Sylt) ; doch sind die keltischen Grabstellen sehr 
lang, die Kammern sehr breit und die Decksteine erreichen oft eine 
Länge von 20— 28 Fuss, einen Umfang von 8 — 10 Fuss und ein Gewicht 
von mehreren Tausend Centnern. Ist der Dolmen noch mit seinen, aus 
Steingeröll und Erde bestehenden, hügelartig über ihn aufgeworfenen 
tumulis bedeckt, so heisst das Ganze auf keltisch Galgal oder Mane, und 
ähnelt dann am meisten den bei uns vorkommenden Hünengräbern. 

Der grösste Galgal befindet sich 4 Stunden von Auray entfernt auf 
der kleinen Insel Gaor' Innis. Er ist fast 40 Fuss hoch, mehrere 
Hundert Fuss im Umkreise; Gang und Kammer zusammen haben eine 
Länge von 47 Fuss. Auf einer kleinen Insel, el Laniac, daneben, finden 
sich zwei in Form einer 8 aneinander gesetzte Cromlechs. 

Die räthselhaften Steinreihen von Carnac stehen in 3 echelonartig 
aufgestellten Abtheilungen bei Le Meunec, Kermario und Kerlascon; 
sie bilden 11 ziemlich parallele Reihen ; sie enthalten noch heute, theils 
stehend, theils umgefallen, bezw. von der Regierung wieder aufgestellt, 
etwa 4()00 Steine in der Höhe von 12 bis 14 Fuss und entsprechender 
Breite, und es sollen ihrer in alten Zeiten sogar 11 000 gewesen sein. 
Ihre Bestimmung und ihre Bedeutung ist noch nicht ergründet; 
die Prähistoriker haben sich in Vermuthungen aller Art ergangen, eine 
Lösung aber noch nicht gefunden. Viel rascher jedoch als die Wissen- 
schaft ist die Sage mit der Frage fertig geworden. Nach ihr bedrohten 
11 000 in drei Heerhaufen heranziehende Heiden den bei Carnac mit 
einer kleinen Schaar neu bekehrter Christen aufhältlichen heiligen 
Cornelius njit völliger Vernichtung, als plötzlich der allmächtige Christen- 
gott auf das Flehen des Bischofs die Heiden in Steine verwandelte und 
die Christen rettete. 

Wenn noch bis heute auf Conzon wie bei Carnac hunderte dieser 
alten Steinsetzungen völlig, oder doch zum grössten Theil und reichlich 
erkennbar, erhalten sind, so ist dies wesentlich auf Rechnung des Aber- 
glaubens zu stellen, dass in denselben entweder eine wohlthätige Fee 
oder eine gefahrliche Hexe lebe, und mit beiden wollte es die vorsichtige 
Bevölkerung nicht verderben. In neuerer Zeit jedoch, wo jener Aber- 
glaube einer grösseren Aufklärung gewichen ist, und die Hand des 
Landmannes oft nach jenen Steinen greift, hat die französische 
R^ierung sie durch ein besonderes Gesetz als Monuments historiques 
de la France und als Propricte de l'Etat erklärt, jede Beschädigung unter 
schwere Strafe gestellt und bei jedem dieser alten Denkmäler einen l> 
Fuss hohen Stein mit entsprechender Inschrift und Verwarnung setzen 
lassen. Das ausserordentlich Viele und Vielseitige, was bis jetzt noch 
erhalten geblieben ist, wird also von jetzt an dauernd gereitet sein. 

Der Vortragende erläuterte sodann das Gesagte an einer ebenfalls 
zahlreichen Anzahl von herrlichen Photographien, Kupferstichen, eignen 
Aufzeichnungen etc. und erging sich hierbei namentlich auch noch über 
den Mangel aller Schriftzeichen und die wenigen und auch nur ver- 
einzelt vorkommenden Verzierungen der Monolithen in Form des 
Schildes, der Hacke, der Schlange, des Farnkrauts, des Jochs, der 



163 

Glocke oder Kuppel etc. etc, und schloss seinen Vortrag mit dem Aus- 
druck des Bedauerns, dass die Zeit ihm nicht mehr, wie er gehofft, 
gestatte, auch noch das grösste bestehende Heiligthum des Druidenkultus, 
den Sonnentempel Stonehenge bei Salisbury im südlichen England zu 
besprechen, über welchen ebenfalls ein reiches Anschauungsmaterial 
ausgestellt war. 

199. Sitzung. 7. Februar 1895. 
Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende theilt mit, dass das Lokal-Komite für den 
Deutschen Geographentag, der vom 17. bis 19. April d. J. in Bremen 
tagen wird, seine Einladung mit Programm für die zu behandelnden 
Gegenstände unserer Gesellschaft zugesandt habe und um baldige An- 
meldung etwa beabsichtigter Vorträge bitte. — Das Geologische Institut 
der Universität Upsala hat Band I seines Bulletin of the Geological 
Institution of the University of Upsala eingesandt und bittet um 
Schriften tausch. — Der Kassirer der Gesellschaft, Herr W. Westen- 
darp, legt der Versammlung die Abrechnung für 1894 vor, die mit 
ca. 6400 iL in Einnahme und Ausgabe balancirt. (Siehe am Schluss 
des Berichtes!) Derselbe hebt hervor, wie ausserordentlich niedrig im 
Vergleich mit anderen Geographischen Gesellschaften die Hamburger 
Gesellschaft ihren Beitrag normirt habe, und dass nur durch den vom 
Hohen Senat und der Bürgerschaft bewilligten Staatszuschuss es der 
Gesellschaft möglich sei, die ihr gestellten Aufgaben einigermassen zu 
lösen. 

Alsdann ertheilt der Vorsitzende das Wort Herrn Oberlehrer 
Dr. Ohnesorge von hier zu dem angekündigten Vortrage »Ueber 
die Beziehungen Chinas zum Abendlande im Alterthum«. 
Redner führt Folgendes weiter aus: Die unerhörten Niederlagen, die 
Kopf- und Muthlosigkeit Chinas im jetzigen Kriege, fordern die Miss- 
achtung der Mitwelt heraus, und der Gedanke liegt nahe, dass aus der 
gegenwärtigen Katastrophe gänzliche Neubildungen in Ostasien hervor- 
gehen könnten. Doch beruhe diese Folgerung auf einer Verkennung 
des Charakters der chinesischen Kultur. Derselbe bestehe nicht in j 

einem eigensinnigen stationären Verharren auf einem Standpunkte, 
sondern vielmehr in einer absoluten Selbständigkeit. Die Abschliessung 
Chinas sei durchaus berechtigt gewesen, weil es keine Nachbarn gehabt, 
von denen es etwas hätte lernen können. Das Gefühl der Superiorität 
habe ihm nothwendig kommen müssen; es übertrage seine ihm eigene 
Kultur aus dem Alterthum in die Neuzeit. Viele wichtige Errungen- 
schaften habe es vor dem Abendlande vorausgehabt : Porzellan, Papier, 
Tusche, Buchdruckerkunst, Kompass, Papiergeld, Grundsteuer, Wild- 
schongesetze, Kanal- und Deichgesetze, Seiden-Industrie, Pulver. Im 
Mittelalter haben Seide und Kompass das Abendland besonders stark 
beeinflusst. Die Seide aber war daselbst schon im Alterthum bekannt. 
Von dem chinesischen Worte sse oder see stammt das griechische ser 
für Seide und serike, Sererland für Seidenland; die Serer waren die 
Seidenbringer. Die erste sichere Erwähnung der Seide stammt aus 



164 

Alexander'B Zeit. Nearch erwähnt der Serieohen 8to£fe, die von N 
her nach Indien kamen; die Nachrichten mehrten sich und waren zu 
Kaiser Augustus . Zeit häufig. — Ueber den Verkehr zwischen dem 
Sererlande und dem Westen geben nur chinesische Quellen Aufschluss, 
welche durch Professor Freiherrn von Rieh thofen-Berlin und Professor 
Fr. Hirth, Steuerbeamten in chinesischen Diensten, uns zugänglich 
gemacht, resp. verwerthet worden sind. — China ist von den Westländem 
getrennt durch die gewaltige Erdfeste Central-Hoch-Asiens. Zwei Thore 
führen von W nach 0; einmal die Dsungarischen Pforten zwischen 
Thian-Schan und Altai, da wo sich das Tarbagatai-Gebirge nach N zum 
Irtisch, nach S zum Alakul senkt; dann im Osten die Pforte des 
Uang-ho, wo dieser aus dem inneren Hochlande ins eigentliche China 
tritt, die sogenannte Chy-men-Pforte, weil hier der hochgeschätzte Chy- 
Stein oder Nephrit aus Kaschgarien eingeführt wurde (Redner legte 
mehrere dem hiesigen Gewerbe-Museum gehörige Nephrit -Gegenstände 
aus China vor). Darch dieses Thor drangen vor unserer Aera hunnische 
Reiterhorden in China ein, als es noch ein Theilreich war. Erst als es 
geeint war, vermochte es diese Feinde zu vertreiben, ca. 200 vor Chr. 
Da wurde die grosse chinesische Mauer ums Land geschlossen als 
Schutzwehr gegen die Hunnen, und diese zogen nach W, nach Turau, 
um die dortige Kultur zu zerstören. Noch heutige Reisende bestätigen 
den Kontrast zwischen der trostlosen Wildniss ausserhalb der Mauer 
und der hohen Kultur sowie dicht wohnenden Bevölkerung innerhalb 
derselben. Eine Art Militärgrenze wurde an der Mauer zum Schutze 
der Ost-Passage gebildet. — Der Spanier Pomponius Mela, Verfasser 
eines lateinisch geschriebenen geographischen Abrisses im 1. Jahrhundert 
n. Chr., hat zuerst eine richtige Vorstellung von der Lage des Serer- 
Landes ; er legt es zwischen Indien und Skythien. — Mit der Art der 
Seidengewinnung war man nicht ganz unbekannt; schon Pausanias, 
Verfasser eines griechisch geschriebenen Reisewerkes aus dem 2. Jahr- 
hundert n. Chr., wusste, dass die Seide von Raupen stammt; früher 
liess man sie auf Bäumen wachsen. Im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. 
hatte die Seide im Abendlande den drei- bis vierfachen Werth des 
Goldes. Man kaufte daher Seidengewebe und stellte aus den Fäden, 
nach Auflösung des Gewebes, Halbseidenstoffe her, die sogenannten 
Serischen Gewänder, von grösster Feinheit und Durchsichtigkeit, wie 
wir sie an der Statue der Polyhymnia dargestellt finden. Diese Stofife 
wurden bald allgemein beliebt. Im 3. Jahrhundert kamen zuerst rein- 
seidene Gewänder in Gebrauch, und jene Halbseidenwaaren kamen schon 
in den ersten Jahrhunderten zurück nach China, besonders in Purpur 
gefärbt, und gaben den Chinesen Kenntniss von der Industrie Vorder- 
asiens, besonders der syrischen Purpurfärberei, auch der bunten baby- 
lonischen Gewebe. Andere Export-Artikel aus den römischen Provinzen 
Westasiens nach China werden uns noch viele genannt: das syrische 
bunte Glas rechneten die Chinesen zu den Edelsteinen und hielten es 
für eine natürliche Bildung; Gemmen und andere Kunstgegenstände 
des Westens werden oft von den Chinesen erwähnt, auch allerlei Drogen, 
wie Storax und Weihrauch. — Das Sererland war nun aber nicht das 
eigentliche China, sondern das Tarim-Becken, das heutige Ost-Turkestan ; 



165 

denn im 1. Jahrhundert unserer Aera reichte das chinesische Reich 
schon bis ans Pamir-Gebirge; die Chinesen selbst waren die Vermittler 
des lebhaften Handels, so dass die von Westen Kommenden die Serer 
dort kennen lernten. An den Abhängen des Pamir-Gebirges wohnten 
die Parther; diese behinderten sehr den direkten Verkehr zwischen den 
Römern und Serern durch Geheimhalten der Handelsstrassen; trotzdem 
wussten die Serer Vieles vom römischen Reiche, mehr als die Römer 
vom Sererreiche; doch blieb das innere Hochasien, abgesehen von den 
Berichten des Marco Polo, bis in unser Jahrhundert hinein dem Abend- 
lande unbekannt. Die Waaren des Abendlandes wurden bis Baktrien, 
dem heutigen Khokand, gebracht, und hier in Karawansereien, wie 
schon Plinius berichtet, niedergelegt, um durch die baktrischen 
Zwischenhändler an die Serer ausgeliefert zu werden. — Der Geograph 
Marinus von Tyrus war es, der 100 Jahre n. Chr. die Kenntnisse 
des Abendlandes über Inner-Asien erweiterte, und auf seinem Wissen 
fusste der Geograph Pt olem aus (150 nach Chr.) Die Quelle des Marinus 
waren die Berichte eines Macedonischen Handelsreisenden. Marinus 
legte die Ostgrenze des bekannten Landes 225** östlich von der West- 
küste der Alten Welt. Ptolemäus reduzirte diese Zahl auf 180®, 
übertrieb die wirkliche Entfernung aber immer noch um ca. 50°, eine 
Folge der Reiseberichte, da Landreisen ihrer Beschwerlichkeit wegen 
stets in der Länge überschätzt wurden. — Im 5. Jahrhundert wusste man 
im Abendlande schon recht gut Bescheid über China. Zum Beweise 
dafür führt Redner die Schilderung Ammian's an, eines griechischen 
Geschichtsschreibers, der um 400 n. Chr. schrieb und Alles, was man 
von den Sitten ferner Völker wusste, zusammentrug. Derselbe spricht 
von der Abgeschlossenheit und Anspruchslosigkeit der Serer, was heute 
noch genau so auf die Chinesen passt. 

Im Anschlüsse an die Ausführungen des Redners, welche mit einer 
Fülle von Citaten aus den Schriftstellern des Alterthums belegt wurden, 
legte Herr Friederichsen, nachdem der Vorsitzende im Namen der 
Anwesenden dem Redner gedankt hatte, einige neuere Schriften des 
obengenannten Prof. Hirth vor, worin derselbe seine Studien über die 
chinesische Geschichte dahin ausdehnt, dass er uns mit den späteren 
chinesischen Quellen bekannt macht, welche über die Berührungen 
Chinas mit den mohammedanischen Reichen des Mittelalters berichten. 



Kassa-Bilanz für 1894. 

Einnahm e : 

I. Saldo von 1893 M. 1482.22 

II. Mitglieder-Beiträge » 6420.— 

ni. Zinsen » 411.22 

IV. Staate-Subvention » 50Ö0.— 

V. Extraordinaria : Rückprämie » 16.20 

M, 13 329.64 



166 

Ausgabe: 

I. Für die Mittheilungen u. a. Drucksachen . . M. 887.25 
IL » » Monatssitzungen und Vorträge .... » 981.85 

III. » » Bibliothek, Abonnement etc » 976.10 

IV. » » Verwaltung » 3734.08 

V. Extraordinaria: 

Gekauft 5000 M. Staats - Rente ä 103 Vs 

incl. Zinsen etc » 5255.30 

VI. Saldo auf 1895 » 1495.06 

JH 13 329.64 

Baar-Vermögensbestand Ende 1894. 

5 Stück Hamburger Staats -Rente ä 3Vfl»'o, JH 10 000 ge- 

kauft ä 102 Vs JH. 10 212.50 

6 Stück Hamburger Staats-Rente ä 3«/4"/o, M. 5000 gekauft 

k 103 Vs » 5 181.25 

Fällige Zinsen vom 1. Aug. bis 31. Dezbr. 1894 (5 Monate 

ä 3 Vq ö/o) JH. 15 000 » 218.75 

Bank- und Kassa-Saldo Ende 1894 > 1 495.06 

A 17 107.56 



200. Sitzung. 7. März 1895. 

Vorsitzender : Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende legt der Versammlung das soeben fertiggestellte, 
lang verzögerte 2te Heft der Mittheilungen der Gesellschaft für 1891/92 
vor, womit dieser Doppeljahrgang schliesst. Die Verzögerung war dadurch 
veranlasst worden, dass Arbeiten, die für jenes 2te Heft bestimmt waren, 
noch bis dato nicht abgeschlossen und geliefert werden konnten. Es 
mussten daher einige Arbeiten, die erst in 1893 resp. 94 fertiggestellt 
worden, in jenen früheren Jahrgang aufgenommen werden und dadurch 
eine Vordatirung erleiden. 

Auf Wunsch des Geh. Rathes Dr. Neumaver theilt der Vorsitzende 
mit, dass auf den bevorstehenden Geographen- Kongressen zu Bremen 
und London die Antarktische Forschung eine wichtige Rolle spielen 
werde, und dass dem Geh. Rath Dr. Neumayer für beide Kongresse 
das Referat über diese Angelegenheit übertragen sei, und dass derselbe 
darum bitte, alle irgendwie interessanten Mittheilungen, die darauf 
Bezug hätten, an ihn gelangen zu lassen. 

Im AnschluBS hieran theilt Herr Geh. Rath Dr. Neumayer 
persönlich mit, dass er die Londoner Zumuthung, das betrefifende 
Referat auf dem Londoner Kongress in englischer Sprache zu halten, 
zurückgewiesen habe und er dasselbe deutsch geben werde. 



167 

Uebrigens ist, wie der Vorsitzende aus der Einladungsschrift des 
Londoner Komit^'s mittheilen konnte, hauptsächlich durch das energische 
Einschreiten der Berliner Gesellschaft für Erdkunde, gegen die ursprüng- 
liche Absicht des Londoner Komit^s, die deutsche Sprache sowohl für 
die Vorträge wie für die Besprechungen auf dem Kongresse als gleich- 
berechtigt neben der englischen und französischen Sprache anerkannt 
worden (ebenso auch die italienische Sprache). Der Antrag des Vor- 
standes, zur Vertretung der Gesellschaft auf beiden geographischen 
Kongressen den Sekretär Herrn Friederichsen zu entsenden, wird 
genehmigt. 

Der Vorsitzende beantragt ferner im Namen des Vorstandes 
unter Zustimmung des Beirathes, einen jungen Hamburger Gelehrten 
Dr. C. Lehmann, für eine Forschungsreise nach Armenien aus den 
Mitteln der Gesellschaft zu unterstützen. Es handelt sich um eine 
Reise, die Dr. Lehmann in Verbindung mit einem Naturforscher Dr. 
Waldemar Belck in 1896 auszuführen gedenkt zu archäologischen, 
linguistischen, aber auch geographischen und statistischen Zwecken. 
Die Aussichten auf reichen Erfolg scheinen begründet, denn mehrere 
gelehrte Gesellschaften Deutschlands haben grössere Summen für die 
Reise bewilligt, und die auf ca. 29 000 JH. veranschlagten Kosten sind 
bis auf 4500 it, die noch fehlen, bereits gedeckt. Der Vorstand be- 
antragt ebenfalls eine Beisteuer, und zwar im Betrage von 2500 M. zu 
gewähren. Der Antrag wird angenommen. 

Ferner beantragt der Vorsitzende im Namen des Vorstandes und 
unter Zustimmung des Beirathes, dem Hamburger Dr. Franz Stuhl- 
raann zur Anerkennung seiner Verdienste um die Afrika-Forschung 
die silberne Kirchenpauer-Medaille zu verleihen. Der Antrag wird 
ebenfalls angenommen. 

Alsdann hält Herr Ober-Ingenieur F. A. Meyer von hier den 
angekündigten Vortrag über seine »Reise nach der Türkei, 1894«. 
Redner hatte einen fünfwöchentlichen Urlaub erhalten, um im Auftrage 
der Deutschen Bank an der Nordwestküste Kleinasiens einen geeigneten 
Platz für einen Exporthafen der Anatolischen Eisenbahn ausfindig zu 
machen. Diese Bahn, die von Skutari ausgeht, hat erst durch deutsches 
Geld und deutsche Kräfte neuen Impuls bekommen und soll von 
Angora, ihrem jetzigen Endpunkte, weitergeführt werden nach Osten, 
über den Taurus nach Mesopotamien und über Bagdad nach Basora bis 
zum Persischen Meerbusen (im Ganzen 3500 km). Zugleich kommen 
von der Westküste Kleinasiens her, die beiden Flussthäler Hermos und 
Mäander hinauf, zwei Bahnen, je von einer französischen und englischen 
Gesellschaft gebaut, in der Richtung nach Ikonium, wo dieselben auf 
entgegenkommenden Anschlusi seitens der Anatolischen Bahn hoffen. 
Die Reise Redners, von Mitte Oktober bis Mitte November, war vom 
Wetter sehr begünstigt, aber schon auf der Hinreise, kurz vor Kon- 
stantinopel, musste Redner Belästigungen Seitens des türkischen 
Willkür-Regiments erfahren, indem der Orient-Expresszug ohne triftigen 
Grund zu einer 24stündigen Quarantaine gezwungen wurde. Auch 
gelang es dem Redner nur durch Ueber listung der türkischen Zollbeamten, 
die für seinen Reisezweck mitgeführten und unentbehrlichen Bücher 



168 

über die Grenze zu bringen. Die Einfahrt in Konstantinopel, sowie der 
Eindruck der ganzen Szenerie war für ihn überwältigend. Er schildert 
ausführlich die herrliche Lage der Stadt zu beiden Seiten des Goldenen 
Horns, die Buntheit der Trachten und des Treibens auf den Strassen, 
sowie im Hafen, die Pracht der Moscheen, sowie einen pomphaften 
öffentlichen Aufzug des Sultans mit seinem Hofstaat. Das nächste 
Reiseziel war das in Asien liegende Ismid, Station der Anatolischen 
Bahn. Um einer abermaligen« und zwar fünftägigen Quarantaine zu 
entgehen, vermied Redner die Eisenbahn, charterte ein Schiflf und fuhr 
an den Prinzen -Inseln vorbei in die Bucht von Ismid hinein. Hier 
wurde vom Schiffe aus die Küste studirt und ein geeigneter Platz für 
den geplanten Exporthafen gefunden. 

Redner kehrte nach Konstantinopel zurück, machte einen Ausflug 
auf dem Bosporus bis zum Schwarzen Meere und besuchte noch das 
Alterthümer- Museum auf dem alten Serail, dessen herrlichste Kunst- 
schätze er eingehend schildert; als solche bezeichnet er die im Jahre 1887 
in Sidon aufgefundenen Sarkophage aus der Zeit der Diadochen, 300 v. Chr. 
Dieselben sind, mit ihren herrlichen Skulpturen und Malereien im feinen 
Sande eines tiefen Grabgewölbes verborgen, prachtvoll erhalten geblieben. 

Dann fuhr Redner auf griechischem Schiffe nach Smyrna. Der 
Verkehr wird hier sonst durch französische, englische und italienische 
Dampferlinien besorgt; türkische Dampfer giebt's überhaupt nicht. 
Smyrna hat ca. 300 000 Einwohner, zu V« Griechen. In die Bucht von 
Smyrna schiebt der Hermosfluss von Norden her sein Delta in so 
drohender Weise vor, dass man, um einer Versandung der ganzen Bucht 
vorzubeugen, den Hermos oberhalb seines Deltas durch einen Kanal nach 
dem westlich gelegenen Meere abgelenkt hat. In Smyrna herrscht reges 
kaufmännisches Treiben; grossartige Quaimauern umziehen die ganze 
Stadt; eine lange Aussenmole in 13 m Tiefe schützt den Hafen gegen 
die Meereswogen. Auffallend in der Stadt ist das Tretben derKameele; 
8000 derselben dienen allein in der Stadt als Lastträger, je acht zusammen- 
gekoppelt mit einem Treiber zu Esel bilden eine Karawane. Ausserdem 
kommen viele Kameele vom Lande, deren es 40 000 in der Provinz 
Smyrna giebt, aus den reichen Flussthälern des Hermos und Mäander, 
wo Baumwolle, Wein, Artischocken, Korinthen, Feigen u. A. herrlich ge- 
deihen und mehrfache Ernten im Jahre geben. Ausser den Kameelen 
mit je 6 Ctr. Last giebt es auch viele Türken von echt mongolischem 
Typus, die je 400 3 Last tragen, alles ordentliche und betriebsame Tjeute. 
In Smyrna wurden die vortrefflichen Hafenanlagen eingehend studirt; 
dann machte Redner zwei Reisen ins Innere, mit dem bekannten Ingenieur 
Human ins Mäanderthal, wo Human die Ausgrabung des alten 
Magnesia betreibt, dessen kolossale, im Schlamme wohlerhaltene Ruinen 
auf einen im Alterthum hochwichtigen Verkehrsmittelpunkt schliessen 
lassen. Auch die Ruinen des alten Ephesus — Wasserleitung, Amphi- 
theater , Gymnasium , Gräberstrasse — wurden besucht. Eine zweite 
Reise galt dem Magnesia am Sipylos im Hermos -Thale mit dem ver- 
steinerten Bilde der Niobe und der Tantalus • Burg. Das moderne 
Magnesia mit 50 000 Einwohnern ist eine echte Türkenstadt. 

Abgesehen von der Teppich • Fabrikation fehlt den Türken jede 



169 

Betriebfiaiukeit , währead die Griechen grossartige Betriebe haben und 
auch in der Landwirthschaft Maschinen benutzen. Türkische Teppiche 
werden vornehmlich in den Städten Goudis und Uschak, nordöstlich 
von Smyrna verfertigt und kommen als Smyrna-Teppiche in den Handel. 
Redner hatte zwei Riesen-Teppiche von technischer Vollendung, die 
aus Uschak stammen, im Lokale aufhängen lassen, der eine ein Geschenk 
der Deutschen in Smyrna an den Fürsten Bismarck zu dessen 80. Geburts- 
tage. Ausserdem wurde der Vortrag veranschaulicht durch eine grosse 
Zahl Photographien und selbstgefertigter Skizzen. 

201. Sitzung. 4. April 1895. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende theilt mit, dass von Dr. C. Lehmann, dem 
in der vorigen Sitzung die Gesellschaft eine Reise-Unterstützung von 
2500 Ji bewilligt hat, ein Dankschreiben eingegangen sei. 

Derselbe legt mit einigen Dankesworten zwei litterarische Geschenke 
vor, nämlich erstens von dem Verleger O. Meissner die Karte des 
Hamburger Gebietes, von unserm Mitgliede Herrn Wich mann 
gefertigt; zweitens von Herrn G. A. v. Holten das grosse Reisewerk 
des Prinzen Maxim, von Neuwied über Brasilien von 1815 — 17. 

Der Ortsausschuss des bevorstehenden Geographentages in Bremen 
hat das vorläufige Programm der Tagung versandt; der Vorsitzende 
theilt daraus die Hauptberathungsgegenstände mit; es sind dies: die 
Polar-Forschung, die Schulgeographie, die Ozeanographie und maritime 
Meteorologie, die Entwickelung des Kompass- und Seekarten, die 
Landeskunde der deutschen Nordsee -Gestade und die Wirthschafts- 
Geographie. Die Tagung währt vom 17. bis 19. April. 

Die darauf folgende Neuwahl des Vorskmdes und Beirathes der 
Gesellschaft erfolgt auf Antrag aus der Versammlung als Wiederwahl 
durch Akklamation: Vorsitzender ist wie bisher Herr Bürgermeister 
Dr. Mönckeberg, der übrige Vorstand die Herren L. Friederichsen, 
E.Güssefeld, Schulrath Prof. Dr. Hoche, Admiralitätsrath Koldewey, 
Senator Röscher, W, Westendarp; der Beirath die Herren G. H. 
Blohm, Dr. C. Gottsche, Konsul Hernsheim, Schulrath Mahraun, 
Dr. H. Michow, Dr. med. Oehrens, Dr. H. Repsold, Dr. H. Traun, 
J. Witt, Otto E. Westphal. 

Der Vorsitzende ertheilt alsdann das Wort dem Herrn Prof. 
Kettler aus Hannover zu dem angekündigten Vortrage: >Wo liegt 
Neu-Deutschland?c Redner schreibt die vielen Misserfolge unserer 
Kolonialbew^[ung dem Umstände zu, dass dieselbe den Boden der 
Geographie, dem sie doch überhaupt entsprungen sei, verlassen habe. 
So flilein sei z. B. das bedauernswerthe Aufgeben der Lucia-Bai an der 
südostafrikanischen Zuluküste zu verstehen, die das Eingangsthor zum 
Transvaalgebiet bildet. Die Auswanderung von circa zwei Millionen 
Deutschen in den letzten zwei Jahrzehnten sei eine Völkerwanderung 
im grössten Stile, die auch noch anhalten werde. Davon gehen neun 
Zehntel nach der Union, wo sie am sichersten das Deutsch thum verlieren 



170 

werden; es sei die Frage, ob nicht die Geographischen Gesellschaften 
in der Lage sind, eine Besserung herbeizuführen und dem Auswanderer- 
strom die Wege dahin zu bahnen, wo das deutsche Volksthum nicht 
nöthig hat, verloren zu gehen. Redner durchsucht nun die verschiedenen 
Erdtheile nach geeigneten Auswanderungsgebieten, dieselben vom 
klimatischen, wirthschaftlichen und nationalen Standpunkte aus be- 
leuchtend. 

In Asien ist das weite Süd-Sibirien ausgeschlossen, weil einer 
schnellen Russifizirung entgegengehend. £s bleibt hier nur Vorderasien, 
wo in Palästina bereits seit längerer Zeit blühende deutsche Kolonien 
bestehen. Doch solange das Ottomanische Reich sich europäischen Re- 
formen verschliesst, sind daselbst die Grundbesitzverhältnisse für alle 
Fremden so schwierig, dass für jetzt dieses Gebiet vom wirthschaftlichen 
Standpunkte aus als ungeeignet für Massen-Einwanderung gelten muss. 

Amerika ist der klassische Boden für Auswanderung. Die Union 
und Canada sind beide klimatisch günstig, machen uns aber unsere 
Landsleute abspenstig, auch sperrt sich die Union jetzt selber gegen 
Massen-Einwanderung ab. — Mittelamerika ist klimatisch nicht geeignet, 
wohl aber der südliche Theil von Südamerika, nämlich Südbrasilien, 
Argentinien und Süd-Chile. Das früher in jeder Beziehung günstige 
Süd-Brasilien ist leider der politischen Wirren wegen, die jetzt dort 
herrschen, für Massen-Einwanderung, also für den kleinen Mann, augen- 
blicklich ausgeschlossen. Süd-Chile ist vielleicht günstiger, weil eher 
auf ruhige politische Verhältnisse zu hoffen ist; in Argentinien hat der 
Kampf zwischen Staat und Provinz die Verhältnisse ganz umgewandelt 
und grosse Latifundien-Bildungen begünstigt, so dass das Terrain für 
einwandernde Kleinbauern beschränkt ist; aber immerhin sind diese 
südamerikanischen Gebiete im Auge zu behalten für ruhigere Zeiten; 
der deutsche Bauer wird hier vor Allem den Wettkampf mit seinem 
gefahrlichsten Rivalen, dem italienischen Kolonisten, aufzunehmen und 
auszukämpfen haben. 

Australien incl. Neuseeland wäre, abgesehen von den tropischen 
Regionen, klimatisch günstig, ist aber aus gleichen Gründen wie Nord- 
amerika, d. h. vom nationalen Gesichtspunkte aus, unberücksichtigt zu 
lassen. 

In Afrika sind aus klimatischen Gründen nur der äusserste Nord- 
und Südrand für Massenansiedelungen deutscher Arbeiter geeignet, und 
es finden sich z. B. in Algerien viele blühende Dörfer elsass-loth ringischer 
Kolonisten ; aber die einzelnen Küstenstrecken Nord-Afrikas werden 
naturgemäss denjenigen Nationen zufallen, die gegenüber am Nordrande 
des Mittelmeeres ansässig sind. — Deutsch Südwest- Afrika erscheint 
klimatisch günstig, würde aber kaum im Stande sein, eine zahlreiche 
Einwanderung in sich aufzunehmen; günstiger liegen die Verhältnisse 
in Südost-Afrika, wo bereits die vielen niederdeutschen Dörfer, die mit 
der Hermannsburger Mission in Zusammenhang stehen, blühen und 
gedeihen. Selbst da« goldreiche Transvaalgebiet aber ist bisher ausser- 
ordentlich dünn bewohnt, und kann grössere Einwanderermassen auf- 
nehmen. Aehnlich stehts mit Natal und seinen Nachbarländern. 
Politisch am günstigsten ist hier natürlich das ausserbritische Gebiet, 



171 

aber auch das britische ist nicht ungünstig. Die Buren-Gebiete erhalten 
naturgemäss wenig Nachschub von Europa, und dort können die Eng- 
länder den Deutschen nicht die Stange halten. Hier werden vielleicht 
dereinst umfassende Kolonien mit deutscher Sprache entstehen. 

Redner hält es zunächst für Pflicht der Geographischen Gesellschaften, 
die Kolonialbewegung auf den gesunden Boden der geographischen 
Betrachtung zurückzuführen , und hält speziell die Hamburgische 
Gesellschaft für berufen, eine grossdeutsche Auswanderungspolitik 
anbahnen zu helfen. 

Alsdann giebt Herr Landgerichtsdirektor Dr. Pöhring von hier 
im Anschluss an seine Reiseberichte aus der Normandie und Bretagne 
vom 24. Januar d. J. eine eingehende Beschreibung des Druiden- 
tempels Stonehenge bei Salisbury im südlichen England. — 
Redner hatte in seinem Berichte aus der Bretagne die dort vorhandenen 
grossartigen keltischen Steinbauten beschrieben und dreierlei unter- 
schieden: 1) die Menhirs, einzelne aufrechtstehende Gedenksteine, 
2) die Cromlegs, das sind meist kreisförmige Steinsetzungen, aus vielen 
Menhirs zusammengesetzt; 3) die Dolmen, d. s. Ganggräber, ähnlich 
unsern Hünengräbern. 

Das grösste noch bestehende Heiligthum des keltischen Druiden- 
kultus ist ein Cromleg, nämlich der Sonnentempel Stonehenge im 
südlichen England, elf engl. Meilen von Salisbury, nordwestlieh von 
Southampton. Der Tempel liegt in einsamer baumloser Gegend, auf 
Dünen , deren kümmerliches Gras durch Schafherden abgeweidet wird. 
Redner demonstrirt an der Hand von Photographien, die theils nach 
der Natur, theils nach Rekonstruktionsmodellen genommen waren, die 
Anlage des Tempels. Zu äusserst befindet sich ein kreisförmiger Wall- 
graben. Nach innen zu folgt eine kreisförmige Steinsetzung von 
308 Fuss Umfang aus dreissig grossen Monolithen , die ca. 4 m hoch 
sind; dann ein engerer Kreis aus vierzig kleineren Steinen. Es folgt 
eine hufeisenförmige Steinsetzung, aus sieben Kolossalgruppen, sogen. 
Trilithen bestehend , jede zwei stehende Monolithen bis 8 m Höhe und 
einen entsprechend schweren Deckstein enthaltend. Die Gruppen 
nehmen nach dem Kopfende des Hufeisens an Grösse zu. Weiter nach 
innen folgt eine zweite Reihe in Hufeisenform, aus 19 kleineren Steinen. 
Innerhalb dieser innersten Steinreihe, die etwa der viereckigen Götter- 
zelle eines altetrurischen Tempels entspricht, befindet sich der Altarstein, 
auf dem das Blut der Opferthiore dargebracht wurde. Um letzteres rein 
zu halten, wurde das Opferthier ausserhalb der Steinsetzungen auf einem 
länglichen, etwas ausgehöhlten Steine geschlachtet. Dieser Schlachtstein 
liegt bei Stonehenge genau in der Flucht des obengenannten Wallgrabens. 
Von hier hat man einen Durchblick durch die äusseren kreisförmigen 
Steinreihen in die offene Seite der Hufeisenreihen bis zum Altarstein. 

Das Steinmaterial ist verschieden. Die iiusserste Steinreihe (zu 30) 
und die Trilithen-Reihe bestehen aus Sandstein. Diese Steine sind be- 
hauen, das beweisen ein erhaltener Zapfen und die Löcher zum Ein- 
lassen des Zapfens an einem theilweise umgestürzten Trilithen. Die 
übrigen Steine bestehen aus Granit - Syenit und sind, weil viel härter, 
nicht behauen. Dies läset auf Unkenutniss des Eisens schliessen, und 



172 

wenn man die früher gebräuclüiche Zeitgruppiruug hier anwenden wollte, 
müssten diese Steiusetzungen mindestens der Broncezeit entstammen, da 
die Bronce die zum Behauen des Sandsteines genügende Härte hat. 
Immerhin bleiben Bearbeitung und Herbeischaffung solcher Steinkolosse 
(wahrscheinlich aus Cornwall) räthselhaft. 

Besonders interessant aber ist die Orientirung der ganzen Tempel- 
anlage. In der Flucht der äussersten Umwallung sind ausser dem 
niedrigen schon genannten Schlachtsteine, der im Nordwesten steht, 
noch drei hohe Steine aufgestellt, den übrigen drei Neben • Himmels- 
gegenden etwa entsprechend, also in NO, SO und SW. Auch im 
NW, aber des Schlachtsteines wegen etwas nach aussen gerückt, steht 
ein vierter solcher hoher Stein. Diese vier hohen Steine werfen, wenn 
die Sonne tief steht, weithin ihre Schatten. Die ganze Anlage ist nun 
so orientirt, dass zur Sommer-Sonnenwende, d. 21. Juni, bei Sonnen- 
Aufgang resp. Untergang, die Schlag-Schatten des NO- resp. NW-Steines 
zwischen den verschiedenen Steinreihen hindurch genau den Altarstein 
treffen; zur Winter-Sonnenwende, d. 21. Dezember, fiülen die Schlagschatten 
der im SO und SW stehenden Steine, entsprechend dem Auf- resp. 
Untergangspunkte der Sonne in unseren Breiten, gleichfalls auf den 
Altarstein. Viele von den Steinen sind umgestürzt, doch ist durch den 
jetzigen Besitzer des Grund und Bodens dafür gesorgt worden, dass alles 
Vorhandene geschont und erhalten bleibt. 

Natürlich hat dieses HeUigthum auch eine mannigfaltige Litteratur 
hervorgerufen; die älteste bekannte Schrift darüber, von Geoffroy of 
Monmouth, datirt vom Jahre 1130; und allerlei Vermuthungen über 
Erbauer und Alter werden in den betreffenden Schriften vorgetragen. 
Auffallend ist, dass concentrisch zu unserer Tempelanlage sich drei 
Keihen einfacher Hünengräber finden, die sämmtlich untersucht sind 
und nur Fundobjekte aus der sog. Steinzeit geliefert haben. Es ist 
wohl unzweifelhaft, dass nicht der Tempel den Gräbern zur Liebe, 
sondern umgekehrt, die Gräber des Tempels wegen dort angelegt sind, 
der Tempel also noch älterer Zeit angehört. Doch ist jenes Schema 
der Kultur-Entwickelung als Stein-, Bronce- und Eisenzeit, wie schon 
oben angedeutet, kaum noch irgendwo in Geltung zur Lösung solcher 
Fragen der Urzeit. Leider ist eine grosse zinnerne Platte mit damals 
unverständlichen Schriftzeichen, die zu Heinrich's VUI. Zeit dort aus- 
gegraben wurde, verloren gegangen. Man hat die Schriftzeichen damals 
für phönicische oder keltische gehalten. 



202. Sitzung, 2. Mai 1895. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Die Sitzung findet in der Aula der Gelehrtenschule unter Betheiligung 

von Damen statt. 

Der einzige Gegenstand der Tagesordnung ist der Vortrag Sr. Exe. 
des KaiserL Deutschen Gesandten a. D. von Brandt über China. 



173 

Der Vorsitzende begrüsst den Redner aufe Herzlichste, dankt 
demselben für die Freundlichkeit, dass er es übernommen, über ein so 
allgemein und hoch interessantes Thema zu sprechen und bittet ihn 
das Wort zu nehmen. 

Herr von Brandt dankt zunächst für die freundliche Begrüssung und 
begrüsst seinerseits die Anwesenden, einmal die Herren, weil er imter ihnen 
gewiss viele Genossen als Pioniere deutschen Wesens im Auslande 
begrüssen dürfe, dann vor Allem die Damen, weil er den erziehlichen 
und verfeinernden Einfluss der deutschen Frau in der ostasiatischen 
Fremde ganz besonders schätzen gelernt habe. 

Dann führt Redner Folgendes weiter aus: Was Columbus, dessen 
grosse Entdeckerthat wir vor wenig Jahren gefeiert haben, auf seinen 
Reisen suchte, war nichts Anderes als das heutige China, Mangi, das 
Reich des grossen Chans, und dass er dieses gefunden habe, ist der 
Irrthum gewesen, mit dem er sich bis an sein Ende betrogen hat. Um 
den Ruhm dieser Entdeckung nicht zu verlieren^ liess er bekanntlich 
auf seiner zweiten Reise 1494 durch seine gesammte Schiffsmannschaft 
von 80 Köpfen eidlich erhärten und schriftlich beurkunden, dass sie das 
Festland Indiens, d. i. Chinas, entlang gefahren seien, und mit schwerer 
Strafe Den bedrohen, der jemals anders aussagen würde. 

Was die Aufmerksamkeit des Abendlandes auf den Osten Asiens, 
besonders China, gelenkt hatte, waren die Berichte einzelner Reisender. 
— Schon vor Beginn unserer Aera hatte ein Verkehr zwischen Syrien 
und China bestanden, vermittelt durch die Parter; gegen Ende des 
zweiten Jahrhunderts wurde er durch Unruhen unterbrochen und vom 
Lande auf die See geleitet. Im Jahre 166 n. Chr. kam der erste 
Fremde nach Tonkin, und gegen Ende des zweiten Jahrhunderts die 
ersten Fremden nach Canton. Der Seeverkehr blieb Jahrhunderte lang 
übers Bothe und Indische Meer bestehen, bis er durch die Eroberungs- 
züge der Araber und die Kreuzzüge unterbrochen wurde. Die italienischen 
Handelsrepubliken Pisa, Venedig, Genua hatten aus dem Seeverkehr 
während der Kreuzzüge Vortheil gezogen und suchten China wieder auf 
dem Landwege zu erreichen, gründeten deshalb Kolonien am Schwarzen 
Meer und Kaspi-See, und erreichten Kambalu, d. i. Peking, in zwölf- 
monatlicher Landreise. Unter den Reisenden nach dem äussersten 
Osten ragt hervor der Venetianer Marco Polo, der am Ende des 
13. Jahrhunderts 17 Jahre in der Stellung eines hohen Beamten in 
China zubrachte, und dann das Glück hatte, heimkehren zu 
können. Seine Berichte über China klangen so unglaublich, dass man 
ihn in Italien für einen Aufschneider (il millione) hielt. Erst all- 
mählich brach die Meinung von der Wahrheit seiner Berichte sich 
Bahn und beeinflusste schliesslich die grosse Zahl der Entdecker im 
15. und 16. Jahrhundert, vor Allem den Columbus. Die sonst sehr ein- 
gehenden Berichte Marco Polo's erwähnen einiger Dinge nicht, die 
uns heute als besonders charakteristisch für China erscheinen, z. B. den 
Theegebrauch, die grosse Mauer, die Verkrüppelung der Füsse. Betreffs 
des Thees muss beachtet werden, dass die zu Polo's Zeit in China 
herrschenden Mongolen keine Theetrinker waren. Der Thee stammt 
wahrscheinlich aus Assam und ist etwa im 7. Jahrhundert in China in 



174 

Gebrauch gekommen, doch zunächst als Medicin, während seme Be- 
deutung als National -Genussmittel erst etwa im 16. Jahrhundert zur 
Geltung kam. Die Portugiesen brachten den Thee zuerst nach Europa 
im 16. Jahrhundert; im 17. betrug der Thee-Import der Britisch - Ost- 
indischen Kompagnie wenige 1000 Pfund jährlich, vor hundert Jahren 
bereits ca. 2 Millionen Pfund, von im Ganzen 92 Millionen Pfund. 
Auch hat sich der Geschmack der Mongolen geändert ; wahrend sie Thee 
früher garnicht tranken , geniessen sie jetzt ausschliesslich Thee , und 
zwar den aus Abfallen hergestellten Ziegelthee, der ihnen auch als 
Tauschmittel, als Geld dient. — Betreffs der Grossen Mauer ist Polo's 
Schweigen nicht auffallend, da ihrer auch in chinesischen Chroniken 
selten gedacht wird. Die Europäer erst haben aus ihr ein Wunderwerk 
gemacht. Im grössten Theile ihres Verlaufes ist sie eine Art Grenz- 
wall, wie der römische limes, der Germanien vom Römischen Reiche 
trennte; erst in später Zeit, unter der Ming- Dynastie, also lange nach 
Polo's Zeit, ist nahe bei Peking ein neuer Theil von stärkerem Bau 
als Grenzwehr gegen die Mongolen angelegt worden, der heute als Wunder- 
werk angestaunt wird. — Was die verkrüppelten Füsse der Chinesinnen 
betrifft, so weiss man Nichts darüber, wann diese Sitte eingeführt ist. 
Jedenfdls haben alle Chinesinnen verkrüppelte Füsse, und ohne solche 
würde kein chinesisches Mädchen einen Mann bekommen ; ausgenommen 
sind einige spät eingewanderte Stämme der Provinz Canton und einige 
im Innern wohnende, als Ueberreste der Ureinwohner geltende Bergvölker. 
Die Mandschuren und Mongolen haben diese Sitte auch nicht, und 
deshalb wird kein verkrüppelter Fuss am Hofe der jetzigen Mandschu- 
Dynastie zugelassen. Verbote gegen die Unsitte sind stets erfolglos ge- 
blieben, aber der Zustand des Geh Vermögens wird meist übertrieben; 
die Chinesinnen gehen mühselige Wege, mit schweren Lasten auf dem 
Rücken, aber freilich wie auf Stelzen. Die Füsse werden bereits dem 
fün^ährigen Kinde eingeschnürt mit nach unten umgeschlagenen Zehen, 
und die Knochen der Fusswurzel werden durch eine untergezwängto 
kupferne Röhre nach oben durchgedrückt, eventuell zerbrochen. Dies 
Alles sind Aeusserlichkeiten. 

Was die Chinesen am besten charakterisirt, ist die Philosophie des 
Congfutsianismus. Der Stifter derselben, Cong-fut-tse, war 550 v. Chr. 
in der Provinz Schantun geboren, wo jetzt ca. 30 katholische Missionare 
deutscher Nationalität segensreich wirken. Cong-fut-tse gab nichts 
Neues, nur die Lehre der alten Weisen und Kaiser. Das Wesen seiner 
Lehre ist in dem einen Spruche enthalten: »Erziehe Dich selbst, damit 
Du Andere erziehen kannst!«. Auf dieser Basis haben sich das chinesische 
Familienleben, das Beamtenwesen und das Kaiserthum entwickelt. Wenn 
die Früchte dieser vortrefflichen Lehre den Erwartungen nicht ent- 
sprechen, so liegt dies an der allmählichen Degenerirung der Lehre. 
Aber die ganze klassische Litteratur der Chinesen, die jener Philosophie 
entsprungen ist, hat den grossen Vorzug, durchweg rein und moralisch 
zu sein, während z. B. in den indischen Schriften die hohe Weisheit oft 
mit unsittlichen Orgien verknüpft ist. Cong-fut-tse ist erst sjiät 
zur Anerkennung gekommen; etwa 1200 Jahre nach seinem Tode ist 
ihm der erste eigene Tempel errichtet worden, und jetzt gilt er als der 



175 

vollkommene Weise. Bald nach Cong-fut-tse's Tode zersplitterte 
sich seine Lehre in mehrere Schulen, aber sein Nachfolger Mentsius 
erhielt seine Lehre in ihrer Vollkommenheit und wurde im 10. Jahr- 
hundert als Genosse des Cong-fut-tse in dessen Tempel auf- 
genommen; sein Einfluss ist grösser als der des Cong-fut-tse und 
seine Aussprüche bereiten dem Eindringen der Europäer die meisten 
Schwierigkeiten, denn er hielt dafür, dass wohl China den Fremden 
Kultur bringen könne, nicht aber die Chinesen etwas von den Fremden 
lernen könnten. — Wie wird sich nun China nach der jetzigen Krisis 
entwickeln? Es ist zu fürchten, dass die Zukunft wenig Erfreuliches 
bieten wird und wir vor grossen Enttäuschungen stehen. Die bekannt 
gewordenen Friedens bedingungen lassen nur wenig erhoffen; die darin 
freigegebenen Plätze sind entweder ohne Bedeutung oder faktisch bereits 
geöffnet. Für den Grosskaufmann wird wenig herauskommen. Das 
Reich ist zu gross, als dass man plötzliche Umwandlungen erwarten 
dürfte. Reichthum an Eisen, Kohlen u. A. ist sicherlich vorhanden, 
aber man kennt diese Stoffe noch nicht nach ihrer Güte, und auf Er- 
leichterung des Transportes wie die Hebung dieser Schätze ist noch 
keine Aussicht; für Eisenbahnen ist China noch nicht reif. Die Ver- 
zinsung der mehr als eine Milliarde Mark betragenden Kriegsent- 
schädigung verschlingt die Einnahme aus dem fremden SeezoUamt; 
diese Haupteinnahme muss ersetzt werden, und daraus werden neue 
Lasten dem armen Volke oder dem Fremdenverkehr erwachsen und die 
Kaufkraft des Landes verringert werden. Die Regierung wird wohl in 
die Verwaltung des Landes mehr Zucht und Ordnung bringen; das 
wird aber Alles sehr langsam gehen und Anfangs mehr kosten als ein- 
bringen, wie die Errichtung einer einheitlichen Münze; aber der chine- 
sische Tael ist nur eine Zahlungsmünze, deren Gewicht und Feingehalt 
wechselt. Schon 1876 wurde durch die Tschifu-Convention eine Münz- 
anstalt zugestanden, auch der mächtige Li-Hung-Tschang wollte 
es, konnte aber den Widerstand der Beamten nicht brechen. Die chi- 
nesische Regierung ist zuverlässig in allen Geldverhältnissen, aber 
warnen muss man vor Geschäften, in denen der Fremde nicht absolut 
Herr ist, denn er ist vom guten Willen der Beamten abhängig, und 
diesen wird er nie finden. Wie sich in Japan beim Zusammengehn 
von Europäern mit Japanern der Erfolg zeigt, dass der Fremde die Er- 
fahrung, der Japaner aber das Geld davon trägt, so wird es auch in 
China sein. Doch muss man der Entwickelung in China das Beste 
wünschen. Die 3 bis 400 Millionen Chinesen bilden einen Faktor in 
der Weltgeschichte. Bisher waren sie nur unsere Abnehmer, und auch 
dies nur in geringem Maasse. Wir müssen suchen den Absatz zu ver- 
grössern und wünschen, dass China lebensfähig bleibe. Aber was wird 
aus dem Verkehr mit dem Lande werden, wenn die Chinesen erst selber 
anfangen zu fabriziren und zu produziren? Man denke an den billigen 
Arbeitslohn , wie er schon in Japan ist , 33 V« Pfennig für Männer, 
17 Pfennig für Frauen per Tag! Dabei arbeiten sie per Jahr 300 Tage- 
werke k 22 Stunden. Die Japaner und Chinesen leben billig, sie haben 
die Rohstoffe, wie die Baumwolle, vor der Thür, und zwar im lieber- 
fluss. Jedenfalls darf diese Konkurrenz mit Asien nicht leicht genommen 
werden und verdient unsere ganze Aufmerksamkeit. 



176 

2203. Sitzung. 3. Oktober 1895. 
Vorsitzender: Herr Schulrath Prof. Dr. Ho che. 

Mit Dank erwähnt der Vorsitzende zweier Geschenke, die für 
die Bibliothek eingegangen sind: 1) von dem hiesigen mexikanischen 
Generalkonsul eine werthvoUe Sammlung mexikanischer Karten, 2) von 
dem französischen KolonialMinisterium eine Sammlung Karten, die 
französischen Besitzungen in West-Afrika betreffend. 

Im Namen des Vorstandes beantragt der Vorsitzende für ein 
neues Jahr die Wiederbewilligung von 2100 M. zur Bestreitung der 
Kosten für eine besoldete Hilfskraft des Vorstandes und deren Bureau. 
Der Antrag wird genehmigt. 

Der Vorsitzende ertheilt sodann das Wort Herrn Dr. Waldemar 
Belck aus Weilburg a. d. L. zu einem Vortrage über »Armenien und 
seine Bewohner«. Redner hat einen dreijährigen (1888-91) Auf- 
enthalt als Elektrolytiker in dem Siemens'schen Kupferwerk Kedabeg 
im Kura-Gebiet (russ. Armenien) gehabt und dabei Gelegenheit ge- 
nommen, das sagen- und ruinenreiche Armenien nach der prähistorischen 
Seite zu durchforschen, dabei mehr als 300 Gräber untersucht und deren 
interessanten Inhalt dem Prof R. Virchow in Berlin zur Bearbeitung 
übergeben. Der Fund besteht aus feinsten Metallarbeiten, bronzenen 
Gürtelblechen mit zartesten Linienzeichnungen, sowie aus Thier- und 
anderen Figuren, Alles bisher ohne irgend welche Analoga. Wer waren 
die Verfertiger dieser Kunstvverke ? Etwa jene Ureinwohner des Landes, 
die nach dem armenischen Schriftsteller Moses von Khorene (450 n. 
Chr.) zur Zeit des »Bei und der Semiramis« hier eingewandert sein 
sollten? Um die Frage zu lösen, wurde die Gegend von Eriwan bis zum 
Wan-See (Russisch und Türkisch- Armenien) besucht. Dabei wurde auch 
viel anderes historisches Material gesammelt über das Land und die 
Litteratur in altarmenischer Zeit. Kostbare Manuskripte, ungeordnet 
und unkatalogisirt, lagern centner weise in den Klöstern; nur die 
Bibliothek des Klosters Etschmiadsin erfreut sich einiger Ordnung. 
Auch allerlei geographisch-statistisches Material wurde zusammengetragen. 

Redner giebt nun eine übersichtliche Darstellung seiner Reiseroute. 
Von dem Kupferwerk Kedabeg, nahe bei Kura, ging es über Helenen- 
dorf, eine schwäbische Kolonie, die durch ihren Weinbau zu ansehn- 
lichem Wohlstande gelangt ist, nach Schuscha und weiter nach Eriwan. 
Ueberall trifit man Ruinen alter Zeiten, so Basch Garni, das Schloss 
des ersten christlichen Königs von Armenien. Nahe bei Eriwan liegt 
Etschmiadsin, der Sitz des Katholikos, des Hauptes der armenischen 
Kirche. In Armavir, der angeblich ältesten armenischen Königsstadt, 
wurden Keilinschriften aus dem 8. Jahrhundert vor Chr. gefunden. 
Von Eriwan südlich bis zum Ararat, der ausnahmsweise nicht in Nebel 
gehüllt war, wurden überall Kulturlandschaften getroffen, mit künstlicher 
Bewässerung, die bei der natürlichen Dürre des Landes erforderlich ist. 
Am Abhänge des Ararat wurde die türkische Grenze überschritten. 
Der Karawanen- Verkehr über die Grenze ist unbedeutend; Thee, Tabak, 
Korn, und Fische aus dem Wan-See sind die Haupt- Artikel ; daneben 



177 

wird lebhafter Schmuggel getrieben. Die Grenze selber ist mangelhaft 
markirt durch regellose Haufen von Feldsteinen ; nur die Russen haben 
auf ihrer Seite Wachtposten. Vom Ararat wurde in einer Höhe von 
2300 m ein herrlicher Rundblick genossen; nach Norden sieht man 
blühende Gärten und Felder, die Ortschaften in Baumgruppen versteckt, 
nach Süden kahle verbrannte Steppe, wo die trägen Bewohner in Erd- 
löchern hausen und sich mit Viehzucht nothdürftig ernähren, während 
der Boden unbenutzt liegen bleibt. In Bajazet, das südlich vom Ararat 
liegt, hatte man Gelegenheit, die türkische Misswirthschaft kennen zu 
lernen. Die Steuerlast, die der armenischen Bevölkerung auferlegt wird, 
ist unerschwinglich. Jeder männliche Bewohner zahlt von der Geburt 
an 40 Piaster (über 7 M.) Kopfsteuer jährlich ; für jedes Schaf, das dort 
höchstens einen Kaufwerth von 20 bis 30 Piastern hat, müssen jährlich 
3'/«! Piaster erlegt werden, ausserdem der Zehnte von der Ernte; 
namentlich bleibt es unter dem Schröpfsystem der Zollbeamten nicht beim 
Zehnten, es wird mindestens der Achte. Ausser diesen gesetzlichen 
Lasten hat die armenische Bevölkerung die Einquartirung der türkischen 
Soldaten ohne Entgelt zu tragen ; letztere, schlecht besoldet, nutzen dies 
möglichst aus. Dazu kommt die Bedrängniss durch die benachbarten 
Kurden. Dieselben, sonst in loser Abhängigkeit, sind durch allerlei 
Versprechungen gewonnen und in Uniform gesteckt worden, um sie an- 
geblich durch Militarismus zu civilisiren ; in Wirklichkeit setzen sie 
jetzt als Soldaten unter gesetzlichem Schutz ihr Raubsystem fort und 
brandschatzen die Dörfer mehr als zuvor. Nahe bei Diadin, westlich 
von Bajazet, liegt das Kloster Uetschkilissa, im Jahre 634 n. Chr. durch 
Kaiser Heracleus renovirt und in diesem Zustande bis heute erhalten. 
Von hier südlich bis zum Wan-See wurden überall neue, bis dahin 
unbekannt gebliebene chaldische Keilinschriften gefunden. Im Wan-See 
wurde die Insel Lim besucht und durch authentische Daten konstatirt, 
dass das bekannte Steigen und Fallen der Wasserfläche im See in Perioden 
von ca. 20 Jahren sich wiederholt. In Wan erreichte Redner das 
Hauptziel seiner Reise. Wan wird von 25 000 Armeniern und wenigen 
Türken bewohnt; letztere wohnen in der Citadellenstadt, wo sich alle 
Basars und auch die armenischen Kaufläden befinden. Die Armenier 
wohnen aber sämmtlich in der sogenannten Gartenstadt, den in Gärten 
begrabenen Vororten. Hoch interessant ist der Felsen, der die Citadelle 
trägt; in denselben ist hineingehauen ein umfangreiches Schloss, nach 
Moses von Khorene, dem oben schon citirten ältesten armenischen 
Schriftsteller (ca. 450 n. Chr.) von der »Semiramist erbaut, der man 
alle hervorragenden Bau- und Kunstwerke des Alterthums andichtet. 
Wie die Keil-Inschriften sagen, herrschte hier im Reiche Chäldia, etwa 
dem heutigen Armenien (russisch, türkisch, persisch) entsprechend, um 
850 V. Chr. der König Sardur als Gründer des Reiches und Neben- 
buhler von Assyrien ; sein Sohn Ispuinis gründete um 820 die Citadelle, 
und sein Enkel Menuas um 800 Hess schliesslich in dem Felsen der 
Citadelle ein Zauberschloss mit Gemächern, Treppen, Terrassen u. s. w. 
aushauen, gewiss ein kühler Aufenthaltsort im heissen Sommer. König 
Menuas legte auch einen grossartigen Bewässerungs-Kanal an; eine ab- 
gefangene Quelle wurde 80 km weit durch eine schluchtenreiche Berg- 

12 



178 

landschaft bis Wan zum Wan-See geleitet, getragen durch cyklopisches 
Mauerwerk, mit welchem die Schluchten umgangen wurden, da man die 
Anwendung des Bogenbaues nicht kannte. Dieser Kanal funktionirt 
heute so gut wie ehedem, und die gut erhaltenen Inschriften nennen 
jenen Menuas als Erbauer. Das Bett des Kanals springt in Absatzen 
thalwärts, und an diesen Stellen treibt das fallende Wasser Mühlwerke, 
die auf dem Turbinen-Prinzip beruhen. Im Gegensatz hierzu sind alle 
Kanäle des alten Babylonien-Assyriens versandet. Auch in der weitern 
Umgegend finden sich historische Denkmäler, z. B. 4 km entfernt auf 
dem Gipfel des Toprakkaleh die Grundmauern eines chaldischen 
Tempels und darin Weiheschilde, die als Erbauer des Tempels den 
chaldischen König Ruses III. ca. 650 v. Chr. nennen. Nicht allzu fern 
von dieser Anlage fand Redner in einer Höhe von 2300 m, nahe dem 
bisher als Gebirgssee betrachteten, in Wahrheit eine künstliche Stau- 
Anlage darstellenden Keschisch-Göll, in völlig menschenleerer Gegend 
eine mit Keilinschriften bedeckte Stele (Steinsäule). Die vom Redner 
zusammen mit Dr. Lehmann aus Hamburg, Dozent an der Berliner 
Universität, vorgenommene Untersuchung dieser Inschrift bestätigte die 
von vornherein naheliegende Vermuthung, dass diese St^le auf die An- 
lage des Keschisch-Göll Bezug habe. Sie ergab als Urheber dieses Stau- 
Beckens und gleichzeitig der durch dasselbe bewässerten Gartenanlagen 
am Fusse des Toprakkaleh-Felsens den chaldischen König Rusas I. um 
720 v. Chr. Da die heutige Gartenstadt Wan am Fusse des Toprak- 
kaleh gelegen ist und noch heute durch den Abfluss des Keschisch- 
Göll bewässert wird, so liegt in dieser Stelle die älteste bekannte 
Gründungsurkunde einer noch heute bewohnten Stadt vor. Auch ein 
Tempel und ein Palast wurden von Rusas I. auf dem Gipfel des 
Toprakkaleh angelegt; der Tempel musste aber später einem prächtigeren, 
von seinem Nachfolger Rusas III. errichteten Neubau weichen. Den 
später, im siebenten Jahrhundert eindringenden Armeniern erschienen 
diese Bauten so wunderbar, dass sie Alles der »Semiramisc zu- 
schrieben. — Von Wan aus wurde die Insel Aglhamar im Wan-See 
besucht, wo ebenfalls ein armenischer Katholikos, aber von geringerem 
Ansehen, residirt. Dann ging es weiter über Bitlis und Musch in der 
Landschaft Sassun, wo von Seiten der Kurden die neuesten Greuel 
gegen die Armenier begangen wurden, und dann nördlich durch schwach- 
bevölkerte unsichere Gegenden nach Erzerüm. Hier ist ein grosses 
armenisches Institut, wo junge Armenier zur Wissenschaft erzenen 
werden und zugleich je ein Handwerk lernen und Musik treiben. Alle 
Lehrer dieses Instituts haben in Deutschland studirt, sowie auch alle 
Lehrmittel aus deutschen Quellen bezogen werden. Leider erfreut sich 
diese Anstalt nicht der Unterstützung der türkischen Regierung. Den 
politischen Missständen des Landes entspricht auch die mangelhafte 
Kultur; das Land ist entvölkert, Verkehrsmittel und Strassen fehlen. 

Zum Schluss besprach Redner die von den Grossmächten geforderten 
Reformen, denen gegenüber er einen nicht sehr hoffnungsvollen Stand- 
punkt einnimmt. Namentlich sei als deren Folge die Entfaltung eines 
fanatischen Christenhassea bei den mohammedanischen Kurden zu be- 
fürchten, woraus sich dann für die Armenier statt der bezweckten Ver- 



179 

besserung eine thatsächliche Verschlimmerung ihrer Lage ergeben würde. 
Auf der Basis der jetzigen politischen Besitzverhältnisse sei eine Besserung 
nur zu erhoffen von der Schaffung eines ausschliesslich von Armeniern 
bewohnten Gebietes, die durch theilweise Translokation, sowohl 
der Armenier wie der Kurden, zu erreichen sein würde. Redner 
ist der Ansicht, dass die der Ausführung eines solchen Planes entgegen- 
stehenden Schwierigkeiten, obwohl die Herrschaft der Türken über die 
Kurden nur eine nominelle ist, nicht unüberwindlich sein würden. 

Der vorgerückten Zeit wegen muss der zweite Gegenstand der 
Tagesordnung : Bericht des Herrn Friederichsen über den 
VI. Internationalen Geographen - Kongress in London 
ausfallen (siehe 1 — 28). 



204. Sitzung. 7. November 1895. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Als Geschenke erwähnt dankend der Vorsitzende 1) von Frau 
Woermann hierselbst »Humboldt und Bonpland, Reisen in die 
Aequinoctialgegenden des Neuen Kontinents«, 6 Bände Text, 1815 — 35; 
2) von Baron Ferd. v. Müller in Melbourne sein neuestes Werk über 
tropische Pflanzen; 3) von Dr. Fritsche in St. Petersburg eine grössere 
erdphysikalische Arbeit; 4) vom französischen Verkehrsministerium 
den »Atlas des cotes du Congo fran9ais«. 

Herr Kapt. A. Schuck legt ein Konvolut von Seekarten vor, aus 
einer Sylter Schifferfamilie stammend, die kürzlich von Herr Dr. Oh aus 
der Kommerzbibliothek überwiesen worden sind, und knüpft daran den 
Wunsch, dass derartige im Privatbesitz meist unbeachtet bleibende ältere 
Karten unseren öffentlichen Bibliotheken häufiger zum Geschenk gemacht 
werden möchten. Die vorliegenden Karten entstammen nach dem Redner 
etwa dem Anfang des 18. Jahrhunderts und sind wohl bis in den Anfang 
unsers Jahrhunderts im Gebrauch der Seeleute gewesen. 

Der Sekretär Herr Friederichsen legt eine in Caracas 1890 
publizirte Karte von Guayana vor, auf der zur Beleuchtung der gerade 
jetzt brennenden Grenzfrage zwischen Venezuela und Britisch Guayana 
alle zur Schlichtung des Streites seit 1840 vorgeschlagenen Grenz- 
regulirungen eingetragen sind. 

Ferner lenkt Herr Friederichsen die Aufmerksamkeit auf einen 
in »Petermann's Mittheilungen« (Perthes' Geographisches Institut in 
Gotha) Heft VI dieses Jahres veröffentlichten Artikel über das »Wieder- 
erwachen der Antarktischen Forschung«. Dort berichtet der Mitredakteur 
Herr Wichmann über die von Herrn Friederichsen im letzten 
Hefte unserer Hamburger Mittheilungen veröffentlichte Karte des Dirck- 
Gherritz- Archipels , die die wissenschaftlichen Ergebnisse der vom Wal- 
fänger »Jason«, Kapitän Larsen, 1893/94 ausgeführten Reisen nach der 
Antarktis veranschaulichen soll. Auf dieser Karte erscheint der südlich 
von den Süd -Shetlands- Inseln gelegene Landkomplex, den man früher 
zusammenhängend sich dachte und darstellte, in eine Inselwelt auf- 



180 

gelöst; speziell erscheinen die grösseren Parthien, Louis Philippe- und 
Graham- resp. König Oskar-Land, durch eine weite Meeresfläche von 
einander getrennt. Diese Darstellung entspricht aufs genaueste sowohl 
dem Originaltagebuche des Kapitäns Larsen, wie auch dessen karto- 
graphischen Aufnahmen; beide Originale befinden sich im Besitz des 
Herrn Friederichsen. Bei Veröfifentlichung der genannten Karte 
durch Herrn Friederichsen wurde eine deutsche Uebersetzung des 
Schiffstagebuches, von Dr. Petersen angefertigt, dem Begleitworte der 
Karte beigefügt. Der Referent Wichmann für »Petermann's Mit- 
theilungen« behauptet nun, gestützt auf eine längere Darlegung des 
Kapt. Schuck in Hamburg, dass Dr. Petersen einzelne Stellen jenes 
Tagebuches fehlerhaft übersetzt habe und diese fehlerhafte Uebersetzung 
auf das Kartenbild von Friederichsen insofern Einfluss gehabt 
habe, als die Trennung des Louis Philippe- und Graham-Landes nicht 
dem Wortlaute des Schiffstagebuches entspreche. In Wirklichkeit liegt 
die Sache so, dass Kapt. Schuck den norwegischen Text an der 
fraglichen Stelle missverstanden hat. Dass Herr Kapt. Schuck sich 
geirrt hat, ist, abgesehen von dem für den Kenner der Sprache nicht 
missverständlichen Texte des Tagebuches und einer von Kapt. Larsen 
selbstgefertigten Kartirung der befahrenen Kästen, noch erhärtet worden 
durch eine Erklärung, die Herr Friederichsen von Kapt. Larsen 
erbeten und erhalten hat, worin letzterer ausdrücklich sagt, dass 
Friederichsen's Darstellung auf der Karte sowohl den Schiffs- 
berichten (Karte und Tagebuch), als auch der persönlichen üeberzeugung 
des Kapt. Larsen durchaus entspreche, und dass letzterer an Niemand 
anders seine kartographische Aufnahme der besuchten Küsten mitge- 
theilt habe, als an Herrn Friederichsen. Der Referent für »Peter- 
mann's Mittheilungen« ist wohl deshalb so vertrauensselig den Ausein- 
andersetzungen des Kapt. Schuck gefolgt, weil in »Norske Geografiske 
Aarbog V, 1893/94« ein dieser Zeitschrift von Kapt. Larsen mitge- 
theilter Reisebericht abgedruckt wurde, der von einer Kartenskizze be- 
gleitet war, welcher Kapt. Larsen vollständig fernsteht (wie er in obiger 
Erklärung bezeugt), und welche gar nicht Rücksicht nimmt auf den 
Bericht, dem sie beigegeben, sondern die fraglichen Gebiete in der bis 
vor kurzem üblichen, jetzt veralteten Weise darstellt. Hätte der Referent 
Herr Wichmann die Petersen'sche korrekte Uebersetzung des Schiffs- 
journales aufmerksam durchgelesen, dann hätte ihm eine so irreleitende 
Berichterstattung nicht passiren können. Unbegreiflich aber ist es, dass die 
Redaktion von »Petermann's Mittheilungen t, der vor Monaten bereits 
obiger Sachverhalt mitgetheilt worden, sich bisher nicht gemüssigt 
gesehen hat, ihr wissenschaftliches Publikum über den Irrthum ihres 
Referenten aufzuklären, sondern es ruhig geschehen Hess, dass der irrige 
Bericht auch in andere maassgebende Litteraturberichte , so in das in 
gleichem Verlage erscheinende und in diesen Tagen herausgegebene »Geo- 
graphische Jahrbuch« Band XVHI, 1895, übergegangen ist. 

Herr Friederichsen legt ferner einen Aufsatz von Prof. Sophus 
Rüge in Dresden vor, worin dieser über die Berechtigung des Namens 
»Dirck-Gherritz- Archipel« (richtiger Dirk Gerritsz), den Friederichsen 
nach Vorgang Anderer für jenes südpolare Inselland gebraucht, sehr 



181 

dankenswerthe historische Untersuchungen anstellt. Das Resultat ist, 
dass die Entdeckung eines Südlandes an fraglicher Stelle durch Dirck- 
Gherritz nach Rüge ins Reich der Fabeln gehört. 

Jedenfalls hätten, so berichtet Herr Friederichsen weiter, die 
Fahrten des Schiffes Jason und einiger anderer Walfanger das Verdienst, 
die Antarktische Frage in Fluss gebracht zu haben. Auf dem letzten 
Geographentage in Bremen (1895) habe Geheimrath Neumayer die 
Sache zur Sprache gebracht, und eine Kommission sei dort eingesetzt 
worden, um wenn möglich, eine deutsche Expedition nach der Antarktis 
ins Werk zu setzen. Auch der Londoner Internationale Geographentag 
dieses Jahres habe die Erforschung der Antarktis für das bedeutendste 
geographische Problem der Gegenwart erklärt. Jene deutsche Kommission 
habe in letzter Woche zum zweiten Male in Berlin Sitzung gehabt und 
beschlossen, eine Expedition in die Wege zu leiten und zwar für 
3 Sommer , mit 2 Ueberwinterungen in einer festen Station, und mit 
2 Schiffen, unter einem Kostenanschlage von 950 000 JMi. Oberlieutenant 
a. D. Dr. von Payer, der bekannte Entdecker des Franz- Josefs-Landes, 
habe sein Interesse jetzt ebenfalls dem Südpolarlande zugewandt und 
werde besonders bei seinen oesterreichischen Landsleuten seinen ganzen 
Einfluss für das Zustandekommen einer antarktischen Expedition 
geltend zu machen suchen. 

Nachdem die Gesellschaft in dieser Weise über den augenblicklichen 
Stand der Antarktischen Frage aufgeklärt war, ertheilte der Vorsitzende 
dem Herrn Borchgrevink aus Christiania das Wort, der im letzten 
Sommer von einer erfolgreichen Reise nach Süd- Victorialand (südlich 
von Australien) heimgekehrt ist. Als Thema seines Vortrages hatte er 
angekündigt :»Erlebnisse an Bord des Waldampfers Antarctic 
auf der Fahrt nach Süd-Victorialand, 1894/95«. — Redner, der 
in Australien als Landvermesser beschäftigt war, Hess sich in Melbourne, 
wo genanntes Schiff einen Matrosen suchte, als solchen anwerben und 
verliess am 20. September 1894 mit ihm Port Phillip, um Spermaoeti- 
Wale zu jagen. Die Fahrt ging nach Süden. Am 8. Oktober fiel bereits 
Schnee auf Bord, am 18. Oktober wurde ein herrliches Südlicht 
beobachtet. Campbell-Insel, im Süden von Neu-Seeland, wurde besucht, 
eine vulkanische Felseninsel mit zahlreichen Gipfeln und reicher Vege- 
tation, an der Küste Seehunde, Seelöwen, Enten, Strandläufer. Unter 
58** S. zeigte sich eine unabsehbare Eisbarriere m*it senkrechten, durch 
die Brandung der Wellen unterhöhlten Wänden. Zahlreiche Eisberge 
schwammen im Meere. Wegen einer Störung der Schraube musste das 
Schiff zurück nach Port Chalmers auf Neu-Seeland und ging am 
28. November von dort wieder nach Süden in See. Am 8. Dezember war 
es von schwimmenden Eismassen umgeben und befand sich am Rande 
des Packeises. Der Eisschimmer im Süden und die weissen Sturmvögel 
deuteten jene Eisfelder an, in welche Sir James Ross mit den Schiffen 
»Erebus« und »Terror« im Jahre 1841 eingedrungen war. Man beob- 
achtete ein reiches Thierleben im Meere, Blauwale überall, das Aus- 
spritzen ihrer Fontaine war meilenweit hörbar ; beim Versuch, eines der 
Thiere habhaft zu werden, riss die Harpunen-Leine. Am 14. Dezember 
wurde Balleny-Insel gesichtet , die durch grosse Eismassen verbarrikadirt 



182 

war, die sich von ihren Gletsdiern losgelöst hatten. Auch zeigten sich 
Fels- und Erdspuren im Eise. 38 Tage dauerte die Fahrt durch das 
Packeis, die nur für einen Dampfer möglich war, dann fuhr das Schiff 
in ein weites offenes Meer. Der 24. Dezember war besonders stürmisch 
gewesen, aber in der Nacht sahen sie die Mitternachtssonne leuchten, 
wohl als die ersten Menschen, die in der Weihnacht auf der Südhälfte 
der Erde dieses Schauspiel erleben durften. Gleich darauf wurde der 
Polarkreis gekreuzt, und am Silvester 1894 12 Uhr Nachts das neue 
Jahr, ebenfalls bei schönem Sonnenschein, mit Kanonenschüssen salutirt. 
Am 16. Januar wurde Cap Adare in Victoria-Land gesichtet. Es ist 
ein vierkantiger Basaltfelsen, der sich 4000 Fuss über das Meer erhebt, 
und die Küste von Victoria-Land dehnt sich von hier bis an den 
Horizont aus. Einige Spitzen erheben sich bis 12 000 Fuss, ein Vulkan 
von 7000 Fuss Höhe zeigt Spuren recenter Thätigkeit. Am 18. Januar 
wurde Possession-Island erreicht, wo Mengen von Pinguinen auf tiefen 
Guanolagern nisteten. Die Vögel vertheidigten tapfer ihren Grund und 
Boden und griffen die ungebetenen Gäste wüthend an. Auch Vegetation, 
einige Flechten, wurde hier etwa 10 m über Meer angetroffen. Am 
20. Januar erreichte das Schiff Coulman-Island ; hier zeigten sich auf- 
fallende Störungen an der Magnetnadel. Bei 74 Grad südlich wurde 
am 22. Januar Kehrt gemacht nach Norden, weil Walfische nicht mehr 
beobachtet wurden. Auf der Höhe von Cap Adare wurde gelandet; zum 
ersten Male betraten Menschen das südpolare Festland (wenn diese Be- 
zeichnung richtig ist). Gesteinsproben und Kryptogamen wurden vom 
Redner gesammelt. Pinguine (eine sehr grosse Art) waren hier wo- 
möglich noch zahlreicher als auf Possession-Island ; viele Potwale wurden 
gesehen; stets war die Temperatur verhältnissmässig hoch. Das Minimum 
der Lufttemperatur im Südpolarmeere war 25" F (ca. 4® C unter Null), 
das Maximum 46® F (ca. 8® C über Null); die Wasser - Temperatur 
innerhalb des Packeises war überall 26" F. In der Bai von Victoria- 
Land scheint eine wärmere Strömung von N nach S das Wasser offen 
zu halten, wie schon James Boss beobachtet hat. Das Wasser war 
meist klar, der Barometerstand niedrig, die Luft trocken; die Winde 
wehten vorherrschend aus Osten. Den letztgenannten Landungspunkt in 
der Höhe von Cap Adare hält Redner für sehr geeignet zur Anlegung 
einer Beobachtungs-Station und als Ausgangspunkt für weitere Schlitten- 
reisen. Mit Hundeschlitten könne man hoffen, von hier aus den Süd- 
magnetpol zu erreichen, der nach der Berechnung von J. Ross 160 
engl. Meilen von dort entfernt liege. Schon das Studium des Erd- 
magnetismus allein dürfte eine Expedition lohnen. Er selber glaube 
hier an einen grossen Kontinent von zweimal der Grösse Europas. 
Jedenfalls zeige seine Reise^ dass die Verhältnisse dort günstiger lägen, 
als man gewöhnlich annehme. Auf 66 Grad südlich erreichte man 
wieder die offene See. Hier wurde schliesslich ein noch prächtigeres 
Südlicht als jenes beim Beginn der Reise beobachtet, das die Magnet- 
nadel bedeutend beeinflusste. Anfang März, 5Va Monat nach der Ab- 
reise von Melbourne, ankerte das Schiff wieder in Port Phillip. 

An den Vortrag schloss sich eine Vorführung photographischer 
Bilder, die Redner im Südpolarmeere aufgenommen hatte oder nach 



183 

Skizzen hatte ausführen lassen. Der vortrefflich funktionirende Pro- 
jektionsapparat mit Bedienung war von dem optischen Institute des 
Herrn Dr. Krüss der Gesellschaft gütigst zur Verfügung gestellt worden. 

205. Sitzung. 5. Dezember 1895. 

Vorsitzender: Herr Bürgermeister Dr. Mönckeberg. 

Der Vorsitzende macht die Mittheilung, dass auf Anregung des 
Vorstandes der Sektion »Hamburg« des Deutschen und Oesterreichischen 
Alpen Vereins der Entdecker des Franz- Josefs-Landes, Dr. von Payer 
aus Wien, am 13. Dezember 8 Uhr Abends im Logensaale (Welcker- 
strasse) einen Vortrag über »künstlerische Erforschung des 
Nordpoles« halten werde und dass den Mitgliedern der Geographischen 
Gesellschaft je 2 Eintrittskarten zu dem Vortrage zum ermässigten Preise 
von k 1 ML zur Verfügung ständen. 

Der Vorsitzende widmet alsdann ehrende Worte der Erinnerung 
unserem Landsmann 0. Ehlers, der bei dem Versuche, Neu-Guinea 
zu durchqueren, im September d. J. durch einen Unglücksfall den Tod 
gefunden hat. Herr Ehlers sei vielen Mitgliedern der Gesellschaft 
persönlich, den meisten jedenfalls durch seine Schriften bekannt; er 
sei im besten Mannesalter gestorben, und seine bisherigen Leistungen 
hätten noch zu grossen Erwartungen berechtigt. Wenn er auch nicht 
ein Mann der Wissenschaft gewesen, so habe er doch mit grosser 
Menschen- und Weltkenntniss in fremden Ländern das Leben beobachtet 
und es verstanden, seine Beobachtungen so anschaulich mitzutheilen, 
dass er den grössten Anklang gefunden habe und zu den originellsten 
und talentvollsten Reiseschriftstellern zu zählen sei. In Hamburg 
geboren, habe er nach seinen Studien sich zunächst der Landwirthschaft 
gewidmet, die Reiselust habe ihn aber bald hinausgetrieben, zunächst 
nach Ost-Afrika, wo er im Interesse kolonialpolitischer Bestrebungen 

1888 an der Spitze einer Karawane die Dschagga-Staaten am Kilima- 
Ndscharo besuchte, über dessen vermeintliche Besteigung er im Juni 

1889 in unserer Gesellschaft einen höchst geistreichen und amüsanten 
Vortrag gehalten. Weiter habe er Ostindien, Vorder- und Hinter-Indien 
durchquert und seine Erlebnisse in zwei interessanten Reisebüchern 
niedergelegt. In Indien, wo der Elephant als Hausthier gehalten werde, 
sei ihm auch der Gedanke gekommen, mit Hülfe des indischen 
Elephanten Zähmungsversuche am afrikanischen Elephanten anzustellen, 
um möglicherweise dessen Nutzbarmachung als Hausthier zunächst für 
Deutsch-Ost-Afrika anzubahnen. Weiter habe der Verstorbene die 
Südsee-Inseln besucht und diese Reise in dem jüngst erschienenen 
Buche »Samoa, die Perle der Südsee« beschrieben. Die letzte Reise aber 
in Neu-Guinea, wo er seinen Tod gefunden habe, hätte, da das Innere 
der Insel noch ganz unbekannt, auch sicherlich für die Wissenschaft 
eine nennenswerthe Bereicherung an Beobachtungen und Thatsachen 
zur Folge gehabt. Umsomehr erscheine es natürlich, dass auch die 
Geographische Gesellschaft das Hinscheiden des Reisenden mit innigem 



184 

Beileid begleite; deshalb habe er im Sinne der Versammlung zu 
handeln geglaubt, wenn er dem Verstorbenen diese Worte widmete. 

Alsdann begrüsste der Vorsitzende den Redner des Abends, 
Herrn Dr. Markow aus London und ertheilte ihm das Wort zu dem 
angekündigten Vortrag »über den zukünftigen Handel Chinas«. 
(Siehe Seite 80). — Redner, aus Russland gebürtig, ein Neffe des berühmten 
russifichen Reisenden und Forschers Prschewalski, hat in den Jahren 
1889 und 90 als Mitglied einer russischen Handelsexpedition China 
bereist und ist bei dieser Expedition als Linguist thätig gewesen, hat 
als Orientalist direkt, d. h. in ihrer Sprache, mit den Chinesen ver- 
kehren können, und ist infolge seiner dortigen Erfahrungen in der Lage, 
sowohl über die Lebensprinzipien der Chinesen wie über die ökonomische 
Lage des Landes manches Neue mitzutheilen, speziell gute Rathschläge 
zu ertheilen, wie eine unternehmungslustige Kaufmannschaft in der 
Lage sein werde, aus der augenblicklich so günstigen Lage des Handels 
nach China Vortheile zu ziehen, resp. denselben in die Hand zu nehmen. 

Der Vorsitzende ertheilt zum Schluss noch Herrn Kapitän 
Schuck das Wort, der darum gebeten hatte, um gegenüber den Be- 
sch uldigungen des Herrn Friederichsen in der vorigen Sitzung, dass 
er (Kapt. Schuck) infolge einer falsch verstandenen Stelle im Tagebuch 
des Kapitän Larsen die von Friederichsen entworfene Karte des 
Dirk-Gerritsz-Archipels falsch kritisirt habe, eine Rechtfertigung dieser 
seiner von Herrn Friederichsen angefochtenen Kritik geben zu dürfen. 
Herr Kapitän Schuck ist überzeugt, dass die Karte Frieder ichsen's 
in Betreff mancher Einzelheiten Unmögliches, resp. Unberechtigtes dar- 
stelle. In dem Briefe des Kapt. Larsen , den dieser zur Rechtfertigung 
des Herrn Friederichsen geschrieben, fänden sich Widersprüche in 
Betreff der Entfernung, in der Kapitän Larsen die Küsten habe sichten 
wollen; die sich daraus ergebenden Fehler müsse der Kartograph be- 
richtigen und nicht ohne Prüfung seiner Kartirung zu Grunde legen. 
Bei besserer Anleitung würde Kapitän Larsen gewiss zuverlässigere 
Aufnahmen haben machen können. Den Vorwurf, dass er eine Stelle 
des Larsen'schen Tagebuches falsch verstanden habe, müsse er zurück- 
weisen, da er sich von der Richtigkeit dieses Vorwurfes nicht überzeugen 
könne. Er könne die fragliche Stelle nach wie vor nur in dem von 
Herrn Friederichsen angefochtenen Sinne auslegen. — Der Vor- 
sitzende erklärt mit dieser Entgegnung des Herrn Schuck die Sache 
für die Geographische Gesellschaft für erledigt, umsomehr, als nach der 
Erklärung des Kapt. Larsen selber die Karte des Herrn Friederichsen 
durchaus seinen Aufnahmen und Mittheilungen entspreche. (Siehe Dr. 
Peter sc n's Erwiderung auf Seite 62). 



185 

Kassa-Bilanz fQr 1895. 

Einnahme: 

I. Saldo von 1894 

Bank-Saldo am 31. Dezbr. 1894 Ji. 1367.29 
Kassa-Saldo * 31. Dezbr. 1894 » 127.77 

^Ä 1495.06 

II. Mitglieder-Beiträge » 6342.— 

III. Zinsen » 571.53 

IV. Staats subvention t 6000.— 

V. Extraordinaria : Rückprämie » 23.30 

-Jrt. 13 431.89 



Ausgabe: 

I. Für die Mittheilungen 1891—92 JH. 2935.50 

» » > Bd. XII (Dr. Sievers' 

zweite Reise in Venezuela) » 1363.75 

Tafeln zu Dr. Gottsehe's beabsichtigten 
Abhandlung über die Endmoränen in 

Schleswig-Holstein » 970.40 

Sonstige Drucksachen » 277. — 

II. Für die Monatssitzungen und Vorträge. ... » 1051.60 

III. » » Bibliothek: Binden U.Anschaffungen » 345.30 

IV. » > Verwaltung » 3866.55 

V. Extraordinaria: 

Für die Ausstellungen in Bremen 

und London 1896 JH. 116.60 

Silberne Kirchenpauer - Medaille 

für Dr. Franz Stuhlmann ...» 55.50 
Beitrag z. Bremer Geographentag » 15. — 
» » Londoner Geographen- 

Kongress » 20.85 

Dr. Michow, Beihülfe zur Theil- 
nahme am Londoner Geo- 

graphen-Kongress » 150. — 

Ij. Friederichsen, Reisespesen : 
2 Sitzungen der Südpolar- 

Kommission in Berlin.... » 135.80 

Bremer Geographentag » 139.40 

London. Geographen-Kongress » 560. — 

- » 1193.15 

VI. Saldo auf 1896 » 1428.64 

JH 13 431.89 



186 

Baar-Vermögensbestand Ende 1895. 

5 Stück Hamburger StaÄts-Rente ä 3V« »/o JH. 10 000, z. Z. 

gekauft k 102V8 M. 10 212.50 

6 Stück Hamb. Staats-Rente ä 3 Va ®/o il. 5000, z. Z. gekauft 

ä 103*/8 » 5 181.25 

Fällige Zinsen auf M. 15 000 Hamb. Staatsrente vom 

1. Aug. bis 31. Dezbr. 1893 (5 Monate ä 3V, o/o) . . t 218.75 

Bank- und Ka.sBa-Saldo Ende 1895 » 1 428.64 

M. 17^4^14 



187 

Plan für eine Deutsche Expedition 

zur 

Durchforschung der Süd -Polar -Region. 

Die Gegenden der Erde, welche noch der Durchforschung harren, 
werden immer mehr und mehr eingeschränkt; es bleibt kaum noch 
ein Gebiet von grösseren Dimensionen übrig, das noch gänzlich 
unbekannt wäre. Die Polar- Regionen weisen noch solche unerforschte 
Gebiete auf; allein vor allem ist es das Süd-Polar- Gebiet, das fast 
völlig unbekannt, unerforscht geblieben ist. Namentlich fehlt uns 
jede Eenntniss darüber, ob sich jenseits des 65. Grades südlicher 
Breite grössere kontinentale Massen befinden, oder ob nur eine Kette 
von grösseren od^r kleineren Inseln die Polar-Zone einschliesst, bezw. 
bedeckt. Dass das, was immer auch bestehe, in Eis starrt und durch 
eine Eisdecke von grösserer oder geringerer Mächtigkeit überlagert 
wird, ist durch die verschiedenen Expeditionen, die vor 40 und mehr 
Jahren untet einzelnen Meridianen vordrangen, festgestellt worden. 
Es ist einleuchtend, dass bei dieser Unkenntniss der grundlegenden 
Faktoren der physischen Geographie in jenen Gegenden die Kenntniss 
der Gesammt-Erscheinungen auf unserem Planeten überhaupt lücken- 
haft und unvollkommen bleiben musste. In erster Linie wird es sich 
bei jedem Unternehmen zur Erforschung der Süd-Polar- Gegenden um 
die Feststellung der geographischen Gestaltung derselben handeln 
müssen. Aber auch die Vervollständigung unserer Kenntnisse auf 
jeglichem Gebiete der Naturforschung wird durch eine wissenschaftliche 
Untersuchung jener Gegenden herbeigeführt, oder doch gefördert 
werden. Diese Ueberzeugung kommt mehr und mehr zur Geltung, 
und das Jahr I89ö hat mit Beziehung auf die Erforschung der Süd- 
Polar-Region eine hohe Bedeutung gewonnen. 

In erster Linie wurde auf dem XI. Deutschen Geographen-Tage 
in Bremen, welcher vom 17. bis 20. April abgehalten wurde, 
folgender Antrag zum Beschluss erhoben: 

tDer XL Deutsche Geographentag zu Bremen wolle 
in voller Würdigung der Wichtigkeit der Antarktischen 
Forschung für Geographie und Naturwissenschaft 
einen Ausschuss ernennen, dessen Aufgabe es ist, 
über die Möglichkeit einer baldigen Entsendung einer 
Deutschen wissenschaftlichen Expedition in die 
Antarktis zu berathen und günstigen Falles die Aus- 
führung der Sache in die Wege zu leiten.« 



188 

In Folge dieses Beschlusses konstituirte sich am 19. April d. J. 
in Bremen die Deutsche Kommission für die Süd-Polar- 
Porschung. 

Der in den letzten Tagen des Monats Juli und im Anfang 
August d. J. in London versammelt gewesene VI. Internationale 
Geographen-Eongress fasste in Anknüpfung an einen bereits von dem 
y. Internationalen Geographen-Kongress in Bern (1891) angenommenen 
Beschluss die folgende Kesolution: 

»Der zu London 1895 versammelte VI. Internationale 
Geographen-Eongress erklärt die Erforschung der 
antarktischen Begionen für das bedeutendste der 
noch zu lösenden geographischen Probleme und 
empfiehlt, in Anbetracht der aus derselben voraus- 
sichtlich für alle Zweige der Wissenschaft sich er- 
gebenden Vor t heile, dass die verschiedenen Gelehrten 
Gesellschaften der ganzen Welt auf dem ihnen am 
wirksamsten erscheinenden Wege darnach trachten, 
diese Aufgabe vor Ablauf des 19. Jahrhunderts gelöst 
zu sehen.« 

Die Deutsche Kommission hat, nachdem am 8. Juni d. J. die 
erste Sitzung in Berlin stattgefunden hatte, am 3. November d. J. 
in den Bäumen der Gesellschaft für Erdkunde daselbst eine zweite 
Sitzung abgehalten, in welcher die Kommission ergänzt und der im 
hohen Süden zu befolgende Forschungs-Plan eingehend berathen 
wurde. Besonders hervorzuhebende Beschlüsse sind, dass es abgelehnt 
wurde, in Einzelheiten des Expeditions - Planes einzugehen; solche 
müssten einem späteren Stadium und namentlich dem Führer der 
auszusendenden Expedition überlassen bleiben; es sollten die Be- 
wegungen desselben in keiner Weise gehemmt, seinem Urtheil über 
die richtigen Maassnahmen nicht vorgegriffen werden. 

Die Kommission schloss sich im allgemeinen denjenigen Beschlüssen 
an, welche schon in der Sitzung am 8. Juni über die allgemeinen 
Umrisse der Forschungsreise gefasst waren und bereits in einem auto- 
graphirten Cirkular bekannt gegeben worden sind. 

Im Nachfolgenden sind die Grundzüge der Forschungs-Expedition 
zusammengestellt und an der Hand einer Kartenskizze der Süd-Polar- 
Gegenden erläutert. 

Die Meteorologie, die Lehre des Erdmagnetismus, Erdmessung, 
Zoologie, Botanik, Geologie und Eisforschung erheischen es, dass 
jedenfalls mit der geographischen Erforschung auch eine Ueber- 
winterung innerhalb der Süd-Polar-Zone als einer der dringendsten 



189 

Wünsche und deshalb als ein Orundzug des Forsch angsplanes aner- 
kannt werde. Solches aber bedingt die Ermittelung einer festen 
Stätte auf einer der Inseln oder auf dem antarktischen Festlande, 
welches von manchen kompetenten Forschern in der Neuzeit 
angenommen wird. Demnächst ist dafür Sorge zu tragen, dass die 
gegründete Südpolar -Station nicht gänzlich von dem Verkehre mit 
der bewohnten Welt getrennt werde. Aus dieser Rücksicht ist es 
erforderlich, dass der errichteten Süd-Polar- Station ein Schiff zur 
Stütze und zur Verfügung bleibe. Ein zweites Schiff wird von dieser 
Basis die eigentliche geographische und hydrographische Erforschung 
fortsetzen müssen. Für diese Operationen, die im einzelnen darzulegen 
im gegenwärtigen Stadium keinen Zweck haben könnte, sind wenigstens 
zwei Ueberwinterungen und eine Zeitdauer von insgesammt drei 
Jahren erforderlich. Auf dieser Grundlage lässt sieh von einer 
Forschungsreise ein Erfolg für die Wissenschaft der Geographie und 
Geophysik erhoffen und erscheint auch die Sicherheit der Expedition 
— soweit dies überhaupt in menschlicher Berechnung liegen kann — 
gewährleistet. 

Es hat sich ferner die Deutsche Südpolar-Kommission die Frage 
vorgelegt, welche Theile der Südpolar- Eegion wohl mit Aussicht auf 
Erfolg durch eine Forschungs-Expedition in Angriff zu nehmen wären 
und sie gelangte zur Ueberzeugung, dass eine deutsche Expedition 
unter dem Meridian der Insel Kerguelen (etwa 70" — 85" östl. v. 
Greenw.) entsandt werden sollte. Die Gründe dafür sind im Folgenden 
zusammengefasst : 

Es ist die Erforschung der Südpolar-Region, vom Indischen 
Ozean ausgehend, an der bezeichneten Stelle niemals ernstlich in 
Angriff genommen worden; es kann daher mit Bestimmtheit die Er- 
weiterung unserer Kenntnisse über geographische Gestaltung derselben 
erwartet werden. 

Von anderer Seite wird dieser Ausgangspunkt einer Expedition 
nicht in's Auge gefasst, während die Gegenden südlich von Kap 
Hörn und jene südlich von Neuseeland für die Zwecke der Erforschung 
schon in Aussicht genommen sind. 

Für meteorologische und magnetische Forschung kann kaum eine 
günstigere Stelle für eine Südpolar-Station gefunden werden, als die 
bezeichnete im Süden von Kerguelen und den Mc. Donald-Inseln. 
Zwischen der Kap-Kolonie und der Kolonie Victoria liegend, lässt 
sich eine tüchtige wissenschaftliche Unterstützung durch die daselbst 
befindlichen Observatorien erwarten, ganz abgesehen von der Thätig- 
keit des in den Tropen auf Mauritius liegenden Observatoriums. 



190 



Ueber die Zusammensetzung des Expeditions-Personals soll zu- 
nächst bemerkt werden, dass ein jedes der Expeditionsschiffe von 
ungefähr 400 Tons Tragfähigkeit etwa 30 Mann Besatzung haben 
muss; darunter sind einbegriffen 4 Offiziere und 4 gelehrte Theil- 
nehmer, so dass für die eigentliche Besatzung mit Decksoffizieren 
und Werkleuten 22 Mann übrig bleiben. Aus dem Gelehrten-Stab, 
welcher an Bord beider Schiffe sich befindet, wird das Beobachtungs- 
corps für die Südpolar- Station ausgewählt, wozu noch einige Hand- 
werker und Arbeitsleute aus der Schiffsbesatzung treten. 

Die Führung einer solchen Expedition ist einem hervorragend 
praktisch und wissenschaftlich gebildeten Seemanne zu übertragen, 
welchem andere selbstständig wirkende wissenschaftliche Männer zur 
Unterstützung beigegeben sind. 

Bei Aufstellung des Kosten-Anschlages für die Expedition nach 
der antarktischen Begion haben die im Vorstehenden gegebenen 
Anhaltspunkte als Grundlage gedient. Im übrigen ist zu bemerken, 
dass das Unternehmen als unabhängig von den Mitteln und Ein- 
richtungen der Kaiserlichen Marine auszuführen gedacht ist; es 
mussten sonach die Gehälter, Löhne u. s. w. vorgesehen, sowie auch 
der Neubau geeigneter Schiffe in's Auge gefasst werden. 

In einzelnen Gruppen von Ausgaben stellt sich der Kosten- 
Anschlag wie folgt: 

1. Für Gehälter und Löhne M. 320000 



2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 
10. 
11. 
12. 



Verpflegung u. a. m 

Neubau der beiden Schiffe 

Kohlen und Schmiermaterial 

Keserve-Schiffs-Materialien 

Besondere Pelz- Ausstattung 

Jagd- und Fischerei- Geräthe 

Instrumente und Bücher 

Wohnhäuser und Observatorien 

Brenn- und Beleuchtungsmaterial . . . 

Verwaltungs- Ausgaben 

Unvorhergesehene Ausgaben 



97 000 

320000 

92000 

6400 

4400 

2000 

43000 

39000 

12000 

6400 

7 800 

JH 95ÖÖ00 



Die Deutsche Südpolar-Kommission ist sich darüber klar geworden, 
dass ein Unternehmen auf einer Grundlage, wie sie im Vorstehenden 
flüchtig gekennzeichnet wurde, ungefähr 950 000 Jü zur Durchführung 
erfordern wird. Erscheint die Summe auch beträchtlich, so besteht 
andererseits gegründete Hofinuug, dass sie angebracht werden kann, 



191 

und zwar wird diese Hoffnung gestützt in erster Linie durch die 
auf Grund dieses vorstehenden Programmes bereits in Aussicht ge- 
stellten erheblichen Zeichnungen. Durch dieses Vorgehen einzelner, 
der grossen Sache der Stidpolar-Forschung gewogener Männer, wird 
die Deutsche Südpolar-Eommission ermuthigt, sich an die Deutsche 
Nation zu wenden, damit durch freiwillige Beiträge die erforderliche 
Summe aufgebracht werde. 

Es ist einleuchtend, dass in Anbetracht des Umfanges des Unter- 
nehmens und der Höhe der Summe, welche zur Durchfuhrung unent- 
behrlich ist, alles aufgeboten werden muss, um innerhalb unseres 
Vaterlandes die Mittel zu beschaffen. Zunächst gilt es, zu beweisen, 
dass der Gedanke der wissenschaftlichen Nothwendigkeit der Süd- 
Polar-Forschung in Deutschland Boden geftinden hat und durch 
Zeichnung von Beiträgen in die That übertragen werden wird. Als- 
dann wird sich ermessen lassen, ob und in wie weit Zuschüsse aus 
Reichsmitteln zu erstreben sein werden. 

Dem Anschein nach rüsten die leitenden Mächte der civilisirten 
Welt, um sich an der Lösung des grossen Problems der geographischen 
Gestaltung der Süd-Polar- Region zu betheiligen. Die Deutsche 
Nation, von jeher eine der führenden in der Lösung geographischer 
Probleme, kann und wird in diesem Wettstreit unmöglich zurück- 
stehen, um so weniger, als eine erfolgreiche maritime Entdeckungsreise 
das Ansehen Deutschlands zur See noch erheblich steigern und dem 
deutschen Namen zur höchsten Ehre gereichen dürfte. 

Berlin, im Dezember 1895. 

Die Deutsche Kommieeion für die SQd-Polar-Forecliung. 

Der I . Vorsitzende : Der II. Vorsitzende : Der Schriftführer : 

Dr. Neumayer, George Alb recht, Dr. M. Lindeman, 

Hamburg. Bremen. Dresden. 

Der Schatzmeister : 

R. Koch, 

Direktor der Deutschen Bank, Berlin. 

Dr. von Bezold, Geheimer' Regierungsrath, Berlin ; Dr. Borgen, Admiralitäts- 
rath, Wilhelmshaven; Dr. von Drygalski, Berlin; L. Friederichsen , General 
Sekretär der Geograph. Gesellschaft, Hamburg; Dr. Günther, Prof., München; Dr. 
Gtissfeldt, Prof., Berlin; Dr. Hell mann, Professor, Berlin; Dr. Hensen , Geheimer 
Regierungsrath, Kiel ; Dr. K i r c h h o f f , Professor, I lalle ; K o 1 d e w e y , Admiralitätsrath, 
Hamburg; Kollm, Hauptmann a. D. und Generalsekretär der Gesellschaft für Erd- 
kunde, Berlin ; Graf Linden, Präsident des Württemberg. Vereins für Handelsgeographie, 
Stuttgart; Dr. Meyer, Vorsitzender des Vereins für ?>dkunde, Leipzig; Dr. Ober- 
hummer, Professor, München ; Dr. R a t z e 1 , Prof. , Leipzig ; Dr. R e i s s , Geheimer 
Regierungsrath, Könitz; Dr. Freiherr von Richthofcn, Geh. Regierungsrath, Berlin; 
Willy Ri ckmer-Ri ckmers, Bremen; Dr. Schauinsland, Direktor des städt. 
Museums für Naturgeschichte imd Völkerkunde, Bremen; W. Schönlank, General- 
Konsul, Berlin; Dr. v. d. Steinen, i. Vorsitzender der Gesellschaft für Erdkunde, 
Berlin ; Dr. Wagner, Geh. Regierungsrath , Göttingen ; Dr. Max Graf vonZeppelin, 
Stuttgart. 



192 



Mitglieder-Verzeichniss Ende 1895. 

Vorstand. 

Präsident: Bürgermeister Dr. J. G. MSnokeberg. 

VicePräsident: Schulrath Prof. Dr. R. Hoche. 

Erster Sekretär: L Friederiohsen. 

Zweiter Sekretär: Admiralitätsrath C. Koldewey. 

Eassirer: W. Westendarp. 

Enil GOssefeld. 

Senator H. Rosoher. 

Revisoren. 

G. H. Blohm. 
Consul F. Hernsheim. 

Beirath. 

G. H. Blohm. 

Dr. Carl Gottscho. 

Consul F. Hernsheim. 

Schulrath J. L. Mahraun. 

Dr. H. Michow. 

Dr. med. W. Oehrens. 

Dr. J. G. Repsold. 

Dr. Heinr. Traun. 

J. Witt. 

Otto E. Westphal. 

Inhaber der Kirchenpauer-Medaille. 

a. goldene Medaille: 

Bürgermeister Dr. G. Kirohenpaiier (Hamburg), gestorben 3. März 1887. 
Dr. med. G. Adolf Fisober (Barmen), gestorben 11. Nov. 1886. 

b. silberne Medaille: 
Dr. Franz Stuhlmann (Hamburg). Seit 7. März 1895. 

I. Ehrenmitglieder. 

Andree, Richard, Dr. phil. Braunschweig Seit 1. Mai 1886. 

Bastian, A., Geheimer Regierungsrath, Prof. Dr. phil. Berlin... > 7. > 1874. 

Kiepert, H., Prof Dr. phil. Berlin > 4. März 1876. 

Negri, Christoforo, Prof. Dr. Turin » 7. Mai 1874. 

Neumayer, G. , Wirkl. Geh. Admiralitätsrath, Direktor der 

Deutschen Seewarte, Prof Dr., Hamburg » 8. Juni 1875. 



193 



Nordenskjttld, Erich Freiherr yon, Prof. Stockholm Seit 6. Febr. 1880. 

Palander, L., Marine-Eapit»n. Stockholm > 5. » 1880. 

Payer, Jul. von, Dr. phil. Wien t 4. März 1876. 

Riohthofen, Ferd. Freiherr von, Geh. Regierungsrath, Prof. Berlin > 7. Mai 1874. 

Rohlfa. Gerh., Hofrath, Dr. Godesberg » 4. März 1876. 

Sohweinfurtb, G., Prof. Dr. phil. Kairo » 4. Febr. 1876. 

Stanley, Henry M., London » 7. » 1878. 

Wilczek, Hans Graf von, Exe, K. K. Wirkl. Geheimrath. Wien » 4. März 1876. 



II. Korrespondirende Mitglieder. 

Cohen, Emil, Prof. Dr. phil. Greifswalde Sei 

Cora, Guido, Prof. in Turin 

Debeo, E., Kartograph. Leipzig 

Ernot, A., Dr. phil. Direktor des National-Museums. Caracas .. 

Hesse-Wartegg, Ernst von, Tribschen-Luzem 

Holten, Herrn, von. Gochabamba 

Keller, Rieb. Bufisque am Senegal 

Knbary, Job. Konstantinhafen. Nen-Gninea 

Leonoe. Riohard, Bordeaux > 

Sebillinglaw, Jobn J., Melbourne (Australien) 



Bit 9. Sept. 


1875. 


> 6. Dez. 


1894. 


> 1. Mai 


1886. 


> 8. Juni 


1888. 


> 4. De2. 


1879. 


^ 6. Jan. 


1882. 


> 6. Nov. 


1887. 


> 9. Sept. 


1875. 


> 9. Sept. 


1876. 


> 1. April 


1880. 



Abegg, Fr. 
Achilles, C, Dr. med. 
Adler, Is. 

Ahlsberg, A., Dr. med. Oberarzt. 
Albers-Schönberg, A. H. 
Albrecht, Max, Dr. phil. 
Aly, Paul, Dr. med. 
Amsinck, J., Dr. med. 
Amsinck, L. £. 
Amsinck, M. G. 
Amsinck, Wilh. 
Andersen, C, Schiffsrheder. 
Andersen, Emil. 

Antoine-Feill, H. F. A., Dr. jur. 
Aming, E., Dr. med. 
Asmus, Edm. 
Baasch, £., Dr. phil., 
Kommerz-Bibliothek . 
Ballin, Alb., Direktor. 
Bartels, F. W. 
Bauer, Max M. 
Bauermeister, Karl. 
Behn, Th., Dr. jur. 
Beith, M. 
Berendt, M. 



III. Ordentliche Mitglieder. 

Berendt, S. 



Bibliothekar der 



Bergner, Phil. 

Berkefeld, W. 

Bernhardt, John. 

Beukemann, Wilh., Dr. phil., Oberbcamter 
d. Stat. Bur. d. Steuer-Dep. 

Bieber, Frz.. Vog. 

Bieber, G. R. 

Bieber, Theod. 

Bieling, Ad. 

Bippen, Am. von 

Blohm, G., Dr. Referendar. 

Blohm, G. H. 

Blohm, L. F. 

Blumenthal, Aug. 

Bock, Theod. 

Boehl, Joh. Fr. 

Böhme, H. D. 

Bötzow, F. G. C., Dr., Ständiger Hilfs- 
arbeiter des Senats. 

Bohlen, Ed., Generalkonsul. 

Boldemann, Hermann. 

Bollenhagen, Emil. 

Booth, Oskar. 

Booth, Stanley. 

13 



194 



Borstelmann, J. 

Brach I Rudolf. 

Brackenhoeft, Ed., Dr. jur. 

Braunschweig, Ernst von, Bergedorf. 

Brauss, Hermann. 

Breymann, Wm. H. 

Brieger, Carl. 

Brock, Gustav. 

Brockmann, Wilhelm. 

Brohm, Walter. 

Brons, Claas W. 

Brückmann, Alb. 

Bülau, G., Dr. med. 

Burchard, O. J. 

Burchard, Th. 

Burg, Fritz, Dr. phil. 

Burmeister, Eduard. 

Calais, Pierre, Dr. med. 

Cammerer, Rud., Dr. med., Generalarzt, 

Altona. 
Carr, Rob. S. 

Carstens, C. F., Konsul, Dockenhuden. 
Chaplin, Edw. 
Clauss, Friedr. 
Clauss, Wilh. 
Cohen, Arthur. 
Cohen, Gust. G. 
Cohn, Carl. 
Colpe, Hermann. 
Cordes, Aug. C, 
Cords, Jul. 

Crasemann, Max, Dr. jur. 
Crasemann, Rudolf. 
Creutzburg, Ernst. 
Dalchow, A., Bankdirektor. 
Dehn, Max, Dr. med. 
Dellschaft, Hermann. 
Derschau, von, Oberstlieutenant, Altona. 
Des Arts, Henry. 
Dieckmann, H. W. jr. 
Döhner, F. A. 

Dollmann, Carl Paul, General-Konsul. 
Donner, K. Th., Dr. jur. 
Doormann, Otto, Oberlehrer, Altona. 
Drews, Curt, Hauptmann, Hoyerswerd.i 
Duhn, C. Chr. von, Dr. jur. 
Duncker, Arth., Direktor. 
Duncker, Aug. Heinr. , jr., Konsul. 
Eggert, Carl. 



Eichenberg, Paul. 

Elkan, Eduard. 

Elkan, W., Konsul. 

Eltzholtz, W., Realschullehrer. 

Embden, B. E. 

Embden, G. H., Dr. jur. 

Engel, Jul., Oberlandesgerichtsralh. 

Ewald, Oskar von 

Falk, Martin. 

Falkenhayn, von, Hauptmann, Altona. 

Fischer, A., Dr. phil., Oberlehrer. 

Fischer, G. W. . 

Fitzler, Joh., Dr. phil., Handelschemiker. 

Fixsen, Joh. Heinr. 

Flöckher, Adolph \on, Dr. jur. 

FÖhring, H., Dr. jur., Landgerichtsdirektor. 

Förster, August. 

Fränkel, Siegfried. 

Friedburg, Martin. 

Friederichsen, Ludw., Kartograph. 

Friedlaender, Karl, Prof., Dr., Direktor a. D. 

Fritz, Rud. 

Gibsone, Thom., Sekretär d. Dep. f. Handel 

u. Schi ff fahrt. 
Gilbert, Hugo, Dr. phil., Handelschemiker. 
Godeffroy, C. 

Goedclt, C. M., General-Konsul. 
Goepel, Wilh., Bank-Direktor. 
Goepner, C, Direktor. 
Goerlich, Rud. 
Goldenberg, Wilh., jr. 
Goldschmidt, Martin. 
Gossler, Hemi., Dr. jur., Oberlandesgerichts- 

rath. 
Gossler, John von Berenberg-. 
Gossler, Oskar, Dr. jur., Vors. d. Seeanites. 
Gossler, Wilh. 
Gottsche, Carl, Dr. phil. Kustos am Natur- 

hist. Museum. 
Goverts, Ernst F., Dr. jur., Landrichter. 
Grallert, Emil, Konsul. 
Greibe, Carl. 
Groencwold, E. B. 
Gültzow, Alb. 
Günter, G. H. 
Güssefeld, Emil. 
Güssefeld, Otto, Dr. phil. 
Gütschow, Otto Jul. 
Gulda, F. 



195 



Haas, Heinrich. 

Hagen, K,, Dr. phil. 

Hager, Eduard. 

Hahn, Louis. 

Hallier, Eduard, Dr. jur. 

Hamann, Ad. G. W. 

Hane, A. 

Hansen, Julius. 

Hansing, L. F. 

Hansing, L. J. F. 

Hansing, Otto H. 

Hanssen, Adolf. 

Harke, L. F. C, Dr. jur. Landrichter. 

Hartmeyer, E., Dr. jur. 

Hastedt, H. D., Architekt. 

Haupt, Woldemar. 

Hausenfelder, J. F. W., Schulinspektor. 

Hegemann, F., Kapitän. 

Heinichen, Ad., Dr.jur. Landgerichtsdirektor. 

Heintse, Gustav H. 

Heintze, W., Bankdirektor. 

Held, Heinrich. 

Helms, Hermann. 

Hennings, Paul, Dr. med. Reinbeck. 

Hensel, E., Postdirektor. 

Hermsen, Dietr. 

Hermsen, Theod. 

Hernsheim, Franz, Konsul. 

Hertel, Ernst. 

Hertz, Ad. Ferd., Senator. 

Hertz, Ad. Jacob. 

Hertz, G., Dr. jur. Senator. 

Hertz, Gustav, Dr. jur. 

Hertz, John E. 

Hertz, Paul. 

Hertz, Rudolf, Dr. jur. 

Hesse, F. W. H. 

Hesse, G., jr. 

Heuer, John H. A. 

Heye, F. C. Th., Geh. Kommerzienrath . 

Hey mann, Jul. 

Heyne, Fritz. 

Hinrichsen, M. W. 

Hinrichsen, Siegm., Präs. der Bürgerschaft. 

Hinsch, J. D. 

Hirsch, Ph., Dr. 

Hoche, R., Schulrath, Prof. Dr. i)hil. 

Ilolthusen, Gottfried. 

Holtzapfel, Eduard. 



Hooge, Carl. 

Hübbe, J. J., Direktor 

Hübbe, P. G., Direktor der Hamburg- 

Calcutta-Linie. 
Humbracht, Freih. von, Legations-Sekretär. 
Jacobson, Aug. 
Jahn, Gust. Jos. 
Jantzen, C. F. W. 
Jencquel, G. A. 
Jllies, Carl. 
Johns, H. E. 
Jordan, Jul. 
Jorre, Ernst Heinr. 
Jsrael, John, Dr. jur. 
Kahler, Alex., Senator. 
Kaemp, R. H., Ingenieur. 
Kalt, Herrn., Dr. phil. 
Karuth, Carl. 
Kayser, Alfred. 
Kein, Woldemar, Cand. 
Kellinghusen, A. H., Dr. jur. 
Kleinwort, Georg. 

Klussmann, M. H. R., Dr. phil., Oberlehrer. 
Knauer, G. 

Knauer, W., Senator, Altona. 
Knipping, £. 

Koch, G., Dr. Vorst. d. Statist, Bureau's. 
Kochen, Albrecht. 
Koldewey, Carl, Admiralitätsrath. 
Kraepclin, Carl, Prof., Dr. phil., Dir. d. 

Naturhist. Mus. 
Kraft, Ernst. 
Kraft, Philipp, Dr. phil. 
Kramer, Otto. 
Krauss, Alfred. 
Krieg, E., Dr. med. 
Krieger, Karl, Dr. med. 
Krieger, C. R., Wirkl. Geh. Oberfinanzrath , 

Altona. 
Kriesche, R., Postrath. 
Kröhnke, B. 
Kroeplin, Franz, jr. 

Krosta, O., Dr. med. Oberstabsarzt, Altona. 
Krumbein, G. 

Kühl, W.,. Geh. Rath, Ober-Postdirektor. 
Kuhn, Gustav. 
Lachmann, Julius. 
Laeisz, Carl. 
Laeisz, F. 



196 



Laeisz, Henn. 

Lantzius, Otto. 

Lau, H. F. W. 

Lau, Hugo. 

Lavy, Charles. 

Leisewitz, Wilhelm. 

Leo, Carl, Dr. jur., Syndikus. 

Levinsohn, Martin. 

Levy, Eduard, General-Konsul. 

Levy, Rudolf. 

Liebermann, Ernst. 

Lindemann, A., Bank-Direktor, Altona. 

Lion, Eugen. 

Lippert, Ludwig. 

Lipschütz, G. 

Lipschütz, L. 

Loesener, F. 

Loesener-Sloman, F. 

Löszl, Ludwig von. 

Loewenstein, Ernst, Dr. jur. 

Loewenstein, Simon. 

Luders, C. W., Vorst. d. Mus. f. Völker- 
kunde. 

Lutteroth, Arthur. 

Lvon, Alfred. 

Maack, Eiert. 

Maack, Joseph. 

Maass, Ernst, Verlags-Buchhändler. 

Magnus, S. 

Mahraun, Joh. Ludw., Schulrath. 

Marcus. G. 

Marcus, Hermann. 

Marquardt, L., Dr. phil., Handelschemiker. 

Marschall, Hermann. 

Martens, G. H. 

Martens, Karl. 

Martin, Rud., Dr. jur., Oberlandesgerichts- 
rath. 

Matthiesen, F. E., Direktor der Seemanns- 
schule. 

Mayr, IL Jul. 

Meinardus, Otto W. 

Meinnolif, August. 

Meisner, Carl. 

Melchior, M. 

Melle, Werner von, Dr. jur., Syndikus. 

Merck, Ernst. 

Meyer, A., Justizrath, Altona. 

Meyer, Adolf August. 



Meyer, H. C. Eduard, Konsul. 

Meyer, J. Arthur F. 

Meyersberg, M. 

Michaelsen, Wilhelm. 

Michahelles, Alfred. 

Michow, Heinrich, Dr. phil.. Schul Vorsteher. 

Miehe, Otto. 

Mönckeberg, J. Georg, Dr. jur., Bürtjer- 

meister. 
Mönckeberg, Rudolf, Dr. jur. 
Möring, C. P. F., Senator. 
Moser, Heinr., Dr. med. 
Mohrmann, J., Dr. jur. 
Molinari, Ottomar. 
Moll, Eduard G. 
Moll, Eduard L. 
Müller, Clemens. 
Müller, Ernst. 
Müller, H. A. 

Müller-Beeck, F. Georg, Konsul, Nagasaki. 
Münchmeyer, H., Konsul. 
Muselius, Friedr. 

Mutzenbecher, Freiherr Joh. Friedr.- von. 
Navassartian, Hosep H. 
Neckelmann, Carlos. 
Neumayer, G., Wirkl. Geh. Rath, Prof. Dr. 

Direktor der deutschen See warte. 
Niebour, Th., Navigationsschul-Direklor. 
Niemeyer, E. 
Nissen, Peter, Dr. 

Nissen, Waldemar, Dr. ph., Oberlehrer. 
1 Nissen, Woldemar. 
Nocht, B., Dr. med. 
Nölting, Emile, General-Konsul. 
Nölting, P. H. 
Nordheim, Louis. 
Nowack, Hugo. 
Oehrens, W., Dr. med. 
Ohnesorge, Dr. phil., Seminar-01>erlehrcr. 
Ollerich, H. 
Oppenheim , Albert . 

Osten-Sacken, Freiherr von der, Major z. 1>. 
O'Swald, A. P., General-Konsul. 
O'Swald, William, Senator. 
Ottens, F. 
Panzer, Albert. 
Pauly, ('. August. 
Pechner, Robert. 
Petersen, G., Dr. jur.