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OF
COMPARATIVE ZOÖLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS,
Founded bp private subscription, in 1861.
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Mitiheilungen
der
naturforschenden: Gesellschaft
in Bern
aus dem Jahre 1871.
Nr. 745 — 791.
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Bern.
(In Commission bei Huber und Comp.)
Haller’sche Buchdruckerei
. 187.
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Inhalt.
Benteli, Alb.
1) Ueber den Einfluss der Correktionsarbeiten
auf die Wasserstände des Bielersee’s und der Ziehl
im Jahr 1870 (mit 1 Tafel) . 5 ; N P
2) Die atmosphärischen Niederschläge in den
sieben Hauptflussgebieten der Schweiz (mit 2 Tafeln)
Buri, Dr.
1) Ueber das Indium
Cherbuliez, Dr.
1) Geschichtliche Uebersicht der Untersuchungen
über die Schalliortpflanzungsgeschwindigkeit in der
Lutt. (Fortsetzung.) - : 2 ; : $ }
2) Geschichtliche Mittheilungen aus dem Gebiete
der mechanischen Wärmetheorie - B -
Fankhauser, J., stud. phil.
Nachweis der marinen Molasse im Emmenthal .
v. Fellenberg, L. R.
Analyse des Meteoreisens von Hommoney-Üreek,
Nord-Carolina k ; N | i :
Fischer, L., Prof. Dr.
1) Verzeichniss der in Bern’s Umgebungen vor-
kommenden kryptogamischen Pflanzen b ?
v. Fischer-Ooster.
1) Ueber den photographischen „Heliotype-Process“
2) Paläontologische Mittheilungen aus den Frei-
burger Alpen , sowie aus dem angränzenden waadt-
ländischen Gebiete ; } . b
Flückiger, Prof. Dr.
1) Ueber Untersuchungen des Lerps, Cellulose .
2) Ueber Krystalle, welche sich an den Fenstern
des Conversationssaales im neuen Museum vorfanden
3) Ueber China-Rinden . ; 4 4 :
4) Ueber gerichtlich-chemische Nachweisung des
Phosphors . c - :
Seite.
227
344
XXVIl
195
XXI
325
IV
XV
AXVI
AXKVI
Forster, A., Prof. Dr.
1) Ueber eine neue Theorie des Polarlichtes
2) Vorläufige Mittheilungen über dieUntersuchungen
des Rauchquarzes des Tiefengletschers vu
3) Ueber das Abnehmen der Wirkung der Influenz-
maschinen . xVvil
4) Demonstrationen aus dem Gebiete der Electro-
Iyse. XIX
5) Notiz bezüglich der potenziellen Energie der
Sonnenstrahlung R XXIX
6) Untersuchungen über die Färbung der Rauch-
quarze oder ni Rauchtopase (mit 1 Tafel) 129
7) Notiz zur Kenntniss der a = durch
mt 177
8) Eine merkwürdige Beobachtung am "Goldblatt-
electroskop - - 3 b i - : .,
Hartmann, Oskar.
1) Ueber ein neues Maximum-Thermometer XXIV
Schär, Ed.
Beiträge zur Chemie des Blutes und der Fermente 71
Schneider, J. J.
Antrag betreffend die Blitzableiter von X
Sidler, Prof. Dr.
1) Ueber die Protuberanzen der Sonne xI
2) Ueber das Reversionsspectroskop xl
Schuppli.
Ueber ein Geweih eines Elenthieres 3%
Studer, B., Prof. Dr.
Zur Geologie des Ralligergebirges (mit 1 Tafel) 185
Thiessing, Dr.
Zwei geologische Notizen aus er En; von
Pruntrut - 2 - 337
Verzeichniss der Mitglieder 2 ....867
Verzeichniss des Preises der verschiedenen Jahrgänge an Mit-
theilungen . - - .. 812
Wydler, H., Dr.
"Kleinere Beiträge zur Kenntniss einheimischer Ge-
wächse (Fortsetzung und Schluss) 29, 234
Sitzungsberichte.
607. Sitzung vom 7. Januar 1871.
Abends 7 Uhr im physikalischen Kabinet der Hochschule.
Zweiter Akt bei Webern.
Vorsitzender: Der neugewählte Präsident Herr Isidor
Bachmann. — Secretär: Dr. R. Henzi. — 30 anwesende
Mitglieder. — 2 Gäste.
4) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und gutgeheissen.
2) Zum Präsidenten für das Jahr 1874 wird Herr
Isidor Bachmann erwählt. Derselbe verdankt seine Wahl
und übernimmt sofort die Leitung der Sitzung.
3) Zu Rechnungsexaminatoren werden gewählt: Herr
Prof. Dr. Sidler und Herr Dr. Buri.
4) Herr Prof. B. Studer spricht dem abtretenden
Präsidenten im Namen der Gesellschaft den wärmsten
Dank aus für seine ausgezeichnete Leitung der Gesell-
schaft während des verflossenen Jahres und hebt beson-
ders hervor, wie durch dessen thätige Mitwirkung die
zweiten Akte interessant und belebt wurden, sowie im
Allgemeinen die: Frequenz Jer Sitzungen gehoben und
die Mitgliederzahl vermehrt worden seie.
5) Herr Ed. Schär bringt Beiträge zur Chemie des
Blutes: und der Fermente (s. Abhandlungen).
Bern. Mittheil. 1871. E
II
6) hielt Herr Prof. Dr. Forster einen Experimental-
vortrag über eine neue Theorie des Polar-
lichtes. Diese Theorie wurde von Balfour-Stewart in
der Sitzung der astronomischen Gesellschaft zu London
am 10. Dez. 4869 entwickelt und erklärt die Po-
larlichter. für"wetumdäre’-electrisehe
Ströme (also Inductionsströme), hervorgebracht
von kleinen, aber plötzlichen, durch un-
bekannte Ursachen veranlasste Aen-
derungen der Intensität des Erdmagne-
tismus.
Der Vortragende zeigte zunächst mit Hülfe eines zu
objectiven Versuchen eingerichteten Spiegel-Galvanome-
ters von Meyerstein, dass Variationen der Intensität
eines Magnetkernes in einer benachbarten Kupferdraht-
spirale starke Inductionsströme erzeugen. Um den Licht-
index auf der transparenten Skala sehr hell und für den
entferntesten Zuhörer sichtbar zu machen, verwendete
der Vortragende eine Knallgaslampe von Dubosq, die
von einem Mantel umgeben, ihr Licht durch einen Spalt
auf eine Linse und von da auf den beweglichen Spiegel
des Galvanometers strahlte. Auf der Skala entstand bei
dieser Aufstellung ein. scharfes, äusserst lichtstarkes Bild
des Spaltes, dessen Bewegungen vom ganzen Audito-
rium mit Leichtigkeit wahrgenommen werden konnten.
Nach der Ansicht des Herrn Balfour-Stewart spielt
nun die Erde die Rolle des veränderlichen Magneten
und die feuchten oberen Schichten der Erde, sowie die
oberen verdünnten Theile der Atmosphäre diejenige der
Inductionsspirale. Entstehen durch allerdings unbekannte
Ursachen Schwankungen der Intensität des Erdmagnetis-
mus, so veranlassen diese in den feuchten Schichten der
Erde und den obern verdünnten Schichten der Atmosphäre
IM
Inductionsströme. Diejenigen Ströme, welche in den
feuchten Erdschichten entstehen, sind die sogenannten
Erdströme, von welchen Herr Airy im Observatorium zu
Greenwich nachgewiesen hat, dass sie besonders kräftig
zu Zeiten grosser magnetischer Störungen auftreten und
die in den oberen Schichten der Atmosphäre sich bil-
denden Inductionsströme werden uns in Form leuchten-
der Ausgleichung als Polarlichter sichtbar. Die Erschei-
nung der leuchtenden Ausgleichung der Inductionsströme
in verdünnten Gasen zeigte der Vortragende nun mit
Anwendung eines vor der Gesellschaft evacuirten elek-
trischen Eies und mit Hülfe der bekannten Geissler’schen
Röhren; er erinnerte hierbei daran, dass das absolute
Vacuum den electrischen Strom nicht leitet, und demon-
strirte dieses mit einer leeren sogenannten Hittorf'schen
Röhre. — Was die oben angeführten Erdströme. betrifft,
so mag noch angeführt werden, dass ein Theil der Rede
des Herrn Seward in Rochester vor. einigen Jahren nach
New-York und von Boston nach Portland telegraphirt
wurde mit Hülfe eines, ein Nordlicht begleitenden Erd-
stromes. (Naturforscher 2. 402.)
Wie man sieht fasst Herr Balfour-Steward die Schwan-
kungen des Erdmagnetismus als das primäre Agens, die
Erdströme und Polarlichter als secundäre Erscheinungen
auf, veranlasst durch eben diese Schwankungen, während
de la Rive annimmt, die Schwankungen des Erdmagnetis-
mus seien durch die Ströme der Erdelectricität bedingt.
Bezüglich der speciellen Begründung dieser entgegen-
stehenden Ansichten muss auf die Originalabhandlungen
verwiesen werden.
7) Im 2. Akte, welcher bei Webern im gewöhnlichen
Sitzungslokal abgehalten wurde,. demonstrirte Herr Dr.
Buri zwei neue Apparate, welche zum Nachweise der
IV
ungeheuren Kraft des sich nach vorhergehender Er-
hitzung durch Erkältung zusammenziehenden Eisens und
zur auflälligen Darstellung des mit der Erhitzung geringer
werdenden specifischen Gewichtes des Wassers bestimmt
sind.
608. Sitzung vom 21. Jenner 1871.
(Abends 7 Uhr bei Webern.)
Vorsitzender : Der Präsident Herr J. Bachmann. —
Sekretär Dr. R. Henzi. — 33 anwesende Mitglieder.
4) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und genehmigt.
2) Zu einem ordentlichen Mitglied meldet sich und
wird angenommen: Herr Gubler von Wyla, Kanton
Zürich, Lehrer in der Grünau bei Bern,
3) trug Herr Dr. Cherbuliez die Fortsetzung seiner
geschichtlichen Uebersicht der Untersuchungen über die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles in der Luft
vor. (S. Abhandlungen.)
#) legte der Präsident der Gesellschaft ein Manu-
script des Herrn Prof. Wydler vor, dessen Druck in den
Mittheilungen beschlossen wurde.
5) berichtet Herr Prof. Flückiger der Gesellschaft
über die Fortsetzung seiner Untersuchung des Lerps,
welches er bereits in den Sitzungen vom 46. November
4867 und 9. Januar 1869 vorgelegt hatte. Der interes-
santeste Bestandtheil Jdıeser Substanz besitzt, wie aus
den Elementaranalysen hervorgeht, die gleiche Zusam-
mensetzung wie das Stärkemehl und verhält sich zu Jod
ganz so wie das letztere. Verdünnte Schwefelsäure, an-
haltend mit jenem Bestandtheile des Lerps gekocht, liefert
Vv
einen krystallisirten rechtsrotirenden Zucker. — An diese
Mittheilungen knüpfte der Vortragende Erörterungen über
die Frage, ob’ in dem gewöhnlichen Stärkemehle Cellulose
anzunehmen sei, wie Nägeli und andere Botaniker glau-
ben. Das Lerp-Amylum, der oben erwähnte fadenförmige
Antheil des Lerps, löst sich bei 130° C. klar in Wasser
und zeigt sich überhaupt vollkommen homogen, so dass
hier keine Gründe zur Annahme von Cellulose vor-
liegen.
Indem Prof. Flückiger nun die Methoden bespricht,
welche zur Annahme von Cellulose im gewöhnlichen
Amylum geführt haben, findet er keine derselben geeig-
net zu einer quantitativen Analyse der Stärkemehlkörner,
welche doch unumgänglich zu fordern ist, wenn die an-
gedeutete Zusammensetzung derselben als bewiesen gelten
soll. — Es gelingt aber nach der Ansicht des Vortragen-
den eben so wenig die Gegenwart von Cellulose in
Stärkemehlkörnern auch nur qualitativ unzweifelhaft dar-
zuthun. Freilich dreht sich schliesslich alles um die
Frage, wie die Cellulose zu definiren sei. — Als durch-
greifendstes Merkmal gilt. wohl ziemlich allgemein ihre
Auflöslichkeit in Kupferoxydammoniak. Wird nun Stärke-
mehlkörnern vermittelst geeigneter Flüssigkeiten, z.B.
verdünnten Glycerins, möglichst viel Substanz entzogen,
so nimmt die Kupferlösung dennoch keine durch Säuren
abscheidbare Cellulose aus dem Rückstande auf. — Der
Vortragende sucht hiernach die Ansicht zu begründen,
dass dieselbe überhaupt im Amylum nicht vorhanden
sei; er findet, dass die in diesem Sinne gedeuteten
Beobachtungen vielmehr auf Veränderungen zurückzu-
führen seien, welche das Amylum unter der Hand der
Experimentatoren erleidet und dass ja überhaupt Amylum
und Cellulose Formen einer und derselben Grundsubstanz
VI
seien, welche durch Uebergänge verknüpft sind. Als solche
z. B. weisst er schliesslich das sogenannte Lichenin
nach, das sonst mit Unrecht als Stärke bezeichnet
wurde.
6) Im zweiten Akte zeigte der Präsident einige wohl-
erhaltene Exemplare von Hessberger-Thierfährten vor.
609. Sitzung vom 4. Februar 1871.
(Abends 7 Uhr bei Webern.)
Vorsitzender: Der Präsident Herr Dr. Bachmann. —
Sekretär Dr. R. Henzi. — 33 anwesende Mitglieder. —
4 Gäste aus Ungarn, Zürich und Bern.
1) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und gutgeheissen.
2) legt Herr Apotheker Studer als Kassier der Ge-
sellschaft die Rechnung vom Jahr 1870 ab.
Die Summe der Einnahmen betrug Fr. 1720. 76
„ = „ Ausgaben . „999. 54
Es ergibt sich somit ein Activsaldo von Fr. 721. 22
Auf 31. Dec. 1869 betrug das Vermögen der
bernischen naturforschenden Gesellschaft „ 167%. 56
Es beträgt dasselbe auf 31. Dec. 4870 „ A721. 22
Es ergibt sich demnach eine Vermehrung von Fr. 46. 66
Diese Rechnung wurde nach gehöriger Prüfung durch
die beiden Rechnungsexaminatoren, Hrn. Prof. Dr. Sidler
und Hrn. Dr. Buri, und auf ihre Empfehlung hin unter
bester Verdankung an den Hrn. Rechnungsgeber als ge-
treue und richtige Verhandlung gutgeheissen und passirt.
3) Die von Herrn Oberbibliothekar Koch für das
Jahr 1870 abgelegte Rechnung ergab
vn
an Einnahmen N 2 ; Fr. 621. 54
an Ausgaben DT „ 601. 47
somit einen Activsaldo von Fr. 20. 07
#) Auf Antrag des Herrn Professor Forster bezeugt
die Gesellschaft ihre Anerkennung durch Aufstehen von
ihren Sitzen dem Kassier und Sekretär für die Mühwal-
tungen ihrer Amtsführung im verflossenen Jahre.
5) spricht Herr Ingenieur Benteli über den Einfluss
der Korrectionsarbeiten auf den Wasserstand der Zihl
und des Bielersees. (S. Abhandlungen.) An der hierauf
folgenden Discussion betheiligten sich die Herren Inge-
nieur Ganguillet, Apotheker Lindt, Prof. B. Studer, von
Fischer-Ooster, Dr. Ziegler.
6) machte Herr Prof. Forster vorläufige Mittheilun-
gen über das Resultat eines Versuches mit dem Rauch-
quarz des Tiefengletschers. — 750 Grammen desselben
wurden in einer Wasserstoffatmosphäre der trockenen
Destillation unterworfen und lieferten circa 0,4 Gramme
einer'Flüssigkeit von eigenthümlichem empyreumatischem
Geruch. Dieselbe reagirte stark alkalisch und enthielt
einen flüchtigen alkalisch reagirenden Körper, da es ge-
nügte, ein Stückchen rothes Lakmuspapier über die
Flüssigkeit zu halten, um dasselbe sich bläuen zu sehen.
— Die Flüssigkeit ergab ferner mit Platinchlorid einen
krystallinischen Niederschlag, der sich unter dem Micro-
skop als aus Octaädern bestehend erwies.
Hierdurch ist aber nachgewiesen, dass die schwarzen
Bergkrystalle des Tiefengletschers einen organischen
stickstoffhaltigen Stoff enthalten.
Nähere Angaben über die Untersuchung sollen in
der nächsten Sitzung gemacht werden.
VI
7) Ein Antrag des Herrn Dr. Cherbuliez bezüglich
Veränderungen gegenüber dem bis dahin eingehaltenen
Modus im Druck und der Vertheilung. der Mittheilungen
an die Mitglieder wird an die Commission zur Bericht-
erstattung gewiesen.
8) Im zweiten Akte wies Herr Friedrich Bürki zwei
wunderbar erhaltene Mammuthknochen aus Mexiko vor.
— Ein rechter Oberschenkelknochen war in zwei Stücke
gebrochen, aber: vollständig ‚vorhanden und hatte eine
Länge von 420 Gentimeters. An demilinken Oberschenkel-
knochen, an :welchem die untere Epiphise fehlt, bemerkte
man eine grosse Knochennarbe, die auf Verletzungen
während des Lebens des Thieres schliessen liess.
610. Sitzung. vom 18. Februar 1871.
Abends 7 Uhr bei Webern.
Vorsitzender: Der Präsident Dr. J. Bachmann. —
Sekretär Dr. R. Henzi. — 25 anwesende Mitglieder. —
4 Gäste.
4) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und genehmigt.
2) Zu einem ordentlichen Mitglied wird aufgenommen
Herr Tomasovzky Imre, Professor, von Tisra Wjlar
in Ungarn, auf der Bächtelen bei Bern.
3) theilte Herr Prof. Forster in längerem Vortrage
die Resultate seiner physikalischen Studien über die am
Tiefengletscher gefundenen Morione der Gesellschaft mit,
welche ausführlich in den Abhandlungen erscheinen
werden.
k) Im zweiten Akte machte Herr Prof. Forster objec-
tive Demonstrationen aus dem Gebiete der Krystallelec-
tricität.
611. Sitzung vom 4. März 1871.
Abends 7 Uhr bei Webern.
Vorsitzender :: Der Präsident Dr. J. Bachmann. —
Secretär Dr. R. Henzi. — 27 anwesende Mitglieder. —
2 Gäste.
1) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und genehmigt.
2) Zum ordentlichen Mitglied wird angenommen
Herr Joseph Annaheim von Lostorf, Kantons Solothurn,
Dirigent der, chemischen Versuchsstation in der land-
wirthschaftlichen Anstalt auf der Rütti bei Bern.
3) übermacht Herr Ingenieur Kutter der Gesellschaft
zu Handen der Bibliothek folgende Werke:
1..W. R. Kutter, Ingenieur in Bern. Kurzer Be-
richt über die neuen Theorien der Bewegung des
Wassers in Flüssen und Kanälen etc. etc.
2. Dto. Die neue Theorie der Bewegung des Was-
sers etc. etc.
3. Dto. Versuch zur Aufstellung einer allgemeinen
Formel für die gleichföormige Bewegung des
Wassers in Kanälen und Flüssen ete. etc.
4. Dto. Die neuen Formeln für die Bewegung des
Wassers.
5. Dto. Mittlere Geschwindigkeit und Wassermen-
gen per Sekunde etc.
4) Herr Prof. Dr. Fischer spricht über die Resultate
der neueren entwicklungsgeschichtlichen Forschungen
über höhere Kryptogamen und die dadurch berichtigte
Auffassung der Analogien zwischen den Phanerogamen
und Kryptogamen.
x
5) stellt Hr. J. J. Schneider, Vorsteher der Bächtelen
bei Bern, folgenden Antrag in Betreff von Blitzableiter :
„Die bernische naturforschende Gesellschaft wendet
sich an die Regierung des Kantons mit dem Ansuchen:
1. Jedes neue Gebäude, dessen Versicherungs-
summe über Fr. 10,000 steht, soll mit einem
Blitzableiter versehen werden.
2. Ueber Einrichtung der Blitzableiter wird eine
ausführliche gesetzliche Anleitung gegeben und
die Ortspolizei hat dafür zu sorgen, dass sie
Beachtung finde.
3. Jeder Blitzableiter wird alljährlich im Frühling
untersucht und zwar nicht von der Ortspolizei,
sondern von Fachmännern, wie sie die Regie-
rung bestimmt.
An der diesem Antrage folgenden Discussion bethei-
ligten sich die Herren Christener, von Fellenberg-Rivier
und Prof. Dr. Forster.
Auf Antrag des letzteren beschloss die Gesellschaft,
eine Commission niederzusetzen, um den vorliegenden
Gegenstand zu prüfen und darauf bezügliche Anträge in
der nächsten Sitzung vorzulegen. — In dieselbe werden
gewählt die Herren Director Hasler, J. J. Schneider,
Prof. Dr. Forster und Mechaniker Hermann. Der Commis-
sion wird es zudem freigestellt, durch Beiziehung ander-
weitiger Mitglieder, oder selbst ausser der Gesellschaft
stehender Persönlichkeiten, sich weiter zu constituiren.
6) Die Gesellschaft beschliesst ferner, die Mittheilungen
denjenigen Mitgliedern, die es wünschen, bogenweise
sogleich nach ihrem Erscheinen im Laufe des Jahres zu-
schicken zu lassen.
xl
612. Sitzung vom 18. März 1871.
Abends 7 Uhr bei Webern.
Vorsitzender: Der Präsident Dr. J. Bachmann. —
Sekretär Dr. R. Henzi. — 31 anwesende Mitglieder. —
2 Gäste.
4) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und genehmigt.
2) Der Präsident verliest eine Zuschrift wegen Ueber-
lassung der Gesellschaftsschriften an die neu zu grün-
dende Bibliothek in Strassburg von Dr. Barack, Hof-
bibliothekar in Donaueschingen. Es wird beschlossen,
den Oberbibliothekar, Hrn. Koch, mit der Entsprechung
zu beauftragen.
3) Herr Prof. Forster theilt der Gesellschaft mit, dass
die in der letzten Sitzung niedergesetzte Blitzceommission
sich ihrer Aufgabe unterzogen und als ergänzendes Mit-
glied den Kantonsbaumeister, Hrn. Salvisberg, beigezogen
habe; dass jedoch die Vorstudien der Frage noch ge-
raume Zeit in Anspruch nehmen werden, so dass erst
in späteren Sitzungen über die Resultate der Commis-
sionalberathungen der Gesellschaft referirt werden könne.
#) bespricht Herr Prof. Sidler die neuen Arbeiten
Zöllners über die Protuberanzen der Sonne.
Im Jahre 1868 machten Jaussen und Lockyer die wich-
tige Entdeckung, dass vermittelst des Spectroskops die
Protuberanzen auch unabhängig von totalen Sonnenfin-
sternissen beobachtet werden können. Im gewöhnlichen
Fernrohr werden dieselben, auch wenn man die Sonne
selber aus dem Gesichtsfeld entfernt, durch den Glanz der
Xu
erleuchteten Erdatmosphäre überstrahlt. Im Spectroskop
hingegen concentrirt sich das Licht der Protuberanzen
auf drei helle Linien (die das glühende Wasserstoffgas
charakterisiren), während dasjenige der Photosphäre sich
durch Ausbreitung in ein continuirliches Band abschwächt.
Es bleibt daher das Protuberanzenspectrum neben dem-
jenigen des Sonnenrandessichtbar. Die Länge der hellen
Linien entspricht der Grösse der in Richtung des Spaltes
fallenden Dimension der Protuberanz. Bringt man daher
den Spalt, sei esı senkrecht, sei es parallel, zum Sonnen-
rande successive in verschiedene Lagen, so ist man im
Stande, die Form des Gebildes zu construiren. Versetzt
man aber das Instrument senkrecht zur Spaltrichtung in
hinreichend rasche Öscillatıonen, so lässt sich durch die
Dauer des Lichteindruckes die Form der Protuberanz mit
Einem Male übersehen. Dabei wird aber die Helligkeit
derselben, nach Massgabe des vom Spalt zurückgelegten
Weges, erheblich geschwächt. Auf vollkommenere und
einfachere Weise erlangt man dasselbe Resultat bei
ruhendem Spalt, wenn man:denselben so weit öffnet,
dass sich seine Oeffnung über (den Raum ausdehnt, über
den sich im ersten Fall die Oscillation erstreckte.
Zöllner sucht aus seinen Beobachtungen. einige
theoretische Schlüsse über die Temperatur- und Druck-
verhältnisse auf der Sonne zu gewinnen. --: Er betrachtet
die Sonne als eine glühendflüssige Masse.
Innerhalb derselben scheidet sich in blasenartigen
Hohlräumen Wasserstoffgas aus, das in Folge wachsender
Spannung die äussere Hülle durchbricht und die erupti-
ven Protuberanzen bildet. Die äussere Grenze der
glühendflüssigen Masse und Ort der Auströmungsöffnungen
nimmt Zöllner 8 Bogensecunden tiefer an, alsdie sicht-
bare Oberfläche der Sonne, denn er betrachtet 'als jene
xl
Gränze das Niveau der Fleckenkerne, welch letztere
als schlackenartige lokale’ Abkühlungsprodukte auf der
flüssigen Masse schwimmen. : Nach den Untersuchungen
von Faye kommt aber den Flecken eine Tiefenparallaxe
von 8“ zu. Die Höfe der Flecken fasst Zöllner als
Condensationswolken auf, und die 8“ dicke Zone zwischen
dem Niveau der Fleckenkerne und der sichtbaren Sonnen-
oberfläche als eine Gasschicht von solcher Dichtigkeit,
dass ihr Spectrum wieder ein continuirliches ist. Es
zeigen nämlich neuere experimentelle Untersuchungen
von Wüllner u. s. w., und Zöllner sucht es auch theore-
tisch zu begründen, dass glühende Gase bei zunehmender
Dichte wiederum Strahlen von jeder Brechbarkeit aus-
senden.
Indem Zöllner die mittlere Höhe der eruptiven Pro-
tuberanzen = 1!/, Bogenminuten annimmt, findet er, dass
hierzu innerhalb und ausserhalb der Austrittsöffnung eine
Temperaturdifferenz des Gases — 40,000° erforderlich
sei. Unter gewissen Voraussetzungen über die Spannung
des Gases an der sichtbaren Oberfläche der Sonne und
über der Dichtigkeit desselben in den inneru Hohlräumen
ergiebt sich für diese Temperaturen selber ausserhalb
der Mündung 28,000° und im innern Hohlraume 68,000°
und für den Druck respective 180,000 und 4 Millionen
Atmosphären der Erde. In einer homogenen Flüssigkeits-
kugel von der Masse und dem specifischen Gewichte
der Sonne würden bloss in Folge des hydrostatischen
Druckes diese kolossale Spannung von 4 Millionen Erd-
atmosphären schon in einer Tiefe von */;., des Radius
oder von 4!/, Bogensecunden unterhalb der Oberfläche
erreicht.
Das Reversionsspectroscop. Die Undulations-
theorie des Lichtes scheint zu erfordern, dass wenn wir
XIV
uns einem Gestirne mit einer Geschwindigkeit nähern,
die zur Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes in
einem wahrnehmbaren Verhältnisse steht, die Wellen-
längen der an diesem Gestirne ausgehenden Strahlen
kleiner erscheinen. Die dunkeln Linien in den Stern-
spectra, die den hellen Lirtien irdischer Stoffe entsprechen,
werden sich also gegen das blaue Ende des Spectrums
hin verschieben. Das Entgegengesetzte findet statt, wenn
wir uns von einem Sterne entfernen. Um eine solche
Verschiebung, die bei der grossen Geschwindigkeit des
Lichtes immer nur eine sehr geringe sein kann, zu
messen, wendet Zöllner das Princip der Verdoppelung
an. Das Objectiv ist in zwei Hälften zerschnitten, die
mittelst einer Micrometerschraube an einander verschieb-
bar sind. Jeder Linsenhälfte entspricht ein besonderes
Prismensystem, deren brechende Kanten auf entgegen-
gesetzten Seiten liegen, so dass die entsprechenden
Spectra entgegengesetzte Lagen haben: bei dem einen
das rothe Ende rechts, bei dem andern links. Es wird
nun das Instrument auf das Spectrum eines irdischen
Stoffes eingestellt und die beiden Objectivhälften in eine
solche gegenseitige Lage gebracht, dass z. B. in den
übereinanderliegenden Spectren der beiden Hälften die
Natronlinie des einen die geradelinige Fortsetzung der
Natronlinie des andern bildet. — Wenn nun in einem
Sternspectrum die Natronlinie gegen ‘das blaue Ende hin
verschoben wäre, so würde in dem so eingestellten
Instrumente die Natronlinie in dem Spectrum der beiden
Objectivhälften von der vorigen Geraden abweichen und
zwar in dem einen Spectrum nach links, und in dem
andern nach rechts. Die gegenseitige Distanz dieser
beiden Linien würde also das Doppelte der zu
messenden Verschiesung betragen. An den Planeten,
XV
deren Distanz und Bewegungscomponenten bekannt sind,
liesse sich die Richtigkeit der obigen Theorien prüfen.
5) Zu einem ordentlichen Mitgliede meldete sich und
wurde aufgenommen:
Herr Fried. Schneider von Arni bei Biglen,
Lehrer der Naturwissenschaften und Mathematik
am Seminar in Münchenbuchsee.
6) legte Herr Prof. Dr. Flückiger der Ver-
sammlung Krystalle von einigen Millimetern Länge vor,
welche Herr Hauptmann Otth an den Fenstern des Con-
versationssaales im neuen Museum beobachtet und ge-
sammelt hat. Die Krystalle erwiesen sich als schwefel-
saures Ammoniak, dessen Bestandtheile zum Theil wenig-
stens im Leuchtgase gesucht werden müssen. Die Stein-
kohlen enthalten immer Schwefel, sei es in Form von
eingesprengten Kiesen, sei es in Form von Sulfaten oder
von organischen Verbindungen. Bei der Darstellung des
Gases geht der Schwefel hauptsächlich als Schwefelwasser-
stoff in dasselbe über, bildet aber auch zum Theil
Schwefelkohlenstoff und möglicherweise entsteht auch
Sulfokohlenoxyd.. Das Reinigungsverfahren, welchem das
Leuchtgas unterworfen wird, beseitigt den Schwefelwasser-
stoff und auch das Sulfokohlenoxyd, so dass als einzige
oder doch allein erhebliche schwefelhaltige Beimengung
nur Schwefelkohlenstoff in die Flamme gelangt. Bei der
Verbrennung entsteht daraus schweflige Säure neben
Koblenoxyd oder Kohlensäure. Die Steinkohlen liefern
bei der Verarbeitung auf Leuchtgas auch Ammoniak,
welches aber bei der Reinigung des Gases nahezu voll-
ständig zurückgehalten wird, so dass es für den vor-
liegenden Fall wahrscheinlich richtiger ist, das Ammoniak
auf Rechnung der Bewohner der fraglichen Räume zu
setzen, wobei auch der Tabaksrauch ausserdem noch als
XVI
Ammoniakquelle zu berücksichtigen wäre. — Welche Bil-
dungsweise nun in Wirklichkeit hier stattfinden mag, so
liegt die Vermuthung nahe, dass sich dem Ammoniak
auch noch andere flüchtige Basen beigesellen dürften.
Die wässrige Auflösung des in Frage stehenden von Hrn.
Otth gesammelten Salzes ist ganz neutral, wird aber durch
Kaliumjodhydrargyrat gefällt, was in der That auf einen
Gehalt an dergleichen Basen hindeutet. Silbersalze hin-
gegen rufen in der Auflösung nur eine Spur von Trübung
hervor, welche durch Salpetersäure aufgehoben wird. —
Schon im Bereiche der Gasflamme selbst dürfte sich die
schweflige Säure zu Schwefelsäure oxydiren, alsdann
Wasser anziehen, sich gleichzeitig mit Ammoniak ver-
binden und endlich durch das kältere Glas zum Aus-
krystallisiren veranlasst werden. — Möglich dass auch
salpetrige Säure mit im Spiele ist und die Uebertragung
des Sauerstoffes auf die schweflige Säure vermittelt, —
Die verhältnissmässig nicht so ganz unbedeutende Menge
des in diesem Falle beobachteten schwefelsauren Am-
moniakes ist eine sprechende Illustration der Verun-
reinigung der Luft, welche in stark bewohnten, mit Gas
beleuchteten Räumen eintritt. Ist auch jenes Salz keines-
wegs giftig, so gehört es doch sicherlich nicht zu den
wünschenswerthen Bestandtheilen der Luft und mag
immerhin an den Nachtheilen mitschuldig sein, welche
das Athmen derartig verunreinigter Luft im Gefolge hat.
7) macht Herr J. Fankhauser, stud. phil., geologische
Mittheilungen über das Emmenthal. (s. d. Abhandlungen.)
8) zeigt Herr Prof. von Fellenberg-Rivier ein Stück
Meteoreisen von Homoney Creek vor.
XVII
613. Sitzung vom 15. April 1871.
Abends 7 Uhr bei Webern.
Vorsitzender: Herr Dr. Bachmann, Präsident. — Se-
cretär: Herr Dr. R. Henzi. — 32 anwesende Mitglieder.
— 4 Gäste.
1) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und gutgeheissen.
2) Zu ordentlichen Mitgliedern werden in die Gesell-
schaft aufgenommen:
a) Herr Moritz Reymond von Le Chenet, Ct.
Waadt, eidgenössischer Stabshauptmann in Bern.
5b) Herr Bendicht Schwab von Kallnach, Se-
minarlehrer in Hindelbank.
3) Herr Dr. Usener aus Wien spricht über die von
ihm und einigen andern Privaten projectirte Gründung
eines zoologischen Gartens, respective ersten Acclimati-
sations-Institutes. Die Gesellschaft hatte mit Interesse die
daherigen Mittheilungen angehört und hält dafür, dass
die Gründung eines derartigen Institutes im wissenschaft-
lichen Interesse wünschenswerth sei.
#) machte Herr Prof. Dr. Forster eine Mittheilung
über das Abnehmen der Wirkung der Influenz-
maschinen. — Die Erfahrung lehrte, dass mehrere
dieser Maschinen, z. B. diejenige des physikalischen Ca-
binetes der Universität Freiburg, der Universität Bern,
des Realgymnasiums in Wiesbaden, ausgezeichnete Wir-
kung gaben, dass die Wirkung aber nach und nach ab-
nahm und endlich höchst gering wurde. — In keiner
Zeitschrift konnte Referent über die Ursache dieser sehr
unangenehmen Erscheinung Aufklärung finden. Bei Ge-
legenheit einer Reise nach Deutschland erörterte derselbe
Bern, Mittheil. 1871. Aya
XVII
die Sache mit Herrn Hofrath Kirchhoff, welcher dem-
selben mittheilte, er habe die gleiche Erfahrung gemacht
und der Grund beruhe in einer oberflächlichen Ver-
änderung der aus Kamm-Masse gefertigten Theile der
Maschine. Diese Theile verlieren dadurch das Isolir-
vermögen. Es genüge aber ein Abschleifen der ober-
flächlichen Schichte und Einreiben mit Oel, um das
Isolirvermögen wieder herzustellen; damit sei auch die
Maschine wieder hergestellt. — Der Rath des berühmten
Physikers wurde zunächst bei der Maschine in Wiesbaden
in Anwendung gebracht. Sämmtliche aus Kamm-Masse
bestehenden Theile wurden zuerst mit sehr grobem,
dann mit feinem Schmirgelpapier kräftig abgerieben und
eingeölt. Der Erfolg war ein vollkommener; die Ma-
schine gab nun wieder eben so kräftige Wirkung wie
anfänglich. Sofort nach Rückkehr des Referenten nach
Bern wurde die Influenzmaschine des hiesigen Kabinetes,
deren Wirksamkeit beinahe auf Null gesunken war, dem-
selben Verfahren unterworfen und auch bei dieser Ma-
schine bewährte sich die Sache vortrefflich. Die Funken-
länge der Maschine betrug, als das Cabinet dieselbe von
Ruhmkorff erhielt, 25 ctm., sank im Lauf eines Jahres
auf 0,5 eim., nach dem Abreiben der Kamm-Masse be-
trug sie wieder 25 ctm. — Es wird durch Mittheilung
dieses Verfahrens wohl allen Besitzern von Influenz-
machinen ein wesentlicher Dienst geleistet.
5) spricht Herr Prof. Dr. Forster ferner über eine
merkwürdige Beobachtung am Goldblattelectroskop (s.
die Abhandlungen).
6) Herrn Prof. Dr. Fischer wird die Autorisation
zum Drucke in den Mittheilungen eines Verzeichnisses
der in Bern’s Umgebung vorkommenden kryptogamischen
Pflanzen einstimmig ertheilt.
XIX
7) Herr Dr. Bachmann besprach die Lehm-, Torf-
und Kiesschichten, die man bei den bisherigen Arbeiten
der Juragewässer-Correction zwischen Nidau und Meyen-
ried angetroffen hat.
Im zweiten Akte macht Hr. Prof. Forster objective
Demonstrationen aus dem Gebiete der Electrolyse. —
Der Lichteylinder einer Duboscgq’schen Knallgaslaterne
fiel durch eine mit planparallelen Glasplatten geschlos-
sene Zelle, in welcher sich die zu zersetzenden Flüssig-
keiten befanden. In die Flüssigkeiten tauchten als Elec-
troden zwei Platindrähte, vor welchen durch eine Linse
ein stark vergrössertes Bild auf einen weissen Schirm
projicirt wurde. Liess man nun den Strom einer galva-
nischen Batterie durch die Drähte einwirken, so schieden
sich die Zersetzungsprodukte an den Drähten ab. Als
Electrolyten dienten Wasser und eine Lösung von sal-
petersaurem Silberoxyd. Im ersten Falle sah man auf
dem Schirm das Abscheiden der Sauerstoff- und Wasser-
stoffblasen, im zweiten Falle erkannte man an der —
Electrode das Abscheiden von metallischem Silber, wäh-
rend an der + Electrode Sauerstoffblasen aufstiegen.
Hätte man die Lösung mit Lacmustinctur schwach blau
gefärbt, so würde man natürlich auch das Ausscheiden
der Salpetersäure am + Pol haben zeigen können.
Diese Methode kann nicht genug empfohlen werden,
um einer grössern Versammlung die Vorgänge der Elec-
trolyse zu demonstriren.
614. Sitzung vom 29. April 1871.
Abends 7 Uhr bei Webern.
Vorsitzender: Der Präsident: Herr Dr. Isıdor Bach-
mann. — Secretär: Dr. R. Henzi. — 21 anwesende Mit-
glieder. — 1 Gast.
xAX
N) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und genehmigt.
2) Zum ordentlichen Mitglied wird angenommen Hr,
Emil Rothenbach von Worben, Lehrer der Natur-
wissenschaften an der Einwohnermädchenschule in Bern.
3) Herr Ingenieur Benteli spricht über die atmo-
sphärischen Niederschläge in der Schweiz (s. die Ab-
handlungen).
4) Ihren Austritt aus der Gesellschaft erklären:
a) Herr Duby, stud. phil.
5) Herr Schär, gewesener Lehrer im Seminar zu
Münchenbuchsee.
5) referirt Herr Dr. Bachmann über die Beobach-
tungen von Kierulf bezüglich der Hebung der Westküste
Skandinaviens.
6) Im 2. Akte zeigte Herr Schuppli ein wohlerhal-
tenes prachtvolles Geweih eines Elennthieres vor. Das-
selbe hatte er anno 1858 bei Bischofszell im Befanger-
moos unter einer 7 Fuss tiefen Torfmoorschicht gefunden.
Es hat 12 Enden, misst in der Breite 33 Zoll, ıst 24 Zoll
hoch und wiegt 12 Pfund. — (Siehe dessen nähere Be-
schreibung in der von ihm herausgegebenen eigenen
Brochure. Notizen in den St. Galler Mittheilungen, Jahr-
gang 18..)
615. Sitzung vom 13. Mai 1871.
Abends 7 Uhr bei Webern.
Vorsitzender: Der Präsident Herr Dr. Bachmann. —
Secretär: Herr Dr. Henzi. — 26 anwesende Mitglieder.
1) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und genehmigt.
2) Herr Prof. B. Studer gibt Beiträge zur Geologie
des Ralligengebirges. (S. Abhandlungen.)
XXI
3) sprach Herr Schönholzer über die Disgregation
der Körper und die Entropie der Welt. An der Discus-
sion betheiligten sich die HH. Dr. Cherbuliez und Prof.
Dr. Perty.
616. Sitzung vom 4. November 1871.
Abends 7 Uhr im physikalischen Kabinet der Hochschule.
Zweiter Akt bei Webern.
Vorsitzender: Der Präsident Herr Dr. Isidor Bach-
mann. — Secretär: Herr Dr. R. Henzi. — 26 Anwesende.
— 5 Gäste.
1) Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen
und gutgeheissen.
2) Den Austritt aus der Gesellschaft erklären:
a) Herr Friedrich Güder, Kaufmann.
5) Herr v. Wattenwyl vom Murifeld.
3) Zu ordentlichen Mitgliedern wurden in die Ge-
sellschaft aufgenommen:
a) Herr Oskar Hartmann von Erlach, stud.
phil. und Assistent im physikalischen Kabinet
der Hochschule in Bern.
d) Herr Joh. Heinrich Pfister von Schaff-
hausen, Mechaniker in Bern.
c) Herr Al. Bodenheimer von Pruntrut, In-
genieur in Bern.
d) Herr Moritz Isenschmid, stud. phil. von
und in Bern.
e) Herr G. Haller, stud. med. von und in Bern.
f) Herr Bernhard Studer, Sohn, Apotheker
von und in Bern.
#) Das Gewitter in der Nacht vom 19. auf den 20.
Juli 4871 hatte laut den eingelangten Berichten eine
xX1
aussergewöhnliche Ausdehnung genommen und war mit
selten gesehener Heftigkeit aufgetreten. Die Direktion
des Innern des Kantons Bern glaubte daher, es dürfte
von Interesse sein, über den Verlauf des Gewitters, die
dabei beobachteten Naturerscheinungen uud den ange-
richteten Schaden ein genaues Bild zu erhalten, wess-
halb sie sämmtliche Gemeindspräsidenten des Kantons
zur Berichterstattung über ihre daherigen Wahrnehmun-
gen veranlasste. Gestützt auf die in diesen Berichten
enthaltenen Angaben wurde ein Generalbericht von der
Direktion ausgearbeitet und dieser nun dem Präsidenten
unserer Gesellschaft zu gutfindender Verwendung über-
mittelt, mit der Bemerkung, dass auf Wunsch die Special-
berichte der Gemeindspräsidenten zur Verfügung gestellt
werden können und dass, soweit es den Jura anbetrifft,
Herr Minen-Inspektor Quiquerez in Delsberg zu weiterer
Auskunft über das fragliche Gewitter gerne bereit sei.
Dieser Bericht wurde auf Antrag des Präsidenten der
Blitzkommission zur Begutachtung und fernerer Ver-
werthung übergeben.
5) gab Here Professor Forster in längerem Vortrage
interessante Beiträge zur physikalischen Technik.
6) machte Herr Dr. Cherbuliez geschichtliche Mit-
theilungen aus dem Gebiete der mechanischen Wärme-
lehre (s. die Abhandlungen).
7) Im 2. Akte, welcher bei Webern stattfand, machte
Herr Ris stereoscopische Demonstrationen und zeigte
unter Anderın auch die Möglichkeit, mittelst der Stereos-
kopie Fälschungen von Banknoten etc. zu entdecken.
XXın
617. Sitzung vom 19. November 1871.
Abends 7 Uhr bei Webern.
Vorsitzender: Der Präsident Herr Dr. Isidor Bach-
mann. — Secretär: Herr Dr. R. Henzi. — 21 anwesende
Mitglieder.
1) Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen
und gutgeheissen.
2) Den Austritt aus der Gesellschaft erklärt:
Herr Ingenieur Glauser, weil er nach Amerika
übersiedelt. Er wird auf seinen Wunsch zum
korrespondirenden Mitglied erwählt.
3) Zum ordentlichen Mitglied wird angenommen:
Herr Julius Cäsar Ducommun, Redacteur der
Helvetie in Bern.
4) gab Herr Cherbuliez den Schluss seiner geschicht-
lichen Mittheilungen aus dem Gebiete der mechanischen
Wärmelehre (s. die Abhandlungen).
5) Herr Prof. Fischer bringt zur Kenntniss unserer
Gesellschaft, dass von Seite der schweizerischen Horti-
eultur-Gesellschaft folgende zwei englische Kupferwerke
angeschafft und im botanischen Garten zur Benutzung
für Alle, die dafür ein Interesse haben, aufgestellt seien,
nämlich:
a) Curtis Botanical Magazine. 96 vol. 1790—1870.
(Wird fortgesetzt.)
5) Edwards botanical Register 1815—1847. 33 vol.
6) machte Herr C. v. Fischer-Ooster paläontologische
Mittheilungen aus den Freiburger Alpen (s. die Abhand-
lungen).
7) Ferner referirte derselbe über die von Ernest
Edwards Esq. neu entdeckte photographische Verviel-
fäligungsmethode , „Heliotype Process“ genannt,
XXIV
welche sich der Erfinder in England patentiren liess,
und am 28. April 1871 der Society of Arts in London in
ihrer 20. ordentlichen Sitzung mitgetheilt hatte. Vermit-
telst dieser Methode, welche gegenwärtig im Grossen
von einer Gesellschaft ausgebeutet wird, werden nega-
tive photographische Bilder auf Glasplatten, welche mit
Chromkali und Gelatine präparırt wurden, positiv ge-
macht. Die solarisirten Stellen nehmen die Drucker-
schwärze an, welche gegentheils an den vom Lichte
nicht getroffenen Stellen nicht haften bleibt. Nachdem
das durch das Licht nicht veränderte Chromsalz durch
Auswaschen mit Wasser entfernt worden ist, wird die
Gelatineschicht mit Alaun unlöslich gemacht und dient
nun unmittelbar, gleich wie ein bezeichneter und geätzter
lithographischer Stein, als Vervielfältigungsmatrize zum
Ueberdruck mit gewöhnlicher Druckerschwärze in den
gewöhnlichen Druckerpressen.
Vorgewiesene, mittelst dieser Methode hervorgeru-
fene Bilder zeigten alle die feinen Mitteltöne einer voll-
kommenen,, guten Photographie und lassen in keiner
Richtung etwas zu wünschen übrig. Im Gegentheil über-
treffen sie durch ihre Unveränderlichkeit und Dauer-
haftigkeit bei weitem die gewöhnlichen Photographien,
8) demonstrirt Herr Osk. Hartmann ein neues Maxi-
mum-Thermometer, von Baudin in Paris, zur Messung
der Bluttemperatur. Als Index dient in diesem Instru-
mente das oberste Theilchen der Flüssigkeitssäule, welche
von dem Hauptinhalte des Thermometers durch eine
kleine Luftblase getrennt ist.
XXV
618. Sitzung vom 2. Dezember 1871.
Abends 7 Uhr bei Webern.
Vorsitzender: Der Präsident Herr Dr. Bachmann. —
Seeretär: Herr Dr. Henzi. — 24 Anwesende. — 2 Gäste.
4) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und gutgeheissen.
2) Zum ordentlichen Mitgliede meldete sich und
wurde aufgenommen:
Herr Dr. Eugen Prior von Beringen, Kantons
Schaffhausen, Chemiker in Bern, geboren in
Frankfurt a. M.
3) Herr Professor Fischer referirte über neuere Lei-
stungen im Gebiete der physiologischen Botanik, na-
mentlich über Strömungsbewegungen des Protoplasma’s
im Innern der lebenden Zelle, und erläuterte die betref-
fenden Verhältnisse durch Demonstrationen unter dem
Microskope an Elodea canadense (Wasserpest).
#) macht der Präsident Vorlage geologischer Mit-
theilungen des Herrn Dr. Thiessing in Pruntrut, welche
in den Abhandlungen erscheinen werden.
5) Im 2. Akte machte Herr Director Jenzer chemisch-
physikalische Demonstrationen und zeigte:
1) den Städler'schen Apparat zur Anfertigung von
Kaliumdraht ;
2) den Cylinderspiogel (All du diable), von E.
Paniot in Paris.
619. Sitzung vom 16. Dezember 1871.
Abends 7 Uhr bei Webern.
Vorsitzender: Der Präsident Herr Dr. J. Bachmann.
— Secretär: Herr Dr. R. Henzi. — 29 anwesende Mit-
glieder. — 3 Gäste.
xXXVI
1) Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen
und gutgeheissen.
2) Zum ordentlichen Mitglied wird aufgenommen:
Herr Friedrich Haller-Goldschach, Buch-
drucker, von und in Bern.
3) Herr Professor Flückiger legt eine Auswahl von
China-Rinden vor und knüpft daran eine kurze Charak-
teristik der Cinchonen, der werthvollsten ihrer Rinden
und der darin enthaltenen Alkaloide ; erstere erläutert
er durch Vorweisung der schönen Abbildungen aus Kar-
sten’s Prachtwerk „Flore Columbi® terrarumque ad-
jacentium specimina selecta“. Ferner schildert der Vor-
tragende die neueren Fortschritte, welche die forstwirth-
schaftliche Cultur der Chinarindenbäume in Indien ge-
macht hat, wie sich dieses aus dem bezügl. Blaubuche
ergibt, dessen Druck das englische Parlament 1870 an-
geordnet hat. Diesen Band — den dritten, der über diese
Angelegenheit berichtet — legt der Redner vor und er-
örtert die bemerkenswerthesten der darin niedergelegten
Resultate. Indem derselbe die in Indien und anderswo
angepflanzten Chinabäume aufzählt, erinnert er, dass zu
diesem Zwecke nur die besten Arten ausgewählt worden
sind, mit Ausschluss der geringern und ganz besonders
derjenigen, welche sogenannte falsche Chinarinden liefern.
Diese letztern schilgert Prof. Flückiger in Betreff ihres
Baues und zeigt, dass sie bei der Erhitzung in geschlos-
sener Röhre nicht den schön purpurnen Theer liefern,
wie die echten Rinden, welche Chinin und die andern
Alkaloide enthalten. Diese längst bekannten Thatsachen
erleiden nun aber eine bedeutsame Ausnahme durch eine
Rinde, welche Prof. Flückiger unter dem Namen China
cuprea beschreibt und der Versammlung vorweist.
Diese nämlich zeigt vollkommen den Bau, der bisher
XXVII
ausschliesslich den falschen Rinden zugeschrieben wurde,
enthält aber nach den wiederholten Analysen von ©.
Hesse ungefähr 2 pC. Alkaloide. Die China cuprea
gibt demgemäss bei der Erhitzung purpurrothen Theer,
wie jede alkaloidhaltige Chinarinde. Hierdurch ist der
bisherige Lehrsatz umgestossen, der nur den nach dem
Typus der echten Rinden gebauten Rinden Alkaloid zu-
schrieb, oder vielmehr, der früher angenommene ein-
fache Zusammenhang zwischen anatomischer Beschaffen-
heit und chemischem Gehalte wird durch die Uebergangs-
form der China cuprea sehr wesentlich verrückt. — Man
darf nun nicht mehr hoffen, von chemischer Seite An-
haltspunkte für die botanische Diagnostik der so schwie-
sigen Gruppe der Cinchonen zu gewinnen, und es finden
sich auch hier grosse Gegensätze durch Zwischenstufen
vermittelt, Die botanische Abstammung der China cuprea
ist übrigens nicht bekannt; auch in London, wo sie schon
seit 1857 gelegentlich auf den Markt kam, war keine
Auskunft zu erlangen.
Die Analysen Hesse’s finden sich in den Berichten
der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin (Jahrg.
1871, pag. 819) und Flückiger wird die anatomischen
Verhältnisse der China cuprea im neuen Jahrbuche für
Pharmacie eingehender besprechen.
Endlich zeigte derselbe noch eine unter dem Namen
China alba von Payta gleichfalls von Hesse unter-
suchte Rinde unbekannter Abstammung vor, welche ein
neues Alkaloid, Paytin, enthält, das sich nur durch
einen Mehrgehalt von I Aeq. Kohlenstoff vom Cinchonen
der Chinarinden unterscheidet. In anatomischer Hinsicht
zwar bestimmt von diesen letzteren abweichend, zeigt
die China alba doch darin einige Uebereinstimmung mit
ihnen, dass sie ebenfalls ganz verdickte Baströhren
XXVIII
besitzt, welche jedoch von Krystallfaserzellen begleitet
sind und durch Aetzlauge grünlich, nicht roth gefärbt
werden. Man könnte daher mit einigem Grunde sagen,
dass hier eines der bezeichneten Elemente der China-
rinden in einer Rinde ausgeprägt sei, welche kein China-
Alcaloid enthält. Insofern bildet diese China alba ein
interessantes Gegenstück zu der China cuprea.
An der Discussion betheiligte sich Herr Dr. Buri.
4) Prof. Dr. Flückiger bespricht ferner die im Laufe
der Zeit zur gerichtlich-chemischen Nachweisung des
Phosphors in Aufnahme gekommenen Methoden und
zeigt, wie ihre Vervollkommnung Schritt gehalten hat mit
der zunehmenden forensischen Wichtigkeit des Phos-
phors. Nachdem Blondlot und Dusart zu jenem
Zwecke die grüne Flamme zu benutzen gelehrt hatten,
welche brennendes Phosphorwasserstoffgas beim Aus-
strömen aus einer Platinspitze zeigt, hat diese Methode
4870 durch Dalmon eine ebenso einfache, wie elegante
Verbesserung erfahren. Sie besteht einfach darin, dass
eine offene Glasröhre über die Flamme des Phosphor-
wasserstoffes gehalten wird, worauf selbst ein kaum
sichtbarer grüner Kern der Flamme sich zur Länge eines
Zolles und oft mehr in der Röhre entwickelt und einen
prachtvollen grünen Schimmer darbietet, welcher oft
blau gesäumt wird, wenn man die Glasröhre tiefer stellt.
5) spricht Herr Dr. Buri über das Indium, wovon
er im 2. Akte das Spectrum der Gesellschaft demonstrirte.
Das hiezu verwendete Indium wurde auf folgende Weise
dargestellt:
Ein Stück indiumhaltiges Zink aus Freiberger Blende
wurde nach einer in den „Annales de Chimie“ 4871 von
Bayer beschriebenen Methode bearbeitet: Das Zink
wurde in Salzsäure gelöst und die Lösung mit über-
XXIX
schüssigem Zink mehrere Tage in Berührung gelassen.
Der ungelöste Metallschlamm wurde in Salpetersäure ge-
löst und die Lösung durch Schwefelsäure vom Blei be-
freit. Aus dem Filtrat wurde durch überflüssiges Ammo-
niak Indiumoxyd mit Eisenoxyd gefällt, während Kupfer,
Cadmium und Zink gelöst blieben, Das der Methode
Eigenthümliche liegt in der nun folgenden Trennung des
Indiums von Eisen. Der Niederschlag von Indiumoxyd
und Eisenoxyd wurde in Salzsäure gelöst, die Lösung
mit saurem schweflig-saurem Natron vermischt und ge-
kocht, bis der Geruch nach schwefliger Säure fast ver-
schwunden war; hiebei schied sich das Indium als
schwefelsaures Salz ab, aber noch stark mit Eisen ver-
unreinigt. Selbst nach dreimaliger Behandlung in ange-
gebener Weise war das Indiumsalz noch eisenhaltig.
Bei der geringen Menge des Materials musste man von
weiterer Reinigung abstehen.
6) brachte Herr Prof. Forster eine kurze Notiz be-
züglich der potentiellen Energie der Sonnenstrahlung.
Berechnet man nach den Principien der mechani-
schen Wärmetheorie die Kraftmenge, welche die Sonne
der Erde in Form von Wärme zusendet, so findet man
bekanntlich eine ganz enorme Kraftmenge. Die in dem
vorzüglichen Werke von Tyndall „Die Wärme, betrachtet
als eine Art der Bewegung“ gemachte Angabe, es ver-
möge die der Erde in einem Jahre zugesandte Wärme-
menge einen Ocean süssen Wassers von 45 Meilen Tiefe
von 0° C. zum Sieden zu bringen, beruht jedoch auf ir-
gend einem Irrthum.
Nach den Untersuchungen von Pouillet vermag die
Sonnenwärme, welche unsere Erde innerhalb einer Mi-
nute empfängt, 5,5 Cub.-Meilen Wasser um 1°C. zu er-
wärmen (Mayer, Dynamik des Himmels).
XXX
1 geogr. Meile = 7420,4 Meter.
I}
4 Cub.-Meile = (7420)? —= 409519488000 Cub.-Meter,
IH I
also 5,0 Cub.-Meilen = 2252357184000 Cub.-Meter
u I
— 2252357184000000 Kilogr.
Daher erhalten wir pro Minute
2252357184000000 Wärme-Einheiten.
4 Wärme-Einheit —= 424 Meter Kilogr.
75 Meter Kilogr. — 1 Pferdekraft, also
4 Wärme-Einheit = 5,653 Pferdekräften.
Demnach ist die empfangene Sonnenwärme einer
Minute
12732575161152000 Pferdekräften äquivalent.
Denkt man sich nun seit Christi Geburt 2000 grosse
Dampfmaschinen, jede a 100 Pferdekräfte, in ununter-
brochener Arbeit, so müssen diese Maschinen noch bis
zum Jahre 2049 fortarbeiten, um die Arbeit zu leisten,
welche die Erde in jeder Minute als Sonnenwärme em-
pfängt.
Bekanntlich verhält sich aber die Menge der Sonnen-
strahlung, welche unsere Erde trifft, zur ganzen Sonnen-
strahlung wie 1 : 2300009000.
7) Im 2. Akte wies derselbe einen neuen Beleuch-
tungs-Apparat vor.
Abhandlungen.
A
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3 ME, 2:15
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FR
Er
Br
a a Dane > a a ee Ze ran
Dr Cherbuliez.
Geschichtliche Uebersicht der Unter-
suchungen über die Schallfortpflanzungs-
geschwindigkeit in der Luft.
(Fortsetzung.)
(Vorgetragen in der Sitzung vom 21. Januar 1871
und in den folgenden.)
II.
C. Die theoretischen Untersuchungen seit der
Aufstellung der Newton’schen Theorie bis zur
Laplace’schen Korrektion.
23) In dem grossartigen Aufbau der mathematisch-
physikalischen Wissenschaften, namentlich der physischen
Astronomie, während des XVIHN. Jahrhunderts, ist der
Gegenstand der uns beschäftigt, nur eine kleine Episode.
welche aber für das Verhältniss der Mathematicophysiker
zur experimentellen Wissenschaft, und umgekehrt, charak-
teristisch ist. Schon im Jahre 1727 hatte Euler (1707—
1783) eine Abhandlung über den Schall !) geschrieben ;
in dieser Arbeit, die der zwanzigjährige Mathematiker zur
Erlangung der Professur der Physik in Basel, aber ohne
Erfolg ?), verfasst hatte, und die ich mir nicht verschaffen
konnte, theilt derselbe eine von der Newton’'schen ver-
schiedens Formel für die Schallfortpflanzungsgeschwindig-
keit in der Luft mit; nach einer Notiz in der Ausgabe
1) Dissertatio physica de Sono. Basil. 1727. 40.
2) Wolf, Biographien zur Kulturgeschichte der
Schweiz. IV. 90.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 745.
oe
von Newton’s Principia von Le Soaeur et Jacquier !), wurde
aber diese Formel von Euler ohne Beweis angegeben ;
sie kommt ebenfalls und wiederum ohne Beweis in einer
Preisschrift vor, die Euler der Pariser Akademie 1738
über die Natur des Feuers ?) vorlegte. In derselben
spricht sich Euler wie folgt aus: „ich zögere um so
„weniger meine Formel mitzutheilen, als diejenige New-
„ton’s, nicht nur mit den Versuchen über die Schallge-
„sehwindigkeit nicht übereinstimmt, sondern auf nicht
„festen Gründen beruht.“
Diese Formel ıt: V=% y=:
wobei k die Quecksilbersäule, die dem Druck des Mediums
gleich ist, F die Länge des Sekundenpendels und n das
Verhältniss der specifischen Gewichte d und & des Me-
diums und des Quecksilbers bezeichnet. Vergleichen wir
diese Formel mit derjenigen Newton’s; die Grösse k
Euler’s ist die Grösse B Newton’s; für F hat man:
5
7 d
An yE oder F = a endlich n = Ta die obige
o
NA
Formel geht also über in:
er us
[23]
„|
das heisst: der Euler'sche Werth von V ist nichts anders
als der, mit dem Koefficienten = — 1,27324 multiplicirte
1) Prineipia etc. Le Saur et Jacquier. Geneva. 1740.
II. Seite 364. „Jam pridem vir acutissimus Eulerus hanc Newtoni
theoriam suspeetam habuit, aliamque Formulam dedit, qua soni
celeritatem determinat, sed sux formule demonstrationem, aut vitium
Newtonian&, palam non feeit quod sciamus.“
2?) Piöces couronn&es de l’acad&mie de Paris. Tome IV.
Dissertatio de igne. $. XXVII. pag. 17.
Be a
a
End
a 2 ac re
FE EN
a
Newton’'sche; für die gleichen Werthe von B, &, d und g,
wie dieser letztere, berechnet, wird er zu V — 379,5", eine
Zahl, welche von den neuen mittleren Beobachtungs-
resultaten mehr als die Newton’sche abweicht; freilich
kannte Euler, als er diese Preisschrift für 1738 aus-
arbeitete, nur noch die Resultate Derham’s, aus welchen
sich ein mittlerer Werth von 348" ergeben hatte; immer-
hin aber klingt Euler’s Behauptung „seine Formel stimme
weit besser als die Newton’sche mit den Beobachtungen
überein“ etwas kühn.
24) Einen ernsteren Versuch die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit von Erschütterungen in elastischen Me-
dien theoretisch zu bestimmen, verdanken wir Johann
Bernoulli II. (Basel. 4710—1790), die Pariser Akademie
hatte für das Jahr 1736 die Preisfrage ausgeschrieben:
„Comment se fait la propagationdelalumiere“,
Johann Bernoulli II. beantwortete dieselbe in einer Arbeit
mit dem Titel: „Recherches physiques et geome&-
triquessurlapropagationdelalumiere“, welche
gekrönt wurde. In dieser Abhandlung !), welche ziemlich
unbekannt geblieben zu sein scheint, jedoch, meiner
Meinung nach, eins der schönsten Erzeugnisse der kar-
tesianischen Wirbeltheorie, und desshalb schon geschicht-
lich interessant ist, sucht Bernoulli den Process der
Lichtfortpflanzung im Aether durch denjenigen der Schall-
fortpflanzung in der Luft zu erläutern. Versuchen wir
eine gedrängte Uebersicht dieser Theorie zu geben:
Die Luft wird dabei als aus kleinen, in gleichen Ent-
fernungen von einander liegenden Theilchen bestehend
angenommen, deren Zwischenräume durch ein sehr
elastisches Fluidum unter dem Druck, den der Barometer-
1) Pieces couronn&esde l’acad&mie de Paris. Bd. ill.
1736. 49.
stand angiebt, ausgefüllt werden. Im Ruhezustand be-
findet sich ein solches Theilchen in gezwungenem Gleich-
gewichte (equilibre force). Bernoulli stellt den Satz auf,
dass jedes solche, im Mittelpunkte des gezwungenen
Gleichgewichts befindliche Theilchen, wenn es von dem-
selben um eine kleine Grösse abgelenkt wird, in diese
Lage zurückkehren und um dieselbe isochrone Schwin-
gungen machen wird. Er betrachtet dann eine Reihe
dieser Theilchen
BREUDIC"B A DB, Ca
E, FR,
und giebt einem derselben A, dem Orte der Schaller-
regung, eine kleine Verrückung, etwa nach links; das
Medium zwischen A und dem nächstliegenden Theilchen
B wird zusammengedrückt, in Folge dessen erfährt B
auch eine kleine Verrückung, die nach C, D etc. so fort-
gepflanzt wird, dass die stets kleiner werdenden Ver-
schiebungen in F nicht mehr merklich sind; auf der
anderen Seite von A werden entsprechende Dilatationen
stattfinden, welche die Theilchen B,, C,, D; etc. um
kleine Grössen links von ihrer ursprünglichen Lage ab-
lenken werden, bis dieselben in F,, [so dass AF, =AF]
unmerklich sind. Die Strecke FF, nennt Bernoulli eine
Schallfaser (fibre sonore); es werden aber diese
Theilchen sofort in die ursprünglichen Lagen zurück-
kehren, und um dieselben herum isochrone und tauto-
chrone Schwingungen machen; nun aber sagt Bernoulli,
in den Punkten F und F, werden neue Schallfasern in
ähnlicher Weise entstehen, so dass, wenn die Haupt-
faser eine erste Schwwingung vollendet hat, die ersten
Sekundärfasern in F und F, sich gebildet haben und zu
schwingen beginnen, und wenn die Hauptfaser n Schwin-
gungen vollführt, die n° Faser rechts, sowie die n° links
von A sich bildet und zu schwingen beginnt. Eine solche
geradlinige Reihe von Schallfasern nennt Bernoulli einen
Schallstrahl (rayon sonore). Wie man sieht, ist die
Schallfaser, ihrer Ausdehnung nach, nichts anderes als
die Wellenlänge. Nach dieser Einleitung errichtet Ber-
noulli in jedem der Punkte FE....A....E,F, eine
Senkrechte zur Richtung FF, trägt auf dieselbe als Or-
dinate die Verschiebung. welche das in diesem Punkte
befindliche Theilchen erleidet, und sucht die Gleichung
der durch die Endpunkte dieser Ordinaten bestimmten
Linie zu berechnen. Bei dieser Berechnung wird ange-
nommen, dass: 1) die elastische Kraft des Mediums seiner
Dichte proportional ist; 2) die Verschiebungen der Theil-
chen gegen die schon sehr kleinen Entfernungen der-
selben von einander, unendlich klein sind; 3) die be-
wegenden Kräfte, welche auf ein Theilchen B in ver-
schobenem Zustande von zwei entgegengesetzten Seiten
wirken, den Entfernungen umgekehrt proportional sind,
die dasselbe von den auf seinen beiden Seiten in der
Faser zunächst liegenden Theilchen hat, eine Annahme,
welche eine Folge der ersten ist. Für die gesuchte Linie
kommt Bernoulli leicht auf eine Gleichung, welche mit
derjenigen der Linie, die eine schwingende gespannte
Saite bildet, identisch ist. Daraus wird der Schluss ge-
zogen, dass die Longitudinalschwingungen einer Schall-
faser von der Länge L unter dem Barometer-Druck B in
gleicher Weise stattfinden, wie die Transversalschwingungen
einer homogenen Saite von den gleichen Dimensionen
und Masse, welche durch ein dem Drucke auf der Faser
gleiches Gewicht P gespannt ist. In diesem Schlusse
liegt das Originelle der Bestimmung Bernoulli's '), näm-
1) D’Alembert sagt in seinen Opuscules mathem. Tome V.
Seite 138 u. ff., er habe zuerst die Identität beider Aufgaben und zwar
lich die Zurückführung der zu lösenden Aufgabe auf das
Problem der schwingenden Saiten, welches von Taylor
(1685—1731) in seinem 1715 herausgegebenen Werke:
„Methodus incrementorum directa et indirecta. London. 40*
zum ersten Male behandelt worden war. Seither hatte
der Vater Johannes Bernoullis I., Johann Bernoulli 1.
(1667—1748) diese Frage weiter erforscht, und 17281)
eine Formel zur Bestimmung der Anzahl n der Schwin-
gungen, welche eine durch das Gewicht P gespannte
Saite von der Länge L und dem Gewichte G, während
der Schwingungsdauer eines Pendels von der Länge D
macht, mitgetheilt; diese Formel war: n = x De
Denken wir uns nun eine Luftfaser von der Länge L,
dem Querschnitt « und dem specifischen Gewichte d, so
ist ihr Gewicht G = «.L. d., ist das spannende Gewicht P,
dem Barometerdrucke gleich, so hat man: P=B..e «.,
wo & das specifische Gewicht des Quecksilbers ist. Ist
endlich D die Länge des Sekundenpendels, so ergiebt
sich D — - und die Anzahl der Schwingungen der Luft-
faser in einer Sekunde ist:
Di g.B...o. 1 y® 2.
ee WAND TIT De EBEN N ee 2
n Y- PR 6 DR L ö
Nach der Theorie J. Bernoulli’s I. aber, haben sich im
Augenblicke, wo die erste Schallfaser die n® Schwingung
beendigt, n Schallfasern gebildet, das heisst es hat sich
die schwingende Bewegung (resp. der Schall) auf eine
Länge nL fortgepflanzt, und es ist daher die Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit:
im Jahre 1747 nachgewiesen; wie man sieht, irrt er sich, und hatte
Bernoulli 10 Jahre irüher dieses gezeigt.
’) Comm. Petropol. II. De chordis vibrantibus etc.
3
v=n1.=-Ys8
In dieser Weise hatte J. Bernoulli II. die Newton’sche
Formei wiedergefunden. Ueber diese Uebereinstimmung
spricht er sich wie folgt aus: »dieses ist dem, was
» Herr Newton am angefühten Orte gefunden, entsprechend,
»wenn ich gleich nicht weiss, ob es nicht vielleicht ein
»sehr indirekter Weg ist, der ihn darauf geführt hat:
»denn, um wahr zu sein, die lange Schlussreihe in den
»Sätzen 47, 48, 49 der Principia, welche diesem Scholion
» vorangeht, und in diesem Scholion selbst, scheint mir
»so dunkel und so verwickelt, dass ich mich nicht
»schmeicheln kann, dieselbe recht zu verstehen, nament-
»lich wie er im Satze 47 raisonnirt, wo es schwer zu
»sein scheint, das, was er voraussetzt, von dem, was er
»beweisen will, zu unterscheiden. »
Die Abweichung zwischen Theorie und Experiment,
sucht J. Bernoulli Il., indem er Newton’s erste Korrektion
verwirft, durch den Umstand zu erklären, dass die Theorie
die Schallfasern als Gerade auffasst, während sie, sagt
er, unendlich schmale, Doppelkegel sein müssen, was in
der Anzahl ihrer Schwingungen, immer nach Analogie der
schwingenden Saiten, in einer gegebenen Zeit eine Ver-
mehrung hervorbringen soll.
25) Nach J. Bernoulli II., war es wiederum Euler '),
welcher über die Schallfortzflanzung theoretische Unter-
suchungen anstellte. Seine Arbeit ist vom Jahre 1745 ?),
) Als Untersuchungen auf dem Gebiete, mit welchem wir uns
beschäftigen, kann man die geistreichen, aber eigentlich illusorischen
Einwendungen, welche Cramer in der Ausgabe der „Prineipia“ von
Le Sceur et Jacquier von 1740 gegen die Newton’sche Theorie, nament-
lich gegen die Prop. XLVII. des 2. Buches machte, nicht betrachten.
2) M&moires de Berlin. 1745. Sur la lamiere et les
eouleurs. 1747. Lateinisch unter dem Titel „Nova theoria lucis et
RR NT
und war eine Abhandlung über das Licht und die Farben, i
in welcher er, wie Bernoulli, aus dem Processe der Schall-
auf denjenigen der Lichtfortpflanzung zu schliessen suchte.
Anstatt der Geringschätzung mit welcher er 1737 New-
ton’s theoretische Ableitung betrachtete, bietet uns diese
Arbeit Euler’s nichts als eine vollständige Ueberein-
stimmung mit derselben; sie enthält eine klare, elegante
Ausführung der Prop. XLVIl. des 2. Buches der Prinecipia,
und führt natürlich auf die Newton’sche Formel, deren
Abweichung von den Versuchsresultaten, Euler durch eine
kleine Vernachlässigung zu erklären sucht, welche bei
der Berechnung der elastischen Kraft eingeführt wird und
den Ausdruck derselben etwas verkleinert.
In einem weiteren Abschnitte der gleichen Abhand-
lung!) sagt aber Euler, dass der gefundene Ausdruck
nur für den Fall gültig sei, dass eine einzige Schwingung
stattgefunden, oder dass, bevor die weiteren Schwingungen
erfolgen, die Theile des Mediums sich wieder im Ruhe-
stand befinden; ım entgegengesetzten Falle, fügte er hinzu,
werden sich die folgenden Schwingungen ganz anders
verhalten als die ersten, und werden um so mehr gestört,
je zahlreicher die ihnen vorangegangenen sein werden.
26) Diesen eigenthümlichen Gedanken, auf welchem
Euler die erste Theorie der Lichtzerstreuung in der Un-
dulationslehre gründete, nahm er später wieder auf und
suchte denselben zur Erklärung der Abweichung zwischen
der theoretischen Bestimmung und den Angaben der Er-
fahrung in der Frage der Schallfortpflanzungsgeschwindig-
keit zu verwerthen. Die bezügliche Arbeit wurde 1750
eolorum, im ersten Bande, Seite 169, der „Opuscula varii argumenti.*
Cap. II. $. 25—45.
1) Cap. II. de Pulsuum successione atque radiis lucis,
K
N}
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ET EDER he Da Fi Ze
u
Aa.
veröffentlicht") und wir wollen mit möglichster Kürze
die Grundzüge der Euler’schen Betrachtung wiedergeben.
Zuerst wird die Newton’sche Korrektion verworfen,
und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, dass, wenn die
lineären Entfernungen der festen Theilchen der Luft dem
zehnfachen der Durchmesser derselben gleich wären, eine
Luftmasse nur auf den zehnten Theil ihres ursprüng-
lichen Volumens zusammengedrückt werden könnte; man
kann nichts anders bei dieser Stelle, als Seitens Euler’'s
einen »Lapsus Calami« anzunehmen; ebenso wird die
zweite Newton’sche Korrektion (Berücksichtigung der in
der Luft vorhandenen Dämpfe) als unzulässig erklärt; nach
der Widerlegung der Newton’schen Argumente, fährt
Euler in folgender Weise fort: „ich glaube nicht, dass
„irgend ein Kunstgriff dieser Art um die Wahrheit der
„Theorie zu retten nöthig sei, ich denke auch nicht, dass
„man hier eine Abweichung zwischen der Theorie und
„der Erfahrung zugeben müsse. In der That ist der Fall,
„auf welchen sich die Theorie bezieht, gänzlich von dem-
„jenigen verschieden, der, bei den Versuchen, der Theorie
„zu widersprechen scheint. Dieses besser zu begreifen,
„muss man sich erinnern, dass man in der Theorie nur
„einen einzigen Impuls, dem keine weiteren folgen, be-
„trachtet, während bei den Versuchen die Schallgeschwin-
„digkeit, d. h. diejenige der Fortpflanzung einer grossen
„Menge auf einander folgender Impulse ermittelt wird. Es
„ist aber in der Theorie nirgends bewiesen, dass mehrere
„auf einander, wie auf einer gegenseitigen Spur folgende
„Impulse sich durch ein elastisches Medium mit derselben
„Geschwindigkeit, wie ein einziger vereinzelter Impuls,
!) Opusenla varii Argumenti. Bd. II. Berol. 1750. 4%. Con-
jeetura physica eirca propagationem soni ac luminis. S. I-XXI.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 746.
— 10
„fortpflanzen müssen.* Nach dieser Einleitung stellt Euler
die Behauptung auf, dass je grösser in einer gegebenen
Zeit die Anzahl der Schwingungen, welche einen Ton
erzeugen, sei, um so schneller auch sich dieser Ton durch
die Luft fortpflanzen werde. — Nun aber hatte Derham,
dessen Beobachtungen Euler bekannt waren durch seine
Versuche für alle Arten von Schall eine gleiche Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit gefunden, während nach obiger
Behauptung, dieselbe für tiefe Töne geringer als für hohe
Töne sein müsste; es ist wirklich interessant zu sehen,
wie Euler sich zu zeigen bemüht, dass diese Beob-
achtungen seine Theorie zu entkräftigen nicht vermögen.
— Er nimmt an, dass der Unterschied in der Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit zweier ungleich hoher Töne 50°
beträgt und zeigt dann, dass, wenn man die Versuche
auf eine Entfernung von 10,000‘ ausführt, dieses in der
Fortpflanzungszeit nur einen Unterschied von einer halben
Sekunde herbeiführen würde; ein Unterschied, fährt er
fort, der, wenn auch scheinbar wahrzunehmen, jedoch
(da der Augenblick selbst der Schallerregung nie so
genau durch Signale angegeben werden kann, dass jeder
Irrthum gänzlich beseitigt werde) der Art ist, dass man mit
Recht zweifeln darf, ob Derham’s Versuche, so genau sie
auch angestellt worden sind, in dieser Frage entscheiden
können, um so mehr, als auch, bei der Beobachtung des
Augenblicks der Schallwahrnehmung, ein Fehler nicht zu
vermeiden ist. Ferner wird nachgewiesen, dass über-
haupt entscheidende Experimente nicht angestellt werden
können. — Freilich erinnert sich Euler, dass Derham viele
Versuche bei einer Entfernung von 60000 Fuss angestellt
hatte; aber, sagt er, die verwendeten Geschütze erzeugen
Töne die in Beziehung auf Tiefe, so wenig von einander
verschieden sind, dass solche Versuche weder für, noch
Pal 1 are,
gegen die Theorie Argumente liefern können; sie be-
weisen bloss, dass tıefe Töne wie diejenigen grösserer
Geschütze, die von Derham ermittelte Fortpflanzungs-
geschwindigkeit besitzen, und dass folglich für höhere
Töne eine etwas grössere Zahl sich ergeben würde; da
diese Ermittlung aber beinahe durch keine Versuche er-
zielt und noch viel weniger von der Theorie erwartet
werden kann, so bleibt alles im Zweifel, wenn gleich die
gemachte Annahme ziemlich wahrscheinlich zu sein scheint.
Das beste Mittel seine Hypothesis experimentell zu
prüfen, erblickt Euler in musikalischen Versuchen; „in
„der That, sagt er, wenn eine Verbindung vieler ver-
„schiedener Töne, in welcher je die einzelnen in so
„genauen Intervallen auf einander folgen müssen, dass
„der geringste Fehler das Ohr verletzt, von Weitem ge-
„hört wird, so wird, wenn die höheren Töne einen Augen-
„blick früher als die tieferen das Ohr erreichen, die
„Differenz leicht wahrgenommen werden. In unserer
„Voraussetzung wird die tiefste Stimme, welche Bass
„genannt wird, in Beziehung auf die übrigen höhern
„Stimmen, etwas später von Weitem als in der Nähe ge-
„hört werden müssen, und diese Verzögerung wird für
„ein musikalisch gebildetes Ohr viel schärfer empfunden,
„als wenn wir durch die genausten Zeitmessungen nach
„Derham’s Verfahren, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
„jedes Tones untersuchen wollten. — Würde also ein
„solcher Unterschied in den verschiedenen Entfernungen
„ın welchen ein musikalisches Concert gehört wird, be-
„obachtet werden, so wäre auch dadurch unsere Hypothesis
„ausser allem Zweifel gesetzt.“
Eine weitere Prüfung gibt Euler noch in Folgendem
an: ist seine Voraussetzung richtig, so muss ein Schall,
der in einer bestimmten Zeit erzeugt wurde, um so länger
wahrgenommen werden, je entfernter sich der Beobachter
von der Erregungstelle befindet, denn, während die ersten
Schwingungen sich mit der experimentell ermittelten Ge-
schwindigkeit von 348 Meter bewegen, pflanzt sich die
letzte mit der theoretischen von 298 Meter fort; in einer
Entfernung von n Metern wird also die Wahrnehmung
eines, während einer Zeit t erzeugten Schalles, zur Zeit
n
348
der Zeit t + 598 erreichen; der Beobachter hört also
beginnen; die letzte Schwingung wird das Ohr nach
den Schall während der Zeit
(A 14
T=t+n |. — 73! oder: T=t+n on
298 + 348
ist daher die Dauer t der Schallerregung so klein, dass
sie als ein Augenblick betrachtet werden kann, so ist
oder circa T = ist daher
ae Bus
- 10370% 207%’
n — 10000 Meter, so wäre T = circa 5". Aber, sagt
Euler, es wird schwer sein, da die zwischenliegenden
Gegenstände durch Annahme der schwingenden Bewegung
schon aus sich Töne fortzupflanzen pflegen, diese Ver-
längerung der Schallwahrnehmung zu ermitteln.
Wie man sieht, ist Euler in der Angabe von experi-
mentellen Prüfungen seiner Hypothesis sehr erfinderisch,
die aber leider, wie er auch jedesmal bemerkt, kaum
angestellt werden können; ihm ist übrigens die Haupt-
sache, dass die vorhandenen Beobachtungen seine An-
sicht zu entkräftigen nicht hinreichen, während in seinen
Augen die Hauptargumente zu Gunsten derselben anders-
wo, nämlich in der Betrachtung der Farbenzerstreuung
zu suchen sind. In der That, meint Euler, da die Fort-
pflanzung von Impulsen im Aether das Licht gerade so
La
hervorbringt, wie der Schall durch Impulse, welche sich
in der Luft fortpflanzen, erregt wird, wenn man beweist,
dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Aether von
|
h
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ü
h
2
%
|
Kr
£
ar
hir 7 a en
1
der Häufigkeit (frequentia) der Impulse abhängig ist, so
wird es in keiner Weise statthaft sein zu zweifeln, dass
auch dasselbe für die Luft stattfindet. Dieser Beweis
ergiebt sich aber, nach Euler, aus der Erscheinung der
Farbenzerstreuung, und denselben zu leisten ist die Auf-
gabe des zweiten Theils der Abhandlung.
Das Ganze ist, im Grunde genommen, nichts weiteres
als eine Vermuthung, welche für die Theorie des Lichtes,
noch mehr als für diejenige der Schallfortpflanzung, von
geschichtlichem Interesse ist, und es blieb nach diesen
ersten Bearbeitungen Euler's unsere Frage im gleichen
Stadium wie nach Newton’s Behandlung: nur soviel war
gewonnen, dass die Hauptmomente der Newton’schen
Auflösung sich als richtig erwiesen hatten.
27) Die erste erschöpfende Arbeit über die Frage
der Schallfortpflanzung, auch die erste, bei welcher die
Hülfsmittel der höheren Analysis in ausgedehntem Maasse
benutzt wurden, verdanken wir Lagrange (1736 - 1813).
Dreiundzwanzig Jahre alt unternahm Lagrange, der da-
mals noch in seiner Vaterstadt Turin lebte, diese Unter-
suchung, welche 1759 in den „Miscellanea Tauriniensa.
T.1.*, unter dem Titel: „Recherches sur la nature et la
propagation du son“ veröffentlicht wurde. !) Eine irgend-
wie ausführliche Besprechung dieser Abhandlung würde
die Grenzen unserer Arbeit weit überschreiten ; wir
müssen uns daher auf einige allgemeine Andeutungen
beschränken. Nach einer scharfen Kritik der Newton’schen
1) Oeuvres de Lagrange. Tome I. Seite 39—148. Paris
1867. Enthält auch eine ziemlich gute „Notice sur la vie et les.
ouvrages de M. le comie Lagrange“* von Delambre.
N Le
Ableitung, betrachtet Lagrange eine geradlinige Reihe
von Theilchen eines elastischen Fluidiums, welche gleiche
Abstände von einander haben; auf diese Theilchen wirken
abstossend elastische Kräfte, welche den Abständen
derselben umgekehrt proportional sind; das erste und
das letzte dieser Theilchen werden als fest angenommen;
es wird dann gezeigt, dass die Aufgabe der Bestimmung
der Bewegungsgesetze dieser Theilchen mit derjenigen
der Bestimmung der Bewegung einer gespannten Saite,
die aus einer gleichen Anzahl von Theilchen besteht,
identisch ist; es ist in anderer Form der gleiche Ueber-
gang zu dem Problem der schwingenden Saiten, welches
alle damaligen bedeutenderen Mathematiker beschäftigte,
den schon J. Bernoulli II., wie wir gesehen, vermittelt
hatte. In höchst origineller und scharfsinniger Weise
wird nun die Auflösung dieser letzteren Aufgabe bewerk-
stelligt; die Rechnungen sind sehr lang und ziemlich
komplicirt, bieten aber dem Leser nirgends besondere
Schwierigkeiten dar. Lagrange kommt für den Fall, dass
die gespannte Saite oder die Luftfaser aus einer end-
lichen Anzahl von Theilchen besteht, zu den Ausdrücken
der Verschiebung und der Geschwindigkeit irgend eines
dieser Theilchen, bei gegebenen Anfangszuständen. — Er
dehnt dann, durch Anwendung einer sinnreichen Analysis,
die Untersuchung auf den Fall einer unendlichen Anzahl
von Theilchen aus. Nach diesen allgemeinen Unter-
suchungen wendet er sich zur Theorie der Musiksaiten
und der Flöten und endlich zur Frage der Schallfort-
pflanzung. — Es ergiebt sich aus diesen Untersuchungen
für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalls in der
Luft genau die Newton’sche Formel. Mit kurzen Worten
berührt Lagrange die Abweichung zwischen Theorie und
Erfahrung; er verweist zunächst auf die schon von
2
Ja ’ Pa el
6, bar
Br 1 RR
Newton angeführten Gründe und scheint sich sonst um
diese Seite der Frage sehr wenig zu bekümmern: „es
„ist übrigens, sagt er, nicht merkwürdig, dass die Theorie
„von den Versuchsresultaten um etwas abweicht, denn es
„ist bekannt, dass die stets ziemlich complicirten Ver-
„suche nie die einfachen und von allen Nebenbedingungen
„befreiten Data geben, wie sie die reine Analysis ver-
„langen würde.“ Diese Meinungsäusserung ist für den
Standpunkt, den die Mehrzahl der Physikomathematiker
des XVII. Jahrhunderts in Beziehung auf mathematische
Behandlung physikalischer Gegenstände einnahmen, charak-
teristisch; ihnen war dabei mehr um interessante mathe-
matische Untersuchungen als um eine vollständige und
scharfe Darstellung und Ableitung der thatsächlichen
Erscheinungen zu thun; sie waren zu sehr Geometer
und zu wenig Physiker: dieses soll übrigens durchaus
keinen Tadel ausdrücken, denn diesem Streben haben
wir eben die grossartigen Fortschritte der höheren Mathe-
matik und der rationellen Mechanik in dieser Zeit zu
verdanken; eher könnte man wünschen, dass die da-
maligen Pysiker etwas mehr Geometer gewesen wären.
28) Während uns J. Bernoulli's Abhandlung, sowie
die ersten Arbeiten Eulers durch viele Züge, sei es in
den theoretischen Anschauungen, sei es in der Form
der gebrauchten Analysis der Schule der zweiten Hälfte
des XVII. Jahrhunderts anzugehören scheinen, fühlt man in
der so eben erwähnten Arbeit Lagrange’s, den Geist einer
neuen Zeit, und dieser Uebergang tritt bei Euler in ganz
besonders scharfer Weise hervor. Er hatte bald von
der Lagrange’schen Arbeit Kenntniss genommen, und
wurde durch dieselbe zu einer neuen Untersuchung der
Frage der Schallfortpflanzung veranlasst: diese neue Ab-
handlung !) ist aber von den früheren, in Beziehung auf
Methode und Form der Analyse, sehr verschieden, so dass
man fast Mühe hat zu glauben sie rühre von demselben
Gelehrten her, der zehn Jahre früher die „Conjectura
Physica circa propagationem soni ac luminis* geschrieben;
in derselben erwähnt auch Euler mit keinem Worte seiner
früheren Arbeiten über den gleichen Gegenstand. —
Uebrigens führt die Analyse Euler auf einfacherem Wege
als Lagrange, zu den gleichen Resultaten wie diesen,
namentlich zur alten Newton’schen Geschwindigkeits-
formel; da glaubte Euler, dass möglicherweise die Ab-
weichung zwischen Theorie und Erfahrung in dem Um-
stande ihren Ursprung habe, dass die Theorie die
Fortpflanzung der Erschütterungen in einer nur linear
ausgedehnten Luftfaser betrachte, während in der Wirk-
lichkeit sich dieselben in einem Mittel mit drei Dimensionen
fortpflanzen. — Mit seiner unverdrossenen Arbeitskraft, be-
eilte er sich daher zunächst die Fortpflanzung von Erschüt-
terungen in einem nach zwei Dimensionen unbegränzten
Mittel, also in einer unendlich dünnen, von zwei parallelen
Ebenen begränzten Luftschicht, und dann in einem nach drei
Dimensionen ausgedehnten Medium zu erforschen. Wir
können auf den Inhalt dieser neuen Abhandlung?) nicht
näher eintreten und müssen uns damit begnügen, in Bezie-
hung auf den speciellen Punkt der Schallfortpflanzungsge-
schwindigkeit anzuführen, dass die Untersuchung für drei
Dimensionen Euler auf Formeln führte, von denen er
sagt: „d’ou l’on peut conclure, que la propagation du son
„pourrait bien se faire avec une autre vitesse dans cette
) Memoires de Berlin. 1759. Seite 185. E’uler. De la pro-
pagation du son.
2) Memoires de Berlin. 1758. Seite 210. Euler. Supple-
ment aux recherches sur la propagation du son. -
„hypothäse. Cependant on n’en saurait rien conclure de
„positif avant qu’on soit en Etat de r&soudre generalement
„cette Equation.* Diese Schwierigkeit, die Differential-
gleichungen der Aufgabe zu integriren, trat bei dem
Falle von drei Dimensionen in noch höherem Maasse ein,
so dass Euler ganz aufrichtig die Unzulänglichkeit der
damaligen analytischen Mittel zur Bewältigung dieser
Schwierigkeiten zugibt. Aber dabei liess er nicht nach,
und in einer dritten Arbeit vom gleichen Jahre '), lieferte
er eine neue Bearbeitung der Frage für den Fall dreier
Dimensionen, die nur für den Mathematiker von Interesse
ist, und in Beziehung auf die Schallgeschwindigkeit zu
keinem Resultate kam. Diese Untersuchungen theilte
Euler Lagrange mit ?); dabei sprach er die Vermuthung
aus, dass die Abweichung zwischen Theorie und Er-
fahrung in der Voraussetzung unendlich kleiner Erschüt-
terungen der Mediumstheilchen, welche den theoretischen
Ableitungen zu Grunde liegt, ihren Grund haben möchte,
29) Seinerseits blieb Lagrange nicht unthätig, sondern
unternahm noch umfassendere Untersuchungen, welche
im zweiten Band der Miscellanea Taurinensia 1761 ®), ver-
öffentlicht wurden. In dieser Arbeit unterwirft Lagrange
die Newton’'sche Theorie noch einmal einer genauen
Prüfung, und zieht einigermassen das in seinen ersten
Abhandlung über dieselbe ausgesprochene harte Urtheil
zurück : sie ist ihm nur noch ungenügend, d. h. zu wenig
allgemein und er findet, dass sie auf die wirklichen Ge-
) Memoires de Berlin. 1759. Seite 241. Euler. Con-
tinuation des recherches sur la propagation du son.
2) Miscell. Taurin. I. 1760—61. Euler. Lettre & M. de La-
grange contenant des recherches sur Ja propagation des mouvements
dans un milieu &lastique.
3) Oeuvresde Lagrange. ]. Seite 151. Nouvelles recherches
sur la nature et la propagation du son.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 747.
2 N ZN
RN | ee
setze der Schallfortpflanzung führen kann. Die Abhand-
lung Lagrange’s enthält, sei es über die Integration von
partielen Differentialgleichungen, sei es über die An-
wendung derselben auf die Frage der Fortpflanzung von
Erschütterungen in elastischen Medien, eine Fülle der
interessansten und geistreichsten Untersuchungen. Wir
haben schon gesagt, wie wenig in seiner ersten Arbeit
Lagrange auf die Abweichung zwischen den Ergebnissen
der Theorie und der Erfahrung eingetreten war. Er
kommt nun auf diese Frage zurück, und prüft in erster
Linie die vorhin erwähnte Vermuthung Euler’s, kommt
aber zu dem Schluss, dass jede andere Voraussetzung als
diejenige unendlich kleiner Erschütterungen in der Theorie
der Schallfortpflanzung zu verwerfen sei. Diese Voraus-
setzung nun wieder aufnehmend, wird Lagrange durch
eine eigenthümliche näherungsweise Berechnung auf ein
merkwürdiges Ergebniss, das er übrigens gleich verwirft,
geführt: es wären drei verschiedene Fortpflanzungs-
geschwindigkeiten vorhanden, wovon die eine beinahe die
Erfahrungsgrösse, nämlich 1130 F. — 344” hätte. Da
sonst alle seine Untersuchungen ihn stets auf die New-
ton’sche Geschwindigkeitsformel führen, fragt sich end-
lich Lagrange, ob das angenommene Gesetz, dass die
elastische Kraft der Luft ihrer Dichtigkeit proportional
sei, wirklich in aller Strenge stattfinde, und ob nicht
vielmehr dieses Gesetz ein etwas anderes sei? Ist die
elastische Kraft E irgend eine Funktion % [D] der Luft-
dichtigkeit, so bleiben die sämmtlichen theoretischen
Ableitungen dieselben, nur die Geschwindigkeit V, die
man durch die Voraussetzung des Mariott'schen Gesetzes
erhält, wäre mit / y’ [D] zu multipliciren; nimmt man
also an, die Elasticität sei einer Potenz m der Dichtig-
keit proportional, so ist [DJ] = D* und „! [DJ =m. D"-!;
Er
und, wenn man als Einheit die Dichtigkeit unter dem
Druck einer Atmosphäre nimmt, %! [DJ = m. Die auf
‚diese Art aus der Theorie entspringende Schallfortpflan-
zungsgeschwindigkeit V,, wäre
Ba a a ar en a ee
V, = Ym. Y.
wobei V die Newton’sche Zahl ist.
Um m so zu bestimmen, dass V, mit den Versuchs-
resultaten übereinstimmt, nimmt Lagrange V=979' und
für die experimentelle Zahl 1442°, und findet also
= 4142,
woraus m = 1,36 oderm=1 + 3
Für eine n-fache Dichtigkeit müsste also das Verhältniss
des zugehörigen Druckes P,, zum Druck P,, der der
Dichtigkeit 4 entspricht, sein.
4
P, ide eh yn.
er j
Bsofürn =? n =
P,—8 Vs P,—16:P,
ee en vom Mariott'schen Gesetze waren
so bedeutend, dass Lagrange gleich hinzufügt: „Ces
„differences paraissent a la verite trop fortes pour qu’on
„puisse raisonnablement supposer queelles aient &chappe
„aux savants physiciens, qui ont determine par l’ex-
„Pperience les lois de la compression de l’air; aussi je
„ne donne I’hypothese de lelasticite proportionelle a
„D'*Z, qui comme une legere conjecture, et je me
„eontenterai seulement de faire observer que l’experience
„meme parait jusqu’a un certain point favorable a la
„supposition que l’elasticit@ croisse dans une raison plus
„grande que la densite, puisqu’on sait que de tres
„habiles physiciens ont trouv&, que l’orsque la densite
„est devenue quadruple de la naturelle, l’air ne se com-
„prime plus que suivant une proportion moindre que
„celle des poids.* Uebrigens schliesst Lagrange mit
der Bemerkung, dass ohne das Gesetz D” festzuhalten,
man die Form der Funktion „ so bestimmen sollte, dass
g' den Werth 4+'/, für D=41 annehmen, und zwischen
D=1undD-—=#, 9 der Dichtigkeit beinahe propor-
tional wäre, wodurch, sagt er, den Erfahrungen über
die Schallgeschwindigkeit in der Luft und dem Mariott-
schen Gesetze zu gleicher Zeit Genüge geleistet wäre.
— In mathematischer Hinsicht ist diese Abhandlung
Lagrange’s noch bedeutender als die erste; hingegen
liess sie die Frage der Fortpflanzungsgeschwindigkeit
des Schalles in der Luft, die einzige, die wir zu be-
trachten haben, wiederum in dem gleichen Stadium, in
welchem sie sich nach Newton’s Untersuchungen befand;
dass den sinnreichsten analytischen Kunstgriffen eines
Lagrange und eines Euler mehr, als Newton mit seinen
wenigen Sätzen, zu erreichen nicht gelingen konnte,
ist uns ein Beweis, nicht der Ohnmacht der mathematischen
Analysis, sondern des bewundernswerthen Scharfblicks,
mit welchem der grosse Engländer die wesentlichsten
1) Oeuvres de Lagrange. I. Pag. 297. Die hier von Lagrange
benutzten Zahlen sind diejenigen von Newton und Derham in engl.
Fussmass. Hätte er die Zahl der Pariserakademiker von 1135 ge-
nommen, so hätte er erhalten (annähernd):
4 .
m=1-+ 2 also n=ny7 - Pı, so dass die Abweichungen
vom Mariotte’schen Gesetze für n = 2, 3, 4 etwas weniger gross
gewesen wären,
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F
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#2
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physikalischen Bedingungen der wellenartigen Bewegun-
gen in elastischen Mitteln erfasst und seinen Betrach-
tungen zu Grunde gelegt hatte.
30) Noch einmal, nach Lagrange's Untersuchungen,
trat Euler in die Schranken ; seine Arbeit ist vom Jahre
1765 (t); sie besteht in einer allgemeinen mathematischen
Untersuchung über die Schallfortpflanzung und die Bil-
dung des Echo’s; sie brachte keine neuen Ergebnisse
heraus, und führte namentlich wiederum auf die New-
ton'sche Formel für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
zurück. Auch dort suchte Euler für die Abweichung
zwischen Theorie und Erfahrung, Gründe aufzufinden:
er verfiel aber auf keinen neuen Gedanken, sondern
kam, einerseits auf die alte Newton’sche Idee der festen
"Bestandtheile der Luft, durch welche der Schall augen-
blicklich fortgepflanzt wird, zurück, während er ander-
seits den schon 1760, von ihm, wie oben erwähnt wurde,
Lagrange mitgetheilten Einwand wegen der in der Theorie
angenommenen unendlich kleinen Erschütterungen wieder
aufnahm, anstatt dass, in den Versuchen, bei Benutzung von
Geschützen, eine sehr heftige Erschütterung eintreten
muss, „a laquelle, sagt er, on ne saurait plus appliquer
la theorie.“
31) Dass der Gedanke den Unterschied zwischen
der theoretischen Newton’'schen und der experimentellen
Zahl zur Ermittlung noch nicht bekannter Momente, sei
es in dem Gesetze der Zusammendrückung, sei es in
anderen physikalischen Erscheinungen der Luft, zu be-
nützen, entstehen musste, war ganz natürlich: und zwar
musste es von dem Augenblicke an geschehen, wo die
1) M&ämoires de Berlin. 1759. Seite 335. Eelairceissements plus
detailles sur la generation et la propagation du son et sur la forma-
tion, de l’Echo.
FR. AR
Bearbeitung der Theorie durch die genialsten Geometer
die Grundlagen derselben hinreichend befestigt hatten
und die Anstellung von zuverlässigen Versuchen durch
tüchtige Experimentatoren die Richtigkeit der Erfahrungs-
ergebnisse ausser Zweifel setzte; nach Derham und’ den
französischen Akademikern, nach den Arbeiten Euler’s
und Lagrange’s war dieser Zeitpunkt gekommen, und
wie wir vorher gesehen haben, tauchte bei Lagrange
in Beziehung auf das Mariott'sche Gesetz ein solcher:
Gedanken auf. Etwas Aehnliches treffen wir bei dem
Elsässer Lambert(1728 — 1777), welcher seine theoretischen
Ansichten in einer 1768 veröffentlichten Abhandlung (?)
niederlegte. Sein Gedankengang ist folgender : die Ver-
suche sind gut angestellt worden und daher ihre Resultate
zuverlässig; die Theorie ist von richtigen Voraussetzungen:
streng abgeleitet worden, so dass ihr Ergebniss ebenfalls.
richtig ist, aber der Stoff, an welchem die Versuche
ausgeführt wurden, erfüllt nicht alle die Bedingungen,
welche die Theorie voraussetzt, Diese letstere nimmt
eine vollkommen reine, von allen fremden Bestandtheilen
freie Luft an, während die Dichtigkeit der Luft, welche
in dem Ausdruck der Schallgeschwindigkeit benützt wird,
nicht die dieser reinen, sondern diejenige einer mit
allerlei fremden Bestandtheilen mehr oder weniger ver-
mischten Luft ist. Der Unterschied zwischen den theo-
retischen und experimentellen Zahlen kann daher einen
Rückschluss auf die Menge dieser fremden Bestand-
theile gestatten. Diesen Gedanken der Rechnung zu
unterwerfen, geht Lambert von dem Newton’'schen Satze
aus, dass die Schallgeschwindigkeit die gleiche ist,
die ein von der Höhe = (siehe ersten Theil diese
1) M&moires de Berlin. 1768. Seite 30. Lambert. Sur la
vitesse du son.
a Da a zer Zn 3 e
y z © sh m er WE EN AI TEE Fu Erd ur TEE air
TER RT, eh ee! ER TTBAN ar EN N a ET
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en A a as ‚ :
=
RAR 2 app
Mittheilungen) frei herunterfallender Körper erhalten
würde ; diese Höhe ist nach den von Newton angenom-
menen Zahlen 9057 Meter; die Höhe, welche der Zahl
338”, die Lambert für die Zahl der französischen Aka-
demiker nimmt, entspricht, wäre 11658”; beide Zahlen
verhalten sich zu einander, beinahe wie 25:37, woraus er
schliesst, dass das Gewicht der Kubikeinheit reiner theo-
retischer Luft im Meeresniveau sich zu demjenigen der
natürlichen verhält, wie 25:37. Wir verfolgen die Ab-
leitungen Lambert's nicht weiter; der Gedanke schien
uns, vom geschichtlichen Standpunkt aus, interessant
und desshalb erwähnenswerth.
Diesen Gedanken nahm Lambert in einer späteren
Arbeit wieder auf(!), in welcher er zu zeigen suchte,
dass seine theoretischen Resultate mit denjenigen der
Erfahrungen erträglich übereinstimmen, was mcht wohl
anders sein konnte, da der Ausgangspunkt seiner Theorie
eben die vorhin angedeutete, auf Vergleichung der theo-
retischen und der experimentellen Zahlen begründete
Voraussetzung über die Beschaffenheit der Luft war, mit
anderen Worten, er hatte in die theoretischen Formeln
einen Coefficienten eingeführt, dessen Ursprung aber,
obgleich durch analytische Entwicklungen verkappt,, nichts
anderes als das Resultat der Vergleichung der Newton’-
schen mit der Zahl der Pariserakademie war.
32) Nur der literarischen Vollständigkeit wegen,
führe ich hier die 1776 von Wünsch (1774—1828) auf-
gestellte sonderbare Theorie (?), sowie die Abhandlung
1) M&ömoires de Berlin. 1772. Seite 103. Lambert. Sur la
densite de l’air.
?) Wünsch. Initia nov&» doctrin® de natura Soni.
Lipsie. 1776. 4%, Nach Fischer, (Geschichte der Physik. Bd. Vl.
624) besteht Wünsch’s Theorie in Folgendem: Die Luft besitzt eine
eigene Geschwindigkeit, mit welcher sie ausweicht, wenn man ihr
EL N
von Giordano Riccati (1) 1709-1790] vom Jahre 1777, an;
es war mir unmöglich mir diese Arbeiten zu verschaffen,
und so kann ich bloss, nach dem was ich über dieselben
gelesen, die erste für einen vollkommen werthlosen und
unwissenschaftlichen Versuch , die zweite für eine mit
denjenigen Lagrange’s und Euler’s verwandte und auf den
gleichen Schluss kommende Leistung halten.(?) — Es
scheint übrigens, als ob während der 20 letzten Jahre
des XVII. Jahrhunderts eine gewisse Entmuthigung sich
der Geometer, in Beziehung auf unsere Frage, bemäch-
tigt hätte; so finden wir die theoretischen Betrachtungen
Platz verstattet, und diese ist eben die Geschwindigkeit des Schalles.
Jede Luftsäule hat einen Schwerpunkt; das ist der Ort, wo die
Barometerhöhe die Hälfte derjenigen ist, welche am unteren Ende
der Säule stattfindet, und jede Luftsäule dringt in den leeren Raum
mit derjenigen Geschwindigkeit, welche der Höhe ihres Schwer-
punktes zugehört; Wünsch findet dass, wenn man das Verhältniss
nz setzt, und
für die Mittlere Barometerhöhe 28 Par.-Zoll, die Höhe des Schwer-
punktes der Luftsäule, welche diesem Druck entspricht, d. h, die
Höhe in welcher der Barometerstand 142 wäre, 17750 Par.-Fuss be-
trägt; dieser Höhe gehört eine Geschwindigkeit von 1037 Par.-Fuss
in einer Sekunde zu; diese so genaue Uebereinstimmung mit den
genauesten Versuchen über die Fortpflanzung des Schalles hält
Wünsch für einen Beweis der Richtigkeit seiner Theorie.
I) Giordano Riccatti. Nuova Difesa del av. I. New-
ton dalla nota die Petizion di principio nel determinare
la Velocita della propagazione del suono. Nuovo Giornale
de Letterati d’Italia. XI. 1777.
2) D’Alembert (1717—1783) hat sich auch gelegentlich mit der
Schallgeschwindigkeit beschäftigt. Im V. Bande. Seite 138 seiner
„Opuscules mathematiques, M&emoire 34, Recherches
sur le mouvement des fluides, $I. sur la vitesse du
son, findet man eine analytische Entwicklung, die d’Alembert zu
dem Schlusse führt, dass es kaum möglich ist die Bewegungsgesetze
der Theilchen eines elastischen Fluidiums durch analytische Aus-
drücke darzustellen. Diese Arbeit wurde 1768 veröffentlicht.
der speeifischen Gewichte von Luft und Quecksilber
3
E
über die Schallfortpflanzungsgeschwindigkeit, erst 1801,
bei dem Genfer Trembley (1749—1811)[!] wieder, dessen
Abhandlung übrigens nichts als eine, freilich scharfsinnige,
aber unfruchtbare Kritik der Untersuchungsmethoden der
Geometer ist, welche die Schallgeschwindigkeit theoretisch
behandelt haben; sie ist namentlich interessant, weil
Trembley darin einige bemerkenswerthe Winke über die
Anwendung der Mathematik auf die Erforschung physi-
kalischer Erscheinungen gibt, sie trägt aber zur Lösung
des alten, mehr als 400jährigen Zwiespalts zwischen
Theorie und Erfahrung nicht im Geringsten bei. —
In Chladni’s (1756—1827) klassischer Akustik (?), welche
1802 herausgegeben wurde , befindet sich folgende Stelle,
die nicht ohne Interesse ist; nachdem Chladnı in aller
Kürze die verschiedenen Vorschläge beleuchtet, welche
seit Newton, um die theoretischen Ergebnisse mit den
experimentellen in Einklang zu bringen, gemacht wurden,
fährt er so fort: „Meine Meinung, welche sich auf einige
„nachher zu erwähnende Versuche gründet, ist die, dass
„die Elastieität und Dichtigkeit einer elastisch flüssigen
„Materie allein nicht hinreichen, um die Geschwindigkeit,
„mit welcher sich der Schall darin verbreitet, genau zu
„bestimmen, sondern, dass diese Geschwindigkeit ausser-
„dem noch von einer gewissen chemischen Eigenschaft
„einer solchen Flüssigkeit abhängt, die ich aber weiter
„nicht zu bestimmen weiss. Es möchte sich wohl der
„Erfahrungssatz , dass der Schall in der Luft schneller
„fortgeht, als die Theorie es lehrt, füglich so allgemeiner
„ausdrücken lassen: eine Mischung von Stickgas und
ı) Memoires de Berlin. 1801. Seite 31. Trembley. Ob-
servations sur la theorie du son et sur les principes du mouvement
des fluides.
2) Chladni Akustik. Leipzig. 1802. 8%. Seite 200 u. ff.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 748.
IRBOHN
„Sauerstoffgas macht ihre Schwingungen schneller als
„nach der gewöhnlichen Theorie geschehen sollte, und
„schneller , als jede dieser beiden Flüssigkeiten für sich.“
Diese, übrigens sehr unbestimmte Idee der Abhän-
gigkeit der Schallgeschwindigkeit von einer chemischen
Eigenschaft des Fortpflanzungsmediums, wurde mehrere
Jahre später und zu einer Zeit, wo die bald zu erwäh-
nende Laplace’sche Korrektion oder wenigstens die Idee
derselben längst bekannt war, von Fischer (175% --1831)
wieder aufgenommen und weiter ausgeführt (!).
Für die Zeit, zu welcher Fischer schrieb, bezeichnet
seine Denkweise einen Rückschritt; er geht von dem
Satze aus, dass chemische Kräfte mechanisch wirken,
da wo sie nicht chemisch sich äussern können; (oder
soll man in dieser Ansicht eine, wenn auch etwas un-
klare Idee der Correlation der physischen Kräfte er-
blicken?) und nimmt an, dass die theoretische Schall-
geschwindigkeit V = a noch mit einem ge-
wissen Faktor z multiplicirt werden soll; auf «, sagt Fischer,
könnten Einfluss haben: die Wärme und die in der Luft
vorgehenden Aenderungen der chemischen Mischung;
der Einfluss der Wärme äussert sich aber schon in der
Grösse Bi ‚folglich hängt « bloss von den chemischen
Kräften ab, und demgemäss nennt Fischer diesen Coef-
ficienten « den chemischen Faktor. Da dieser Faktor
zur Zeit auf theoretischem Wege nicht bestimmbar sei,
so sucht Fischer denselben durch Vergleichungen der
theoretischen Zahl mit den damaligen zuverlässigsten
1) Memoires de Berlin. 1815. Seite 63. Fischer. Ueber
den Grund warum die theoretische Bestimmung der Geschwindigkeit
des Schalles, so beträchtlich von der Erfahrung abweicht.
N
Beobachtungen (von Benzenberg) zu ermitteln und findet
ihn für atmosphärische Luft. x = 1,1939 |
Für den Normaldruck B— 0",76 und für die Temperatur
v® Reaumur, gibt Fischer die Formel:
V= u. 859,79 (1 + 0,0022%. v). Pariser Fuss.
33) Endlich kam man auf die Idee, welche die lange
unüberwindliche Schwierigkeit lösen sollte ; ihr Urheber
war der berühmte Verfasser der M&canique celeste, Laplace.
(1749—1827) und der erste Physiker, welcher sie der
Rechnung unterwarf, Biot (1774—1862). — Im Jahre 1802
theilte Biot dem Institut. national eine Notiz mit(!), in
welcher er sagte, dass er durch Laplace veranlasst wurde,
den Einfiuss zu untersuchen, den auf die Schallfortpflan-
zungsgeschwindigkeit die Temperaturänderungen haben
könnten, welche die Ausdehnungen und Zusammen-
drückungen der Luft begleiten, und zu erforschen, ob
es auf diese Art nicht möglich wäre, die Erfahrung und
die Theorie übereinstimmen zu lassen. — Die Analyse
Biot's führt ıhn auf den Schluss, dass die Newton’sche
Formel, mit einem Coeffieient YI+k zu multiplicieren
ist, so dass die Schallfortpflanzungsgeschwindigkeit durch
den Ausdruck gegeben wäre ,
v=YVirk voor
in welchem k die Vermehrung der Elasticität bezeichnet,
welche der durch die Kondensation 1 entstandenen Tem-
peraturerhöhung entspricht, und unter der Voraussetzung,
dass die Temperatur-Erhöhung der Kondensation, und
die Blastieitätszunahme der Temperaturerhöhung propor-
t) Journal de Physique de Rosier. IV. 1803. Fructidor.
Seite 173. Biot. Sur la theorie du son und auch Gilbert’s An-
nalen. XVII. 1804. Seite 385. Untersuchungen über die Fort-
pflanzung des Schalles in der Luft von Biot.
N La
tional ist. — Zur Bestimmung von k benutzt Biot zwei
Beobachtungen; die eine von Amontons (1663 —1705)
gab an, dass, bei unverändertem Volumen die Spannung
einer Luftmasse für eine Temperaturerhöhung um 80°
Reaumur um ?’/, zunimmt; die andere von Gay-Lussac
(1778—1850) zeigte, dass bei constantem Druck eine
Luftmasse für eine Temperaturerhöhung um 80° R. sich
um 0,35 ausdehnte. Daraus berechnete Biot k = 0,9
und erhielt somit V= RB 1,95 — 1277 73 — 415.05.
Diese Zahl war viel zu gross, was Biot veranlasste, die
Grösse k, rückwärts aus der Differenz zwischen der
Theorie und den Versuchen, zu berechnen; es ergab sich
k = 0,2869.
Diese Grösse k ist übrigens, wie man leicht einsieht,
GC, — 6,
E
C, und C, die specifischen Wärmen des Mediums für
constanten Druck und constantes Volumen sind.
Mit dieser Arbeit Biot’s ist die Periode der theore-
tischen Untersuchungen des 18. Jahrhunderts geschlossen
und wir gehen nun zur Betrachtung der Versuche über,
welche in der zweiten Hälfte des XVIll. und am Anfange
des XIX. Jahrhunderts, bis zür definitiven Festsetzung
der Laplace’schen Theorie, angestellt worden sind.
nichts anderes als der bekannte Ausdruck
nannnnNnn mn
x
BR U A RR UN SCREEN BS N 2 EN
> BE a a 37 x L }
IE ı 2
ee ae
Dr. H. Wyadler.
Kleinere Beiträge zur Kenntniss
einheimischer Gewächse.
(Fortsetzung.)
Ranunculaceae.
Clematis. Der Kelch der Gipfelblüthe setzt die vor-
ausgehende decussirte Stellung fort. 4 mer. Seitenblüthen
mit 2 Vorblättern haben d. erste Kelchblattpaar median
gestellt; 5 mer. (wie manchmal bei ©. recta) haben das
unpaare zweite Kelchbl. nach der Achse gestellt (Pros.
3+'%
—_
Ol. recta. L. Einaxig. Unterhalb d. Zweige d. Blüthen-
rispe findet sich ein accessor. Blüthenzweig, oder auch
eine einzelne Blüthe.
Thalictrum. Kelch der Gipfelblüthen an die voraus-
gehende Blattstellung ohne Pros. anschliessend. 5 mer,
Seitenblüthen mit 2 Vorbl. durch Pros. von °/, + '/, an-
gereiht. A mer. seitl. Blüthen ohne Vorbl. haben d. erste
Kelchpaar seitl. gestellt. — Die Erneuerungssprosse
kommen aus der Niederblattregion.
Th. aquilegifolium. Stengel an der Basis so weit er
' Erneuerungsknospen treibt, mit frischem Mark, höher hohl,
Zahl d. Niederblätter bis 10. Die Erneuerungssprosse sich
frühzeitig bewurzelnd. Die auf die distiche Stellung der
Niederbl. u. d. untersten Laubbl. folgende °/, St. schliesst
j 2 5
sich durch Pros. von nn an. So verhalten sich auch °
d, Bereicherungszweige d. Inflor. — Im übrigen fand ich
et
auh °/; St. d. Laubbl. — Die Aufblühfolge d. Gesammt-
inflor geht von d. Gipfelblüthe aus und ist absteigend.
Th. exaltatum, Gaud. Mit 2 serialen wechselwen-
digen Blüthenzweigen in der Blattachsel.
Hepatica triloba. De. Es giebt auch Blüthen mit A
u. 5 Hüllbl. wenn auch selten.
Anemone vernal. Laubrosetten mit ?/,, °/s und selbst
®/1s St. — Der oberste Erneuerungsspross mit d. Muttersp
gewöhnl. jedoch nicht immer gleichwendig.—Die untersten
in Drüsen umgewandelten Staubfäden Honigabsondernd.
Die innersten. Drüsen sind gestielt, d. h. tragen noch das
Filament, d. äussern haben stufenweise kürzere Stiele, d.
äussersten sind sitzend (d.h. es ist nur noch d. Anthere
vorhanden). Solche in Drüsen umgewandelte Antheren
fand ich auch hie und da bei Potentilla fruticosa. Das
Involucrum finde ich an d. vorausgehende Blattstellung
ohne Pros. angereiht.
A. narcissöl. Wenn Koch (D. fl.) d. Hülle drei-
blättrig nennt, so ist mir dieser Fall nur einmal vorge-
kommen. Die Formel d. wesentl. Sprossfolge ist so zu
fassen: I) LNL..NL.2)LZ aus NL.
A. nemorosa. Entwicklung d. Blattsegmente absteigend.
Scheiden der Vorblätter der Erneuerungssprosse gegen-
wendig übergerollt.
An einem Jahrgang der Sympod. zählte ich 44—
15 Blattnarben.
Weiter seit 1860 fortgesetzte Untersuchungen über
die Wendung der Erneuerungssprosse (aus d. obersten
Niederbl.) in ihrer Beziehung zum Mutterspross ergaben
Folgendes: Von 42 mit dem Mutterspross homodromen
Sprossen waren 25 links-, 17 rechtsläufig. — Ausserdem
fand ich bei Ausbildung zweier den zwei obersten Nieder-
blättern angehöriger Erneuerungssprosse zweimal die-
EN 5 Me
selben unter sich antidr., d. obere zum Mutterspr. homodr,
— zwei fernere Fälle: Die Tochtersprosse zum Mutter-
spross antidr. — Der Zweiganfang eines tiefer aus dem
Erd-Sympodium hervorkommenden Sprosses zeigte noch
die Narben 5 querdisticher Niederbl., auf welche ?/, St.
ohne Pros. folgte. — Stamina nach ’°/,..
A. ranunculoides. Der 5mer. Kelch der Gipfelblüthe
schliesst sich an das dritte Hüllblatt ohne Pros. an, wo-
durch das fünfte Kelchblatt vor das dritte Hüllblatt zu
stehen kommt. — Sepal. I und 2 ganz behaart, 3, A, 5
auf der unbedeckten Seite behaart, auf der bedeckten
glatt. Carpiden nach ®/,, gestellt.
Adonis autumnalis, aestivalis, vernalis. Der Kelch
d. Gipfelblüthe schliesst sich bei allen d. vorausgehenden
Blattstellung ohne Pros. an, Seitenblüthen mit 2 Vor-
blättern durch in ul n;
A. autumnalis. L. Keimpfl. Auf ein mit d. Kotyle-
donen rechtwinkl. sich kreuzendes aufgelöstes Blattpaar
folgt unmittelbar °/, St. d übr. Blätter, Stamina und Car-
piden nach ®/,,. letztere auch nach "°/,, gestellt.
A. aestivalis. L. Verstäubung d. Stamina centripetal,
der Genesis folgend, wobei d. Antheren (Pollen) stufenweise
Ockerfarbe annehmen. Die Stamina in (10) schiefen Zeilen
wie bei Nigella, Stamina und Carpiden aber auch nach
®/g1. Die Blüthe scheint bereits von den Petalen an acyk-
lisch. Einmal fand ich eine Seitenblüthe mit zwei Vorbl.
aufs deutlichste vornumläufig. Ziemlich oft sind mir
Blüthen mit mehr od. weniger laubartigen Kelchblättern
vorgekommen. Wenn diese theilweise laubartig, theil-
weise petaloid waren, so fiel der petaloide Theil auf die
Seite des kurzen Weges der Kelchspirale; nur einmal
fand ich den entgegengesetzten Fall.
Ceratocephalus falcatus. Pers. An d. Keimpfl. beob-
achtete ich folgende Blattstellung: Mit den lineal-lanzett-
lichen dreinervigen Kotyledonen kreuzt sich rechtwinklig
ein Blattpaar von gleicher Form; darauf folgen weitere
aber spitzwinklig gestellte Blattpaare, wo wenigstens in
einem Fall das fünfte Paar, die Kotyledonen mitgerechnet,
mit diesen in gleiche Richtung fiel. Hypokotyl. Glied
ein Zoll lang und länger, worauf lauter gestauchte Stengel-
glieder folgen, welche eine Laubrosette tragen, darauf
neue Dehnung zum mittelständ. Blüthenschaft. Aus der
Basis des hypkot. Gliedes kommt schon früh jederseits
ein Adventivwürzelchen hervor, welches sich durch seine
Wurzelscheide von der schmächtigen Primärwurzel unter-
scheidet.
Ranunculus. Der Kelch der Gipfelblüthe schliesst sich
an d. vorausgehende spiral. Blattstellung ohne Pros. an.
R. aquatil. Gehen einer Blüthe 2 od. mehr (distiche)
Blätter voran, so schliesst sich ihr Kelch an’s oberste
1
Blatt durch Pros. von en an; bei nur einem Vorblatt
hingegen ohne Pros. Es folgen sich nämlich wie es
scheint ohne Ordnung an d. Sympodien Sprosse mit 1,
2—4 oder mehr Vorblättern.
R. alpestris. Den Erneuerungsspross aus d. obersten
Bodenlaub fand ich am häufigsten zum Mittelsprosshomodr.,
selten antidr. Carpiden nach ?'/z..
R. aconitifol. Niederblätter von häutiger Consistenz
und lanzettlicher Gestalt fand ich an meinen Ex. nur
vereinzelt. Die Bodenrosette besteht aus langgestielten
Laubbl., welche nach °/, gestellt sind. Ihre Stiele sind
1 Fuss lang und darüber; ihre scheidige Basis ist bis
2 Zoll lang, häutig und geht jederseits in ein kurzes
Oehrchen über. Von diesen steht eines höher als das
.; er \r 5 RT FE A Et
a. > Mare
andere (entsprechend der Hebungs- und Senkungsseite
oder der Einrollung der Scheide). Die Stiele der Boden-
laube jüngerer Sprosse sind geschlossen und walzlich, an
ältern mehr flach und oberwärts mit einer leichten Rinne.
Die Spreite ist an Blättern älterer Sprosse dreitheilig,
jedoch so, dass sich von den zwei Seitentheilen noch
zwei Zipfel abscheiden, wodurch das Blatt fünflappig
erscheint. An denen jüngerer Sprosse geht die Thei-
lung der Spreiten tiefer, so dass sie fünftheilig sind.
Der aufgeschossene Stengeltheil walzlich; seine Blätter
haben eine kurze Scheide, die nur zur Hälfte den Stengel
umfasst; die Stielbildung nımmt aufwärts beträchtlich ab,
so dass das oberste Blatt zunächst der Gipfelblüthe oft
stiellos ist, während es noch eine kurze Scheide behält.
Aus sämmtlichen Blättern, die über dem untersten Schaft-
ähnl. Internod. des Stengels stehen, entspringen Blüthen-
zweige: Dichasien 2—1 Mal, seltener 3 Mal gabelig, wo-
nach sich die Blüthenzahl 7—1% richtet. Die Vorblätter
der Blüthen laubig, etwas ungleich hoch inserirt; sie ver-
einfachen sich stufenweise in d. höhern Auszweigungen
d. Dichas. Die Blüthenstiele und die Blüthenachse, so
weit sie Stamina trägt, sind behaart. Die Stamina stehen
nach "®/,,, die Carpid. nach ®/j3,. — Kommt in den Alpen
Ä bisweilen mit theilweise gefüllten Blüthen vor. Auch
;
u Sue ae Dede a ic
4
ü
fand ich einmal 2 seriale Blüthenzweige in einer Blatt-
achsel. Die Erneuerungssprosse entwickeln sich aus d.
Bodenlauben in absteigender Folge.
R. Lingua, L. Stamina und Carpiden auch nach *'/,..
R. Ficaria, L.— LNL]Z. In den Achseln ein-
zelner Blätter finden sich bisweilen 2 Serialsprossen;
unter 21 Blüthen fand ich 5 mit 3 Kelchbl., 5 mit # Kelchb!.
und A4 mit 5 solchen. In zwei andern Fällen mit 4 Se-
pala, war die Lücke des fünften Sepal. durch ein Petalum
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 749.
Ye
ausgefüllt. Drei- und viergliedr. Kelche schliessen sich
stets an die vorausgehende Blattstellung an und bilden
mit ihr einen °/, Cyklus. Am schönsten lässt sich diess
an blühenden Achselsprossen verfolgen. Bei 8blättriger
Blumenkrone fand ich das achte Petalum manchmal über
das oberste Sepalum fallend (also Pros. 0.) bei andern
Blüthen folgt auf d. Kelch sogleich ®/,, St. der Petala u.
Stamina, welch’ letztere auch höhere St. zeigen. Die
Früchtchen schienen mir bisw. in 3—% dreigliedr. wech-
selnde Wirtel gestellt ?
R. auricomus, L. Kelch der Blüthen mit nur einem
Vorblatt an dieses ohne Pros. anschliessend, so dass das
fünfte Kelchblatt vor das Vorblatt fällt. — Früchtchen
nach ®/,;. Die Ränder der Nectargrube der Petala ver-
längern sich nicht selten abnormer Weise und bilden
Emersionen, welche sich bald parallel den beiden Seiten-
rändern der Petala erstrecken, bald mehr. ihre Mitte
durchziehen. Manchmal erweitern sich die Ränder der
Honiggrube kapuzzenförmig, wo sie dann den Petalen von
Helleborus gleichen. — Unter den häufig vorkommenden
Fällen von Antheren, die an der Spitze in ein Frucht-
blatt mit hackenförmigem Griffel umgewandelt waren,
fand ich in einem Fall bei gut ausgebildeten Antheren-
fächern das über ihnen befindliche Fruchtfach d. Samen-
nath klaffend mit 2 Ovulis versehen. Die Ränder des
Fruchtblattes setzten sich abwärts in die etwas von ein-
ander getrennten Antherenhälften fort.
R. acris, L. Kotyl. L1Z. Die Keimpflanze bisw.
mit 3 Kotyled. Kotyled. langgestielt, die Stiele an d. Basis.
scheidenförmig verwachsen. Die primäre Wurzel nicht
stark. Die zwei ersten Adventivwurzeln entspringen aus
der Basis des nicht ?/, Zoll erreichenden hypokot. Gliedes;
die dritte Adv.-Wurzel durchbricht die Scheide d. Kotyle-
a
donen, Das Erd-Sympodium am öftersten mit Schraubel-
wuchs. Folgt auf distiche Blattstellung die Gipfelblüthe,
1 i h 2 3 +
so schliesst sich ihr Kelch durch Pros. —g an.
— Fruchtstellung '?/,, und °/g-
R lanuginosus. Blattstellung oft °/,;‘ Bodenrosette
zur Blüthezeit nur 4—6blättrig. Erneuerungssprosse aus
d. Bodenlaub in absteigender Folge entwickelnd, Erd-
Sympod. vorzugsw. schraubelig. Der Spross aus dem
obersten Bodenlaub ist oft ein blühender Bereicherungs-
spross. Die Bodenlaube d. Muttersprosses und die oft
viel langstieligern Vorblätter der Erneuerungssprosse be-
greifen d. Floristen unter dem Namen Wurzelblätter.
Der oberste Blüthenzweig oft weit übergipfelnd, d. Gipfel-
blüthe des Stengels seitwärts werfend, welche zum Flos
oppositifol. wird. — Carpiden nach ®/,..
R. bulbosus, L. D. Stamina auch nach ?'/,, gestellt.
R. sceleratus, L. D. Carpiden fand ich mit 15,15
Parastichen.
R. arvensis, L. Stamina und Carpid. auch nach ?/,,.
Caltha palustris, L. Seitenblüthen mit 2 Vorblättern
er RR di.
haben Pros. Th mit 4 Vorblatt Pros. 0. ?; solche
1
ohne Vorblätter: Pros. & ai la an's Tragblatt der Blüthe
anschliessend.
Trollius europaeus, L. Kotyledonen langgestielt mit
ovaler glatter Spreite. Das darauf folgende Blatt gestielt,
5-lappig, behaart. Hypokotyl.-Glied schmächtig, ';, Zoll
lang. Die Stellung der Stamina auch nach ?'/,,; und °*/,,.
Den ersten Kelch-Cyklus fand ich an Seitenblüthen auch
nach °/,, an welchen sich dann /, oder auch eine höhere
Stellung anschloss. Tr. astaticus zaigte mir sogar die
Stamenstellung °°[;..
a lin,
Si VERS
1429
F Bu‘
N
3
er
Eranthis hyemalis, Salisb. Nach Payer (lInstitut 184%,
p- 161) u. Irmisch (Bot. Zeitg. 1860, Nr. 25) sind es die
die röhrig verwachsenen Scheiden der Keimblätter, die ich
irrthümlich für d. Hypocotyl.-Glied nahm. Die Ansicht jener
Autoren kann ich nun durch neuere Untersuch. bestätigen.
Die Blattfolge der Samenpflanze ist bevor dieselbe blüh-
bar wird, was erst im 3—5. Jahr geschieht: (Kot.)NL..
NL’ u. s. w. Die knollige Stengelbasis dauert mehrere
Jahre; auf das 3blättrige Invol. folgen 2 dreigliedr. unter
sich, der erste auch mit d. Invol. wechselnde Kelcheyklus.
Eine Blüthe hatte 3 Hüllbl., auf welche 5 Kelchbl. folgten,
welche entsprechend der °/, Sp. an Grösse abnahmen.
Der Kelch schloss sich ohne Pros. an d. dritte Hüllblatt
an, wesshalb das fünfte Sepalum über jenes Hüllblatt fiel.
(Ganz wie bei Anemone ranunculoid.) Mit den Petalen
begann eine höhere Stellung. Eine andere Pflanze hatte
5 Hüllblätter, welche sich nach °/, deckten. An d. fünfte
kleinste schienen sich die Petala direkt nach ®/,,? anzu-
ordnen. — In einer Blüthe mit 3 Hüllbl. u.3 + 3 Kelchbl.
war vom innern Kelcheyklus das dritte Blatt durch ein
Petalum verıreten, mit welchem dann eine komplizirtere
Stellung eintrat. Sowohl die Stellung jenes ersten Petalum
als die stufenweise kleiner werdenden Hüll- und Kelch-
blätter zeıgten hier aufs deutlichste, dass beide die
Spirale in gleicher Richtung fortsetzten. Der Uebergangs-
schritt aus einem Cyklus in d. andern betrug nach d.
langen weg °/,.
Helleborus niger, L. Stamina nach °*/,,, nicht wie
in der Flora 1859, p. 271 steht; **/,,.
H. viridis, L. Stengel die nur distiche Blätter trugen,
zeigten d. Gipfelblüthe eingesetzt durch Pros. BGE. 5 a
andere Mal geliörte d. oberste Laubblatt bereits der °/, St.
2 2
a
an, und der fünfte Kelchtheil fiel durch direkten Anschluss
d. Kelchspir. über jenes Laubblatt. An einem blühenden
iR: Seitenspross, dessen erste # Blätter (2 N. 2 L.) quer-
distiche standen, folgte noch ein bereits d. ®/, Sp. des
Kelches angehörendes Laubbl. Die Spirale war hier
vornumläufig. Die centripetale Entwicklung der Blattab-
schnitte zweier, gegenüberstehender disticher Blätter fand
ich gegenwendig nach folgendem Schema:
35 5 8
1 (4 6. A 6 Oo).
2 4 k 2
A. Axe. 1., II. Blätter. A—6 Succession d. Blattabschnitte.
Stamina auch nach ?"/,..
Isopyrum fumarioides, L. Die gabeligen Blüthen-
zweige bilden eine 3-strahlige gipfelständige Dolde. —
Die aus den Rosettenblättern kommenden Sprosse ver-
halten sich wie der Stengel. Die Aufblühfolge der Dolden-
zweige ist absteigend; nachdem sich zuerst die Gipfel-
blüthe geöffnet hat. Dichasium meist dreiblüthig. Seine
Blüthe aus den ersten Vorbl. hat 2 Vorblätter mit ge-
wöhnlicher Kelcheinsetzung; die Blüthe aus dem zweiten
Vorblatt ist ohne Vorblätter; deren Kelch durch Pros.
Be h an ihr Tragblatt anschliessend. Oft ein unter-
ständ. Blüthenzweiglein. welches ich zum obern Blüthen-
zweig bald homo-, bald antidrom fand. Bisweilen ist von .d.
unterständ. Zweig nur die Mittelblüthe entwickelt; ist das
auch beim obern Blüthenzweig der Fall, so finde ich
sonderbarer Weise d. Blüthe ohne Vorblätter, wäh-
rend die untere mit solchen versehen ist. Die Früchte
schienen mir bisw. in 4-gliedr. wechselnden Wirteln zu
stehen; der dritte, von dem übrigens nur 2 Glieder vor-
handen, über den ersten zu fallen.
KA =. Aa
Garidella nigellastrum, L. Keimpfl. Mit d. gestielten
ovalen Kotyledonen kreuzt sich rechtwinkl. ein aufge-
löstes ra an das zweite Blatt schliesst sich dann
®/, durch Pros. -_ era An, — Carpiden nicht selten 3.
Nigella Ri L. Die Gipfelblüthe d. Stengels und
der Bereicherungszweige schliest sich direkt an d. vor-
ausgehende Blattstellung an. Ebenso N. arvensis.
Aquilegia vulgaris, L. Einzelne Ex. fand ich mit
unregelmässig oder auch in schiefe Reihen gestellten
Wurzelknöspchen; sie stehen mit d. Markstrahlen der
Wurzel in Verbindung. Aus demselben Stock finden sich
Sprosse mit °/,, andere und dieses häufiger mit ?/g St. —
Die Herbstblätter auf der obern Fläche aus d. Grünen
in's Dunkelblaue übergehend, an den Rändern schön
rosenroth, beide Farben ganz die der Blüthen. Merk-
würdig war, dass wenigstens im vorliegenden Falle die
untere Blattfläche an dieser Färbung keinen Theil nahm,
sondern ihre grüne Farbe beibehielt. Uebrigens geht die
Färbung vom Rand aus.
Actaea spicala, L. Büthen oft ohne Vorblätter:: bei
k-mer. fallen alsdann d. 2 äussern Sepala rechts u. links.
Cimicifuga fetida. Mit endständ. reicher Blüthen-
traube, deren Gipfelblüthe manchmal fehlschlägt. Blüthen
nach ®/,, mit 2 sehr kleinen seitl. Vorbl. Kelch aufs
schönste nach ?/, deckend. Petala meist 2, seltener 3
od. 4 kurz gestielt (benagelt) mit ovaler löffelförmig aus-
gehöhlter Platte mit basilärer Honigdrüse. Petala und
Stamina nach °/, in 8 etwas schief aufsteigenden Zeilen,
an deren Stellung wohl auch die 2, seltener 3 od. 1 ge-
stielten Fruchtblätter Theil nehmen. Jede Reihe der
Stamina zählt 3—4 Glieder. Die Dauer der Petala ver-
längert sich bis nach der vollendeten Verstäubung der
— 39 —
Stamina, wo sie dann abfallen. Die Verstäubung geschieht
successive nach °/;; es streckt sich ein Stamen nach
dem andern, indem sie sich zugleich verlängern; nach
der Verstäubung sind alle gleich lang, dann gliedern sie
bald ab.
Berberideae.
Epimedium alpinum, L. Gipfelblüthe bei dieser und
bei andern Arten ohne Pros. eingesetzt. Inflor. rispig
aus traubig gestellten Dichasien (mit Förd. aus d. ersten
Vorblatt und Wendung wie bei d. Ranunculaceen) be-
stehend. Das zweit Vorbl. d. Blüthe oft steril oder auch
fehlend. Die Seitenblättchen gedreiten Abschnitte d. Laub-
blattes ungleichseitig aber unter sich symmetr.; d. End-
blättchen gleichseitig.
Berberis vulgaris, L. Blattstellung oft °/; und ®/ı..
Bei ersterer Blattstellung schloss sich die 5-mer. Gipfel-
blüthe an dieselbe ohne Pros. an. — Die 2 niederblatt-
artigen Vorblättchen der Zweiganfänge convergiren, ent-
sprechend d. vornumläuf. Blattstellung d. Zweige nach
vorn. — Die Laubspreiten in d. Knospe nach d. grössern
Blattdiverganz eingerollt.
Papaveraceae.
Ohelidonium majus, L. Keimpfl. Auf d. Kotyledonen
folgt ein mit ihnen sich rechtwinkl. kreuzendes aufge-
löstes Blattpaar, an dessen zweites Blatt sich am öftersten
eine °/g, seltener eine °/, St. anschliesst. Ausserdem
fand ich auch einige Mal °/, St. durch Pros. Eu
3 +. i
und 4 an das zweite Blatt jenes Paares angereiht.
Hypocotyl. Glied kurz walzlich, bei seiner Verdickung
wird dessen Epidermis in 2 Stücke zerrissen. Der
EP EN „u © 4
ET TEEN
ar ia rar
a 1
Stengel über den Kolyl. gestaucht, daher seine untersten
Blätter eine Bodenrosette bilden, deren Blätter ausser
oben angegebenen Stellungen mir auch noch ®/,, zeigte.
Kotyledonen gestielt, Stiele flach seicht rinnig, Spreite
bald oval, bald mehr lanzettlich. Das Primordialblattpaar
ebenfalls langgestielt, Stiele an d. Basis in ein Scheidchen
erweitert und bewimpert; Spreite dieser Blätter nieren-
förmig, mit wenigen grossen zugerundeten Kerbzähnen ;
die folgenden Blätter dreitheilig oder mit beginnender
Fiederung, mit nierenförm. Endlappen. Würzelchen anfangs
fädlich, kaum mit einigen Zweiglein. — Die untersten _
Hochblätter bisweilen noch mit Spreitenspur. Hoch-
blätter und Blüthen auch 6—9 nach °/, gestellt; d. Kelch
der Gipfelblüthe wenigstens oft ohne Pros. angereiht,
Trimerische Seitenblüthen ohne Vorblätter haben den un-
paaren Kelchtheil nach der Axe gestellt.
Glaucium corniculatum, Curt. Nicht selten mit einem
unterständ. access. Spross.
Papaver Rheas, L. Die Zahl der Narben (Frucht-
blätter) wechselt von 6 bis 18, am häufigsten fand ich
d. Zahlen 12, 11, 10, 9, — am seltensten die Zahlen 6, 7.
P. dubium, L. Carpiden am häufigsten 7, 8 — sel-
tener 6, 9.
P. somnifer, L. Carpiden 7—13, am häufigsten 8 u.
9 d. andern seltener.
Fumariaceae.
Corydalis cava. Blüthenzweige am öftersten mit °/g St.
der Hochbl. (Blüthen), unmittelbar an d. zweite laubige
Vorblatt angereiht; doch fand ich seltener °/, St. mit
1
Pau Pros. (demnach zu verbessern, was ich darüber
Flora 4859. S. 291 gesagt). Die Axe der Inflor. endet in
=
N
I NS
eine Pfrieme. Entwicklung der Laubspreite absteigend, so-
wohl an Haupt- als Seitentheilungen. Die Fiedertheilung
durchweg symmetrisch. Die Blüthen derselben Traube
kehren ihren Sporn bald nach rechts, bald nach links.
O. glauca. Pursh. Die Gipfelblüthe schliesst sich
ohne Pros. an d. vorausgehende Blattstellung (häufig °/,) an.
Oruciferae.
Cardamine resedifolia, L. Die unterste Blüthe der
Inflor. oft noch in d. Achsel eines grünen Blättchens.
©. impatiens. Blattstellung an der Bodenrosette °/;;
an kleinen Ex. auch ?/,. Zweiganfang seitlicher Blüthen-
'zweige °/s, ohne Pros. Ebenso an Bereicherungszweigen-
Unter jedem Zweig findet sich ein kl. access. Sprösschen.
©. hirsuta (8. Sylvat). Die Bodenlaube manchmal
unterbrochen gefiedert, wovon weder Gaudin noch Koch
sprechen. Blätter und Blüthen nach °/g gestellt. Die aus
der Bodenrosette entspringend. stengelähnl. Bereicherungs.
zweige wurzelschlagend.
©. pratensis. Rosettenblätter auch nach ?/,.. Unter-
halb d. seitl. Blüthentrauben kommt nicht selten ein
accessor. kleines Laubsprösschen vor, das sich nicht
weiter zu entwickeln scheint. -- Die welkenden Blumen
nehmen eine dunklere Farbe an, wobei besonders die
Venen d. Blumenblätter deutlicher hervortreten. — An
d. Basis d. Blüthenstiele wie d. Blätter jederseits ein
grünes Drüschen.
Dentaria digitata. Sprossanfang aus einer Nieder-
blattachsel, nach 2 seitl. Vorblättern mit °/, St. an das
zweite Vorbl. anschliessend. Das oberste Niederblatt
zuweil. mit Spreitenspur. Es ist von dem untersten gut
entwickelten Laubblatt durch ein bis 4 Fuss I. Interno-
dium getrennt. Blüthenstellung auch nach ®/,;-
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 750.
SENT, Alk,
Sisymbr. office. Accessor. unterständ. Laub u. Blüthen
tragende Sprosse in d. obern Blattachseln nicht selten.
Die Blattstellung am Stengel oft °/,; dieselbe Stellung
findet sich an Laub- und reinen Blüthenzweigen an’s
zweite (in letztere oft nur durch eine Blüthe vertretenen
Vorblatt) angereiht. Seltener stehen die Blüthen seit.
Trauben nach °/, mit gewöhnl. Pros. Ferner ist ®/,, St.
der Blüthen häufig. — Eine bei dieser Pflanze oft vor-
kommende Eigenthümlichkeit ist die, dass am Stengel,
wie an Bereicherungszweigen die unterste Blüthe der
Traube tiefer steht als d. oberste Laubblatt, was davon
herrührt, dass das letztere über d. Blüthe hinaufwächst.
An Zweigen, wo auf ein laubiges Vorblatt das zweite
Vorbl. durch eine Blüthe ohne Tragbl. vertreten wird,
steht jenes immer höher als diese Blüthe. Da wo aus
jenem obersten aufgewachsenen Laubblatt ein Zweig ent-
springt, findet sich dieser, mithin ebenfalls über die
unterste Blüthe hinaufgerückt, und wenn er wie bisw. auf-
recht, scheinbar den Gipfel eninehmend. |
S. Alliaria. Die 3 untersten Blüthen d. Hauptinflor.
manchmal mit einem laubigen Tragblatt; an d. Seiten-
trauben hat wenigstens d. unterste Blüthe oft ein grünes
‚gestieltes Tragblatt, (welches d. erste Vorbl. d. Blüthen-
zweiges ist). — Accessor. Sprösschen zuweil. unterhalb
d. Blüthenzweige. Die Rosettenblätter der Keimpflanze
zeigen oft °/,.
S. Thalianum, Gaud. Die bodenständige Laub-
rosette bald arm-, bald vielblättrig, zeigt ®/,, und '?/,, in
der Inflor. kommt ®/,, und °/, vor.
Syrenia cuspidata, Reichend. Blatt- und Blüthen-
stellung ®/;,. Was die Pflanze merkwürdig macht sind d.
in d. Mediane d. Blüthe vorkommenden Drüsen; sie sind
nämlich doppelt, bald mehr parallel, bald divergirend.
TEE T
A RApe
Was d. Gland. valv. betrifft, so finde ich innerhalb
der kürzern Stamina ebenfalls eine basiläre, gewöhnlich
einfache, bisw. aber schwach dreilappige Drüse. Die
medianen (Placentar)-Drüsen sind noch zur Fruchtzeit
sichtbar.
Draba aizoides, L. Laubrosette nach '?/,,. Blüthen.
nach °/, und °/, (Vgl. Reinsch, Flora, 1861, p. 742).
Thlaspi arvense. D. Keimpflanze zeigte mir noch
folgenden Anfang d. Blattstellung:: 4) °/,; St. an den einen
(zweiten) Kotyledon angereiht; 2) ein mit d. Kotyled.
rechtwinkl. gekreuztes Blattpaar, mit diesem ein einzelnes
sich ebenso kreuzendes sogleich eine °/; St. einleitend.
— Wurzelzweige & zeilig. Kotyled. u. die 3 unterst. Blätter
auf gestauchter Stengelbasis gestielt mit ovaler Spreite.
Vom vierten Blatt an aufwärts sind die Blätter sitzend u.
je höher um so mit breiterer Basis u. grössern Oehrchen.
Von d. Blättern laufen am Stengel je 4 Mittel- und 2 Rand-
riefen herab. Bereicherungs- und Blüthenzweige mit ?/; St.
der Blätter nach 2 seitl. Vorblättern. Nicht selten die
A—3 untersten Blüthen in d. Achsel eines Laubblattes.
T. perfoliatum, L. Auf d. Kotyl. folgen 1—2 recht-
winkl. decuss. Blattpaare, worauf °/; od. ®8/,, und '%/,,
der eine Bodenrosette bildenden Blätter; seltener fand
ich auf ein auf d. Kotyl. folgendes Blattpaar °/, St. ein-
geleitet durch tm Be IA,
Laubrosette ist zur Blüthezeit d. Pflanze meist abgestorben,
Kotyledonarglied bis 4 Zoll lang walzlich. Kotyl. gestielt,
mit rundlich eifömiger Spreite. Der Gipfel des Stengels
und der Zweige anfangs überhängend.
T. montanum, L. Blätter nach °/,, Blüthen nach ®/ı,,
die unterste Blüthe der Traube oft mit grünem Trag-
blättchen. Zweiganfang wie bei T. perfol. ®/; mit 2 Vor-
blättern.
Die im Herbst sich entwickelnde
Re et
T. rotundifol. Gaud. Vielstenglig durch die oft über
1 Fuss langen niederliegenden nicht wurzelnden Seiten-
sprosse. Diese beginnen immer mit einer unbestimmten
Zahl von rechtwinkl. opponirt. decussirten Blättern, welche
gedrängt stehen, höher am Stengel durch Dehnung seiner
Glieder weiter auseinander treten u. ın ?/,, seltener ?/, St.
übergehen. Diese St. setzt sich auch in die Blüthen fort
und steigert sich auch oft auf $/,,. Soweit die Blätter
paarweise stehen sind sie gestielt; d. spiralig gestellten
sitzen mit breiter oft jederseits mit einem Oehrchen ver-
sehenen Basis auf; sie werden nach d. Blüthen hin stufen-
weise kleiner. Die gestielten Blüthen bleiben auch im
Fruchtstand corymbös. -—— Nach Hegetschweiler soll d.
Griffel halb so lang als d. Schötchen sein. An den (un-
reifen) mir vorliegenden, nach unten keilförm., am Scheitel
schwach ausgerandeten linealen Früchten ist d. Schötchen
4 Mal so lang als der Griffel.
Iberis sazatılis, L. Blatt- und Blüthenstellung nach
®/; u. ®/ıs d. untersten Blüthe des Corymbus bisw. in d.
Achsel eines Laubblattes.
I. umbellata. Blüthen nach ®/,3.
Lepidium campestre, L.. Auch die Stengelblätter
manchmals nach "?/,, gestellt.
L. ruderale (und Virginic.) Die aus d. je obersten
Zweig einer relativen Mutteraxe kommenden sympodialen
Sprosse sind gemischter Wendung; bei L. virgin. finde
ich sie häufig wickelförmig.
Hutchinsia alpina, R. Br. Laubrosetten mit °/; und
®%/,, St., oft mehrere durch gedehnte Internodien mit
einigen einzeln stehenden Blättern, von einander getrennt.
Blüthen auch nach ?/,;.
Isatis tinctor. Blattstellung ®/,; u. "ar.
2
Violarieae.
Viola sylvestr. Lam. Zuweil. sind auch beide Vor-
blätter d. primär. Zweige niederblattartig u. stipelähnlich.
Jene Zweige beginnen mit 3—4 querdistichen Blättern,
auf welche erst d. °/, St. eintritt. Die Laubbl. d. unbe-
grenzten Hauptaxe haben eine d. Stengel ringsumgebende
Scheide, welche jederseits in ein gewimpertes Oehrchen
(Stip. petiolar.) übergeht. An d. primär. Zweigen ist die*
Blattscheide hingegen schmal und ihre Oehrchen treten
als stengelständ. Stip. auf.
V. tricolor, L. D. Stipule in d. Knospung nach d.
lang, weg d. Blattspirale übergreifend.
Polygaleae.
Polygala amara. 9) Kot. LIH. 2) hzZ aus H).
Auf d. Kotyl. folgen mehrere rechtwinkl. decuss. Blatt-
paare, darauf °/; u. ®/,; welche St. in d. Hochblätter- fort-
setzt. Die paarigen Blätter stehen auf d. verkürzten
Stengelbasis eine Rosette bildend. Zweiganfang nach
2 seitl. Vorblättern 5/, u. 8/ı3-
P. Chamaebuzus. Stellung d. Nieder- und Laubbl.
am öftersten nach °/,, so auch an Bereicherungszweigen,
welche immer mit 2 seitl. Vorblättern beginnen. Doch
findet sich auch ?°/, St., letztere besond. auch an Blüthen-
zweigen, aber oft ohne vollständ. Cyklus. Auch scheinen
an letztern noch andere Stellungen vorzukommen. — Das
Stigma ist gleichsam zweilippig. Es besteht, entsprech.
d. 2 Fruchtblättern d. Ovariums, aus einem vordern zu-
gespitzten Läppchen und einem hintern halbkugeligen,
nur letzteres ist papillös und zur Pollenaufnahme ge-
eignet. — Die Blüthenstiele drehen sich oft, wodurch d.
Blüthe aus ihrer normalen Lage kommt.
DR.
Caryophyllew.
Noch andere Silenex mit unbeschlossener Laub-
rosette führt Godron (Inflor. des Silen&es, Mem. de
Nancy, 1847. Sepr.-Abdruck, p. 25) an. Vgl. übrigens d.
Monographie von Rohrbach.
Gypsophila. Verstäubung der Antheren wie bei
Dianthus.
* Dianthus. Der Kelch d. Blüthen schliesst sich an’s
Män® i 3+ 1%
innerste Hüllpaar immer durch —y — Pros. an.
Saponaria ocymoid, L. D. Knospenlage d. Laubpaare
stark gedreht; d. 2 aufeinanderfolgenden oft in gleicher
Richtung drehend. Blüthen bisw. dreigriffelig.
$. offic. Gefüllte Blüthen fand ich nicht selten mit
3—4 Carpiden, wobei die 2 medianen etwas grösser als
d. 2 seitl. waren. Einmal traf ich 4 Carp., wovon 3 mit-
einander verwachsen, d. vierte, ein seitliches, frei war,
andere Mal waren mehrere frei. Alsdann waren sie an
den Rändern eingerollt, und trugen an ihrem leistenförm.
Rand d. Ovula. Solche Fruchtblätter waren an den
Rändern immer offen und zum Theil petaloid.
Silene gallica, L. (Quinquevuln. etc.) Aus dem ersten
Blatt des obersten Blattpaares d. Stengels und der Be-
reicherungszweige kommt eine einfache nicht sehr reich-
blüthige Traubenwickel *), welche sich senkrecht auf-
richtend den Gipfel des Stengels einzunehmen scheint,
indem dabei dessen Gipfelblüthe seitwärts gedrängt wird.
Die Blüthen der Wickel mit 2 seitl. laubartigen Vorblätt.,
kurz gestielt, einer einseitswend. Traube ähnelnd. D.
Vorbl. & constant steril und kleiner, als 8 aus welchen
*) Das zweite Blatt. des obersten Paares bleibt constant steril.
Dieselbe Inflor. wie S. gallica haben S. imbricata Desf. und $. pen-
-dula, L. S. ı.octiflora, L.
ER; a
d. Blüthen kommen. Die Blüthen d. Wickel fallen sämmtl.
nach Vorn (bei horizontal. Sympod. nach unten). Sym-
podienglieder entwickelt, zickzackförmig.
S. dichot. Ein Ex. zeigte d. Blüthenzweige aus dem
obersten Blattpaar d. Stengels unter sich homodr. Jeder
Zweig beginnt mit einer Dichotomie, jedoch mit vor-
waltenden zweiten Zweigen. Sympod. sehr grad gestreckt;
Glieder desselben entwickelt, d. obern stufenweise kürzere
Blüthen anfangs überhängend, z. Fruchtzeit gerade auf-
gerichtet und dem Sympod. sich anlehnend.
8. nutans. Bereits d. Keimpfl. blühend.
S. inflata. Bisweilen sind d. Gabelzweige d. Gipfel-
inflor. des Stengels noch von einem access. gabeligen
Blüthenzweig begleitet. Kommt auch mit Foliis ternis vor.
S. armeria. Der Zweig aus d. einen (ersten) Blatt
des zweitobersten Blattpaares (d. zweite Blatt bleibt steril)
bildet mit dem Ende des Stengels eine unächte Dicho-
tomie, indem Stengelende und Zweig sich auseinander-
spreitzen. Oberflächlich betrachtet könnte man deshalb
d. Stengelende ebenfalls für einen Zweig halten und da
im Winkel jener falschen Dichotomie keine Blüthe vor-
kömmt, dem Stengel die Gipfelblüthe absprechen. Die
Blüthenzweige mehrmals dichotom, d. Blüthen büschelig
zusammengedrängt mit je 2 linealen Vorblättern.
8. quadrifida. (Flora 1841, pag. 324) soll heissen:
S. rupestris, L.
8. alpestris. Jacg. (Nach cultiv. Ex.) A) N IL...
2)L HZ aus L. Mit mittelständ. unbegrenzter Laub-
rosette. Macht lange wurzelschlagende Niederblattstolonen.
Sprosse an der Hauptaxe aus d. einen Blatt d. Paare,
während an den belaubten blühenden, sekundär. Axen
die meisten Blätter steril sind. Aus d. obersten Blatt-
paar der sekundär. Axen kommt je 1 Blüthenzweig, der
ae 2
meist eine 2 blüth. Wickel trägt. Auch aus d. zunächst
darunter befindl. 4—2 Laubpaaren kommt manchmal aus
dem einen Blatt eine zweiblüth. Wickel. — Griffel mit
schwach links gedrehter Spitze.
S. acaulis. Varirt mit weisser Blume und zwar oft
ganze Rasen. Es ist nicht ganz richtig, wenn Koch sagt
dass ihr polsterförmiger Rasen sich mit keiner andern
Pflanze mische. In einem solchen Rasen fand ich zu-,
gleich Alchemilla vulg., Lotus cornicul., Trifol., verschied.
Gräser, Tormentilla, Campanula pusilla, Potentilla aurea.
C. flos eueuli. D. Gipfelblüthe des Stengels schliesst
ip)
sich gewöhnl. durch r r = Pros. an das vorausgehend
Blattpaar an. Scheidewände des Ovariums ursprünglich
vor die Petala fallend, weichen aber später (nach A. Braun
um ?/,,, nach kurz. Weg) von ihnen ab, wodurch sie in
die Mitte zwischen Kelch- und Kronstaubfäden fallen. Es
ässt sich das wohl nur durch eine schwache Drehung
des Oyariums erklären, die mir aber nicht deutlich ge-
worden. Eine im übrigen 5 mer. Blüthe hatte 7 Griffel.
L. coronaria. Nach A. Braun, (Flora 1843) sollen
d. Kelchzähne constant links gedreht sein. Ich fand aber
an einem Ex. die Kelche, der 2 dem obersten Blattpaar
angehörigen Blüthen des Stengels sicher, die eine mi.
rechts, die gegenüberliegende mit links gedrehtem Kelcht
In jungen Blüthen sind die Kelchzähne noch gerade, die
Drehung tritt erst später ein zur Zeit d. Entfaltung strecken
sich die Zähne wieder grad. Die Corolle in d. Knospe
ist nach d. lang. Weg des Kelches gedreht. Ein Ex,
zeigte deutlich Zusammenschiebung zweier Blattpaare zu
einem viergliedrigen Quirl.
Agrostemma gühago, L. Kelch in d. Knospe nach
kurz. Weg, Krone nach lang. Weg gedreht. Carpiden
es A SEP
MILE,
SU 7 We
vor d. Petalen, nicht wie in der Flora 14851. T. 3. fig. 3
durch Versehen gezeichnet, vor d. Sepalen.
Spergula arvensis. Hypocotyl. Glied entwickelt. Dicht
auf d. Kotyled. folgen auf stark gestauchter Stengelbasis
2 Paar Laubblätter. Die Kotyl. ohne Stipule nur durch
ein häutiges Scheidchen verbunden; das auf sie folgende
Laubpaar hat statt der Stipul. an d. Basis seiner Blätter
nur ein kleines häutiges Oehrchen, das folgende Paar
hat grosse getrennte Stipule. Mit d. dritten Blattpaar
dehnt sich der Stengel zu einem bis 2 Zoll ]. Internodium,
und von da an beginnt d. Verwachsung d. Stipule und
erstreckt sich durch alle übrigen Blattpaare. — Die Blätter
der Zweige zeigen sehr verschiedene Grössen; selten
sind d. paarweise zus. gehörigen gleich gross. Das erste
Zweig-Internodium sehr kurz, wesshalb denn das erste
Blattpaar dicht über d. Tragblatt des Zweiges steht. Am
Minus-Zweig steht das zweite Blattpaar dicht über dem
ersten; am Plus-Zweig hingegen, der sich streckt, ist das
zweite Paar vom ersten durch ein längeres Internodium
getrennt. Da aus d. ersten Blattpaar d. Zweige wieder
gestauchte Zweige mit einigen Blattpaaren kommen, deren
Blätter dicht über ihren Tragblättern stehen, so erklärt
sich leicht d. wirtelig zusammengedrängte Stellung der
Blätter der Achselprodukte. Die Vorblätter der Zweige
stark nach vorn convergirend. Eine Gipfelblüthe des
Stengels hatte nur die Kelchstaubfäden ausgebildet, von
d. Kronenstaubf. bloss Spuren. Dabei besass sie 4 recht-
winkl. decuss. Fruchtbl. bei, im übrigen 5 mer. Cyklen.
Zwei Fruchtbl. fielen in d. Ebene des zweiten Kelch-
blattes.
Mehringia muscosa. Seither fand ich auch Blüthen
mit 4 sich rechtwinklig kreuzenden Fruchtblättern. —
Alle 8 Stamina auf einem drüsigen Ring stehend. Blatt-
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 751.
Tan rs |
paare sich spitzwinklig kreuzend, wie Sagina procumb. u.
Silene acaulıs.
M. trinervia. Aus d. untern Blattpaaren kommt doch
auch manchmal ein + u. — Spross.
Arenaria liniflora, Lin. Fi. u. Gaud. A)L..2)L
]l Z aus L. Hauptaxe gedehnt unbegrenzt nur Laubbl.
tragend; aus ihren Achseln kommen belaubte durch eine
Blüthe abschliessende Zweige. Im übrigen stets nur ein
Seitenspross auf d. Blattpaar, sowohl an d. primär. als
sekundär. Axen. Bei letzteren ist nur das oberste oder
d. 2 obersten Blattpaare ausgenommen, welche einem
armblüth. Zweiglein d. Ursprung geben. An 3 Sekundär-
Zweigen waren d. 2 obersten Blüthenzweiglein (Tertiär-
- Zw.) unter sich antidrom. Kelchstaubfäden zuerst stäubend.
Nicht selten Blüthen mit 4 Carpid. Griffel an d. Spitze
constant links gedreht.
Stellaria graminea, L. Einzelne Inflor. boten Ver-
laubung bald des Blüthenzw. aus Vorbl. « u. 8 bei ent-
wickelter Mittelblüthe, bald aus d. Vorbl. « allein, bei
vorhandener Mittelblüthe u. Blüthenzweig aus £.
Cerastium. Die Blüthe zur Zygomorphie hinneigend,
was sich theils in der längs d. Mediane aufsteigenden
Verstäubungsweise der Antheren kund gibt, theils in d.
Krümmung des Capsel, welche bei Seitenblüthen auf-
wärts in der Richtung des zweiten Sepal. entsprechend
d. Verstäubung geschieht.
Lineae.
L. usitatiss., L. Blattstellung hie und da auch ?/,
(°/,) u. einzelne Seitenblüthen vornumläufig gefunden. —
Auf paarige St. sah ich auch 3-gliedr. Blattwirtel folgen,
auch beobachtete ich einmal eine 3-mer. Gipfelblüthe.
deren Kelch sich direkt an d. vorausgehende °/; St.
ei 1,
anschloss. Der Kelch bestand aus 2 dreigliedr. wech-
selnden Wirteln.
L. perrenne, L. D. Blüthen der Wickeln bald dem
zweiten Vorblatt derselben gegenüberstehend, bald etwas
am nächstfolgenden Blüthenzweig hinaufgerückt.
L. trigynum, Roxb. Blüthen einzeln, gipfelständig
sich direkt an eine ®/, oder ®/, St. anschliessend; ein
Fruchtblatt in d. Ebene d. zweiten Kelchbl. fallend.
Malvaceae.
Malva sylvestr. Carpiden 40, 44, 42, 13. _Von 50
Blüthen hatten 14 Blüthen 40 Cp., 27 Bl. 41 Cp., 8 Bl.
42 Cp., A Bl. 43 Cp.
Althaea offie. NLHZ. Mit Gipfelblüthe. Die Aestivat.
d. Corolla mit veränderl. Deckung, nicht immer gedreht.
Kitaibelia vitifol. Der neben d. Mittelblüthe befindl. |
Laubspross verzweigt sich manchmal schraubelförmig.
1
Der Zweiganfang ist eingesetzt durch nn Von d.
ursprünglich 10 Zeilen bildenden Stamina, fallen 5 Zeilen
vor d. Sepala, 5 vor d. Petala. Durch Zusammenschieben
je zweier Zeilen scheint es, als wenn nur 5 solcher vor
d. Sepala fallende vorhanden wären. Wenn d. unterste
Stamencyklus zuweilen vor die Petala fällt, so geschieht
es durch Schwinden des vorausgehenden episepalen
Cyklus; nicht selten fand ich nämlich d. letztern völlig
ausgebildet. Die Carpiden stehen in 10 Zeilen, je 2 sich
mehr genährte, d. h. ebenfalls zusammengeschoben, fallen
vor ein Sepalum. Diese 5 Paare bilden ebenso viele
Läppchen. An der Basis jedes Läppchens und zwar
zwischen den 2 Zeilen desselben fallend, findet sich oft
ein einzelnes Fruchtblatt. Sol::ın die Fruchtblatt Zeilen
nicht die Stellung der Stamina iörtsetzen? Die zu einem
ER N ne
u
Bar a7 DE 2 3 ai
ARE." WO
Läppchen gehörige Zahl d. Fruchtbl. varüirt. Ich zählte
ihrer bis 13. Manche abortiren wohl durch Druck, wie
denn auch Verschiebungen derselben vorkommen. Beim
Anwachsen des Fruchtkörpers wird die Corolla und der
Stamencylinder vollständig als ein zusammenhängender
Körper abgestreift, wo er denn verwelkt noch einige Zeit
den Scheitel des Fruchtkörpers krönt.
Tiliaceae.
Tilia. Jahrestrieb 4) NL. 2) NH Z. Vgl. Flora,
1865, S. 312, wo es Zeile 2 über der Anmerk. heissen
soll: Vorbl. « statt 8. Inflor. mittelständig, scheinbar in
der Achsel eines häutigen netzaderigen Blattes (Flügel),
welches das erste Vorblatt des Jahrestriebes dem Stiel
d. Inflor. eine Strecke weit aufgewachsen ist, während
aus d. gegenüberliegenden zweiten Vorblatt, welches die
Form einer Knospenschuppe hat, die überwinternde
Knospe kommt.
Hypericineae.
Hypericum. Was in der Flora, 1859, S. 364 von d.
Einsetzung der Gipfelblüthe in's oberste Blattpaar gesagt
worden, ist so zu verändern: 4) Der Kelch der Gipfel-
blüthe setzt sich ein an’s zweite Blatt d. obersten Paares
3 +! ei
durch 5; so am häufigsten, und unzweifelhaft da
wo durch Auflösung d. obersten Blattpaares zwischen einem
untern und obern Blatt zu unterscheiden ist. In ö-mer.
Gipfelblüthen mit 3 Carpid. fällt das unpaare Fruchtblatt
constant vor d. zweite Sepalum. 2) Es schliesst sich d.
Kelch an ein einzelnes noch zu d. vorausgehenden Paar
rechtwinklig stehendes Blatt ohne Pros. an, wobei mithin
das fünfte Kelchblatt vor jenes einzelnstehende fällt.
Da
3) Das erste Kelchblatt nimmt selbst d. Stelle jenes ein-
zelnstehenden Blattes ein, d. h. d. Kelch ist eingesetzt
3
durch en
Seitenblüthen mit 2 Vorblättern haben den Kelch
durch ale angereiht.
. : 1+ 1%
Solche mit A Vorblatt, haben dieses durch 2
an’s Tragblatt d. Blüthe, d. Kelch ohne Pros. an dieses
Vorbl. angereiht, vor welches dann d. fünfte Sepalum fällt.
Seitenblüthen ohne Vorblätter haben ihr erstes Se-
1
palum durch Pros. 2 -_—.
an’s Tragblatt der Blüthe
angereiht.
IH. perfor. Nicht selten sind die Achselprodukte des
obersten Blattpaares relativ primärer Sprosse von zweier-
lei Art, der des einen Blattes näml. ein Laubspross, der
des gegenüberstehenden ein Blüthenzweig. — Eine Gipfel-
blüthe zeigte ihre 2 ersten Kelchblätter laubartig und
sichelförmig gebogen nach d. lang. Weg der Kelchspir.
Eine andere war hexamerisch. Ihre 2 ersten Kelchbl.
kreuzten sich zum vorausgehenden Laubpaar rechtwinklig,
sie waren etwas ungleich hoch inserirt, sie waren selbst
laubartig und ebenfalls sichelförmig, aber gegenwendig
(symmetr.) gekrümmt. Die 4 and. Sepala waren normal
heschaffen, mit d. Kelch wechselten 6 Petala. Carpiden
waren 3, wovon das unpaare Glied vor d. erste (laubige)
Sepal. fiel.
H. montan, L. Schraubeln bis 10-blüthig. Die welke
Corolla seilartig zusammengedreht nach d. lang. Weg d.
Kelchspir. — Ein Ex. hatte unten am Stengel folia op-
posita, höher f. terna.
Ba u
(H. pyramidat, Ait., bot mir häufig in verschiedenen
Gärten Blüthen mit verlaubtem Kelch und zwar in allen
Graden d. Ausbildung bis zu vollständig in Grösse und
Gestalt den Laubblättern ähnl. Sepalen).
Acerineae.
Vgl. Buchenau, Bot. Zeitg. 1861. N? 37—39.
Acer. An Laubtrieben von A. pseudoplat. haupt-
sächlich aber von A. campestre finden sich die Blätter
der aufeinanderfolgenden Blattpaare nicht selten von
ungleicher Grösse, so zwar, dass die gleich grossen Bl.
eines dritten Paares sich wie diejenigen des ersten ver-
halten. Lösen sich diese Paare auf, so entspricht als-
dann das grössere Blatt dem ersten des Paares, das
kleinere dem zweiten, ein Fall den bereits, was die Auf-
lösung betrifft, von Dutrochet (Memoires, I. 241) beob-
achtet u. Tab. 8, Fig. 2 abgebildet worden. In folgendem
Schema bedeutet + das grössere, — das kleinere Blatt,
während die Zahlen d. Aufeinanderfolge der Blätter der
aufgelösten Paare angeben: |
A— 2
= 6
B— D— D+ B+ 48 le
C+ 5
A+ 1
So verhalten sich unter andern die aufgelösten Blattpaare
von Fraxinus excelsior, Rhamnus Frangula, ohne dass
hier ein Unterschied in den Grössenverhältnissen der
Blätter sich kund giebt. Das letztere hingegen findet
sich (aber ohne eintretende Auflösung) unter andern
bei Cuphea, Goldfussia glomerata, Lindenia floribunda,
manchen Melastomaceen und Urticeen etc. In diesem
Fall ist dann auch ein Unterschied in der Grösse der
Achselprodukte zu bemerken, indem hier immer der
oe
En
stärkere Zweig von dem grössern Blalt unterstützt wird,
Bei den Labiaten, bei denen man oft für jedes Blattpaar
ungleich starke Sprossen antrifft, findet sich bei übrigens
gleichgrossen Blättern eines Paares rücksichtlich der Ver-
theilung der + u. — Sprosse das gleiche Verhalten; es
fallen nämlich je die gleichnamigen Sprosse der dritten
Blattpaare übereinander. — Auffallend ist es, dass bei
Acer., wie auch Dutrochet |. c. angiebt, auch noch ein
zweiter Modus der Auflösung der Blattpaare vorkommt,
wie er sich auch noch bei andern Pflanzen zeigt, und
welche unter andern auch der Sprossstellung bei den
Caryophylicen entspricht. Bei diesem zweiten Modus
verhalten sich nämlich erst das fünfte Paar in Bezug auf
Succession ihrer Glieder wie das erste. Ein solcher
Doppelfall ist mir auch bei Salix purpurea vorgekommen.
Die hier angeführten Fälle mögen als Beweis dienen, dass
die angenommene Beständigkeit der Blatt- und Spross-
stellung bei Pflanzen mit Foliis oppositis doch hie und
da ihre Ausnahme erleidet.
Acer. pseudoplatanus, L. In d. Knospe zeigen die
Laubpaare steriler Sprosse etwas vor ihrer Entfaltung
eine Drehung bald rechts, bald links umeinander, jedoch
so dass an demselben Spross die Wendung stets die
gleiche bleibt. Diese Drehung scheint nach den wenigen
Beobachtungen, die ich machen konnte, zu schliessen, in
keiner Beziehung zur genetischen Succession d. Blätter
zu stehen. — Die Stellung der Hochblätter manchmal
deutlich nach °/,, paarig beginnend. Aufblühlolge der
Traubenrispe aufsteigend, wobei aber doch oft d. Gipfel-
blüthe, später aufschliesst, als die primären Blüthen der
untersten Zweige.
A. campestre, L. Es giebt Gipfelsprosse, die erst im
vierten, häufig im dritten Jahr zum Abschluss durch d.
BER
Inflor. kommen, nachdem sie in wechselnder FolgeNL..
gebracht. — Das +Blatt trägt die grössere Knospe in d.
Achsel; an Zweigen fallen die +Blätter d. geraden Paare
median nach vorn.
A. Negundo, L. Wesentliche Sprossfolge 3-gliedrig.
4)NLNL..2)NL‘.. aus L (vorjähr. L.) 3) N“ I HZ
aus N’ (= d. Vorblättern).
Geraniaceae.
Geranium und Erodium. Die bodenständigen Laub-
blätter haben eine freie mit Oehrchen versehene Scheide
(vulgo Stipule petiolares). An den Blättern des obern
sedehnten Stengels, sowohl als an den laubigen Vor-
blättern der (blühenden) Zweige, bleibt d. Scheide mit d.
Zweig verschmolzen und nur die Oehrchen sind frei, es
sind sogenannte Stip. caulinares. Aehnliche Fälle finden
sich auch anderswo.
@. sylvatie., L. Eine durch alle Cyklen A-mer. Seiten-
blüthe mit 2 Vorbl. einmal beob.
G@ sanguineum, L. Stärkere Wurzelfasern von oft
über 4 Fuss Länge fand ich hie und da mit zahlreichen
Knospen besetzt: bald in 2 einander gegenüberstehenden
Reihen, bald nur in einer; bald einzeln, bald zu 2—3 ge-
häuft. — Die aus dem Erdstamm kommenden Sprosse
waren nach ®/,, geordnet, am mehr aufgeschossenen
Stengeltheil kam dieselbe Blattstellung und auch °/, vor.
Die Sprossen beginnen mit einigen häutigen scheidigen
Niederblättern. An den auf sie folgenden Blättern zeigen
sich d. ersten Spuren d. Scheidenöhrchen und d. Spreiten-
theils. An höhern Blättern werden die Scheidenöhrchen
grösser, sie erscheinen intran und das eine wird von d.
andern bedeckt, entsprechend d. langen Weg der Blatt-
spirale. Blattstiel und Spreite sind-in der Knospe ein-
wärts gebogen.
Balsamineae.
Impatiens Balsamina. Eine gefüllte Blüthe hatte
ausser d. vierten Sepal. auch d. erste u. zweite gespornt.
I. tricornis, I. glanduligera (Royle) u. ]. parviflora
(u. muthmassl. auch andere Arten) zeichnen sich durch
d. Blüthenstellung ihrer axillären traubenförmigen Inflor.
aus. Die Blüthen stehen näml. in einumläuf. Spiralen
nach !/,, bei l. glandulig. besond. schön wendeltreppen-
artig aufsteigend, und zwar kommen folgende Fälle vor:
9 9 h h
6:3 3 15:09 3 51
k k 2 2
TER d)
En B RB B
a, b sind d. am häufigsten vorkommend. Blüthenstellungen,
wo Blüthe 2 median nach hinten (d. Axe) 4 median nach
vorn (d. Tragblatt d. Blüthenzweiges B) liegt. c u. dsind
seltener u. zeigen den umgekehrten Fall. Die Spirale endet
nach 4 Schritten; d. Blüthe 5 fällt über 1, 6 über 2 u. s. w.
Bei I. tricornis sind (einzelne Ausnahmen abgerechnet)
die oft 5- auch weniger blüthigen Inflor. an demselben
Stengel od. Zweig unter sich gleichwendig; und im All-
gemeinen entspricht ferner die Hochblatt oder Blüthen-
stellung, wenn man der grösseren Divergenz (?/,) folgt,
auch d. grössern Div. d. Blattstellung am Stengel oder
Zweig; und umgekehrt. Bemerkenswerth ist an dieser
Art noch Folgendes : Stets findet sich an d. Stielbasis d.
Laubblätter nur einerseits eine einzige grosse dunkel-
rothe Stipulardrüse. Nur an d. höhern Stengel- u.
Zweigblättern bleibt sie aus od. wenn sie noch vorhanden,
hat sie eine blasse grüne Farbe angenommen. Die Stel-
lung dieser Drüse steht nun unmittelbar in Beziehung
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 752.
NR
zur Blattstellung (meist ®/,, seltener °/,) sie fällt nämlich
constant in die Richtung d. langen Weges. Auf d. andern
Seite d. Blattstieles finden sich hingegen 3—% getrennte
kleine Drüsen, welche aber öfters schwinden; ihre Stel-
lung zeigt d. kurzen Weg der Blattspirale an. Die Hoch-
blätter, besonders die untern, haben oft jederzeit eine
Drüse, sie rücken nach und nach bis an die Basis der
Blüthen hinauf. — Die Drüsen sondern einen süssen Saft
ab und werden fleıssig von Ameisen besucht.
Oxalideae.
Oxalis acetosella. Die Stolonen beginnen oft mit
einer grössern od. geringern Anzahl {bis 6) distich ge-
stellter Niederblätter, worauf dann erst °®/, St folgt.
Zygophylleae.
Tribulus terrestris. KL Z. Blattstellung am Stengel
und d. Bereicherungszweigen zweizeilig; die 2 ersten auf
d. Kotyl. folgenden Blätter kreuzen sich mit denselben
rechtwinklig. Soweit d. zweizeilige Stellung reicht, sind
alle Blätter unter sich gleich gross; jedes Blatt hat eine
grössere und eine kleinere Stipula; jene fällt constant auf
d. eine, diese auf die entgegengesetzte Seite d. Stengels
(wie bei d. Papilionaceen etc.). An den Vorblättern der
Zweige fällt die grössere Stipula nach hinten, d. kleinere
nach vorn. Ungleiche Grösse d. Blätter tritt erst mit d.
Vorblättern d. Blüthenzweige auf, wo d. Alpha-Vorblatt
d. grössere ist. Die Einsetzung der Gipfelblüthe geschieht
an Stengel u. Bereicherungszweigen, sowohl als an Blüthen-
zweigen nach 2 Vorblättern durch Pros. u ie
Corolla scheint, wenn auch nicht ausnahmslos, in der
Knospe nach d. kurzen Weg d. Kelchspirale gedreht.
Einzelne Gipfelblüthen fand ich durch alle Cyklen 4-merisch.
we N
Rutaceae.
Ruta gaveolens. Seither beobachtete ich einzel. 5-mer.
Gipfelblüthen bei denen die Sepala von ungleicher Grösse,
entsprechend der °/, Sp. stufenweise kleiner waren. Die
Knospenlage d. Corolla ist an 5-mer., Gipfelblüthen häufig
alternative von Petal. zu Petal. hin fortschreitend. Das
äusserste unbedeckte Petal. fällt dabei constant in die
Lücke zwischen Sepal. I u. 3 — das innerste ganz be-
deckte zwischen 2 u. 5, die übrigen Petala variren mehr
in ihrem relativen Lagenverhältniss. Zweimal beobachtete
ich die Mittelblüthe an Dichasien ö-mer., vornumläufig,
wobei d. zweite von d. Kelchblättern median nach vorn
fallende das grösste war. An einer 4-mer. Seitenblüthe
bemerkte ich 5 Carpiden. Vier hatten die gewöhnliche
Stellung vor d. Petalen, während das überzählige vor
ein seit. (dem Vorblatt 3 anteponirtes) Kelchblatt fiel.
Offenbar gehörte dieses fünfte Fruchtblatt einem äussern,
gewöhnlich schwindenden Fruchtblattkreis an u. spräche
gegen d. Annahme Döll’s (Bad. Fl.) nach welcher bei Ruta
ein dritter innerster Stamenkreis fehlschlagen soll. — Der
Discus hat an A-mer. Blüthen 8 Grübchen od. Poren —
an 5-mer. 10. Vier od. 5 davon fallen vor die Sepala,
ebenso viele vor d. Petala. Jedoch sind diese Poren
nicht immer ganz regelmässig gestellt, u. ausser d. 8 od.
40 kommen noch kleinere vor. Alle sondern zur Zeit des
Stäubens d. Anther. eine Flüssigkeit aus. — Die tiefern
Blüthenzweige stehen noch genau in d. Achsel ihres Tragbl.,
d. höhern wachsen hingegen eine Strecke weit an ihrer
Mutteraxe hinauf. Die beiden Seitenzweige der Dichasien
wachsen constant an ihrem Mittelzweig hinauf, ihre Trag-
blätter weiter unten scheinbar ohne Achselprodukt zurück-
lassend. (Danach ist zu ändern, was ich über diese Ver-
hältnisse, Flora 4851. p. 360 gesagt.) — Die Blattstellung
RR; BR
am Zweiganfang finde ich bei °/, St. mit Pros. von
13
8 z 2, bei °/s St. direkt an’s Vorbl. % anschliessend.
Diosmeae.
Dictamnus Fraxinella. Der Kelch der Gipfelblüthe
schliesst sich d. vorausgehenden Blattstellung unmittelbar
an. Ich finde sie häufig zur regulären Form hinneigend,
und oft mit grösserer Gliederzahl d. Cyklen, die mir aber
einzureihen bis jetzt nicht gelungen ist. In einem Fall fand
ich d. Gipfelblüthe durchweg A-mer. Auch d. unterste
Seitenzweig der Inflor. hat zuweilen eine Gipfelblüthe,
bei 3 vorausgehenden Hochbl., wovon d. 2 ersten die
Vorblätter sind, d. dritte eine °/, Sp. einleitet, welche in
d. Kelch der Gipfelblüthe fortsetzt.
Rhamneae.
Rhamnus catharticus, L. Die Formel d. wesentlichen
Sprossfolge in der Flora 1859, pag. 456, soll heissen:
DEN Li,
2) hZ.
R. alpinus, L. Die Gipfelknospe der Sprosse meist
fehlschlagend.
Paliurus aculeatus, Lam. Die wes. Sprossfolge 3-
gliedr. 4) NL..2)L..3) hZ. Die relative Hauptaxe
trägt spiralig nach °/, gestellte, d. Seitenaxen distiche
Blätter. Die Blätter der Hauptaxe haben eine gleich-
seitige Spreite, diejenige d. Seitenachsen ist ungleich-
seitig (jedoch manchmal nur schwach u. bisweilen sind
sogar d. Spreitenhälften ausgeglichen). Die Stipulardornen
der erstern sind ferner meist gleich gross und grad ge-
streckt; die d. letztern sind ungleich gross; d. grössere
steht etwas tiefer nach d. Mutteraxe hingekehrt, und auf
der hochstieligen Seite seines Blattes; er ist grad ge-
RE .. Wehnbs
streckt und etwas aufgerichtet; d. kleinere Dorn steht
etwas höher, fällt am Zweig nach vorn und ist hacken-
_ förmig abwärts gekrümmt. Diese Stipulardornen sind
anfangs weich krautartig (wie bei Robinia pseudac.); ja es
kommt sogar vor, dass d. untersten 3—4 Laubblätter
eines Zweiges häutige, flach lanzettliche, gleichgrosse
Stipulae besitzen, erst die d. folgenden Blätter werden
ungleich gross und nehmen Pfriemenform an. In den
Blattachseln d. Mutteraxe befindet sich ausser dem disticho-
phyllen Zweig noch ein unterständ. accessor. Knöspchen,
von welchem aber zur Blüthezeit erst die 2 niederblatt-
artigen Vorblättchen kenntlich sind. Das erste Blatt d.
oberständ. ausgebildeten Zweiges fällt constant auf Seite
d. grössern Stipula., das erste Blatt des unterständigen
Knöspchens auf Seite der kleinern Stip. Diese beiden
Sprosse sind mithin unter sich antidrom. Der obere Zweig
weicht ferner aus der Tragblattachsel ab und wirft sich
nach der grössern Stip. hin; dasselbe geschieht mit den
Blüthenzweigen. Ueberhaupt herrscht an den disticho-
phyllen etwas im Zickzack gebogenen Zweigen d. grösste
Symmetrie. — An d. distichophyllen Zweigen entspringen
aus den höhern Blättern d. Blüthenzweige, während die
viel zahlreichern tiefern Blätter nur ein überwinterndes
jenem access. oben berührten gleichendes Knöspchen
haben. An d. genannten meist horizonalen Zweigen
liegen die Blätter durch Heliotropie sämmtlich in einer
Ebene, wobei d. grössere Stipula (wie auch d. Inflor.)
nach oben gekehrt sind. Die Infloreszenzen sind Dichasien,
welche nach 2—3maliger Gabelung in Doppelwickeln
übergehen; die obersten sind auch manchmal einfache
Wickeln. Die Blüthen mit 2 ungleich hohen hinfälligen
Vorblättichen, welche an ihren Zweigen hinaufgerückt
sind, d. Förderung geschieht aus d. zweiten Vorblatt.
BER. AN
Papilionaceae.
Spartium junceum, L.. 4) NLH..2)hL aus H.
Hochblätter und die 2 linearen Vorblätter (h) d. Blüthe
frühzeitig abgegliedernd. Blüthen nach °/; u. ®/,, gestellt.
Zweige nach 2 seitl. Vorblätter mit °/; St.
Sarothamnus vulyaris. Wimm. Dreiaxig. I)NL..
2)NL’H..L“..aus L..3) hZ aus H. — Zweig-
anfang auch °/, nach 2 seitl. Vorbl. eingeleitet durch
1 + %, wodurch d lat d. 5/, Spir. medi
3 ‚ wodurch das erste Blatt d. °/, Spir. medıan
nach vorn zu stehen kommt; ferner ®/,, St. Einsetzung
wie im vorigen Fall, selten. — Unterhalb der Vorblätter
sind die Zweige stets %4-kantig, &-seitig. Auf d. Hoch-
blätter d. blühenden Sprosse folgen an der sich nunmehr
dehnenden Axe gedreite Laubbl., während die den Hochbl.
vorausgehenden einfachen Laubbl. auf gestauchtem Axen-
theil stehen. — Die Wendung d. Tochtersprosse in Be-
ziehung zu ihrem Mutterspross betreffend, so fand ich
in einem Fall 21 unter sich homodr. rechtsl. Tochter-
sprosse zum Mutterspross antidr. (immer nach dem lang.
Weg.) in einem and. Fall 22 Tochterspr. (bis an einen
rechtsläuf.) unter sich homod. linksl. zum Mutterspross
antıdr. Gleichwendige Mutter- u. Tochtersprosse scheinen
selten. Aber auch Pöcilodr. kommt vor. Zahl d. Blüthen
eines Sprosses bis 5.
Genista tinctoria, L. Blattstellung auch ®/,,. Zweig-
Bau. Pros
;' i
oder °/; direkt an’s zweite Vorbl. anschliessend. Ein
unterständ. acc. Sprösschen häufig. Der Stengel bald
walzlich, bald 5-seitig, 5-kantig. Blätter. alsdann flächen-
ständig; an manchen Ex. ist der Stengel unten rundlich,
oben kantig. Sämmtl. Bereicherungszweige des Stengels
anfänge: Blatist. ®/, nach 2 Vorblättern mit
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enden in eine Blüthentraube, und entfalten in aufsteigender
Folge, nachdem zuerst d. Endtraube d. Stengels ihre
' Blüthen geöffnet hat. — Die Scheide der Laubbl. schmal
mit 2 pfrieml. (circa A Lin. I) Oehrchen (Stip. petiol.)
Die kleinlaubigen Tragblätter d. untersten Blüthen
d. traubigen Inflor. sind gewöhnlich noch mit den
Scheidenöhrchen (Stip.) versehen, wobei zu-
gleich jede Blüthe an der Kelchbasis 2 Vor-
blättchen besitzt. Damit ist die Meinung Payer's
und Hofmeister’s (Handb. I. S’ 547) nicht vereinbar,
nach welchen d. Leguminosenblüthe überhaupt keine Vor-
blätter haben soll, dass ferner nach Hofmeister das, was
man für sie nehme, die durch intercalares Wachsthum
des Blüthenstieles höher hinaufgerückten Stipulae des
Blütnentragblattes sein sollen*) An d. höhern Tragbl.
d. Blüthen werden übrigens d. Stipulae stufenweise kleiner
und schwinden endlich völlig, während d. Vorblättchen an
allen Blüthen sich ausbilden und dieselbe Grösse beibe-
halten. Dabei unterscheiden sich auch d. Stipulae durch
ihre walzlich-pfriemliche Form von d. flach-pfrieml. od.
lanzettlichen d. Vorblättchen.
Öytisus Laburnum, L. Zweiganfänge:: Auf die Vor-
blätter folgen 2 median gestellte Niederblätter, an deren
zweitens hinteres sich ein ®/, Cyklus (durch a ein-
gesetzt) anschliesst, worauf °/, folgt. Oder es reiht sich
an das zweite median gestellte Niederbl. unmittelbar /5 St.
an. Irre ich nicht so kommen zuweilen 2 Blattpaare
nach d. Vorblättern vor, ein äusseres mit jenen sich
rechtwinklig kreuzendes:; ein inneres Paar mit d. Vor-
blättern in gleiche Richtung fallend; an das zweite
Blatt dieses letztern schliesst sich dann °/, an. Alle
*) Vgl. auch: Rohrbach, Bot. Zeitg. 1870. Sp. 823.
RR
Knospen zeigen schon vor ihrer Entfaltung ein unter-
ständiges accessor. Knöspchen, was aber nicht zur Ent-
wicklung zu kommen scheint. Die Foliola sind in der
Knospung oft um einander gedreht, wie es scheint häufiger
nach d. langen als nach d. kurzen Weg der Spirale. Das
einzelne Foliolum ist auf d. Mitte gefalzt, die Ränder
rückwärts gekrümmt.
©. nigricans, L. Viele Blüthentrauben haben keine am
Gipfel laubtragende Axenfortsetzung, während ich wieder
andere (an cultiv. Ex.) fand, wo auf eine reichblüth. (bis
52 blüthige) Traube eine Anzahl Laubblätter folgte und
auf diese wieder Hochblätter mit Blüthen. Auch Gabelung
der Blüthentraube beobachtete ich mehrere Male, jeder
Gabelzweig eine eigene Traube bildend. Bisw. steht d.
unterste Blüthe der Traube noch in d. Achsel eines Laub-
-blattes, welches alsdann wie d. Hochblätter dicht an d.
Blüthe hinaufgerückt ist.
©. capitatus, Jacg. AJ)NLH..2)hZ aus H. Nieder-
blätter mit schönen Uebergängen in L. Blattstellung °/,
u. 8/;.. Die Blüthen zahlreich, bilden eine gipfelständige ge-
drängte aufwärts entfaltende Dolde. Trag- (Hoch)-Blätter
d. Blüthen stufenweise höher an sie hinaufgewachsen, d.
obersten dicht an die Blüthe hinaufgerückt, wie auch ihre
2 bisw. fehlenden Vorblättchen. Die dicht unter d. Dolde
befindl. Laubblätter bilden um dieselbe eine Art Hülle.
Die Verzweigung mahnt an die mancher Euphorbien; d.
tiefern Zweige stehen traubig, d. aus d. obersten Laubbl.
doldig, die endständige Inflor. übergipfelnd und selbst
wieder eine Gipfelinflor. bringen Zweiganfang nach zwei
Vorblättern °/, u. ®/ı,; ohne Pros. Die welken Corollen
färben sich schmutzig braun.
(Fortsetzung hinten.)
„nn
Ban
hr
L. R. v. Fellenberg.
Analyse des Meteoreisens
von Hommoney-Creek, Nord-Carolina.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 4. März 1871.)
In der Sitzung der naturforschenden Gesellschaft vom
12. December 1868 erstattete mein Sohn Edmund einen
Bericht über die Bereicherungen der mineralogischen
Sammlungen unseres städtischen Museums, und führte
namentlich die in demselben deponirten Meteoriten an,
welche neun verschiedenen Fallorten entstammen. Unter
diesen ist der unter Nr. 9 als aus dem Nachlasse des
Hrn. Prof. v. Morlot erhaltene, als aus Süd- oder Nord-
Carolina kommend bezeichnet, doch nur auf sehr un-
sichere Andeutungen hin, indem die Originaletiquette von
der Hand des Hrn. v. Morlot damals noch nicht aufge-
funden war. Die Analyse sollte entscheiden, ob das
Meteoreisen mit irgend einem der bekannten und analy-
sirten übereinstimme oder nicht, oder auch nur ein
löcheriges schlecht geflossenes Roheisen wäre. Von
dem Meteoreisen wurden mir einige kleine abgesägte
Stücke, im Gewichte von etwa 2'/, Gramm, zur Analyse
übergeben, ich konnte aber letztere erst im vergangenen
November zur Ausführung bringen, und werde nun deren
Gang und die erhaltenen Resultate in aller Kürze mit-
theilen.
Das circa A5 Gramm schwere Meteoreisen ist eine un-
regelmässig viereckige parallelflächige Platte von 10 Mill.
Dicke, 31—35 Millim. Länge und 20—28 Millim. Breite.
An beiden flachen Seiten geätzt, war der Grund dunkel-
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 753,
Be yore
grau und zeigte stellenweise glänzende weisse Punkte
und Zonen, welche aber wegen der ursprünglich sehr roh
und unvollkommen geschliffenen Flächen, unter der Loupe
keine Zeichnungen oder Linien wahrnehmen liessen. Das
Eisen ist hämmerbar, bricht aber leicht ab, und der
Bruch ist dunkel eisengrau. Das Eisen ist weich, und
lässt sich leicht absägen;; und mit dem Schrotmeissel lassen
sich leicht Stücke lostrennen. Es ist voller Höhlungen
und Zellen, und enthält auch steinartige Bestandtheile
eingesprengt, welche den Zusammenhang des Metalles
wesentlich beeinträchtigen. Das spezifische Gewicht
wurde bei 6° Reaum. — 7,26 gefunden.
Einige Vorversuche mit kleinen Bruchstücken des
Meteoreisens hatten in demselben die Gegenwart von
Graphitkohle und schlackenartigen Bestandtheilen im
Lösungsrückstande, und von Manganoxydul in der Lösung
nachgewiesen, dagegen war von Nickel, Kobalt und
Chrom nichts gefunden worden. Von Schwefelmetallen,
welche Schwefelwasserstoff hätten entwickeln können, war
auch keine Spur beobachtet worden.
Analyse.
Da bei den meisten bisher untersuchten Meteoreisen
ein Gehalt an Eisensulfuret als Magnetkies angegeben
wird, so musste die Analyse so eingerichtet werden,
dass bei Behandlung des Eisens mit einer nicht oxy-
direnden Säure der allenfalls auftretende Schwefelwasser-
stoff aufgefangen und bestimmt werden könne. Zu diesem
Ende wurde das Eisen in einem Glaskolben mit ver-
dünnter Schwefelsäure übergossen und durch einen
Kautschoucpfropf, in welche mein Gasleitungsrohr steckte,
verschlossen, und vermittelst eines Kautschoucröhrchens
mit einem Kugelrohre verbunden , welches eine Lösung
EEE
von Bleioxyd in Aetzkali enthielt, durch welche alles aus
der Lösung des Eisens entwickelte Wasserstoffgas streichen,
und in demselben, wenn es Schwefelwasserstoff enthielt,
einen schwarzen Niederschlag von Bleisulfür erzeugen
musste. Die Menge der vorgeschlagenen Bleioxydlösung
war so abgemessen, dass nach der Erwärmung, bei ab-
nehmendem Drucke im Innern des Apparates, nur Luft,
aber keine Flüssigkeit in den Kolben eintreten, und also
der Apparat, sei es erwärmt oder nicht, ohne Beauf-
sichtigung sich selbst überlassen werden konnte. Gegen
das Ende der neun Stunden währenden Lösung des
Eisens wurde diese bis nahe zum Kochen erwärmt, bis
aus dem schwarzen Rückstande sich durchaus keine Gas-
bläschen mehr entwickelten, dann vollständig erkalten
gelassen und der Apparat auseinander genommen. Gegen
die Mitte der Zeit, welche die Lösung in Anspruch nahm,
wurde während einiger Augenblicke an der von Blei-
lösung benetzten inneren Wandung des Kugelapparates
ein bräunlicher Hauch bemerkt, der jedoch bald ver-
schwand, sowie einige Blasen von atmosphärischer Luft
in den Apparat eintraten; und von da an blieb bis zu
Ende die Bleilösung klar und ungefärbt, so dass also das
Meteoreisen sich als frei von Magnetkies erwies, oder
wenigstens nur eine unendlich geringe Menge davon ent-
halten konnte. Die Lösung des Eisens wurde filtrirt, und
der Rückstand auf einem bei 120° C. getrockneten und
gewogenen Filter gesammelt.
Behandlung der Lösung. Diese wurde mit
Schwefelwasserstoffgas gesättigt und ein geringer Nieder-
schlag von zinnhaltigem Schwefelkupfer erhalten. Die
aufgekochte, durch chlorsaures Kali oxydirte Lösung
wurde genau neutralisirt und aufgekocht, und der volu-
minöse Eisenoxydhydratniederschlag abfiltrirt. Im Filtrate
Bay
wurde durchaus kein Nickeloxyd, wohl aber noch etwas
Eisenoxyd, Manganoxydul und Kobaltoxyd gefunden, die
nach üblichen Methoden getrennt und quantitativ be-
stimmt wurden. Der Eisenoxydniederschlag wurde nach
dem Trocknen und Glühen mit koblensauren Alkalien
geschmolzen und durch diese Operation Kieselsäure und
Phosphorsäure ausgezogen, und als Silicium und Phosphor
zur Bestimmung gebracht.
Behandlung des Rückstandes. Dieser wurde
bei 420° C. bis zu gleichbleibendem Gewichte getrocknet
und gewogen. Er enthielt unter der Loupe betrachtet:
Graphit in schwarzen glänzenden Blättchen, Krümchen
von rothem Eisenoxyd, gelblich weisse durchscheinende
steinartige Fragmente und silberweisse glänzende Flim-
mern von Phosphornickeleisen. Der Rückstand wurde
vom Filter soviel als möglich entfernt, und dieses ver-
brannt und die Asche zum Andern gefügt und mit Königs-
wasser behandelt, bis alle rothen Eisenoxydkörner gelöst
waren und nur noch Graphit und Steintheile zurück-
blieben. Diese wurden abfiltrirt und deren Totalmenge
dem Gewichte nach bestimmt. Durch Glühen in einer
Sauerstoffatmosphäre und zuletzt über der Spinne wurde
der Graphit verbrannt und der weisse Steinrückstand
allein gewogen. Der Verbrennungsverlust ergab den
Betrag an Graphit. Die Lösung in Königswasser wurde
gleich behandelt, wie weiter oben angegeben, und sehr
geringe Mengen von Nickel und Phosphor erhalten ; die
Hauptmenge an Eisenoxyd bildeten die im Rückstande
beobachteten Eisenoxydkrümchen, welche als solches
einen Bestandtheil des Meteoreisens zu bilden scheinen.
Die Menge des Phosphornickeleisens im Meteoreisen ist
zu gering, um durch einen besondern Versuch bestimmt
werden zu können, da dafür das ganze Handstück hätte
u
geopfert werden müssen, dagegen wurde nach den vor-
liegenden, am häufigsten vorkommenden Zusammen-
setzungsverhältnissen die zum gefundenen Phosphor und
Nickel nöthige Menge Eisen berechnet, und so das
Phosphornickeleisen in die analytischen Resultate auf-
genommen. Die Zusammensetzung des steinartigen Be-
standtheiles des Meteoreisens wurde nur qualitativ be-
stimmt und stellte denselben als ein Silikat von Mangan-
oxydul und wenig Kalkerde und Magnesia dar, also als
einen manganreichen Olivin? wie denn auch von fremden
Metallen das Mangan in diesem Meteoreisen am reich-
lichsten. vertreten ist. Bei der Zusammenstellung der
Resultate ist das Eisen aus dem Verluste oder der Dif-
ferenz bestimmt.
Die Analyse von 2,248 Gramm Meteoreisen ergab fol-
gende Zusammensetzung, nach Procenten berechnet:
Eisen, aus der Differenz bestimmt 92,295 %,
Mangan . } { j j 3 0,863 „
Kobalt . ) ; 2 , 0,351 „
Silicium . } f ’ 0,276 „
Phosphor j - . | : 0,146 „
Kupfer, zinnhaltig . ABLE 0,057 „
IRB HN E INN. 1,432 „
Eisen 0,480 %/,
Schreibersit ! Nickel 0,156 „ | 0,672 „
Phosphor 0,036 „
Eisenoxyd . 2,291 „
Steinartige Bestandiheile Bun, 1,646 „
100,000 %,.
Bei Vergleichung meiner Resultate mit denen in
Buchner's Werk #) verzeichneten, fiel mir sogleich die grosse
*) „Die Meteoriten in Sammlungen, Leipzig 1863.“
he. m R Er, ia Ka as ET OR
‘ fl x
PN; ae
Uebereinstimmung meiner Resultate, trotz mancher, aus
der nicht homogenen Constitution des Meteoreisens re-
sultirender Differenzen, mit denen der Clark’schen Ana-
Iyse des Eisens von Hommöney-Creek, Nord-Carolina
auf; auch die pag. 175 u. 176 gegebenen Eigenschaften
des Eisens, sowie dessen spezifisches Gewicht = 7,32
stimmten mit den von mir beobachteten so gut überein,
dass ich an der Identität beider keinen Zweifel hegen
konnte. Doch die Gewissheit ergab sich erst, als ganz
neulich, längst nach Beendigung der Analyse, die Original-
etiquette des Meteoreisens, von der Hand des Hrn. von
Morlot geschrieben, aufgefunden wurde. Dieselbe lag
neben vielen Gegenständen aus dem v. Morlot'schen
Nachlasse und lautet: Meteoric Jron; (altered by heat)
Homing- *) Creek, North-Carolina (3°/; Loth.) und unter-
schrieben A. v. Morlot. Durch diese Etiquette ist nun
der aus der Analyse abgeleitete Ursprung des Eisens zur
Gewissheit erhoben, und unser Museum ist um ein
authentisches Meteoreisen reicher geworden. Um nun
auf optischem Wege die meteorische Natur des Eisens
genauer feststellen zu können, liess ich die beiden flachen
Seiten desselben neu und fein poliren, um durch Aetzung
wo möglich die Widmannstätten’schen Zeichnungen auf
demselben hervorzurufen. Diess geschah nun auch mit
mehrfach verdünnter Salpetersäure, welche auf die eine
(grössere) Fläche circa 10, auf die andere circa 3—%k
Minuten einwirkte, und die schönsten, sehr feinen Wid-
mannstätten’schen Zeichnungen hervorbrachte, welche
*) Offenbar nur eine Verschreibung für Hommoney-Creek. Was
die Verschreibung des Namens Homing für Hommoney beweist, ist
die Notiz (altered by heat), welche bei dem Eisen von H.-Cr. in Buchner,
pag. 175, ebenfalls vorkommt und lautet: „Es hat lange Zeit als
„Unterlage für das Feuer auf dem Herde eines Farmers gedient, und
„kann dadurch etwas geändert worden sein.*
a A
sowohl mit unbewaffnetem Auge, als auch besonders schön
unter der Loupe sichtbar sind, und wenn es überhaupt
noch nöthig gewesen wäre, dessen meteorischen Ursprung
ausser Zweifel setzen.
Hiermit ist der Zweck dieser Arbeit erreicht und
auf überzeugende Weise die meteorische Natur dieses
lange zweifelhaften Eisens festgestellt.
maanannnnnan
Ed. Schaer.
Beiträge zur Chemie des Blutes und der
Fermente.
(Vorgetragen den 7. Januar 1871.)
I. Ueber den Einfluss des Cyanwasserstoffs und des
Phenols auf gewisse Eigenschaften der Blutkörper-
chen und verschiedener Fermente.
Seit den Anfängen einer wissenschaftlichen Physio-
logie hat die Frage nach der eigenthümlichen Rolle des
Blutes für die thierische Respiration viele Forscher vor-
wiegend beschäftigt, und in neuerer Zeit concentrirte sich
in dieser Richtung das Studium des Blutes in einer ge-
naueren Untersuchung der Beziehungen des wichtigsten
Blutbestandtheiles (d. h. der Blutkörperchen) zum Sauer-
stoff. Ein bedeutsames Resultat dieser Arbeiten war zu-
nächst die Erkenntniss einer mehr als nur physikalischen,
einer wirklich chemischen Anziehung zwischen den Blut-
zellen und dem atmosphärischen Sauerstoff, welche That-
sache in den letzten Jahren durch Isolirung des sauer-
stofffreien und sauerstoffhaltigen Hämoglobins, sowie durch
die zahlreichen spektroskopischen Untersuchungen über
ER 7, KEANE
die Blutkörperchen und deren Bestandtheile neue Be-
stätigung erfahren hat; andrerseits aber mussten die
Forschungen über die allotropen Zustände des Sauer-
stoffs, welche von jeher in fast höherem Maasse von
Physiologen und Physikern, als von Chemikern richtig
gewürdigt wurden, auf die Chemie des Blutes ebenfalls
von einigem Einfluss sein, und in der That haben nam-
hafte Physiologen, vor Allem durch den Umstand geleitet,
dass der ozonisirte Sauerstoff in so vielen Fällen in der-
selben lockern Verbindung mit gewissen Substanzen auf-
tritt, welche das Oxyhämoglobin charakterisirt, der
Anschauung Raum gegeben, dass der eingeathmete Sauer-
stoff durch Einwirkung der rothen Blutzellen ozonisirt
werde und, wenn auch nur theilweise, in diesem Zustande
im Blute den Organismus durchlaufe. Dieser Ansicht
scheint sich jedoch immer wieder die Thatsache entgegen-
zustellen, dass der direckte Nachweis eines Ozongehalts
des Blutes nicht gelingt, d. h. dass das Blut, auch un-
mittelbar von der Ader weg, auf die verschiedensten
ozonanzeigenden Reagentien ohne alle Wirkung bleibt,
ein Misserfolg, den die intensive Färbung des Blutes für
einige dieser Reaktionen a priori voraussehen lässt:
Einzig die von Alex. Schmidt in Dorpat aufgefundene
Reaktion, die Bläuung des Guajakharzes, wenn dasselbe
in Gegenwart von Blutkörperchen (oder Hämoglobin) dem
atmosph. Sauerstoff unter gewissen Bedingungen ausge-
setzt wird, deutet auf das Entschiedenste das ozonisirende
Vermögen der Blutzellen, resp. des unveränderten Blut-
farbstoffs an. Es steht diese Reaktion in deutlichster
Analogie zu dem Verhalten vieler keimfähigen Pflanzen-
samen, welche, auf frischen Querschnitten mit Guajak-
lösung benetzt, sich in kürzester Zeit intensiv bläuen,
während sie, unter den verschiedensten Umständen mit
RE a REN :
Br: AN v .
(A ‘ >
ET
Wasser und Sauerstoff in Berührung gebracht, niemals
eine Flüssigkeit liefern, die eine der charakteristischen
- Ozonreaktionen hervorbrächte.
Es verhält sich demnach das in solchen Saamen ent-
haltene Ferment (Diastase, Emulsin oder ein anderer
Körper), welches unzweifelhaft die Bläuung der Guajak-
tinktur einleitet, durchaus dem Blutzelleninhalt analog,
und hinwieder zeigen gewisse andere Saamen die dop-
pelte Eigenschaft, auf Querschnitten jene Tinktur zu bläuen
und auch, mit Wasser und Luft behandelt, eine die
Guajaktinktur und den gesäuerten Jodkaliumkleister un-
mittelbar bläuende Flüssigkeit zu liefern. An diese Ana-
logien anschliessend, kann, wie ich glaube, die Unmög-
lichkeit eines direkten Ozonnachweises im Blute in zweier-
lei Weise erklärt werden. Einmal lässt sich annehmen,
dass zwar das mit Sauerstoff imprägnirte Blut eine ge-
wisse Menge Ozon in lockerer Verbindung mit den Blut-
zellen oder deren Hauptbestandtheilen enthält, dass aber
diese Verbindung, in Folge einer grössern Verwandtschaft
gewisser Blutstoffe zum Ozon, dieses letztere an die be-
kannten ozonbegierigen Materien, wie Guajakharz, Pyro-
gallussäure, Jodkalium u. s. w. nicht abgibt. Allerdings
müsste man hier als erste Ausnahme einer allgemeinen
Regel eine Ozonverbindung annehmen, welche im Gegen-
satz zu allen bisher bekannt gewordenen ohne Wirkung
auf Guajaktinktur, das vor Allem charakteristische Ozon-
reagens, sein würde; allein es zeigt sich wenigstens eine
Analogie in dem Verhalten z. B. des Chinons, welcher
organische Körper zwar Guajaktinktur und angesäuerten
Jodkaliumkleister intensiv bläut, dagegen eine ebenso
entschiedene Ozonreaktion, die Bleichung des Indigoblaus,
nicht bewirkt, während andererseits beim Erwärmen einer
wässerigen Chinonlösung sich der Sauerstoff des Chinon-
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 754.
? — Th —
meloküls selbst oxydirend auf die übrigen Atomgruppen
wirft und eine durch tiefe Bräunung angezeigte Zer-
setzung verursacht *).
Nach der andern schon von Schönbein gegebenen
Erklärung, die sich namentlich auf die energische Ein-
wirkung elektrischen oder chemisch dargestellten Ozons
auf Blutlösung gründet, kann ungeachtet des Ozonisirungs-
vermögens der Blutzellen kein freies oder locker ge-
bundenes Ozon im Blute bestehen, sondern jede kleinste
Menge desselben würde sofort nach ihrer Bildung zu
Oxydationszwecken verwendet, und es ist ferner, wie ich
hinzufügen möchte, nicht unwahrscheinlich, dass die Ozoni-
sation des Sauerstofls nicht allein von der eigenthüm-
lichen chemischen Natur des Blutzelleninhalts abhängt,
sondern auch an gewisse nur im cursirenden lebenden
Blute vor sich gehende Bewegungserscheinungen der
Blutkörperchen gebunden ist, mithin von dem Augenblicke
an des Austritts des Blutes aus dem Organismus wesent-
lich modificirt und geschwächt wird. Die Thatsache aber,
dass ungeachtet des scheinbaren oder wirklichen Fehlens
von Ozon im Blute dennoch in der Schmidt'schen Reaktion
der Blutfarbstoff unter Mitwirkung atmosphärischen Sauer-
stoffs die Bläuung des Guajakharzes bewirken kann,
findet abermals ihre auffallende Analogie in dem charak-
teristischen Verhalten des Phosphors, der, in geschmol-
zenem Zustande z. B. mit Indigolösung und atmosphä-
rischer Luft zusammengeschüttelt, zuerst Ozonbildung
und sodann gleichzeitig seine eigene Oxydation, wie auch
*) Näheres über die ozonähnlichen Eigenschaften des Chinons
siehe: Verhandlungen der Berner Naturf. Ges. 1867. Abhandlg. 1,
sowie Schönbein in Erdmann’s Journal f. prakt. Ch. CI. 155.
„Ueber die Anwesenheit beweglich-thätigen Sauerstofis in organischen
„Materien.*
Rah, RR
‚die Bleichung des Indigoblaus (Oxydation zu Isatin)
bewirkt.
Neuerdings ist durch die werthvolle und ausgedehnte
_ physiologische Arbeit von Preyer über die Blausäure die
Frage nach dem Zustande des Sauerstoffs im Blute und
nach der spezifischen Rolle der rothen Blutkörperchen,
wie mir scheint, wieder sehr nahe gelegt worden. Die
Resultate dieser Untersuchungen, namentlich die optischen
Versuche über die Veränderungen der Blutbestandtheile
durch Blausäure schliessen sich in gewisser Beziehung
enge genug an die Beobachtungen Schönbein’s über die
Wirkung der Blausäure auf das Blut und die Fermente,
und stehen damit keineswegs im Widerspruche. Es sei
mir daher gestattet, einige weitere Beobachtungen mitzu-
theilen, welche mir je mehr und mehr den Ausspruch von
Schönbein als richtig erscheinen lassen, dass die Haupt-
bestimmung der Blutkörperchen die chemische Erregung
(Ozonisirung) des atmosphärischen Sauerstoffes sei und
daher alle Agentien, welche diese Eigenschaft der Blut-
zellen beeinträchtigen, nachhaltige Störungen oder den
Tod der betreffenden Organismen zur Folge haben müssen.
Wenn wir eine Lösung defibrinirten Blutes und eine
Oxyhämoglobinlösung, da diese Flüssigkeiten sich in
Bezug auf die zu besprechenden Reaktionen durchaus
übereinstimmend verhalten, für die Folge als gleich-
bedeutend betrachten, so scheinen mir in der erwähnten
Arbeit besonders zwei Dinge von Interesse. Preyer weist
zunächst den Einfluss der Temperatur auf die Einwirkung
der Blausäure dem Blute gegenüber nach. In gewöhn-
licher Temperatur tritt keine wahrnehmbare Wirkung
ein; namentlich bleibt das Spectrum unverändert, während
dagegen bei circa 40" C. eine Veränderung der Lösung
resp. ihres Absorptionsspectrums eintritt, insofern die
u
beiden so charakteristischen Absorptionsstreifen des Oxy- #
hämoglobins einem neuen Streifen Platz machen und auch
bei anhaltender Behandlung einer veränderten Blutlösung
mit atmosphärischem Sauerstoff die ursprünglichen Streifen
nicht wieder auftreten. Das blausäurehaltige Blut, welches
nach Erwärmung auf A0° das neue Spectrum zeigt, er-
leidet durch dieselben O begierigen Agentien (Schwefel-
ammonium, weinsaures Zinnoxydul oder Eisenoxydul in
alkalischer Lösung), welche das Oxyhämoglobin des Sauer-
stoffs berauben, ebenfalls eine Reduktion und zeigt dann
ein neues, durch zwei andere Streifen bezeichnetes
Spectrum, welches durch Schütteln des Blutes mit Luft
wieder in das frühere übergeht, in gleicher Weise, wie
unter solcher Behandlung die Lösung des reducirten
Hämoglobins wieder in Oxyhämoglobinlösung verwandelt
wird. Aus diesen Thatsachen und einer Reihe ander-
weitiger Beobachtungen schliesst Preyer, dass bei Be-
handlung der Blutlösung mit Blausäure in mässig er-
höhter Temperatur eigenthümliche Verbindungen entstehen,
welche Hämoglobin, Sauerstoff und Blausäure enthalten
und ihre Existenz durch die erwähnten besondern Ab-
sorptionsspectren beurkunden, die von denjenigen des
unveränderten Oxyhämoglobins und Hämoglobins deut-
lich abweichen.
Wenn nun in dem Blute mit Blausäure vergifteter
Thiere die eine oder andere der erwähnten Blausäure-
verbindungen sich spectralanalytisch oder anderswie
nachweisen liesse, dann würde, wie Preyer gewiss mit
vollem Recht folgert, unter der Annahme, dass der Sauer-
stoff im Blute nur in Form des Oxyhämoglobins zu
seiner eigenthümlichen Wirkung gelangt, die Blausäure-
vergiftung sich klar und deutlich als eine momentan
eintretende und weiter fortdauernde Entziehung des Sauer-
aa
stoffes im Blute darstellen, insofern dieser letztere mit
Hämoglobin und Blausäure eine engere und zu Oxydations-
processen unfähige Verbindung einginge, welche auch
_ bei längerer Einwirkung überschüssigen atmosphärischen
Sauerstoffes nicht wieder in das ursprüngliche Sauer-
stoffhämoglobin zurückverwandelt wird. Diese Ansicht
über die Vergiftungsweise der Blausäure wird jedoch
nach Preyer sehr durch die negative Beobachtung er-
schwert, dass sich jene präsumirten HCy.-Verbindungen
im vergifteten Blute nicht finden lassen. Welches der
Grund ist, dass sich dieselben bei einer der Blutwärme
ziemlich entsprechenden Temperatur nicht innerhalb des
Organismus bilden, wohl aber in einem demselben ent-
nommenen Blute hervorgerufen werden können, möchte
vor der Hand nicht so leicht zu entscheiden sein, doch
erscheint es nicht ganz unmöglich, dass auch hier die
sehr beschleunigte Rotation der Blutzellen im Bluistrome
dem Bestreben derselben, mit Cyanwasserstoff eine wirk-
liche Verbindung einzugehen, entgegenwirkte.
Allerdings würde auch dann noch zu erwarten sein,
dass nach eingetretenem Tode, also nach Aufhören der
Blutcirkulation, jene Anlagerung von Blausäure an den
Blutfarbstoff stattfände, und wir müssen daher diesen
Punkt bis auf weiteres als noch unerklärt betrachten.
Immerhin bleibt zu bedenken, dass bei den zur Ver-
giftung erforderlichen so kleinen Blausäuremengen die
noch kleineren Dosen, welche von dem Augenblicke der
Beibringung bis zum Eintritt des Todes in das Blut über-
treten, ebenfalls nur minime Quantitäten der Cyanwasser-
stofl-Verbindung des Hämoglobins bilden werden, so dass
dieselben, seien sie nun in dem noch cirkulirenden oder
im todten Blute entstanden, sich möglicherweise neben
dem noch vorhandenen unveränderten Hämoglobin dem
Bau, ; ale
optischen Nachweise entziehen könnten, während dagegen
auf rein chemischem Wege, wie Preyer speciell nach-
gewiesen hat, die geringsten Spuren von Blausäure im Blute
erkannt werden können. Wenn nun schon der Umstand, dass
die Blausäure auch in solchen Mengen, in welchen sie sich
nur mit einem kleinen Theile des im Organismus befind-
lichen Hämoglobins verbinden könnte, ihre heftigen Wir-
kungen entfaltet, darauf hindeutet, dass die Blutsäure ver-
giftung ihren eigentlichen Grund nicht nothwendig und
jedenfalls nicht allein in der lockern chemischen Verbindung
der Blausäure mit dem Blutzelleninhalt haben muss, so
wird anderseits diese Ansicht durch den zweiten Haupt-
punkt in der erwähnten Arbeit ganz besonders unterstützt.
Dieser zweite Punkt besteht in dem Nachweis, dass die
im Spectralapparate erkennbare eigenthümliche Verbin-
dung des Oxyhämoglobins mit Cyanwasserstoff sich
chemisch durchaus ebenso verhält, wie das unveränderte
Oxyhämoglobin, d.h. an verschiedene reducirende Agentien
ebenso leicht Sauerstoff abgibt und dabei in Cyanwasser-
stoff-Hämoglobin übergeht, eine Verbindung, die sich
von der erstern ebenfalls optisch unterscheidet und
durch Behandlung mit Sauerstoff oder atmosphärischer
Luft, dem Hämoglobin gänzlich analog, wieder zu Cyan-
wasserstoff-Oxyhämoglobin wird. Es wird durch diese
Beobachtungen die wichtige Thatsache bewiesen, dass
selbst durch lockere chemische Verbindung, also durch.
die innigste Berührung der Blausäure mit dem Blutfarb-
farbstoff dieser letztere keineswegs sein Vermögen ein-
büsst, sowohl Sauerstoff an oxydirbare Substanzen abzu-
geben, als auch in reducirtem Zustande, mit Luft in Be-
rührung gebracht, daraus Sauerstoff anzuziehen, zwei
Eigenschaften, welche bisher für die Erklärung der
Respiration stets von grösster Bedeutung schienen. Dieses
doppelte Vermögen, so unerlässlich es für die physio-
logische Bestimmung des Blutes auch sein mag, darf nach
den angeführten Untersuchungen über die Veränderungen
_ des Blutfarbstoffs durch Blausäure kaum mehr als die
unbedingt wichtigste Funktion der Blutkörperchen be-
trachtet werden, denn da die Verbindung des Cyan-
wasserstoffs mit dem Oxyhämoglobin dasselbe nicht daran
hindert, seinen Sauerstoff an oxydirbare anorganische
Materien abzutreten, so ist der Schluss nicht ungerecht-
fertigt, dass unter solchen Umständen auch die Sauer-
stoffabgabe an oxydirbare organische Stoffe unverändert,
d. h. die Respiration in ihrer Hauptwirkung ungefährdet
bleiben werde. Dennoch ist dieses nicht der Fall, son-
dern es ergibt sich vielmehr aus den zahlreichen physio-
logischen Versuchen über die Blausäure, dass die Blau-
säureintoxication wesentlich in einer tiefgreifenden Störung
der Athmung, mit andern Worten in einer mehr oder
weniger beschleunigten Erstickung besteht; Preyer definirt
demnach auf Grund seiner Versuche die erste und haupt-
sächlichste Wirkung der Blausäure im Blute als eine
plötzliche Entziehung des Sauerstoffs und wird, wie ich
hoffe, unschwer dahin einwilligen, den in gewissem Sinne
noch etwas schärferen Ausdruck „plötzliche Unwirksamkeit
oder Unthätigkeit des Sauerstoffs“ an die Stelle zu setzen.
In der That schliesst diese Bezeichnung nicht nur
die weitere Frage nach dem Grunde der Erscheinung in
sich, sondern gestattet auch, die Blutvergiftung durch
Kohlenoxyd und diejenige durch Blausäure ungeachtet
der deutlichen Analogien und der Identität gewisser Er-
scheinungen dennoch bestimmt auseinanderzuhalten. In
der Kohlenoxydvergiltung sehen wir eine Wirkung re-
lativ einfacher Art; der Sauerstoff des Oxyhämoglobins
wird durch Kohlenoxyd verdrängt und das gebildete
» ie u u 2. N rm 2 F, % h«
W ; “ EN IR EAN, !
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Bi. vll
CO-Hämoglobin ist unfähig, Sauerstoff an der Luft auf-
zunehmen und wieder abzugeben; in der Blausäure-
vergiftung — mag nun die Blausäure im Organismus mit
dem Blutfarbstoff in chemische oder nur mechanische
Verbindung treten — wird dem Oxyhämoglobin der Sauer-
stoff nicht entrissen, sondern die Beziehungen Jes Blut-
zelleninhalts zum Sauerstoff bleiben scheinbar bestehen,
d.h. er bleibt fähig, Sauerstoff an gewisse Materien ab-
zutreten oder nach seiner Reduction von Neuem Sauer-
stoff in lockere Verbindung aufzunehmen und es muss
daher die energische Wirkung der Blausäure noch in
einem weiteren Umstande gesucht werden.
Dies führt uns zu den wichtigen, schon bei anderer
Gelegenheit *) näherer besprochenen Beobachtungen
Schönbein’s über das Verhalten der Blutkörperchen zum
Superoxyde des Wasserstoffs, sowie zu Gemengen dieses
letztern oder anderer antozonhaltiger Materien mit Guajak-
tinktur, Indigolösung,, Cyaninlösung etc. Es sei mir in
diesen Mittheilungen gestattet, ungeachtet der Unsicher-
heit, welche dermalen über die Natur des Antozons noch
herrscht, dennoch gewisse Verbindungen mit Beibehaltung
der Schönbein’schen Bezeichnungen als Antozonide zu
benennen, indem wenigstens das Eine feststeht, dass der
Sauerstoff nicht nur als gewöhnlicher neutraler O und als
Ozon, sondern noch in einem dritten Zustande vorkommen
kann, in dem er sich sowohl vom neutralen, als vom
‚ozonisirten Sauerstoff in mehr denn einer Hinsicht deut-
lich unterscheidet. Die Namen Ozon und Antozon sind
und bleiben, wie mir scheint, bis auf Weiteres noch der
einfache Ausdruck einer Reihe von Thatsachen, die zur
*) Der thätige Sauerstoff und seine physiol. Bedeutung: Witt-
steins V. J. S. für prakt. Pharmacie 1869. I und: Das Wasserstof-
superoxyd u. s. Beziehungen zu den Fermenten. a. a. O. Bd. II u. IV.
Br Did Pi - # ’ 4 .
ee ns v
AR E G-5
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biz -
2
weiteren Nachforschung in diesem Gebiete immer von
Neuem auffordern, ohne diejenigen, welche sich dieser
Bezeichnungen bedienen, schon jetzt zu einer sicher
abgeschlossenen theoretischen Anschauung über die Allo-
tropie des Sauerstoffs zu nöthigen; wichtig und wünschens-
werth ist aber dies, das jene Thatsachen selbst nicht
ohne alle Widerlegung ignorirt werden, wenn sie mit
diesen oder jenen neueren Auffassungsweisen im Wider-
spruch zu stehen scheinen.
Vor vielen Jahren schon hatte Schönbein die zwei-
fache chemische Eigenthümlichkeit des Blutkörperchen-
inhalts beobachtet, einmal mit grosser Energie die wäs-
serigen Lösungen des W.-Superoxyds zu katalysiren
(unter Entbindung von neutralem O) und sodann als
sogen. Ozonüberträger zu wirken, d. h. eine Mischung
von W.-Superoxyd oder antozonhaltigen aether. Oelen
mit Guajakharzlösung aufs Tiefste zu bläuen, über-
haupt dem gebundenen Antozon die Reactionen des
'Ozons zu verleihen. (Bleichung des Indigo, Bläuung des
KJ.-Kleisters, Bräunung der Pyrogallussäure, Entfärbung
der Cyaninlösung, Oxydation der schwefeligen Säure
durch ein Gemenge verdünnten W.-Superoxyds mit Blut-
- lösung u. a. m.)
Die so deutlich hervortretenden Analogien in der
Wirkungsweise vieler pflanzlichen Fermentmaterien und
derjenigen des Blutzelleninhalts veranlassten Schönbein,
den Hauptbestandtheil der Blutkörperchen gewissermassen
als animalisches Ferment den übrigen Fermenten an die
Seite zu stellen, indem er namentlich die energische
- Zerlegung des W.-Superoxyds in Wasser und gewöhn-
lichen Sauerstoff als Hauptkriterium der Fermentmaterien
betrachtete und zugleich in dem pulverförmigen Platin
- einen typtischen Repräsentanten für die hauptsächlichsten
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 755.
a ©
chemischen Eigenschaften der Fermentkörper sah, da
dieses eigenthümliche Metall sowohl die Katalyse von
H,O, als auch das Phänomen der sogen. Ozonüber-
tragung in hohem Maasse zeigt. Gleichzeitig bildete er
sich auf Grund der Uebereinstimmung, welche die Hefe-
arten und eine Reihe anderer Pilze in Betreff jener
Fermentwirkungen mit den obenerwähnten Materien zeigen,
eine eigene Ansicht über das Wesen der Gährung und
fand sich darin durch alle weiteren Beobachtungen über
Fermente, die er bis zu seinem Lebensende fortsetzte,
je mehr und mehr bestärkt. Seine Auffassung steht mit
dem wichtigsten Ergebnisse der neueren Gährungsstudien,
d.h. mit der Erkenntniss des innigsten Zusammenhanges
der Zuckerzersetzung mit dem Leben und der Ver-
mehrung des Pilzes keineswegs im Widerspruch, es kann
jedoch hier nicht der Ort sein, die Schönbein’sche An-
sicht des Näheren auszuführen, und verweise ich daher
auf den zweiten der in einer Anmerkung erwähnten Auf-
sätze, worin auch die theoretische Erklärung der durch
das Platin und die Fermente bewirkten H,O,-Katalyse
berührt ist, die nach Schönbein, gleichwie die Eigen-
schaft der sogen. Ozonübertragung, auf dem Vermögen
jener Substanzen beruht, nicht nur den gewöhnlichen
Sauerstoff, sondern auch die in den sogen. Antozoniden
enthaltene Modifikation desselben in Ozon zu verwandeln.
Was hier, um auf unseren Gegenstand zurückzu-
kommen, hauptsächlich in Erinnerung gebracht werden
muss, ist die Thatsache, dass Schönbein, durch die Beob-
achtung geleitet, dass sowohl das Platin als manche
vegetabilische Fermentkörper neben der Eigenschaft der
H,0O,-Katalyse und der Ozonübertragung auch das Ver-
mögen besitzen, dem gewöhnlichen Sauerstoff die Eigen-
schaften des Ozons zu verleihen, es für nahezu gewiss
einge an * a er
ES a in et a ne ae ea Se dd re Er An
ae all > Sage
| hielt, dass, ungeachtet des mangelnden direkten Ozon-
nachweises im Blute, die Hauptfunktion des Blutfarbstoffs
nicht sowohl in der Absorption von Sauerstoff, als haupt-
sächlich in dessen Ozonisirung bestehe. Diese Ansicht
ist es auch, die, wie ich glaube, namentlich mit Rück-
sicht auf die bezüglich der Blausäurewirkungen bekannt
gewordenen Thatsachen festgehalten werden darf und
welche die Blausäurevergiftung selbst befriedigender, als
diess früher geschah, zu erklären vermag, wenn wir
nächst den an vergifteten Thieren angestellten zahlreichen
physiologischen Beobachtungen auch den Inhalt einer
der letzten Arbeiten Schönbein’s in Betracht ziehen. Es
ist dies die Untersuchung über den Einfluss der Blau-
säure auf die chemischen Eigenschaften pflanzlicher und
thierischer Fermente, insbesondere aber des Inhalts der
rothen Blutkörperchen. In dieser wichtigen Arbeit *)
findet sich die ebenso unerwartete, als unerklärliche
Thatsache, dass, sowohl in sehr kleinen als grösseren
Mengen, die Blausäüre in Contakt mit den verschiedensten
Fermentmaterien deren dreifaches, den Eigenschaften
des Platinmohrs analoges Vermögen beinahe bis zur
gänzlichen Aufhebung abschwächt, sei es, dass sie in
gasförmigem Zustande oder in Lösung mit den betreffen-
den Substanzen zusammentritt. So wird namentlich bei
den in keimfähigen Pflanzensamen (allein auch in andern
Organen) enthaltenen Fermenten einmal die energisch
zersetzende Wirkung auf W.-Superoxyd, sodann die
Eigenschaft der sogen. Ozonübertragung und endlich auch
das Vermögen, den atmosphärischen Sauerstoff unmittel-
bar zu ozonisiren, aufgehoben, welch’ letztere Thatsache
unter Anderm aus der Unfähigkeit jener Pflanzentheile
erhellt, nach der Berührung mit Blausäure beim Zer-
*) Zeitschrift für Biologie Ill. 140.
kleinern unter Sauerstoff- und Wasserzutritt ozonführende Ri
Auszüge zu liefern, während sich solche bei Aus-
schliessung der Blausäure unter denselben Umständen
. leicht erhalten lassen. Ein höchst bemerkenswerther
Wink über die Bedeutung und die nahen Beziehungen
jener pflanzlichen Fermente und ihres ozonisirenden
Vermögens zu der Chemie der Samenkeimung mit den
so charakteristichen Umwandlung- und Oxydationspro-
cessen liegt zudem in der weiteren Beobachtung, dass
die Pflanzensamen durch die Einwirkung der Blausäure
nicht nur die angedeuteten chemischen Qualitäten, son-
dern auch die physiologische Wirkung, d. h. das Keim-
vermögen einbüssen, nach Entfernung der Blausäure
aber dasselbe wieder ungeschwächt erlangen. Die eigen-
thümlichen Wirkungen des Cyanwasserstoffs fand Schön-
bein auch bei verschiedenen thierischen Fermenten be-
stätigt, vor Allem aber schien ihm die Beobachtung
wichtig, dass die Blausäure die so energische Katalyse
des Wasserstoff-Superoxyds durch das defibrinirte Blut
nahezu aufhebt, sei es dass eine Mischung von Blut-
lösung und wässeriger Blausäure mit W.-Superoxyd oder
Blutlösung mit blausäurehaltigem Wasserstoff-Superoxyd
zusammengebracht wird. Wie beiden pflanzlichen Ferment-
körpern ist jedoch diese hemmende Wirkung an den
Contact der Blausäure mit den Substanzen gebunden und
verschwindet mit der Entfernung derselben, und ferner
zeigt sich Uebereinstimmung darin, dass Erhitzung auf
100°, welche den Pflanzenfermenten die besprochene drei-
fache Fähigkeit dauernd benimmt, auch die katalysirende
Eigenschaft der Blutkörperchen dauernd aufhebt. Alle
diese Thatsachen befestigten Schönbein in der Ansicht,
dass allen N-haltigen organischen Materien, die als Fer-
mente wirken, gewisse Beziehungen zum Sauerstoff
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gemeinsam seien, und er glaubte auf Grund seiner Beob-
_ achtungen über die Blausäure wenigstens vom chemischen
Standpunkt aus und ohne den Ansichten der Physiologen
zu nahe treten, die verderbliche Wirkung der Blausäure
im Organismus auf die Aufhebung des ozonisirenden
Vermögens des Blutzelleninhalts zurückführen zu müssen,
insofern mannigfache Versuche über die Einwirkung von
neutralem und ozonisirtem Sauerstoff auf organische
Substanzen dafür sprechen, dass auch die Oxydations-
vorgänge, welche die zum Leben nothwendige Respiration
begleiten, im Organismus selbst nicht durch gewöhnlichen,
sondern nur durch veränderten (thätigen) Sauerstoff zu
Stande kommen.
Wenn wir die so ausgesprochene Uebereinstimmung
der Blutkörperchen mit pflanzlichen und gewissen anima-
lischen Fermentkörpern in den angeführten chemischen
Wirkungen in’s Auge fassen, so ergibt sich sofort die
theoretische Bedeutung der eben erwähnten Beobachtungen
über den Einfluss der Blausäure auf Fermente. Es bil-
den diese Erfahrungen Schönbein’s, sowie auch die von
Preyer mitgetheilte Thatsache, dass das mit Blausäure
verbundene Hämoglobin in Gegenwart von Sauerstoff
und Guajaklösung die von Schmidt beobachtete Ozon-
reaktion nicht mehr hervorbringt, eine neue Stütze für
die oben ausgesprochene Ansicht über die spezifische
Rolle der rothen Blutzellen, wenn auch damit keineswegs
behauptet werden soll, dass die physiologische Funktion
der Blutzellen allein auf das ozonisirende Vermögen,
oder allgemeiner gesagt auf die Fermentnatur ihres In-
haltes zurückzuführen sei; vielmehr ist sicher, dass
nächstdem auch das besondere Absorptionsvermögen für
gewisse Gase und wahrscheinlich noch andere, theilweise
unbekannte Momente mitwirken.
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Obwohl nun Schönbein durch mannigfache Versuche
mit den einzelnen Blutbestandtheilen zur Gewissheit ge-
langt war, dass die beschriebenen Eigenschaften, die das
Blut mit verschiedenen sogen. Fermenten theilt, dem
Inhalte der rothen Blutkörperchen zukommen, und daher
seine Untersuchungen mit defibrinirtem Blute anstellte,
das er einer Lösung des Blutfarbstoffes gleichsetzte; so
musste es doch, nachdem man den reinen Blutfarbstoff,
das Hämoglobin, darzustellen gelernt hat, geboten er-
scheinen, jene Beobachtungen auch mit isolirtem Blut-
farbstoffs zu wiederholen, um allen Einwendungen wegen
Unsicherheit der Resultate bei Anwendung von Gemengen
(wie defibrinirtes Blut) vorzubeugen. Theilweise ist diess
schon geschehen; da ich jedoch aus eigener Anschauung
mich über diese Verhältnisse zu belehren wünschte, habe
ich alle mir bekannten wichtigern Versuche Schönbein’s
mit reinem Hämoglobin wiederholt, das nach den An-
gaben von Hoppe-Seyler aus dem Blute von Meer-
schweinchen dergestellt wurde. Es haben sich bei Ge- 2
legenheit dieser Beobachtungen einige zum Theil ganz
unerwartete Thatsachen gezeigt, deren Mittheilung um so
eher von Interesse sein dürfte, als dadurch manche An-
sichten Schönbein’s erneute Bestätigung erfahren, andrer-
seits einzelne scheinbare Widersprüche ihre Erklärung
finden.
Zunächst scheint es wichtig, hervorzuheben, dass das
Vermögen, das Wasserstoffsuperoxyd energisch in Wasser
und freies Sauerstoffgas zu zerlegen (was auch in der Folge
die Bezeichnung Katalyse beibehalten mag) dem Hämo-
globin als solchem zukommt, gleichviel ob dasselbe rein
oder aber mit Sauerstoff oder Kohlenoxyd lose verbunden,
als Oxyhämoglobin oder Kohlenoxyd-Hämoglobin vor-
liegt; die Intensität der Katalyse ist in allen Fällen nahezu
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dieselbe und es zeigt überhaupt die Lösung eines der ge-
nannten Hämoglobine mit wässeriger Lösung von W.-
Superoxyd dieselben Erscheinungen, wie defibrinirtes,
sei es arterielles, sei es venöses Blut, und ich will hier
schon erwähnen, dass ich auch in allen übrigen Ver-
suchen zwischen Lösungen des reinen Blutfarbstoffs und
verdünntem sorgfältig defibrinirtem Blute keinerlei quali-
tative Unterschiede der Wirkung, sondern nur gewisse
Abweichungen in der Intensität und Dauer der Reaktionen
constatiren konnte, so dass die von Schönbein gemachten
Angaben durchaus unangefochten bleiben. Die charak-
teristische katalytische Eigenschaft des Hämoglobins wird
durch alle jene Einflüsse vermindert oder gänzlich auf-
gehoben, welche eine partielle oder vollständige Spaltung
und Umsetzung dieses Körpers unter Bildung von Hämatin
und anderen Produkten veranlassen, und wozu nament-
lich Eintrocknen bei Zutritt der Atmosphäre, Berührung
mit Säuren und Alkalien, Erhöhung der Temperatur und
Behandlung mit verschiedenen oxydirenden Agentien zu
zählen sind. Das Hämoglobin zeigt gegen die eben er-
wähnten Einwirkungen eine eigenthümliche Resistenz;
die Spaltung in Hämatin und anderweitige Körper geht
in vielen Fällen nur allmälig vor sich und es zeigt daher
oft eine Blutlösung, in der, nach äusseren Merkmalen zu
schliessen, die Veränderung des Hämoglobins vollendet
zu sein scheint, noch katalytische Wirkung auf W.-Super-
oxyd, woher es denn auch kommt, dass Hämatin, welches
als solches keine katalytische Wirkung mehr zeigt, diese
Eigenschaft oft dann noch in geringem Maasse äussert,
wenn demselben von der Darstellung her noch kleine
Mengen von unverändertem Hämoglobin anhängen, denn es
muss hier daran. erinnert werden, dass Spuren von
Hämoglobin, d. h. kaum roth gefärbte Lösungen dieses
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Körpers noch eine merkliche Sauerstoffentbindung mit
H,0, zu bewirken vermögen. Im Falle einer solchen
geringen Beimengung unveränderten Blutfarbstoffs, der
selbst bei sorgfältigem Operiren den betreffenden Reagen-
tien in minimen Mengen zu entgehen vermag, zeigt das
Hämatin einen gewissen Grad katalytischer Eigenschaft
nur in alkalisch-wässeriger, nicht aber in der alkoholisch-
sauren Lösung, wenn dieselbe in beiden Fällen filtrirt
worden ist, Sehr deutlich lässt sich die Beziehung der
katalytischen Wirkung zur Gegenwart des Hämoglobins
beobachten, wenn Lösungen von Oxyhämoglobin oder
verdünntes defibrinirtes Arterienblut entweder einge-
trocknet oder allmälig erhitzt wird; verfolgt man die
Processe mit dem Spectralapparat, so zeigt sich, dass die
charakteristischen Absorptionsstreifen desOxyhämoglobins
nach und nach in demselben Maasse verschwinden, als
‚der Blutfarbstoff sich verändert und dass mit dieser Er-
scheinung auch die Abnahme und die endliche Auf-
hebung des katalytischen Vermögens Hand in Hand geht.
Bei dem Eintrocknen des Blutes an der Luft ist unver-
ändertes Hämoglobin, wie bekannt, noch nach sehr langer
Zeit nachweisbar und daher zeigt auch in diesem Fall
das Blut andauernd eine, wenn auch geschwächte kata-
Iytische Fähigkeit, vorausgesetzt, dass das Eindampfen
bei gewöhnlichen Temperaturen vor sich geht.
Ganz analoge Verhältnisse finden sich bei dem Ein-
trocknen oder Erwärmen von Kohlenoxyd-Hämoglobin-
Lösung oder verdünntem Kohlenoxydblut, wie auch bei
entfasertem venösem Blute. Diese, wie ich annehme,
schon bekannten Thatsachen weisen darauf hin, dass das
katalytische Vermögen der Blutkörperchen, so zu sagen,
an den unveränderten molekularen Bestand ihres Haupt-
'inhalts, des Hämoglobins, gebunden ist und daher das
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‚Verhalten gegen W.-Superoxyd ebenso wie die optischen
Merkmale zu den besonderen Eigenschaften des reinen
Blutfarbstoffs gehören und mit diesen geschwächt und
aufgehoben werden muss, wenn das Hämoglobin durch
gewisse Einflüsse, namentlich durch energische Reagen-
tien, veränderts, d. h. unter Abspaltung eines albuminösen
Körpers in Hämatin und anderweitige Oxydations-Produkte
übergeführt wird.
Was nun die Einwirkung des Cyanwasserstoffs auf
Lösungen von Hämoglobin betrifft, so findet sich auch
hier vollkommene Uebereinstimmung mit dem Verhalten
des defibrinirten Blutes, wie es von Schönbein beschrieben
wurde. Sehr geringe Mengen von Blausäure, einer wäs-
serigen Lösung des krystallisirten Blaufarbstoffs beige-
mengt, schwächen deren katalytische Wirkung auf W.-
Superoxyd in sehr bedeutendem Maasse ab; entfernt man
durch Verdampfung bei etwas erhöhter Temperatur die
Blausäure aus der Blutlösung (Hämoglobinlösung), so
stellt sich auch die energische katalytische Eigenschaft
wieder ein. Dieselben Erscheinungen zeigen sich, wenn
Hämoglobinlösungen mit blausäurehaltiger W.-Super-
oxydlösung zusammengebracht werden, während uner-
klärter Weise in einem Gemenge von Hämoglobinlösung
und W.-Superoxyd die vor sich gehende Zersetzung
durch Zufügen von Blausäure nicht gehemmt wird. Wie
zu erwarten war, äussert Blausäure die erwähnte Wirkung
nicht nur auf Oxyhämoglobin, sondern ebenso auf sauer-
stofffreies (d. h. keinen lose gebundenen Sauerstoff füh-
rendes) Hämoglobin und auf CO-Hämoglobin; bemerkens-
werth ist aber die Thatsache, dass z. B. beim Zufügen
von Blausäure zu gelöstem Oxyhämoglobin die Aufhebung
der katalytischen Fähigkeit eines solchen Gemenges nicht
etwa an jene Veränderung des Oxyhämoglobins gebunden
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 756.
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ist, welche von Preyer mit Hülfe des Spectral-Apparates
nachgewiesen und näher beschrieben worden ist. (Siehe
seine Schrift: „Die Blausäure, physiologisch untersucht.*)
Preyer hat, wie erwähnt, gezeigt, dass beim Erwärmen
eines Gemenges von Oxyhämoglobinlösung und Blausäure
die optischen Eigenschaften des arteriellen Blutfarbstoffes
sich vollkommen verändern und dass man aus derartigen
Lösungen krystallisirte Körper erhalten kann, welche als
lockere chemische Verbindungen, resp. als Blausäure-
Oxyhämoglobin oder in reducirtem Zustande als Blau-
säure-Hämoglobin aufzufassen sind; zugleich aber folgert
der erwähnte Forscher aus dem Umstand des stets feh-
lenden optischen Nachweises dieser veränderten Hämo-
globine im Blute vergifteter Thiere, dass die Erklärung
der Blausäurevergiftung aus den Eigenschaften dieser
Verbindungen, namentlich aus ihrer Unfähigkeit, durch
überschüssigen Sauerstoff wieder in normalen Blutfarb-
stoff überzugehen, aufgegeben werden müsse. Wenn wir
jedoch das ozonisirende Vermögen der Blutkörperchen
zu deren katalytischer Eigenschaft in nächste Beziehung
setzen, indem wir beides auf eine und dieselbe, zwar
noch unbekannte Thatsache zurückführen und demgemäss
die Wirkung der Blausäure als Aufhebung dieser beiden
bedeutsamen Eigenschaften des Blutzelleninhalts auffassen,
so liegt in der eben angeführten Thatsache, dass die
durch Blausäure bewirkten Veränderungen in dem che-
misch-optischen Verhalten des Blutfarbstoffs im Organis-
mus selbst nicht vor sich zu gehen scheinen, keinerlei
Widerspruch mit der gegebenen Erklärung. *) Es hat
nämlich schon Schönbein darauf aufmerksam gemacht
*) Siehe hierüber auch diese Zeitschrift 1868, Bd. 4, Seite 365.
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(und ich habe es für besonders wichtig gehalten, diese
- __Nersuche mit Hämoglobinlösungen zu wiederholen), dass
Y die Blausäure, ohne dass sie die Blutlösung in ihren
sonstigen Eigenschaften, besonders ihrem optischen Ver-
tact mit dem verdünnten Blute andauert, dessen kata-
lytuisches Vermögen hemmt. Natürlicher Weise waren
Schönbein die Veränderungen, die eine Blutlösung nach
_ _Preyer unter gewissen Bedingungen durch Blausäure er-
| leidet und die sich namentlich auf die Absorptions-
- erscheinungen im Spectrum beziehen, unbekannt, da er
sich weder eingehender mit der optischen Untersuchung
des Blutes, noch mit Isolirung der Bestandtheile des
Blutes beschäftigt hatte; ich will daher in Bestätigung
seiner Beobachtungen hinzufügen, dass auch Hämoglobin-
lösungen, selbst wenn sie mit Blausäure bei Temperaturen
- vermischt gehalten werden, in denen jene Bildung von
i Cyanwasserstoff-Hämoglobin nicht stattfindet und daher
die normalen Absorptionsspectra unverändert bleiben,
dennoch, gleichwie einfach defibrinirtes Blut unter gleichen
Umständen, das Wasserstoffsuperoxyd nicht mehr kata-
lysiren, dieses Vermögen aber nach Entfernung der Blau-
säure wieder erlangen. Est ist also die besprochene
Wirkung der Blausäure auf Blutkörperchen, resp. Hämo-
| globin, keineswegs von einer anderweitigen Veränderung
der letzteren abhängig, obwohl es sich allerdings zeigt,
dass z. B. in einer Oxyhämoglobinlösung, in welcher
durch Zufügen von Blausäure und Erwärmung auf 35 bis
40° in geschlossenen Gefässen jene von Preyer beschrie-
bene Umwandlung mit Veränderung des Absorptions-
spectrums vor sich gegangen ist, das katalytische Ver-
mögen vollständiger aufgehoben erscheint, als in den
Fällen, wo die Mischung der Blausäure mit Blutlösung
E halten, irgendwie modifizirt; dennoch, so lange ihr Con-
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bei niedrigeren Temperaturen vorgenommen wird. Diese
Beobachtung ist weder unerwartet noch befremdend,
denn es ist klar, dass in den lockeren Verbindungen von
Blausäure mit Oxyhämoglobin und Hämoglobin, wenn
wir deren Existenz in einem erwärmten Gemenge von
wässeriger Blausäure und Blutkörperchenlösung mit Preyer
annehmen, die Blausäure mit dem Inhalt der rothen Blut-
zellen in die allernächste Berührung getreten ist und
deshalb auch der merkwürdige Einfluss, der hier in Frage
kömmt, ein sehr vollkommener sein muss. Sehr be-
lehrend ist es, unter Beiziehung des Spectralapparates
die Veränderungen zu beobachten, wenn verdünntes defi-
brinirtes Blut oder Hämoglobinlösung zunächst mit wenig
Blausäure und sodann mit wässerigem Wasserstoffsuper-
oxyd versetzt wird; unter diesen Umständen nimmt, wie
schon Schönbein nachwies, die Flüssigkeit eine charak-
teristische braune Farbe an und das Oxyhämoglobin-
Spectrum geht in ein verändertes Spectrum über, welches
keinen Absorptionsstreifen mehr, sondern eine starke und
ziemlich gleichmässige Absorption in dem ganzen nicht
rothen Theile des Spectralfeldes zeigt und von andern
Blutspectren, bez. demjenigen des Hämatins leicht unter-
scheidbar ist. Diese Farbenänderung, die eine sehr
empfindliche Reaktion auf Blausäure und W.-Superoxyd
bildet und ihrem Wesen nach näher besprochen werden
soll, tritt schon bei gewöhnlicher Temperatur ein und
zwar langsamer bei ganz neutraler Reaktion der W.-Super-
oxydlösung. schnell bei etwas alkalischer Reaktion, wäh-
rend unter denselben Umständen weder die Blausäure,
noch das W.-Superoxyd eine solche Veränderung und
Verwandlung des Absorptionsspectrums zu bewirken ver-
mag. Fügt man zu einer wenig Blausäure haltenden
Lösung von Blutkörperchen oder einem arteriellen Hämo-
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globin etwas neutrale Lösung von W.-Superoxyd, so ist
in den ersten Augenblicken weder eine Aenderung der
Farbe, noch im Spectroskop eine Abschwächung der
‚beiden bekannten Streifen zu bemerken, obgleich von
dem Momente an der Beimischung des W.-Superoxyds
dessen von Gasentwicklung begleitete Zersetzung, die in
einer gleichbehandelten, aber blausäurefreien Flüssig-
keit mit stürmischer Heftigkeit erfolgt, nahezu aufgehoben
erscheint. Nach wenigen Augenblicken aber findet sich
die Farbe schon in Braun übergehend und dem ent-
sprechend bedeutende Abschwächung der Oxyhämo-
globinstreifen im Spectrum; beide Hand in Hand gehende
Veränderungen schreiten rasch vor und nach einigen
Minuten ist die Farbe von Roth in vollkommenes Braun
und das Oxyhämoglobinspectrum in ein anderes Spectrum
mit viel stärkerer Absorption und ohne deutlichen Streifen
übergegangen. Diese Reaktion wird wesentlich be-
schleunigt, wenn das Gemenge unter Vermeidung des
Entweichens der Blausäure auf circa 35° erwärmt und
so gewissermassen die Bedingung zur Bildung von Cyan-
wasserstoff-Hämoglobin erfüllt wird; es zeigt sich in
diesem Falle nicht mehr die geringste katalytische Wir-
kung, vorausgesetzt, dass die Concentration des W.-Super-
oxyds so gewählt wird, dass eine Erwärmung auf 55°
keine spontane O.-Entwicklung in dieser Lösung hervor-
bringt. Auch dann, wenn ein auf 35° erwärmtes Ge-
menge von Blausäure und Blutlösung (Blutlösung = ver-
dünntes defibrinirtes Arterienblut) nach dem Erkalten mit
W.-Superoxyd vermischt wird, scheint die Reaktion
schneller vor sich zu gehen und die katalytische Er-
scheinung vollständiger aufgehoben zu werden, als
bei Ausschliessung jeder Temperaturerhöhung über 10°
bis 15 ®.
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In gleicher Weise wie Oxyhämoglobin oder defibri-
nirtes arterielles Blut werden auch Lösungen von venösem
Blut und von Kohlenoxydblut durch Behandlung mit Blau-
säure und W.-Superoxyd in der angegebenen Weise
optisch verändert, indem in beiden Fällen die katalytische
Eigenschaft gleichfalls suspendirt wird; was diesen letztern
Punkt betrifft, so sei mir hier die beiläufige Bemerkung
gestattet, dass ich unter Katalyse des W.-Superoxyds
stets dessen sichtbare Zersetzung mit deutlicher, wenn
auch verschieden energischer O-Entbindung verstehe,
da bekanntlich das Wasserstoffsuperoxyd noch durch
viele organische und anorganische Substanzen, theils
ohne Sauerstoffentbindung, theils unter sehr langsamer
und daher nicht wahrnehmbarer Entwicklung zerlegt wird.
Ich gehe nunmehr zu einem der wichtigsten Punkte
über, die ich in diesen Zeilen zu erörtern mir vorge-
nommen, nämlich zu der Frage über das Verhältniss der
katalytischen Fähigkeit des Blutzelleninhalts zu dessen
anderweitiger Eigenschaft, als „Ozonüberträger“ zu fun-
giren, d. h. den sogenannten Antozoniden (Wasserstoff-,
Natrium-, Calcium-, Baryumsuperoxyd, antozonhaltige
äther. Oele), die den „Ozoniden* (PbO,, MnO,, Mn,O,,
CrO, u. s. w.) sowie dem Ozon selbst eigenthümlichen Reak-
tionen. d. h. Oxydationswirkungen zu verleihen. Da diese
Fähigkeit, die nach Schönbein’s Ansicht gleich wie die
Katalyse des W.-Superoxyds auf einer Umwandlung des
Antozons in das gewissermassen polar entgegengesetzte
Ozon beruht, bei einer grossen Anzahl namentlich vege-
tabilischer Fermentmaterien mit dem katalytischen Ver-
mögen und ebenso mit der ozonisirenden Wirkung auf
atmosphärischen Sauerstoff eng verbunden ist und diese
verschiedenen Eigenschaften durch dieselben Agentien,
wie unter anderm durch Blausäure, so wesentlich modi-
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ficirt werden, so sollte man erwarten, auch bei dem
Hauptbestandtheile der Blutkörperchen, dem Hämoglobin,
dieselben Beziehungen zu finden ; aus dem Nachfolgenden
_ wird sich jedoch ergeben, dass hier etwas andere Ver-
hältnisse obwalten. Schon Schönbein hatte die Beob-
achtung gemacht, dass die durch Ozon und Ozonide be-
wirkte Entfärbung des Farbstoffes Cyanin auch durch
Wasserstoffsuperoxyd bei Gegenwart sogenannter Ozon-
überträger, wie Platinmohr und Blutkörperchen bewerk-
stelligt wird, dass aber in dieser Reaktion die Lösungen
eingetrockneten Blutes bei gleicher Concentration weit
energischer wirken, als frisches Blut, während in Bezug
auf das katalytische Vermögen das Gegentheil stattfindet.
Da ich bei der bläuenden Wirkung verschiedenen
Blutes auf ein Gemenge von W.-Superoxyd oder antozon-
haltigen äther. Oelen mit Guajakharzlösung analoge Er-
scheinungen ebenfalls beobachtet hatte, so glaubte ich
der Sache genauere Aufmerksamkeit schenken zu sollen
und constatirte zunächst einige schon früher gemachte,
damals nicht hinlänglich beachtete Erfahrungen. Im
Laufe weiteren Nachforschens ergab sich dann aus zahl-
reichen Versuchen die Thatsache, dass die Agentien,
durch welche bei den Blutkörperchen, beziehungsweise
dem Hämoglobin, die katalytische Wirkung und, wie man
hinzufügen kann, auch die physiologische Funktion ge-
hemmt oder aufgehoben wird, auf die dem Blute zu-
kommende Eigenschaft der „Ozonübertragung* ohne
wesentlichen Einfluss sind. Dies gilt zuvörderst sowohl
von der Temperaturerhöhung auf 80—100°, als auch von
der Gegenwart des Cyanwasserstofls. Während z.B. das
in dem Auszug des Gerstenmalzes enthaltene Ferment
nach Erhitzung nahe auf 100°, sowie auch nach Bei-
mengung von Blausäure zu der Flüssigkeit, nicht nur das
3
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W.-Superoxyd nicht mehr zersetzt, sondern auch das
Gemenge von letzterer Verbindung mit Guajaktinktur
ungebläut lässt, vermag unter solchen Umständen eine
Blutlösung durchaus ungeschwächt ozonübertragend zu.
wirken, selbst wenn durch Erhitzung der Flüssigkeit das
Absorptionsspectrum des arteriellen Blutes gänzlich ver-
schwunden und durch ein anderes ersetzt ist. Da ich
den Ausdruck „ozonübertragend“ wiederholt benütze, so
möge hier erwähnt sein, dass ich als sicheres Kriterium
der Ozonübertragung namentlich folgende durch die be-
treffenden Materien bewirkte Reaktionen ansehe und in
Uebereinstimmung mit den Untersuchungen meines ver-
ehrten Lehrers Schönbein in diesen neueren Versuchen
ebenfalls angewendet habe: 1) die Bläuung eines farb-
losen Gemisches von Guajaktinktur mit w.-superoxyd-
haltigem Wasser oder Alkohol, 2) die Bläuung eines Ge-
menges von Guajakharzlösung mit insolirten und daher
antozonhaltigen Oelen, wie Terpentinöl etc., und 3) die
Entfärbung einer Mischung von W.-Superoxydlösung und
Cyaninwasser (mit alkohol. Cyaninlösung bis zur starken
Blaufärbung versetztes dest. Wasser). Da bei der Er-
wärmung einer Hämoglobinlösung nicht wie bei Einwir-
kung der Blausäure eine nur vorübergehende, d. h. an
den Contact der Substanzen gebundene Störung in den
Eigenschaften des Blutfarbstoffs eintritt, sondern eine
tiefer greifende Veränderung desselben unter Bildung von
Hämatin und Abtrennung eines eiweissartigen Körpers
erfolgt, so war zu vermuthen, dass die Beibehaltung des
ozonübertragenden Vermögens in erwärmter Hämoglobin-
lösung dem gebildeten Hämatin zuzuschreiben sei, inso-
fern bei Abscheidung des gleichzeitig auftretenden albu-
minösen Coagulums jene Eigenschaft nicht an letzterem,
sondern an der gefärbten, hämatinhaltigen Flüssigkeit
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beobachtet wird. In der That ist in verschiedenen Lehr-
büchern nicht nur dem frischen Blute, sondern auch den
verschiedenen Substanzen, die, obwohl weder in der
Darstellungsweise noch in der Zusammensetzung über-
einstimmend, den gemeinsamen Namen der Hämatine
führen, die Fähigkeit der Ozonübertragung zugeschrieben
worden; ich habe mich jedoch durch weitere Versuche
überzeugt, dass nicht nur diese Materien, sondern auch
das vollständig reine aus Hämoglobin bereitete Hämatin,
von dem mir Herr Professor Du Bois-Reymond gütigst
eine Probe zur Verfügung stellte, in seinen Lösungen in
hohem Grade ozonübertragend wirkt und in demselben
Maasse wie sorgfältig eingetrocknetes Blut das frische
Blut in dieser Eigenschaft zu übertreffen scheint. Aus
verschiedenen Gründen hatte ich stets die Vermuthung
gehegt, dass mit der Bildung von Hämatin bei der Be-
handlung des frischen Blutfarbstoffs, sei es durch Wärme,
sei es durch Säuren oder Alkalien nicht nur eine Spaltung
des Atomcomplexes des Hämoglobins, sondern zugleich
ein Oxydationsprocess noch unbekannter Art verbunden
sei und es schien daher nicht unmöglich, dass auch bei
Einwirkung oxydirender Agentien auf defibrinirtes Blut
oder Hämoglobinlösungen die entstehenden, den Hämatin-
lösungen in ihrer Farbe, wenn auch nicht im Spectrum,
sehr ähnlichen Flüssigkeiten, auf ein Gemenge von
antozonhaltigen Körpern mit Guajaklösung ebenfalls
bläuend, d. h. wie frische Blutkörperchen, wirken würden.
Diese Vermuthung hat sich durchaus bestätigt; ich finde,
dass Lösungen von defibrinirtem Blute oder reinem Hämo-
globin nicht nur unter dem Einflusse von Wärme, Säuren
und Alkalien, sondern auch durch Behandlung mit einer
Reihe oxydirender Agentien (unter denen ich neben gas-
förmigem Ozon nur einige Ozonide, wie Hypochlorite,
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 757.
Permanganate, eisensaure Salze, Jodsäure hervorheben
will) in braungefärbte Flüssigkeiten übergehen, die, auch
wenn die Absorptionsspectren des Hämoglobins oder
Oxyhämoglobins durchaus verschwunden sind, dennoch
die Eigenschaft der Ozonübertragung besitzen , während
dagegen das katalytische Vermögen, wenn die Behand-
lung des Blutes unter gelinder Erwärmung (25—30°) und
mit Vermeidung eines Ueberschusses des Reagens ge-
schieht, bis auf einen geringen Rest verschwunden ist,
welch’ letzterer. wie schon aus früheren Angaben Schön-
bein’s zu schliessen ist, von dem bei den Zersetzungen
des Blutfarbstoffs sich abspaltenden Eiweisskörper her-
rührt, der das Wasserstoffsuperoxyd noch in einigem Grade
zu zersetzen vermag (vorausgesetzt dass das Hämoglobin
nicht durch Erhitzung zersetzt wurde). Diese Erschei-
nungen, welche nicht nur bei Arterienblut, sondern auch
bei venösem Blut und Kohlenoxydbiut sich wiederholen,
scheinen deutlich darauf hinzuweisen, dass das Hämo-
globin durch sehr verschiedenartige Ägentien, zu denen
auch die Wasserverdampfung beim Eintrocknen von Blut,
sowie die Wirkung von Zeit und Atmosphäre beim Stehen
des Blutes gerechnet werden müssen, in sehr analoger
Weise verändert wird und dass mit dieser Veränderung
nicht nur eine Spaltung, sondern auch wohl immer eine
gewisse Oxydation sich vollzieht. In allen diesen ver-
schiedenen Arten der Zersetzung sehen wir stets die
Farbe der ursprünglichen Blutlösung sich von Roth nach
Braun verändern, und die braunfärbenden Zersetzungs-
oder Spaltungsprodukte stimmen nicht nur in dem Ver-
luste des katalytischen Vermögens und der Beibehaltung
der Fähigkeit der „Ozonübertragung“* überein, sondern es
ist denselben besonders auch eine eigenthümliche Stabilität
und Indifferenz gegen chemische Agentien gemeinsam;
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sie werden, wie dies vom Hämatin schon genügend be-
kannt ist, nur durch concentrirtere oxydirende Agentien
unter gleichzeitiger Erwärmung energisch angegriffen
und zersetzt. Ungeachtet solcher Analogien besteht hin-
wieder ein namhafter Unterschied in den durch ver-
schiedene Mittel gebräunten, veränderten Hämoglobin-
lösungen, und namentlich scheint das Resultat der Ein-
wirkung verdünnter Oxydationsmittel von Temperatur,
Reaktion der Flüssigkeiten, Concentration der Lösungen
und Mengenverhältniss der Substanzen sehr abhängig zu
sein. Es zeigt sich nämlich in diesen Fällen, wenn wir
die veränderten Blutlösungen optisch untersuchen, dass
nach dem Verschwinden der Oxyhämoglobinstreifen bald
das Hämatinspectrum dominirt, welches das durch Er-
hitzung und Einwirkung von Alkalien oder Säuren modi-
ficirte Blut charakterisirt, bald dasjenige des Methämo-
globins, das sich, wie Hoppe-Seyler gezeigt hat, beim
Stehen oder Eintrocknen des Hämoglobins an der Luft
bildet, oder endlich und zwar am häufigsten ein Ab-
sorptionsspectrum, ähnlich demjenigen, welches nach
Schönbein dem durch Zufügen von Blausäure und Wasser-
stofsuperoxyd gebräunten Blute eigen ist und sich bei
starker allgemeiner Absorption durch Fehlen jedes Ab-
sorptionsstreifens von dem Hämatinspectrum (wie z. B.
von dem durch Schwefelsäure gebräunten Blute) unter-
scheidet. Ein so beschaffenes verändertes Blut erhielt
ich namentlich durch Einwirkung unterchlorigsaurer Salze
und stark verdünnter salpetriger Säure auf Hämoglobin-
lösung oder Lösungen defibrinirgen Blutes, was mich zu
näherer Betrachtung der eigenthümlichen Farbenänderung
führte, die beim Versetzen blausäurehaltigen Blutes mit
wässerigem Wasserstofisuperoxyd eintritt. Schönbein
hatte diese Braunfärbung und Veränderung des optischen
— 10 —
Verhaltens als ein Zeichen von irgendwelcher tiefer-
gehenden Reaktion in der Blutflüssigkeit aufgefasst, die
Erscheinung selbst aber als unerklärt und räthelhaft be-
zeichnet; denn in der That, da weder Blausäure, noch
Wasserstoffsuperoxyd, jedes für sich zu Blutlösung ge-
bracht, deren Spectrum verändern, und da überdiess die
beiden Verbindungen selbst in verdünnter Lösung ohne
gegenseitige Einwirkung sich mischen lassen, so erscheint
die energische Braunfärbung (unter Verschwinden des
normalen Spectrums) beim Zusammentreffen der drei
Substanzen Blut, Cyanwasserstofl und Wasserstoffsuper-
oxyd auffallend genug, besonders wenn wir uns erinnern,
dass diese Veränderung beim Zufügen von Blausäure zu
einer Mischung von Wasserstoffsuperoxyd mit Blut aus-
bleibt, indem dann die gewöhnliche energische Zersetzung
des Superoxyds ungehemmt weiter geht. Ich habe mich
durch eine Reihe einfacher Versuche überzeugt, dass die
in Rede stehende Reaktion, die von Schönbein seiner
Zeit nicht weiter verfolgt wurde, in einer Oxydations-
wirkung besteht, durchaus analog derjenigen, die wir bei
Einwirkung mancher oxydirender Agentien auf Blut-
lösungen, oder bei der spontanen Bräunung des Blutes
durch Stehen und Eintrocknen an der Luft beobachten
können. Wenn ein Gemenge von Hämoglobinlösung,
‘ Blausäure und Wasserstoffsuperoxyd, nachdem dasselbe
vollkommen gebräunt und das neue Spectrum frei von
jedem Hämoglobinstreifen hergestellt ist, untersucht wird,
so zeigt sich, auch wenn kein Sauerstoff gasförmig ent-
bunden wurde, in der Flüssigkeit kein Wasserstoffsuper-
oxyd mehr (wenn nicht von Anfang an ein Ueberschuss
angewendet wurde); ungeachtet der so äusserst empfind-
lichen Reaktionen mit Chromsäure und Aether, Platin-
mohr und Guajaktinktur, Jodkaliumkleister und Eisen-
— 1 —
oxydulsalz oder basischem Bleisalz, Guajaklösung und
Malzauszug etc. kann weder in der gebräunten Flüssig-
keit selbst, noch durch Behandlung derselben mit Aether
oder Amylalkohol, die das Wasserstoffsuperoxyd leicht
aus wässerigen Lösungen aufnehmen, letzteres nachge-
wiesen werden. Andrerseits zeigt das so gebräunte Blut,
obwohl durch die Blausäure die katalytische Fähigkeit auf-
gehoben wurde, die ozonübertragenden Wirkungen nicht
allein gleich der blausäurehaltigen frischen Hämoglobin-
lösung, sondern auch gleich den Blutlösungen, die durch
Erhitzen und andere Agentien in Hämotinlösungen ver-
wandelt oder durch gasförmiges Ozon oder lösliche ver-
dünnte Ozonide ebenfalls in gebräunte Flüssigkeiten
übergegangen sind. Beachten wir diese Thatsachen und
fügen zudem noch die Beobachtung hinzu, dass jene
Bräunung des blausäurehaltigen Blutes durch Wasserstoff-
superoxyd bei neutraler Reaktion dieses letztern mit
einer Trübung, ähnlich der beim Erhitzen von Hämo-
globinlösung eintretenden Coagulation, verbunden ist,
während bei alkalischer Reaktion die Flüssigkeit klar
bleibt, so ist wohl der Schluss nicht allzugewagt, dass in
unserer Reaktion die Veränderung und Bräunung der
Blutlösung gerade dadurch bedingt ist, dass der beweg-
liche Sauerstoff des Wasserstoffsuperoxyds nicht durch Ka-
talyse frei wird, sondern sich oxydirend auf das Hämoglobin
wirft, welches dadurch, wie es scheint unter Abscheidung
eines Eiweisskörpers in ein dem Hämatin verwandtes
braungefärbtes Produkt mit besonderem optischen Ver-
halten übergeht. Die nähere Erklärung dieses Vorganges,
insoweit eine solche möglich ist, wird sich aus den fol-
genden theoretischen Bemerkungen über den Blutfarbstoff
ergeben, die sich, wie ich glaube mit einigem Rechte,
auf die Schönbein’schen Untersuchungen und nächstdem
— 11 —
auf zahlreiche eigene, hier nur theilweise angeführte
Beobachtungen stützen.
Wenn die merkwürdigen Eigenschaften der Blut-
körperchen dieselben, oder vielmehr das Hämoglobin als
ihren wichtigsten Bestandtheil, den von Schönbein unter
der Bezeichnung Fermente zusammengefassten Materien
an die Seite stellen und alle neuern Versuche die von
jenem Forscher schon früher betonte Analagie des Blut-
farbstoffs mit dem feinzertheilten Platin bestätigen, so
zeigt sich andrerseits die Natur dieses wichtigsten Blut-
bestandtheils, des Hämoglobins, in gewissen Beziehungen
als wesentlich verschieden von derjenigen der andern
bekannten Fermentkörper. Während nämlich jene drei
gewissermassen typischen Fähigkeiten (der Katalyse des
W.-Superoxyds, der OÖzonübertragung und der Ozonisirung
des atmosphärischen Sauerstofls), die bei dem pulver-
förmigen Platin weder durch Blausäure, noch durch Er-
hitzung verändert werden, bei der grossen Mehrzahl der
bis jetzt untersuchten Fermente animalischen oder vege-
tabilischen Ursprungs (z. B. Speichelferment, Diastase,
Hefezellen, Fermentkörper vieler Pflanzensaamen, Blätter
und Wurzeln etc.) durch diese ebengenannten Agentien
gleichzeitig und gleichmässig abgeschwächt und gehemmt
werden, bezieht sich bei dem Blutzelleninhalt der modi-
ficirende Einfluss der Erwärmung oder des CGontactes der
Blausäure nur auf das katalytische und, wie ich annehme,
auf das ozonisirende Vermögen; dagegen zeigt sich die
interessante Eigenschaft der Ozonübertragung als unab-
hängig von der Gegenwart der Blausäure, ja sogar nicht
einmal an den unveränderten chemischen Bestand des
Hämoglobins gebunden. Es lässt sich daraus wohl fol-
gern, dass das Hämoglobin, wie schon von verschiedenen
Forschern hervorgehoben wurde, in der That als eine
— 18 —
eigenthümliche gepaarte Substanz zu betrachten ist, in
der ein albuminartiger Atomcomplex mit einem andern
Körper, der eigentlichen Basis des Blutfarbstofls, in un-
bekannter Weise verbunden ist, jedenfalls aber so, dass
eine Spaltung der Verbindung durch die verschiedensten
Wirkungen leicht erfolgt... Einer ansehnlichen Reihe von
thierischen und pflanzlichen Fermenten sich anschliessend,
‚zeigt das Hämoglobin die drei mehrmals erwähnent Eigen-
schaften des Platinmetalls und zwar ist das katalysirende
sowohl, als das ozonisirende Vermögen eine Thätigkeits-
äusserung, welche den Hämoglobin als solchem zukommt
und von dem Bestande oder den Veränderungen dieses
Körpers unmittelbar abhängig ist; zudem scheint der ei-
weissartige Paarling im Hämoglobin in enger Beziehung
zu der katalytischen Fähigkeit zu stehen, was unter an-
derm daraus hervorgeht, dass derselbe, wenn er sich
aus dem Hämoglobin abspaltet, noch einen gewissen Grad
jenes Vermögens zeigt. Dagegen muss die Fähigkeit der
Ozonübertragung, die bei andern Fermenten von den
beiden übrigen Eigenschaften nicht zu trennen ist, bei
dem Blutfarbstoff nicht sowohl diesem selbst, wie er im
Hämoglobin sich darstellt, zugeschrieben werden, als viel-
mehr jenem Blutfarbstoff „im engern Sinne“, d. h. dem
Körper, welcher einen der nähern Bestandtheile des
Hämoglobins ausmacht und bei dessen Spaltungen neben
dem Eiweiskörper als „Hämatin* auitritt, mag nun dieses
Hämatin der unveränderte Spaltungskörper oder schon
eine theilweise oxydirte Substanz sein. Ueberdiess ist
aber die ozonübertragende Eigenschaft nicht allein dem
im Hämoglobin enthaltenen Hämotin oder wenigstens dem
als Hämatin sich abtrennenden Atomcomplex eigen, son-
dern auch den Produkten, die sich bei Spaltung des
Hämoglobins durch Oxydationsmittel in schwacher Lösung
— 10 —
‚bilden und wahrscheinlich als noch höher oxydirtes Hä-
malin anzusehen sind.
Das Hämoglobin, welches mit dem feinzertheilten
Platin auch die Fähigkeit der Absorption und Festhaltung
gewisser Gase theilt, zeigt demnach gewissermassen eine
doppelte Natur, indem abweichend vom Platin seine ver-
schiedenen Eigenschaften nicht aus ein und derselben
noch unbekannten Grundursache zu entspringen scheinen,
sondern bis zu gewissem Grade unabhängig nebenein-
ander bestehen. Aus dieser merkwürdigen Thatsache
erklärt sich das chemische Verhalten des Hämoglobins
ohne grosse Schwierigkeit; alle Einflüsse, welche bei den
Fermenten eine Coagulation, chemische Zersetzung oder
anderweitige bleibende Veränderung erzeugen (wie che-
mische Agentien und Erhitzung) oder aber, wie die Blau-
säure, eine merkwürdige, noch räthselhafte Zustands-
änderung der Fermentmaterie — vielleicht eine Modifi-
kation molecularer Bewegungsphänomene ? — veranlassen,
müssen auch bei dem Blutzelleninhalt die katalytische
Kraft, zugleich aber, wie ich glaube, auch das ozonisirende
Vermögen und damit die physiologische Funktion auf-
heben; und zwar treten bei der Veränderung durch Blau-
säure, deren Wirkung wir — zugleich ein Geständniss
unserer Unwissenheit — als entschiedene Contactwirkung
anzusehen haben, die normalen Verhältnisse nach Ent-
fernung der Blausäure wieder ungeschwächt ein. Andrer-
seits ist die ozonübertragende Eigenschaft, da sie dem
Hämatin und den damit verwandten Körpern wesentlich
eigen zu sein scheint, von jenen Einflüssen auf das Hä-
moglobin unabhängig, steht jedoch, wie ich annehmen
muss, in naher Beziehung zu der ausserordentlichen
Oxydirbarkeit des einen Bestandtheils im Hämoglobin,
wenn nämlich das Hämatin früher oder später sich als
— 15° —
Oxydationsprodukt eines ersten Stadiums herausstellen
sollte. Immerhin bleibt es höchst beachtenswerth, dass
das Hämatin, abweichend vom Hämoglobin, durch Er-
wärmung innerhalb gewisser Grenzen, sowie durch Blau-
säure keine Veränderung seiner Eigenschaften erleidet.
Auf Grund der vorstehenden Betrachtung gewinnt
nun auch jene Reaktion von Blausäure und Wasserstoff-
superoxyd auf das defibrinirte Blut oder auf Hämoglobin-
lösung ein besonderes theoretisches Interesse, indem sie
zugleich die geäusserte Ansicht über den, wenn ich mich
so ausdrücken darf, zweifachen Charakter des Blutfarb-
stoffs (Hämoglobins) weiter bestätig. Wenn ich die
normale Katalyse des Wasserstoffsuperoxyds durch Blut-
körperchen mit den Erscheinungen vergleiche, die bei
gleichzeitiger Gegenwart von Blausäure eintreten, so
scheint mir keine bessere Deutung dieser Thatsachen
möglich, als die Annahme, dass das Hämoglobin als
solches (ebenso wie das Oxyhämoglobin und CO-Hämo-
globin) in seiner katalytischen Wirkung auf Wasserstoff-
superoxyd durchaus mit dem Platin und mit organischen
Fermenten übereinstimmt und dass ferner das Hämo-
globin mit diesen Körpern auch die Fähigkeit gemein
hat. den atmosphärischen Sauerstoff anzuziehen, dem-
selben die Eigenschaften des Ozons zu ertheilen und ihn
so zur Oxydation anderer Substanzen zu befähigen,
während andrerseits ein näherer Bestandtheil des Hämo-
globins, der uns im Hämatin, sei es in unveränderter,
sei es in oxydirter Form, entgegentritt, die Natur des
Eisenoxyduls in den Eisenoxydulsalzen oder des Blei-
oxyds in den basischen Bleisalzen besitzt. Diese Körper
zeigen beide in hohem Grade die Eigenschaft der Ozon-
übertragung, sind durch Ozon und Ozonide leicht höher
oxydirbar und werden auch durch Wasserstoffsuperoxyd,
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 758.
— HM
welches in diesem Falle ohne Sauerstoffentbindung zer-
setzt wird, in Eisenoxyd und Bleisuperoxyd übergeführt,
indem dabei nach Schönbein’s Annahme das Antozon des
Wasserstoffsuperoxyds in Ozon verwandelt wird.
Bringt man Hämoglobin mit Wasserstoffsuperoxyd
zusammen, so beobachtet man jene bekannte, von starker
Gasentwicklung begleitete Zerlegung des Superoxyds, und
zwar vermag eine sehr kleine Menge von Hämoglobin-
lösung relativ grosse Mengen gelöstes Wasserstoflsuper-
oxvd zu zersetzen; erst nach längerem‘ Zufügen dieses
letztern verändert sıch die Blutfarbe , um endlich unter
Bildung weisslicher eiweissartiger Gerinnsel ganz zu ver-
schwinden, wobei die, zur Zersetzung und Oxydation des
Hämoglobins nothwendige Menge Sauerstofls nur, einen
minimen Bruchtheil des gasförmig entbundenen Sauer-
stoffs ausmacht. Dieser Umstand, über den die genaueren
Angaben in den. Schönbein’schen Abhandlungen ; sich:
finden, ist sehr bemerkenswerth, denn bei dieser Katalyse
des Wasserstoffsuperoxyds wird entweder nach Schön-
bein das Antozon des: Superoxyds durch das Blut in
Ozon verwandelt, welches sich mit weiterem Antozon zu
gewöhnlichem "Sauerstoff umsetzt („Depolarisation des
Sauerstoffs“), oder es wird, um von jeder Theorie abzu-
sehen, unter dem Einfluss der Blutzellen die Hälfte Sauer-
stoff aus dem Wasserstoflsuperoxyd abgespalten.' Es steht
also in dieser Reaktion das Hämoglobin in fortwährender
Berührung mit ozonisirtem oder neutralem Sauerstoff in
nascirendem Zustande, und die Thatsache, dass dieses
Gas, ohne: die Blutlösung sichtbar zu verändern, ent-
bunden wird, beweist daher, dass dem unveränderten
Hämoglobin als solchem eine, wenn auch nicht vollstän-
dige, doch sehr merkliche Widerstandsfähigkeit ‘gegen
Sauerstoff und wohl auch andere Gasarten eigen ist.
Diese eigenthümliche chemische Indifferenz, ebenfalls in
vollkommener Analogie mit dem Verhalten des Platins,
erklärt auch die Eigenschaft des Blutzelleninhalts, gleich
manchen pflanzlichen Materien,, während einer gewissen
Zeitdauer in lockerer, leicht aufzuhebender Verbindung
mit gewöhnlichem und, wie ich annehme, auch mit ozoni-
sirtem Sauerstoff bestehen zu können, eine Fähigkeit, in
der die Physiologie mit vollem Rechte einen der wesent-
lichsten Faktoren in der Funktion der Blutkörperchen
erblickt.
Wird andererseits eine Blutlösung mit wässerigem
Wasserstoffsuperoxyd zusammengebracht, nachdem der
einen oder anderen dieser Flüssigkeiten geringe Mengen
von Cyanwasserstoff beigemengt worden sind, so zeigt
sich durch den Contact der Blausäure die „Ferment-
natur“ des Blutfarbstoffes (Hämoglobins) gehemmt und
es tritt dann jene schon berührte zweite Eigenschaft zu
Tage, d. h. es verhält sich nun die Blutflüssigkeit (seı
dieselbe defibrinirtes Blut oder Hämoglobinlösung) analog
dem Eisenoxydul- und Bleioxydhydrat oder den Lösungen
dieser Basen. Das Wasserstoffsuperoxyd wird daher
nicht mehr unter Gasentbindung zerlegt, sondern der
locker gebundene Sauerstoff wirft sich, wie dort vauf
Eisenoxydul oder Bleioxyd, so hier auf jenen Atom-
complex, den man als „Hämatingruppe* im Hämoglobin
ansehen kann, und es entsteht so jene veränderte, braun-
gefärbte Flüssigkeit, die Schönbein zuerst beobachtete
und die, wenn auch nicht im Absorptionsspectrum , so
doch in den übrigen Eigenschaften die grösste Aehnlich-
keit mit den Hämatinlösungen und ‚den durch ozon-
führende Verbindungen veränderten Blute zeigt. In zweiter
Linie stimmt das blausäurehaltige (arterielle und venöse)
Blut auch darin mit den genannten Metalloxyden überein,
— 108 —
dass demselben die ozonübertragende Fähigkeit (ebenso
wie dem unvermischten Blute) zukommt, so dass dieselbe
Blutlösung, die in Folge ihres HCy-Gebaltes durch Wasser-
stoffsuperoxyd gebräunt wird, andererseits die leichte
Oxydation des Cyanins, Guajakharzes, Indigoblaus, Ani-
lins und anderer Materien durch H,O, bewerkstelligt,
wobei jedoch höcast wahrscheinlich das Hämoglobin eben-
falls chemisch verändert wird.
Diese Erläuterungen mögen vielleicht zum weiteren
Verständniss der Beobachtungen Schönbein’s ein weniges
beitragen, wenn ich auch die Möglichkeit wohl voraus-
sehe, dass diese Ansichten in Folge genauerer Unter-
suchung von so schwierig zu isolirenden Körpern anderen
und besseren Erklärungen weichen werden. Es scheint
mir jedoch zweckmässiger und fördernder, eine Reihe
interessanter Thatsachen, wenn auch mit aller Zurück-
haltung, zur Besprechung und so zu allgemeinerer Kennt-
niss zu bringen, als dieselben lediglich da oder dort
abgedruckt zu wissen und zu lassen.
Ich kann diesen Gegenstand jedoch nicht verlassen,
ohne noch der neuesten Veröffentlichung von Hoppe-
Seyler: „Ueber die Zersetzungsprodukte des Hämoglobin“
(Ber. d. deutschen chem. Ges. 1870, Heft 5) hier zu er-
wähnen. Auf den Inhalt näher einzugehen, würde in
diesem Aufsatze zu weit führen; es sei mir daher wenigstens
gestattet, meine lebhafte Freude darüber auszudrücken,
dass diese jüngste Arbeit des ausgezeichneten Forschers
nicht nur in keinerlei Widerspruch zu den vorstehenden
Mittheilungen steht, sondern dass ich vielmehr darin eine
ebenso unverhoffte, als werthvolle Stütze für manche
der geäusserten Ansichten erblicke. Von besonderer
Wichtigkeit in der Arbeit von Hoppe-Seyler, die mir
leider erst nach Aufzeichnung der obigen Betrachtungen
— 4109 —
“u
über den Blutfarbstoff zu Gesicht kam, scheint mir der
experimentelle Nachweis eines Punktes, der für mich aus
verschiedenen Gründen fast zur Gewissheit geworden
war, der Thatsache nämlich, dass die Substanz, die wir
als „Hämatin* aus dem Hämoglobin entstehen sehen,
nicht nur ein Spaltungs-, sondern zugleich ein Oxydations-
produkt ist und dass sowohl dem Farbstoffe des venösen
Blutes (Hämoglobin) als demjenigen des arteriellen (Oxy-
hämoglobin) ein näherer Bestandtheil eigen ist, den Hoppe
vor der Hand als „Hämochromogen“* bezeichnet und der
bei vollkommenem Luftabschluss als solcher sich aus
dem Blutfarbstoff abspaltet, dagegen bei Zutritt von Sauer-
stoff oder oxydirenden Substanzen in Form des „Hämatins“
oder anderweitiger verwandter Produkte austritt. Eine
Haupteigenschaft dieses „Hämochromogens * ist seine
ausserordentliche Oxydirbarkeit, denn diese ist so gross,
dass sich dieser Körper, während er (z. B. in stehendem
oder filtrirendem Blute) noch einen Bestandtheil des un-
veränderten Hämoglobins ausmacht, schon dann mit Sauer-
stoff, sei es dem im Oxyhämoglobin enthaltenen oder im
Blutserum aufgelösten, fester verbindet und so das „Met-
hämoglobin* bildet, das wir nun nach Hoppe’s Beob-
achtungen als hämatinführendes Hämoglobin ansehen
können, insofern es bei Spaltung unter Luftauschluss nicht
„Hämochromogen“, sondern Hämatin liefert. Ich habe
mit Hämochromogenlösungen, nach Hoppe’s Angaben be-
reitet, eine Anzahl von Versuchen angestellt und dabei
wenigstens die ungeschwächte Existenz der ozonüber-
tragenden Eigenschaft beobachtet, inwiefern dagegen, was
wahrscheinlich ist, das Hämochromogen sich in Bezug
auf das katalytische Vermögen von dem normalen Blut-
farbstoff unterscheidet, vermochte ich mit Sicherheit noch
nicht festzustellen. Das das „Hämochromogen“ mit dem
— 10 —
sogenannten reducirten Hämatin identisch sein möchte,
erscheint auch mir. aus verschieden Ursachen höchst
zweifelhaft; doch ist es wohl geratken, in diesem Punkte
die weiteren entscheidenden Versuche, die Herr Hoppe-
Seyler in Aussicht stellt, abzuwarten.
Jedenfalls kann die Natur des „Hämochromogens*,
wie sich dieselbe aus der Untersuchung Hoppe-Seyler’s
ergibt, wenn ich nicht irre, das nur rechtfertigen, was ich
weiter oben als zweiten Charakter des Hämoglobins und
als Analogie mit dem Eisenoxydul bezeichnet und wesent-
lich der Gegenwart des bisher als Hämatin angeführten
näheren Bestandtheils des Blutfarbstoffs zugeschrieben
hatte, und es würde nun die Verschiedenheit in dem
Verhalten des blausäurefreien und des blausäurehaltigen
Blutes gegen Wasserstoffsuperoxyd kurz so aufzufassen
sein, dass in dem ersten Falle wesentlich der Charakter
des normalen Hämoglobins, in dem andern aber der-
jenige des „Hämochromogens“ zur Geltung kommt.
Es wird daher noch die Frage zu entscheiden sein,
ob Lösungen des reinen Hämochromogens durch Wasser-
stoffsuperoxvd in derselben Weise verändert und gebräunt
werden, wie Hämoglobinlösungen, die Blausäure enthalten,
und endlich wäre auch noch vollständige Sicherheit dar-
über zu erlangen, ob das Vermögen der Ozonübertragung,
das nicht nur dem Hämoglobin und Hämochromogen,
sondern, wie ich annehmen muss, auch dem Hämatin und
mehreren anderen sauerstoffreicheren Körpern, als das
Hämochromogen, zukommt, wirklich diesen letztern Ma-
terien eigen oder vielleicht von noch 'beigemengtem
Hämochromogen und Methämoglobin abhängig ist, eine
Möglichkeit, die jedoch nach meinen Erfahrungen nur
einen sehr geringen Grad von Wahrscheinlichkeit besitzt.
_ A
Wenn Hoppe-Seyler am Schlusse seiner Mittheilung
die Bildung von Hämatin aus Hämoglobin mit derjenigen
von Indigblau aus Indican vergleicht, so konnte meines
Erachtens kein glücklicheres Bild gewählt werden, denn
es kann Niemandem entgehen, dass die Beziehungen, die
zwischen Hämoglobin, Hämochromogen und Hämatin ob-
walten, die grösste Aehnlichkeit mit denjenigen des In-
dicans, Indigweisses und Indigblau’s besitzen. Die ani-
malische Materie, die wir, wenn auch nicht rein isolirt,
in dem neu ermittelten „Bämochromogen*“ vor uns sehen,
zeigt in der That die deutlichsten Analogien zu dem
vegetabilischen Stoffe, dem Indigchromogen oder Indig-
weiss und ebenso auch zu Verbindungen anorganischer
Art, wie namentlich Eisenoxydul. Alle drei Substanzen
werden namentlich durch ozonhaltige Verbindungen, all-
ein auch durch Berührung mit freiem Sauerstoff leicht
oxydirt, welch’ letzteres Phänomen für Eisenoxydul und
Indigweiss namentlich beim Schütteln oder Erwärmen
mit atmosphärischer Luft, für das Hämochromogen durch
die leichte Hämatinbildung beim Erhitzen arterieller Blut-
lösung wahrzunehmen ist; dagegen besteht immerhin
der Unterschied, dass Eisenoxydul und Hämochromogen
in Folge ihrer ozonübertragenden Fähigkeit zu Wasser-
stoffsuperoxyd ein anderes Verhalten zeigen, als Indig-
weiss, welches von dieser Verbindung (in diesen Mit-
theilungen stets in verdünnter wässriger Lösung verstanden)
unter gewöhnlichen Umständen nicht verändert wird und
auch keine Katalyse derselben bewirkt.
Nach dieser Besprechung des Blutfarbstoffs und seines
Verhaltens zu Cyanwasserstoff möge in Kürze von der
Wirkung des Phenols auf die charakteristischen Eigen-
schaften des Hämoglobins und ‘anderer thierischer und
pflanzlicher nicht organisirter Fermente die Rede sein.
a
Nach den merkwürdigen Thatsachen, welche Schönbein
über den Einfluss der Blausäure auf die Wirkungen der
Fermentkörper ermittelte,schien es mir geboten, wenigstens
das Phenol, als den neuesten und wichtigsten jener Körper,
die in Folge ihrer chemischen Einwirkung auf N-haltige,
namentlich fermentartige Materien des Thier- und Pflanzen-
reiches als sogenannte „conservirende und desinficirende
Substanzen“ verwendet und anempfohlen werden, in
seinem Verhalten zu einer Anzahl anerkannter Fermente
zu prüfen und dabeı die nichtorganis.rten Ferment-
materien, wie Milchferment, Speichelferment, Emulsin, Malz-
ferment ete. von organisirten Fermenten, zu welchen
bei unseren jetzigen Kenntnissen Hefe und viele andere
Pilzorganismen und wohl auch gewisse einzellige Algen
zu rechnen sind, auseinanderzuhalten. Das Ergebniss
der betreffenden Versuche geht dahin, dass die Wirkung
des Phenols und ähnlicher Substanzen von derjenigen
der Blausäure auf die Fermente in ihrem Wesen durch-
aus verschieden ist, insofern dieselbe stets auf einer
wirklichen Veränderung der N-haltigen Stoffe beruht,
während bei der Blausäure keinerlei Veränderung blei-
bender Art, sondern lediglich eine unerklärte Berührungs-
wirkung stattfindet. Ungeachtet eine Reihe von eiweiss-
artigen Substanzen durch Phenol unter der Erscheinung
der Coagulation eine Veränderung erleiden, so zeigt sich
dennoch, dass diejenigen Fermente, die als nichtorganisirt
aufzufassen sind, durch Phenol in ihrem charakteristischen
Fermentcharakter (namentlich ihrem Verhalten zu gewissen
Sauerstoffzuständen) nicht wie durch Cyanwasserstoff ver-
ändert werden und dass, wo eine solche Veränderung
stattfindet, diess entweder nur in sehr geringem Grade,
oder in Folge sekundärer Umstände geschieht. Ich habe
die zu erwähnenden Versuche mit Phenol mit einer zu
— 13 —
diesen Zwecken sehr passend, weil mit allen Flüssigkeiten
leicht mischbaren Lösung reinen krystallisirten Phenols
in chemisch-reinem, destillirtem Glycerin angestellt, welche
Lösung vollkommen klar und im Verhältniss von 1 : 10
bereitet war.
Was zunächst das Blut angeht, so ergab sich bei
Versuchen mit defibrinirtem arteriellen Blute verschiedener
Thiere, dass Phenol selbst in beträchtlicheren Mengen
die durch die Blutkörperchen bewirkte Bläuung eines
Gemenges von antozonhaltigem Terpentinöl oder Wasser-
stoffsuperoxyd mit @uajaktinktur nicht verhindert. Da-
gegen wird die Wirkung in demselben Maasse verlang-
samt, als eine Coagulation von Serumbestandtheilen und
daher eine Einschliessung der Blutzellen in das Coagulum.
erfolgt; bei verdünnten Lösungen des Phenols ist die
Wirkung eine ungeschwächte. Dieselben Beobachtungen
wurden auch in Betreff der Katalyse des Wasserstoff-
superoxyds durch Blutlösung gemacht.
Was das Milchferment betrifft, welche allerdings nicht
isolirte Substanz jedoch nicht mit den in der Milch auf-
tretenden Pilzen zu verwechseln ist, so verhindert auch
hier das Phenol in kleineren Mengen die so energische
Bläuung des Wasserstoffsuperoxyd-haltigen Jodkalium-
kleisters (und auch Superoxyd-haltigen Guajaktinktur)
durch die Milch nicht, obwohl das Casein durch kleinste
Mengen Phenols coagulirt wird. Dagegen wird diese
Reaktion durch grössere Mengen Phenols, sowie auch
durch Säuren, z. B. SO, verhindert. Von der katalytischen
Wirkung der Milch gelten ganz ähnliche Verhältnisse,
während Blausäure schon in sehr geringen Mengen so-
wohl die katalytische als die ozonübertragende Eigenschaft
des Milchfermentes wesentlich verlangsamt, so lange sich
dieselbe in Contact mit der Flüssigkeit befindet.
Bern. Mittheil. 1871, Nr. 759,
— Mi —
Bei diesem Anlasse will ich auf Grund weiterer Ver-
suche, bei denen die Milch unmittelbar von der Drüse
in mit Luft gefüllte, vorher längere Zeit auf 100° erhitzte
und durch (in Phenoldämpfen gelegene) Baumwolle sorg-
fältig verstopfte Gefässe geleitet wurde, die schon in dem
Anfangs angeführten Aufsatze ausgesprochene Vermuthung
nun bestimmter wiederholen, dass nämlich die bei ste-
hender Milch beobachtete Sauerstoffabsorption und die
darauf eintretende Milchsäurebildung mit dem eigenthüm-
lichen, nicht organisirten Fermentkörper der Milch in
nächster Beziehung steht, womit das Auftreten von Pilz-
organismen und daherige chemische Veränderungen keines-
wegs ausgeschlossen sind. So vermag ich z. B. die Frage,
. ob die unter Umständen beobachtete Fettvermehrung der
Milch beim Stehen (höchst wahrscheinlich durch Ver-
änderung der Eiweisskörper) von der Gegenwart von
Organismen abhängig ist, oder aber ebenfalls mit jenem
Fermente zusammenhängt, ungeachtet verschiedener Ver-
suche nicht zu entscheiden, da sich der Feststellung
dieser und ähnlicher Dinge allzuoft unerwartete Schwierig-
keiten entgegenstellen. Zudem scheint nach neuesten
Untersuchungen eines englischen Forschers die bisher
allgemein anerkannte Zerstörung thierischer und pflanz-
licher Keime durch die Temperatur der Wassersiedhitze
keineswegs immer stattzufinden, so dass in diesem Falle
viele Versuchsreihen der Verificirung bedürften. Auch
das Ferment des Speichels, das durch Blausäure ebenso
wie die übrigen Fermente in seinen Wirkungen gehemmt
wird, wird durch Phenol weder in seiner katalytischen,
noch in seiner ozonübertragenden Eigenschaft verändert
und auch die Aktion auf Stärke und auf gewisse Gluco-
side scheint durch die Gegenwart des Phenols keineswegs
beeinträchtigt, während z. B. kurzes Erwärmen auf 90
— AMM5
bis 100° die Fermentwirkungen des Speichels nabezu
aufhebt.
Nebenbei finde ich, dass die auffallend deutliche
Fähigkeit frischen Speichels, ein Gemenge von Jodkalium-
stärkekleister und Wasserstoffsuperoxyd zu bläuen, in
annähernd umgekehrtem Verhältniss zu dessen Gehalt an
Rhodanalkali steht, und dass diese Reaktion des Speichels
z. B. durch Zusatz von Rhodankalium abgeschwächt
werden kann; dagegen ist der Rhodansalzgehalt ohne
Einfluss auf die Bläuung der Wasserstoffsuperoxyd-haltigen
Guajaktinktur durch Speichel, welche Reaktion sonder-
barer Weise der erstgenannten an Energie bedeutend
nachsteht. Der Gehalt des Speichels, sowohl an Rhodan-
salz, wie an Ferment, variirt übrigens wie bekannt sehr
merklich bei verschiedenen Individuen und es scheint
diess nicht nur mit den Bedingungen der Speichel-
absonderung, sondern auch mit individuellen, zum Theil
pathologischen Verhältnissen zusammenzuhängen. *)
Was endlich die zahlreichen Fermentmaterien des
Pflanzenreiches betrifft, so zeigt sich hier noch deutlicher
als in den bis jetzt angeführten Fällen der Unterschied
der Blausäure und des Phenols. So bleibt z. B., um hier
*) Bei Anlass dieser Notizen über thierische Fermente erinnere
ich an die werthvolle Untersuchung von Adolf Mayer „Ueber die
Wirkungsweise des Pepsins bei der Verdauung“ (Zeitschr. für Bio-
logie V. 311), worin die durch neuere Forschungen und besonders
durch eine Entdeckung des genannten Chemikers nahegelegte An-
sicht erörtert wird, dass die Verdauung und wohl noch andere physio-
logische Processe in das Gebiet der Gährungen durch niedere Orga-
nismen fallen und dabei die „Pepsin“, „Ptyalin“ u. s. w. genannten
Körper, denen man bisher eine Contactwirkung zuschrieb, lediglich
als Nährstoffe jener Organismen fungiren. Die Versuche Mayer’s,
obschon nach seiner eigenen Aussage nicht absolut entscheidend,
sprechen sehr deutlich gegen diese Annahme, insoweit sie die Ver-
dauung betrifft.
— 16 —
nur eine Gruppe pflanzlicher Fermente’ zu besprechen,
sowohl die katalytische, als die ozonübertragende Fähig-
keit der wässerigen Auszüge des Malzes, der Mandeln,
der Senfkörner und zahlreicher anderer keimfähiger
Saamen, die sämmtlich Fermente führen, durchaus un-
geschwächt, und es wird auch die Keimfähigkeit durch
Einlegen solcher Saamen in verdünnte Phenollösungen
nicht beeinträchtigt, während diess bekanntlich durch
Erhitzen und nach Schönbein’s Arbeiten auch durch Be-
rührung mit sehr verdünnter Blausäure in bedeutendem:
Maasse geschieht.
Von besonderem praktisch-chemischen Interesse
scheint mir die Thatsache, dass das Phenol speciell auf
die Bläuung eines Gemenges von Guajaklösung (oder
Jodkaliumkleister) und Wasserstoffsuperoxyd durch fri-
schen Malzauszug durchaus ohne Einfluss ist, so dass
der Malzauszug, der in Verbindung mit Guajaktinktur ein
so werthvolles Reagens auf das theoretisch wichtige
Wasserstoffsuperoxyd bildet, in Folge der bekannten Ein-
wirkung des Phenols auf Schimmelpilze an dem so lästigen,
leichten Schimmeln durch geringen Phenolzusatz ver-
hindert werden kann, ohne seine ozonübertragende
Eigenschaft einzubüssen.
Was nun den eigentlichen Grund der Wirksamkeit
des Phenols als zersetzungswidriges Mittel angeht, so
glaube ich, so weit wenigstens meine Kenntniss und Be-
obachtung geht, an der vielfach vertretenen Ansicht fest-
halten zu müssen, dass das Phenol entweder gewisse
N-haltige Materien aus der Eiweissgruppe coagulirt oder
überhaupt irgendwie verändert und so gegen Zersetzungen
und Einfiuss der Atmosphärilien widerstandsfähig macht,
oder aber durch Vernichtung der Lebensfähigkeit thie-
rischer und pflanzlicher Keime wirkt; in diesem letztern
— 17 —
Falle mag ebenfalls eine Veränderung der Substanz jener
niedern Organismen vorliegen, ich will aber hinzufügen,
dass mir die pilzzerstörende Wirkung des Phenols (und
ähnlich wirkender Stoffe) noch speciell auf einer blei-
benden Veränderung der Fermentmaterien zu beruhen
scheint, die ich als nie fehlenden Bestandtheil des Zellen-
inhalts niederster pflanzlicher und wohl auch thierischer
Bildungen annehme. Jedenfalls scheint zwischen den
„organisirten* und „nicht organisirten* Fermenten unge-
achtet aller sonstigen Uebereinstimmung dennoch ein
gewisser Unterschied in dem Verhalten zu Phenol zu
bestehen, und ich will, um Missverständnisse zu verhüten,
hier noch beifügen, dass ich eine gewisse Classificirung
der Fermente im Augenblicke noch als geboten erachte
und dabei unter „nichtorganisirten Fermenten* Materien
verstehe, die in höhern Thieren und Pflanzen höchst
wahrscheinlich in löslicher und gelöster Form in ver-
schiedenen Organen sich finden, während als „organisirte
Fermente“ nicht sowohl (nach bisherigem Sprachge-
brauche) niedrige Organismen des Pflanzen- und Thier-
reichs als solche zu verstehen sind, sondern vielmehr
gewisse noch nicht isolirte Körper, die in löslicher, viel
wahrscheinlicher aber in „organisirter“ (protoplasmatischer)
Form einen Bestandtheil jener miskroskopischen Bildungen
ausmachen. Mögen aber die Fermentkörper der einen
oder andern Gruppe angehören, so haben sie doch das
gemeinsame Kennzeichen, dass zur Entfaltung ihrer Thätig-
heit stets Feuchtigkeit, eine bestimmte Temperatur und
in vielen Fällen Sauerstoff gehört, und im fernern ver-
mögen diese Materien auch bei Entziehung jener Be-
dingungen (bei Eintrocknung und Erkältung) ihre charak-
teristischen Eigenschaften — die Fähigkeit zu bestimmter
chemischer Arbeit — zu bewahren, ein eigenthümliches
— N: —
Verhalten, mit dem nicht nur z. B. die hartnäckige Keim-
kraft vieler Pflanzensaamen und Pilzsporen, sondern, wie
ich glaube, auch manche Phänomene des sogenannten
„latenten Lebens“ in niedern Thierklassen zusammen-
hängen, Erscheinungen, die mehr und mehr in den Be-
reich chemischer und physikalischer Untersuchung zu
gelangen verdienen.
Il. Ueber das Verhalten des Cyanwasserstoffs und
Phenols zur Hefe und zu Schimmelpilzen.
Die gewöhnliche Hefe und wohl auch andere Hefe-
arten scheinen sich, als Repräsentanten der organisirten
Fermente, zu Phenol anders zu verhalten, als die im vor-
stehenden Abschnitte angeführten Fermentkörper. Lässt
man Hefezellen (Saccharomyces cerevisiae) in Berührung
mit einer wässerigen Phenollösung (1 Procent Phenol
enthaltend und durch Mischung des erwähnten Phenol-
Glycerins mit Wasser bereitet), so vermag die Hefe sehr
bald die charakteristischen Fermentwirkungen nicht mehr
hervorzubringen, d. h. es findet sich sowohl das kata-
Iytische Vermögen gegen Wasserstoffsuperoxyd, als auch
die den Fermenten eigene energische Reduktion der
Nitrate zu Nitriten beinahe aufgehoben, und unter gleichen
Umständen wird bekanntermaassen, wenn die Flüssigkeit
zuckerhaltig und in alkoholischer Gährung begriffen ist,
auch. die Gährung eingestellt und der Hefepilz in seiner
weitern Vegetation verhindert, nach gewöhnlichem Sprach-
gebrauche „getödtet“. Nach den neueren, ziemlich all-
gemein verbreiteten Ansichten über die Gährung (ins-
besondere die Alkoholgährung) liegt in diesen Thatsachen
nichts aussergewöhnliches; es kann einfach angenommen
werden, dass ein wichtiger stickstoffhaltiger Hefebestand-
theil, dem man katalytisches Vermögen und stark redu-
cirende Fähigkeit Nitraten gegenüber beimisst, durch
— 19 —
Phenol verändert, dadurch aber jene Eigenschaften auf-
gehoben und zugleich die Lebensfähigkeit der Hefepflanze
vernichtet werde; dieser letztere Umstand wird dann
als erste und natürlichste Folge die Sistirung der Gährung
nach sich ziehen. Wenn wir aber nächst der Wirkung
des Phenols und mehrerer anderer Substanzen auf die
Hefe und die Gährung auch die so überraschenden Be-
obachtungen Schönbein’s über den Einfluss der Blausäure
auf Hefe (und Fermente überhaupt) näher in Betracht
ziehen und dabei auf die Thatsache stossen, dass durch
geringe Mengen von Blausäure die katalytische Eigen-
schaft der Hefezellen, deren reducirendes Vermögen (auf
Nitrate), die ozonübertragende Wirkung und namentlich
die Fähigkeit der Gährungserregung annähernd aufge-
hoben, nach Entfernung der Blausäure durch Verdampfung
aber restituirt werden, so muss zugegeben werden, dass
dies, zwar nicht mit der Grundidee der neuesten Gährungs-
theorien, allein doch mit gewissen Formulirungen der-
selben (z. B. der Auffassung von Alkohol und Koblen-
säure als einfache Abfälle des Hefe-Ernährungsprocesses)
in einigem Widerspruch steht. Jedenfalls kann, wenn
wir z. B. die durch frische Hefe in Wasserstoffsuperoxyd-
lösungen bewirkte stürmische Sauerstoflentbindung in's
Auge fassen, diese katalytische Fähigkeit, die nach allen
von Schönbein ermittelten Fakten in engster Beziehung
zu der Gährungserregung steht, damit gänzlich Hand in
Hand geht und daher auf eine gemeinsame Grundursache
hindeutet, doch unmöglich als eine Folge des Waclhıs-
thums und der Ernährung des Hefepilzes angesehen
werden, was aber nach den Ansichten Vieler consequenter
Weise geschehen müsste.
In der Ueberzeugung, dass die Arbeiten mancher
neuerer Forscher über die Gährung mit den Unter-
suchungen Schönbein’s sich in befriedigender Weise,
— 120 —
wenn auch mehr anregend, als abschliessend, vereinigen
lassen, konnte ich sche, umhin, vor einiger Zeit die bezüg-
lichen Anschauungen meines verehrten Lehrers, die er
in zusammenhängender Weise zu erörtern unterliess,
eingehender zu besprechen (V. J. S. f. prakt. Pharmacie
1869. II & IV. — Verhandlungen der Berner Naturf.
Gesellschaft 4869). Indem ich, um Gesagtes nicht zu
wiederholen, hierauf verweise, sei nur in gedrängter
Kürze bemerkt, dass die Schönbein’schen Ansichten, die
ich hier auch als die meinigen vertrete, jenes wichtigste
Faktum, den engen Zusammenhang der Gährung mit den
Wachsthums- und Vermehrungserscheinungen, kurz ge-
sagt mit dem Leben des Gährungspilzes, unangetastet
lassen ; dagegen liegt der unterscheidende Cardinalpunkt
vielmehr darin, dass die mehrfach erwähnten verschie-
denen Eigenschaften der Hefe und namentlich die Zer-
legung des Zuckers auf die Gegenwart einer Ferment-
materie in der Hefezelle zurückführen werden, welche
Materie in verschiedenen Pilzarten ebenso verschieden,
wie in den Organen höherer Thiere und Pflanzen, charak-
teristische Spaltungen und chemische Veränderungen
(analog den Wirkungen des Magensaft- und Speichel-
ferments, der Diastase, des Emulsins etc.) zu bewirken
vermag und zugleich dadurch für den Lebensprocess der
Hefe von grösster Wichtigkeit ist, dass sie sehr wahr-
scheinlich gewisse Spaltungen im Nahrungssafte einleitet
und nebenbei die den Pilzen eigene Sauerstoffathmung
vermittelt. Während daher in den Fällen, wo wir Auf-
hebung der Gährung durch verschiedene Einflüsse wahr-
nehmen, gewöhnlich die Tödtung des Hefepilzes als
vorangehend und als Grund der Erscheinung angenommen
wird, sind nach der andern Auffassung beides gleich-
zeitige Phänomene, von einer Veränderung des „Hefe-
fermentes* herrührend.
— 121 —
Hierbei bin ich auf zwei stets wieder auftauchende
Einwände wohl gefasst, dass nämlich durch eine solche
Annahme die Alkoholgährung (gleich der Bildung von
Bittermandelöl, Senföl, Saligenin u. s. w. durch Wirkung
von Emulsin, Myrosin und Speichelferment auf gewisse
Glycoside) wieder in die so unbequeme Kategorie der
Berührungswirkungen gestellt werde, und zweitens, dass
ja solche Fermentmaterien, wie sie als Bestandtheile von
Pilzzellen anzunehmen wären, noch keineswegs irgendwie
dargestellt seien. Auf den ersten Punkt antwortet die
einfache Frage, ob denn etwa das Auftreten von Alkohol
und Kohlensäure, wenn als Resultat des Pilzstoffwechsels
bezeichnet, wirklich besser erklärt ist, da ja doch irgend
ein Anstoss von irgendwoher die Spaltung des Zuckers
einleiten muss, wobei ich auf die interessanten Betrach-
tungen Baeyers über die Zuckergährung (Ber. d. deutsch.
chem. Ges. 1870, pag. 63) hinweise; was den andern
Einwand betrifft, so kann ich nur bekennen, dass ich mit
Schönbein glaube, es liegt in dem räthselhaften Gebiete
der Contactwirkungen und der Gährung noch manches
chemische Geheimniss geborgen; allein es scheint mir
eher misslich, als fördernd, bei dem Studium der Fer-
mente, welche wir wohl nie werden rein isoliren können,
den Glauben an ihre Existenz stets unbedingt an die
chemische Reindarstellung zu knüpfen, wenn auch noch
so viele andere Beobachtungen sie zu beweisen scheinen,
Ich hatte in der citirten Abhandlung unter anderm
geäussert, dass, falls in der That Gährung (resp. Spaltung
des Zuckers) und andererseits Wachsthum und Vermehrung
des Hefepilzes von der Existenz eines Fermentkörpers
in der Hefe wesentlich abhängen, bei der Aufhebung des
Gährungsvorganges durch Cyanwasserstoff auch eine
momentane Einstellung oder wenigstens bedeutende Ein-
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 760.
— 122 —
schränkung der Vegetation der Hefe zu beobachten sein
müsste, während nach Verdampfung der Blausäure aus
der Gährungsflüssigkeit die normale Vegetation wieder
beginnen würde. In der Constatirung dieser Verhältnisse
würde zugleich ein neuer willkommener Beweis für die
„Simultaneität“ der Gährungserscheinung und des Lebens-
vorganges der Hefe liegen; allein es harrt eine solche
bei näherer Betrachtung keineswegs leichte Untersuchung
noch der Ausführung.
Dagegen veranlasste mich die grosse Analogie der
Hefezellen mit den einzelligen Keimen vieler Schimmel-
pilze und nächstdem die Ansicht, dass die eigenthüm-
lichen Spaltungs- und Verbrennungserscheinungen, welche
Schimmelpilze z. B. in Gerbstofflösungen, in verdünntem
Alkohol und vielen andern Flüssigkeiten bewirken, auch
hier von der Gegenwart gewisser, den atmosphärischen
Sauerstoff reichlich anziehender und an das Substrat
übertragender Fermente (in den Pilzzellen) abhängig sind,
zu einer Versuchsreihe über den Einfluss der Blausäure
auf die Entwicklung von Pilzkeimen, nachdem ich kurz
zuvor eine mir unerwartete Beobachtung gemacht hatte *),
*) In seiner geistvollen Schrift „Ueber Schimmel und Hefe,
Berlin 1869“, hat Prof. de Bary auf die Thatsache aufmerksam ge-
macht, dass in Tanninlösungen durch ein und dieselbe Pilzbildung,
wenn in freier Luft an der Oberfläche wachsend, langsame Ver-
brennung des Tannins zu Kohlensäure und Wasser, dagegen bei
untergetauchtem Mycelium Spaltung in Gallussäure und Zucker
bewirkt werde. In beiden Fällen zeigt sich, bei quantitativer Beob-
achtung, ein ähnliches auffallendes Verhältniss einerseits zwischen
den Mengen des aus der Luft auf das Substrat (Tannin) übertragenen
Sauerstoffs und dem zum Leben des Pilzes (durch eine Art Athmung)
nothwendigen Antheil, andrerseits zwischen dem jener Spaltung
unterliegenden Substrat und den zur Pilzernährung dienenden, vom
Pilze wirklich assimilirten Mengen; mit andern Worten, es erscheint
die in solchen Flüssigkeiten vollzogene chemische Arbeit weit be-
deutender, als dem Stoffwechsel der darin enthaltenen organischen
Indem ich nämlich zu ermitteln wünschte, ob den Fer-
menten nicht nur für Nitrate, sondern auch für schwefel-
saure Erd- und Alkalisalze ein besonders ausgeprägtes
reducirendes Vermögen zukomme, hatte ich eine Anzahl
von Flaschen, welche Gypslösung enthielten, mit Blut-
zelleninhalt, Hefe, Speichel, Emulsinlösung, Malzauszug
und andern fermentführenden Flüssigkeiten versetzt und
nächstdem eine Reihe gleich beschickter Flaschen mit
einem geringen Zusatz wässeriger Blausäure versehen.
Als nach einigen Tagen der Inhalt geprüft, aber nur
spurenweise Reduktion gefunden worden war, während
Nitrate in gleicher Zeit energisch reducirt werden, wurden
die Gefässe absichtslos für einige Zeit bei Seite gestellt,
ohne ganz luftdicht verschlossen zu sein. Als ich nach
einigen Wochen mich darnach umsah, fand ich eine
Anzahl von Flaschen mit dichten Schimmelbildungen er-
füllt, während die übrigen vollkommen klar und schimmel-
frei geblieben waren. Bei näherem Zusehen zeigte sich,
dass letzteres von allen Flaschen galt, die jenen geringen
Blausäurezusatz erhalten hatten, der nach meiner Vor-
aussetzung ebenso die allfällige Reduktion des Kalksulfats
verhindern sollte, wie dadurch die Reduktion der Nitrate
durch Ferment gehemmt wird. Es war daher ofienbar
durch die Blausäure die Keimung und Entwicklung der
in die Flaschen gelangten Pilzsporen gehemmt worden
und es musste sich diess in einer grössern Versuchsreihe
Bildungen entspricht. Dieselbe Betrachtung gilt für andere Ver-
wesungen und Gährungen (wie Essig-, Milchsäure- und besonders
Alkoholgährung) und spricht nicht weniger als andere Thatsachen für
die Annahme, dass die Wirkungen der sogenannten „Fermente*
und der „Gährungsorganismen“ ihrem Wesen nach gleicher Art sind,
d.h. Thätigkeitsäusserungen gewisser Materien, die als Bestandtheile
sowohl niederer wie höherer Pflanzen und Thiere, nicht nur gemein-
same, sondern auch specielle, ihnen eigenthümliche Fähigkeiten
besitzen.
noch deutlicher ergeben. Zu dem Ende wurden eine
Anzahl Gläser von circa 50 Gramm Inhalt zuerst nach
sorgfältiger Reinigung mit Wasser gefüllt, dann zum Zwecke
des Eindringens derselben atmosphärischen Luft*) in
demselben Raume entleert und nur zur Hälfte mit ver-
schiedenen filtrirten Flüssigkeiten gefüllt, die sich mir in
der pharmaceutischen Praxis als zur Schimmelbildung
sehr geneigt erwiesen hatten. Mit jeder dieser Flüssig-
keiten wurden je 4 Fläschchen auf die angedeutete Weise
beschickt; das erste (a) ohne jeglichen Zusatz; das zweite
(5) mit einem kleinen Zusatz wässeriger Blausäure, der
in der fertigen Versuchsflüssigkeit einem Gehalt von
1/00 Procent Cyanwasserstoff entsprach; das dritte (e)
mit einem Zusatz, sei es von Phenollösung, sei es von
Quecksilbersublimat, entsprechend einem Gehalt von
ebenfalls !/,.. Procent des einen oder andern Körpers in
der Versuchsflüssigkeit; endlich das vierte (d) mit dem-
selben, jedoch 10mal grössern Zusatze, also '/, Procent
der Flüssigkeit.
Es enthielt:
Reihe 4: Auszug aus Althaeawurzel; in ce und d Phenol.
„ 2: Auszug aus Liquiritiawurzel; in e und d Phenol.
„ 3: Opiumauszug; in ce und d Phenol.
„ %: Auszug aus Rhabarberwurzel; in ce und d Phenol.
„ 5: Lösung des Extraktes aus Taraxac. off.; in c
und d Phenol.
„ 6: Chininsulfatlösung (mit Weinsteinsäure herge-
stellt); in c und d Phenol.
7: Melasselösung; in ce und d Sublimat.
„ 8; Brodaufguss; in c und d Sublimat.
*) An dieser Stelle kann ich nicht umhin, auf die äusserst
interessanten neuesten Untersuchungen Tyndalls über die Beziehungen
des atmosphärischen organischen Staubes auf die optischen Eigen-
schaften der Luft, ihr Verhalten zu Wunden u. s. w. hinzuweisen.
— 15 —
Reıhe 9: Gypslösung mit Honig; in ce und d Sublimat.
„ 40: Lösung von Weinsäure; in ce und d Sublimat.
11: Lösung von Brechweinstein; in c und d Phenol.
„ 42: Lösung von Magnesıasulfat und Natronacetat.
„ 43: Tanninlösung; in ce und d Phenol.
„ N4: Lösung von citronensaurem Ammoniak; in e
und d Phenol,
Sämmtliche Gläser wurden, zweckmässig verschlossen,
in mittlerer Temperatur und sehr beschränktem Licht-
zutritt sich selbst überlassen. Nach Verlauf von 15 Tagen
zeigte sich in der Mehrzahl der Gläser a starke Schimmel-
entwicklung, in ka, 5a, 10a, Il a, 12a und Ik a mässige
Schimmelbildung, während sämmtliche Gläser 5 durchaus
klar und schimmelfrei geblieben waren, einzig 7 b (Me-
lasselösung) ausgenommen, in welcher die Blausäure eine
geringe Schimmelbildung nicht hatte mindern können;
das entsprechende 7 a zeigte sich von Pilzen am stärksten
von allen befallen und hatte eine dicklichschleimige Con-
sistenz angenommen. Was die Gläser c betrifft, so zeigten
sich dieselben, wenn Phenol enthaltend, meistens in an-
nähernd gleichem Grade, wie die Gläser a, von Schimmel-
pilzen durchsetzt, während dagegen die sublimathaltigen
schon durch die geringe Dosis von ?/joo Procent der
Schimmelbildung gänzlich oder beinahe gänzlich ent-
gangen waren. Die Gläser d endlich waren, wie bei
einem Gehalte von !/,. Procent Phenol oder Sublimat
nicht anders zu erwarten, gleich den Gläsern 5 durchaus
schimmelfrei, auch hier wieder mit Ausnahme von 7d,
das gleichfalls deutlich erkennbare Pilzbildung zeigte.
Die Beobachtung wurde zum zweiten Male nach
weiteren 15 Tagen vorgenommen, ohne dass sich, abge-
sehen von einer gewissnn Weiterbildung der Schimmel-
vegetationen, etwas wesentliches geändert hätte; einzig
in 3d war etwas Pilzbildung sichtbar und in 7b war
— 116 —
dieselbe deutlich fortgeschritten. Dass Phenol:und Sub-
limat in gewissen Mengen die Pilzbildung zu verhindern
vermögen, ist eine längst bekannte Thatsache; allein es
ist bemerkenswerth, dass zwischen Blausäure und Phenol
nicht allein-ein Unterschied in der zur Wirkung nöthigen
Menge existirt, sondern dass die Blausäure überhaupt in
einer andern Art und Weise wirken muss, als die beiden
genannten Verbindungen, indem diese letztern die Lebens-
fähigkeit der Pilzkeime jedenfalls dauernd: vernichten,
während die Blausäure die Entwicklung ‚der Pilzsporen
nur so lange hindert, als sie mit denselben in Berührung
erhalten wird. Diess zeigt sich, wenn Versuche wie die
beschriebenen mit leicht schimmelnden Lösungen, wie
z. B. Tannin- oder Melasselösungen, so angestellt werden,
dass man die Gläser mit Baumwollverschluss sorgfältig
versieht, so dass nach Einfüllung der Flüssigkeiten wohl
Luftwechsel stattfinden, aber keine neuen Pilzsporen ein-
treten können; man sieht dann, dass, nachdem in den
blausäurefreien Gläsern bereits starke Pilzentwicklung
eingetreten ist, in den blausäurehaltigen Flaschen die
Schimmelbildung langsam in demselben Maasse eintritt,
.als die Blausäure durch die Baumwolle hindurch allmälig
verdampft; weit schneller tritt dies ein, wenn die Ent- -
fernung der Blausäure durch Einwirkung einer Temperatur
von etwa 40° auf die Versuchsgefässe wesentlich be-
schleunigt wird; es ergibt sich durch Vergleichung mit
ebenfalls erwärmten aber verkorkten Gläsern leicht, von
welchem Einfluss die Verdampfung der Blausäure aus
einer solchen Flüssigkeit auf die Pilzentwicklung ist. Es
giebt jedoch noch einen andern charakteristischen Unter-
schied in den Wirkungen der Blausäure und des Phenols
oder Sublimats auf Fermente. Die Einwirkung des Phenols
und Sublimats, sowie mehrerer anderer Körper auf die
Hefegährung und Schimmelpilzbildung steht nämlich in
-— 127 —
enger Beziehung zu dem Vermögen dieser Substanzen,
jene niedersten Thierformen, die wir als Infusorien zu-
sammenfassen, sehr energisch zu tödten, und es scheint,
als ob die eine dieser Fähigkeiten zugleich der Maass-
stab für die andere wäre, denn nicht nur entspricht z. B.
bei dem Quecksilberchorid dessen energische zerstörende
Wirkung auf Keime niederer Organismen einer auffallend
heftigen tödtlichen Wirkung auf jene niedersten Thiere
selbst in grösster Verdünnung, sondern es lehren mich
auch verschiedene Versuche, dass Phenol in einem Con-
centrationsgrade, der zur Tödtung der Infusorien nicht
mehr hinreicht, auch die besprochene Einwirkung auf
die katalytische und gährungserregende Fähigkeit der
Hefe, sowie den zerstörenden Einfluss auf Schimmelsporen
verliert. Von der Blausäure dagegen ist schon durch
frühere Untersuchungen bekannt, dass sie auf Infusorien
in einer Flüssigkeit von !/, Procent Blausäuregehalt bereits
ohne merkliche Wirkung ist, während die besprochenen
Einflüsse derselben auf Fermente, Hefe und Pilzkeime
noch in einer 10-, ja 50mal grössern Verdünnung statt-
finden *).
Da im Uebrigen, wie bereits Schönbein nachwies,
auch die Schimmelpilze den Fermentcharakter (Katalyse
des Wasserstoflsuperoxydes und Reduktion von Nitraten)
zeigen und darin durch HCy ähnlich wie die Blutzellen,
die Hefe u. s. w. gehemmt werden, so liegt die Annahme
nicht ferne, dass auch die bedeutende Einschränkung der
*) Die merkwürdige hemmende Wirkung der Blausäure auf dio
Entwicklung der Schimmelsporen stimmt gänzlich mit dem von
Schönbein nachgewiesenen Einflusse der Blausäure auf die Keimung
von Pflanzensaamen überein und mag als weiterer Beleg für die
deutlichen Analogien gelten, die zwischen der Vegetation der Pilze
und den Keimungsvorgängen der Saamen bestehen und in denen
seiner Zeit Schönbein hinreichende Anregung zu seinen zahlreichen
Versuchen fand.
— 12383 —
Schimmelbildung durch die Blausäure auf einer merk-
würdigen Veränderung nicht weiter bekannter Ferment-
körper in den Pilzgebilden beruht. Es bleibt dabei noch
näher zu untersuchen, inwiefern die Blausäure Spaltungs-
und Oxydationsprocesse, welche Pilze in gewissen Sub-
straten verursachen, zu modificiren vermag.
Wenn nun auch diese Mittheilungen, in welchen, um
ein etwas vollständigeres Bild zu erhalten, manche schon
bekannte Facta angeführt werden mussten, ohne praktische
Bedeutung erscheinen, so werden sie immerhin, wie ich
hoffe, nicht ohne alles Interesse sein; gehören sie doch
jenem räthselhaften Gebiete der Berührungsphänomene
und Zustandsveränderungen an, das mitten in der rast-
losen Darstellung und Analyse neuer Präparate nur allzu-
leicht in Ungnade bleibt, weil daraus wenig Objekte für
chemische Sammlungen, dagegen um so mehr Fragen
und Zweifel zu schöpfen sind. Ueberdiess scheinen alle
die Fermente betreffenden Fragen in diesen Zeiten von
vorwiegender Bedeutung für die Physiologie zu sein;
denn es ist wohl kein Zweifel, dass in den eigenthüm-
lichen Wirkungen der verschiedenen Fermentkörper,
wenigstens theilweise, jene unleugbare Verschiedenheit
in dem Chemismus der organischen Welt und den
chemischen Vorgängen der anorganischen Natur — bei
identischen Grundgesetzen — gesucht werden muss.
Zum Schlusse bemerke ich, dass die Versuche über
die Blutkörperchen zum grössern Theile im chemischen
Laboratorium des pathologischen Institutes der Berliner
Charite angestellt wurden, und benutze zugleich diesen
Anlass, Herrn Dr. O. Liebreich für dessen freundliche
Unterstützung durch Apparate und, was weit mehr ist,
durch seine eigenen Erfahrungen bestens zu danken,
Be
Pe
=
5
“
=
Forsters Abhandlg. Berner Mittheil. 1871.
— 129 —
Prof. Dr. A. Forster.
Untersuchungen über die Färbung der
Rauchquarze oder sog. Rauchtopase.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 18. Februar 1871.)
Der im Jahre 1868 gemachte reiche Fund an ausge-
zeichneten schwarzen Bergkrystallen regte im Schooss
der Berner naturforschenden Gesellschaft die Frage nach
der Ursache der schwarzen Färbung dieser sogenannten
Morione an.
Zunächst zeigte ein einfacher Versuch, dass die Farbe
beim Erhitzen verschwand, wodurch die Krystalle ebenso
wasserklar und farblos wurden, wie der schönste Berg-
krystall.
Die Färbung konnte nun entweder in einer Bei-
mengung organischer Substanz, welche durch Erhitzen
zerstört wird, oder aber in einer durch das Erhitzen be-
dingten Umlagerung der Moleküle ihren Grund haben.
Die letztere Möglichkeit würde demnach den sog. Rauch-
topas als eine allotrope Modifikation des Bergkrystalles
ansehen.
Die folgenden Untersuchungen wurden nun zur Ent-
scheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten vorge-
nommen.
Im Kleinen angestellte Versuche (d. h. mit 10—12
Grm.) ergaben beim Glühen eine Gewichtsabnahme von
circa 4 Milligrm., also eine so kleine Grösse, dass man
nicht einmal überzeugt sein konnte, ob überhaupt
eine Gewichtsabnahme des Minerals eintrete oder ob die
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 761.
— 10. —
gefundene Abnahme nicht Veränderungen des Tiegels,
wie sie ja beim Glühen bis zu diesem Betrage fast immer
eintreten, zuzuschreiben seien. Diese Versuche waren
demnach nicht geeignet, die Frage aufzuklären.
Es stellte sich nun heraus, dass die Entfärbung des
Minerals bereits bei einer unter 200 °C. liegenden Tem-
peralur eintrete, und dieser Umstand war nur geeignet,
die Vorstellung sich zersetzender organischer Substanz
zu erschweren.
Kochen mit Königswasser oder einer Mischung von
Schwefelsäure mit chromsaurem Kali veränderte die Fär-
bung nicht im Mindesten.
So stand die Sache, als Prof. Flückiger der Gesell-
schaft in der Sitzung vom 20. März 1869 das Ergebniss
des folgenden Versuches mittheilte.
74 Grm. zerkleinerten Rauchquarzes wurden nach
gehörigem Trocknen in ein Verbrennungsrohr gebracht.
An dasselbe war ein gewogenes Chlorcalciumrohr und
desgleichen Liebig’scher Kaliapparat befestigt. Nun wurde
durch das Rohr getrockneter Sauerstoff geleitet, und
nachdem man annehmen durfte, dass der ganze Apparat
mit reinem Sauerstoff gefüllt sei, das Rohr in einem Gas-
Verbrennungsofen, unter fortwährendem Durchleiten von
Sauerstoff, erhitzt. Die Entfärbung begann schon bei
einer Hitze, welche bei Weitem nicht so hoch ging, wie
diess etwa bei einer Elementaranalyse zu geschehen
pflegt.
Nach vollkommener Entfärbung wurden Chlorcalcium-
rohr und Kaliapparat wieder gewogen und eine geringe
Gewichtszunahme in zwei Versuchen gefunden.
j Gewichtszunahme des Gewichtszunahme des
Versuch. Chlorcaleiumrohres. Kaliapparates.
l. (7 Grm.) 25 milligrm. 6 milligrm.
IL. (73,8 Grm.) 5» SR SRER
m
Herr Prof. Flückiger glaubte aus diesem Resultate
schliessen zu dürfen, dass die Färbung in einem kohlen-
stoffhaltigen Körper ihren Grund habe. Schon in jener
Sitzung protestirte der Verfasser gegen diesen Schluss,
indem die gefundene Gewichtszunahme, welche Herr
Flückiger für Kohlensäure hielt, viel zu gering ist, um
einen Schluss zu erlauben.
Betrachtet man das Ergebniss beider Versuche, welche
mit gleichen Mengen desselben Quarzes aus-
geführt wurden, so muss sofort die enorme Diffe-
renz beider Resultate auffallen. In der That ist die
Differenz beider Resultate ebenso gross, als
der ganze Werth des kleineren Resultates.
Hierdurch wird natürlich die Bedeutung des ganzen
Versuches illusorisch.
Wie kommt es nun, dass ein so ausgezeichneter
Beobachter, wie Flückiger, ein solches Resultat erhalten
konnte ?
Eine kleine Ueberlegung wird uns diess begreiflich
machen.
Ein Liebig’scher Kaliapparat hat eine mittlere Capa-
cität von 80 C. C. und ist etwa zur Hälfte mit Kalilauge,
zur andern Hälfte vor dem Versuche Flückiger's
“mit Luft, nach dessen Versuch mit Sauerstoff
gefüllt.
Bei den gewöhnlichen Verhältnissen in Bern, d.h.
Zimmertemperatur von 18° C. und einem Drucke von
715 "=, beträgt das Gewicht
eines Cub.-Centimeters Sauerstoff = 0.001266 Grm.
» » » Luft — 0.001142 »
Demnach erhalten wir
(0.001266 — 0.001142) » 40 = 0.00496 Grm.,
d.h. 5 Milligr. als Gewichtsvermehrung des
u
Kaliapparates, bedingt durch den Umstand,
dass der Apparat vor dem Versuche mit Luft,
nach demselben mit Sauerstoff gefüllt war.
Wir sehen, dass diese Grösse °/, des Betrages im
ersten, und ?/, des Betrages des zweiten Versuches aus-
macht, d. h. das Gewicht der eventuellen Kohlensäure
würde sich aus dem zweiten Versuche als — 2 Mgrm.(!)
ergeben.
Dieses unmögliche Resultat des Versuches von Prof.
Flückiger muss nothwendig seinen Grund in Beobach-
tungsfehlern von einer im Vergleich zum Resultat so be-
deutenden Grösse haben, dass durch sie der Werth des
ganzen Resultates und in Folge dessen auch des ge-
zogenen Schlusses auf Null reduzirt wird.
Suchen wir nun diese Beobachtungsfehler zu erklären.
Es sind die gleichen Fehler, welche die Chemiker im
Allgemeinen bei ihren Wägungen zu machen pflegen.
1) Wägen die Chemiker im Allgemeinen mit
ungeprüften Gewichtssätzen, von deren gewöhnlichen
Fehlern sie sich wohl kaum Rechenschaft geben, da sie
sonst in der Publikation ihrer Resultate gewiss die An-
gaben von Decimilligrammes vermeiden würden.
Im Folgenden will ich die Correctionstabellen zweier
Gewichtssätze der eidgenössischen Eichstätte mittheilen,
da dieselben geignet sind, Licht über die Grösse dieser
Fehler zu verbreiten.
I. Vergoldete Messinggewichte, untersucht von Wild')
und Hermann.
Grm. Mgrm.
50 Grm.-Stück = 50 + 2,65
20 » Ed ige are
1) Wild, Bericht über die Arbeiten zur Reiorm der schweize-
rischen Urmaasse, pag. 123.
— 13 —
6rm. Norm.
10 Grm.-Stück = 10 + 1,32
10* » 2,4%, N N,77
8 In » = 5 — 1,45
| PR SEINE
3#=.n» a Re Apr RER |
1» » = AM — 0,64
Hieraus erhält man den mittleren Fehler eines Ge-
wichtsstückes, abgesehen von seiner Grösse = 1,85 Mgrm.
ı. Vergoldete Argentan - Gewichte, untersucht von
Hermann und Wild.
Grm. Nern.
50 Grm.-Stück = 50 — 2,82
20» „.=2%0 — 1,49
10 » » = 10 — 0,72
10* » » —=Ao — 0,43
Sa) » —.5:+ 1,59
CARE ». :—=:.2:4:0,85
1 » » — 1 + 0,29
* » » = 1 + 050
2 Bu dd. 0,39
Dieser Satz ergibt also für ein Gewichtsstück einen
mittleren Fehler von 1,01 Mgrm.
Sollte aber auch ein Chemiker ausnahmsweise seinen
Gewichtssatz erst prüfen und eine Correctionstabelle an-
fertigen lassen, so hätte diese nur für kurze Zeit wirk-
lichen Werth. Die viel gebrauchten Gewichte werden
ihr Gewicht stets ändern, und ganz besonders gilt diess
von den kleinen Blechgewichten, welche die Unterabthei-
lungen des Grammes bilden. Ich glaube nicht zu weit
zu gehen, wenn ich die Vermuthung ausspreche, dass
bei gebrauchten Sätzen z. B. die Centigrammes-Stücke
meist um einen beträchtlichen Bruchtheil ihres Werthes
zu leicht sein dürften.
— 1. —
Selbst wenn ein Gewichtssatz wenig gebraucht und
mit Sorgfalt aufbewahrt wird, ändert sich, wie Wild nach-
gewiesen hat, der Werth der vergoldeten Stücke noch
Jahre lang bemerklich.
Wild erklärt diess aus kleinen Hohlräumen, welche
durch kaum erkennbare Poren mit der Oberfläche in
Verbindung stehen, sich beim galvanischen Vergolden
und nachherigen Auskochen in destillirtem Wasser mit
Flüssigkeit füllen, welche Flüssigkeit später durch die
feinen Poren langsam verdunstet.
2) Pflegen die Chemiker bei ihren Wägungen keine
Rücksicht auf herrschenden Druck, Feuchtigkeit und
Temperatur zu nehmen, mit andern Worten, ihre Wä-
gungen nicht auf den leeren Raum und 0° C. zu redu-
ziren. Das Unterlassen dieser Reduktion kann aber bei
so voluminosen Apparaten, wie z. B. ein Kaliapparat,
sehr bemerkliche Fehler veranlassen.
Um diess nachzuweisen, wöllen wir annehmen:
V = Volumen des Kaliapparates = 80 0. C.
L = Lufttemperatur = 18° C.
B = Barometerstant = 719 U®
so wiegt das durch den Apparat verdängte Luftvolumen')
0,001294 » 715
je 76041 + 0,003065 - 18) + 0.003065 - 18) « 40 — 0,0457 Grm.
Verändert sich nun zwischen beiden Wägungen des
Apparates, zwischen welchen etwa ein Zeitraum von 2
bis 3 Stunden liegen wird, die Temperatur von 18° zu
220 der Barometerstand von 715 zu 7I0"®, so beträgt
das durch den Apparat verdrängte Luftgewicht nur
0,001294 + 710
L Ziygo0,009065 2) 0 AT rm,
) Unter der Annahme, der Apparat sei vor und nach dem Ver-
such zur Hälfte mit Kalilauge, zur andern Hälfte mit Luft gefüllt.
Be a
Um die Differenz 0,0457 — 0,0447 = 0,001 Grm.,
d.h. um ein Milligrm. wird man demnach den
Apparat schwerer finden.
- Wollte man dieses I Mgrm. Gewichtszunahme ein-
fach für Kohlensäure erklären, so würde man natürlich
einen groben Irrthum begehen.
Dass nun innerhalb 2 Stunden, ja in kürzerer Zeit,
Schwankungen von Thermometer und Barometer vor-
kommen, welche die angenommenen übersteigen, ist ge-
nügend bekannt.
Auf Schwankungen des Wassergehaltes der Luft
welche den Fehler noch vergrössern können, ist hier
nicht einmal Rücksicht genommen.
Selbstverständlich machen sich diese Einflüsse nicht
immer geltend; es ist vielmehr wahrscheinlich, dass ın
vielen Fällen Temperatur und Druck mehrere Stunden
lang so constant sind, dass die Vernachlässigung der-
selben ohne merklichen Fehler geschehen kann; immer-
hin bildet das Vernachlässigen der Reduktionen auf 0°C
und den leeren Raum eine Fehlerquelle, welche ah
Beachtung Seitens des Chemikers verdient.
Da die Schwankungen sowohl im Sinne des Steigens
der Temperatur und Sinkens des Druckes, als auch im
Sinne des Sinkens der Temperatur und Steigens des
Druckes stattfinden können, so ergibt sich hieraus, dass
in dem angeführten Beispiel das Gewicht des Kaliappa-
rates sowohl zu gross, als zu klein gefunden werden
kann.
3) Bekanntlich condensirt die Oberfläche fester Körper
Wasserdampf und andere Gase. Die Quantität dieser con-
densirten Dämpfe wird von den äussern Umständen:
relative Temperatur von Kaliapparat und umgebender
Luft, Feuchtigkeitszustand der Luft ete., abhängig sein.
— 16 —
Denken wir uns z. B., ein ‘Chemiker bewahrt, wie
diess gewöhnlich geschieht, seine Verbrennungslauge im
Keller auf, so kann dieselbe eine Temperatur besitzen,
welche um 5°, ja 10°C. von derjenigen der Luft im
Waaggehäuse verschieden ist. Füllt nun der Chemiker
seinen Apparat mit dieser Lauge, so wird derselbe sich
ebenfalls bedeutend unter die Lufttemperatur abkühlen
und daher auf seiner Oberfläche um so mehr Wasser-
dampf condensiren, je näher der Feuchtigkeitsgehalt der
Luft dem Sättigungspunkte steht. Dieser condensirte
Wasserdampf wird nun mitgewogen. Die Verbrennung
beginnt, heisse Gase strömen durch den Apparat und
erwärmen denselben nach und nach so, dass im Allge-
meinen seine Temperatur höher steigt, als die der um-
gebenden Luft. Das condensirte mitgewogene Wasser
verdampft und der Apparat kann nach der Verbrennung
lediglich in Folge dieses Umstandes um mehrere Milli-
grammes, ja um einen noch grösseren Betrag zu leicht
gefunden werden.
Auch das Entgegengesetzte kann geschehen. Wir
denken uns, der Chemiker halte es nicht für nöthig, den
im warmen Arbeitszimmer befindlichen Kaliapparat neu
zu füllen; er wiegt denselben und bringt ihn dann in den
Raum, in welchem die Verbrennung gemacht werden
soll. Dieser Raum ist in den chemischen Laboratorien,
die dem Verfasser bekannt, gewöhnlich ein ungeheiztes,
mit Steinboden versehenes Zimmer, dessen Temperatur
im Winter weit unter derjenigen des Waagenzimmers
sein wird. Es ist nun wohl denkbar, dass unter diesen
Umständen der Kaliapparat mehr Wärme ausstrahlt, als
empfängt, dass er daher seine Temperatur erniedrigt.
In das wärmere Waagenzimmer zurückgebracht, wird sein
Gewicht in Folge stattfindender Condensation auf seiner
Oberfläche zu gross gefunden werden.
Immerhin wird diese letztere Möglichkeit seltener
eintreten, als der entgegengesetzte Fall.
Wer sich überhaupt jemals mit dem genauen
Wägen von grösseren Glasgefässen befasst hat, wird
nur zu gut wissen, welche Rolle die Condensationen an
der Oberfläche spielen.
4) Im Allgemeinen wiegt der Chemiker nach der
Differenz- Methode , weil die Borda’sche Methode die
doppelte Zeit in Anspruch nimmt. Hierin liegt ebenfalls
eine Fehlerquelle, indem die Differenz-Methode zwar den
Fehler der Ungleichgewichtigkeit, nicht aber denjenigen
der Ungleicharmigkeit und der Inconstanz der Waage
compensirt.
Endlich ist nicht immer mit der nöthigen Sorgfalt
die Möglichkeit einer ungleichmässigen Erwärmung der
Waagebalken ausgeschlossen. Diese Besorgniss ist wohl
begründet, da nach Wild's Berechnung für eine Belastung
von A Kilogrm. für einen Messingbalken eine relative
Veränderung der Temperatur beider Waagebalken um
Yo ° C. eine Störung des Gleichgewichtes bewirkt‘
welche 0,56 Milligrm. entspricht. Eine Veränderung um
diese geringe Grösse kann aber nur durch grosse Sorg-
falt vermieden werden.
Im Vorhergehenden habe ich eine Anzahl von Fehler-
quellen besprochen , welche bei Flückiger’s Versuchen
nicht ausgeschlossen waren und von denen jede einzelne
das Resultat um mehrere Milligrammes zu fälschen im
Stande ist.
Der Umstand, dass Flückiger eine so enorme Diffe-
renz beider Resultate erhalten hat, zwingt uns geradezu
anzunehmen, dass bei seinen Versuchen eine oder mehrere
dieser Fehlerquellen mitgewirkt haben, denn einen ein-
fachen Wägungsfehler trauen wir einem solchen Beob-
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 762.
— 138 —
achter nicht zu. Aus dem Gesagten geht aber ferner
hervor, dass Flückiger durchaus unberechtigt ist, die ge-
fundene Gewichtszunahme einfach für Kohlensäure zu
erklären, dass er somit nicht berechtigt ist, aus seinen
Versuchen, die mit solchen Fehlern behaftet
sind, dass ihre Differenz ebenso gross ist,
wie der ganze Werth der Gewichtszunahme
im zweiten Versuche, irgend einen Schluss zu
. ziehen.
Flückiger scheint diess gefühlt zu haben, da er in
dem Referat über diese Versuche selbst sagt: er er-
blicke in dem ungleichen Ergebniss beider Versuche eine
Aufforderung, dieselben zn wiederholen und die Vor-
sichtsmassregeln zur Beseitigung möglicher Fehlerquellen
noch zu verschärfen. !)
Da dieser Weg zur Nachweisung eines organischen
Stoffes ohne Resultat geblieben war, schlug Flückiger
einen andern ein, welcher aber ebenso resultatlos ge-
blieben ist und nur zeigte, dass man überhaupt nicht
hoffen durfte, mit geringen Mengen des Quarzes zum
Ziele zu gelangnn.
In der Sitzung vom 3. April theilte derselbe folgende
Versuche mit: |
70 Grm. möglichst dunkler Splitter des Minerals
wurden in eine Verbrennungsröhre gebracht uud wäh-
rend einiger Zeit Kohlensäure darüber geführt, welche
durch concentrirte Schwefelsäure und Chlorcalcium ge-
trocknet war. Der Quarz wurde dabei auf 150 — 180°
erhitzt (auf welche Weise wurde diese Temperatur be-
stimmt?), so dass jede Spur anhängender Feuchtigkeit
beseitigt, aber keine Entfärbung eingeleitet wurde.
1) Vid. Mittheilungen der naturforsch. Gesellschaft in Bern 1869.
XXIV.
Nachdem die Röhre zugeschmolzen worden war,
wurde sie zum Glühen erhitzt und das eine Ende abge-
kühlt. Hier verdichteten sich nach einiger Zeit Tröpfchen
einer Flüssigkeit, welche man auf wenige Milligrammes
schätzen durfte. Die Tröpfchen rötheten Lakmuspapier
nicht, reagirten nicht auf Eisenchlorid und verdampften
an der Luft nach einigen Stunden ohne Rückstand.
Flückiger hielt dieselben diesem Verhalten gemäss für
Wasser.!) Ausserdem zeigte die Röhre, nachdem sie
erkaltet und geöffnet wurde, einen ganz unzweifelhaften
Theergeruch, wie er bei der trockenen Destillation
stickstofffreier organischer Stoffe aufzutreten pflegt.
In ähnlicher Weise verfuhr Flückiger mit einem
schönen farblosen Bergkrystall. Der Versuch lieferte kein
Wasser, allein nach dem Oeffnen der Röhre einen äusserst
geringen, aber unverkennbar empyreumatischen Geruch.
Worin besteht nun der ganze Unterschied im Er-
gebniss des Versuches mit Rauchquarz und dem Ver-
suche mit Bergkrystall ?
Darin, dass der Rauchquarz einige Milligrammes
Wasser lieferte, was bei der Destillation des farblosen
Bergkrystalls nicht erhalten wurde.
Dass der Bergkrystall kein Wasser lieferte, ist ein-
facher Zufall; denn es ist ja zur Genüge bekannt, dass
viele farblose Bergkrystalle Wasser und Kohlensäure
enthalten. Geruch zeigten beide Minerale — also wie-
derum kein Unterschid zwischen Rauchquarz und Berg-
krystall.
Eshattenalso dieBemühungenFlückiger's,
die Ursache der Färbung zu finden, kein Re-
sultat, und der Verfasser nahm die Frage mit der
Ueberzeugung auf, keine leichte Aufgabe vor sich zu
haben.
4) Ebendaselbst XXVI, Zeile 4 v. u.
- ii
Ehe ich nun zur Beschreibung meiner Untersuchungen
übergehe, habe ich noch die angenehme Pflicht, zweien
Herren für die Freundlichkeit, mit welcher sie mir das
Material zur Verfügung stellten, meinen verbindlichsten
Dank auszusprechen.
Die erste Quantität schwarzen Quarzes und einen
ausserordentlich schönen, tiefschwarzen, wohlausgebil-
deten Krystall erhielt ich von Hrn. Bergingenieur v. Fel-
lenberg, und als diese Menge erschöpft war, einen
dunkelschwarzen, beinahe 30 Pfund schweren Krystall
durch Hrn. Fr. Bürki, welchem bekanntlich auch unser
Museum die schönsten Krystalle des ganzen Fundes ver-
dankt.
Da die chemische Untersuchung ohne Resultat ge-
blieben war, so hoffte ich, vielleicht physikalische Unter-
schiede zwischen Rauchquarz und Bergkrystall nach-
weisen zu können, welche dann gestattet hätten, die An-
nahme einer allotropen Modifikation zu machen.
Hier musste vor Allem die Dichte in Betracht kommen,
da dieselbe bekanntlich ein wesentliches Unterscheidungs-
mittel allotroper Modifikationen ist. Ausserdem sollte sich
die Untersuchung noch auf Bestimmung der Brechungs-
indices, Circularpolarisation und das sonstige optische
Verhalten erstrecken.
Aus dem schon vorhin erwähnten, sehr homogenen
und tiefschwarzen Krystall, den ich der Güte des Hrn.
v. Fellenberg verdanke, liess ich ein Prisma (brechende
Kante parallel zur Hauptaxe) und eine planparallele Platte
senkrecht zur Hauptaxe schleifen.
1. Untersuchung der Platte.
Dicke derselben: 4,35 "m,
So vollkommen homogen der ungeschliffene Krystall
—_— 14 —
erschienen war, so wenig traf diess bei der geschliffenen
Platte zu. Beobachtete man die Platte im durchfallenden
Lichte des wolkenlosen Himmels, so war die ungleiche
Vertheilung der Farbe sehr auffallend.
Die Platte zeigte dunklere Figuren, welche, in
eigenthümlicher Weise mit einer Spitze gegen den Mittel-
punkt der Platte gerichtet, die Fläche derselben in Dreı-
ecke theilen, deren Schenkel vom Mittelpunkte nach den
natürlichen Kanten der Pyramide laufen. Innerhalb dieser
Felder ist die Färbung von zahlreichen, beinahe farb-
losen, unregelmässigen Adern durchzogen, welche meist
radial vom Mittelpunkte zu verlaufen scheinen. Mit einer
Loupe beobachtet, traten noch mehr Details von unter-
geordneter Bedeutung auf. In einer Ecke der Platte be-
merkte. man mit Hülfe einer stärkeren Loupe kleine
Höhlungen;, Flüssigkeit konnte in denselben nicht bemerkt
werden.
Ich liess nun die Platte im durchfallenden Lichte photo-
graphiren, und es gelang, auf diese ‘Weise ein treues
Bild der ungleichen Vertheilung der Färbung zu erhalten.
Fig. 1 wird das Gesagte zur Anschauung bringen.
Die Erklärung dieser merkwürdigen Vertheilung der
Farbe folgt später.
Im polarisirten Lichte erwies sich die Platte als rechts
drehend.
2. Bestimmung der Brechungsexponenten.
Zur Bestimmung der Brechungsexponenten benutzte
ich ein neu angefertigtes Repetitions-Refractometer aus
der physikalischen Werkstätte von Hermann und Pfister
in Bern. Das Instrument darf mit Recht ein ausgezeich-
netes genannt werden. Die Ablesung des 10zölligen Theil-
kreises geschah durch vier Nonien und zwei Ablese-
- BB =
mikroskope. Die Fehler der Theilung erwiesen sich als
so gering, dass das Aufstellen einer Correctionstabelle,
besonders in Anbetracht der vierfachen Ablesung und
der Repetition, überflüssig erschien. In der That zeigte
es sich, dass die mit Hülfe dieses Instrumentes abge-
leiteten Brechungsquotienten eine ungewöhnliche Ueber-
einstimmung darboten:
Das Wesentliche der Konstruktion des sehr zweck-
mässig eingerichteten Instrumentes ist von H. Wild mit
Hrn. Hermann vereinbart worden, und will ich daher
einer Beschreibung desselben durch Hrn. Wild, der diess
beabsichtigen soll '), nicht vorgreifen.
Die Bestimmung des Brechungsindices erfolgte durch
die Methode der Minimal-Ablenkung; als Lichtquelle
diente eine durch schwefelsaures Natron gelb gefärbte
Gasflamme. Ueber die Einzelheiten der Versuche will
ich keine näheren Angaben machen, sondern nur be-
merken, dass der verwendete Apparat in sehr sicherer
Weise die nöthigen Cautelen, wie Vertikalstellen der
brechenden Kante etc., einzuhalten erlaubte, und dass
die Bestimmungen für eine mittlere Temperatur von
19° C. gelten. Die Temperaturschwankungen betrugen
nicht mehr als 1,5° C.
Ich hätte freilich gewünscht, ausser den Brechungs-
exponenten für D noch andere zu bestimmen; indessen
scheiterten diese Versuche an der Undurchsichtigkeit des
Prisma’s. Die sehr intensiven Strahlen der Natriumflamme
vermochten zwar durchzudringen, nicht aber die blaue
Strontiumlinie oder die blaue Wasserstofflinie; ebenso
erwies sich die rothe Wasserstofflinie als zu lichtschwach.
1) Zufolge mündlicher Mittheilung des Hrn. Hermann.
— 13 —
a. Bestimmung des brechenden Winkels.
Zur Bestimmung des brechenden Winkels verwendete
ıch das Spiegelbild der beleuchteten Spalte. Ich erhielt
in drei Versuchen die folgenden Resultate:
60,9, A 54
Nun wurde die Stellung der Fernrohre zu einander
verändert und der mit den Nonien verbundene Tisch so
gedreht, dass andere Stellen der Theilung zur Ablesung
kamen. Ich erhielt nun :
OD HENZN
Wiederum veränderte man den Winkel beider Fern-
rohre und verwendete andere Stellen der Theilung zur
Ablesung, wobei erhalten wurde:
a, = 60° 41’ 40”
b. Bestimmung der Minimalablenkung für Na — D.
1. Ordentlich gebrochener Strahl.
47T! 23"
4 a Dr VE
4o AT‘ 13"
Erhalten wurde:
$ı
23
2. Ausserordentlich gebrochener Strahl.
Erhalten wurde: = 42° 7' 23"
za EL
ort 2
Ich hätte nun aus je dreien dieser gut übereinstim-
menden Werthe das Mittel nehmen und hieraus die
Brechungsexponenten ableiten hönnen; um aber den
grösst möglichen Fehler kennen zu lernen, welcher
aus diesen Resultaten abgeleitet werden kann, combinirte
— Mk —
ich alle Werthe des brechenden Winkels mit allen
Werthen der Minimalablenkung. Nach dieser Methode
erhielt ich für den ordentlichen und ausserordentlichen
Strahl je 9 Werthe des Brechungsexponenten. Der mittlere
Fehler des Endresultates wurde entsprechend der Me-
thode der kleinsten Quadratsummen durch die Formel
4 oT
nm -—I)
berechnet, der wahrscheinliche Fehler des Resultates aus
der Formel + 0,6745 Van
n (n —
Schliesslich mag noch angeführt werden, dass durch
die Art der Beobachtung wohl constante Fehler, veran-
lasst durch das Instrument, möglichst vermieden sein dürften.
Brechungsquotienten des ordentlich gebrochenen Strahls
für Na, —D.
Brechender Winkel. Minimalablenkung. Brechungsquotient. d.
La 5 N 41° 194 23° 1,544187 + 0,000019
0° I 410 17.408 1,544151 — 0,000017
60° 11° 5%. 410 17° 13% -1,544156 _ —.0,000012
60° 11 24 410 17° 98“ 1,544207 + 0,000039
60° 117° 24 410 17° 10% 1,544164 — 0,000004
60° 11° 24 410 17° 13% 1,544177 + 0,000009
60° 11° 10° 41° 17° 934 1,5441799 + 0,000011
60° 11° 10% 41° 17°.10° ©. 1,544137.. »—..0,000031
60° 11° 10“ 410 17° 13” 1544152 — 0,000016
Mittel — 1,544168
Wahrscheinlicher Fehler = #+ 0,0000055
Brechungsquotienten des ausserordentlich gebrochenen
für Na END.
Brechender Winkel. Minimalablenkung. Brechungsquotient. d.
Bor, 5% 420 14 28% 1,553325 — 0,000003
60° 11’ 5 a2 2 1,553307 0,000021
60P 11‘. 5° aa 7 987 1,553344 + 0,000016
GoP 117 „25 420 7. 23. 1,553345 + 0,000017
Bi. 17 a0 Drlr 1,553327 — 0,000001
BI 2 42° .7/ 28° 1,553358 + 0,000030
60° 11°. 10° OPEN 1,553318 — 0,000010
607 17.10" aa 1,553299 — 0,000029
60° 11’ ;10% 490 1’ 28 1,553330 + 0,000002
Mittel = 1,553328
Wahrscheinlicher Fehler = + 0,0000042
Aus diesen Versuchen erhalten wir also die Brechungs-
quotienten:
— 1,544168 + 0,0000055
e — 1,553328 + 0,0000042
Rudberg ') fand für Bergkrystall und die Linie D:
o — 1,54418
e — 1,55328
Man sieht, dass die von mir gefundenen Brechungs-
quotienten des Rauchquarzes bis auf einige Einheiten der
fünften Decimale mit den von Rudberg für Bergkrystall
gefundenen Werthen übereinstimmen.
Zugleich widerlegen diese Resultate die Angaben von
Pfaff?) bezüglich der Brechungsquotienten des Rauch-
quarzes. Pfaff beobachtete nach der wenig zuverlässigen
1) Pogg. An. XIV. Beer, höhere Optik 286.
2) Posg. An. 127. Fortschritte der Phys. 1866, p. 216.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 763.
— 16 —
Methode der Bestimmung des Polarisationswinkels und
erhielt folgende Zahlen:
o = 1,478
e = 1,185,
welche, wie man sieht, erheblich von meinen Werthen
!;fferiren.
Aus meinen Bestimmungen hat sich also
ergeben; dass die Brechungsindices des
RauchquarzesundBergkrytalls identisch
sind; dieses Resultat lässt nun mit Sicherheit erwarten,
dass auch die Dichte von Rauchquarz und Bergkrystall
die gleiche sei.
Um aber direkt nachzuweisen, dass die Färbung des
Rauchquarzes in keinem Zusammenhang mit seinem
Brechungsvermögen stehe, brachte ich das Prisma in ein
Luftbad, dessen Temperatur ich langsam und vorsichtig
auf 260, später auf 300° C. erhöhte. Schon nach einigen
Stunden war eine Entfärbung merklich; dieselbe schritt
aber nur langsam fort, um. erst nach 80stündigem Er-
hitzen vollendet zu sein. Das entfärbte Prisma erschien
beinahe wasserklar und zeigte nur noch einen sehr ge-
ringen Stich in’s Bräunliche; Risse waren nicht ent-
standen. Nun wurden wieder brechender Winkel und
Minimalablenkung in ganz gleicher Weise wie vorhin
bestimmt und erhalten:
Minimalablenkung für Na «.
Brechender Winkel. Ordentlicher Strahl. Ausserordentlicher Strahl.
BORH 1,4474 419..174:20% 429. 19%
6,11 5 A017 aaa! DSH
60° 11° 10% 419 17.0287 429 77 36%
Combinirt man diese Werthe wie vorhin, so er-
hält man:
— 147
Brechungsquotienten des ordentlich gebrochenen
für Na, — D.
Brechender Winkel.
60°
60°
60°
60°
60°
60°
60°
60°
60°
RR
Dr
Fr
D1‘
11‘
Er
11‘
14‘
r1'
79
0%
40%
109%
Minimalablenkung.
41°
17°
17°
17
20”
1 zu
20"
4 904
Al m
17‘ 909
17‘
17%
17‘
20"
174
20
Mittel — 1,544171
Prechungsquotient.
1,544174
1,544162
1,544174
1,544181
1,544168
1,544181
1,544167
1,544161
1,544167
Strahls
d,
0,000003
0,000009
0,000003
0,000010
0,000003
0,000010
0,000004
0,000010
0,000004
Wahrscheinlicher Fehler = +: 0,0000017
Brechungsquotienten des ausserordentlich gebrochenen
Strahls für Na, = D.
Brechender Winkel.
60
60°
60°
60°
60°
60°
60°
60°
60"
11‘
11;
11’
in
L1°
L}'
11’
11°
Er
4
5
10"
10"
10"
Minimalablenkung.
el
4
17
Jg
96
je7%
Da
96
1%
a
26“
Mittel = 1,553318
Brechungsquotient.
1,553300
‚53319
>
ja BE
[SC ESEL)
[SCHE SE)
oO
er
CHREUEIT
>
2
SUR
Pd pn "ed u bh und bed feed
>
DIIIOT IST I
_
az
(db) |
d.
—- 0,000018
++
En
0,000001
0,000013
0,000011
0,000007
0,000920
0,000019
0,000000
0,000006
Wahrscheinlicher Fehler = #+ 0,0000029
Für das entfärbte Prisma erhalten wir also die Bre-
chungsquotienten:
— 18 —
o = 1,544171 + 0,0000017
e = 1553318 + 0,0000029
Eine Vergleichung dieser Quotienten mit denjenigen
für das natürliche Prisma ergibt, dass durch das
Entfärben die Brechungsverhältnisse des
Rauchquarzes nicht verändert werden.
Dieser Umstand liess erwarten, dass auch die Dichte
von der Färbung unabhängig sei, da bekanntlich eine
Veränderung der Dichte von einer Veränderung des
Brechungsquotienten, und umgekehrt, begleitet ist. Immer-
hin schien es mir von Interesse, eine genaue Dichte-
bestimmung des natürlichen und des entfärbten Rauch-
quarzes vorzunehmen. Die Methode soll im Folgenden
beschrieben werden.
Dichtebestimmung.
Zu den folgenden Bestimmungen wurden ausschliess-
lich klare geschliffene Stücke verwendet und zwar:
1) Ein Petschaft von Goldarbeiter Gast in Bern.
Dasselbe erschien, bis auf einen kleinen Fehler im Innern
des Krystalls, der das Aussehen einer kleinen Druse
hatte, vollkommen klar und homogen gefärbt. Das Ge-
wicht betrug 104 Grm.
2) Ein von demselben Hrn. Gast erhaltenes ge-
schliffenes Stück aus einer Broche. Dieses Stück war
sehr dunkel gefärbt und vollkommen fehlerlos. Gewicht
18 Grm. Die Dichte desselben wurde nach dem Ent-
färben (durch Erhitzen im Luftbad) bestimmt.
Die Bestimmungen wurden auf der eidgen. Normal-
Eichstätte mit Hülfe einer sehr feinen Waage von Her-
mann und Pfister und eines Gewichtssatzes, dessen Fehler
bestimmt wurden, nnd zwar nach der Methode, welche
— 19 —
H. Wild in seinem „Bericht über die Arbeiten zur Reform
der schweizerischen Urmaasse* beschrieben hat, aus-
- geführt.
Die damals herrschende Witterung, trübes Nebel-
wetter, begünstigte die Genauigkeit der Resultate, indem
von den Einwirkungen der Sonne, deren Strahlen die
Eichstätte zu gewissen Tageszeiten exponirt ist, kein
Nachtheil zu befürchten war. Um nicht künstlich Tem-
peraturschwankungen zu veranlassen, wurde während
mehreren Tagen nicht geheizt, wie auch während der
Versuche vom Heizen abgesehen wurde.
Nachdem die Waagen mehrere Tage im ungeheizten
Zimmer gestanden hatten, durfte man annehmen, dass
ihre ganze Masse die Lufttemperatur angenommen habe,
und war nun sehr besorgt, diese Temperatur möglichst
wenig zu verändern. Der Beobachter näherte sich bei
Ausführung der Wägung so wenig als möglich, die Ge-
wichte wurden mit einer so langen Zange auf die Waag-
schalen gebracht, dass die Hand nicht in das Gehäuse
eingeführt werden musste.
Alle Wägungen wurden nach der Borda’schen Me-
thode ausgeführt. Gleichzeitig wurde beobachtet:
a. die Lufttemperatur;
db. der Barometerstand;
c. ein im Waagegehäuse befindliches Hygrometer
d. die Temperatur des destillirten Wassers, in welches
der Körper eingetaucht wurde.
Zur Bestimmung der Lufttemperatur verwendete ich
ein von Geissler in Bonn verfertigtes, in !/,° getheiltes,
calibrirtes Instrument. “Unmittelbar nach Beendigung der
Versuche bestimmte ich den Nullpunkt des Instrumentes
und fand denselben bei + 0,35%. Um die wahre Tem-
peratur zu erhalten, waren also an der abgelesenen Zahl
— 150 —
zweı Correcturen anzubringen, nämlich die Correction
für das Caliber und die Correction der Nullpunktsver-
schiebung.
Die Wassertemperatur wurde mit einem feinen Ther-
mometer von Fastr&, welches ich mit dem genannten
Geissler'schen Thermometer sorgfältig verglichen hatte,
gemessen.
Die Bestimmung des Barometerstandes erfolgte mit
Hülfe eines von Hermann angefertigten Barometers mit
Messingscala. Die Ablesung wurde durch Nonius und
Loupe auf '/,,"” ausgeführt und die erhaltene Zahl nach
der Formel
B =B — B (a — p)t
worin
a der cubische Ausdehnungscoefficient des Quecksilbers
— 0,00018153,
2 der lineare Ausdehnungscoefficient ‘des Messings
— 0,000018782,
t die nach Graden Celsius abgelesene Temperatur des
Thermometers attach@ (unter der Annahme, die Tem-
peratur des Quecksilbers und der Scala sei identisch)
bedeutet, auf 0° reducırt.
Das Haarhygrometer aus der Werkstätte für physi-
kalische Apparate in Genf, unter Leitung von Schwerd
verfertigt, ist ebenfalls von Wild!) geprüft und mit einem
Psychrometer verglichen worden, Dasselbe besitzt zwei
Theilungen. Die eine ist zwischen dem Punkte absoluter
Trockenheit und demjenigen vollkommener Sättigung mit
Wasserdampf in 100 gleiche Theile getheilt, die andere
gibt, zufolse besonderer Voruntersuchung, die relative
Feuchtigkeit direkt in Procenten der Sättigung. Wild hat
durch eine längere Vergleichung mit dem Psychrometer
!) Schweizerische Urmaasse p. 143.
— 151 —
die Zuverlässigkeit des Instrumentes geprüft und die an-
zubringende Correction bestimmt. Wenn sich auch inner-
halb der seit jener Justirung verllossenen Zeit diese Cor-
rektion etwas verändert haben sollte, so kann diess doch
nicht in solcher Weise geschehen sein, dass die ver-
langte Genauigkett der Dichtebestimmung darunter merk-
lich leiden kann. Diese Erwägung bestimmte mich, die
von Wild angegebene Correktion anzubringen.
Alle Dichtebestimmungen wurden durch Abwägen der
Krystalle in Luft und Wasser nach folgender Methode
vorgenommen !
Der Krystall wurde auf die linke Waagschale ge-
bracht und durch auf die rechte Schale gelegte Gewichte
äquilibrirt. Hierauf nahm man den Körper von der Waage
und ersetzte ihn durch Gewichte aus einem vergoldeten
Argentan-Gewichtssatze, dessen Fehler genau bestimmt
waren, und beobachtete Temperatur, Barometerstand und
Luftfeuchtigkeit. Man erhielt so das Gewicht in Luft (I).
Jetzt hing man denselben an einem feinen Platindraht so
an der Waagschale auf, dass er in ein Gefäss mit destil-
lirtem Wasser vollkommen eintauchte, und markirte .den
Stand des Wassers im -Gefässe durch eine aufgeklebte
Papiermarke. Man brachte die Waage durch Tarage-
wichte wieder in’s Gleichgewicht, bestimmte ausser Luft-
temperatur, Druck und Feuchtigkeit noch die Wasser-
temperatur und ersetzte schliesslich Krystall und Draht
durch aufgelegte Gewichte. Man erhielt so das Gewicht
von Krystall + Draht in Wasser (ll). Durch die gleiche
Operation wurde nun das Gewicht des Drahtes allein im
Wasser bestimmt (III); indem man in das Gefäss Wasser
bis zur Marke eingoss, erreichte man, dass der Draht
ebenso tief eintauchte, wie bei Wägung 11.
Syn
Zieht man das Resultat dieser Wägung von Wägung
(II) ab, so erhält man das Gewicht des Krystalls in
Wasser (IV).
Bezeichnen wir mit
Q = absolutes Gewicht des Krystalls,
D. = dessen Dichte bei t° C.,
G = absolutes Gewicht der dem Krystall das Gleich-
gewicht haltenden Gewichtsstücke (I),
d. = Dichte der Gewichtsstücke bei t° C.
t' = Temperatur,
B — Barometerstand,
h = absolute Feuchtigkeit,
% = Dichte der Luft für (g = geographische Breite =
=, 46 Sl
H — absolute Höhe über d.
Meer = 5407
so ist:
Or Gi,
gr ne le
) m
ieh)... m
Ist ferner:
G’ = absolutes Gewicht der Gewichtsstücke, welche dem
in Wasser getauchten Krystall das Gleichgewicht
halten (IV),
D. = Dichte des Krystalls bei der Temperatur t/‘,
W. = Dichte des Wassers bei t°, bezogen auf Wasser
von +4! =AM,
dann haben wir:
QOWı. __ G'lı
er ee
on akyzeı-&) 0... @
— 153° —
Dividirt man Gleichung (1) durch Gleichung (2), so
kommt:
kı
Be
Leer geh Wi
Dr
Hieraus erhält man die Dichte des Krystalls bei t°:
rT D. G
ie RR aa
2. —
6
Nun ist, wenn wir mit « den cubischen Ausdehnungs-
coefficienten des Quarzes bezeichnen, D, = unDmı\:
+ ot;
führt man diess in vorstehende Gleichung, so erhält man
die Dichte des Kirystalls bei 0° C., bezogen auf Wasser
von + 4° C. aus der Formel:
= WW (i#et) al He)
Dur G KR)
zur a
Für « nahm ich den von Steinheil für Bergkrystall
bestimmten Werth = 0,00003255 an.
Die Dichte der trockenen Luft bei 0° C., 760"
Barometerstand für eine Breite %° und eine Höhe von
H Meter über dem Meer ergibt sich aus der Kohl-
rausch’schen Formel
0,001292753 (A — 0,0025935 cos. 2%) (1 — 0,00000031447H)
Für die eidgenössische Eichstätte, deren
geographische Breite g = 46° 57° 9"
Meereshöhe H = 540 Meter,
erhält man die Dichte trockener Luft bei dem Baro-
meterstand B und der Temperatur t aus der Formel
1 _ „0001292762 » B
760 (1 + 0,003665 t)
Bern. Mittheil. 1869. Nr. 764.
— A
Da die Luft bei den Wägungen immer Wasserdampf
enthält, so muss derselbe in Rechnung gebracht werden.
Bezeichnen wir daher mit h. die absolute Feuchtigkeit
(berechnet aus den Angaben des Iygrometers), ist ferner
0,62208 das spec. Gewicht des Wasserdampfes, bezogen
auf Luft, so haben wir die Dichte der feuchten Luft:
__ 0,001292762 (B—h) _ 0,001292762 . 0,62208 h
-.760(1 + 0,003665 t) 760 (1 + 0,003665 t)
N __ 0,001292762 » (B — 0,37792 h)
7760 (1 + 0,003668 t)
Nach dieser Methode und mit diesen Constanten
arbeitend erhielt ich durch Einführen meiner Beobach-
tungsresultate in die Formel (3) die Dichte bei 0° C.,
bezogen auf Wasser von + 4° C.:
1) Für das Petschaft von Gast = 2,65027 + 0,00009.
Wild hat als Dichte des fehlerfreien Bergkrystalls
gefunden 2,65062. Diese Zahl differirt von der von mir
für Rauchquarz gefundenen erst in der vierten Decimale.
Erinnert man sich noch daran, dass das untersuchte Pet-
schaft einen kleinen Fehler im Innern zeigte, so wird
man die kleine Differenz begreifen und zu dem Schlusse
kommen, dass die Dichten von Bergkrystalliund
Rauchquarz sich nicht merklich unter-
scheiden.
2) Um den Einfluss kennen zu lernen, welchen das
Entfärben des Rauchquarzes durch Hitze auf seine Dichte
äussert, wurde nun die Dichte eines geschliffenen Stückes
aus einer Broche, welches ich im Luftbad entfärbt hatte,
bestimmt.
Ich fand D, = 2,65022 + 0,00010.
Vergleicht man diese Zahl mit der für das Petschaft
gefundenen, so hat man
— 15 —
Dichte des Rauchquarzes = 2,65027
Dichte des entfärbten Rauchquarzes = 2,65022
Differenz = 0,00005
Diese Zahlen beweisen zur Genüge, dass die Färbung
in keiner Beziehung zur Dichte steht. Ich verzichte
daher auf die Angabe einer Anzahl weiterer Dichtebe-
stimmungen, welche ich mit verschiedenen Proben Rauch-
quarz ausgeführt habe, und will nur bemerken, dass diese
Dichte vom kleinsten Fehler in dem untersuchten Stücke
schon um mehrere Einheiten der vierten Decimale ver-
ändert wird.
Zu genauen Dichtebestimmungen haben sich mir
einfache Bruchstücke als ungeeignet erwiesen, indem die
durch das Zerschlagen entstehenden Sprünge immer mehr
oder weniger lufthaltig sind; es sollen daher stets nur
geschliffene fehlerfreie Stücke angewendet werden.
Diese Versuche beweisen indirekt, dass die Färbung
durch eine in sehr geringer Menge beigemischte Substanz
bedingt ist, da sie den Beweis erbracht haben, dass die-
selbe in keinem Zusammenhang mit den wichtigsten phy-
sikalischen Eigenschaften steht. Immerhin genügte mir
dieser indirekte Beweis nicht und ich trachtete, die fremde
Substanz wirklich nachzuweisen.
Der Rest des von Hrn. v. Fellenberg erhaltenen
Rauchquarzes wurde zu circa linsengrossen Stückchen
zerschlagen; dieselben wurden mit Salzsäure extrahirt,
dann mit grossen Mengen Brunnenwasser,, zuletzt mit
destillirtem Wasser gewaschen. Die nassen Krystalle
brachte man in eine Porzellanschale, welche man auf dem
Wasserbad so lange erhitzte, bis die Stückchen sich voll-
kommen trocken anfühlten. Die noch heissen Kry-
stallstückchen brachte man rasch unter den Recipienten der
Luftpumpe über eine Schale voll concentrirter Schwefel-
— 156 —
säure, wo man dieselben unter häufig wiederholtem
Evacuiren 5 Tage stehen liess. Während dieser Zeit war
eine Glasretorte, um dieselbe widerstandsfähiger zu
machen, mit einem Lehmbeschlag versehen worden. Die
Retorte wurde nun, um jede Spur etwa vorhandener or-
ganischer Substanz zu entfernen, mit einer heissen
Mischung von Schwefelsäure und einer Lösung von chrom-
saurem Kali angefüllt. Nach dem Erkalten wurde die
Lösung ausgegossen, die Retorte mit destillirtem Wasser
ausgespült und dann unter Erhitzen durch einen einge-
blasenen Strom heisser Luft scharf ausgetrocknet. In
die so vorbereitete Retorte brachte man die getrockneten.
Krystalle und zog darauf den Hals der Retorte in eine
Spitze aus,
Durch die Luftpumpe wurde jetzt die Retorte von
Luft entleert und sofort mit chemisch reinem, durch con-
centrirte Schwefelsäure getrocknetem Wasserstoffgas ge-
füllt. Das Wasserstoffgas wurde wieder entleert, durch
eine neue Menge ersetzt und diese Operation sechs Mal
wiederholt. So durfte man sich für überzeugt halten,
aus der Retorte allen Sauerstoff entfernt zu haben, und
jetzt wurde die Spitze zugeschmolzen.
Die mit 760 Grm. Rauchquarz beschickte Retorte
wurde so auf einen kleinen Kohlenofen gesetzt, dass die
zugeschmolzene Spitze in ein Gefäss mit kaltem Wasser
tauchte. |
Nach Astündigem starkem Feuern erschien der Quarz
vollkommen entfärbt und in der Spitze hatte sich eine
circa 0,1 Grm. betragende, trübliche Flüssigkeit ange-
sammelt.
Als nach dem Erkalten der Hals abgeschnitten wurde,
bemerkte man einen starken eigenthümlichen Geruch,
den ich nicht anders als empyreumatisch zu bezeichnen
weiss.
ET
Die Flüssigkeit zeigte folgende Eigenschaften:
1) Dieselbe war beinahe farblos, nur schwach bräun-
lich gefärbt und zeigte den vorhin erwähnten eigen-
thümlichen Geruch.
2) Rothes Laccmuspapier wurde durch dieselbe stark
gebläut, Curcumapapier gebräunt.
Dieselbe enthielt demnach einen
basischen Körper.
3) Brachte man in das Röhrchen, welches die Flüssig-
keit enthielt, mit Hülfe einer Pincette ein Stückchen
rothes Laccmuspapier, ohne die Wände zu be-
rühren, so bläute sich dasselbe in wenig Augen-
blicken sehr intensiv.
Dıe alkalisch reagirende Substanz ist demnach
eine flüchtige.
4) Ein Tröpfchen der Flüssigkeit wurde auf einen
Objectträger gebracht und mit Platinchlorid ver-
setzt. Sofort trat eine Trübung ein, nach kurzer
Zeit entstand ein Niederschlag, welcher unter dem
Mikroskop .als aus Octsdern bestehend, erkannt
wurde.
5) Der Rest der Flüssigkeit mit einigen Tropfen Höllen-
steinlösung versetzt, gab einen dicken weissen
Niederschlag, welcher sich bei Zusatz eines Tropfens
Salpetersäure klar löste.
Das Resultat dieses Versuches war so merkwürdig,
dass ich lebhaft wünschen musste, denselben mit einer
grössern Quantität zu wiederholen, aber es war inzwischen
schon ziemlich schwierig geworden, Material zu erhalten,
so dass ich in Bern nur noch 2—3 Pfund ankaufen konnte.
Ich wandte mich in meiner Verlegenheit an Herrn
Apotheker Lindt, welcher mit grösster Bereitwilligkeit
versprach, mir zur Erlangung genügenden Materials
behülflich sein zu wollen. In der That stellte mir einige
Tage später Herr Fr. Bürki, durch Herrn Lindt von
meinen Wünschen in Kenntniss gesetzt, brieflich das
Material im Interesse der Wissenschaft zur Verfügung.
Ich erhielt von demselben einen tief schwarzen, circa
30 Pfund wiegenden, werthvollen Krystall und war somit
zu weiteren Versuchen mit Substanz glänzend ausgestaltet.
Es gereicht mir zum. besonderen Vergnügen, Herrn
Bürki, der in Bern .als eifriger Förderer wissenschaft-
licher Bestrebungen längst bekannt ist, für diese werth-
volle Unterstützung meiner Arbeit den verbindlichsten
Dank öffentlich auszusprechen.
Der Krystall wurde nun mit einem schweren Hammer
zerschlagen und im sogenannten Diamantmörser zu etwa
linsengrossen Stückchen zerklopft, welche genau wie im
vorigen Versuch gewaschen und getrocknet wurden. Eine
bedeutend grössere Retorte wurde ebenfalls in ganz
gleicher Weise vorgerichtet; in dieselbe füllte man aber
jetzt 4500 grammes der kleinen Quarzstückchen, füllte
wie vorhin mit Wasserstoffgas, schmolz die Spitze zu
und erhitzte im Kohlenfeuer, während die Spitze in Eis
gehalten wurde.
Nach sechsstündigem starkem Feuern waren die
Krystalle bis auf die oberste Schichte vollkommen ent-
färbt. Der Versuch musste aber trotzdem schon jetzt
unterbrochen werden, weil die Retorte in diesem Augen-
blick einen Sprung erhielt.
Das Resultat des Versuches war das folgende:
4) In der Spitze hatten sich 0,5 — 0,6 grammes einer
schwach trüben Flüssigkeit von eigenthümlichem
empyreumafischem Geruch condensirt.
2) Der ganze untere Theil des Retortenhalses zeigte
einen schwarz-grauen russartigen Anflug,
’
|; je
welcher unter dem Mikroskop vollkommen amorph
erschien und den ich für Kohlenstoff, von der Zer-
setzung einer organischen Materie herrührend, an-
sehe. Eine Täuschung ist nicht denkbar, da vor
dem Versuch der ganze Retortenhals vollkommen
rein und von keinem Stäubchen irgend einer Sub-
stanz getrübt war.
Ein Stückchen blaues Laccmuspapier wurde durch
die bei gewöhnlicher Temperatur sich bildenden
Dämpfe der Flüssigkeit stark gebläut.
4) Ein Tropfen Salzsäure zu einigen Tropfen der
Flüssigkeit gebracht, bewirkte ein Entweichen von
Gasbläschen , welche ohne Zweifel als Kohlen-
säure anzusehen sind.
5) Ein Tropfen Platinchlorid erzeugte in, der Flüssigkeit
einen aus mikroskopischen Oct&@dern bestehenden
Niederschlag.
6) Ueberliess man einige Tropfen der mit Salzsäure
neutralisirten Flüssigkeit der freiwilligen Verdunstung
auf einem Objectträger, so erhielt man ein kry-
stallinisches residuum, welches unter dem Mikroskop
die charakteristischen Formen des Salmiaks
zeigte. Um vor jeder Täuschung sicher zu sein,
brachte ich auf denselben Objectträger einen
Tropfen Salmiaklösung. Nach der freiwilligen Ver-
dunstung waren beide residua nicht von einander
zu unterscheiden.
7) Höllensteinlösung erzeugte einen dicken weissen
Niederschlag, welcher sich mit einem Tropfen Sal-
petersäure klar löste.
Die Resultate aus 3, 4,5, 6, 7 ergeben mit voll-
kommener Sicherheit, dass der in der Flüssigkeit ent-
haltene alkalische Stoff kohlensaures Ammoniak ist.
3
NL
— 160 —
Es ist hiernach als bewiesen anzu-
sehen, dass das kohlensaure Ammoniak,
welches sich in dem Destillat fand, das
ProduktdertrockenenDestillationeines
Stickstoff und Kohlenstoffhaltigen organi-
schen Stoffes sei, welcher Stoff eben die
Färbung der schwarzen Bergkrystalle bedingt.
Diess erklärt auch die regelmässige Anordnung der
Färbung. Wyrouboff *)hat nachgewiesen, dass in gefärbten
Flussspathen die Farbstofftheilchen eine regelmässige
treppenförmig pyramidale Lage haben; ebenso liess
sich in Kochsalzkrystallen, welche aus einer gefärb-
ten Lösung erhalten worden waren, eine regelmässige
Anordnung des Farbstoffes erkennen. Wyrouboff schliesst
hieraus, dass,in vielen Fällen, in welchen sich Krystalle
aus gefärbten Lösungen gebildet haben, der Farbstoff,
in den Schliffen eine bestimmte geometrische Figur be-
sitzen werde, so dass derselbe oft die innere Structur
des Krystalls anzeige.
Ein Blick auf beiliegende Figur I lässt sofort die
hexagonale Structur des Schliffes erkennen, so dass auch
dieses Verhalten die Annahme rechtfertigt, es haben sich
die schwarzen Bergkrystalle aus einer durch organische
Substanz dunkel gefärbten Lösung durch langsames Aus-
krystallisiren gebildet. Von besonderen Interesse scheint
mir der Umstand, dass die färbende Substanz Stickstoff-
haltig ist; ob dieselbe ursprünglich thierischen . oder
pflanzlichen Ursprungs gewesen sein mag? — Diess zu.
entscheiden muss ich den ‚Geologen überlassen, wenn
mir auch, im Hinblick auf die allgemeine Verbreitung
des Stickstoffs im Thierreiche, die erstere Möglichkeit
als wahrscheinlicher vorkommt.
*) Bull. de Moscon 1867. III. Fortschritte der Physik 1867. 75.
— 161 —
Zusammenstellung.
Aus den vorliegenden Untersuchungen ergeben sich
demnach folgende Resultate :
r
Il.
IM.
IV.
v1.
vl.
Der Farbstoff der schwarzen Bergkrystalle ist in
mehr oder minder regelmässigen Figuren angeordnet
welche die hexagonale Structur der Krystalle deut-
lich erscheinen lassen. (Vid. fig. 1)
Die Brechungsexponenten des Rauchquarzes sind:
o— 1.544168.
e = 1553328. (Vid. pag. 17)
Die Brechungsexponenten des durch Hitze ent-
färbten Rauchquarzes sind:
o — 1.544171.
e — 1.553318. (Vid. pag. 20)
Die Dichte des Rauchquarzes bei 0°C. bezogen auf
Wasser von + 4°C. beträgt
D—'2.65027. (Vid. pag. 26)
. Die Dichte eines durch Hitze entfärbten Stückes
Rauchquarz unter gleichen Verhältnissen wie oben
wurde gefunden:
D’ == 2.0022. (Yıd. pag. 26)
Die Färbung des Rauchquarzes ist durch einen or-
ganischen Kohlenstoff und Stickstoffhal-
tigen Körper bedingt.
Dieser organische Körper wird durch Rrhitzen zer-
setzt und liefert unter den Producten der trockenen
Destillation in einer Wasserstoffatmosphäre kohlen-
saures Ammoniak.
(Hierzu eine Tafel.)
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 765.
3. Fankhauser, stud. phil.
Nachweis der marinen Molasse im
Emmenthal.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 18. März 1871.)
Es war im Juli des vergangenen Sommers, als ich
das Vergnügen hatte, Hrn. Dr. Bachmann auf einer geolo-
gischen Exkursion in's Emmenthal zu begleiten. In
Mättenberg, oberhalb der alten Landstrasse von Signau
nach Langnau, machte mich Herr Bachmann aufmerksam
auf Sandsteine, die offenbar Merkmale mariner Natur an
sich trugen.
Im August besuchte ich den erwähnten Haufen von
Sandsteinen nochmals und besah mir dieselben etwas
näher. In einem derselben fanden sich pflanzliche Ver-
steinerungen, nämlich ein schlecht erhaltenes Carpinus-
blatt und ein gegliedertes Axengebilde, das an das Rhizom
eines Equisetum erinnert. Die Equisetennatur wird noch
wahrscheinlicher gemacht durch den peripherischen Ring
gleich grosser Gefässbündel, die ich beim Abbrechen
eines jener Glieder zu Gesichte bekam.
Wie ich vom Besitzer erfuhr, stammten die erwähnten
Sandsteine von einem uralten Häuschen, das abgebrochen
worden war. Die Vermuthung lag nahe, dass man diese
Steine nicht aus entfernten Steinbrüchen hertransportirt,
sondern aus der Umgebung bezogen hatte. Ich suchte
nach anstehendem, ähnlichem Gestein; jedoch ohne
befriedigendes Resultat.
Desshalb suchte ich nun weitere Auskunft am Ried-
berg, auf dem linken Ufer der Emme in gleicher Höhe
— 18 —
mit Mättenberg. Hier fanden sich am östlicher, Ende
desselben auf der ziemlich steilen Seite, welche der
Eisenbahn von Signau nach Emmenmatt parallel läuft,
ganz ähnliche Sandsteinblöcke mit ähnlichen gegliederten
Gebilden. Diese Blöcke lagen frei an der Oberfläche
der Halde.
Der Riedberg nun war es, der mir weitere Auf-
schlüsse auf meine Fragen gab. Ich schliesse daher
auch meine Betrachtungen zunächst an denselben an.
Der Riedberg ist eine Abzweigung eines Ausläufers
der Hundschüpfen, der zuerst in nordöstlicher Richtung
verlauft und dann nach Norden umbiegt und nun die
rechte Thalseite von Emmenmatt bis Rüderswyl bildet.
Der Riedberg selber hat zuerst eine fast südöstliche
Richtung und biegt dann bei Schüpbach in eine nordöst-
liche um. Er ist vom Hauptzuge getrennt durch den
Längenbach (Dufourkarte Bl. 43). Wie schon bemerkt
worden, ist die Thalseite, die der Emme sich zukehrt
und längs der Bahnlinie verläuft, ziemlich steil und
namentlich gegen Emmenmatt hin treten desshalb die
Felsen nackt zu Tage.
Steigt man untenher der Riedmühle empor, so über-
schreitet man zuerst einen Abhang, der aus herunter-
gefallenen Trümmern des höherliegenden Gesteins ge-
bildet und von Vegetation bekleidet ist. Als Beispiel
greife ich ein Profil heraus, wie sich dieses über jenem
Abhang darstellt, um es einer nähern Betrachtung zu
unterwerfen. Dieses Profil liegt am nächsten bei Emmen-
matt, wo noch die Felsen blosgelegt sind.
Von unten noch oben fortschreitend, haben wir Fol-
gendes:
1) Nagelfluh, bestehend aus Geröllen mittlerer Grösse,
darunter namentlich viele dunkle Quarze und Kalke.
— 14 —
2) 1 M. sandige, blaugraue Mergel, die oben und
unten eingefasst sind von blaugrauem Sandstein mit vielen
eingelagerten Massen feinen Mergels.
3) Ein 2 M. dickes Lager von grünlichblauem, sehr
feinem Mergel, der feine kohlige Spuren zeigt.
4) Ein Lager grobkörnigen Sandsteins von blau-
grauer Färbung, mit rundlichen Mergelknollen, ziemlich
hart. Dasselbe besitzt eine Mächtigkeit von !/, M.
5) 1 M. blaugraue Mergel überdacht von graublauem
Sandstein, der überlagert wird
6) von einem Nagelfluhlager von 6 M. Mächtigkeit.
Die Gerölle dieser Nagelfluh bestehen fast zur Hälfte aus
milchweissen, oft durchscheinenden Quarzen, daneben
kommennoch vor Kieselkalk, Granit, namentlich grüner etc.
Das Bindemittel ist ein feinerer oder sandiger Mergel,
der sich mit den benachbarten Gesteinslagern vergleichen
lässt.
7) Es folgen nun sehr mannigfaltige Lagerungsver-
hältnisse, die aber doch wesentlich charakterisirt sind
durch einen blaugrauen, sandigen Mergel, aus demSchichten
und Köpfe von graulichem Sandstein hervorragen.. Dieses
8 M. mächtige Lager ist also eigentliche Knauermolasse.
8) Ein 1?/, M. mächtiges Lager Nagelfluh, in der die
weissen Quarze nicht mehr so vorherrschend sind.
9) Es folgt nun weiter ein grauer, grobkörniger, an
der Luft in Sand zerfallender Sandstein, der oben durch
den waldigen Abhang bedeckt wird. Der blosgelegte
Fels hat eine Mächtigkeit von 15 M.
An diesem Profil können wir wesentlich zwei Re-
gionen unterscheiden:
1) Eine untere Region, die sich durch den mannig-
faltigen Wechsel der Schichten, das Vorherrschen der
— 15 —
weissen Quarze in der Nagelfluh und durch das Vor-
wiegen der mergeligen Ablagerungen auszeichnet.
2) Eine obere Region, durch den gleichförmigen,
grobkörnigen, grauen Sandstein charakterisirt.
In ganz ähnlicher Weise verhalten sich die übrigen
Profile; es werden nur oft die Mergelmassen durch Nagel-
fluh oder graublauen Sandstein ersetzt oder es wird
umgekehrt die Nagelfluh durch Mergel vertreten und ist
häufig mit sich auskeilenden Lagern von Mergel und
Sandstein durchsetzt. Was die Grenzen der untern Region
betrifft, so finden wir an Stellen, wo die untersten Lager
tiefer hinab freigelegt sind, als in dem angeführten Profil,
dass hier Mergel und Sandstein mit Nagelfluh abwechseln,
die, wie das blosgelegte, gegenüberstehende rechte Ufer
der Emme zeigt, nach unten in eine eigentliche Kalk-
nagelfluh übergeht.
Der graue Sandstein der obern Region scheint sich
nach oben bis zur Höhe des Riedberggrates fortzusetzen,
aber oft unterbrochen von Nagelfluhlagern.
Wenn wir nun nach dem Herkommen der angeführten
Schichten fragen, so drängt sich bei dem grauen, grob-
körnigen Sandstein der obern Region sofort die Vermuthung
auf es möchte dieser mariner Natur sein, da derselbe ganz
das Aussehen hat, wie etwa der marine Sandstein von
der Stockern und Ostermundigen. Die Petrefakten be-
stätigen diese Vermuthung. Es fanden sich in dem Sand-
stein Nro. 9 unseres Profiles in den untern Lagern:
1) Zähne von Lamna cuspidata.
2) Ein Wirbel von Lamna.
3) Kleinere Fischwirbel.
4) Fischschuppen.
5) Ein Fragment einer Koralle.
— 166 —
Der graue, grobkörnige Sandstein der obern
Region des Riedberges ist also mariner Natur.
Wie verhalten sich nun aber die verschiedenen
Schichten der untern Region? Die Mergel boten keine
Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage; dagegen
fand sich in der Sandsteinschicht Nro. # unseres Profils :
1) Lamna cuspidata.
2) Zygobates Studeri, Ag.
3) Kleinere Fischwirbel.
#) Kopfknochen eines Fisches.
5) Ein Ostrea (schlecht erhalten).
6) Pflanzliche Uebereste, nicht bestimmbar.
Um die Kenntniss dieser untern Region zu vervoll-
ständigen, wandern wir dem rechten Ufer der Ilfis nach
bis zur Ilfisbrücke zwischen Langnau und Ilfis. Hier sehen
wir das ganze linke Ufer der Ilfis steil abfallen und von
Vegetation entblöst. Die Hauptmasse dieser Felsen ist
eine Nagelfluh mit vielen Kalkgeröllen. Hie und da sehen
wir Streifen eines feinkörnigen, gelblich grauen Sand-
steins, welche ein NWfallen zeigen. In einem dieser
Sandsteinstreifen fanden sich schöne pflanzliche Abdrücke,
die das Zeugniss ablegen, dass wir hier untere Süss-
wassermolasse vor uns haben.
Ich hebe von den Versteinerungen hervor die Blatt-
abdrücke von
Cinnamomum Scheuchzeri, Hr.
Salıx tenera, Alex. Br.
Quercus chlorophylla, Ung.
Das NWfallen der Schichten dieser Süsswasser-
ablagerungen, sowie die Kalknagelfluh des rechten Emmen-
ufers gegenüber dem Riedberg und das Vorkommen von
Ligniten in derselben, lassen vermuthen, dass die Süss-
wassermolasse die Basis des Riedberges bildet.
— 167 —
Ueber die Süsswassernagelfluh folgen dann weiter
nach oben ebenfalls die Mergel- und Sandsteinschichten,
wie wir sie am Riedberg finden. Es treten dieselben
dann namentlich schön zu Tage in dem benachbarten
Ilfis- oder Aspigraben. Betrachten wir auch’ hier wieder
ein einzelnes Profil. Es beginnt dasselbe im Niveau der
halben Riedberghöhe. Die Bestandtheile sind:
1) Blaugraue Mergel.
2) Nagelfluh von 2'/,M. Mächtigkeit mit vielen weissen
Quarzen.
3) 3M. blaugrauer Sandstein unterbrochen von Mergel,
zusammengesetzt aus blauen und braunrothen Lamellen.
%) 2 M. blaugraue Mergel mit Sandsteinknauern.
5) 6 M. blaugraue Mergel parallel geschichtet mit
Geröllen, die nach oben zu immer gröber und dicker
werden, nach unten in groben Sand übergehen.
6) 1!/, M. graulicher Sandstein.
7) 3 M. Nagelfluh mit verworfenen Sandstein- und
Mergelbänken. Sie enthält noch. durcheinander gewor-
fene, dünne Streifen von Braunkohle.
8) 11/, M. blaugraue Mergel, die eigenthümlich ge-
wellt sind. Diese Wellen bestehen aus grobem Sand und
sind oben wie abrasirt durch
9) grauen, feinkörnigen Sandstein, der bald vom
Walde bedeckt wird. Andere Profile lehren, dass der
marine, gleichartige Sandstein der obern Region des
Riedberges hier fehlt, und durch Nagelfluh, unterbrochen
von Sandsteinstreifen, vertreten ist, wenigstens hier in
den untern Lagern. Die höhern Lager sind verdeckt,
und zwar oft aus Schutt, der zum Theil erratisch zu sein
scheint. Es finden sich nämlich an diesen Stellen Blöcke
von eocenem (uarzsandstein und von Habkerngranit.
— 168 —
Was nun die Versteinerungen aus dem Ilfisgraben
anbetrifft, so sind ihrer ziemlich wenige, die ich finden
konnte; jedoch sind diese wenigen interessant. Aus
Nro. 3 unseres zweiten Profiles haben wir einen Fisch-
wirbel von mittlerer Grösse, eingebettet in einem grau-
blauen Sandstein mit Mergelknollen, wie er sich am
Riedberg gefunden.
Aus dem folgenden Lager (Nro. 4) stammt wahr-
scheinlich ein heruntergefallener Block eines blaugrauen
Mergels, der Blattabdrücke von Quercus elaena enthält.
Aus Mergellagern, die in höhern und tiefern Schichten
vorkommen, fanden sich ebenfalls Spuren von Blatt-
abdrücken, mit denen aber nichts weiter anzufangen war.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass einzelne Schichten
der untern Region, namentlich die Sandsteinschichten
mariner Natur sind. Ob die Mergel mit den Blattabdrücken
marine Ablagerungen sind oder mit den Süsswasser-
bildungen zusammenhangen, bleibe dahingestellt.
Wir hätten nun so die Ablagerungsverhältnisse und
Natur der Molasseablagerungen in der Nachbarschaft des
Zusammenflusses von Emme und llfis kennen gelernt;
betrachten wir nun die Zusammengehörigkeit dieser
Bildungen mit denjenigen der angrenzenden Gegenden.
Gehen wir dem linken Ufer der mit der llfis ver-
einigten Emme nach, so finden wir bei Lauperswyl die
Felsmassen wieder blosgelegt., Die Ruine der sogen.
Wartburg steht auf demselben gleichartigen, grobkörnigen
Sandstein, wie er sich am Riedberg in der obern Region
desselben findet. Etwas unterhalb der Burgruine fand
sich ein Lamna-Zahn, aber neben demselben eine mittel-
grosse Helix. Diese sagt uns wohl, dass wir hier das
Ufer des Meeres, aus dem diese Ablagerungen entstunden,
nicht weit vom genannten Punkt entfernt zu suchen haben.
— 169 —
An der Wannenfluh, unterhalb Rahnflüh, sind die Mergel,
die bei Lauperswyl noch ähnlich, wie am Riedberg auf-
treten, nicht mehr vorhanden. Fast die ganze Höhe der
Wannenfluh wird gebildet von dem marinen Sandstein
der obern Region des Riedberg. Er ist gleichförmig in
einer Mächtigkeit von 30 und mehr Meter; nach oben
tritt dann Nagelfluh auf. Der Sandstein wird ausgebeutet
und die Arbeiter behaupten, dass sich hie und da im
Stein ein „Schneckenhaus“ finde. Merkwürdig ist noch
ein Mergelbändchen in der Nagelfluh, welche die Grund-
lage des marinen Sandsteines bildet. Dasselbe besteht
aus einem feinen, bläulichen Mergel, in dem eine Un-
masse von Schneckenschalen vorhanden sind. Sie sind
aber meistens zerdrückt. Zu erkennen sind ein Limnaeus
und verschiedene Helix-Arten.
Kehren wir wieder zurück und betrachten die Ab-
lagerungen nordöstlich und östlich vom Riedberg, so habe
ich nur anzuführen, dass in dem obern und untern Friiten-
bach die Verhältnisse sich mehr an die des Ilfisgrabens
anschliessen. Wir haben hier wieder die Mergel-, Sand-
stein- und Nagelfluhmassen, ähnlich wie dort, nur dass
erstere zwei in den dem Thale der Emme und Ilfis näher
gelegenen Theile vorwiegen und z. B. bei Pfaffenbach
im obern Frittenbach ganz das Aussehen der untern
Süsswassermolasse haben, wie sie etwa an der Bäuchlen
auftritt. Nach oben fehlt der Sandstein und ist ersetzt
durch Nagelfluh, die zwar oft Streifen von solchem zeigt
und hie und da Einlagerungen von Braunkohle enthält.
Es fanden sich in einer dieser Einlagerungen von dünn-
blättriger Braunkohle Reste von Schneckenschalen. Besser
erhalten war eine Planorbis.
Verfolgen wir aber nun die Bildungen weiter nach
Osten hin, so finden wir, dass in den höchsten Schichten
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 766.
— Id.
sich wieder der marine Sandstein findet, der hie und da
sogar ausgebeutet wird, zu Ofenplatten etc. So z.B.
bei Hochstalden, zuhinterst im Weitenbachgraben, einem
Seitentobel der Gohl.
Wandern wir von Langnau nach Trubschachen,, so
finden wir, wo die Ablagerungen zu Tage treten, fast
reine Nagelfluh, zu vergleichen mit derjenigen, die wir
am linken Ufer der Ilfis gegenüber Langnau gesehen und
die also eine untere Süsswasserbildung ist. An höhern
"Stellen finden wir aber auch wieder grauen Sandstein;
so bei Mühlebach südöstlich von Langnau und dann nament-
lich auch bei Hegen, wo der Sandstein eine Mächtig-
keit von 6.M. hat. Im benachbarten Orbachgraben haben
wir Beweise für die untere Süsswassermolasse. Es findet
sich circa 30 M. tiefer als jener Sandstein zu hinterst im
Graben, in dem viele Blöcke von Hobgantsandstein und
Habkerngranit liegen, ein Mergellager mit Pflanzenüber-
resten. Unter denselben finden sich Spuren von einer
Fächerpalme. Es scheint mir, dass dieses Lager mit dem
Braunkohlenlager vom Blapbach zusammenhängt, das auf
der entgegengesetzten Seite der Hegenalp liegt.
Dringt man ferner von Schüpbach nach Eggiwyl vor,
so hat man hier jene Mergellager, jene Nagelfluhbänder
mit weissen Quarzen und auch jene Sandsteine, wie am
Riedberg. Diese letztern werden aber nach Eggiwyl hin,
sowie die Mergel von Nagelfluh verdrängt, die zunächst,
wie die Schichten, die sie vertritt, ein NWfalien zeigt,
das aber nach Eggiwyl hin nicht mehr so stark ist, wie
mehr naeh Schüpbach zu. In der Nähe des letzt-
genannten Ortes ist die Mutten, eine Terrasse, die gegen
die Emme steil abfällt und uns hier ihre Schichten zeigt.
Hier fanden sich in einem marinen Sandstein erfüllt mit
Bruchstücke von Muscheln, höchst wahrscheinlich
BR)
Austernschalen. Diese Trümmer deuten auf eine Küsten-
bildung.
Da der Riedberg ein Ausläufer der Hundschüpfen ist
und die Schichten desselben horizontal verlaufen, so
können wir schon vermuthen, dass wir an der letzteren
ähnliche Verhältnisse finden werden.
Gehen wir durch den Niedermattgraben bis dicht an
den Fuss der Hundschüpfen, so finden wir hier z. B. jenes
Band grünlichblauen Mergels wieder, das wir bei unserm
ersten Profil als Nro. 3 bezeichnet haben. Ueber diesem
Band folgen die Schichten ganz analog wie am Riedberg.
Nur auf ein Lager von graublauem Mergelsandstein,
das nicht hoch über dem angeführten grünlichen Mergel
liegt, will ich noch näher eingehen. Es enthielt diess
einen Zahn von Lamna cuspidata. Dann fand sich eben-
falls hier eine Versteinerung, deren Aeusseres uns etwa
an ein Stück des Zahnes eines grossen Nagers erinnert.
Das ein Zoll lange, etwas gepresste, concentrisch schalige
Stück hat eine dunkelbraune Färbung und einen Horn-
glanz. Unter dem Mikroskop zeigen abgelöste Splitter
die gewundenen Kanälchen des Zahngewebes. Bei Be-
handlung mit Säuren, namentlich mit verdünnter Salpeter-
säure, verändert sich das mikroskopische Bild vollständig.
Es tritt ein zelliges Gebilde zu Tage, ja die Zellen lassen
sich sogar isoliren. Herr Prof. Dr. Aeby sieht das Ge-
bilde als ein pflanzliches an und es wäre möglich, dass.
wir hier ein Stück eines Fucus oder einer andern grossen
Alge vor uns haben. Merkwürdig bleibt immerhin 'die
Erhaltung der Zellen in diesem grobkörnigen Sandstein.
Es folgen nun weiter nach oben in der mittlern Höhe
der Hundschüpfen Ablagerungen von grauem, marinem
Sandstein, ‘welcher zum Theil demjenigen des Riedberg
entspricht. Er ist oft durchzogen von Nagelfluhlagern
u
und dann nach oben oft ersetzt durch Mergel. Die Nagel-
fluh wird nach dem Gipfel hin immer mächtiger, so dass
der Gipfel (11145 M.) in einer Mächtigkeit von 75 M. aus
derselben besteht. Es ist aber die Nagelfluh ganz analog
zusammengesetzt, wie die tiefern Schichten derselben,
die sich zwischen dem marinen Sandstein befinden.
Die marinen Bildungen hangen sehr wahrscheinlich
mit denen von Walkringen direkt zusammen, wo die
marine Molasse nachgewiesen ist.
Fassen wir nun unsere Ergebnisse zusammen, die
wir auf unsern Spaziergängen gesammelt, die wir vom
Riedberg als Mittelpunkt nach Norden, Osten, Süden und
Westen unternommen haben, so können wir etwa Fol-
gendes sagen:
Das Meer, das die ganze schweizerische Hochebene
von Genf bis zum Bodensee durchzog, während der
miocenen Zeit, enisandte auch einen Arm nach der von uns
betrachteten Gegend. Die marinen Ablagerungen hangen
also hier nach Norden und Westen mit den beobachteten,
bekannten Ablagerungen zusammen. Das Ufer dieses
Meeresarmes zog sich in einem ähnlichen Bogen dahin,
wie das jetzige Thal der Emme von Schüpbach nach
Lauperswyl. Das Vorkommen des gleichartigen marinen
Sandsteins in den obern Lagern lässt uns vermuthen,
dass während der Ablagerung derselben die Küste weiter
nach Osten und Süden gerückt worden sei. Diese Ver-
muthung bestätigt sich durch das Auftreten von marinem
Sandstein in grösserer Erhebung in den Gegenden auf
dem rechten Ufer der Ilfis (Hochstalden) und zwischen
Ilfis und Emme (Hegen). Diese Erscheinungen machen
also eine Bodensenkung während der Ablagerung unserer
marinen Bildungen wahrscheinlich. Bei dieser Senkung
des Boders erweiterte sich die Küste unseres Busens in
immer grössern Bogen nach Osten und Süden.
Betrachten wir nun noch das Verhältniss dieser
marinen Bildungen zu den quartären Ablagerungen und
werfen wir auch noch schnell einen Blick auf diese
letztern selbst.
Es ist schon erwähnt worden, dass dem östlichen
Ende des Riedberges bei Emmenmatt zwei wohl ausge-
bildete Terrassen sich vorlagern. Die Richtung dieser
Terrassen steht rechtwinklig zu derjenigen des Ried-
berges. Die Grenze zwischen dem quartären Schutte,
aus dem die Terrassen aufgeführt sind und den marinen
Bildungen des eigentlichen Riedbergzuges lässt sich sehr
deutlich auf der Seite erkennen, auf der wir unser Profil
aufgenommen haben. Es ist diese eine schiefe, ziemlich
steile Linie, welche die Schichten des Riedberges an
ihrem östlichen Ende scharf abschneidet und über die
nach Osten hinaus dann blos quartäre Schuttmassen sich
befinden. Die Gerölle scheinen zum grössten Theil
Nagelfluhgerölle zu sein. Es finden sich darunter auch
Sandsteinblöcke. Wir haben aber namentlich noch an-
derer Gerölle zu gedenken, die aus dem Quellgebiet der
Emme kommen. Es gehören zu denselben solche von
Hohgantsandstein, Rudistenkalk und Habkerngranit.
Die quartären Gerölle gehen hier am Riedberg bis
zur Thalsohle und wohl noch tiefer. An andern Stellen
gehen sie nicht so tief hinab. Wenn wir uns ein Profil
denken durch die in dieser Gegend so schön ausge-
bildeten Terrassen, deren man vier wohl unterscheiden
kann, und ziehen dieses Profil von der Mutten über die
Emme nach Furren, Bembrunnen, Langnau bis Bärau, so
finden wir, dass wir auf der Muttenterrasse sehr geringe
quartäre Ablagerungen haben, sondern die marinen
— N —
Bildungen reichen fast bis an das Niveau dieser Terrasse.
Die schöne Ebene, welche von einer niedrigern Terrasse,
die sich von Furren über Bembrunnen nach Ilfis hin
erstreckt, zeigt uns am rechten Ufer der Emme ihre
Strucktur. Bis zur Hälfte ihrer Höhe reichen die schon
erwähnten Nagelfluhlager, untermischt mit grauen und
blauen Mergeln; die obere Hälfte dagegen ist eine Schutt-
masse quartären Charakters, die eine Mächtigkeit von
von 6M. besitzt. Die Gerölle sind ähnliche, wie die der
Riedbergterrassen; doch kommen hier grössere Blöcke
von Habkerngranit, von Hohgant-, von Rallig-, von Niesen-
standstein vor. In der Gegend von Bembrunnen gehen
die quartären Gerölle bis zum Niveau der Emme hin-
unter, während sie ‚dann nach Langnau hin wieder an
Mächtigkeit abnehmen. An der Bäregg bei Bärau haben
wir über die Hälfte der höchsten (vierten) Terrasse die
bekannte Nagelfluh, wie sie sich gegenüber Langnau findet.
Verfolgen wir das Ufer der Emme unterhalb Emmen-
matt, so finden wir von hierweg bis nach Lauperswyl
die quartären Schuttmassen einer Nagelfluh mit Lignit
oder einem Sandstein aufgelagert. Diese beiden letztern
ragen aber nur im Mittel 2 M. über das Niveau der Emme
empor.
Bei Rahnflüh erreichen die quartären Ablagerungen
ebenfalls die Thalsohle. Auf dem linken Ufer der Emme
bei Rüderswyl ist dieses auch so. Wir haben aber auch
hier Grenzlinien zwischen diesem und den Molassen-
ablagerungen. Etwas unterhalb der Mündung des Blinden-
bachs, da wo die Strasse, die nach Rüderswyl führt, ihre
Windungen zur Erklimmung der Rüderswylebene (vierte
Terrasse) macht, haben wir am linken Emmenufer eine
fast senkrechte Trennungslinie zwischen quartären und
tertiären Ablagerungen. Das Nämliche haben wir unter-
halb Rüderswyl am Emmenufer, so dass Rüderswyl auf
einen Stock quartärer Gerölle gebaut ist, die hier einen
frühern Erosionskessel ausfüllen.
Aus dem über die quartären Ablagerungen Gesagten
ergiebt sich, dass unsere bekannten marinen Bildungen
schon vor der jetigen Thalerosion eine solche in viel früherer
Zeit erfahren hatten ünd zwar ging diese an einigen
Stellen sogar tiefer als die gegenwärtige, an andern war
diess nicht der Fall. Die quartären Geschiebe, die wir
kennen gelernt, sind Ausfüllungsmassen, welche das alte
Erosionsthal wieder in einer Mächtigkeit von 18—20 M.
füllten. Es ist möglich, dass diese Geröllmassen zum
Theil erratisch sind und dem Emmengletscher angehören.
Ich kann es nicht unterlassen, noch auf die Linie
tiefster älterer Erosion aufmerksam zu machen. Es zieht
sich dieselbe von Mättenberg über Bembrunnen, am Ried-
berg vorbei nach Rahnflüh und Rüderswyl. Diese Linie
fällt also im Grossen und Ganzen mit der jetzigen Thal-
furche von Emmenmatt an zusammen; nur machte das
Thal etwas andere Krümmungen und Ausbuchtungen,
so am Riedberg, bei Rahnflüh, bei Rüderswyl. Eigen-
thümlich ist die Tiefenlinie; die sich vom Riedberg
nach Mättenberg hinaufzieht. Es scheint durch diese
Rinne in früherer Zeit eine beträchtliche Wassermasse
gekommen zu sein, wie diess nun gegenwärtig gar nicht
mehr der Fall ist. Ein Grund, warum diess nicht mehr
so ist, liegt darin, dass das Wasser bei Mättenberg in
die quartären Schuttmassen einsickert und dann erst
am Fusse der jüngsten Terrasse als prächtige Quellen zu
Tage tritt, in denen ich so glücklich war, die schöne
Floridee Hildenbrandtia fluviatilis, Rab. zu finden. Ein
anderer Grund ist vielleicht in dem Emmengletscher zu
suchen, auf welchen die erratischen Blöcke von Hohgant-
— 176 —
‚sandstein und Habkerngranit hinweisen, die sich ober-
"halb Mättenberg befinden.
Zum Schlusse sei mir noch erlaubt, einige Bemer-
kungen über die erratischen Blöcke der gewählten
Gegend zu machen.
Zunächst lehrt die Beobachtung, dass jenseits des
linken Ufers der Emme und des rechten der Ilfis sich
keine Quarzsandsteinblöcke, keine Habkerngranite, kein
Nummulitenkalk finden. Nur in dem Winkel zwischen
Ilfis und Emme finden sich die genannten Blöcke und
dann verschwemmt in der Ausfüllungsmasse des alten
Erosionthales von Emmenmatt an. An der Hundschüpfen,
am Riedberg und auf den westlichen und östlichen Hügel-
zügen ist kein Habkerngranit oder Hohgantsandstein zu
finden ; ebenso wenig in den beiden Frittenbächen, in der
Gohl. Ausnahmen finden sich bei Trubschachen und bei
Langnau, wo sich ein Block von rothem Granit an der
Lenggen, östlich von Langnau, fand. Diese Blöcke kommen
aber nie, wie wir sehen, weit vom Thale der Ilfis weg
vor, sondern in dessen Nähe und nicht über dem Niveau,
zu dem die quartären Schichten gehen.
In den Tobeln und Gräben, deren Wasser rechts
der Emme und links der Ilfis zufliesst, erblicken wir oft
die Blöcke des erwähnten Gesteins, und zwar finden sich
dieselben mehr in der Quellgegend der Bäche, die aus
diesen Rinnsalen hervorströmen, also zahlreich über dem
Niveau der höchsten Terrasse.
Was endlich noch die Habkerngranite anbetrifft, so
schien es mir, dass sie immer mit dem Hohgantsand-
stein namentlich gesellschaftet vorkommen. Auch im
Krümpelgraben haben wir viele solcher Quarzsandsteine.
Es ist daher wahrscheinlich, dass diese exotischen Blöcke
auch noch erratisch sind und in das Gebiet des Emmen-
gletschers gehören.
—. 1A —
Prof. Dr. A. Forster.
Notiz zur Kenntniss der Phosphorescenz
durch Temperaturerhöhung.
In den Berliner Berichten über die Fortschritte der
Physik fand ich, Jahrgang 1866 pag. 206, ein kurzes
Referat der Arbeit von Wyrouboff über die färbenden
Substanzen des Flussspathes, nach welcher Wyrouboff
die Phosphorescenz des Flussspathes als von der Zer-
setzung beigemengter organischer Substanz abhängig
erklärt.
Das kurze, entschiedene Aussprechen dieser total
ırrigen Meinung veranlasste mich die Sache näher zu
prüfen und zunächst die Originalarbeit zu studiren.
Herr Wyrouboff hat in seiner Arbeit als färbende
Substanzen der Flussspathe Kohlenwasserstoffe nach-
gewiesen und sagt bei Besprechung des Flussspathes von
Wölserndorff wörtlich :
„La phosphorescence est tres-intense dans la fluorine
de Welsendorff, mais elle cesse immediatement apres
la decoloration, comme dans toutes les fluorines, du
reste.*
„Il faut en conclure, necessairement, que le pheno-
mene depend uniquement de la matiere organique.“
Unter den Schlüssen. welche Wyrouboff aus seiner
Arbeit zieht, findet sich auch:
„# Que la phosphorescence n’est que le resultat
de la d&composition de la matiere colorante et n’ap-
partient pas au fluorure de calcium lui-m&me.“
Schon Seebeck und nach ihm mehrere Physiker
sind entgegengesetzter Meinung, indem dieselben die,
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 767.
= =
Fähigkeit beim Erhitzen zu phosphoreseiren als in der
Molekularstructur der betreffenden Substanzen bedingt
ansehen.
Nach meinen Erfahrungen und meiner Ueberzeugung
muss ich die von Wyrouboff so bestimmt ausgesprochene
Behauptung für vollkommen irrig erklären und sehe mich
daher, um zu verhüten, dass diese Meinung unangefochten
in Lehrbücher übergehe und sich so in der Wissenschaft
fesisetze, veranlasst, deren Unhaltbarkeit im Folgenden
nachzuweisen.
1) Zunächst ist es mir unbegreiflich, wie W. aus den
Ergebnissen seiner eigenen Arbeit den angeführten Schluss
ziehen konnte. Wyrouboff hat acht Flussspathproben
untersucht und die Menge des Kohlenstoffs und Wasser-
stoffs in denselben bestimmt. Von diesen acht Proben
waren drei stark phosphorescirend, drei schwach — sehr
schwach phosphorescirend, eine Probe phosphorescirte
nur an den gefärbten Theilen und die letzte farblose
Probe gar nicht.
Die letzte farblose Probe : Fluorine blanche du Cüm-
berland: erschien in grossen vollkommen durchsichtigen
Krystallen, enthielt keine organische Substanz und phos-
phoreseirte auch nicht durch Erhitzen.
Diese Probe, für sich allein betrachtet, scheint Wyrou-
boffs Ansicht zu bestätigen. Es ist aber bekannt, dass
es farblose wasserklare Flussspathe giebt, denen die
Fähigkeit durch Erhitzen zu phosphoresiren in ausge-
zeichneter Weise zukömmt. Ich selbst besitze der-
artige Flussspathe und bin gerne bereit Herrn Wyrouboff
oder jedem sich für den Gegenstand Interessirenden
Proben davon zu übersenden. Auf der andern Seite
besitze ich sehr stark gefärbte Flussspathe, denen nur
“ ein geringes Leuchtvermögen innewohnt.
Die Unabhängigkeit des Phosphorescenzvermögens
von dem Gehalt an organischer Substanz ergiebt sich
sehr auffallend durch Vergleichung der drei .stark phos-
phorescirenden mit den drei schwach phosphorescirenden
Proben Wyroubofis.
I. Stark phosphorescirende Flussspathe.
Gehalt an € + NH.
Fluorine de Welsendorff . } } 0,0208 %,
Fluorine verte du Beaujolais . an NOTSOE
Fluorine dichroique du Cumberland . .. 0,0110 „
Mittel 0,0146 %,
II. Schwach — sehr schwach. phosphoreseirende
Flussspathe.
Gehalt anC + H.
Fluorine jaune de Durham . . . E 0,0098 %,
Fluorine violette de Schneeberg Se
Fluorine bleue de Lichtenberg . . AV...
Mittel 0,0185 %,
Wie mansiehtist der Gehaltan organischer
Substanz im Mittel in den schwach phospho-
rescirenden Flussspathen sogar grösseralsin
den stark phosphorescirenden.
2) Die Untersuchungen von Canton, Seebeck, Des-
saignes, Pearsall *) haben gezeigt, dass man Flussspathen,
deren Phosphorescenzvermögen durch zu starkes Erhitzen
zerstört worden ist, dieses Vermögen durch einige Ent-
ladungen einer Leydenerflasche wieder ertheilen kann.
Diese Versuche habe ich wiederholt und bestätigt ge-
funden. Da hier natürlich den Flussspathen keine orga-
nische Substanzen zugeführt werden, so beweist schon
dieser einzige Versuch unbestreitbar das Irrthümliche
der Ansicht Wyrouboff's.
*) Pogg. Annalen Bd. 22, pag. 567.
mann
nn
— 10° —
Prof. Dr. A. Forster,
Eine merkwürdige Beobachtung am
Goldblattelectroskop.
Vorgetragen in der Sitzung vom 15. April 1871.
Divergiren die Blättchen eines Goldblattelectroskopes
mit — E, so muss ihre Divergenz durch Annäherung
eines — electrischen Körpers zunehmen und bei Nähe-
rung eines + electrischen Körpers abnehmen.
Um meinen Zuhörern diesen Satz nachzuweisen,
hatte ich folgende Aufstellung vorgenommen. Dicht vor
dem Linsenkopf (bestimmt die Strahlen der Knallgas-
lampe parallel zu machen) einer Duboscq’schen Knall-
gaslaterne befand sich auf einem Stativ ein Goldblatt-
electroskop mit zwei Blättchen. Durch eine Linse er-
zeugte ich auf einem weissen Schirm im verdunkelten
Zimmer ein stark vergrössertes Bild der Blättchen; nun
rieb ich eine Kautschukstange an einem Katzenfell und
berührte mit der stark electrischen Stange
die Kugel des Electroskopes. Nach dem
Entfernen der Stange zeigten die Blättchen eine bleibende
Divergenz von circa 70°. Ich rieb nun die Kautschuk-
stange von Neuem und näherte dieselbe von oben vor-
sichtig dem Knopf des Electroskopes in der Weise, dass
die Axe der Stange einen rechten Winkel mit der Ver-
tikalaxe des Rlectroskopes bildete, und erwartete natür-
lich, die Divergenz zunehmen zu sehen. Zu meinem
grossen Erstaunen nahm die Divergenz ab,
wurde bei weiterem Annähern =, umbei
noch geringerer Entfernung von Stange
und Electroskop wieder zu wachsen. Ent-
fernte man die Stange in gleicher Weise
— 191 —
langsam, so nahm die Divergenz ab, wurde
= 0, um bei grösserer Entfernung der
Stange wieder ihren vorigen Werth zu
erhalten.
Sehr vielfache Wiederholungen des Versuches gaben
stets das gleiche Resultat, nur ist nöthig, dass die Elec-
tricitätsquelle kräftig electrisch sei; daher gelingt der
Versuch mit Anwendung eines geriebenen Glasstabes
nicht leicht. |
Die Sache war mir vollkommen rätbselhaft, ebenso
allen Personen, denen ich den Versuch zeigte.
Nach verschiedenen misslungenen Versuchen, die
Sache aufzuklären, stiegen mir endlich Zweifel auf: ob
die Blättchen des Electroskopes durch Berühren
mit einer geriebenen Kautschukstange wirklich mit — E
divergiren? So paradox dieser Zweifel mir selbst zu-
erst schien, so musste ich mich doch überzeugen, dass
derselbe vollkommen gerechtfertigt war, denn Versuche
mit einem Fechner’'schen Säulenelectroskop belehrten
mich, dass die geriebene Kautschukstange allerdings
— electrisch, dass aber die Blättchen des Goldblatt-
electroskops + electrisch seien.
Um sich hievon zu überzeugen braucht man nur
folgenden Versuch anzustellen.
Man reibt eine Kautschukstange mit einem Katzen-
fell und nähert dieselbe dem Knopfe des Fechner’schen
Electroskops. Das Blättchen bewegt sich nach dem + Pol
der Zamboni’schen Säule; die Stange ist also — elec-
trisch.
Man reibt die Stange von Neuem, berührt mit
derselben den Kopf des Goldblattelectroscops (mit zwei
Blättchen) und entfernt die Stange sofort. Nähert man
nun den Knopf des mit Electricität geladenen Electro-
Me
skops dem Knopfe des Fechner'schen Electroskops, so
bewegt sich dessen Blättchen nach dem — Pol der Zam-
bonischen Säule; die Blättchen divergiren
also mit + E, es wird also das Goldblattelectroskop
durch Berühren mit der — electrischen Stange po-
sitiv electrisch!
Sobald nachgewiesen ist, dass die Blättchen mit + E
divergiren, hat die Erklärung der zuerst beschriebenen
Erscheinung keine Schwierigkeit mehr, und es bleibt
jetzt nur noch übrig zu erklären, wie es möglich ist,
dass sich die Blättchen des Electroskops durch Be-
rühren mit einer stark — electrischen Stange positiv
laden können.
Diess geschieht in folgender Weise.
Nähert man dem Knopf des Electroskops die stark
— electrische Stange, so findet Vertheilung der Electri-
citäten im Electroskop statt. Die + E strömt in den
Knopf, in welchem sie durch die — E der Stange ge-
bunden wird ; die — E strömt in die Blättchen, welche
unter ihrem Einfluss divergiren. Unter dem Einfluss der
Stange strömt — E aus dem Electroskop ab, während
im Knopfe sich immer mehr + E ansammelt und ge-
bunden wird. Im Momente des Berührens von Stange
und Knopf gibt die Stange diejenige Menge — E, welche
an der Berührungsstelle vorhanden ist, an den Knopf ab
und neutralisirt in demselben eine entsprechende Menge
+ E. Da aber die mit dem Knopfe nicht in unmittel-
barer Berührung befindlichen Theile der Stange ihre
— E nicht abgeben, so wird dieser Ueberschuss von
— E die angedeutete Vertheilung und Bindung fortsetzen,
in Folge dessen sich im Knopfe viel mehr gebundene
+ E als in den Blättchen freie — E ansammelt (weil ein
fortwährender Verlust an —E des Electroskops statt-
findet).
— 19 —
Entfernt man nun langsam die Stange, so wird ihr
bindender Einfluss auf den Knopf abnehmen und eine
gewisse Menge + E in die Blättchen strömen, dort eine
entsprechende Menge — E neutralisirend. Ist die Stange
so weit entfernt, dass gerade so viel + E aus dem Knopf
in die Blättchen abströmen kann, als diese —E ent-
halten, so müssen die Blättchen unelectrisch werden und
ihre Divergenz = 0 sein. Bei weiterer Entfernung wird
noch mehr der-bisher gebundenen + E aus dem Knopf
in die Blättchen strömen, dort überwiegen und nun eine
Divergenz der Blättchen mit + E veranlassen; hat man
den bindenden Stab ganz entfernt, so wird die ganze
bisher gebundene + E’frei und bewirkt eine starke po-
sitive Divergenz der Blättchen.
Nähert man nun wieder die Stange, so erfolgen die
beschriebenen Vorgänge einfach in umgekehrter Reihen-
folge.
Wie man sieht, beruht die ganze Erklärung darauf,
dass die durch Vertheilung entstandene und durch die
— electrische Stange gebundene + E überwiegt über die
dem Electroskop durch Berührung mitgetheilte — E (was
leicht erklärlich ist, da ein electrischer Nichtleiter seine
Blectricität nur an der unmittelbar berührten Stelle ab-
gibt).
Soll aber die Influenz überwiegen, so ist es nöthig,
dass die einwirkende Electricitätsquelle stark electrisch sei.
Dass unter den besprochenen Umständen auch ohne
sichtbare Ableitung aus dem Electroskop wirklich — E
abströmt, kann man leicht nachweisen, indem man dem
Knopfe- eine geriebene Kautschukstange nur nähert,
ohne denselben zu berühren. Unter diesen
Verhältnissen kann von der Stange keine E auf ihn direct
überströmen , und doch zeigen die Blättchen, wenn die
— 1 —
Stange nach sekundenlangem Wirken entfernt wird, kräf-
tige + Divergenz. Die Erklärung ist hier sehr einfach.
Der Umstand aber, dass man in einem Electroskop durch
Berühren mit einer stark negativ electrischen Stange
positive Divergenz erhalten kann, scheint mir von einiger
Wichtigkeit. L
Gesetzt, ich wünsche, ohne im Besitz eines Säulen-
electroskops zu sein, zu erfahren, ob ein Körper beim
Re:ben mit einem bestimmten Reibzeug + oder — elec-
trisch wird, so ertheile ich den Blättchen des genannten
Electroscops eine beliebige Electricität, in Folge deren
die Blättchen divergiren. Nun nähere ich den zu prü-
fenden Körper. Nimmt die Divergenz zu, so ist er
gleichnamig electrisch mit der den Blättchen ertheilten
Blectrieität; nimmt die Divergenz ab, so ist er ungleich-
namig electrisch.
Um aber den Blättchen eine bestimmte Electrieität
zu ertheilen, berührt man eben den Knopf mit einem
durch Reiben electrisch gemachten Körper und nimmt
an, dass die Blättchen gleichnamige Electrieität mit
diesem Körper annehmen.
Bei der allgemeinen Verbreitung und Vorzüglichkeit
der Kautschukstäbe ist es: aber sehr wahrscheinlich, dass
man in diesem Falle einen Kautschukstab anwenden
wird. Man glaubt natürlich, den Blättchen durch Be-
rührung mit diesem geriebenen Stab — E zu ertbeilen
und beurtheilt unter dieser Voraussetzung alle eintre-
tenden Erscheinungen.
Da aber die Blättchen, wie ich nachgewiesen, nicht
— sondern + electrisch geworden sind, so müssen alle
Schlüsse, aus dem beschriebenen Versuche gezogen,
absolut falsch sein, d.h. man wird einen
durch Reiben + electrisch gewordenen
Ri
®
T
e
>
E
7,
GBA PB: Shidlers Abhandkıng. Berner Hittheilungen 18H.
HE. Niumulitenkalk- u, Sandstein?
@. Gyps.
K Steanrkohle/
N Nagelflah.
S. Seerverkalk/ Kreide:
U. Urgonien/ Schrattenhalk:
Zieh, Ch. Haldimann.
MWegmülter fee.
eb
Körper für —electrisch halten und um-
gekehrt.
Um sich vor Irrthum zu schützen, darf man mit dem
geriebenen Kautschukstabe nicht in die Nähe des prü-
fenden Electroskops kommen, sondern fnan entnehme
dem geriebenen Stabe mit einem Probescheibchen — E
und übertrage diese durch das Probescheibchen auf die
Kugel des Electroskops. Auf einem solchen Scheibchen
kann man nämlich niemals so viel Electricität ansammeln,
dass ihre Influenz störend zu wirken vermag, aber voll-
kommen ‚genug, um den Blättchen eine genügende Di-
vergenz zu ertheilen.
Prof. Dr. B. Studer.
Zur Geologie des Ralligergebirges.
(Vorgetragen den 13. Mai 1571.)
[Siehe die Tafel Fig. 1 u. 2.]
Der Gebirgsstock von Ralligen oder die Sıgris-
wylergräte, die, vor bald fünfzig Jahren, von mir und
später, ausgezeichnet, von Prof. Rütimeyer beschrieben
wurden, sind in letzter Zeit, auf Veraniassung der von
Sammler Tschan aufgefundenen Petrefacten, Ihrer Auf-
merksamkeit wieder empfohlen worden. Den Mittheilun-
gen der HH. v.Fischer-Ooster undDr.Bachmann
habe ich auch, insofern sie Thatsachen betreffen, nichts
Wesentliches beizufügen. Da indess diese Mittheilungen
ohne nähere Kenntniss der Gegend kaum verständlich
sein dürften, ich ferner mehreren Folgerungen meiner
Freunde nicht beistimmen kann, so glaube ich nichts
Ueberflüssiges zu thun, wenn ich zu ihrer Erläuterung
eine Gebirgszeichnung bekannt mache, die theils nach
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 768.
— 16 —
den Angaben von Tschan, theils nach unseren gemein-
samen Beobachtungen ausgeführt worden ist, und. die-
selbe mit einigen allgemeinen Bemerkungen begleite..
Wenn man sich unserem Gebirge von Mittag her
nähert, so wifd man auf keine Störungen und Räthsel
in seinem Schichtenbau vorbereitet. Auf beiden Seiten
des Justithales liegt, von unten her anhaltend bis in
beträchtliche Höhe, Neocom, auf diesem Rudistenkalk und
auf dem Gebirgskamm Nummulitenkalk. Die Schichtung
ist antiklinal, von dem Thal abfallend, wie in einem
zerborstenen Gewölbe. Die Fallrichtung und Schichtenstel-
lung zeigt sich jedoch auf der rechten oder NW Thal-
seite weniger regelmässig, als auf der gegenüberliegenden,
man stösst an mehreren Stellen auf Wellenbiegungen,
an andern stehen’ die Schichten vertical und, je weiter
man, längs dem Absturz der Ralligstöcke nach dem Thuner-
see, aus dem Justithal gegen Sigriswyl vorrückt, desto
schwieriger wird es, in der vorherrschenden Waldbe-
deckung, den Zusammenhang der isolirt stehenden Fels-
riffe zu beurtheilen. Auf freieren Standpunkten und vom
See her überzeugt man sich indess leicht, dass der Ge-
birgsstock synklinal zusammengeknickt ist, wie ein Buch,
das auf dem Rücken steht, dass auf der Sigriswyl zuge-
kehrten Seite die Schichten, wie auf der dem Justithal
zugekehrten, in den Berg hinein fallen und, wo die zwei
entgegengesetzten Richtungen sich schneiden, beinahe ver-
tical stehen. Eine Einbiegung des Abhanges, in ihrem
untern Theil als Opetengraben bekannt, bezeichnet
diese Stelle vom See her bis auf die oberste Höhe und
ist auf dieser in der Muldenform der Berglialp zu er-
kennen. Folgt man daher dem Weg vom Justithal nach
Sigriswyl, so durchschneidet man erst Neocomschichten,
dann Rudistenkalk und gelangt bald in den Nummuliten-
— 197 —
sandstein., in welchem, etwas unterhalb dem Wege, auf
Steinkohle geschürft worden ist, entsprechend den Nummu-
litenkohlen des Niederhorns oberhalb Beatenberg. Tiefer
abwärts, im Opetengraben, stehen die Felsen von grauem,
Flysch ähnlichem Schiefer, aus welchem eine beträchtliche
Zahl von Fossilien von Herrn Ooster als der weissen
Kreide angehörend bestimmt worden sind. Es müssen
diese Felsen zwischen dem Rudistenkalk und der Num-
mulitenbildung liegen und noch der rechten Seite des
Schichtenfächers angehören. Dass auch auf der linken
NW Seite des Fächers diese Kreideschicht nicht fehle,
scheint aus ebenfalls Kreidefossilien enthaltenden Blöcken
hervorzugehen, die am Ausgang aus dem Walde über
der Dallenfluh gefunden wurden. Sie scheinen aus grös-
serer Höhe herzustammen, denn das Anstehende über
der Dallenfluh ist Neocom. Man wird zur Annahme ge-
führt, das früher horizontal liegende Schichtensystem sei
über dem Justithal zu einem Gewölbe gefaltet worden,
das in der Mitte zusammengebrochen und eingestürzt sei,
es habe sich ein Spalten- oder Circusthal gebildet, wie
sie auch im Jura häufig vorkommen. Der rechtsseitige
Schenkel des Gewölbes fällt mit flacher Neigung nach
dem Habkerenthal ab; dem linksseitigen fehlte der Raum,
sich auszubreiten, er brach an der Nordseite ab und
wurde zu einer zweiten abwärtsgehenden Falte zusam-
mengeknickt.
Wenden wir uns nun zur Grundlage dieses Schen-
kels, so stossen wir auf ein von dem bisher durchwan-
derten, wie es scheint, ganz verschiedenes Gebirgssystem
und auf Räthsel, die bis jetzt noch jeder Lösung wider-
stehn und einen Theil unserer Alpengeologie, den wir
als erobertes Gebiet betrachteten, 'ernstlich zu bedrohen
scheinen, jedenfalls grössere Schwierigkeiten darbieten,
— 18 —
als die Belemniten bei Petit-Coeur oder die Klippenkalke
der Karpathen.
Die Dallenfluh ıst Taviglianazsandstein, eine Stein-
art, die, wenn sie, wie hier, in ihrem normalen Charakter
auftritt, mit keiner andern verwechselt werden kann. In
dem abwärts gegen Merligen zu sich erstreckenden
Walde treten mit SO Fallen noch an mehreren Stellen
Felsen dieser Steinart auf und das an der Dallenfluh wohl
25” mächtige Felsband lässt sich, unter der Falte der
Neocom-, Kreide- und Nummulitenbildungen, oder in der
Tiefe dieselben abschneidend, ohne, selbst am: Seeufer
nicht, an dem Nordfallen des über ihm anstehenden
Neocoms Theil zu nehmen, in stets gleicher Richtung
fortsetzend, bis nach Merligen verfolgen. Weiter östlich,
wo, am Seeufer, Lias hervortritt, in Habkern oder in den
Umgebungen von Interlaken ist der Stein unbekannt Sein
Vorkommen mit dem Gyps zu Krattigen, das ich in der
Monogr. der Molasse angenommen hatte, habe ich neun
Jahre später zurückgenommen. Erst im Kienthal, Kander-
thal und weiter westlich finden wir ihn wieder, während
im ganzen Gebiet der Niesenkette und der vorliegenden
Gebirge keine Spur davon zu sehen ist. Er liegt in jenen
westlichen Gegenden unter dem Nummulitenkalk. Ob
zwischen ihm und diesem, wie bei Ralligen, noch Kreide-
stufen vorkommen, ist durch neue Untersuchungen zu
entscheiden und kaum wahrscheinlich. Nach seinem Auf-
treten bei Merligen scheint er eher eine selbständige,
von den jüngeren Bildungen unabhängige und tiefere
Stellung zu behaupten, womit indess sein Vorkommen
in Savoien und Dauphine, wo er, in enger Verbindung
mit Flysch, stets über dem Nummulitenkalk liegt, nicht
zusammenstimmt. Noch weniger lässt sich damit sein
paläontologisches Verhalten vereinigen. Denn der Tavi-
— 189 ° —
glianazsandstein oberhalb Merligen enthält allerdings, so-
wohl vegetabilische, als thierische Ueberreste, leider so
mangelhaft erhalten, dass eine Bestimmung stets starke
Zweifel lassen muss. Sie haben sich bis jetzt an einer
einzigen Stelle, auf der oberen Fläche eines im Walde,
unterhalb der Anschürfung auf Steinkohle, anstehenden
Felsens gefunden, mitten in ächtem Taviglianazsandstein.
Und diese Fossilien, von denen immerhin eilf verschie-
dene Mollusken und einige Pflanzentheile vorliegen, glaubt
Herr Ooster, wenn je mit einer Fauna und Flora, nur
mit denjenigen der rhätischen Stufe vereinigen zu kön-
nen. Lias und Jura wären also hier ganz ausgefallen.
Unwahrscheinlich, wie diese durch Herrn v. Fischer
uns früher mitgetheilte Altersbestimmung des Taviglianaz-
sandsteines erscheinen mag, erhält sie indess eine Un-
terstützung durch das Vorkommen von Gyps auf Roth-
bühl, etwas unterhalb der Dallenfluh, da ja von mehreren
Alpengeologen Gyps und Rauchwacke als zuverlässige
Anzeigen des Vorkommens der rhätischen Stufe betrachtet
werden. Man wird in diesen Ansichten noch mehr be-
stärkt, wenn man, !/, Stunde etwa östlich von der Dallen-
fluh, ein Felsriff auf Bodmialp, oder 2 Stunden östlich
ein ähnliches auf Ober-Zettenalp, näher untersucht,
Die untersten Kalkfelsen, wenige Meter mächtig, stehen
in Verbindung mit Rauchwacke und bunten Mergeln und
enthalten unzweifelhafte Lias-, Infralias- und, nach Herrn
v. Fischer, rhätische Petrefacten, besonders Spiriferinen.
Zunächst über ihnen erhebt sich ein Felskopf, der zwar
nicht aus dem typischen Taviglianazsandstein besteht,
doch aber aus einer Abänderung, die sich auch ander-
wärts damit verbunden zeigt und noch weiter östlich, im
Hörnligraben, fand Rütimeyer unzweifelhaften Ta-
‚viglianazsandstein. Nur wenig höher folgen die grauen
— . 10 —
Neocomschiefer, bis nahe an. den. obern Gebirgskamm,
dann Rudistenkalk und auf dem Kamm Nummulitensand-
stein in normaler Formationsfolge; wie über der Dallenfuh
und im Justithal. ‘Der Taviglianaz liegt also. hier über
dem Lias, während im Opetengraben rhätische Petrefacten
in seiner, obersten ‚Masse vorkommen sollen, ein Unter-
schied, der, in Verbindung mit der ganz abweichenden
Lagerung in ‚den Westalpen, uns vor voreiligen Folgerun-
gen warnen soll.
Untersuchen wir nun auch das Liegende dieser rhäti-
schen Schichten, so treffen wir auf neue Räthsel. Nicht
weit unterhalb dem Gyps am Rothbühl ist an dem'sonst
überall mit Vegetation bedeckten steilen Ablıang ein grauer
thoniger Kalk entblösst, den ich früher, wegen petro-
graphischer . Aehnlichkeit, mit. dem Oxfordkalk von
Chätel-St.-Denis verglichen habe. Da er keine Spur
von Fossilien zeigt, muss seine Altersbezeichnung dahin-
gestellt bleiben. Nur wenig tiefer liegt die Strasse, die
von Sigriswyl nach Merligen führt, und hier zeigen sich
neue Steinarten. Es ist die Schichtenfolge. des Rallig-
‘sandsteins, die mit 50% SO, oder beinahe © Fallen,
unter den Gyps und Taviglianazsandstein einschiesst.
Die Steinart ist oft beschrieben worden, sie zeigt sich
noch an vielen andern Stellen am Nordrande der Kalk-
alpen und, nach den paläontologischen Bestimmungen
von Heer und C. Meyer, dürfen wir nicht bezweifeln,
dass wir uns mit ihr im Gebiet der miocenen Molasse
befinden. Es ist die einzige mir. bekannte Stelle, wo der
Taviglianazsandstein so nahe an der Molasse auftritt; er
verhält sich gegen sein Liegendes eben so fremdartig
als gegen sein Hangendes. Der nach dem Ralligthurm
auslaufende Eigengraben schneidet den steil einfal-
lenden Ralligsandstein von der N anstossenden, horizontal
— 11 —
geschichteten Nagelfluh, und ‘die sehr abweichende La-
gerung scheint stark für eine Alterstrennung beider Stein-
arten zu sprechen. Obgleich die horizontale Schichtung
der Nagelfluh, längs dem Seeufer, noch weit abwärts an-
hält und erst in der Gegend von ‚Oberhofen in deutliches
Südfallen übergeht, scheint doch das Verhältniss nur als
ein lokales gelten zu müssen. Westlich, an der Vevaise,
am Gurnigel, und östlich, am Pilatus, Rigi, Hohen-Rohnen,
zeigen sich diese alpinen Molassen und die Nagelfluh in
gleichförmiger Lagerung, und auch weit näher, am Abfall
der Zetten- und Hörnlialpen, nicht weit unterhalb
dem Niveau der rhätischen Schichten, fand Rütimeyer
die Nagelfluhlager bereits steil SO gegen die‘ Sigriswyl-
gräte einschiessend, gleich wie die durch die Zulg von
ihnen: getrennten Honeggen. Ob zwischen dem Lias und
der Nagelfluh ‚hier noch Flysch liege, wie Rütimeyer
in seiner Karte es angibt, oder ob der in den Graben
anstossende Sandstein der Molasse angehöre, bleibt einst-
weilen unentschieden. Was auf Flysch könnte schliessen
lassen, sind die vielen colossalen Blöcke von Habkern-
granit, die unten im Hornbachgraben liegen. In der Höhe
fehlt jedoch jede Spur derselben.
Die Nagelfluh bei Ralligen, die kürzlich durch die
neue Strasse nach Gunten angebrochen wurde, ver-
dient aber noch in anderer Beziehung unsere Aufmerk-
samkeit. Zunächst ist die Grösse und Gestalt der Ge-
schiebe auffallend. Stücke, die I" im grössten Durch-
messer halten, sind, besonders im Eigengraben, nicht
selten; mehrere sind eckig und liegen in allen Richtun-
gen, bis vertical. Man wird zur Annahme verleitet, dass
der Stammort dieser Trümmer nicht sehr entfernt sein
könne, und doch findet sich unter ihnen kaum eine der
in ihrer Nähe, oder in den Alpen überhaupt anstehenden
— 192 —
charakteristischen Steinarten, kein entschieden alpiner
Kalkstein, kein Taviglianazsandstein. Vorherrschend sind
bräunlich gelbe, im Kern dunkel blaulich graue Sand-
steine, weisse und gelbe Quarzite, zum Theil gemengt
mit Epidot, graue, grüne, bunte Hornsteine, rothe Jaspis,
schwarze Kieselschiefer, auch Glimmerschiefer und
Gneisse, die wohl alpinisch sein könnten. Grüne Gneisse
und Porphyre, die bei Thun so häufigen rothen Granite
und Porphyre fehlen nicht ganz, sind aber weit seltener.
Bemerkenswerth ist ein kopfgrosses abgerundetes Stück
von rothem Habkerngranit. Auffallend sind auch violette,
gelbe und hellrothe dichte Kalksteine und Kalkstein-
breceien.
Erlauben wir uns zum Schlusse noch einige allge-
meinere Bemerkungen, so mache ich vorerst aufmerk-
sam auf die auffallend isolirte Lage der Sigriswyl-
gräte, die am Sulzigraben und Schöriz, gleich wıe am
Thunersee, plötzlich abbrechen. Die nahe liegenden
Sohlflühe stehen in engerem Zusammenhang mit der
Beatenbergkette und diese, nur durch die Engpässe
der beiden Emmen durchbrochen, setzt in den Schratten
und der Schafmatt fort in den Pilatus, während man
vergeblich nach einer östlichen Fortsetzung der Sigriswyl-
gräte sucht. Als eine letzte Spur derselben lässt sich
vielleicht das am Westabhang der Schratten auf Stein-
wandalp hervorbrechende Felsriff von Nummulitenkalk
betrachten, das um so mehr auffällt, da, in nicht grosser
Entfernung oberhalb. sich die felsichten Abstürze der ost-
fallenden Kreidestufen der Schratten befinden. ‚Die Haupt-
masse des Gebirges ist in der Tiefe geblieben und von
Alpweiden bedeckt und nur ein einzelner Gipfel taucht
aus diesen hervor. — Wiederholt; sind auch die wun-
derbaren Verhältnisse am. Nordrande der Alpen, die auf
einen furchtbaren, vom Innern der Alpen ausgegangenen
Seitendruck hinweisen, besprochen worden. Die Rallig-
stöcke mit ihren ‚Räthseln sind nur ein einzelnes Glied
in der Reihe abnormer, noch unaufgeklärter Erscheinungen,
die uns in den Flyschketten der Voirons, des Nire-
mont und der Gurnigelberge, ınit ihren Einschlüssen
exolischer Granitblöcke und tithonischer Kalksteinmassen,
ihrer Auflagerung auf miocene Molasse und Nagelfluh
und dem Streit über ihr geologisches Alter, bekannt sind,
die auch in den Ostalpen, im Wiener- und Karpathen-
sandstein und ihren Klippenkalken sich wiederholen. In
dieselbe Reihe gehören die weit fortsetzenden Verwer-
fungen, längs welchen an vıelen Stellen die Molasse und
Nagelfluh an die Flyschketten oder Kalkgebirge und
jene an diese anstossen, die enge Zusammenpressung
mehrerer Gewölbketten in den Kalkgebirgen der Frei-
burger- und Stockhornalpen, das abnorme Auftreten der
rhätischen oder anderer Stufen an Stellen, wo man ihr
Vorkommen nicht erwarten durfte. — Werfen wir endlich
von den Höhen oberhalb Ralligen noch einen Blick auf
das jenseitige Ufer des Thunersees, so müssen wir uns
überzeugen, dass die grossen Querthäler unserer
Alpen eine tiefere Bedeutung haben, als man ihnen zu-
weilen zuschreiben will, dass es nicht einfache Spalten-
thäler, wie etwa die Clusen des Jura oder des Justi-
thals, und noch weniger Erosionsthäler sind, erzeugt durch
das allmälige Eingraben von Strömen oder Gletschern.
Der Thunersee scheidet mehrere nach ihrer Steinart,
ihrem Alter und Ursprung wesentlich ungleiche Gebirgs-
systeme, wie eiwa die Niederung von Aıx und Chambery
die Alpen vom Jura, oder das Flachland zwischen Salzburg
und Linz die Alpen von den böhmischen Gebirgen trennt.
Dem Justithal und den es einschliessenden Ketten direct
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 709.
— 14 —
gegenüber, sehen wir die mächtige Niesenkette, von jenen
in jeder Beziehung verschieden. Zwischen den rhätischen
Steinarten von Ralligen und denjenigen von Spiez, oder
in der Stockhornkette, wird es kaum gelingen, eine Ver-
bindung herzustellen. Den von Ralligen bis weit unter-
halb Thun herrschenden Nagelfluhmassen entsprechen,
auf dem linken Ufer des See’s und der Aare, die ver-
wickelten, bis tief nach Savoien hinein fortsetzenden Sy-
steme der Stockhorn- und Gurnigelgebirge.
Will man zu den Gebirgen des Justithals eine west-
liche Fortsetzung suchen, so sind es nur diejenigen auf
der rechten Seite des Kanderthales, das Morgenberg-
horn, der Engel, das Gerihorn und Mittaghorn,
die man berücksichtigen kann. Die Kreide- und Num-
mulitenformationen treten daselbst mit derselben Facies
auf, und auch der Taviglianazsandstein felılt nicht. Aber
es müsste in der Gegend des obern Thunersees eine
Verschiebung, senkrecht, auf das Streichen, von beinahe
2 Schweizerstunden vorausgesetzt werden, wenn man
die Formationen der beiden Ufer in Verbindung setzen
wollte, eine Annahme, die sich vielleicht durch die starke
Faltung der Gebirge des rechten Ufers unterstützen liesse.
KAAIAIIHnannn
LU. Fischer,
Verzeichniss der in Berns Umgebungen
vorkommenden kryptogamischen Pflanzen.
Erste Fortsetzung:
Flechten und Nachträge zu dem in Nr. 411—414 (1858)
enthaltenen Verzeichniss der Moose.
Flechten.
Die Nomenclatur schliesst sich an die Werke von
Körber (Systema Lichenum 1855 und Parerga lichenologica
4865) an, mit Berücksichtigung von Rabenhorst, Krypto-
gamenflora von Sachsen 2. Abth. 1870, und Schaerer Enu-
meratio critica Lichenum europaeorum (1850). Für die
Begränzung der Familien und die systematische Reihen-
folge sind theils die Werke von Körber, theils die Principes
de Classification des Lichens von J. Müller (1862) zu Grunde
gelegt. Zur Erleichterung der Uebersicht sind bei den
grössern Familien die (nach der Beschaffenheit der
Sporen gebildeten) Unterabtheilungen mit aufgenommen.
Die Begränzung des Gebietes ist wie im früheren
Verzeichniss die der „Flora von Bern“. Von Standorten
sind ausser den von mir selbst beobachteten vorzugs-
weise noch die in Schaerer's Lichenum helveticorum
Spicilegium (1823—1836) enthaltenen berücksichtigt. Die
Zahl der Flechten beträgt 202, die der Moose (mit den
Nachträgen) 273. — Dasselbe Gebiet enthält 28 Gefäss-
kryptogamen und (mit Ausschluss der kultivirten und
— 1% —
verwilderten) 923 Phanerogamen (Flora von Bern, 3. Aufl.
1870). — Ueber die Pilze gibt ein schon 1844 in den
„Mittheilungen* erschienenes „Verzeichniss schweize-
rischer Schwämme“ von J. G. Trog Aufschluss. In den
von G. Otth gelieferten Nachträgen zu diesem Verzeich-
niss sind noch specieller die Umgebungen von Bern be-
rücksichtist.
I. Gallertilechten. (Gelatinosi Körb.)
Fam. 1. Lecotheeieen.
(Racoblennaceen Rabh.)
Lecothecium. |
L. corallinoides (Hoffm.) Trevis. (Racoblenna Stitz.)
Auf Sand- und Kalksteinen, besonders an alten
Sandsteinmauern, häulig.
Micaraa.
M. prasina Fr. An morschen Tannenstöcken im Brem-
gartenwald bei Bern. (Schar. Spic.).
Fam. 2. Collemeen.
a. Collemeen mit amorpher (nicht -zelliger) Epidermis.
Gollema.
C. microphyllum Ach. An alten Stämmen an der Enge-
halde bei Bern.
C. cheileum Ach... Auf Sand- und Tuffsteinmauern ‘hin
und wieder. Belp (Schar. En.) Bern, bei der Linde.
Ban 7.2
— 17 —
. glaucescens Hoffm. (CO. pulposum ß prasinum Schaer.)
Auf. lehmiger Erde hin und wieder. Steinhölzli
und Belpberg. (Scher.)
. tenaw (Sw.) Ach. Wie vorige. Münchenbuchsee,
Belpberg (Scher.)
. pulposum (Bernh.) Ach. Auf schattigen Steinen, zwi-
schen Moosen, nicht selten. - Auf Kiesconglomerat
an der Neubrückstrasse und im Wylerhölzchen bei
Bern u. a. Ö. — Var. crustaceum Schaer. An Sand-
steinfelsen oberhalb Gümligen, an der Strasse auf
den Amselberg.
. turgidum Ach. An Mauern. Aarziele bei Bern.
(Schzer. Spice.)
. plicatile Ach. An Mauern und Steinen. Bern, an
der kleinen Schanze,
. furvum Ach. An Steinen und alten Stämmen. Bern,
am Engeweg, Belp und Rümligen. (Schzer.)
. multifidum (Scop.) Schaer. var. jacobeefolium. An
Mauern auf dem Längenberg.
. granosum (Wulf.) Schaer. An schattigen Felsblöcken
zwischen Moosen.
Synechoblastus.
. conglomeratus (Hoffm.) Körb. An Pappelstämmen.
Bei Hofwyl. (Schar. Spic.)
. flaccidus (Ach.) Körb. Auf erratischen Granitblöcken.
Engewald bei Bern, Belp und Belpberg. (Scher.)
b. Collemeen mit deutlich zelliger Epidermis.
Leptogium.
. lacerum (Sw.) Fr. Auf Erde und Steinen, auf Nagel-
fluhblöcken häufig, besonders die var. pulvinatum.
Bremgartenwald an der Neubrückstrasse u. s. w.
— 18 —
L. sinuatum (Huds.) Körb. An Mauern und Steinen, zwi-
schen Moosen. ‚Belpberg (Schar. Spiec.)
L. minutissimum (Flk.) Körb. Auf Erde an Hohlwegen
und auf morschem Holz. Steinhölzli bei Bern
(Scheer. Spic.)
L. tenuissimum (Dicks.) Körb. An Hohlwegen des Belp-
berges (Schar. Spice.)
Maillotium.
M. tomentosum (Hoffm.) Körb. ( Collema myochroum var.
tomentosum Schaer. En.) An alten Stämmen stellen-
weise häufig, jedoch selten mit Frucht.
M. Hildenbrandii (Garov.) Körb. (Üollema myochroum
var. saturninum Schaer. En.) Wie vorige.
Polychidium.
P. muscicolum (Sw.) Mass. Auf Erde und Steinen zwi-
schen Moosen. Bantiger (Schr. Spic.)
II. Krustenflechten (Kryoblasti Körb.)
Fam. 3. Pertusarieen.
Pertusaria.
P. communis DC. Auf Rinden, besonders an Buchen ge-
mein. — Forma variolosa( Variolaria communis Ach
z. Thl.) Auf Rinden gemein.
P. leioplaca (Ach.) Schaer. Wie vorige. Hauptsächlich
durch die —6sporigen Schläuche verschieden.
Fam. 4. Verrucarieen.
(Fam. Pyrenulaceen u. Verrucariaceen Rabh.)
— 19 —
a. Verrucarieen mit 1zelligen, farblosen Sporen.
Thrombium.
T. epigaeum (Pers.) Wallr. (Verrucaria Ach.) Auf feuch-
tem Lehmboden, an Hohlwegen und in Lichtungen
der Wälder, stellenweise häufig, Wvylerhölzchen,
Eyholz bei Bethlehem u. s. w.
Verrucaria.
V. fusco-atra Wallr. (V.nigrescens Pers.) An Mauern und
Steinen bei Bern, stellenweise häufig.
V. viridula (Schrad.) Ach. An Sandsteinmauern bei Bern.
V. hydrela Mass. non Ach. Bildet schwarze Krusten auf
glatten Kieselsteinen (auch auf Scherben) im Sul-
genbach bei Bern.
V. elaeina Borr. (Pyrenula Schaer.) An erratischen Blöcken
am Längenberg ob Belp (Schr. En.)
V. muralis Ach. (V. epipolaea Schaer. z. Thl.) An Sand-
steinmauern und Blöcken um Bern, ziemlich häufig.
b. Verrucarieen mit farblosen, durch Querwände 2—mehr-
zelligen Sporen.
Acrocordia.
A. gemmata (Ach.) Körb. (Verrucaria alba Schaer.,) An
Eichen bei Frienisberg (Scher Exs.). Von der ähn-
lichen Pyrenula glabrata durch die Sporen zu un-
terscheiden.
Sagedia.
S. macularis ( Wallr.) Körb. (Verucaria Schaer excl. var. 8.)
An beschatteten erratischen Blöcken am Oster-
mundigen- und Gümligenberg. (Schar. Spice.) —
Var. chlorotica. (Verruc. chlorotica Schaer. En.)
An erratischen Blöcken am Längenberg ob Belp
(Schr. En.)
»
— 200 —
Segestrella.
8. dlinita (Nyl.) Körb. (Segestria faginea Schaer. En.)
An Buchen am Könizberg (Schar. En.)
Thelidium.
T. epipolaeum (Ach.) Körb. An Tuffsteinen bei Bern.
Leptorhaphis.
L. oxyspora (Nyl.) Körb. (Verrucaria epidermidis Schaer.
z. Theil.) Auf Birkenrinde gemein.
Arthopyrenia.
A. analepta (Ach.) Körb. Auf glatten Rinden der 'Laub-
hölzer gemein.
A. cinereo-pruinosa. (Schaer.) Körb. An Stämmen ver-
schiedener Laubhölzer.
4A. Cerasi (Schrad.) Körb. Auf der glatten Rinde der
Kırschbäume hin und wieder.
c. Verrucarieen mit braunen, durch Querwände 2-mehrzelligen Sporen.
Microthelia.
M. micula (Flotow) Körb. (Verrucaria biformis Schaer. En.)
An Laubholzstämmen. Könizberg (Schr. Spic.)
Enge bei Bern.
Pyrenula.
P. nitida (Schrad.) Ach. An älteren Buchenstümmen,
stellenweise häufig, besonders die Form mit grös-
seren Früchten.
P. glabrata (Ach.) Körb. Wie vorige, jedoch weniger
häufig.
P. Coryli Massal. An Corylus-Stämmen hin- und
wieder.
— 0 —
d. Verrucarieen mit parenchymatisch-vielzelligen Sporen.
Polyblastia.
P. intercedens (Nyl.) Körb. (Thelotrema murale Hepp.)
Auf Sandstein am Gurten oberhalb Wabern, häufig.
Fam. 5 Graphideen.
(Arthoniaceen, Baetrosporeen und Opegrapheen Rabh.)
a. Graphideen mit undeutlich rinnenförmigen, eckigen oder rund-
lichen, unberandeten Früchten.
Coniangium.
luridum Körb. (Arthonia Ach.) An alten Stämmen
der Rothtannen und besonders der Kiefern, stellen-
weise häufig. Bremgartenwald, Ulmizberg.
-
C.
Arthonia.
A. gregaria (Weig.) Körb. Auf verschiedenen Rinden
hin und wieder. Bremgartenwald, Solrütiwald bei
Köniz.
A. vulgaris (Schaer.) Körb. Auf der Rinde von Laub-
und Nadelhölzern. Bei Bern, Gurten, Belp u. s. w.
4. epipasta (Ach.) Körb. Auf glatter Rinde der Eichen
und anderer Laubhölzer. Bremgartenwald.
b. Graphideen mit deutlich rinnenförmigen Früchten.
Graphis.
@. scripta (L.) Ach. Auf Rinden der Laub- und Nadel-
hölzer, überall häufig in mehreren Varietäten.
Opegrapha.
O. saxicola Ach. (Stitzenberger Flora 1865 p. 75.) O. gyro-
carpa Körb. part. (O. saxatılis Schaer. En.) Auf
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 770.
Kalk- und Sandsteinen. Bremgartenwald. Schwarz-
wasserthal. (Schar. Spice.)
O. varia Pers. Auf der Rinde verschiedener Laubhölzer
überall häufig. — In verschiedenen Formen, be-
sonders b. pulicaris und c. diaphora ; letztere auch
auf Steinen (0. saxatilis Körb.)
O. bullata Pers. Auf glatten Rinden, besonders der Eschen,
Belp (Sch«r.)
OÖ. atra Pers. Auf Rinden der Laubhölzer, besonders an
Eschen und Eichen gemein, seltener auf Nadel-
hölzern. — In mehreren Formen.
O. herpetica Ach. An Stämmen verschiedener Laubhölzer,
besonders an Eschen, seltener an Tannen. — Var.
vulgaris und subocellata.
Zwackhia.
Z. involuta (Wallr.) Körb. (Opegrapha herpetica Var. si-
derella Schaer. En.) Auf Rinden der Laub- und
Nadelhölzer, besonders an Buchen hin- und wieder.
Von ‘der vorigen oft nur durch die Sporen mit
Sicherheit zu unterscheiden. Beim Anfeuchten nach
Veilchen riechend.
Lecanactis. |
L. ülecebrosa (Duf.) Körb. (Lecidea alboatra var. amylacea
Scher. En.) An Eichen bei Bern. (Scheer. Spic.)
Fam. 6. Leeidineen.
[Theil der Leceideen und Urceolariaceen (Körb.) — Leeci-
deaceen und Gattungen der Biatoreen und Ureeolaria-
ceen (Rabh.)]
a. Leeidineen mit farblosen, tönnchenförmigen Sporen.
Blastenia.
B. erythrocarpea (Pers) Körb. Auf Sandsteinen. An
Mauern bei Bern (Schar. Spice.)
— 200° —
B.ferruginea ( Huds.) Mass. AufSandstein bei Bern. (Scheer.
Spic.) Erratische Blöcke am Gurten ob Kehrsatz.
b. Leeidineen mit farblosen, 1zelligen Sporen.
Biatora.
B. decolorans (Hoffm.) Fr. Auf Torf- und Heideboden
B.
stellenweise häufig. Gümligen- und Löhrmoos.
viridescens (Schrad.) Mann. (Biatora viridescens 8 pu-
trida Körb.) An modernden Baumstrünken. Köniz-
berg, Forst (Schr. Spice.)
gelatinosa (Flk.) Rabenh. (Biatora viridescens «a gela-
tinosa (Körb.) Auf nackter Erde und am Grunde
alter Stämme in Wäldern. Bremgartenwald u.a. O.
rupestris (Scop.) Körb. Auf Sandstein der Engehalde
bei Bern (Schaer. Spic.), auf Kalkstein am Längen-
berg. (var. rufescens.)
. conglomerata (Heyd.) Körb. Am Grunde alter Tannen-
stämme im Bremgartenwald, Könizberg, Forst.
(Scheer. Spic.)
. polytropa (Ehrh.) Körb. Var. vulgaris an erratischen
Granitblöcken ob Gümligen (meist die Form acru-
stacea). Var. intricata an Steinen ob Kehrsatz.
(Schr. Spic.)
. Ehrhartiana (Ach.) Körb. An Eichen bei Burgdorf.
(Scheer. Spic.) Die Spermogonienform (Oliostomum
corrugatum Fr.) An Eichen bei Frienisberg (Schr.
Spic.)
. lucida (Ach.) Körb. An schattigen Sandsteinfelsen am
Belpberg. (Schr. Spice.)
. uliginosa (Schrad.) Körb. Auf Torfboden, stellenweise
häufig, Gümligen, Löhrmoos.
. minuta (Schaer.) Körb. An Eichen im Bremgarten
— 20 —
und Könizbergwald. Zwischen BR und Worb.
(Schr. Spic.)
. denigrata (Schaer.) Körb. An Pinus sylvestris auf dem
Löhrmoos bei Bern. (Scheer. Spic.)
Lecidea.
. albo-coerulescens (Wulf.) Ach. An erratischen Blöcken
(Granit) am Gümligen- und Ostermundigenberg.
. platycarpa Ach. Häufig auf Heideplätzen an kleineren
Steinen zwischen Moosen; auch auf erratischen
Blöcken und an Sandsteinfelsen.
. erustulata (Ach.) Körb. Wie vorige.
Lecidella.
.. goniophila (Flk.) Körb. (Lecidea Schaer.) An errati-
schen Granitblöcken stellenweise häufig. Am Gurten
ob Wabern, Ostermundigenberg, Gümligenberg,
u. a. ©.
. sabuletorum (Schreb.) Körb. _ Var. coniops Ach. (Le-
cidea coniops Wahl.) und Var. aequata Flik. An
Sandsteinmauern bei Bern. (Sch«r.)
. immersa (Web.) Körb. var. calcivora. An erratischen
Kalkblöcken am Gurten ob Kehrsatz.
. enteroleuca (Ach.) Körb. An Laubholzstämmen gemein.
. turgidula (Fr.) Körb. An Pinus sylvestris im Löhr-
moos bei Bern. (Schaer. Spic.)
Sarcogyne.
. pruinosa (Sm.) Körb. Auf Sandstein bei Bern. (Scheer.
Spic.) An Kalkblöcken am Gurten ob Wabern.
Auf Kiesconglomerat an der Neubrückstrasse bei
Bern. Sandsteinfelsen an der Aare unterhalb Bern.
(Forma decipiens.)
— 205 —
c. Leceidineen mit farblosen, durch Querwände 2-mehrzelligen Sporen.
Icmadophila.
I. aeruginosa (Scop.) Körb. An faulenden Baumstrünken
hin und wieder. Solrütiwald bei Köniz.
Biatorina.
B. Pineti (Schrad.) Mass. An alten Stämmen von Pinus
sylvestris, stellenweise häufig. Bremgartenwald,
Ulmizberg, Längenberg u. a. OÖ.
B. cyrtella (Ach.) Körb. An Laubholzstämmen, ziemlich
häufig.
B. proteiformis Mass. var. Rabenhorstiv (.biatora Raben-
horstii Kremph.) An Sandsteinfelsen bei der Neu-
brücke und am Ulmizberg bei Köniz.
B. commutata (Ach.) Körb. An Tannenstäinmen im Forst
bei Bern. (Scheer. Spic.)
B. Griffithii (Sm.) Körb. An Tannenstämmen im Brem-
gartenwald und Forst bei Bern (Schar. Spic.)
B. atropurpurea (Schaer.) Mass. Auf der Rinde junger
Tannen im Bremgartenwald und Forst. (Scheer.
Spic.)
B. globulosa (Flk.) Körb. An Tannenstämmen im Forst.
(Scher. Spic.)
Catillaria.
©. cinereo-virens Müll. Arg. (Flora 1868 pag. 49.) Auf
erratischen Granitblöcken im Gurtenthal beı Köniz.
(Die von Scherer unter Lich. exs. 177 ausgegebenen Exemplare
von C. Massalongi Körb. Par. p. 195 stammen, wie Müller in Flora
68 pag. 50 nachgewiesen hat, nicht vom Gurten (an erratischen
Blöcken) sondern von den Pyren&zen. Die vom Gurten stammende
Flechte (sub. Lich. exs. 177) ist Rhizocarpon petraeum.)
— 206 —
Bilimbia.
"B. cinerea (Schaer.) Kö:b. (Lecidea Schaer.) Am Grunde
alter Tannenstämme im Könizbergwald bei Bern.
(Schr. Spice.)
B. sphaeroides (Sommf.) Körb. (Bilimbia sabuletorum
Rabh. z. Thl.) Var. muscorum. Auf absterbenden
Moospolstern ziemlich häufig, seltener aufmorschem
Holz und auf Rinden. Bremgartenwald, Belpberg
(Schaer. Spic.) Engehalde bei Bern. Mauer bei der
Schöneck.
B. syncomista (Flk.) Körb. (B. sabuletorum ce. miliarıa
Rabh.) Auf abgestorbenen Moospolstern an Mo-
lassefelsen des Ulmizberges bei Köniz.
B. miliaria (Fr.) Körb. An abgestorbenen Stämmen.
Belpberg (Schr. Spic.)
Bacidia.
&
rosella (Pers.) Körb. An Buchenstämmen oberhalb
Frienisberg. (Nach Scherer der einzige schwei-
zerische Standort dieser Flechte.)
B. rubella (Pers.) Körb. An freistehenden Stämmen ver-
schiedener Laubhölzer, ziemlich häufig. Enge bei
Bern u. s. w.
Rhaphiospora.
R. flavo-virescens (Dicks.) Körb. (Arthrorhaphis Fr. Rabh.)
Auf Sandboden an Felsenköpfen am Ulmizberg bei
Köniz. Bern (Schaer. Spic.)
Scoliciosporum. *
S. holomelaenum (Flk.) Körb. An erratischen Blöcken bei
Belp (Scher. En.)
— 07 —
d. Leeidineen mit farblosen, parenchymatisch-vielzelligen Sporen.
Gyalecta.
@. cupularis (Ehrh.) Schaer. Auf Sand- und Kalkstein,
stellenweise häufig. Gurten, in der Schlucht ob
Wabern, Schlucht ob Reichenbach an Kiescon-
glomerat, Belpberg, Könizbergwald u. a. O.
e. Lecidineen mit braunen, 2zelligen Sporen.
Buellia.
B. badio-atra (Flk.) Körb. var. « vulgaris. Auf erratischen
Blöcken am Gurten. (Schr. Spic.)
B. parasema (4Ach.) Körb. Auf Rinden der Laub- und
Nadelhölzer häufig.
B. punctata (Flk.) Körb. Wie vorige. An Alleebäumen
längs des Bremgartenwaldes, stellenweise sehr
häufie.
B. athallina Müll. Arg. (Principes de Ülassıf. pay. 64.)
Auf dem Thallus von Sphyridium fungiforme auf
Molasse am Eingang des Gurtenthals bei Köniz.
f. Leeidineen mit braunen, parenchymatisch-vielzelligen Sporen.
Diplotomma.
D. albo-atrum (Hoffm.) Körb. var. corticicolum. An alten
Stämmen bei Bern. (Schar. Spice.)
Rhizocarpon.
R. petraeum (Wulf.) Körb. Auf Kalk- und Granitblöcken
am Gurten, Belpberg, Gümligenthal u. a. O.
R. subconcentricum (Fr.) Körb. Auf Steinen bei Belp und
Zimmerwald (Schar. Spic.)
?R. geographicum (L.) DC. (Lecidea Schaer.) Auf Granit-
blöcken bei Muri. (Schr. Spic.) Diese auf Granit-
— 208 —
felsen der Alpen so häufig vorkommende, durch
die schwefelgelbe Farbe des Thallus sehr. auffal-
lende Flechte scheint am angegebenen Orte nicht
mehr vorzukommen und ist mir überhaupt aus
dem Gebiete der Flora von Bern bis jetzt kein
Standort bekannt.
Fam. 7. Lecanorineen.
(Theil der Urceolariaceen und Lecanoreen (Körb. Rabh.)
a. Lecanorineen mit tönnchenförmigen Sporen.
Callopisma.
©. cerinum (Hedw.) Mass. An Laubholzstämmen bei Bern,
M.-Buchsee u. a. O.
C. vitellinellum Mudd. (Manual of british Lich. pag. 135.)
AufKalkblöcken aın Gurten, selten. — Von der ähn-
lichen Candelaria vitellina durch die Sporen leicht
zu unterscheiden.
©. Tuteo-album (Turn.) Mass. Auf Rinden, besonders der
Laubhölzer, ziemlich häufig.
CO. aurantiacum (Lightf.) Mass. var. flavovirescens. An
Steinen (Granit, Kalk- und Sandstein) bei Bern,
Thurnen, Zimmerwald, Belpberg. (Schier. Spie.)
©. fallaciosum (Caloplaca fallaciosa Müll. Arg. Flora
1863 pag. 369.) Lecideu aurantiaca var. d rubes-
cens Schaer. En. p. parte.) Häufig an Sandsteinfelsen
der Neubrück bei Bern. — Von dem ähnlichen
©. aurantiacum durch die (scheinbar 2zelligen) Spo-
ren verschieden.
b. Lecanorineen mit farblosen, 1zelligen Sporen.
Ochrolechia.
O. pallescens (L.) Mass. (O. parella Rabh.) Auf Rinden
L:
L.
L.
— 209 —
verschiedener Bäume, stellenweise häufig. Gurten-
thal bei Köniz u. a. ©. (var. tumidula).
Lecanora.
atra (Huds.) Ach. Auf Steinen, seltener auf Rinden.
Bern, Wangen (Scheer. Spic.)
intumescens (Rebent.) Rabh. Auf Rinden verschiedener
Bäume. An Buchen in der Enge bei Bern.
subfusca (L.) Ach. Auf Rinden der verschiedensten
Bäume, überall häufig; seltener auf bearbeiteten
Hölzern und an Steinen. In mehreren Varietäten.
Diese Art ist (nach Körber) „die gemeinste Flechte
der Erde“.
. Hageni Ach. An alten Linden der Enge bei Bern.
. pallida (Schreb.) Rabh. An Laub- und REEL
gemein, besonders var. albella.
. caestio-alba Körb. (Lecanora subfusca var. crenulata
Schaer.) Auf Sandstein der Engehalde bei Bern;
auch an Kalkblöcken bei Bern. (f. dispersa Körb.)
. varia (Ehrh.) Ach. Auf Rinden und Hölzern, ziemlich
häufig. In mehreren Varietäten.
Zeora.
. coarctata ( Ach.) Körb. ß. contigua. Auf Sandsteinblöcken
in Wäldern und an Waldrändern, stellenweise häu-
fig. Gurten, Längenherg, Belp u. a. O. Seltener
auf. Granit.
sordida (Pers.) Körb. Auf Steinen und Felsen. Auf
Sandstein nicht selten die sterile Form corallina
(Isidium corallinum Ach.)
Aspicilia.
. calcarea (L.) Körb. var. contorta. An Sandsteinmauern
bei Bern.
Bern. Mittheil. 1871. Nr.
— 210 —
A. cinerea (L.) Körb. var. vulgaris. An erratischen Gra-
nitblöcken, stellenweise häufig. Gurten ob Kehr-
satz, Längenberg, Gümligenberg.
€. Lecanorineen mit farblosen (oder schwach gefärbten) 2—-mehr-
zelligen Sporen.
Phialopsis.
P. rubra (Hofm.) Körb. Auf Rinden verschiedener Laub-
hölzer, selten. An Eschen der Engehalde bei Bern.
Candelaria.
©. vitellina (Ehrh.) Mass. Auf Rinden, Hölzern und Stei-
nen, nicht häufig. Längenberg.
Thelotrema.
T. lepadinum Ach. Auf Tannenstämmen im Bremgarten-
wald, ziemlich selten.
d. Lecanorineen mit braunen, 2zelligen Sporen.
Rinodina.
R. metabolica (Ach.) Körb. (R. exigua Mass. Rabh.) Auf
Rinden und Hölzern. Enge bei Bern.
e. Lecanorineen mit braunen, parenchymatisch-vielzelligen Sporen.
Phlyctis.
P. agelaea (Ach.) Körb. (Pertusaria kymeneo var, agelaea
Schaer. Spice.) Auf Rinden bes. der Buchen und
Weisstannen. Wälder um Bern. (Scher.)
Urceolaria.
U. scruposa (L.) Ach. An Sandsteinfelsen und auf Erde,
über Moosen. Var. arenaria stellenweise häufig.
Auf Sandsteinen an der Engehalde bei Bern, unter-
halb der Lorraine u. a. O. — Seltener var. eretacea.
Fam. 8. Psoreen.
(Lecidex, Subfam. Psorine Körb. Par. — Theil der Bia-
toreen Rabh.)
Thalloidima.
2 T. candidum (Web.) Mass. Auf erratischen Kalkblöcken
ob Kehrsatz. (Scheer. Spic.) In neuerer Zeit nicht
wieder gefunden.
Fam. 9. Placodieen.
(Lecanoreen, Subfam. Placodine Körb. Par. — Theil der
Lecanoreen Rabh.)
Amphiloma.
A. elegans (Link) Körb. An erratischen Granitblöcken,
selten und meist in dürftiigen Exemplaren. Gurten
ob Wabern, Wichtrach u. a. O.
4A. murorum (Hoffm.) Körb. An Mauern (auf Kalk und
Sandstein) gemein.
4A. cürinum (Ach.) Müll. Arg. (Callopisma Körb. Placo-
dium Hepp.) An Mauern hin und wieder. Sand-
rain bei Wabern.
Placodium.
P. eircinatum (Pers.) Körb. Var. radiosum. Bern, an
Mauern. Engehalde bei Bern. (Schr. Spic.)
P. albescens (Hofm.) Mass. (Lecanora galactina Ach.)
An Sandstein-Mauern bei Bern.
P. saxicolum (Poll.) Mass. Var. vulgare. An Mauern und
Steinen, auf alten Ziegeldächern, überall häufig.
Seltener auf Holz.
—_— 212 —
Acarospora.
A. castanea (Ram.) Körb. An Nagelfluhfelsen der Bütschel-
eck (Westseite des Gipfels).
A. smaragdula (Wahlb.) Körb. Auf Granitblöcken am
Gurten und Belpberg. (Schzr. Spic.)
A. glebosa Körb. Häufig an einer Sandsteinmauer an
der Westseite der grossen Schanze bei Bern.
Fam. 10. Calycieen.
a. Calycieen mit 1-zelligen Sporen.
Coniocybe.
C. pallida (Pers.) Fr. (var. o. leucocephala). An alten
Stämmen in der Enge bei Bern. Frienisbergwald
(Schr. Exs.)
C. furfuracea (L.) Fr. Auf entblössten Baumwurzeln an
den Seiten der Hohlwege, ziemlich häufig, seltener
am Grunde alter Stämme.
©. gracilenta Ach. Am Grunde alter Tannenstämme im
Tannwalde bei Rüeggisbereg.
Cyphelium.
C. trichiale (Ach.) Körb. Auf der Rinde alter Stämme,
hin und wieder. Bern, Forst, Frienisberg (Scher.
Spic.)
©. stemoneum (Ach.) Körb. Wie vorige. Längenberg. Bern.
©. chrysocephalum (Turn.) Körb. Auf Rinden, besonders
an alten Stämmen von Pinus sylvestris stellenweise
häufigund durchdenlebhaftgelben Thallusauffallend.
©. chlorellum (Wahlb.) Körb. An alten Eichen bei Köniz
und Frienisberg (Schr. Spic.)
Sphinctrina.
8. turbinata (Pers.) Körb. Parasitisch ‘auf dem Thallus
— 2413 —
verschiedener Krustenflechten, besonders Pertu-
saria communis. Bern (Schar. Exs.)
b. Calycieen mit 2-zelligen Sporen.
Calyeium.
©. nigrum Schaer. Auf den Rinden alter Tannen und an
Hölzern hin und wieder. Bremgartenwald, Köniz-
berg (Scheer. Spic.)
©. virescens (Schaer.) Körb. An faulen Tannenstöcken
im Scherligraben.
C©. lenticulare Hoffm. (O. quercinum Pers.) Auf Rinden
und an alten Hölzern, besonders Eichen. An Eichen
bei Köniz und Frienisberg (Schr. Spic.) Brem-
gartenwald, unweit der Carlsruhe.
©. trachelinum Ach. Auf Rinden alter Stämme und an
Hölzern. Bremgartenwald bei Bern (Schr. Spic.)
Acolium.
A. tigillare (Ach.) Körb. Auf alten Tannen, Pfählen, Bret-
tern u. s. w. selten. Bei Köniz (Schr. Spic.) —
In neuerer Zeit nicht wieder gefunden.
Fam. 11. B»omyceen.
Sphyridium.
S. byssoides (L.) Fr. (Baeomyces rufus DO.) Auf lehmiger
Erde und auf Sandstein an Hohlwegen, in schat-
tigen Schluchten, stellenweise häufig. Bremgarten-
wald an der Neubrückstrasse, Grauholz, Schlucht
ob Wabern, Solrütiwald bei Köniz u. a. O.
Baomyces.
B. roseus Pers. Auf lehmiger Erde und auf Heideboden
— 2lı —
in Lichtungen der Wälder, an Hohlwegen nicht
selten. Reichlich fructificirend und ganze Strecken
rosenroth färbend im Könizbergwald an einem Hohl-
weg unweit des Wassersammlers und an einem
Waldrand »am Hubel« oberhalb Säriswyl.
III. Blattflechten (Phylloblasti Körb.)
Fam. 12. Endocarpeen.
(Endocarpeae et Dacampieae Körb.)
Endopyrenium.
E. rufescens (Ach.) Körb. Auf Erde an Felsköpfen,
selten. Engehalde bei Bern.
Endocarpon.
E. miniatum (L.) Ach. An Nagelfluhfelsen der Bütscheleck
(Westseite des Gipfels) sparsam. An Blöcken ober-
halb Kehrsatz (Schr. Spice.)
Anm: Catopyrenium cinereum (Pers.) Körb. Nach Schr.
Spic. an der Engehalde bei Bern. Scheint daselbst
nicht mehr vorzukommen.
Fam. 13. Parmeliaceen.
(Parmeliaces, et Lecanorex Subfam. Pismnrkus Körb. Rabh. )
Subfam. A. Pannarineen.
Pannaria.
P. microphylla (Sw.) Mass. An Sandsteinfelsen bei Scherli
und Zimmerwald (Schsr. Spic.) Bremgartenwald,
Längenberg. |
= 2b —
Subfam. B. Parmelieen.
a. Parmelieen mit tönnchenförmigen Sporen.
Physcia.
P. parietina (L.) Körb. (Xanthoria Fr.) Auf Rinden frei-
stehender Bäume, an Hölzern, in Hecken u. s. w.
überall sehr häufig; seltener aufSteinen, erratischen
Blöcken u. s. w.. — Gehört nebst Lecanora sub-
Jusca zu den verbreitetsten Flechten der Erde. —
In zahlreichen Formen. Var. granulata Schaer, an
Stämmen bei Bern (Schr. En.)
P. controversa Mass. (Xanthoria Fr.) Auf Rinden alter,
freistehender Laubholzstämme, besonders Eichen,
häufig.
P. candelaria (Leers.) Müll. Ary. (Candelaria vulgaris
Mass. Körb.) Auf Rinden freistehender Bäume, be-
sonders Obstbäumen, häufig, ‚aber selten mit Frucht.
b. Parmelieen mit farblosen, 1-zelligen Sporen.
Imbricaria.
I. perlata (L.) Körb. An Stämmen und Aesten, besonders
abgestorbenen Zweigen der Laub- und Nadelhölzer
und an hölzernen Schranken, häufig; jedoch nicht
überall fructificirend. Seltener auf Stein.
I. tiliacea (Ehrh.) Körb. An alten Laubholzstämmen, be-
sonders Linden häufig und stellenweise reichlich
fructiieirend. Enge bei Bern, Elfenau, Schloss
Wylu. s. w. — Seltener auf Steinen (erratischen
Blöcken.)
]. Borreri (Turn.) Körb. An alten Obstbäumen, Bretter-
wänden, Zaunlatten, ziemlich häufig, jedoch nur steril-
J. saxatilis (L.) Körb. Auf Rinden der Laub- und Nadel-
hölzer, besonders an abgestorbenen Zweigen, an
— 216 —
Bretterwänden, Zaunlatten u. s. w. sehr häufig, sel-
tener auf Steinen. — Meist steril.
I. physodes (L.) DC. Auf Rinden der Laub- und Nadel-
hölzer, besonders an abgestorbenen Zweigen ge-
mein, aber selten mit Frucht.
J. Acetabulum (Hoffm.) DC. An Stämmen bei Bern, ein-
mal von Schsrer gefunden (Scheer. Spice.)
I. olivacea (L.) DC. Auf Rinden, an altem Holzwerk, in
Hecken, auf Steinen u. s. w. überall häufig.
I. aspera (Mass.) Körb. An alten Ulmen und Linden in
der Enge bei Bern.
I. caperata (L.) DC. Auf Rinden, besonders der Feld-
bäume, an altem Holzwerk, überall häufig. — Nur
an alten Exemplaren fructificirend.
I. conspersa (Ehrh.) DC. Auf erratischen Granitblöcken
hin und wieder. Längenberg, Gümligen.
I. pertusa Schrank. (Menegazzia terebrata Körb. Par.)
An Tannenstämmen stellenweise sehr häufig. Mit
Früchten bisher nur an einer Stelle (im Bremgarten-
wald zwischen Glasbrunnen und Eymatt) gefunden.
g4 Kanmtelieet mit farblosen oder gelblichen, durch Querwände.
2—mehrzelligen Sporen.
Sticta.
S. scrobiculata (Scop.) Ach. An alten Buchen, selten. Brem-
gartenwald unweit des Glasbrunnens (Otth.)
8. pulmonaria (L.) Ach. An Waldbäumen besonders Bu-
chen und Eichen, stellenweise sehr häufig. Brem-
gartenwald, in der Nähe des Glasbrunnens in ein-
. zelnen Exemplaren reichlich fructificirend. Köniz-
bergwald u. a. OÖ. Die Früchte werden nicht selten
von einem parasitischen Pilz (Celidium Stietarum
Tul.) befallen und erscheinen dadurch schwarz.
— 217 —
d. Parmelieen mit braunen, 2-zelligen Sporen.
Parmelia.
P.&stellaris (L.) Fr. Auf Rinden, Hölzern und Steinen,
besonders in Hecken und an Waldrändern, sehr
häufig. — Var. adscendens ( Anaptychia tenella Mass.)
An hölzernen Schranken, in Hecken, stellenweise
häufig.
P. caesia (Hoffm.) Ach. Auf Steinen, besonders behauenen
Granitsteinen nicht selten.
P. speciosa (Wulf.) Ach. An Lindenstämmen bei Bern
und Kehrsatz (Schr. Spic.)
P. pulverulenta (Schreb.) Ach. An freistehenden Stämmen
der Laubhölzer, sehr häufig, und reichlich fructi-
ficirend. Seltener auf Stein. — Var. grisea auf
Pinus sylWvestris auf einem Torfmoor bei Zimmer-
wald (Scher. Spic.) — Var. turgida auf Stämmen
bei Bern (Schaer. En.)
P. obscura (Ehrh.) Fr. Auf Rinden besonders freistehen-
der Bäume und Sträucher, auf Hölzern und Steinen,
sehr häufig. — In mehreren Varietäten.
Fam. 14. Peltigeraceen.
(Peltideaceen Körb.)
a. Peltigeraceen mit farblosen, durch Querwände 4-zelligen Sporen.
Peltigera.
P. aphthosa (L.) Hoffm. An feuchten Sandsteinfelsen und
auf Erde, in Schluchten und an feuchten, waldigen
Abhängen, stellenweise häufig. Bremgartenwald, an
steilen Abhängen längs der Aar. Ulmizberg, Belp-
berg, Längenberg u. a. O. Häufig im Schwarz-
wasserthal.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 772.
— 418 —
P. canina (L.) Hofm. Am Grunde alter Stämme, auf
Erde und Steinen, in Wäldern überall häufig. —
Var. rufescens (P. rufescens Hofm.) An denselben
Standorten, auch auf Heideplätzen und an steinigen
Orten, häufig.
P. pusilla (Dill.) Körb. Auf sandigem Boden an Wald-
rändern bei Radelfingen.
P. polydactyla Hofm. An Waldrändern und auf Wald-
wegen hin und wieder. Bremgartenwald, Könizberg-
wald, Belpberg, Schwarzwasserthal.
P. horizontalis (L.) Hofm. Auf Erde in schattigen Wäl-
dern, hin und wieder. Gurten ob Wabern. Brem-
gartenwald u. a. O.
P. venosa (L.) Hoffm. Auf Erde an steilen Abhängen und
Hohlwegen, ziemlich selten. Gurtenthal bei Köniz,
Gümligenberg, Bantiger, Belpberg, Burgdorf (Flühe).
Anm.: Nephroma tomentosum Hoffm. (N. resupinatum
var. rameum Schaer. En.) Früher an abgestorbenen
Tannenzweigen im alten Ostermundigen-Steinbruch,
ist daselbst in Folge der Zerstörung des Waldes
verschwunden.
b. Peltigeraceen mit braunen, 2-zelligen Sporen.
Solorina.
S. saccata (L.) Ach. An Sandsteinfelsen und feuchter Erde,
in waldigen Schluchten, stellenweise häufig. Fels-
köpfe unterhalb der Lorraine bei Bern, Bremgarten-
wald am steilen Aarufer, Gurten in der Schlucht
ob Wabern, Belpberg u. a. O. — Var. limbata auf
Erde im Bremgartenwald (Scher. En.) Bei Mün-
chenbuchsee (Dr. Uhlmann.)
— 219 —
IV. Strauchflechten (Thamnoblasti Körb.)
Fam. 15. Ramalineen.
(Ramalinex et Anaptychiee Körb. Par.)
a. Ramalineen mit farblosen, 1-zelligen Sporen.
Cetraria.
C. islandica (L.) Ach. AufHeiden und Grasplätzen, selten.
Engehalde bei Bern. — Sehr häufig in den Alpen.
©. prunastri (Scop.) Sommerf. Auf Tannenrinde, selten.
Bütscheleck.
CO. glauca (L.) Ach. An alten Tannenstämmen, auf hölzer-
nen Planken u. s. w. hin und wieder. Selten mit
Früchten.
Evernia.
E. divaricata (L.) Ach. Auf Rinden und abgestorbenen
Zweigen der Tannen, selten. Längenberg im Wald
ob Englisberg.
E. prunastri (L.) Ach. Auf Rinden und altem Holzwerk.
besonders an abgestorbenen Stämmen und Zweigen
der Waldbäume, überall häufig, jedoch sehr selten
mit Frucht.
E. furfuraces (L.) Mann. An Rinden und abgestorbenen
Zweigen in dichtem Tannenwald, Bremgartenwald.
b. Ramalineen mit farblosen, 2-zelligen Sporen.
Ramalina.
R. fraxinea (L.) Ach. An alten Stämmen, besonders an
Waldrändern, selten. Bremgartenwald bei Bethle-
hem (einmal gefunden). Frienisberghöhe (Scher.
Spic.) An Eschenbei Münchenbuchsee (Dr. Uhlmann).
— 20° —
R. pollinaria Ach. Auf alten, freistehenden Stämmen und
an altem Holzwerk, stellenweise sehr häufig, z. B.
in den Alleen um Bern u. a. ©. — Selten fructifi-
cirend.
c. Ramalineen mit braunen, 2-zelligen Sporen.
Anaptychia.
A. ciliaris (L.) Körb. An alten, freistehenden Stämmen.
Sehr häufig und reichlich fructificirend in den
Alleen um Bern.
Fam. 16. Usneaceen.
Bryopogon.
B.jubatus (L.) Link. Auf Rinden, besonders an abgestor-
benen Zweigen der Waldbäume, hin und wieder
Sehr selten mit Früchten. Bremgartenwald beim
Glasbrunnen, Könizbergwald, Bütscheleck.
Usnea.
U. barbata (L.) Fr. (var. florida und pendula). In Wäl-
dern, überall sehr häufig, besonders an abgestor-
benen Aesten mit Evernia prunastri. Stellenweise
reichlich fructificirend. Bremgartenwald, Solrütiwald
bei Köniz u. a. O.
U. ceratina Ach. Wie vorige, aber viel seltener. Brem-
gartenwald, Bütscheleck.
Fam. 17. Cladoniaceen.
Gladonia.
C. pyzidata (L.) Fr. In Wäldern auf Erde, an faulenden
Baumstrünken, am Grunde alter Stämme, an Fels-
köpfen etc., sehr häufig.
_— 21 —
C. gracilis (L.) Hof'm.' Auf Erde zwischen Moosen, be-
sonders auf Heideboden in lichten Wäldern häufig.
©. fimbriata (L.) Hofm. Auf Walderde, besonders in
Lichtungen und auf Heideboden, an faulenden
Baumstrünken, häufig. — In zahlreichen Varietäten
und Formen.
©. cornucopioides (L.) Fr. Var. mixta. (C. pleurota Schaer.
En.) Auf Waldboden hin und wieder.
©. erenulata Flk. (C. deformis Schaer. En.) Auf Wald-
erde hin und wieder.
C. digitata (L.) Hoffm. Auf Torfboden und auf morschen
Baumstrünken, selten. Bütscheleck. BeiBern (Schr.
Spic.)
C. macilenta (Ehrh.) Hofm. Auf Heideboden, an morschen
Baumstrünken, ziemlich selten. Schlucht am rech-
ten Aarufer unterhalb Neubrück. Löhrmoos.
C. uncinata (Hoffm.) var. brachiata (CO. cenotea Ach.) Auf
Waldboden und auf faulendem Holz hin und wieder.
C. squamosa Hoffm. Auf Waldboden und an morschen
Baumstrünken nicht selten. In zahlreichen Varie-
täten. — Var. delicatea am Gurten, Forst. — Var.
epiphylla an Felsköpfen am Ulmizberg.
©. furcata (Huds.) Hofm. Auf Walderde, stellenweise
häufig, besonders die var. racemosa.
©. rangiferina (L.) Hofm.' Auf Heideboden in lichten
Wäldern, ziemlich selten. Gurten ob Wabern, Ey-
holz bei Bethlehem, Schlucht am rechten Aarufer
unterhalb Neubrück.
Von sogenannten parasitischen Flechten, welche we-
gen des fehlenden Thallus richtiger zu den Pilzen gestell;
werden, sind im Gebiete folgende beobachtet:
Oelidium Stictarum Tul. Auf der Fruchtscheibe von Streta
pulmonaria.
‚Pharcidia congesta Kb. Auf der Frucht von Zecanora sub-
Fusca.
‚Abrothallus Smithiül Tul. Auf der Frucht von Imdricaria
olivacea.
Nachträge
zum Verzeichniss der Moose.
Anm.: Ausser den, neuen Arten sind auch die wichtigsten
neuen Fundorte angeführt. Die betreffenden, schon im früheren Ver-
‚zeichniss enthaltenen Arten sind in ( ) gefasst.
Ord. Anthoceroteen.
Anthoceros.
(4. laevis L.) Auf lehmigen Aeckern der NOSeite des
Burgdorfhölzchens sehr häufig.
A. punctatus L. Wie vorige. Enge bei Bern, Thörishaus,
Schüpfen.
Ord. Jungermanniaceen,
Pellia.
P. calycina Tayl. Auf feuchtem Lehmboden, an nassen
Tuffsteinen, hin und wieder. Längenberg ob Kehr-
satz. — Forma lorea in einem Bach bei Hofwyl. —
Forma furcigera auf feuchtem Lehmboden bei
Krauchthal (Dr. Uhlmann).
Mastigobryum.
{M. trilobatum (L.) Nees.) Bremgartenwald an Felsköpfen
unweit der Drakau. Solrütiwald bei Köniz.
- 23 —
Sphagnoecetis.
S. communis (Dicks) Nees. Auf morschen Baumstrünken
im Engewald gegenüber Bremgarten.
Jungermannia.
J. quinquedentata Weber. In Waldschluchten auf Erde
und an feuchten Sandsteinfelsen, nicht selten. Brem-
gartenwald.
J. minuta Dicks. An feuchten, moosigen Sandsteinfelsen
am Manneberg.
J. bierenata Lindenberg. Auf Waldwegen im Bremgarten-
wald.
(J. ventricosa Nees.) Auf Erde an Hohlwegen oberhalb
Gümligen, ziemlich häufig. Bremgartenwald ober-
halb der Drakau.
(J. acuta Lindl.) An feuchten Molassefelsen am Gurten
und im Solrütiwald bei Köniz. An nassen Tufl-
steinen am Längenberg ob Kehrsatz.
J. Mülleri Nees. An feuchten Sandsteinfelsen, meist aus-
gedehnte Ueberzüge bildend. Solrütiwald bei Köniz.
Gurten ob Wabern.
J. riparia Tayl. An feuchten Sandsteinfelsen als dichte,
trübgrüne Ueberzüge. Gurten ob Wabern. An der
Aare oberhalb des Felsenautunneleinganges. Sol-
rütiwald in einem verlassenen Steinbruch, grosse
Strecken der senkrechten Wände bedeckend.
J. hyalina Hook. Auf Erde an einem Hohlweg ob Güm-
ligen (mit J. ventricosa).
J. pumila With. An feuchten Sandsteinfelsen am Gurten
ob Wabern. Schlucht am rechten Aarufer unter-
halb Neubrück.
J. obtusifolia Hook. Auf tehtmiger Erde an Hohlwegen
bei Wahlendorf.
le
—_— 1214 —
Sarcoscyphus.
Ehrharti Corda. In dichten Räschen an Molasse-
felsköpfen oberhalb der Drakau. (Bremgartenwald.)
Ord. Bryaceen.
Pleuridium.
. alternifolium Br. et Schp. Auf lehmiger Erde in Klee-
feldern bei Bern (Lesq. Cat.) Rüeggisberg (Trachsel).
. nitidum Br. et Schp. Auf Erde bei Rüeggisberg
(Trachsel).
Archidium.
. alternifolium (Dicks.) Schp. Auf Erde an grasigen
Stellen, selten. Bern an Dämmen. Kirchenfeld.
Gymnostomum.
‚ ealcareum Nees et Hornsch. An Mauern und Sandstein-
felsen bei Bern (Lesq. Cat.)
Dichodontium.
. pellucidum (L.) Br. et Schp.) Auf erratischen Blöcken
am Gurten ob Wabern, auf Erde in der Schlucht
des Glasbrunnenbaches. Ulmizberg.
Fissidens.
. bryoides Hedw. Auf lehmigem Waldboden stellenweise
häufig. Bremgartenwald in einer Lichtung an der
Neubrückstrasse. Engewald bei der Felsenau. Gur-
ten ob Wabern.
grandifrons Brid. Auf Steinen in der Aar in der Nähe
der Gasanstalt (Stud. Fankhauser).
(F. exilis Hedw.) An feuchten Sandsteinfelsen in Schluch-
ten auf der Ostseite des Ulmizberges. — Fissidens
Bloxami des ersten Verzeichnisses fällt mit dieser
Art zusammen und ist daher zu streichen.
_ 25 —
Barbula.
B. rigida Schultz. Bremgartenwald bei Bern, auf Kies-
conglomerat (Bamberger).
Grimmia.
@. Hartmaniüi. Br. et Schp. Auf erratischen Blöcken, stel-
lenweise häufig. Gurten. Im Bett des Glasbaches
(Schlucht am rechten Aarufer unterhalb Neubrück).
Bryum.
B. Funkii Schwaegr. Auf feuchtem Lehmboden und auf
Steinen an Bächen. Burgdorf, (Lesq. Cat.)
Mnium.
M. affine Schwaegr. In Wäldern selten. Bremgartenwald.
Wylerhölzchen am Eingang der Schlucht.
Gatoscopium.
CO. nigritum (Hedw.) Br. et Schp. An feuchten Tufffelsen
im Wylerhölzchen beiBern (an einer einzigen Stelle )
Bartramia.
(B. Halleriana Hedw.) Bremgartenwald an steilen Ab-
stürzen längs der Aar, hin und wieder. Engewald
gegenüber Bremgarten.
Anm.: Timmia megapolitana Hedw. Von Apotheker
Bamberger auf Kiesconglomerat an der Neubrück-
strasse gefunden, scheint daselbst nicht mehr vor-
zukommen. |
Pogonatum.
P. nanum (Dill.) Beawv. Auf Heideboden am westlichen
Rand des Birchiwaldes. Engewald bei der Felsenau.
Häufig an steilen Wegborden bei Wahlendorf.
Bern. Mittheil, 1871. Nr. 773.
Buxbaumia.
B. aphylla Haller. Auf Heideboden in Wäldern sehr
selten und vereinzelt. Am Gurten zwischen Wabern
und Bächtelen. Bremgartenwald an Felsköpfen ober-
halb der Drakau.
B. indusiata Brid. Auf faulendem Holz zwischen Moosen,
sehr selten und vereinzelt. Solrütiwald bei Köniz,
zwischen Plagiothecium denticulatum einmal ge-
funden.
CGlimacium.
(C. dendroides Web. et Mohr). Auf einem Torfmoor bei
Obermuhleren (Längenberg) reichlich fructificirend.
Anomodon.
(A. longifolius Hartm.) An morschen Baumstrünken im
Wäldchen bei der Thalgutbrücke (steril).
(A. attenuatus (Schreb.) Hartm.) Auf erratischen Blöcken
in der Schlucht unterhalb der Neubrücke (r. U.)
u.a. O. |
Brachythecium.
B. rivulare Br. Schp. Auf erratischen Blöcken im Bett
des Glasbaches unterhalb Neubrück (r. U.) Stem-
pachschlucht bei Boll u. a. O.
Eurhynchium.
E. velutinoides Br. Schp. Bremgartenwald (Bamberger).
Thamnium.
(T. alopecurum (L.) Br. Schp.) Auf Blöcken von Kies-
conglomerat oberhalb der Neubrücke und im Wyler-
hölzchen,
Aama/
® = Situation der Peßelstationen
Gebiete der Juragewässer- Correction. Y'
|
5 ‚Aöuenburger r: we
/
L TS
Bären
I Mogmüller Lich. ee =, Y Zeth. Ch Haleirnanr.
— 2 —
Plagiothecium.
(P. Schimperi Jur. et Milde.) Unter diesem Namen wird
jetzt Bhynchostegium Borreri (des ersten Verzeich-
nisses) zur Gattung Plagiothecium gezogen. ”
P. Roesei Br. et Schp. (P. lucens Saut. P. sylvaticum var.
cavifolium Jur.) Auf Walderde am oberen Rand
des Buchenwaldes oberhalb Kleinwabern. Bildet
ausgedehnte, glänzend grüne Ueberzüge.
Hypnum.
H. cordifolium Hedw. Häufig in einem Waldsumpf im
Grauholz unweit der Station Zollikofen.
Hylocomium.
(H. squarrosum (L.) Br. et Schp.) Reichlich fructiticirend
im Solrütiwald bei Köniz.
A. Beniteli.
Ueber den Einfluss der Correetionsarbeiten
auf die Wasserstände des Bielersee's
und der Zihl im Jahr 1870.
(Vorgetragen den 4. Februar 1871.)
(Mit 1 Tafel.)
Seit 1868 ist das Pegelbeobachtungswesen im Gebiete
der Juragewässercorrection, welches schon von 1858 an
in ausgedehnter Weise bestanden, mit dem von der hy-
drometrischen Commission der schweiz. naturforschenden
Gesellschaft für die Schweiz allgemein eingeführten Be-
obachtungssystem vereinigt und die Leitung dieses Zwei-
ges dem Vortragenden anvertraut worden. Die Zusammen-
stellungen der Resultate wurden nun etwas vollständiger
_— 11 —
fortgeführt, namentlich alle monatlichen und jährlichen
Mittelzahlen, sowie die mittleren Gefälle zwischen den ein-
zelnen Stationen berechnet, nachdem sämmtliche Höhen-
angaben auf den für die Correction angenommenen Hori-
zont durch den Nullpunct des Pegels zu Murgenthal redu-
zirt worden.
Die Beobachtungen der Jahre 1868 und 1869 weisen
nichts von hesonderem Interesse auf, was zu einem Vor-
trag hätte Anlass geben können, denn man kann. wohl
den Mechanismus der Juragewässer und der Aare als
ziemlich allgemein bekannt voraussetzen, hat man ja doch
in allen Kreisen der gebildeten Welt die langjährigen
Bestrebungen der Behörden und Fachmänner zur gründ-
lichen Beseitigung der stets drohenden Gefahren im Jura-
gewässergebiet mit dem grössten Interesse verfolgt.
Wasserstandsbeobachtungen können überhaupt nur dann
von besonderer Wichtigkeit sein, wenn dieselben von
einer ganzen Reihe von Jahren vorliegen, so dass aus
der Vergleichung der Gefällsverhältnisse auf allfällige all-
mälige Gefällsausgleichungen, fortschreitende Geschiebs-
ablagerungen etc. geschlossen werden kann.
Mit Beginn der Correctionsarbeiten (an der untern
Zihl) sind nun aber die Pegelbeobachtungen des Jura-
gewässer-Gebiets in ein interessantes Stadium getreten;
sie bieten das einzige ganz sichere Mittel zur Beurthei-
lung des Erfolges der Correctionsarbeiten und nachfol-
gende Mittheilungen werden deutlich zeigen, dass die
1870 begonnenen Durchstiche und Ausbaggerungen zwi-
schen Nidau und Meyenried auf die Wasserstände des
Bielersee’s und der Zihl schon bedeutenden Einfluss aus-
geübt haben.
Zur Orientirung werde zunächst angegeben, wie die
20 Stationen, deren tägliche Beobachtungen zur Zeit regel-
— 229 —
mässig eingesandt werden, sich auf die verschiedenen
See’'n und Flüsse: vertheilen.
N) Murtensee: bei Murten,
2) Neuenburgersee: La Sauge, bei Einmündung der
Broye,
3) obere Zihl: Vanel,
4)» » Zihlbrücke,
5) Bielersee: Nidau,
6) untere Zihl: Nidau,
7) » » Brügg,
Bl,» » oberhalb Zihlwyl,
De » unterhalb Zihlwyl,
10)». » Meyenried. (Der Wasserspiegel
richtet sich hier besonders zur
Sommerszeit ganz nach dem
Aarestand),
44) Aare: Aarberg,
12) » Dotzigen,
13) » Büren,
1) » Staad,
15) >» Arch,
16) » Leusslingen,
3 ale Solothurn, Schwimm-Schule
(oberhalb derEisenbahnbrücke)
5 Solothurn, Fussgängerbrücke,
19) » Emmenholz, oberhalb Einmün-
dung der Emme,
20) » Attisholz, unterhalb Einmün-
dung der Emme,
Ausserdem sind seit September 1869 in Aarberg und
seit Februar 4870 in Büren selbstregistrirende Apparate
(System Hasler) aufgestellt, welche stündlich den Wasser-
stand markiren.
— 230 —
Die beigegebene Tafel mag die Situation der Jura-
gewässer mit ihren Pegelstationen näher angeben.
Vergleicht man die Gefällsangaben der Broye, der
obern und untern Zihl und der Aare, welche den letzten
Projekten über Juragewässercorrektion zu Grunde gelegt
worden sind*), mit den unmittelbar vor Beginn der Cor-
rektionsarbeiten bestehenden entsprechenden Gefällsver-
hältnissen, also etwa mit den Durchschnittsergebnissen
der Normaljahre 1868 und 1869, so zeigen sich da schon
bedeutende Verschiedenheiten. Es ist diess offenbar ein
Beweis, dass in dem Mechanismus der Juragewässer
schnelle Veränderungen vor sich gehen und zwar, wie
aus nachfolgenden Zusammenstellungen ersichtlich ist,
vollständig zu Ungunsten der bedrohten Gebietstheile.
Die Niveaudifferenz zwischen Neuenburgersee und
Bielersee zum Beispiel, die früher bei Hochwasserstand
2' 6‘, bei niedrigem Wasserstand sogar 3‘ 7'' betragen
hat, zeigt sich in den Jahren 1868 und 1869 nie grösser
als 2’, durchschnittlich nur etwa 1’ 8°; es muss also der
Wasserspiegel des Bielersee’s den andern See’n gegen-
über sich gehoben haben, da in der Periode der letzten
zwanzig Jahre wenigstens an der obern Zihl keine
Arbeiten vorgenommen worden sind, welche eine Sen-
kung des Neuenburgerseespiegels hätten verursachen
können.
*) Diese Angaben sind dem höchst interessanten Aufsatz von
Herrn Professor Culmann in Zürich: „Mittheilungen über die Cor-
rektion der Juragewässer“, schweiz. polyt. Zeitschrift, Band IH.,
entnommen. Es wird überhaupt hier für die Kenntniss der näheren
Darstellung der bestehenden Verhältnisse im Juragewässergebiet auf
jene ausgezeichnete Abhandlung verwiesen.
—_— 31 —
Jm Jahre 185% fand allerdings eine Tieferlegung des
Zihlbettes statt, aber nicht an der obern, sondern an der
untern Zihl beim Pfeidwald in der Nähe von Brügg, wo
eine mächtige Lehmschwelle sich quer durch die Fluss-
sohle hinzieht. Diese Arbeit hätte natürlich eher eine
Vermehrung des Höhenunterschiedes der Wasserspiegel
von Neuenburgersee und Bielersee zur Folge haben
müssen. Eine günstige Wirkung der damaligen Tiefer-
legung ist die Sekung der Wasserspiegel in allen drei
Seeen, denn während früher die Mittelstände des
Murten-, Neuenburger- und Bielersee’s angegeben wurden
Zu. Ma Be 0105. 1.
über Murgenthal, stellen sich in
den letzten Jahren die jährlichen
Mittel ungefähr folgendermassen
heraus ars: (58-8. 2.102. 0—101'.4 u. 99'.7
Differenzen 42— #'0u 2'9
Diese Differenzreihe bestätigt obige Behauptung, dass
die Wasserstandsverhältnisse der Juragewässer, wenn
letztere sich überlassen bleiben, stets einer Verschlim-
merung entgegengehen, da ja die Niveauunterschiede
aller drei See’n seit 1854 geringer geworden sind.
Sehr bedeutend sind nun aber die Gefällsvermeh-
rungen, welche durch die gegen Ende 1869 begonnenen
Correktionsarbeiten bis Ende des Jahres 1870 erzielt
worden sind. Die Höhendifferenz zwischen Neuenburger-
und Bielersee ist wieder bis auf 2’ 7'' gestiegen und der
Unterschied der Wasserspiegelhöhe im Bielersee und
der Zihl bei Brügg, der 4869 im Mittel 91 Linien betrug,
hat zugenommen bis auf 2'.95.
Zu leichterer Vergleichung diene folgende Ueber-
sicht.
232
Gefällsverhältuiffe in °%/,. ausgedrückt.
Murtense ’
WER, ı|..0083..
Neuenburgersee
| e |. 0.8..
Bielersee
zu N Berhaik Her
Brügg 007 ehmschwelle
Zihlwyl Bauer ST
ee | ee A
Aare bei Aarberg
} | YRNE25”.
» „ Dotzigen
'» » Meyenried | 3 EN ah
KM, Büren
n‘'.» Staad |
a a AN
Arayaı | -. 004 --
ah ag Ei
» „ Solothurn, .
Schwimmschule u Fe: ee
” z Dan, ) Uebergang von
ussgängerbrücke
ka el, 0.22 zu 1.14
+ Ita EN
nach seit Beginn der
gehoben zu
Nach den Augaben
in der Abhandlung
| von
H. Prof, Culmann.
Nach den Jahresmittel-
ständen von
1869, | 1870.
0.029 | 0.032
0.063 | 0.063
0.057 | 0.059
0.493 | 0.256
0.62 1.07
1.25 | 1.385
0.86 0.85
0.14 0.16
0.08 0.08
0.07 0.07
0.08 0.08
0.08 0.08
0.15 0.13
0.17 0.15
1.03 1.03
= ss |äss,
=> = ers
s43|232
E -. E u
0.041 | 0.028
0.101 | 0.104.
0.161 | 0.184
0.212 | 0.164
1.02 | 0.89
1.24 | 1.24
0.64 | 0.59%)
0.18 | 0.22
natürlich keine we-
sentlichen Verände-
rungen, da auf dieser
Streeke noch keine
Correktionen begon-
nen haben.
*) Der Wasserspiegel der Aare scheint sich den Beobachtungen
orrectionsarbeiten bei Meyenried bedeutend
aben; diess wird jedoch nicht der Fall sein. Der Pegel.
steht eben nicht in der Aare, sondern in der Zihl, etwas oberhalb
der Einmündung in die. Aare. Während nun früher die Wasserstände
beim Pegel stets ziemlich richtig den Aarestand angaben, so ist diess
Jetzt beim Niederwasser der Aare nicht mehr so, da die Tiefe des. Leit-
—_— 233 —
Die Selbstregistratoren in Aarberg und Büren gaben
recht genau den Verlauf des Hochwassers von Ende Ok-
tober und Anfang November 1870 an; für Büren betrug
der Unterschied des Minimalstandes im Oktober und des
Culminationsstandes während des Hochwassers nicht we-
niger als 15°. — Auch wird der Verlauf der Schiffwasser-
anschwellungen der Aare im Herbst, Winter und Früh-
ling recht hübsch durch die Instrument-Markirungen sicht-
bar. Es wäre indessen gewiss zu wünschen, dass diese
Anschwellungen unterblieben, und zwar wäre diess nicht
nur wünschbar für -alle Industriellen an der Aare, die
natürlich einen ziemlich konstanten Winterwasserstand
den beständigen Veränderungen vorzögen, sondern auch
für alle schwellenpflichtigen Gemeinden und für den Staat,
da durch das nächtliche Gefrieren des bei jeder An-
schwellung in das Schwellenwerk eingedrungenen Wassers
diese Schwellen ohne Zweifel bedeutend leiden müssen.
Seit Einführung der Eisenbahnen wird übrigens wohl lange
nicht mehr so viel geflösst wie früher.
Zum Schlusse möchte ich noch auf eine eigenthüm-
liche Erscheinung aufmerksam machen, nämlich auf die
bedeutenden Schwankungen der Monatsmitteldifferenzen
von La Sauge (bei Einmündung der Broye in den Neuen-
burgersee) und Vanel (etwas unterhalb der Ausmündung
der Zihl aus dem Neuenburgersee). Es kömmt vor, dass
diese Differenzen, die im Mittel etwa 3 Zoll betragen,
Null werden — ja sogar stellen sich den Beobachtungen
nach oft während einer Reihe von Tagen die Wasser-
stände in Vanel höher als diejenigen von La Sauge. Da
kanals, aus welchem seit Winter 1869/70 gerade bei der Pegelstelle
die Zihl wieder in’s alte Flussbett strömt, noch nicht genügend ist
und desswegen dort der Stand der Zihl sich gegenüber früher im
Winter überhöhen musste.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 774.
-— 23 —
nun Letzteres offenbar nicht möglich sein kann, die. bei-
den Beobachter aber ziemlich zuverlässig sind, so liegt
wohl die Vermuthung nahe, es könnte vielleicht der Grund
dieser beständigen Schwankungen in Blähungen des
Moorbodens liegen, wie solche in andern Ländern auch
schon konstatirt worden sein sollen.
H. Wydlier.
Kleinere Beiträge zur Kenntniss
einheimischer Gewächse,*)
(Fortsetzung.)
Papilionaceae.
Ononis repens. Zeichnet sich durch seine weisslichen
walzlichen Niederblattsprosse aus.
O. rotundifolia. L. (Sp. pl. ed. 1.) A)L... 2)H
3)... hZ. Blüthenzweige fast schaftähnlich, in ein pfriem-
liches Spitzchen endend, meist 3- selten #blüthig. Blü-
then in den Achseln winziger hinfälliger Hochblättchen ;
deren 2 seitliche die zuerst sich eufaltenden Blüthen
enthalten und als Vorblätichen fungiren. Die dritte und
vierte Blüthe gehören einer nicht weiter fortgesetzten
Spiralstellung an. Ein uncerständiges accessor. Spröss-
chen nicht selten.
*) Berichtigungen. S$. 29 lese man: Nachträge zur Flora,
1860 u. zu d. Mitth. d. bern. naturf. Ges. seit 1861, — statt: Fort-
setzung. $. 54, Zeile 4 von unten ]. man: Libonia, statt: Lindenia.
S. 57 ist die Blüthen(-Hochblatt-)Stellung der 3 dort genannten Arten
von Impatiens irrthümlich zu '/, angegeben. Wie mich Alex. Braun
brieflich belehrt, ist sie vielmehr ?/,.. Nach kürzlich vorgenommener
wiederholter Prüfung kann ich seine Angabe nur bestätigen. Die
scheinbare !/; St. ist einer leichten Verschiebung der Blüthen zuzu-
schreiben. Bei J. glanduligera fand ich an reichen Blüthentrauben
zweimal auch 3/,, St. Bei beiden hier genannten Stellungen fällt die
erste Blüthe entweder nach rechts oder nach links, senkrecht auf die
Mediane des Tragblattes der Blüthentraube.
—_— 235 —
O. fruticosa L. 4) LIL..2) H‘..3(h) Z. Gesammt-
inflor. eine gipfelständige Traube, deren jeder Zweig aus
einem Hochblatt kommt und selbst wieder in eine drei-
blüthige Dolde (oder gestauchte Traube) verzweigt ist, über
welcher er in eine kurze Pfrieme endet, Blüthen gestielt
in den Achseln eines winzigen Hochblättchens (H‘) ohne
Vorblätter, einseitswendig. Von den drei Blüthen gehören
zwei den Vorblättern des Zweiges, die dritte schief nach
vorn fallende und zuleszt entfaltende gehört einem eine
nicht weiter fortgesetzte Spiralstellung einleitenden Hoch-
blatte an. — Die Blattstellung des Zweiges beginnt zwei-
ER 1 +1 # Bar B
zeilig. (Pros. ICH Ich zählte &—5 distiche Blätter ;
an das letzte schliesst sich °/, St. an, an welcher Stel-
lung auch die Hochblätter (Blüthenzweige) Theil nehmen.
Seltener kommt °/, St. vor. — ‚Die häutige Scheide der
kurzgestielten Laubblätter mit in mehrere Zipfel getheil-
- ten Oehrchen anfangs tutenförmig den Stengel umgebend,
erinnert an die Tute der Polygoneen. Später reisst die
Tute auf. In der Hochblattregion (den Tragblättern der
Blüthenzweige) bleibt die Tute fast allein übrig, indem
die Spreite fast gänzlich schwindet und von ihr und den
Scheideröhrchen oft nur eine dreizipfelige Spurübrig bleibt,
P. alopecuroides. L. 1) Kotyl.L..11..2(h)Z aus,
Auf die Kotyledonen folgt mit diesen sich rechwinklig
kreuzend !/, St. der Blätter dann °/,, welche sich höher,
besonders in der Gipfelständ. Blüthenähre zu ®/; und ®/js
steigert. Die Zweige beginnen ebenfalls mit 2-5 quer distich
gestellten Blättern, an welche sich dann °/g St, anschliesst.
Anthyllis montana L. Blüthenköpfchen 1— 2, Auf-
blühfolge wie bei A. vuln. nach dem laubigen Vorblatt hin
fortschreitend. Blüthen gestielt, dem Zweig nicht aufge-
wachsen.
— 236 —
A. tetraphylla. Kotyledonen keilförmig, sehr. kurz
gestielt, die Stiele in ein schmales Scheidchen verwach-
sen. Bis drei Serialsprosse in der Achsel jedes Keim-
blattes, unter sich antidrom und ‚sich gegenseitig aus-
weichend. Blattstellung zweizeilig, Merkwürdig ist das
Verhalten der zu den fiedrigen zu rechnenden Blätter.
Die drei Seitenblättchen sindklein und stehen abwechselnd;
das erste und zweite sind lanzettlich, jenes grösser: als,
das zweite; das dritte ist viel grösser: als jene beiden,
oval oder auch lanzettlich, das-endständige ist im Ver-
hältniss zu den übrigen sehr gross, oval oder rundlich-
oval. Stipulae fehlen, wenn man nicht. die zwei unter-
sten Foliola für solche nehmen will; sie möchten durch
die bisweilen an der Basis der Blattscheide bemerklichen
braunen spitzigen Körperchen vertreten sein, wie man
sie auch bei Lotus findet. An den Zweigblättern fällt das
unterste Foliolum nach der Abstammungsaxe des Zweiges
(die Blätter sind unter sich antitrop) Inflor. 2—Ablüthig;
zwei Blüthen gehören den Vorblättern des Blüthenzweiges
an, von denen aber nur das eine (als Hochblatt) ent-
wickelt ist, und constant auf die Seite des ersten Folio-
lum fällt (daher Antidromie der Blüthenzweige). Von jenen
zwei Blüthen entfaltet zuerst jene ohne Tragblatt (Vor-
blatt), die ihr gegenüberstehende mit dem Tragblatt (Vor-
blatt) versehene nachher. Die. Aufblühfolge ist nämlich
einseitig fortschreitend. Auch die übrigen Blüthen sind.
ohne Tragblatt. Die Blüthenzweige werfen sich in. der
Richtung des ersten Foliolum ihres Tragblattes.
Medicaao Lupulina; wenn bei dieser Art, wie ich
bisw. fand, eine Gipfelinflor. vorkommt, so liegt der Grund
vielleichtim Fehlschlagen des Stengelendes und Aufrichten
des obersten alsdann scheinbar den Gipfel einehmenden
Blüthenzweiges.
—_— 237 —
Medicago minima, Lam. Blattstellung distich. Axe
der Infloresz. in eine Pfrieme endend. Unter der Inilor.
ein accessorischer Laubspross.
Trigonella prostrata. DO. T. gladiata Stev.) A)KL .,
2).H...3 (h) Z. Keimpflanze. Blattstellung: 1) Auf die
1
Kotyledonen folgt °/,, eingeleitet durch N (?/,) durch
den ganzen Stengel fortsetzend. 2) Auf die Kotyledonen
folgt ein rechtwinkliges mit ihnen sich kreuzendes Blatt-
paar, an welches sich ®/; mit voriger Pros. anschliesst.
Es fällt mithin das erste Blatt d. ®/, Sp. in der Richtung
des einen Kotyl. 3) 3. Es kreuzt sich mit d. Kotyl. ein
Blattpaar, worauf °®/, folgt, eingesetzt durch nn —
Die basilären niederliegenden Zweige beginnen mit 3—%
querdistichen Blättern, worauf °/, folgt. Die einblüth. Axe
der Inflor. erscheint als ein kleines Höckerchen, welches
dem Tragblatt der Blüthe gegenüberliegt. — Spreite d.
Kotyl. abgliedernd, Stiel stehen bleibend.
Tr. monantha. Wesentliche Sprossfolge wie bei vo-
riger. Blattstellung 2-zeilig. Unter den 1—3blüth. Inflor.
ein access. Laubspross.
Trifolium pratense. L. Blüthen in wechselnden 8, 10,11,
12, 1% gliedr. Wirteln. Gliederzahl gegen den Gipfel der
Köpfchen abnehmend, so zählte ich z. B. an einem Köpf-
chen 10, 7, 6, 4 gl. Wirtel, zu oberst nur eine einzelne
Blüthe. Besonders an der Basis der Köpfchen sind die
Blüthen nicht selten. auseinander gerückt oder auch wen-
deltreppenartig aufsteigend.
T. medium. L. Blüthen in 6, 7, Sglied. wechselnden
Wirteln — am Gipfel des Köpfchens mit verminderter
Gliederzahl; die Blüthen oft unregelmässig auseinander
gerückt.
— 23 —
Tr: maritimum, Huds. Blätter zweizeilig, Blüthen-
köpfchen mit 6, 7, 8, 9gliedr. wechselnden Wirteln.
Tr. incarnatum L. Blätter zweizeilig, Blattscheiden
der aufeinanderfolgenden Blätter gegenwendig übergerollt.
Ist nur eine Blüthenrähre vorhanden, so ist sie senkrecht
aufgerichtet und scheint terminal, was um so täuschender,
wenn über ihr kein Blatt mit Blüthenköpfchen folgt. Letz-
teres finde ich aber bei cultiv. Ex. nicht selten, so zwar,
dass bald das Blatt steril, bald mit einer Aehre versehen
ist, woraus denn hervorgeht, dass wo nur eine ÄAehre
vorkommt diese als axillär dem zweitobersten Blatt an-
gehört. Die obere Aehre blüht immer später. Die Blü-
then stehen in 5, 6, 7gliedr. wechselnden Wirteln ; manche
Aehren haben zu unterst 6gl. höher ögl. Wirtel; am sel-
tensten zählte ıch an derselben Aehre unten 7, höher
6 blüth. Wirtel.
Tr. repens L. Blüthen in 10- und 6glied. wechseln-
den Wirteln, muthmasslich auch noch andere Stellungen.
Tr. badium L. Koch nennt die Pflanze zweijährig;
der starken viele Sprosse ‘ernährenden Wurzel nach zu
schliessen, ist sie aber ausdauernd wie auch Gaudin und
Hegetschweiler annehmen. — Blätter zweizeilig. Aus d. 2-3
obersten Stengelblättern kommen die Blüthenköpfchen ;
das oberste Blatt ist meist steril. Die Entfaltung der
Köpfchen ist aufsteigend: Das unterste Köpfchen richtet
sich senkrecht in die Höhe, und drängt den Gipfel des
Stengels mit den obern Köpfchen seitwärts, und erscheint
dann terminal, was es in Wirklichkeit nicht ist. Das ist
um so täuschender, wenn das obere Blatt steril ist.
Blüthen ohne Tragbl. nach °/,; und "?z..
Tr. procumbens. L. Blüthen in 6, 7glied. wechseln-
den Wirteln, aber auch mit ®/,, St.
ww.
Tr. filiforme L. Blüthen nach °/g, ®/ıs, °/ @/.) ge-
stellt.
Lotus. u. Tetragonolobus. Dreiaxig. 1) Kot. L...2)H..
3 (h) Z. Hievon ist insofern Lotus uliginos. Schk. ausge-
nommen, als er Stolonen mit zur Niederblattbildung
hinneigenden Blättern besitzt. Der Stengel d. Keimpfl.
ist wohl meist entwickelt wie mich neuere Beobachtungen
gegen meine frühere Annahme von der Stengellosigkeit
dieser Gattungen( Flora, 1856. Nr. 3) belehren. Am deut-
lichsten fand ich den centralen Stengel bei Lotus diffusus,
edulis, glaberrimus, DC. und bisweilen bei Lotus cornicul. L.
seltener bei Tetragonolobus purp, wo wie bei Tetr. biflorus
der Stengel und der eine der obersten Kotyledonarsprosse
schon frühzeitigungefähr gleiche Grösse erreichen und sich
durch Verschiebung einander gegenüberstellen, wodurch
der Stengel seine centrale Lage einbüsst und alsdann
weniger leicht als solcher erkannt wird. Die Blattstellung
der Keimpflanze gestaltet sich, wie beı den übrigen disticho-
phyllen Leguminosen. Bei beiden Gattungen finden sich in
der Achsel jedes Keimblattes eine grössere oder geringere
Anzahl serialer Sprosse, welche nach ihrer Altersfolge
ungleich stark, entsprechend ihrer wechselwendigen Blatt-
stellung sich alternative nach rechts und links werfen.
Was die Nebenblätter der Loteen betrifft, so wurden
dafür von Normann und Irmisch gewisse braune zuge”
spitzte Körperchen angesprochen, welche man oft dicht
unterhalb der bis jetzt allgemein für die Stipulae gehal-
tenen Blättchen findet. Da Irmisch diese Körperchen
bei der Gattung Bojeania in kleine grüne Blättchen um-
gewandelt sah (Bot. Zeitg. 1861. Tab. XII. B.), so ist ge-
gen diese Ansicht nichts einzuwenden. Es wäre alsdann das
Blatt d. Loteen für ein ungepaart gefiedertes anzusehen,
und die Enwicklungsfolge der Blätter wäre nach Irmisch
= wu —
(l. c. 334)‘ absteigend, wofür auch das Ausbleiben des
untersten Blättchenpaares an dem laubartigen Vorblatt
der Blüthenzweige sprechen würde. Damit stimmte fer-
ner die Knospenlage, in welcher das Endblättchen das
äusserste, das basiläre Paar das innerste ist.*) Hält man
wie ich selbst die Stipulae für eine Dependenz d. Blatt-
scheide, so kann über die Natur der braunen Körperchen
kaum ein Zweifel sein, da sie bei den in Rede stehenden
Gattungen einer wenn auch schmalen Scheide aufsitzen,
Das gilt aber auch ebensogut für die bis jetzt für Stipulae
genommenen Blättchen. Wie viele Stipulae anderer Pflan-
zen stehen sie basilär am Blattstiel durch ein kurzes
Glied desselben vom nächsten Blättchenpaar getrennt,
sie stehen mit der Scheide, sei es durch ein Stielchen
in Verbindung oder sitzen ihr unmittelbar mit breiter
Basis auf, in welch’ letzterm Fall sie die grösste Aehn-
lichkeit mit Scheidenöhrchen baben. So bei den Arten
von Tetragonolobus, an welchen sich das Scheidchen
noch eine kurze Strecke weit am Stengel abwärts ver-
folgen lässt. Dieses und noch manches andere berück-
sichtigend, wovon sogleich die Rede sein wird, würde
ich das unterste Blättchenpaar noch jetzt für Stipulae
ansprechen, wenn nicht Irmisch ausdrücklich versicherte,
bei Bonjeania die braunen Körperchen in grüne Blättchen
umgewandelt — angetroffen zu haben, und zwar isolirt
vom untersten Blättchenpaar (vulgo Nebenblättchen).
Was ebenfalls für die Stipelnatur der braunen Körperchen
sprechen würde ist die Blattbildung von Astrolobium scor-
pioides, DC. Das Blatt dieser Pflanze ist gewöhnlich ge-
2}
*) Eine Ausnahme hiervon scheint mir Lotus diffusus zu machen,
an welchem die wenigen. mir, vorliegenden Ex. eine aufsteigende
Knospenlage der Foliola zeigen.
_ 41 —
dreit. Es besteht aus einem grossen Endblättchen und
aus einem Paar basilären, dicht über einer schmalen
Scheide liegenden Seitenblättchen. Die häutige. Scheide
ist oberwärts in zwei bis über die Mitte am hintern Rande
mit einander verwachsene Oehrchen ausgezogen, deren
Spitze allein frei bleibt und die wohl den braunen Kör-
perchen von Lotus entsprechen. Der verwachsene Theil
bildet eine den Stengel od. Zweig von hinten umschlies-
sende Art von Scheide (ganz wie bei Onobrychis vulg.)
Es kann gar kein Zweifel sein, dass hier somit die zwei
basilären seitlichen Foliola nicht Stipulae, sondern ächte
Foliola sind, welche mit den gewöhnlich für Stipulae ge-
nommenen Blättchen von Lotus und Tetragonobus über-
einstimmen. Sie zeigen auch wie. diese. eine ungleiche
Grösse. Häufig schiebt sich bei Astrolobium and d. höhern
Stengel und Zweigblättern noch ein zweites Blättchenpaar
zwischen dem basilären Paar und dem Endblättchen ein,
wodurch das Blatt noch grössere. Aehnlichkeit mit dem
Lotus-Blatt bekommt, indem das hinzukommende Paar
durch ein gedehntes Blattstielglied von den basilären ge-
trennt ist*). Die Scheidenöhrchen sind von: einem Mittel-
nerven durchzogen; sie entsprechen wie bemerkt wohl
den braunen Drüschen der übrigen Loteen. Was für die
Richtigkeit dieser Ansicht sprechen möchte, ist das einiger
brauner drüsenartiger Zähnchen, die ich an den sehr
kleinen Scheidenöhrchen von Astrolob ebracteatum DC,
vorfand, nie aber bei A. scorpioides. Im Uebrigen unter-
scheidet sich das Blatt von A. ebract. von dem von A.
scorp. Es ist ungepaart gefiedert und hat 5—6 Blättchen-
paare, deren unterstes sich hier nicht mit dem basilären
blättchenpaar der andern Art oder der übrigen Loteen
*) DC. (Prodr.) berührt diesen Fall nicht.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 775.
—_— 42 —
vergleichen lässt. Bei Ornithopus roseus sind die win-
zigen Stipulae anfangs weisslich, färben sich aber bald
braun, und haben alsdann das Ansehen derer von Lotus etc.
An dem laubigen Vorblatt der Blüthenzweige dieser Pflanze
konnte ich hingegen von diesen Stipeln keine Spur auf-
finden. — Von den hier in Rede stehenden Stipelbildungen
ist in unsern neuesten Handbüchern nicht die Rede; wie
denn überhaupt darinn die Nebenblätter sehr stiefmütter-
ich behandelt werden. Döll. (Flora Bad.) vergleicht
die braunen Drüschen der Loteen mit ähnlichen Bildungen
bei Thalictrum und Staphylea, will aber den Ausdruck
»Nebenblätter« im gewöhnlich genommenen Sinn der Be-
quemlichkeit halber bei Beschreibungen beibehalten.
Alefeld (Bot. Zeitg. 1862, p. 220) hält. die Drüschen
nur für. Anhängsel der laubigen Stipulae, welche sich
auch durch ihre flache Knospenlage von der gefalteten
der übrigen Blättchen unterscheiden sollen. Das letztere
ist vollkommen richtig, weniger zutreffend scheint mir
sein Vergleich der Drüschen mit den Honig absondernden
Nebenblättern der Vicieen.
Für welche der beiden im Vorigen berührten An-
sichten man sich nun entscheide, immerhin zeigt das
unterste Blättchenpaar manche Aehnlichkeit mit den Neben-
blättern. Dahin rechne ich: 4) ihre Verbindung mit der
Blattscheide, ganz wie die Scheidenöhrchen vieler anderer
Pflanzen, wesshalb sie stets basilär am Blattstiel in einiger
Entfernung vom nächsten Blättchenpaar vorkommen; 2) ihr
eigenthümliches Verhalten in der Knospenlage*), wobei
Te lehisen Stipulae eines vorausgehenden Blattes decken
zugleich nebst dem nächstfolgenden Blatt alle jüngern Theile der
Knospe des mittlern Paars. Die Blättchen sind oft ungleich hoch
inserirt. Nimmt man and. Foliola entwickeln sich in absteigender Folge
alternative und zählt so vom Endblättchen aus abwärts, so ergäbe
sich das grössere Foliolum d: vulgo für Stipulae gehaltenen untern
Paares als das letzte in der Reihenfolge. ‘
der von Alefeld nicht berücksichtigte Umstand noch hinzu
kommt, dass sie besonders deutlich bei den Tetragono-
lobus-Arten, ein wechselwendiges Uebergreifen, bei etwas
schiefer Insertion an den aufeinanderfolgenden Blättern
zeigen, was meiner Änsicht nach als eine letzte Spur
einer Scheidenrollung zu betrachten ist, wie wir sie theils
bei verwandten Pflanzen (Astragalus gyciphyllus), theils
bei d. Stip. anderer (Fragaria, Potentillae sp., Fagus,
Ficus etc.) ebenfalls antreffen. 3) Sie haben manchmal
unter einander eine ungleiche Grösse (Lotus peregrin,
ornithopod. Tetragonolobus) ganz wie viele andere disticho-
phylle Papilionaceen; und ganz wie bei diesen werfen
sich die Primärzweige (am deutlichsten die Blüthenzweige)
nach dem grössern Nebenblatt hin. Die Laubnatur dieser
Nebenblätter kann gegen ihre Bedeutung kaum in An-
schlag gebracht werden, da es ja auch anderswo laub-
artige Nebenblätter gibt, an deren Stipelnatur (Scheiden-
öhrchen) doch wohl Niemand zweifelt. (Baptisia austral.
Pisum, Crataeg. oxyacantha, Mespilus japon. german, CGy-
Jonia, Poterium, Sanguisorba, Geum, Agrimonia, Poten-
tilla Torment. Alchemilla, Spiraea ulmar. Viola tricolor.
Melianthus. Sambucus Ebulus ete.) Dass übrigens zwischen
dem Oehrchen einer Scheide und den Foliolis eines zu-
sammengesetzten Blattes nur ein gradueller Unterschied
besteht, das wird jeder aufmerksame Beobachter, der
vergleichend zu Werke geht, zugeben müssen. Auch die
Abgliederung der laubigen Stipulae gleich der übrigen
Foliola gibt keinen Aufschluss über ihre Natur, da ja auch
bei andern Pflanzen die wirklichen Stipulae abgliedern.
Die Blüthenzweige von Lotus (secundäre Axen) sind meist
ziemlich lang. Sie tragen an der Spitze auf stark ge-
stauchtem Axentheil ein meist gedreites Laubblatt und die-
sem gegenüber ein winziges Hochblättchen. Das Laubblatt
—_— Uh —
fällt constant auf die Seite des ersten Blattes der voraus-
gehenden Bereicherungszweige. Ich sehe es als das erste
Vorblatt des Blüthenzweiges, das gegenüber liegende
Hochblättchen als zweites Vorblatt an; wie bemerkt ist
jenes erste meist gedreit; verglichen mit. den Stengel-
blättern fehlt ihm das untere Blättchenpaar (vulgo Neben-
blätter)*). Nicht selten schlägt aber auch von dem vor-
handenen Paar das eine oder beide fehl und das End-
blättchen bleibt allein übrig. So sah ich es bei Lotus:
Jacobzus und Tetrag. Siliq.) Seltener traf ich auch das
gewöhnlich fehlende untere Paar der Foliola an. (Lot.
cornicul.) Bei Tetr. Siliq. beobachtete ich auch ein mehr
weniger vollständiges Verschmelzen d. 3 obern Blättchen.
Das laubige Vorblatt des Blüthenzweigs ist constant steril;
das gegenüberliegende zweite Vorblättchen (Hochblatt),
welches oft fehlschlägt *) trägt, bei einblüth. Inflor. die
Blüthe in seiner Achsel, was aus ihrer Kelchstellung her-
vorgeht, indem sie ihm directe das ungerade Kelchblatt
zukehrt. Ist d. Inflor mehrblüthig, so findet sich auch
noch eine entsprechende Anzahl von Hochblättchen. Die
Aufblühfolge ist in diesem Fall einseitig nach d. laubigen
Vorblatt hin gerichtet, also von der genetischen Folge
der Blüthen unabhängig. Aufblühfolge der aufeinander-
folgenden Zweige gegenwendig.
Lotus cornicul. Ueberzählige Foliola sind nicht selten.
Die Früchte sind im Gegentheil der Aufblühfolge von dem
...*) Man könnte aber auch annehmen, es sei d. mittlere Paar d.:
Foliola geschwunden, d. laubigen Nebenblätter aber übrig geblieben,
nach Analogie der Primordialblätter d. Keimpfl. vieler Leguminosen
...*®) Doch fand ich es bei Lot. cornic. einige Male sogar als klei-
nes Laubblättchen ausgebildet.
—_— 5 —
laubigen (ersten) Vorblatt des Blüthenzweiges ab — dem
‘(zweiten) hochblattartigen zugewendet. Die Zweige aus
den Hauptsprossen der Kotyledonen basilär, haben zu-
weilen die Form von walzlichen röthlichen Niederblatt-
sprossen, mit wenig ausgebildeten Laubblättern. Sie ver-
‚zweigen sich oft auf ähnliche Weise weiter.
Tetragonolobus purpureus, Moench. Die laubigen Sti-
pulae besonders an den Tragblättern der Blüthenzweige
ungleich gross; anderemal sind beide ausgeglichen. Im
erstern Fall fällt die grössere Stipula auf die Seite des
untern Foliolum des mittlern Blättchenpaares und ebenso
des laubigen Vorblattes des Blüthenzweiges. Ist d. Inflor.
zweiblüthig, so steht die eine zuerst entfaltende Blüthe
wie gewöhnlich in der Achsel der hochblattartigen (ge-
wöhnlich fehlenden) Vorblättchens; die zweite steht schief
'in der Richtung des laubigen Vorblattes (nicht in dessen
‚Achsel) und muss als Anfangsglied einer nicht weiter fort-
setzenden Spiralstellung betrachtet werden. — Die pri-
mären Wurzelzweige der Keimpflanze vierzeilig. So auch
bei T. biflorus.. Bei der Verdickung des hypokotylen
Gliedes reisst! bei beiden Arten die Rinde der Länge nach
‚auf. Die Blüthenstellung ist ebenfalls bei beiden dieselbe.
T. siliquosus. Es ist auffallend, dass das Blättchenpaar
‚der Tragblätter der Blüthenzweige durch die d. Scheide
breit aufsitzende Basis viel mehr Aehnlichkeit mit den
gemeinhin sogenannten Nebenblättern der Stengelblätter
als mit dem obern Blättchenpaar der letztern hat. Dasselbe
fand sich in einem Fall, wo das Tragblatt als vollständiges
Laubbl. auftrat; das zwischen die laubigen Nebenblätter
eingeschobene Blättchenpaar hatte die Foliola an d. Basis
zugekeilt, diejenige der Nebenblätter breit. Man möchte
daraus schliessen, dass am Tragblatt gewöhnlich die
— U —
Nebenblätter sich erhalten, das üher ihnen befindliche
Blätterpaar hingegen fehlschlägt. — Wenn zweiblüthige
Infloresc. vorkommen, so verhält sich die Blüthenstellung
wie bei T. purp. u. biflorus.
Galega office. Die untersten Hochbl. oft mit 2 basi-
lären divergirenden lanzettlichen zugespitzten Oehrchen;
einzelne Hochbl. fand ich auch in Laubbl. (mit 2 Fieder-
paaren und einem Endblättchen) umgewandelt.
Robinia pseudac. Blüthen nach °/, und ®/,, ohne Pros.
an den Vorblättchen des Blüthenzweiges anschliessend.
Glyeirrh. glabra. Decandolle (Prodr.) sagt irrthümlcih
von dieser Art, sie sei ohne Stipulae. Sie sind aber, wie
schon Koch (Deutschl. Flora) angibt, ganz deutlich vorhan-
den nur sehr klein und hinfällig kurz-pfriemlich und an
jJüngern Blättern immer zu finden. Blüthen auch nach ?/,(?/,).
Glycirrhiza echinata. Blüthen auch nach ®/,,u. 2/11 (?/11)-
Colutea arborescens. Blattstellung °/, und °/,. Blüthen-
zweige mit 2 seitl. Vorblättchen, auf welche eine nicht
zum Abschluss kommende Spiralstellung der übrigen
Hochbl. folgt. Die zwei untersten Blüthen gehören den
Vorblättchen an. Unterhalb d. Blüthenzweige oftein accesos.
zu jenem bald homodr. bald antidr. Laubsprösschen.
Astragal. glyciphyll. Das erste Hochblatt d. Inflor.
1
Vorbl. durch nn eingesetzt, an dieses sich ®/, oder
8/); ohne Pros. anschliessend? Denkt man sich, was ganz
naturgemäss, die Stipulae als die Oehrchen einer in den
Stengel verwachsenen Blattscheide, so entspricht. hier d.
tiefer am Stengel hinabreichende grössere Stipula der
deckenden, die höhere kleinere Stipulader bedeckten Seite
der Scheide. Besonders an tiefern Blättern sieht man
— 47 —
noch die Spuren der Scheide und dass die Stipulae ihrem
Rand aufsitzen.
Astrag. exscapus. N) L... 2)Haus 3) (h) Z aus H.
Vorblätter der Blüthen nicht entwickelt.
Coronilla varia. Blüthen selten nach ®/,, (1 Cyklus
und 2-3 Glieder eines zweiten); häufiger in bis 3 sechs-
gliedrigen unter sich wechselnden Wirteln. Auch dgl.
wechs. Wirtel kommen vor. Die Inflor. mithin eine Wirtel-
Dolde.
Securigera coronilla. Blüthen in 2—3viergliedriegen
wechselnden Wirteln in den Achseln eines gestutzten
Hochblattschüppchens.
Onobrychis sativa. Die Zweige beginnen ‚stets mit
einer unbestimmten Zahl von quer distiche gestellten
Blättern, an welche sich oft °/; und °®/, St. ohne Pros.
anreiht. So weit die distiche Stellung herrscht, ist der
Zweig, gestaucht, daher sich hier die Blätter dicht über
einander folgen.
Vicia Cracca L. Sonderbar genug fallen die zwei
untersten Foliola an einem Blatt häufig auf dieselbe
Seite, und erst dann folgt das dritte wechselnd auf der
entgegengesetzten Seite. Die Blüthen zeigen bald ?/,
St. bald 3gliedrige wechselnde Wirtel, selten fand
ich &gl. wechselnde Wirtel. Die zwei ersten Stellungen
finden sich oft an den verschiedenen Inflor. derselben
Pflanze. Die Blüthenstellung ist an der untern Hälfte der
Inflor oft sehr unordentlich, höher wird sie regelmässiger.
Der Anfang zeigt bei allen Stellungen meist nur 2 zu-
sammengehörige Blüthen, die aber unter sich und in Be-
ziehung zur grössern Stipulae und dem untersten Folio-
lum ein bestimmtes Verhältniss einhalten.
Lathyrus Nissolia. L. Die Blätter, da sie in der
Knospe gerollt sind, sind wohl als Spreiten aufzufassen.
_— 248 —
Lathyrus Aphaca L. Die Wurzelzweige sind manchmal
ziemlich regelmässig 4zeilig. Hat auch bisw. Kotyledonar-
sprosse,; ebenso’ unterhalb der Bereicherungssprosse ein
bis 3 accessor. Sprösschen. Die Ranke fehlt nicht selten
vielen auf die'Stipulae 'reducirten Blättern, ohne dass
darinn eine bestimmte Regel zu herrschen scheint. An
Zweigen, bei welchen 'sich noch keine Drehung :bemerk-
lich macht, scheinen die Blätter median zu stehen (daher
ihre Stipulae rechts und links); das erste Blatt ist. dabei
nach der Axe’hin gestellt. Auch die Stellung der in den
höhern Blattachseln auftretenden Blüthe ist eigenthüm-
lich, nämlich mit dem unpaaren Kelchtheil median' nach
‚hinten, wohl nur in Folge ‘ihrer Lage, da sie zwischen
den in der Knospe' flach aneinander liegenden Stipeln
eingepresst ist.
Lathyrus Ochrus. Die gestielte Blüthe sitzt dem
Blüthenzweig (2äre Axe) senkrecht auf, so dass man sie
zu den scheinbar terminalen zählen kann. Uebrigens
sah ich die erste Blüthe erst mit dem 25ten Blatt auf-
treten, was bei verschiedenen Ex. wohl wechseln mag.
Aus tiefern Blattachseln entspringen Bereicherungszweige.
Lathyrus pratensis L. Die Blüthenstellung oft ?/,,
aber häufig mit Versetzung der Glieder, aber wohl auch
TS HPrOGE °0..
Orobus luteus L. Die Blüthenzweige neigen sich nach
der grössern, Stipula hin. Unter. jeder Inflor befindet
sich ein, accessor. Sprösschen. Die Blüthenzweige, so
weit nicht mit Blüthen besetzt, walzlich oder schwach-
kantig, innerhalb der Blüthenregion verbreitert, wodurch
die Blüthen einseitig zusammengeschoben. Die Blüthen
in 3gliedr. wechselnden Wirteln? und nach !/..
Apios tuberosa Moench. Blüthen an den vierten Axen
— 2149 —
nach °/; und */,, gestellt in den Achseln eines Hochbl.
mit 2 Vorblättchen.
Scorpiurus sulcata. Wenn d. Infl. #blüthig, gehören
2 Blüthen ihren seitl, Vorblättern an, 2 siud d. Anfangs-
glieder einer nicht weiter fortgesetzten Spiralsellung.
Scorp. muricata. Stengel der Keimpflanze deutlich
entwickelt, nicht verschoben und scheinbar fehlend, wie
bei den andern Arten. Kotyledonen mit antidromen Achsel-
sprossen. Unter d. Blüthenzweig ein belaubter blühender
access. Spross. Infl. 2—3blüth. Wenn Ablüth. gehört die
Blüthe d. zweiten Vorbl. an. -Die Blüthe d. ersten Vorbl,,
wenn vorhanden, ‚entfaltet nach jener.
Rosaceae.
Amygdalus communis L. Gewöhnlich 3axig. Die
relativ erste Axe trägt nämlich wechselnd Nieder- und
Laubbl. Aus d. Laubbl. derselben entspringt ein mittel-
ständiger, ebenfalls nur N. u. L. tragender Spross. Aus
den nıederblattartigen Vorblättern dieses Sprosses kommt
als 3tes Axensystem eine Blüthe, welcher eine gewisse
Anzahl Niederblätter vorausgehen. Der Achselspross be-
steht mithin aus einem belaubten Mitteltrieb und 2 als
Blüthen auftretenden Seitentrieben. Es kommt aber
auch vor, dass schon der Mitteltrieb als Blüthe erscheint,
wodurch dann die wesentliche Sprossfolge um ein Glied
vermindert wird.. Die Blattstellung ist im Allgemeinen
5/,;,; an der Seitertrieben schliesst sie sich unmittelbar
an das zweite Vorblatt an. Der Blüthe gehen eine Anzahl
(5—7) Niederb]. (wovon 2 als Vorblätter nach \/,) d. übrigen
nach °/, gestellt voraus und an welche Stellung d. Kelch d.
Blüthe sich direct anschliesst. Bisweilen tragen die blühen-
den Sprosse auch 2 Blüthen, die gewöhnl. gipfelständ. und
eines eitenständ. in der Achsel eines Niederblattes Die bei-
den aus d. axillär, Mittelspross kommenden Blüthensprosse
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 776.
— 230 —
sind unter sich antidrom; der des zweiten Vorbl. jenes
Sprosses angehörige Spross ist mit ihm von gleicher
Wendung. Der Aestivat. des Kelches oft metatopisch.
Prunus spinosa L. Alles, was von der wesentlichen
Sprossfolge von Amygdalus. gesagt worden, gilt auch
für P. spinosa, mit dem Unterschied, dass der seitliche
Mitteltrieb oft in einen Dorn ausartet. Die Blattstellung
ist 3/, oder 5/,; an Wasserschossen auch ®/,,. — An Zwei-
gen schliesst sich d. °/s St. direct an’s zweite Vorblatt
an. — Sehr häufig sind mir Blüthen vorgekommen mit
6mer. Kelch, 6mer. Cor. 25 Stam. 4 Carp. Ferner mit
8Smer. Kelch und Cor. 30 Stam. u. 2. Carpiden.
P. avium u. Cerasus. Den Zweiganfang finde ich
durchweg °/, unmittelhar ans zweite Vorblatt angereiht,
wonach das in Flora 1860 p. 416 Gesagte, zu verbessern.
P. Laurocerasus L. Die relative Hauptaxe mit spi-
raliger Blattstellung; (°/,) Seitentriebe mit querdisticher
Blattstellung.
Spiraea Filipendula L. Die Gesammtspirre zeigt auch
oft sogleich ’/, St. Einzelne Zweige derselben fand ich
vornumläufig; die Auszweigung d. secundären Spirren-
zweige wird oft einseitig, wie bei Juncus bufonius und
manchmal auch bei Sambucus nigra. Sie bildet d. Inflor.,
weche Buchenau »Sichel@ nannte. Blüthen am häufigsten
in Kelch u. Cor. 6—7mer.; seltener 8mer. Früchte zählte
ich 14, 12, 43, A4, 45,46. Ursprünglich im Kreis gestellt
verschieben sie sich später oft.
Sp. ulmaria L. Früchtchen, bald rechts bald links
gedreht, und zwar unabhängig von der Blattstellung, wie
man am besten an der. Gipfelblüthe des Stengels oder
der untern Spirrenzweige bemerkt, wenn man ihre
Drehung mit der vorausgehenden Blattstellung vergleicht.
_ 251 —
Kommen unterhalb der gipfelständ. Spirre noch Spirren-
zweige vor, welche einige Laubblätter tragen, so rücken
auch hier die untersten Zweige dieser Zweige höher hin-
auf, ihre Tragblätter tiefer zurücklassend. Die Aufblüh-
folge der Gesammtspirre zeigt öftere Anomalien. So
öffnet sich die Gipfelblüthe des Stengels, sowie die der
Spirrenzweige nicht immer zuerst. Wenn auch manchmal
einzelne tiefere Zweige früher ihre Blüthen öffnen als die
der höhern, so entfalten doch die 2—3 untersten grössten
Zweige ihre Blüthen zuletzt, und von einer allgemeinen
centripetalen Aufblühfolge kann nicht die Rede sein.
Davon sind einzig die 2—3 obersten Blüthen, sowohl der
Haupt- als Seitenspirren ausgenommen, nur diese ent-
falten aufsteigend.
Dryas octopet. Die Sprosse aus den Achseln der
distichen Blätter unter sich antidrom. Blattkerben in der
Knospung beiderseits rückwärts geschlagen.
Geum rivale. Bereicherungssprosse aus tiefern Blät-
tern der resp. Hauptaxe beginnen auch mit quer geltellten
distichen (bis 5) Laubblättern, an welche sich dann ?/, St.
I + hs
5
mit Pros. v. anschliesst. Ihre primären Zweige
schliessen dann wieder durch eine Gipfelblüthe.
Geum urbanum. An.den blühenden (2ären) Sprossen
sind die Stipulae hie und da von ungleicher Grösse, und
die grössere fällt alsdann meist nach der Mutteraxe.. Je-
doch kommt diess oft nur an den untern Blättern- vor,
während die höhern gleich grosse Stipulae haben.
Waldsteinia geoides. 4)NL..2)LIZausL. Nieder-
blätter flach, scheidig, ziemlich zahlreich auf stark ge-
stauchtem Axentheil 'sich, schuppenartig deckend. Sie
haben eine breite Basis und sind nach oben zugespitzt,
—_— 52 —
mit: einigen parallelen und nach der Spitze convergiren-
‚den Nerven. Auf sie folgen plötzlich die langgestielten
Laubbl. — Nach d. wenigen unters. Ex. von Waldst.
fragarioides, Tratt. wären: ‚bei diesser Art ramgBt und
len distichophyli.
Potentilla reptans. L. Die Gipfelblüthe der Primär-
zweige fand ich' bisweilen auch 6mer.
Pot. verna. L. Die blühenden Zweige (2äre Axen)
meist sehr zahlreich; sie verlängern sich sämmtlich so,
dass die untern die Länge der obern erreichen. Ganz
auf ähnliche Weise verlängern sich die holzig werdenden
Stämmchen.
Sibbaldia procumbens. Zweiaxig: A)L..2)LHZ aus
L. Eine mittelständige unbegrenzte Laubrosette, deren
Blätter nach !/, stehen. Die 3—5 tiefern Blätter der durch
eine Blüthe endenden primären Zweige quer distich, auf
sie folgt Spiralstellung der Hochblätter, aus deren Achseln
meist 3blüth. Dichasien hervorgehen. Die Dichasien bil-
den mehr oder weniger zusammen eine Dolde. Blüthen
'gestielt, mit 2 hochblattartigen Vorblättchen. Blätter der
- Haupt- und Seitenaxen mit häutiger Scheide, mit ein-
wärts über den Stiel übergreifenden Oehrchen.
Agrimonta odorata. Eine Gipfelblüthe zeigte in den
Kelchblättern durch ihre Deckung und ihre abnehmende
Grösse nach °?/,, dass sie ohne Pros. an d. vorausgehende
5/, St. der Hochblätter angereiht war. Die Griffel fielen
in dieser Blüthe ebenfalls in’ der Richtung des zweiten
Kelchtheiles. Gipfelblüthen finden sich übrigens am Stengel
und den Bereicherungszweigen. — Eine Gipfelblüthe ferner
fand ich mit 3mer. Kelch und mit ihm wechselnder 3mer.
Corolla. Ihr ging ebenfalls °/, St. voraus. — Eine Gipfel-
blüthe, bei der ein Petal. zur Hälfte grün, zur Hälfte
— 93 —
petaloid war. hattealle5Kelchbl.in einem Wiederhaken aus-
gehend, dasselbe fand sich bei mehrern vorausgehenden
Seitenblüthen. Die Wiederhaken überhaupt scheinen mir
in mit einander wechselnden Kreisen zu stehen. Die
Orthostichen lassen sich leicht erkennen, und in jeder
zähle ich ganz allgemein 4 Wiederhaken. Die Wiederh.
nehmen von den äussern nach den innern Kreisen an
Grösse zu, so dass die innersten die breitesten und fast
kelchähnlich sind. Die Stellung der Seitenblüthen entz.
spricht ganz der anderer 5mer. Blüthen mit 2 Vorblättern.
Orataegus oxyacantha. L. Weiter fortgesetzte Unter-
suchungen über die Wendung der aus dem untern (ge-
wöhnlich allein fertilen) Vorblatt der Dornenzweige kom-
menden Sprosse ergeben auch jetzt wieder Antidromie
zum Mutterspross des Dornes. Bildet sich jener Spross
aus dem untern Vorbl. gut aus, so kann man, ihn ober-
flächlich betrachtet, leicht für den Hauptspross nehmen,
den Dorn aber, von dem er stammt, für dessen Seiten-
zweig.
Sorbus aucuparia L. den blühenden Zweigen gehen
oft 2 Erstarkungsgenerationen (N L., N L etc.) voraus,
Sterile, sowohl als blühende Triebe fand ich auch bisw.
mit ®/,, St. der Blätter. An Zweigen finde ich jetzt durch-
weg °/, St. an das zweite Vorblatt anschliessend. Einmal
sah ich dieser Stellung 3 distich gestellte Blätter voraus-
gehend; bei Sorb. hybrida äuch 4.
Ootoneaster vulgaris. Lindl. Auf die distiche Blatt-
stellung des unbegrenzten Hauptsprosses folgt auch manch-
mal 5/; St. Dasselbe gilt von C©. tomentosa, Lindl.
Mespilus germanica L. (nicht M. vulgaris, wie es in
der Flora 1860 p. 187 heisst) NI LI Z. Der Kelch der
Gipfelblüthe ohne Pros. an die vorausgehende (?/, oder
5/,) Blattstellung sich unmittelbar anschliessend. Die Seiten-
—_— dd —
A 1: 3 +
blüthen nach 2 Vorblättern durch ern eingesetzt;
wenn nur mit 1: Vorblatt, schliesst sich der Kelch dem-
selben ebenfalls direct an. Die 4—2 obersten sehr redu-
ceirten Laubbl. rücken oft mehr oder weniger hoch am
Kelch hinauf.‘ An Seitenblüthen fand ich oft das fünfte
Sepal. petoloid.
Oydonia jJaponica. Pers. Seitenblüthen mit 2 hinfälli-
3b:
5
gen Vorblättchen, ihr Kelch durch Pros. eingesetzt.
Sepala I und 2 stärker roth gefärbt, derber, kleiner als
die drei übrigen, welche blasser sind. Zweiganfang nach
bald 2, bald 3—4 quer-distichen Blättern mit /, St. der
übr. Blätter Die 2 ersten distichen Blätter sind schuppen-
artige Vorblätter, d.1—2 darauf folgenden derselben Stel-
lung sind Laubbl.
Lythrarieae.
Lythrum virgatum, L. Ausser den bei L. salicaria,
(Flora 1860, p. 236) angeführten Blattstellungen fand ich
auch ®/ı;; ferner ®/,,, und die Blattpaare spitzwinklig
Ah:
DIR je die sechsten Paare unter sich
(aufgelöst) nach
paralell.
L. hyssopifolia, L. An einer Keimpflanze folgten
auf die Kotyledonen 3 rechtwinklig gekreuzte Blattpaare,
1
darauf eingeleitet durch Ini ı 8/13 St. mit welcher Stel-
lung die Blüthen auftraten, während aus den voraus-
gehenden Blattpaaren dem Stengel ähnliche Bereicher-
ungssprosse kamen.
Onagrarieae.
Circaea lutetiana. Die Blüthenstiele zur Knospenzeit
aufrecht, die Blüthen anfangs corymbös (wie bei Crucifer.)
—_— 235 —
zusammengedrängt, jene bei offener Blüthe horizontal, zur
Fruchtzeit knieförmig abwärts gebogen. Die Gesammtinflor.
bildet eine‘ den obern Theil des Stengels einnehmende
zusammengesetzte Traube; d. Gipfelständ. Traube blüht
zuerst auf, dann folgen in absteigender Ordnung d. Seiten-
trauben. Auf das oberste Blattpaar folgt in d. Inflor. °/,
und häufiger °/; St.; diese steigert sich oft höher zu ®/ı3.
— Die Aestiv. des Kelches ist nicht immer klappig; ich
fand bisweilen die Spitze des einen’ Sepal. vom andern
bedeckt.
Halorageae.
Myriophyll. Spicat. Pentamerische Blüthen nicht ganz
selten, deren Carpiden vor den Blumenblättern.
Portulaccaceae.
Portulacca oleracea. Keimpfl. Das auf die Kotyl. fol-
en
2
gende Blattpaar durch Pros. v. eiugesetzt. Auch
3 Kotyl. kommen vor, worauf paarige St. folgte. Die
Blätter jedes Paares in der Knospung flach aufeinander
liegend, verschieben sich nicht nur unter sich, sondern
weichen sich auch paarweise aus, so dass dann die dritten
Paare sich wieder wie die ersten verhalten. So auch bei
folgender.
P. Sativa. Bei dieser Art oder Var. fand ich die
Gipfelinflor. ausser der Endblüthe aus 2, oft 3blüthigen
Schraubeln gebildet. Förderung aus dem ersten Vorblatt.
Diese bald gleich-, bald gegenwendig. Sympodium — 0.
Hie und da ein unterständ. access. Sprösschen.
Paronychieae.
Telephium Imperati. Die gipfelständ. Inflor. besteht
bis aus 7—9 doldig gestellten einfachen seltener gedoppel-
Wickeln. Sympod. derselben zur Fruchtzeit gestreckt
_ 2156 —
it kurzen Gliedern, daher die Blüthen gedrängt stehen:
Die Vorblätter der Blüthen nicht’immer' entwickelt.
Polyearpum tetraphyli. Eine 6mer Gipfelblüthe hatte
ihre Sepula paarweise unter spitzen Winkeln gestellt.
Crassulaoeae.
Crassula rubens.. Die Blattstellung zeigt besonders
tiefer am Stengel manche Anomalien. Bald stehen die
Blätter opponirt-decussirt, bald in Agliedr. Wirtel über-
haupt mit häufigen Metatopien. Höher am Stengel fand
ich wiederholt ?/,(5/,) St. wendeltreppenförmig aufsteigend.
Die einfachen 8—A0blüth. Wickeln entspringen aus den
obersten 2—6 Blättern, welche mehr oder weniger doldig
stehen. Die Tragblätter der 2—3 obersten Wickeln sind
an ihnen hinaufgewachsen. Auf diese Weise kommt das
oberste Tragblatt höher als die Gipfelblüthe des Stengels
zu stehen. — Die Blätter überhaupt nehmen entsprechend
der nach oben statthabenden re des ei
aufwärts an Grösse zu.
Sedum purpurascens. Koch. Auf opponirt-decussirte
Stellung der Blätter folgt auch °/, ohne Pros.
Sed. Stellat. Den Fall, dass das zweite Blatt des
obersten Blattpaares als erstes Kelchbl. einer Amer Gipfel-
blüthe auftritt, fand ich seither häufig. Es fällt somit das
vierte Kelchblatt constant vor das allein vorhandene
Laubblatt des obersten Paares aus dem die Wickel kommt.
Dabei ist es zugleich das kleinste, theils wohl weil in der
Genet. folge das letzte, theils auch weil es durch den vor
ihm liegenden Blüthenzweig in seinem Wachsthum ge-
hemmt wird. Einige Ex. boten mir Verzweigung theils
aus den -Kolyledonen, theils aus dem einen Blatt der
folsenden Paare. Aus jedem Blatt des obersten Paares
kam eine Blüthenwickel. Die beiden Wickeln bildeten
— 37 —
zusammen eine die ömer. Endblüthe des Stengels über-
gipfelnde Gabel und waren in drei Fällen unter sich anti-
drom, in einem homodrom.
Sedum album. Gesammtinflor., eine Rispe, oft aus
6—7 Blüthenzweigen gebildet, wovon die I—2 untersten
(oft vornumläuf.) theils aus den Vorblättern, theils aus
A—2 ihnen folgenden Blättern wieder verzweigt sind, die
höhern aber nur noch aus den allein vorhandenen Vor-
blättern. Jeder Blüthenzweig für sich ist eine Doppel
oder in den letzten Auszweigungen einfache Wickel.
Sedum sexang. Auf 3gliedrige Laubwirtel fand ich
auch ömer. Gipfelblüthen ohne Pros. sich jener Stellung
anschliessend. In andern Fällen folgte auf '/, St. d. 5mer,
Gipfelblüthe deren Kelchspirale dem langen Weg (°/,) der
Laubbl. entsprach. Anderemale folgte auf !/, St. d. */,St. d.
Laubbl. darauf d. 5mer. Gipfelblüthe. Ueberhaupt folgen
sich oft verschiedene Blattstellungen an demselben Spross
nacheinander.
Grossularieae.
Ribes alpin. Den obersten an den Blüthenzweigen
vorkommenden Erneuerungsspross, welcher zum Sympod.
wird, finde ich am häufigsten zum Mutterspross antidrom,
jedoch fehlt es auch an homodromen nicht.
Parnassieae.
Parnassia palustr. Der zur Blüthezeit oft verdrehte
Schaft dreht sich zur Fruchtzeit oft wieder auf und streckt
sich grad.
Umbelliferae.
Sanicula europ. N LI—IHZ. Die Doldenstrahlen ver-
zweigen sich aus 2 seitl. Vorbl. gabelig, wie bei Astrantia.
Die Stellung der Blüthen d. gipfelständ. Köpfchens fand
ich nach ®/,;. Auch die Seitenblüthen manchmal zwitterig,
die Zwitterblüthen immer durch den mit Wiederhacken
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 777.
_ 58 —
versehenen Kelch kenntlich; die männliche ohne solche.
Die Sprossenerneuerung zeigt manche Unregelmässig-
keiten und geht seltener aus dem obersten Bodenlaub,
als aus tiefern frischen od. abgestorbenen Rosettenblättern
hervor. Das Erdsympodium zeigt auch manchmal ent-
wickelte Glieder, die durch eine Einschnürung von ein-
ander abgegrenzt sind. Die es zusammensetzenden
Sprosse sind gemischter Wendung. Verspätete Knospen
finden sich hie und da an demselben. Die Entwicklung der
Blattsegmente centripetal.
Astrantia major. L. Kotyledonen lang gestielt, Stiele
flachrinnig an der Basis in ein gemeinschaftliches Scheid-
chen verwachsen. Spreite d. Kotyl. länglich oval oder
elliptisch 3nervig. Auf d. Kotyl. folgt mit ihnen in gleiche
Ebene fallende distiche. Blattstellung des unbegrenzten
Stengels.
A. minor. L. Die unbegrenzte Laubrosette zeigt auf
die distiche Blattstellung auch °/; St. folgend.
Bupleurum rotundifolium L. 1) Kotyl. L... (Involuer.)
2) H (= Involucell.) Z. Blattsellung an Stengel und Zwei-
gen distich. Die Strahlen der Umbella gewöhnlich ohne
Trag- (Involucral) Blätter, selten der unterste Dolden-
zweig mit einem solchen. Fast allgemein finden sich 8
nach °/; (selten $/,,) gestellte Doldenstrahlen an das oberste
Blatt direkt angereiht. Es kommt auch vor, dass der erste
Doldenstrahl noch der vorausgehenden distichen St.
angehört. Die Dolden bilden eine Inflor. oppositifol.
Aus dem obersten unterhalb der Dolde befindlichen Laub-
blatt kommt eine Auszweigung, welche nach meist 2 Laub-
blättern wieder in eine Dolde endet. Aus dem obersten
Laubbl. dieser Auszweigung bildet sich eine jener ganz
gleiche Auszweigung und diess wiederholt sich noch meh-
rere Mal und es bildet sich eine Spross-Kette od. Sym-
podium, dessen Sprosse gemischter Wendung sind. So
verhalten sich auch die Bereicherungszweige. Die Döld-
chen haben kurzgestielte Blüthen, mit einer zuerst ent-
faltenden Gipfelblüthe. Die äusseren 5—6 Blüthen stehen
in den Achseln von grünen Hochblättchen, die zusammen
das Involucellum bilden. Am häufigsten kommen 5 sol-
cher Hüllblättchen vor, von denen die 3 vordern grösser
sind, als die 2 hintern nach der Axe gekehrten. Bis-
weilen tritt auch noch ein hinteres kleinstes medianes
hinzu. Von den 3 vordern ist das mittlere das kleinere
und in der Knospenlage das innere. Muthmasslich be-
steht das Involucell. aus 2 dreigliedr. Wirteln, wovon ein
Blättchen (nicht aber dessen Blüthe) unentwickelt bleibt.
Die innern Blüthen sind ohne Tragblätter und wechseln
mit den äussern.
Bupleurum ranunculoid. Bodenrosetten auch mit °/,
St. der Blätter, Blüthen nach ®/,, gestellt.
Oenanthe peucedanifolia. Poll. Die Döldchen mit einer
nicht zuerst entfaltenden Gipfelblüthe. (So auch bei Oe.
prolifera L.) Doldenstrahlen 10—14 nach ®/,; Blüthen
nach ?/sr:
Aethusa cynapium L. Doldenstrahlen mit ®/,, St.
Ebenso bei A. cynapoides. Bei letzterer finde ich die
Zweige aus den Vorblättern der primären Zweige bald
homo- bald antidrom.
Föenieulum officinale. All. Nochmalige Unters. der
Blattstellung der Keimpflanze ergaben mir folgende Fälle:
1) Mit den Kotyled. kreuzt sich rechtwinklig ein aufge-
löstes Paar, an dessen zweites Blatt schliesst sich ?/, St.
3 + 1% sh,
an, durch Pros, Tag: 2) Auf die Kotyled. folgt ein zu
ihnen rechtwinkl. gestelltes Blatt, welches sogleich eine
®/, St. einleitet. An die °/, St. schliesst sich dann oft
— 260 —
®/, St. der Strahlen der Gipfeldolde an. 3) Auf d. Kotyl.
folgt distiche zu jenen rechtwinkl. St., welche sämmtl.
Stengelblätter (bis 13) umfasst, und an welche die Gipfel-
dolde mit ®/,, St. sich unmittelbar anschliesst. 4) Endlich
fand ich auch den Fall, dass auf die Kotyl. !/, St. (bis
4 Blätter) und auf diese °/, St. folgte. (1 Cykl.) darauf
in d. Gipfelinflor. °/; und ®/,, St. — Was die Scheiden-
röllung der Blätter betrifft, so scheint sie manchen Ver-
änderungen unterworfen; so fand ich oft die distichen
Blätter auch mit gleichwendiger Scheidenrollung; wäh-
rend an den Vorblättern der Zweige dieselbe bald gleich-
bald gegenwendig war. Uebrigens zeigen auch die Zweige
(quer-) distiche Blattstellung, und auf sie (an der Zahl
6—2) folgt dann ohne Pros. die Gipfelinflor. nach °/, u.
8/j3. Die Zweige pöcilodr. Der oberste Zweig des
Stengels und der Bereicherungszweige leitet eine sym-
podiale Auszweigung ein, welche ich am häufigsten schrau-
belförmig fand. Einmal ist mir auch ein vornumläufiger
Zweig vorgekommen. — Es kommt auch vor, dass der
erste Doldenstrahl noch der vorausgehenden distichen
St. angehört.
Imperatoria Ostthrutium L. Stellung der Dolden-
strahlen ??/,,.
Athamantha cretensis. Bodenlaube nach °/,. Döld-
chen mit einer nicht zuerst öffnenden Gipfelblüthe.
Selinum carvifol. Blattstellung am Stengel °/;, auch
in die Doldenstrahlen fortsetzend. Die Stengelkanten
unterhalb der Dolde entsprechen den Strahlen d. letztern.
An einer Dolde z. B. mit 41 Strahlen fanden sich unter-
halb derselben 10 flügelartige Kanten: 8 stärkere gehör-
ten dem untern °/; Cyklus der Dolde an, 2 schwächere
den 2 ersten Strahlen des obern (innern); von einer dem
eilften Strahl entsprechenden Kante war hingegen nichts
— #1 —
zusehen. Die Kanten oder Riefen ‚tiefer am. Stengel
entsprechen hingegen nicht mehr den Blattmitten (oder
der Blattstellung), sondern d. Parallelrippen. der Blatt-
scheide, welche‘ selbst noch bei d. obersten Laubblatt
den Stengel ganz umfasst. Die Gipfeldolde zeigt auch
8/,, u. 2/,} St. Die Seitendolden nach 2 kleinlaubigen
Vorblättern ®/; od. 5/g. Die Strahlen der Döldchen stehen
nach 8/13, oft in 2 Cyklen und einigen Gliedern eines
dritten. Auch hier verlaufen jedoch nur die äussern
Strahlen riefenförmig abwärts. Die Erneuerungssprosse
entspringen aus den Achseln der Bodenlaube. Sie be-
ginnen mit einigen unvollkommenen Blättern, an denen
der Scheidentheil über der Spreite vorherrscht , die zwei
‚ersten seitlich stehenden sind die Vorblätter: auch das
dritte sah ich noch diese Stellung einnehmen.
Pastinaea sativa. Die Enddolde des Stengels und
der tiefern Bereicherungszweige haben ihre Strahlen auch
oft nach ®/,, gestellt; ebenso die Döldchen. Die aus den
3 obersten oft wirtelständ. Blättern kommenden Primär-
zweige eine 3strahlige übergipfelnde Dolde bildend. Jene
Wirtelblätter gehören einer °/; St. an, welche in d. Gipfel-
dolde fortsetzt. Folgt an Zweigen auf die Vorblätter un-
mittelbar die Dolde, so schliesst sich diese meist direct
mit °/, an.
Orlaya grandiflora. Döldchen mit einer nach den
äussern Seitenblüthen enfaltenden Gipfelblüthe. Die suc-
cessive von einander abstammenden. ein Sympodium bil-
denden Dolden gemischter Wendung,
Araliaceae.
Hedera helix. Der Zweiganfang beginnt mit 2 rechts
und links gestellten niederblattartigen Vorblättchen, wie
Buchenau (bot. Ztg. 1864) ganz richtig bemerkt. Auf sie folgt.
median distiche Blattstellung, deren erstes Blatt nach
—_— 2 —
vorn doch auch manchmal nach hinten fällt. Uebrigens
gehören die zwei ersten distichen Blätter bald d. Nieder-
blatt- bald der Laubformation an. Die Keimpfl. verhält
sich ähnlich, wie der Zweiganfang. Auf d. ovalen, kurz
gestielten Kotyled. folgen distich gestellte Laubblätter,
welche sich mit ihnen rechtwinklig kreuzen. Hypokotyl.
Glied walzlich. 3 Zoll lange Stengel treiben aus den höhern
Internodien in der Nähe der Blattbasen Luftwurzeln. Die
Blüthen fand ich nach "?/,, gestellt.
Corneae.
Cornus mas. LN..H..Z. Erneuerungssprosse aus
dem untersten Niederblattpaar, beginnen sogleich mit
Laubbl., wenn es also in manchen Floren heisst, die
Blüthen entwickeln sich vor den Blättern, so bezieht sich
das auf d. Laubbl. d. Seitensprosse der blühenden relativen
Hauptaxe, nicht auf diese, da sie selbst keine Laubbl.
mehr hervorbringt, sondern die ihr zugehörigen bereits
vor einem Jahr entwickelten nun abgestorben und nur
noch in ihren Narben zu erkennen sind.
Caprifoliaceae.
Adoxa moschatellina. Die Gipfelblüthe ist zwar am
häufigsten 4mer., der Kelch führt alsdann d. rechtwinkl.
Decussation der Laub- und fehlenden Hochblätter (Blüthen)
einfach fort. Von ihren vier Kelchtheilen sind häufig nur
3—2 ausgebildet. Fehlt ein Paar, so ist es das obere.
Aber auch gar nicht selten finde ich die Gipfelblüthe 5mer.
und sie ist alsdann an’s oberste Hochblatt-(Blüthen-)Paar
3 + N
5
bald ohne Pros. bald durch Pros. von angereiht.
Auch in diesem Fall sind selten alle 5 Kelchabschnitte
ausgebildet, häufig nur 3—4. Die übrigen durchweg Ömer.
Cyklen solcher Blüthen sind hier, bezügl. zu d. Stellung
— 23 —
der Kelchtheile beweisend für die Fünfgliedrigkeit des
Kelchs. Hat die Gipfelblüthe nur 3 Kelchtheile, so sind
es ihrer Stellung nach zu schliessen die drei ersten.
Kommen alle 5 Kelchtheile vor, so fand ich 2 (nämlich
Sep. 4 und 5) manchmal viel kleiner als die übrigen.
Fehlt bei typisrh ömer. ohne Pros. angereihten Gipfelbl.
ein Kelchtheil, so ist es der fünfte. Im übrigen normal
beschaffene Seitenblüthen fand ich zu wiederholten Malen
mit 4 Fruchtbl. 2 medianen, 2 lateralen. Seitenblüthen,
bei welchen d. obere (mediane) Blumenblatt zur Hälfte
bis ganz getaeilt ist, fand ich sehr häufig. Bald fällt da-
vor d. h. in die Spalte desselben ein vollständiges ge-
theiltes Stamen; bald fand ich nur eine Hälfte eines sol-
chen (mit einfächerig. Anthere) bald an ihrer Stelle ein
petaloides Läppchen. Oft fehlte auch diess Staubgefäss
ganz. Ich kann in dem vorliegenden Fall nicht 2 distincte
Petala erkennen, ich sehe es vielmehr nur als Eines an,
in welchem eben, wie in den Staubblättern die Tendenz
zur Theilung herrscht. Einzelne Petala der Gipfelblüthe
zeigen bisweilen auch schwache Theilung. Die Liebhaber
der „dedoublements“ werden das freilich anders erklären.
Ich halte an obiger Auslegung desshalb fest, weil solche
Blüthen sich sonst ganz wie andere normale Seitenblüthen
verhalten. Es fällt nämlich regelmässig ein Fruchtbiatt
vor jenes getheilte Petalum. Das in die gleiche Richtung
fallende überzählige Stamen möchte ich für ein Glied eines
innern vor d. Petala fallenden (gewöhnl. geschwundenen)
Stamen-Cyklus ansehen. Jedoch will ich noch bemerken,
dass ich in ömer Seitenblüthen, mit obern gespaltenem
Blumenblatt bisweilen nur 4 Carpid. zwei mediane und 2
seitl. beobachtete in einem andern Fall ebenfalls 4 solche,
die eine diagonale St. zeigten, also mit jenen A d. zuerst
genannten Blüthe wechselten, wenn man sich 'alle 8 in
— 21 —
einer Blüthe vereint gedacht. — Ich fand ferners normal
beschaffene 5mer. Seitenblüthen mit 4 Carp. 2 med. 2
lateral, und zwei Mal eine solche, welche jenes in der
Bucht des obern Petalum fallende Fruchtblatt nicht besass.
Sambucus nigra. Keimpfl. Beim Keimen spaltet sich
die Steinschale in 2 Klappen gleich einer Muschel, das
Würzelchen tritt nach und nach, zuletzt die Kotyledonen
hervor, wobei anfangs d. Kotyl. von dem Steinkern mützen-
artig eingefasst sind. Keimblätter laubartig, gestielt oval
od. auch elliptisch. Die mit'ihnen sich rechtwinkl. kreu-
zenden Primordialblätter gestielt, mit ungetheilter Spreite,
welche in d. Knospung an beiden Rändern eingerollt ist.
Das dritte Blattpaar bereits mit fol. trifoliolatis.
Samb. racemosa. Keimung im Ganzen wie bei voriger.
Das hypocotyle Glied spindelförm. angeschwollen. Wurzel-
zweige unregelmässig: 4zeilig. Eine 4 Zoll hohe Keimpfli,
hatte 10 Paar Laubblätter getrieben. In d. Achseln der
Kotyl. fand sich je ein zieml. horizontal in die Erde ver-
laufender federdicker röthlicher Niederblattspross, aus
dem wohl die Erneuerungrsprosse kommen. In d. Achseln
d. untern 2 Laubpaare fand sich nur ein kleines Knöspchen.
Viburnum Lantana, Ich finde d. Gesammtinflor. auch
zusammengesetzt aus einem untern 6gliedr. bisw. selbst
8gl. Wirtel, dann 2 unter sich wechselnden %gliedr.
Wirtel, endlich 2 unter sich spitzwinkl. 2gl. Wirteln, worauf
noch ein Paar sterile Hochbl. und auf sıe die Gipfelblüthe
folgt. Was Flora 1860 p. 471 gesagt ist, dass d. Gipfelinflor.
durch ein längeres Glied von d. Lauhbl. getrennt sei,
trifft nicht immer zu, auch gehen d. Inflor. oft mehrere
Laubpaare voraus, und ich fand seither auch einige Male
die laubigen Vorblätter d. Zweige hinten hochstielig.
Rubiaceae — Stellatae.
Asperula arvens. Blüthenschraubeln meist 3blüth.
— 2165 —
Die zu einem Blattpaar, gehörigen Schraubeln meist ge-
genwendig. Sympod.. kurzgliedrig. Die Pil., blüht vom
Gipfel aus abwärts, Die Blüthen meist mit 2 schmal lanzett-
lichen od. linealen Vorblättchen.
Asp. odorata. : Blüthenzweige,nach einer Dichotomie
in Doppel-' oder einfache Schraubeln übergehend; im
erstern Fall antidrom, die Blüthen aus dem fehlenden
Vorbl. 8 öffnen sich immer früher als die. aus, «.
Asp. tinetoria. An kultiv.; Ex. fand ich ‚Gipfel- und
Seitenblüthen durchweg trimerisch, bei letztern unpaare
Kelchtheil median nach hinten. und 2 mediane Carpiden.
Galium eruciata. Seither fand ich auch Pfl. mit 5
Blüthenzweigen in.einer Blattachsel und zwar häufig. Bei
den gegenüberstehenden Blättern weichen sie sich in ent-
gegengesetzter Richtung aus. Auch fand ich wieder 2
Mal d. von mir (Flora, 1859, S. 8.) beschr. acc. Blüthen-
zweig der scheinbar die Achsel einer Stipula einnimmt.
A. Braun (nach briefl. Mitth.) betrachtet ihn gewiss mit
allem Recht als collateralen acces. Zweig. Ich möchte
ihn daher mit d. ähnlich gestellten nur reichlicher vor-
kommenden von Lythrum, Verbascum, Gentiana lutea in
eine Kategorie bringen. Die Inflor. ist nach nochmal.
Unters. ganz gewiss schraubelartig, wofür auch noch d.
Analogie mit den andern Arten und Gattungen der Stel-
latae spricht.
' Galium rubioides. (Gesammtinfl. eine compakte end-
ständig corymböse Rispe mit oft in den 3 ersten Cyklen
3mer. Gipfelblüthe. Die wesentl. Verzweigungen d. Inflor.
sind Dichasien mit vorwaltender Schraubelbildung mit
Förderung der Schraubelzweige aus d. untern Vorblatte,
was hier sehr deutlich, da die 2 Zweige d. Dichasien
meist ungleich hoch inserirt. sind. — Variirt auch „mit
in Kelch, Krone und Staubb. 5mer. Blüthen, bei 2 Carpiden.
Bern. Mittheil, 1871. Nr. 778.
— 2166 —
Rubia tinctor. Auch bei dieser Pflanze zeigt sich
ein allmäliges Schwinden der Stipulae von unten nach
oben, so dass zuoberst am Stengel nur noch die ächten
Blätter übrig sind. Die Blüthenzweiglein sind Dichasien
mit vorwaltendem Schraubelwuchs. Sie bilden eine Rispe,
deren Zweige aufsteigend entfalten; die untersten Blüthen
derselben jfructificiren bereits, während d. obersten u. die
Gipfelblüthe noch im Knospenstand sind. An d. Dichasien
sind die Vorblätter erster Ordnung vorhanden. Das Vor-
blatt d. geförd. Zweiges grösser; an seinen weitern Aus-
zweigungen werden sie stufenweise kleiner, und zuletzt
schwindet das obere Vorblatt ganz, selbst wenn noch sein
Zweig sich ausbildet. Ein unterständ. auch blühender
Zweig kommt häufig vor.
Valerrianeae.
Valeriana offic. Nach nochmaliger Untersuchung kann
ich am Gipfel des Stengels keine Gipfelblüthe finden, ja
man kann ihn spurlos nennen. Die Gesammtinflor. ist
rispig und besteht aus 3—6 Paaren aufwärts kleiner wer-
denden Blüthenzweigen;; sämmtl. in d. Achsel eines Hoch-
blattes enispringend. Die vier obersten Paare sind Di-
chasien; die tiefern sind zusammengesetzter und eben-
falls ohne Gipfelblüthe. Somit hat d. Pfl. eine 2gliedrige
Sprossfolge nach d. Formel: 4) NLH... 2)h Z ausH.
Die Entfaltungsfolge der primären Blüthenzweige ist ab-
steigend.
Valeriana montana. A)IL...H. 2)h Zauslu.
H. — Dichasien in armblüth. Doppelwickel übergehend.
Sympod. Glieder derselben sehr kurz. Die Gesammtinflor.
wie bei Voriger, eine corymböse Rispe ohne Endblüthe,
während d. untern ebenfalls noch rispigen Primärzweige
derselben bald eine solche (an d. vorlieg. Ex.) besassen,
a ae
bald ohne eine solche waren. Die Früchtcben verhalten
sich wie bei V offic.
Dipsaceae.
Verstäubung der Antheren längs der Blüthen-
mediane absteigend (von der Axe nach dem Tragblatt
hin) bei: Dipsacus sylvestr. laciniat. ferox. Cephalaria
alpina, tatarica. Knautia orientalis, arvens. sylvat. Ptero-
cephalus parnassicus. Succisa pratens. Scabiosa colum-
"baria, atropurpurea. — aufsteigend (vom Tragblatt nach
der Axe hin) bei Scabiosa caucas. argentea, prolifera,
pyrenaica, graminifol. micrantha, Stellata.
Dipsacus syWvestr. Drehung sämmtlicher Blattpaare
d. Stengels in d. Knospe gleichwendig — der Vorblätter
gegenüber liegender Zweige gegenwendig.
Compositae.
Eupatorium camnabin. Die Vorbl. d. Bereicherungs-
zweige nicht immer einfach ; wenn getheilt, fällt ein Seiten-
theil nach vorn, während der ihm entsprechende hintere
Seitentheil (wodurch d. Blatt zu einem dreitheiligen würde)
mit den Endblättchen verschmolzen bleibt.
Stenactis bellidiflora, A. Br. Die Wurzel stark holzig.
Die aus der Stengelbasis entspringenden Seitensprosse
beginnen mit einer Laubrosette mit ®/,, St. der Blätter.
Die Rosetten bewurzeln sich stark. Die Zweige höher
am Stengel nach 2 Vorblättern mit °/; St.
Erigeron glabratus. Blüthenstellung auch °%/,,.
Bellis perrennis. Seitensprosse oft mit °/,St. ans zweite
Vorblatt ohne Pros. anschliessend. Sprosse am häufigsten
homodrom.
Helianthus tuberos. Blattstellung auch ?/,.
Filago germanica. Die 3—4obersten den knäueligen
Gipfelinlorescenzen vorausgehenden Blätter steril, die
zunächst darunter befindlichen Blätter fertil mit weit
—_— 2168 —
übergipfelnden Zweigen.‘ Die Blattstellung meist. ®/,, die
Köpfchen d. Gipfelinflor. manchmal nach ®/,,.. Sie, ent-
wickeln sich in absteigender Ordnung. Jedes Köpfchen
trägt A—5 über einander fallende 5gliedr. Hochblattwirtel,
deren Blättchen sämmtl. eine Blüthe in der Achsel haben.
Micropus supinus. Dichasiale Verzweigung z. Wickel-
form hinneigend, mit Förderung aus dem ersten Vorbl.
(Nicht aus d. zweiten, ‚wie irrthümlich in d. Flora, 1851.
No. 21 p. 321 angegeben). Zweige aus dem. ersten Vorbl.z.
Mittelzweig gegenwendig, aus d. zweiten Vorbl. mit ihm
gleichwendig. (Ranunculaceen Typus.) die geförderten
Zweige stark aufgerichtet.
Senecio. Doronieum. Die Blätter der Stengelbasis nach
5/; gestellt. Blüthen, wie auch ihre Tragblätter (d. innern
Hüllbl.) nach ?*/,,.
Senecio lyratifol. Rehb. Blüthen wie vorige geordnet.
Xeranthem. annuum, Jacg. Hüllblätter nach ®/,, und
13/,,, Blüthen nach ?!)/,.-
Lactuca muralis.: Köpfchen rispig. Die Involucral-
blättchen nach °/, am Gipfelköpfchen an die vorausgehende
Blattstellung direkt sich anschliessend. Die Zweige aus d.
2. Vorblättern d. primär. Rispenzweige unter sich antidrom.
Der Zweig aus d. untern Vorblatt mit dem Mutterzweig
gleichläufig, der aus d. obern Vorblatt gegenläufig.
Prenanthes purp. Das Invol. des Gipfelköpfchens
schliesst sich der vorausgehenden Blattstellung ohne
Pros. an. Das schief in die Erde verlaufende Rhizom
ist ein Sympodium bald mit Wickel- bald mit Schraubel-
wuchs. Letzteres scheint häufiger. Seine Glieder sind
meist gestaucht und starke Wurzeln schlagend. Die
Rechtsdrehung d. welken Corolle scheint nicht constant;
ich fand auch einzelne links gedrehte, doch Rechts-
drehung häufiger.
— 269 —
Orepis. Flora, 1860 p. 556 statt Crepis biennis setze
man Crep. taraxacifolia, Thuill.
Oampanulaceae.
Phyteuma spicatum. Macht aus den meist langen
walzlichen, oft spindelig verdickten Wurzeln einzelne
Sprösschen. Die Gipfelblüthe hebt sich oft von den
obersten Seitenblüthen ab, und ragt mehr oder weniger
über die Scheitel der Aehre hervor. Meist ist sie von
einer unbestimmten Zahl unvollkommener Seitenblüthen
oder auch einiger steriler Hochblätter umgeben; nie öff-
net sie sich zuerst, meist spät, nachdem sich fast alle
übrigen Blüthen entfaltet haben. Nicht selten schlägt sie
fehl. Oft ist sie 6mer. mit 3 Carpiden; oft auch ömer.
mit 2 Carp. Trigynische und digynische Seitenblüthen
finden sich an derselben Aehre gemischt.
Campanula Rapunculus. Der Artikel C. rapunculoides,
Flora 1860, p. 596 gehört zu C. Rapunculus. Wenn die
Blattstellung °/,, ist der Stengel öseitig, die Blätter flächen-
ständig.
Campanula rapuneuloides. NC LH Z. Blatt- und
Blüthenstellung °/;. Die Gipfelblüthe sehr spät sich öff-
nend, wenn schon mehr als die Hälfte d. übr. Blüthen
entfaltet sind.
Campanula pusilla. Die Aufblühfolge der Rispe geht
von einer mittlern Region aus auf- und absteigend, nach-
dem die Gipfelblüthe sich geöffnet hat.
Camp. glomerata. Aufblühfolge wie bei voriger.
Specularia Speculum. Blattstellung auch °/z.
Jasione montana. An cultiv. Ex. fand ich 13 Hüllbl.,
wovon die 5 äussern steril, die 8 innern eine Blüthe in
der Achsel hatten.
— 20 —
Ericineae.
Andromeda polifol. Der Zweiganfang nach 2 seitl.
Vorblättern fand ich auch °/, ohne Pros.
Azalea procumb. Die Blüthen scheinen nicht immer
vorumläufig; ich fand eine bei welcher d. unpaare Kelch-
theil median nach hinten fiel. Eine Amer. Blüthe hatte
3 Carpiden, 2 seitl., I nach vorn in d. Mediane. Hier
fehlte, wie mir scheint, ein hinteres, um die Fruchtcyklen
_ vollständig zu machen.
Monotropeae.
Monotropa Hypopithys. Die Blüthen nach Oeffnung
der Gipfelständ. aufwärts entfaltend. Die Tragblätter der
höhern Blüthen wachsen eine kurze Strecke an ihren
Stielen hinauf. Die Nectarhörnchen d. Blüthe reichen
immer zu 2 in d. sackförmige Basıs d. Petala herein,
und umschliessen zuerst d. äussern vor d. Petala fallen-
den Staubbl.-Cyklus. An den mer. Seitenblüthen fehlen
bald beide mediane Kelchblätter (innerer Cyklus) bald
das hintere oder das vordere allein. Uebrigens vgl.
man Irmisch, bot. Zeitg. 1865, Sp. 602—3.
Ebenaceae.
Diospyrus Lotus. Ich finde auch folgenden Zweig-
anfang: Auf 2 seitl. schwarzbraune, kahnförm. klappig
aneinander schliessende Vorblattschuppen folgen 2 zu
ihnen rechtwinkl. stehende (mediane) Laubblätter, wovon
das erste nach hinten fällt und manchmal noch mehr
niederblattig ist. An diese schliesst sich den °®/, St. an
3 ee
Pros,; = 5
Asclepiadeae.
Cynanchum Vincetoxicum, R. Br. Vgl. Irmisch,
in d. Verhandl. d. bot. Vereins d. Prov. Brandenb. 1859,
”
—_— 21 —
p. 41. Hier nur einige Bemerkungen über d. Verhalten
d. Zweige blühender Pflanzen, die ich gedenke anderswo
durch Figuren zu erläutern. Meist erst zur Zeit wo die
Pflanze bereits Frucht angesetzt hat, entwickeln sich einer-
seits die d. Stengel angehörigen Bereicherungszweige,
anderseits die d. ersten laubigen Vorblattes der das Sym-
podium aufbauenden in d. Inflor. endenden Zweige, so
dass also dann Gabelbildung eintritt. — Die Bereicher-
ungszweige entstehen aus d. stärkern Knospen jedes Blatt-
paares des Stengels, deren aber immer nur einzelne aus-
wachsen, viele unentwickelt bleiben, welch’ letzteres denn
auch allgemein von den schwächern Knospen gilt. Solche
Bereicherungszweige tragen 2—3 Blattpaare bevor sie
durch eine Inflor. abschliessen. Bei 3 Paaren sind die
2 ersten Paare oft steril; erst aus dem einen Blatt des
dritten Paares geht dann die Wickelzweigung aus; bei
2 Paaren ist. d. erste Blattpaar steril; die Wickelzweigung
gehört dem zweiten medianen Paar an, und zwar bald
dem vordern, bald dem hintern Blatt desselben. — In
Betreff der schwächern, dem ersten Vorblatt d. Sympo-
dienglieder angehörigen Zweige”), so schliessen sie bald
nach 1 Paar laubiger Vorblätter, jedoch auch nicht ganz
selten nach 2 od. mehreren Paaren durch eine Gipfelinflor.
ab. Im erstern Falle fand ich fast allgemein den Zweig
vornumläufig mitnach vorn convergirenden Vorblättern
und dessen Inflor. nach hinten (der Abstammungsaxe)
geworfen; viel seltener fand ich ihn hintumläutig d. Inflor.
nach vorn. Aus dem zweiten Vorblatt dieser Zweige geht
die gewöhnliche Wickelbildung aus. Auffallend ist es
immerhin, dass d. Spross d. ersten Vorbl. oft mehrere Laub-
*) Auch sie besitzen manchmal ein unterständiges accessor.
Knöspchen, welches ich bei beiden Vorblättern nie zur Entwicklung
kommen sah.
— 172 —
paare zeigt, während sein Antagonist, obgleich nur mit
4 Blattpaar versehen, doch der kräftigere ist und sich
zum Sympodium aufrichtet. Uebrigens finde ich die
beiden zusammengehörigen Gabelsprosse unter sich bald
antidrom, bald homodrom. Eine fernere Eigenthümlich-
keit bezieht sich auf die Wendung d. 2—3 dichasialen
Zweige, welche d. Inflor. zusammensetzen. Die beiden
ihren untersten 2. Hochblättern angehörigen Dichasien
sind nämlich unter sich gleich — zur Mutteraxe gegen-
wendig; das oberste (dritte) Dichasium mit letzerer gleich-
wendig. Es kommen zwar wohl einzelne Ausnahmen
hierin vor, sie sind aber im Ganzen selten. Inflor mit
4—5 Hochblättern sind mir hie und da vorgekommen,
wobei aber meist d. 2 obersten steril. Nur einmal be-
obachtete ich bei €. nigrum 2 seriale homodr. Dichasien
in der Achsel eines untersten Hochblattes. — Alles obige
gilt übrigens auch für C. nigrum und medium, Decaisn
(fuscat. Link.)
Die Schraubelzweige der Dichasien bilden ein Sym-
podium von kürzern und längern, ohne bestimmte Ord-
nung sich folgenden Gliedern, mit stehen bleibenden
Vorblättern, die meisten Blüthen gliedern ab ohne Frucht
zu bringen.
Apocyneae.
Vinca minor, L. Flora, 1860, p. 630 ist in diesem
Artikel Zeile 4 von unten der Satz: „war aber d. zweite
keineswegs geschwunden, vielmehr“ zu streichen. Den
dort angeführten Fall der an ein oberstes einzeln stehen-
des Blatt ohne Pros. eingesetzten ächten Gipfelblüthe ist
mir seither wiederholt vorgekommen.
In gefüllten Blüthen finden sich sehr häufig 2 bis auf
den Scheitel des Ovariums völlig getrennte Griffel, wovon
jeder dann in d. Form des scheinbar einfachen normalen
— 838 —
Griffels auftritt. Bald'nehmen an dieser Trennung auch
die Narben und der über ihnen befindliche Bürstenapparat
Theil; bald blieben diese letztern beiden verwachsen ;
noch anderemal ist die Trennung des Griffels in 2 nur
durch eine Längsfurche angedeutet, wobei aber doch d.
Bürstenapparat sich ganz deutlich als doppelt erweist.
Den letztern Fall fand ich auch bei normalen Blüthen.
De Candolle gibt in seiner Organogr. t, #7 eine Abbil-
dung von Vinca mit bis zur Mitte verwachsenen Griffeln.
Fruchtstellungen in der Blüthe finde ich zweierlei:
und zwar bei Vinca minor, major u. Lochnera rosea,
eine solche in die Ebene des zweiten Kelchblattes fallende;
seltener eine auf diese rechtwinklige, wonach also die
vollständige Zahl der Fruchtblätter 4 wäre, (aus 2 zwei-
gliedrigen Cyklen gebildet) obgleich nie beide Cyklen
in einer Blüthe vereinigt). Nach diesen zwei Fruchtblatt-
stellungen wechselt dann die Lage der 2 wohl einen
Fruchtblattkreis repräsentirenden Drüsen. — Manchmal
hat es auch den Anschein, als fielen bald d. Carpiden,
bald die Drüsen in die Richtung des ersten Sepalum. —
Auch Blüthen mit 3 Carpiden wechselnd mit 3 Drüsen
sind mir vorgekommen, wobei eine Drüse vor einem
Sepalum stund.
Hier möge auch noch die Bemerkung Raum finden,
dass die halbumfassende Knospenlage der zunächst auf-
eınanderfolgenden Laubblattpaarenichtimmer abwechselnd
ist, sondern dass ich auch 2, selbst 3 gleichgewendete
Paare nach einander beobachtete (wie mir auch Fälle
dieser Art bei Saponaria offic., Stachys alpina etc. vor-
gekommen sind).
Nerium Oleander. Auf ?/; St. der Laubbl. folgt bis-
weilen °/, St. der Hochblätter, wobei d. Kelch d. Gipfel-
blüthe d. vorausgehende St. unmittelbar fortsetzt. Dass
» Bern. Mittheil. 1871. Nr. 779.
— 27 —
das unpaare Blatt d. ?/, St. am Zweig auch nach 2 Vor-
blättern, d. erste d. dreigliedr. Wirtels sei, lässt sich
auch aus der von d. Gipfelblüthe aus abwärts verfolgten
Spirale leicht entnehmen.
Gentianeae.
Menyanthes trifoliata (Vergl. Irmisch, Bot. Zte.
1861, pag. 121). Eine Pflanze mit acht 3glied. wechseln-
den Hochblatt-Wirteln, hatte eine Gipfelblüthe mit 6 Se-
palen (3 mit d. vorausgehenden Wirtel wechselnd, 3 vor
denselben fallend), 5 Petalen (wovon 1 vor einen innern
Kelchtheil fiel), 5 mit d. Petal. wechselnde Stamina und
2 etwas schief gestellte Carpiden. In einem ähnlichen Fall
waren alle Cyklen d. Gipfelblüthe 6 mer. Eine andere
Infl. zeigte wechselnde 4glied. Wirtel mit 5 mer. Gipfel-
blüthe. — Den Anschluss d. ?/, St. (Wirtel) an d. voraus-
gehende distiche fand ich ohne Pros. — Eine Infl. zeigte
am Anfang 3glied. Wirtel, höher ?/, (?/,) St., diese an
jene ohne Pros. anschliesend. Auch */,, St. fand ich an
Inflor. Ferner °/, St. d. Hochbl. mit Anschluss d. Kelchs
d. Gipfelblüthe ohne Pros. Die untersten Blüthen der
Traube haben nicht selten 2 Vorblätter und aus jedem
eine Seitenblüthe. Andere Mal sind die Vorblätter steril.
Auch die höhern Blüthen zeigen oft bald 2 Vorblätter,
bald nur 4 Vorbl.; den obersten fehlen oft beide Vorbl.
Bei 2 Vorblättern rückt das zweite oft bis dicht an die
Blüthe hinauf; an höhern Blüthen ist diess für beide der
Fall. Die beiden Vorblätter convergiren oft nach vorn.
Dabei fällt das unpaare vordere Kelchblatt oft so genau
vor d. Tragblatt d. Blüthe, dass man dieselbe für vorn-
umläufig halten möchte. Die 2 Carpiden zeigten mir
in Seitenblüthen dreierlei Stellungen: mediane St. und
quere z. Mediane rechtwinklige, beide Stellungen sich
— 25 —
zu einer typisch Agliedrigen Frucht ergänzend; dann
schiefe Stellung. 5 mer. Seitenblüthen mıt 3 Carp. hatten
ein Fruchtblatt median nach hinten gestellt. 6 mer. Seiten-
blüthen mit 2 Vorblättern, und 3 Carpiden hatten 2 Se-
pala median, 4 Fruchtblatt median nach vorn gestellt.
Swertia perennis Z. 5 mer. Gipfelblüthen sind am
1 1
häufigsten durch Pros. von 3 z Is, seltener ua ans
’ DR, 1 +"
oberste Blattpaar angereiht; bisweilen auch durch na:
wo alsdann d. erste Kelchblatt zum obersten Blattpaar
rechtwinklig steht. In einem Falle d. Hochblattpaare d.
Stengels aufgelöst, mit Beibehaltung ihrer rechtwinkligen
Stellung und mit Anschluss der Gipfelblüthe ohne Pros.
— 5 mer. Seitenblüthen mit 1 Vorblatt, dieses mit Pros.
ih daran der Kelch ohne Pros. anschliesend, mit-
hin d. fünfte Sepal. vor d. Vorblatt fallend. — 6 mer.
Seitenblüthen ohne Vorbl., die 2 ersten Kelchbl. rechts
und links, d. 4 übrigen diagonal. 2 Carp. rechts und
links. Derselbe Fall mit Aseitl. Vorblatt, d. innerste Se-
pal. vor dasselbe fallend. Ferner 6 mer. Seitenblüthen
mit 2 Vorblättern; der Kelch deutlich aus zwei 3gliedr.
Wirteln gebildet, vom äussern ein Sepalum median nach
hinten. — Die Antheren in d. Blüthenknospe aufrecht,
intrors, überschlagen sich bei offener Blüthe nach aussen
und werden scheinbar extrors. Verstäubung gleichzeitig.
Was die Stellung der Fruchtblätter betrifft, so finde ich
sie am häufigsten in der Richtung von Sepal. I od. 2
fallend; aber auch andere Stellungen kommen vor, so
dass ich vermuthe, dass von 2 typisch anzunehmenden
2gliedrigen Fruchtblatteyklen bald allein d. eine, bald d.
andere zur Ausbildung gelangt.
— 176 —
Gentiana lutea. Es giebt auch Gipfelblüthen welche
in den 3 ersten Cyklen 7 mer. sind und 2 Carpiden haben.
Ferner 6 mer. Seitenblüthen mit 2 Carpiden. Ebensolche
5 mer. mit 3 Carpiden, wovon eines median nach vorn.
Die Entfaltungsfolge der Blüthen ist im Allgemeinen ab-
steigend, d. h. es öffnen sich zuerst nach einander die
in der Mediane liegenden Blüthen, aber die den Vorblättern
d. Mittelblüthe, angehörenden (colateralen) Serialblüthen
entfalten sich ebenfalls bald nach jenen, und zwar nach
ihrem resp. Tragblatt fortschreitend. Auf diese Weise sind
immer mehrere Blüthen verschiedener Ordnung gleich-
zeitig offen. Das alternative Hin- und Herwerfen d. Blü-
then zeigt einzelne Störungen, was durch d. gegenseitigen
Druck d. Blüthen bewirkt wird.
Gentiana purpurea. NIL..Z. Die Blüthen gehören
oft d. % obersten meist dicht über einander folgenden
Blattpaaren an, daher sie denn kopflörmig zusammenge-
drängt erscheinen. Nicht selten finden sich in einer Blatt-
achsel 2 Serial-Blüthen, von denen d. obere zuerst ent-
faltet. Die Gesammtinflor. blüht übrigens von einer mitt-
lern Region aus u. ist auf- u. absteigend, zuerst öffnet
sich d. Gipfelblüthe. Die Seitenblüthen meist ohne, sel-
tener mit I—2 Vorbl. Nur in einem Fall hatten sie eine
Blüthe in d. Achsel. — Antheren extrors. — Zwei Frucht-
blattstellungen: am häufigsten d. mediane, seltener d.
quere rechtwinkl. zur Mediane.
Gentiana asclepiadea. Die beiden Vorblätter d. Blüthe
basilär u. oft beide, oft nur das eine frei, das andere
mehr od. weniger mic d. Kelch verschmolzen, welches
denn auch immer länger als das freie ist; ja nicht selten
nehmen beide die Länge d. Kelchröhre an u. verschmel-
zen mit ihr bis an ihren Saum hinauf; doch so, dass
sie am Kelchrand als zwei grössere pfriemliche Zähnchen
— 27 —
sich von den kürzern Kelchzähnchen unterscheiden, zu-
gleich den vierten und fünften Kelchzahn maskirend,
aber aussen am Kelch noch als herablaufende Lamellen
bemerklich sind. — Seither fand ich auch access. was die
Vorblätter betrifft, ganz ebenso beschaffene Blüthen. Die
Kelchzähne bilden sich nicht immer gehörig aus, 'am
deutlichsten an der Gipfelblüthe, wo oft an d. Grössen-
verhältnissen derselben die °/, Sp. zu erkennen, mit
1
Einsetzung d. Kelchs ins oberste Blattpaar durch u.
Die‘Kelchbasis d. Seitenblüthen fand ich nicht selten mit
d. Tragblatt verwachsen. Die Dehiscenz der nur schwach
zusammenhängenden Antheren extrors. Zur Zeit d. Ver-
stäubung tritt d. Griffel mit seinen 2 anlangs dicht an-
einanderschliessenden medianen Narben aus d. Antheren-
röhre heraus, welche sich nun in entgegengesetzter Rich-
tung rückwärts rollen.
Gent. pneumonanthe. An d. unterird. Stämmchen d.
Hauptaxe sieht man oft viele verspätete Knospen auf-
treten, von denen schwer zu unterscheiden, ob sie den
+ Blättern oder d. minus Blättern ‚angehören. Solche
Sprosse verhalten sich wie d. Mutteraxe; sie sind un-
begrenzt u. nach Zerstörung ihrer resp. Mutteraxe trei-
ben sie einzelne starke Wurzelzasern, wodurch sie zu
weiterm Fortwachsen befähigt werden. — Die Gipfel-
blüthe schliesst sich manchmal an d. decussirte Stellung
ohne Pros. an. ' So auch manchmal bei G. verna.
Gent. bavarica. Die Gipfelblüthe zeigt bisweilen in-
d. Knospe d. Kelch nach ?/, deckend u. alsdann einen
3b Tapros,
5
Die Erneuerungssprosse kommen aus den basilären Blättern
d. blühenden Stämmchen und haben bald kleinlaubige,
bald niederblattartige Vorblätter.
Anschluss desselben an d. Decussation durch
— 278 —
Gent. nivalis. KL Z. Kotyl. oval sitzend zusam-
men in ein Scheidchen verwachsen (von d. Form d. übr.
Blätter) Hypokotyles Glied. entwickelt bis !/, Zoll 1.
Dicht über ihm folgen mehrere rosettenartig zusammen-
gedrängte Blattpaare.
Gent. campestris. K L Z. Kotyl. gestielt oval. hypoc.
Glied entwickelt schmächtig. Die 3—4 untersten Blatt-
paare auf gestauchter Stengelbasis rosettenartig; d. fol-
genden durch gedehnte Internodien getrennt. Tiefer am
Stengel meist nur ein Spross auf d. Blattpaar, seltener
aus beiden Blättern d. Paare ein Spross; höher immer
aus beiden Blättern ein reiner Blüthenzweig. — Antheren
intrors. werden durch Rückwärtsbiegung der Spitze des
Filaments extrors., wie bei G. ciliata, Zweierlei Stellungen
der Fruchtblätter auf verschiedene Blüthen vertheilt; 2
mediane, oder 2 laterale.
Gent. ciliata. Auch bei dieser Art finden sich d.
zweierlei Fruchtstellungen d. vorigen Art.
Convolvulaceae.
3 +"
5
eingesetzt, wonach das in d. Flora 1860, p. 660 Gesagte
zu verbessern.
Convolvulus. Der Kelch durch Pros. von
Borragineae.*)
Asperugo procumb. Kotyledonarstiele an d. Basis ver-
breitert in ein Scheidchen verwachsen. Auf die Kotyled.
*) Die Entwicklungsgeschichte d. Inflor. d. Borragineen hat in
Jüngster Zeit nicht weniger als 3 Bearbeiter gefunden. Wretschko
(im Jahresbericht über d. akad. Gymnas. in Wien, 1865—66); dann
Kaufmann (Referat darüber von Rosanoff. Bot. Zeitung 1869,
pag. 885) und Kraus (Bot. Zeitung 1871 Nr. 8). Nach Einsicht dieser
Arbeiten, die von meinen frühern Angaben über d. Inflor. d. Borra-
gineen in Manchem abweichen, sehe ich mich dennoch nicht veranlasst
an denselben im Wesentlichen etwas zu ändern.
— 279 —
folgen 2 sich decuss. Blattpaare und von einem dritten
noch ein erstes Blatt, an welches sich °/, St. ohne Pros.
anreiht. In einem andern Fall folgte auf Decussation °/, St.
unmittelbar anschliessend. Die langen Blattstiele über
d. Basis leicht abgliedernd, einen Stollen hinterlassend.
Das Tragblatt d. obersten Wickel an ihr mehr oder we-
niger hoch hinaufgewachsen, Die Blüthenzweige ent-
wickeln sich in abwärts steigender Folge. Die obersten
Internodien d. Stengels sehr kurz, daher die Blätter
sich stark genähert sind. Meist 3 Blüthenzweige am
Ende d. Stengels, dessen drei obersten Blättern angehörend;
die beiden untern sind Dichasien am Beginn mit 2 Vor-
blättern und mit vorwaltender Wickelbildung; d. oberste
stärkste Blüthenzweig ist eine einfache sich senkrecht
(scheinbar gipfelständige) aufrichtende Wickel. Innerhalb
d. Wickel sind nur d. zweiten Vorblätter vorhanden, aus
welchen die geförderten Zweige ausgehen, d. Tragblatt d.
obersten Blüthenzweiges wächst an ihm oft bis 1 Zoll hoch
hinauf. Bemerkenswerth ist d. Verhalten d. Vorblätter
d. scheinbar gipfelständ. Sympod. Sie stellen sich näml.
sämmtl. in eine Ebene übereinander, welche Ebene zu-
gleich mit derj. des Tragblattes d. untersten Sympodial-
Zweiges zusammenfällt. Glieder d. Sympodium 4kantig,
4seitig. Vorblätter flächenständig.
Anchusa office. Die 2 obersten Wickel bilden zuweilen
am Stengel u. d. Bereicherungszweigen hinaufwachsend
eine endst. Gabel nach Art von Myostis und da sie ıhre
Tragblätter tiefer zurücklassen, so ähneln sie auch in
dieser Hinsicht der letztern Gattung. So verhält sich auch
A. paniculata. Die Gipfelblüthe ist hie und da unausge-
bildet und erscheint in Form eines gestielten lanzettlichen
Blättchens.
— 230° —
Echium ereticum. Die zwei in der Knospe innersten
Petala (d. zweite und vierte der genetischen Folge nach,
die aber keineswegs mit der Aestivation d. Corolle über-
einstimmt) fand ich mehrmals in einen hohlen geraden
Sporn ausgezogen, wodurch d. Zygomorphie d. Corolle noch
frappanter wurde. Aehnliche Fälle berichtet Didrichsen
in der mir nicht zugänglichen Videnskab. Meddelelser
fra d. naturhistor. Foreningi Kiobnhavn, 1851. — Von den
gipfelständigen Blüthen ist oft nur das erste Kelchblatt
ausgebildet. |
Pulmonaria mollis Wolf. In d. Flora 1860 p. 683
unrichtig als P. angustifol. citirt. L N LI Z, die For-
mationen auf 2 Iahre vertheilt; die:basilären Laubsprosse
d. blühenden Mutterstengels beginnen mit Laubbl., sinken
dann aber auf N zurück. ‘An kräftigen Ex. kommen aus
d. 5 obersten Laubbl. d. Stengels Blüthenzweige. Die
Deckklappen fehlen der Corolla nicht, wie manche Flo-
risten annehmen. Nicht nur finden sich am Uebergang
der Kronenröhre in den Saum 5 deutliche Grübchen od.
Einstülpungen, sondern auch ebenso viele rundliche aus-
gerandete den Grübchen entsprechende Kläppchen, die
nur nicht so stark gewölbt wie bei and. Borragineen,
sondern mehr flach, schuppenförmig sind. Alle Blüthen
eines Stockes scheinen entweder sämmtl. langgriffelig od.
sämmtl. kurzgriffelig. |
Lithospermum arvense. An Keim-Pfl. gehen manch-
mal d. Spiralstellung bis 4 Blattpaare (d. Kotyl. nicht ge-
rechnet) voraus. Der Kelch d. Gipfelblüthe schliesst sich
d. vorausgehenden Blattstellung unmittelbar an. So auch
bei L. Apulum.
— 291 —
Solaneae.
Vergl. Cauvet, Des Solan&es. These. Strassb. 1864. 4%*).
SolanumnigrumL. Unter .d. Blatistellungen d.Keimpfl.
ist mir auch ?/, St. mit Anschluss an d. Kotyl. durch
3 + '"h
5
Pros. vorgekommen. Ferner °/,, auf2 decussirte
Blattpaare, (d. Kotyl. nicht gezählt.) Macht auch Kotyle-
donarsprosse.
$. dulcamara L. Zweiganfang nach 2 seitl. Vorbl.
3 +...
5
ferner, auf d. Vorblätter 2 decussirte Paare, worauf °/,
St. mit derselben Pros. Spirale vornumläufig. — °/z St.
nach 2 Vorbl. u. 2 folgenden decuss. Paaren mit einem
Uebergangsschritt von ?/, ans letzte Paar anschliessend;
5/,and. Vorbl. mit demselb. Ueberg. Schritt anschliessend;
5/, ohne Pros. ans zweite Vorbl. anschl. Die gipfelständ.
Inflor. zeigt bei dieser Art, sowie bei d. Arten von Ly-
copersicum keine so regelmässige Stellung längs des
Sympod. wie bei $. nigrum etc. wegen veränderlicher
Zahl der d. Inflor vorausgehenden Laubblätter. Ebenso
ist d. Wendung d. successiv. Inflor. ohne Ordnung bald
homo- bald antidrom.
Scopolina atropoides. Schult. Am obern Theil d.
Stengels einmal ?/, (°/,) St. der Blätter beobachtet mit
gewöhnl. ®/, hintumläufig. Beide durch Pros.
*) In dieser übrigens sehr fleissig gearbeiteten Schrift schreibt
der Verfasser mir, bezüglich d. Anordnung d. Vorblätter d. Blüthen,
eine eigene Theorie zu, wie er es nennt, und erläutert sie sogar
durch eine Abbildung. Eine solche Theorie ist mir gänzlich fremd
sie gehört vielmehr d. Verfasser selbst an und leitet ihn überall
bei seinen Untersuchungeu. Ich kann mir seinen Irrthum nur durch
seine Unkenntniss mit d. deutschen Sprache erklären, die ihm nicht
erlaubte, meine in d. Flora 1851 über d. Inflor. d. Solaneen ver-
öffentlichten Artikel selbst nachzusehen. Die französ. Uebersetzung
derselben durch Kirschleger, welche Hr. Cauvet in seine Schrift auf-
genommen, ist gar zu flüchtig ausgefallen.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 780.
— 22° —
Anschluss d. Gipfelblüthe ohne Pros. Vgl. auch Warming,
Botan. Tidsskrift, 3 Bd. 1869.
Atropa Belladonna L. Blattstellung einmal. ?/, (°/.).
Wiederholte Beobachtung eines gestiellen Blattes mit Cu-
cullus-artiger Spreite sowohl an d. Stelle d. Gipfelblüthe
d. Stengels als d. Mittelblüthe von Zweigen mit 3 Vor-
blättern.
Niecotiana rustica. Wenn 3 Serialsprossen in einer
Blattachsel, fand ich d. mittlern den stärksten. Berei-
cherungszweige nach 2 seitl. Vorblättern mit °/; St. ohne
Pros. an’s zweite Vorbl. anschliessend. Die Gesammtinfl.
eine Rispe. Einzelne Blüthenzweige fand ich bis auf '/,
Zoll am Stengel hinaufgewachsen, während d. Tragblatt
u. der dazu gehörige access. Zweig ihre Stelle nicht ver-
lassen hatten. In Gipfelblüthen von Bereicherungszweigen
fand ich oft den ersten Carpidenkreis ausgebildet, wäh-
rend d. gewöhnliche, zweite, fehlte.
Nicandra physaloides. Gärtn. Einaxig. Kot. L. Z.
Keimpfl. Kotyl. gestielt, lanzettlich, bisw. etwas auseinander
gehoben. Wurzel: kegelförmig mit Azeiligen Zweigen
Hypocotyl. Glied walzlich, alle folgenden Stengelglieder
gewöhnlich 5seitig, 5kantig; seltener die auf d. Kotyl.
folgenden 4seitig, Akantig, immer in Beziehung zur Blatt-
stellung. Blätter flächenständig. Blattstellung fast allge-
mein ®/, (wohl d. prächtigste Beisp.!) sehr selten 5/, (?/)-
Die Keimpfl. zeigt am häufigsten folgende Blattstellungen:
4) Auf d. Kotyl. folgt sogleich ®/, St. Diese eingeleitet
durch ein zu ihnen rechtwinkl. gestelltes Blatt (Pros.
3:4: /a BT. ; e 3
Tagaaı) u. bis in d. Gipfelblüthe fortsetzende St. 2) °/,
N BA Fach FRIEDEN
St. an d. Kotyl. durch Pros. aa ara eingesetzt. Diese 2
—_— 2383 —
Stellungen d. häufigsten*). Selten sind folgende Fälle: 3)
1
Anschluss d. °/, St. an d. Kotyl. durch Pros. a
4) Mit d. Kotyl. wechselt in rechtwinkl. St. ein aufgelöstes
Blattpaar oder auch 2 Paare, worauf ferner rechtwinkl.
1
(Pros. Aus ein einzelnes Blatt folgt, welches d. nun
weiter herrschende ?°/, einleitet. — Der Zweiganfang be-
ginnt am häufigsten sogleich mit ®/, St. eingesetzt durch
= Mn a DARRETAR.
‚Pros. en unmittelbar an’s Tragblatt angereiht nach
folgend. Schema:
4 k
a) A 2 b) 2 1
3 5 5
B B
B Tragbl. a) Spir. linksläuf. b) rechtsl. in beiden
hintuml. Accessor. Sprosse haben meist gleiche Einsetzung
d. Blattstellung wie der gewöhnliche Zweig; doch fand ich
in einem Fall nach 2 zum Tragblatt rechtwinkl. gestellten
3+ "a.
5 ?
umläufig; in einem andern Fall: Vorblätter ebenso ge-
stellt, darauf ein zu ihnen rechtvrinkl. median nach der
Vorblättern °/, St. durch Pros. von Spirale vorn
Axe hinliegendes Blatt (Pros. en mit welchem d. ®/,
St. begann. Spir. vornuml. — Stengel u. Bereicherungs-
zweige bei ?/, St. 5seit. ökantig; bei ?/, (?/,) 7seit. Tkantig.
R Es ist oft schwer zu entscheiden, welche von den 2 oben
angeführten einleitenden auf d. Kotyled. folgenden Blattstellungen
d. richtige ist, doch scheint die zweite d. häufigere. Das gilt auch
ag keimende Datura, die mit Nicandra dieselbe Blattstellung
eilt.
_— 2834 —
Wo auf d. Kotyled. anfangs paarige Blattstellg. folgt, ist
d. epikotyle Glied: Akantig 4seit. Dasselbe gilt auch; für
das unterste Internodium von Bereicherungszweigen mit
2 rechtwinkl. gestellten Vorblättern. Der reine Blüthen-
zweig hingegen, sowie seine weitern Auszweigungen sind
stets Aseit. 4kantig. Je nach der Kräftigkeit d. Pflanze
gehen d. Gipelblüthe d. Stengels 8 bis 25 Blätter voraus.
Die Zweige mehr oder weniger stark entwickeln sich in
absteigender Folge. Die 3 obersten sind die stärksten,
sie bilden eine 3strahlige d. Gipfelblüthe weit überragende
Dolde. Sie gehören d. 3 obersten Stengelblättern an,
welch’ letztere von Zweig zu Zweig an ihnen höher hinauf-
wachsen, das oberste am stärksten, oft mehrere Zoll. Die
2 untern Doldenzweige sind Bereicherungszweige; der
oberste ist reiner sich stark aufrichtender Blüthenzweig:
eine oft reichblüth. stets einfache Wickel mit Förderung
aus dem constant allein vorhandenen zweiten Vorblatt,
welchem scheinbar die Blüthen gegenüberstehen (Flores
oppositifol.) Sympodienglieder Akantig, Aseit. (Vorbl. flä-
chenständig) anfangs im Zickzack hin u. her gebogen,
später grad gesteckt. Die gestielten Blüthen vermöge
d. Umwendung d. Blattstellung alternative nach rechts u.
links geworfen in d. Richtung des fehlenden ersten Vor-
blattes, Bereicherungszweige auch aus tiefern Stengel-
blättern, sowie d. 2 untern Doldenzweige oft mit 'grösserer
oder geringerer Blätterzahl verhalten sich, was ihre wei-
tere Auszweigung betrifft, wie d. Stengel, ausser dass sie
oft am Gipfel nur noch 2 Doldenzweige tragen. Zu d.
Bereicherungszweigen kommt ferner noch je ein unter-
ständiger accessor. Spross hinzu, seltener tiefer am
Stengel, allgemein hingegen innerhalb der Blüthenwickel,
wo eroft bedeutend gross wird u. sich wie ein gewöhn-
licher Bereicherungsspross verhält, indem er nach einer
— 285 —
unbestimmten Zahl von Laubbl. durch eine Gipfelblüthe ab-
schliesst, unterhalb welcher sich ebenfalls 2-3 Dolden-
zweige finden, von denen die oberste reine Blüthenwickel
ist. Die Wendung dieser access. Sprosse fand ich zu
ihrem oberständigen Spross am häufigsten homodrom
(unter 62 Fällen fanden sich 52 homodr. u. 10 antidrome).
Die Gipfelblüthe schliesst sich an d. vorausgehende Blatt-
stellung ohne Pros. an. Carpiden gewöhnlich 5 vor.d.
Petalen stehend.
Antirrhineae.
Verbascum nigrum, L. Inflor. oft mit ®/,, St. Tetramer.
Blüthen in den 3 ersten Cyklen mit 2 medianen Carpiden
nicht selten, und zwar alsdann stets d. oberste mittelständ.
Blüthe d. Serialblüthen. An solchen Blüthen war der
vordere mediane Kelchtheil d. grösste, d. hintere mediane
d. kleinste. Ganz so verhielten sich auch d. Stamina
(also in diesen 2 Cyklen Ausbildung aufsteigend), Aestiv.
d. Corolla absteigend, was auf absteigende Ausbildung
ihrer Theile schliessen lässt.
Antirrhinum majus. L. Auf 3gliedr. wechselnde Blatt-
wirtel folgte in d. Hochblatt-Region direct °/, St. Inflor.
auch mit °/,, St.
Rhinanthaceae,
Orobanche Epithymum. Die die knollige Stengelbasis
einnehmenden Niederblätter nach °/; od. ®/,, gestellt.
Hochblätter nach °/,.
Labratae.
Lavandula vera. Die Hochblattregion (Inflor,) durch
ein langesInternodium von d. vorausgehenden Laubregion
getrennt. Der Uebergang aus Laub- in; Hochbl, plötz-
lich. Die Blüthenzweige 3—4blüth. Dichasien. im letztern
—_— 2186 —
n
Fall z. Wickelbild. hinneigend. Blüthen mit 2 winzigen,
pfrieml. Vorblättchen.
Thymus vulgaris. Blüthenwickeln in d. Achseln von
Laubbl. oft ährig zusammengedrängt. Blüthen gestielt in
Dichasien nach einer Gabelung in armblüth. Doppelwickel
übergehend. Nur d. Mittelblüthe mit 2 Vorblättchen, d.
übrigen nur mit d. zweiten.
Primulaceae.
Centunculus minimus. L. Blattstellung ®/,. Hie u. da
wechseln an derselben Axe einzelne Blüthen u. Berei-
cherungszweige mit einander, Blüthen 4, 5, 6mer. Kelch-
deckung bei ömer. Bl. deutet auf ihre Einsetzung durch
3+'h
5
hinten, 4, 2seitl. (Die fehlenden Vorblätter vertretend),
3, 5 nach vorn.
‚ ans Tragblatt angereiht. Sepal. 4 median nach
Androsace chamaejasme. Laubrosette mit ®/,, St.
Zweiganfang nach 2 Vorblättern °/z.
Hottonia palustris. Keimpfl. Kotyl. lanzettlich in einen
sehr kurzen Stiel ausgezogen. Die zunächstfolgenden
2—3 Blätter 2—3zackig, die übr. kammartig-fiedrig. Mit
d. Kotyl. kreuzt sich rechtwinklig ein Blattpaar, an dessen
zweites Blatt d. °/, St. (ohne Pros.) der anfangs rosetten-
artig zusammenhaltenden Blätter sich anschliesst. Der
Stengel stirbt schon frühzeitig von hinten ab, während
sein fortwachsender Theil überall fädliche Wurzeln aus-
sendet.
Soldanella alpina. Es kommt auch vor, dass I—2
der obersten Seitensprosse bald nach d. Mutterspross
blühen, wo alsdann ein tieferer zum überwinternden Er-
neuerungsspross wird.
— 23837 —
Globularieae.
Globularia vulgaris. Hochblätter (Blüthen) mit */,,
St. auf vorausgehende /; St.
Chenopodeae.
Kochia scoparia, Schrad. A) Kotyl. L.1..2) (h)
Z. aus L. u. |. Blattstellung ®/, u. °/s. Die successive von
einander abstammenden Sprosse gegenwendig, Blätter
gedreht! nach d. langen Weg d. Spirale, Drehung also
von Spross zu Spross wechselnd. Blüthen meist zu 3
bis 2 in d. Blattachsel, gewöhnl. ohne Vorblätter. Es gibt
auch Sprosse, wo d. Mitteltrieb belaubt ist, seine Vor-
blätter eine Blüthe haben. Umgekehrt kommt es vor,
dass d. Mitteltrieb eine Blüthe ist, das eine Vorblatt der-
selben eine Blüthe, d. andere ein Laubsprösschen trägt.
Beta vulgaris. Blattstellung °/; u. ®/ı;. Primärzweige
zum Stengel gegenwendig. Die Gipfelinfl. eine aufsteigende
entfaltende Aehre deren Zweiglein meist 3blüth. Dichasien
sind, zuweilen in armblüth. Schraubeln fortsetzend. Förd.
aus ß.
Polygoneae.
(Polygonum affıne Don. u. P. amplexicante Don haben
wie P. Bistorta eine unbeschlossene Laubrosette.)
Polygonum Hydropiper L. Blattstellung am Stengel
3/, u. ?/s; letztere auch an d. Zweigen, wo sie mit 3—4
quer distichen Blättern eingeleitet wird. Wickeln der-
selben Aehre oft pölilodrom, doch mit Vorherrschen der
Homodromie.
Polygonum Fagopyrum u. emarginat, sind Jaxig.
4) Kot. L1.H. 2)H. aus LIH. 3)hZ aus H. Die
Blüthenzweige entspringen aus d. höhern Laub- u. d.
Hochbl. Es sind Aehren, deren Zweige aus armblüth.
— ABB _ —
einfachen Wickeln gebildet werden. Sowohl Aehren als’
Wickeln entfalten in aufsteigender Ordnung. Die Ver-
folgung d. Blattstellung (?/, od. °/,) bis ans Ende d. Stengels
zeigt deutlich, dass keine gipfelständige Aehre vorhanden
ist, dass vielmehr auch die oberste lateral ist. Danach
ist das in d. Bern. Mitth. Gesagte zu verändern.
Laurineae.
Laurus nobilis. L. Den Zweiganfang (Niederbl.) fand
} 1
ich nach 2 Vorbl. theils nach °/, mit —. Pros; theils
nach 5/; ohne Pros angereiht. Die Aufblühfolge' ist auf-
steigend.
Blaeagneae.
Hippophaö rhamnoides. Zweierlei Sprosse gleicher
Ordnung oft an denselben Mutterspross: die einen treten
als überwinternde Knospen auf, die andern wachsen
hingegen frühzeitig in einen Dorn aus (oft mehrere Zoll l.)
welcher selbst Knospen trägt, die denen d. Muttersprosses
in Grösse nicht viel nachgeben u. mit ihnen fast gleich-
zeitig zur Entwicklung kommen. Auch an solchen Dornen
sind dann wieder einzelne Knospen durch Dornen ersetzt.
Die Blattstellung zeigt oft an demselben Spross nach-
einander folgend ?/,, ®/;; u. '?/gı Div d. °/; St. an Zweigen
auch oft vornumläufig. Einmal auf d. 2 Vorblätter u. ein
auf sie folgendes medianes Blattpaar auch ?/,; St. beob-
achtet. — Frucht an verschiedenen Sträuchern bald ku-
gelig, bald oval.
Euphorbiaceae.
Mercurialis annua L. Die paarweise zusammenge-
hörigen Blätter d. Schraubelzweige bisw. von ungleicher
Grösse u. alsdann wie mir scheint der Blaltstellung der
Caryophylleen entsprechend. Das Vorblatt 8 der 2 Blüthe
hie und da mit einer Doppelwickel.
—_ 2839 —
Urticeae.
Urtica pilulifera L. Die knaueligen Inflor. d. J Pflanze
sind Dichasien, mit Förderung aus d. zweiten Vorbl. Die
geförderten Zweige immer stärker ‚aufgerichtet mit ver-
breitertem Sympod. Vorblättchen d. d‘ Blüthe häutig,
spatelig, bewimpert, zum Theil nach Abgliederung d. Blüthe
noch vorhanden (wobei die Blüthenstielchen stehen blei-
ben). Die kugeligen2Inflor. sind ebenfalls Dichasien,
deren Zweige jederseits in eine Doppelwickel übergehen,
Die Infl. errinnert an diejenige von Blitum.
Cannabis sativa. L. 9 An Zweigen auf distiche Blattstell.
auch °/, St. mit directem Anschluss beob. Die Zweige
so weit spiralig gestellt, pöcilodr., wenn zweizeilig unter
sich antidrom.
Ulmus. Hofmeister gibt in seinem Handb. d.
physiol. Bot. I. S. 539, 586 u. 593 d. Abbildung des
Querdurchschnittes einer Winterknospe von U. eflusa.
Nach derselben ist d. untere (vordere) Stipula die grössere
und deckende, d. obere (hintere) die kleinere und be-
deckte. Dieses ist aber im vollen Widerspruch mit der
Natur, die gerade das Umgekehrte zeigt. So fanden es
wenigstens Henry (N. Act. Leop. XXI. 307.), Döll
(Laubknosp. d. Ament.), sowie ich selbst (Mitth. d. Bern,
Ges. 1867.) Wenn die Knospe sich etwas entwickelt hat
und d. Dehnung der Internodien eingetreten ist, kann
über die Lage und Deckung der Stipulae nicht der ge-
ringste Zweifel übrig bleiben.
U. campest. Früchte mit 3 Flügeln sind mir seither
einigemal vorgekommen.
Juglandeae.
Juglans regia. In d. Bern. Mitth. 4867, p. 201 wurde
vergessen anzugeben, dass die in die Medianebene d.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 781.
— 20 —
Kotyledonen fallenden serialen Knöspchen als accessor,
d.. Kotyled. zu deuten sind.
Oupuliferae.
Fagus sylvatica E. Was ich Berner Mitth. Nr. 644,
p. 204 von der ringförm. Narbe, welche am Stengelchen
von Keimpflänzchen nach Abgliederung des Laubblattes
zurückbleibt, sagte, gilt auch für d. Zweige d. Buche,
seien diese horizontal od. mehr senkrecht aufgerichtet.
Die Narbe repräsentirt den in d. Axe verwachsenen
übergerollten Scheidentheil des Blattes, und man erkennt
en ihr ganz wie an d. Scheide d. Gräser eine deckende
u. eine bedeckte Seite. Die Stipulae entsprechen den
Scheidenöhrchen anderer Pflanzen. Sie sind von un-
gleicher Grösse; die grössere fällt an d. Zweigen nach
hinten (d. Abstammungsaxe) sie ist d. deckende; die
kleinere nach vorn ist d. bedeckte. Jene liegt zugleich
auf d. Seite d. etwas längern Spreitenhälfte (wenn d,
Spreite ungleichseitig ist); d. kleinere Stip. nach d. kürzern
Hälfte. Uebergerollte Scheiden, also mit äusserer deckender
und innerer bedeckter Seite finden sich nur an d. untern
Blättern d. Zweige; .d. Scheide d. 4—2 obersten Blätter
ist hingegen meist zu einem Ring geschlossen. — Sprei-
tenlose Stipelpaare finde ich an den Knospen 9—12.
Bereits zur Zeit d. Ausschlagens der Laubblätter findet
man in ihrer Achsel ein Knöspchen, welches alsdann schon
nach‘ d. hintern Stipula hin geneigt ist. (Es convergiren
mithin sämmtliche Knöspchen eines Sprosses nach dessen
Abstammungsaxe.) In einzelnen Fällen bilden sich diese
Knöspchen rasch aus; ich fand solche bis. mit 3 mit
Stipeln versehenen entwickelten Laubblättern, zur Zeit
wo ihr, Tragbl. eben erst in d. Entfaltung begriffen war.
Andree Mal. war nur d. erste Blatt solcher verfrüheter
Ba
Knöspchen ein Laubbl.; alle folgenden waren zur Nieder-
blattknospe geschlossen. — In der Enge bei Bern finden
sich 2 ungefähr gleich alte Buchen neben einander,
die eine mit glatter Rinde, die andere mit rissiger, wie
bei ‚der Eiche.
Dr. Cherbuliez,
Geschichtliche Mittheilungen
aus dem Gebiete der mechanischen
Wärmetheorie.
(Vorgetragen den 4. und den 18. November 1871.)
1. Es ist allgemein bekannt, dass die Anschauungs-
weise, nach welcher die Wärme in Bewegungen, sei es
der kleinsten Theile der Körper, sei es der Moleküle des
sogenannten Aethers besteht, nichts weniger als neu ist:
sie wurde zu allen Zeiten, wo man sich überhaupt mit
Hypothesen zur Erklärung der physikalischen Erschei-
nungen abgab, vertreten; namentlich bei den Physikern,
welche in der zweiten Hälfte des 17. und der ersten Hälfte
des 18. Jahrhunderts sich zu den kartesianischen Ideen
bekannten, findet man dieselbe mehr oder weniger syste-
matisch ausgebildet; erst in. der zweiten Hälfte des 18,
Jahrhunderts wurde sie, je länger je mehr, durch die
Annahme eines Wärmestofls verdrängt, wenn sie gleich
noch immer vereinzelte Anhänger zählte,
Nach dem glänzenden Aufschwung, welchen in un-
serer Zeit. die mechanische Wärmetheorie durch die
Arbeiten englischer und deutscher Physiker, namentlich
durch die genialen Leistungen Clausius, genommen, ist
es nicht ohne Interesse auf die ersten Anfänge derselben
zurückzugehen, und zu untersuchen, ‚in welcher Weise
—_— 292 —
einige Gelehrten des 18. Jahrhunderts diesen Gegenstand
physikalisch-mathematisch auffassten und ‘behandelten.
Die folgenden Mittheilungen sind der Betrachtung
der Arbeiten dreier Männer gewidmet, welche nicht nur
eine bestimmte dynamische Hypothese über das Wesen
der Wärme und der luftförmigen Körper aufstellten, son-
dern auch die Folgerungen derselben auf mathematischem
Wege, mehr oder weniger vollständig ableiteten und den
Grund zu einer dynamischen Theorie der Gaze legten.
Diese Männer sind. .die Basler Jakob Hermann; -Daniel
Bernoulli und Euler.
2) Hermann, Jakob (geb. 1678- gest. 1733 Basel),
ein Schüler Jakob Bernoulli’s I., hat uns seine Ansichten
über die Wärme in seinem brain 1716 zu Amster-
dam herausgegebenen Werke, Phoronomia, sive de Viribus
et Motibus corporum solidorum et fuidorum libri duo.
Amstel. A716. 4°, hinterlassen. Das 2%. Kapitel des 2.
Buches dieses Werkes (Seite 376), betitelt „Ueber die in-
nere Bewegung der Fluida“ (De motu intestino fluidorum),
enthält folgende Definition : «Unter diesem Namen (innere
«Bewegung) wird hier nicht die innere Bewegung der
»Moleküle jeder Flüssigkeit im natürlichen Zustande, son-
»dern diejenige Bewegung verstanden, welche in den
»flüssigen Körpern durch äussere und zufällige Ursachen
»angeregt zu werden pflegt, und auf welche die Wärme
»hauptsächlich zurückzuführen ist (quo calor praesertim
»est referendus), die ohne Zweifel durch eine lebhaftere
»Bewegung der Theilchen in dem warmen Körper in Folge
»äusserer Ursachen erzeugt wird. So sehr unregelmässig
»auch eine innere Bewegung dieser Art sein mag, SO
»kann nichts destoweniger eine genügend genaue physi-
»kalische Regel zur Bestimmung ihres mittleren Masses
»angegeben werden.«
— 293 —
3. Was Hermann unter der inneren Bewegung der Mo-
leküle jeder Flüssigkeit im natürlichen Zustande versteht,
scheint nicht ganz klar zu sein, lässt sich jedoch mit
Hülfe einer anderen Stelle vielleicht begreifen, die uns
zugleich über den Geist, in welchem der Basler seine
mathematisch-physikalischen Untersuchungen führte, eine
interessante Auskunft giebt. Diese Stelle befindet sich im
4. Kapitel des gleichen Buches; (lib. II., Nr. 239 u. 240)
und lautet wie folgt: »Indem wir uns vornehmen, über
„die Kräfte der Flüssigkeiten zu reden, haben wir nicht
„die Meinung, als ob wir die Figuren der Theilchen oder
„der Elemente definiren und, so zu sagen, mit dem Fin-
„ger zeigen könnten, und daher werde ich nicht 'zu
„fleissig diese Figuren der Elemente der.Körper unter-
„suchen, weil dieselben zu sehr verschieden zu sein
„pflegen, um bequem unter mathematische Begriffe ge-
„bracht werden zu können; denn nichts hindert, glaube
„ich, dass die Theilchen einer und derselben Flüssigkeit,
„in Beziehung auf ihre Grösse sowohl als auf ihre Ge-
„stalt, von einander in unendlichen Weisen verschieden
„sein können. Die Untersuchung der Figuren, unter
„welchen die Theilchen jeder Flüssigkeit begrenzt sein
„müssen, werde ich daher den Physikern überlassen ;
„mir genügt es zu wissen, dass diese Gestalten der Theil-
„chen einer jeden Flüssigkeit, wie sie auch beschaffen
„sein mögen, der Beweglichkeit derselben nichts entgegen-
„setzen, weil sie eben, nach Voraussetzung, Theilchen
„einer Flüssigkeit, daher äusserst beweglich sind.“
„Ebenso gehört es nicht in unsere Aufgabe, ängst-
„lich zu untersuchen, ob die Meinung derjenigen wahr
„sei, welche allen Flüssigkeiten eine gewisse Bewegung,
„die sie innere nennen, zuschreiben, wodurch die Theil-
„chen der Flüssigkeit, in verschiedenen unregelmässi-
ß —_ 194 —
„gen Bewegungen, hin und’ her geworfen zu werden
„gedacht werden , zur Unterscheidung von der fort-
„schreitenden Bewegung der Flüssigkeit, wobei ihre ganze
„Masse von 'einem Orte in einen andern übergeführt
„wird... Zum Beispiel, die Bewegung, welche, bei dem
„Fliessen eines Stromes, das Wasser im Strombette nach
„den unteren Theilen führt, ist eine fortschreitende ; die
„Bewegung hingegen des warmen Wassers, das heisst
„die innere Bewegung seiner Moleküle, wird innere Be-
„wegung genannt; das Beispiel des warmen Was-
„sers führe ich an, weil es sicher ist, dass
„seine Theilchen durch eine innere Bewegung
„dieser Art erschüttert sind, wenngleich dieselbe
„in die Augen nicht fällt und also die ganze Masse des
„Wassers zu ruhen scheint. Ob nun alle Flüssigkeiten
„durch eine solche innere Bewegung alffıcirt sind, will
„ich ebenso den Philosophen zu erforschen überlassen,
„denn es ist nicht meine Absicht, mich in irgend einer
„Weise in philosophischen Kontroversen zu verwickeln.“
Diese innere Bewegung der Theilchen jeder Flüssig-
keit, deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein Her-
mann den Philosophen zu untersuchen anheimstellt, ist
also, denken wir, diejenige die er von der von ihm als
Wärme erkannten, in der zuerst angeführten Stelle, un-
terscheidet. Wir sehen zugleich von welchem nüchternen,
wahrhaft modernen Standpunkte aus, der Basler Mathe-
matiker seine wissenschaftliche Aufgabe betrachtet.
4) Nachdem nun die Wärme als Bewegung definirt
worden ist, geht Hermann zu folgendem Satz über:
Die Wärme inhomogenen Körpern (in cor-
poribus similis textur&) ist in zusammengesetz-
tem Verhältniss der Dichtigkeit des warmen
— 295° —
Körpers und des Quadrates‘ der Bewegung
(Agitatio) seiner Theilchen.
Geben wir noch den Beweis dieses Satzes in mög-
lichst treuer Uebersetzung.
„Die Bewegung der Theilchen ist die mittlere Ge-
„schwindigkeit der einzelnen Geschwindigkeiten, womit
„die Theilchen des warmen Körpers sich bewegen. Es
„sei V diese mittlere Geschwindigkeit, und D die Dich-
„tigkeit des Körpers. Da nun die Wärme in einer leb-
„hafteren Bewegung der Theilchen besteht, wird sie den
„Stössen (impressiones) der Theilchen des warmen: Kör-
„pers auf irgend einen entgegengehaltenen, Wärme 'auf-
„nehmenden Körper proportional sein; diese Stösse aber
„sind dem Produkte des Quadrats der Geschwindigkeiten
„in die Densitäten, d. h. DV* proportional. Also ist die
„Wärme ebenfalls DV? proportional.“
Zur Bestimmung dieser Geschwindigkeit schlägt Ber:
mann einen Versuch vor, der ungefähr in RR
besteht: man konstruire ein Heberbarometer, dessen
kürzerer Schenkel die Gestalt eines Cylinders habe, mit
einem im Verhältniss zu demjenigen des 2. Schenkels be-
deutenden Durchmesser; ist das Barometer mit Queck-
silber gefüllt, so beobachte man, bei kalter Witterung,
die Höhe der Quecksilbersäule, verschliesse dann den
offenen Schenkel, so dass die in demselben abgeschlos-
sene Luft mit der äusseren ‚durchaus keine Verbindung
mehr habe. Es werde nun diese Luft erwärmt, sie wird
sich ausdehnen, und, in Folge dessen, die Quecksilber-
säule im Barometer zunehmen. — Nach Hermann wird
der Quecksilberdruck dem Luftdruck auf die Quecksilber-
oberfläche im kürzeren Barometerschenkel gleich, und
dieser letztere, nach seinem Satze, dem Produkte V?D
proportional sein. Kennt man daher die Durchmesser
— 2% —
ce und b des längeren und des kürzeren Schenkels, die
ursprüngliche Höhe a der: Quecksilbersäule, die Steigung
x. derselben im längeren Schenkel und die ursprüngliche
Höhe e der Luftsäule vor der Erwärmung im kürzeren
Schenkel, so lässt sich eine Zahl berechnen, mit welcher
V proportional sein müsste. — Die Formel, welche Her-
mann findet, führen wir hier nicht an; denn die ganze
Sache ist an und für sich werthlos und hat nur geschicht-
liches Interesse. —
5) Clausius, in seinen berühmten Abhandlungen
über die Wärme, (2. Abth., Abhandlung XIV., S. 231)
führt eine Stelle von Lesage an, in welchem dieser Ge-
lehrte das Werk Ilermann’s unter denjenigen aufzählt,
worin dynamische Meinungen über das Wesen der Luft
ausgesprochen werden. Lesage führt aber dabei nicht das
soeben besprochene Kapitel der Phoronomia über die
innere Bewegung der Flüssigkeiten, sondern ein ganz an-
deres, das 6e an, welches den Titel führt: Ueber die
elastische Kraft der Luft. In diesem Kapitel, in
welchem Hermann vorzüglich die Wirkung der Luftpumpe
auf mathematischem Wege untersucht, berührt derselbe
allerdings die Hypothesen über die Beschaffenheit der
Luft; er bespricht namentlich diejenige von Parent; in
derselben wäre die elastische Kraft der Luft durch die
Wirkung der ztherischen Materie verursacht, welche mit
grosser Geschwindigkeit durch alle Zwischenräume zwi-
schen den Luftmolekülen hindurchströmt. — Hermann
(S. 182) sagt: er habe sich vor mehreren Jahren eine ähn-
liche Hypothesis erdacht, dieselbe hingegen aufgegeben,
weil sie auf den Schluss führen würde, dass nicht nur
die Gaze, sondern auch alle flüssigen Körper elastische
Kraft besitzen. — Seine Betrachtungen über dieses Thema
schliesst Herrmann mit folgender Bemerkung (Seite 483):
— 297 —
„Was auch die physische Ursache der Elastici-
tät der Luft sein möge, so genügt es für un-
seren Zweck, dass dieselbe in der Luft vor-
handen sei etc.“ In dem folgenden Kapitel VII., über
die elastische Kraft der Luft, mit den Densi-
täten derselben verglichen, treffen wir (Seite 189,
Nr. 339) eine Bemerkung, aus der einige Einsicht in die
Anschauungsweise Hermann’s gewonnen werden kann:
„Da die Elasticität der Luft, sagt er, in denjenigen Wir-
„kungen besteht, welche in den Luftmolekülen das Be-
„streben sich von einander zu entfernen erzeugen, so
„ist es klar, dass der Druck, den irgend eine Ebene, wo-
„durch die Ausdehnung der Luft verhindert wird, von den
„an derselben anliegenden Lufttheilchen erleidet, gleich
„ist der Gesammtkraft der einzelnen drückenden Mole-
külen.“ —
So viel über Hermann's Leistungen auf dem Gebiete
der mechanischen Wärmetheorie; freilich sind sie von
geringem Umfang; zeigen uns jedoch, dass dieser Gelehrte
ganz klare Begriffe über das Wesen der Wärme hatte
und dass er, namentlich, mit voller Sicherheit ein mecha-
nisches Maass derselben erfasst hatte.
6) Euler’s Ansichten über das Wesen der Wärme,
sowie einen Versuch einer mechanischen Theorie der Gaze»
resp. der athmosphärischen Luft, finden wir schon in einer
seiner allerersten Abhandlungen, in der dritten nämlich,
welche er in den Memoiren der Petersburger Akademie
veröffentlichte. Diese Abhandlung trägt die Ueberschrift:
Versuch einer Erklärung der Erscheinungen
der Luft;*) sie wurde der Akademie im September 1727
mitgetheilt und ist daher von Euler wahrscheinlich am
*) Comment. academiae scient. imper. petropol. Bd. Il. Pag. 347,
Tentamen explicationis plaenomenorum aeris.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 782,
Schlusse seines 20. Lebensjahres (geboren in Basel 1707,
gest. in Petersburg 1783) verfasst worden; diese Thatsache
ist erwähnenswerth, weil sie uns einen Beweis geben wird
von der Beständigkeit, mit welcher Euler, während seines
ganzen Lebens, die physikalischen Theorien Kartesianischer
Ahstammung vertheidigte.
Nach Euler besteht die Luft aus einer Menge unend-
lich kleiner Kügelchen, in welchen die sogenannte dünne
Materie (materia subtilis) in einer Drehungsbewegung be-
griffen ist; die aus dieser Drehungsbewegung entstehende
Centrifugalkraft, hat das Bestreben, die Kügelchen aus-
zudehnen, und dehnt sıe auch, wenn die einer solchen
Ausdehnung entgegenwirkenden Hindernisse beseitigt wer-
den, wirklich aus. Ausserdem denkt sich Euler jedes
Kügelchen mit einem dünnen wässerigen Häutchen (Pel-
licula) überzogen, das sıch aus den in der Luft vorhan-
denen Dämpfen bildet.
„Auf diese Art, sagt Euler (Seite 349), besteht die
„Luft aus einer unendlichen Anzahl sehr kleiner Blasen,
„deren äussere Kruste von Wasser gebildet wird, und, je
„nach dem Stande der Athmosphäre, mehr oder weniger
„dick ist; innerhalb dieser Kruste rotirt die subtile Ma-
„terie mit einer gewissen Geschwindigkeit, welche ausser-
‚dem von einer anderen noch feineren Materie, die alle
„Poren durchdringt, Beschleunigungen erhält, damit die
„Bewegung nicht schliesslich verbraucht werde und ver-
„schwinde. — Es ist in der That sicher, dass die Luft
„die einmal aufgenommene Wärme nach und nach ver-
„liert; da aber die Luft durch die Wärme verdünnt wird,
„so folgt daraus, dass die subtile Materie durch die Wärme
„ın einen heftigeren Bewegungszustand versetzt wird;
„nimmt also die Wärme ab, so ist es ein Zeichen, dass
„die Bewegung der Materie verzögert wird.“
—_— 29 —
Diese Stelle zeigt uns, dass, für Euler, zwischen dem
Bewegungszustand der Materie in den Luftkügelchen und
der denselben innewohnenden Wärme ein ‘inniger Zu-
sammenhang vorhanden ist, ja, dass Wärme und Bewegung
identisch sind.
Aus der soeben angedeuteten Beschaffenheit der Luft,
folgt ihre in’s Unendliche gehende Ausdehnbarkeit, wenn
keine Widerstände vorhanden sind; ein solcher aber ent-
steht aus der Gravität. Andererseits wird man die Luft nicht
über eine gewisse Grenze hinaus zusammendrücken kön-
nen; denn bei der Ausdehnung bilden sich im Inneren
der Kügelchen leere Räume; werden nun dieselben durch
Zusammendrücken schliesslich auf Null reducirt, so hat
man die Grenze erreicht, über welche hinaus keine weitere
Volumenverminderung möglich ist. — Die Geschwindig-
keit der rotirenden Theilchen der subtilen Materie ist,
nach Euler, für alle Theilchen dieselbe.
7) Im Zustande der höchsten Zusammendrückung be-
steht also jedes Luftkügelchen aus einem Kerne von sub-
tiler Materie mit dem Radius h, und aus einer kugel-
förmigen Schale von Wasser; ist h, der äussere Radius
dieser Schale, so ist h,-h ihre Dicke; im Ausdehnungs-
zustand findet man in jedem dieser Luftkügelchen:
4..einen inneren leeren Raum vom Radius c;
2. eine Kugelschale, die durch die subtile Materie
gebildet wird; ihr innerer Radius ist c, während
der äussere mit b bezeichnet werden mag;
3. eine äussere Kugelschale, welche aus Wasser
besteht, ihr innerer Radius ist b, während der
äussere Radius mit a bezeichnet wird.
— 30 —
..», Wenn nun unter
m das specifische Gewicht des Wassers;
oh » „der subtilen Materie;
en . ng der Luft, d. h. das Verhältniss
des ganzen Gewichts des Kügelchens zum Gewicht des
gleichen Wasservolumens
v die Geschwindigkeit der Theilchen der subtilen Materie,
g die Besehleunigung der Schwerkraft,
verstanden werden, so erhält Euler für den Ausdruck
der Centrifugalkraft auf die äussere Oberfläche der Kugel-
schale von subtiler Materie:
2any? [b? — c2]
Diese Centrifugalkraft ist nun die Kraft, welche die
Ausdehnung des Theilchens bewirkt, d.h. sie. ist die
elastische Kraft der Luft. —
Durch eine Reihe von sinnreichen Transformationen
wird dieser Ausdruck auf die Form gebracht,
Al Re
— YIm—pm+pn — ri
wobei p= 5
f
Auf die Flächeneinheit vertheilt, erhält man also für
die elastische Kraft E:
Ava? m—i+pi—pm+pn
RE, gern m par pn }
_ VE] tn
—pm-+pn
Diese Kraft ist demnach proportional dem Quadrate
der Geschwindigkeit der rotirenden Theilchen, ein Resul-
— 3001 —
tat, welches Clausius z. B. in den mathematischen Zu-
sätzen zu seiner Abhandlung XIV. (Bd. II., Seite 251) 130
Jahre später ebenfalls findet.
‘Euler betrachtet nun den Fall, wo der Wasserdampf-
antheil null ist, wo daher
m=oh=h undp=!1 ist,
abi:
die Formel geht dann über #
2 zu
E= pt "vET }; oder:
PS 3 3
nn Io? — Yh-17 m
Ist nun die Luft beinahe im Zustande der grössten
Kondensation, d. h. ist beinahe i=n, so wird
|
2
1 Be beinahe, d. h. in einer schon bedeutend
komprimirten Luft wird die elastische Kraft nicht mehr
bedeutend geändert werden können; (freilich könnte dabei
durch Zunahme von v ein anderes Ergebniss heraus-
kommen).
Ist hingegen i gegen n sehr klein, d. h. ist die Luft
vom ‚Zustand der Maximalkondensation bedeutend ent-
fernt, so lässt sich VmZiR wie folgt schreiben:
4 2 f
? 2, mit z BA Fe |
af -n’—ın lich a
und bei Vernachlässigung der Glieder, welche die höheren
Potenzen von: i enthalten:
EL EEE
2g re
— 302 —
.. Das heisst, für den vorausgesetzten Luftzustand. ist
die elastische Kraft der Dichtigkeit der Luft proportional,
was nichts anders als das von Boyle und von Mariotte
entdeckte, und nach dem letzteren (1679) genannte ‚Gesetz
ist: eben weil dieses Gesetz für.die Luft im gewöhnlichen
Zustande stattfindet, schliesst daraus Euler, dass unsere
Luft von dem Zustande höchster Kondensation weit ent-
fernt sei.
Will man das Glied noch berücksichtigen, welches
die 2. Potenz von i enthält, so erhält man:
ı2
ey i
E- n RZ 9 He oder
9 yas
Euler sucht dann, durch Benutzung der Versuche
Boyle's über die Zunahme der elastischen Kraft der Luft
mit der Kompression, aus dieser Gleichung das Verhält-
5 n
niss von — zu berechnen. —
8) Im Weiteren berechnet Euler die Höhe f der
Quecksilbersäule, die eine Luftblase im gegebenen Zu-
stande tragen kann: wenn » das specifische Gewicht des
Quecksilbers ist, so ist der Druck der Säule f auf die
halbe Oberfläche des Luftkügelchens vom Radius a,
P. = 2aa’rf,
Die elastische Kraft auf der gleichen Fläche ist:
B anv?2a? er Sn
omg: Ylm-i+pi-pm+pn]?-YIm-pm+pn-i]
— 308 —
und also ergibt sich die Gleichung ;
i 3 „oo
f nv? rYm-i+pı-pm+ pn)’ — YIm-pm+pn-i]?
a 2a.» ch ot Ans
Yim- pm + pn]‘
Ist ı klein gegen n, d. h. betrachtet man die Luft
in einem von demjenigen der Maximalkondensation be-
deutend abweichenden Zustande, so findet man durch
Entwicklung des ersten Wurzelausdrucks im Zähler an-
näbernd:
ar n.v”.p.i
3vlm-pm+pn|g
Ist die Luft frei von Wasserdämpfen, so istp = A,
m= o und
Ist Wasserdampf vorhanden, so ist p<< A und zwar
um so mehr von 1 verschieden, als der Wasserdampf-
gehalt bedeutender ist; man setze dherp=1 — qq
so ıst
v2i Norman egun /
3v.g qm +n[1 — q]\
Der Bruch a ee a nn Zr nimmt mit q zugleich
zu und ab; es wird daher, sagt Euler, die Quecksilber-
säule, resp. die Barometersäule steigen, wenn q abnimmt,
und fallen, wenn q, d. h. wenn der Feuchtigkeitsgehalt
der Luft zunimmt.
„Und das ist, denke ich, fährt er (Seite 366) fort, der
„Grund, warum das Steigen des Quecksilbers im Baro_
„meter meistens einen reinen Himmel (resp. schön Wet-
„ter), das Fallen desselben hingegen Regen :und eine un-
„günstige Witterung anzeigt.‘
[=
— 304 —
. \ 1 v3
Bei trockener Luft hat man gefunden: f= ==
Daraus ergiebt sich v?=3f. — oder o= V f78./3
v
Da — ‚g und f Beobachtungsgrössen sind, so lässt
sich aus dieser Formel die Geschwindigkeit v berechnen,
dieses führt auch Euler aus, und findet:
| v= 1518',.5 Rhein.
unseres Wissens die erste nummerische Bestimmung die-
ser Art.
Setzt man in diese Formel
f= 0",760 g= 9», 81 = = 10470
so ergibt sich
v= 484" — 1542° Rhein.
In der schon angeführten Abhandlung hat
Clausius, im‘Jahre 1857, für.die Geschwindigkeit der
fortschreitenden Bewegung der Moleküle von Sauerstoff
und Stickstoff gefunden (Seite 256):
für Stickstoff 492 meter
für Sauerstoff 46 lim
Das arithmetische Mittel beider Zahlen, wenn man
dieselben proportional der chemischen Zusammensetzuag
der athmosphärischen Luft ‘nach dem Gewichte [N=0,77
0=0,23] berücksichtigt, ergibt: 484”, 871545‘ Rheinl.
eine Zahl, welche mit der vorhin aus der Euler’schen
Formel berechneten beinahe übereinstimmt.
Nimmt man einfach das arithmetische Mittel beider
Zahlen, so ergibt sich 476,5” oder 1518‘,2 Rhein., eine
Zahl, welche ‘mit der 'Euler’schen wiederum fast ganz
genau zusammenfällt. —
Seine Arbeit schliesst Euler mit den Worten: „Hier
— 305° —
„schliesse ich diese Abhandlung, da genaue Versuche
„fehlen, woraus die noch wünschbaren Bestimmungen ge-
„macht werden könnten und welche diese Theorie voll-
„ständiger bestätigten. Das Verhältniss von n;i ist noch
„unsicher. Ich werde zur Erforschung desselben durch
„Veranstaltung geeigneter, genauer Versuche mit Fleiss
„arbeiten. ‘Hätte man nämlich die Grösse n, so liessen
„sich die von uns gefundenen Formeln auf die Praxis
„leicht anwenden, und mit Hülfe anderer geeigneter In-
„strumente zu jeder Zeit die Menge des in der Luft ent-
„haltenen Wassers angeben.“
Diese Versuche scheint, Euler nicht ausgeführt zu
haben, was man leicht begreift, wenn man an die kolos-
sale Arbeit denkt, welcher er sich von nun an auf dem
Gebiete der reinen Mathematik, der Mechanik und der
physischen Astronomie hingab.
9) Auf die Euler’sche Arbeit folgt in chro-
uologischer Reihenfolge das klassische Werk Daniel Ber-
noulli’s I., die berühmte Hydrodynamik.*)
Daniel Bernoulli I. (1700. Gröningen — 1782. Basel)
hatte seine Hydrodynamik von 1730 bis 1734 ausgearbei-
tet ;**) der Druck rückte hingegen so langsam vorwärts,
dass das Werk erst 1738 in den Buchhandel kam. —
In der 10. Section dieses Buches ***), welche von
*) Danielis Bernoulli etc, hydrodynamica sive de viribus et
motibus fluidorum commentari. Argentorati. 1738. 4.
**) Hierüber vide unter anderen: Wolf’s Biographien zur Kultur-
geschichte der Schweiz. Bd. IIl., Seite 168 u. fi. —
**%*) Hydrodynamica. Sectio decima, pag. 200. De affectionibus
atque motibus fluidorum elasticorum, pr&cipue autem aöris. — Im
Band 107 (Seite 490—494) von Poggendorf’s Annalen findet man eine
Uebersetzung: der 6 ersten Paragraphen dieser Section der Hydro-
dynamica.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 783.
— 306 —
den Eigenschaften und den Bewegungen der Gaze, nament-
lich der Luft, handelt, finden wir die sehr deutlich aus-
gesprochene Ansicht Daniel Bernoulli's über das Wesen
dieser Körper. ‚Man denke sich, sagt er, (Seite 200, $ 2)
einen verticalen, von einem mit dem Gewichte P be-
lasteten Kolben geschlossenen Cylinder; es befinden sich
im Innern desselben sehr kleine, mit einer sehr grossen
Geschwindigkeit hin und her gehende Körperchen; diese
Körperchen, indem sie gegen den Kolben stossen, und
denselben durch ihre fortwährend wiederholten Stösse
unterstützen, bilden ein elastisches Fluidum, das sich, bei
Verminderung oder Entfernung des Gewichts P, ausdehnen,
und das, bei Vermehrung desselben, zusammengedrückt
wird: dieses Fluidum gravitirt gegen den Boden des Cy-
linders, nicht anders, als wenn es keine elastische Kraft
hätte: denn, mögen die Körperchen ruhen oder in Be-
wegung begriffen sein, ihre Schwere wird nicht geändert,
so dass der Boden sowohl das Gewicht, als die Elastici-
tät des Fluidums zu tragen hat. Ein solches Fluidum,
da es mit den Haupteigenschaften der elastischen Fluida
im Einklang steht, denken wir uns an der Stelle der Luft
(subsituemus aeri) und werden auf diese Weise schon
bekannte Eigenschaften derselben erklären, sowie andere
noch nicht genügend erforschte Erscheinungen beleuchten.
Es bezeichnet nun Bernoulli mit P den athmosphä-
rischen Druck, mit 4 die diesem Druck entsprechende
Höhe des Lufteylinders; die Luft werde so comprimirt,
dass die Höhe der nunmehrigen Luftsäule s sei; es sei
endlich n die Anzahl der Theilchen, deren Geschwindig-
keit, vor und nach der Kondensation, als gleich ange-
nommen wird. ‚Nach der Kondensation wird der Druck
gegen den Kolben zugenommen haben, weil mehr Theil-
chen als vorher gegen denselben stossen, und weil die
a BR
Stösse der einzelnen Theilchen häufiger geworden sind:
es sei endlich das Verhältniss der mittleren Entfer-
3
Ym
nung der Mittelpunkte der als Kugeln gedachten Körper-
chen zum Durchmesser derselben ; Bernoulli leitet auf
höchst einfachem Wege für die elastische Kraft z der
Luft nach der Kondensation, die Formel ab:
3
POLEN) ı 1. Um,
s — Yms?
Es bemerkt aber Bernoulli weiter, dass ‚‚die Elastici-
„tät der Luft nicht allein durch Kondensation vermehrt
‚werde, sondern auch durch Zunahme der Wärme, und
„weil es feststeht, dass die Wärme überall durch Zu-
„nahme der innern Bewegung der Theilchen vermehrt
„wird, so folgt daraus, dass, wenn die Elasticität der Luft
„bei unverändertem Volumen zunimmt, dieses ein Zeichen
„einer intensiveren Bewegung der Lufttheilchen ist, was
„mit unserer Hypothese ühereinstimmt;“ Bernoulli weist
nach, dass der Druck, für den er den obigen Ausdruck
gefunden hat, ausserdem noch dem Quadrate der Ge-
schwindigkeit v der Lufttheilchen proportional sein muss,
so dass schliesslich:
3
HP. rain 2,
s — Ym.s?
10) Die Erscheinungen zeigen, dass man die natürliche
Luft beinahe auf ein unendlich kleines Volumen zusam-
mendrücken kann; man darf daher, sagt Bernoulli, die
Grösse m annähernd gleich null setzen, und somit für
— 308 —
natürliche, sowie für dünnere als die natürliche Luft setzen:
ER
The
Ob diese letztere Formel für komprimirte Luft noch
gültig sei, halte er (D. Bernoulli) für nicht genügend unter-
sucht; Versuche mit der hier zu verlangenden Genauig-
keit seien noch nicht angestellt worden; ein einziger
wäre zur Bestimmung von m nöthig; er sollte aber sehr
genau und mit stark komprimirter Luft ausgeführt wer-
den; den Grad der Wärme in der komprimirten Luft
müsse man aber dabei sorgfältig unveränderlich unter-
halten.
Diese Formel nun, bei konstant bleibendem v, drückt
einfach das Mariott’sche Gesetz aus; sie schliesst auch
durch die Proportionalität des Drucks x mit dem Qua-
drate v? das Gay-Lussac’sche Gesetz in sich; in der That,
man denke sich Luft unter dem Volumen s, dem Druck P
und dem Wärmezustand, den die Geschwindigkeit v cha-
an: ; Fake
rakterisirt;, es ist also z =
a
S
Es werde, ohne Volumenveränderung, v um Av ver-
mehrt; die elastische Kraft nimmt um 4x zu und man hat
Aa — ar + v2!
\
Es werde nun das gleiche Luftquantum bei der durch
v definirten Temperatur auf das Volumen — zusam-
v
mengedrückt; die elastische Kraft wird:
Pv?
NA — —mv
Bei unverändertem Volumen nehme nun v wieder
um Av zu, so ist die Zunahme der elastischen Kraft
P
An, = Fri \aıv + av|
— 309 —
Woraus folgt I __ A 2
2 v Ss
Oder die Zunahmen der Elasticitäten, welche gleiche
Wärme-Zunahmen erzeugen, sind den Volumina umge-
kehrt, also auch den Dichtigkeiten direkt proportional. —
Dieses ist aber eine direkte Folge des Gay-Lussac’schen
Gesetzes. *) Das gleiche Resultat hätte sich auch aus der
schon behandelten Euler’schen Formel ergeben. Der Un-
terschied ist aber, dass, während Euler diesen Umstand
nicht beachtet hatte, Daniel Bernoulli den Satz aufstellte
und sich nach experimenteller Bestätigung desselben um-
sah ; ausserdem schlug er vor, den Wärmegrad der Luft
(Seite 20%, $ 8) der Elasticität desselben proportional
zu setzen, was soviel hiess, als die Temperatur durch
die Grösse [Konstante .V v?] zu messen.
„Dieses Theorem, sagt B. ($ 7, Seite 203), durch
‚welches angezeigt wird, dass in jeder Luft von irgend
„welcher Densität, aber von gleichem Wärmegrade, die
„Blasticitäten sich wie die Dichtigkeiten verhalten, und,
„dass selbst die Zunahmen der Elastieitäten, die aus glei-
„chen Wärmezunahmen entstehen, den Dichtigkeiten pro-
„portional sind, ist durch Amontons auf dem Wege der
*) Es sei nämlich ein Volumen V von Luft unter dem Druck P
und bei der Temperatur t; es ist also P.V —= Const. [1 + at] der
Ausdruck des Mariotte-Gay-Lussac’schen Gesetzes; nehmen bei kon-
stantem Volumen die Temperatur um At und der Druck um AP zu,
so ist: AP.V = Const. a.At;
Es sei unter dem Druck P,, das Luftvolumen V,, bei der Tem-
peratur t; es ist wieder P,V, — Const. [l + at], es nehme wieder
t um At, also Pı um AP, zu; man hat: AP,.V, = Const. a.At; und
folglich :
AP.V N AP Vj;
AP-V, — oder IP, = wie oben.
— 310° —
„Erfahrung gelehrt und von ihm in den Memoires de
„Acad. de Paris pour l’annee 1702 berichtet worden.“
44) Ohne uns bei den Betrachtungen aufzuhalten,
welche D. Bernoulli über den Zustand der Athmosphäre
und die Aenderungen derselben anstellte, wollen wir noch
eines Versuches der Ableitung einer Formel zur Bestim-
mung des athmosphärischen Drucks in einer gegebenen
Höhe erwähnen (Hydrodyn. Sectio 10 — Seite 213 u. ff.)
der, wenngleich verfehlt, immerhin von der genialen Auf-
fassung D. Bernoulli's zeugt, und als erste Anwendung
der dynamischen Theorie der Gaze auf die barometrische
Höhenmessung von geschichtlichem Interesse ist.
Schon Mariotte *) hatte eine Regel gesucht zur Be-
stimmung der Höhen durch Barometerbeobachtungen
obgleich er aber das richtige Princip, welches zu Grunde
zu legen war, kannte, liess er sich zu einer ganz falschen
Berechnungsregel verleiten, so dass der Engländer Halley
(1656 —1724) es war, welcher 1686 **) die erste richtige
Theorie der hypsometrischen Barometerformel zuerst lie-
ferte. Die Formel, zu welcher er gelangt, ist:
a: DD RN BERNIE
= Does oo u 000
wobei x die zu berechnende Höhe und h die Barometer-
höhe am betreffenden Ort, in engl. Zoll ausgedrückt, sind.
Daniel Bernoulli nahm 4 Barometer-Beobachtungen an
Orten von bekannten Höhen über dem Meeresspiegel, und
berechnete aus denselben die jedesmalige Elasticität E
*) Fischer. Geschichte der Physik. Göttingen 1802. Bd. II.,
Seite 589 u. ff.
*#) Philosoph. Transactions für 1686. Discourse of
the Rule of the decrease of the heigt of the Mercury in the Baro-
are according as places are elevated above the surface of the
arth. etc.
— MM —
der Luft, diejenige am Meeresspiegel = I gesetzt; dann,
für die Annahme x = Const. log. = ‚ [welche also der
Halley’schen Theorie entspricht], suchte er für diese 4
Beobachtungen E aus der Formel zu ermitteln.
Nach der 1. Beobachtung war,in einer Höhe von
1070‘ Pariser Fuss über dem Meeresspiegel die Baro-
metersäule von 28,4 [Stand am Meeresspiegel] um 16”
gefallen; nimmt man die Elasticität der Luft am Meeres-
spiegel als A an, so ist dann für diesen Fall, nach dem
Mariotte'schen Gesetze, E = 0,9520; diese Werthe für
x und E in die vorige Formel eingesetzt, geben:
x [TV 1070
= ———— =50N% .
log — log 0,9520
Const. =
Diese Formel wird nun x — 50194 log ai [1]
wendet man sie auf die übrigen 3 Beobachtungen an, so
ergibt sich Folgendes:
Hohe über | Hohe des Werthe von E | Werth von B
dem Barometersam; Barometrische aus den aus der Formel: | Diferenz.
Meeresspiegel, Meeresspiegel, | Depression. | Beobachtungen. |log E — — om
Pariser Fuss
1542‘ 128°, 2.) 21” |E = 0,9364 E—0,9317.|+0,0047
13158. 127“ 10“ 10,5“ \E — 0,6257 E — 0,5469 | + 0,0788
65° 128”. 1" |E = 0,9970|E = 0,9973 0,0003.
Diese Abweichungen zwischen den Ergebnissen der
Beobachtungen und denjenigen der Rechnung veranlas-
sen D. Bernoulli die Formel [1], d. h. das Gesetz der
Proportionalität der Elasticität der Luft in verschiedenen
Höhen mit den Dichtigkeiten zu verwerfen, und anzu-
— 2 —
nehmen, dass, in verschiedenen Höhen der mittlere Wärme-
zustand auch verschieden sei. —
„Das wirkliche Gesetz, sagt er Seite 216, welches die
„Natur 'befolgt, zu finden, ist, glaube ich, kaum zu hof-
„fen: denn’ wer wird anders als mit Hülfe von schwachen
„Muthmassungen zu dem Gesetze der mittleren Geschwin-
„digkeiten der Theilöhen der Luft gelangen; ich bin je-
„doch vielleicht auf eine gewisse Hypothesis gefallen,
„welche den Erscheinungen nicht übel entspricht; zuerst
„werde ich die Gleichung (eigentlich die Curve) für jedes
„beliebige Gesetz der Geschwindigkeiten geben, und dann
„zu dieser speziellen Hypothesis übergehen.«
Es seien:
a die mittlere Geschwindigkeit der Lufttheilchen ;
D°® = Dichtigkeit der Luft; Meeres-
c , Elastieität der Luft; spiegel;
v „ mittlere Geschwindigkeit der a = der
‚ A : öhe x
zZ „ mittlere Dichtigkeit der Luft; über dem
y „ Elastieität der Luft; een
Nach dem weiter oben angeführten Satze hat man:
yiı m NM
CE rn
Und man gelangt bald zu der Differential-Gleichung:
ayı WEHR
\ y.) — inoiy?
wobei n eine Konstante ist.
Kennt man v als Funktion von x, so ergibt die In-
tegration y als Funktion von x, also auch x als Funktion
von y; nimmt man v = Const = a, so kommt:
C b
log — = r
Y 1
d. h. 'man fällt auf das Halley’sche Gesetz wieder, welches
— 313 —
D. Bernoulli verwirft. Er versucht nun für v die Be-
ziehung v?:= a? + mx; wobei m eine Konstante be-
zeichnet.
Es ist dann
d a’h dx r A
—_ _—ı_- 2 warans log —— p log- zur
Y ne [a? + mx] y°Tihne a
Bernoulli setzt nun, wegen der Willkürlilchkeit von
a?b I
m und n: Bee 1 ,so dass schliesslich:
IN ass a’
Gral Fax
d. h. die Elasticitäten verhalten sich umgekehrt wie die
Quadrate der Geschwindigkeiten der Lufttheilchen. Den
erwähnten Beobachtungen zu befriedigen, muss man
2
2 29000 nehmen; es ist dann:
ph 9 22000 22000 2
e 722000 + x 22000 + x
Die Höhe x wäre demnach er durch die
Formel:
x = 22000. 2 Y
y
Die Formel n ‚auf die 4 vorigen Beobachtungen
angewendet, gibt:
Ihn Ike aus den Pmah I nach der Formel nn Differenz.
1070| 0,9520 0,9536 — 0,0016
1.542 0,936& 0,9345 + 0,0019
13158° 0,6257 0,6257 0.0000
65° 0,9970 0,99705 — 0,00005
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 784.
— 3 —
Diese Formel genügte also, wie man sieht, besser
als die vorige, den angegebenen Beobachtungen ;mit der-
selben betrachtete übrigens D. Bernoulli die Frage durch-
aus nicht als erledigt; sagt er ja (Seite 217): „unterdessen
„betrachte ich selbst diese Sache nicht anders als wie
„eine precäre Hypothese, und die Rechnung habe ich
„aus keiner andern Ursache vorausgeschickt, als um einen
„Grund anzugeben, wie es geschehen kann, dass die
„verticalen Höhen den Logarithmen der barometrischen
„Höhen nicht entsprechen, wie es der Fall sein müsste,
„wenn die Wärme durch die ganze Athmosphäre gleich-
„mässig wäre.“ D. Bernoulli hatte dabei die Hauptein-
wendung gegen das Gesetz v’—=a? + mx nicht übersehen,
die nämlich, dass, nach demselben, die Wärme mit der
Höhe über der Oberfläche des Meeres zunehmen müsse,
während alle Erfahrungen das Gegentheil zeigen. Er
meint, da er bloss von der mittleren Wärme in der freien
Athmosphäre rede, so könne wohl für dieselbe das er-
wähnte Gesetz wahr sein, während aus anderen Ursachen
die reelle Wärme (calor realis) in den Bergen nicht zu-
nehme.
Aus dieser Auseinandersetzung der Bernoulli'schen
Anschauungsweise über die Wärme und die Beschaffen-
heit der Gaze sieht man, dass er in den Resultaten eigent-
lich nicht weiter als Euler gegangen war: seine Hypothese
hat aber vor der Euler'schen den Vorzug, weit allgemei-
ner und einfacher zu sein, sowie seine Ableitung der
Formel für die elastische Kraft der Luft viel natürlicher
ist. Im Ganzen vertritt Bernoulli mehr den nüchternen
Standpunkt des eigentlichen Physikers, (abgesehen von
der Barometerformel) der sich der Mathematik als eines
Hülfsmittels bedient, während Euler eher der Mathematiker
ist, welcher in seinen physikalischen Betrachtungen ein
— 315 —
Thema zu seinen mathematischen Ableitungen erblickt,
und daher, auf dem Gebiete der physikalischen Hypo-
thesen, weniger bedenklich ist. —
12) Zum Schluss nun gehen wir zur Betrachtung einer
der letzten Abhandlungen Euler’s über; sie befindet sich
in den Memoiren der Petersburger Academie für 1779 *)
und ist eigentlich eine Bearbeitung der Abhandlung von
1727. — In dieser Arbeit bezieht sich Euler auf die vor
50 Jahren veröffentlichte Theorie, deren Mängel er der
damals lückenhaften Theorie der Flüssigkeiten zuschreibt;
die Grundideen hält er indessen fest, ohne sie desshalb
als in Uebereinstimmung mit der Natur zu halten;
es kann jedoch geschehen, sagt er, dass eine gewisse
Hypothese zur Erklärung mehrerer Naturerscheinungen
»ebenso gut genügt, als wenn uns die wahre Ursache
»derselben bekannt wäre; auf diese Art, zum Beispiel
»pflegen fast alle Bewegungen der Himmelskörper mi
»dem glücklichsten Erfolge aus der Hypothese der all-
»gemeinen Anziehung bestimmt zu werden, obgleich
»diese Hypothese selbst aus der Physik gänz-
»lich verworfen werden sollte.« Diese letzten
Worte zeigen uns auch, wie sehr Euler bis zu seinem
Lebensende Cartesianer geblieben oder wenigstens, wie
wenig er Newtonianer geworden war.
Die Luft besteht also wieder, in dieser neuen Arbeit
Euler’s, aus kleinen Kügelchen, in welchen 3 Theile zu
unterscheiden sind: 4. ein innerer Raum mit Gewichts-
losem Aether gefüllt; 2. eine aus dem eigentlichen,
in heftiger Drehungs- Bewegung begriffenen Luftstoff
*) Acta Academix® scientiarium imper. Petrop. ‚Bd. III. Pars
prior. Petrop. 1783, 4%. Conjectura circa naturam aeris pro expli-
candis ph®nomenis in athmosphera observatis. (Seite 162—187).
.— 316 —
bestehende Kugelschale, um welche herum 3. eine durch
den in der: Luft vorhandenen Wasserdampf gebildete
dünne Kugelschale von Wasser liegt.
Die durch die drehende Bewegung der Luftstoffmole-
küle erzeugte Centrifugalkraft dehnt die Kügelchen aus
und. darin liegt die Ursache der Elasticität der Luft. —
Unter den Gründen zur Annahme einer solchen drehen-
den Bewegung führt Euler folgendes Argument an:
»Ausserdem, sagt er, da man schon zur Genüge die
»Ueberzeugung hat, dass die Wärme in einer gewissen
»Bewegung des Aethers besteht, so muss dieser Luftstoff
»in den Kügelchen davon (d.h. in Folge der Bewegung des
»im inneren Kerne befindlichen Aethers) schon eine gewisse
»Bewegung erhalten, welche, in einem so engen Raume
»eingeschlossen, nicht anders als in Form einer wirbeln-
»den Bewegung fortgesetzt werden kann; dieses ist um
»so wahrscheinlicher, als, bei zunehmender Wärme und
»daher auch vermehrter wirbelnder Bewegung, die Elas-
pticität der Luft zunimmt; woher es klar ist, dass die
»drehende Bewegung in den Luftkügelchen
»mit der Ursache der Wärme auf das Engste
»zusammenhängt.«
Die Ableitung des durch die Centrifugalkraft hervor-
gebrachten Drucks findet in ‚anderer, Weise, als bei der
A. Abhandlung, statt, und führt unter der Annahme, dass
der Luftstoff gleiche Dichtigkeit. wie; Wasser [also 1] hat,
für den Druck in der Entfernung x vom Mittelpunkt des
Lufikügelchens, auf den Ausdruck:
c?
a log x + Const.
Oo
wobei c die allen Theilchen des Luftstoffes gemeinsame
Geschwindigkeit, g die Beschleunigung der Schwerkraft
und p die Höhe einer Wassersäule bezeichnen, deren
— 317 —
Gewicht dem Druck an der betreffenden Stelle gleich
wäre; (p ist also die Höhe des Wasserbarometers an
der betreffenden Stelle); ist t der innere, s der äussere
Radius der Kugelschale von Luftstoff, so muss an der
inneren Oberfläche derselben, oder für x —t, der Druck
e?
null sein, woraus C = — log t; und folglich an der
oO
°
äussern Oberfläche, oder für x = s, hat man:
c? {og b8
Be or
D
Dieser Ausdruck lässt sich leicht auf die Form bringen:
ec? 1—ıq
= „log
mg Tg
wobei % den Bruchtheil der Masse des ganzen Luft-
kügelchens, den die Kugelschale von Wasser bildet oder
den hygrometrischen Bruch bezeichnet, und q die mittlere
Dichtigkeit der Luft (nicht des Luftstoffs) in Beziehung
auf Wasser, also bei gewöhnlicher Luft ungefähr , ist.
Wegen der Kleinheit von q kann man den Log. in eine
Reihe entwickeln, und erhält mit genügender Genauigkeit:
c” 4 q
P= 3; |) g+ FIIR] + DR]gN]
13. Diese Formel zeigt zunächst, dass, unter gleichen
Umständen, p, bei zunehmendem hygrometrischen Bruch,
abnimmt; beschränkt man sich auf das erste Glied in der
Klammer, so wird sie
[A] m 3, I IP
8
worin der Ausdruck des Mariotte’schen und des Gay-
Lussac’'schen Gesetzes enthalten ist; aus derselben hat
man
— 318 —
Letzteren Ausdruck *) wendet Euler sofort auf die
Bestimmung von c, für den höchsten und den geringsten
in der freien Luft beobachteten Wärmegrad, an; diese
beiden. Wärmegrade sind am Delisle’schen Thermemeter**)
mit den Zablen 100° und 200° bezeichnet ; [diese Tempera-
turen wären ungefähr gleich + 33° Celsius und — 34°
Celsius].
Für die erste Temperatur findet Euler c—=4790 Rh.F.
wobeiA=o p=34' und q =; angenommen werden.
Für die zweite Temperatur findet Euler c = 1430 Rh. Fuss,
wobei A = o p= 31‘ q = „, angenommen werden.
Es wäre also ein Leichtes, sagt Euler, für die ver-
schiedenen Grade dieses Thermometers die entsprechen-
den Geschwindigkeiten, und überhaupt die irgend einem
Wärmezustand der Luft entsprechende Geschwindigkeit
zu berechnen ; »diese Geschwindigkeit, fährt er fort, soll
»nicht nur als bloss für die Luft geltend betrachtet wer-
»den, deren kleinste Theile wirklich mit einer so grossen
»Geschwindigkeit bewegt werden müssen, sondern auch
»sie scheint ebenfalls fast in allen Körpern stattzufinden.
»Alle Naturforscher sind auch in dem Punkte einig, dass
»die Ursache der Wärme in einer gewissen sehr schnellen
»Bewegung der kleinsten Theilchen besteht. Diese Mei-
»nung ist also nicht nur mit unserer Theorie sehr über-
»einstimmend, sondern auch vermögen wir die Geschwin-
»digkeit selbst, die irgend einem Grade von Wärme ent-
»spricht, anzugeben. Obgleich diese Geschwindigkeit
*) Dieser Ausdruck ist für A = o mit demjenigen der ersten
Abhandlung Euler’s [Seite 304] identisch, denn die in dieser letzteren
vorkommende Grösse f, die Höhe der Quecksilbersäule, ist gleich
SR und was darin i war, ist hier q.
**) Ueber das Delisle'sche Thermometer, vide die vortreffliche
Schrift von Dr. F. Burkhardt: Die wichtigsten Thermo-
meter des XVII. Jahrhunderts. Basel. 1871. 4.
-
»ungeheuer erscheint, muss man jedoch bedenken, dass
»in der Natur noch unvergleichlich grössere Geschwindig-
»keiten gegeben sind; eine solche ist z. B. die Geschwin-
»digkeit der Lichtstrahlen; da nun in denselben die
»Ursache aller Wärme zu suchen ist, so ist es nicht
»merkwürdig, dass daraus ein so grosser Grad von
»Geschwindigkeit erzeugt werden könne.«
Im Weiteren löst Euler die Gleichung
c?
nach den verschiedenen in derselben vorkommenden
ce?
3g
wollen, dass er Eu den Wärme-Grad nennt und somit,
wie D. Bernoulli, Ale mechanische Definition der Tempera-
tur festsetzt. Ein anderer Abschnitt ist einer Untersuchung
über die Zusammendrückung der Luft und die Abwei-
chungen vom Mariott'schen Gesetze gewidmet; wir treten
auf dieselbe nicht ein, da sie für unsern Zweck ohne
Interesse ist, und gehen zum letzten Abschnitt der Ab-
handlung über; welcher die Ueberschrift trägt: De varia-
tione status aeris per universam Athmosphaeram.
1%. In diesem Abschnitt sucht Euler eine Beziehung
zwischen dem Zustand der Athmosphäre in einer Höhe z
über der Erdoberfläche und demselben an der Erdober-
fläche abzuleiten.
Es seien nun:
Grössen, 4, q, und auf, wobei wir nur hervorheben
die Hohe des die Dichtigkeit der der Hygrometrische a RAN RRIERG r
der Drehungsbewegung ia
Wasserbarometers, Luft, Bruch, R
den Luftkügelchen,
auf der Erdoberfläche :
Pi 91 hy 4
in der Höhe z über der Erdoberfläche:
p q h e
— 320 —
Die Formel [A] (Seite 317) giebt:
2
= 1—ı]) a. er
RE tree. DI =
Es ist ferner dp = — qdz, also hat man::
eds
don Ayge pe ie
dieselbe Differentialgleichung, die schon Bernoulli 'gefun-
den; und endlich:
log = el — A] c?
Würde man A w ce als Funktionen: von z haben,
so ergäbe sich das Integral.
Nimmt man Ak =}, und c = c, = Constante, so
findet man:
ei c? Pı
YA I adlızz InBsH
Die Geschwindigkeit wird aber kaum eine konstante
sein dürfen, da alle Beobachtungen eine Abnahme der
Temperatur mit zunehmender Höhe über der Erdober-
fläche nachweisen; Euler versucht daher das Gesetz
2
2. ‚so dass f die Höhe wäre, in. welcher ‚die
1+7-
Temperatur um die Hälfte ihres Betrages an der Erd-
oberfläche abgenommen hätte; bleibt A, unveränderlich,
so hat man nach ausgeführter PAR
g Pı =|: is ek Een [B]
Wäre RN so könnte man durch eine einfache
Barometerbeobachtung in der Höhe z, wenn ausserdem
pı Aı und cc, an der Erdoberfläche beobachtet worden sind,
die Altitude z aus dieser Formel berechnen. — Da man
für jeden Grad des Thermometers ce berechnen kann, so
lässt sich auch z ermitteln, ohne dass man f gerade
— 321: —
kennen muss. In der That aus der hypothetischen Formel
2
ce — findet marf = 2
1 F # . % areil?
und dieser Werth in [B] eingesetzt gibt:
PN > AM—ı] e?, c Pı
rer
Hat man also an der Erdoberfläche und in der Höhe
z, pı und p durch Barometer- ©, und c)aus Thermometer-
beobachtungen ermittelt, so wird man, wenn noch },
bekannt ist, aus der Formel [C] die Altitude z berechnen
können.
Euler hat nicht versucht seine Formel auf bestimmte
Fälle anzuwenden; da es nicht ganz ohne Interesse sein
mag, dieselbe mit den gegenwärtig bestehenden zu ver-
gleichen, ersetzen wir c? und c,?2 durch ihre Werthe,
3gp
nach .der Formel ce = ‚ wobei also A=0o angenom-
men wird; ausserdem ist zu berücksichtigen; dass’ in ‘der
Formel [C] der log en ein hyperbölischer ist und die
Barometerhöhen sich auf das Wasserbarometer beziehen;
mit Berücksichtigung aller dieser Umstände findet man;
ohne Mühe: |
2.h.% 1+oeft+t)+eitt h
wobei:
«@ der Ausdehnungscoefficient für atmosphärische Luft,
h, der Druck einer Atmosphäre = 0,760,
Fr das Verhältniss der Dichtigkeiten des Quecksilbers
und der Luft für den Druck h, und bei der Tempera-
tur 0%.C.,
Bern, Mittheil. 1871. 185.
Ba
Pa 2
t,’ die Lufttemperatur an der unteren Station; nach Celsius,
t ”„ > „ ” ”„ oberen ” . „
h, Quecksilber-Barometerstand an der unteren Station,
h „ » „».„. oberen e
Für h = 0,*760 7 — 10%70. "nach. Eisenlohr] erhält
0
manı[für Metermaass]:
[BE] z — 3664% ,
a — 0,003666.
15. Wenden wir nun diese Formel auf einige Bei-
spiele an, welche wir aus dem bekannten Werke Ramond's
über die Laplace’sche Barometerformel entnehmen:
4. Höhe des Chimboraco:
Barometerstand. Lufttemperatur.
Par. L.
An der unteren Station 27 Kr an a
Meeresufer an der Sudsee b—=337,79. 4 =25),3R.—=310,625C.
Auf dem Chimborago h-=1672 1 =—A19,6R. = —-2,0C;
Höhe des Chimborago:
nach der Euler’schen Formel 5879,7
L „..Laplace’schen y 5876,65
ohne Berücksichtigung der Schwere und der. geogra-
pbischen Breite,
A\+elt+t)t+ tt, 16 N,
2+elt+t] h
2. Höhe des „Pic du midi“ in den Pyrenäen
über Tarbes:
Barometerstand. Lufttemperatur.
In Tarbs 2 22 397,66 0 Rz‘.
Auf dem-Berge h — 241,05 t:=..803.R,, = 10875,C.
Höhe des „Pic du midi‘:
nach der Euler’schen Formel 2600,97
= „ Laplace’schen N 2614,27
Be 2Min
3. Höhe über Paris, welche Gay-Lussac bei
seiner bekannten Luftfahrt [1804] erreichte ;
Barometerstand. Lufttemperatur.
In Paris, h, — 622,24 =, 308R.— , 3895, C.
Im Aerostat oh = 328,80) >= Y5R. = — 100,872 C}
Höhe, welche das Luftschiff erreichte :
nach der Euler'schen Formel 6999,10
di „ Laplace’schen ei 6979,35
Diese Beispiele mögen genügen, um den Werth der
Euler’schen Ableitung zu würdigen; zu einer Zeit, wo
das Werk de Luc’s*) das beste über die barometrischen
Höhenmessungen war, hatte Euler von seiner dynamischen
Anschauung über die Natur der Gaze und das Wesen
der Wärme ausgehend, freilich unter der ‚nicht näher
begründeten Vorausaussetzung des durch. die ‚Formei
Gy?
een
Temperatur mit zunehmender Höhe, eine Formel abgeleitet
welche, wie man soeben gesehen, Resultate liefert, die,
wenn gleich ungenügend, doch eine nicht unbedeutende
Annäherung an der Wahrheit darbieten; es ist kaum
nöthig hervorzuheben, wie sehr diese Formel der Ber-
noulli'schen überlegen ist, und sie ist, unseres Wissens,
nach dieser letzteren, im 18. Jahrhundert der einzige Ver-
such einer, auf dem mechanischen Begriff der Wärme
begründeten, barometrischen Höhenmessung.
ie
ausgedrückten Gesetzes der Abnahme der
Hiemit schliessen wir diese Mittheilungen; aus dem
Gesagten geht hervor, dass wir Hermann, D. Bernoulli und
*) De Luc. Recherches sur les modifications de
V’athmosphere. Geneve. Tom. I. et II. 1772. 40,
Be
Euler mit, Recht als ‚die Vorläufer, derjenigen. Mathe-
matico-Physiker bezeichnen dürfen, welche, in unserem
. Jahrhundert, die mechanische Wärmetheorie gegründet
haben; wir betrachten diese drei Basler blos als Vor-
läufer, nicht als Erfinder oder als Begründer dieser
Theorie; in der That, den grossen Grundsatz der Aequi-
valenz von Wärme. und mechanischer Arbeit, das. eigent-
liche Grundprincip, stellten sie nicht auf, und daher
mussten ihre Leistungen auf diesem Gebiete, zwar geniale,
aber unfruchtbare, nur auf Einzelnheiten, nicht auf all-
gemeine Resultate führende Versuche bleiben.
NB. In diesen Mittheilungen hätten auch die Arbeiten
von Lesage [172#—1803] einen Platz finden sollen;
aber abgesehen davon, dass ich mir seine Arbeit
[in: deux trait@s de mecanique, publies par P. Prewost,
comme simple editeur du premier et comme auteur
du second] nicht verschaffen konnte, kommt er chrono-
logisch, [den Zeitpunkt der Reife seiner theoretischen
Ansichten über die Gaze verlegt er auf.den 1. Dez.1759]
nach unseren drei Baslern, und so muss diese Betrach-
tung auf eine spätere Arbeit ‚verschoben werden,
Ueber Lesage siehe. übrigens die vortreflliche ‚Dar-
stellung seines Lebens und Wirkens in Wolf’s Bio-
graphienzur Kulturgeschichte der Schweiz.
Bd. IV. Seite 173.
— 39 —
d. v. Fischer- Ooster.
Paläontologische Mittheilungen
aus den Freiburger Alpen, sowie aus dem
angrenzenden waadtländischen Gebiete.
(Vorgetragen den 8. November 1871.) |
Diese Mittheilungen schliessen sich. an meine. frühe-
ren in den Jahren 1865 und. 1869 gemachten an. und sind
das Ergebniss der Bereicherung unseres, Naturhistorischen
Museums durch den fleissigen Sammler J. Cardinaux
von Chätel St. Denis während der letzten Jahre. —
Die Bestimmungen der Petrefakten (ausgenommen die
Pflanzen) sind von Herrn Ooster gemacht und werden
demselben hiemit bestens verdankt.
A. Tertiäre Bildungen.
4) Fundort bei der Ziegelei ‚St. Legier unweit Vivis.
Weder in Herrn Heer's Tertiärflora der Schweiz, noch
in den ‚Bulletins der :Waadtländer Naturforschenden Ge-
sellschaft ist jemals von diesem Fundorte Erwähnung ge-
schehen. — Er scheint daher neu zu sein, und verdient
noch weiter ausgebeutet zu werden.
Die Pflanzen von daher sind:
A. Woodwardia Rössneriana, Ung. — Für das Waadt-
land neu.
2. Lastrea Styriaca, Ung.
3. Aspidium Meyeri, Heer?
Wenn ich einigen Zweifel über diese Bestimmung
habe, so ist es, weil unsre Pflanze auch ziemlich gut mit
Fig. 9, Taf. 14% in Heer’s Flora stimmt; Heer zieht diese
Figur zum Aspidium Escheri; liegt aber der Charakter
— 326 —
dieser Art in den spitzen Blattlappen und in den sich
gegenüber stehenden Aesten des Wedels, wie Heer's Taf. 10
zeigt, So)scheint es thunlich ‚die Fig. 9, Taf. 144 noch
zu. Aspidium, Meyeri zu. ziehen, das mehr abgerundete
Lappen ‚und alternirende..Aeste hat. —
4. Taxodium dubium. Heer — häufig.
Glyptostrobus Ungeri. Heer — spärlich.
Populus mutabilis. Heer — in mehreren Varietäten.
Populus balsamoides, Göpp ?
Cinnamomum lanceolatum, Heer.
Cinnamomum polymorphum, Heer.
Quercus Charpentieri. Heer?
u
Das Gestein dieses Fundortes ist theils eine glim-
merreiche, ältere Molasse, wie sie im Eritz vorkommt,
theils eine sehr feinkörnige Mergelmolasse ohne Glimmer;
in ersterer liegen die Farrenkräuter, in letzterer die
Laubhölzer.
2. Fundort Za\ Combaz bei St. Martin im Ct. 'Frei-
burg. ‘— Auch dieser scheint noch nicht bekannt zu sein,
ich finde wenigstens in ’Heer's‘ Flora gar nichts von hier
angegeben. Wir haben von da:
Glyptostrobus Ungeri, Heer — mit Zapfen.
Widdringtonia helvetica, Heer — desgleichen.
Taxodium dubium, Heer.
Grewia cordata, Heer — bisher nur vom Hohenrohne
bekannt.
Salix longa, A. Br.
Salıx media, Heer ?
Populus heliadum, Ung.? — wegen der unter 30°
‚ausgehenden ersten Seitennerven hier; und nicht
‚bei P.;latior Heer untergebracht.
Banksia longifolia, Ettingh., Häring. T. 15, F. 1-26?
— 27 —
3. Fundort: — Chätel. St. Denis‘ — da wo das alte
Schloss gestanden ist. Von hier besitzen wir zahlreiche
Stücke von
Sequoia Langsdorfü, Heer.
Cinnamomum polymorphum, H.
B. Kreide (Neocomien).
Fundort. die Alp Bonnefontaine , auf Tremettaz, an
der Molesonkette. — Von hier. eitirt Herr Gillieron *) be-
reits eine Anzahl von Petrefakten aus der untern Kreide
‚(Neocom). — J. Cardinaux lieferte unserm Museum fol-
gende Arten von da:
Belemnites_ dilatatus Blainy.
bipartitus Blainv.
Rhynchoteuthis Merianı, Ooster.
Aptychus Didaei Cogq.
Studeri Oost.
radians Coq.
Ammonites Astierianus d’Orb.
Moussont Oost.
Rouyanus d’Orb.
sp. ?
Baculites ?
Inoceramus Bruchstücke.
Terebratula diphyoides d’Orb.
Ein anderer Fundort — auch von, Neocom-Petrefak-
ten — ist bei der Brücke von Grand Villars, an der
Saane, von daher haben wir:
Ein Stück einer Krebsscheere.
Ammonites cryptoceras d’Orb.
difhcilis d’Orb.
Aptychus Mortilleti Pict. u. Lor.
Janıra atava d Orb.
*) Gillieron, notice sur les terrains eretaces (Soc. des Sciences
natur. de Bäle, 2 Mars’ 1870) 'pag, 17.
—
C. Jurassische Bildungen.
Der A. Fundort‘ ist am Niremont gegenüber Sem-
sales und wird von Cardinaux als le Dat angegeben.
Herr E. Favre bezeichnet ihn in dem seine Abhand-
lung *) erläuternden Profile pl. IL, f. I, mit dem Buch-
staben j (Jura). Die betreffenden Schichten liegen direkt
unter den von E. Favre mit c bezeichneten Marnes a Cri-
noides, oder der Pteropoden-Schicht von Herrn Öoster,
deren höchst interessante Fauna derselbe im dritten Hefte
des 2. Theiles der Protozoe helvetica mitgetheilt hat **),-
und welche er als Grenzschicht zwischen Unterer Kreide
und Oberjura bezeichnet. Die im ältern Sinne ober-
jurassischen Schichten | in Favre’s Profil erwecken ein
um so grösseres Interesse, da sie eine Fauna enthalten,
welche beinahe vollkommen derjenigen der von Zittel
neulich beschriebenen Tithonischen Schichten entspricht,
wie die nachfolgende Aufzählung zeigt:
Belemnites Gemmellaroi Zitt.
Tithonicus Opp.
Zeuschneri Opp.
semisulcatus Zitt. ?
Aptychus Beyrichü Opp.
punctatus Voltz (häufig).
Ammonites (Phylloceras) ptychoicus Qu.
Zignodianus d’Orb.
(Perisphinctes) Richteri Opp.
Venetianus Zitt.
Geron Zitt.
*) Siehe E. Favre, Etudes sur la Geologie des Aipes I., le
massif du Moleson etc. (tire des Archives des Sciences de la Biblio-
thöque ‚universelle. Octobre 1870) planche II. £. 1.
**) Protozoe helvetica H., pag. 115—136, pl. 17—19.
See... ee
Ammonites Carpathicus Zitt.
sp. unbestimmtes Fragment.
Spinigera Tatrica Zitt. ?
Corbula Pichleri Zitt.
Anisocardia Tyrolensis Zitt.
Aucella emigrata Zitt. ?
Lima paradoxa Zitt. |
Pecten sp. (bei Zitt. Pal. Mittheil., Taf. 361., f. 22.)
Placunopsis Tatrica Zitt. ?
Inoceramus Brunneri Oost.?
Terebratula janitor Pict. (häufig).
rupicola Zitt.
Bieskidensis Zeuschn.
pseudo bisuffarcinata Gemmel.
Bilimaki Suess.
Rhynchonella Zeuschneri Zitt. (häufig).
Hoheneggeri Suess ?
capillata Zitt.
Agassizi Zeuschn. (Zitt.)
Metaporhinus transversus Cott. (häufig).
Zoophycos Brianteus Massalongo.
Folgt eine Reihe von Fundorten aus dem östlichen
Theile der Freiburger Alpen, theils noch auf Waadtländer
Gebiet gelegen, deren Fauna ich vereint aufzählen werde,
da sie alle zu den sog. Oxfordschichten gehören und da
alle mehrere Leitmuscheln mit einander gemein haben
und ihre Fauna nur in einzelnen Arten differirt. — Das
Gestein von den meisten dieser Fundorte ist rother Mer-
gelkalk, bei wenigen ist: er grau. — Es sind dieselben
Kalke, welche E. Favre Calcaires rouges jurassiques be-
nennt und welche er auf seinem Profil pl. IIf. fig. I. mit
je bezeichnet und deren Fauna er pag. 35 seiner Schrift
Bern, Mittheil. 1871. Nr. 786.
— 330 —
aus 5 Fundorten der Kette des Moleson und der Verreaux
und aus einem Fundorte in den östlichen Freiburger Alpen
(Paray Dorenaz) aufzählt. Herr Gillieron bezeichnet diese
Kalke schlechtweg als Calcaire de Chätel (siehe ‚p. 20
und 21 seiner Schrift). Sowohl er als Herr E. Fayre/tren-
nen aber die rothen Kalke in 2 ganz verschiedene Hori-
zonte, wovon der untere den eben erwähnten Calcaire de
Chätel umfasst, während ‚der obere der Repräsentant der
obern Kreide sein soll. — Als solche bezeichnet Herr
E. Favre auf seinem Profile pl. III. f..2 einen Streifen er
an der Saane ; er sagt pag. 43 l. c.: „Ils ont, (diese obern
Kreidekalke) la m&me position de l’autre cöte de la chaine
du Mont-Cray dans la Vallee de la Sarine pres de Chä-
teau d’Oex; il y enveloppent: les couches &ocenes du
‚Flysch. Is se trouvent ni dans la chaine du Niremont
ni dans le massif du Moleson.«
Wenn hiemit die rothen Kalke, der Gastlosen- Kette
gemeint sind, so zeigt unsere nachfolgende Aufzählung,
dass auch sie Oxfordpetrefakten enthalten, gerade wie
die übrigen, dass ‚also die obere rothe Kreide hier,nicht
sich findet.
Ferner muss ich bemerken, dass so lange Hr. Favre
zur ‚Unterstützung seiner Ansicht keine Obern Kreide-
petrefakten in jenen rothen Kalken an ‚der Saane nach-
zuweisen vermag, man dieselben ebensogut als jurassisch
ansehen kann, als Verlängerung oder Verwerfung der an
der Ostseite-der Chaine des Verraux gelegenen Combe
d’Allieres, wo :dieselben,rothen Kalke eine Menge Oxford-
petrefakten enthalten, die Hr.,Favre selbst p. 35_l..c.
aufzählt und von denen er: sagt, , dass sie, von Neocom-
schichten eingeschlossen seien. »Ces calcaires(N&ocomiens)
forment de. .grands .escarpemens des ‚deux cötes. de la
Combe d’Allieres et des autre erosions qui ‚decoupent
— 3 —
la crete de la chaine (l..c. p 16.) — Man vergleiche damit,
was Herr Favre p. 43 von den rothen Kalken an der Saane
sagt, die er zur Obern Kreide rechnet: „ils sont en eouches
verticales dans le fond de la Vallee de la Sarine et ils
forment la une Sorte de fond de bateau horde des deux
cötes par les ‘couches N&ocomiennes,“ also gerade wie
bei der Combe d’Allieres. Man’ sieht, dass hier keine
regelmässige Auflagerung der rothen Kalke auf die Neo-
comschichten Statt hat, sondern eine Einkeilung derselben
zwischen jenen Schichten.
Hr. Gillieron, Gründer. dieser Theorie, wonach ein
Theil der rothen Kalke die obere Kreide vertritt, citirt
als Beispiel eines Gipfels aus dieser Formation die Scheibe
und den Rothenkasten N. O. von Jaun (p. 11. 1. e.), in-
dessen alles ohne paläontologischen Beleg. — Nun aber
brachte uns diesen Sommer Cardinaux von der am west-
lichen Fusse des Rothenkastens gelegenen Kühbodenalp
aus den: rothen Kalken den Belemnites hastatus. Diese
ist,also jurässisch. Es ist daher sehr unwahrscheinlich,
dass der‘, ‚Rothenkasten aus. einer andern. Formation
bestehen sollte ‚als der Fuss desselben, die Kühbodenalp.
Denn die Annahme Hrn. Gillierons, dass die untern
Schichten der rothen Kalke jurassisch sein mögen und
die/obern die obere Kreide 'repräsentiren, ‘hat bei dem
Fehlen aller. der Mittelglieder zwischen den Oxfordschichten
und der Obern Kreide gar keine; Wahrscheinlichkeit für
sich und müsste jedenfalls, «um Glauben zu: verdienen,
durch Petrefakten bewiesen werden. Bis dieses geschieht,
bin ich genöthigt, trotz der entgegenstehenden Ansicht
der Herren Gillieron und E. Favre, alle rothen Kalke
der Freiburger- und Waadtländer-Alpen und des Simmen-
thales mit. Inbegriff der Wimmiser-Schichten mit Inocera-
mus ‚Brunneri, für jurassisch zu. halten.
— 32 —
Herr Gillieron sagt zur Bekräftigung seiner Ansicht,
p. 13 seiner Schrift :
»S’il est un ‚point‘ de depart else Auen la
‚question c'est la superposition des Calcaires rouges au
Neocomien de la» chaine du Stockhorn..' On pourrait
citer bien des endroits ou en montant' sur un des flanes
de la chaine, apres 6tre parti du Rhetien ou du Lias‘‘on
-traverse la formation jurassique 'et dans les hauteurs le
‘'Neocomien et le calcaire rouge pour redescendre de
l’autre cöte en constatant la meme serie) dans lordre
iinverse.« Ich bedaure, dass’ Hr. Gillieron keinen Berg
'mit Namen angeführt hat, wo er die eben beschriebene
‘Folge der Formationen angetroffen hat. In dem Theile
der Stockhornkette, der im Canton Bern liegt, “sind die
‘Verhältnisse anders,’ wie man 'aus den lehrreichen’ Pro-
filen Hrn. C. Brunner’s (Geol. Verhältnisse. d:Stockhorn-
(kette) ersehen kann und wie ich aus eigener Erfahrung
sweiss,. ındem die Schichten der drei Ketten, deren Ver-
einigung die Stockhornkette bildet, meistentheils-senk-
recht aufgerichtet sind‘, so dass die verschiedenen For-
mationen nebeneinander stehen ‘und ‘nicht’ horizontal
übereinander liegen. — Eine senkrechte Aufstellung der
Schichten bedingt: aber bedeutende Verschiebungen, so
dass in einer . solchen Kette die stratigraphischen ı Ver-
hältnisse jedenfalls nur: durch den paläontologischen Inhalt
der einzelnen Schichten festzustellen ist:: Ueber- öder
Unterlagerung sind: hier nur von relativer Bedeutung. '*)
*) Nachdem ich meinen Vortrag gehalten hatte, kam mir eine
Notiz von Professor P. Merian in Basel über die Versteinerungen im
rothen Kalke von Wimmis’zu Gesicht (Verhandlungen: der Basler
Naturf. Ges. V.'3. Heft. p: 388, 1871), worin er einen Bourguetieri-
nus erwähnt, den er als Beweis ansieht, dass die rothen Kalke da-
selbst zur öBer Kreide gehören. Ich möchte Herrn Prof. 'Metiäh
ersuchen, den Bourguetierinus von’ Wimmis mit dem B. flexuosus
— 333. —
Die -Fundorte der. ırothen (und 'grauen) jurassischen
Kalke, deren Fauna nachfolgend aufgezählt wird, schliessen.
sich: anıden. von Herrn E. Favre p. 32. seiner Schrift er-
wähnten 6ten an, nämlich an'Paray-Dorenaz. Sie zerfallen
aber in 3 natürliche Gruppen :,*)
N. in. ‚die westlich. vom. Thale, .Vertchamp :an.‚der, Kette:
‚der Morteys, Branleire und Hochmatt gelegenen, |
2. in die ‚östlich vom Thale ‚Vertchamp gelegenen und
zur, Gastlosenkette ‚gehörigen,
3.) in. ‚die nördlich. von, Jaun gelegenen und 'schon zur
'Stockhornkette ‚zählenden.
Zu der 1. Abtheilung kommen die Fundorte:
1. Morteys
2. Branleire mit grauem Gestein.
3. Dorenaz, südlich von Morteys |
k. ‚Sur la Leilag, nordöstlich von Dorenaz.
5. La Goueyraz, südlich von Hochmatt.
6. Hochmatt, S. W. von Jaun.
II. Abtheilung zur Gastlosenkette gehörend : N
7. Perte & Bovay (nach Cardinaux Trou a Bovay) !
nördlich der Dent de Combattez.
8. Rodoche (Rodjaigne ?) nicht weit vom vorigen
Fundort nach Cardinaux.
9. Pochognie, wahrscheinlich Persagne, N. vom Dent
de Combettaz nach Stryienski's Carte.
III. Abtheilung, zur Stockhornkette gehörend':
19. Kühbodenalp, nordöstlich von Jaun und west- |
lich vom Rothenkasten.
„mit rothem Gestein.
d’Orb. zu vergleichen, der in den Grenzschichten zwischen Kreide
und Jura am Niremont vorkommt und in der Protozoe helv. H.
3. tab. 19. f£ 1.und 23 abgebildet ist; vielleicht ist er ihm so ähn-
lich als dem Bourguetierinus A d’Orb., aus der obern Kreide,
und alsdann nicht entscheidend.
*) Diese 10 Nummern bezeichnen die 10 Colonnen der De
Aufzählung.
—_— 3 —
Es scheint, dass das graue Gestein einen etwas höhern
geologischen Horizont anzeigt als das rothe, ‘obgleich
bei beiden Belemnites hastatus Bl. und Ammonites tor-
tisnleatus d’Orb vorkommen. Ein Beweis dafür ist: N. die
höhere topographische Lage der Fundorte mit grauem
Gestein, und 2) dass in Paray-Dorenaz im grauen Gestein
Belemnites Didayanus d’Orb. auftritt, der 'geologisch
höher zu steizen pflegt als B. hastatus Blainv. — Man
kann die grauen Schichten als Repräsentanten des untern
weissen Jura’s v. Quenstedt, die rothen als solche des
obern braunen betrachten. Es ist nichts als natürlich,
dass einzelne Arten ihr Leben durch beide Formations-
zeiten erhalten haben.
112
3/1415161718]9110
Belemnites hastatus Blainv. +/+|+!+|+ HR +++
- Coquandi d’Orb. (Sauva-
nauı AOrb.?) .. .... .I.1./ FIT ı Pierre
Nautilus aganıticus- Schloth.
(biangulatus d’Orb.) . .|.|.|.|.|+)-
RhynchoteutbisBrunneriVost.| . |. |. |+|.
= Fischeri OVost. . . . IL: TE
Aptychus imbricatus Ihiointehadw ak
- acutus Meyer .. . Fr = Moshe Se slhikn.D -Ale
Ammonitestortisulcatus.d' Orb PR 5 Ka ad De al ln dla 9 Boa 1) Kaum
- convolatus parabolis Qu.|. |. | +). + +/++| - |.
- planulatus parabolis Qu. | „1.1. |+1. 1.1. ]@ +].
- Adelae d’Orb.? . ur ll Dee
- Zignodianus d’Orb. . .|.|.I+/ +++ ++ +H|.
- heterophyllus d’Orb. . i + ++/+
- ornatus compressus Qu. |. |. |.1.|.1-.|.,.-.I#|.
- lineatus Qu. (Endesianus | | | | |
d’Orb. ?) +
— 35 —
112131%2151/6[1718]9 110
Ammonites Lamberti inflatus
Qu-.dur. T. 70:,; £ SB
- mutabilis Qu. (anceps
Berl E.“ .*.. '- |#|
- Hommairii d’Orb, 3 ir
- lingulatus canalis Qu. . | +Vy.|-
Si ah PR 5: BE Aa
Pecten ER Eh sch Lye. > A ig 1 9 De EM I, = = ic
SET Re HER Pr SC 76
Arca Sp. » Ylhbr
Inoceramus ide On. 2 4a bin hod.da |.101%
BREBaSEE teiteatuları)y -» Ki aele hell ti oiote
Terebratula equestris d’Orb. |. |. | - |» Ill... [+
-- rupicola Zitt. var. al. Dede IF
- nucleata Bronn . INEE . , B F
Alarcnonellapersönätalilich. Do ee
- sparsicosta Opp. ..lt+ ’
Collyrites Verneuilli Cott. ? | +
- Desoriana Cott. ? TS a hr eh
- Friburgensis Oost. . .|. | .!.I. 1. #l4+l+|.
Metaporhinus transversus
2 Vai E11 240 FTIR ERROR ID
- sp. (Collyrites 9) SE
ChondritesHechingensis Qu.? +
6. Folgt noch ein Fundort mit oberjurassischen sog.
Kimmeridgepetrefakten,, am Sattel, südlich von Jaun. —
Er scheint in der Verlängerung der Schichten vom
Bäder zu liegen und enthält dieselben, wenn auch schlecht
erhaltene Muscheln. Es liegen vor:
Natica dubia Röm.? (Etallon).
Isoarca sublineata Etall. ?
— 386 —
Thracia substriata Etall. ?
Perna ? Inoceramus ?
Mytilus subsquiplicatus Goldf.
Hemicidaris alpina Ag. (Stacheln.)
Psammobia concentrica Eitall.
7. Endlich zum Schluss noch ein Fundort von ächtem
Flysch von Herrn B. Studer; ‘er liegt der Carte von
Stryıenski nach, südlich von Jaun am Wege zum Sattel,
und heisst Mausesbergli. Er enthält ausgezeichnete
Exemplare von
Helminthoidea crassa Schafh.
'Helminthoidea’ irregularıs' Schafh.
Es kann von eocenem Gestein hier nicht wohl die
Rede sein, wo weit und breit weder Nummuliten noch
sonst ein Petrefakt der Eocenperiode vorkommt, wie ich
nicht genug wiederholen kann, sondern der Flysch ist,
hier wahrscheinlich jurassisches oder liassisches Gestein,
umgeben wie “er ist- von -jurassischen Formationen. —
Diese Ansicht stimmt ganz mit der, welche: Professor B.
Studer in dem klassischen Buche »Geologie der. west-
lichen Schweizeralpen«, unter den pag. 241 und 248,
ausdrückt, nicht aber mit seinen späteren Schriften. Was
die Fucoiden vom Niremont anbetrifft, so sind darin auch
verschiedene Epochen zu unterscheiden ; die Fucoiden
im grauen festen Kalke am Dat gehören bestimmt dem
Neocom oder Untern Kreide an, während diejenigen, die
in den dunkeln Schiefern bei Maillerzon*) und Erpettes
vorkommen, dem obern Lias angehören ; auch hier kann
nirgends von Eocenem Flysch die Rede sein, .wo weit
und breit das jüngste Gestein Untere Kreide ist.
Ich habe diesen Sommer Gelegenheit gehabt, das
mächtige Flyschlager zn beobachten, welches bei Gersau
die Nagelfluh des Rigi von der Hochfluh trennt; es liegt
offenbar unter der untern Kreide daselbst. — Zu ähn-
lichem Ergebniss führt die Untersuchung des schönen
Profiles an der neuen Strasse vom Bad Weissenburg,
die ich. ein andermal erörtern werde.
*) E. Favre l. c. profil. U. f. 1: F.
Dr. Thiessing.
Zwei geologische Notizen aus der
Umgebung von Pruntrut.
(Vorgetragen den 2. Dezember 1871.)
Die Stratigraphie der Gegend von Pruntrut ist so
einfach und die von Thurmann in seinem Werk „Les
soulevements jurassiques* gegebene Serie von Profilen
so übersichtlich und meist so genau, dass es überflüssig
erscheinen möchte, meinen Notizen ein einleitendes Wort
darüber vorauszuschicken. Aber auch die einfachste
Sache muss gekannt sein, und Thurmann's Arbeit dürfte
sich nicht in Jedermann's Bereich finden; darum die fol-
genden Zeilen zur Orientirung (Vergleiche auch Studer,
Geol. d. Schweiz, Bd. II., p. 322).
Pruntrut liegt auf dem Vereinigungspunkt von vier
kleinen Thälern, Pr.-Fontenois, Pr.-Damvant, Pr.-Alle,
Pr.-Courchavon-Delle. Das Flüsschen Allaine (auch Alle)
schlängelt sich durch die beiden letztern, um bei Mont-
beliard den Doubs zu erreichen, während der intermit-
tirende Ausfluss des Hexenloches, Creuxgenaz, eines
entonnoirs zwischen Courtedoux und Chevenez, das zweite
bewässert. Die Erhebungen, welche dieses Kreuzthal
bilden, betragen im Durchschnitt 400 Meter über dem
Thalnıveau, also etwa 500 über dem Meere. Schöne
Wiesen bedecken überall den Alluvialboden. Stellt man
sich nun beim Schloss auf, welches den Rücken an den
Fahy lehnend, Stadt und Umgebung beherrscht, so bietet
sich folgende geologische Landschaft dar: Hinter uns
bilden, von rechts nach links, die virgulischen, pteroze-
Bern. Mittheil. 1871. 187.
— 38 —
rischen und astartischen Schichten den von prachtvollen
Wäldern bedeckten Fahy: vor uns, jenseits der Stadt,
erheben sich die kleinen astartischen Hügel Banne rechts,
etwas links davon Perche und Ermont, mit theilweiser
Bekleidung durch das Pterozerien; noch weiter nach links,
jenseits der Allaine, steigt langsam unter pterozer. und
virg. Schichtenresten das Astartien empor, die Fortsetzung
des diesseitigen Nordostabhanges des Fahy. (Erst 20
Minuten unterhalb der Stadt bei Pont d’Able sous les
Cötes, bis wohin das Gefälle des Flüsschens 10 Meter
beträgt, erhebt sich allmälig die unterste hier vorkom-
mende Schichte, der Korallenkalk). Im Hintergrund
lagert sich die Montterriblekette vor uns hin, die lange
Mauer, welche unsern Bezirk nach Frankreich hinüber
stösst, die erste grosse Schwierigkeit, mit welcher dies-
seits die Jurabahn zu kämpfen hat. Dieser bis auf 4000
Meter steigende Höhenzug bietet nun schon ein ganz
anderes Erhebungsbild dar; ein oolitischer Dom, selber
nur beim eigentlichen Montterrible geborsten und da das
liasische und triasische Thälchen bildend, trägt oben nur
noch die vielfach zerklüfteten und zerrissenen Reste des
Korallenbandes, welche meist als senkrechte Wände über
dem unten zu Tage tretenden Oxfordmergel empor-
ragen. Der Uebergang vom Korallenkalk zum Oxfordien
bildet das terrain a Chailles, oder Hypocorallien, welches
so reiche Fundorte darbietet.
In unmittelbarer Nähe von Pruntrut tritt das Ptero-
zerien, bald in seinen obersten Schichten, epistrombien,
bald als Mergel, zone strombienne, und bald als hypo-
strombien sehr fossilienreich zu Tage; ebenso das Vir-
gulien, ebenfalls in den 3 von Thurmann angenommenen
fast regelmässigen Abtheilungen; aber der Astartenkalk
wurde bis jetzt eigentlich nur sehr unvollständig beob-
— 39 —
achtet, z. B. in seinen Polypenschichten ; erst dieses
Jahr hat uns ein Ausschnitt der Linie Pruntrut-Delle eine
Reihe interessanter, fossilienreicher Schichten blosgelegt,
welche mir den Anlass zu der folgenden Notiz gegeben
haben.
Von diesem Ausschnitt weg durchschneidet die Bahn
den Alluvialboden bis unterhalb Pont d’Able, durchbricht
dort den harten Korallenkalk, das Oxfordien mitten im
Tunnel leicht streifend, und folgt nun der Allame, hin
und wieder noch die korallinischen Schichten einschnei-
dend, bis sie zwischen Boncourt und Delle, im Tertiär-
gebiet der französischen Bahn sich anschliesst.
I,
Die Schichten des Astartien, am Fuss des Fahy,
bei Pruntrut, wie sie durch einen Eisenbahnausschnitt
blosgelegt worden sind. Die Reihenfolge fängt von
unten an, die Dicke ist in Metermass angegeben.
Der Astartenkalk zeigt sich da
1. Leicht mergelig, weissgrau.
2. Grau, dünn geschichtet 2 j J 7 4. 30
Östrea.
3. Compakt, unregelmässig geschichtet, körnig 5. 50
Terebratula humeralis.
Trigonia suprajurensis.
Mytilus.
Nerinea Bruckneri.
Rostellaria ?
Östrea.
4. Grauer Mergel ER mul, „80
Mytilus perplicatus.
Östrea.
op)
44.
12.
— 340 —
. Weiss, compakt, aber vielfach gerissen.
. Grau, mergelig, körnig
. Röthlich grau mit ee Krallen
nach oben
Grosser een
. Braun, mergelig, mit Knollen
Pecten rigidus.
Lucina Elsgaudiae.
Natica turbiniformis.
Natica hemisphaerica.
. Compakt, blau gegen innen, oberer Theil
etwas locker
Hemicidaris Br
Ostrea bruntrutana.
. Grau, blättrig, nach oben fester .
Grauer blättriger Mergel mit durchziehenden
festen Schichten
Pecten rigidus.
Abwechselnd Mergel und fester Kalkstein
Pycnodus.
Belemnites astartinus Et.
Serpula.
Nerinea.
Cerithium.
Phasianella striata.
Turritella astartina Grepp.
Rostellaria.
Pleurotomaria.
Trochus astartinus Th.
Turbo princeps.
Turbo.
Natica.
Bulla suprajurensis.
13.
. 90
. 50
. 20
. 90
50
. 75
— 3 —
Patella sequana Grepp.
Astarte minıma.
Trigonia.
Cardium fontanum Et.
Myvtilus longaevus Ctj.
Gervillia.
Lithodomus socialıs Th.
Lima astartina Th.
Pecten rigidus Gressly.
Anomya monsbeliardensis Ctj. ?
Östrea bruntrutana.
Ostrea multiformis.
„ sequana Th.
» .Coutejeani Et. ?
Terebratula humeralıs.
n Gesneri Et?
Cidaris florigemma.
Cidarıs.
Hemic. Stramonium.
Pseudodiadema hemisphaericum.
Glypticus hieroglyphicus.
Glypticus integer. ?
Pygurus tenuis.
Apiocrinus Meriani.
Apiocrinus similis ?
Rhabdophyllia flabellum.
Stylina.
Montlivaultia.
Confusastrea dianthus.
13. Fest geblättert
14. Compakte Schichten, bie Bilehie
Pyenodus
Pinna ampla.
— 342 —
Mytilus subpectinatus,
Mactromia rugosa.
Pholl. Protei.
Trochus.
Terebratula humeralis.
1.
Fossile Knochen aus der Umgegend von Pruntrut.
Sind auch sonst die Umgebungen unseres Städtchens
reich an Petrefakten, besonders aus der Pterozerenstufe,
so hatten doch unsere Geologen wenig von Knochen-
überresten zu sagen gewusst. Ausser einigen Zähnen ist
in ihren Schriften nichts angeführt, ist in unseren Samm-
lungen (bekanntlich enthält die Kantonsschulsammlung
auch diejenige Thurmann’s) nichts vorhanden, mit Aus-
nahme von Schildkröten. Es dürfte daher eine kurze
Mittheilung über meine Funde, sowie über die meines
Kollegen Ducret, einiges Interesse bieten.
4. In einer eigenthümlichen, später noch genauer zu
untersuchenden Sandschichte, welche eine jedenfalls
über 10 Meter tiefe Lücke des Virgulien ausfüllt,
fand ich bis jetzt über 1200 verschiedene Zähne,
wovon:
5 Exemplare von Strophodus ;
79 = „ Sauriern, jedenfalls einige Telo-
saurus, Polytychodon;
40 1% „ Haifischen;
12 e „ Lepidotus laevis:
4400 (elfhundert) Exemplare von Pycuodus (affinis ?);
sowohl von der Hauptreihe, als von Jen runden.
— 3 —
Viele sind noch zu bestimmen. Ferner besitze
ich von da:
4 Haifischwirbel, 1 flachen Fischkiefer ohne Zähne,
aber die Zahnlöcher sind sichtbar ; verschiedene
Knochen und mehrere Schuppen. In der höchstens
2 Zoll dieken Schichte, welche allein Fossilien ent-
hält, kommen lıin und wieder vor die Ostrea virgula,
eine andere kleine Muschel, und wahrscheinlich un-
bestimmbare Seeigelstacheln. Die Ausgrabung ist
ziemlich mühsam und gefährlich, da der Sand nur
stellenweise fest geschichtet ist und man beim Vor-
wärtsgraben von Zeit zu Zeit kleinere und grössere
Sandlawinen löst.
Ein Muster von diesem Sand ist beigelegt.
2. Drei einzelne, schöne Saurierzähne, der eine aus
dem Astartenmergel von Montignez, die zwei andern,
Machimosaurus Hugü, aus dem Strombien von Cour-
genay.
3. Sehr schöne Pycnodus- und Gyrodus-Zähne aus dem
Virgulien von Courtedoux.
%. Mehrere noch unbestimmte Knochen aus d. Strombien.
ö. Im Parisien, gompholite jurrassique, bei Bressau-
court, 4 grossen Backenzahn von einem Dickhäuter:
zum ersten Mal in dieser Gegend gefunden, wie
unter Nr. 7.
Herr Ducret besitzt:
4. Eine sehr schöne Kinnlade des Pycnodus affınis aus
dem Strombien.
2. Mehrere Zähne des Lepidotus laevis, Astartien.
3. 4 Kieferfragment sammt Zähnen des Gyrodus, Cal-
lovien.
4. 2 Saurierwirbel aus dem Vırgulien.
ö. Schuppen des Lepidotus laevis.
— 3 —
6. 2 Schildkröten, Emys;
7. 4 Kinnlade von einem Dickhäuter, aus den Parisien
von Bressaucourt.
8. Fischabdrücke aus der Tertiärschichte unmittelbar
unterhalb des argile a Dinotherium, zu Bonfol. Die
betreffende Mergelschichte erinnert Hrn. D. an den
fischreichen Flysch der Savoyeralpen.
Alb. Benteli.
Die atmosphärischen Niederschläge
in den 7 Hauptfiussgebieten der Schweiz.
(Mit 2 Tafeln.)
(Vorgetragen den 29. April 1871.)
Die hydrometrische Commission der schweizerischen
naturforschenden Gesellschaft beschäftigt sich, wie be-
kannt, damit, die Abflussverhältnisse der schweizerischen
Flussgebiete möglichst genau zu ergründen. Hiezu war
erforderlich:
1. Die Einführung eines einheitlichen Was-
serstandsbeobachtungssystems.
2. Eine Reihe genauer Flussmessungen.
Ausserdem aber machte die Commission sich noch zur
Aufgabe, die Verhältnisse der Abflussmassen der ver-
schiedenen Flussgebiete zu den betreffenden Niederschlags-
mengen zu erforschen, um aus den Verschiedenheiten
dieser Verhältnisse allfällige Schlüsse ziehen zu können be-
züglich der Einwirkung der topographischen, geologischen
und Culturbeschaffenheit der Gebiete auf ihren Abfluss.
Zu obigen zwei Aufgaben gesellte sich demnach eine dritte:
3. Die Bestimmung der”Niederschlags-
mengen per Flussgebiet.
100.
Mittlere Monats-
170 -regenhöhe.
Ren
Ben - Aare
Rhöne
I I Rleingebict I Rheingebiet r
P- - I Aaregebiet AT u Aaregebiet
| II Reussgebiet III Reussgebiet
| NV Limmmatgebiet a 5 V Limmatgebiet
——— 7 Rhönegebie & V Rhönegebiet
h rt Tessingebiet —__ U Tessingebiet
va Jungebiet. ZECHE Vo Jnngebiet.
1
| i
2. E- 2 au - ne Du re Zi,
An
ns Yln
Schweizerische 1 1
—
FLUSSGEBIETSKARTE
mit
Niederschlagscurven. u.
Rheingebiet
Aaregebiet
Reussgebiet
Limmatgebiet
Rhönegebiet
Tessingebiet
VII Jnngebiet.
A,B,CD etc. Einzelgebiete.
r— ja u
&S unter 100°” Niederschlagshöhe % \ u NÜR N % —
x n A g P:
PR N [it \ \ Meteorologische Stationen.
UI] mischen 100u.150”
150 u.200” .
= “ en s Ss! nArıyo Wasserscheiden der Hauptgebiete .
— en) F (7 c 7. Ri R fi
Die ‚geben die Nie chlagshöhen an [2 x - ( 7 > \ ee nee b
Öurven leders 2 2 soo Die Zahlen geben die mitll. jährl. Niederschlags-
„höhe in Üntimeter an.
in Abständen von 10 zw.10 (entimeter.
Die doppelt unterstrichenen Zahlen stil ? j N =
ppeit un Z Uusen sich auf ganz ununterbrochene Beobachtungsreihen der6 Jahre 1864 -1863, mährend die nur einmal unterstrichenen. Zahlen. thailrosisc auf Schätzung beruhen:
— 345 —
Diese letztere Arbeit ist es, mit welcher ich mich von
Anfang an besonders befasste, und die nun zu einem vor-
läufigen Abschluss gelangt ist. In Folgendem theile ich
die hauptsächlichsten Resultate mit, muss aber von vorne
herein bemerken, dass bei der geringen Anzahl von 6
Jahren, auf deren Beobachtungen die folgenden Zusammen-
stellungen sich stützen, es doch zu gewagt wäre, die
durch letztere characterisirten Niederschlagsverhältnisse
geradezu als durchschnittlich bestehende zu betrachten,
obgleich ich nach aufmerksamer Beobachtung so ziemlich
zur Ueberzeugung gelangt bin, dass die gründliche Fort-
setzung der Zusammenstellungen nach mehreren Jahren
zu einem Resultale führen wird, das wenigstens in Betreff
der relativen Ergebnisse nicht sehr von dem jetzigen Re-
sultate abweichen dürfte.
Um die Arbeiten nicht gleich von Anfang an zu sehr
anwachsen zu lassen, wollte man zunächst sich darauf
beschränken, nur die Abflussverhältnisse der 7 schwei-
zerischen Hauptflussgebiete zu untersuchen. Als solche
wurden bezeichnet:
I Rheingebiet V Rhonegebiet
II Aaregebiet VI Tessingebiet
III Reussgebiet VIL Inngebiet.
IV Limmatgebiet
Das Rheingebiet muss allerdings nur bis vor Ein-
mündung der Aare gerechnet werden, wenn man dasselbe
vergleichend mit den drei Gebieten der Aare, Reuss und
Limmat zusammenstellen will, während beim Vergleich
mit den Gebieten der Rhone, des Tessin und des Inn das
Rheingebiet bis Basel zn rechnen ist, wobei dann die drei
Gebiete der Aare, Reuss und Limmat nur als ein Einzel-
gebiet des Rheins betrachtet werden. Das Gebiet der Aare
ist stets nur bis vor Einmündung der Reuss gerechnet.
Bern. Miitheil, 1571. Nr. 788
—= 3466 —
Wir nahmen nämlich keinen Anstand, die Flüsse Aare,
Reuss und Limmat gleich den übrigen vier Flüssen als
schweizerische Hauptflüsse zu bezeichnen, da deren Ge-
biete zusammen beinahe zwei Fünftel des ganzen Flächen-
inhalts der Schweiz betragen.
Zur Berechnung der Niederschlagsmengen in den
7 Gebieten war vor Allem erforderlich: eine genaue Be-
rechnung des Flächeninhaltes der Letztern,
und dann die Zusammenstellung der Nieder-
schlagshöhen der meteorologischen Stationen,
nach den 7 Hauptgebieten geordnet.
Die erstere Arbeit, die Bestimmung der Flächeninhalte,
wurde mit der grösstmöglichen Genauigkeit vorgenommen
und dabei die eidgen. Dufour-Karte zu Grunde gelegt.
Das Auffinden der Wasserscheiden, im Alpengebiet mei-
stens sehr leicht, führte ın der Hochebene und mehr
noch im Jura oft zu erheblichen Schwierigkeiten, denn
es zeigten sich Ausdehnungen von Quadratstunden, bei
welchen man ohne umständliche Nachforschung nicht ge-
nau wissen konnte, nach welcher Seite der Abfluss ge-
richtet ist. Da die Gebiete des Rheins, des Tessin und
der Rhone sich bedeutend über die Schweizergrenze er-
strecken, so mussten verschiedene topographische Karten
angrenzender Länder benutzt werden, welche Herr Oberst
Siegfried, Chef des eidgen. Stabsbureau’s, so freundlich
war, zur Verfügung zu stellen. Die Berechnung der Flächen-
inhalte geschah mit dem Amsler’schen Polarplanimeter.
Eine ausführliche Tabelle mit den Resultaten dieser Mes-
sungen, begleitet von einigen Erläuterungen, ist seiner
Zeit vom hydrometrischen Central-Bureau veröffentlicht
worden. Jene Erläuterungen sind aber nur ein Auszug
aus einem viel ausführlicheren Bericht, den ich damals
über diese etwa siebenwöchige Arbeit niedergeschrieben
— 47 —
hatte und der so ziemlich wörtlich übersetzt in die Mit-
theilungen der naturforschenden Gesellschaft in Neuen-
burg, Jahrgang 1866, übergegangen ist.
Zu den Zusammenstellungen der Niederschlagsnöhen
der Flussgebiete wurden die Monatshefte der schweizer.
meteorolog. Commission benutzt. Es ist nur sehr zu be-
dauern, dass neben dem reichhaltigen Material, das jenen
Heften zu entnehmen ist, aus den über die Schweizer-
grenze hinausragenden Theilen der Flussgebiete gar keine
Angaben erhalten werden konnten. Glücklicherweise ist
jedoch nun Aussicht vorhanden, in den nächsten Jahren
auch in den ausserschweizerischen Theilen, wenigstens
des Rheingebiets, meteorologische Stationen zu erhalten,
da in neuester Zeit von einigen einflussreichen Männern
aus allen betheiligten Staaten eine gründliche Untersuchung
der Bodensee-Abflussverhältnisse angestrebt wird.
Die mittlere Niederschlagshöhe per Monat und Jahr
eines jeden Flussgebiets wurde zunächst einfach aus dem
arithmetischen Mittel der Angaben aller im betreffenden
Gebiete liegenden Stationen bestimmt. Diese Berechnung
führte ich vollständig durch für die Jahre 1864 bis und
mit 4869. Natürlich war ich mir von Anfang an wohl be-
wusst, dass nach dieser Art der Berechnung nicht die
ganz richtige mittlere Niederschlagshöhe eines Gebietes
hervorgehen konnte, sind ja doch die Stationen nicht ganz
gleichmässig über das Land vertheilt, allein ich zog ee
vor, einstweilen bei dieser einfachen Rechnung zu ver-
harren, bis die Niederschlagsverhältnisse der Schweiz
etwas genauer bekannt geworden, denn hätte man für jede
Station einen Bezirk annehmen wollen, für welchen ihre
Niederschlagsangabe als gültig betrachtet worden wäre,
so müsste, trotz der einfacheren graphischen Berechnung,
die Mittelbestimmung sehr zeitraubend ausgefallen sein
— 38 —
und dazu vielleicht nicht einmal richtiger, da ja die Fest-
stellung jener Bezirke nur nach Gefühl hätte vorgenommen
werden können.
Die nachfolgende 4. Tabelle enthält die mittleren Nie-
derschlagshöhen pro Monat und Jahr für alle 7 Haupt-
flussgebiele von 1864 —1869. — Bei etwas einlässlicherer
Betrachtung der Resultate wird gleich auffallen, wie Jahr
für Jahr, wenn man die Gebiete nach der Grösse der
mittleren jähriichen Niederschlagshöhe ordnet, ungefähr
dieselbe Reihenfolge wiederkehrt, nämlich obenan Gebiet
des Tessin, dann Reuss und Limmat, dann Rhein und Aare,
und zuletzt Rhone und Inn. Die Angaben liegen sehr
weit auseinander, das Tessingebiet weist eine mehr als
doppelt so grosse jährliche Niederschlagshöhe auf als das
Inngebiet.
Die grösste Regenmenge zeigt also das südalpine
Tessingebiet, die vier Gebiete am Nordabhange der
Alpen haben eine beträchtlich kleinere, und die zwei
interalpinen Gebiete der Rhone und des Inn die ge- '
ringste. Es ist diess eine interessante Erscheinung, welche
sich wohl in etwas nach dem entschieden gültigen, auf
physikalischer Basis ruhenden Gesetze erklären lässt, dass
Gebiete, welche an einen bedeutenden Gebirgszug sich
anlehnen, eine grosse Regenmenge erhalten müssen, wenn
sie nach einer Seite hin sich neigen, woher die feuchten
Winde kommen. Demnach muss nämlich der Südabhang
der Alpen die grössten Niederschläge aufweisen und die
zwei interalpinen Gebiete der Rhone und des Inn die
geringsten, weil von beiden Seiten her die herunter-
steigenden Luftschichteu sich vom Sättigungsgrad ent-
fernen. Es ist dabei wohl zu beachten, dass das Rhone-
gebiet beinahe als ein Kessel betrachtet werden kann,
da bei Martinach das Thal scharf rechtwinklig sich abbiegt,
— 39 —
und, dass das Inngebiet nur nach Nord-Ost sich öffnet,
von welcher Seite diejenigen Winde kommen, die am
allerwenigsten Feuchtigkeit mit sich bringen.
Im Jahre 1865 weisen 2 Monate, April und September,
für alle 7 Hauptgebiete beinahe gar keine Niederschläge
auf. Nach einem verhältnissmässig sehr kalten und schnee-
reichen März brach plötzlich mit dem ersten April für die
ganze Schweiz eine warme, trockne Sommerwitterung
herein und wieder nach dem für sämmtliche Gebiete sehr
nassen August kam der beinahe ganz trockne, warme
September, in welchem von allen 83 damals in Action
stehenden meteorologischen Stationen nur 8 eine Nieder-
schlagshöhe von über 1 Centimeter angaben. Auffallend
war besonders diese Trockenheit für das Tessingebiet, da
dort auf diese Jahreszeit sonst gerade die Maxima der
Niederschläge fallen.
Das Jahr 1866 zeichnet sich ebenfalls durch ein ab-
normes Verhältniss der Niederschläge im Tessingebiet aus.
Wir sehen da bedeutende Regenfälle in den sonst ziem-
lich trockenen Monaten März und April, während im ge-
wöhnlich nassen October sich nur eine mittlere Regenhöhe
von 12., Millimeter zeigt.
Allgemein bekannt sind die furchtbaren Niederschläge
der zweiten Hälfte September und der ersten Hälfte Oc-
tober von 1868 in den südöstlichen Alpen, welche die
schrecklichen Verheerungen ım Rheinthal und Tessin-
gebiet zur Folge hatten. Besonders kolossal war die
Regenmenge im letztern Gebiet. Die mittlere Nieder-
schlagshöhe vom September betrug nämlich 509"®, die-
jenige vom October 456°”; in diesen beiden Monaten zu-
sammen fiel demnach im Tessingebiet mehr Regen, als
während des ganzen Jahres im Rhone- und Inn-Gebiet.
Während dieser Niederschlags-Periode erhob sich das
— 350° —
Niveau des Bodensee’s um 1,,; Meter, dasjenige des Wallen-
stattersee's um 2,57”, der Vierwaldstättersee stieg um 1,5”
und der Lago maggiore um 6,4,”. Diese Zahlen dürfen
allerdings nicht wohl mit einander verglichen werden, da
aufdie Schwankungen eines Seespiegels ausser den Regen-
fällen noch verschiedene Factoren ihren bedeutenden Ein-
fluss haben, worunter das Seeabflussverhältniss, das Ver-
hältniss der Seeoberfläche zur Oberfläche des ganzen
Einzuggebiets, die Lage des See’s zum Seegebiet wohl die
hauptsächlichsten sein mögen. Multipliziren wir jene Zahlen
Seeoberlläche
Gebietsoberfläche so werden Zahlen
mit den Verhältnisszahlen
hervorgehen, die, bei Annahme ungefähr gleich günstiger
Seeabflussverhältnisse, schon eher mit einander verglichen
werden können. Wir erhalten dann
für den Bodensee N 08 X Oroar = 0537
» » Wallenstattersee 2,7 X O,02:2 = 0,0590
» » Vierwaldstättersee 1, x 0,503 = 0,0604
» » Lago maggiore 65, x O,ogar = Orzsı
Hienach ergeben sich die Anschwellungen der nach Norden
fliessenden Gewässer als ungefähr gleich gross, sie werden
aber von demjenigen im Tessingebiet bedeutend über-
troffen.
Ein bedeutendes Maximum der Niederschläge sehen
wir ferner im Tessingebiet im Mai 1869, während im Herbst
die gewöhnliche Maximalperiode ausbleibt. Ueberhaupt
zeigt keines der 7 Hauptgebiete so grosse Abnormitäten
wie das Tessingebiet.
Die Jahre 1864 und 1865 gehen bei der Zusammen-
stellung als sehr trocken hervor, dann folgen die nassen
Jahre 1866 und 1867 und theilweise, nämlich für Tessin
und Inn, auch 1868, nachher werden die Jahre wieder
trockener bis 4870. Die langjährige Fortsetzung der
— 351 —
Beobachtungen wird für diese Schwankungen im Maasse
der jährlichen Niederschlagshöhe vielleicht ein gewisses
Gesetz erkennen lassen.
Betrachten wir nun die Zusammenstellung der Nieder-
schläge nach den Jahreszeiten (Tabelle II), so muss da
gleich auffallen, dass die nordalpinen Gebiete der Reuss,
Limmat, Rhein und Aare sich ungefähr unter einander
gleich verhalten, das Tessingebiet aber ganz andere Ver-
theilung zeigt und die interalpinen Gebiete des Inn und
besonders der Rhone eine Zwischenstellung einnehmen.
In allen Gebieten auf dem Nordabhang der Alpen haben
wir das Maximum der Niederschläge im Sommer, in dem
Tessingebiet dagegen im Herbst und in den Gebieten des
Inn und der Rhone vertheilen sich die Niederschläge so
ziemlich gleich auf Sommer und Herbst. Die Alpen bilden
demnach wirklich die Grenze zwischen den Gebieten mit
vorherrschend Sommerregen und denjenigen mit vor-
herrschend Herbstregen, wie dieses schon früher ange-
nommen wurde.
Wenn wir noch etwas detaillirter die Vertheilung der
Niederschlagsmengen durchs ganze Jahr hindurch verfolgen,
so kommen wir zu einer wirklich auffallenden Ueberein-
stimmung der Verhältnisse in unsern nordalpinen Gebieten
mit denjenigen in Nord-West-Deutschland. Herr Dr. Pre-
stel in Emden sagt ın seiner höchst interessanten Ab-
handlung über die Regen-Verhältnisse des Königreichs
Hannover Folgendes:
„Die mittlere Niederschlagsmenge ist im Februar
am geringsten, wird grösser im März, vermindert
sich wieder im April, steigt dann auf's Neue bis zum
Maximum, welches sie an einigen Orten im Juli, an
anderen aber erst im August erreicht. Ein zweites,
kleineres Minimum tritt, besonders im Süden und
Westen unseres Gebiets, im September ausgeprägt
hervor. Im October ist die Regenmenge wieder
grösser, vermindert sich dann aber, in der Nähe der
Küste, bis zum Februar stetig.“
Ein Blick auf die graphische Darstellung zur Tabelle I
wird sogleich genügen, um oben behauptete Ueberein-
stimmung herauszufinden; ja, man könnte beinahe den-
selben Wortlaut auf unsere Verhältnisse in den Gebieten
des Rheins, der Aare, der Reuss und der Limmat an-
wenden. Nur im Monat Juli haben zum Unterschied Rhein
und Aare ein kleines Minimum. Alle schweizerischen Fluss-
gebiete mit Ausnahme von Rhone und Tessin haben das
Niederschlagsmaximum durchschnittlich im August, die
letzteren dagegen im October.
Um eine bessere Uebersicht über die Niederschlags-
verhältnisse in der Schweiz zu erhalten und gleichzeitig
damit eine solidere Basis für die Berechnung der mittleren
jährlichen Niederschlagsmengen der einzelnen Flussgebiete
zu gewinnen, entschloss ich mich, gestützt auf die aus-
führlichenZusammenstellungen der Regenhöhen von nahezu
100 Stationen, eine Regenzonen-Karte auszuarbeiten, wie
solche Darstellungen für andere Länder schon seit längerer
Zeit existiren. Tafel Ill enthält diese schweizerische Regen-
karte, in welcher alle Orte von durchschnittlich gleicher
jährlicher Niederschlagshöhe und zwar in Abständen von
10 zu 10 Gentimeter durch Curven mit einander ver-
bunden sind. Die Curven, welche die Orte mit 100, 150
und 200 Centimeter Regenhöhe verbinden, sind stärker
eingezeichnet und bilden die Grenzen für die verschiedenen
Farbstärken. Allerdings sollte die Construction einer sol-
chen Regenkarte, besonders für ein Gebirgsland, wie die
Schweiz, sich nicht nur auf die Beobachtungen einer
viel grösseren Anzahl von Stationen, sondern auch auf
eine viel längere Dauer solcher Beobachtunngen stützen
können. Es kann auch wirklich diese Karte nicht Anspruch
ER ve
auf sehr grosse Annäherung zur Wahrheit machen, fehlen
ja doch z. B. im grossen Gebiete der Kander und Simmen
im Berner-Oberland die meteorologischen Stationen gänz-
lich;*) ich glaube jedoch nicht, dass nach Abwarten einer
längeren Reihe von Beobachtungsjahren die Karte wesent-
lich anders ausfallen würde, denn es zeigt sich beispiels-
weise sehr viel Gesetzmässiges in den Niederschlags-
angaben in Bezug auf die topographische und geographi-
sche Lage, welche eben sich nicht verändert. Wohl kann
vielleicht der Höhenwerth der Curven sich wesentlich ver-
ändern (wenn das Mittel der 6 Jahre vom wahren Mittel
stark abweicht, was ich zwar nicht erwarte), weniger aber
die Form der Curven. Besonders während der Construc-
tion der Karte gelangte ich immer mehr zu der Ueber-
zeugung, dass die Zukunft nicht viel Anderes bringen
werde, weil die Curven sich zu sehr den Niveaucurven
der topographischen Karte näherten und, wo diess nicht
der Fall war, die Abweichungen meist aus den allgemeinen
meteorologischen Verhältnissen sich leicht erklären liessen.
Immerhin bleibt natürlich eine möglichst lange Fortsetzung
der Beobachtungen und besonders auch eine Vermehrung
der Stationen ausserordentlich wünschbar. — Jedenfalls _
bringt uns die jetzige Regenkarie der Wahrheit näher
und später kann man ja eine neue, bessere construiren.
Für jede Station wurde die mittlere jährliche Nieder-
schlagshöhe für die 6 Jahre 1864-1869 berechnet. Diese
Berechnung konnte für 38 Stationen mit voller Sicherheit
gemacht werden, da von denselben beinahe ganz lücken-
lose Beobachtungsreihen vorlagen. Von den übrigen 59
Stationen waren nur mehr oder weniger unvollständige
*) Glücklicherweise ist seither in Frutigen eine meteorologische
Station in’s Leben getreten.
Bern. Mittheil. 1871. Nr. 789.
—
Beobachtungsreihen erhältlich, das Fehlende wurde dann er-
gänzt durch Schätzungnachbenachbarten Stationen. Puncte
der Niederschlags-Curven bestimmte ich auf folgende
Weise: Nach verschiedenen Richtungen wurden Stationen
unter einander zu Polygonzügen verbunden und die
Längenprofile dieser Züge construirt, wobei die horizon-
talen Entfernungen der Stationen als Abscissen, die mitt-
leren Regenhöhen als Ordinaten und die Endpunkte der
Ordinaten theilweise durch Gerade, unter Umständen aber
auch durch Curven, mit einander verbunden wurden, die
sich den Terrain-Unebenheiten einigermassen anschmieg-
ten. In diese Längenprofile zog ich Horizontallinien von
40 zu 10 Centimeter ein, projicirte die Schnittpunkte der-
selben mit den Profillinien auf die Basis und trug zuletzt
diese Projectionen in die Schweizerkarte über. Natürlich
war bei dieser Arbeit keine grosse Genauigkeit erforder-
lich, so dass nur eine früher von mir konstruirte Ueber-
sichtskarte des schweizerischen Pegelnetzes zu Grunde
gelegt werden durfte.
Die grössten jährlichen Regenhöhen treten auf in der
Gegend der Grimsel und besonders beim Bernhardin, der
die grösste Niederschlagshöhe von 250 Centimeter zeigt.
Es ist diess eine der grösstbekannten jährlichen Nieder-
schlagshöhen von ganz Europa. Die geringsten Regen-
höhen sehen wir in der Hochebene, geringer noch im
Inngebiet, obern Rhein- und obern Rhonegebiet. Das Mini-
mum weist die Walliserstation Grächen auf mit nur 54
Centimeter. Man möchte sagen, überall im sogenannten
Windschatten grosser Gebirgszüge (in Bezug auf den
Aequatorialstrom) zeigen sich in der Regenkarte helle
Flächen, also geringe Regenmengen. — Als mittlere
Regenhöhe geht für die ganze Schweiz her-
vorf4,n9 Meter, berechnet nach dem arithmeti-
_— 355 —
schen Mittel der mittleren jährlichen Regen-
höhen aller Stationen und A,,,, Meter, bestimmt nach
der Regenkarte. Diese beiden Zahlen sind nahezu
gleich, es muss aber bemerkt werden, dass die 2. Zahl
sich nicht nur auf die Schweiz, sondern auf den Gesammt-
flächeninhalt der 7 Hauptflussgebiete bezieht, wobei also
auch ausserschweizerische Gebietstheile inbegriffen sind.
Allerdings compensiren sich die niederschlagsreichen süd-
lichen ausländischen Gebietstheile mit den nördlichen und
östlichen, welche im Allgemeinen geringe Niederschläge
haben werden.
Die Regenkarte ermöglicht es, mit viel mehr Ge-
nauigkeit die mittleren jährlichen Niederschlagsmengen
der einzelnen Flussgebiete berechnen zu können, ferner
dient sie uns zu einigermassen sicherer Bestimmung des
Bezirks einer jeden Station, für welche die Angabe der
letzteren als gültig betrachtet werden kann und zwar
können diese beiderlei Berechnungen am einfachsten und
zugleich richtigsten auf graphischem Wege geschehen,
etwa in folgender Weise:
a) Berechnung der mittleren Niederschlagsmenge eines
Flussgebietes.
Die mittlere, jährliche Niederschlagsmenge eines Fluss-
gebietes wird in der Regenkarte durch Gebietscontour
und die Niederschlagscurven als ein Körper dargestellt,
der unten ein gerader Cylinder ist, dessen Grundfläche
die Gebietscontour und dessen Höhe durch die geringste
Niederschlagshöhe des Gebiets angezeigt wird. Von dieser
Höhe an geht der Körper nach und nach in mehr kegel-
artige Gestalt über. In Höhenabständen von 10 zu 10 Cen-
timeter geben uns die Niederschlagscurven Horizontal-
schnitte, und zuletzt gipfelt sich der Körper kuppenförmig
— 36 —
bei der höchsten Niederschlagsangabe des Gebiets. Es
kommt nun darauf an, diesen Körper zu berechnen, was
wohl am einfachsten durch Planimetriren der Fläche ge-
schieht, welche durch ein rechtwinkliges Coordinaten-
system und durch die Curve der Horizontalschnitte des
Körpers eingeschlossen wird. — Ich habe beispielsweise
für das Limmatgebiet dieser Verfahren durchgeführt. Als
Abseisse trug ich auf der horizontalen (X) Coordinaten-
axe die 2444 DO Kılometer Gebietsflächeninhalt im Maass-
stab 4 Centimeter — 200 D Kilometer, also eine Länge
von 412,5, Centimeter auf. Als Höhenmaassstab wurde ge-
wählt 4 Centimeter — 20 Centimeter Regenhöhe. Die
geringste jährliche Regenhöhe im Limmatgebiet beträgt
88 Centimeter, demnach sind die Horizontalschnitte des
zu berechnenden Körpers bis 4,, Centimeter der Zeich-
nung gleich gross, man hat also nur im Endpuncte der
12,0,°° der X Axe eine Senkrechte 4,,°® lang zu errichten.
Von da an nehmen die Horizontalschnitte ab, für 90 Cen-
timeter Regenhöhe ergab das Planimeter einen Horizontal-
schnitt von 2365 DJ Kilometer, daher zog ich in 4,,°® Höhe
eine Abseisse von 41,,°®; für 100% Regenhöhe bekam
man einen Schnitt von 219% DKilometer, die entsprechende
Abscisse in 5°® Höhe fiel somit 10,9,°® lang aus etc. etc.
Zuletzt erhielt ich durch Verbindung aller Abscissen-
endpuncte die Curve der Horizontalschnitte, planimetrirte
dann die Fläche zwischen der Curve und dem Coordi-
natensystem und erhielt 82, DO Centimeter. Ein Quadrat-
centimeter dieser Fläche gibt an 200 DKil. x 0m =
200,000,000 x 0,; = 40 Millionen Cubicmeter Regenmenge,
folglich hat das Limmatgebiet eine mittlere
jährliche Niederschlags-Menge von 82 x
40,000,000 = 3280 Millionen Cubicmeter, was
für die Secunde abgerundet 104 Cubicmeter
— 357 —
ausmacht. — Vergleichen wir mit dieser Zahl die... .*)
Cubicmeter mittlere secundliche Durchfluss-Menge der
Limmat nahe bei der Mündung in die Aare, so sehen wir,
wie gross derjenige Antheil der Niederschlagsmenge ist,
der durch Verdunstnng ete. absorbirt wird.
Dividiren wir 82 DO Centim. durch 42,97, so erhalten
wir 6,794, also 20 x 6.794 = 1,359 Meter als mittlere
jährliche Niederschlagshöhe für das Limmat-
gebiet. Die Tabelle I, in welcher diese mittlere jähr-
liche Niederschlagshöhe einfach nach dem arithmetischen
Mittel der Regenhöhen der einzelnen Stationen im Limmat-
gebiet bestimmt wurde, gibt die Zahl 1,342, die allerdings
von obiger zufällig wenig abweicht.
Auf dem hydrom. Centralbureau wurden die mittleren
jährlichen Niederschlagshöhen nach meiner Regenkarte,
jedoch in etwas anderer Weise, als ich oben angegeben,
auch für die übrigen Hauptflussgebiete berechnet. Wir
wollen die Resultate vergleichend zusammenstellen mit
denjenigen der Tabelle 1:
Mittlere jährliche
Niederschlagshöhe
Dich dem
nach der arithmet. Mittel
Regenkarte der einzelnen
Stationen
Meter Meter
Rheingebiet, bis vor Einmündung der
Re Berechnet, 9% ... 7... Too N 437
Bemoschiet AulgiuuDtasında, 100 gut 183
Beusseebiel..1.,f 3910 worlailanno Hl of age .203
Limmatgebiet . = a N N ‚959 ‚342
Rheingebiet, bis Basel gerechnet a ‚234
Rhonegebiet ala! RIHMDRIOU FIG.) FunE
Tessingebiet e Jurh £ - AN SAa TE L 780 »599
Inngebiet a a ee aa ae ‚854 0.997
*) leider noch nicht bekannt. Es folge hier ein anderes Beispiel‘ In’s Aaregebiet , bis Aarau
gerechnet, fällt im Mittel seeundlich eine Niederschlagsmenge vou 413,4 Cubiemeter, der mittlere
secundliche Aaredurchfluss bei Aarau beträgt dagegen 337,5 Cuhiemgter, Es fallen somit
443,4 — 337,5 = 75,0 Cubicmeter oder circa 48 Procent der Verdanstung ete. anheim.
— 358 —
Nach der Tabelle 1 würde das Reussgebiet eine grössere
Niederschlags-Menge haben als das Limmat-Gebiet, die
Regenkarte zeigt aber nun, dass dieses Verhältniss gerade
umgekehrt ist.
Das hydrometrische Centralbureau sucht durch eine
Reihe genauer Durchfluss-Messungen immer genauer die
Verhältnisse von Durchfluss zu Niederschlagsmenge zu
bestimmen. Man wird auf diese Weise nach aufmerksamer
Vergleichung der Verhältnisszahlen unter einander im Hin-
blick auf die Beschaffenheit der Gebiete zu dem wich-
tigen Resultate gelangen, für irgend ein Flussgebiet die
mittlere secundliche Durchflussmenge ziemlich annähernd
nur mit Hülfe der Regenkarte und etwa unter Berück-
sichtigung gewisser Gebietsbeschaffenheits-Factoren be-
stimmen zu können.
b) Berechnung der Bezirke, für welche die Angaben
der Niederschlagshöhen der einzelnen Stationen als gültig
zu betrachten sind.
Wir zeigen am kürzesten gerade an demselben Bei-
spiel für das Limmatgebiet, welche Bezirksausdehnungen
den einzelnen Stationen zuzutheilen sind. Eine solche
Vertheilung hat nämlich zum Zweck, in Zukunft die Nie-
derschlagsmengen eines Flussgebiets und besonders die
Quantitäten einzelner Regenfälle genauer berechnen zu
können, als diess nur bei Berücksichtigung des arith-
metischen Mittels der Regenhöhen aller Stationen geschieht.
Natürlich wird dabei vorausgesetzt. dass im Allgemeinen
mit der Zeit die Niederschlagsvertheilung im Gebiet sich
nicht wesentlich verändere. Eine später erneute Con-
struction einer schweizerischen Regenkarte wird heraus-
stellen, in wie weit jene Voraussetzung gerechtfertigt ist.
Wollte man nur die jährliche mittlere Niederschlags-
— 359 —
höhe eines Gebiets kennen lernen für künftige Jahre, so
hätte man eigentlich die Ermittlung des Bezirks für jede
Station nicht nöthig, viel einfacher wäre ja, die nach dem
arithmetischen Mittel der Regenhöhen aller Stationen be-
rechnete Niederschlagshöhe mit dem Verhältniss des für
die 6 Jahre 1864—1869 aus der Regenkarte hervorgegan-
genen Mittels zu dem arithmetischen Mittel zu multi-
pliziren, allein, wenn Tag für Tag die Niederschlagsmenge
mit dem Abflussquantum verglichen werden soll, um so
eine Einsicht zu erhalten in die Verdunstungsverhältnisse
während dem Verlauf des Jahres, so wird man doch zu
einer Bezirkseintheilung gezwungen.
Für das Limmatgebiet habe ich nun diese Eintheilung
in folgender Weise durchgeführt: In der Zeichnung der
oben beschriebenen Curve zur Bestimmung der Nieder-
schlagsmenge zog ich die den mittleren jährlichen Nieder-
schlagshöhen der Stationen Auen, Einsiedeln, Zürich und
Uetliberg entsprechenden Horizontallinien ein und suchte
dann eine staffelförmige Linie zwischen diesen Horizontal-
linien herauszubringen, welche dieselbe Flächengrösse
begrenzte, wie die stetige Curve. Die Längen der Staffeln
geben das Maass der Bezirksausdehnungen. So erhielt
ich für das 2414 DJ Kilometer umfassende Limmatgebiet
folgende Bezirkseintheilung::
ür die Station Okil,
Auen mit 191 Cm. mitt]. jährl. Niederschlagshöhe 228
Einsiedeln „ 170 „ N R H 890
Zürich Da 1 a ae ß 1134
Beluere ,, 8 „ „ 2 162
Zusammen 241
Die mittlere jährliche Niederschlagshöhe des Limmat-
gebiets beträgt nach der Regenkarte A,,,; und nach obiger
— 360 —
Bezirkseintheilung und Niederschlagsangaben erhalten wir
nun ebenfalls:
AN x 2283 — 43548
170 x 890 = 151300
105 x 1434 —= 119070
8x 162 = 14256
328174:2444=1,359 Meter.
Im Limmatgebiet liegen leider die Stationen etwas
ungünstig vertheilt, auch sind es offenbar deren zu wenige.
In den andern Flussgebieten sind die Verhältnisse zum
Glück günstiger. Ich wählte eben für meine Beispiele
nur aus dem Grunde das Limmatgebiet, um möglichst wenig
rechnen zu müssen. Es kam ja hier nur darauf an, das
Verfahren anzugeben.
So willich nun meine Mittheilungen schliessen, Mögen
dieselben weit hinter der von mir gewünschten über-
sichtlichen Form und Klarheit zurückbleiben, so beruhigt
mich doch der Gedanke, das vom Central - Bureau der
schweiz. meteorologischen Commission mit so grossem
Fleisse gesammelte Beobachtungsmaterial nach einer Rich-
tung wenigstens vollständig und gewissenhaft benutzt zu
haben. Auch bin ich mir bewusst, mit der Construction
der Regenkarte der schweiz. hydrom. Commission für
ihre Untersuehungen eine nicht unwesentliche Grundlage
verschafft zu haben.
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Verzeichniss der Mitglieder
der
Bernischen naturforschenden Gesellschaft.
(Am Schluss des Jahres 1871.)
Herr Isıdor Bachmann, Präsident für 1874.
„ Dr. R. Henzi, Sekretär seit 1860.
B. Studer, Apotheker, Kassier seit 1865.
J. Koch, Oberbibliothekar und Correspondent seit
1865.
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Dr. Cherbuliez, Unterbibliothekar seit 1863.
Jahr des
Eintrittes
1. Herr Aebi, Dr. und Prof. der Anatomie in Bern (1863)
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Annaheim, J., Chemiker in der Rütti (1571)
Bachmann, I., Naturgesch., Cantonssch. (1863)
Benteli, Notar . ’ (1858)
Benteli, A., Lehrer d. Geometr., Kantonssch. (1869)
Bodenheimer, A. Ingenieur . F (1871)
v. Bonstetten, "Aug., Dr. Phil. - (1859)
Brunner, Alb., Apotheker Ä 2 ä (1866)
Brunner, Telegraphendirektor in Wien (1846)
Bürki, Grossrath ; 4 (1856)
Buri, Eug., Dr. phil. von Burgdorf . (1870)
Cherbuliez, Dr., Mathematik, Kantonssch. (1861)
Christeller, Dr. med., Arzt in Bern (1870)
Christener, Lehrer an der Kantonsschule (1846)
Christener, Dr. med., Arzt in Bern . (1867)
Cramer, Gottl., Arzt in Nidau . 3 (1854)
David, Secretair d. eidg. Hand.- u. Zoll-Dep. (1870)
Demme, R., Dr., Arzt am Kinderspital (1863)
Dor, Dr. u. Prof. d. Augenheilkunde in Bern (1868)
Ducommun, J. C., Redactor . ; (1871)
Dutoit, Dr. med., Arzt in Bern . ? (1867)
— 368 —
22. Herr Emmert, C., Dr. u. Prof. d. gericht]. Medic. (1370)
23. „ Emmert, E., Dr. med., Arzt in Bern . (1870)
24, „ Escher, eidgen. Münzdirektor . ; (1859)
25. „ v.Fellenberg-Rivier, R. Dr. j (1835)
26. „ v.Fellenberg, Ed., Geolog . ; (1861)
21. „ Finkbeiner, Dr. Med. in Neuenstadt . (1856)
25. „ v. Fischer-Ooster, Karl. : (1826)
29. „ Fischer, L., Dr., Prof. der Botanik . 1852)
30. „ Flückiger, Dr., Staats-Apothexer £ (1853)
31. „ Forster, Dr., Prof.d. Physik d.Hochschule (1866)
32. „ Friedli, Ed., Math. u. Physik, Lerberschule .(1870)
33. „ Frey, gewesener Bundesrath 3 N (1849)
34. „ Frote, E., Ingenieur in St. Immer ’ (1850)
35. „ Ganguillet, Oberingeniur . 5 ; (1860)
56. „ Gelpke, Otto, Tüßeeir : : r (1867)
37: „ Gerber, Prof. der Thierarzneikunde . (1831)
88. „ Gibolet, Victor, in Neuenstadt . : (1844)
39. „ Glauser, J., Ingenieur in Bern . \ (1870)
40. „ Gosset, Philipp, Ingenieur . i & (1865)
41. „ Gubler, Lehrer in der Bachtelen . ’ (1571)
42. „ Guihnick, gew. Apotheker 2 : (1857)
43. „ Haller, G., Stud. medieine, n : (1871)
44. „ Haller, Friedr., Buchdrucker { N (1871)
45. „ Hamberger, Joh., in Brienz Ä ! (1845)
46. „ Hartmann, O.-Assistent, Phys. Kabinet (1871)
47. „ Hasler, G., Direkt. d. eidg. Tel.-Werkst. (1861)
48. „ Henzi, Friedr., Ingenieur des mines . (1551)
49. „ Henzi, R., Med. Dr., Spitalarzt . i (1859)
50. „ Hermann, F., Mechaniker . F (1861)
10‘, Hipp, Direkt. d. neuenb. ae Werkst. (1852)
92. „ Hopf, J. G@., Arzt e > (1864)
Bor, Jacoi, Friedr., Notar, ; (1564)
4. , Jenner, F. ‚ Entomologe, Stadtbiblioth. Bern (1870)
99. „ Jenzer,E., Lehrer d, Phys. a.d. Kantonsschule (1862)
56. „ Jonquiere, Dr. und Prof. der Medicin (1853)
57. „ Isenschmidt, Stud. phil. . E (1871)
58. „ Kernen, Rud., von Höchsteiten . h (1853).
59. „ Kesselring, H., Lehrer a. I Gewerbeschule (1870)
60. „ Koch, Lehrer d. Math. an Realschule (1853)
61. „ Klebs, Prof. d. pathol. Anatomie . F (1866)
62. „ Krähenbühl, Pfarrer in Beatenberg . (1869)
63. „ Krieger, K., Med. Dr. - e B (1541)
64. „ Kuhn, Fr., Pfarrer in Affoltern . ; (1841)
66.
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Bern. Mittheil. 1871.
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65. Herr Küpfer, Lehrer im Pensionat Pe ;
Küpfer, Fr., Med. Dr.
Kutter, Ingeni eur in Bern .
Lanz, Med. Dr., in Biel
Lauierburg, R., ingenieur .
Lauterburg, Gottl., Arzt in Kirchdorf
Leonhard, Dr., Prof. a. d. Thierarzneischule
Lindt, Franz, Ingenieur von und in Bern
Lindt, R., Apotheker .
Lindt, Wilh., Med. Dr.
Lücke, Der.; Prof. d. chir. Klinik d. "Hochsch.
Metzdorf, Dr. Prof. a. d. Thierarzneischule
v. Mutach, Alfr., in Riedburg ;
Müller, Dr., Apotheker
Müllhaupt, Kupferst. am eidg.top. Bureau
Neuhaus, Carl, Med. Dr. in Biel
Niehans, Sohn, Dr. med., Arzt in Bern
Otth, Gustav, Hauptmann j !
Oiz,. Dr., Assistent chir., Klinik Bern .
Peyer, Dr. phil., Zahnarzt .
Berty;Dri®: Prof. d. Naturwissenschaflen
Pfister, H., Mechaniker ;
Prior, Eug., Dr. Chemiker .
Probst, Mechaniker
Pulver, A.. Apotheker
Pütz. .Dr,, ‚Profil aui@. Thierarzneischule
Qui querez, A., Ingenieur in Delemont
Reymond, M., eidgen. Stabshauptmann
Ribi, Lehrer der Math. an der Realschule
Ris, Lehrer d. Math. an der Gewerbeschule
Ritz, Alb.. von Bern, Pfarrer in Wimmis
Rogge, Apotheker in Bern
Rethenbach, E., Lehrer in Bern
Schädler, E., Med. Dr. i
Schär, Ed., Apotheker i |
Schärer, Rud. Direktor, der Waldau
Schmalz, Geometer in Oberdiessbach
Schneider, J. J., Lehrer an d. Bächtelen
Schumacher, Zahnarz!
Schwab, H., Seminarlehrer in Hindelbank
Schneider, Fr.. Sem.-Lehrer in M.-Buchsee
Schwarzenbach, Dr.,ord. Prof. d. Chemie
(1848)
(1853)
(1869)
(1856)
(1851)
(1853)
(1870)
(1870)
(1849)
(1854)
(1866)
(187: )
(1868)
(1844)
(1856)
(1854)
(1870)
(1853)
(1870)
(1865)
(1848)
(1871)
(1871)
(1870)
(1862)
(1870)
(1858).
(1871)
(1859)
(1863)
(1870)
(1869)
(1871)
(1863)
(1867)
(1867)
(1865)
(1870)
(1849)
(1871)
(1871)
(1862)
Schönholzer, Lehr. d. Geogr. Kantonssch. (1869)
Nr. 79.
— .3W
108. Herr Shuttleworth, R., Esqr. : 1855)
109. „ Schuppli, Lehrer d. Naturg., Gewerbeschule 1870)
120... Sidler, Dr., Lehr. d. Math. a. d. Kantonssch. (1856
311), Stämpfli, K., Buchdrucker, von u. in Bern 18701
19222), Steck, R., Apotheker, von und in Bern (1870
Sri, N Steiger, K., Bez.-Ingenieur, v. u. in Bern (1870)
114, „ Steinegger, gew. Lehrer, in Basel . (1851)
115. „ Stucki, Optiker ı i (1854)
116. }, Studer, B., Dr., Prof. d. Naturwissenschaft (1819)
aaa, Studer, Bernhard, Apotheker, Vater (1844)
115, .}, Studer, Bernhard, Apotheker, Sohn (1871)
119. „ Studer, Gottlieb, gew. Regierungsstatth. sol)
120. „ Studer, Theophil, Stud. Med. .
124.' ;„ Tieche, Ed., Lehrer an der Lerberschule 1s6g
122. „ Thiessing, Dr., Prof. in Pruntrut . (1867)
123. „ Thormann,Fr., Ing. des mines, v.u.inBern (1870)
124. „ Tomasowsky, Prof., Bächtelen ‘X ei)
125. „ Trächsel, Dr., Rathsschreiber . F (1557)
126. „ Trechsel, Walth., Chemiker . k (1868)
127. „ Uhlmann, Arzt in Münchenbuchsee . (1868)
128. '„ Valentin, Dr. und Prof. der Physiologie (1837)
12), „. Vogt, Adolf, Dr. Med. (1856
130. „ Wäber,A. „ Lehrer d. Naturg. a.d. Realsch. (1864)
151.1, Wander, Dr. phil., Chemiker . h (1865)
182.) Wanzenried, Lehrer in Zäziwyl . (1567)
133. „ v. Wattenwyl-Fischer.. h ü (1848)
134. „ Wild, Karl, Med. Dr. [ ; (1828)
1382". }, Wildbolz ‚ Alex., Apotheker in Bern (1863)
136... WOlE.HR4, Dr; und Prof. in Zürich . (1839)
dal! „ Wurstemberger, Artillerieoberst . (1852)
138. „ Wurstemberger, Stadtforstm., v.u.inBern (1870)
139. „ Wydler, H., Dr. Med., Prof. 4. Botanik (1850)
140. „ Wyss, Lehrer im Seminar Münchenbuchsee (1869)
141. „ Ziegler, A., Dr. med., Spitalarzt i (1859)
142. „ Zgraggen, "Dr. .,„ Arzt in Könitz 3 (1868)
143. „ Zwicky, Lehrer an der Kantonsschule (1856)
— 371 —
Correspondirende Mitglieder.
. Herr Beetz, Prof. der Physik in Erlangen (1856)
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Biermer, Dr., Prof. d. spec. Path. in Zürich (1865)
Boue&, Ami, Med. Dr., aus burgdori, in Wien (1827)
Buss, "Ed. , Maschinen-Ingen. in Stuttgart (1869)
Buss, W.A. ‚ Ingenieur in Stultgart . (1869)
Custer, Dr., in Aarau : : (1850)
Denzler, Heinr., Ingenieur in Solothurn (1867)
jr Fellenberg, Wilhelm . i ; (1851)
'v. Fellenberg, Stud. chem. b : (1569)
Graf, Lehrer in St. Gallen . 5 : (1858)
Gruner, E., Ingen. des mines in Frankreich (1825)
Krebs, Gymnasiallehrer in Winterthur. (1567)
Lindt, Otto, Dr., Chemiker in Basel . (1865)
May, in Karlsruhe : ‚ (1846)
Meissner, K.L., Prof. der Botanik in Basel (18544)
Mohl, Dr. u. Prof. der Botanik in Tübingen (1523)
Mousson ‚ Dr., Prof. der Physik in Zürich (1829)
Ott, Adolf, Chemiker, Amerika . » (1862)
Rüttimeyer, L., Dr. u. Prof. in Basel (1556)
Schiff, M., Dr. ü. Prof. in Florenz- . (1856)
Simler, Dr., in Muri im Aargau i (1861)
Stauffer, Bernh., Mechaniker in Stuttgart (1869)
Theile, Prof. der Medicin in Jena . (1834)
Wild, Dr. Phil. in Petersburg . - (1850)
Jahrgang 1850 (Nr.
1851 (Nr.
1852 (Nr.
1853 (Nr.
Q
FRE
1554 (Nr.
1855 (Nr.
1856 (Nr.
1857 (Nr.
1825 (Nr.
1859 (Nr.
1860 (Nr.
1861 (Nr.
1862 (Nr.
1863 (Nr.
1864 (Nr.
1865 (Nr.
1866 (Nr.
1867 (Nr.
1868 (Nr.
1869 (Nr.
1870 (Nr.
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167—194) zu
195— 223) zu
224—264) zu
265— 309) zu
310—330) zu
331— 359) zu
369— 354) zu
3855— 407) zu
408-523) zu
424—439) zu
440—468) zu
469— 496) zu
497—530) zu
531—552) zu
553— 579) zu
580 — 602) zu
603—618) zu
619—655) zu
654—683) zu
684— 111) zu
4 Fr.
4 Fr.
6 Fr.
6 Fr.
3 Fr.
4 Fr.
4 Er,
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2:Fr.
2.ET.
4 Fr.
4 Fr.
6 Fr.
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4 Fr.
3 Fr.
3 Fr.
3 Fr.
4 Fr.
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1571 (Nr. 745—791) zu 8 Fr.
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