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Full text of "Mitteilungen der Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft"

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Mitteilungen 


der 


Thurgauischen 


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Naturforschenden Gesellschaft 


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XXI. Bejt 


Redaktion: B. Wegelin 


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2355 198/ 


Druk von Buber & Co. in Frauenfeld 
1915 


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Mitteilungen 
s Thurgauischen 


Naturforschenden Gesellschaft 


VVvV 


XXI. DBeft 


Redaktion: 5. Wegelin 


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Druck von Buber & Co. in Frauenfeld 
1915 


Inhaltsverzeichnis. 


l. Wissenschaftlicher Teil. 


1. Veränderung der Erdoberfläche innerhalb des Kantons 
Thurgau in den letzten 200 Jahren, von H. De 


in Frauenfeld : ; : 3—170 
2. Die Vegetation des Une (Bodenseo) von Dr. Eug. 
Ben in Zürich . ; 179672200 


3. Beiträge zur Kenntnis der Kilora. des oe Dicken 
hofen und seiner a von Dr. med. Hans Brunner 
in Dießenhofen . : \ E ; . 201—209 


ll. Vereinsnachrichten. 


Auszug aus den Protokollen : i : : ; 213 
Jahresversammlung 1913. 


Jahresversammlung 1914: 


Ueber Ernährungsfragen, von A. Schmid, Kantons- 
chemiker ; i ; 215 


Jahresbericht des Prsienten BESSER : 216 
Jahresversammlung 1915: 
Wundinfektion und Wundbehandlung im Kriege, 


von Dr. Brunner, Direktor in Münsterlingen . 2185 
Jahresbericht des Präsidenten B 221 
Verzeichnis der Tauschschrften . 2... 222 


“ Mitgliederverzeichnis : 5 ER ; 227 


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Veränderung der Erdoberfläche 
innerhalb des Kantons Thurgau 


in den letzten 200 Jahren. 


Von H. Wegelin in Frauenfeld. 


Inhalts-Uebersicht. 


Einleitung 5 0 h b B 
I. Kritik der Quellen, insbesondere der Karten 


A. 
B. 
C. 


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Die Karte des Kantons Zürich von Hs. C. re 
Die Karte des Schaffhauser Gebiets von Hch. Peyer 
Die Karte der Landgratschaft Thurgau von Joh. Nötzli 
a. Die Karte von 1717 
b. Kopien der Karte von 1717 . 
e. Die Karte von 1720 und deren Kopien . 


_ d. Die Karte des jüngern Nötzli . 
. Herrschaftspläne aus dem 18. Tancharderis 


. Ittingen 

. Dießenhofen 

. Neunforn 5 

. Mammern und Sarkınz 

. Freudenfels und Eschenz 
. Wagenhausen-Kaltenbach. 


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. J.J. Sulzberger und seine topographische Karte ass none 
. Die Dufourkarte 
. Die Siegfriedkarten . 


Kantonsgrenzen 
Die Grenze am Rhein as, alargec 
Die Grenze bei Konstanz und im „Trichter“ 


. Reichsboden und Reichsgrenze im Obersee 
. Die Züricher Grenze 
. Die St. Galler Grenze 


III. Die Gewässer 


A. 


Bodensee und Rhein 

a. Die Hochwasser 

b. Das Oberseeufer 

1. Zerstörung und Uferschutz 
2. Natürliche Neubildungen 

c. Der Rheinlauf Konstanz-Gottlieben 
d. Das Unterseeufer 

e. Der Rheinlauf Stiegen- Sohasir msn 


12 


1. Die Schwemmkegel der Enge von Stiegen 
2. Tuffbildung ö ® B i ö 
3. Erratiker im Strombett . 5 


4. Angriff der Ufer durch Wellenschlag der Dampfschiffe 


B. Flüsse im Innern des Kantons 
a. Die Thur { 
1. Das Kartenbild 
2. Veberschwemmung und on 
b. Die Sitter 
c. Die Murg 
C. Bäche 
. er 
. Rheiugebiet Konstanz- Gottlieben 
. Unterseegebiet 
. Rheingebiet Stein- Schaffhausen 
. Thurgebiet 
. Sittergebiet . 
g. Murggebiet . A 
D. Veränderung an Seelein mil Weihern 3 
a. Die natürlichen Wasserbecken 
b. Die künstlich angelegten Weiher 
E. Wirtschaftliche Benutzung des Wassers 
a. Zu industriellen Zwecken (Mühlen) 
b. Zu landwirtschaftlichen Zwecken 
c. Verwendung des Eises 
. Das Wasser als Schutzwehr 
. Quellen und Grundwasser 
a. Quellen und Sümpfe 


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b. Grundwasser ee edkriechen Brelanisch, Grund 


wasserstiom) . 
H. Rückbliek und Ausblick 


IV. Der Wald 
A. Lage 
B. Ausdehnung 
a. Aenderungen in ahemEn ende 
b. Aenderungen im 19. Jahrhundert 
C., Eigentumsverhältnisse 
a. Der alte Wald 
b. der Gemeindewald 
ec. der Privatwald 2 
d. der Genossenschaftswal! . 
e. der Staatswald 
f. Uebersicht 
D. Pflanzenbestand 
a. In alter Zeit 
b Im 19. Jahrhundert 
ce. Fremde Waldbäume 
E. Zusammenfassung 


V. Das Rebland 
A Aeltere Geschichte 
B. Verbreitung 
C. Höhenlage 
D. Zerstückelung 
E. Rückgang 
Benutzte Literatur 


93 


Einleitung. 


Die im Laufe der Zeit eintretenden Veränderungen im 
Antlitz unseres Landes werden durch zweierlei Faktoren her- 
vorgerufen: 


1) durch natürliche, das Walten der Naturkräfte in Ver- 
witterung, Abtragung, Verfrachtung und Ablagerung von 
Materialien der Erdoberfläche; 


2) durch anthropogene, d. h. Eingriffe der Menschen zur 
Umformung der Urlandschaft in eine Kulturlandschaft. 


Der Nachweis von Veränderungen wird möglich durch 
Vergleich älterer Dokumente, speziell von Karten und Plänen 
mit neueren topographischen offiziellen Karten, wie Dufour- 
und Siegfried-Atlas und der heutigen Landschaft selbst. 

Indem wir die spezielle Siedlungsgeschichte, Ackerbau und 
Verkehrswege wenig berühren, behandeln wir die verwendeten 


Karten, die Grenzen, die Gewässer, den Wald und das Rebland. 


Es ist mir eine angenehme Pflicht, allen denjenigen, welche 
meine Arbeit bereitwillig und mit Interesse förderten, den 
wärmsten Dank auszusprechen. 

Vor allem habe ich zu danken den Herren Prof. Dr. J. Früh 
in Zürich, Archivar und Bibliothekar F. Schaltegger in Frauen- 
feld und Regierungsrat Dr. Hofmann, Vorstand des Straßen- 
und Baudepartements, in Frauenfeld; sodann den Herren 
Regierungsrat Aepli-Frauenfeld, Dr. Eberli-Kreuzlingen, Sek.- 
Lehrer Eingeli-Ermatingen, Forstmeister Ziter-Steckborn, Lehrer 
Fehr-Arbon, Steuerkommissär F'reyenmuth-W ellhausen, Dr. Hep- 
Frauenfeld, Redaktor Huber-Frauenfeld, Sek.-Lehrer Oberholzer- 
Arbon, Sek.-Lehrer Osterwalder-Bischofszell, Kantonsgeometer 
Possert-Frauenfeld, Roth-Huber-Zürich, Staatsschreiber Schneller- 
Frauenfeld, Sek.-Lehrer Schoop-Tägerwilen, Statthalter P. A. 
Senn-Freudenfels, Forstmeister Schwyter-Frauenfeld, Kultur- 
ingenieur Weber-Frauenfeld, Regierungsrat Wiesl-Frauenfeld, 
Andreas Zimmermann-Dießenhofen. 

Besondern Dank schulde ich der schweizerischen Zandes- 
hydrographie in Bern, welche mir die Cliches zu den Ueber- 
schwemmungsbildern Fig. 3 und 4 unentgeltlich zur Verfügung 
stellte, und der Abteilung für ZLandestopographie des schwei- 


'  zerischen Militärdepartements in Bern für die am 29. Juni 


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und 10. August erteilte Erlaubnis zur Reproduktion von fünf. 
Abschnitten aus dem schweizerischen topographischen Atlas 
(Fig. 1, 9, 14, 16 und 19). 


I. Kritik der Quellen, insbesondere der Karten. 


Es gibt eine Reihe von Plänen und Karten aus den letzten 
drei Jahrhunderten, welche einzelne Gegenden oder das ganze 
Gebiet des Thurgaus darstellen. Die hauptsächlichsten der- 
selben: Gygers Karte des Kantons Zürich von 1667, Nötzlis 
Entwurf der Landgrafschaft Thurgau, die Herrschaftspläne 
des 18. Jahrhunderts, Sulzbergers topographische Karte von 
1836 und der neue schweizerische topographische Atlas der 
Schweiz — sind voneinander unabhängige Darstellungen in 
Zeitintervallen von 50—60 Jahren und erscheinen darum 
trefflich geeignet, die Veränderungen herauszufinden, welche 
unser engeres Vaterland seit der Mitte des 17. Jahrhunderts 
erfahren hat. Indes ist eine vorgängige Prüfung des Karten- 
materials auf seine Zuverlässigkeit durchaus notwendig, damit 
nicht aus allfälligen falschen Darstellungen eine Umgestaltung 
herausgelesen wird, die niemals stattgefunden hat. Als Prüf- 
stein eignet sich vor allem die Landschaft Dießenhofen, die 
dank ihrer vorgeschobenen Grenzlage zwischen Zürich und 
Schaffhausen nicht nur vom Thurgau aus, sondern als Grenz- 
‚gebiet auch von jenen Kantonen topographisch berücksichtigt 
wird. 


A. Die Karte des Kantons Zürich von Hs. C. Gyger 
1667. 

Für die Karte des Kantons Zürich — „Einer Lobl. Statt 
Zürich eigenthümlich zugehörige Graff- und Herrschaften, 
Stett, Land und Gebiett, Sampt deroselben anstoßenden 
benachbarten Landen und gemeinen Vogteien* — von Hans 
Conrad Gyger im Maßstab von zirka 1:32000 (vorzüglich 
lithographisch reproduziert 1891 von Hofer & Burger in Zürich), 
verweise ich auf Wolf, Geschichte der Vermessungen in der 
Schweiz, Zürich 1879, und besonders auf Walser, Verände- 
rungen der Erdoberfläche im Umkreis des Kantons Zürich seit 


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der Mitte des 17. Jahrhunderts, Bern 1896. Letzterer ist 
' durch mühsame Einzeluntersuchungen der verschiedenen Teile 
‘der Karte zu dem Schlusse gekommen, daß darin die Dießen- 


hofer Landschaft wie der ganze Nordrandsich durch Genauigkeit 
auszeichnet. Im Mittel sind die Distanzen um !/3s0 zu grob. 
1 mm der Karte bedeutet 31,23 m im Felde. Eigene Ver- 
gleichungen haben den Wert des Millimeters zu 29,139 — 32,430 m 
ergeben. 

Hans Conrad Gyger lebte von 1599—1676 in Zürich. 
Er war erst Glasmaler, dann Topograph. Seine erste Arbeit 
war die Karte des Kantons Zürich in 1:52500, die er als 
Jüngling unter Anleitung Joh. Hallers zeichnete. Dieser folgten 
bis 1667 noch nahezu 40 andere Karten und Pläne, unter 
denen eine kleine Schweizerkarte in zirka 1:900000 her- 
vorragt: „Die Eydtgnoschafft Pünten und Wallis. Helvetia 


cum Confinijs. Hans Conrad Geiger von Zürich feeit Anno 


1637.“ 271/2/34!/a em. Herausgegeben 1642 in M. Merians 
Topographia Helvetiae. Der Thurgau ist sehr gut dargestellt: 
Man erkennt trotz des kleinen Maßstabes Stammerweiher und 
Geißlibach, Hüttwilerseen und Seebach, Bommerweiher und 
Kemmenbach, den Mühlekanal Bürglen-Weinfelden, die Thur- 
brücken von Schwarzenbach, Bischofszell und Andelfingen etc. 
1647 wurde der verdiente Mann zum Amtmann auf dem 
Kappelerhof in Zürich ernannt und in dieser Stellung 1668 
auf Lebenszeit bestätigt, als Belohnung für die in 37jähriger 
Arbeit eben vollendete große Karte, die seinen Ruf in der 
ganzen Schweiz verbreitete. 

Diese Karte ist wirklich ein Meisterwerk der damaligen 
Zeit; Walser (Seite 10) bezeichnet sie als das glänzendste, das 
die ältere, mit roheren mathematischen Hilfsmitteln arbeitende 
Topographie hervorgebracht hat. Höchstwahrscheinlich benutzte 
Gyger kein trigonometrisches Netz mit gemessener Basis. Er 
teilte nach der Methode von Sebastian Münster sein Gebiet 


in Dreiecke — mit Ortschaften und weithin sichtbaren Fix- 
. punkten als Eekpunkten — und ermittelte dann jede ein- 


zutragende Strecke durch direkte Messung, meist im Schrittmaß 
des abschreitenden Mannes oder gar des Pferdes (Wolf 8. 8 u. 9). 
Irrtümer und Fehler sind darum unvermeidlich; aber sie sind 
durch die Gewissenhaftigkeit Gygers auf ein geringes Mab 
zurückgeführt, und die Darstellung ist auch für die modernen 


Ba 


Augen und Ansprüche sehr klar und ausführlich. Wir finden 
die Höhenformen bei südlicher Beleuchtung durch grauen 
Reliefton und durch Striche bezeichnet, welche die Haupt- 
neigung des Gehänges angeben; es sind die kleinsten Ge- 
wässer, viererlei Wege, die Brücken, alle Ortschaften und 
Einzelgebäude, die Wälder, Reben und Obstgärten bezeichnet, 
sowie die Grenzsteine mit den zugehörigen Flurnamen. 

Man wird Gyger keinen großen Vorwurf daraus machen, 
daß er außerhalb seines Kantons fallende Randgebiete weniger 
gewissenhaft behandelte als diesen selbst (Fig. 22). Es fehlen 
im angrenzenden Thurgau einzelne Weiler und Höfe, wie 
Geisel und Ochsenfurt und der Mühlekanal auf der linken 
Murgseite bei Frauenfeld; ferner sind die Gegenden zwischen 
Pfyn und Wil verzogen und verkürzt, und der Abfluß der 
Metziker Weiher mündet unrichtigerweise beim Weiherhaus 
Wängi. 

Für die thurgauischen Randgebiete auf der Ost- 
grenze ist Gygers Karte sehr wertvoll, aber nicht 
durchaus beweisend. 

Unter den von Hans Conrad Gyger aufgenommenen Flur- 
plänen ist von Wichtigkeit für den Thurgau: 

Grundriß über die Herrschaft Wynfelden und die Bir- 
wingischen und Dottnacher Gerichte 1663, 135/147 em, 1000 
Schritt —= 12,5; em. Auf diesem Plan, der vom Kemmental bis 
Rothenhausen und von Bürglen bis gegen Amlikon reicht, sind 
die Felder grün, das Wasser blau, Wald, Wege und Böschungs- 
schraffen braun, die Gebäude rot gezeichnet. Besondere Auf- 
merksamkeit ist den Marken gewidmet, da der Plan zur Erläu- 
terung der Markenbeschreibung zu dienen hatte. 


B. Die Karte des Schaffhauser Gebiets, von Heinrich 
Peyer 1685. 


Heinrich Peyer von Schaffhausen, 1621 —1690, studierte 
mathematische und militärische Wissenschaften, wurde Haupt- 
mann und Feldzeugmeister, 1666 Stadtbaumeister. Während 
mehrerer Dezennien nahm er die erste gute Karte seines 
Kantons auf, die 1685 vollendet und von Felix Mayer in Winter- 
thur gestochen wurde. Die Karte beruht auf einem Dreiecks- 
netz und zeigt dieselbe Genauigkeit wie bei Gyger; das Grad- 


EG 


netz ist sogar noch etwas genauer orientiert, das Gelände sehr 
deutlich bezeichnet. Als Maßstab ergibt sich 1: 54972, da 
1000 Ruten (= 3573,23 m) — 65 mm messen, im Gebiet 
von Dießenhofen — nach Vergleichung einiger Strecken mit 
denen der Siegfriedkarte — indessen 1:50 200 — 1: 54600, 
im Mittel 1:53 400. 
Die Details der Karte sind im allgemeinen gut und deutlich 
bezeichnet, besonders Ortschaften, Straßen und Wald; die 
Bäche sind richtig eingetragen, doch nicht bis zu den 
Quellen fortgeführt; so fehlen die Kundelfinger Quelle und 
der Geißlibach von Stammheim bis Schlattingen; Stadt- und 
Paradieser Weiher sind abflußlos, und das „Gries“, die Mün- 
dung des Geißlibaches, ist etwa 250 m westlich statt direkt bei 
Dießenhofen. Die Weinberge sind nicht so deutlich wie bei 
Gyger; die abschließenden Querstreifen fehlen oft; das offene 
Feld wird durch zerstreute wagrechte Strichelehen und durch 
einzelne Bäume gegeben. 

Die zweite Ausgabe der Peyerschen Karte besorgte 1747 
Ingenieur Albertin mit den alten, schon etwas abgenützten 
- Kupferplatten, die dritte Archivar Ludwig Peyer 1825. Er 
reduzierte sie auf 1: 86400, benutzte die heute gebrauchten 
Zeichen für Häuser, Straßen, Wald ete. und bediente sich 
der Bergschraffen bei senkrechter Beleuchtung. 


C. Die Karte der Landgrafschaft Thurgau 
von Johs. Nötzli. 


a. Die Karte von 1717. 


Eigentlicher Entwurff | Der Landgraafschafft Thurgöwv; | 
Darinn verzeichnet alle und jede Stätte, Flecken, Schlösser, Olöster, 
Dörffer | und Höfe. Samt ordentlicher Delineation aller Herr- 
schafften, Gerichtsbarkeiten und Freysitzen. Delineavit Johannes 
Nötzlinus A. 1717. 


Johs. Nötzli, 1689 — 1753, dessen Vater Pfarrer in Buß- 
nang, später in Weinfelden war, erlernte die Schreinerei und 
übte sich daneben im Feldmessen und Planzeichnen. Er 
wurde Hauptmann im thurgauischen Militär, Quartierschreiber 
zu Weinfelden und Verwalter der Herrschaft Thurberg. Im 
Auftrage des Landammanns Joh. Ulr. Nabholz (1667 —1740) 


Be 


erstellte er 1717 die erste genaue Karte des Thurgaus, die 
auf wirklicher Vermessung beruhen soll. Ihr Maßstab ist 
etwa 1:43000, 1 Wegstunde — 6000 Schritt —= 105 mm. 
Streckenvergleichungen mit der Siegfriedkarte ergaben 1: 35 000 
bis 1:50000! 

Die Nötzlikarte galt mehr als ein Jahrhundert für eine 
gute Karte, und sie soll mehrfach als Zeuge bei Grenzstreitig- 
keiten zugezogen worden sein (J. Meyer, Karten der Land- 
grafschaft Thurgau S. 69— 73). Sie enthält sämtliche Herr- 
schaftsgebiete und Gerichtsbezirke scharf umgrenzt mit den 
zugehörigen Ortschaften, den wichtigsten Wäldern, den Wein- 
bergen, den Flüssen, Bächen und Weihern. Bei den Ort- 
schaften werden Stadt, Marktflecken, Kirchdorf, Dorf, Weiler 
und Hof unterschieden, je mit dem ungefähren Grundriß und 
der Form der Schlösser und Kirchen nach dem Aufriß. Das 
Relief des Landes ist teils an + dicht stehenden, + langen, 
krummen Schraffenstrichen, teils an der Exposition und Form 
der in Rechtecke geteilten Weinbergzeichnungen zu erkennen. 
Der Wald mit ziemlich scharfem Umriß ist durch Punkte und 
winklige Strichelehen dargestellt, und die Auen an der Thur 
etwas abweichend davon durch Strauchzeichnung. Die Feldflur 
enthält eingestreute Striche und Graszeichen. 

Die Brücken sind durch Doppelstrich quer über den Fluß 
angegeben, sonst fehlen aber alle Verkehrswege. 

Die Namenschreibung ist mit Ausnahme des Hochdeutschen 
‚bei Pfein, Weilen und Hausen der damaligen Aussprache 
entsprechend: Kralef (Kradolf), Habeheren (Hackborn), Buß- 
lingen, Bolschausen ete. 

Der topographische Wert der Karte ist wesentlich geringer 
als derjenigen von Gyger und Peyer; es fallen beispielsweise 
folgende Unrichtigkeiten auf: 

Selbst im besten Teil der Karte, der Gegend von Wein- 
felden, zeigen die Winkel Fehler von 10—15°. 

Steckborn ist der Nordpunkt des Thurgaus am Untersee. 
Von ihm tritt das Ufer gegen Osten und Westen derart südlich 
zurück, daß Mannenbach die geographische Breite von Mammern 
bekommt. Im Süden dieser Halbinsel sind dann die Ortschaften 
völlig verstellt, so daß Helmetshausen, Seelwies, Tägermoos 
und Hörhausen östlich statt westlich vom Meridian und Steck- 
born liegen; Tägermoos z.B. zwischen Berlingen und Homburg. 


EL 


An der Salmsach bei Romanshorn sind Gemmertshausen 
- und Hotterdingen westlich statt Östlich von Hungerbühl und 
„Eich“. 

Bei Frauenfeld liegen Wüsthäusli an der Stelle von Bühl, 
Unterherten südlich des Mühletobels, Hungersbühl im Gebiet 
des Rügerholzes und Aüwli (Aumühle) nördlich der Murg. 
Murkart ist weggelassen, während Gyger Ruine, Kapelle 
und sogar fünf Häuser angibt. Von den drei Hüttwilerseen 
fehlt der, 12 ha große Hasensee. 

Ein schwacher Teil der stets gerühmten Karte ist auch 
die Landschaft Dießenhofen. Hier ist jedenfalls von Vermessung 
wenig zu spüren; es scheint vielmehr, Nötzli sei gar nie 
oder nur flüchtig in der Gegend gewesen und habe vielleicht 
nur nach ungenauen Informationen gezeichnet. Er kann auch 
weder die Gyger- noch die Peyerkarte zu Rate gezogen 
haben; sonst könnte er nicht. den Hof Kundelfingen als Kirch- 
dorf zeichnen, das uralte Willisdorf weglassen, den Geißlibach 
unterhalb St. Katharinenthal in den Rhein leiten, dem Roden- 
berg von Dießenhofen 1200 Schritte und von Schlattingen 2500 
Schritte Abstand geben ustf. 
 Esist also die Karte von Nötzli nur mit großer 
Vorsicht und beständiger Kritik für Vergleichungs- 
zwecke zu gebrauchen. 

Die Nötzlikarte wurde vielfach kopiert und besonders bei 
den reichern Gerichtsherren vorgefunden (Meyer 8. 73). Diese 
Kopien enthalten sämtlich noch die Herrschaft Rheinau in 
einer Nebenkarte, die dem Original fehlt (siehe 8. 45). Unter 
den im Thurgau und in Zürich vorhandenen Kopien sind 
drei Klassen zu unterscheiden. 


u. Kopien der Karte von. 1711. 


2) Carte generale de la Comte de Thourgovie, dans laquelle 
sont marques les Dependances et Limites de toutes les Juris- 
dietions, Seigneuries, Abbayes et Oloitres, comme elle a ete dressee 
par J. Nötzlin de Zurich. Eigentum der thurgauischen Kantons- 
bibliothek. Sie trägt weder Unterschrift noch Jahreszahl; da 
jedoch der französische Titel mit demjenigen der Kopien von 
Daniel Teucher von Frauenfeld 1738 und 1742 (Meyer 8. 75, 
Wolf 8. 74) übereinstimmt, dürfte sie auch dem letztern zu- 


Be 


zuschreiben sein. Leider ist eine Vergleichung mit der 
Teucherschen Kopie von 1738, die der vaterländischen Biblio- 
thek in Basel gehören soll, unmöglich, da diese in der Basler 
Bibliothek nicht aufzufinden ist. 

Daniel Teucher, 1691—1754, war Feldmesser und Wappen- 
maler, zugleich auch Zeugherr der Stadt Frauenfeld. Er 
malte 1749 die Wappentafel im Treppenhause des Regie- 
rungsgebäudes. Von ihm sind ferner vorhanden: Im evange- 
lischen Pfarrarchiv Frauenfeld Pläne vom Kirchhof in Ober- 
kirch 1734, im Archiv der Bürgergemeinde eine Marchen- 
beschreibung zwischen Frauenfeld und Ittingen (8. März 1741); 
in der thurgauischen Kantonsbibliothek ein Lageplan der Moos- 
burg bei Bischofszell; in der Stadtbibliothek Zürich der 
geometrische Grundriß der Herrschaft Kefikon und Islikon, 
21. Oktober 1241 (Frauenfelder Bürgerbuch). 


Die Carte generale, 91 X 160 cm (12000°' —= 2 Heures 
de Chemin sind durch 208 mm dargestellt) ist keine ganz 
genaue Nachzeichnung, keine Pause der Karte von 1717. Die 
Bergschraffen sind sorgfältiger; ebenso ist die Waldzeichnung 
besser, und die Reben-Rechtecke enthalten noch senkrechte 
Striehlein, ähnlich der heute gebräuchlichen Darstellung. Im 
Verzeichnis der Ortschaften ist wenig geändert; bei Frauen- 
feld sind Krämershäusli, Ob dem Holz und Brotegg ergänzt 
und die Schmiede vor Langdorf mit Sch. bezeichnet. 

Die großen Fehler der Originalkarte, z. B. in der Gegend _ 
von Dießenhofen, von Steekborn und von Romanshorn sind 
noch vollständig vorhanden. 

2) Kopie von Joh. Ulrich Müller von Frauenfeld, 1753, 
151/85 cm, „zusammengetragen von Joh. Nötzli von Zürich 
1717. Sint der Zeit um viel verbessert und vermehrt worden.“ 

Diese Notiz gibt einen Fingerzeig, daß die Karte von 
Nötzli nicht auf direkten Vermessungen beruht, vielmehr „zu- 
sammengetragen* wurde, wohl aus schon vorhandenen Plänen 
der einzelnen Herrschaften. 


J. U. Müller, 1722—1787, Sohn des Hs. Rud. Müller zum 
Schwert und der Esther Nabholz, übte den Knopfmacherberuf 
aus, war Mitglied des Innern Rats und des Gerichts, sowie 
Seckelmeister der Stadt (Frauenfelder Bürgerbuch). Auch 
seine Karte ist keine pünktlich genaue Uebertragung; ihre 


FREIE 


Einzelheiten sind darum nirgends mit denen des Originals 
zur Deckung zu bringen. 

Müller hat sein Hauptgewicht auf schöne Ausführung der 
Stadt-, Burg- und Kirchenansichten gelegt, denen deshalb viel 
mehr Raum gewidmet ist als bei Nötzli selber. Die Gewässer 
sind nachlässig behandelt; ausführlich dargestellt ist die Um- 
gebung von Frauenfeld. Zwischen der Stadt und Langdorf ist 
die „Schmitte* als Haus gezeichnet, östlich Langdorf das 
„Guggehürli* als Doppelhaus mit Türmehen und der Be- 
zeichnung Müllitobel; südlich davon ist Hohenzorn. Hunger- 
bühl versetzt Müller richtig auf die linke Murgseite, doch 
südöstlich Aumühle. Die übrigen Unrichtigkeiten sind geblieben, 
z. B. Unterherten südlich Mühletobel, Bühl nördlich von Obholz, 
Thal mitten zwischen Murkart und Köll. Die großen Fehler 
der Originalkarte sind nicht verbessert. Die Thur hat doppelte 
Breite erhalten; die Zeichen für Wald und Reben sind so 
verblaßt, daß sie nur noch an wenigen Orten deutlich hervor- 
treten. Thurgauer Kantonsbibliothek. 


3) Kopie von Joh. Jakob Diethelm, Oiv. Episcopicelli Chyr. 
1754, 150/87 em, Eigentum der Stadtbibliothek Bischofszell. 

Im beigegebenen Maßstab messen 12000 Schritte — zwei 
- Stunden — 181!/2 mm. 

Die Kirchen und Burgen resp. Herrensitze mit ihren Hügeln 
sind in Ansicht gezeichnet, die Ortschaften durch Gruppen 
kleiner Quadrate, die im obern Thurgau rote Füllung besitzen, 
dargestellt. Auf die Grenzen der Gerichtsherrschaften ist großes 
- Gewicht gelegt; der Wald wird nur wenigenorts angegeben, 
beispielsweise zwischen Hochstraße - Emmishofen - Egelshofen 
einerseits und der Stadtgrenze Konstanz anderseits (?). Gruppen 
paralleler Feinstriche dürften versuchen, das Relief anzudeuten; 
sie könnten aber ebensogut als Zeichen für Felder oder Wein- 
gärten genommen werden. Die Bäche sind ganz mangelhaft 
dargestellt. Der topographische Wert der Karte bleibt bedeutend 
hinter dem des Originals zurück. 

4) Kopie von Jos. Bieg von Engen im Hegeüw, dermahlen 
Mahler in F’feld 1771, in der thurgauischen Kantonsbibliothek. 

Bieg zeichnet weder Reben noch Wald noch Relief. Die 
Karte ist auf Holzrahmen befestigt und hing jedenfalls lange 
Zeit am Licht; sie ist sehr stark verblichen und die Gegend 


ei er 


zwischen Romanshorn, Weinfelden und Steckborn fast nicht 
mehr zu entziffern. 

Sie ist wesentlich kleiner als die bisher besprochenen 
Kopien, 101/63 em. Eine Seite des quadratischen Netzes mißt 
durchschnittlich 61!/s mm, bei Diethelm 95 mm, bei Müller 
94 mm, bei der Carte generale 98 mm, bei Dänicker 89 mm. 

Bei den Kopien der Nötzlikarte wurde offenbar stets so 
verfahren, daß Quadrat um Quadrat nach denen der Original- 
karte ausgefüllt wurde; dies erklärt dann die kleinen Ver- 
schiebungen von Karte zu Karte wie die Wiederkehr aller 
Hauptfehler. Als Vorlage hatte Bieg, wie auch Diethelm, die 
Karte von Müller, mit der die seinige in Farben (Gemeinde 
Frauenfeld und Dießenhofen ganz dunkelgrün) und Sehreib- 
weise (Trüklikon, Haldingen,. Horwilen, Köln) übereinstimmt. 
An einigen Orten geht er eigene Wege, schreibt Guntalingen 
statt Kundelfingen und setzt richtigerweise die Langmühle 
westlich Entenschieß an die Kantonsgrenze. 


c. Die Karte von 1720 und deren Kopien. 


Das Original ist im Zürcher Staatsarchiv. Es trägt den 
nämlichen Titel wie die Karte von 1717 und als Angabe des 
Autors: Delineavit Johannes Nötzlinus Tigurinus Anno 1720. 
Der verjüngte Maßstab zeigt eine Stunde gemeinen Fußwegs 
— 6000 geometrische Schritte — 104 mm, somit 1:43 400. 

Diese große Karte (160/92 em) ist sauber und schön er- 
halten; sie ist in einem Stück auf Leinwand aufgezogen, und 
Nägelspuren am freien Leinenrand zeigen, daß sie an einer 
Wand befestigt war. 

Sie ist nicht nur hübsch ausgeführt, sondern noch mit 
verschiedenen bunten Verzierungen versehen. Unter diesen 
fällt ein farbiger Kranz von den durch Blumen verbundenen 
Wappen der 8 alten Orte auf, welcher folgende Inschrift 


umfaßt: 
Sih hier den Edlen Crantz 
So Thurgöüws Lande ziert, 
Von deme es auch weis 
Und klüeglich wird regiert. 
O! das er allzeit blüeh 
In Einigkeit und Treüw 
So geht es Thurgöüw woll 
Und bleibt Im alles Neüw. 


Era 


Die Ortschaften bestehen aus rotbedachten Häuschen in 
verschiedenen Stellungen. Kirchen und Schlösser sind im Aufriß 
gezeichnet. Das stehende Wasser ist grün umrandet, die 
-Waldzeichnung deutlich. Die Reben sind ähnlich wie bei 
Gyger. 

Im Hörnligebiet sind die einzelnen Höfe um Schurten nicht 
mehr namenlos, wie auf der Karte von 1717, und mehrere 
Ortschaften wurden ergänzt: Gentenegg, Alle Winden, Kalten- 
brunn, Neuhaus usw. Bei Wängi ist der Mörischwanger Weiher 
verschwunden, bei Rickenbach das Freigericht zur Thurlinde 
eingetragen. 

Um Weinfelden sind neu: Eierlen, Wolfhaus, Unterthuren 
und Schachen. Bei Dießenhofen mündet der Geißlibach am 
richtigen Orte. Die Kundelfinger Quelle und „Weilenstorf“ sind 
eingetragen, letzteres allerdings nicht am rechten Platze. 

Die großen Fehler von 1717 sind geblieben, so beispiels- 
weise bei Steckborn, bei Romanshorn, am Rodenberg; mehrere 
kleinere sind auch neu hinzugekommen; z. B. werden nicht nur 
Entenschieß und Langmühle verwechselt, sondern auch Münch- 
und Fahrhof; Iltishausen ist nördlich Ettenhausen eiugetragen 
statt am Haselberg. 

Die Karte von 1720 bedeutet einen wesentlichen Fort- 
schritt gegenüber der von 1717, nicht in der Anlage, wohl 
aber in der feinern Ausführung und dem größern Reichtum 
an Einzelheiten. Sie zeigt keine Einteilung in Quadrate; die 
‚verwendeten Farben sind nicht grell, die einzelnen Gebiete 
durch Grenzkolorit getrennt. 

Da im Thurgau bis 1789 keine Kopien dieser Karte 
gemacht wurden, ist anzunehmen, daß sie nach ihrer Ent- 
stehung sofort nach Zürich kam und dort aufbewahrt wurde, 
während das Original von 1717 im Thurgau blieb; die bessere 
Erhaltung in Papier, Schrift und Farben gibt auch der Ver- 
mutung Berechtigung, daß diese Karte trotz der Jahrzahl 1720 
später, vielleicht 50 Jahre nachher, entstanden ist. 

Von dieser Karte 1720 waren mir drei Kopien zugänglich. 

1) Die Kopie von Emanuel Werdmüller 1777, 160/92 cm, 
gefaltet aufgezogen, im Besitze der Stadtbibliothek Zürich, 
ist die schönst ausgeführte der mir bekannt gewordenen 
Nötzli-Karten. Das Fluß- und Grenznetz kann fast überall 
mit demjenigen des Vorbildes zur Deckung gebracht werden. 


Re 


Die Ausführung selber aber ist selbständig, feiner, lebhafter 
und farbenfroher. Der See hat hellgrüne, abgetönte Umrandung; 
dieselbe Farbe zeigen die Weiher. Flüsse und Bäche sind 
himmelblau, die letztern bis gegen die Quellen hinauf doppelt 
konturiert. Der Wald wird durch dunkelgrün schattierte Kegel 
auf braunem, mit Grün durchsetztem Boden bezeichnet; das 
Rebland durch Querreihen von aufrechten, gleicharmigen 
Kreuzlein auf grünem Grunde, abgeteilt durch hellgrüne 
Striche; die Feldflur durch blaßbraune, parallele Weitschraf- 
fierung. Westlich der Linie Wagenhausen-Ueßlingen sind der- 
selben noch vereinzelte grüne, rundkronige Bäume eingesetzt. 
Berghalden sind durch braune, faserige Schraffen dargestellt; 
die Häuser durch Quadrate mit rotem Dachstrich; die Kirchen 
mit der charakteristischen Turmform. Die Landesgrenze tritt 
mit großen roten Punkten deutlich hervor; hassen sind die 
Scheiden der einzelnen Gerichtsbezirke ie aufdringlich, so 
daß sie das übrige einheitliche Kartenbild wenig stören. Die 
Feinheit der Ausführung steigert sich von Osten nach Westen 
und ist am schönsten auf dem Karton von Rheinan. 

2) Kopie von J. M. Daenicker 1789. Thurgauische Kantons- 
bibliothek (Fig. 7 u. 25). 

Joh. Martin Daenicker (1766 —1820), der sich schon al 
Jüngling durch seine mathematischen Kenntnisse und sein 
Sasha für das Planzeichnen bemerklich machte und darum 
ins Geniekorps aufgenommen wurde, war von Beruf Glaser 
(Meyer, S. 74). Die Karte ist in fast allen Punkten mit dem 
Original zur Deckung zu bringen, darf also als Pause des- 
selben aufgefaßt werden. Sie ist in Quadrate von 89 mm 
Seite eingeteilt, noch sehr gut erhalten und in der Ausführung 
der Karte von „1720“ ebenbürtig. 

3) Die General Oharte des Kantons Thurgau nach der gegen- 
wärtigen Einteilung in Distrikte, Kreise und Munizipalitäten. 
J. Häckli fecit 1810. Delineavit J. Nötzli 1720. Thurgauische 
Kantonsbibliothek. 

Sie erweist sich als eine genaue Kopie, doch nicht als 
Pause der Daenickerkarte, mit allen Vorzügen und Fehlern, 
besitzt aber die moderne Gebietseinteilung und das Netz der 
damaligen Kunststraßen. Außerdem sind mit Bleistift neuere 
Straßen eingetragen und sogar die beiden ersten thurgauischen 
Eisenbahnen, N.O.B. und V.S.B., so daß sich der Schluß 


EN 


aufdrängt, die Karte sei bis zum Erscheinen der Dufourkarte 
im Bureau des Straßeninspektors gebraucht worden. 

Von Reben- und Weldzeichonnsen sind nur noch ver- 
gilbte Spuren zu erkennen. 


d. Die Karte des jüngern Nötzli. 


Eine dritte Reihe von Nötzli-Kopien stützt sich auf die 
im Besitze der Stadtbibliothek Zürich befindliche Karte: 


Die Landgrafschafft Thurgau und allen darin liegenden 
Herrschaften, wie auch den Stetten, Clösteren, Schlösser etec., 
von Joh. Casparus Nötzlinus Tigur. Ohne Jahreszahl. Format 
65/37 em. 1 Stunde gemeinen Fußwegs — 6000 geometr. 
Sehritte ist mit 42 mm angegeben, woraus sich 1 : 107 500 
ergibt. 


Nach J.C. Fäsi, 8. 146, hat der vierte Sohn Nötzlis, 
Johann Caspar, geboren 5. März 1724, gestorben 6. Juni 1790, 
aus der Karte seines Vaters eine kleinere ausgearbeitet, welche 
für die „Geschichte der Landgrafschaft Thurgau* bestimmt 
war, indes nicht zur Ausgabe gelangte. 

Das Flußnetz ist kräftig, das Relief einzig auf der Berg- 
kette östlieh Fischingen angegeben; Wald und Reben fehlen; 
Kirehorte sind durch den Aufriß der Kirche, die Schlösser 
ebenfalls im Aufriß dargestellt, die Dörfer durch ein &, Weiler 
und Höfe durch ©. Bei den letztern fehlt häufig die nament- 
liche Bezeichnung. Gelbe, grüne und rote Töne unterscheiden 
die verschiedenen Arten der Herrschaften. 

Bei der Geißlibachmündung sind die Nötzlikarten von 1717 
und 1720 kombiniert, indem durch Bifurkation bei Weilenstorff 
Mündungen unterhalb St. Katharinenthal (!) und bei Dießen- 
hofen zustande kommen. Kundelfingen besitzt keine Kirche; 
bei Frauenfeld ist die Aumühle am richtigen Orte Die Halb- 
insel Romanshorn springt ungebührlich schlank nach Norden 
aus dem gleichmäßig gerundeten Ufer heraus. 

Offenbar ist das Recht zur Veröffentlichung dieser Karte 
von David Herrliberger für sein berühmtes Kupferwerk „Neue 
und vollständige Topographie der Eydgnoßschaft“ erworben 
worden. Sie findet sich als Kupferstich von J. G. Sturm im 
3. Bande ohne zugehörigen Text mit der Bezeichnung D:H: 


2 


a 


Cum priv. 1767 und ist genau auf die Hälfte reduziert: 1 Stunde 
gemeinen Fußwegs mißt 21 mm, das engere Kartenbild 
31/18 cm. Die Doppelmündung as Dießenhofer Geißlibaches 
und das schroffe Horn von Romanshorn kennzeichnen deutlich 
ihren Ursprung. 

Die Ausführung ist sorgfältig, besonders das Wassersystem 
deutlich. In dem Exemplar der Züricher Stadtbibliothek fehlen 
die Farben, indes zeigt der Vordruck einer Farbenskala für 
die verschiedenen Gerichtsgrenzen, daß auch farbige Exemplare 
vorhanden sein müssen. 

Der Karte von Caspar Nötzli schließt sich bone Maß- 
stab von zirka 1: 110000 (6000 geom. Schr. = 41 mm) an 
diejenige von Hans Jakob Bolschauser 1195, im Besitze der 
thurgauischen historischen Gesellschaft. 

Hs. Jakob Bolschauser, geb. 21. Februar 1751 auf Halden 
bei Ottoberg, war Kaufmann, dann Oberschullehrer in Altstätten 
(St. Gallen). Er lebte von 1792 an im Heimatort Ottoberg, 
wo er am 12. August 1813 starb (J. Meyer, Karten der Land- 
grafschaft Thurgau, S. 79). Seine Karte mißt 66/36 !/2 cm, 
und der Thurgau ist auf ihr stark nach Osten verzogen. 

Sie steht bedeutend hinter ihrem Vorbilde zurück. Ihr 
einziger Zweck war wahrscheinlich, die Verteilung der Herr- 
schaften im Thurgau graphisch darzustellen. Gewässer, Gelände 
und genaue Lage der Ortschaften sind so sehr Nebensache, 
daß die Karte für unsere Untersuchungen ganz außer 
Betracht fallen muß. Auch die Ausführung ist nachlässig, 
die Ortsnamen sind bald wagrecht, bald schief, bald fehlend, oft 
unrichtig (Oxfort — Ochsenfurt, Reichenbach — Rickenbach). 
Die Karte enthält auch Nachträge aus den dreißiger Jahren 
des 19. Jahrhunderts nach Sulzbergers Streckenbestimmung. 


D. Herrschaftspläne aus dem 18. Jahrhundert. 


Aus dem 18. Jahrhundert sind mehrere Aufnahmen einzelner 
Landesteile vorhanden, die durch Fixierung der damaligen 
Kleinformen unser Interesse beanspruchen. Im großen Maß- 
stab ausgeführt geben sie Aufschluß über Gebäudezahl und 
genauen Grundriß der Ortschaften, über die Verkehrswege, 
die Flurverteilung, die Kleingewässer ete., so daß mit ihrer 


Te ee 


Hilfe die Zuverlässigkeit der großen Karten von Nötzli und 
' Sulzberger sich prüfen läßt. 

| Mehrere dieser Herrschaftspläne finden sich im Zürcher 
Staatsarchiv, zwei größere in demjenigen des Kantons Thurgau, 
zwei wertvolle im Schloß Freudentels. 


a. Ittingen (Fig. 15 u. 18). 


Die Flurpläne des Gotteshauses Ittingen von Pater Josephus, 
Procuratorius, stammen aus den Jahren 1742—44. Ueber die 
Personalien ‘des Ingenieur-Mönchs wissen wir wenig: Nach 
der Schreibweise der Orts- und Flurnamen Ißlingen, Holz- 
wüß und dgl. muß er ein Württemberger gewesen sein. Seine 
zielbewußte, gründliche Tätigkeit beginnt mit dem Jahre 1735, 
und die Aufzeichnungen von seiner Hand reichen bis 1772. 
Als im Jahre 1735 die Vermessung aller „Gerichtsscheidungen, 
eigentümlicher, Lehen- und Kirchengüter” beschlossen war, 
erkundigte sich P. Josephus zunächst nach dem im Thurgau 
allgemein üblichen und gesetzlich anerkannten Feldmaß. Dem 
im Kloster gefundenen, einem Holzstab aufgetragenen Ittinger 
Feldschuh traute er nur halb und bewog daher den Abt zu 
einer bezüglichen Anfrage beim Landvogt in Frauenfeld. Die 
Untersuchung durch eine besonders hierfür niedergesetzte Kom- 
mission brachte dann viererlei übliches Feldmaß zutage: 1. den 
Märstetter-Fischinger, 2. den Ittinger, 3. den Frauenfelder 
und 4. den Weinfelder Feldschuh — und der salomonische 
Entscheid lautete: 

„Da an vielen Orten alte Dokumente mit den ortsüblichen 
Maßen vorhanden sind und ärgerlicher Wirrwarr entstehen 
könnte, wenn nun noch ein neues, vielleichts fünftes Maß 
eingeführt würde, so sollen alle bisherigen Maße gestattet 
bleiben.“ 

P. Josephus konnte das nicht begreifen und meinte, das 
Syndikat hätte den Wirrwarr besser vermieden durch Ein- 
führung eines Normalmaßes, unter genauer Fixierung des 
Verhältnisses zu den bisher üblichen Feldschuhen. 

Auf einem im thurgauischen Staatsarchiv befindlichen 
Brettehen aus Ittingen sind alle vier thurgauischen Feldschuhe 
abgesteckt, der Märstetter-Fischinger mit 29,8, der Ittinger 
mit 29,95, der Frauenfelder mit 30,4 und der Weinfelder 


ee 


mit 30,6 cm. Offenbar handelt es sich in allen diesen Fällen 
um den Nürnberger Fuß von 30,3793 cm, der an den ver- 
schiedenen Orten ungenau abgesteckt wurde, oder aber auf 
Brettehen oder Stäben fixiert war, die sich durch Austrocknen 
verkürzten (Schaltegger). 

Der Vermessung wurde also der 12-zöllige Ittinger Feld- 
schuh zugrunde gelegt, nach der Absteckung im Protokoll 
mit genau 300 mm, so daß er mit dem 1837 eingeführten eid- 
genössischen Fuß völlig übereinstimmt. Die Rute ist mit 
10 Fuß, die Juchart mit 314 7]? — 31400 []' angegeben. 

P. Josephus erstellte nun in 1:2000 eine große Karte 
des Klosterbesitztums, eingeteilt in Quadrate von 360 Fuß 
Seitenlänge. Dieselbe fehlt dem Kantonsarchiv; da indessen 
die einzelnen Abschnitte bei der Marchen- und Zehnten- 
beschreibung in die Bücher kopiert sind unter Angabe der 
Quadrate des Hauptplans und Beigabe der Orientierungsbussole, 
so kann derselbe rekonstruiert werden. 

Der Ittinger Plan enthält die Gerichts- und Flurmarchen 
mit spezieller Bezeichnung der Länge von Marchstein zu March- 
stein, die Fluren in Wald, Wiese, Ackerland und Weingärten 
unterschieden. Die Zelgen sind in die einzelnen Grundstücke 
geteilt, Flurnamen und Wege überall angegeben. Im Ueber- 
schwemmungsgebiet der Thur sind die Marchen durch „Loochen“, 
d.s. je zwei Hintermarchen, gesichert, Dämme und Fähren 
eingezeichnet. Jeder Dorfmarchenplan ist ein wichtiges Doku- 
ment für die Siedlungsformen des Thurgaus. 

Das gesamte Material wird mit sauberer Handschrift unter 
Beigabe der zugehörigen Pläne in sechs gewaltigen Folio- 
bänden beschrieben. 


b. Dießenhofen. 


Für den Bezirk Dießenhofen ist wichtig und wertvoll der 
große Plan von J. J. Hanhart 1770. 

Nach den mir durch Herrn J. G. Mäder-Hanhart gütigst 
mitgeteilten Daten des Stammbaums der „Hanhart in Hütten“ 
und des Geschlechtsregisters der Hütten wurde Hans Jakob 
Hanhart, später genannt der Engländer, am 15. April 1718 
geboren als das zweitälteste von zehn Kindern des Leonhart 
Hanhart (geb. 1691) in Schupfen. Er war in jungen Jahren 
in spanischen Kriegsdiensten, verheiratete sich den 28. Februar 


— 21 — 


1752 mit Johanna Maria Brunner, Tochter des Dr. med. Jonas 
' Brunner, und starb 1806. Von seinen sieben Kindern über- 
' lebten ihn nur drei Töchter. Von seiner bürgerlichen Stellung 
und seinem Berufe erfahren wir sehr wenig. Er war Zunft- 
schreiber und Stadtfähndrich; nach seinen hinterlassenen 
Werken zu schließen, muß er ein tüchtiger Geometer und 
Planzeichner gewesen sein. 


Von J. J. Hanhart sind erhalten: 


a. der große Plan des Bezirks Dießenhofen im kleinen 
Rathaussaal zu Dießenhofen vom Jahre 1770, 3,6/2,7 m; 

b. eine gleichgroße Kopie, wahrscheinlich für das Kloster 
‚St. Katharinenthal angefertigt, in der Kantonsbibliothek 
zu Frauenfeld; 

e. Plan über die Richlinger Lehenhölzer im Rodenberg, 
30. April 1781; 

d. Grundriß der Stadt Dießenhofen, ohne Jahreszahl, im 
Rathaus Dießenhofen ; 

e. Perspektivische Vorstellung der Stadt Dießenhofen vom 
badischen Ufer aus, ebenfalls im Dießenhofer Rathaus, 
und ohne Jahreszahl. (Kopie des Merianschen Bildes, 
Fig. 25.) 


Auf dem großen Plan werden 8‘ durch 1 mm dargestellt. 
Da Hanhart angibt, die Juchart sei 252[_]°, so handelt es 
sich um die Schaffhauser Juchart — 32,17533 Aren (s. Furrer, 
Volkswirtschaftslexikon der Schweiz, Art.: Maß und Gewicht), 
woraus sich 1‘ = 0,357323 m, 8° — 2,s5s53ı m, somit der Mab- 
stab 1: 2858,554 ergibt. 

Die aus der Vergleichung einzelner Strecken der Karte 
mit den entsprechenden des Siegfriedblattes erhaltenen Maß- 
zahlen schwanken zwischen 1: 2478 und 1:3042. 

Daß der Plan den heutigen Anforderungen nicht stand- 
hält, ersieht man namentlich an den beiden Achsen, die 
Hanhart hervorhebt: N—S Siegelturm — Basadinger Kirche, und 
O—W Zieglerhaus in Schupfen — Steinhaus am Rhein bei Bü- 
singen. Es kreuzen sich diese unter einem Winkel von 90", 
bei Siegfried unter 79°. 

Von einer trigonometrischen Messung mit Basis und Winkel- 
ablesungen ist offenbar keine Rede; aber das rechtwinklige 
Koordinatennetz mit Abständen von je 131 Ruten (d.h. Quadraten 


Se 


von 681/, Juchart) läßt annehmen, daß er mit Meßlatten oder 
Meßketten und Kreuzscheibe, resp. Quadrant gearbeitet hat. 
Seine Ordinate bildet mit der NS- olluns einen Winkel von 
12° gegen Ost. 

Hanhart zeichnete seine Karte im Auftrage der Gemeinde 
Dießenhofen als 

„Tabell zur Anweisung der H. Oberkeitlichen Gerichts- 

„marken, item derer, welche den Fruchtzehenden und Weid- 

„gang bezeichnen diß und jenseits dem Rhein und wohin 

„die Güter zehendbar, hiervon sind ausgenommen die 

Diesen S°, so mit *%*%* marquiert stehen. Alles nach 

„ihrer Figur und Area nach gezogenen Parallelen mathe- 

„matisch hier in Grund gelegt und beschrieben durch Joh. 

„Jak. Hanhart in Schupfen.“ 

Man soll somit aus der Karte nicht nur Lage und Größe 
der Grundstücke ersehen, sondern auch deren Erträgnis an 
Zehnten und ihre Zugehörigkeit an die verschiedenen Zins- 
herren. Zu diesem Zwecke sind ihr noch sieben weitere Tabellen 
beigegeben. 

Dießenhofer- und Klostergut greifen vielfach ineinander, 
so daß es sehr begreiflich ist, wenn die Klosterfrauen von 
Katharinenthal auch ein Exemplar der Karte bestellten. Dieses 
ist vom Jahre 1772 und hat zum Teil andere Tabellen. (Es 
kam nach der Aufhebung des Klosters 1869 ins thurgauische 
Staatsarchiv.) Während aber die Dießenhofer Karte mit Rolle 
und Aufzug versehen, lackiert und in den Farben noch lebhaft 
erhalten ist, besteht das Klosterexemplar aus vier senkrechten 
Streifen von zirka 90 em Breite, die mit Ringen zum Auf- 
hängen eingerichtet sind. Ihre Ausführung ist weniger sorg- 
fältig. besonders in den Teilen, die das Klostergut nicht näher 
angehen. 

Bei dem großen Maßstab ist Hanhart imstande, jedes noch 
so kleine Grundstück anzumerken; sein Plan, ein eigentlicher 
Kataster, enthält also sicher alle für uns in Betracht kom- 
menden Gegenstände und ist ein äußerst wertvolles Dokument 
für den geographischen Zustand seiner Heimat in der zweiten 
Hälfte des 18. Jahrhunderts. 

Die Darstellungsweise ist klar; besonders Wald, Wasser 
und Wege sind gut hervorgehoben. Die Reben und Wiesen 
haben blaugrüne Umrandung, die erstern außerdem noch braune 


oa 


Weinstockzeichen. Die Aecker sind braun. Das Relief fehlt; 
nur hie und da sind die Böschungen schüchtern durch Schraffen 
bezeichnet. Die Steilhänge gegen den Rhein werden fast 
nirgends angegeben. 

Eine auf zirka 1: 27000 reduzierte Kopie (38,4/28,3 em) 
findet sich in der Kantonsbibliothek: 


„Entwurf der Marchenlinien um den Distrikt Dießenhofen, 
copiert nach dem großen Stadtplan in Dießenhofen. 
Sulzberger October 1824.“ 


Unter den thurgauischen Flurplänen im Zürcher Staats- 
archiv sind durch Größe und gute Ausführung hervorragend: 
c. Neunforn. 

„Grundriß über die Herrschaft Ober- und Niederneunforn 
im Thurgaü, bis an die Thur.* 109/123 cm. Pergament. 

Zeichner und Jahreszahl sind nicht angegeben; doch fügt 
die Bibliographie der schweizerischen Landeskunde IIb S. 326 
bei: J. H. Albertin (?) ca. 1730. 

In Farben und sorgfältig ausgeführt. Die heutigen Land- 
und Flurstraßen der Gegend sind fast ausnahmslos die ver- 
besserten des 18. Jahrhunderts. 


d. Mammern und Neuburg. 


„Grundriß beider Herrschaften Mammern und Neuburg, 
darinnen alle Reben, Wiesen, Felder und Holtz besonders 
ausgemessen und verzeichnet sind. 1755. 120/246 em, 21 em 
— 100 Ruten a 12 Werkschuh oder 10 Dezimalschuh. Die 
Angabe des Autors fehlt. 

Der farbige Plan ist schön und reichhaltig; er enthält 
u. a. auch die Einzäunung der einzelnen Grundstücke durch 
Lebhäge. 


Auf dem zum Stift Einsiedeln gehörigen Schloß Freuden- 
fels finden sich ebenfalls zwei wichtige Herrschaftspläne: 


e. Grundriß beider Herrschaften Freudenfels und Eschenz 1759. 
254/218 cm. 1:1920. (Fig. 10.) 


Er zeichnet die Gegend von Rappenhof und Steinbach 
im Westen bis über Klingenzell hinaus im Osten und vom 


a 


See bis auf. die Höhe des Seerückens an die Grenze der 
Steineggerherrschaft. 

Die Wiesen sind grün, das Ackerfeld weiß, das Weinland 
weiß mit grüner Rebenzeichnung, der Wald weiß mit grünen 
Bäumen, die Straßen hellbraun. Ueberall sind die Grünhecken 
gezeichnet. Der Plan macht den Eindruck einer genauen, 
saubern Arbeit; er ist jedenfalls viel gebraucht worden und 
da und dort etwas beschädigt. 

Ueber den zum Messen verwendeten Maßstab, von dem 
ein Fuß mit 352 mm in natürlicher Länge dargestellt ist, 
sagst eine Notiz: „Wan in den Turgeüischen Herrschaften 
kein allgemeines Feldmäß, sondern nach Willkühr einer jeden 
Herrschafft gleichsahm ein eigenes beobachtet worden, als hat 
man sich in gegenwärtiger Mappa des Schaffhausischen als 
des gemeinen kommlichsten, sowohl in Felder, Reben, Wiesen, 
als Holz gebraucht, nach welchem Mäß ein Jauchert 230 
Qvadrat Rutten Groß: macht 33120 Werck-Schu aus.“ 

Nach Furrers Volkswirtschaftslexikon hatte die alte Schaff- 
hauser Juchart 252 Quadratruten — 32,175 a, die Rute — 10 
Feldschuh & 357,323 mm — 12 Werkschuh a 297,73 mm. Nach 
Gemälde der Schweiz XII wurde 1840 die Schaffhauser Juchart 
von 32,175 a in 200 Quadratruten eingeteilt. 


f. Wagenhausen-Kaltenbach. 


„Grundriß über den dem fürstlichen Gotteshaus Einsiedeln 
zustehenden Universal-Groß- und Klein-Zehnden, von denen in 
der Herrschaft Wagenhausen und vor der Bruggischen 
Bezirk und Gerichten gelegenen Güter etc.“ 1760. 
170 .:154 em. 

Der in natürlicher Größe abgebildete Feldschuh mißt 
356 mm, und im verjüngten Maßstab sind 100° mit 69 mm 
dargestellt; letzteres ist wohl unrichtig, da die Angabe mit 
andern Ausmaßen nicht stimmt; die Verjüngung ist vielmehr 
etwa 1:3000. 

Der Plan schließt mit Rappenhof-Steinbach an die große 
Karte an und endigt im Westen im „Stammer Rieht“ und 
am „Rodellberg.“ 

Außer den Zeichen des Freudenfelser Plans sind hier 
angegeben: Sumpf mit brauner Farbe und Ergeten, „allwo 


A 


nur Stauden darauf wachsen“, mit langrunden grünen Tüpflein 
auf weißem Grunde. 

Der Plan hat spezielle Wichtigkeit in bezug auf das alte 
Wegnetz, weil an der Steinerbrücke verschiedene Landstraßen 
ausstrahlten, wie die Winterthurer, die Schaffhauser- und die 
Rheinauerstraße, letztere dem Südfuß des Rodenbergs entlang 
nach Schlattingen. 


E. J. J. Sulzberger und seine topographische Karte 
des Thurgaus. 


Joh. Jak. Sulzberger von Frauenfeld war der jüngste von 
drei Söhnen des Johs. Sulzberger (1762—1841),.der als Straßen- 
 inspektor und Mitarbeiter des um das Straßenwesen des Kantons 
hochverdienten Regierungsrates J.©. Freyenmuth (1775—1843) 
anerkennende Erwähnung verdient. Der thurgauische Beamten- 
etat verzeichnet ihn als Straßeninspektor von 1806—1823. 

Joh. Jakob Sulzberger, geb. 4. Juli 1802, studierte neuere 
Sprachen und Mathematik und wandte sich dann topographischen 
Arbeiten zu. Im eidgenössischen Ingenieurkorps brachte er es 
zum Range eines Hauptmanns. Er zeichnete für das thurgauische 
Neujahrsblatt von 1826 einen Plan des Munizipalbezirks Frauen- 
feld nach eigener Aufnahme in 1: 21600 und veröffentlichte 
eine Studie über das Treffen bei Frauenfeld am 25. Mai 1799. 
Von 1826—1832 war er thurgauischer Straßeninspektor und 
begann als soleher die topographische Aufnahme des Kantons. 

Seine Tätigkeit als Ingenieur erstreckte sich über die 
Grenzen des Thurgaus hinaus. Er beteiligte sich an der eid- 
genössischen Triangulation im Hochgebirge (1828), leitete 
die Tieferlegung des Lungernsees (1833 — 1836), die Abtragung 
der Zürcher Stadtmauern und den Bau des Eisenbahntunnels 
der Linie Zürich-Baden (1846). 

1832 baute er mit Joh. Heinr. Debrunner die Frauenfelder 
Walzmühle nach den Plänen eines durch die polnische 
Revolution aus Warschau vertriebenen Schweizers, namens 
Müller. Da aber das Müllersche Mahlsystem sich als unpraktisch 
erwies, ersann und konstruierte er zweckmäßigere Walzen 
und brachte so die Erfindung zum Durchbruch und praktischen 
Erfolge. Die Frauenfelder Walzmühlengesellschaft, die mit 
- einem Kapital von 300 000 Rhein. fl. bis 1846 bestand, dehnte 


ihren Wirkungskreis nach Mainz, Leipzig, München, Stettin, 
Prag und Pest aus, von welch letzterer Stadt aus das Sulz- 
bergersche System seinen Weg nach Minneapolis und bald in 
die übrigen Getreidestaaten der Union fand. Leider war der 
finanzielle Erfolg der Aktiengesellschaft nicht der Wichtigkeit 
der Erfindung entsprechend. Mit weiteren Verbesserungen 
heimsten andere die eigentlichen Früchte der Anstrengungen 
Sulzbergers und seiner Freunde ein. Dennoch brachte es Sulz- 
berger dank seiner angestrengtesten Tätigkeit in den letzten 
Lebensjahren zu ökonomischer Unabhängigkeit, und diese fand 
in ihm einen Mann mit stets offenem Herzen und offener 
Hand für die Leiden Bedürftiger. Er war namentlich Freund 
und Förderer der Gewerbe und des Handwerks, redigierte 
(1849) die schweizerische Handels- und Gewerbezeitung, und 
bei allen gemeinnützigen Bestrebungen durfte man auf ihn 
zählen. \ 

Für den Bau der Eisenbahn bemühte sich Sulzberger 
eifrig; er vermaß das Trac& Islikon-Romanshorn (1845) und 
erhielt 1852 vom Großen Rate die Konzession für diese 
Strecke. Da er aber die geforderte Kaution nicht aufbrachte 
und auch sein Vorschlag, die Bahn mit vorwiegend fremdem 
Kapital zu bauen, nicht durchdrang, blieb er bei der Aus- 
führung auf die Seite geschoben. 

Der geniale, rührige, vielseitige und erfahrene Mann 
gehörte auch dem Verfassungsrate von 1849 als Vertreter des 
Handels- und Gewerbestandes, sowie der Aufsichtskommission 
der Kantonsschule an. 

Sulzbergers Ehe (1829) mit der einzigen Tochter (Luise, 
gest. 1859) von Antistes Sulzberger entsproßten drei Töchter 
und ein Sohn. Er starb den 13. Januar 1855, noch im besten 
Mannesalter. (Frauenfelder Bürgerbuch; Nekrologe in Thur- 
gauer Zeitung und Wächter.) 


Die Geschichte der topographischen Karte des Thurgaus 
weist folgende Daten auf: 

Am 31. August 1826 erhielt Sulzberger von der eid- 
genössischen Militäraufsiehtsbehörde den Logarithmus der Seite 
Schauenberg-Hörnli (3,7683603) und vermaß in diesem und 
dem folgenden Jahre das thurgauische Dreiecksnetz erster 
und zweiter Ordnung mit dem Turm der katholischen Kirche in 


EN 


Frauenfeld als Zentrum (Geschichte der Dufourkarte, Seite 14, 
Häberlin-Schaltegger, Geschichte, Seite 104). 

Im März 1827 wurde Sulzberger von der thurgauischen 
Regierung mit der topographischen Aufnahme des Kantons 
beauftragt und fertigte 1828—30 ein Musterblatt mit der 
Gegend vom Hörnli bis zur Linie Guntershausen-Oberhofen 
in 2 Farben (Wasser blau) mit ausführlicher Zeichenerklärung. 
Dasselbe findet sich in der Kantonsbibliothek. 

Vom 13. Dezember 1830 datiert der „Vertrag zwischen 
der Kommission der inneren Angelegenheiten des Kantons 
Thurgau und dem eidgenössischen Ingenieur-Hauptmann Jakob 
Sulzberger von Frauenfeld“ über die Erstellung der Karte, 
"wonach 


1) der Ingenieur sämtliche Vermessungskosten bestreitet 
und alles, was im Laufe der Vermessung gezeichnet 
und geschrieben wird, dem Staate abliefert, insbesondere 
eine getreue Kopie aller Aufnahmeblätter in zweck- 
mäßigem Format; : 

2) der Staat vergütet: 

a. für die Vermessung und Aufnahme W vom Meridian 
des Schloßturmes zu Bürglen per Quadratstunde 
70 Gulden; 

b. für dieselbe O vom Bürgler Schloßturm 751/a Gulden 
wegen größerer Entfernung vom Wohnorte und da- 
heriger Vermehrung der Reisekosten; 

e. für die Kopie aller Aufnahmeblätter ein Entschädnis 
von 400 Fr. — 25 Louisdors; 

3) die Arbeit bis 1838 vollendet sein muß; 

4) es dem Ingenieur gestattet ist, von der Karte in ver- 
jüngtem Maßstab, höchstens in Regalformat, eine Kopie 
für sich zu machen und solche durch Stein- oder Kupfer- 
druck dem’ Publikum zu übergeben. 


Am 9. April 1833 trat der Vertrag Sulzbergers mit Dufour 
in Kraft. 

Sulzberger verpflichtet sich, seine Aufnahme, die in 
1:21600 gemacht war, in 1:25000 zu kopieren und gegen 
eine Entschädigung von 28 Fr. per Quadratstunde der Eid- 
genossenschaft abzuliefern (Geschichte der Dufourkarte, S. 33). 

1835 erhielt Dufour die Kopien der Blätter 5—8, und im 


a 


Juni 1837 war Dufour im Besitze sämtlicher 14 thurgauischen 
Blätter in 1: 25000. 

Die Aufnahme der Karte fällt somit in die Jahre 
1828 — 1836! 

Die Geschichte der Dufourkarte bemerkt Seite 125: Dem 
Thurgau, der die glückliche Idee gehabt, seine Karte erstellen 
zu lassen, hat man nur die lächerliche Subvention von 1600 Fr. 
in 8 Jahresraten angeboten, was zur Folge hatte, dab man 
bei der dortigen Herstellung der Karte nichts zu sagen hatte 
und diese dann in einem andern Maßstab (1 : 80 000) heraus- 
kam, was zu teuern Kopien führte. 

Im März 1838 erschien bei H. Füßli in Zürich die kleine 
Handkarte des Kantons Thurgau 1:154000, mit 
Schraffen, in senkreehter Beleuchtung, ein Kupferstich des 
Kartenstechers Rinaldo Bressanini, der vorher im k. k. topo- 
graphischen Bureau in Mailand gearbeitet hatte und als poli- 
tischer Flüchtling nach Zürich gekommen war. Die Karte mißt 
44,6/27 em und ist ohne Jahrzahl. Die Siedlungen sind durch 
die üblichen Zeichen + o @ MN dargestellt; bei den Wegen 
sind drei Arten unterschieden: Haupt-, Kommunikations- und 
fahrbare Nebenstraßen. Kleinere Objekte können fehlen, wie 
z. B. der Paradieser Weiher. Bei der feinen Ausführung kommt 
sie der größern Karte nahe. Diese Ausgabe scheint weniger 
verbreitet gewesen zu sein als die andere. Die ul 
Kantonsbibliothek besitzt mehrere Exemplare. 

Der Januar 1839 brachte die große Handkarte in 
1:80000. Zürich, bei Heinr. Füßli & Co., ohne Jahreszahl. 
Preis 21/3 Gulden. Von dieser Ausgabe sagt die „Thurgauer 
Zeitung“ in Nr. 7 1839: Der Zeichner, Herr Goll, und der 
Stecher, Herr Bressanini, haben Herrn Sulzberger Talente 
dargeboten, wie sie sich selten in solchem Grade zusammen- 
finden. 

In der Tat ist das Kartenbild in Darstellung des Geländes 
durch Schraffen in senkrechter Beleuchtung und der übrigen 
topographischen Gegenstände sehr klar. Die Siedlungen bieten 
den Grundriß dar, indem die Häuser durch gefüllte Vierecke, 
die Mühlen und Sägen durch Ringlein, die Kirchen durch ein 
Kreuz bezeichnet sind. Das Waldbild unterscheidet Laub- und 
Nadelholz; bei den Verkehrswegen sind auch noch wichtige 
Fußwege angegeben. 


NEO 


1850 wurde das Blatt IV des schweizerischen Dufour- 
‚ atlasses herausgegeben, auf dem der Thurgau nach den Sulz- 
bergerschen Aufnahmen von 1828 —36 gezeichnet ist. 

1855 erschien von der Handkarte in 1: 80000 eine neue 
Auflage bei Orell Füßli & Co. in Zürich, „verbessert“ und mit 
‘den Eisenbahnlinien ergänzt. Indessen sind frühere Fehler 
nicht verbessert und unterdessen eingetretene Veränderungen 
nicht eingetragen worden. 

Am 11./12. Mai 1861, beim Brande zu Glarus, wurde die 
Platte zu dieser Karte im Feuer zerstört (Pupikofer Gem. Anm.). 

Die thurgauische Karte nach den Aufnahmen von J. Sulz- 
berger ist somit in fünf verschiedenen Maßstäben vorhanden: 


1)«Die Aufnahmeblätter 1:21 600 (1828 - 36); 

2) die Reduktion auf 1: 25000 für das eidgenössische topo- 
graphische Bureau; 

3) auf Blatt IV der Dufourkarte 1:100000; 

4) die große Handkarte 1: 80000; 

5) die kleine Handkarte 1 :150000. 


Dazu gesellt sich noch eine von Sekundarlehrer F. L. Bauer 
in Bischofszell in 1: 54000 gezeichnete Schulwandkarte von 
1842, die etwa 40 Jahre lang in Gebrauch blieb. 


Kritik der topographischen Karte. Für die Vergleichung der 
geographischen Zustände vor 80 Jahren mit den heutigen kommen 
hauptsächlich in Betracht die Originalaufnahme und deren Re- 
duktion auf 1:25000. Diese sollten, da sie mit modernen Hilfs- 
mitteln durch einen gebildeten Ingenieur aufgenommen wurden, 
durchaus zuverlässig den Zustand der Landschaft um 1830 
wiedergeben, und es sollte speziell die letztere mit der den- 
selben Maßstab haltenden Siegfriedkarte in der Hauptsache 
zur Deckung gebracht werden können. 

‘ Leider ist dies nur recht unvollständig der Fall. Zuerst 
wurden die badischen Topographen, welche für ihre Aufnahmen 
an der thurgauischen Grenze Anschluß suchten, auf ver- 
schiedene Mängel aufmerksam. Nach der Geschichte der Dufour- 
karte, S. 231, fand 1847 unter Generalmajor v. Fischer ein 
reger Austausch von gegenseitigem Material statt; besonders 
wünschte derselbe zuverlässigere Angaben, als die Karte 
von Sulzberger zu bieten vermochte, „da man große Differenzen 
gefunden habe.“ 


a a 


Solche Differenzen sind in der Tat allzu reichlich zu ent- 
decken. 

1) Die Lage mancher topographischer Punkte ist 
ungenau bestimmt, so daß Zirkelstrecken auf Sulzbergers 
und Siegfrieds Karte trotz des gleichen Maßstabes häufig nicht 
übereinstimmen. Nachstehend einige Beispiele aus verschiedenen 
Landesteilen. 

Sulzberger Siegfried Differenz 
a. In der Landschaft Dießenhofen: m m m 9% 


Biebermündung—Dießenhofer Brücke‘ 3775 4185 — 4105 98 
Biebermündung— Säge in Schupfen 1050 1410 — 360 — 25,7 
-— 5,9 


Furtmühle—Etzwilen £ 3175 3375 — 200 , 
b. Im Waldland des westlichen Seerückens: 
Rappenhof—Speckhof 760 925 —165 —18 
Rappenhof—Iben 95 850 +85 +10 
Speckhof—Iben 660° 8325 —165 —2%0 
Schlattinger Kirche — Etzwilen 
(Straßenkreuzung) 3650 3765 —115 — 3,1 


c. In der Gegend von Gottlieben: 


Schloß Gottlieben (Nordostecke) bis 
Straßenkreuzung südlich Hertler 1050 935 +115 +1235 
Schloß Gottlieben— Bachbrücke 
Triboltingen 2185 1935 +250 + 12,9 
Aegerstenbach-—-Bachbr. Triboltingen 775 925 —150 — 16,2 


d. In der Berggegend von Wuppenau: 
Leuberg (südl. Markstein— Neuhaus 950 1325 —375 — 28,3 


- — Heid 2700 3200 —500 —- 15,6 
- - - — Ruderschwil1900 2125 —225 —- 10,6 
Grub—Hosenruck 900 750 +150 +20 


2) Mit den Streekenfehlern hängt dann zusammen die 
ungenaue Form der topographischen Objekte, z.B. 
der Rheinlauf Stein-Schupfen, die Wälder auf dem westlichen 
Seerücken, die Grenzlinie südlich Wuppenau. In Ufergegenden 
ergeben sich Unstimmigkeiten dadurch, daß Sulzberger offenbar 
einen niedrigeren Wasserstand für die Uferlinie an- 
genommen hat als die spätern Topographen; so hängen bei 
ihm die beiden östlichen Werd-Inseln bei Stein zusammen, 
während sie auf den ’neuern Karten getrennt sind; Schloß 
Luxburg und Schloß Gottlieben haben viel größeren Abstand 
vom Wasser, ohne daß seitherige Uferabtragung wahrscheinlich 
ist. Ganz unerklärlich ist das Ufer Gottlieben-Triboltingen, 
wo Sulzberger anstelle der heutigen tiefen Bucht einen breiten 


a 


Landvorsprung und vor dem Horn von Triboltingen eine See- 
- bucht zeichnet. 


Als kaum möglich erweist sich die Darstellung vom Quell- 
gebiet des Baches von Neukirch a./Th., wo statt des 
Hubertobelbaches der Zufluß des Hörmooserweihers den Ursprung 
bei Gabris hat. Nötzli (1717) gibt die Verhältnisse der Jetzt- 
zeit entsprechend an. 


3) Die Sümpfe sind richtig eingetragen auf dem vom 
Probeblatt von 1830 kopierten Gelände der toten Thur 
 (Riekenbach bis Bichelsee). Sonst fehlen sie fast überall, selbst 
das Weinmoos bei Sulgen, die Sümpfe um die Hüttwilerseen,. 
das Etzwiler Riet ete. Das ist mindestens Inkonsequenz. 


4 Das Straßennetz ist unvollständig; so fehlen beispiels- 
weise die alte Landstraße Dießenhofen— Schaffhausen durch 
den Scharen und die Straße Unterschlatt—Dickihof, obschon 
beide heute noch benutzt werden. 


5) Die Reben sind oft undeutlich bezeichnet, indem die 
Punktreihen zwischen den Schraffen leicht verschwinden; viel- 
fach sind die Weingärten auch einfach weggelassen worden, 
wie z. B. nordöstlich und östlich Paradies, bei St. Katharinen- 
thal, im Breitenweg bei Dießenhofen, nordwestlich Dickehof, 
welche schon von Hanhart aufgezeichnet und bis in die Neu- 
zeit erhalten geblieben sind. 


6) Die ins Kartenbild hereinragenden badischen Gegenden 
sind teilweise. völlig verzeichnet, z. B. ist gegenüber Gott- 
lieben das kleine Bohl größer als die Insel Langenrain, und 
die Bodanshalbinsel östlich Konstanz ragt viel zu weit nach 
Süden vor. 

Zur Entschuldigung Sulzbergers muß hervorgehoben werden, 
daß die erste eidgenössische Triangulation, auf die seine Ver- 
messung fußte, ungenau war (Geschichte der Dufourkarte, 
Seite 50), daß die äußerst dürftige Bezahlung keinen Ansporn 
_ für gewissenhaft genaue Arbeit bildete, und daß die Auf- 
nahmen in eine Zeit fielen, da Sulzberger durch die Betei- 
ligung bei der Walzmühle ungemein in Anspruch genommen 
und zeitweise in finanziellen Schwierigkeiten war. 


‚Immerhin darf auch nicht verschwiegen werden, daß sich 
schon Buchwalder und später Dufour schwer über seine Un- 


— 832 — 


zuverlässigkeit beklagen mußten (Geschichte der la ns, 
Seite 13, 16, 38). 

Als Resultat unserer Prüfung der topographischen Karte 
von 1836 ergibt sich folgendes: 


L) 


Sie ist eine schöne, noch jetzt brauchbare Karte von 


plastischer Wirkung, in den Hauptzügen gut, in den Einzel- 
heiten der heute geforderten Genauigkeit nicht ent- 
sprechend. Bei Vergleichung der durch sie dargestellten Zu- 
stände in den dreißiger Jahren mit den heutigen ist stete 
Kritik unerläßlich. 


F. Die Dufourkarte. 


Blatt IV der topographischen Karte der Schweiz von 
G. H. Dufour, 1:100000, 1850, ist im wesentlichen nach 
den Sulzbergerschen Aufnahmen gemacht worden und enthält 
trotz manchen Verbesserungen noch vielfach deren Fehler 
— siehe z. B. die Grenze zwischen Wagenhausen und Burg, 
sowie die Bucht nördlich Triboltingen anstelle des Schwemm- 
kegels —, wenn auch manche derselben bei dem viermal 
kleineren Maßstabe nicht stark hervortreten. 

1853 —54 wurde dann die eidgenössische Triangulation 
durchgeführt und für die spätern Aufnahmen eine bessere 
Grundlage geschaffen. 


G. Die Siegfriedkarten. 


Die thurgauischen Blätter des topographischen Atlasses 

der Schweiz im Maßstab der Originalaufnahmen (Siegfried- 
Atlas) gelangten erstmals 1878 —85 zur Ausgabe. Diese 
ältesten Blätter fixieren die damaligen Zustände in sehr 
befriedigender Weise. Sie bleiben auch ein wertvolles Dokument 
für manche seither durch Straßen-, Bahn- und Wuhrbauten 
außer Gebrauch gesetzte oder wenigstens auf den Karten weg- 
gelassene Flurnamen, wie z. B. Banau und Unterthuren bei 
Weinfelden, Biberäuli bei Horgenbach ete. 
Die neueren Ausgaben verzeichnen Schritt für Schritt 
die großartigen Veränderungen, welche in neuester Zeit die 
Steigerung des Verkehrs und die überall einziehende Industrie 
an Siedlungen und Kulturflächen hervorrufen (Siehe Fig. 1, 
9% 14, 170.89): 


KB EN 


I. Die Kantonsgrenzen. 


Der Bestand des heutigen Kantons Thurgau datiert vom 
6. Juni 1800, da Dießenhofen den am 23. Mai 1798 gebildeten 
7 Bezirken als 8. beitrat. Er umfaßt ziemlich genau die 
ehemalige Landgrafschaft Thurgau ohne Rheinau und Stamm- 
heim, die Zürich zufielen, und ohne den thurgauischen Anteil 
von Stein, der mit diesem an Schaffhausen kam (26. Mai 1798). 

Die Grenzen der zugehörigen Einzelgebiete sind schon alt, 
auf die Besitzstände des Bischofs von Konstanz, der Klöster 
und der Gerichtsherren gegründet. Sie finden sich demnach, 
mit wenigen Ausnahmen den heutigen Zuständen entsprechend, 
bereits auf den Karten von Gyger und Nötzli. 


A. Die Grenze am Rhein und Untersee. 


Von jeher bildeten Rhein und Untersee die nördliche Grenz- 
scheide des Thurgau, im frühen Mittelalter gegen den schwä- 
bischen Hegau, heute gegen Baden und einige Teile des Kantons 
Schaffhausen. 

Auf der Karte von G@yger (1667) geht die Hoheitsgrenze 
von Paradies bis Burg in der Rheinmitte, im zürcherischen 
Steinergebiet, dem auch noch der Hof Steinbach angehört, auf 
dem Südufer und hernach zwischen den Werdinseln durch, 
die große östliche dem Thurgau zusprechend, auf die Mitte 
des Untersees. 

Peyer (1685) verlegt sie, den Schaffhauser Ansprüchen 
auf den ganzen Rhein entsprechend, von Paradies bis zum 
Hattinger Stein unterhalb St. Katharinenthal auf das Südufer, 
von da an in die Mitte des Stromes. 

Nötzli (1717) läßt die Grenze von Paradies bis zum 
Hattingerstein in der Rheinmitte, von hier an auf dem Nord- 
ufer bis zum Rodenbrunnen, von da an wieder in der Rhein- 
mitte verlaufen. Bei Stein umzieht sie das zürcherische Burg 
und geht westlich der Kapelleninsel Werd auf die Seemitte. 

Die Karte von 1720 und deren Kopien beanspruchen vom 
Hattingerstein aufwärts bis Stein den ganzen Strom für den 
Thurgau, ebenso den Untersee bis zur Mitte (Fig. 25). 

Sulzberger (1836) unterläßt jede Markierung der Grenze 
in Rhein und See, selbst zwischen den Werdinseln. Seine 


3 


BA. 


Landgrenze bei Burg-Stein weicht von der heutigen erheblich 
ab: Zwischen Wagenhausen und Burg trifft sie — statt recht- 
winklig — schief auf den Rhein mit Richtung in die untere 
Stadt Stein hinein. Bei Kaltenbach ist sie etwa 100 m weiter 
westlich als heute, so daß sie das letzte Haus an der direkten 
Straße nach Stein dem Kanton Schaffhausen zuweist. Diese 
Verhältnisse können kaum der damaligen Wirklichkeit ent- 
sprochen haben und dürften auf Verwechslung der Marken 
beruhen. 

Die heutigen topographischen Karten geben als 
Grenze die Mitte von Rhein und Untersee südwärts von Höri 
und Reichenau. Vor Konstanz biegt sie im Bogen, zugunsten 
Badens, zur Mündung des Grenzbaches. Bei Stein erstreckt sich 
der Unterbruch von 400 m westlich bis 425 m östlich der 
Rheinbrücke, am Südufer gemessen. Die Südgrenze des schaff- 
hausischen Stückes erstreckt sich fast gradlinig längs der 
thurgauischen Straße Kaltenbach-Eschenz auf 970 m Länge, 
Kaltenbach völlig ausschließend. Die beiden kleinern Inseln 
Raftkopf und Laye sind Schaffhausen, die größere Werd 
Thurgau zugeschieden. 

Die Grenzgeschichte des 19. Jahrhunderts befaßt sich 
namentlich mit zwei Anständen, die Staatsverhandlungen nötig 
machten und erst 1854 abgetan wurden. 

1) Die Scharenwiese am Rheinknie gegenüber Büsingen 
war, weil für die thurgauischen Siedlungen abgelegen, 
von Büsingen erworben und bewirtschaftet worden. 
Baden beanspruchte darum die Hoheit über die 17 Ju- 
charten auf der linken Rheinseite, was von Seite der 
Schweiz bestritten wurde, da Privatbesitz nicht das 
Territorialhoheitsrecht in sich schließe. 

2) Die Setzi oder Zaunstelle bei Dießenhofen, ein von 
einem Lebhag umgebener, geschlossener Weinberg von 
zirka 140 Jucharten am rechten Rheinufer von Ober- 
gailingen bis zum Laaggut, war stets zu Dießenhofen 
gerechnet worden, da die Grundstücke und Trotten dessen 
Bürgern gehörten, die Stadt auch die Straßen baute und 
unterhielt, die Feldpolizei ausübte und ein Siechenhaus 
mit Kapelle jenseits des Rheins besaß (Fig. 24). 

Dießenhofen war auch im tatsächlichen Besitz des 
ganzen Rheins längs seines Bezirks mit Fischerei und 


ae 


‘ Strompolizei. Die Rheinbrücke war von der Stadt gebaut 
und der Zoll wurde in einem Häuschen am rechten 
Ufer erhoben. 

Als dann aber die Grafschaft Nellenburg, zu der 
Gailingen gehörte, 1803 an das Großherzogtum Baden 
kam, verlangte letzteres nach und nach alle Hoheits- 
rechte am rechten Rheinufer bis zur Stromesmitte, stellte 
die Setzi unter die Behörden von Gailingen, bezw. des 
Bezirksamtes Radolfzell, beanspruchte Rechte auf der 
halben Rheinbrücke, baute 1840 ein Zollhaus vor die- 
selbe und ließ die am rechten Ufer haltenden Schiffe 
zollamtlich untersuchen. 

(Bericht des Statthalters Benker an die thurgauische 

* Kanzleidirektion vom 29. April 1854, und Bericht von 

Staatsschreiber Mörikofer an den Kleinen Rat vom 3. August 

1831 im thurgauischen Staatsarchiv.) 


Den hieraus entstehenden mannigfachen Beschwerden und 
Reibungen machte dann der Staatsvertrag zwischen der 
Schweiz und Baden im Oktober 1854 ein Ende (Bundes- 
blatt vom 10. Februar 1855). 

Derselbe nahm überall, von der badischen Grenze unter- 
halb Konstanz bis zur thurgauischen Grenze bei Paradies die 
Mitte des Rheins, bezw. des Untersees als Landesscheide an, 
wies die Setzi der Gemarkung Gailingen, die Scharenwiese 
der Gemeinde Unterschlattzu. Dießenhofen blieb unbeschränkter 
Eigentümer seiner Brücke und erhielt Erleichterungen im Ver- 
kehr mit der Setzi, gleichwie Büsingen bezüglich der Scharen- 
wiese. Auf Urkunden oder altes Herkommen sich stützende 
Fischereigerechtigkeiten wurden als Privatrechte gegenseitig 
anerkannt. 

Danach regulierte sieh auch Fischerei und Vogeljagd auf 
Rhein und Untersee. 

Auf dem Rhein umfaßt die Steiner Fischenz den ganzen 
Rhein bis zur schaffhausischen Landesgrenze oberhalb der 
Geißhütte, die Dießenhofer ebenfalls den ganzen Rhein von 
da bis zum Hattinger Stein, und die Paradieser Fischenz das 
- folgende Rheinstück bis 50 m oberhalb der Kantonsgrenze bei 
Langwiesen (Schaltegger, Privatfischereirechte, Seite 12). 
| Auf dem Untersee steht der Hauptteil der allgemeinen 
‚Fischerei offen unter Aufsicht der „der badischen Behörde 


ee 
zur Handhabung derselben zustehenden Polizei.“ Ausgenommen 
sind der Gnadensee und ein Stück bei Öhningen für domänen- 
ärarische Fischerei, sowie die Rheinstrecke Konstanz-Tribol- 
tingen und ein kleines Stück westlich Stiegen für Privatfischerei 
(Karte zur Fischereiordnung für den Untersee und Rhein vom 
Jahre 1897, 1:50000, eidgenössisches topographisches Bureau). 

Die Handhabung der Fischereipolizei entspricht dem Vertrag 
von 1556 zwischen dem Bischof von Konstanz und den Eid- 
genossen, wonach die niedere Gerichtsbarkeit und die Fischerei- 
ordnung auf dem Untersee der Abtei Reichenau zustehen 
(Pupikofer, Geschichte des Thurgaus, II, Seite 433). 

Wer sich also am thurgauischen Unterseeufer gegen die 
Fischereiordnung vergeht, wird beim badischen Bezirksamt 
Konstanz verzeigt und von diesem gebüßt. Der thurgauische 
Statthalter in Steckborn oder Kreuzlingen hat alsdann den 
Betrag der Buße einzutreiben und ihn nach Konstanz ab- 
zuliefern. — Zustände, die der Souveränität der Schweiz 
unwürdig sind. 


B. Die Grenze bei Konstanz und im „Trichter.“ 


(Nach F. Schaltegger, Die Hoheitsgrenze und die Fischereigerechtig- 
keit im Konstanzer Trichter, Frauenfeld 1909), und J. Wälli, Unsere 
Grenzen, Sonntagsblatt der „Thurg. Zeitung“, 1903.) 


Eine staatliche Interessengrenze bei Konstanz gibt es erst 
seit der Eroberung des Thurgau durch die Eidgenossen 1460 
oder vielmehr seit dem Schwabenkrieg, der die Eidgenossen- 
schaft faktisch von dem Reiche loslöste. Vorher war der 
Thurgau für Konstanz die natürliche Landschaft, die land- 
wirtschaftliche Erzeugnisse gegen Industrieprodukte tauschte 
und in der die reich gewordenen Patrizier ihren Reichtum 
gerne in Landbesitz anlegten, wie sich das in der Physiognomie 
der Siedelung um Emmishofen und Tägerwilen ausdrückt. 
Selbst in die eidgenössische Zeit hinein, bis 1499, konnte 
Konstanz Landgericht und Wildbann im Thurgau behalten, 
die es 1416 von Kaiser Sigismund erkauft hatte. Als dann 
aber in den Wirren der Reformationszeit die katholischen 
Orte den Anschluß der damals evangelischen Stadt an die 
Eidgenossenschaft als unerwünscht hintertrieben und sie dadurch 
isolierten, unterlag sie den Österreichischen Waffen und verlor 


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ihre Selbständigkeit. Von da an galt zu Konstanz die nach 
der Herrschaft über den ganzen Bodensee strebende Politik 
des österreichischen Statthalters, und es hatte der Thurgau 
statt eines wohlwollenden Nachbars einen unfreundlichen, der 
seine für Verkehr, Schiffahrt und Fischerei vorzügliche Lage 
zu ungunsten des Landes zur Geltung brachte. 

Das 16. und 17. Jahrhundert sahen von Seite des Macht- 
habers in Konstanz grobe militärische Eingriffe (wie z. B. die 
Zerstörung des Klosters Kreuzlingen) und kleinliche Schikanen, 
sowie Versuche, durch kluge Verträge tatsächliche Herren des 
Triehters, d.i. der Konstanzer Bucht zu werden, wo die Eid- 
genossen bis zur Mitte die Hoheit beanspruchten. 

Nach dem sog. Raßlerschen Vertrag von 1685 wurde 
der Stadt Konstanz ein Teil des Trichters, 1500 geometrische 
Schritte & 3 Schuh, vom Hafeneingang aus gemessen, zu- 
geschrieben, und der sog. Damianische Vertrag von 1786 
legte dieses Abkommen so aus, daß nicht der Radius von 
4500’, sondern die an den betreffenden Kreis gelegte Tangente 
den Machtkreis der Stadt zu begrenzen hatte. Auf diese Weise 
wurden See und Strandboden bis zur Wöschbachmündung öst- 
- lich Hörnli dem Thurgau entzogen. Außerdem erlaubte Kon- 
stanz weder Gebäude noch Erdwerk und keine Landungsstelle 
im Bereich eines Kanonenschusses von den Stadtmauern. 

Es scheint aber, daß dieser Vertrag beide Teile nicht 
befriedigte und darum bald in Vergessenheit geriet; denn seit 
Baden 1803 in Konstanz die Herrschaft übernahm und freund- 
lichere Politik befolgte als Oesterreich, galt allgemein die 
Fortsetzung der Landgrenze beim Rauhenegg in den See hinaus 
bis zu dessen Mitte und von da an diese als Landesscheide. 

Auf der topographischen Karte von Sulzberger 
(1836) folgt die Grenze vom Ziegelhof am Rhein beim Paradies 
‚dem Grenzbach mit stark gegen die Stadt vorspringendem 
Winkel nördlich vom Emmishofer Tor, entsprechend seiner 
frühern Ausmündung aus dem Festungsgraben. Vom Emmis- 
hofer Tor an begleitet sie diesen mit seinen Vorsprüngen, 
vom Kreuzlinger Tor an in Ostnordost-Richtung zum Rauhenegg 
an der Stelle, wo die Pfahlwand des jetzigen äußern Hafens 
beginnt. 

Die Grenze im See fehlt bei Sulzberger; aber noch 1873 
wurde diese auf einem vom Stadtbauamt Konstanz dem thur- 


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gauischen Regierungsrat eingereichten Plan vom Rauhenegg 
aus parallel der Hafenpfahlwand in den See hinausgezogen. 

Als dann aber die eingeengte Stadt trotz Auffüllung großer 
Strandbodenflächen den Platz für die dringende Erweiterung 
des Bahnhofs nur auf Schweizerboden finden konnte und die 
thurgauische Regierung auf eine vom badischen Gesandten, 
Minister Dusch, 1861 in Vorschlag gebrachte Grenzberichtigung 
im Tägermoos auf Kosten des Kantons zugunsten der Stadt 
Konstanz nicht eingehen wollte, besann und berief sich Baden 
auf den alten Damianischen Vertrag. Nach langen Verhand- 
lungen wurde durch die Uebereinkunft vom 24. Juni 1879 
die Grenze südwärts gerückt und der erweiterte Bahnhof ins 
deutsche Reichsgebiet einbezogen. Die Grenze im Trichter 
wird durch die Punkte ABO (Fig. 1) bestimmt. A liegt in 
der Seemitte zwischen dem Südpunkt J der Bodanshalbinsel 
beim „Jakob“ und dem thurgauischen Landvorsprung X bei 
der Mündung des Kogenbaches. AD hat Richtung zum Turme 
des Bahnhofs Konstanz und BD ist der Schnittpunkt dieser 
Linie mit derjenigen von J zum einspringenden Winkel in 
der Seemauer, wo der Grenzstein Nr. 1 gesetzt ist. 

Es kamen also der schweizerische Teil des Bahnhofs, das davor- 
liegende Festland und der Strand in einer Länge von 220 m in 
badischen Besitz, wogegen der bisher von Baden beanspruchte weitere 
Strand in der Ausdehnung von 1500— 1600 m definitiv schweizerisch 
wurde. 

Gleichzeitig hatte der Thurgau noch Land abzutreten zwischen 
den Grenzmarken 13 und 13. Um den häufigen Ueberschwemmungen 
von Sau- und Schoderbach abzuhelfen, war 1876 vereinbart worden, 
diese Wasserläufe sollten nicht mehr in den ehemaligen Festungs- 
graben geleitet, sondern durch einen besondern, etwa 450 m langen 
Kanal direkt dem Grenzbach zugewiesen werden. Dadurch kamen aber 
etwa 9 Jucharten, die bereits in konstanzischem Privatbesitz waren, 
auf die rechte, deutsche Seite zu liegen und diese trat Thurgau an 
Baden ab gegen Uebernahme des von Emmishofen-Kreuzlingen zu 
leistenden Beitrags von 7000 Fr. durch die badische Regierung. 


C. Reichsboden und Reichsgrenze im Obersee. 


So lange der Bodensee samt seinen Ufern zum deutschen 
Reiche gehörte, wurde er als Reichsboden behandelt, der Kaiser 
und Reich zustand und gemeinen Brauch hatte. Niemand 


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konnte darauf Privilegien erteilen als der römische Kaiser 
und König (Schaltegger, Hoheitsgrenze, Seite 1). 

Seit dem Basler Frieden 1499, da sich die Schweiz definitiv 
vom deutschen Reiche lossagte, ging das Bestreben des letzteren, 
resp. Oesterreichs dahin, den Bodensee mit Fischerei und Schiff- 
fahrt unter seiner Hoheit zu erhalten, während die VII alten 
Orte als Besitzer des Thurgaus immer die Seemitte als Reichs- 
grenze betrachtet und behandelt haben. Auch die heutige 
schweizerische Arealstatistik teilt dem Thurgau 143,24 km? 
Seefläche zu, nachdem die Landestopographie anhand der 
Bodenseekarte eine ausgeglichene Mittellinie empirisch fest- 
gesetzt und auf diese von den Grenzpunkten der Nachbar- 
staaten aus unter sich Senkrechte gefällt hatte (Regul. des 
Bodensees S. 16, Anm.) Zu einer wirklichen internationalen 
Abgrenzung der Hoheitsrechte ist es aber noch nie gekommen, 
und während des gegenwärtigen Krieges übt tatsächlich Deutsch- 
land die Polizeiaufsicht auf dem ganzen Öbersee aus, wie dies 
seit 1556 auf dem Untersee der Fall ist. 

Nach der internationalen Schiffahrts-- und Hafenordnung 
vom 22. September 1867 ist nur noch die Wasserfläche des 
Hauptbeckens ungeteiltes internationales Gebiet. Die Hafen- 
einrichtungen, die Bade- und Waschanstalten werden als Bestand- 
teile der einzelnen Länder angenommen, und selbstverständlich 
ist auch der Strandboden Eigengut des anstoßenden Staates. 

Eine Frage für sich bildet die Abgrenzung des Privat- 
eigentums gegen das Gemeingut der Seefläche, die 
bei niederm Wasserstand große Strecken kahlen Bodens frei 
läßt, bei Hochwasser ins Kulturland und selbst in die Dorf- 
gassen hinein flutet. 

Nach dem thurgauischen Rechtsbuch (8. 152) erstreckt 
sich das öffentliche Seegebiet oder der Reichsboden gegen 
das Ufer hin bis zu der Linie, bis zu welcher bei gewöhn- 
lichem mittlerem Wasserstande der Wellenschlag reicht. Diese 
Linie ist allerdings etwas Unsicheres, da sie je nach den zur 
Berechnung des Mittels benutzten Jahrgängen schwankt. Das 
Rechtsbuch erklärt ihre Anwendung darum nur als zulässig, 
wenn die Grenze nicht in anderer Weise, durch bestehende 
Vermarkung oder hinreiehende Nutzungshandlung ermittelt 
werden kann. 

Das Recht zur Benutzung des Reichsbodens ist ein öffent- 


liches, dem Staate zustehendes, soweit nicht eine Beschränkung 
durch speziell erworbene Rechte, die aber niemals nur ersessen 
werden können, eingetreten ist. 

Nach $ 10 des thurgauischen Gesetzes über den Unterhalt 
der öffentlichen Gewässer vom 21. Mai 1895 dürfen auf dem 
Reichsboden ohne Bewilligung des Regierungsrates weder Auf- 
schüttungen, noch Ausgrabungen oder Einfriedigungen vor- 
genommen werden; auch die freie Abfuhr von Grien und 
Steinen ist untersagt. 

Eine eigentliche Vermarkung des Reichsbodens fand 
zuerst in der Gemeinde Egnach statt. Hier hatten einige 
Bauern auf dem Strande Schilf gepflanzt und dasselbe zu . 
ordentlichem Ertrage gebracht. Da die Leute das neue Kultur- 
land Zu eigen beanspruchten, kam es zu Anständen mit dem 
Fiskus wegen Besteuerung desselben und wegen der Abgrenzung 
des Privatbesitzes. 

Unterm 11. September 1861 entschied der Regierungsrat, 
es sei nach dem Grundsatze des mittleren Wellenschlages 
entsprechend den Aufzeichnungen des Romanshorner Pegels 
eine Grenzausscheidung zu treffen; im übrigen sei der Regie- 
rungsrat geneigt, auf erfolgte Anfrage hin und unter Eigen- 
tumsvorbehalt den Seeanstößern die Nutzung der auf Reichs- 
boden wachsenden Streue zu gestatten. 

Die bezügliche Vermarkung fand im Herbst 1861 durch 
Geometer Ganter statt; sie umfaßte die Reichsbodengrenze 
längs der Gemeinden Romanshorn, Salmsach und Egnach und 
ist in einem Plan 1: 2000 festgelegt. 

Die Rohrpflanzungen der Egnacher Landwirte machten 
weitere Fortschritte: Mit unendlicher Mühe, großer Energie 
und Hartnäckigkeit besiegten sie die Hindernisse; so oft die 
Pflänzlinge verkümmerten, erfroren oder ertranken, so oft 
setzten sie wieder neue, schrägten das Uferbord ab, füllten 
die Pflanzgräben mit guter Erde und hatten zuletzt, wohl 
auch unterstützt durch eine Reihe günstiger Jahrgänge, den 
- gewünschten Erfolg. In einem Fall wurde der Schilfbestand 
um zirka 8 Jucharten vergrößert. 

Da aber die Erträge zähen Fleißes ebenfalls mit Energie 
für sich zu Eigentum gefordert wurden, entstanden 1871 
neuerdings Differenzen mit dem Staate. Der Regierungsrat 
beharrte indessen auf dem 1861 eingenommenen Standpunkt, 


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„es werde zwar gegen die Anlage 
von Rohrpflanzungen ab seiten 
der Grundbesitzer am See und 
gegen die Benutzung derselben 
keine Einsprache erhoben; es 
sei jedoch das Eigentumsrecht 
des Fiskus am Reichsboden aus- 
drücklich gewahrt, und es könne 
demnach das zugestandene Nutz- 
ungsrecht den Erwerb von Ei- 
gentum für die Nutznießer nie- 
mals begründen“ (Regierungs- 
rats-Protokoll vom 15.September 
1871). 

Als sich dann die Verifikation 
der Ganterschen Abgrenzung 
wegen mangelnden Hintermar- 
ken als unmöglich erwies, ge- 
währte die Regierung einen 
Kredit von 150 Fr. für neue 
Vermessung und bleibende Ver- 
markung. Diese wurde im Mai 
1874 ausgeführt durch Geometer 
Gentsch. Sein „Situationsplan 
über ‘die Reichsgrenze und die 
angrenzenden Privatgüter der 
Gemeinde Egnach“ in 1: 2000 
bezeichnet die Reichsgrenze als 
mittleren Wasserstand. Gleich- 
zeitig war auch infolge eines 
Kaufvertrags zwischen Ammann 
zur „Seeburg“ in Kreuzlingen 
und dem thurgauischen Fiskus 
der Reichsboden von der Lan- 
desgrenze bei Konstanz bis zur 
„Seeburg“ vermessen und eine 
allgemeine Vermarkung 
des Reichsbodens am Bo- 
densee in Aussicht genommen 
worden. Diese fand im Jahre 


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1880 durch U. Gentsch statt, und dabei wurde den An- 
sprüchen der Egnacher Landwirte dadurch Rechnung getragen, 
daß man die Reichsgrenze um 40—110 m, im Mittel etwa 
80 m, seewärts rückte (Fig. 2). Es konnte dies um so eher 
geschehen, als unterdessen der Strandboden sich tatsächlich 
erhöht hatte, indem durch den als Schlammfänger wirkenden 
Schilfwald die Zone des mittlern Wellenschlages weiter vom 
Lande weg verlegt worden war. Die Gentschschen Uferpläne 
von 1880 in 1: 1000 bilden seither die Grundlage für die 
Planierung des Uferschutzes. 

Letztere bringt nun insofern eine Aenderung der Reichs- 
grenze, als „in Rücksicht auf die erhebliche Beteiligung des 
Kantons an den Kosten der dem neuen Werke vorgelagerte 
Strafdboden dem Staate zufallen und zugefertigt werden muß, 
damit nicht durch beliebigen und unkontrollierten, oftmals die 
Schutzvorrichtungen schädigenden Bezug von Kies und Sand 
die Bauten wieder gefährdet werden“ (Germann, 8. 7). 


D. Die Züricher Grenze. 


Schon von dem Uebergang Dießenhofens an die Eid- 
genossen im Jahr 1460 war dessen Gebiet vom Umfange des 
heutigen Bezirks. 

Die Grenzen auf den Karten des 17. und 18. Jahrhunderts 
sind somit die gleichen wie die der Siegfriedkarte, und wenn 
Sulzberger 1836 Abweichungen zeichnete, so rühren diese 
wohl vom Nichtauffinden von Grenzmarken her, wie z. B. bei 
Paradies, wo seine Grenze den Rhein unter einem Winkel 
von 17° N gegen E trifft, während die tatsächliche einige 
Grade von Norden gegen Westen abweicht. Sein Südpunkt 
ist um zirka 500 m zu weit nördlich, und vom Wölflis- 
bild über die Furtmühle zum Kintschersbuck springt seine 
Grenze in geraden Linien, während die tatsächliche den 
Krümmungen des Ulmerwegs folgt. 

Auf Messungsfehler begründet ist die Abweichung bei dem 
gegen Norden zum Rodenberg, vorspringenden Stammheimer 
Gebiet: Abstand der Marken Kintschersbuck und Hohenegg 
bei Sulzberger 1150 m, bei Siegfried 1450 m. 

Zürich hatte 1464 die niederen Gerichte und die Vogtei 
in Stammheim von den Herren von Klingenberg erworben, 


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und diese Gemeinde gehört seit dem 3. März 1504 tatsächlich 
zu Zürich (Pupikofer, Geschichte II, S. 109), wenn es auch 
bis zu Ende des 18. Jahrhunderts dem thurgauischen Land- 
gerichte zugeteilt war. 

Die thurgauische Grenze gegen Stammheim weicht am 
Nußbaumer See auf Gygers und Nötzlis Karten von den 
heutigen Verhältnissen ab, indem bei ihnen das Inselchen 
einen Grenzstein trägt. Der Ittinger Plan des Paters Josephus 
von 1743 korrigiert aber den Fehler (Fig. 18), und er erklärt 
denselben im Hüttwiler Lehenbuch pars I, 8. 49 folgender- 
maben: 

„Auf der in der Mitte des Ittingischen unteren oder so- 
genannten Uerschhauser Sees gelegenen Insel ist vor altem 
eine Fischerhütte oder Häusli, in welchem ein Fischer des 
Gotteshauses wohnhaft gesessen, gestanden, welches A°. 1711 
abgebrochen worden; so aber das Gottshaus kraft Brief 
wiederum ein anderes dahin zu setzen befugt ist. Die- 
weilen aber allda nach abgebrochenem Häusli ein steinernes 
Ofensäuli stehen verblieben, haben hernach dieses die Stamm- 
heimer für eine Landmarken angesehen und dieser Ursach 
halber vermeinen wollen, daß der untere Teil des Sees von 
gedachter Insel an gegen Niedergang in dem Zürcher Gebiet 
gelegen sei, folgsamb daß Hampfrosen und Einlagen in diesem 
untern Teil des Sees kein Landvogt im Thurgau ihnen wehren 
und verbieten könne. Hat sich aber bei dem hochoberkeitlich 
anno 1715 gehaltenen Augenschein das Contrarium klar er- 
schunen; indem kraft Landmarken noch ein gutes Stück Land 
unter dem See gegen Niedergang dem Thurgau zudienet.“ 

Zu dieser Erklärung des gelehrten Paters stimmt nicht 
ganz, daß schon 1667 Gyger die Grenze über die Insel 
gehen läßt. 

An der Thur gibt Gyger vom Fahrhof aufwärts bis 
zur alten Furt des Baches zwischen Veldi und Unterwiden 
die Mitte des Flusses als Grenze an; Nötzli legt dieselbe ganz 
‚auf das nördliche Ufer. Jedenfalls war von jeher der Talweg 
der Thur Landesscheide, und diese erfuhr daher auch in der 
Neuzeit zusammen mit dem Flusse eine Geradelegung. 

In Ellikon war der Dorfbach Grenze zwischen den hohen 
» Gerichten von Kyburg und Thurgau, während das Dorf zürche- 
risch war und geblieben ist. R 


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Die Grenze von der Thur bis zum Hörnli ist seit 
1427 festgelegt, da die Herrschaft Kyburg von der Land- 
grafschaft Thurgau abgelöst wurde (Pupikofer, Geschichte II, 
8. 788). Als Hauptmarken galten das Schloß Kefikon, der 
Mühlenstein oberhalb Meiersberg bei Gachnang, die Burg 
Hagenbuch, die Brücke zu Aadorf, Hiltisberg (Iltishausen), 
Rüdlinsberg (Rudberg), die alte Burg Bichelsee und das Hörnli. 
Die Angaben Gygers stimmen mit den heutigen Verhältnissen, 
so daß den Abweichungen Nötzlis beim Bichelsee keine Be- 
deutung zukommt. Eigentümlich ist der stark einspringende 
' kleine Gebietsteil mit der Ruine der durch den Toggenburger 
Brudermord berüchtigten Burg Reingerswil. Derselbe ist 
durch Kauf von den Herren von Landenberg an die Graf- 
schaff Kyburg gelangt (H. Zeller-Werdmüller, Erläuterungen 
zu Hs. ©. Gygers Karte von 1667). 

Auf den alten Karten (s. S.11) ist auch die Abtei Rheinau 
dem Thurgau zugeschrieben. Diese war tatsächlich eine un- 
. abhängige, aber seit 1451 unter dem Schutz der sieben alten 
Orte stehende Herrschaft. 

Als der Rheinau am nächsten stehende eidgenössische 
Beamte hatte der Landvogt im Thurgau die mit der Schirm- 
herrschaft, der militärischen und gerichtlichen Hoheit ver- 
bundene Oberaufsicht über Ort und Kloster auszuüben und 
von den Rheinauerbürgern den Treueid entgegenzunehmen ; 
ihm hatte auch die Abtei Rechnung abzulesen. Im übrigen 
aber war der ehemals reichsfreien Herrschaft die Selbst- 
regierung belassen. 1798 wurde dann die lockere Verbindung 
mit dem Thurgau gelöst und Rheinau dem Kanton Zürich 
eingefügt. (K. Dändliker, Schweizerische Rundschau 1896, 
I. Bd., 8. 471.) 


E. Die St. Galler Grenze. 


Die Grenze gegen das Toggenburg wurde beim Ab- 
schluß des Landrechtes der Toggenburger mit Schwyz und 
Glarus 1436 festgelegt und ist seither unverändert geblieben. 

Gegen das Fürstenland war die Grenze lange schwan- 
kend, weil die Aebte die Zahl ihrer Gerichtsvogteien durch 
Ankauf vermehrten, sich über die Neuerwerbung die fürst- 
liche Obervogtei anmaßten und so die Wirksamkeit des Land- 


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a in diesen Vogteien hemmten (Pupikofer, Geschichte 
II, 25). Im großen and ganzen gelten aber die schon 1717 
durch Nötzli fixierten Marchen. 

Bei der Vergleichung alter und neuer Karten fallen auf 
der St. Galler Grenze nur folgende fünf Punkte auf: 

1) Beim Hof Rengishalde westlich Bischofszell ist auf 
der Sulzbergerschen Karte der Bach die Kantonsgrenze, der 
Hof st. gallisch. Das ist wohl falsch; denn die Rengishalde 
gehörte früher der Bürgergemeinde Bischofszell und ist auf 
den Nötzlikarten dem Thurgau zugeteilt, wie auch auf der 
Siegfriedkarte, welche die Grenze 700 m südlicher legt. 

2) Die östlich Gottshaus auf die Sitter treffende Kantons- 
grenze hat bei Sulzberger, zugleich mit dem Einlauf des Buch- 
mühlebaches, Richtung auf die Ruine Ramschwag, bei den neuen 
Karten auf Kollerberg. Die Differenz von zirka 100 m ist 
auf Ungenauigkeit le 

3) Bei Oberegg springt auf der Sulzbergerkarte das 
St. Galler Gebiet hun nach Süden ans Sitterufer vor, 
das sie 75 m weit begleitet. Auf Blatt 74 des topographischen 
Atlasses ist das Trapez durch einen flachen Bogen ersetzt, 
der das Ufer nicht mehr berührt. Die Korrektionspläne des 
thurgauischen Baudepartements rekonstruieren die Form von 
1836 und geben auf 180 m das nördliche Ufer der Sitter 
als Kantonsgrenze an. Die Sitter soll im Laufe der Zeit am 
Scheitel ihres scharfen Bogens das Gelände von Oberegg an- 
genagt und zum Abrutschen gebracht haben, so daß der Fluß- 
lauf sich zum Teil auf st. gallischen Boden hinein verlegte. 
An dieser Stelle wird nunmehr die Korrektion auf Kosten 
des Kantons St. Gallen durch die thurgauischen Organe besorgt. 

4) Bei Steinach verzeichnet schon Nötzli die Grenze 
zwischen Arbon und Horn auf dem Seestrande, so daß also 
das Land st. gallisch ist, Wasser und Seeboden dem Thurgau 
gehören. Die Ausgabe 1911 der topographischen Karte weist 
mit der Grenze in den See hinaus. Tatsächlich besteht zurzeit 
noch Differenz mit St. Gallen, welches seine Steinacher Grenze 
bis zur Seemitte hinaus verlängert haben will, während Thurgau 
auf den alten Ansprüchen beharrt und gestützt auf den Marchen- 
beschrieb die Grenze dem Rande der sog. Weiße entlang zieht 
(Thurg. Rechenschaftsbericht 1910, 8. 9). 

5) An der Goldach: Sulzberger läßt die Grenzlinie vom 


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Marchstein nordöstlich Mühlehof-Ach aus spitzwinklig ostwärts 
an die Goldach streichen, die Siegfriedkarte dagegen recht- 
/ winklis. Die Karte von 1836 zieht dann die Marchlinie auf 
dem thurgauischen Ufer bis zum See, diejenige von 1885 
auf dem st. gallischen Ufer. Die Aufnahme von 1903 zeichnete 
sie in der Mitte der korrigierten Ach und setzte sie in deren 
Richtung in den See hinaus fort. Damit war aber St. Gallen 
nicht einverstanden: Die Grenze folgte früher dem Talweg der 
Goldach, und da dieser auf dem Schwemmkegel nach Westen 
abbog, so nahm auch die Grenze im See die Richtung des 
letzten Laufstückes an. Durch die Korrektion wurden nun aller- 
dings Goldach und Grenze gerade gelegt bis zum See, im letztern 
aber nach der Uebereinkunft vom 14. Mai 1906 die Kantons- 
scheide der alten Richtung parallel bis zum neuen Auslauf 
nach Osten gerückt (Mitteilungen des Kantonsgeometers). 

Trotz der Feststellung der Grenze durch beidseitig an- 
erkannte Marchsteine erheben sich aber immer wieder Anstände 
zwischen den beiden Nachbarkantonen. 

Die Grenze geht eben nicht gradlinig von Stein zu Stein, 
sondern folgte von jeher ausgeprägten Kulturrändern: Wald- 
säumen, Grünhecken, Gräben u. dgl. Verschwanden solche im 
Laufe der Zeit, so verwischte sich die Grenze, und die Grund- 
stücke griffen scheinbar willkürlich herüber und hinüber. Daß 
sich dadurch vielfach Besteuerungsanstände ergeben mußten, 
liegt auf der Hand, um so mehr als die beiden Kantone ver- 
schiedenen Steuerfuß haben. Der Eigentümer eines gerade 
auf der Grenze stehenden Hauses soll sich sogar jahrelang 
jeder Steuerpflicht entzogen haben dadureh, daß er je nach 
den Umständen die Wohnstube und damit seinen „Wohnsitz“ 
bald auf st. gallischen, bald auf thurgauischen Boden verlegte. 

Bei der Binführung des Grundbuches war eine interkanto- 
nale Einigung unvermeidlich. Die Grenzbereinigung ist heute 
(August 1915) noch im Gange: Wo zwischen zwei anerkannten 
Marchen nicht alte Pläne und Beschriebe Klarheit schaffen, 
werden möglichst natürliche Scheidelinien festgesetzt, und wo 
Grundstücke zerschnitten würden, dieselben demjenigen Kanton 
zugeschrieben, auf dessen Gebiet sie zum größten Teil liegen. 

Auch geht das Bestreben dahin, durch Verlegung der 
Grundstücksgrenzen unter Wertausgleich unzweideutige Ver- 
hältnisse zu schaffen. 


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Zwischen den Gemeinden Hauptwil und Waldkirch fand 
ein interessanter Tausch statt. Der ersteren war in der 
„Stocketen“ ein Grundstück zugeschieden worden, ohne daß 
auf der beiderseitigen Grenze ein Ausgleich möglich war. 
Der letztere wurde dann aber dadurch bewerkstelligt, daß 
'Waldkireh von der Gemeinde Gottshaus das Widenhuber Hölzli 
erhielt und dafür von Hauptwil mit 1000 Fr. entschädigt 
wurde (Thurg. Großratsverhandlungen vom 30. März 1915 
und Mitteilungen des Kantonsgeometers). 


Ill. Die Gewässer. 


Das Wasser spielt in der Veränderung der Erdoberfläche 
eine gewaltige Rolle: es wirkt auf die feste Erde lockernd, 
lösend, entblößend, abtragend, deckend, anhäufend. Die meisten 
dieser Wirkungen steigern sich mit dem Böschungswinkel des 
Geländes und verringern sich mit der zunehmenden Dichte 
der Pflanzendecke. 

Der Thurgau ist größtenteils eine sanft geböschte, mit 
Vegetation bekleidete Landschaft. Darum können die Wasser- 
wirkungen im allgemeinen keine sehr stark in die Augen 
springenden sein; erst nach langen Zeiträumen treten sie 
so hervor, daß sie auf den Karten zum Ausdruck gelangen. 

Der Mensch läßt aber die Natur nicht selbständig walten; 
er kämpft gegen die verderbliche Wirkung der Hochfluten 
und nützt die Energie des fallenden Wassers aus. Er ändert 
den Lauf der Gewässer, leitet lästige Nässe ab und staut 
Vorratswasser. 

Dieses Eingreifen des Menschen ist ‚uralt, aber vielfach 
mit großen Enttäuschungen und Mißerfolgen verknüpft ge- 
wesen, teils weil die Naturgesetze zu wenig erkannt und 
beachtet wurden, teils wegen der unendlichen Interessenzer- 
splitterung früherer Zeiten. Große, zweckmäßige Werke von 
dauerndem Werte gehören fast alle der neueren Zeit an, dem 
Zeitalter des gesteigerten Naturerkennens, des Dampfes, der 
Elektrizität und der Wasserwirtschaft. 

Wenn wir die geographischen Quellen speziell nach den 
Veränderungen unserer Landschaft in hydrographischer Hin- 
sicht vergleichen, so wird sich ergeben, dal die natürlichen 


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Aenderungen weit zurückstehen gegen die vom 
Menschen direkt und indirekt verursachten, und diese 
‘ werden sich häufen mit der Annäherung an die Gegenwart. 


A. Bodensee und. Rhein. 


a. Die Hochwasser. 


Für die Gestaltung der See- und Rheinufer sind von 
ausschlaggebender Bedeutung die Pulsationen der Wassermasse, 
die Hochstände im Sommer, namentlich deren oberes Extrem, 
die Hochflut, und in geringerem Maße auch die winterlichen 
- Tiefstände. 

Der erste Pegel (d. i. Wasserstandsanzeiger) wurde 1797 
in Lindau eingerichtet; die längsten zusammenhängenden 
Beobachtungsreihen über Wasserstände verdanken wir dem- 
jenigen von Konstanz, seit 1816. Heute sind 16 zuverlässige 
Pegelstationen in Tätigkeit, darunter vier mit Limnigraphen 
(d. s. selbstaufzeichnende Wasserstandsmesser). 

Der Nullpunkt des Konstanzer Limnigraphen, 6 m unter 
der Hochflutmarke von 1817, gibt diejenige Tiefe unter dem 
bekannten niedersten Wasserstand an, welche für die Be- 
wegung der Dampfboote größten Tiefganges bei voller Ladung 
erforderlich ist (Honsell, S. 39). Dieser Nullpunkt wurde durch 
das schweizerische Präzisionsnivellement (Pierre du Niton 
376,86 m) zu 395,48 m über dem Spiegel des Mittelmeeres 
bestimmt." Die Nullpunkte der übrigen Pegel weichen nach 
den Angaben der schweizerischen Landeshydrographie (Näf, 
S. 10. 21, 22) von dem in Konstanz etwas ab: Rorschach 
395.42, Romanshorn 395,51, Berlingen, Steckborn und 
Mammern 395,16, Stein-Burg 394,85, Dießenhofen 393,51 m. 

Aus den Reihen der Pegelbeobachtungen lassen sich nun 
die mittleren Wasserhöhen berechnen (Boßhard, 8. 10): 


! Die Höhe der Pierre du Niton im Hafen von Genf ist aber 
neuerdings und wohl endgültig zu 573,6 m bestimmt worden. Der 
künftige schweizerische Normalnullpunkt ist daher —= bisheriger 
Schweizer N.N. — 35,26 m = Berliner N.N. + 0,46 m — Mittelwasser 
der Adria — 0,05 m. 


4 


Absolute Höhe Konstanzer Pegel 
1858 - 1910 m m 
Mittelstand des Jahres 398,936 3,456 
- - Sommers 399,345 3,863 
- - Winters ER 398,519 3,039 
Mittel der höchsten Jahreswasserstände 400,139 4,659 
- - niedrigsten - 398,098 2,618 


Bei Niederwasser, d.h. Senkung des Seespiegels um 
83 cm (1909 um 107 em, 1858 um 120 cm) unter den Mittel- 
stand, werden große Strecken des Strandbodens der zer- 
störenden Wirkung von Frost und Wind ausgesetzt. Die an- 
stehenden Molassefelsen und besonders die Kalkkrusten und 
Schlammabsätze auf den Steinen werden zermürbt und nachher 
vom Winde oder -vom wiederkehrenden Wasser verteilt. Die 
winterlichen Tiefstände verhindern somit die Erhöhung des 
Bodens auf der „Wyße“, der Bank zwischen Ufer und Halde. 


Die Hochfluten in den letzten 100 Jahren erreichten: 
1817: 401,72 m 6,24 m Konstanzer Pegel 6,50 Rorschacher Pegel 


1821: 401,40 - 5,92 - 2 5,98 : - 
11851: 400958 550. = 0556 2 : 
1876: 401,10 - 5,62 - £ 5,08 - 2 
1890: 401,24 - 5,76 - i 22589 £ : 
1910: A006 na -..2.25,64 - x 


(Boßhard, S. 9.) 


Von der Pegelhöhe 4,54 m in Konstanz, 4,61 m in 
Mammern an gilt das Hochwasser als schädlich; es beginnt 
damit der Rückstau in den Kloaken der Uferorte, das Ver- 
sagen der Abflußdolen. Dieser schädliche Stand wird jedes 
Jahr während etwa zwei Monaten überschritten, aber im 
Sommer und bei ruhigem Wetter nicht sehr unangenehm 
empfunden. 

Bei weiterem Steigen dringt das Wasser in die Keller, 
durchtränkt die niedrigen Gärten und Seewiesen, macht die 
Fußwege und Straßen am Ufer ungangbar und nötigt zu 
großen Umwegen. Bei 4,85 m am Konstanzer Pegel tritt 
der Untersee auf die Landstraßen in Berlingen und Steckborn, 
so daß dann der trockene Verkehr nur auf über Böcke ge- 
legten Brettern, durch „Stegeten“ aufrecht erhalten werden 
kann (Fig. 3 u. 4). 

Zeigt der Konstanzer Hafenpegel 5,1 m, so muß die Schiff- 
fahrt auf dem Rhein eingestellt werden, weil die Durchfahrt 


bier 


unter den Brücken gefährdet ist. Für das neue Dampfboot 
„Schaffhausen“ ist dies schon bei 4,95 m der Fall (Mit- 
_ teilung der Dampfbootverwaltung.) 

In Gottlieben stand 1817 mehrere Wochen lang die Flut 
5‘ hoch über dem Ufer, so daß man nur auf Brücken und 
‘zu Schiffe von einem Haus zum andern gelangen konnte und 
ein mit Stroh beladenes Schiff sogar neben der Kirche vorbei- 
segelte (Thurg. Neujahrsblatt 1831). 

In dem Ueberschwemmungsjahr 1876 stieg der See vom 
5. bis 18. Juni auf 5,4 m und blieb so bis 12. Juli, um dann 
langsam zu sinken und erst Mitte August das gewöhnliche 
Sommermittel zu erreichen (Honsell, S. 127). Im Jahre 1890 
trat der See am 29. August aus; am 4 September war die 
Haupts traße in Berlingen und Steekborn 93 cm tief im Wasser, 
und ähnlich die niederen Teile von Gottlieben, en 
(Fig. 3), Mannenbach und Dießenhofen. Erst am 20. aan 
wurden die Landstraßen wieder wasserfrei und konnten Wohn- 
räume und Erdgeschosse vom Schlamme gereinigt werden. 
Die Zusammenstellung der amtlich abgeschätzten direkten 
Schädigungen — mit Kuscchlib aller indirekten, wie Geschäfts- 
störung, besonders auch des al ranleulas, Durchnässung 
und. dergleichen — ergab für das Hochwasser von 1890 in 
den Seegemeinden von Horn bis Dießenhofen die Summe von 
Fr. 109218.60, von denen Fr. 48171.60 auf den. Obersee 
entfallen (Rechenschaftsbericht 1890, S. 196 — 201). 

Außergewöhnliche Hochstände treten sonach besonders 
‘an den dieht und nahe besiedelten Untersee- und Rheinufern 
schädigend auf, indes auch am Obersee, wenn auch hier in 
milderer Form und etwas anderer Weise. 

Nach dem Regulierungsprojekt von 1912 (Boßhard, 8. 33) 
sollen nun die Seehochstände: künftig am Rorschacher Pegel 
nicht mehr 5 m — 400,42 m überschreiten und nicht unter 
3 m — 398,42 m absolute Höhe gehen. Es wird dies zu 
erreichen gesucht durch Sohlenvertiefung des Konstanzer Rheins 
um 1,5 m und Einbau eines beweglichen Wehrs bei Stein 
mit entsprechender Senkung des Strombettes. Das Wehr hat 
die ganze Wasserführung zu regulieren. 


! Die gleichen Pegelzahlen gelten auch für Stein, da der dortige 
Nullpunkt um die Differenz der Wasserspiegelhöhen tiefer liest. 


52 


(Aus 


Gutachten 


DRS AnIT 


DIS 


x 


Fig 3. Hochwasser in Ermatin 


© 
to) 


en. 


über die Regulierung des Bodensees 


— Dorfstraße 


am 


anfangs September 1890. 


von W.E. Boßhard. — Photographie Walser 


Arenenberg.) 


Fig. 4. Hochwasser in Steekborn. — Hauptstraße Ende Juni 1910. 
(Aus Gutachten über die Regulierung des Bodensees von W.E. Boßhard.) 


(Photographie. H. Labhart, Steckborn.) 


er 


b. Das Oberseeufer. 


1. Zerstörung und Uferschutz. 


Beim Hochstande des Sees wird dessen Ufer in hohem 
Maße vom Wellenschlage des Biswindes (N., NE. und E.) 
benagt und weicht deshalb vielerorts beständig zurück. Während 
des Hochwassers staut sich auch das Grundwasser, und beim 
Fallen des Sees beschleunigt sein Druck die Einstürze. Da 
am ganzen thurgauischen Ufer nirgends widerstandsfähige 
Felsen anstehen, fast überall Grundmoräne und daraus her- 
vorgegangenes Kulturland den Wasserrand berühren, so ist 
das Auswaschen besonders ergiebig. 

Seit langer Zeit wird der Uferverlust bei Arbon un- 
angenehm empfunden. Der st. gallische Geschichtsschreiber 
Vadianus schreibt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 
daß im Winter auf dem Seeboden bei der Stadt noch alte 
Fundamente von allerlei Gebäuden sichtbar seien, welche dort 
gestanden, aber von dem See „oben nider ertrenkt und über- 
gossen sat ae 

Nach Pupikofer (Gemälde 8. 296) hat die Bürgerwernede 
seit einigen Jahrhunderten und besonders noch im 18. große 
Stücke Weideland (Allmend) durch Wellenschlag und Ufer- 
durchtränkung verloren. Noch 1828 erinnerte man sich, daß einst 
zwischen der Sa mener: und dem See eine eh werde benutzt 
werden konnte. Die Fundamente der alten Stadtmauer waren 
dazumal vom Gewell auch derart geschwächt, daß besonders 
bei.den Türmen eine Neigung nach der Wasserseite bemerk- 
bar war und die Türme umzustürzen drohten (Thurgauisches 
Neujahrsblatt 1823). 

Nördlich und östlich der Stadt findet sich ein Feld von errati- 
schen Blöcken, die nach und nach aus der anstehenden Grund- 
moräne herausgewaschen worden sind. Noch im 18. Jahrhundert 
benutzte man auf der Ostseite einen Hafendamm, dessen Pfähle 
durch eine Reihe angelegter Findlinge geschützt waren. Von 
einem solchen Findling, die „Sau“ genannt, erzählt eine Tafel 
auf dem Rathause, daß er, 150 Zentner schwer, den. 14. März 
1695 durch die Gewalt des Grundeises (Eisdruck des zu- 
gefrorenen Bodensees) 25 Schritte weit in die Nähe der Stadt- 
mauer geschleudert wurde (Thurgauisches Neujahrsblatt 1328). 
Aehnliches geschah bei der „Seegfrörne“ des Jahres 1880 


(TAN "uuemsaMm 


v eıydeısoljoyd) 


TIOgsUgWwoy Tag Tonaqgetarn 


g 


Sta 


a 


auf der deutschen Seite des Sees. Steudel erzählt S. 29: Bei 
Nonnenhorn wurde ein nahezu 100 Zentner schwerer Block, 
der einige Meter vom Ufer im Letten stak, durch den Druck 
des Eises aus seinem festen Sitz in die Höhe getrieben und 
2 m vorwärts und tags darauf 3 m seitwärts geschleudert. 

Nordwestlich Arbon, vom Einfluß des Imbersbaches bis 
zum Wiedebühlwald, in der Länge von etwa 1600 m, ist die 
Erosion sehr stark. 3—4 m hoch steht die Grundmoräne an, aus 
der dasGewell gekritzte Steine verschiedener Größe herauswäscht, 
so daß sich die Obstbäume in Sommern mit längerem See- 
hochstande dem verderblichen Absturz bedenklich rasch nähern. 
‘ Der Strand ist mit Steinblöcken und Grobkies dicht bestreut. 

Könnten die Angaben der Sulzbergerkarte ohne weiteres 
mit denen des Siegfriedblattes verglichen werden, so betrüge 
die Breite des seit 1836 verlorenen Landstreifens bei Wiede- 
horn 100—150 m, östlich Kratzern bis 60 m. Der Verlust ist 
jedenfalls erheblich geringer; doch wird immerhin behauptet, 
bei Wiedehorn habe sich früher auf dem jetzt fortgewaschenen 
Lande ein Exerzierplatz für das Militär befunden. 

An zwei Stellen, östlich und nördlich Kratzern, war die 
Nordostbahn auf 300 und 280 m Länge zu Schutzbauten 
gezwungen. 

Groß sind auch die Schäden in der Gegend westlich 
Romanshorn, wo im hohen Ufer Grundmoräne vom Gewell 
erfolgreich benagt wird (Fig. 5). Diese Moräne ist so reich an 
Steinmaterial, daß streckenweise eine starke Blockstreuung zu 
sehen ist und daß in der Nähe von Holzenstein, wie auch östlich 
der chemischen Fabrik Uttwil dem Ufer entlang, zirka 20 m 
vom Lande entfernt, kopfgroße Rollsteine so dicht ineinander 
liegen, daß man an den Unterbau einer modernen Straße 
erinnert wird. Daß es sich dabei aber nicht um eine ehe- 
malige Römerstraße handelt, wie Pupikofer vermutete, sondern 
um Häufung des Grobmaterials durch Auswaschung des Lehms, 
beweist ein zurzeit geöffneter Grabenzug von der chemischen 
Fabrik bis zum Park westlich Tobelmühle, dessen Aushub 
außergewöhnlich viele kopfgroße Steine aus dem Lehm zutage 
fördert (21. März 1915). 

Ein etwelches Maß für die Uferabtragung durch das Gewell 
läßt sich aus den zu verschiedenen Zeiten aufgenommenen 
Uferplänen des kantonalen Bauamtes gewinnen: 


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Suauyegsapung 'ziamy>s 


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Westlich vom Inseli Romanshorn ergeben sich auf einer 
Strecke von 600 m zwischen den Jahren 1883 und 1906 
Differenzen von 2, 4, 9 und 11 m, im Mittel wohl 5 m, 
das sind 22 cm per Jahr (Fig. 6). Bei Holzenstein ist der Ein- 
bruch ”—8 m auf eine Strecke von zirka 70 m, nahezu 50 cm 
per Jahr, gegen das Pumpwerk hin 4—1 m, ähnlich bis 
zur Tobelmühle. Auch östlich Uttwil ist- das Ufer mehrfach 
angebrochen, 1—1!/s m von 1883—1906, im Westen von 
Uttwil 4—5 m auf SO m Länge. 

Die Frage, ob nun in frühern Zeiten die Abtragung in _ 
gleichem Schrittmaß stattgefunden habe wie in den letzten 
Jahrzehnten, d. h. im Jahrhundert 20—30 m, stellenweise 50 m, 
andernorts nur wenige Meter, ist nicht einfach zu bejahen. 
Die Kartendokumente reichen nur 200 Jahre zurück und sind 
ungenau. Die größere Vorwölbung der Halbinsel Romanshorn 
auf der Karte von 1717 würde dafür sprechen, die Existenz 
des Inselchens als solches (Kopie von Werdmüller 1777) 
dagegen. 

Dafür spricht ferner der weite Abstand einiger Pfahlbauten 
vom Lande: Münsterlingen 150—200 m, Ruderbaum 250 
bis 300 m, Zollershaus 200—250 m, dagegen die Tatsache, 
daß die Uferorte seit bald. 1000 Jahren an gleieher Stelle 
stehen. Sicher. ist, daß der Abtragungsprozeß seit der Bildung 
des Sees stattgefunden hat, und die menschliche Natur bietet 
Gewähr dafür, daß schon der Pfahlbauer seine gewohnte 
Landungsstelle, seine Uferäcker vor Abrils zu schützen suchte 
und ebenso die spätern Ansiedler am Lande, und vom Mittel- 
alter bis in die Neuzeit hinein die Gerichtsherren und Klöster. 

In der Tat ist meistenorts, z. B. zwischen Güttingen und 
Uttwil, das Uferbord mit Buschwerk — Erle, Weide, Esche 
und Eiche herrschen vor — bepflanzt, welches die Abspülung 
mildert. Wo das Gewell Lücken reißt, ist durch Pfahlwerk 
mit Steinvorlage nachgeholfen. Auf diese Weise werden schon 
seit alten Zeiten wertvolles Kulturland und die ans Ufer 
gebauten Wohnstätten vor der Zerstörung durch die Wogen 
geschützt. Geht die Auswaschung zwischen den Steinen weiter, 
so wird meist erst eine Trockenmauer, später eine Mörtel- 
mauer erstellt. 

Man bekommt also wirklich den Eindruck, daß die See- 
anwohner nach Kräften dem Uebel gesteuert haben und noch 


ra gay 


steuern und nur ausnahmsweise fatalistisch untätig zuschauen, 
bis das Unheil übermächtig geworden ist. Freilich drücken 
_ solehe Arbeiten schwer auf den kleinen Mann und sind oft 
nur durch Zusammenwirken vieler zu bewältigen. Indes geht 
man heute im Zeitalter der Subventionen denn doch zu weit, 
wenn jeder glaubt, aus eigener Kraft überhaupt nichts mehr 
zu vermögen und nur wehren will, wenn reichliche Beiträge 
von Gemeinde, Kanton und Bund fließen. Solche werden 
allerdings liberalerweise in den meisten Fällen gewährt gegen 

Garantie für zweckmäßige Ausführung und spätere Unter- 
haltung. 

. Der Staat stellt dabei die Normalien auf, vergibt und leitet 
die Arbeiten und bezieht die Beiträge von Anstößern, Gemeinde 
und Eidgenossenschaft. 

Als schützende Höhe wird der Hochwasserstand von 1890 
(401,26 m) angenommen, der Schutz selbst auf verschiedene 
- Weise durchgeführt. Am billigsten ist der Steinvorwurf am 
Flachufer, am kostspieligsten die Betonmauer mit Hohlprofil 
am rutschenden Steilbord. Die gegen den See konkave Mauer 
hält den Wellenschlag von der Krone fern und hat sich bis 
jetzt am besten bewährt. 

Die topographische Karte von 1885 verzeichnet am thur- 
gauischen Oberseeufer bereits über 3 km Schutzmauern noch 
aus der subventionslosen Zeit, die Hafenquais von Romanshorn 
nicht inbegriffen, und die 2. Auflage, von 1904, weist eine 
Vermehrung von über 1 km auf. Nach dem Rechenschafts- 
bericht der thurgauischen Regierung 1909 wurden weitere 
12,4 km in Aussicht genommen mit einem Kostenvoranschlag 
von 811780 Fr. und ihre Ausführung auf drei Bauperioden 
verteilt derart, daß die dringendsten Arbeiten, zirka 4 km, 
in den ersten fünf Jahren ausgeführt würden, 5,6 km in den 
folgenden zehn Jahren und der Rest nach Verfluß von fünfzehn 
Jahren. Bis Ende 1913 waren bereits 2848 m vollendet 
(Recehenschaftsberieht 1912 und 1913). 

Die Ufermauern bedeuten aber nicht überall bloß Schutz 
vor dem Wasserangriff: Vielfach ringt der Mensch dem See 
Neuland oder früher verlorenen Boden wieder ab, wie in 
Moosburg, Zollershaus, namentlich aber in den aufstrebenden 
größern Ortschaften am See. Solche Auffüllungsbauten werden 
nur soweit subventioniert, als der Schutzzweck in Frage steht. 


RE N 


Mehrfach wurde auch versucht, an Stelle der teuern und 
die Landschaft wenig verschönernden Mauern das Ufer durch 
Vorpflanzung von Weiden und Schilf vor weiterer Zer- 
störung zu schützen und so einen billigen Uferschutz mit der 
Schonung der natürlichen Vegetation und des idyllischen Ufer- 
bildes zu verbinden. Ein vom thurgauischen Baudepartement ein- 
geholtes Gutachten des Rheiningenieurs Wey vom 14. Februar 
1898 (Kirchner und Schröter, Die Vegetation des Bodensees II, 
S. 36) empfiehlt, gestützt auf die guten Erfolge der: Egnacher 
Bauern (8. 41), Schilfpflanzungen für lehmigen, tiefgründigen, 
nicht zu tief liegenden Boden. Der von der thurgauischen 
Regierung aufgestellte Kostenvoranschlag sah dann am Ober- 
see auf eine Länge von 9,4 km Schilfkulturen, 1,5 km 
Weidenbestockung und zirka 10 km Stein- und Mauersiche- 
rungen vor. Leider waren die vorläufigen Probepflanzungen 
mit Schilfrohr bei Münsterlingen, Keßwil und Uttwil wenig 
ermutigend: das rasche Steigen des Seespiegels ließ die Setz- 
linge zum Teil ertrinken, zum Teil verkümmern (Thurg. Rechen- 
schaftsbericht 1898). Aehnlich versagten die Wippen (mit 
Draht geschnürte, lange Rutenbündel) und Stecklinge von 
Weidenholz im Jahre 1900. Es bewährten sich nur die Rohr- 
pflanzungen an höher gelegenen Uferstrecken, wo die neuen 
Triebe sich stets über Wasser halten konnten (Rechenschafts- 
bericht 1900, S. 232). 

Auf mess des eidgenössischen Oberbanimspelder der 
1906 neuerdings Berücksichtigung von Binsen, Schilf und 
Weiden als natürlichen Uferschutz empfahl, wurden 1908 bei 
Kratzern (260 4 90 m) und 1910 unterhalb Münsterlingen 
(1000 m) wieder Versuche mit Schilf gemacht. Obgleich speziell 
die letztere Stelle hiefür günstig schien, war der Erfolg auch 
hier kein befriedigender. 

Nach den bei Kratzern und Wiedehorn gemachten Be- 
obachtungen (28. April und 29. Mai 1915) liegt die Ursache 
der bisherigen Mißerfolge darin, daß nicht gleichzeitig das 
Ufer befestigt wurde. Der vom Gewell hin und her bewegte, 
von der Uferabtragung stammende scharfkantige Sand scheuert 
die zarten Pflanzen derart, daß sie unmöglich gedeihen können, 
trotz der durch die Auswaschung gelieferten guten Schlamm- 
unterlage im Kiesboden. 

Im Hintergrunde der beiden flachen Buchten wehrte die 


En 


Nordostbahn der drohenden Eisenbahngefährdung durch eine 
. in Steilböschung aufgeführte Trockenmauer, und diese brachte 
_ nieht bloß die Erosion zum völligen Stillstand, sondern be- 
günstigte die Entstehung eines ausgedehnten Schilfbestandes, 
der sich ostwärts ausbreitet und reichlich Schlamm und Schwemm- 
torf sammelt. Die westliche Mauer ist heute derart mit Vege- 
tation bedeckt, daß sie kaum mehr als solche erkennbar ist. 
Wo die Ufer nicht befestigt sind, fehlt Schilf, offenbar weil 
dessen Pioniere durch Kies- und Sandreibung getötet werden. 

Der gewünschte Uferschutz hat also Aussicht auf Erfolg, 
wenn die Böschung abgeschrägt, am Grunde mit lebenden 
Faschinen befestigt und am Abhang mit Gesträuch besetzt 
wird. Zur Bepflanzung eignen sich nach dem Vorschlag von 
Dr. E. Baumann Erlen, Weißweiden, Sanddorn und Robinie. 
Gleichzeitig sind auf den Strand Rohrglanzgras und Schilf in 
starken Stöcken zu setzen. 


2. Natürliche Neubildungen. 


Wo die Bäche Schwemmaterial zuführen, entsteht Auf- 
füllung. Dabei wird das Grobmaterial zum Schwemm- 
kegel angehäuft, die feine schleimige Trübe größtenteils durch 
die Strömung entführt. 

Bei Horn wächst das Goldachdelta in den See hinaus. 
Der Abstand seiner Spitze von der Landstraße ist bei Sulz- 
berger etwa 125 m, bei Siegfried zirka 230 m, so daß sich 
also für 60 Jahre ein Zuwachs von 100 m ergäbe — selbst 
wenn wir bei beiden Topographen die gleiche Spiegelhöhe des 
Sees voraussetzen (s. S. 30). 

Auch das Steinachdelta springt jetzt doppelt so weit 
von der Dorfstraße vor wie 1836. 

Bei den übrigen in den Bodensee mündenden Bächen 
bildet sich am offenen Ufer bis zum Stichbach von Bottig- 
hofen kein Schwemmkegel; sie bringen fast ausschließlich 
nur die Abspülung ihres Gebietes, deren Produkte den ver- 
teilenden Wellen wenig Arbeit machen. Die zerstörende Kraft 
des Gewells ist überall größer als die aufschüttende des 
Baches. i 

Anders in den Buchten südöstlich Arbon und südöstlich 
Romanshorn: Ist es der Nordostwind, der in ungestümem 


RE OD 


Zerstörungstrieb das offene Obersee-Ufer benagt und zurück- 
drängt, so hat sein in doppelter Häufigkeit auftretender mil- 
derer Bruder Westwind die Aufgabe übernommen, alles in 
den See geschwemmte Leichtmaterial und auch die von der 
Ufererosion herrührende Trübe dem Strand entlang ostwärts 
zu treiben und die ruhigen Buchten hinter den Landvorsprüngen 
damit anzufüllen. Als Folge seines Wirkens zeigt sich ein 
Seichterwerden des Sees in der Bucht und ein Vorrücken 
des Landes. Beim Bahnhof Arbon ist die Tiefenlinie von 4 m 
unter dem Mittelstand (395 m) 425 m, südlich der Salmsach- 
mündung 575 m und südöstlich der Luxburg 650 m vom 
Ufer entfernt. 

Südlich Arbon zeigt schon der Anblick des Rietes als 
tiefere Ebene, daß sich früher die Seebucht etwa 300 m weiter 
ins jetzige Land hinein erstreckt hat als heute. Bei der Bleiche 
hat man Reste einer Pfahlbausiedlung aufgedeckt, und auch 
die Flurnamen Ried, Rietli, Bösgut weisen auf früheren Sumpf 
hin; ebenso der Ortsname Landquart — Lanchwatt — lange 
Watt (Beyerle II, S. 51). Auch das hier völlige Fehlen von 
Siedlungen in der sonst mit Gehöften übersäten Arboner Land- 
schaft läßt auf Sumpf noch in spätern Zeiten schließen. An- 
schwemmung und Torfbildung haben die Bucht allmählich 
aufgefüllt. 

Westlich _Arbon findet im Seemoosriet Veamhns statt. 
50—70 m hinaus erstrecken sich Riedgrasflächen, gegen den 
See in einen Schilfgürtel übergehend. Die Erhöhung ist derart, 
daß die auf der essen Karte von 1880 noch a8 
Wasserfläche gezeichnete zirka S00 m lange Stelle auf der 
neuen Karte als Land angegeben wird, d.h. sie ist jetzt über 
die Mittelwasserfläche onen. 

Lehrreich ist die Gegend der Luxburg bei Egnach: 

Im 16. Jahrhundert muß die Luxburg noch im See ge- 
legen haben. Vadian beschreibt sie als „ein Fleck im See 
mit einer lustigen Vischenz und wohl erbauenem Haus, den 
man nennt den Lustbühel.* Es muß also dazumal ein Lust- 
haus auf einer Insel gewesen sein, ähnlich wie 1637 Gyger 
und 1720 Nötzli es zeichneten (Fig. 7). Aus der Zeit des 
Umbaus, der nach Götzinger auf 1760 fällt, besitzt das thur- 
gauische Staatsarchiv einen Plan, auf dem das „Schlößl 
Luxenburg“ im Lande drinnen vom ringförmigen Wassergraben 


BE Ban 


umgeben ist, der mit der westlich vorbeiziehenden Aach in 
Zusammenhang steht. Demnach wäre also die Insel im 18. Jahr- 
' hundert landfest geworden. 1836 gibt Sulzberger der Lux- 
burg einen Abstand von 110 m vom Ufer, woraus sich ein 
sehr rasches Fortschreiten der Verlandung ergeben würde. Da 
jedoch die Reichsbodenpläne der thurgauischen Geometer im 
Jahre 1878 den Abstand auf 78 m fixieren, sind jene 110 m 
nur der Beweis dafür, daß Sulzberger seinen Aufnahmen eine 
tiefere mittlere Wasserlinie zugrunde legte. 

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die 
Aach, die bisher nördlich vom Schloßpark in Nordostlauf 
den See erreicht hatte, direkt nach Norden durch das Schwemm- 
land hindurch abgeleitet, wodurch der alte Lauf mehr und 
mehr* zum Verschlammen und Verlanden gebracht wurde 


(Fig. 2). 


le 
Lohrhausli_ F 
Ba 


Ev 


AS 


Fig.7. Luxhburg 1720. 


(Nach der Kopie der Nötzlikarte von Dänicker. 


—_ 6 — 


Heute erstreckt sich zwischen der neuen und alten Aach 
eine Insel mehrere 100 m weit in den See hinaus. Sie ist 
dieht bewachsen mit Schilf und Sesgen und stark erhöht. 
Längs der neuen Aach hat das Baugeschäft Züllig einen 
Landungs- und Lagerplatz, hauptsächlich für Kies, errichtet, 
und denselben durch eine die alte Aach abschneidende Straße 
auch bei hohem Wasserstand zugänglich gemacht. 

Am 20. März 1915 be- 


ieh an 
obachtete ich in der Aach- IM) m: . 
mündung große Haufen % u m 
kohlig geschwärztes Laub; a ZZ 
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2 


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vor derselben stauten sich DR : 
Schwaden von Geniste,Ge- eG: 


schwemmsel aus schwarz 


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gewordenen Buchecker- | mans örn.ıj) ns % 
und Eichelbechern, Hasel- j Ws: 
nußschalen und zerbro- FF. OS 
chenen Aestchen, in dr E =, en, 

Länge von gegen 50 m = 
und einer Breite von2m. RSSI% Er 
R & — 
Etwas höher ins Ufer L. a 
hatten die Wellen kalk- EN N 
reiches Geniste geworfen: INN II 
Schneckenschalen, Phry- | N S 
ganeenköcher, Trümmer | RSS Ss 
von Quelltuff, untermischt NN AO 
mit Coaksstückchen vom N & | 
Romanshorner Hafen her. |: nn 5 
Diese Massen werden ent- | /) er rad 
eudsmesienenbeund "YYL 


weder vom höher steigen- 
den See ins nahe Schilf Fie 5 Romanshorn 1836. 
geworfen das seine Rhi- (Nach der topogr. Karte von J. Sulzberger.) 
: . J = Inseli, & = Gürtelstein. 

zome entgegenschiebt, und 
dienen so zur Erhöhung und Düngung des Rohrbodens, oder sie 
werden in den umgebenden grauen Schlamm gebettet und fallen 
dem Verkohlungsprozeß anheim, entsprechend der Entstehung 
der von Schneckenkalk begleiteten Kohlennester in der thur- 
gauischen Molasse. 

Südöstlich von diesem Delta dehnt sich das Streueland 
der Egnacher Bauern aus, und die durchschnittlich .3,5 m 


a a 


‘ übersteigenden Schilfrohre zeugen von dem fetten Schlamm- 
boden. 

Die vor dem Gewell des vorherrschenden Westwindes ge- 
sehützten Buchten eignen sich auch am besten zur künst- 
liehen Gewinnung von Neuland. Arbon, Romanshorn 
und Kreuzlingen-Konstanz haben große Auffüllungen vor- 
genommen. Südlich Arbon im Bahnhofquartier bis zur Aach- 
mündung sind gegen 
3 ha gewonnen wor- 
den. InRomanshorn 
ist das ganze Gebiet 
von Bahnhof, Lager- 
häusern und Werfte 
aufgefüllter Seeboden 
(Fig.9). Anderen Stelle 
verzeichnet die Karte 
von 1836 eine Bucht 
(Fig. 8). Der Hafen, 
der mit 7,51 ha Ober- 
fläche der größte des 
Bodensees ist, wurde 
1840 — 44 vom Staate 
Thurgau erstellt und 
1855 —55 erweitert 
durch die Nordostbahn- 
gesellschaft (Boltshau- 
ser, Seite 106--111). 

In der Konstanzer 
Bucht umfassen die 
Auffüllungen vom drit- 
ten Vierteldes19.Jahr- 


Fig.9. Die Hafenbauten von Romanshorn. hunderts das Gebiet 


(Nach den Plänen des thurg. Baudepartements des herrlichen Stadt- 
in die Siegfriedkarte eingetragen.) 


-----Hafenbaufe 1840 
Hafenbaute1855. 


gartens, des jetzigen 
Hafens und des Bahnhofs, sowie in Fortsetzung auf Schweizer- 
boden das Gelände der Seestraße bei der Badeanstalt (Fig. 1). 


c. Der Rheinlauf Konstanz-Gottlieben. 

Die Rheinstrecke Konstanz-Gottlieben unterscheidet sich 
wegen des ruhigen Laufs und der ausgeglichenen Wasser- 
führung nicht wesentlich vom Untersee. 

5 


et 


Die niederen Ufer leiden an Durchtränkung, Unterspülung 
und Abrutschung, weniger durch das vom Wind erzeugte als 
durch das scharf aufprallende Gewell der Dampfschiffe. 

Bei Konstanz war der Rheinabfluß durch Brücken- und 
Mühlenbauten im 10. und besonders im 16. Jahrhundert ver- 
engt und erschwert worden (Fig. 1), so daß dieselben allgemein 
als Ursache der schädigenden Hochwasserstände im Bodensee 
galten. Honsell (S. 60) schildert die Mühlenanlagen folgender- 
maben: 

Die Brücke, auf der ganzen Länge gedeckt, war äuberst 
solide konstruiert; das an dieselbe auf der Westseite angebaute 
Mühlwerk enthielt 13 Mahlgänge, eine Stammholzsäge, Schleif- 
mühle, Lohschneide und ein Walkwerk. Die Wellbäume der 
mächtigen Wasserräder waren zum Heben und Senken ein- 
gerichtet. Der Wasserbau der Mühle bestand aus zwei nahezu 
100 m langen, aus Pfahlwerk und Steinpackung konstruierten 
Streichwehren, aus festen Verwandungen zwischen den Brücken- 
jochen und gewaltigen Ziehschützen, hier Fallen genannt, 
welche mittels Ketten und Sattelwellen von der Brücke aus 
bewegt wurden. 

Von der Fläche des Durchflußprofils, das beim höchsten 
bekannten Wasserstande S04 m? maß, waren etwa 150 m? 
durch feste Einbauten versperrt, und es konnten durch die 
beweglichen Fallen weitere 133 m? abgeschlossen werden. 
Letztere sollten nur bei den kleineren Wasserständen ver- 
senkt werden; doch wurden sie in der Regel auch bei den 
höhern Wasserständen in der Tiefe belassen, bis der See eine 
sehadenbringende Höhe erreicht hatte. Dann konnte allerdings 
durch Ziehen der Schützen der ganze Bodenseespiegel bis zu 
30 em innerhalb 24 Stunden gesenkt werden. : 

Zugunsten der Mühle war also der See hier ungebührlich 
gestaut, und es mußten sich die Seeanwohner einfach in die 
schädlichen Verhältnisse fügen; außerdem hinderten die 
Schleusen die Wanderung der zum Laichen dem Untersee zu- 
strebenden Gangfische u. dgl. Man begreift daher die allgemeine 
Mißstimmung gegen die Rheinmühle zu Konstanz, und als 
dieselbe am 1. Juni 1856 samt der Brücke abbrannte, bewirkte 
die Vereinigung aller Bodenseeuferstaaten, dab von 1857 —1863 
sämtliche Leit- und Stauwerke entfernt wurden. Damit glaubte 
man nunmehr vor gefährlichen Hochwassern sicher zu sein. 


en 


Leider hat man sich getäuscht: Schon 1862 wies Legler 


_ in seinem Bericht über die Abflußverhältnisse des Bodensees 
darauf hin, daß der Rückstau vom Untersee die Erweiterung 


-des Konstanzer Profils nicht zur Wirkung kommen lasse. Das 
Heil müsse gesucht werden in einer Vertiefung der Rheinrinne 
bei Stein, der dadurch erzeugten Senkung des Unterseespiegels 
und vermehrten Gefälles im Konstanzer Rhein. 

Die spätern Hochstände haben Legler recht gegeben: Der 
nur 28 cm tiefer gelegene Untersee regiert den Wasser- 
stand auch im Obersee. 

Auch abgesehen von Brücke und Mühle ist selbstverständ- 
lieh zwischen dem Uferbild der Stadt Konstanz in den 
dreißiger Jahren und dem heutigen ein gewaltiger Unterschied 
(Fig. und 25). Damals eine geschlossene Stadt, von Wall 
und Wassergraben umgeben, 1830 mit nur 5584 Einwohnern 
und geringem Verkehr, heute der offene Verkehrs- und Fremden- 
- platz mit 27591 Einwohnern (1910). Die Wallgräben sind 
zugefüllt. Den Rhein begleiten Villen und industrielle Werke. 
- Am deutschen Ufer ist die Petershauser Seestraße eine Auf- 
schüttung auf Strandboden; auf der linken Seite wurde das 
frühere Sumpfland westlich vom Ziegelturm durch Auffüllung 
getrocknet und erhöht, und bereits erwähnt ist das Neuland 
von Stadtgarten, Hafen und Bahnhof. 

Unterhalb Konstanz war das dieser Stadt gehörige auf 
thurgauischem Boden gelegene Tägermoos 1836 noch ein 
weites Sumpfgebiet (auf Seekreide!); heute ist es durch sechs 
parallele dem Rhein zugehende Gräben entwässert und von 
vier ebenfalls dem Strom zustrebenden Parallelstraßsen durch- 
zogen. 

Verschiedene Uferveränderungen im verflossenen Jahr- 
hundert, die sich durch Vergleichen der Karten von Sulz- 
berger und Siegfried ergeben, sind in der Wirklichkeit nicht 
begründet. Die Zeichnung Sulzbergers kann unmöglich richtig 
' sein: Vergleiche z.B. die Vertauschung der beiden Inseln 
Langenrain und Kleines Bohl, sowie Sulzbergers Landvorsprung 
westlich Gottlieben an Stelle der Seebucht. 

In Gottlieben selber datiert die letzte große Veränderung 
vom 24. Februar 1692, da drei Häuser in den Rhein fielen, 
worauf ein aus mehr als 700 Eichen- und Fichtenstäimmen 
zusammengesetzter Rost und Damm der Gewalt des Stromes 


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entgegengestellt wurde. Dieser hat bis jetzt standgehalten. 
(Pupikofer, Geschichte II, S. 702—705.) En 

Oberhalb und unterhalb Gottlieben sind heute je 150 m 
des Ufers durch Mauern zu schützen. 

Eine kleine Veränderung bedeutete auch die 1876 erfolgte 
Abdämmung der sichelförmig ins Land eindringenden Rhein- 
bucht zur Aufnahme von Jungfischen. (Mitteilung von Herrn 
Sekundarlehrer Schoop.) 


d. Das Unterseeufer. 


Die Bäche vom Seerücken besitzen viel mehr Stoßkraft 
als diejenigen vom Oberthurgau. Jeder derselben bildet tief 
eingeschnittene Tobel und ein großes Delta, ein „Horn“, 
wie die Fischer jeden Landvorsprung nennen, wodurch das 
Unterseeufer mit Buchten und Vorsprüngen eine reiche, reifere 
Gliederung aufweist als diejenige des ÖObersees. Auf diese 
Schwemmkegel sind die Siedlungen beschränkt, da im steilern 
Hinterland der Buchten oder „Bügen“ selten Raum für ein 
Haus, geschweige für ein Dorf ist. Man zählt 16 solcher 
Hörner. 

Die Erosion der Ufer wird vorzüglich vom Westwind, 
im östlichen Teile vom Nordwestwind besorgt, weshalb in 
erster Linie die Nordwestseite der Hörner dessen Angriff 
unterliegt: In Feldbach, Steckborn, Berlingen, Mannenbach 
und Ermatingen sind die Nordwestseiten schon auf der Karte 
von 1890 mit Mauern eingefaßt. Ein typisches Beispiel für 
diese Abtragung der Hörner auf der Windseite bietet die 
kleine Halbinsel „im Böschen“ nordöstlich Arenenberg. Nach 
den Mitteilungen von Herrn Engeli war noch vor 40 Jahren 
dieses „Horn“ bedeutend breiter und erstreckte sich weiter 
in den See hinaus; es sind an seiner Westseite lange Aecker, 
die einst hier lagen, verschwunden, d.h. infolge des Wellen- 
schlags durch Nordwestwinde weggefressen worden. Ein Besitzer 
des Bodens hat dann sein Land durch Pfähle mit Steinhinter- 
füllung geschützt. Im Norden ist ebenfalls ein Landstreifen 
nach dem andern weggeschwemmt worden, und die gewaltigen 
Weidenbäume (Olber), die einst am Ufer standen, sind dann 
noch einige Zeit im See als Landzeugen stehen geblieben, bis 
sie entwurzelt umsanken. Heute ist das Land durch feste 
Seemauern vor weiterer Zerstörung geschützt. 


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Wo natürlicherweise oder künstlich die Bachmündung von 
‚der Spitze des Horns auf seine Westseite verlegt ist (Triboltingen, 
Ermatingen, Mannenbach, Berlingen, Steckborn, Feldbach, 


 Glarisegg, Eschenz), setzen sich die vom Bache gebrachten 


Sedimente der Abtragung entgegen, so daß unter günstigen 
Umständen hier sogar Auffüllung stattfinden kann. „In 
Ermatingen wurde die Verlegung des Dorfbaches veranlaßt 
durch die Ueberschwemmungen des Staads im Jahre 1860. 
Er erhielt ein vertieftes, im Bogen nach Westen abbiegendes 
Bett, das nunmehr auch bei starker Hochflut die Wassermenge 
bewältigt. Durch den vom Bach gebrachten „Trueb“ wird 
jetzt der „Bügen“ versandet. Als dort im Winter 1912/13 
Erde entnommen wurde zur Hinterfüllung der neuen Seemauer, 
ließem sich die in den verschiedenen Jahren abgelagerten 
Schichten, durch Blätterlagen getrennt, deutlich unterscheiden. 
Während früher das Wasser bis hart ans Ufer reichte, wo 
man sogar eine lange Reihe von Pappeln zum Schutze der 
sich dort hinziehenden Straße pflanzte, befindet sich jetzt an 
gleicher Stelle eine Schilfkolonie, ein „Rohrschachen“, die der 
beste Schutz des Ufers ist, und auch da schreitet die Verlandung 
immer weiter fort, namentlich weil man auch den Abraum 
. des Dorfes dorthin führt.“ (Engeli.) 

Die Verlegung des Bachauslaufes nach Westen hin hindert 
auch die weitere Ausdehnung der Hörner in den See hinaus, 
was in Berlingen, Mannenbach und Ermatingen betreffend 
Landungsplatz für die Dampischiffe von Bedeutung ist, beim 
Eschenzerhorn für das Offenhalten des Rheinabflusses. Auf 
der Ostseite der „Hörner“ beherbergt der Hintergrund des 
„Bügen“ meist einen „Rohrschachen“, ein Phragmitetum, wo 
sich zwischen Schilf und Binsen das leichte Schwemmmaterial 
sammelt, das der Westwind in einem Uferstrom um die Hörner 
herum treibt. In welch hohem Maße Schlammtransport und 
Ablagerung vor sich gehen, ist z. B. östlich Mannenbach zu 
beobachten, wo fetter Schlick den Boden bildet, der bei 
niederem Wasserstand das Baden unangenehm gestaltet 
(Sommer 1911). \ 

Die Insel Reichenau ist an ihrem Südostufer durch zahlreiche 
Buhnen (Wehrsteden) gegen den scharfen durch Westwind 
erzeusten Wellenschlag geschützt. Solche „Stedili*, senkrecht 
oder schief gegen die Strömung gestellte kurze Dämme, findet 


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man ebenfalls da und dort, wenn auch nicht häufig, am 
thurgauischen Ufer, i 

Leider ist für den Nachweis der Aenderung in Kleinformen, 
wie sie die Uferanbrüche und Verlandungen im Zeitraume von 
80 Jahren darstellen, die Vergleichung der topographischen 
Karten von 1836 und 1891/1906 wenig ergiebig. Aenderungen 


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Fig. 10. Eschenzer Horn und Stiegener Enge im Jahre 1727. 
(Nach dem Plan des Klosters St. Jörgen zu Stein.) 


sind zwar zahlreich zu entdecken und einige stimmen auch mit 
den Erfahrungen der Jetztzeit, wie z.B. die Anschwemmungen 
am Langhorn-Neuburg und die Abtragung bei Schweizerland- 
Steekborn und im Böschen-Arenenberg; weitaus die meisten 
sind unwahrscheinlich — vielleieht auf Zeichnung bei ver- 
schiedenen Wasserständen zurückzuführen. 

Ein besseres Kriterium bilden die Klagen der Anwohner 
über Landverlust und die darauf basierenden Uferschutzbauten. 

Da in der Ebene am See verhältnismäßig wenig Kultur- 


Ft 


land vorhanden ist, war dieses von jeher wertvoll; es rentierten 
sich Opfer für dessen Erhaltung. Das thurgauische Neujahrs- 
blatt für 1830 rühmt von der Unterseegegend: „Da die 
Ufer eingedämmt und meist 2—3 Schuh hoch aufgemauert 
sind, findet der Wanderer überall einladende Ruheplätzchen.* 

Sulzberger hat diese Seemauern nicht aufgenommen; die 
topographische Karte von 1891 aber verzeichnet zwischen 


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Fig. 11. Eschenzer Horn und Stiegener Enge im Jahre 1759. 
(Nach dem Freudenfelser Herrschaftsplan.) 


Eschenz und Triboltingen 7 km derselben, fast ununterbrochen 
von Feldbach bis Mannenbach. Eür die bereits erwähnten 
drei Bauperioden der Jetztzeit sind mit kantonaler und eid- 
genössischer Hülfe weitere 4.2 km vorgesehen, allein im 
Gebiete von Mammern 2,67 km. Hiebei handelt es sich viel- 
fach um Reparatur von früher unzulänglich erstellten Schutz- 
bauten. 


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e. Der Rheinlauf Stiegen-Schaffhausen. 

Der Rheinlauf beginnt bei der sog. Stiegener Enge, wo 
die Schwemmkegel der Bäche von Eschenz und Stiegen 
den See einschnüren. Hier ist die vielbesprochene Stelle, wo 
die Steigerung der Hochwasser des Sees ihre Ursache haben 
soll im Vorwärtsdrängen der beiden Deltas und in der all- 


mählichen Erhöhung der ostseitigen Barre durch pflanzliche 
Kalkbildungen. 


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300 Fuss 
400 Meter 


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Fig. 12. Eschenzer Horn und Stiegener Enge im Jahre 1832. 
(Nach einem Plan von J. Sulzberger im thurgauischen Staatsarchiv.) 


Wir haben zu untersuchen, ob diese beiden Faktoren in 
den letzten 100—200 Jahren derart tätig waren, daß sie die 


behauptete Wirkung haben konnten. 
1. Die Schwemmkegel der Stiegener Enge. 


Vergleichen wir nur die topographischen Karten in 1:25000 
von 1836, 1880 und 1901, so ergibt sich folgendes Resultat: 


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- Auf der Karte von 1836 mißt die Enge 150 m; das 
Esehenzer Horn ist stumpf kegelförmig mit der Bachmündung 
an der Spitze. Die Aufnahme von 1879/80 zeigt es mehr 
zugespitzt; die Enge ist 110 m, die Bachmündung an gleicher 
Stelle. Die Karte von 1901 hat die Hornspitze in gerader 
Ostwest-Linie abgestutzt, den Bachauslauf nach Westen verlegt 
und das Profil auf 210 m erweitert. Auch in Stiegen ist jetzt 
der Bach nach: Westen abgeleitet. 


NM Honsell 4879. 


Fig. 13. Eschenzer Horn und Stiegener Enge im Jahre 1379. 
(Aus Honsell, Der Bodensee, Blatt II.) 


Von 1836 —1880 hätte im Rheinauslauf eine Verengung 
von 40 m und damit eine Vergrößerung der Hochwassergefahr, 
von 1880—1901 eine Erweiterung um 100 m und damit 
eine Verkleinerung der Gefahr stattgefunden. Die tatsächlich 
eingetretenen Seehochstände (1849, 1851, 1876, 1890 und 
1910) haben hievon nichts merken lassen. In der Tat hat 
auch eine Vergleichung genauerer Pläne der Stiegener Enge 
ein wesentlich anderes Ergebnis. 


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Auf dem im Stiftsarchiv Einsiedeln befindlichen „Grund- 
riß der oberen Marken der oberen Fischenz des Amtes 
St. Jörgen zu Stein, verfertigt Anno 1727“ (1:2655) 
ist die Enge mit 150 m bei Mittelwasser, mit 110 m bei 
winterlichem Tiefstande angegeben. Der Bach mündet auf der 
Ostseite (Fig. 10). 

Auf dem „Grundriß beider Herrschaften Freuden- 
fels und Eschenz“ von 1759 in 1:1920 mißt die Enge 
121 m, ebenfalls mit Bachmündung im Osten (Fig. 11). Auf 
einem Sulzbergerschen Plan von 1832 in 1: 3226 fließt der 
- Bach an der Spitze aus. Der Abstand der Ufer ist 128 m, 
derjenige der Kiesbänke 118 m (Fig. 12). Honsells Plan aus 
der zweiten Hälfte der 70er Jahre in 1:5000 (Fig. 13) er- 
zeigt für die Enge 135 m nach der künstlichen Entfernung 
der Kiesbank. 

Ich getraue mich nicht, die Maßzahlen der drei älteren 
Pläne für einwandfrei zu nehmen, da man nicht voraussetzen 
darf, daß die Messungen der Geometer so genau geführt wurden, 
wie diejenigen Honsells, der mit besonderer Aufmerksamkeit 
diese wichtige Stelle aufgenommen hat. Ich kann darum auch 
nieht entscheiden, ob und in welchem Maße eine Verengung 
bei Stiegen stattgefunden habe. Die Verlegung des Bach- 
ausflusses an die Hornspitze hat jedenfalls etwelche lokale 
Aufschüttung bewirkt; aber sie ist nicht bedeutend und von 
1832 —1876 ungefähr gleich geblieben. 

Auf-alle Fälle sind die durch die Karten erzeigten Ver- 
änderungen an Schwemmkegeln und Flußenge nicht geeignet, 
eine Zunahme der Hochwassergefahr in den letzten 200 Jahren 
‘zu begründen. Dies stimmt vollständig mit den Schlüssen 
Honsells: Nach seiner hydrologischen Studie (8. 73) reichte 
der See ursprünglich bis in die Gegend der Steiner Brücke. 
Die jetzigen drei Inseln waren Kalkkiesbänke, wie sie im 
Untersee häufig sind, die nur bei Niederwasser hervortraten. 
Durch das allmähliche Vorschieben der Bach-Schwemmkegel 
von Eschenz und Stiegen wurde das untere Seestück abgesehnürt 
und dessen Spiegel wegen des raschern Ablaufs etwas gesenkt, 
so daß in der Stiegener Enge ein Gefäll entstand. Jetzt 
traten die drei Kiesbänke als Inseln zutage. Zum vollständigen 
Seeschluß aber konnte es nicht kommen, weil bei stärkerer 
Verengung Gefäll und Strömung stark genug wurden, um 


TER: 


durch Verfrachtung der frischen Anlagerung in den untern 
Seekessel das Profil offen zu halten. Dieser noch heute dauernde 
Zustand muß schon im 8. Jahrhundert bestanden haben, da 
damals Abt Otmar von St. Gallen (7 759) auf die Insel Werd 
verbannt wurde, wo ihm jedenfalls ein Haus zur Verfügung 
stand. 

Die Frage, ob durch allmähliches Verengen des See- 
ablaufes bei Stiegen der Untersee gestaut und die Hochwasser- 
gefahr größer werde, beantwortet sich somit auch aus diesem 
Grunde durch ein entschiedenes Nein. 

Die fernere Frage, ob durch Erweitern der Stiegener 
Enge der Seeabfluß beschleunigt, die Hochwassergefahr ver- 
kleirert werden könne, ist durch wiederholte Abgrabungen 
zu lösen versucht worden: 

1) Infolge der Hochwasserkalamität von 1876 wurden etwa 
400 m? schweren Gerölles von der Mündung des 
Eschenzerbaches künstlich entfernt. Nach Ausweis 
der Querprofile unterstützte die Strömung die Arbeit 
derart, daß nach der künstlichen Auflockerung der 
Massen die Ablagerung um mehr als 1000 m? abnahm 
(Honsell, 8. 74). 

2) 1891/92 (Legler, S. 63) wurde vom Thurgau mit Unter- 

- stützung des Bundes das Durchlaßprofil für Hochwasser 
durch Abtragung des. Eschenzer Horns um !/; m auf 
250 m verbreitert, gleichzeitig auch durch Ableitung des 
Baches nach Westen dafür gesorgt, daß der Schwemm- 
kegel sich nieht mehr in den Rheinlauf hinein ver- 
größern kann. Die Tobelverbauung Bornhausen-Eschenz 
veranlaßte überdies die Zurückhaltung der Geschiebe 
im Einzugsgebiet, und auf der badischen Seite war der 
Stiegener Bach schon 1880 auf die Westseite des Hornes 
verlegt worden. 

Beide Seanlsern ern engen hatten keinen befriedigenden 
Erfolg, so daß ein uch Projekt vom Jahre 1910, ralelns 
eine noch größere Verbreiterung vorsah, von alas Bundes- 
behörden nicht genehmigt wurde, hauptsächlich deshalb, weil 
mittlerweile die Erkenntnis durchdrang, daß Abgrabungen 
bei Eschenz ohne gleichzeitige Profilerweiterung 
bei Stein nicht zur Geltung kommen können (Bob- 
hard, Gutachten, $. 27). 


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2. Die Tuffbildungen. 


In der Abflußrinne des Rheins, sowohl bei Konstanz wie 
bei Stein, ziehen eigentümliche Kalkbildungen die Aufmerk- 
samkeit auf sich (Leiner, S$. 87, Honsell, S. 49, Baumann, $. 26). 
Es sind Knollen von Nuß- bis über Kopfgröße, aus porösem, 
kohlensaurem Kalk bestehend, mit einem Stein, einer Muschel- 
schale und dergl. als Kern. Der Durchschnitt zeigt jahrring- 
artige Schichtung, und zahlreiche unregelmäßige Base durch- 
nel das Gebilde. Die badeschwammähnlichen Knollen sitzen 
den Erhöhungen des Grundes auf und bilden ganze Bänke. 
Sie überziehen den Seeletten der Untiefen im Alentrain ober- 
halb der Rheinbrücke in Konstanz und finden sich auch im 
Rhein bis unterhalb Gottlieben. Sie bekleiden die Barren 
zwischen Oberstaad und Stiegen und fehlen nicht bei den 
Werdinseln und im Rheinbette von Stein bis gegen Bibern. 

Die Barren vor den Rheinausflüssen verdanken ihre Ent- 
stehung- dem Auftrieb des Tiefenwassers durch den vor- 
herrschenden Westwind. Dieser bläst im ruhigen See das ober- 
flächliche Wasser ostwärts und verursacht dadurch Auftrieb 
kalten Bodenwassers, das Schlamm mitbringt und ihn teil- 
weise hier ablagert.! 

Die barrenartigen Rücken setzen dem Abfließen des Wassers 
Widerstand entgegen, stauen es lokal und veranlassen leb- 
haftere Strömung. Diese ist dann dem Wachstum gewisser 
Algen (Rivularia haematites Ag., Rivularia Biasolettiana Men., 
Homoeothrix juliana Kirchn. und dergleichen) günstig, die 
ihren großen Kohlensäurebedarf dem fließenden, stets wechseln- 
den Wasser entziehen und sich mit dem dabei als Folge des 
Kohlensäureentzuges ausfallenden Kalk inkrustieren. Die 
Algenpolster erzeugen nach und nach die Tuffknollen, und 
diese erhöhen ihrerseits die Barre. Die hierdurch vergrößerte 
Stauung und Strömung vermehren wieder die Algenvegetation, 
bis die Bänke beim winterlichen Niederwasser an die Luft 


ı Es ist eine dem Bodenseefischer wohlbekannte Tatsache, daß das 
untere Wasser, die „Rus“, dem herrschenden Winde entgegentreibt 
und seine Schwebnetzsätze weithin versetzt. Er behauptet auch, daß 
Fischnahrung und Fische deshalb den Zug nach Westen und in den 
Ueberlingersee hinein haben. 

In der Seebadeanstalt Konstanz wird das Wasser unangenehm 
kühl, sobald der Westwind anhebt. 


N 


 vortreten, wo sie durch den Frost zermürbt werden und in 
leicht zerreibbaren Grus zerfallen, der zum Teil durch Wind 
und wiederkehrendes Wasser entführt wird, zum Teil den 
Grund zwischen den Knollen erfüllt. 

Das, Wachstum der Tuffbänke hat also seine Grenzen im 
winterlichen Tiefstand der Gewässer und da der letztere nur 
wenig schwankt und ein extremes Jahr auf einmal wieder 
gut macht, wenn etwa in andern Wintern die Gebilde zu 
sroß wurden, so kann von einem fortwährenden Erhöhen 
des Rheingrundes durch diese vegetabilischen Steine nicht 
- wohl die Rede sein. In der Tat kommen die technischen 
Experten für die Bodenseeregulierung zu dem Schlusse, daß 
Barren und Tuffbänke schon seit langen Jahr- 
hunderten so wie heute bestehen, ebenso die 
Schwemmkegel von Eschenz und Stiegen. Die Be- 
schaffenheit der Seeufer und ihre Besiedelung sprechen deutlich 
dagegen, daß eine Hebung des Seespiegels infolge eines ver- 
engten Seeabflusses stattgefunden habe (Boßhard, Gutachten, 
Seite 27.) 

Aehnliches wie von der Unterseeausmündung ist zu sagen 
vom Rheinlauf Stein-Schaffhausen. Speziell die Enge 
von Hemishofen, wo durch das Delta des Waldbaches der 
Rhein auf 80 m sich verschmälert und das Gefälle auf 1.32 %/o, 
steigt (gegen 0,27 °/oo mittleres Gefälle von Stiegen bis 
Schupfen), erhält sich als dauernder Gleichgewichtszustand, 
und es werden allfällige Neuanschwemmungen durch ver- 
stärkte Strömung wieder selbsttätig entfernt. 

Auch alle die Seichtstellen im Rheinbett, welche 
mit Schiffahrtszeichen besteckt vor Annäherung warnen, sind 
schon alt. Der Honsellsche Plan (Tafel 2 und 3) fixiert die- 
selben für 1879 von Stiegen bis Schupfen mit Tiefenkurven ; 
' der Hanhartsche Plan von 1770 bezeichnet mit roten Sternchen 
diejenigen zwischen Bibern und Paradies. Er macht durch 
eine Note besonders aufmerksam auf die Untiefe beim Scharen: 
„Diese letztere Fläche ist darum zu bemerken, weilen selbige 
eine weite Strecke eben und gleich fortläuft, so daß man 
bei sehr kleinem Rhein zu Pferd hinübersetzen könnte, zu- 
malen dann auch die großen beladenen Lindauer Schiff ihre 
volle Ladung nicht können aufnehmen, sondern sie muß auf 
kleinere Fahrzeuge gebracht werden.“ 


3. Erratiker im Strombkett. 


Die erwähnten Pläne sind auch Dokumente für die Lage 
der von alters her gefürchteten sog. „Felsen“ im Rhein 
(Früh, Erratische Blöcke, Seite 16). Fig. 14. 

1) Der oberste ist der Wucherstein, 500 m unterhalb 


der Mündung des Waldbaches von Hemishofen, mitten 
im Rhein, mit Schiffahrtszeichen versehen (Granit?); 


2) der Fahrkopf, zirka 230 m unterhalb des Wuchersteins, 


3) 


4) 


ebenfalls in der Rheinmitte und mit Schiffahrtszeichen 


Fig. 14. Die Felsen im Rhein. 
(Auf Blatt 48 des topographischen Atlas, 1912.) 


besteckt, ist — wenigstens oberflächlich — wohl Kalk- 
tuffbildung; 

der Wellenstein bei der Bibermühle (nach Hanhart). 
Hier treten bei Niederwasser felsige Bänke zutage. 
Die Dampfbootverwaltung hält sie für Nagelfluhfelsen. 
Das Rheingefälle ist hier 1,14 °/oo (Honsell); 

der Salzfresser, dicht unterhalb der Stelle, wo die 
Gemeindegrenze Dießenhofen-Rheinklingen die Landes- 
grenze trifft, war ein granitischer Findling. Er wurde 
in den 70er Jahren durch die Dampfbootgesellschaft 
gesprengt. Ein dort zerschelltes Salzschiff soll ihm den 
Namen verschafft haben. 


Honsell, der dem Stein nicht mehr selber gesehen 
hat, zeichnet ihn zirka 350 m westlicher als Hanhart, 
dessen Darstellung wohl die richtigere sein dürfte; 

5) der Gaißmeier, zirka 50 m oberhalb des ehemaligen 
badischen Försterhauses Gaißhütte, ein Findling aus 
grünem Gestein (Albulagranit?) wurde in den 50er 
Jahren, weil schiffahrtsgefährlich, gesprengt. Das un- 
glückliche Apfelschiff, welches ihn zum „Aptelfresser“ 
umtaufen ließ, wurde erst nach 1770 von seinem Schicksal 
erreicht, da Hanhart den Namen noch nicht braucht; 

6) der Hattinger Stein, ein hellfarbiger Granit, in der 
Laag (Lach — Looch —= Grenzzeichen) unterhalb 
Dießenhofen, etwa 30 m vom rechten Ufer, trägt eine 

"bei Niederwasser sichtbare Inschrift. Er wurde als 
Grenzstein benutzt zwischen dem nellenburgischen, jetzt 
badischen Büsinger Gebiet und der Schweiz. 

Nach dem schaffhausisch-badischen Grenzvertrag von 
1843 ist er gegen Mittag mit VI B1780 und gegen 
Mitternacht mit Nr. 79 und dem Nellenburger Wappen 
bezeichnet. Im thurgauischen Kantonsarchiv ist eine 
Skizze des Steins mit der Inschrift 


VN 
- NB 1780 


4. Angriff der Ufer durch Wellenschlag. 


In bezug auf die Rheinufer versagt unsere Sulzberger- 
karte: der Rheinlauf Stein-Dießenhofen ist eine der schwächsten 
Stellen derselben. Veränderungen lassen sich indes durch 
ältere Karten (Gyger, Merian, Hanhart) und durch die Klagen 
der Rheinanwohner über Uferabbrüche seit Einführung der 
Dampfschiffahrt feststellen. 

Es handelt sich nur um Kleinformen: Die Gygerkarte 
(1667) zeichnet zwei langgestreckte, schmale Rheinbuchten 
(ehemalige Altwasser?) _westlich Scharenwiese gegenüber 
Büsingen und östlich Paradies. Die letztere war 1770 stark 
verkleinert, 1838 verlandet; die erstere scheint schon 1770 
zu Sumpf geworden zu sein. 

Im Gries (Mündungstrichter des Geißlibaches) bei Dießen- 
hofen enthalten die alten Karten neben dem jetzt noch be- 
stehenden Weiher beim alten Schützenhaus noch einen kleinen 


ER 


auf der Nordostseite der Halbinsel, der offenbar als Boots- 
hafen diente. 1860 war dessen Ostwand bereits durchbrochen, 
der nördliche Uferdamm zum Inselchen geworden. Ein anderer 
kleiner Hafen im Baumgarten des Unterhof mit Zugang vom 
Gries her auf dem Merianschen Stadtplan (Fig. 24) ist Han- 
hart nicht mehr bekannt. 

Die Dampfschiffahrt auf dem Rheine datiert von 1825, 
und bis in die 40er Jahre hinein wurde wöchentlich eine 
Tour Konstanz-Schaffhausen und umgekehrt ausgeführt, sofern 
nicht niedriger Wasserstand das Fahren gefährlich und hoher 
das Passieren der Brücken unmöglich machte. 

Von 1846 an gab es tägliche Fahrten; aber es scheint, 
daß die Dießenhofer am neuen Verkehrsmittel nicht die richtige 
Freude hatten. 

In bis dahin ungewohnter Weise nagten nämlich die Wellen 
an den altersmorschen Mauern des Städtehens und sonst überall 
an dem ans Wasser stoßenden Kulturland, so daß die Dampf- 
schiffe mit ihren Wellen verwünscht wurden. Wohl mit einiger 
Uebertreibung behauptet 1854 der Verwaltungsrat von Dießen- 
hofen (Akten betreffend das Gesuch der Schweiz. Dampfboot 
A.-G., 8. 22): „Viele Jucharten fruchtbaren, um bedeutende 
Summen angekauften Bodens haben die Dampfschiffe nicht 
unmittelbar, aber mittelbar durch den Wellenschlag fortgerissen, 
und eine ebenso große Zahl geht dem sichern Untergange in 
naher Zukunft entgegen.“ Er fordert Schadenersatz von der 
Gesellschaft oder Abstellung des Uebels durch Verbot des 
Dampftschiffbetriebs. 

Die Dampfbootgesellschaft stellte den Uferschaden nicht 
in Abrede, lehnte jedoch die Entschädigungspflicht ab, weil 
sonst die Benützung der Wasserstraßen einfach unmöglich 
würde, und dann auch, weil die Erhebung von Wasserzöllen 
für die Benützung des Stromes umgekehrt auch verpflichte, 
für den nötigen Ufersehutz zu sorgen (Akten $. 36/37). Die 
Gesellschaft ist schließlich mit ihrer Ansicht durchgedrungen ; 
die Dampfschiffahrt hat sich entwickelt und der Uferschaden 
bis in unsere Tage solche Dimensionen angenommen, daß 
zurzeit vom kantonalen Bauamt am thurgauischen Rheinufer 
5900 m schutzbedürftig erklärt sind. Davon waren bis Ende 
1913 1293 m bereits verbaut. 

Seit Bund und Kanton einen großen Teil der Verbauungs- 


Sal 


kosten auf sich nehmen, lassen sich auch die Anstößer zu 
Opfern herbei. 
Früher aber war das letztere nur ausnahmsweise der: Fall, 
und das stete Gehenlassen ließ den Schaden so gewaltig an- 
sehwellen. u 

Im Gegensatz zum Unterseeufer stößt nämlich zwischen 
Wagenhausen und Paradies meist stark geböschtes und wenig 
wertvolles Land an den Rhein, und die Anstößer unterließen 
daher mit wenigen Ausnahmen jeglichen Uferschutz, so daß 
die Wellen freies Spiel hatten. Besonders stark ist der Ab- 
bruch am Hochufer, wenn an dessen Hang Grundwasser hervor- 
drückt (Rodenbrunnen). Hier brechen die unterwaschenen Ufer 
auf 10-20 m weit nach. Der Schälterweg, der zum Auf- 
_ wärtsfiehen der großen und kleinen Segelschiffe von Dießen- 
hofen bis Wagenhausen angetrieben war, ist total verschwunden, 
und es berührt eigentümlich, daß in der Ortsgemeinderechnung 
Dießenhofen bis in die jüngste Zeit (1908) ein ständiger Posten 
— Kapital zum Unterhalt des Schälterweges 1000 Fr. — 
figurierte, während doch mindestens seit 50 Jahren, da die 
Sehälterei aufgehört hat, nichts mehr für den Weg getan 

wurde. 
; Noch in den 70er Jahren war die „Rheinwiese“ ober- 
halb der Rheinsäge gegen den Fluß durch Haselstauden ab- 
gegrenzt, die das Hochufer zusammen hielten. Diese sind 
sämtlich abgestürzt und weggeschwemmt, und ähnlich ist- es 
oberhalb Schupfen. 

Im Rodenbrunnen, östlich Dießenhofen, bei der ehe- 
maligen Knabenbadanstalt, ist das Ufer unter Mithülfe der Erd- 
und Schlammarbeiten der badenden Jungen um volle 6 m zurück- 
gewichen und durch Hinterspülung das ehemalige 20 m lange 
Schutzmäuerchen des westlichen Anstößers mit den daran ge- 
pflanzten Pappeln gefallen. Die Trümmer liegen 7—10 m vom 
Ufer weg zerstreut, und die 1913 erstellte solide Schutzmauer 
hat einen Abstand von 4—7 m landeinwärts. Einzelne große 
Bäume am ehemaligen Ufer sind jetzt isoliert 3—4 m von 
demselben, mit ihm noch durch schmale Erdbrücken verbunden. 

Wo aber oberhalb dieser Stelle ein früherer Anstößer sein 
Bord mit Weiden und Pfählen schützte, ist dasselbe ziemlich 
erhalten geblieben, ebenso das künstlich mit Gesträuch besetzte 
Ufer bei der Schupfer Bleiche. Fortwährender Unterhalt hat 


6 


ge. 


auch westlich Dießenhofen längs des Klostergebietes größere 
Abspülung vermieden. 

Am Rheinknie gegenüber Büsingen, der botanisch berühmten 
Scharenwiese entlang, ist die Wellenerosion ebenfalls er- 
giebig, besonders seitdem der Landungssteg von Büsingen ost- 
wärts verlegt wurde und ein Ruderklub den obern Teil der 
Wiese benutzt. In der Nähe der Rheinbiegung ist der fest- 
verfilzte Rasen stark unterspült und sinkt schwadenweise ein, 
am Rande nach und nach in Schollen zerfallend. 


B. Die Flüsse im Innern des Kantons. 


a. Die Thur. 
1. Das Kartenbild. 


Während Nötzli der Thur einen ausgeglichenen Lauf 
zeichnet ähnlich dem Dießenhofer Rhein und nur durch die 
Auwälder und das Fehlen der Siedlungen an ihren Ufern 
die wahre Natur des Wildwassers ahnen läßt, erscheint bei 
Gyger der Thurlauf richtigerweise als ein Netzwerk von Wasser- 
adern, die stellenweise weit ausgreifen und zahlreiche Kies- 
inseln umschließen. 

Im wesentlichen die gleichen Verhältnisse kartieren die 
Herrschaftspläne von Neunforn 1730 und Ittingen 1743, die 
Thurlaufkarte Breitingers 1811 und die topographische Karte 
Sulzbergers. Da aber bei jedem Hochwasser sich die Fluß- 
schlingen änderten, zeigen die verschiedenen Karten jeweilen 
total andere Bilder, so daß man den Fluß nicht wieder er- 
kennen könnte, wenn nicht die Uferorte sich gleich geblieben 
wären (Fig. 15—17). 

Als Haupttummelplatz der trüben Wasser erscheint natur- 
gemäß der flache Boden des ehemaligen Frauenfelder Sees 
von Hasli bis Ossingen mit einer Breite von 2!/g km. Ueber- 
schwemmungsgebiete sind auch die Alluvialebenen von Kradolf 
bis Bürglen und von da bis Wigoltingen, die auf der Gyger- 
karte keinen Platz mehr fanden. Sie kennzeichnen sich durch 
Stromteilung, durch Kieslager und Auwald („Staudenland*“), 
durch verschleppte oder auf erhöhtem Bett zulaufende Seiten- 
bäche. 

Die eidgenössische topographische Karte von 1880 
zeigt bereits das normalisierte Thurbett, neben demselben aber 


Bau 


noch die Kiesbänke der alten Serpentinen mit ihren sperrenden 
‚ Traversen (Pfyn-Warth). In den Wieden bei Pfyn und süd- 
' lieh Grünegg sind Altwasser, und die Bäche oberhalb Eschikofen 
haben noch ihre alten Einläufe. 

Die Ausgabe von 1891 enthält die Hochwasserdämme 
und Binnenkanäle von Eschikofen abwärts. Die Bäche haben 
die heutigen Einläufe; nur der linksseitige Binnenkanal wird 
oberhalb der Rohrer Brücke noch in ein Altwasser der Thur 
geleitet. Die Altwasser bei Pfyn sind größtenteils verlandet. 

Die Ausgabe von 1909 zeigt keine großen Aenderungen 
mehr: Oberhalb des Murgeinlaufes mündet der normalisierte 
Binnenkanal. 


#2, Ueberschwemmung und Korrektion. 


Die Thur hat ein weites Einzugsgebiet, das sich über 
den Alpstein auf die Kurfirsten hin erstreckt. Föhn nach 
starkem Schneefall, Gewitter und längeres Regenwetter in 
den Bergen und dem Vorlande erzeugen mächtige Hochfluten, 
so daß bis in die neueste Zeit jeweilen das flache Thurtal 
zu einem trüben, wogenden See wurde, der nach Stunden 
oder Tagen zurückging, aber die Fluren mit lehmigem Schlamm 
bedeekt oder mit Kies und Sand überführt zurückließ. 

Am Neujahrstage 1605 lief das Wasser in der Mühle zu 
Hasli zum Stubenfenster hinein, und 1651 am Andreastag 
konnte man von Eschikofen über die Thur hin bis nach dem 
Rain von Wigoltingen zu Schiffe gelangen (Kappelers Chronik 
von Frauenfeld). 

1789 fuhr man von der Farb unter der Linde zu Wein- 
felden in einem Schiffe über das Sangerfeld nach der Mühle. 
Gleichzeitig riß das Wasser die Thurbrücke fort. 

1817 setzte die Thur die Kornzelge im Sangerfeld bis 
zum Lindenplatz hinein unter Wasser (Weinfelder Chronik). 

Da aber immerhin ganz große Fluten selten sind (1664, 
1755, 1789, 1851, 1876, 1881, 1883, 1910, Geogr. Lexikon), 
wurde der Mensch in seinem Landhunger durch das frucht- 
bare Schwemmland verleitet, die Kulturen ins Stromgebiet 
hinein vorzuschieben, und so mußten außergewöhnliche Hoch- 
' wasser stets katastrophal werden. 

An Anstrengungen, den Ueberschwemmungen des Kultur- 
landes zu steuern und den Fluß dauernd in Schranken zu 


an 


halten, hat es nie gefehlt; aber es mangelte jedes Zusammen- 
arbeiten der verschiedenen Anstößer. Jeder wehrte nur für 
sich, unbekümmert darum, ob durch seine Arbeit die Nachbarn 
nen und unten Nutzen edler. Schaden erfuhren, und so fehlte 
jeder nachhaltige Erfolg (Fig. 15). 

Eine gute Illustration zu diesen frühern Wuhrungen gibt 
die Sage vom Grafen von Thurberg: 

Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts war der Thurlauf 
von Bürglen an derart, daß mindestens ein Arm desselben 
über Mauren, Hard, Weinfelden dem Fuße des Ottenbergs 
folgte. Die Herren von Thurberg und Bürglen sollen dann 
rücksichtslos gegen andere, nur für das eigene Besitztum 
bedacht, mit Wuhren und Dämmen den Fluß ins heutige 
Bett gezwungen haben. Unter zwei Brüdern Oetli erstellten 
die schwergeschädigten Einwohner von Bußnang, Rothenhausen 
und Amlikon zu ihrem Schutze den linksseitigen Thurdamm. 

Daß der Kern der Sage richtig ist, wird durch folgende 
Tatsachen erhärtet: 


1. hat sich Weinfelden trotz seiner günstigen Lage erst 
vom 13. Jahrhundert an entwickelt; 

2. reden alte Kaufbriefe von einer Kapelle, die oberhalb 
des Wirtshauses zur Sonne stand, sie liege an der Thur; 

3. fand man 1836 beim Bau eines Pumpbrunnens in 
Untergontershofen Pfähle und Balken von einem Wuhr; 

4. sind die Flurnamen! Steinacht, Wasserschaft, Aeuli, 
Egelsee, Schiflände, Rohracker, sowie der Ortsname 
Unterthuren und die Bezeichnung „Gießen“ nicht zu 
unterschätzende Dokumente aus einer früheren Zeit, da 
der Mensch das geschaut hat, was er im Namen aus- 
drückt (Weinfelder Chronik, Pupikofer Gemälde). 


! Steinacht zwischen Gontershofen und dem Gießen, beim Wort 
Wiesenthal der topographischen Karte; Wasserschaft südlich daran 
anstoßend; Schifflände die Niederung südlich vom Felsen der protestan- 
tischen Kirche; Egelsee, das Feld beim Kluppenbach zwischen Land- 
straße und Eisenbahnlinie; Aeuli, das Feld südöstlich Gontershofen, 
zwischen den Straßen nach Bürglen und Mauren; so heißt auch das 
letzte Haus links an der Landstraße Weinfelden-Frauenfeld ; Rohr- 
acker am Kluppenbach, nördlich der Landstraße Weinfelden-Frauen- 
feld (Thurg. Neujahrsblatt 1829, Mitteilung von Herrn alt Sekundar- 
lehrer Graf). 


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Erst die neue Zeit hat die Wuhrarbeiten wirklich zweck- 
 dienlich anhand genommen und durchgeführt. 
Der erste durchgreifende Plan für eine rationelle Korrektion 
rührt von D. Breitinger her. Seine „Flußkarte des 
Thurlauffes von Ueßlingen bis Gütikhausen, ver- 


messen im Oktober 1811“, 1:5000 (thurg. Kantonsarchiv) 
(Fig. 16) ist interessant durch die Darstellung der damaligen 


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Fig. 15. Die Thur bei Uesslingen im Jahre 1743. 
(Nach dem Ittinger Herrschaftsplan des P. Josephus. Thurg. Staatsarchiv.) 


Flußschlingen, der Altwasser und der meist Auwald tragenden 
Kiesinseln und Schlammufer; nicht minder auch durch die 
planlos gebauten kurzen Schutzdlämme und die „Fachen“ für 
die Fischerei beim Fahrhof. Fähren waren bei Dietingen- 
Veldi und bei Neunforn-Altikon. \ 

Breitinger gab dem geraden Flußlauf auf der gezeichneten 
Strecke eine Breite von 45 m. Leider ist sein Plan nicht 
ausgeführt worden. . 


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Erst die große Ueberschwemmung vom August 1851 ver- 
anlaßte wieder das genaue Studium einer durchgreifenden 
einheitlichen Korrektion. Der Bau der Nordostbahn 1855 
zeitigte zunächst eine Verordnung über die staatliche Ueber- 
wachung der an öffentlichen Gewässern auszuführenden 
Wuhrungen, worin alles eigenmächtige Vorgehen der Ge- 
meinden und Privaten ohne Untersuchung und Aussteckung 
durch den Inspektor untersagt war (Häberlin- a 
Der Kanton Thurgau, Seite 310). 


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Fig.16. Die Thur bei Ueßlingen im Jahre 1811. 
(Nach der Flußkarte von D. Breitinger. Thurg Staatsarchiv.) 


Von 1866 datiert dann das Gesetz über Unterhalt und 
Korrektion der öffentlichen Flußgewässer, nach welchem die 
Wuhrarbeiten an der Thur unter staatliche Aufsicht und 
Leitung gestellt wurden, und seither ruhte die Durchführung‘ 
und die Instandhaltung des großen Korrektionswerkes nicht 
mehr (Häberlin, Seite 312). 

Den Anfang machte 1867 die Vermarkung der Korrektions- 
linie und der Normalbreite des neuen Flußbettes von Unterau- 
Sulgen bis Dietingen (siehe A. Schmids Karte der Thur- 
korrektion in „Mitteilungen der Thurgauischen naturforschenden 
Gesellschaft“, Heft 4). Die Durchführung der Normalisierung 
geschah dadurch, daß in der neuen Flußachse ein 10 m breiter 


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Fig 17. Die Thur bei Ueßlingen in den Jahren 1336 und 1908. 
(Die Aufnahme von Sulzberger, eingetragen in Blatt 55 des topograph. Atlasses.) 


Kanal gegraben wurde, den dann nachfolgende Hochwasser 
auf das gewünschte Profil verbreiterten. 

Für die Nieder- und Mittelwasserrinne, welche durch 
Faschinenwuhre begrenzt ist, sind fünf Profile festgelegt: 


Von der Kantonsgrenze 


bis zum Sittereinlauf 30 m 

- Fabrikwehr Unterau 40 m 
zur Brücke Bürglen 431/2 m 
zum Murgeinlauf 45 m 
zur Kantonsgrenze 46!/a m 


Zur Aufnahme der Hochwasser, deren Maximum zu 1400 m? 
Sek. berechnet waren,! sind im flachen Tale beiderseits 
weitere 90 m bestimmt, auf deren Gebiet schiefgestellte Quer- 


verbauungen ein ansteigendes Profil sichern. 6 m außerhalb 


! Wasserfuhr bei der Andelfinger Brücke: minimal 6 m?, mittel 
35 m?, maximal 1400 m?Sek. (Geographisches Lexikon). 


ge 


der 3m hohen Hochwasserdämme werden im Binnenkanal 
die Zuflüsse gesammelt und der Thur weiter unten zugeleitet. 

Zwischen hohen Ufern ist die Hochwasserzone beiderseits 
auf 30 m festgesetzt (Thurg. Straßeninspektorat). Fig. 17. 

Außerdem wurden Pegelstationen eingerichtet, an denen 
die Wasserstände täglich beobachtet und notiert wurden. Der 
Nullpunkt des Pegels steht auf der Sohle des Flusses und 
ist durch Nivellement genau bestimmt. Nach der Veröffent- 
lichung der schweizerischen Landeshydrographie (J. Näf 1914) 
haben die Nullpunkte der thurgauischen Thurpegel folgende 
Höhen: 


Bürglen-Istighofen . . . . .... . 436,54 m 
Weinfelden-Rothenhausen . . . . 429.03 m 
Eschikofer Straßenbrücke. . . . . 411,06 m 
Eschikofer Eisenbahnbrücke . . . . 407,53 m 
Pfyn. Straßenbrücke ze... 22.2222 2.996 0m 
Röhrer: brücke = 2.2072 2°:.25 72.2.3868. m 
Veßlingsen 22.29 32 22 ar 
Nieder-Neunforn » u... =... 0. 2. 03.04 


Das schöne Werk ist durch Zusammenwirken von An- 
stößern, Gemeinden, Kanton und Bund im wesentlichen 1892 
beendet worden (Länge der Wuhrungen 66560 m) und hat 
seither sicher gute Dienste geleistet; aber es ist doch nicht 
von vollem Erfolge gekrönt. Die großen Serpentinen bei 
Össingen-Andelfingen verringern die Geschwindigkeit der Hoch- 
wasser derart, daß bis in die Gegend von Pfyn Geschiebe- 
stauung eintritt, d.h. Erhöhung des Flußbettes und damit 
Wiederkehr vermehrter Hochwassergefahr. Den Beweis dafür 
erbrachten nicht nur die Ueberschwemmungen der Hochflut 
vom Juni 1910,! sondern auch die tief im Kiesgrund ver- 


! Die Hochflut vom 15. Juni 1910 erreichte eine bis dahin un- 


bekannte Größe. Der Pegel zeigte in Ueßlingen einen Maximalstand 


von 6,20 m, was 2140 m°?/Sek. Durchfluß entspricht, wovon zirka 
300 m3/Sek. auf die. Mur g entfallen. 

Bei der Weinfelder Eisenbahnbrücke war der Wasserabfluß 
18353 m?/Sek., während die bisherigen Berechnungen nur 1074 m?® 
Abfluß ergaben. 

Einer solchen Wasserlast waren die Thurdämme nicht gewachsen; 
sie wurden an 25 Stellen durchbrochen See 1910, 
S. 128 und 283—237). 


Sg 


'sunkenen Marksteine von 1867, sowie der Umstand, daß Grund- 
und Regenwasser im untern Thurgebiet (Ellikon!) den Weg zum 
Flusse immer schwieriger finden und daher das Gelände ver- 
sauern und versumpfen. 

Dem Uebel wird kaum abzuhelfen sein durch das seit 
November 1913 durchgeführte Freihalten des Hochwasser- 
profils von Strauch und Baum, welches möglichste Ver- 
minderung von Reibung und Stauung des Stromes bezweckt. 
Schon 1879 erklärte A. Schmid (8. 210), es sei dies nur 
möglich durch Abgrabung der beiden großen Serpentinen 
zwischen Gütikhausen und der Ossinger Bahnbrücke. Dadurch 
würde der Flußlauf um zirka 1500 m gekürzt und 1,7 m 
absolutes Gefälle gewonnen. 

Ein anderes zum Ziel führendes Mittel wäre die Verbauung 
der hauptsächlichsten Wildwasser des Thurgebietes, speziell 
des Toggenburgs; durch sie würde das die Sohle erhöhende 
Geschiebe in den Bergen zurückgehalten. 

Durch die wiederholte Abtretung von an die Thur an- 
stoßendem Privatgrundbesitz oder Gemeindeeigentum, auf 
welchem früher keine Wuhrlast geruht hat, an den Staat, 
ist derselbe in den Besitz von 48,28 ha Weidenboden gelangt, 
welcher am linken T'hurufer bei Puppikon (666 a), bei der . 
Ziegelhütte am Grießenberg (2466 a), in den Grubenwiesen 
bei Felben (648 a), am rechten Ufer bis Bonau (774 a) und 
am Eggirain unterhalb der frühern Brücke bei Felben (324 a) 
liegt. 

An letzterer Stelle und am Grießenberg ist die Fläche 
mit Weidensetzlingen bepflanzt und die Grenze zwischen Hoch- 
wasserprofil und Weidenpflanzen durch Pappeln mit 100 m 
Distanz markiert worden (Rechenschaftsbericht 1880, 8. 177). 


b. Die Sitter. 


Das Wildwasser vom Nordhange des Alpsteins hat in 
seinem thurgauischen Abschnitt ein so tief eingeschnittenes 
Bett, daß die Veränderungen an seinem Laufe während der 
letzten Jahrhunderte keine großen sein können. In der Tat 
zeigt auch die Karte von 1717 dieselben Serpentinen und 
dieselben Siedlungen, wie sie Sulzberger 1836 kartiert. Wenn 
„Hametshub“ an die Stelle von Lütswil versetzt ist, so ent- 


Be anne 


spricht das andern ähnlichen Fehlern der Karte. Die Kopie 
von 1777 läßt von den Flußkrümmungen oberhalb Sitterdorf 
nur die bei Lemisau bestehen, vermehrt sie dagegen unter- 
halb. Lütswil ist südlich Oberegg eingesetzt und Hametshub 
als „Helmetshub“ am falschen Orte verblieben. 

Die Karte von 1836 zeichnet die heutigen Serpentinen. 
Seither ist diejenige nördlich Gertau mehr ausgeglichen, ver- 
flacht, östlich Alten der in zwei Armen hinfließende Fluß 
auf den westlichen Arm eingeengt und südlich Lütswil die 
stark nach Südwesten biegende Strömung durch einen gerade 
nach Nordwesten streichenden Teillauf entlastet. Bei Sitterdort 
sind Wuhr und Mühlekanal eingebaut und der Fluß von da 
an der Thur entsprechend korrigiert. Eine Pegelstation bei 
der Rotfarb Bischofszell (Nullpunkt 461,54 m) registriert die 
Wasserstände. Oestlich Sitterdorf, wo wenig wertvolles Kultur- 
land in Frage steht, beschränkt man sich auf den durch Anriß 
und Rutschungen nötig werdenden Uferschutz. Immerhin sind 
auch hier 3 km der Uferlänge rationell verbaut worden. Von 
den Siedlungen am Sitterufer haben sich Roten und Tobelmühle 
seit 1836 etwas vergrößert, von 2 auf 4 Gebäude, und west- 
lich Blidegg ist das „Neugut“ (3 Gebäude) als Neusiedlung 
entstanden. Bei Roten und Lütswil sind Brücken gebaut, nach- 
dem die Sitterbrücke bei Bischofszell jahrhundertelang die 
einzige gewesen war. 


c. Die Murg. 


Die Murg bildet sich am Osthang des Hörnli aus ver- 
schiedenen kleinen Wasseradern, von denen eine, der Tobel- 
bach, auf thurgauischem Boden bei Kaltenbrunnen seine Quelle 
hat. Bereits ein ansehnlicher Bach betritt sie zirka 2 km 
hinter Fischingen die thurgauische Grenze. Gleich nördlich 
dieser Ortschaft beginnt ihr Mittellauf mit Serpentinen und 
Talverbreiterung. Die Karte von 1830 zeigt den stark 
geschlängelten Lauf zwischen Hofen und Münchwilen, die 
große Schlinge nach Süden bei Hunzikon, zahlreiche solche 
auch zwischen Wängi und Matzingen. Zwischen Lauche- und 
Lützelmurgmündung nagt eine nordwärts streichende Ser- 
pentine die Matzinger Kirchhalde an; bei Ristenbühl wird 
das Südufer angerissen, nördlich der Aumühle der Osthang 


er ge 


des Hundsrückens. Die Mündung, ungefähr an der heutigen 
Stelle, ist ein richtiges Delta mit mehreren Armen. 

Die Murg ist ein Regenfluß mit stark schwankender Wasser- 
führung: Niederwasser 1 m?/Sek., Hochwasser 200 m?/Sek.., 
1910 300 m?/Sek., 1876 bis 400 m?/Sek. (Schmid 8. 216, 
-Thurgauischer Rechenschaftsbericht 1910, 8. 284.) Sie ist in 
hohem Maße der Industrie dienstbar gemacht; Schmid zählt 
S. 212 14 große Stauwehre auf, und diese hindern die Kies- 
abfuhr durch das Wasser, so daß sich oberhalb derselben das 
Bett erhöht. 1859 mußte bei Jakobstal gebaggert werden, und 
von 1856-1876 erhöhte sich die Sohle von der Eisenbahnbrücke 
- Frauenfeld bis zum Altermattschen Wuhr um 2 m. Derartige 
Sohlenerhöhungen begünstigen natürlich den Austritt der Hoch- 
wasser, der an solchen Stellen besonders weit ausgreifend ist, 
und da die Abwehr auch bei der Murg des gemeinsamen Planes 
entbehrte, waren Katastrophen wie 1876 unabwendbar (Häberlin, 
Der Kanton Thurgau, S. 313). 

1877 —-1884 wurde die rationelle staatliche Korrektion 
auf 30,336 km mittels Dämmen, Steinbrüstungen, Flechtwerk 
und dergleichen ausgeführt. Die Pläne für diese Arbeiten, 
welche Straßeninspektor Schmid in Heft 4 der „Mitteilungen 
der Thurgauischen naturforschenden Gesellschaft“ 1879 pu- 
blizierte, fixieren gleichzeitig die gewaltige Ausdehnung der 
Hochflut von 1876 von St. Margrethen bis zur Mündung, sowie 
das von der Murg nachher beanspruchte Gebiet: Breite des 
Murgbettes südlich Espi 10 m, zwischen Eisenbahn und Kurz- 
dorfer Brücke 20—30 m, westlich Murkart 90 m, bei den 
Fabrikwuhren von Matzingen und Murkart 100. —--110 m. 

Uebrigens sind diese Projekte nieht sämtlich ausgeführt 
worden, nur diejenigen, bei denen der Wert des zu schützenden 
Bodens die Auslagen rechtfertigte, vor allem die Strecken 
St. Margarethen-Rosental, Matzingen-Aumühle und Frauenfeld- 
Rohr. : 

Das Korrektionswerk bestand aber die „Wasserprobe“ 
nicht in allen Teilen einwandfrei, indem das Hochwasser von 
1902 in Fischingen, Matzingen und Langdorf neue Ver- 
heerungen anzurichten imstande war und wiederum Schutz- 
- arbeiten größeren Umfangs nötig machte. 

Die Siegfriedkarten zeichnen von Sirnach an eine aus- 


geglichene Laufrichtung; im Bogen der ehemaligen Schlinge 


ZU, 


bei Hunzikon steht an Stelle des ehemaligen Einzelhauses 
„Schwarzwald“ die Station Rosental mit 11 Gebäuden, nun- 
mehr auf der linken Flußseite; die großen Bogen zwischen 
Wängi und Jakobstal tragen Wiesen; die Kirchhalde von 
Matzingen ist durch 200 m breites Kulturland vom . Wasser 
getrennt. Die Murkarter Schlingen sind mit Wald bewachsen 
und der tote Arm am Hundsrücken dient der Frauenfelder 
Jugend als Wintersportplatz. Der Einlauf in die Thur voll- 
zieht sich unter einem Winkel von 50° gradlinig. 


C. Die Bäche. 


Während Rhein, Thur, Sitter und Murg die Flüsse des 
Thurgaus darstellen, können alle übrigen fließenden Gewässer 
als Bäche bezeichnet werden, entgegen dem thurgauischen 
„Gesetz betreffend die Korrektion und den Unterhalt der öffent- 
lichen Gewässer“ von 1895, welches auch Aach und Lauche 
als Großwasser, als Flüsse, erklärt: Das Gesetz unterscheidet 
eben in subventions-politischem Sinne, da die Korrektionskosten 
der Großwasser zur Hälfte bis zu drei Vierteln, die der Klein- 
gewässer nur zu einem Drittel vom Staate übernommen werden. 

Der Thurgau hat keine Regenbäche im Sinne der mediter- 
ranen Verhältnisse. Wenn die Rinnsale auch hauptsächlich zur 
-Abfuhr des frisch gefallenen atmosphärischen Wassers dienen, 
so haben sie stets noch Quellenzulauf von Feuchtigkeit, die 
Wochen bis Monate vorher als Regen- und Schneewasser ein- 
sickerte, so daß sie beständig fließende Wasseradern 
darstellen. Die Wasserführung ist allerdings außerordentlich 
schwankend: Das Niederwasser genügt kaum zum Treiben 
eines Wasserrades, während das Hochwasser im geneigten 
Gelände durch Tiefen-, Seiten- und rückwärts einschneidende 
Erosion das Kulturland mindert oder in der Ebene weite Tal- 
flächen mit trüber Flut überdeckt, die Lehmschlamm, Sand 
und Kies zurückläßt. 

Es existiert darum kaum ein Bächlein, das nicht wenigstens 
teilweise eine Korrektion erfahren hat, in früherer Zeit willkür- 
lich, planlos und mit möglichst wenig Kosten, heute rationell 
durch fachkundige Kräfte unter finanzieller Mithülfe des Staates. 

Leider fallen die Hochfluten der Bäche häufig zusammen 
mit denjenigen der sie aufnehmenden Flüsse, so daß letztere 


auf sie rückstauend wirken und ihren Unterlauf durch Sohlen- 
erhöhung zum Uebertreten bringen. Es ist deshalb in den 
meisten Fällen eine kostspielige Verbauung der Bergbäche nötig, 
um das Geschiebe zurückzuhalten, sowie um Sohlenvertiefung 
und Nachrutschen der Hänge zu verhindern. 

Wo bei einem Bache nur ein Tallauf in Betracht kommt, 
wie bei Lauche, Aach, Gießen, Kemmen- und Tegelbach, 
wurde zur Vergrößerung der Abflußgeschwindigkeit bei der 
Korrektion nur das Bett erweitert und eventuell gerade gelegt; 
bei den Bächen mit wildbachartigem Quellgebiet, z. B. Furt- 
bach, Berlingerbach, haben sich die Schutzarbeiten ins Ein- 
zugsgebiet hinein zu erstrecken durch Verbauung der Tobel. 

Die Veränderung der thurgauischen Bäche in den letzten 
hundert Jahren besteht also hauptsächlich in Korrektionen, 
daneben in erweiterter oder aufgehobener Verwendung für 
Mühlen. Diese Verhältnisse sollen in Kürze beleuchtet werden. 


a. Bodenseegebiet. 


1) Die Goldach an der Ostgrenze ist ein Bergbach : der 
Gäbriszone bei Trogen in Außerrhoden, der bis in die Nähe 
des Sees starkes Gefälle und intensive Erosion aufweist. Sie 
mußte in ihrem Unterlaufe, von der Straßenbrücke Aach- 
Tübach ‘an bis zum See, auf eine Länge von zirka 1500 m 
durch Gerade- und Tieferlegung korrigiert werden. 

2) Der Hornbach von Tübach her, der 1836 von der 
Gerstenmühle aus gradlinig den See erreichte, -erhielt durch 
Bahnbau und Ausbreitung der Ortschaft Horn nach Westen 
hin einen Ziekzacklauf. 

3) Die Steinach, ein durchaus st. gallisches Gewässer, 
wurde auf 700 m Länge gerade gelegt und mündet jetzt öst- 
lich vom Dorf in die Bucht, statt an der Spitze des Deltas. 

4) Die Arboner Aach (Altach bei Nötzli) ist die gemein- 
same Mündung des Sägenbaches von Mammertshofen her 
und des Hegibaches. Der Sägenbach nahm 1836 erst bei 
der Bleiche Arbon die Roggwiler Bäche auf; jetzt sind diese 
durch einen Kanal bereits bei der Brücke der untern Straße 
Roggwil-Landquart mit ihm verbunden. Der Hegibach ist 
„während der letzten Jahre vom Arboner Weiher an in den 
untersten 800 m durchgreifend korrigiert worden. In seinem 
Gebiet zeichnen die neuen Karten drei Weiher mehr als die 


Be 0 IR 


von 1836: südlich Azenholz, westlich Lengwil und bei der 
Heinefabrik südlich Arbon. 

5) Die Luxburger Aach (Oberaach 1717, Egnachfluß 
1720) hat als Hauptquellader den aus dem Hudelmoos aus- 
tretenden Hegenbach, dem das Wasser von der Weiherburg 
Hagenwil zufließt. Bei Amriswil sind seit 1836 zwei neue 
Weiher entstanden (Breiteneich und Heldmühle); bei Pralis- 
winden ist ein solcher eingegangen. Ueber die Mündung der 
Luxburger Aach siehe Seite 63. 

6) Der Hebbach verliert sich 1836 in den Sumpfwiesen 
südöstlich Salmsach. Heute ist sein Lauf gradlinig bis zum 
See fortgeführt. 

7) Die Salmsach oder Aach ist die im breiten ehe- 
maligen Gletschertal mit rückläufigem Gefälle hin und her 
pendelnde Sammelader für die schwach geböschten Südhänge 
des östlichen Seerückens und die Nordseite des Lettenbergs. 

Ihre Quelle liegt auf der Talwasserscheide östlich Sulgen 
im Weinmoos. Nötzli gibt ihr den Ursprung aus einem großen 
Weiher südlich Hessenreute, der also unterdessen größtenteils 
verlandet ist. Wegen des geringen Gefälls erzeugt die Aach 
leicht Ueberschwemmungen, so daß ihre Verbreiterung und 
Gradlegung, zum Teil in neuem Bette, zur Notwendigkeit wurde. 

Die Korrektion wurde von der Straße Hessenrüti-Riet an 
bis Hölzli mit Staatshülfe durchgeführt, und zwar 1862 —1864 
zwischen Ennetaach und Niederaach, 1866—1882 in den 
Gemeinden Hemmerswil und Hefenhofen. 

Die breite Kulturfläche des Aachtales hatte früher starken 
Ackerbau, und die Kraft der Seitenbäche war der Müllerei 
dienstbar. Seit 1838 sind 17 neue Weiher gestaut und 3 
alte bedeutend vergrößert worden. Ihre Wasserspeicherung 
kommt heute weniger mehr der Müllerei als andern Industrien 
zugute. 

Unter den Zuflüssen der Salmsach lassen sich folgende 
Veränderungen feststellen: 


a. Der Bach von Riet fließt bei Nötzli zwischen Buakern 
und Riett durch einen Weiher, wo heute der Flurname 
Riederfeld ist. Bei Riet sind seit 1838 vier neue Weiher, 
zwei langgestreckte größere und zwei rechteckige kleinere 
zu industriellen Zwecken entstanden. 


ER TOnNE 


5. Am Tobelbach ist bei Buch einer der drei Oberweiher 
eingegangen, der Unterweiher vergrößert worden. Die 
Verlandung des „Egelsees“ westlich Engishofen geschah 
schon in früherer Zeit. 

c. Der Eppishauserbach hat zwei neue Weiher südlich 
Eppishausen. 

d. Im Gebiet des Bießenhofer Baches ist der schon bei 
Nötzli gezeichnete Bießenhofer Weiher von 1°/ı ha (1836) 
auf zirka 7 ha (1884) vergrößert worden. Bei Bießen- 
hofen und der Eichmühle sind je ein, bei der Mühle 
Oberaach zwei neue Weiher gegraben worden. Nötzli 
zeichnet mitten zwischen „Obereich“ und Schrofen einen 
Weiher, vielleicht südöstlich Mühle Oberaach „im Weiher- 

"holz. * 

e. Bei der Radmühle fehlen die beiden Weiher auf der 
Karte von 1836. Bei dem Weiherhof ist der Weiher 
nur etwa halb so groß wie heute. 

f. Am Mühlebach sind zehn Weiher, sechs davon seit 
1836 entstanden (Spitzenrüti ein, Mühlebach zwei, Neu- 
mühle zwei, Rüti ein). Nötzli zeichnet nur zwei zwischen 
Blasenberg und Spitzenrüti. 

8) Der Tobelmühlebach durehfloß 1717 einen Weiher, 
an dessen Stelle die heutige Karte den Flurnamen Weiher- 
acker enthält. 1648 hatte die Tobelmühle sogar zwei Weiher 
(Boltshauser, S. 64). 

9) Das Quellgebiet des Uttwilerbaches trägt den Flur- 
namen Erenmoosweiher. Dieser Weiher fehlt schon der Nötzli- 
karte; ebenso fehlen ihr die vier kleinern Stauweiher von 
1836, die seither auf drei, aber größere reduziert wurden. 

10) Auch der Freimühlebach von Keßwil entspringt 
auf den Karten des 18. Jahrhunderts aus zwei Weihern nord- 
westlich Dozwil im Wald. Auf sie deutet vielleicht der Flur- 
name Wägertsmooswiesen. 

11) Es gibt einen Güttinger Hornbach, aber heute 
kein Güttinger „Horn“ (Delta, Landvorsprung). In seinem 
Gebiet sind seit 1836 fünf neue Weiher erstanden (drei in 
 Altnau und zwei bei der untern Säge), zwei alte, schon von 
Nötzli gezeichnete, eingegangen (am Büdenbach). 

12) Der Stichbach von Bottighofen ist das größte Ge- 
wässer zwischen Romanshorn und Kreuzlingen. In seinem 


Ba 


Gebiet ist auf der Nötzlikarte der große Emerzerweiher noch 
nicht zu erkennen, wohl aber der Lochmühleweiher südöstlich 
Neugüttingen, und der Liebburger Tobelbach kam 1717 aus 
einem Wasserbecken, wo die heutigen Karten einen Sumpf 
im „Sörholz“ angeben. 

13) Der Wöschbach bei Kreuzlingen nimmt die Wasser- 
ader vom dortigen „Egelsee* auf, der durch Kanalisation in 
Wiesen verwandelt wurde. 


b. Rheingebiet Konstanz-Gottlieben. 


In den kurzen Rheinlauf vom Ober- zum Untersee münden 
zwei Bäche: ; ä 

1) Der Grenzbach auf der Staatsgrenze gegen Konstanz 
war früher der Abfluß aus dem Stadtgraben. Dieser nahm 
die Bäche von Emmishofen und Egelshofen auf, die oftmals 
das ganze Gelände überschwemmten und deshalb 1876 in 
gerader Linie dem Grenzbach zugeleitet wurden (siehe S. 38). 

Der Schoderbach von Egelshofen durchfloß schon 1717 
drei große Weiher südlich Geißberg. 1836 waren zwei große 
Wasserbecken auf der Hochebene von Lengwilen-Bätershausen- 
und sechs kleinere im nordwärts abfallenden Tobel. Heute 
liegen drei große auf dem Plateau (Großweiher 6 ha, Neu- 
weiher 4 ha, Pfaffenweiher 1 ha) und vier kleinere im Tobel, . 
Der Schoderbach wurde im Jahre 1910 bis zur Mühle Egels- 
hofen hinauf kanalisiert und dabei die Wasserkraft für die 
Forstersche Säge durch Expropriation ausgeschaltet. 

Der Saubach von Emmishofen ist ebenfalls korrigiert, 
und zwar von der Konstanzer Grenze an bis Bemrain. In 
seinem Gebiet ist in etwa 500 m Höhe westlich Bernrain ein 
von Sulzberger noch nicht gezeichneter Weiher im „Dorn- 
busch.* 

2) Der Bach von Gottlieben zeigt auf der Karte von 
1836 trotz seiner vielen Mühlen nur einen einzigen kleinen 
Teich bei der Hammerschmiede. Heute sind am Allmendbach 
vier, im Gebiet des Rüselbaches auch vier und zwischen Täger- 
wilen und Gottlieben noch drei Weiher. Da _Sulzberger die 
westlich Gottlieben hornartig ins Land greifende Rheinbucht 
nicht zeichnet, erscheint irrtümlich auch der seit 1876 ab- 
gedämmte, sichelförmige Weiher als neu. 


I A 


c. Unterseegebiet. 
Die dem Untersee zufließenden Bäche erfuhren auf der 


S/ Karte sichtbare Veränderungen fast nur in ihrem Unterlauf, 


innerhalb des Schwemmkegels und der Ortschaft. 

1836 verliert sieh der Triboltinger Bach in den Sumpf- 
wiesen unterhalb der Ortschaft; auf den neuen Karten ist ein 
künstlicher Ablauf unter der Eisenbahn durch bis zum See, 
mit der Mündung auf der Westseite des Deltas. Die Korrektion 
des Ermatingerbaches ist bereits auf Seite 69 erwähnt. 
Der Berlinger Bach erfuhr außer der Korrektion im Dorf 
auf die Strecke von 600 m oberhalb der Eisenbahn Tobel- 
verbauung. Durchgreifende Korrektion finden wir auch beim 
Eschenzer Bach, der bis nach Bornhausen hinauf ein ge- 
‚schütztes Bett besitzt. 

Nötzli zeichnet im Gebiet der Unterseebäche keine Weiher, 
Sulzberger nur vier Mühleteiche (Eggsmühle, Mammern und 
Berlingen). Es können daher als in der zweiten Hälfte des 
19. Jahrhunderts zu industriellen Zwecken gegraben oder 
gestaut angesehen werden die Weiher bei Klingenzell, Lieben- 
fels (5), Neuburg, Eugensberg, Mannenbach und südlich Breiten- 
stein bei Ermatingen. Indes trifft dies wohl nicht überall 
zu; denn die alten Topographen dürften hie und da einen 
solchen Teich übersehen oder der Kleinheit wegen nicht ein- 
getragen haben, wie das Beispiel des Egelsees (70 a auf 
der topographischen Karte 1901) zwischen Fruthwilen und 
Salenstein zeigt. Er fehlt in den ältern Karten, selbst das 
Siegfriedblatt von 1891 enthält ihn nur als Flurname; dennoch 
ist dieser Weiher in seiner heutigen Ausdehnung schon alt. 
Nach Mitteilung von Herrn Engeli gehörte er früher zum 
Schloß Hard und wurde ums Jahr 1828 von 3 Fruthwiler 
Bürgern angekauft. In Verlandung begriffen, zeigt er im 
Sommer nur schmale Wasserstraßen zwischen den großen 

„Sehwertelebösche“ (Carex strieta). Im Winter wird er gestaut 
durch Zustopfen des gegen len hin fließenden Ablaufs, 
um Eis zu gewinnen. 

Schon vor 1717 befanden sich verlandete Weiher bei 
Weiherholz südlich Klingenzell und bei Weier südlich Feld- 
bach. Auch der Flurname „Seelwies“ im Quellgebiet des Glaris- 
 eggerbaches deutet auf ein ehemaliges „Seeli“ im jetzigen 
„Füllimoos* hin. 


erde 


d. Rheingebiet Stein-Schaffhausen. 


1) Am mühlenreichen Ibenbach südlich Stein sind seit 
1836 vier neue Weiher entstanden, während der Egelsee 
östlich Kaltenbach schon vor 1760 zum Sumpfe verlandet ist. 

2) Von Bleuelhausen bis Rain diente in früheren Jahr- 
hunderten das Bett des Tobelbaches als Landstraße (Freuden- 
felser Karte von 1760). 

3) Der Geißlibach ist der Wasserablauf aus einem 
großen Moränengebiet zwischen den Moränen westlich Dießen- 
hofen (Chrieshalde-Langfuri-Buchberg) und denjenigen, die das 
Hüttwilerbeeken westlich abschließen. 

Seine Quelladern rieseln teilweise vom Stammheimerberg, 
von Etzwilen bis Nußbaumen herab; teils kommen sie von 
der Neunforner Höhe her; zum Teil auch versickern sie vor- 
läufig in den Sehottern der Stammheimer Hard. 

Der unruhigen Gletscherlandschaft ist eine große Zahl von 
Hohlformen eigen, mit noch bestehenden, mehr noch mit längst 
eingegangenen Wasserbecken (siehe „Nordschweizerische Seen- 
platte“ in Moore der Schweiz von Früh und Schröter, 8. 260). 

Nur noch durch das zwar sichere Dokument der Flur- 
namen bezeugt, vor 1668 verlandet sind der Seewadel 
westlich Furtmühle, der Seewadel nördlich Neubrunn, der 
Bgelsee nördlich Diekehof, der Weiher südwestlich Waltalingen, 
das Weiherholz südöstlich Waltalingen, der Weiher südwest- 
lich Uerschhausen. 

Noch auf der Gygerkarte verzeichnet sind der Stam- 
merweiher und der Stadtweiher. 

Der Stammerweiher oder Eppelhausersee südlich vom 
Rodenberg muß zwischen 1685 und 1760 durch Einsehneiden 
des Abflusses künstlich entwässert worden sein. Gyger und 
Peyer geben einen 1250/350 m großen See an; auf dem 
Freudenfelser Plan 1760 ist das „Stammer Rieht, vor deme 
Eppelhauser Weyer genannt“, von weiterem Sumpfland um- 
geben und mit einzelnen Bäumen besetzt. Das Bächlein läuft 
südlieh an ihm vorbei. Hanhart zeichnet auch nur Riet, 
durch das sich ein Bächlein schlängelt. Wenn bei Sulzberger 
sogar das Sumpfland fehlt, so gehört das zu seinen vielen 
Ungenauigkeiten. 

Der Stadtweiher südöstlich Dießenhofen erfüllte einst 
das ganze Becken zwischen den beiden Straßen von Dießen- 


SIMGGT TA 


-hofen nach Schlattingen. Gyger gibt denselben an im Aus- 
maß von 375/120—200 m mit Abfluß zum Geißlibach beim 


‘ Eichenbühl. Peyer zeichnet ihn abflußlos, dagegen mit dem 


Bächlein vom Rodenberg her. Bei Hanhart ist das Wasser- 
becken bereits auf den winzigen Rest an der OÖstecke beschränkt 
und der ehemalige Weiherboden eingeteilt und als Gemüse- 


land benutzt wie heute, ebenso das „Kabisland“, das ein schon 


früher verlandetes Stück des Stadtweihers vorstellt. Die Ent- 
wässerung des Stadtweihers fällt somit zwischen 1685 und 1772. 

Der Sandweiher, heute ein kleiner Sumpf, wird von 
Hanhart als Wasserfläche mit 40/30 m angegeben. Zwischen 


1772 und 1836 verschwand auch der langgezogene Weiher 


in den Teuerwiesen südöstlich Dießenhofen, sowie der ebenso 


geformte im Fridschinsgraben südlich Waltalingen. 


Die regelmäßige Wasserführung des Geißlibaches muß 


‘durch die Trockenlegung des Stammer- und des Stadtweihers 


Eintrag erlitten haben. Eine weitere Schmälerung erfuhr er 
durch die 1907 erfolgte Quellenfassung im Mooshölzli, südlich 
Stammerriet, für die Wasserversorgung Basadingen. Nach 
Aussage der Fischer soll der Ausfall der 165 Minutenliter 
den Fischbestand des Schlattinger Baches ungünstig beeinflußt 


haben. 


4) Der Mühlebach von Paradies, wohl die ehemalige 
„Schwarzach“, bildet sich bei Kundelfingen aus dem Schlatter 
Dorfbach und der dortigen starken Quelle (4500 Minutenliter 
nach Engeli, S. 16). Der Dorfbach entspringt auf den Karten 
von Gyger und Peyer aus einem Weiher südöstlich Mettschlatt 
im heutigen Weiherbuch. Dieser ist, wie das „Weiherli“ 
nordöstlich Unterschlatt, vor 1770 verlandet. Noch früher mag 
die Wasserfläche des „Seewadels“ westsüdwestlich Dickehof 
verschwunden sein. Auch der „Niegel*- (— Egel-) See bestand 
schon zu Gygers Zeit nicht mehr. Wie die Tonlager der Ziegel- 
fabrik Paradies beweisen, war hier einst ein größeres See- 
becken, von dem der um die letzte Jahrhundertwende größten- 
teils in Rietflächen verwandelte Paradieser Weiher den letzten 
Rest darstellt. 


e. Thurgebiet. 


1) Der Alpbach von Rickenbach kommt von Süden, aus 
dem Hügellande zwischen Thur und Murg und fließt über die 


—_ 


Schotterebene nach Osten hinaus in die Thur. Durch seinen 
Schwemmkegel hat er einen alten Thurlauf nach Westen ab- 
‘ seschnürt (Früh und Schröter, Seite 258). 

Das tote Thurtal hatte nach Nötzli 1717 seine Wasser- 
scheide bei Littenheid auf dem Schwemmkegel des dort von 
Süden herabkommenden Bächleins. Oestlich davon dehnte sich 
der Egelsee aus, eine Wasserfläche, die durch eine den 
Vogelherd nördlich umziehende Wasserader vor Rickenbach 
mit dem Alpbach in Verbindung stand. Westlich Littenheid 
war bis zur Murg keine Wasserfläche mehr. Trotz des ehr- 
würdigen Dokumentes kann dies aber unmöglich richtig sein. 
Im Archiv-Repertorium des Klosters Fischingen (Thurgauisches 
Kantonsarehiv) findet sich unter „Littenheid“ ein Urteils- 
extrakt von 1532 bezüglich Trieb und Trat (Weiderecht) auf 
dem Nägelsee, und von 1579 ein solches betreff „Trieb und 
Trat auf dem Nägelsee, wie auf dem Ablauf und Abwasser, und 
Zeit, Streue zu mähen“; 1741 ist der Graben auf dem Nägelsee 
erwähnt, und 1745 spricht eine Urkunde von Wiesen der 
Gupfer und Wietziker, die an den Mooswanger Weiher 
stoßen. 

Hiernach muß also schon 1532 der Egelsee zum Streue- 
gebiet verlandet und 1745 der Mooswanger Weiher westlich 
Littenheid eine Wasserfläche gewesen sein — Verhältnisse wie 
sie Sulzberger darstellt. Die Wasserscheide bei Littenheid war 
bereits vor 1830 durchstochen und der westliche Teil des 
„Egelsees“ gegen die Murg hin entwässert. 

1852 wurde der Mooswanger Weiher (1 km lang, 300 m 
breit) durch Kanalisation trocken gelegt und 1865 diese durch 
den Egelsee weitergeführt, so daß die kleine Wasserader von 
ihm zum Alpbach gänzlich aufgehoben wurde. Die Wasser- 
scheide zwischen Thur und Murg hat sich also im 
Laufe der Zeit um zirka 2 km nach Osten verschoben. 

Heute ist der Egelseeboden zum größten Teil feuchtes Streue- 
land. Ganz im Westen wird Torf gestochen; der Littenheider 
Durchstich ist 4—5 m tief und der Mooswanger Weiher eben- 
falls Torfgebiet. 

Nötzli zeichnet als weitern Zufluß zum Alpbach das 
Bächlein von Wil, während dieses nach den topographischen 
Karten von Sulzberger und Siegfried auf der fluvioglazialen 
Ebene südlich Wil in der „Matt“ in drei Adern geteilt versickert 


ee 


und als seine Fortsetzung Östlich in der Thurau, etwa 30 m 


tiefer, sich einige Quelladern zum „Gießen“ sammeln. Nötzli 


' hat jedenfalls auch hier nicht im Gelände gezeichnet. 

2) Der Bach von Wuppenau-Zuzwil entströmt auf den 
Karten von Nötzli und Sulzberger dem größern der beiden 
Weiher nördlich Wuppenau (11 und 2 ha). Diese. gehörten 
zur Mühle Hugentobel und waren durch Talsperren im ehe- 
maligen Sumpfgebiet der Wasserscheide gestaut. Beim Rück- 
‘gang der Müllerei wurden sie verkauft, und die Käufer legten 
sie 1864 mittels Durchstich des Dammes und Anlage von Kanälen 
mit Aufwand von 11000 Fr. trocken. Ein Teil des ehemaligen 
“ Seebeckens lieferte schöne Wiesen; die übrige Fläche wird auf 
Torf ausgebeutet. Später wurde auch das Bachbett, so weit 
es bei Wuppenau- westlich der Staatsstraße liegt, auf etwa 
1000 m korrigiert. 

3) Der Sorenbach. In der Moränenlandschaft von Gotts- 
haus waren Wasserbecken ein ganz natürliches Vorkommnis. 
Dieselben sind aber schon früher verlandet wie die Moore 
von Tröhn, Ergaten, Wolfhag, Freiberg, Birenstiel und Befang; 
‚auch die Ortsnamen Horb und Horbach bedeuten Moor. (Früh 
und Schröter 8. 300.) Die heutigen Weiher wurden künst- 
lich gestaut und mögen im Laufe der Zeit den jeweiligen 
Bedürfnissen angepaßt worden sein: die ältere Nötzlikarte 


zeichnet deren 4, Nötzli „l720* nur 3; Sulzberger hat die 


heutigen 5, doch in anderer Form und Größe: 


Sulzberger Siegfried 
Horber-Weiher zirka 4!/a ha 5l/s ha 
Rüti-Weiher en - Bl = 
Horbacher-Weiher. - 2 - 4 - 
Gwand-Weiher 6 - 3l/a - 
Hauptwiler-Weiher - 2! - 3 - 


19 ha 21!/a ha 


Die Verlandung dieser Weiher ist so gering, daß seit 
Menschengedenken keine Reinigung nötig wurde. 

Südlich Hauptwil enthält die Karte von 1720 zwei Weiher, 
den von Niederwil, und einen innerhalb der Thurgauer Grenze. 
Der letztere, ein ursprünglich natürliches Wasserbecken, ist 
jetzt ganz verflacht und nur im Frühjahr und bei anhaltendem 
Regen mit einer geringen Wassermenge angefüllt. Den größten 


— 102 — 


Teil des Jahres ist das ehemalige Weihergebiet mehr oder 
weniger trockenes Streueland. Ein Zufluß zu diesem verlandeten 
Weiher existiert nicht; dagegen wird der Abfluß offen erhalten 
(Mitteilung von Herrn E. Brunnschweiler in Hauptwil). Die 
letztere Bemerkung läßt auf einstige künstliche Trockenlegung 
schließen. 

Korrektion und Verbauung erfuhren: 

4) Die beiden Bäche von Kradolf, der südliche auf 
900 m, der nördliche auf 400 m Länge. 

5) Der Bach von Schönenberg mit den Quelladern 
Rüti- und Rotbach, zusammen etwa 2800 m. 

6) Der Katzenbach von Götighofen und dem Weinmoos 
her erhält auf der Karte von 1836 Zufluß durch einen Kanal 
von der Thur, der die letztere gegenüber der Bezirksgrenze 
Bischofszell-Weinfelden verläßt, und fällt dann 600 m west- 
lich der Bürgler Mühle in den Fluß. Heute ist er in den 
Grabenwiesen längs der Eisenbahn und vom Bädli an kanalisiert 
und wird bei Neubürglen vom Fabrikkanal aus verstärkt. 

Katzenbach und Weinmoos müssen bei der BEinwanderung 
junger Aale in den Bodensee eine wichtige Rolle spielen. 

7) Der Buhwiler Bach ist korrigiert von Schönholzers- 
wilen und von Innenberg an bis zur Mündung in der Länge 
von etwa 41/4 km. 

Der große Weiher zwischen Mettlen und Metzgers- 
buhwil, den die Nötzlikarten angeben, war schon 1836 ver- 
landet, und der fast quadratische Hörmooser Weiher ist 
zirka !/a ha größer als der gestreckte der Sulzbergerkarte. 

8) Der Furtbach wurde verbaut vom Itobel durch Mettlen 
bis zur Säge und von der Margenmühle bis zur Mündung; 
ebenso der westliche Zufluß bei Oberbußnang, zusammen zirka 
7 km. Der große „Heldgumpen“, der Badeplatz der Mettler 
Jugend am Walderbach, fiel der Hochflut von 1876 zum Opfer. 
; 9) Der Bach von Amlikon ist auf zirka 300 m korrigiert. 
Nötzli hat nördlich Eppenstein und südlich im Krähenried 
je einen größern Weiher, die auf den neuern Karten fehlen. 
Die kleinen Weiher südlieh Amlikon und westlich Bißegg 
sind seit 1836 um zwei vermehrt worden. 

10) Der Gießen hat von 1863 an auf die Strecke von 
6 km, von Opfershofen bis zum Einlauf in die Thur unter- 
halb Amlikon Korrektion erfahren, ebenso seine Zuflüsse 


— 103 — 


Tobel- und Wiesenbach. Nach Häberlin-Schaltegger (Der 
‚ Kanton Thurgau, S. 316) wurden 1865 bei Mauren über 
100 Jucharten entwässert und unter Güterzusammenlegung 
61 Parzellen in 40 Stücke abgeteilt. 

Neue Weiher im Gebiet sind durch Lettaushub beim 
Ziegelhof Berg entstanden. 

11) Der Kemmenbach wurde 1863/1865 gerade gelegt 
von der Grubmühle bis unterhalb Hasli, zirka 41/a km, 
ebenso der Emdwiesenbach bei Märstetten. Während der 
Kemmenbach früher bei Hasli in eine Thurschlinge einfloß, 
ist heute seine Mündung bis unterhalb Pfyn verschleppt. 

Seine Wasserführung wird namentlich ausgeglichen durch 
die Bommerweiher, deren Dammabschluß auf der West- 
seite die künstliche Anlage beweist. Sulzberger zeichnet nur 
zwei Weiher. Siegfried hat wie Nötzli noch einen dritten 
kleinen, den Untern Weiher, dessen rings scharf. geböschtes 
Becken auf Ausgrabung schließen läßt. Die Form der großen 
Weiher hat sich seit 1838 bedeutend geändert, und der östliche 
Zufluß von Dippishausen her ist auf zirka 1100 m kanalisiert. 

Oestlich der Kemmenmühle war 1836 ein großer Weiher 
von zirka 80 a; er ist jetzt trocken gelegt, während bei der 
Dütschenmühle an Stelle der drei kleinen ein großer recht- 
eckiger Weiher von zirka 90 a gegraben wurde. 

Das Bridenmoos bei Heimenlachen war in der Vorzeit 
eine Wasserfläche mit Pfahlbauten. 

12) Die Bäche von Müllheim erfuhren ihre Korrektion 
zu verschiedenen Zeiten, der Aspibach schon vor 1838, der 
Müßherzenbach 1874, vor allem aber bei der Güter- 
zusammenlegung 19081912. 

Im Gebiet derselben fanden größere Hnwaslerungen mit 
Staatshülfe statt, bei Raperswilen 1912 und im Dear 
und Eggholz 1910. Als neue Weiher verzeichnet die oe 
karte je einen bei Fischbach und Herten und vier kleinere 
bei Müllberg. Der Grauweiher nordöstlich Büren ist schon 
vor 1712 verlandet. 

13) Auch der Pfynerbach zeigt heute nicht mehr die 
Schlängelung wie 1836. In seinem Quellbezirk auf der Wasser- 
scheide gegen Steckborn nördlich Hörhausen zeichnet Sulz- 
berger nicht einmal Sumpfland; die Siegfriedkarte von 1881 
hat vier Weiher, diejenige von 1909 nur Sumpf. In seinem 


0 


Einzugsgebiet fanden statt: 1893 die Korrektion des Salen- 
grabens bei Pfyn, 1892 die Kanalisation im Breitenloo west- 
lich Pfyn und 1909 die Drainage bei Lanzenneunforn (26 ha). 

14) Die linksseitigen Bäche von Hüttlingen, Metten- 
dorfund Felben, welche 1836 noch durchwegs geschlängelten 
Lauf aufwiesen, wurden zum Teil beim Bau der Nordostbahn, 
zum Teil erst in neuerer Zeit kanalisiert und im Oberlauf 
bis in die Quelltrichter hinein verbaut. 


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Fig. 18. Die Hüttwiler Seen im Jahr 1743. 
(Nach dem Ittinger Herrschaftsplan des P. Josephus. Thurg. Staatsarchiv.) 


Von dem zum Hüttlinger Bach gehörigen, künstlich ge- 
stauten Harenwiler Weiher schreibt Fäsi (S. 149) im Jahre 
1766: „Der Harweiler- auch Hüttlinger-See genannt umfabt 
nur wenige Morgen. Einige schwimmende Inselchen oder kleine 
Stücker Landes, welche sich etwan von einer Seite zur andern 
lassen, machen diesen See merkwürdig.“ Derselbe wurde im 
Jahre 1865 trocken gelegt. 

15) Der Seebach ist der rückläufige Abfluß der Moränen- 
seen im Hüttwilertale. Gyger zeichnet die drei Seen im großen 
ganzen den heutigen Verhältnissen entsprechend; der Süd- 
westzipfel des Nußbaumersees und der Hasensee sind aber 
jedenfalls zu lang, und der östliche Teil des Steineggersees 


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ist zu schmal ausgefallen. Bedeutend genauer ist der Plan 


des P. Josephus von 1744 in 1:5825; er hält durchaus der 


‚ Vergleiehung mit der Siegfriedkarte stand. Nötzlis Zeichnung 
fällt außer Betracht, da er vom Hasensee nichts weiß und 
den Abstand der beiden großen Wasserbecken viel zu klein 
angibt. Er ist wohl auch in dieser Gegend nicht selbst gewesen. 

Auf der Sulzbergerkarte ist der Nußbaumersee zu klein. 
Hasen- und Steineggersee sind zu groß und anders geformt. 
Während Josephus und Siegfried den Abstand der beiden 


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Fig. 19. Die Hüttwiler Seen im Jahre 1904. 
(Blatt 53 des topographischen Atlas.) 


letztern zu 500 m angeben, hat Sulzberger etwas mehr als 
die Hälfte; Abstand von Nußbaumer- und Steineggersee 1744: 
600 m, 1838: 500 m (?), 1904: 675 m. Verlandungen und 
Verkleinerung der Wasserfläche durch die Seebachkorrektion 
von 1857—1862 sind nicht ausgeschlossen, und die Land- 
grenze im Sumpfgebiet ist stets schwer festzulegen; aber es 
handelt sich doch wohl um Ungenauigkeit in der Sulzberger- 
schen Aufnahme. 

Vergleichen wir als maßgebend die Aufnahmen von Pater 
Josephus 1744 und die der Siegfriedkarte von 1904, so ergibt 


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sich, daß die drei Seelein in den letzten 200 Jahren nahezu 
gleich geblieben sind (Fig. 18 u. 19). 

Die Ursache für Graben- und Wegeverlegung in den um- 
gebenden Rietflächen liest in der Einführung des Torfstiches 
um 1742 an Stelle der früher ausschließlichen Weide- und 
Streuenutzung. 

Der Lauf des Furtbaches durch das Gemeinderiet und 
seine Mündung in den Nußbaumersee sind mehrfach geändert 
worden. Auf dem Ittinger Plan begleitet er den Steinerweg, 
die jetzige Straße, mit Einlauf ins unterste Seeende; Sulz- 
berger gibt diesen 300 m, Siegfried 125 m westlicher an. 

Auch die Steinbachmündung hat Veränderung erfahren. 
1668 ging sie in den See selbst, 1744 und 1836 in den 
Seebach; die Korrektion der Neuzeit hat sie wieder dem See 
zugewiesen. 

Erloschene Weiher im Seebachgebiet sind der Negelisee 
bei Kalchrain (Früh, Die beiden Deckenschotter, S. 15), der 
Weiher der Nötzlikarte westlich Lanzenneunforn und derjenige 
des Ittinger Plans nördlich vom Nordende des Nußbaumersees. 

16) Der Tegelbach wurde 1869/70 im Unterlauf, später 
‚von Islikon bis zur Mündung korrigiert, gleichzeitig auch der 
Negelsee des Niederwiler Rietes durch einen Stollen süd- 
wärts zum Tegelbach entwässert, während er früher nach 
Norden überfloß. Der Negelsee, einst ein Pfahlbaugebiet, muß 
schon zu Gygers Zeit größtenteils verlandet gewesen sein, da 
er denselben nicht als Wasserfläche, sondern als Buschwald- 
gebiet zeichnet. Die Wasserlöcher der Neuzeit entstanden durch 
das Torfgraben, welches besonders in den 40er und Ser 
Jahren lebhaft betrieben wurde, da die Rotfarb in Frauenfeld 
ein guter Abnehmer war. Bei demselben kamen in den Rand- 
partien zahlreiche Baumstümpfe zum Vorschein, u. a. auch 
eine liegende Eiche von 1 m Durchmesser mit schwarzem Holz 
(Mitteilung von Herrn Roth-Huber). 

Im Tegelbachgebiet enthält die neue topographische Karte 
elf Weiher (sieben Tobelweiher westlich Gachnang, zwei Hof- 
ackerweiher südwestlich Islikon, zwei Mühleweiher südlich 
Islikon), von denen Sulzberger nur einen, Gyger keinen angibt. 

17) Korrektion erfuhren auch bei Anlaß der Thurkorrektion 
der Gilgraben von Horgenbach bis zur Thur und der Bach 
von Ellikon. 


0 


18) Das Gebiet des Lattenbaches bei Neunforn behandelt 
Walser, 8. 30—34. Der Wilersee soll 1836 doppelt so groß 
wie heute und vierbuchtig gewesen sein; er hat Schwingufer, 
ist also am Verlanden. Der Flurname „Weiheracker“ südwestlich 
Wilen deutet aufeine ehemalige Wasserfläche. Der Barchetsee 
scheint seit Gygers Zeit auch bedeutend kleiner geworden zu 
sein. Er ist ein typisches Beispiel eines Quellsees und zugleich 
eines Verwachsungs- und Ueberwachsungssees (Walser, S. 31) 
mit zahlreichen schwimmenden Inseln (Früh und Schröter, 
S. 58). Westlich Entenschieß, gegen die Langmühle hin, sind 
zwei Weiher Gygers, von denen 1836 noch einer bestand, 
ganz verschwunden, während der dritte, mit der kleinen Insel, 
sich „bis heute erhalten hat. 


f. Sittergebiet. 


Unter‘ den thurgauischen Zuflüssen der Sitter hat 
der Lauftenbach! seit 1838 Vergrößerung des Weihers von 
Wiedenhub erfahren (auf zirka dreifache Größe), hingegen 
der Rötelbach westlich Zihlschlacht Verkleinerung des Alten- 
weihers von 1'/a ha auf 1 ha. Neu sind auch der Weiher 
bei Ried und die Entwässerung des Hudelmooses durch Kanali- 
sation 1889 und 1903. Durch keine Karte dokumentiert ist 
die Verlandung des Seewadels nördlich Zihlschlacht. 

Vier kleine Weiher südlich Eberswil sind in der Karte 
von 1836 noch nicht eingetragen. 


&. Murggebiet. 


1) Abfluß des Mooswanger Weihers Seite 100. 

2) Nach den Karten von Gyger und Nötzli muß der Bach 
von Gloten und Sigensee bis ins 19. Jahrhundert bei Münch- 
wilen in die Murg gefallen sein. 1856 war er als „Krebs- 
bach“ nach St. Margrethen verschleppt und zur Verstärkung 
der dortigen Wasserkraft noch ein Kanal von Münchwilen 
her gezogen. Die neuen Karten zeigen diesen Kanal noch 
bedeutend erweitert. „Sigensee“ und das Torfmoor nordwestlich 
Gloten weisen auf ehemalige Weiher hin; mit dem des letztern 
ist vielleicht identisch der Gygersche Weiher mit der Burg 
Gloten am Ufer. 


N Tauften = Lauf = Wasserfall zur Sitter. 


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3) Verschwundene Weiher im Bachgebiet von St. Mar- 
grethen: Westlich St. Margrethen (1668), bei Dreibrunnen 
und Mörikon (1717), drei Weiher bei Dreibrunnen (1836). 


4) Die beiden natürlichen Weiher bei Metzikon, 7 und 
0,5 ha, wurden um 1854 trocken gelest. 


5) Der Mörischwanger Weiher verschwand zwischen 
1717 und 1777; dem Weiherholz südwestlich Heiterschen 
fehlte bereits 1668 die Wasserfläche. 


6) Das Weiherhaus Wängi verlegt Gyger irrtümlich 
auf das linke Murgufer. Der Weiher bestand schon 1717 nicht 
mehr. Der Fabrikweiher östlich Wängi ist neu, ebenso der 
Mühleweiher südlich Matzingen. 

7) Das weite, flache Lauchetal neigt stark zur Ueber- 
schwemmung und Versumpfung.: Schon 1759 wurde stück- 
weise kanalisiert, aber erst im 19. Jahrhundert die Gerade- 
legung der Lauche und Entsumpfung des anliegenden Landes 
energisch durchgeführt; in den 40er Jahren zwischen Kalt- 
häusern und Stettfurt, 1861—-63 in den Gemeinden Lommis 
und Affeltrangen; 1877 Entwässerung des Wallisegger 
Weihers, der übrigens schon 1836 nur Sumpfland war. 
1879 Korrektion der Lauche zwischen Märwil und Affel- 
trangen, Affeltrangen und Lommis, und von Matzingen bis 
zum Murgeinlauf, sowie Verbauung des Tobelbaches von der 
Brücke in Tobel bis zum Mühlewuhr. Neu im Lauchegebiet 
ist der zirka 140 a große Weiher südlich Buch. 1717 
bestand noch ein großer Weiher in der Mitte des Dreiecks 
Lommis-Anet-Anetswil; zu den seit 1836 verschwundenen 
Weihern gehören diejenigen nördlich und westlich Sonnenberg. 

Im Tale von Thundorf wurde seit 1717 der Gerthauser 
Weiher gestaut; er ist heute etwa viermal kleiner als 1836. 


8) Im Lützelmurggebiet ist seit 1720 der Seelmattersee 
eingegangen und seit 1836 der Bichelsee etwas kleiner ge- 
worden, namentlich im östlichen Teil, wohl durch die seither 
durchgeführte Lützelmurgkorrektion. Verschwunden ist der 
Weiher von Haslen und derjenige südlich Krillberg im 
Weihertal; den Hof Weyern zeichnet Gyger mitten zwischen 
zwei langgestreckten Seelein; das eine davon war wohl in 
den Weiherwiesen bei Weierhüsli. Seit 1836 gestaut ist der 
Weiher südwestlich Weiern 


— 109 .— 


1854 beim Bahnbau, Korrektion der Lützelmurg zwischen 
Ifwil und Guntershausen ; 
 1868-—72 Kanalisation im Soor bei Balterswil; 
1890 Kanalisation des Schulbachs in Bichelsee; 
1910 — 11 Entwässerung und Güterzusammenlegung von 
Weiern. 


: Die Bifurkation des Tobelbaches westlich Ettenhausen fehlt 
bei Sulzberger, ist aber schon 1668 durch Gyger verbürgt. 

Pupikofer (Anmerkung zum Gemälde) wirft. die Frage 
auf, ob nicht der Name Eschlikon durch seine Verwandt- 
schaft mit Eschikofen und Eschenz als Ableitung von escansia 
— Landungsstelle auf das Bestehen des ehemaligen Sees im 
jetzigen Ried noch in historischer Zeit hinweise. 


9) Der Langdorferbach aus dem Mühletobel („Horn- 
tobel“ auf dem Sulzbergerschen Plan der Schlacht bei Frauen- 
feld), welcher noch auf der ersten Siegfriedausgabe offen das 
Dorf durchfloß und unterhalb der Militärbrücke in den Widen 
mündete, wurde 1898 von der Schrenze an bis zum Einlauf 
in die Murg unterhalb des Altermattschen Steges gedeckt. 


D. Veränderung an Seelein und Weihern. 


In engem Zusammenhang mit den Bächen stehen die 
kleineren stehenden Gewässer: teils geben sie jenen den Ur-. 
sprung, teils sind sie in deren Lauf durch natürliche oder künst- 
liche Talsperren eingefügt. 


a. Die natürlichen Wasserbecken 


erfüllen meist ehemalige, durch Grundmoränenlehm gedichtete 
Vertiefungen in den Schottern der letzten Risflut. Sie sind 
daher am häufigsten in den Moränengebieten des Winkels 
Pfyn-Andelfingen-Paradies, z. B. die drei Hüttwilerseen, der 
Wilersee, der Barchetsee. Andere sind Restbecken des toten 
Thurtales Wil-Dußnang-Turbenthal, durch seitliche Schwemm- 
kegel und Rutschungen ins Haupttal abgedämmt, wie der 
Bichelsee. 

Sie sind heute wenig zahlreich. Waren sie von den 
Siedlungen abgelegen oder mit ungünstigem Abfluß versehen, 
so blieben sie sich selbst überlassen, und ihre Zuflüsse füllten 


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sie mit Sand, Schlamm oder Kalktuff, oder sie „verlandeten * 
oder „erblindeten“, bald durch Niederschlagsbildung im freien 
Wasser (Sedimentation), bald durch Vordringen des Pflanzen- 
gürtels vom Ufer aus (Verlandung im engern Sinne). Das 
Resultat der Verwachsung ist bei hartem Wasser ein Flach- 
moor mit Binsen, Seggen, Gräsern, Erlen, Birken und Faul- 
baum, bei Ausschluß kalkhaltigen Wassers ein Hochmoor mit 
. Torfmoos, Heidekraut, Wollgras, Sonnentau und dergleichen 
(Früh und Schröter, Seite 11). 

Die Zahl der bereits verlandeten Weiher ist beträchtlich. 
An ihre Stelle ist Sumpf getreten, und die in der Frühschen 
Moorkarte angegebenen 220 ehemaligen und zirka 60 be- 
stehenden thurgauischen Flachmoore dürfen zum größten Teil 
als verlandete stehende Wasser angenommen werden. Sehr 
oft erinnert jetzt nur noch ein Flur- oder Ortsname an das 
verschwundene Wasser, wie bei mehreren „Egelseen“. 

Eine Anzahl natürlicher Weiher ist bei Vermehrung der 
Bevölkerung dem Bedürfnis nach mehr Kulturland zum Opfer 
gefallen: der. Stadtweiher von Dießenhofen wurde in Gemüse- 
gärten, der Metzikerweiher in saftige Grasflächen umgewandelt. 
Streueland sind heute der Stammer, Mooswanger und Paradieser 
Weiher. 

Von natürlichen Weihern sind in historischer Zeit im 
Thurgau 56 verschwunden, die Richtigkeit der Karten voraus- 
gesetzt: 

27 durch Flurnamen als solche bezeugte schon vor 1668; 
26 Weiher der Nötzli- und Gygerkarte fehlen 1856; 
3 wurden seit 1836 trocken gelegt. 


b. Die künstlich angelegten Wasserbecken 


scheinen weniger leicht zu altern als die natürlichen. An 
günstigen Orten zu bestimmtem Zwecke angelegt, werden sie 
überwacht und nötigenfalls vom Schlamm und Verwachsungs- 
gürtel befreit. Zu ihnen gehören: | 

1) Durch Talsperren gestaute und oft durch Ausgrabung 
noch erweiterte Fabrik-, Mühlen- und Feuerweiher. 

Viele von ihnen reichen Jahrhunderte zurück (siehe 
Seite 112); andere verdanken ihr Dasein dem Aufschwung 
der Industrie im 19. Jahrhundert. 


— 111 — 


Die größten künstlichen Weiher sind: 
die Weihertreppe in Gottshaus-Hauptwil mit zirka 22 ha 


die 3 Bommerweiher - EAU LE 
die 3 Geißbberger Weiher b. Bätershausen - pe 
der Bießenhofer Tea 
der Emmerzer Ha 
die 2 Fimmelsberger 4 - 
der Hörmoser Weiher 31/8 - 


Die Veränderungen, welche diese Weiher in Zahl und 
Größe während der letzten 80 Jahre erfahren haben, sind 
bei den Bächen, Seite 92—-109, angegeben. 16 sind seit 
1836 verschwunden; 83 der heute bestehenden fehlen noch 
der Swizbergerkarte. Viele hat der Rückgang der Müllerei 
eingehen lassen (Wuppenau, Kemmen, Harenwilen), während 
hinwiederum für größere Betriebe der Neuzeit solche gegraben 
(Wängi, Frauenfeld) oder alte vergrößert wurden (Bießen- 
hofen, Bätershausen). 

2) Ebenfalls durch Stauung erhaltene Wasserbecken, die, 
nur im Winter gefüllt, dem Schlittschuhsport oder der 
Eisgewinnung dienen, gehören alle der neuesten Zeit an 
(S. 121) und finden sich vornehmlich in der Nähe größerer 
Ortschaften: Eisfeld Aumühle, Hasli, Weinfelden, Amriswil, 
Bischofszell usw. 

3) Verteidigungszwecken dienende Wasserbecken der sog. 
Weiherhäuser von Wängi, Hagenwil und Luxburg (siehe 
8. 122). 

4) Gegrabene Kleinformen von geringerer Bedeutung 
‘wie Hanfrosen, Torf- und Lettlöcher und ins Grundwasser 
reichende Kiesgruben. 

Die Hanfrosen, oft nur wenige Quadratmeter messend, 
gehören mit dem Hanf- und Flachsbau der Vergangenheit an; 
die Torflöcher wachsen regelmäßig wieder zu; nasse Lehm- 
und Kiesgruben bilden lästige Nebenerscheinungen der be- 
treffenden Betriebe und ot womöglich mit Abraum aus- 
gefüllt oder der Verwachsung überlassen. 

Ausnahmsweise ist eine derartige Anlage zur Verschöne- 
rung der Landschaft erhalten und zum Teil umgestaltet 
worden: 

Im Jahre 1891 wurde ein großes Areal des Stacherholzes 


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bei Arbon ausgegraben, um Material zum Ausfüllen des 
sumpfigen Baugrundes für die Stickerei Heine & Co. zu be- 
kommen. Durch Hineinleiten des Fallentürlibaches verwandelte 
man das „Loch“ in einen zirka 21/2 ha großen Weiher, der 
aber nach und nach ein im Sommer übelriechender Sumpf 
zu werden drohte, so daß der Besitzer vor die Alternative 
gestellt wurde, entweder den Weiher zu reinigen oder ihn 
aufzufüllen. Mit großen Kosten, an welche die Gemeinde einen 
Beitrag leistete, wurden im Winter 1913/14 die Reinigung 
durchgeführt, Zu- und Ablauf durch Schleusen reguliert, die 
Ufer befestigt und mit schönen Spazieranlagen versehen, so 
daß jetzt der Weiher mit dem daranstoßenden Waldpark des 
Verschönerungsvereins eine Zierde des Quartiers bildet (Mit- 
teilung von Herrn A. Oberholzer). 


E. Wirtschaftliche Benutzung des Wassers. 


a. Zu industriellen Zwecken. 


In unserm zerschnittenen Hügelgelände mit dem regen- 
reichen Klima hat das fließende Wasser von alters her eine 
bequeme und billige mechanische Triebkraft geliefert, zunächst 
zum Mahlen des Getreides, später auch zum Sägen des Holzes, 
zum Pressen des Oels, zum Hanfreiben, zum Lohestampfen u. dgl. 

Die Arbeit war bis ins 19. Jahrhundert hinein meistens 
Saisonarbeit, gebunden an die schwankende Wassermenge und 
an die Zeiten, da Rohstoff‘ zur Verfügung stand. Es gab 
Mühlen, die nur wenige Monate des Jahres in Tätigkeit waren. 

Um sich von der Wasserführung der Bäche etwas un- 
abhängiger zu machen, legten die Müller an geeigneten Orten 
Wassersammler an, meist durch Talsperren kleinen Formats — 


als Schutz vor Wassermangel — oder sie leiteten das Wasser 
durch Kanäle von bestimmtem Profil und regulierbarer Füllung 
vom Flusse oder Bache her — als Schutz vor Hochwasser- 
schaden. 


Solehe Vorriehtungen finden sich schon in den Karten 
des 17. und 18. Jahrhunderts eingetragen: 
1) Künstlich gestaute größere Mühleweiher: 
a. Auf Gygers Grundriß der Herrschaft Wynfelden 1663: 
Der große Weier zur Kemmenmühle und östlich davon 
ein „alter Weyerdamm.* 


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b. Auf der Karte von Gyger 1667: 
Der Harenwilersee für die Hüttlinger Mühle; 
- der Fimmelsberger Weiher mit Kanal nach Griesenberg; 
der Bannholzweiher bei Lustdorf für die Mühle von 
Aufhofen ; 
die drei Neunforner Weiher für die Langmühle. 
ec. Auf den Karten von Nötzli 1717 und 1720: 
Die Gottshauser Weiher für die Mühle von Hauptwil; 
die Wuppenauer Weiher für die Mühle im Hugentobel; 
die Bommerweiher für die Mühlen im Kemmental 
(Fig. 25); 
die Geißberger Weiher für die Mühlen am Schoder- 
bach (Fig. 25). 
2) Mühlekanäle, sogenannte Mühlgräben oder Mülli- 
bäche:. 
Am Geißlibach bei Basadingen, Willisdorf, Rottmühle und 
Dießenhofen (1667). 


An der Murg: 


a. Von Wiezikon über die Sirnacher Mühle nach Hofen 
A7ım; 

b. vom Königswuhr zum Schloß Frauenfeld (1667) und 

c. von gleicher Stelle über die Gerbe nach Kurzdorf 
dig). 

Historisch lassen sich letztere beiden Kanäle bis zum 

Jahr 1403 hinauf nachweisen (Schaltegger, Bauliche Ent- 
 wieklung von Frauenfeld, 8. 23). 


An der Thur der „Bülibach“ (wohl eher Müllibach!) von der 
Sulger Au über Bürglen und Sangen bis Busnang (Gyger 1637). 
Er war vielfach Gegenstand des Streites wegen Wiederher- 
stellung nach Hochwassern zwischen dem Bürgler und dem 
Weinfelder Müller (Wälli 8. 163). Er fiel endgültig den großen 
Ueberschwemmungen der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts 
zum Opfer, und die Karte von Häckli 1810 zeichnet ihn nur 
noch bis Bürglen, dafür einen neuen von der Brücke im 
Thurrain über die Weinfelder Mühle bis unterhalb Amlikon. 
Dieser Kanalbau fällt zusammen mit dem Bau der neuen 
Mühle. 1776 verkaufte Zürich die alte Sangenmühle auf 
Abbruch, während die Säge an den Gießen verlegt wurde. 
1782 —1784 baute die Gemeinde Weinfelden an neuer, weniger 


) 


— 114 — 


gefährdeter Stelle eine Mühle, zu welchem Zweck 1783 der 
neue Wasserkanal gegraben wurde. (Weinfelder Chronik, 
Wälli, 8. 113, 185 und 306). 

Im Kemmental der Mülibach zur Tütschenmülli (Gygers 
. Grundriß von Wynfelden, 1663). 

An der Goldach der Kanal von der Bruggmühle bis nach 
Horn el: 


Die Müllerei war stets ein unentbehrliches Hilfsgewerbe 
der Landwirtschaft, und jede Wirtschaftseinheit (Kloster, Stadt, 
Dorf, Hof, Grundherrschaft) mußte über mindestens eine Mühle 
verfügen. 

Der Mühlenweg war ein öffentlicher; für den von Frauen- 
feld war sogar eine Mindestbreite vorgeschrieben, so daß ein 
mit einem vollen Sack beladenes Pferd einem andern gut 
ausweichen konnte. Im Mittelalter hatten die Mühlen be- 
sonderen Rechtsschutz, den „Mühlenfrieden“, als Ausdruck 
des außerordentlichen Wertes, den sie als die einzigen tech- 
nischen Einriehtungen von Bedeutung damals für Eigentümer 
und Allgemeinheit hatten (R. Keller, Seite 11 u. 31). 

Es gab im Thurgau nur Kundenmühlen. Der Müller mahlte 
um Lohn; er hatte mit Pferd und Karren bei den Bauern 
das Korn abzuholen und ihnen das Mahlgut zurückzustellen, 
falls sie nicht vorzogen, das Getreide selbst zu bringen, um 
den Mahlprozeß zu überwachen. In der Mahlsaison drängten 
sich die Leute in der Regel vom frühen Morgen an in der 
Mühle, um dann der Reihe nach bedient zu werden: „Wer 
zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Uebrigens konnten Grundherr, 
Meier und Keller das Vormahlrecht beanspruchen. 

Von der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an waren die 
Mühlen sog. Ehehaften wie die Wirtschaften, Bäckereien, 
Schmieden und dergl. 


Unter Ehehafte verstand man ein Nutzungs-, meist 
Gewerberecht, das an einem bestimmten Grundstück haftete 
und von der Obrigkeit verliehen wurde. Seen, Flüsse und 
Bäche gelten als öffentliches Gut, soweit nicht alte Privat- 
rechte nachgewiesen waren, und die Anstößer konnten darum 
über Wasser und Wasserkraft nicht frei verfügen. Das 
Wiesenwässern z. B., das damals mehr als heute geübt wurde 
(siehe Seite 120), war nur soweit gestattet, als es dem Müller 


— 115 — 


nicht schadete, und vor andern Triebwerken hatten die Mühlen 
den Vorrang (R. Keller, Seite 61—67). 

Nach dem thurgauischen Ehehaftengesetz von 1322 war 
für die Konzession eines Wasserrechtes eine einmalige Gebühr 
von 25—150 Gulden zu bezahlen, je nach Kapitalwert und 
Ertrag des Gewerbes. Außerdem mußte für jedes Wasserrad 
ein jährlicher Wasserzins von |-—6 Gulden entrichtet werden. 
Im Jahre 1825 zählte der Thurgau auf 450 Einwohner eine 
- Mühle, im ganzen 168 mit 538 Wasserrädern. Dabei bedeutete 
aber nicht jedes Wasserrad auch einen Mahlgang. Fast jede 
Mühle hatte noch Nebenbetriebe. So fand man in der Wein- 
felder Mühle neben den vier Rädern für die vier Mahlgänge 
noch je ein Rad für eine Nußmühle, eine Relle, eine Säge, 
eine Hanfreibe, eine Flachsbläue und eine Lohstampfe (R. Keller, 
Seite 109). Die Rheinmühle in Konstanz hatte 13 Mahlgänge, 
dazu noch Stammholzsäge, Lohschneide und Walkwerk. 

In der Regel verfügten die alten Bauernmühlen über vier 
Mahlgänge: einen Gerbgang zum Reinigen der Frucht und 
zum Brechen von Hafer und Bohnen, einen Weißgsang für 
Weißmehl, einen Mahlgang zum Griesen und Schroten und 
einen Mahlgang zum Ausmahlen — gewöhnlich im Erd- 
geschoß; darüber waren die Wohnräume des Müllers. Eine 
solche Mühle konnte von einem guten Holzarbeiter oder 
Mühlenmacher zusammen mit einem Schmied neu erstellt 
werden (Öttiker, Seite 23). Der Thurgau zählte 1828 238 
Müller und 33 Mühlenmacher. 

Die alten Mühlen waren Steinmühlen, deren Mahlsteine 
oft aus einheimischem Material, geeigneten Findlingen, z. B. 
Verrucanosandstein, herausgemeißelt oder zusammengesetzt 
wurden. Noch heute liegen da und dort solche Mühlsteine 
herum als Zeugen von damals. Das Mahlgut mußte stark 
angefeuchtet werden, und die Ausbeute war dunkles Brotmehl 
neben wenigen Prozenten Weißsmehl. Seit Ende der 20er Jahre- 
des 19. Jahrhunderts arbeitete sich ein neues Mahlverfahren 
empor, die Walzenmüllerei. Sie ist eine spezifisch schweize- 
rische Erfindung, zu deren Vervollkommnung Ingenieur Sulz- 
berger in Frauenfeld vieles Wesentliche beigetragen hat (8. 25). 
Nach seinem System wurden die Walzmühle in Frauenfeld 
und je eine Dampfmühle in Venedig, Budapest und Prag ein- 
gerichtet, die aber die darauf gesetzten Hoffnungen nicht 


ee 


erfüllten, hauptsächlich weil sich die Walzen rasch abnutzten, 
ungleich rund und unbrauchbar wurden. Seit den 50er Jahren 
haben sich beide Verfahren sehr wesentlich vervollkommnet; 
die Walzenmüllerei aber gewann Vorsprung und hat heute 
die Steinmüllerei verdrängt. Sie liefert feineres, weiberes und 
reineres Mehl als alle andern Mahlverfahren (Ottiker, 8. 23 
bis 26). 

Unterdessen machte aber die Müllerei noch eine weitere 
Wandlung durch: Mit dem Rückgang des Getreidebaus und 
der Steigerung der Einfuhr fremden Getreides verloren viele 
Mühlen ihre Kundsame, und manche von ihnen ging aus Mangel 
an Arbeit ein. Nur Mühlen in guter Verkehrslage mit aus- 
reichenden Wasserkräften und Geldmitteln richteten sich nach 
und nach besser ein; sie wurden zu großen Handelsmühlen, 
d. h. modernen drei- bis vierstöckigen Mehlfabriken. 

Den immer mehr um ihre Existenz kämpfenden Lohn- 
mühlen kam die in die gleiche Zeit fallende rasche -Entwick- 
lung anderer Industriezweige insofern zu gut, als manche von 
ihnen eher verwertet werden konnte. 


An den Stellen, wo teilweise wohl schon im 8. Jahr- 
hundert Mühlen entstanden, haben sich solche meist bis in unsere 
Tage hinein erhalten, sofern Platz und Wasserverhältnisse 
mit richtigem Blick ausgewählt worden waren. Manche freilich 
sind verschwunden, und auf der Karte von 1836 treffen wir 
eine Anzahl Flur- und Ortsnamen, die das ehemalige Dasein 
von Mühlen bezeugen: 

Die Schlechtenmühle südöstlich Weinfelden, welche 
schon dem Gygerschen Grundriß 1663 fehlt, bestand wahr- 
scheinlich an dem Thurarm, der früher den Lauf dem Otten- 
berg entlang hatte, und an einer andern Thurschlinge mag 
1475 Kysen a.d. Thur (Pupikofer, Geschichte des Thurgaus 
II, S. 16) gelegen haben, das zwischen Hüttlingen und Pfyn 
genannt wird. 

im Mühletobel bei Frauenfeld muß die Mühle in der 
Schrenze gestanden haben, da auf der Müllerschen Karte und 
noch auf einem Sulzbergerschen Plane die Umgebung des 
„Guggenhürli“ mit Mühletobel, das ganze Tälchen dagegen mit 
Horntobel bezeichnet ist. 

Bei der untern Badstube in Weinfelden war im 16. Jahr- 


— 111 — 


hundert eine große Mühle mit Stauweiher in der Büntwiese 
(Weinfelder Chronik 1509). 

Längst eingegangen sind ferner die Tobelmühle bei 
| Eochom, die Hubmühle nördlich Mühlebach, die Mühle 
Riet bei Zihlschlacht, die Daubenmühle am Neuburger- 
tobelbach bei een 

Im Aeuli fand man beim Bau der Fabrik Jakobstal einige 
Mühlsteine. Die Mühle sei von der. Murg weggerissen und 
nachher nieht mehr aufgebaut worden, weil der Müller von 
Matzingen die betreffende Ehehafte erworben habe, um sich 
von der Konkurrenz zu befreien (Pupikofer, Nachträge). 

Die 168 Mühlen des Jahres 1825 hatten sich in den ersten 
Jahrzehnten der Gewerbefreiheit noch beträchtlich vermehrt, 
so daß’in den 60er Jahren etwa 180 solcher das einheimische 
Getreide verarbeiteten. 

Die Karte, Figur 20, nach Erkundigungen in den ver- 
schiedenen Landesgegenden und unter Benutzung einer Zu- 
sammenstellung der thurgauischen Wasserkräfte durch die 
Staatskanzlei des Kantons Thurgau gezeichnet, zeigt den heutigen 
Stand dieser Mühlen. Es fristen noch 23 Bauernmühlen 
kümmerlich ihr Dasein. 44 haben sich als Frucht- oder 
Futterbreehen der modernen Futterwirtschaft angepaßt: 
Meist nur noch mit einem einzigen Mahlgang werden Mais, 
Roggen, Gerste, Hafer und Fäsen (die vollen Aehrchen des 
„Korns“, Tritieum Spelta) grob gemahlen als Futter für Vieh, 
Schweine und Geflügel, oft nur für den Gebrauch in der eigenen 
Wirtschaft. Bereits stellen auch diese nach und nach ihre 
Tätigkeit ein wegen Konkurrenz der Genossenschaftsmostereien, 
die in ihrer toten Zeit auch Futterartikel mahlen und weil 
die Bauern vielfach, durch den bequemen elektrischen Betrieb 
veranlabt, sich selbst mit einer Futterbreche versehen. 

Neun Mühlenbetriebe, in Bischofszell, Bottighofen, Bürglen, 
 Egelshofen, Hasli - on een, Mörikon - oa 
Rickenbach und u aelen entwickelten sich zu modernen, 
großen Handelsmühlen. 

Alle übrigen sind eingegangen oder in andere Bere 
verwandelt. 

Ueber die Verbreitung der Mühlen läßt sich aus der 
Karte folgendes erkennen: 

Im westlichen Kantonsteil (Dießenhofen, Neunforn, Hütt- 


-— 118 . — 


wilen), der sich infolge geringer Niederschläge noch am ehesten 
für Getreidebau eignet, sind am meisten, d. h. acht, Bauern- 
mühlen erhalten geblieben. Andere finden sich im Thurtal 
von Pfyn bis Bischofszell (sieben), bei Amriswil (zwei) und 
am Nordhang des Seerückens von Eschenz bis Altnau (vier). 
Im gesamten Murggebiet sind sie verschwunden; hier hat, 
mit Ausnahme des Lauchetals, das Vorwalten der Stickerei 
sogar die Fruchtbrechen entbehrlich gemacht. 

Die Großmühlen sind nicht auf die Produktion des Um- 
seländes angewiesen; für ihre Verteilung (fünf im Thurtal, 
zwei bei Kreuzlingen-Konstanz, drei im hintern Thurgau) sind 
ausschlaggebend Verkehrslage, Wasserkraft und Absatzmög- 
lichkeit. 

Die Fruchtbrechen sind am häufigsten im Gebiet vor- 
waltenden Gras- und Obstbaus (Bezirk Arbon 11); im hintern 
Thurgau fehlen sie. 

Meistens sind die mit den Mühlen verbundenen Säge- 
reien erhalten geblieben; ja vielfach wurde in Verwendung 
der Wasserkraft eine neue Säge eingerichtet, so daß sich die 
Zahl der Wassertrieb-Sägereien heute auf 68 beläuft. 

Von den vier Papiermühlen der Sulzbergerkarte, Stein- 
bach bei Eschenz, Bottishofen, Aadorf und Degenau, besteht 
keine mehr; dafür ist in Bischofszell ein Großbetrieb entstanden. 


Die Oelmühlen sind sämtlich eingegangen, seit die Reps- 
felder die Frühlingslandschaft nicht mehr vergolden, der Flachs- 
bau eingestellt wurde und die „Rollen“ (Mohn) auf wenige 
kleine Parzellen sich reduzierten. Die letzte „Oele“ wurde 
1912 bei Amlikon abgebrochen, nachdem sie schon 1896 den 
Betrieb eingestellt hatte. 


Gleichzeitig sind die Hanfreiben verschwunden und die 
Walken an den Großbetrieb der Wollindustriezentren ab- 


gegeben worden. 


Die Lohmühlen teilten das Schieksal ihrer Kunden, der 
kleinen Gerbereien. Die modernen Schuhfabriken unterdrückten 
das überall verbreitete Schuhmacherhandwerk und damit auch 
die Kleingerberei. Der Thurgau hat heute nur noch fünf 
Gerbereien, sämtlich mit Großbetrieb: Frauenfeld (44 Arbeiter), 
Arbon (19 Arbeiter), Andhausen (9 Arbeiter), Matzingen und 
Oberaach. 


— 119° — 

Ueber die Verwendung des Wassers in der modernen 
Industrie lassen sich nur schwer allgemeine geographische 
Gesichtspunkte gewinnen. Die alten Kleinbetriebe mieden 
der Hochwassergefahr wegen die großen Flüsse; sie bevor- 
zugten die Bäche und fanden dabei die wohltätige Dezentrali- 
sation, die ziemlich gleichmäßige Verteilung über das sie be- 
‚nötigende Land. Die heutige Großindustrie kann sich nicht 
mit kleinen Kraftmengen begnügen; sie überläßt diese den 
aus dem Handwerk zur Kleinfabrik sich emporringenden Be- 
trieben, der Schlosserei, Schreinerei, Käserei etc. und sucht 
die Kraft unter Anlage einer Dampf- oder elektrischen Reserve 
an Thur und Murg. Die Verwendung der Rheinenergie fehlt 
zurzeit völlig, nachdem die Mühlen in Konstanz und Dießen- 
hofen und die Sägen im Werd und oberhalb Dießenhofen 
eingegangen sind. 

Nach den Erhebungen der thurgauischen Staatskanzlei 1913 
sind zurzeit die größten es 


Papierfabrik Bisehofszell . . . . .,600 PS 
Kammgarnspinnerei Bürglen. . . 3350 PS 
Seidenweberei Schönenberg . . . 230 PS 
Zwicnerein Murkatt ı% 2... 8 100,8 
Weberei Weinfelden. ..: . .. .... 140. PS. 
Vigognespinnerei Pfyn . . 120-528 
Schuhfabrik Frauenfeld ea)  NEIKSHIEIS 
Mühle Sitterbrücke-Bischofszzell . . 100 PS 
Dlebereit Kurzdort 2.2... .,100508 
Der kleinste Wasserkraftverbrauch — durch Futterschneide, 
Waschmaschine u. dgl. — lehnt sich an die Wasserversor- 


gungen an. 


b. Zu landwirtschaftlichen Zwecken. 


Die frühere Viehwirtschaft mit dem Weidebetrieb verfügte 
über wenig Stalldünger. Dieser war dringend nötig für Pünt 
und Reben, so daß zur Ertragssteigerung der Wiesen nur 
das Wasser übrig blieb. In trockenen Sommern war übrigens 
das letztere auch wertvoll für Krautgarten und Pünt. So 
waren denn weit ins 19. Jahrhundert hinein die Wiesen von 
'Wassergräben durchschnitten, deren Inhalt zeitweilig durch 
Stauschleusen („Fallen“) dem benachbarten Bache entzogen 


— 120° — 
wurde, und überall regelten verbriefte Rechte und von den 
Behörden aufgestellte Ordnungen und Verbote den Wasser- 
verbrauch. Beispielsweise erwähnt Wälli S. 24. 26 und 41-43 
verschiedene solche auf Weinfelden bezugnehmende Wäs- 
serungsbriefe aus dem 16.—18. Jahrhundert. 

1) Ueber den Dorfbach 1539: Vom Gemeindhaus abhin 
hat die Herrschaft das Wasser vom Dienstag am Morgen bis 
am Mittwoch zu Mittag. In der übrigen Zeit mag jeder ein 
Teil nehmen, so weit das Wasser langen mag, und so man 
die Wasserschwelle bei der Badstube abläßt, soll auch jedem 
ein Teil gehören. So der Bach ausgefüllet, sollen sie alle 
helfen, die am Wasser hand, den Bach zu schorren. 

2) Ueber den Bach in .Gontershofen 1541: Die 
Herrschaft hat das Wasser vom Samstag, „so man Feierabend 
lüt“, bis Dienstag morgens. Ferner mag sie dasselbe am 
Donnerstag zu Nacht bis Freitag „mitten Tag Zit“ in die 
langen Wies halb nehmen. 

3) Ueber die Falle am Gießen bei der Steinacht- 
wies zu Gontershofen 1547: Der Vogt Lutz Ulmer im Namen 
der Herrschaft und der Schreiber Josef Bockstorf haben gemein- 
sam eine Falle und jeder einen Schlüssel dazu. Bockstorf darf 
das Wasser nutzen vom Mittwoch Morgen bis Samstag Abend. 
In der übrigen Zeit gehört es der Herrschaft. Das Abwasser 
erhält der Anstößer Güttinger für seine „gsteinet Wies“ und 
nachher noch Aberli Rennhart. „Beide mögen es nutzen so, 
daß dem Gras der Herrschaft kein Schaden geschieht“ und 
zu dem Ende muß Güttinger durch seine Wiese einen Graben 
machen. 

4) Ueber den kleinen Gießen 1554, 1643/1650: Die 
Herrschaft verfügt über das Wasser vom Sonntag Morgen 
„als man Messi lüt“ bis zur Frühmesse am Montag. Das 
Recht der übrigen 16 Anstößer zählt nach Stunden: von 
der Frühmesse um 4"—-10", von 10"—4", von 4? 10% 
abends, von 10"—4" früh usw. 

Die Anstößer sind verpflichtet, den Graben in der Breite 
von 3 Werkschuh alle Jahre richtig zu stellen. 

1705 verteilte ein neuer Brief das Wasser derart, daß es 
die Herrschaft für ihre Pünt 25 Stunden erhielt, die übrigen 
Sechzehn je nach der Größe ihres Grundstückes 7—3 Stunden 
pro Woche. 


— 121: — 


Auf Mißbrauch des Wassers haftete eine Buße von einem 
‚ Louistaler. 
/ Beim Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Weidgang 
im Thurgau. aufgehoben (Weinfelden 1799, Wilen bei Wil 
.1807, allgemein 1810) und da vermehrte Stallmistproduktion 
den Ertrag der Aecker schnell auf erfreuliche Höhe brachte, 
wurden nach und nach auch die Wiesen gedüngt. Damit war 
aber das Wässern nicht vereinbar, da das Wasser die wert- 
vollen Düngstoffe größtenteils wegschwemmt und die Güte 


- des Futters herabsetzt. 


Heute ist die Wiesenwässerung fast ganz verschwunden. 
Für Streueland aber, das seit dem Ueberwiegen der Vieh- 
wirtschaft erhöhten Wert bekam, der vielorts dem der Futter- 
wiesen gleichkommt, wirkt künstliche Wasserzufuhr unter 
gewissen Bedingungen produktionsfördernd. 

So empfiehlt der thurgauische Kulturingenieur in seinem Be- 
richt für die schweizerische Landesausstellung 1914 (A. Weber, 
8. 17) Wässerungsanlagen für einige 100 Hektaren abgelegene 
und wenig bestraßte Streueflächen mit Kiesunterlage und dünner 
Humusdecke, die durch die Hochwasserdämme der regelmäßigen 
Ueberflutung beraubt wurden und seitdem verarmten. 


c. Die Verwendung des Eises. 


Sobald des Winters Frost den Spiegel der Seen und Weiher 

gehärtet hat, belebt sich derselbe von alters her mit dem Jung- 
volk der Umgebung. Während aber früher die Erwachsenen 
mit mehr oder weniger Neid auf das fröhliche Treiben der 
Jugend herabgebliekt haben, ist seit etwa 40 Jahren die 
kräftigende Betätigung auf dem Eise zum Gemein- 
gut von Jung und Alt geworden. 
Dabei genügen die alten Mühleweiher nicht mehr: Jede 
größere Ortschaft sorgt in ihrer Nähe durch Stauung eines 
Bächleins in Wiese oder Riet für ein möglichst ausgedehntes, 
sicheres Sportfeld, wie z. B. Frauenfeld, Weinfelden, Amris- 
‚wil, Bischofszell, Romanshorn, so daß sich über den Winter 
die stehenden Gewässer noch merklich vermehren. 

Nur wenig älter als der allgemeine Eissport ist die Ver- 
wendung des Eises als billiges und bequem anzu- 
wendendes Abkühlmittel in Krankenpflege, Brauerei, 


— 122 — 


Brennerei, Molkerei, Fischhandel, Hotelbetrieb, Metzgerei und . 
Haushalt. 

Etwas vor 1860 in der Nordschweiz eingeführt und z. B. 
schon 1859 am eidgenössischen Schützenfest in Zürich an- 
gewendet, hatte die Eiskühlung lange mit den Schwierigkeiten 
der Eislagerung über den Sommer zu kämpfen, indem die 
verwendeten Strohhütten und Erdlöcher übergroße Verluste 
ergaben. Von Mitte der 60er Jahre an hat man rationelle, 
mit guten Isolierschichten (Sägespäne, Lohe, Stroh, Holzkohle, 
Korksteine) und Abtropfrost versehene Eiskeller und Eisschuppen, 
und heute ist der Bedarf an Eis großartig: Frauenfeld allein 
speichert jeden Winter zirka 1000000 kg — 10000 q auf, 
welche Menge in 500 zweispännigen Wagen aus dem Umkreis 
von 7 km hergeführt wird. Arbon bedarf etwa 4000 q, Wein- 
felden 4500 q, Kreuzlingen-Emmishofen 3500 q, Amriswil 
1000 q. In Ermatingen sind elf Geschäfte, welche Eis brauchen: 
Fischhändler, Metzger, Käser und Wirte; ihr Bedarf ist jähr- 
lich zusammen 305 lan une a 20 4 —=,610059 Am 
meisten brauchen die drei Fischhandlungen. 


Da diese Ortsgruppen etwa zwei Siebentel der ee * 


ischen Bevölkerung umfassen und sämtliche Bierwirtschaften, 
die meisten Konditoreien, viele Metzger und die Spitäler starke 
Eiskonsumenten sind, darf der Jahresverbrauch an Eis im 
Thurgau auf 80000—90000 q geschätzt werden. 
Der Bedarf wird in einigermaßen günstigen Wintern aus 
den Weihern gedeekt, in den Seegemeinden auch vom See 
her; da und dort sind besondere Eisgerüste mit Spritzapparaten 
in Tätigkeit, und in außergewöhnlich frostarmen Wintern er- 
sänzen Kunsteis und Import, z.B. vom Klöntalersee und von 
Davos, den Ausfall. In Frauenfeld stellen sich 100 kg Natur- 
eis auf 70--80 Rappen, 100 kg Kunsteis auf etwa 2 Franken. 


F. Das Wasser als Schutzwehr. 


Wo die Ritterburgen und Herrensitze statt auf kühnem 
Bergsporn, durch Fels und Sehlucht geschützt, im Flachlande 
angelegt werden mußten, suchten sie in wassergefüllten Gräben 
Sicherheit vor feindlicher Ueberraschung: 

Die Güttinger Kachelburg stand im See; das Schloß 
Gottlieben war von einem Wassergraben umgeben, den erst 


a ge 


Prinz Napoleon in den 30er Jahren ausfüllen ließ. Das 
„Weiherhaus“ in Wängi hat wenigstens seinen Namen in 
‚ die Gegenwart gerettet, und das Schloß Hagenwil ist heute 
noch als mittelalterliches Denkmal die „ Weiherburg“ mit wasser- 
gefülltem Burggraben und Zugbrücke. Ein Weiherhaus muß 
' auch die Luxburg eine Zeitlang gewesen sein, nachdem die 
Anschwemmung der Aach ihre Insel mehr und mehr land- 
fest gemacht hatte. 

Schon längst spielt der Wasserabschluß im Thurgau — 
- außer durch Rhein und See — keine militärische Rolle mehr. 


G. Quellen und Grundwasser. 


“ a. Quellen und Sümpfe. 


Zum Ursprung der fließenden Gewässer emporsteigend, 
gelangen wir an die Stellen, wo das Grundwasser aus dem 
Boden dringend Quellen, Quellsümpfe, nasse Wiesen und 
eigentliche Moore bildet. 

Die Quellen hat J. Engeli erschöpfend behandelt (Heft 20 
dieser Mitteilungen), so daß in bezug auf dieselben ohne 
weiteres auf dessen gründliche Arbeit verwiesen werden darf. 
Er berichtet auch über das Verdrängen der früher allgemein 
verbreiteten Sodbrunnen oft sehr fragwürdigen Charakters 
durch die vielen Wasserversorgungen mit Laufbrunnen, Hy- 
dranten und Wasserhahnen in Küche, Keller, Stall und Garten, 
als Spiegelbild des wachsenden Wohlstandes und vermehrter 
Gesundheitspflege. Ihre allgemeine Einführung bedeutet tief- 
einschneidende Veränderungen, die sich im Kanton vollzogen 
haben; dennoch müssen sie hier außer acht fallen, weil sie 
sich in den Karten nicht ausdrücken — höchstens noch durch 
die Reservoire und das Verschwinden einzelner Quellsümpfe. 

Betreffend Sümpfe verweise ich auf die klassische Arbeit 
„Moore der Schweiz“ von Früh und Schröter, deren Karte die 
ehemaligen und die bestehenden Moore des Thurgaus angibt. 
Um die Zahl der verschwundenen Sümpfe festzustellen, wäre 
eine bloße Vergleichung der alten und neuen Karten nicht 
angängig gewesen, da Sulzberger und seine Vorgänger die- 
selben nur zum kleinen Teile kartierten. Früh (Seite 249) 
benutzte vielmehr neben Untersuchungen im Gelände und 
floristischen und landesgeschichtlichen Notizen hauptsächlich 


— 124 — 


die Flur- und Ortsnamen, die auf ehemaliges nasses Land 
hinweisen und die in der Regel recht zuverlässige Dokumente 
darstellen. 


b. Das Grundwasser. 


Das Grundwasser hät im Thurgau eine tiefgreitende Be- 
deutung. Wegen der weithin verbreiteten undurchlässigen 
Grundmoränendecke liegt es fast überall hoch, und der thur- 
gauische Kulturboden stand von jeher im Rufe eines zähen, 
kaltgründigen, nassen Bodens, der nur geringer Erträge fähig 
sei. Die Nässe wurde schon in früheren Jahrhunderten best- 
möglich bekämpft, wie die vielen tausend offenen Gräben in 
Feldern und Wiesen beweisen, und die allgemeine Not 
dokumentiert sich auch dadurch, daß der Thurgau den übrigen 
Schweizerkantonen in der rationellen Entwässerung durch 
Drainage voranging. 

Solche Meliorationsarbeiten waren bitter notwendig, als 
um die Mitte des 19. Jahrhunderts der Aufschwung von Verkehr, 
Handel und Gewerbe gebieterisch bessere Bodenrendite ver- 
langte. Den Anfang machte 1840/41 das Schloßgut Kastell; 
ihm folgten die großen Güter von Kreuzlingen, Moosburg, 
Liebenfels, Gündelhart ete., und von 1854 an, da ein zeit- 
gemäßes Flurgesetz unterstützend eingriff, auch kleinere 
Betriebe. 1862 waren schon über 50 Drainagen ausgeführt 
und dadurch gegen 2000 ha entwässert worden (J. Kopp, 1865, 
Seite 105—126), allerdings nicht alle in rationeller Weise 
für dauernden Erfolg (zu geringe Tiefe, schlechte Lagerung 
und geringe Röhrenqualität). 

Seit 1885 ist ein besonderer kulturtechnischer Dienst ein- 
geführt, und 1908 wurde die Stelle eines eigenen Kultur- 
ingenieurs geschaffen. Da zugleich Kanton und Bund unter- 
stützend eingriffen, machte die Melioration weitere Fort- 
schritte. 1885 — 1912 wurden 33 große Drainagen ausgeführt, 
20 reine und 14 mit Kanalisation kombiniert. Die Resultate 
werden als gut bis sehr gut bezeichnet (A. Weber, Das Boden- 
verbesserungswesen im Thurgau, Bern 1914). 


! J. Kopp erwähnt in seiner Anleitung zur Drainage Seite 12 
ein oberthurgauisches Gut, bei dem die Messung auf 19 Jucharten 
Land 1°/ı Jucharten Gräben ergab, also Verlust an nutzbarem Land 
nahezu 10 %o. 


— 125 — 


Neben der Drainage fand auch weitere Trockenlegung 
‚durch Kanalisation statt, hauptsächlich, weil diese leichter 
‚ auszuführen ist. Sie steht aber der richtig durchgeführten 
Drainage nach, weil die offenen Gräben viel Land der Nutzung 
entziehen, und weil sie Reinigungsarbeiten und selbst Brücken 
nötig machen, auch das Tagewasser allzurasch abziehen. Als 
‚heute noch entwässerungsbedürftig bezeichnet A. Weber (8. 16) 
5000 ha Kulturland und über 2000 ha Moorboden. 

Mit den Hochständen im Grundwasser während außer- 
ordentlichen Regenperioden hängt auch noch zusammen: 

1) im schwach geneigten Boden ein langsames Absinken 
des Erdreichs, das oft nur dezimeter-, oft aber meterweit 
geht und als Erdkriechen, Solifluktion, bezeichnet wird. An 
Grashalden wird dabei oft der Rasen buckelig vorgetrieben 
oder es schiebt sich die Rasendecke über eine Stützmauer 
weg oder verengt den Straßengraben, wie es in der Gegend 
von Herten bei Frauenfeld, wo der Rasen auf Mergel und 
Sandstein lagert, häufig zu sehen ist. 

2) bei steileren Böschungen das plötzliche Absinken des 
Erdreichs, der Erdrutsch. Dieser heißt im südlichen Kantons- 
teil „Läui“, und in habituellen Rutschgebieten treffen wir 
auf bezügliche Orts- und Flurnamen:: Leuberg südlich Hosen- 
ruck, Leuenhaus westlich Hackborn Leuenwald ob Ochsenfurt, 
 Leue am Fuße des Burgstockes östlich Weinfelden, Leienberg, 
der alte Name für St. Pelagiberg dürften so zu deuten sein.! 

Mit „Erdschlipf“ hängen zusammen: Schlipfenberg nörd- 
lich Weinfelden, Schlipf westlich Jakobstal-Wängi. 

In ähnlicher Weise deutet der Name Bleike, d.i. bleiche, 
helle Stelle am Berghang, auf Rutschungen: Bleiken, Dorf 
südöstlich Sulgen, Bleike, Bleiche, Hof zwischen Au und Otten- 
egg, Bleiche, Flurname östlich Rheinklingen, vielleicht auch 
Bleichehöfli, jetzt Bleiche westlich Unterhörstetten und Bleien- 
hof südlich Güttingen. 

Bekannte Rutschgebiete sind: die Bütschhalde südlich 
Oberwangen, wo Nagelfluhbänke in Bewegung ‘geraten. Der 
Höllwald unter Hohlenstein östlich Allenwinden, die Abhänge 


! Am Untersee hat das Wort Leue, Leie, Laye einen andern 
Sinn; man bezeichnet damit die bei Niederwasser hervortretenden 
Kiesbänke bei Eschenz, wohl vom mittelhochdeutschen leie, lei = 
Fels, Stein (Fig. 11). 


-— 126 — 


bei Dußnang, wo indes Schlipfe durch Vorsicht beim Ab- 
holzen auf ein geringes Mal zurückgeführt werden könnten. 
Die Rheinhalde von Wagenhausen bis zum Rodenbrunnen- 
Dießenhofen. Im Sittergebiet am Altenrain, bei Oberegsg, 
am Osterwalder Rain, wo die ganze Halde in Bewegung 
ist und zeitweise Schlammströme hervorquellen, und bei Ober- 
buch, wo nach dem Hochwasser vom Januar 1914 etwa 3 ha 
ins Rutschen gerieten. 

Nach dem Hochwasser von 1876 wurden Rutsch-Entwässe- 
rungen (Fig. 21) nötig in Kalchrain, Herdern, Tellen-Hohen- 
tannen, Jakobstal und am Immenberg, 1913 in Liebenfels. 
Durch Verbauung kamen zum Stillstand die Rutschungen im 
Wellhauser Mühletobel und im Krätzerntobel bei Hüttlingen. 

Ein interessantes Ergebnis hatte ein Erdrutsch der letzten 
Jahre im Griesenberger Tobel: Indem ein im Mittelalter ver- 
grabener Schatz durch den Rutsch zutage gefördert wurde, 
konnten mehr als 1000 Silbermünzen aus dem 14. Jahrhundert 
von der Halde abgelesen werden. 

Im gleichen Tobel ist auch ein Felssturz: zahlreiche bis 
über 20 m? messende Sandsteinblöcke sind von der Steilwand 
abgestürzt, der letzte größere im Winter 1912/13. 

Die Grundwasserströme in den mit Kies gefüllten alten 
Flußtälern haben im Thurgau bis jetzt noch wenig Beachtung 
sefunden. Sie dürften indes in der Zukunft wichtig werden 
für Wasserversorgungen. Bereits pumpt Frauenfeld in Murkart 
aus einer vom Thunbachtal her unter der Fuchsbergmoräne 
durchziehenden Grundwasserströmung den größten Teil seines 
Trink- und Brauchwassers, und die Riesenquelle von Kundel- 
fingen ist nach Professor Heim der Ausfluß des im alten Tal- 
lauf Stammheim-Paradies strömenden Grundwassers. 


H. Rückblick und Ausblick. 


Die Gewässerkarte Fig. 21 zeigt nach den einschlägigen 
Plänen des thurgauischen Baudepartements, des Kantons- 
geometers und des Kulturingenieurs die Aenderungen an den 
Gewässern, welche mit kantonaler und eidgenössischer Unter- 
stützung und unter Aufsicht der Regierungsorgane, also zweck- 
dienlich, in den letzten Jahrzehnten ausgeführt wurden. 

Außerdem registriert sie die alten durch Talsperren erzeugten, 


— 27 — 


die seit 1837 neu gestauten und gegrabenen, sowie die er- 
'losehenen und trocken gelegten Weiher. 

' Die Umformungen der Gewässer sind über den ganzen 
Kanton verbreitet, am intensivsten durchgeführt in den dicht- 
bevölkerten Gegenden; sie erfolgten eben als Ausdruck der 
intensiven Bodenkultur, der Reduktion des Oed- 
landes. Sie bestehen wesentlich in Entwässerung, in Ufer- 
schutz, Schutz der Einzugsgebiete und Kürzung der Lautlänge. 

Die gründliche Ausnützung des vorhandenen Kulturbodens 
ist die notwendige Folgerung der stetigen Vermehrung des 
Volkes und des steigenden Nahrungs- und Erwerbsbedürfnisses. 
Die Schutzmaßregeln sind demnach im Interesse der Volks- 
wohlfahrt, und der Staat ist stets bereit, den Arbeiten einzelner 
"und ganzer Gegenden helfend beizustehen, weil die Gesamtheit 
von solehen Schutz- und Entwässerungsarbeiten Nutzen zieht. 

Indes wird die Frage, ob der betretene Weg wirklich der 
richtige, zum besten Endergebnis führende, sei, noch nicht 
von jedermann mit „Ja“ beantwortet. Es gibt Stimmen, die 
von einem Uebermaß in Korrektion und Melioration sprechen. 
Sie meinen, man sei damit in eine ungesunde Einseitigkeit 
verfallen. 

Ein früherer Besitzer der Fabrik Friedtal erklärte mir, 
daß durch die Entwässerung des Eschlikoner Rietes die Wasser- 
führung der Lützelmurg ungünstig nach den Extremen hin 
beeinflußt worden sei. „Das Eschlikoner Riet war bis zur 
Entwässerung für uns ein großes Reservoir, welches sein 
Wasser nach und nach abgab; jetzt vermehrt es die Flut zu 
einer Zeit, da man sonst schon ‘genug hat.“ 

Die Leute an der untern Thur, in Ellikon, Wieden, Veldi 
und Altikon klagen, daß durch die Geradelegung der Thur 
und deren Zuläufe der Wasserabfluß so beschleunigt werde, 
daß die auf einmal eintretenden hohen Fluten der verschiedenen 
Einzugsgebiete den Durchlaß bei Ossingen nicht zu passieren 
vermögen, sich dort stauen und weit rückwärts Ueberschwem- 
mungen veranlassen. Der rasche Abfluß sei ein Uebel; das 
Land solle sich nicht sofort vom Tagewasser entleeren, sondern 
sich wie ein Schwamm damit vollsaugen und die Abgabe auf 
"Tage und Wochen verteilen. (Einsendungen in den Tages- 
blättern.) 

Die Stadt Schaffhausen verwahrt sich aus ähnlichen Gründen 


— 128 — 


mit Erfolg gegen die Profilerweiterung des Rheinauslaufes bei 
Stein, um nicht die Wasserschäden der Seeanwohner auf sich . 
zu lenken. 

Es darf als sicher angenommen werden, daß dureh ober- 
flächliche Drainage, Kanalisation, Tobelverbauung, 
Einengung und Geradelegung der Flußläufe das atmo- 
sphärische Wasser rascher als sonst zum Abfluß ge- 
langt und damit das momentane Hochwasser und die 
damit verbundene Gefahr größer werden. 


Es fragt sich nur, ob diese Nachteile nieht auf andere 


Art als durch das Unterlassen der Entwässerungsarbeiten ge- 
hoben werden können. 

Der bezüglichen Ratschläge sind mehrere (E. Blösch, 
Schweizerische Wasserwirtschaft. 1911): 

1) Beseitigen stauender Hindernisse im Haupt- 
ablauf, wie Abschneiden der Flußschlingen bei Ossingen, 
Einbau von Hochflutdurchlässen bei Fabrikwuhren. 

2) Belassen möglichst vieler Weiher und Moore, 
namentlich solcher, bei denen der Landgewinn dem Bauern 
die Entwässerungskosten nur dann deckt, wenn der Staats- 
zuschuß dieselben auf geringe Beträge reduziert; mit anderen 
Worten: Subventionierung nur solcher Meliorationen, deren 
Wirtschaftlichkeit für Eigentümer und Allgemeinheit über allen 
Zweifel erhaben ist. 

3) Staatliche Unterstützungvon Talsperrenbauten. 
Jede Talsperre wirkt bei richtiger Bedienung regulierend auf 
das flußabwärts gelegene Gebiet, also allgemein wohltätig, 
abgesehen vom Gewinn an Energie und von der Verschönerung 
der Landschaft durch das Wasserbecken. 

4) Möglichste Aufforstung steiler Kahlstellen, 
besonders in Bachtobeln und auf den nunmehr frei werdenden 
Rebhalden. Wald wirkt nicht nur durch das Wurzelwerk der 
Holzgewächse die Hänge befestigend, sondern auch, wie die 
großen Moore nach Troekenzeiten, akkumulierend auf das 
Wasser. 

Die nahe Zukunft mit den vielen Kanal- und Elek- 
trifizierungsprojekten wird Gelegenheit geben, diese Vorschläge 
näher zu prüfen und abgewogen in die Tat umzusetzen. 


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—— FHluss- u. Bach korrektion 
—— Norrehtion m.Todelverdauwung 
000. Kfercinbruch 
MH Entwässerung 
alte Staumerker 


pP 

ı @ Reue Weiher 
© Eingegangene Weiher 

ı © im 18418. Jahrk.eingegang. 
+ 


durch Flurnamer nach= 
‚gewiesene  [rähere. Heiher 


um 


IV. Der Wald. 
A. Lage. 


Die thurgauische Siedelungsgeschichte lehrt uns in bezug 
auf den Wald: 

1) Schon in der prähistorischen Zeit waren die Seeufer, 
die trockenen Talböden und die sonnigen Terrassen bewohnt 
und zum Teil beweidet, zum Teil bebaut; die Höhen aber 
bedeckte dichter Wald. 

2) In der Römerzeit fand kaum große Rodung statt. 
Der Landesherr schaute mehr auf die Anlage und die Weg- 
verbindung fester Plätze in diesem Grenzland, als auf intensivere 
Bebauung. 

3) Die Allemannensiedlungen des 5.—7. Jahrhunderts be- 
schränkten sich auch hauptsächlich auf die bereits unter Kultur 
gestandenen Talböden und drangen nur vereinzelt gegen die 
Höhen vor. 

4) Erst die grundherrliche Siedelung der Frankenzeit 
— ungefähr mit der Gründung der Klöster Reichenau (724) 
und St. Gallen (720) beginnend — rodete allgemein und 
überall in den Wald hinein, der die Höhen bedeckte. 

5) Diese Ausdehnung der Kulturfläche ms Waldland hinein 
mußte aber nach einiger Zeit zum Stillstand kommen: 

a. weil der noch vorhandene Waldrest für die March- 
genossen Bedürfnis war und sich ohne Not nicht mehr 
reduzieren ließ; 

db. weil in den hohen Lagen Klima und unfruchtbarer 
Boden die Siedlung häufig unrentabel machten. 

Dieser Stillstand muß schon im 13. Jahrhundert geherrscht 
haben, und seit dieser Zeit ist der Wald im großen und 
ganzen da gewesen, wo wir ihn heute sehen. 

Kleine Aenderungen an den Waldgrenzen sind selbst- 
‘verständlich zu jeder Zeit vorgekommen, bei Erbteilungen, 
bei Neusiedelungen, bei Wüstungen, in Kriegszeiten und 
dergleichen; aber als Ganzes steht eben der Wald an 
dem von der Natur und den Wirtschaftsverhältnissen 
bedingten Platz, und jede willkürliche Aenderung rächt 
sich schnell durch Unrentabilität, durch Versagen des Schutzes 
vor Naturschaden, durch Versiegen der Quellen ete. 


* 9 


a 


Dem Walde gehörenvon Natur aus die Hochflächen, 
die Hügelrücken mit ihrem rauhen, feuchten und windigen 
Klima, ihrem wenig fruchtbaren Molasseboden oder ihren 
harten Deckenschottern, die Tobel mit ihren Steilwänden 
und ihrem feuchten Schatten, die stark geneigten Hänge 
der Hügelzüge, soweit nicht Südlage für den Weinbau aus- 
genützt ist, sowie das Ueberschwemmungsgebiet der Flüsse, 
wo sich der feuchtigkeits- und schwemmhumusbedürftige Au- 
wald bis in die Kiesbänke hineinwagt. 

Es sind dies die sog. absoluten Waldböden, die für 
die Landwirtschaft nicht oder kaum in Betracht kommen. 
Das Wort „absolut“ sagt aber dennoch zu viel: die schlechten 
Böden können durch Düngung ergiebig gemacht werden; der 
früher so einträgliche Weinbau gestattete künstliche Befestigung 
der Steilhänge, und in den Auwald dringen, durch Dämme 
geschützt, Felder und Streuewiesen vor. 

Der Thurgau hat aber auch noch Wald auf den besten 
landwirtschaftlich ausnutzbaren Böden, zum Teil im ebenen 
Tal, auf ebenen Terrassen, die sog. Hardwälder, z. B. der 
Scharen westlich Dießenhofen, zum Teil auf sanft geneigten 
Berghängen, wo überall der ursprüngliche Boden mit frucht- 
barem Grundmoränenlehm oder mit humösen Anschwemmungen 
bedeckt ist, z. B. das Rügerholz bei Frauenfeld, die Wälder 
des östlichen Seerückens von Tägerwilen bis Romanshorn. 
Der Wald existiert hier, weil sein Gebiet von der Siedlung 
abgelegen ist, oder weil der Holzbedarf derselben es erfordert. 
In solchem mineralkräftigen, tiefgründigen Boden ist der 
Holzertrag schon bei mäßigen Preisen durchaus befriedigend. 


B. Ausdehnung. 


Bis ins Zeitalter des gesteigerten Verkehrs und des in- 
dustriellen Aufschwungs waren die Ortschaften klein und ihre 
Bevölkerung im Vergleich zu heute gering. Die Landwirtschaft 
bedurfte trotzdem relativ großer Flächen, weil sie allen materiellen ° 
Bedürfnissen genügen mußte, und der Weidgang dehnte 
sich in den Wald hinein aus. Es haben sich vielfach im 
Walde Flurnamen erhalten, die darauf hindeuten, z. B. Roßweid 
nordwestlich Nollen, Kalberweid südwestlich Gerlikon, Sefiweid 
südöstlich Welfensberg, Neuschürweid südlich Fischingen. 

Jede Siedlung bedurfie des Waldes für Bau-, Werk- und 


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Brennholz. Die frühern Block- und Ständerhäuser, wie die 
 Fachwerkbauten des 18. und 19. Jahrhunderts brauchten viel 
Holz, und die großen Oefen in den Bauern- und Bürger- 
stuben waren arge Holzfresser. Die thurgauische Forststatistik 
von 1860 erzählt von einem thurgauischen Kloster, das jähr- 
lich 500 Klafter Holz und 20000 Wellen im Haushalt ver- 
brauchte, und nach Bühler ($. 24) wurde 1538 der große 
Konventstubenofen im Kloster Feldbach auf die Hälfte reduziert, 
weil er per Tag soviel Holz brauchte, als zwei Pferde in 
einer Ladung zuführen konnten. Auch für Einzäunungen war 
viel Holz erforderlich; das Dorf war vom geflochtenen Etter- 
zaun umgeben, die Straßen gegen das Weidevieh durch Fallen- 
tore abgesperrt; die Pünt, die angesäte Zelge und die Wiesen 
waren” von Georgi bis zum Emdet mit Stangenzäunen ein- 
gefaßt (Meyer, Geschichte des Klettgaus, S. 81). 

Bine gewisse@rößedesjeder Siedlung zugehörigen 
Waldes war also durch den Bedarf stets gefordert 
und nur abhängig von der Produktionskraft desselben. Wenn 
darum neues Kulturland nötig wurde, suchte man es meist 
zum eigenen Schaden und darum bloß vorübergehend im nahen 
Walde, viel eher im bisherigen Oed- oder Sumpfland, oder 
durch Einfriedigen gewisser Teile der Allmend (Einschlag, 
Einfang, Bifang). 

Wir wundern uns also nicht, wenn alte Karten des 17. 
und 18. Jahrhunderts die gleichen Waldflächen angeben, wie 
sie heute bestehen, und wenn beim Einzug neuer Verhält- 
nisse, betreffend Industrie und Verkehr, der Gesetzgeber zu 
Waldschutz und Walderhaltung in die Verfügungsfreiheit von 
Gemeinden und Privaten eingreift. 


a. Aenderungen in früheren Jahrhunderten. 


Für den Nachweis der Aenderungen am Waldbestand 
kommen folgende Urkunden in Betracht: 

1) Flurnamen im heutigen Kulturland und Orts- 
namen, die auf ehemaligen Wald hindeuten: 

Als älteste erscheinen für sich und in Zusammensetzungen 
Loo, Loh, Loch (d. i. Wald): Breitenloo, Schwaderloh, Steine- 
loh, Fezisloh, Löliwies, Lölizelg, Lochwiesen ete.; 
Hard, Hart, (d. i. Wald in der Ebene): Gündelhart, Langen- 

hart, Degenhart, Iltishard-Dingenhard, Illhart, Ochsen- 


— . 1532. — 2 


hard, Alishard bei Weiningen, Bietenhard bei Thundorf, 
Ratihard westlich Dießenhofen ; Spanner bei Frauenfeld soll 
aus Spanhard, Espanhard! umgebildet sein (Schaltegger). 


Alt sind auch die eigentlichen Rodungsnamen: 


Sehlatt, Schlacht (d. i. Holzschlag): Zihlschlacht, Ober-, Mett- 
und Unterschlatt; der Name Schlatt ist sehr häufig; 


Schwendi (Schwand, Schwanden), Sang, Sangen, Brand (d. i. 
durch Abbrennen gerodetes Land; die Bäume wurden 
durch Ringeln zum Absterben gebracht und nachher 
angezündet): Schwendli südwestlich Lanzenneunforn, 
Schwendi bei Fischingen, Schwendi und Hinterschwendi 
bei Au, Sängi südlich Etzwilen, Sangenebne südlich 
Wolfsberg, Sangen bei Weinfelden, Ilebrand bei Mär- 
stetten, Brand bei Dingenhart und bei Dingetswil. Nach der 
Spärlichkeit dieser Namen zu schließen, muß das Sengen 
und Schwenden im Thurgau wenig geübt. worden sein; 

Rüti, Rütenen, Reute, Grüt, Neugrüt (d. i. durch die Axt 
serodetes Land): Klarsreute, Attenreute, Kuglersgreut 
Neurüti, Holzreuti. Diese Namen sind ungemein häufig 
und verbreitet. 

Jünger, moderner klingend, sind die Namen mit: 


- Wald, Holz, Hau, Stocken, Eich, Tann, Hasel, Bilchen, Buch ete. 
Ihre Verbreitung und ihr zahlreiches Vorkommen zeigt 
die ursprüngliche gewaltige Ausdehnung des Waldes in 
der Urzeit bis zum Rodungsprozeß in der fränkischen 
Periode. 


2) Manche Flurnamen im heutigen Wald beweisen 
die Existenz ehemaliger Lichtungen, erzeigen vielfach ein 
Wiedergutmachen früherer Rodungs- und Siedlungsfehler: 
Mahnenwieshau und Langwieshau in Güttinger Wald; Stock- 
wies westlich Lengwilen; Holzwies südöstlich Dozwil; Teil- 
wies westlich Mettlen; Riesezelg westlich Ochsenfurt; Gatterwies 
und Armsrütiwies südlich Bernrain; Wiesenbühl zwischen Buch 
und Iselisberg; Eppelhausen südwestlich Hüttwilen; Amer- 
wilen nördlich Waldhof-Lustdorf; Hübli nordöstlich Lustdorf; 
Schauhausen nordöstlich Pfyn. 

" Esban, Espan, Espen bezeichnete einen freien Platz in der 
Feldflur, der zur Viehweide benutzt wurde (Schaltegger). 


— 189 — 


3) Die Gygerkarte von 1667 (Fig. 22). Ihr Waldareal 
deckt sieh naeh Walser (S. 91) auffallend mit dem heutigen. 
Die Waldfläche des Kantons Zürich hat sich seither um zirka 
50 km? — 2,85°), der Kantonsfläche verringert. Für den 
Thurgau kommt der Gygerkarte nur in bezug auf den Bezirk 
Dießenhofen und das Thurtal von Neunforn bis Frauenfeld 


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Fig. 22. Die Gegend von Frauenfeld im Jahre 1668. 
(Nach Hs. Cd. Gygers Karte des Kantons Zürich.) 


Beweiskraft zu. Das übrige Grenzgebiet ist zu ungenau ver- 
zeichnet. Um Dießenhofen sind alle heutigen Wälder an- 
gegeben, Scharen und Rodenberg sogar im Ausmaß recht 
befriedigend. Beim Buchberg und seiner Fortsetzung nach Süden 
stört die starke Verkürzung der Karte in dieser Richtung; doch 
findet man ohne weiteres die heutigen Waldstücke heraus. 


— 134 — 


Um Frauenfeld (Fig. 22) sind Rüeger- und Pfaffenholz, Mühletobel- 
und Bühlwald, sowie der Wald am Gerlikerberg ungefähr im 
heutigen Umfang angegeben; das Galgenholz dagegen liegt 
südlich der Straße Kurzdorf-Osterhalden, und das Staudenland der 
Thur erstreckt sich von der Murgmündung bis zum Galgen hin. 

Auch für den Thurgau erzeigt also die Gygerkarte, daß 
sich der Waldbestand seit 1685 nicht wesentlich geändert hat. 

4) Die Nötzlikarten. Diese zeichnen die Wälder eben- 
falls; dennoch müssen sie wegen offenbaren Ungenauigkeiten 
für Vergleichungszwecke außer Betracht fallen: Auf der viel- 
fach verbesserten Ausgabe von 1720 ist um Dießenhofen zwar 
der Scharenwald richtig, der „Rötelberg“ (Rodenberg) dagegen 
nur am Nordabhang bewaldet, und der Buchberg wird durch 
„ Weilenstorf“ in zwei Teile geteilt. Bei Frauenfeld sind Galgen- 
und Bühlholz, sowie der Wald am Gerlikerberg vorhanden; 
hingegen fehlt das Pfaffenholz, und das Rüegerholz beschränkt 
sich auf einen kleinen Rest auf dem Hundsrücken. Da die Ort- 
schaften auch vielfach verstellt sind (siehe S. 11), so können 
auch die Wälder unmöglich annähernd genau sein. 


b. Aenderungen im 19. Jahrhundert. 


Die Sulzbergerkarte zeigt uns unzweifelhaft überall 
dort Wald, wo zur Zeit der topographischen Aufnahme (1828 
bis 1836) solcher vorhanden war. Von einer Größenmessung 
muß aber Umgang genommen werden wegen der mangelhaften 
trigonometrischen Messung. Die Seiten irgend eines heraus- 
gegriffenen größern Dreiecks stimmen speziell im Waldland 
so wenig mit den bezüglichen Stücken auf der Siegfriedkarte, 
daß die Areale unmöglich annähernd richtige Größenangaben 
liefern können. Auch die Bachläufe sind ungenau und die 
Waldblößen undeutlich. 

Immerhin kann herausgelesen werden, wo seither einiger- 
maßen bedeutender Zuwachs oder Abgang stattgefunden hat 
(Fig. 23). 

Bedeutende Rodungen von je mehr als 10. ha fanden statt: 

1) längs der Eisenbahn bei Weinfelden, Sulgen, Amriswil, 
Eschlikon; 

2) bei Klingenberg, Freudenfels, Steckborn, Landschlacht, 
Güttingen, Klarsreute, Brüschwil, Arbon, Zihlschlacht, Mettlen. _ 


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— 156 — 


Die Gründe für die Abholzungen lagen 


a. 


b. 


im Bahnbau, der zum Teil durch Waldungen führte 
und für Stationen und Schwellen vielen Holzes bedurfte; 
im gesteigerten Holzbedarf für eine vermehrte Bevölke- 
rung und für die aufblühenden Fabriken, die sich vor 
der Zeit der Eisenbahnen nicht mit Steinkohlen ver- 
sorgen konnten. Schon 1838 klagte man über die Er- 
höhung der Holzpreise infolge Vermehrung der Dampf- _ 
schiffe auf dem Bodensee; 


c. in der Anschauung der Landwirte, daß jungfräulicher 


d. 


Waldboden das beste Mittel gegen Pflanzenkrankheiten 


‘ (Kartoffelkrankheit) sei. Gegen Ende der 40er Jahre. 


setzte darum ein eigentlicher Waldfeldbau ein. Die 
Altholzbestände wurden kahl abgetrieben und nach der 
Stockrodung für zwei bis drei, oft sechs bis zehn Jahre 
mit Kartoffeln bepflanzt, wofür die Bauern güte Pacht- 
zinse zahlten. Nachher setzte man in den ausgesogenen 
Boden Rottannen, machte aber die Erfahrung, daß der 
Boden, sobald er nicht mehr bearbeitet wurde, verhärtete 
und die Tännchen nicht eindringen ließ, so daß die 
Kulturen an-frühzeitiger bleibender Erschöpfung litten. 
Man betrachtet heute diese Art des Waldbaues als eine 
glücklich überstandene Krankheit (Der schweiz. Wald, 
>. 101)» 

im Bestreben der Bauern, die Landwirtschaft durch Ein- 
führen neuer Kulturen zu heben (Futterarten,. Zucker- 
rüben). Die thurgauische Forststatistik von 1860 erwähnt 
(S. 23), daß auf einem einzigen Herrschaftsgute (Klingen- 
berg?) innert fünf Jahren zirka 150 Jucharten (56 ha) 
abgeholzt wurden. Es war zur Hälfte 40 — 50jähriger, 
zur Hälfte 20jähriger Bestand. Von der abgeholzten 
Fläche wurden 90 Jucharten (33,6 ha) ausgestockt und 
für landwirtschaftlichen Betrieb bestimmt. 


e. Die durch Bahnbau und Fabriken enorm gesteigerten 


Holzpreise veranlaßten gewissenlose Spekulanten und 
arme Waldeigentümer zu vorzeitigem Schlag und nach- 
lässiger Wiederaufforstung. „Wo irgendwo in Händen 
der Privaten noch ein Stücklein verwertbares Holz vor- 
kommt, da sammelt sich das stark angewachsene Heer 
der Holzhändler, deren Waldschlächterei in allen Teilen 


a 


des Kantons alljährlich viel Bestände zum Opfer fallen 
(Thurg. Forststat. 1860). Häberlin (Der Kanton Thurgau, 
S. 120) klagt, daß in zehn Jahren 458 ha Wald aus- 
gerodet und nur 54 ha wieder zu Waldboden gemacht 
wurden. Während früher vom Seerücken her in einzelnen 
Jahren etwa 500 Klafter Bau- und Sägeholz nach Frank- 
_ reich und Holland verfrachtet wurden, habe nicht nur 
der Export aufgehört, sondern ein gewaltiger Import 
aus dem Schwabenland eingesetzt. : 

Während der Kanton Zürich schon 1837 durch ein strenges 
Forstgesetz Ordnung in seine Wälder brachte, versagte im 
Thurgau die Gesetzgebung für die Erhaltung dieses Teils des 
Nationalvermögens und des erprobten Schutzmittels gegen ver- 
derbliche Naturgewalten. Selbst der Versuch von 1860, zunächst 
nur für Staats-, Gemeinde- und Korporationswaldungen eine 
vernünftige Waldpflege vorzuschreiben, scheiterte am Veto 
des Volkes. Erst das Bundesgesetz von 1902 hatte vollen 
Erfolg. 

Zum Glück waren die Waldbesitzer nicht gehindert, frei- 
willig die Forstwirtschaft zu verbessern. Den Anfang machte 
schon in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts der thurgau- 
ische Fiskus, sodann die Gemeinden Dießenhofen, Frauenfeld 
und Güttingen und später Bischotszell, und als 1861 der Staat 
durch weitgehende Unterstützung mittels Beiträgen an .die Ver- 
messungskosten, sowie durch Pflanzmaterial und wirtschaftlichen 
Rat weiter. ermunterte, folgten Ermatingen, Tägerwilen, Uttwil, 
Weinfelden, Märwil, Hüttlingen, Ettenhausen, Mett-Oberschlatt 
und viele Private. So war denn der Boden für das Gesetz 
von 1902 wohl vorbereitet, und schon gegen Ende des vorigen 
Jahrhunderts traten die Abholzungen gegen die Aufforstungen 
zurück. Im allgemeinen sind in. den letzten 80 Jahren Staat 
und Gemeinden walderhaltend, die Privaten wald- 
zerstörend aufgetreten. 

Die größern Aufforstungen, die sich durch die Vergleichung 
. der Sulzbergerkarte mit den Siegfriedblättern 1896 — 1908 
erkennen lassen, sind folgende: 

1) Eine Menge von Tobeln, die 1838 kahl erschienen, 
wurden mit Wald bepflanzt. 

2) Im Hörnligebiet sind Sedelegg, Schochenegg 
und Nod als Siedlungen verschwunden; an ihre Stelle ist 


Wald getreten. Von Mitte der 40er bis Ende der 60er Jahre 
wurden nämlich vom thurgauischen Staat über 100 ha ehe- 
maliger Fischinger Klosterweiden (Sedelegg) aufgeforstet, ebenso 
die Blößen von den zerstreuten Holzschlägen der Kloster- 
verwalter. Später kam noch Schochenegg bei Au mit 18 ha 
dazu, dessen Häuser abgebrochen und dessen Fluren aufzeforstet 
wurden (Schwyter). 

3) Zwischen Lauche und Thur: Euglimoos am 
Immenberg, Bietenhart und Waldhof auf dem Wellenberg. 
Die ersten beiden Güter gehören der Bürgergemeinde Thun- 
dorf. Euglimoos wurde 1755 dem Amt Hinwil abgekauft und 
1845 durch Zukauf eines dem Kloster Fischingen gehörigen 
Stücks vergrößert. Die Aufforstung beträgt zirka 10 ha. 

Das Gut Bietenhard gehörte in den 30er Jahren dem Re- 
gierungsrat Dr. Freyenmuth, der zirka 10 ha mit Lärchen, 
Fichten und Föhren aufforsten ließ. Durch letztwillige Ver- 
fügung kam ein Teil an den Spital Münsterlingen und durch 
diesen an den Staat. 1867 erwarb die Bürgergemeinde Thun- 
dorf den Rest und forstete hier 15 ha auf (Mitteilungen der 
Bürgerverwaltung Thundorf und des Kantonsforstmeisters). 

Der Waldhof gehört der Gemeinde Lustdorf (14—18 ha) 
und wurde von ihr großenteils mit Wald bepflanzt. 

Auch die Statthalterei Sonnenberg forstete in den letzten 
Jahren zirka 4 ha Waldwiesen auf. 

4) Auf dem Ottenberg: Die Gemeinde Weinfelden er- 
warb den Rathof und forstete 38 ha auf. 

5) Auf dem westlichen Seerücken: 1864 kaufte der 
thurgauische Fiskus 134 ha des ehemaligen Schafterter 
Hofes oberhalb Steinegg und verwandelte den größten Teil 
in Wald. Nur ein Teil der schönsten Wiesen wurde belassen, 
da die Eschenzer Bauern das Gras kaufen (Schwyter). Auch 
bei Liebenfels sind über 20 ha neue Waldanlagen. 

Mit dem Jahre 1908, d. h. mit Inkrafttreten der kanto- 
nalen Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz von 1902, ist 
nun der thurgauische Wald in seinem Bestande gesichert. 
Ausreutungen in Nicht-Schutzwaldungen bedürfen der Bewilli- 
sung der Kantonsregierung, solche in Schutzwaldungen (Muni- 
zipalgemeinde Fischingen 1102 ha) derjenigen des Bundesrates. 
Bei Begutachtung solcher Gesuche wird von den Forstämtern 
. darauf gehalten, daß für Rodungsflächen über 10 a Größe 


er 


der Gesuchsteller innert drei Jahren durch Neuaufforstung von 
‚Streueland oder minderwertigem landwirtschaftlich benütztem 
"Boden zu Ersatz verpflichtet werde. 


Seit 1908 ist die Privat-Waldfläche nicht mehr zurück- 
gegangen, übrigens nicht bloß wegen der gesetzlichen Hinder- 
‚nisse: In neuerer Zeit braucht man kaum mehr neues Kultur- 
land, weil die Arbeitskräfte für den Landbau stets rarer werden 
und weil überall intensivere Bearbeitung des vorhandenen 
Landes Platz greift. 


Aus diesen Gründen werden jetzt auch die einmädigen, 
im Walde zerstreuten Wiesen auf dem Seerücken aufgeforstet; 
so von der Bürgergemeinde Tägerwilen die Heeren-, Groß- 
und Ribiwiese mit 7,82 ha. Bei den Bürgergemeinden Er- 
matingen, Triboltingen, Neuwilen und Kreuzlingen sind zurzeit 
ebenfalls Wiesenflächen in Aufforstung begriffen, und in der 
Umgebung von Haidenhaus kaufte der Staat sämtliche Privat- 
wiesen, zirka 5 ha, auf, um sie in Wald zu verwandeln. Auch 
Klingenberg hat einen Teil seines Rodlandes wieder mit Wald 
angesetzt und ebenso Weinfelden das 1830 — 1865 als Bürger- 
äcker benutzte und dafür gerodete Land zwischen Bahn und 
Thur (Güttingers Rüti oder Oberau). 


Eigenartig, immer schwankend, ist die Ausdehnung des 
Auwaldes auf den Flachufern der Thur. Schon frühe wurde 
in denselben hineingerodet und das gewonnene Kulturland 
durch Dämme geschützt: Widen bei Ueßlingen, Erzenholz 
und Horgenbach, Felben, Hasli, Bonau und Gerau, Schachen 
und Sangen bei Weinfelden wurden den „Auen“ abgerungen. 
Seit der Korrektion nach dem Hochwasser von 1876 ließen 
sich auch vielorts neue Streuewiesen gewinnen; im allgemeinen 
aber wurden die trocken gelegten Flußschlingen als unsicheres, 
nasses Gebiet den „Stauden“ überlassen. Der Auwald hat 
deshalb örtliche Vergrößerung erfahren. 


Nachdem nun aber in Nachachtung des Großratsbeschlusses 
vom 25. November 1913 von Kradolf bis zur zürcherischen 
Grenze auf zirka 31 km Länge dem Leitwerk der Thur ent- 
lang ein Schutzstreifen von 45 m Breite gänzlich abgeholzt 
wurde und alle Hochstämme in einer Breite von 10 m, vom 
Fuße des Hochwasserdammes gemessen, entfernt werden mußten, 
gingen neuerdings wieder zirka 250 ha für die forstliche Be- 


nutzung dauernd verloren (Thurg. Rechenschaftsbericht 1913, 
8. 350). 

Aehnlich verhalten sich die Auwälder der korrigierten 
Sitter und der Murg. 

Zu verschiedenen Zeiten ist versucht worden, die Flächen- 
größe der thurgauischen Wälder zu ermitteln. Das Ergebnis 
war 1801: 11612 ha, 1834: 11022 ha, 1860: 18095 ha, 
1912: 17998 ha. 

Die neueste Aufnahme basiert auf planimetrischer Ver- 
messung der topographischen Karte durch die eidgenössische 
Landestopographie unter Kontrolle durch die Angaben der 
kantonalen Forstverwaltung. Die Resultate sind nicht einwand- 
frei, können aber erst durch die fortschreitende Vermessung 
der Gemeinden bereinigt werden. Von den 212 Gemeinden 
des Kantons sind zurzeit 178 noch nicht vermessen (Schweiz. 
Arealstatistik 1912). Die Arealaufnahme von 1860 beruhte 
auf Schätzung durch die kantonalen Forstmeister (Forststatistik 
des Kantons Thurgau), die frühern auf solche der Gemeinde- 
räte unter Kontrolle der Steuerkommission. Abgesehen davon, 
daß die Schätzung größerer Waldflächen der Unübersichtlichkeit 
wegen sehr schwierig ist und in früherer Zeit die Grenze zwischen 
Weide und Wald sich vielorts verwischte, sind die damaligen 
Angaben der Besitzer meistens viel zu niedrig, da diese sich vor 
größerem Steueransatz fürchteten (Pupikofer Gemälde, S. 68.) 

Unter solehen Umständen sind Vergleichungen und daraus 
zu ziehende Schlüsse kaum angängig. Immerhin bietet die 
Zusammenstellung der Ergebnisse von 1860 und 1912 einiges 
Interesse, und die Differenzen finden wenigstens teilweise ihre 
Erklärung durch die Karte der Rodungen und Aufforstungen 
1836—1900. 


Bezirk 1860 1912 Unterschied 
ha ha ha 
Arbon 1011 842 169 


Bischotszell 1271 1345 — 68 
Dießenhofen 1431 1345 =.86 
Frauenfeld 3266 Sl — 93 
Kreuzlingen 2156 2155 == 
Münchwilen 3240 3413 — 

Steckborn 3779 3874 +. 95 
Weinfelden 1936 1851 — 


18096 144938 — 98 


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C. Eigentumsverhältnisse. - 


a. Der alte Wald. 

Zur Allemannenzeit war Wald in der Dorfmarch Gemein- 
gut der Dorfgenossen, wie es auch kein Privateigentum an 
Feld und Weide gab — alle Huben wurden von drei zu drei 
Jahren neu verlost. Abgelegene Waldungen galten als herrenlos. 

Zur Frankenzeit (von 536 au) ging allmählich «das Eigen- 
tumsrecht an Hofstatt und Ackerland an die einzelnen Mark- 
genossen über, und das älteste schwäbische Gesetzbuch von 
718 kennt bereits am Kulturland nur Privateigentum. Wald 
und Weide äber blieben Allmend. 

Die fränkischen Könige beanspruchten die ehemaligen 
römischen Staatsgüter als ihr Eigentum, und sie belegten alle 
herrenlosen Wälder mit ihrem Banne. So schoben sich schon 
frühe königliche und herzogliche Domänen zwischen die Wälder 
der Dorfmarken ein (Geschichte des Kantons Schaffhausen, 
Ss. 102—104). 

Solche wurden an Bistümer, Klöster und Adlige verschenkt 
‚oder in Lehen gegeben und von dem neuen Eigentümer dadurch 
nutzbar gemacht, daß er Rodung und Siedlung darin erlaubte 
oder anbefahl gegen einmalige Entschädigung oder gegen 
ewige Zehnten und Abhängigkeit. Immer behielten sich die 
Grundherren am Walile das Mitbenutzungsrecht vor betreffend 
Jagd und Holzung derart, daß z. B. die Klöster einschritten, 
wenn wertvolle Ueberständer von den Bauern verkauft werden 
wollten. 

Ueberall bestand das Trattrecht oder Weiderecht: Mindestens 
der Jungwald vom 8. bis 20. Jahre, etwa ein Drittel des 
Areals (Tägerwilen) war so der Weide preisgegeben, wenn er 
nicht durch ein Gehege der allgemeinen Benutzung entzogen 
war. Solch eingehegter Wald hieß Ghögg, Ghay, Kaa — 
Hegi, Einfang, Einschlag, Bifang. Ein ausgedehntes Ghay hatte 
der Bischof von Konstanz zwischen Schwaderloch, Kastell und 
Bernrain (Schaltegger). Ein Ghay findet sich südlich Gachnang, 
ein Ghögg südwestlich Bischofszell, ein Kaa südöstlich Lommis, 
‚außerdem als Flurnamen südlich Altnau und südöstlich Mettlen. 


b. Der Gemeindewald. 
Aus dem Gemeinwald der Markgenossenschaft, der für die 
allgemeine Weide nötig war und nicht durch private Rodung 


ro 


gemindert werden durfte, bildete sich der Gemeindewald 
heraus, namentlich bei städtischen Gemeinwesen. Vcn der 
thurgauischen Waldfläche gehören heute 31%, den Gemeinden. 
Die Hälfte aller Gemeindewälder liegt in den Bezirken Frauen- 
feld (1392 ha) und Steckborn (1366 ha). Große Wälder be- 
sitzen auch Dießenhofen, Bischofszell, Güttingen, Ermatingen, 
Neuwilen, Tägerwilen, Weinfelden ete. 

Der Wald bildet eine eigentliche Kapitalanlage der Ge- 
meinde, wird deshalb von dieser meist gut verwaltet und 
gelegentlich durch Zukauf und Aufforstung vermehrt. Der 
Bürgernutzen stammt fast überall aus dem Wald. 


Eigentümlich gemischte Besitzesverhältnisse hatte bis in 


die neue Zeit hinein der Tägerwiler Wald. Derselbe ge- 
hörte von jeher der Gemeinde; aber es bestanden sogenannte 
Schuppissen, d.h. Holzrechte, die auf gewissen Häusern ruhten 
und dem jeweiligen Eigentümer das Mitbenutzungsrecht im 
Walde einräumten. Die Besitzer eines vollen Schuppisrechtes 
bezogen im voraus einen Wagen auserlesenes Stangen- oder 
Stammholz, durften bei Neubauten zwölf Eichen beanspruchen 
und bei Reparaturen so viel Holz, als sie nötig hatten. Die 
sog. Hofstattberechtigten waren Viertelsschuppisser. 

Die Schuppisrechte wurden rücksichtslos ausgeübt, so dab 
die Gemeinde den Berechtigten den vollständigen Anteil am 
Winterhau herzugeben hatte, auch wenn das Wohl und der 
Ertrag des Waldes Schaden litten. In den 20er Jahren des 
vorigen Jahrhunderts mußte dafür sogar 20jähriges Holz ge- 
schlagen werden. Dies führte dann zur Aufhebung der Sonder- 
rechte: 1837 wurde ein Schuppisrecht zu 100 Gulden gewertet 
und die meisten danach ausgelöst. Immerhin bestanden 1871 
noch’ deren 13, sämtliche im Besitze des Schloßgutes Kastell; 
auch diese sind seither abgelöst worden. ® 

Eine besondere Servitut der Tägerwiler Waldung war die 
jährliche Gertenlieferung an die Gottlieber Fischer, bestehend 
in 1500 Gerten und 50 Stößeln für die Fachen (Pupikofer, 
Anmerkung; Schwyter, Wirtschaftsplan). 


c. Der Privatwald. 
Die Lehenleute der Einödhöfe hatten in ihrem abgerundeten 
Gute auch ihren besondern Wald; ebenso die wenigen freien 
Bauern, die Inhaber der Freisitze und die Gerichtsherren. 


EN 


en lisı 2 


Das war von jeher oder nach Ablösung der Lehenverpflichtung 
Privatwald, der im Laufe der Zeit durch Erbteilung auber- 
ordentlich zerstückelt wurde. Nach 1860 zählte man 38684 
_Waldparzellen, von denen 38170 auf Private fielen mit durch- 
schnittlich ®/a Juchart (— 27 a). Einzelne Stücklein gingen 
auf den halben Vierling — 4!/s a zurück und eine Breite 
von nur 5-7 m (Häberlin, Der Kanton Thurgau, S. 119; 
Thurg. Forststatistik, S. 23). 1860 nahm der Privatwald 61 ° 
der damaligen Waldfläche ein, 1909 55°. Er herrscht vor 
in den Bezirken Münchwilen, Bischofszell und Weinfelden; 
in den Bezirken Frauenfeld und Steekborn bildet er etwa die 
Hälfte, in Dießenhofen ein Viertel des Waldes. 

Daß der Privatwald nieht mustergültig bewirtschaftet wird, 
ersieht"man an seinem Katasterwert. Im Jahre 1909 waren 
die Waldungen folgendermaßen eingeschätzt (Rechenschafts- 
bericht 1909): 

| Staatswaldungen zu 1570 Fr. per ha, 
Korporationswaldungen zu 1558 Fr. per ha, 
Gemeindewaldungen zu 1400 Fr. per ha, 
Privatwaldungen zu 1060 Fr. per ha. 


d. Der Genossenschaftswald. 


Im obern Thurgau besitzen Korporationen oder Ge- 
- nossenschaften mit privatrechtlichem Charakter viel Wald: 
1860 3,8%, 1909 4,6%, des Gesamtareals. 


Emmishofen-Egelshofen . . . . . 66,64 ha 
Silungen ti so ie ie eg ha 
Keßwilas sen; 08.9 
Romanshorn, alter Wald RE a 74.63 ha 
. Uttwil-Dozwil . . . . 173,42 ha 
Hefenhofen er sr re 29,52 ha 
Mooser Leimat bei kenne ser. ha 
Niedersommerks,...7 3.0 WA a ler 30.04 ha 
Obersommeri . . „ars L-Anrche 
Gerhof-Wisoltingen Borau) esse 

667,66 ha 


(Nach der für die landwirtschaftliche Ausstellung in Frauenfeld 1903 
gemachten Zusammenstellung.) 


Der Genossenschaftswald wird gut gepflegt und durch 
Zukauf und Aufforstung arrondiert. Er steht größtenteils 


-—— 144 — 


(606 ha) im Mittelwaldbetrieb. Entwicklungsgeschichte und 
Satzungen der Genossenschaften sind nicht überall die gleichen. 
Als Beispiel: mögen diejenigen von Güttingen, Romanshorn 
und Emmishofen angeführt werden: 

In Güttingen, einem Amt des bischöflichen Hochstifts Kon- 
stanz, erhielten die Hofjünger oder Lehensleute alljährlich das 
ne Holz aus der dortigen Waldung. Da aber der Bezug 
und die Verteilung dieser Hebeipen stetsfort Unzufriedenheit 
erzeugte, oder, wie sich die Urkunde ausdrückt, „der Schatzung 
halber sich Anstand und Irrung ergaben“, so willigte im Jahre 
1771 der Bischof Franz Conrad ein, den „Holzinteressenten“ 
einen Teil des Waldes „zum freien und ungehinderten Holz- 
genuß dergestalt zu überlassen, daß sie anstatt deren ehevor 
von gnädigster Herrschaft ihnen abgereichten schuldigen Holz- 
marken sich von nun an daraus beholzen können, sollen und 
müssen, mithin an gnädigste Herrschaft eine anderweitige 
Holzgab weder jetzt noch in Zukunft nimmermehr zu suchen 
und zu fordern haben.“ Der Bischof befreite also dadurch 
die übrige Waldung — speziell Moosholz, Bruder- und Lang- 
wieshau — von der Servitut der Holzabgabe und sicherte sich 
darauf das unbeschränkte Eigentumsrecht. Das bezügliche 
„Abteilungsinstrument entzwischen dem Amt Güttingen und 
dasigen Holz-Interessenten“ vom 24. Januar 1771 (Thurg. 
Staatsarchiv S Nr. 467) behielt dem Hochstift Konstanz auch 
Jagd- und Waldpolizei, Beeidigung des Baunwarts und die Ober- 
aufsicht vor, „damit die Waldung zur Bestreitung der jähr- 
lichen Holznotdurft im Stande erhalten und nicht gänzlich ver- 
ödet werde.* Es sicherte auch allen Einwohnern von Güt- 
tingen, „es mögen dieselben eigenen Holzanteil haben oder 
nicht“, zwei wöchentliche Holztage zu, nämlich „dürres und 
abgängiges Holz von Rechts wegen samlen und holen zu 
dürfen“, sowie das Recht auf alles wilde Obst und die Eicheln 
in der gesamten Waldung, und es verlangte, daß der über- 
lassene Wald „für jetzt und in die künftige Zeiten, so lang 
Sonne, Mond und Sternen am Himmel stehen, ohnzerteilt sein 
und bleiben.“ 

Schon wenige Jahrzehnte nachher verlor der Bischof die 
Herrschaft über die frühern Besitzungen im Thurgau. Sein 
Rechtsnachfolger war der junge Staat Thurgau, dessen leere 
Kassen nicht erlaubten, die Wälder als Domänen zu behalten, 


Sees 


So konnten die Güttinger „Holz-Interessenten* 1807 noch 
Bruder- und Langwieshau, etwa 23 ha, ihrem Walde zukaufen. 
Auch später noch, von 1807—1868 wurden zwecks Abrundung 
und Aufforstung gelegentlich mehrere Waldwiesen käuflich 
erworben. 

Nach gefl. Mitteilung von Herrn Förster Hanselmann ist das 
Eigentum an diesem Genossenschaftswalde in 70 Einheiten, 
sog. Marken eingeteilt, wobei die Marke noch in 16 Fährten 
zerlegt werden kann. Besitzer von Vierteln (4 Fährten) und 
Achteln (2 Fährten) waren früher zahlreich; heute gibt es 
' aber nur noch einen einzigen Achtelbesitzer. 1833 zählte man 
103 Waldanteilhaber, 1915 deren 57. Die Holzrechte können 
frei gekauft und verkauft werden. 

Jeder Markbesitzer bezieht jährlich Losholz, das ist auf 
dem Stock ausgegebenes Unterholz aus dem Mittelwald, und 
außerdem noch Dividenden aus den Ganterlösen im era 
wert von 200 bis 260 Fr., so daß der Verkaufswert einer 
Marke zurzeit zirka 6000 Fr. beträgt. 

Etwa drei Viertel des Waldes sind im Laubholz-Mittelwald- 
betrieb mit zahlreichen Oberständern; ein Viertel ist Nadel- 
holzhochwald, zum größten Teil Fichten. 

Die eine liegt in den Händen einer Waldkommission 
und eines von derelben angestellten Försters. 

Der Uttwil-Romanshorner Korporationswald. Zwischen Ro- 
manshorn, Uttwil, Dozwil, Brüschwil und Hatswil dehnte 
sich von jeher ein großer Wald aus, ein Grenz- oder Mark- 
wald, der noch jahrhundertelang, nachdem die Felder unter 
die Siedlungen verteilt waren, Gemeingut blieb für Holz- 
nutzung und Weidgang. Im Laufe der Zeit fand aber doch 
Teilung nach den einzelnen Gemeinden statt, und verschiedene 
Stücke gingen in Privatbesitz über. Letztere gaben dann viel- 
fach Anlaß zu Aerger und Klage, da sie mitten im übrigen 
Walde zerstreut lagen und ihre Besitzer häufig nicht am 
richtigen Orte ihr Holz holten. Nachdem schon 1644 sich 
die Gemeinden zur Wahl einer Kommission geeinigt hatten, 
der die gemeinsame Pflege und Ueberwachung des Waldes 
oblag, verordnete 1748 die Abtei St. Gallen als Gerichtsherr, 
daß die Wälder der betreffenden Gemeinden in einen einzigen 
Wald verschmolzen und die darin zerstreuten Privatgrund- 
stücke unter Aufsicht gestellt werden. Diese Aufsicht hatte 


10 


— . 146 — 


eine Kommission zu führen, in welche Uttwil 3, Romanshorn 
und Dozwil je 1 Mitglied wählten und welche vom Ammann 
in Uttwil präsidiert wurde. Der Vertrag blieb bis 1819 und 
mit Revisionen von 1834, 1855 und 1866 bis heute in 
Gültigkeit. Seit 1866 stellen Uttwil und Romanshorn je zwei, 
Dozwil ein Mitglied in die Kommission. Interessant ist der 
Art. 9 der Ordnung von 1664, nach welchem schon damals 
die Holzrechte vertauscht oder vergantet werden konnten 
(Boltshauser, S. 76, 79 u. 129). 

Von diesem gemeinsamen Wald liegen 79,68 ha in Ro- 
manshorner, 91,11.ha im Uttwiler und 2,63 ha im Dozwiler Bann. 

Der Gesamtbesitz von 173,42 ha ist heute in 202 Holz- 
rechte oder „Viertel“ eingeteilt, von denen jedes etwa 80 Fr. 
-— an Gabenholzhaufen und Dividende von verkauftem Lang- 
holz — einträgt und gegenwärtig einen Kurswert von 1800 Fr. 
besitzt. Die Korporation hat eigenen Förster und Pflanzgarten. 

Der Romanshorner Korporationswald. Neben diesem ge- 
meinsamen Wald hat Romanshorn noch einen eigenen von 
zirka 75 ha. Die Romanshorner Korporation umfaßte früher 
88 Viertel, heute noch infolge Rückkaufs durch die Genossen- 
schaft deren 80. Ertrag und Kurswert der Holzrechte sind 
denen im Uttwiler Walde nahezu gleich, ebenso Pflege, Auf- 
sicht und Verwaltung durch einen Förster und eine Kommission. 

Noch jetzt sind den beiden Genossenschaftswäldern eine 
größere Anzahl Privatgrundstücke eingestreut mit gegen 40 ha 
Mittel- und Hochwald. Diese unterstehen der Aufsicht des 
Korporationsförsters und bezahlen dafür einen jährlichen Beitrag 
an dessen Besoldung (gefällige Mitteilung des Korporations- 
präsidenten). 

In Emmishofen-Egelshofen sind die Veran ähnlich, 
wie sie früher in Tägerwilen (siehe $. 142) bestanden. Ur- 
sprünglich hatten 60 ehnassse das Anrecht auf die Hälfte 
des Bürgerwaldes. Im Laufe der Zeit erwarb aber die Bürger- 
gemeinde 44 Holzrechte („Schuppisgerechtigkeiten‘“), so dab 
heute noch 16 derselben bestehen; sie werden zu 1500 Fr. 
gewertet (gefällige Mitteilung von Herrn J. Müller). 


e. Die Staatswaldung. 


Den Anfang der thurgauischen Staatswaldung bildeten die 
Wälder der ehemaligen Komturei Tobel, die 1807 nach Auf- 


- hebung des Johanniterordens durch Napoleon I. dem Fiskus zu- 
fielen. Schon 1805 hatte der junge Kanton vom Domkapitel Kon- 
'stanz Domänen erworben, in Ausgleich gegen Besitzungen thurg. 
Klöster in Deutschland, sie aber wieder verkauft (8. 144). 

r Die Staatsforsten vermehrten sich durch die Wälder der 
aufgehobenen Klöster, soweit nicht deren Verkauf vorgezogen 
wurde. 1848 betrug der Zuwachs 3393 Jucharten = 1086 ha, 
und in neuerer Zeit wurden gelegentlich noch Waldstücke 
zugekauft zwecks Abrundung und Aufhebung von Weg- und 
Nutzungsrechten Dritter. 1860 besaß der Staat 4,5 °%/o, 1906 

7% des Waldareals eRz, 75 ha) in sieben een 


1) Kreuzlingen- Uebertrag 511 ha 
“Münsterlingen 146 ha 4) Katharinenthal . 145 ha 
Srkelgdbach ..- :.... 90:ha 5) Tanikon'. .... .:106'ha 
3) Kalchrain-Steinegg 275 ha 6) Fischingen . . 367 ha 
Uebertrag 511 ha 7) Tobelu.Bietenhard 141 ha 

1270 ha 


Seither hat sich der Bestand auf 1284,16 ha erhöht 
(31. Dezember 1914). 
| In den Bezirken Dießenhofen und Steckborn besitzt der 
Kanton Schaffhausen größere Waldkomplexe. 

Der Reinertrag der thurgauischen allen. ist der 
mustergültigen Bewirtschaftung entsprechend durchaus be- 
friedigend, er war 1889: Fr. 63.60, 1898: Fr. 69.—, 1910: 
Fr. 92.80, 1912: Fr. 77.18 per ha. Es sind dies Mittelzahlen; 
in günstigen Abschnitten gehen die Erträge an Nadelholz- 
Hochwald auf netto 120 Fr. per ha (Bitter). 


f. Uebersicht. 


1860 ! 1909? 
ha 9 ha an 
Staatswald 820 4,5 1236 7 
Gemeindewald 5535 30,6 5484 30,9 
Privatwald 11053 61,1 10483072 57.3 
Korporationswald 686 3,8 822 4,6 
18094 100 17725 100 


! Nach der Thurg. Forststatistik von 1860. 

?2 Nach dem Rechenschaftsbericht des Regierungsrates 1909. 

3 Mit Einschluß von 441 ha, welche Staat und Gemeinden anderer 
Kantone gehören; ohne dieselben 9742,3 ha = 55 %. 

Siehe auch die Bemerkungen Seite 140. 


— 148 — 


D. Pflanzenbestand. 


a. In alter Zeit. 


Es ist noch einer weiteren Veränderung des Waldes zu 
gedenken, welche auf den Karten nicht zum Ausdruck gelangt, 
aber doch geeignet ist, dem Landschaftsbild ein anderes 
Gepräge zu geben: der Veränderung im Pflanzenbestand. 

Der Wald früherer Jahrhunderte war mehr oder weniger 
ein Urwald, dessen natürlicher Bestand allerdings vielfach 
beeinflußt war durch Weidebetrieb und sonstige unwirtschaft- 
liche Nutzung, und der sich stets wieder aus sich selbst ver- 
jüngen mubte. : 

Pupikofer (Gemälde 8. 92) schreibt noch 1837 von den 
Privatwäldern: 

Bei neuen Holzschlägen wird gewöhnlich die frische Be- 
samung ganz der Natur überlassen und diese dabei so schlecht 
unterstützt, daß sogar vernachlässigt wird, Samenbäume stehen 
zu lassen. Es können daher viele Jahre vergehen, bis ein 
frischer Anflug sich über das Gestrüpp von Salweiden, Brom- 
beeren, Wegdorn usw. hervorzuarbeiten vermag. 

Ueber die Zusammensetzung der Wälder früherer Jahr- 
hunderte haben wir nurindirekt einige dürftige Nachrichten durch 
Flur- und Ortsnamen, die sich auf Waldbäume und -Sträucher 
beziehen, und durch gelegentliche Angaben in den Urkunden. 

Nach Brandstetter, „Die Namen der Bäume und Sträucher 
in Ortsnamen der deutschen Schweiz“, verzeichnet der topo- 
graphische Atlas im Thurgau in Orts- und Flurnamen die 
Buche 75mal; dann folgen der Häufigkeit nach geordnet: 
Eiche 44, Weide (Wide, Felbe, Sale) 34, Tanne 25, Espe 19, 
Erle 18, Hasel 17, Birke (Bilche) 15, Linde 12, Rose 12, 
Esche 10, Pappel 8, Hollunder (Holder) 7, Wacholder 5, 
Föhre 4, Eibe 3mal usw. 

Die Buche war also überall und wohl noch mehr als 
heute verbreitet. Sie wurde nicht nur wegen dem hohen 
Brennwert ihres Holzes geschätzt; auch ihre Früchte, die 
Buchekern, Acheren, Akran, wurden gesammelt für Eßöl- 
bereitung und Schweinemast. 

Der vornehmste und geachtetste Waldbaum war aber die 
Eiche. Nach Brockmann (Vergessene Kulturpflanzen, S. 21) 
wurde die Eichel ursprünglich von den wenig verwöhnten 


N ER 


Germanen als Speise genossen, sogar zu Brot gebacken, später 
stets als Schweinefutter geschätzt. Das Recht zum Eintreiben 
der Schweine in den herbstlichen Eichenwald, das Schütteln 
der Eichen und das Eichelnsammeln bildete bis in die neuere 
Zeit einen wichtigen Artikel der Waldverträge; die Eiche 
wurde als „berhafter* Baum den Obstbäumen gleich geachtet 
und als erster Waldbaum durch Saat nachgezogen. Schlatter 
(8. 110) führt das Waldmastrecht zu Romanshorn 779 an, 
und noch 1748 wird in der Romanshorner Waldordnung das 
Eichenschütteln, Kirschenlesen u. dgl. den Berechtigten vor- 
behalten (Boltshauser). Auch die Güttinger Urkunden erwähnen 
das Recht der Schweinemastweid im Walde (Schaltegger), 
ebenso solche von Dießerhofen (Idiotikon, S. 71). Da nun 
aber immerhin diese Berichte spärlich sind, darf angenommen 
werden, daß die Eiche nirgends in großen Beständen ver- 
breitet war, am ehesten noch in den Mittelwaldungen dem 
See und Rhein entlang, wo stets auch guter Absatz für Rinde 
zu finden war in den zahlreichen Gerbereien. 

Die Orts- und Flurnamen unterscheiden die beiden Tannen- 
arten nicht. Der frühere Wald im schweizerischen Mittellande 
soll fast ausschließlich die Weißtanne und nur vereinzelt die 
Fichte besessen haben. Daß letztere aber wirklich im Thurgau 
vorkam, beweisen Zapfen und Samen in den Pfahlbauten von 
Steckborn, sowie das Fichtenholz in allen Schichten des 
Eschliker Rietes (Früh u. Schröter, Moore, 8. 358 u. 370). 

Wenn die Linde 12mal erwähnt ist, so darf daraus doch 
nicht auf ihre allgemeine Verbreitung als Waldbaum geschlossen 
werden. Sie ist nur im Bezirk Dießenhofen häufig, wohin sie 
sich wohl vom Randen ausgebreitet hat, und findet sich ver- 
einzelt als Gesträuch am Seerücken und im Hörnligebiet. 
Dagegen wurde sie in den Siedlungen als Dorflinde (Roggwil, 
_ Weinfelden, Bischofszell, Arbon usw.), und abseits von den- 
selben als Gerichts- (Thurlinde bei Riekenbach) und Grenz- 
baum (Klosterlinde bei Dießenhofen) absichtlich gepflanzt. 


b. Im 19. Jahrhundert. 


Die Sulzbergerkarte zeichnet die Wälder nach den zur Zeit 
der Aufnahme herrschenden Beständen mit Sternchen (Nadel- 
wald) und kleinen Nullen (Laubwald). Ihr zufolge hatten in 
den 30er Jahren: 


> = - 


'1) Vorherrschend Nadelwald: Alles Waldland südlich. 
der Thur und der Linie Sulgen-Romanshorn; verschiedene 
Teile des Seerückens (Egethof-Birwinken, Müllheim- 
Wagerswil, die Tobel um Müllberg, Einzugsgebiet des 
Pfyner Baches, Berlingen-Helsighausen, _Freudenfels- 
Steekborn, Steinegger- und Hörnliwald); der Ottenberg; 
die Neunforner Höhe und der Rodenberg. 


2) Gemischten Wald: Der südliche Teil des Bezirks 
Dießenhofen; der Seerücken südlich Etzwilen und zwi- 
schen Ermatingen und Dippishausen. 


3) Vorherrschend Laubwald: Scharen, Kohlfirst und 
Buchberg im Bezirk Dießenhofen; der Seerücken zwischen 
Nußbaumen und Kaltenbach, zwischen Steckborn und 
Salen, südlich Klingenberg, südlich Landschlacht, zwi- 
schen Herrenhof und Romanshorn. 


Es stimmt dies mit der Beschreibung des thurgauischen 
Waldes durch Pupikofer (Gemälde, p. 38): 


Auf den Höhen, welche vom Thurtale mittäglich liegen, 
bestehen die Wälder fast ganz aus freiwillig wachsendem 
Nadelholz; Fichte und Weißtanne haben das Uebergewicht 
über die Kiefer. 

Auf dem Seerücken dagegen sind die Waldungen mehr 
aus Laubholz zusammengesetzt (Aspen, Buchen, Hagbuchen, 
Eichen, Erlen ete.) und einzelnen Fichten, Weißtannen und 
Kiefern. Die Laubholzbäume sind daselbst auch häufig zu 
Unterholz verstümmelt und mit andern, sonst Hecken bilden- 
den Sträuchern gemischt (Rainweiden, Pfaffenkäppchen, Hart- 
riegel, Weiß-, Schwarz- und Kreuzdorn und manchen 
Weidenarten etc. 

Längs den Ufern der Thur und Murg ziehen sich kleine 
Weidenwälder hin. 


Die Siegfriedkarte unterscheidet nicht mehr Laub- und 
Nadelwald, kann daher in dieser Beziehung nicht zum Ver- 
gleich herangezogen werden. Dafür haben wir in der miono- 
graphischen Skizze über die Waldungen im Thurgau von 
P. Etter, Forstmeister in Steckborn, eine treffliche Schilderung 
des heutigen Waldes und der Veränderung der Bestände in 
den letzten 80 Jahren. Etter unterscheidet sechs verschiedene 
Waldgebiete: 


— 151 — 


1) Das Gebiet südlich Thur und Sitter, mit Aus- 
nahme der Thurtalebene; dazu der Ottenberg und einige 
kleinere Waldinseln Sonden der Thur. 


Hier sind den alten Naturbeständen eigentümlich Miohunsen 
von Weißtanne, Fichte, Föhre und Buche; oft sind alle vier, 
oft nur drei oder zwei derselben an den Zusammensetzung 
beteiligt. Daneben finden sich künstlich gepflanzte, monotone 
Rottannenbestände, die sich nicht bewähren, weil sie durch 
Windbruch und Rotfäule zu frühzeitiger starker Lockerung des 
Schlusses und damit zu Zuwachsverlusten führen. Die heutigen 
 Verjüngungen trachten wieder die urspüngliche Naturmischung 
von Fichte, Tanne und Buche herbeizuführen. 


2) Die Thurtalebene. Die Waldungen, weiter vom 
Flusse entfernt gelegen, zeigen als ursprünglichen Bestand 
die Föhre, mehr oder weniger mit der Fichte gemischt. Auch 
hier, sind in Verkennung der Sonn Ian Kanne vielfach 
reine Fichtenkulturen angelegt. 


Die Ufer- und Auwaldungen sind Niederwald oder 
oberholzarmer Mittelwald mit Weiden, Erlen, Eschen u. dgl. 
als Unterholz, und Schwarzpappeln und Eschen (vereinzelte 
Weiden, Föhren, Fichten und Eichen) als Oberholz. Durch 
‚die Korrektion der Thur wurde ein tieferes Einschneiden des 
Flusses und damit ein Senken des Grundwasserspiegels ver- 
anlaßt, durch die Hochwasserdämme die Ueberschwemmung 
und Ueberschlammung verunmöglicht. Der Auwald beantwortet 
diesen Entzug von Wasser und Düngung durch Gipfeldürre 
der Pappeln und Rückgang der Weiden, welche ersetzt werden 
durch Schlehdorn und Goldrute. Letztere verdrängt die Streue- 
pflanzen („Streuepest*) und macht den Boden unproduktiv. 

Eine weitere Umwandlung des Auwaldes wird durch die 
gesetzlich befohlene Abholzung auf 45 m Abstand vom Flusse 
bewirkt. Da das Offenhalten durch alljährlichen Staudenhieb 
kostspielig wäre, wird nunmehr gestockt und Streue gepflanzt. 


3) Das niederschlagsarme Gebiet.der Neunforner Höhe 
und des Seebachtales bis Lanzenneunforn-Pfyn. Hier domi- 
niert die Föhre in lichten Beständen, besonders auf den 
häufigen Südhalden. 

\ Die Höhe des Seerückens: nördlich dieses Gebietes trägt 
reine. Fichtenwälder mit hohem Massen-. und Geldertrag. 


— 152 — 


4) Seerücken von Amriswil-Romanshorn bis Neu- 
wilen-Tägerwilen. Auf schwerem bindigen Lehmboden 
gedeiht nur Laubholz, besonders Eiche und Esche gewinn- 
bringend, aber mit vorzüglicher Produktionskraft in Mittel- 
waldbetrieb. 


5) Nordhang des Seerückens von Wäldi-Erma- 
tingen bis Etzwilen. Der Boden ist meist als Sand und 
weicher Sandstein anstehende Molasse. Die Buche dominiert, 
begleitet von Ahorn, Elsbeer und Bergulme. Der magere Boden 
erzeugt aber wenig Holz. Jahrhundertelange Laubstreunutzung 
ließen den Boden verarmen und selbst versauern. Um die 
Nutzung zu verbessern, wird die natürliche Laubholzverjüngung ° 
unterstützt durch Pflanzung von anspruchslosern Nadelhölzern, 
besonders der Föhren; hier ist auch die Eibe in stattlichen 
Exemplaren heimisch. 


6) Bezirk Dießenhofen. Mittelwald mit starkem Ober- 
holzbestand und schwach entwickeltem Unterholz. Das Unter- 
holz besteht aus Hagenbuche und vielen Weichhölzern. Im 
ÖOberholz herrschen Fichtengruppen vor. Die Buche ist spär- 
lich vertreten, um so mehr die Linde, daneben Eiche und 
Hagenbuche. Seit 40 Jahren sind Esche und Ahorn zahlreich 
eingebürgert worden, und es wurde auch hier die Fichte künst-. 
lich sehr stark bevorzugt; aber der trockene Sommer 1911 
hat diesen Fichtenbeständen arg zugesetzt. In den 70 ha des 
thurgauischen Staatswaldes Scharen mußten im Frühling 1912 
360 m”? Rottannen gefällt werden. 


c. Fremde Waldbäume. 


Das Bild von der Wandlung, die der thurgauische Wald 
im Laufe der Zeit durchgemacht hat, wäre unvollständig, 
wenn nicht noch der fremden, meist nordamerikanischen Hölzer 
gedacht würde, die probeweise angepflanzt wurden und werden, 
um den Ertrag zu heben. 

Vielfach ist die alpine Lärche, Larix decidua Müller, in 
unsern Wäldern, besonders südlich der Thur gesetzt worden. 
Sie bewährt sich aber nur da, wo ihr viel Luft und Licht 
zur Verfügung stehen; sonst bleibt sie im Wachstum hinter 
den konkurrierenden Holzarten zurück, überzieht sich mit 
Flechten und stirbt rasch von unten nach oben ab. Schöne 


— 1593 — 


- gesunde Lärchenbestände sind im Bietenharter Staatswald 
1829/30 von Regierungsrat Freyenmuth gepflanzt worden 
(Schwyter). Im Bezirk Dießenhofen ist sie trotz ihrer tiefen 
 Bewurzelung der Sommerdürre von 1911 erlegen (Etter). 
Ebenso die japanische Lärche, Larix leptolepis Murray, 
die dafür im Haidenhauswald vielversprechend ist. 

Völlig eingebürgert ist die nordamerikanische W eimuts- 
kiefer, Pinus Strobus Linne. Sie erweist sich wertvoll auf 
leichten Böden, besonders Kiesboden, um so mehr als sie schon 
nach 50 —60 Jahren Sägholz für Kisten liefert. St. Katharinen- 
thal hat schöne Bestände (Schwyter). 

Vielen Schatten verträgt die raschwüchsige amerikanische 
Zypresse, Cupressus Lawsoniana Murray, die bereits weit 
verbreitet ist. Die Sitka-Fichte, Picea sitchensis Trautv., 
widersteht durch ihre spitzen, stark stechenden Nadeln dem 
Verbiß durch die Rehe. Dieses Wild hat in neuerer Zeit 
merklich zugenommen und erzeugt durch Verbiß junger Pflanzen 
‚und Fegen (Schälen) in allen Waldgebieten deutlichen Schaden, 
namentlich an Lärchen, Douglastannen und Weimutskiefern 
(Rechenschaftsbericht 1913). Die Sitkafichte bewährt sich 
im nassen Waldlande, wo die Rottanne stockrot wird. 

Die Douglastanne, Pseudotsuga Douglasii Carriere, mit 
dem feinen Balsamgeruch der weichen Nadeln wächst rascher 
als die einheimischen Hölzer und ist vierzigjährig schon 24m 
hoch mit 44 cm Durchmesser in Brusthöhe. 

Am anspruchlosesten ist die kanadische Strauchkiefer, 
Pinus Banksiana Lambert, die schöne Dienste leistet auf Böden, 
die sonst höchstens Weißerlen hervorbringen. 

Der einzige fremde Laubbaum, der sich in unserm Walde 
bewährt, ist die amerikanische Roteiche, Querecus rubra Linne. 
Der schnellwüchsige, glattrindige Baum mit dem purpurroten 
Herbstlaub ist viel genügsamer als die einheimischen Eichen. 

Weniger für den eigentlichen Wald als für steile Halden 
_ eignet sich die Robinie oder falsche Akazie, Robinia 
Pseudacacia L., die in warmen Lagen und sandigem Boden 
außerordentlich schnell wächst und in kurzer Zeit wertvolles 
Nutzholz liefert. 

So ist also der thurgauische Wald trotz der „Rückkehr 
zur Natur“ in Gefahr, seine ursprüngliche Eigenart zu ver- 

lieren und „international“ zu werden. 


1) 


2) 


3) 


5) 


— . 154 — 


E. Zusammenfassung. 


Der thurgauische Wald ist nach Lage und Ausdeh- 
nung in den letzten 200 Jahren ziemlich gleich ge- 
blieben. 

Bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts waren Um- 
trieb und Nutzung nur auf den Augenblick berechnet; 
die Wiederaufforstung blieb der Natur überlassen. Im 


zweiten Drittel setzte rationelle Kultur zunächst bei Staats- 


und Gemeindewald ein. Sie wurde im letzten Drittel 
allgemeiner mittels Staatshülfe. und volle Ordnung 
brachte das eidgenössische Forstgesetz von 1902. 

Der früher durchaus überwiegende Privatbesitz ist nach 
und nach zugunsten des Gemeinde- und Staatswaldes 
auf etwa die Hälfte des Gesamtareals zurückgegangen. 
Er ist ungemein zerstückelt und war bis in die neueste 
Zeit vielfach waldzerstörend, während Staat und Gemeinde 
walderhaltend gewirkt man, 

Der Pflanzenbestand des Waldes war vor 80 Jahren 
ein natürlicher, soweit nicht unverständige Nutzung 
hindernd eingriff. In der Mitte des 19. Jahrhunderts 
setzte überall Bevorzugung der Rottanne ein, so daß 
sich die Naturwälder in monotone Fichtenbestände ver- 
wandelten. Die neue Forstkultur bevorzugt wieder die 
dem Boden und dem Klima angepaßte Mischung des 
Naturwaldes unter Beizug von fremden — meist A 
amerikanischen — einträglichen Holzarten. 

Die tiefgreifendste Kulenmne erfuhr der Auwald, der 
früher ausgedehnte Gebiete beherrschte. Durch die Gerad- 
und. Tieferlegung des Thurlaufes wurden ihm vielfach 
Wasser und Schwemmdüngung entzogen, so daß sich 
einerseits . der Pflanzenbestand änderte, anderseits die 
Streuekultur in sein Areal vorrückte. Das Gesetz fordert 
heute seine Entfernung bis 45 m vom Stromlauf. 


a 


V. Das Rebland. 
A. Aeltere Geschichte. 


Der Weinbau ist im Thurgau wahrscheinlich im letzten 
Viertel des 8. Jahrhunderts vom Elsaß und Breisgau her, wo 
schon vor 780 das Kloster St. Gallen Rebland besaß, ein- 
geführt worden. 

779 wurde ein Weingarten in Romanshorn dem Kloster 
St. Gallen geschenkt, und noch im gleichen Jahrhundert ist 
der Weinbau auch für Ermatingen nachgewiesen (Pupikofer, 
- Gemälde, $8. 86). 829 wird ein Weinberg zu Keßwil, 830 
zu Bottighofen, 834 zu Stammheim, 857 bei Bußnang, 865 
bei Landschlacht, 394 bei Wittershausen-Aadorf, 909 in Mam- 
mern ®rwähnt (Schlatter, S. 132). Von Abt Walafried (842 
bis 849) wurden von Steekborn her 40 Rebleute auf die 
Reichenau berufen, um Gemüse- und Weingärten anzulegen 
(Thurg. Neujahrsblatt 1830). 

Schon ums Jahr 850 müssen Obst- und Weinbau ver- 
breitet gewesen sein; denn seit dieser Zeit verschwinden die 
Bierzinse aus den St. Galler Urkunden, und war somit das 
sermanische Bier durch Obstmost und Wein verdrängt (Beyerle 
III, S. 67). In den Urbarien späterer Jahrhunderte spielen 
jeweils die Weinzehnten eine große Rolle, ebenso die Reb- 
fronden: Lieferung von Dünger und Stickeln, Stellung von 
- Fuhrwerk und Arbeitskräften. 

Der Thurgau war als Weinproduzent sehr gut gelegen 
zwischen zwei Gebieten, denen das Klima die Rebe versagte, 
zwischen den Voralpen des Appenzellerlandes und Toggenburgs 
_ einerseits und dem Allgäu und Oberschwaben andererseits. 
Bei den frühern primitiven Verkehrsverhältnissen waren beide 
Gebiete betreffend Wein auf diesen ihren. nächsten Bezugsort 
angewiesen. Der Absatz war stets gesichert, und der Weinbau 
muß in guten Jahren sehr einträglich gewesen sein. 


B. Verbreitung. 


 Zusammenfassende Dokumente über das Rebareal in 
frühern Jahrhunderten existieren kaum; aber die Stich- 
proben in einzelnen Urkunden lassen darauf schließen, dab 
schon frühe das wirklich taugliehe Weinland in Kultur 


— 156 — 


genommen war, ja, daß die hohen Erträge guter Weinjahre 
dazu verleiteten, den Rebbau übermäßig auszudehnen auf Un- 
kosten des notwendigeren Ackerlandes. Im Jahre 1571 wude 
der Antrag des thurgauischen Landschreibers, keine neuen 
Weingärten, am wenigsten in den fruchtbaren Ebenen, an- 
zulegen, vom Landvogt aller Aufmerksamkeit gewürdigt (Pupi- 
kofer, Geschichte des Thurgau II, S. 498). 

Aus der Ansicht von Dießenhofen in M. Merians Topo- 
graphia Helvetiae (Fig. 24) geht hervor, daß diese Stadt im 
Jahre 1643 nicht nur im Breitenweg und in der Setzi 
jenseits des Rheins Reben hatte, sondern auch in der Hutzlen, 
südlich Vogelsand, bei der hintern Mühle, westlich der 
Säge an der Chrieshaldenstraße, ja sogar noch innerhalb 
der Mauern, östlich vom Rathaus. 

Allzugroße Ausdehnung des Weingebietes wurde aber von 
selbst korrigiert durch Fehljahre, namentlich wenn mehrere 
solcher rasch aufeinander folgten, wie z. B. 1566, 1572, 1573 
(Pupikofer Geschichte II, S. 499). 

Die Gygerkarte von 1667 zeichnet die Rebberge ganz 
deutlich, wenn auch deren Größe kaum zuverlässig ist, und 
gibt für das von ihr dargestellte Gebiet wertvolle Auskunft 
über den damaligen Weinbau. 

Im untern Thurgau bestanden 1667 schon überall die 
größern Rebgelände, die bis in unsere Tage hinein den kräf- 
tigen Thurgauerwein geliefert haben, z.B.: Am rechten Rhein- 
ufer bei Dießenhofen von der Lag bis Obergailingen, auf der 
Kantonsgrenze bei Paradies-Langwiesen, bei den drei Schlatt, 
im Dickehof, bei Willisdorf und Eichenbühl, zwischen Basa- 
dingen und Schlattingen und am Rodenberg bei Schlattingen, 
ferner am Neunfornerberg von der Kantonsgrenze bis gegen 
Ochsenfurt, am westlichen Seerücken von Stammheim bis 


Herdern, am Nordhange des Thunbachtales, am Immenberg 


von Stettfurt bis Zezikon, am Tuttwilerberg bei Wittershausen, 
Maischhausen und Eschlikon, nördlich Ettenhausen und zwischen 
Aawangen und Egghot. 

Bei Gyger fehlend, aber von Peyer 1685 eingezeichnet 
sind die Reben nördlich und östlich Paradies, östlich Dicke- 
hof, bei St. Katharinenthal und am Breitenweg bei Dießenhofen. 

Bei Gyger fehlen auch noch die Reben in Wagenhausen, 
von Etzwilen über Bleuelhausen bis Hüttenberg, im Kalchen- 


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— 158 ° — 


acker nordöstlich Nußbaumen, im Osten von Frauenfeld (Neu- 
hausen, Mühletobel, Oberkirchweg, Plättli), Fig. 22. Ob nun 
diese Weingärten erst seit 1667 angelegt wurden oder, was 
wahrscheinlicher ist, von Gyger, als im Randgebiet seiner 
Karte außerhalb des Kantons Zürich gelegen, nicht mehr 
sorgfältig verzeichnet, wird sich nur gelegentlich anhand von 
Dokumenten herausbringen lassen. Von den bei Gyger ge- 
zeichneten Weinbergen fehlen auf spätern Karten diejenigen 
auf der Nordseite des Eichenbühls südlich Dießenhofen, an 
der Seehalde zwischen Nußbaumen und Seeben und am Hasel- 
berg bei Balterswil. 

Auch die Nötzlikarte von 1717 enthält die Rebberge 
in derselben Darstellung wie diejenige von Gyger. Bei der 
großen Unzuverlässigkeit dieses Dokuments wäre es aber 
gewagt, das Fehlen oder Vorhandensein von Reben bei jeder 
Ortschaft herauslesen zu wollen. 

Nötzli hat beispielsweise keine Reben, wo sie durch 
Gyger 50 Jahre früher und durch spätere Karten bewiesen 
sind: südlich der Linie Aawangen-Mörischwang-Bronschhofen ; 
bei Willisdorf und am Rodenberg bei Schlattingen. 

Wo er aber Reben angibt, die bis in die Rodungszeit 
der letzten Jahre standgehalten haben, darf er als Zeuge 
gehört werden. So verzeichnet er die Weinberge von Neunforn 
bis gegen Ochsenfurt, westlich, südlich und östlich Frauen- 
feld; am Ottenberg, am Immenberg, bei Thundorf und Lust- 
dorf, am Unter- und Oberseeufer, u. a. bei Altnau dem See 
entlang, direkt unter dem Dorf und nordwestlich dem Dorfe; 
bei Arbon am Bergli, östlich Mammertshofen, und am Winzeln- 
berg, nicht aber am Gristenbühl (); in der Gegend von 
Bischofszell bei Hummelberg, Ibrig, Heidelberg, Katzensteig 
und Hauptwil. 

Die Nötzlikarte von 1720 (Fig. 25) zeichnet bedeutend 
mehr Reben als diejenige von 1717: Die: Weinberge längs 
des Unter- und Bodensees sind ziemlich vollständig und viel- 
fach ausgedehnter, da und dort früher getrennte Stücke zu- 
sammenfassend; aber nur an einigen Orten werden Rebstücke 
verzeichnet, die nicht wenigstens in Resten auf unsere Tage 
gekommen wären. Zu diesen wenigen gehören solche südlich 
Lanzenneunforn, am Mattrain südlich Münchwilen, und von 
Adlishaus über Mallisdorf nach Steineloh im Egnach. Dagegen 


— .159 — 


fehlen noch manche durch Gyger konstatierte Weinberge. 
Zwischen Basadingen und Schlattingen, nördlich vom Geißli- 
bach hat es jedenfalls nie Reben gehabt, dagegen am Roden- 
berg, der hier, wie auf allen Nötzlikarten, viel zu weit von 
 — Sehlattingen entfernt ist. Weder aus der alten Karte von 
1717 noch aus derjenigen von 1720 können größere Aende- 
rungen in der Verteilung des Reblandes herausgelesen werden. 


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Fig. 25. Die Weinberge bei Konstanz im Jahre 1720. 
(Nach Dänickers Kopie der Nötzlikarte 1789.) 


Die Herrschaftspläne des 18. Jahrhunderts ergänzen und 
berichtigen die großen Karten eingehend und zuverlässig: 
Das Rebland von Ueßlingen auf dem Ittinger Plan von 1743 
(@®ig. 15) stimmt in fast allen Einzelheiten genau mit dem- 
jenigen der ersten Siegfriedkarte, und ähnlich verhalten sich 
die Pläne von Mammern 1755, Neunforn 1730 und Dießen- 
‚hofen 1770. 


— 160 — 


Die Freudenfelser Pläne von 1759 und 1760 enthalten 


die bei Nötzli fehlenden Reben von Kaltenbach, Bleuelhausen, 


Steinbach und Eschenzer Stad (Fig. 11). 

Auch im 18. Jahrhundert war alles für den Weinbau 
taugliche und dafür zu erübrigende Land demselben gewidmet, 
und es können in diesem Zeitraume nur untergeordnete Aende- 
rungen in der Verteilung des Rebengeländes aus den Doku- 
menten ersehen werden. 

Im Jahre 1766 schreibt J. C. Fäsi (S. 151) vom Thur- 
gauer Wein: 

„Der beste wird an der rechten Seite der Thur von 
Weinfelden bis unter Neunforn, wie auch in der Gegend 
Wellenberg und in dem Lomisser Tal gebauet; an dem 
Untersee aber, von Dägerweilen an bis unter Steckborn, 
ist er weit geringer, obgleich in diesen Gemeinen die 


Weinberge überaus zahlreich sind. — Die Ausfuhr des. 
Weins ist ein beträchtlicher Teil der Handelschaft der. 


Landgrafschaft. Ein großer Teil desjenigen, so zwischen 
der Thur und dem Untersee wächst, wird in das Schwaben- 
land, bis über Memmingen hinaus verführt. Von demjenigen 
aber, so diesseits der Thur gepflanzt wird, gehet ein wich- 
tiger Teil in den Kanton Appenzell, in die Alte Land- 
schaft und in die Grafschaft Toggenburg. Täglich siehet 
man eine Menge Saumrosse, welche mit Thurgäuerweinen 
nach diesen Gegenden beladen sind.“ 


C. Höhenlage. 


Entsprechend der Höhenlage des Landes zwischen 370 m 
bei Neunforn und 1030 m am Hörnli ist der Weinbau haupt- 
sächlich auf die Stufe zwischen 400 und 500 m beschränkt. 

Am Rhein, am Unter- und Oberseegestade, im untern 
Thurtal von Neunforn bis Engwang gehen die Reben 
nur ausnahmsweise über 500 m. 

Die Neunforner Weinberge liegen zwischen 375 m im 
Zelgli bei Fahrhof und 520 m bei Oberneunforn, die Ueß- 
linger zwischen 390 und 520 m, die Dießenhofer zwischen 
410 und 437 m, die Steckborner zwischen 405 und 500 m, 
die Emmishofer zwischen 410 und 485 m, die Altnauer zwischen 


See 


400 und 470 m, die Egnacher bei Gristen und Winzelisberg 
‚ zwischen 450 und 465 m. 

Im Bezirk Bischofszell hebt sich die Grenze um 50 
bis 100 m: Götighofen 545, Heidelberg 570, Schönenberg 560, 
Hauptwil 590, Gottshaus 600 m (Oberholz und Hasum 590, 
Langentannen 595, Pelagiberg 600 m). 

Auf dem Seerücken überschreitet die Rebe 600 m: 
Gonterswilen 610, Homburg 613, Sassenloh 620, Helsig- 
hausen 625, Gündelhart 627, Büren 640 m. Mit Ausnahme 
von Gündelhart fehlen diese Standorte bei Nötzli; Sulzberger 
führt sie auf. 

Merkwürdig hoch ist die obere Weingrenze im Thun- 
bach-#Lauche- und Lützelmurggebiet: Kirchberg 650 m, 
Lustdorf 670, Sonnenberg 640, Spiegelberg 610, Bettwiesen 
640. Aadorf 600, Tuttwil 630, Eschlikon 635, Wallenwil 
640 m — und dies nieht bloß in der höhern Talsohle und 
wegen der Notwendigkeit, mit der Rebe weiter zu steigen, - 
wenn man überhaupt Wein pflanzen wollte, sondern auch 
wesen des verhältnismäßig trocknen Bodens, des Vorteils 
besserer Ventilation bei hoher Lage, der Vermeidung der 
Spätfröste und bei feuchtem Herbstwetter der Traubenfäule. 

Auffallend hoch ist auch die Grenze der Rebkultur am 
Öttenberg, wo die Siegfriedkarte vom Jahre 1883 bei Ober- 
“Ottoberg in 675 m Höhe Reben verzeichnet. Da Sulzberger 
dieselben nicht gekannt hat, scheint der Vorstoß in diese 
Höhe (auch Ratwies 620 m) erst um die Mitte des 19. Jahr- 
hunderts erfolgt zu sein.! Es stimmt damit die Notiz in der 
Statistik des Thurgauer Rebbaus von 1858, S. 31: In Dießen- 
hofen und Weinfelden wird dem Rebland in hohen Lagen 
wieder ersetzt, was es in niedern Lagen verliert. 

Die absoluten Höhengrenzen der Rebe im Thurgau 
sind: 375 m im Zelgli bei Fahrhof-Neunforn und 675 m bei 
Ober-Ottoberg. 

Weder die Karten von Gyger und Nötzli, noch diejenige 
von Sulzberger lassen auf Ueberschreitung dieser Grenzen in 
frühern Zeiten schließen. 

Die momentanen Grenzen (1915) ließen sich nur schwierig 
feststellen, da fortwährend neue Rodungen im Gange sind. 


ı Ebenso von Gottshaus, dessen vier Rebstücke bei Nötzli und 
Sulzberger fehlen. 


11 


— : 162 — 


D. Zerstückelung. 


Das Rebland wurde in Handarbeit durch kleine Eigen- 
tümer oder durch Rebleute im Akkord bearbeitet. Demgemäß 
war es sehr zerstückelt. Die Statistik des Jahres 1858 gibt 
für die 5600 Jucharten! des thurgauischen Reblandes 27 259 
Parzellen an mit der durchschnitilichen Größe von 3?/s Quart. 
Stücke von mehr als einem Vierling waren selten; in Altnau 
und Aawangen gab es halbe Manngrabe, in Weinfelden Viertels- 
manngrabe, und in Uttwil soll es sogar !/sı Juchart gegeben 
haben. 

Die größten Rebgelände fanden sich 1858 in 


Weinfelden 373 Juch. Neunforn 257 Juch. 
Ueßlingen 368 - Hüttwilen 232 - 
Steckborn 313 - Scherzingen 211 - 
Egelshofen 309 - Frauenfeld 209 - 


Da die Herren und Klöster in allen guten Weinlagen 
eigene Reben besaßen, die wenigsten Rebstücke zinsfrei waren 
und die Bauern nur dort keltern durften, wohin sie zu zehnten 
hatten, so erklärt sich ohne weiteres die große Zahl der 
Trotten oder Torkel, welche die Weinberge begleiteten 
und das Landschaftsbild nicht unwesentlich beeinflußten. Eine 
Handschrift in der thurgauischen Kantonsbibliothek zählt die 
Trotten der meisten thurgauischen Gemeinden zu Anfang des 
19. Jahrhunderts auf; beispielsweise hatten die Munizipal- 


gemeinden: 
Neunforn 39 Trotten Amlikon 36 Trotten 
Ueßlingen 53 - Affeltrangen 14 - 
Pfyn 24 - Stettfurt 17 - 
Gachnang 20 - Thundorf 15 - 
Frauenfeld 35 - Aadorf 15 - 
Hüttlingen 7 - Wängi 14 


Für Weinfelden fehlen die ueaben, dessen Chr, sagt 
aber, daß der 46°‘ lange und 4‘ breite Trottbaum in der 
Blatterntrotte der größte unter den 0 Trottbäumen des Wein- 
felder Reblandes sei. Den Rekord hatten die Rebgelände in 
der Nähe von Konstanz, wo von Altnau bis Ermatingen 


! 1 Juchart = 4 Vierling = 16 Quart. 1 neue Juchart, seit 1836 
=56 Aren. 1 alte große Juchart & 15 Manngrab = 34 Aren. 1 alte 
Rebjuchart a 10 Manngrab = 23 Aren. 


ee 


190 Trotten gezählt wurden: Altnau 65, Scherzingen T, 
' Landschlacht 20, Münsterlingen 6, Bottighofen 16, Kurzricken- 
bach 17. Kreuzlingen 12, Egelshofen 10, Emmishofen 10, 
Gottlieben 1, Tägerwilen 7, Triboltingen 4, Ermatingen 13, 
Wolfsberg 2. 

In dieser Landschaft hatten nicht nur verschiedene Klöster, 
sondern auch viele reiche Konstanzer Herren ihre eigenen 
zinsfreien Rebstücke und zugehörigen Trotten. Mit Bezug auf 
Altnau, das speziell in die Gerichtsbarkeit von Konstanz 
gehörte, schrieb mir auf meine Anfrage Herr Kommandant 
F. Waser. „Die Zahl 65 für die Trotten von Altnau im 
Anfang des 19. Jahrhunderts scheint mir nicht übertrieben 
zu sei. Ich erinnere mich noch ganz gut an die Jahre 1850 
bis 1860 und weiß, daß dazumal noch zirka 20 größere 
Trotten vorhanden waren nebst etwa 10 kleinen, und wenn 
bei der Zählung von 1801 die hölzernen Spindelpressen auch 
unter diesem Titel aufgenommen worden sind, was wahrschein- 
lieh ist, so mag die Zahl annähernd stimmen.“ 

Da in den 60er Jahren die Zehnten fast überall abgelöst 
waren — der letzte im Thurgau im Jahre 1875 —, so waren 
auch die Trotten ins Eigentum der Altnauer Bauern über- 
gegangen. „Die Großbauern hatten jeder seine eigene Trotte; 
die kleinen Rebbesitzer besaßen zu 2, 3 oder 4 gemeinsam 
eine solche und bildeten eine Korporation. In den 60er Jahren 
mag das Altnauer Rebareal, das im Anfang des 19. Jahr- 
hunderts aus 80—90 Jucharten bestand, schon um ein Drittel 
reduziert gewesen sein; ebenso auch im gleichen Verhältnis 
die Trotten. Heute haben wir in der ganzen Gemeinde nur 
noch 1 Juchart Reben und keine einzige Trotte mehr.“ 


E. Rückgang. 


Damit sind wir bereits auf das Kapitel des großen Rück- 
sanges eingetreten, welcher steigend bis in unsere Tage 
sich fortsetzt und hoffentlich nicht mit dem gänzlichen Unter- 
gang des thurgauischen Rebbaus endet. 

Die Sulzbergerkarte zeigt das thurgauische Rebareal noch 
ziemlich in alter Vollständigkeit, der Siegfriedatlas schon 
bedeutend reduziert; in jeder neuen Ausgabe seiner Blätter 


— 16t — 


mangeln weitere altbekannte Rebstücke, und die Zahl der 
rebenfreien Gemeinden erhöht sich zusehends. 

Nach F. Schaltegger (Das Rebwerk im Thurgau, S. 116) 
besaß unser Kanton an Rebland 


1801: 2325,3 ha 1884: 1811,8 ha 
1834: 2159,1 ha 1901: 1347,5 ha 
1852: 2092,7 ha 1907: 971.4 ha 


Seit 1907 hat der Rückgang noch Beschleunigung er- 
fahren. Die Rodung betrug von 1901 —1907 durchschnittlich 
53,7 ha, von 1907—1914.86 ha per Jahr. 

Nach der vom thurgauischen Landwirtschaftsdepartement 
durchgeführten Statistik nahm das Rebland noch ein: 1912: 
564,41 ha, 1913: 453,26 ha, 1914: 368,76 ha. 

Einigermaßen erhebliche Rebareale haben nur noch die 
Munizipalgemeinden 


1913 1914 1913 1914 

ha . ha ha ha . 
Neuntornt, 27.2 58,12 93.0  Basadnsen 2033 29,5 
Hüttwilen .. .. 46,6 27,6: "Berlingen '. = 26 24 
Ueßlingen . . 41,5 36,5 Ermatingen . 21 18 
Steckborn . . 41,5 35,2 Märstetten . . .20 19,8 
Weinfelden . 35,2 35 Salenstein . . 14.5 10 


Die angeführten Zahlen sind alle ungenau, da die An- 
gaben früher allgemein und heute noch für sechs Siebentel 
der Gemeinden auf bloßer Schätzung beruhen. Immerhin 
zeigen sie deutlich den trostlosen Niedergang unserer Wein- 
kultur. 

Als Ursachen desselben lassen sich folgende erkennen: 

1) So lange der Absatz auch der geringeren Weine nach 
St. Gallen und Appenzell. nach dem Toggenburg und Glarus, 
und über den See nach Schwaben und ins Allgäu regelmäßig 
vor sich ging, war der Weinbau lohnend, besonders am See- 
gestade bei den bequemen Abfuhrverhältnissen. Am Untersee 
bedeckte sich nicht nur die mitternächtliche Seite des See- 
rückens, sondern auch der schmale Streifen des flachen Ufer- 
geländes mit Reben geringen Gewächses, und ein Weinhandel 
entstand hier, der nicht allein manchem einzelnen Hause zu 
ansehnlichem Vermögen, sondern dem ganzen Seeufer zu 
blühendem Wohlstand verhalf (Pupikofer Gemälde, 8. 91). 


— 165 — 


Als dann aber im Anfang des 19. Jahrhunderts die 
benachbarten deutschen Staaten unverhältnismäßig hohe 
Weinzölle einführten, vermochten gerade die geringen See- 
weine! die Zollbelastung nicht zu ertragen, und da zugleich 
verbesserte Straßen die Zufuhr edlerer Weine ins Innere 
der Schweiz aus begünstigteren Gegenden ermöglichten, sank 
der Preis des geringen Weines und seines Reblandes derart, 
daß — speziell nach den Mißjahren 1812—1817 — Hunderte 
von Jucharten Reben ausgestockt und niemals wieder bepflanzt 
wurden (Thurg. Rebbaustatistik, S. 30, G. Aeppli, S. 4). 

2) In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts hatten nach 
Schaltegger, Rebwerk, $. 5) manche Weinbauern die naive 
: Idee, daß sie durch Roden der Reben der auf diesen haftenden 
Zehntpllicht sich entziehen könnten. „Diese war indes nach 
bestimmtem Ansatz gewertet und mußte wohl oder übel in 
barem Gelde entrichtet oder in zwanzigfachem Betrage ab- 
gelöst werden.“ Doch wurde nur da gerodet, wo die Lage 
_ dem Gedeihen der Reben ungünstig war, und in der Ebene, 
wo andere Kulturen sicherere, Erträge versprachen. 

Dafür fanden in dieser Zeit, besonders in hohen Lagen 
(Ottenberg, Dießenhofen), wo Früh- und Spätfröste weniger . 
‚Schaden stiften, Neupflanzungen in besseren Sorten statt, so daß 
"sich nach und ch die durchschnittliche Qualität elonran hob. 

Im allgemeinen aber galt der Weinbau nicht mehr 
als lohnender Erwerb, und die Lage der unbemittelten 
Rebbauernbevölkerung war abhängiger und gedrückter als 
diejenige der übrigen Landbauern (Pupikofer Gemälde, $. 39). 

3) Als nun die Industrie im Lande einzog und den arm- 
seligen Rebbäuerlein lohnenden und weniger mühsamen Erwerb 
gewährte, gebrach es dem Weinbau bald an Arbeits- 
kräften, die sich keineswegs durch Maschinen ersetzen ließen 
wie beim Feldbau. 

4) Ende der 70er Jahre zog der falsche Mehltau 
(Plasmopara viticola Berlese et De Toni) ins Land und erhöhte 
durch die notwendigen Spritzarbeiten die Kulturkosten 
bedeutend, so daß, als 1846 die Reblaus (Phylloxera vastatrix 


1 Schon 1585 war der Steckborner Wein zu Stein aus dem Wein- 
handel ausgeschlossen, weil ihm alle die Eigenschaften mangelten, 
durch welche die Stadt Stein ihrem Weinhandel Zutrauen zu ver- 
schaffen hoffte (Thurg. Neujahrsblatt, 1830). 


— 166 — 


Planchon) erschien und ihre Bekämpfung große Weinareale 
verwüstete, dies vielorts nicht einmal als Unglück angesehen, 
ja sogar wegen der vom Staate bezahlten Entschädigung eher 
als willkommener Ausweg aus der bösen Lage empfunden 
wurde. 

Die Reblaus wurde im Oktober 1896 am Immenberg in 
der Gemeinde Wetzikon entdeckt und sofort energisch bekämpft; 
1900 waren ihre Verwüstungen bei Landschlacht, 1905 bei 
Stettfurt-Sonnenberg und gleichzeitig bei Gachnang und bei 
Altnau, 1906 bei Aadorf sichtbar. Im Kampfe mit dem Schäd- 
ling wurden von 1897—1912 440 844 Rebstöcke (41,10 ha) 
zerstört, Fr. 39353.57 Entschädigung für hängende Ernte, 
sowie Fr. 131 853.35 für Stock und Stickel ausbezahlt. Die 
Entschädigung für Stock und Stiekel betrug anfangs 45 Rp., 
später noch 10 Rp. (Dr. Stauffacher, Bericht über die Arbeiten 
zur Reblausbekämpfung im Kanton Thurgau in den Jahren 
1909—1912). SE 

5) Seit den 50er Jahren bringen die Eisenbahnen nicht 
nur aus den bevorzugten Weingegenden der Schweiz, dem 
Wallis, der Waadt und von Neuenburg, dem unsrigen weit 
.überlegene Weine, sondern in stets steigendem Maße auch 
von fernher, aus Ungarn und Südtirol, aus Frankreich, Italien, 
Spanien und Algerien, und zwar zu einem Preise, der trotz 
des hohen Schutzzolles von 8 Fr. per hl dem einheimischen 
Gewächs scharfe Konkurrenz macht. Letzteres kann sich nur 
noch in den so seltenen guten Weinjahren auf dem Markte 
erfolgreich behaupten. 

6) Der steigende Konsum des billigen Bieres einerseits 
und die stets erfolgreicher auftretende Abstinenzbewegung 
andererseits tragen weiter dazu bei, dem thurgauischen Reb- 
bau das Grab zu schaufeln, und dieser wird sich voraus- 
sichtlich nur noch in einigen bevorzugten Lagen durch kapital- 
kräftige Besitzer weiterhin halten können. 

Leider ist das Vorgehen bei der heutigen Reb- 
rodung ein ganz unrationelles. Dieselbe gleicht dem kopf- 
losen, ungeordneten Rückzuge einer geschlagenen Armee. So 
sehr jetzt die Aufgabe des Rebbaus in exponierten, ungünstigen 
Lagen oder da, wo mit Vorteil andere Kulturen angelegt 
werden können, angezeigt erscheint, so sehr ist bei der weit- 
gehenden Parzellierung des Besitzes zu bedauern, dab jeder 


a 


rodet, wo und wann es ihm beliebt, selbst mitten aus den 
besten Weinlagen heraus. Solche Lücken sind dann für den 
_ Anstößer verhängnisvoll. Stehen gebliebene vereinzelte Reb- 
stücke gehen, weil allen Feinden ausgesetzt, im Ertrag un- 
bedingt zurück und verfallen dann ebenfalls der Reuthaue. 
Den Lückenschlag im guten Weinberg durch Ankauf der 
betreffenden Parzelle aufzuhalten wagt aber auch niemand, 
weil die Zukunft sowieso trübe erscheint. 

So zeigt also heute der Thurgau mit seinen kahlen 
Sonnenhalden ein gegen früher völlig verändertes 
Landschaftsbild. In den früheren Rebendörfern sind die 
kleinen Rebleuteexistenzen eingegangen. Das Erwerbszentrum 
ist die*Käserei oder die Fabrik geworden. Die ehemaligen 
_ Rebberge sind kahl; sie harren, vorderhand ziemlich unrentabel 
mit Futter bepflanzt, auf neue, einträglichere Kulturen — 
Sehlatt und Schlattingen haben Himbeer-, Mannenbach und 

rmatingen Stachel- und Johannisbeeranlagen — oder wieder 
auf den Wald, dem sie vor Zeiten abgerungen wurden. 


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Die Vegetation des Untersees 
(Bodensee)' 


Vortrag, gehalten an der Jahresversammlung 
der Thurgauer Naturforschenden Gesellschaft in Kreuzlingen, 21. Oktober 1911; 
verkürzt wiederholt als akademischer Vortrag im Rathaus zu Frauenfeld, 
13. Dezember 1912. 
- 


Von Dr. Eugen Baumann in Zürich. 


Ein jeder See ist nur eine vorübergehende Erscheinung 
im Antlitz der Erde, nur ein flüchtiger Lichtblick in der 
Geschichte des Tales, dessen Sohle von den Fluten bespült 
wird. Das Schicksal aller Seen ist besiegelt; es lautet: all- 
mähliches Verschwinden von der Erdoberfläche. Die akkumu- 
lierende Arbeit des Wassers, seine fortwährend nagende 
Erosion, die stetige Zuführung von Anschwemmaterial durch 
einmündende Bäche und Flüsse, und dadurch bedingt, ihre 
ausfüllende Tätigkeit, ferner die allmähliche Verwachsung 
und Verlandung durch die energisch gegen den See vor- 
dringenden Vegetationspioniere: dies sind die Faktoren, welche 
in wechsekeitigen Kombinationen und Kontrasten ein lang- 
sames Verschwinden der Seen herbeiführen. 

Der an landschaftlichen Reizen so überreiche und besonders 
auch in botanischer und pflanzenbiologischer Hinsicht so 
äußerst merkwürdige Untersee ist nach der orographischen 
Beschaffenheit der Gegend ein dem Ueberlingersee gleich- 
wertiger, südlicher Arm des Bodensees und hatte einst. mit 
dem Obersee eine einheitliche Fläche gebildet. Von ihm aus 
erfolgt in der Hauptlängenachse des Sees der Abfluß des 


! Vel. E. Baumann, Die Vegetation des Untersees (Bein 9) 
Eine floristisch-kritische und biologische Studie. Stuttgart 1911. 
E. Baumann, Beiträge zur Flora des Untersees (Bodensee), in ] Mitteil 
der Thureg. Naturf. Ges. 18. Heft. Frauenfeld 1908. 


Sn 


Rheins bei Konstanz. Durch Anschwemmungen, Geschiebe 
einmündender Bäche, durch Aufschüttung von glazialen Kiesen 
und die noch zu besprechenden Schnegglisand-Ablagerungen 
ist er in seiner Sohle erhöht und sein Becken mit nur 47 m 
Maximaltiefe (Ueberlingersee 147 m; Obersee 252 m) relativ 
seicht geworden. 

Der Untersee ist durchwegs in obere Süßwassermolasse 
eingebettet, welche indessen an den meisten Orten durch 
Moränen und glaziale Kiese verdeckt ist. Auf die interessanten 
glazialgeologischen Untersuchungen über den Boden- und 
Untersee kann ich hier nicht eintreten!; es mag der Hinweis 
genügen, daß der Rheingletscher bei seinem letzten Rückzug 
bei Konstanz einen länger dauernden Halt machte, so daß 
Konstanz selbst zum Teil auf einer Moräne liegt. Nordwestlich 
dieser Moräne finden sich als jüngste Verlandungsprodukte 
Seekreiden, Seeschlick; ferner die später zu erwähnenden 
Schnegglisande, sowie äußerst zähe, kalkhaltige, geschichtete 
Tone, sogen. Bändertone. Alle diese Verlandungsprodukte 
bilden den Untergrund des Tägermooses und Wollmatinger- 
riedes, zwischen denen der „Rhein“ sich aus dem Öbersee 
in nur 4 km langem „Stromlauf ohne Geschiebeführung* 
unterhalb Gottlieben wieder zum Untersee erweitert. 

Von Inseln ist die Reichenau mit über 5 km Länge und 
über 2 km Breite die größte. Sie ist mit dem Festland durch 
eine im seichten, bei Niederwasser trockenliegenden Seegrund 
erbauten Dammstraße verbunden. Vom untern Ende der Insel 
verläuft ein unterseeischer Rücken nur wenige Meter unter 
dem Wasserspiegel gegen die Halbinsel Mettnau bei Radolfzell. 
Kleinere Inseln sind die drei Inseln Weerd bei Stein und 
die merkwürdigen Schnegglisandinseln bei Gottlieben. 

In den Untersee münden 46 meist kleinere Bäche ein, 
welche durch Kies- und Sandanschwemmung jene charakte- 
ristischen Landzungen gebildet haben, auf denen zum Teil die 
Uferdörfer Ermatingen, Mannenbach, Berlingen und Steekborn 
erbaut wurden. Der größte und merkwürdigste Zufluß zum 
Untersee ist die Radolfzeller Aach, auch Hegauer oder Singener 
Aach genannt, deren starke Quelle beim Städtchen Aach als 
kleines Flüßchen entspringt und in kurzem, zuletzt stark 


1 Vol. W. Schmidle, Die diluviale Geologie der Bodenseegegend 
(und die dort zitierte Literatur). Braunschweig 1914. 


ET 


‚gewundenem Lauf sich vor Radolfzell in den Untersee ergießt. 
Die schon vor 200 Jahren vermutete unterirdische Verbindung 
_ zwischen der 170 m höher gelegenen Donau und der Aach 
wurde in jüngster Zeit einwandfrei nachgewiesen. Die obere 
oder Schwarzwalddonau verschwindet nämlich jedes Jahr 
zwischen Möhringen und Immendingen auf badischem und 
bei Fridingen auf württembergischem Gebiet, teilweise 
unter starkem Gepolter in die Tielen des weißen Jura, wodurch 
ihr Flußbett oft bis sechs Monate lang und mehrere Kilometer 
weit trocken liegt. Strenggenommen fließt also der Oberlauf 
der Donau in den Untersee und damit in den Rhein und in 
die Nordsee, statt ins schwarze Meer. Diese ausräumende 
Tätigkeit der Donau ist für den Untersee von größter Be- 
deutung, indem dadurch jährlich etwa 3100 m? gelösten Kalkes 
dem Jura entzogen werden, in 50 Jahren ein Raum von 
155000 m?! Der größte Teil dieser riesigen Kalkmenge wird 
in gelöstem Zustand in den Untersee geführt und dort auf 
chemischem oder organischem Wege niedergeschlagen. 

Die durchschnittlichen Jahresschwankungen des Untersee- 
spiegels betragen 2,12 m, in nassen Jahren bis 3,3 m. Bei 
dem durch die Schneeschmelze in den Bergen bedingten Hoch- 

 wasserstand im Frühsommer sind die ausgedehnten Flächen 
des Wollmatinger-, Markelfinger- und Radolizellerriedes voll- 
ständig überschwemmt; bei Niederwasser im Winter dagegen 
sind letztere nicht nur vollständig trocken, sondern es finden 
sieh längs der Ufer bis 100 m breite Streifen Seebodens eben- 
falls trocken. 

Diese Verhältnisse sind für die Entwicklung der litoralen 
und zum Teil auch der Riedflora von großer Bedeutung. 
Die Pflanzen auf der Grenzzone, d. h. desjenigen am Unter- 
see besonders deutlich ausgebildeten Landstreifens, der beim 
sommerlichen Hochwasser überschwemmt, vom Herbst bis 
Frühling dagegen trocken liegt, kommen im Frühling meist 
vor der Blütezeit unter Wasser; ihre Vermehrung erfolgt dann 
auf vegetativem Wege durch Ausläufer oder Brutknospen. 
Die ausnehmend trockenen Frühjahre 1909 und 1911, bei 
abnormalem, lang andauerndem Tiefwasserstand gestaltete sich 
für die Grenzzonenbewohner zum eigentlichen Blütenjahr; 
denn all ihre Vertreter, wie Strandling (Litorella) Nadel- 
binse (Eleocharis acieularis), Kriech-Hahnenfuß (Ranunculus 


— 1174 — 


reptans) und andere blühten an all ihren Standorten zu 
Tausenden! 5 

Für die Seeflora dagegen bewirkte dieser Tiefwasser- 
stand einen starken Rückgang in der Entwicklung, indem 
ganze Bestände, selbst von häufigen Wasserpflanzen (Charen, 
Laichkrautarten, Wasserpest, Horn- und Nixenkräuter) stellen- 
weise fast gänzlich verschwanden. 

Der jeweilige Wasserstand bedingt im weiteren die Aus- 
bildung der an das Wasser- bezw. an das Landleben sich 
anpassenden Pflanzenformen, und es entstehen, von demselben 
beeinflußt, bei einer Anzahl von Grenzzonenpflanzen eigen- 
tümliche, von einander gänzlich verschiedene Tiefwasser-, 
Seichtwasser- und Landformen. 

Die weiten, im Sommer überschwemmten, bei Niederwasser 
dagegen trocken liegenden Streifen der Uferzone verlangen 
ferner für eine Reihe von Wasser- oder wasserliebenden 
Pflanzen die Ueberwinterung auf dem Trockenen, indem diese 
mit verdiekten Wurzelteilen und Brutknospen (Winterknospen) 
oder mit ihren Samen in trockenen und selbst gefrorenen 
Boden den Winter überdauern, so z. B. viele Laichkrautarten 
und Armleuchtergewächse (Oharaceen), Nixenkräuter (Najas- 
Arten), Tausendblatt (Myriophyllum vertieillatum), Tannenwedel 
(Hippuris), Wasserschlaucharten (Utrieularia) und andere. 

Die Uferzone des Untersees ist sehr abwechslungsreich 
gestaltet; ausgewaschene Ufer wechseln mit angeschwemmten 
Deltabildungen; auf sandige, schlammige Buchten mit reich- 
licher Vegetation folgen kiesige, vegetationsarme Uferstreifen. 
Durch diese reiche Abwechslung der großenteils noch natür- 
lichen Ufer erhält der Untersee die mit Recht gerühmten 
landschaftlichen Reize. 

Von der Uferzone zieht sich die sog. W yße mit wechselnder 
Breite, oft in kaum merklicher Neigung, bisweilen in mäßigem 
Abfall gegen die Halde hin. Sie ist meist deutlich ausgebildet 
und hebt sich durch ihre weißliche Farbe schon aus der Ferne 
vom Blaugrün des tieferen Wassers ab. Hier spielt sich ein 
äußerst reichhaltiges Leben pflanzlicher und tierischer Or- 
ganismen ab, und die Wyße bildet eine unerschöpfliche Fund- 
grube zur Beobachtung derselben. Sie ist der Sammlungs- 
platz, der Berührungspunkt, wo die seewärts vordringenden 
Pioniere der Verlandungspflanzen und die gegen das Ufer 


Sn 


Be intrtekenden Wasserpflanzen einander begegnen. Besonders 

im Sommer ist dieser Bezirk außerordentlich belebt, wenn 
das Heer der Wasserpflanzen in Erscheinung tritt. Laich- 
-kräuter, Armleuchtergewächse, Wasserpest, eine len und 
andere überziehen die im Winter wie tot erscheinende Fläche 
mit einer wirr durcheinandergeflochtenen Vegetationsdecke, 
welche den Badenden und Gondelfahrern als lästiges Hindernis 
genussam bekannt ist. Gegen den Herbst treten mit pünkt- 
licher Regelmäßigkeit Myriaden von Kieselalgen (Diatomeen) 
auf, die absterbenden Pflanzenteile mit einem schleimigen 
Ueberzug umhüllend. 

‚ Auf die Wyße folgt als mehr oder minder steiler Abfall 
die H#lde, die nach unten allmählich in den eigentlichen 
Seeboden übergeht! Der Boden des Untersees ist durchwegs 
von einem feinen, graugelben Schlammüberzug bedeckt, in 
welchem Prof. R. Lauterborn die merkwürdige Schwefelbakterie 
Thioploca Schmidlei entdeckte, deren zu flockenartigen Massen 
verflochtene, mit Schwefelkörnern besetzte Fäden konstant in 
gleitender Bewegung sich befinden und die unlängst auch im 
Zürichsee nachgewiesen wurde. 

Merkwürdigerweise gelingt es, bis auf wenige Meter genau 
die Ausbreitung des Obersee- und Unterseewassers zu bestimmen, 
und zwar mit Hilfe des Planktons, d. h. der in jedem See 
oder Fluß oft in ungeheurer Menge vorhandenen, meist 
nur mikroskopisch sichtbaren, passiv oder aktiv im Wasser 
schwebenden oder schwimmenden Organismen pflanzlicher 
oder tierischer Natur. Das Plankton erweist sich hier nach 
Prof. Lauterborn als zuverlässiger Stromweiser, indem das 
Unterseewasser als charakteristische Leitform das dem Obersee 
fehlende, von bloßem Auge sichtbare Infusorium Stentor besitzt; 
dagegen fehlt dem Unterseewasser gänzlich die im Obersee 
häufige Alge Botryococeus braumit. 

Zu Seegebilden eigentümlichster Art gehören die im Unter- 
see weit verbreiteten Kalkablagerungen. In der Konstanzer 
Bucht, im Rhein bis unterhalb Gottlieben, ferner am Aus- 


- 1 Ueber die zum Teil nicht unbedeutenden Veränderungen der 
Bodengestaltung im Untersee durch das Erdbeben vom 16. Nov. 1911 ° 
vel. @. Rüetschi, Das Erdbeben vom 16. Nov. 1911 am Untersee. 
Sonderabdr. Jahresber. u. Mitteil. d. oberrhein. geol. Vereins, Bd. III, 
1. Heft 1913, S. 113 - 143. 


— 116 — 


fluß des Sees von Eschenz bis unterhalb Stein liegen auf 
lokalen Erhöhungen des Seebodens die seit längerer Zeit 
bekannten Kalktuffbänke, die aus einer mehr oder minder 
zusammenhängenden Schicht kleinerer oder größerer, von einer 
meist dieken Kalkkruste umhüllter Kiesel bestehen. 

Auf den äußern, jüngern Schichten finden sich neben 
seltenen Moosen (Jumgermannia riparia, Fissidens grandifrons 
und crassipes ete.), kuglige, olivenbraune bis dunkelgrüne 
Polster von Spaltalgen, hauptsächlich Riövularia-Arten, welche 
den im Wasser gelösten doppelkohlensauren Kalk bei der 
Assimilation als einfachkohlensauren Kalk niederschlagen. 
Letzterer umhüllt als äußerste Schicht die lebenden Algen- 
kolonien. Diese vegetabilischen Kalktuffbildungen finden sich 
stets in stärkerer oder schwächerer Strömung, wohl infolge 
des vermehrten Kohlensäuregehaltes im fließenden Wasser. 
Sie nehmen an Größe mit den jahrringähnlich sich aut- 
lagernden Kalkschichten zu und wachsen zuletzt barrenartig 
in die Höhe. Bei Niederwasser im Winter ragen sie mitunter 
zum Wasser heraus und frieren, vor Frost zerspringend, ab. 

Noch merkwürdiger sind die von Prof. Schmidle in Kon- 
stanz und mir genauer untersuchten Schnegglisandablage- 
rungen. Unterhalb Gottlieben finden sich gegen den seichten 
Flachgrund „im Feld“ drei größere, inselartig auftauchende 
Erhebungen, deren größte, die Insel Langenrain, auch bei 
Mittelwasser zum See herausragt. Die nicht bewachsenen und 
besonders bei niederem Wasserstand im Herbst und Winter 
in ansehnlicher Breite sich ausdehnenden und schon aus der 
Ferne weißlichgrau schimmernden Uferstreifen bieten einen 
höchst sonderbaren Anblick. Der ganze Untergrund dieser 
drei Erhebungen besteht nun nach Aussage der Fischer, und 
wie ich mich durch eigene Ausgrabungen wiederholt überzeugt 
habe, aus diesen Kalkablagerungen, die bei den Fischern 
unter dem zutreffenden Namen „Schnegglisand“ bekannt 
sind. Sie sind mit den vorhin erwähnten Kalktuffen nicht 
identisch, aber gleich diesen ein Seegebilde (Fig. 1)! 


! Die Figuren 1—5 stammen aus E. Baumann, Vegetation des 
Untersees (Bodensee). Stuttgart 1911. Sie wurden uns von der 
E. Schweizerbartschen V erlagsbuchhandlung (Naegele & Dr. Sproesser) 
für die vorliegende Publikation bereitwilligst zur Verfügung gestellt, 
was wir an dieser Stelle dankbar erwähnen möchten. Der Verf. 


Fig.1. Verschiedene Formen von Kalkalgen-Ablagerungen (,‚Schnegglisande‘‘) 
auf Muscheln, Schneekenschalen usw. (Insel Langenrain, September 1907.) 


. 


Fig. 2. Kalkalgen- (‚‚Schnegglisand‘‘) Bank bei der Insel Langenrain. 
Aufgenommen bei niedrigem Wasserstand am 6. Oktober 1906. 
(Die Länge der Bank betrug etwa 2 km.) 


12 


—.. 178 — 


Es sind kleinere oder größere, stecknadelkopf- bis zwiebel- 
große, mehr oder minder plattgedrückte, rundliche oder läng- 
liche, in der Mitte nicht selten durchlöcherte oder ausgehöhlte, 
mit Kalk stark inkrustierte, hellgraue bis bräunliche 
Knollen, die dem seichten Seegrund bis zu mehreren Metern 
Mächtigkeit aufgesetzt sind. Die Kalkkruste besteht aus jahr- 
 ringartig aufgelagerten, sandartigen Schichten, deren Kern sehr 
häufig aus einer Schnecken- oder Muschelschale besteht; daher 
der Name „Schnegglisand“ (Fig: 2). 

Diese Kalkschiehten werden nun durch die Tätigkeit von 
Kalk ausscheidenden Spaltalgen erzeugt und zwar sind 
eine ganze Anzahl von Spaltalgenarten daran beteiligt 
(Sehizothrix-Arten, Hwyellococcus niger, Pleetonema tenue u. a.). 
Die lebenden Algenkolonien finden sich stets auf der 
äußersten Schicht des Steinchens; die inneren Schichten sind 
tot. Die Algenpolster schlagen bei ihrem Wachstum fort- 
während kohlensauren Kalk auf ihre Außenschicht bezw. auf 
die Schalen von kleineren Schnecken und Muscheln nieder, 
und zwar im Sommer unter Wasser in einer lockeren 
Schicht, im Winter über dem Wasserstand in einer kom- 
pakteren Form, so daß ein wechselndes, jahrringähnliches 
Wachstum erkennbar ist. 

Durch mehrfache Ausgrabungen bis auf’s Grundwasser 
konnte ich nachweisen, daß die Insel Langenrain ausschließlich 
aus den Ablagerungen dieser Kalk abscheidenden Algen besteht. 
Sie stellt geradezu eine vegetabilische Insel dar, eine 
Analogie zu den Koralleninseln des Ozeans, wie sie noch von 
keinem Süßwassersee bekannt geworden ist! 

Die Schnegglisande haben im Untersee eine starke Ver- 
breitung. Sie bilden Erhebungen und Bänke bei Stromeyers- 
dorf unterhalb Konstanz, auf der Mettnau bei Radolfzell, bei 
Hornstad, bei den Inseln Werd bei Stein usw. Auffallender- 
weise finden sie sich in großer Ausdehnung auch auf dem 
Lande. Fast das ganze, sehr ausgedehnte Wollmatingerried 
hat ausschließlich Schnegglisande als Unterlage, wie ich durch 
das Material aufgeworfener Fuchslöcher und durch eigene 
Ausgrabungen konstatieren konnte. Im südöstlichen Teil dieses 
Riedes ist die Schnegglisandschicht bis zwei Meter mächtig. 
Diese für das Wasser stark durchlässige und daher oft längere 
Zeit trockene Bodenunterlage hat hier die Ansiedlung von 


2 ge 


trockenliebenden Pflanzen (Xerophyten) begünstigt, 
- welche zur Riedflora im grellsten Widerspruche stehen. Weleh 
eigentümliches Bild, die Heide-Segge (Carex ericetorum), die 
Kugelblume (Globularia Willkommü), das Katzenpfötehen 
(Antennaria dioica), die Küchenschelle (Anemone pulsatilla), 
der Färber-Ginster (Genista tinctoria), den Berg-Haarstrang 
(Peucedanum Oreoselinum), alle in Menge und mitten im Ried 

und in unmittelbarster Nähe von Schilf und Binsen! 
| Schnegglisande bilden am linken Rheinufer die Unterlage 
von Gottlieben bis hinauf zum Paradieser Feld bei Konstanz, 
und selbst in der Stadt Konstanz ruhen sie auf den die Stadt 
 durchquerenden Geschieben der Konstanzer Moräne. 

Die” wichtige Bedeutung der Schnegglisandablagerungen 
ist einleuchtend. Die im Winter bei Niederwasser abbröckeln- 
- den und zu einer grusartigen Masse zerfallenden Kalkkrusten 
' werden im Sommer vom steigenden Wasser überflutet, vom 
Wellenschlag und der Strömung aufgewühlt und schließlich 
an seichtern oder tiefern Orten abgelagert. Sie setzen vieler- 
orts den Hauptteil des Seeschlamms und der Seekreide zu- 
sammen. Ihre Bildung hat sich über lange Zeiträume ver- 
breitet und schreitet heute noch fort; ihre Entstehung reicht 
bis in die postglaziale Zeit zurück. Durch ihre mächtigen 
Ablagerungen haben die Schnegglisand-Algen im 
LaufderJahrtausendeander Ausfüllung des Untersee- 
beckens einen wichtigen, wenn nicht den größten 
Anteil genommen. 

Es ist mir leider versagt, in dem kurzbemessenen Raum 
Ihnen ein vollständiges Bild von der äußerst reichhaltigen 
Vegetation des Untersees zu geben, mit deren Reichhaltigkeit 
kaum ein anderer See in Mitteleuropa rivalisieren dürfte; doch 
möchte ich Ihnen wenigstens einen Einblick zu verschaffen 
suchen in die merkwürdigen Lebensverhältnisse und in die 
wichtigsten Vegetationsformen seiner Ufer- oder litoralen 
Flora. 

Das Gebiet der Uferflora umfaßt die Vegetation des 
ständig und zum Teil periodisch untergetauchten Hanges, der 
Wyße und der Halde und damit die Mehrzahl der makro- 
_ phytischen Gewächse. Die einzelnen Vegetationszonen 
sind im allgemeinen am Untersee nicht so scharf geschieden 
wie in anderen Seen, da bei seinen langsam gegen die Tiefe 


— 180 — 


verlaufenden Gehängen die verschiedenen Bedingungen der 
einzelnen Zonen nur wenig scharf ausgeprägt einwirken. Die 
Pflanzen der oberen und unteren Zone passen sich daher leicht 
an die nur allmählich sich ändernden Verhältnisse an und 
besiedeln dadurch Standorte, wo sie sonst niemals vorkommen. 
Gleichwohl können wir als innerste und tiefste Zone eine 
Zone der Chara-Bestände erkennen, die sich von etwa 
5—17 m Tiefe erstreckt. Dieser folgt landeinwärts die Zone 
der Laichkraut-(Pofamogeton)-Bestände, die sich von un- 
gefähr 2,5— 7,5 m ausbreitet. Die folgende Zone der See- 
rosen-Bestände (Nuphar, Nymphaea) ist auf wenige Kolonien 
bei Radolfzell und Moos beschränkt. Häufiger dehnt sich von 
0,5—3 m Tiefe die Zone der Binsen- und Schilf- 
bestände (Seörpetum und Phragmitetum) aus. An die Schilf- 
zone schließt sich die Zone der Goßseggen-Bestände 
(Magnocaricetum) und der übrigen Bestände der Grenzzonean. 

Die Pflanzengesellschaften als solche, die sich übrigens 
über mehrere Vegetationszonen erstrecken können, nennen wir 
Bestandestypen oder Assoziationen. 

Der Bestandestypus der Armleuchtergewächse oder 
das Characetum ist im Untersee am wenigsten an eine 
bestimmte Zone gebunden. Ueberall finden sich einzelne 
Vertreter derselben, oft in mächtiger Entwicklung, von 10 em 
bis 17 m, im Obersee sogar bis 30 m Wassertiefe. Chara 
aspera und ceratophylla sind die häufigsten von den 17 im 
Untersee vorkommenden Arten und bilden auf weite Strecken 
unterseeische Wiesen. Sie werden bei Ermatingen und Gott- 
lieben unter dem Namen „Müß“ im Frühling mit langen 
Rechen (Müßrechen) fuderweise aus dem See gezogen und 
als kalkreicher Dünger auf die Felder gebracht, eine schon 
über 150 Jahre lang ausgeübte Düngmethode! In stillen, 
schlammigen Buchten oder im lockeren Schilficht findet sich 
ziemlich häufig die prächtig gelbgrüne Nitella syncarpa und 
die sonst seltene Nitella hyalina oft in wirrem Durcheinander. 
Die oft nur wenig aus dem Schlamm hervorguckenden 
Pflänzchen der letztern Art gewähren mit ihren rundlichen, 
stark inkrustierten Blattquirlen einen überaus reizvollen An- 
blick, als ob der Boden mit braungrünen Kügelchen bedeckt 
wäre. Zwei sehr seltene Arten, die für die Schweiz neue 
Ohara stelligera und die angeblich nur einmal bei Cortaillod 


_ aufgefunden, überhaupt nur von Mantua und den Strombergen 
- Kaplands bekannt gewordene, seither auch im Zürichsee auf- 
gefundene COhara dissoluta entdeckte ich bei Ermatingen, 
Berlingen und Moos, beide Arten in Menge beisammen 
wachsend. 

Die stark mit Kalk inkrustierten Armleuchterpflanzen 
lassen beim Absterben eine beträchtliche Kalkmenge zurück. 
Von Wind und Wellenschlag werden oft ganze Haufen dieser 
‚losgerissenen Charenmassen zusammengeweht. Sie bilden dann 
kleinere, lokale Erhebungen, auf denen sich später Laich- 
kräuter ansiedeln, wodurch die Verlandung begünstigt wird. 
An den Charenstengeln finden sich häufig Süßwasserschwämme 
(Spongillen), und am Grund der Bestände liegen oft zu Tau- 
senden eingebettet die grünen Gallertkugeln der Infusorien- 
kolonie von Ophrydium versatile. Seltener steigen etwa im 
August aus den tiefer gelegenen Oharacetum die eigen- 
tümlichen, kuhfladenähnlichen Gebilde der in bräunliche 
Kugeln sich auflösenden Spaltalge Aphanothece stagnina 
langsam zur Wasserfläche empor. 
| Auf die Armleuchtergewächse folgt landeinwärts der 

Bestandestypus der Laichkräuter oder das Potametum, 

im Untersee die vorherrschende Pflanzengesellschaft (häufigste - 
Arten: Potamogeton perfoliatus, lucens, pectinatus, crispus, 
pusillus, stellenweise P. vaginatus, hie und da P. Zizü, gra- 
mineus, decipiens, Zanmichellia palustris, Myriophyllum spicatum, 
Ceratophyllum demersum, Helodea, Hippuris, Najas intermedia). 
Die Gattung Potamageton allein ist mit 16 Arten, 23 Ab- 
arten, 3 Bastarden und einer Menge von Formen vertreten. 
Diese Pflanzengesellschaft ist über das ganze Gebiet der Ufer- 
flora verbreitet, am häufigsten auf der eigentlichen Potamo- 
 geton-Zone von 2,5—7,5 m Tiefe; sie erfüllt mit Vorliebe 
 stagnierende Buchten und Schiffshäfen; ihre Vertreter fluten 
zu beiden Seiten der Rheinrinne und rücken nicht selten gegen 
das Ufer hinauf. 

Auf den sandigen Streifen der Uferzone bilden die kleinsten 
Arten derselben eine eigene Zwerg-Laichkrautgesell- 
schaft. Es sind dies äußerst typische, kleine, schmächtige, 
unscheinbare, braungrüne Rasenkomplexe, die mit ihren meist 
nadelförmigen, fadendünnen Blättchen oft kaum sichtbar aus 
dem Sande herausragen. Diese meist isolierten Rasen bilden 


— 182 — 


einen eigenartigen Bestand der Grenzzonenflora und bestehen 
aus Potamogeton pusillus ssp. panormitanus var. minor und vul- 
garis, Potamogeton pectinatus var. scoparius, Zannichellia pa- : 
lustris var. repens, Chara aspera f. reducta. Sehr selten 
treten die beiden seltenen Nixkrautarten Najas minor und 
die für die Schweiz und fast ganz Mitteleuropa von mir 
neuentdeckte Najas flexilis hinzu; bisweilen sind sie mit den 
Pygmänen der Nadelbinsengesellschaft (Zleocharetum acieularis) 
gemengt. 

Im Gegensatz zu den größern Arten des Potametums 
vermochte sich diese Zwerg-Laichkrautgesellschaft oder 
das Parvopotametum, die von den größern Arten verdrängt und 
gezwungen wurde, durch Ausläufer und Kriechwurzeln gegen 
das Ufer hinauf, dem Lichte zu, auszuwandern und an die 
neuen Standortsbedingungen der Grenzzone sich vorzüglich 
anzupassen, indem alle ihre Vertreter durch Samen, Rhizom- 
knöllehen oder eigentliche Winterknospen im Trockenen über- 
wintern können. Die Kleinheit und Verborgenheit dieser nied- 
lichen Pflanzengesellschaft, welehe im “Untersee sehr aus- 
geprägt auftritt, brachte es mit sich, daß sie bis heute über- 
sehen wurde. 

Alle Laichkraut-Arten vermögen infolge der im Wasser 
häufig verhinderten Blüten- und Samenbildung sich auf vege- 
tativem Wege fortzupflanzen und zu überwintern, sei es, 
daß abgerissene und 'verschwemmte Stengel und Rhizomteile 
sich anderswo: einwurzeln und neue Individuen bilden, sei es, 
daß sie durch aufgeschwollene Rhizomglieder oder deren 
knollenförmige Endknospen sich vermehren und überwintern 
(so z. B. Potamogeton fluitans, perfoliatus, pectinatus, gra- 
mineus, Zizü) oder indem sie die Fortpflanzung und Ueber- 
winterung durch sich ablösende Winterknospen ermöglichen 
(Potamogeton erispus, dessen Winterkospen aus kurzen Seiten- 
trieben mit stärkegefüllten, starren Blättehen bestehen; ferner 
Potamogeton pusillus, Potamogen mucronatus und andere). 

Der seltene Potamogeton vaginatus, das scheidige Laich- 
kraut, dessen Hauptverbreitungsgebiet im Norden (Skan- 
dinavien, Finnland, Labrador) liegt, besitzt in Mitteleuropa 
nur einige wenige zerstreute Standorte, in der Schweiz außer 
im Untersee und Bodensee noch im Genfer- und Vierwald- 
stättersee, die sich als Glazialrelikte bis heute erhalten 


ea 


Fig. 3. Potamogeton graminens.L. a. Wassertorm var. lacustris Fr.); 
d. Seichtwasserform (var. stagnalis Fr.) mit Uebergangsformen (ce) 
zur Landform d (f. terrestris Fr.) 


haben. Die Pflanze dringt mit ihrer konischen, auch im 
Winter unverdiekten Rhizomspitze an den kühl temperierten 
Halden des Rheins bis 8 m Tiefe vor und bleibt, im Gegen- 
satz zu den andern Arten, den ganzen Winter hindurch grün, 


— 184 — 


selbst bei größter Kälte, weshalb sie von den Fischern, 
„Winterkraut“ genannt wird. 

Eigentümliche Anpassungserscheinungen zeigen einige 
Laiehkrautarten (Potamogeton gramineus, Potamogeton Zizü 
und deren Bastarde) in der Fähigkeit, verschiedenartige Blätter 
zu bilden. Sie besitzen eine äußerst fein ausgeprägte Reaktions- 
fähigkeit gegenüber dem sie umgebenden Medium und ver- 
‚mögen als Wasserpflanzen sich dem Leben auf dem Trockenen; 
durch Luftblattbildung anzupassen. So bildet z. B. das 
grasblättrige Laichkraut (Potamogeton gramineus) bei sinkendem 
Wasserstand eiförmige, freudig grüne Luftblätter mit 
Spaltöffnungen aus, während die normale Wasserform gras-, 
artige, bräunliche Blätter ohne Spaltöffnungen besitzt 
(Fig. 3, a—d). Sinkt der Wasserstand noch weiter zurück, 
so daß die Pflanzen aufs Trockene gelangen, so treten am 
Stengelgrunde ausschließlich noch Blattrosetten mit breit- 
eiförmigen, freudig grünen, beiderseits mit Spaltöffnungen! 
versehenen Luftblättern auf. Solche Formen: haben : voll- 
kommen das Aussehen von Landpflanzen und gleichen der 
ursprünglichen Wasserform nicht im ‘geringsten. Sie ver- 
ändern jedoch ihre Tracht alsobald wieder, wenn sie längere 
Zeit überflutet werden, und schlagen dann wieder in die Seicht- 
wasser- und Tiefwasserform zurück, je nachdem sie kürzer - 
oder länger unter Wasser gesetzt werden. In regenreichen 
Sommern mit anhaltend hohem Wasserstand treten Landformen 
selten oder nie auf. Allgemein finden wir am Untersee während 
des sommerlichen Hochwasserstandes die Wasserblätter, und 
je nach Veränderung bezw. Abnahme des Wasserspiegels im 
Spätsommer und Herbst die Seichtwasser- und Land- 
formen. Von allen Wasserpflanzen hat sich das grasartige 
Laichkraut dem Landleben weitaus am besten angepaßt und 
findet sich im „Luftblattkostüm“ oft den ganzen Sommer 
hindurch bis in die Seewiesen hinein, natürlich nur inner- 
halb der Hochwasserstandsmarke. 

Im Potametum finden wir bisweilen noch die Wasser- 
hahnenfuß-Arten Ranunculus trichophyllus, Ranunculus diva- 
ricatus, selten Ranunculus flwitans und Ranunculus aquatiks. 
Das „Körblekraut* (Ranuneulus divaricatus) treibt im Juli 
oft in abgerissenen, weißschimmernden, angenehm duftenden 
Blütenpolstern auf der Wasseroberfläche herum. 


} 


— 185 — 


Landeinwärts des Potametums, in der Nähe der Uferzone 
‘oder diese besiedelnd, dehnen sich in abwechselnder Reihen- 
folge oder zu Mischbeständen vereinigt, die Seebinsen- und 
Sehilfbestände (Seirpetum und Phragmitetum) aus. Die 
Seebinse (Schoenoplectus lacustris) dehnt sich am Untersee 
meist seewärts der Schilfbestände aus — in anderen Seen 
ist es umgekehrt! — und zeigt noch Anpassungen an das 
Wasserleben. Sie dringt bis 3,5 m Tiefe vor und erzeugt an 
solchen Stellen keine Halme mehr, sondern nur noch eigen- 
tümliehe, flutende Bandblattformen, während das Schilf 
nur bis zu 2 m vordringt und nur /Luftblätter ausbildet. Die 
Seebinsenbestände sind oft von ejner reichhaltigen Pflanzen- 
gesells@haft durchsetzt. In dem stillen, traumverlorenen See- 
winkel bei dem Fischerdörfehei Moos bilden die Seebinsen 
mit dem Schilf und dem Rohrgianzgras (Phalaris arumdinacea) 
große Mischbestände und als kräftig durchsetzenden Einschlag 
finden wir die Wasser-Brunnenkresse (Nasturtium amphibium), 
im Juni Myriaden von okergelben Blütenrispen entsendend und 

_ oft dominierend; ferner den schmalblättrigen Rohrkolben (Typha 
angustifola) mit seinen sammtrotbraunen Kolben, das Pfeil- 
kraut (Sagittaria) mit seinen duftigen, weißrötlich schimmernden 
Blütenkandelabern, den grasartigen Froschlöffel (Alsma gra- 
minifolium), Tannenwedel (Hippuris), Tausendblatt (Myrio- 
phyllum vertieillatum), Nixenkraut (Najas intermedia), seltener 
weiße und gelbe Seerosen und andere; zwischen den Binsen- 
'halmen trefien wir an windgeschützten Stellen die Wasser- 
linsenarten (Lemna trisulca und minor, Spirodela polyrhiza.) 

Die Schilfbestände (das Phragmitetum), bilden entweder 
‘ein zusammenhängendes, fast undurchdringliches Dickicht, 
oder sie rücken in mehr oder minder geschlossenen Kolonnen 
gegen die Grenzzone und in die Seewiesen hinein, oder aber 
seewärts bis zu 2 m Tiefe vor. Das Schilf ist das eigent- 
liehe Wahrzeichen des Untersees und erreicht daselbst 
nicht selten über 5 m Höhe! Es besiedelt stellenweise in 
riesiger Ausdehnung seichte Buchten und Untiefen. Gegen 
den See sind die Schilfbestände entweder abgesetzt oder sie 
verlieren sich allmählich. Außer der Seebinse sind seine 
häufigsten Begleiter: das prächtige Süßgras (@lyceria aquatica), 
wohl das schönste Gras der Schweizerflora, ferner das Rohr- 
glanzgras (Phalaris arundinacea), das ich häufig als Vorläufer 


— 186. — 


der Schilfbestände konstatierte und dessen künstlicher Anbau 
zu Uferschutzzwecken an Stellen, wo einstweilen kein Schilf 
aufkommen könnte, sich sicher lohnen würde! 

Unter Umständen bildet das Schilf auf Seewiesen eigen- 
tümliche Kriechhalme (Schlüpfrohr, Schilfschlangen), die 
bis 14 m lang werden, und ferner die auf die Wasserober- 
fläche gleich schwimmenden Ausläufern sich hinlegenden 
Legehalme. 

Das Schilf liefert durch abgerissene Rhizomstücke, Wurzel- 
fasern, abgestorbene Halmteille und Blätterfragmente den 
Hauptbestandteil des sog. „Schwemmtorfs“, einer aus or- 
ganischem Detritus bestehenden, braunen, wasserdurchdrängten 
Masse, die von den Wellen stellenweise ans Ufer abgelagert 
und als Dünger verwendet wird. Dieser Schwemmtorf wird 
rasch von einer charakteristisehen Pflanzengesellschaft besiedelt, 
hauptsächlich von Knöterich- und Ampferarten (Polygonum 


lapathifolium, persicaria, mite, hydropiper, Rumex conglomeratus 


und erispus); ferner das Quellgras (Catabrosa aquatica), Zwei- 
zahn ( Bidens tripartita), Winterkresse (Barbaraea vulgaris) usw., 
die an solchen Standorten riesige Dimensionen erreichen, so 
fand ich z. B. den normal 15--25 em hohen Gifthahnenfuß 
(Ranunculus sceleratus) in Exemplaren von 1,5 m Höhe! 
Mit dem landeinwärts gelegenen Teil des Schilfgürtels 


sind wir auf der Grenzzone angelangt, jenem am Untersee 


besonders deutlich ausgebildeten, zeitweise zum See, zeitweise 
zum Land gehörenden Landstreifen, der von dem mehr oder 
minder abgesetzten Ufer fast stets getrennt ist. Demgemäß 
_ stammen die Grenzzonenbewohner zum Teil vom See, teil- 
weise vom Land her. Die Wasserpflanzen mußten sich 
an das zeitweise Leben im Trockenen gewöhnen, die Land- 
bezw. Sumpfpflanzen dagegen an die periodische Ueber- 
schwemmung, den Anprall des Gewells usw. 

Vom Wasser her ist die oben besprochene Zwerg- 
Laichkrautgesellschaft zur Grenzzone hinaufgewandert, 
ferner die Nixenkräuter (Najas intermedia, minor und flexilks) 
und viele Characeen, die mit Samen und Sporen im trockenen 
Sand und Schlamm überwintern; die Wasser-Hahnenfuß-Arten 
(Ranunculus trichophyllus und divaricatus), die als luft- 
atmende Landformen auf dem Trockenen leben können. 
In ähnlicher Weise behelfen sich die mitunter ebenfalls auf 


— 187 — 


der Grenzzone vorkommenden Wasserschlauch-Arten (Utrieu- 
laria neglecta, minor und intermedia), die bei dem regelmäßigen 
Fehlschlagen der Samen durch Winterknospen sich ver- 
mehren und perennieren. 

Eine äußerst typische, seefeste Pflanzengesellschaft, die 
sieh nur im seenahen Teil der Grenzzone findet, bilden die 
Bestände der Nadelbinse und des Strandlings (Zleocharetum 

 aeicularis bezw. Litorelletum). Sie bestehen aus niedrigen, 
zusammenhängenden Rasen und sind an das Wasserleben 
vorzüglich angepaßt. Sie blühen und fruchten im Frühling 
oder Herbst, bevor oder nachdem das Wasser sie bedeckte, 
und bilden mit reichlichen Ausläufern vielfach verankerte 
Rasen, "mit denen sie dem Wellenschlag Widerstand leisten. 

Die Nadelbinse (Zleocharis acieularis), der häufigste 
Bewohner der Grenzzone, rückt mit fadendünnen, gradlinig 
verlaufenden Ausläufern bis 21/a m Tiefe vor. Diese unter- 
getauchten, die Wasseroberfläche nie erreichenden Formen 
vermehren sich nur auf vegetativem Wege durch Ausläufer, 
während temporär auftauchende Pflanzen reichlich blühen 
und fruchten. An ganz trockenen Standorten finden wir die 
niedliche Kümmerform var. fiöiformis; bei größerer Tiefe und 
in geschützten Buchten entwickelt sich die flutende Form 
var. longicaulis) mit über fußlangen Halmen. 

Etwas weniger häufig tritt, entweder in isolierten Rasen 
oder mit der Nadelbinse vereint der Strandling (Zitorella 
uniflora) auf. Er blüht seltener als z. B. die Nadelbinse und 
die anderen Grenzzonenbewohner. Der trockene Frühling 1909 
war für diese Pflanze ein eigentliches Blütenjahr. Ein Blüten- 
meer vom Strandling gehört zum Anmutigsten, was die ab- 
wechslungsreichen Lebenserscheinungen der Strandflora dem 
glücklichen Beobachter zu bieten vermögen. Es war ein 
wundervoller Anblick voll intimster Reize, wie die Myriaden 
gelbweißlicher Staubbeutel auf ihren schwanken, seidenglän- 
zenden Stielen gleich Miniaturfähnchen beim leisesten Wind- 
hauch erzitterten! Der größte Strandlingsbestand am Untersee 

_ bei der Kirche Hemmenhofen, welcher eine Fläche von über 
200 m? bedeckte, hatte am 30. Mai 1909 eine solch ungeheure 
Blütenmenge entfaltet, daß beim Betreten desselben die Schuhe 
von einer Schieht gelbweißlichen Blütenstaubes vollständig be- 
deekt wurden; dabei ist das lebende Pflänzchen nur 3— 6 cm hoch. 


—. 188 — 


Als Dritter im Bunde der Nadelbinsengesellschaft findet 
sich fast stets der kriechende Hahnenfuß (Ranunculus 
reptans), der gleich den andern Begleitern zierlich gebogene 
Ausläufer entsendet, die an den Knoten festwurzeln und die 
mit einer kleinen, unscheinbaren, gelben Blüte endigen. 

Ebenfalls ausschließlich an die Grenzzone gebunden ist 
das reizende Liliputaner-Vergißmeinnicht (Myosotis 
caespititia oder Myosotis Rehsteineri), ein niedliches, kaum 
zollhohes Pflänzechen mit am Boden enganliegenden Blatt- 
rosetten, dessen azurblaue Blumenkronen gleich leuchtenden 
Punkten in die braunroten, über den tee hingebreiteten® 
Rasenteppiche eingebettet sind und die im April und Mai 
eine liebliche Zierde des Seestrandes bilden. 

Neben der Nadelbinsengesellschaft treffen wir noch eine 
ganze Reihe von Sumpfpflanzen, die bisweilen ins ständig 
überschwemmte Gebiet vorrücken, wie z. B. der Tannenwedel 
(Hippuris vulgaris), der ganz den Charakter einer Wasser- 
pfanze annimmt und bei Ermatingen bis zu 5 m Tiefe vor- 
dringt, der Wasserknöterich (Polygonum amphibium), der je 
nach dem Wasserstand Schwimmformen, Seichtwasser- und 
Landformen erzeugt, und andere. 

Ein fein ausgeprägtes Anpassungsvermögen an die ver- 
schiedenen Lebensbedingungen auf der Grenzzone des Unter- 
sees zeigen das sonst seltene Pfeilkraut (Sagittaria sagötti- 
foka) und der noch seltenere grasblättrige Froschlöffel 
(Alöisma graminifolium). Gleich dem oben erwähnten gras- 
artigen Laichkraut (Putamogeton gramineus) vermögen diese 
beiden Pflanzen je nach dem Wasserstand verschiedenartige 
Standortsformen auszubilden, die in ihren Extremen ein total 
verschiedenes Aussehen erhalten. Aber während es sich beim 
grasartigen Laichkraut um eine Wasserpflanze handelt, 
deren normale Wasserform sich bei sinkendem Wasserstand 
zur luftblättrigen Landform umbildet, so haben wir es in 
diesem Fall mit Landpflanzen zu tun, welche das Leben 
unter Wasser mit eigenartigen, bandförmigen Wasserblättern 
längere Zeit aushalten. 

Das Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia) besitzt als normale 
Seichtwasserform einige durchscheinende, breitlineale Band- 
(Primär-)blätter und langgestielte, pfeilförmige Schwimm- 
blätter, sowie schmal pfeilförmige Luftblätter. Bei sinkendem 


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— 190 — 


Wasserstand nehmen letztere an Zahl zu, bis sie bei der 
Landform (f. terrestris) fast ausschließlich noch auftreten. In 
tieferem Wasser bleibt die Pflanze entweder als einfache Blatt- 
rosette mit 5—8 em langen, linealen Primärblättern bestehen 
(f. stratiotoides) oder sie bildet sich zur eigentlichen Tief- 
wasserform (f. vallisnerii fola) aus mit bis 2,5 m langen, 
durchscheinenden Bandblättern. 

In ähnlicher Weise läßt der grasblättrige Frosch- 
löffel (Alösma graminifolium) in tieferem Wasser gleich dem 
Pfeilkraut bis meterlange Bandblätter entstehen (f. angustössı- 
mum);, bei der Seichtwasserform (f. Zypicum) treten einige 
lanzettliche Luftblätter dazu, und an der Landform (f. terrestris) 
sind ausschließlich noch diese Luftblätter vorhanden (Fig. 4, 
a—d). 

Die Ufer-Brunnenkresse (Nasturtium anceps var. steno- 
carpum) erzeugt ebenfalls vom jeweiligen Wasserstand bedingte 
Standortsformen. Ihre extremen Wasser- und Landformen 
wurden oft für zwei verschiedene Arten gehalten, indem die 
Wasserform sich äußerlich der Wasser-Brunnenkresse (Nastur- 
tium amphibium) sehr nähert und in der Landform mit der 
wilden Brunnenkresse (Nasturtium silvestre) große, wenn auch 
rein äußerliche Aehnlichkeit besitzt (Fig. 5, a —d). 

Das Pfeilkraut kommt am Untersee und Obersee mehrfach 
vor; der dem Obersee fehlende grasblättrige Froschlöftel 
scheint am Untersee einen eigenen Entstehungsherd zu be- 
sitzen und findet sich erst wieder in der Rheinebene und in 
der Westschweiz. Die Ufer-Brunnenkresse ist eine Charakter- 
pflanze des ganzen Bodenseegebietes und findet sich zerstreut 
noch längs des Rheins bis Ellikon a. Rh. und gegen Basel; 
sie ist auch von Herrliberg am Zürichsee nachgewiesen worden. 

Das quirlblättrige Tausendblatt (Myriophillum ver- 
tieillatum) zeigt ebenfalls ein deutlich ausgeprägtes An- 
passungsvermögen. Es besitzt sein Wachstums-Optimum in nicht 
allzu tiefem Wasser, in Gräben und Buchten usw. und bildet 
sich auf den trocken-feuchten Streifen der Grenzzone zur 
niedrigen Landform aus, welche gelegentlich Blüten und Früchte 
hervorbringt. In beiden Formen erzeugt diese Pflanze gegen 
den Herbst längliche, keulenförmige verdiekte Winterknospen 
(Turionen), welche der vegetativen Vermehrung und Ueber- 
winterung dienen, während die übrigen. Pflanzenteile ab- 


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— 192 — 


sterben. Das als perennierend bezeichnete Tausenblatt ver- 
hält sich dadurch gleich den Wasserschlauch-Arten (am 
Untersee Utrieularia vulgaris, intermedia und minor) wie ein 
einjähriges Gewächs. 

Auch ein Gras, das weiße Fioringras (Agrostis alba 
var. prorepens), eine typische Landpflanze, vermag unter 
Wasser flutende Formen zu erzeugen, welche als unterseeische, 
gelbgrüne Vliese dem Beschauer entgegenleuchten, um sofort . 
wieder in die Normalform überzugehen, wenn sie aufs Trockene 
gelangen. In tieferem Wasser bildet die Pflanze mit ihrem 
ausgedehnten Rasen die Anfänge einer Pflanzengesellschaft 
und spielt dadurch eine wichtige Rolle als Verlander. Werden 
ihre Rasen vom Gewell mit Sand oder Schlamm überschüttet, 
so arbeiten sie sich mit den sich verlängernden Trieben nach 
Art der Dünenpflanzen wieder heraus, was sich besonders 
schön in dem klassischen Verlandungsgebiet bei der Insel 
Langenrain unterhalb Gottlieben verfolgen läßt. 

Sogar ein Laubmoos, das prächtige Hypnum scorpioides, er- 
zeugt charakteristische Wasserformen, welche die Landpflanzen 
an Dimension um mehr als das Zehnfache übertreffen. 

- Weitere mehr oder minder regelmäßige Bewohner der 
Grenzzone sind: der wilde Schnittlauch ( Alkum schoenoprasum), 
der zur Blütezeit Strand und Seewiesen in prächtiges Rosa 
verwandelt, das Quellgras: (Catabrosa aquatica), die Alpen- 
binse (.Jumens alpinus), der Dreizack (Triglochin palustre), der 
flammende und kriechende Hahnenfuß (Ranunculus flammula 
und repens), die gelbliche Wiesenraute (Thakietrum flavum), 
die Rampe (Zrucastrum obtusangulum), die Winterkresse (Bar- 
barea vulgaris), das Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensıs), 
der Zweizahn (Bidens tripartita) und ein ganzes Heer von 
Seggenarten (Carex), von denen am Untersee 45 Arten vor- 
kommen usw.; von seltenen Arten nenne ich: die beiden 
Öypergräser (Oyperus fuseus und flavescens), die seltene Zwerg- 
binse (Schoenoplectus supinus), die 2 m hohe Wiesenraute 
Thalietrum exaltatum (auch am oberen Bodensee), die lichtrosa- 
blühende Wasserviola (Butomus umbellatus) und das Schlamm- 
kraut (Leimosella aquatica), beide Arten neu für das Bodensee- 
gebiet, der kleine Knöterich Polygonum minus mit der seltenen 
Variation latifolia, usw. 

Von besonderem Interesse sind nun drei an feuchten, 


— 193 — 


kiesigen oder sandigen stellen wachsende Vertreter der Strand- 
flora: der am Unter- und Obersee vorkommende gegenblättrige 
Steinbreeh (Sarxifraga oppositifolia), ferner ein an beiden Seen 
stellenweise verbreitetes Gras, die rheinische Rasenschmiele 
(Deschampsia litoralis var. rhenana) und die nur auf den 
Untersee beschränkte, mit den beiden genannten Arten zu- 


Fig.6. Saxifraga oppositifolia L. var. amphibia Sündermann auf dem Kiesufer 
der Grenzzone bei Staad bei Konstanz im März 1913. 


(Aus W. Schmidle, Diluviale Geologie der Bodenseegegend ) 


sammenwachsende rheinische Strandnelke (Armeria purpurea 
var. rhenana). 

Der gegenblättrige Steinbrech (Saxifraga oppositifolia), 
eine Pflanze des Nordens und der Hochalpen und seit über 
100 Jahren vom Bodenseestrand bei Konstanz bekannt, be- 
wohnt den Kies und Sand der Grenzzone an verschiedenen 
Orten des. Untersees, bei Reichenau, Hegne, Allensbach, Glaris- 
egg-Steckborn; er findet sich ferner an beiden Ufern im untern 
Teil des Bodensees, besonders häufig bei Münsterlingen, ferner 


15 


— 194 — 


bei Altnau. Güttingen und badischerseits bei Konstanz, Meers- 
burg, Ueberlingen usw. Er blüht im frühesten Frühling, oft 
schon im Februar, mit prachtvollen purpurfarbenen Kronen 
und ist von der Alpenform durch größere Blüten (bis 2 em 
Durchmesser!), schlafferen Wuchs und weniger bewimperte 
Blätter verschieden (Fig. 6).! Da nun die Bodenseeform an den 
Mündungen der beiden Alpenströme Rhein und Bregenzer Aach 
° und überhaupt am obern Bodenseeufer vollständig fehlt, 
(la ferner ihre reife Samen im Wasser sofort zu Boden sinken, 
so kann sie unmöglich als ein „Herabschwemmling“ aus den 
Alpen aufgefaßt werden. Wir halten sie vielmehr mit Xeller- 
mann, ©. Nägeli, Schmidle, Schröter, Sündermann und andern 
für ein Relikt aus der letzten Eiszeit, wo sie nach- 
gewiesenermaßen in der Ebene vorkam. Sie stellt einen Be- 
standteil der glazialen Moränenflora dar, welcher an geeigneten 
Schlupfwinkeln am quellig-feuchten Ufer des Bodensees sich 
bis heute behaupten konnte. Seit dieser Zeit vermochte sie 
daselbst durch allmähliche Umbildung in die heutige Bodensee- 
form sich an die Bedingungen der Ebene und das periodisch 
untergetauchte Leben anzupassen, welches sie schadlos erträgt. 

Ihr Hauptverbreitungszentrum befindet sich im untern 
Teil des Bodensees. Einige Standorte liegen direkt auf der 
Stirnmoräne des sich zurückziehenden Rheingletschers in der 
Nähe von Konstanz. Auch die Standorte am Untersee 
sprechen durchaus für diese Annahme! Sie finden sich fast 
alle auf der von der Rheinströmung äbgewendeten Seite, und 
die Fundstellen bei Hegne und Markelfingen im Gnadensee 
sind überhaupt von derselben abgeschnitten und ausgeschaltet. 
Zudem ist es ganz undenkbar, daß die kleinen, nicht 
schwimmfähigen (!) Samen den über 50 km langen Weg 
von der Rheinströmung zum Untersee gefunden hätten, während 
die Pflanze am obersten Teil des Bodensees nirgends vor- 
handen ist, obwohl dort passende Standorte zur Genüge vor- 
handen wären. 


! Diese Abbildung ist dem Werke von W. Schmidle, Die di- 
luviale Geologie der Bodenseegegend, Braunschweig und 
Berlin, 1914, entnommen. Wir sind dem Verfasser, Herrn Ober- 
realschuldirektor W. Schmidle in Konstanz, sowie dem Verleger, 
Herrn Georg Westermann in Braunschweig, für die freundl. gestattete 
Aufnahme in diese Publikation zu großem Danke verpflichtet. Z. B. 


— 195 — 


Die gleichen Beweggründe lassen mich auch für die 
 rheinische Strandnelke (Armeria purpurea f. rhenana) das 
_ Postulat eines Glazialreliktes stellen. Die Unterscheidungs- 
merkmale zwischen dieser prächtigen Pflanze, die außer am 
Untersee nur noch im Memmingerried an der bayerisch württem- 
bergischen Grenze vorkommt, und der Alpenstrandnelke 
(Armeria alpina) sind so geringe und so relative, daß wir die 
Untersee- und die Memminger-Pflanze ohne weiteres als eine 
Anpassungsform der Alpenpflanze Armeria alpina ansprechen 
dürfen, die durch veränderte Standortsbedingungen allmählich 
' entstanden ist, in ähnlicher Weise, wie sich aus der Alpen- 
form der Saxifraga oppositifolia die Bodenseeform heraus- 
gebild@t hat. Auch in dieser Pflanze haben wir ein Relikt aus 
der letzten Eiszeit vor uns, welches gleich der Saxifraga 
oppositifolia sich auf den feuchten Kiesstreifen der Grenzzone 
bis heute zu behaupten vermochte. Sämtliche Standorte am 
Untersee befinden sich im Rückzugsgebiet des Rheingletschers; 
das Hauptzentrum der Entwicklung liegt auf dem Boden seiner 
Rückzugsmoräne, und auch der Standort im Memminger- 
ried liest auf den Schottern, welche die Schmelzwässer der 
letzten Vergletscherung in das Tal der Iller hineinwarfen. 
Ein Herabschwemmen aus den Alpen ist ganz ausgeschlossen, 
da die schweren Samen sogleich zu Boden sinken. 

Die rheinische Strandnelke blüht im April und Mai und 
setzt nach einem längeren, untergetauchten Ruhestadium im 
Sommer ihr Wachstum beim Zurückgehen des Wassers im 
Spätsommer und Herbst wieder fort. Ihre purpurfarbenen 
Blütenköpfehen fand ich in zweiter Blüte bis in den November 
hinein. 

‚Die weitestgehende Anpassung an die veränderten Stand- 
ortsbedingungen am Bodensee hat die rheinische Rasen- 
sehmiele (Deschampsia litoralis f. rhenana) erfahren. Sie 
gehört zu den charakteristischsten Erscheinungen der Bodensee- 
und Unterseeflora und findet sich häufig an nassen kiesig- 
sandigen Ufern, oft mit der rheinischen Strandnelke und dem 
Een Steinbrech. 

Meist wird sie vor oder während der Blütezeit im Mai 
und Juni überflutet und bildet dann die bekannten viviparen, 
d. h. lebendig gebärenden Aehren aus, indem statt der Blüten 
und Samen ein Sproß entsteht, der dann zu einer neuen 


— 196 — 


Pflanze heranwächst. In sehr trockenen Jahrgängen, wie z. B. 
im Frühling 1909 und 1911, blüht dieses merkwürdige Gras 
ausnahmsweise normal und reift dann selbst keimfähige Samen 
aus. In diesem Zustand ist es mit der an den Ufern der Seen 
und Flüsse im Gebiet der Alpen und des Jura vorkommen- 
den Hauptart Deschampsia litoralis vollkommen identisch. Die 
Bodenseeform unterscheidet sich also vom Typus der Deschampsia 
litoralis z. B. am Genfersee und an den Juraseen bloß durch 
ihr biologisches Verhalten, indem sie die durch die Ueber- 
flutung unterdrückte Samenbildung mit der im Wasser un- 
gehindert erfolgenden Vergrünung der Aehren, d. h. durch 
Viviparie ersetzte. Die vivipare Bodenseepflanze ist also eine 
Anpassungsform an die stark schwankenden Wasserstands- 
verhältnisse dieses Sees, dessen Schwankung 2,12 m beträgt, 
am Genfersee dagegen nur S0 cm bis 1 m, weshalb die Pflanze 
dort ungehindert blüht und fruchtet und niemals vergrünt. 

Das Hauptverbreitungsareal der Deschampsia litoralis 
f. rhenana liegt, wie bei den beiden oben genannten Arten, 
im untern Teil des Bodensees und am Untersee, d.h. auf 
dem Moränengebiet des ehemaligen Rheingletschers.. Gegen 
den oberen Teil des Bodensees nehmen die Standorte ab und 
verschwinden gegen das Mündungsgebiet des Rheins und der 
Bregenzer Aache gänzlich. Gegen ein Herabschwemmen 
sprechen ferner die schweren, im Wasser sofort zu Boden 
sinkenden Samen und die von der Strömung abgeschnittenen, 
häufigen Standorte am östlichen Ufer des Gnadensees und 
am Ueberlingersee. 

Wir Dahn daher Deschampsia litor u im allgemeinen 
und die Bodenseeform f. rhenana im besonderen bene als 
ein Ueberbleibsel aus der letzten Eiszeit. Die ursprüngliche 
Alpenpflanze hat sich in der Bodenseeform allmählich an die 
örtlichen Standortsbedingungen angepaßt, indem sie durch 
eine erblich mehr oder minder fixierte Viviparie das os 
bestehen der Art gesichert hat. 

Auch das sch eine Laichkraut (Potamogeton vaginatus), 
das im Untersee noch einen der wenigen sporadischen Stand- 
orte in Mitteleuropa besitzt, kann ungezwungen als Glazial- 
relikt angesprochen werden, der ursprünglich vom Norden 
her nach Mitteleuropa gewandert ist und sich seither, aller- 
dings nur sehr vereinzelt, stellenweise erhalten konnte. Im 


Anklang an ihre ursprüngliche, nordische Heimat bewohnt 
diese Art im Untersee Standorte mit relativ niedriger Tempe- 
_ ratur in größerer Tiefe (bis 8 Meter) und in fließendem 
' Wasser. 

In der ohnehin an glazialen Erscheinungen überreichen 
Unterseegegend ist es nicht zu verwundern, wenn auch ver- 
sehiedene pflanzliche Relikte an vereinzelten ursprüng- 
lichen Standorten erhalten blieben. 

Auf der Grenzzone tritt ferner ein Hauptphänomen 
des Untersees in die Erscheinung: die denselben charakteri- 
sierende Verlandung. Wir haben bereits auf die verlandende 
Tätigkeit verschiedener Bestände hingewiesen. Armleuchter 
und Läichkrautgewächse bilden besonders an seichteren Orten 
niedrige, lokale Erhöhungen, bis zu denen oft die kleinen 
Rasen der Nadelbinsengesellschaft vordringen. Das flu- 
tende Fioringras (Agrostis alba f. fluitans) gibt dem Boden 
eine festere Grundlage, und andere Gewächse besiedeln die 
Zwischenlücken. Wo Schilf und Seebinse, getrennt oder 
vereint, gegen das Seegebiet vorrücken und als Schlamm- 
fänger eine Reihe von Ansiedlern herbeilocken, entsteht dem 
See abgerungenes „Neuland“; der Prozeß der Verlandung 
hat sich vollzogen! 

Das grobe Geschütz dieser Verlandungspioniere bilden 
aber die Großseggen-Bestände oder Magnocariceten und 
an ihrer Spitze die Rasenkegel erzeugende Steifsegge oder 
der Böschenspalt (Carex stricta), welche als ein äußerst 
energischer Verlander von der Grenzzone her die Schilfichte 
und Binsichte durchbricht oder selbst gegen die offenen Flächen 
des seichteren Seegebietes vordringt und Land erobert! Ihre 
 meterhohen Rasenkegel, „Schwertelenböschen“ genannt, sind 
oft von dem ebenfalls verlandend wirkenden flutenden 
Fioringras kranzartig umgeben und verleihen dem weichen, 
 schlammigen Boden eine solidere Grundlage. 

Bei der Insel Langenrain unterhalb Gottlieben mit ihren 
prachtvollen Verlandungsbildern, bei Eschenz, Moos, bei Radoif- 
zell, im obersten und untersten Winkel des Gnadensees uni 
überhaupt fast um den ganzen Untersee herum. finden wir 
Verlandungsflächen oder Streifen der Steifsegge, oft auf weite 
Strecken den kürzlich eroberten, flachen Seegrund bedeckend. 
‚Gelegentlich werden freilich verlandete Uferteile von den 


ee 


Wellen wieder zerstört; der erhöhte Seeboden wird aus- 
gewaschen und dem Seeregime zurückgegeben. Eine einzige 
schlammführende Sturzwelle verwischt oft mit einem Schlag 
das Vegetationsbild einer ganzen Strandpartie. Allein neuer- 
dings erscheinen auf dem ausgewaschenen Seegrund Charen 
und Laichkräuter, und kleinere und größere Bewohner der 
Grenzzone befestigen wieder den Boden; von neuem dringen 
weitere Vegetationspioniere gegen das Wasser vor, und in 
kurzer Zeit ist die Verlandungsgesellschaft wieder „Herr der 
Situation !* 

Wir finden daher sowohl die See- wie die Strandvegetation 
nicht immer in gleicher Zusammensetzung und Häufigkeit vor. 
Das Pflanzenbild der Grenzzone wechselt unaufhörlich. Das 
Leben auf der Grenzzone gleicht einer Werkstätte der Natur mit 
'ununterbrochenem Betrieb, in welcher die Arbeiter das Rüst- 
zeug erwerben, auch unter veränderten Lebensbedingungen, 
im unaufhörlichen Kampf zwischen Land und See, zwischen 
Eingebürgerten und Ansiedlern, das Feld zu behaupten. 

Ich muß es mir leider versagen, auf die äußerst reich- 
haltige Vegetation der zum Teil abgelegenen und von mensch- 
lichen Eingriffen meist noch unberührten Uferrieder und See- 
wiesen näher einzutreten, deren reichste Fundgrube das Woll- 
matingerried ist. Fast überall werden im Frühling die 
Riedflächen vom Frühlings-Enzian (Gentiana verna) und der 
Mehlprimel (Primula farinosa) in herrliches Blau und Rosa 
getaucht; im Sommer folgt eine artenreiche Riedflora (z. B. 
Filipendula hexapetala, Gladiolus paluster, Thesium pratense, 
Thalietrum Bauhini var. galioides, Gentiana utrieulosa, Gentiana 
solstitialis, Halium verum = mollugo, Euphrasia Kernert in riesiger 
Menge usw.). Ende August erglänzen vielerorts weite Flächen 
im Lichtrosa der zu Tausenden sich wiegenden Blütenköpfe 
des wohlriechenden Lauchs (Allium suwaveolens), der auch noch 
anderwärts im Gebiet vorkommt, aber nicht weiter in die 
Schweiz vordringt, und die Schartendistel (Serratula tinetoria), 
der Sumpfenzian (Gentiana pneumonanthe), und die Herbst- 
zeitlose (Colehicum autumnale) geben einen farbenprächtigen 
Einschlag dazu. 

Die eigentümliche Xerophytenflora auf den lokal erhöhten 
Schnegglisandablagerungen im Wollmatingerried wurde bereits 
erwähnt. Aehnliche Pflanzenvereinigungen finden sich auch 


el 


an entsprechenden Stellen bei Hegne und auf der Mettnau 
bei Radolfzell. 

Eine pflanzengeographisch merkwürdige ID. Ion ist 
das auffallende Hervortreten der südeuropäisch-pontischen 
Florenelemente, die als ein ganzes Netz von Einsprenglingen 
sich über die Unterseerieder und deren trockenere Stellen 
gespannt haben. 

Charakteristisch für ds ganze Gebiet des Untersees ist 
außer den bereits genannten en das relativ häufige Vor- 
kommen der stets in Gesellschaft der Herbstzeitlose wach- 
senden Natterzunge (Ophioglossum vulgatum), des. prächtigen 
Süßgrases (Glyceria aquatica), der sibirischen Schwertlilie 
- (Iris Sibirica), der Sommer-Drehblume (Spiranthes uestivalis), 
der gelben Wiesenraute (Thalictrum flavum), der wasser- 
' liebenden Brunnenkresse (Nasturtium amphibium), des großen 
und des linealblättrigen Klappertopfs Alectorolophus major 
und Alectorolophus stenophyllus, beide ungemein häufig, usw. 


Der Untersee erweist sich als ein höchst dankbares, ab- 
_ wechslungsreiches Exkursions- und Untersuchungsgebiet. Eine 
reiche Vegetation von Wasserpflanzen bewohnt seine Buchten 
- und seichten Niederungen, und ebenso reichhaltig gestaltet 
sich die Pflanzenwelt seines Strandes und seiner Seewiesen. 
Noch ist er ein Stück unberührter Natur; noch sind seine 
natürlichen, periodisch überschwemmten Ufer mit schlammigem 
oder sandigem Boden bedeckt und das Stelldichein einer 
schmiegsamen, auf alle Lebensbedingungen abgestimmten 
Strandvegetation; noch haben weder Entwässerung noch andere 
künstliche Eingriffe dem Pflanzenkleid seiner Seerieder starke 
Einbuße gebracht. Er hat, wie kaum ein anderer See, den 
Charakter «des Urtümlichen bis heute noch beibehalten, und 
es ist dringend zu wünschen, daß sowohl Naturschutz "wie 
Heimatschutz eifrig darüber wachen, daß die malerischen Ufer- 
und Stimmungsbilder dieses herrlichen Naturjuwels anläßlich 
den beabsichtigten Uferschutzbauten und später bei der Bodensee- 

' regulierung ja nicht zerstört werden. Auf deutscher Seite 
hat das Zerstörungswerk leider schon eingesetzt, indem die 
klassische Stelle bei Konstanz, wo Saxifraga oppositifolia seit 
über 120 Jahren bekannt war und noch heute in un- 
geschwächter Kraft und Ueppigkeit den feuchten Kiesstrand 


— 200 — 


überkriecht, nach einer mir jüngst zugegangenen Mitteilung 
wegen Häuserbauten dem sicheren Untergang geweiht ist. 


Der Untersee, weleher für Stift und Pinsel so unendlich 


viele Motive geliefert hat und immer noch bietet, er erschließt 
auch dem für Naturschönheiten zugänglichen Forscher in seinen 


stillen, weltabgeschiedenen, oft vom diehten Röhricht erfüllten | 


Buchten eine unerschöpfliche Fundgrube lieblieher Natur- und 


Vegetationsbilder voll intimster Reize; er erzählt ihm vom 


lautlosen, unblutigen, aber nicht minder energischen Kampf 
ums Dasein seiner Bewohner, welche er mit seinen stillen 
Fluten bedeckt; er predigt ihm die ergreifende Wahrheit des 
Werdens und Vergehens. — 


Es ist Abend geworden, und unsere Exkursion neigt sich 
dem Ende zu. Nochmals lassen wir unsere Blicke über die 
herrlichen Fluten schweifen, aus deren Hintergrund die Halb- 
insel Höri herübergrüßt. Die harmonische Farbensymphonie 
der alles vergoldenden Abendsonne hat sich in den stillen 
Silberglanz der Mondscheinbeleuchtung aufgelöst. Im Kahn 
suchen wir allmählich das Ufer zu gewinnen. Bereits winkt 
aus duftiger Höhe das denkwürdige Arenenberg zu uns herab, 
und die im leisen Windhauch lispelnden Schilfhalme raunen 
uns ihr einschläferndes Nachtlied zu. Unser letzter Gruß gilt 


dem einzig schönen, schilfumsäumten, sagenumwobenen, eiland- 


geschmückten, aquamaringrünen Untersee! 


' Beiträge zur Kenntnis | 
der Flora des Bezirks Dießenhofen 


und seiner Umgebung. 


Von Dr. med. Hans Brunner in Dießenhofen. 


In den Mitteilungen der Thurgauischen Naturforschenden 
Gesellschaft vom Jahre 1882 (5. Heft, S. 11-61) veröffent- 
lichte Herr Friedrich Brunner, Apotheker sel., von Dießen- 
hofen, ein „Verzeichnis der wildwachsenden Phanero- 
samen und Gefäßkryptogamen des thurgauischen 
Bezirkes Dießenhofen, des Randens und des Höh- 
gaus“; meine kleine Arbeit soll als Ergänzung genannter 
Schrift aufgefaßt werden. In derselben will ich die im 
Verlaufe der letzten 10 Jahre von mir in der hiesigen Ge- 
gend neugefundenen Genera und Species, in der Reihenfolge 
nach der Flora von Schinz und Keller (3. Auflage 1909) 
numeriert, aufführen. Sperrdruck deutet an, daß auch das 
Genus für unser Gebiet neu ist. Bei zahlreichen Arten (z. B. 
des Genus Hieracium u. a.), für welche im Verlaufe der neueren 
Zeit Unterarten gebildet worden sind, welche Herrn Brunner 
damals noch nicht bekannt sein konnten, habe ich mir er- 
laubt, jeweils alle in unserem Bezirke von mir gefundenen 
Subspeeies zu nennen, ohne in jedem Falle zu beanspruchen, 
eine Neuentdeckung gemacht zu haben. Für sehr viele seltenere 
Pflanzen sind mir auch neue Standorte bekannt geworden; 
ich muß leider heute darauf verzichten, dieselben zu publi- 
zieren. Im übrigen habe ich zu bemerken, daß ich einen 
sehr großen Teil der von Friedrich Brunner in seinem Ver- 
zeichnis erwähnten Pflanzen an den von ihm genannten Stand- 


— .202 — 


orten wieder getroffen habe, andere noch zu finden hoffe. Ver- 
geblich habe ich bis jetzt gesucht die Genera: Ammi, Adoxa, 
Doronicum, Aceras, Goodyera, Cyperus. 

Den Herren isniiersen Heinrich Wegelin in Frauenfeld, 
Professor Dr. Schinz, Dr. Bauman, Dr. Thellung und F. Ban 
in Zürich, welche so freundlich waren, in zweifelhaften Fällen 
“die Verifikation der Diagnosen zu übernehmen, sei hier mein 
verbindlichster Dank ausgesprochen. 


I. Pteridophyta. 
3. Fam. Ophioglossaceae. 


Ophioglossum. 
37. O. vulgatum L. Gemeine Natterzunge. In Hosen bei 
Stein a. Rh. 


5. Fam. Equisetaceae 
Equisetum. 
54. E. hiemale L. Winterschachtelhalm. Rheinufer im 
Staffel, Rheinhölzli. 


ll. Siphonogamae. 


B. Angiospermae. 


a. Monocotyledones. 
Potamogeton. 

12. P. coloratus Vahl; plantagineus Du Croz. Farbiges 
Laichkraut. Etzwilen, Schlattingen. 

Forma rotundifolius, Landform. Etzwiler Riedt, 
Schlattingen. 

16. — lucens L. Spiegelndes Laichkraut, var. acuminatus 
Fries. Im Rhein beim Laaggut. 

17. -—- angustifolius Bercht. und Presl, Zözii Mert und 
Koch. Schmalblättriges Laichkraut. Im Rhein 
oberhalb Büsingen. 

18. —- gramineus L. Grasartiges Laichkraut; var. laeustris, 
var. paueifolius: forma heterophyllus. Im Rhein, 
Laaggut. 


 EFlodea. 


19. P. nitens Weber. Glänzendes Laichkraut. Im Rhein 
oberhalb Büsingen. 


27. — pectinatus L. Kammförmiges Laichkraut; var. 
Scoparius Wallr. Häufig im Rhein bei Bibern, 
Büsingen, der Scharenwiese; var. vulgaris Cham. 
und Schlecht. Früher im Gries; var. vaginatus 
Turez. Im Rhein bei Dießenhofen. 


41. E. canadensis Michaux. Kanadische Wasserpest. 
Häufig im Rheine. 


 Panicum. 


| Oryza. 


„P. capillare L. Haarförmige Hirse. Adventiv auf 
neuangelegter Straße in Dießenhofen. 


59. O. oryzoides L. Oryza clandestina A. Br. Verborgen- 
blütiger Reis. Bei Bibern und Ramsen. 


- Phalaris. 


61. Ph. canariensis L. Kanariengras. Adventiv. Schutt- 
haufen bei Schlatt. 


 (alamagrostis. 


91. C. varia Schrader, Host. Buntes Reitgras. Eschen- 
riedt im Scharen. 


Eragrostis. 


122. E. minor Host. Kleines Liebesgras. Bahnkörper bei 
Etzwilen, Schlattingen, Dießenhofen. 


- Carex. 


271. O©. diandra Schrank, teretiuscula Good. Rundstenglige 
Segge. Neunforn, Schlattingen. 

337. — acutiformis Erh., paludosa Good. Sumpf-Segge; 
var. acrogyna. Schlattingen. 


‚Juneus. 


367. J. alpinus Will. Alpensimse. Scharenwiese. 


Ornithogalum. 


> ae 


O. narbonense L. Narbonnische Vogelmilch. Adventiv. 
Eichbühel. 


- Polygonatum. 


446. P. offieinale All. Gebräuchliche Weißwurz. Friedinger 
Schlößle. 


og 


Orchis. ; e 
488. O. incarnatus L. Fleischfarbiges Knabenkraut; var. 
ochroleukus Wüstnei. Binningen. 


489. — Traunsteineri Sauter. Traunsteiners Knaben- 
kraut. Sehr spärlich. Etzwilen. 
Epipactis. 
515. E. sessilifola Peterm. — Violacea Bor. Violette Sumpf- 
wurz. Gailinger Berg. 


be. Dicotyledones. 
S. hybrida: Caprea > Viminalis, Bastard der Sahl- 
und Korbweide. Im Todten Mann. 
Aristolochia. 
598. A. Clematitis L. Waldrebenartige Osterluzei. Wechselt 
auffallend den Standort. Dießenhofen, Gailingen,, 
Büsingen, Ramsen, Schlattingen. 
Fagopyrum. 
628. F. sagittatum Gilib. Polygonum Fagopyrum L. Aechter 
Buchweizen. Adventiv: Schlatt. 
Chenopodium. 
647. Oh. album L. Weißer Gänsefuh. 
Ssp. eualbum Ludwig. Var. lanceolatum Müh- 
lenberg; var. pseudo-Borbasii Murr; var. vir- 
deseens St. Amans. Dießenhofen, Büsingen. 
Heileborus. 
781. H. viridis L. Grüne Nieswurz. Bei Randegg. 


Lepidium. 
882. Z. ruderale L. Sehuttkresse.. Adventiv. Bahnhöfe 
Radolfzell, Etzwilen. 
Sisymbrium. 
909. S. altissimum L. Sisymbrium "sinapistrum Crantz. 
Hoher Raukensenf. Adventiv. Kundelfingen. 
913. -— orientale L. —- columnae Jaeg. Orientalischer 
Raukensenf. Adventiv. Laaghof, 1907. | 
Erysimum. 
997. E. repandum L. Ausgeschweifter Schotendotter. Ad- 
ventiv. Laaghof,. 1907. 


 Berteroa. 
1007. B. incana DE (syn. Alyssum incanum L.). Graue Ber- 
® teroe. Adventiv. Laaghof, 1907. 


Ohorisporu. 
5 Ch. tenella Palle Zarte Knotenschote. Adventiv. 
Laaghof, 1907. 


 Sedum. 
1026. S. spurium M. Bieb. Unechte Fetthenne. Aach. 
1038. —- rupestre L. Felsenfetthenne. Stauffen. 
- Potentilla. 
- 1188. P. verna L. Frühlings-Fingerkraut. 
j . Var. «aestiva. _Dörflingen. 
. Rosa. 


1219. R. dumetorum Thuill. Heckenrose. Schlattingen. 
933: Jundzillii Besser. Rosa trachyphylia Rau. Rauh- 


blättrige Rose. Basadingen. 


 Sarothamnus. 
1264. $. scoparius L. Besenginster. Hohenklingen, Staffel. 


 Lupinus. 
| L. polyphylius Douglas. Vielblättrige Wolfsbohne. 
Adventiv. Scharenwiese. 1915. 
Vieia. 
1362. V. pannonica Orantz. Ungarische Wicke. Var. pw- 
purascens (DC) Koch. Adventiv. Dörflingen. 


Oxalis. 
1413. O. strieta L. Steifer Sauerklee. Dießenhofen. 
- Hypericum. 


1482. H. humifusum L. Niederliegendes Johanniskraut. 
Buchberg, Gailinger Berg. 
Viola. 
1509. V. alba Besser. Weißes Veilchen. Var. scotophyl- 
E loides. Randegg. 
 Hippophaic. 
1535. H. Rhammoides L. Sanddorn. Kult. Hohenklingen. 
Erica. £ 
1675. E. carnea L. Rote Schneeheide. Scharen. Standort 


F: einige Quadratmeter groß im Walde. 


a a nd A nt nat 


206° > 


Leonurus. 
1844. L. cardiuca L. Löwenschwanz. Stauffen. 
Origanum. 
1874. O. vulgare L. Var. virescens Cariot. Grüner Dost. 
Basadingen. 
Mentha. 
1880. M. vertieillata L. Quirlige Münze. Scharenwiese. 


Solanum. 
S. rostratum Dunal. Geschnäbelter Nachtschatten. 
Adventiv. Rheinsäge, 1911. 
Verbaseum. 
1905. V. Blattaria L. Schabenkraut. Adventiv. Laaggut. 
Erigeron. 
2201. E. annuus L. Pers. (syn. Stenactis annua Nees.) 
Einjähriges Berufkraut. Eingewandert. Ueberall. 
Gnaphalium. 
2218. @. uliginosum L. Sumpf-Ruhrkraut. Var. pilulare 
(Wahlenb.). Schlattingen. 


Galinsoga. 
2238. G. parviflora Cav. Kleinblütiges Knopfkraut. Markel- 
fingen. 
Matricaria. 


2253. M. suaveolens Parsh. Matricaria discoidea D.C. 
Wohlriechende Kamille. Adventiv. Etzwilen, 
Bahnhof. 
Senecio. 
2300. 8. Jacobaca L. Jakobs Kreuzkraut. Ramsen, Hom- 
boll, Hohenkrähen. 
Oarlina. 
2310. C. acaulis L. Var. caulescens L. Stengellose Eber- 
wurz. Randen. 
Crepis. 
2409. O. mollis Jacqg. Orepis suceisifolia Tausch. Weich- 
behaarter Pippau. Binningen. 
Hieraecium. 
2429. H. pratense Tausch. Wiesen-Habichtskraut. Ssp. 
subcollinum. Ssp. longipilum N. P. Bahnkörper 
Kundelfingen. 


2431. AH. florentinum All. Florentiner Habichtskraut, 

2 Ssp. praealtum. Kundelfingen, Dörflingen. 

x — .arvieola NP. == AH. florentinum —- pratense. 
Ssp. cineinoeladum.  Dörflingen, Gailingen. 

— Zizianum Tausch — A. florentinum — cymosum. 
Ssp. poliocladum. Hohenkrähen. Ssp. rhenovallis 
Zahn. Schlattingen, Gailingen. 

2440. -—- murorum L., silvaticum Zahn. Mauer-Habichts- 
kraut. Ssp. serratöfrons Almg. ce. Sölwularum 
Jord. Gailinger Berg. Ssp. oblongum Jord, 
Gailinger Berg. 

2442, — vulgatum Fries. Gemeines Habichtskraut. 
Ssp. maculatum Sm. Gennersbrunn. Ssp. acu- 
minatum Jord. Hofenacker. Ssp. anfraetum Fr. 
Hohenkrähen. Ssp. Lachenali. Büsingen. 

— - divisum Jord. — H. vulgatum — murorum. 
Ssp. eruentum. Büsingen. 
— commixtum Jord. Ssp. commixtum. Büsingen. 


2450. — laevigatum Willd. Geglättetes Habichtskraut. 
Ssp. rigidum (Hartm.). — tridentatum Fries. 
Hohenkrähen. 


Es erübrigt mir noch, diejenigen selteneren Pflanzen 
"aus dem engern Bezirke Dießenhofen und der thurgauischen 
Nachbarschaft zu erwähnen, welche in der obigen Zusammen- 
stellung deshalb nicht aufgeführt sind, weil sie in dem Ver- 
 zeichnis von Fr. Brunner enthalten, aber von ihm auswärts 
gefunden worden sind, oder deren Standort nicht 
näher bezeichnet ist: ; 
Oystopteris fragilis, Rottmühle. Polypodium vulgare, Rhein- 
hölzli. Carex paradoxa und Cnrex limosa, Schlattingen. Carex 
_ distans, Etzwilen. Liparis Loeselii, Etzwilen, Schlattingen, 
Scharen. Polyenemum arvense, adventiv, Bahnhof Dießen- 
 hofen. Amaranthus retroflexus, Dießenhofen. Seleranthus an- 
_ nuus, Sehlattingen. Seleranthus perennis, adventiv, Schlattingen, 
- Ceratophyllum demersum, Wylen. Ranunculus auricomus. 
- Schlattingen. Corydalis cava, Dießenhofen. Erucastrum Pol- 
_ liehii, Etzwilen. Sedum Telephium, Buchberg. Potentilla 
 canescens, Rheinhölzli. ZLathyrus tuberosus, Schlatt-Paradies. 


—. 208 — 


Epilobium rosmarinifolium, Willisdorf. Epilobium adnatum, 
Buchberg. Seseli annuum, Willisdorf.  Peucedanum palustre, 
Schlattingen. Peucedanum cervaria, Scharenwiese. Peucedanum 
oreoselinum, Schlattingen. Gentiana eruciata, Pelzhalde. Gen- 
tiana germanica, bei Diekihof. Gentiana ceiliata, Sehlatt. Zap- 
pula Myosotis, adventiv. Rheinsäge. Galium wliginosum, Pelz- 
halde. Zaetusa scariola, Willisdorf. Hieracium pratense, Scharen. 

In Bezug auf die Adventivflora, speziell der Kreuz- 
blütler ist eine interessante Beobachtung erwähnenswert. 
Ein einzelstehendes Bauerngut am rechten Rheinufer, «ler 
sog. Laaghof, war während eines ganzen Sommers un- 
bewohnt. In Ausübung meiner Landpraxis mußte ich öfter 
die Straße, welche an dem .Gehöfte vorbeiführt, passieren 
und entdeckte während jener Zeit auf dem den Gebäuden 
vorliegenden Gelände, im Hof, in benachbarter Wiese und 
"speziell an den Wegrändern eine ganze Anzahl fremder, 
seltener Gäste aus der Familie der Äruziferen, die ich früher 
nicht getroffen; die später wieder spurlos verschwanden, als 
ein neuer Pächter aufzog, der mit dem „Unkraut“ aufzu- 
räumen wußte. Ich nenne Chorispora tenella, Erysimum re- 
pandum, Sisymbrium cohımnue, Sisymbrium Sophia, Conringia 
orientalis, Lepidium Draba, Berteroa incana. Von denselben 
blieb, weil daselbst schon länger ansässig, noch mehrere Jahre 
nur Lepidium Draba: die übrigen Genossen sind nicht mehr 
zu finden. 

Zu drei Angaben des Brunnerschen Verzeichnisses gestatte 
mir noch eine kurze Bemerkung: 


„Nr. 73 Delphinium consolida. g. 


Nr. 992 Scandix pecten veneris. g.* 
Diese beiden Bürger der Fruchtäcker waren also früher 
im Gebiete „gemein“; ich fand dieselben nie, wohl aber noch 
im Höhgau und beziehe die Erscheinung des Verschwindens 
aus unserem Bezirke auf den Rückgang des Getreidebaus. 
„Nr. 1597 Veronica prostrata s3* 
Diese seltene Pflanze ist am Aussterben und findet sich 
am Standorte nur noch ganz vereinzelt. 
Eragrostis minor, Lepidium ruderale, Matricaria discordeua, 
Hieracium Zizianum sind Neuerscheinungen, die den Weg 
in unsere Gegend längs des Schienenstranges gemacht 


— 209 — 


haben. Die Samen von Juncus alpinus dürften wohl von 
‚dem Rheinstrom vom Bodensee oder vom Gebirge her auf 
den Ufersand der Scharenwiese hergeschwemmt worden sein. 

Die Standorte anderer seltener Pflanzen, z. B. des Helle- 
borus viridis und der Erica carnea bilden kleine, sehr ein- 
same Inselchen. Elodea canadensis verdankt ihre Anwesen- 
‚heit einer allgemeinen Invasion, die also in unserem Bezirk 
nach 1882 stattgefunden haben muß. 

Auffallende Wanderungen im Gebiete macht Aristolochia 
Olematitis; sie erscheint vagabundierend in der Nähe von 
Gärten, heuer in dieser Ortschaft, nächstes Jahr in einer 
andern. 

Im Allgemeinen ist zu sagen, daß auch im Bezirke Dielen- 
 hofen und Umgebung durch zunehmende Rodung von Hecken 
und kleinen Gehölzen, Urbarisierung von Rainen, Ausfüllung 
von Gräben, Teichen und Hanfrosen, Trockenlegung von 
Sümpfen und Riedtern, intensivere Düngung überall die boden- 
ständige Flora allmählich Schaden zu nehmen droht und 
daher dem Botaniker die Pflicht erwächst, durch weises 
Sammeln und mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln 
hier und allerorts derselben seinen Schutz angedeihen zu 
lassen. 


14 


reinsnachrichten. 


Auszug aus dem Protokoll 


der 


Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft, 


” Die Jahresversammlung 1913 


fiel aus, weil die 96. Jahresversammlung der Schweizerischen 
Naturforschenden Gesellschaft in Frauenfeld tagte. 


Jahresrechnung 1912: 


Einnahmen 7.2.0202, ur 2702 28 Rr,22074279 
mussaben =. men. - 2583.71 
Rückschlag im Jahre 1912 . . Fr. 508.96 
Vermögen am 1. Januar 1912 . Fr. 593.88 
Rückschlag im Jahre 1912 . . - 508.96 


Vermögen auf 1. Januar 1913 . Fr. 84.92 


Der Aktuar: A. Weber, Kultur-Ing. 


Jahresversammlung 1914, 
abgehalten am 16. Mai im Hotel Bahnhof in Frauenfeld. 


Vorsitzender: Kantonschemiker Schmid. 
Anwesend: 26 Mitglieder und 23 Gäste. 


Das Referat hielt der Vorsitzende über 


Ernährungsfragen. 


Die Aufklärungen, welche die Ernährungswissenschaft ge- 
bracht hat, haben bis anhin im allgemeinen bedenklich wenig 
Nutzanwendungen für rationellere Gestaltung der menschlichen 


Se 


Ernährung gefunden; es ist immer noch die Ansicht vor- 
herrschend, man habe sich nur bei der Fürsorge für eine 
genügende Ernährung armer Leute und bei der Fürsorge für 
rationelle Ernährung in öffentlichen Anstalten darum zu 
kümmern, welche Nährstoffmengen der Mensch brauche, um 
den Körper auf seinem Bestande und arbeitsfähig zu erhalten. 
Ein großer Teil der Bevölkerung beurteilt die Nahrungs- 
mittel immer noch ausschließlich nach den geschmacklichen 
Eigenschaften, nicht nach deren Bedeutung für die Ernährung, 
und daher kommen auch in wohlhabenden Familien, in denen 
beim Einkauf von Lebensmitteln nieht gespart wird, Fälle 
von Unternährung bei Kindern und Erwachsenen vor. 
Ein großer Teil der Bevölkerung will die bisherigen Gewohn- 
heiten in der Auswahl der Speisen beibehalten, auch wenn 
diese Gewohnheiten von Physiologen, Ühemikern und Aerzten 
als unzweckmäßig angefochten werden. 

Die unrichtige Ansicht, wonach das Fleisch und andere 
eiweißreiche Nahrungsinittel im Körper zu Muskelsubstanz 
angesetzt werden und das Fett der Nahrung sich zwischen 
den Muskelfasern ablagert, verursacht ebenfalls Schwierig- 
keiten bei den Bestrebungen, den Ergebnissen bei der Er- 
nährungswissenschaft Beachtung zu verschaffen. 

Der Vortragende hält eine Umschau bei den Aufklärungen, 
die uns die Wissenschaft in neuerer Zeit geboten hat hin- 
sichtlich der Vorgänge bei der Verdauung, wobei im besondern 
auf die weitgehenden Zersetzungen hingewiesen wird, 
welche die Bestandteile der Nahrung bei der Ver- 
 dauung erfahren, und auf die Bildung neuer Eiweiß- 
stoffe in den Organzellen aus den Spaltungspro- 
dukten der RBiweißstoffe der Nahrung. Die Eiweiß- 
stoffe von: Fleisch und anderen animalischen Nahrungsmitteln 
werden im Körper nicht abgelagert; sie werden wie die Ei- 
weißstoffe der pflanzliehen Nahrung in einfache Verbindungen 
zerlegt; aus diesen bilden sich in den Zellen des Körpers 
neue Eiweißstoffe, die besondere Eigenschaften haben, nicht 
mehr zellfremd sind. Der Eiweißbedarf des Körpers kann 
daher durch pflanzliches wie durch tierisches Eiweiß gedeckt 
werden; die Zufuhr von tierischem und pflanzlichem Eiweiß 
in der Nahrung ist insofern nicht gleichwertig, als von pflanz- 
lichem Eiweiß eine größere Menge erforderlich ist, ' wenn 


a 


es sich darum handelt, den Eiweißverlust des Körpers zu 
decken. 

Eingehend wird die Bedeutung der Nahrung als Wärme- 
spender und damit als Kraftspender besprochen. Wenn 
Pflanzen unter dem Einfluß von Sonnenlicht und Wärme 
wachsen, so wird in den einzelnen Pflanzenteilchen mit der 
Entstehung komplizierter chemischer Verbindungen Wärme 
aufgespeichert, und eine ähnliche Wärmeaufspeicherung erfolgt 
beim Wachsen tierischer Organe. Werden pflanzliche Stoffe 
oder tierische Organe als Nahrung verwendet, so erfolgen 
durch die Wirkung von ungeformten Fermenten Spaltungen 
und Oxydationen, wobei die in der pflanzlichen und tierischen 

Nahrung aufgespeicherte Wärme frei wird. 

Die Wärmemenge, die sich täglich im Körper bildet, ent- 

spricht der Wärmemenge, die in der Nahrung aufgespeichert 
war, abzüglich die Wärmemenge, die wegen unvollständiger 
Verdauung der Nährstoffe nicht frei geworden ist. 

Da bekannt ist, wie viel Wärme in den einzelnen Be- 
standteilen unserer Nahrung, in den Eiweißstoffen, den Fetten 
und den Kohlenhydraten aufgespeichert ist, kann bei jeder 
Speise, deren Gehalt an den genannten Nährstoffen bekannt 
ist, berechnet werden, wie viel Wärme sie dem Körper zu 
spenden vermag. 

Ein Erwachsener, der wenig körperliche Arbeit leistet, 
muß sich täglich eine Wärmemenge von 2000 bis 2500 
Kalorien mit der Nahrung zuführen; bei großen körperlichen 
Leistungen sind 500 bis 1000 Kalorien mehr erforderlich. 
Bei der Berechnung des täglichen Bedürfnisses an Nahrung 
ist das genannte Wärmebedürfnis, außerdem aber auch der 

_ tägliche Verlust des Körpers an Stickstoffsubstanzen, Mineral- 
stoffen und Wasser in Betracht zu ziehen. 

Der tägliche Verlust an Stickstoffsubstanz könnte bei einem 
Mann mit 70 Kilo Körpergewicht nach Rübner gedeckt werden 
durch 30 Gramm animalisches Eiweiß oder die zwei- bis 
dreifache Menge an pflanzlichem Eiweiß; diese Eiweilsmenge 
nennt man physiologisches Eiweißminimum. Bei freier Wahl 
der Kost wird durchschnittlich drei- bis viermal mehr Ei- 
weiß zugeführt, als dem physiologischen Minimum bei ani- 
malischer Kost entspricht, weil vielleicht in unserem Klima 
das Bedürfnis vorliegt, mit der Eiweißzufuhr nicht nur den 


— 216 — 


Eiweißverlust zu deeken, sondern auch die Wärmebildung im 
Körper bei Vermeidung der Zufuhr großer Mensen an Fett 
und Kohlenhydraten zu erhöhen. 

Um Nutzanwendungen machen zu können von den Er- 
gebnissen der Forschungen über die. Vorgänge bei der Ver- 
dauung, über das tägliche Eiweiß- und Wärmebedürfnis des 
menschliehen Körpers müßten Tabellen in Betrachtung ge- 
zogen werden, welche über den Nährstoffgehalt und den 
Kalorienwert der einzelnen Nahrungsmittel Aufschluß geben; 
ein solches Tabellenstudium kann aber rasch Ermüdung herbei- 
führen. Der Vortragende hat zur Erleichterung der Wert- 
schätzung und der Erkenntnis der Bedeutung der einzelnen 
Nahrungsmittel schwarze und rote Säulen und Säulchen auf- 
gestellt, deren Höhe einerseits das tägliche Wärmebedürfnis 
des Körpers bei verschiedenem Alter und bei Ruhe, leichter 
und schwerer Arbeit, sowie das Eiweißbedürfnis veranschaulicht 
und die anderseits Aufschluß darüber geben, welche Wärme- 
mengen und Eiweißmengen dem Körper mit je 100 Gramm 
verschiedener Nahrungsmittel und mit üblichen Portionen ver- 
schiedener Speisen dem Körper zugeführt werden. Andere 
Säulen und Säulchen erleichtern dem Auge eine rasche Ver- 
gleichung der Eiweilsmengen und der Wärmemengen, welche 
für 1 Franken in Frauenfeld bei den wichtigen Nahrungs- 
mitteln erhältlich waren. Dieses Anschauungsmaterial er- 
möglichte auch zu zeigen, bei welchen Ernährungsgewohnheiten 
die Gefahr einer Unternährung vorliegt, und auf welche 
Lebensmittel hauptsächlich zu achten ist bei den Bestrebungen, 
den Eiweiß- und Wärmebedarf des Körpers mit wenig Geld- 
mitteln zu decken. 


Aus dem Jahresbericht des Präsidenten. 


Der gelungene Verlauf der Jahresversammlung der 
Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft zu Frauenfeld 
im September 1913 verdient besondere Erwähnung. Dankbare 
Anerkennung fanden namentlich die Ausflüge nach Ermatingen- 
Arenenberg und nach der Karthause, welche durch die all- 
seitige Unterstützung der Mitglieder, Behörden und weiterer 
Kreise der Bevölkerung möglich wurden. Es blieb sogar noeh 
ein Ueberschuß in der Festrechnung, welcher als Fonds für 
Bereicherung der kantonalen naturwissenschaftlichen Sammlung 


_ bestimmt wurde. Damit soll der Glaube unserer Gesellschaft 
an die bessere Zukunft eines Museums neu gestärkt und zu- 
‘gleich die Hoffnung genährt werden, daß der Opfersinn sich 
wiederhole bei unserem Bemühen, die Schätze vor dem Ver- 
‚derben zu bewahren und sie zur Belehrung unseres Volkes 
nutzbar zu machen. 


Jahresrechnung 1913: 


Binuahmen m 2 mans. in 2097.49 
Ausgaben ES RE RR 1 2320 
Vorschlag für das Jahr 1913 . Fr. 405.36 
Vermögen vom 1. Januar 1913- s 84.92 
Vermögen am 1. Januar 1914 . Fr. 490.28 
Auszuscheidender Fonds für unsere 

Bamımlunsene n:... 0.0.2009 900, 


Passiv-Saldo am 1. Januar 1914. Fr. IM2 

An der Landesausstellung in Bern beteiligt sich unsere 
"Gesellschaft mit 20 Heften ihrer Mitteilungen. 

Für die Vereinsbibliothek steht würdige und allgemein 
zugängliche Aufstellung in der neuen Kantonsbibliothek in 
- Aussicht. 

Zu Ehrenmitgliedern werden ernannnt: Herr Dr. (Il. Heß, 
in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen in 
Meteorologie und Klimatologie, sowie in Würdigung seiner 
 aufopfernden Tätigkeit für alle Bestrebungen der Gesellschaft 
als langjähriges Mitglied des Vorstandes und speziell als deren 
Präsident; Herr Sekundarlehrer F'erd. Graf in Weinfelden in 
Anerkennung seines langjährigen treuen Mitwirkens an den 
Bestrebungen der Gesellschaft. 

Im Vorstand wurden die eine Wiederwahl ablehnenden 
Herren Dr. Eberli, Engeli, Etter und Dr. Heß ersetzt durch 
die Herren Kappeler-Leumann, Sekundarlehrer Osterwalder 
in Bischofszell, Dr. Tanner und Kulturingenieur Weber. Als 
Präsident wurde Herr Kantonschemiker Schmid bestätigt. 
Der Vorstand ernannte als Rechnungsrevisoren die Herren 
Dr. Leisi und Telephonchef Debrunner-Schröder. 

Seit der Jahresversammlung 1912 sind in den Kränzchen- 
 sitzungen folgende Vorträge zu verzeichnen: 


Kantonschemiker Schmid: Die Ersatzmittel für Butter; 

Prof. Wegelin: Der Kautschuk; 

Dr. Heß: Entstehung der Landhose bei Schönenbaum- 
garten; 

Dr. Pritzker: Hygienische Gewinnung der Milch; 

Dr. Fritz Sarasin in Basel: Neu-Caledonien; 

Dr. Stauffacher: Neuere Forschungen über Befruchtung 
und Vererbung; 

Dr. Pritzker: Der Tabak und das Tabakrauchen; 

Dr. Isler: Ueber Blinddarmentzündung; | 

Prof. Wegelin: Der thurgauische Wald und dessen Ver- 
änderung im Laufe der letzten 80 Jahre. 


Der Aktuar: A. Weber, Kultur-Ing. 


Jahresversammlung 1915, 
abgehalten am 23. Oktober im Hotel Bahnhof in Frauenfeld. 


Vorsitzender: Kantonschemiker Schmid. 
Zahl der Teilnehmer (Mitglieder und Gäste) 75. 


Vortrag von Herrn Dr. Brumner, Direktor des Kantons- 
spitals in Münsterlingen über: 


Wundinfektion und Wundbehandlung im Kriege. 


Der Redner besprach zunächst die zwei Arten der In- 
fektion, die primäre, welche durch das Geschoß selbst, 
durch mitgerissene Kleider- und Hautfetzen erzeugt wird, die 
sekundäre, die erst nach der Verletzung entsteht, auf dem 
Schlachtfeld, im Schützengraben, auf dem Transport, im 
Lazarett. In sehr interessanter Weise gab er darauf einen 
historischen Abriß über die Schußverletzungen und wür- 
digte die Verdienste Listers und Esmarchs, dessen Soldaten- 
verbandpäcklein in den meisten Staaten dem Krieger mit ins 
Feld gegeben wird und dort große Dienste leistet. Die 
moderne Taktik, insbesondere die gewaltige Entwicklung der 
Artillerie, hat das Feldsanitätswesen gänzlich umgestaltet. 
Im Positionskampfe liegen die Verhältnisse günstiger als im 
Bewegungskrieg. Im ersteren können die großen Verband- 
plätze mit Ruhe und Umsicht nicht weit hinter der Kampf- 
linie eingerichtet werden; im letzteren fehlen oft Zeit und 


ee 


x # : IR Me: i 
- Gelegenheit, nur einigermaßen anständig unterzukommen, wie 


_ die Verhältnisse in Polen und Galizien zeigen. Hat der Soldat 


_ eine Verwundung erlitten, so legt er sich einen Notverband 
an oder läßt sich durch einen Kameraden verbinden. Das 


_ Material hiezu liefert das Verbandpäcklein. Hilfsverband- 


plätze, „Verwundetennester“, nehmen die Blessierten auf 
und machen sie zum Rücktransport aus der Kampflinie ge- 


_ eignet oder befähigen sie zur Wiederaufnahme der Kampfes- 


_ tätigkeit. Auf den Hilfsplätzen gilt der Grundsatz: Nil nocere. 


Eine Wunde, an welcher nichts gemacht wird, ist weit 


_ weniger gefährlich als eine falsch behandelte. Man begnügt 
sich daher in den meisten Fällen mit der Bakterienfixation, 


‘d.h. mit der Betäubung der Bakterien durch Jodtinktur. 


_ Diese wird übrigens in mehreren Heeren schon dem Soldaten- 
_ verbandpäcklein beigegeben zur Bekämpfung der sekundären 


_ Infektion. Vom Hilfsverbandplatz gelangen die Verwundeten 
_ auf den Hauptverbandplatz. Damit auf dem Transport, 


bei dem das Auto eine große Rolle spielt, die Verbände 


_ nieht verschoben werden, verwendet man mit Erfolg Klebe- 
_ verbände aus Mastisol. Zur Beruhigung der Leute wird Mor- 
_ phium benützt. Jede unnütze Bewegung verbreitet die Infektion. 


Auf dem Hauptverbandplatz erfolgt zuerst die Ausscheidung 


der Leicht- und Schwerverwundeten. Erstere kommen an 


- Plätze hin, von wo aus sie nach ihrer Herstellung möglichst 
rasch die Front wieder erreichen. Von den letztern werden 
_ die Transportfähigen durch die Lazarettzüge nach dem Innern, 


wenn möglich nach der Heimat, spediert; die andern bleiben 
im Feldlazarett, wo ihnen die erste sachgemäße Behandlung 


zuteil wird. Ideal sind die Verhältnisse an der Westfront, 
wo in guteingerichteten Lokalen oft die schwierigsten Ope- 


rationen mit Erfolg durchgeführt werden; schauderhaft steht 
es an der Ost- und Südfront, wo oft nicht einmal den ein- 
fachsten Forderungen der Asepsis genügt werden kann. In 
der Heimat befinden sich die Reservelazarette, wo die 


- dauernde Wundbehandlung -— auch Zahn- und Kieferersatz — 
_ vorgenommen wird. Hier ist alles aufs modernste eingerichtet 
_ mit Röntgenkabinett ete. Auffallend ist die Zunahme der 
 Starrkrampffälle gegenüber früher: 1870/71 3,5°/00, jetzt 


6°/oo. Ursache hievon ist der Graben- und Artilleriekrieg. 


_ Gewaltig ist die Summe humanitärer Arbeit, welche die 


— 220 — 


Aerzte zu leisten haben, groß ihr Opfermut, der ein tröst- 


liches Bild bietet im Meere des durch den Krieg verursachten 
Elendes, des Krieges, der ein Schandgemälde der Menschheit 


Senancı werden muß. 


Der lehrreiche, allgemein verständliche Vortrag, welcher 


gegen °/ı Stunden Baden hatte, erntete reichen Beifall und 


wurde vom Präsidenten ärrefens verdankt. Eine Der 2 


fand nicht statt. 


Aus dem Jahresbericht des Präsidenten: 


Bei den schwierigen Verhältnissen des vergangenen Jahres 


mußte sich der Vorstand darauf beschränken, die regulären 
Aufgaben zu erfüllen und die Herausgabe des Heftes 21 der 
„Mitteilungen“ vorzubereiten.’ 

Die Zirkulation der Lesemappen konnte in bisheriger 
Weise bewirkt werden, obschon die Zeitschriften in reduzierter 
Ausgabe und teilweise nicht mehr eintrafen und auch die Zahl 
der eingehenden Tauschschriften stark zurückging. Der Militär- 
dienst mancher Mappenbezüger brachte Störung in bisher 
ungewohntem Maße. 


Das gesamte Schriftenmaterial der Gesellschaft hat nun- 


mehr in der Kantonsbibliothek eine bleibende Stätte und 


würdige Aufstellung gefunden, und es steht dasselbe den Mit- 


gliedern dort zur Verfügung. 


Am 7. Juni 1914 fand eine Vereinsexkursion mit 14 Teil- 


nehmern nach dem Haidenhause und dem Haidenwalde statt, 


wo Herr Forstmeister Etter die wichtigsten einheimischen und 


die dort probeweise gepflanzten fremden Waldbäume besprach 
und an mehreren typischen Beispielen die natürliche Ver- 


jüngung des Waldes durch Ränderung erklärte. Den inter 


essanten Belehrungen über Ziele und Methoden des modernen 
Forstbetriebs war ein gemütliches Picknick eingeschaltet in 
einer Waldlichtung mit herrlicher Aussicht auf den lieblichen 
Untersee und die Vulkankuppen des Hegaus. 

Im Winter 1914/15 wurden im natwrwissenschaftlichen 
Kränzchen Frauenfeld Vorträge gehalten von den Herren: 


Prof. Wegelin: Veränderung ‘der thurgauischen See- und 


Rheinufer in den letzten 80 Jahren; 


Dr. Schneider: Die Verhältnisse in der chemischen Industrie ° 


während des Krieges; 


Dr. Tanner: Ueber die Selbstreinigung- der Gewässer; 

" Kulturingenieur Weber: Die Aufgaben des thurgauischen 
_  Kulturingenieurs. 

Infolge Rücktritts der bisherigen Mitglieder wurde die 
- Naturschutzkommission neu bestellt in den Herren 
- Dr. Tanner, Dr. Leisi und Sekundarlehrer Osterwalder. 

Die Bestrebungen .der Gesellschaft sind auch im Berichts- 
_ jahre in verdankenswerter Weise durch die Beiträge der 
_ Regierung und der Gemeinnützigen Gesellschaft unterstützt 
_ worden. 

Die Gesellschaft besteht zurzeit aus 123 Mitgliedern und 
- 12 Ehrenmitgliedern. 


2 Ueber die Tätigkeit der Naturschutzkommission refe- 
'rierte deren Präsident Herr Dr. Tanner. Sie befaßte sich 
besonders mit dem Schutze der botanisch höchst interessanten 
- Scharenwiese und des kleinen Ratihardweihers. Ihre Be- 
_ mühungen waren dank dem Entgegenkommen des Bau- und 
- des Finanzdepartements von Erfolg begleitet. 


Jahresrechnung pro 1914: 


Die Einnahmen betragen . . . Fr. 1860.13 
Die Ausgaben betragen . . . „649.28 


Vermögen auf 1. Januar 1915 . Fr. 1210.85 
Auszuscheidender Fonds für die 
Bammlunsen 2.0.2... nersenn 900° 


Zur Verwendung für die übrigen 
Vereinszwecke:. .. .: 2... #.Br.: 710.85 


Auf Antrag der Revisoren wird die Rechnung genehmigt 
_ und dem Quästor verdankt. 


Der Aktuar ad. int.: Dr. H. Tanner. 


Verzeichnis 


der vom 1. Juli 1913 bis 1. November 1915 durch Tausch oder Schenkung 
eingegangenen Druckschriften. i 


(Dient zugleich als Empfangsbescheinigung.) 


I. Schweizerischer Tauschverkehr. 


Aarau. Aargauische Naturf. Gesellschaft: XIII. Heft. 
Basel. Naturf. Gesellschaft: Verhandlungen Bd. 24—25. 
Baselland. Naturf. Gesellschaft: — 
Bern. Schweiz. Naturf. Gesellschaft: Verhandlungen 1912 - 14. 
-— . Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen 1913, 1914. 
— Schweiz. Entomologische Gesellschaft: Vol. XII, Heft 5,6. 
Chur. Naturf. Gesellschaft von Graubünden: Jahresbericht, Bd. 54, 55. 
Frauenfeld. Historischer Verein des Kantons Thurgau: Thurgauische 
Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Heft 52— 54. 

Freiburg. Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen: Chemie Bd. IIIs. Geologie 
und Geographie Bd. IVs, VIIlı. Mathem. und Physik Bd. III. 
Zoologie Bd. Is. Bulletin Bd. 21, 22. 

Geneve. Societe de physique et d’histoire naturelle: Compte rendu 
des seances 30, 31. 

— Institut National Genevois: — 

Glarus. Naturforschende Gesellschaft: — 

Lausanne. Societ€ vaudoise des sciences naturelles: Bulletins Nr. 
179-186. Convocations 1913— 1915. ; 

Lugano. Societä ticinese di Scienze naturali: Bolletino 1912, 1915/14. 

Luzern. Naturf. Gesellschaft: — ne 

Neuchätel. Societe des sciences naturelles: Bulletin tome 40. Me- 
moires tome V. v 

Sion. Societ& Murithienne; — 

Solothurn. Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen, Heft 5 (1911—1914). 

St. Gallen. Naturwissenschaftl. Gesellschaft: Jahrbuch 1912, 1913. 

Winterthur. Naturwissenschaftl. Gesellschaft: Mitteilungen, Heft 10. 

Zürich. Naturf. Gesellschaft: Vierteljahrsschrift 1913—1915. 

— Schweizerische Geologische Kommission: 

Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz. N. F. Lief. 20 ır, 
301, 34, 40, 43, 45. 

Erläuterung zur geologischen Karte der Schweiz 17. 
Spezialkarten 55"'s, 73. 

Karte in 1:100000: Batt 3. 


— 223 — 


Geotechnische Serie: Die natürlichen Bausteine und Dach- 
j schiefer der Schweiz. 
EAirich, Schweizerische Botanische Gesellschaft: 
Berichte Heft 22, 23. 
Beiträge zur Kryptogamenfauna der Schweiz: Algen-Rein- 
kulturen 1915. Protomycetaceen 1915. 
— Physikalische Gesellschaft: Mitteilungen 17. 
—  DBotanisches Museum der Universität: Mitteilungen 65, 68, 
5 ar 


II. Ausländischer Tauschverkehr. 


'Agram (Zagreb). Kroatische Naturwissenschaftliche Gesellschaft: 

Mitteilungen Bd. 26, 27. 

Augsburg. Naturwissenschaftl. Verein für Schwaben und Neuburg: 

| Bexicht 41. 

Bamberg. Naturf. Gesellschaft: — 

Bautzen. Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis: Abhandlungen 
1910— 12. 

- Bayreuth. Naturwissenschaftl. Gesellschaft: — 

Berlin. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg: Verhandlungen 

1913, 1914. 

Bielefeld. Naturwiss. Verein: Jahresber. 1911/13. 

Bonn. Naturhist. Verein der preußischen Rheinlande und Westfalens: 
Sitzungsbericht und Verhandlungen 1912, 19131. 

-— Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: — 

Boston. Society of Natural History: Proceedings, Vol. 34, Nr. 13, 
Vol. 55, Nr. 1. 

Braunschweig. Verein für Naturwissenschaft: — 

Bremen. Naturwissenschaftliche Vereine: Abhandlungen, Bd. 22°, 23! 

Breslau. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur: 90. 
Jahresbericht. 

Brooklin. Institute of arts and sciences: — 

‘Brünn. Naturforschender Verein: — 

 — — Lehrer-Klub für Naturkunde: — 

Brüssel. Societe royale de Botanique de Belgique: 

Bulletin 1912 (vol. jubilaire), tome 52. 

Budapest. Königlich-ungarische naturwissenschaftliche Gesellschaft: 
Mathematischer und naturwissenschaftl. Bericht aus Ungarn, 
Bd. 27—29. 
Aquila. Zeitschrift für Ornithologie 1912. 

Buenos Aires. Museo Nacional de Historia Natural, Anales tomo 26. 

-  — Deutscher wissenschaftlicher Verein: — 

- Cassel. Verein f. Naturkunde. Festschrift 1911. 

Chapel HillN.C. Elisha Mitchell Scientific Society: Journal, Vol. 

29— 311. 

Chemnitz. Naturwissensch. Gesellschaft: — 

 Cherbourg. Societ& nationale des sciences naturelles: — 

_ Chicago. Academy of sciences: Bulletin Vol. II, N® 6-10. Vol. IV, 

INT.2: 


a = 


Cincinnati 0. Lloyd Library: Mycological notes Nr. 38. 
Bibliographical contributions I 10—13, IT1—5. 
Crefeld. Naturwiss. Museum der Stadt: Mitteilungen 1913. 
Danzig. Naturf. Gesellschaft: Bd. 12, Heft 3, 4. Katalog Heft 2, 3. 
— Westpreußischer botanisch-zoologischer Verein: Ber 31, 32, 36. 
Darmstadt. Verein für Erdkunde und großh. geolog. Landesanstalt: 
Notizblatt, IV. Folge, Heft 33. 
Donaueschingen. Verein f. Geschichte und X Naturgeschichte: — 
Dresden. Naturwissenschaftl. Gesellschaft Isis: Sitzungsberichte und 
Abhandlungen, 1915. 
Elberfeld. Naturwissenschaftlicher Verein: 14. Heft. 
Emden. Naturf. Gesellschaft: — 
Erlangen. Physikalisch-medizinische Societät: Sitzungsberichte, Band 
44—46. 
Frankfurt a.M. Senckenbergische Naturf. Gesellsch.: Berichte 44—45. 
Frankfurt a. 0. Naturwissenschaftl. Verein: — 
Freiburg i. Br. Naturf. Gesellschaft: Berichte, Bd. 20, 21'. 
Gießen. Oberhessische Gesellschaft f. Natur- und Heilkunde: Berichte, 
medizin. Abt., Bd. 7 und 8; naturwissenschaftl. Abt., Bd. 5. 
Görlitz. Naturf. Gesellschaft: — 
Graz. Naturwissenschaftl. Verein für Steiermark: 49, 50. 
Greifswald. Geographische Gesellschaft: 14. Jahresbericht. | 
— Naturwissenschaftl. Verein für Neu-Vorpommern und Rügen: 
Mitteilungen, Jahrgang 44. 
Güstrow. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg: — 
Halifax. Nova Scotia, Canada: Nova Scotian Institute of Science: 
Proceedings and Transactions, Vol. 12, part. 4. 
Halle a. d. Saale. Kaiserl. Leop.- -Carol. deutsche Akademie der Natur- 
forscher: Leopoldina 1913. 
—  Sächsisch-thüringischer Verein f. Erdkunde: Mitteilungen 1912. 
Hamburg. Naturwissenschaftl. Verein: — 
Hanau. Wetterauische Gesellschaft für die gesamte Naturkunde: — 
Hannover. Naturhistorische Gesellschaft: 60. und 61. Jahresbericht. 
Heidelberg. Naturhistorisch-mediz. Verein: Verhandlungen, Bd. 123.4. 
und 131. 
Hermannstadt. Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschaften: Ver- 
handlungen und Mitteilungen, Bd. 63. ! 
Innsbruck. Ferdinandeum für Tirol und, Vorarlberg: Zeitschrift, 
Heft 58. 
Kiel. Naturwissenschaftl. Verein für Schleswig-Holstein: Schriften 
Bd. 15, 161. 
Klagenfurt. Naturhistor. Landesmuseum für Kärnten: Carinthia 1913. 
Klausenburg (Kolozsvär). Siebenbürgischer Museumsverein: Mitteil. 
aus der mineral.-geolog. Sammlung 1912, 1913. 
Königsberg i. Pr. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft: Schriften, 
53. Jahrgang. 
Landshut (Bayern). Naturwissenschaftl. Verein: — 
Lawrence (Kansas). University of Kansas: — 
Leipzig. Naturf. Gesellschaft: Sitzungsberichte 1912. 
Linz. Museum Francisco Carolinum: Jahresbericht 72. 


— 225 —- 


- Lüneburg. Naturwissenschaftl. Verein für das Fürstentum Lüneburg: 
Br Jahreshefte 1910-1913. 
Luxemburg. Gesellschaft Luxemburger Naturfreunde: 1912, 1913. 
- Lyon. Societe Linneenne: Annales 1913. 
Madison. Wisconsin Academy: Transactions Vol. 17. 
Magdeburg. Naturwissenschaftl. Verein und Museum für Natur- und 
Heimatkunde: — 
Mannheim. Verein für Naturkunde: — 
Meißen. Naturwissenschaftl. Gesellschaft Isis: Mitteilungen 12. 
Mexico. Instituto Geologico: Boletin 30. Parergones t. IV. 
Milwaukee. Wisconsin Natural a0 Soeiety:: Bulletin, Vol. 11—13. 
Montevideo. Museo nacional: 
Moskau. Societ& imperiale des akraslbane: Bulletins 1913. 
München. Ornithologische Gesellschaft in Bayern: — 
— Kgl. hydrotechnisches Bureau: Jahrb. 1911—-1914 mit Bei- 
lagen. 
— Kegl. bayr. Akademie der Wissensch.: Sitzungsber. der math.- 
phys. Klasse, Jahrg. 1913, Register 1860—1910. 
- Münster. Westfälischer Provinzialverein für Wiss. u. Kunst, Jahres- 
berichte 41, 42. 
Nancy. Societ& des sciences: Bulletins, tomes 14, 151. 
New-Haven (Conn. U. S.). Yale university: Transactions, Vol. 18, 
Vol. 20, p. 133—160. 
New-York. Academy of Sciences: Annals, Vol. 22—24, 26. 
Nürnberg. Naturhistorische Gesellschaft: Abhandlungen, Bd. 19, 20. 
Mitteilungen 1910— 1913. 
Offenbach. Offenbacher Verein für Naturkunde: -- 
Osnabrück. Naturwissenschaftl. Verein: — 
Passau. Naturhistorischer Verein: — 
Philadelphia. Academy of Natural Sciences: Proceedings Vol. 65—671, 
Prag. Naturhistorischer Verein Lotos: „Lotos“ 1913, 1914. 
Regensburg. Naturwissenschaftl. Verein: 14. Heft. 
Reichenberg. Verein der Naturfreunde: — 
Riga. Naturforscher-Verein: — 
"Rochester N.-Y. Academy of Sciences: — 
Santiago de Chile. Sociedad cientifica Alemana, Bd. VIs, Vllı-- 
St. Louis (Missouri). Academy of Sciences: Transact. Vol. 20, 21. 
—  Botanical Garden: Annals Vol.1. 
Stockholm. Entomologiska Föreningen: Ent. Tidskrift 1913, 1914. 
Stuttgart. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde 
in Württemberg, 69. und 70. Jahrgang mit Beilagen. 
Upsala. University: — 
Washington D.C. Smithsonian Institution: U. S. National-Museum: 
Proceedings, Vol. 43 - 46. 
Annual Report. — 
Bulletin 50, 71, 83—90. 
Special Bulletin: American Hydroids III. 
Contribution from the U.S. Nat. Herbarium, Vol. 16—18. 
— T.S. Geological Survey: 
Annual Report 34, 35. 


15 


— 226 — 


Bulletin 502—600 (Reihe unvollständig). 
Water supply papers 259—366 (Reihe. unvollnde 
Professional papers 76, 78—86, 90. 
Mineral Resources 1911—1913. 
Monograpn. — 
Wien. K.k. geolog. Reichsanstalt: Verhandlung 19131915. 
— K.k. Naturhist. Hofmuseum: Annalen Bd. 27—29. 
— K.k. zoologisch-botan. Gesellschaft: Verhandlungen Bd. 63. 
— Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse 
(VI/j1 Technische Hochschule): Bd. 55-55. 
Wiesbaden. Nassauischer Verein für Naturkunde: Jahrbücher 66, 67. 
Würzburg. Physikalisch-mediz. Ges.: Sitzungsbericht 1913, 1914. 
Zwickau. Verein für Naturkunde: — 


III. Geschenke von Privaten. 


Barringer D. M.: Meteor Crater in N. C. Arizona (1909) 1915. 


Graf U., a. Sekundarlehrer, Weinfelden: L. Foucault, Traveaux scien- 


tifiques avec planches, 2 tomes. Paris 1878. 

Janet Charles (Beauvais, Oise): L’alternance sporophyto-gameto- 
phytique de generations chez les algues. Limoges 1914. 

Keller Dr. R: Studien über die geogr. Verbreitung schweiz. Arten 
und Formen des Genus Rubus. Winterthur 1914. 

Schmidle W., Oberrealschuldir. in Konstanz: Der Hohentwiel. 1913. 


Mitgliederverzeichnis 
der 


Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft. 
(Abgeschlossen am 1. November 1915.) | 


Vorstand. 


Präsident: A. Schmid, Kantonschemiker. 
Vizepräsident und Kurator: H. Wegelin, Professor. 
Aktuar: A. Weber, Kulturingenieur. 
Quästor: Hs. Kappeler-Leumann. 

A. Brodtbeck, Zahnarzt. 

V. Schilt, Apotheker. 

H. Tanner, Dr. phil. _ 

E. Osterwalder, Sekundarlehrer. 


Ehrenmitglieder (12). 


Keller C., Dr., Prof. der Zoologie an der Technischen Hochschule 
in Zürich (seit 13. Dez. 1880). 

Rauch €. A., Privatier, in Luzern, Villa Montana (seit 29. Sept. 1883). 

Müller-Thurgau, Prof. Dr., Direktor der Weinbau-Versuchsstation 
in Wädenswil (seit 1. Oktober 1888). 

Zimmermann Traugott, Privatier, in Heiden (seit 1. Oktober 1888). 

Ilg Alfred, a. Minister, in Zürich, Forchstraße (seit 3. Okt. 1892). 

Grubenmann, Dr., Prof. an der Technischen Hochschule und an der 
Universität in Zürich (seit 27. September 1893). 

Früh J. Dr., Prof. der Geographie an der Technischen Hochschule 

f in Zürich (seit 29. Oktober 1904). 

* Albrecht, Dr. med., in Frauenfeld (seit 14. Oktober 1905). 

Schwyzer-Reber F., in Zürich (seit 21. Oktober 1908). 

Engeli, Sekundarlehrer, in Ermatingen (seit 26. Oktober 1912). 

Heß C]., Dr., Prof. in Frauenfeld (seit 16. Mai 1914). 

Graf U., alt Sekundarlehrer, Weinfelden (seit 16. Mai 1914). 


Ne 


Ordentliche Mitglieder (126). 


Aebli, Sekundarlehrer, Amriswil 

Ammann, Oberstlieutenant, Frauenfeld 
Ammann, Tierarzt, Frauenfeld 

Ammann W., Ermatingen 

Arbenz E, Dr., Schweiz. Gesundheitsamt, Bern 
Bach, Sekundarlehrer, Romanshorn 

Bach, Inspektor, Kefikon i 
Bachmann E., Seminarlehrer, Kreuzlingen ! 
Bäumlin J. Dr. med., Altnau . 

Baldin, Lebensmittelinspektor, Frauenfeld :. 
Baur A., Dr., Chemiker, Steckborn 
Berger G., Zahnarzt, Frauenfeld 

Binswanger, Dr. med., Kreuzlingen . 
Brunnschweiler E., Art. -Oberlieut., Hauptwil 
Brauchli Rob., z Ziegelhof, Berg 

Brenner A., Oberst, Frauenfeld 

Brenner W.., Architekt, Frauenfeld 
Brodtbeck, Zahnarzt, Frauenfeld : 
Brunner, Dr. med., Direktor des Kantonsspitals M’sterlingen 
Brunner H., Dr. med., Direktor des Asyls St. Katharinenthal 
Dannacher 8., Prof. Dr., Frauenfeld 
Debrunner, Dr. med., Frauenfeld 

Debrunner, Telegraphenchef, Frauenfeld 
Deppe, Stadtgeometer, Frauenfeld i 
Despres A., Feinmechaniker, Frauenfeld 
Dolder, Sekundarlehrer, Schönholzerswilen 
Eberli, Dr. phil., Seminarlehrer, Kreuzlingen 
Egloff, Dr. med., Kreuzlingen 

Etter P., Forstmeister, Steckborn 3 
Fehr V., "Oberst, Karthause Ittingen bei Frauenfeld 
Fischer EL Sekundarlehrer, Bischofszell 
Fischer, Forstmeister, Romanshorn 

Frölich, Geometer, Steckborn 
Furrer L. P., Zahnarzt, Romanshorn . 
Gebhart J., prakt. Arzt, Pfyn 

Göldi, a. Seminarlehrer, Frauenfeld 
v. Greyerz Th., Dr., Professor, Frauenteld . 
Gsell J., Dr., Bezirkstierarzt, Romanshorn 
Gubler, Bezirkstierarzt, Frauenfeld 

Guhl, Dr. med, Steckborn 

Haffter, Apotheker, Weinfelden 

Haffter Max, Dr. med., Berg Ä 
Hanhart, Bezirksstatthalter, Steckborn 
Hanselmann, Sekundarlehrer, Aadorf 
Herzog, Chemiker, Langgasse 84, St. Gallen 
Hofer, Landwirtschaftslehrer, Arenenberg 
Huber, Grundbuchverwalter, Erlen 

Huber, ‚Sekundarlehrer, Wattwil 


Eintritt 


1907 
1872 
1908 
1911 
1905 
1915 
1911 
1913 
1902 
-1909 
1885 
1905 
1912 
1912 
1908 
1894 
1897 
1892 
1896 
1912 
1905 
1912 
1899 
1913 
1894 
1914 


1894 


1903 
1900 
1886 
1905 
1908 
1908 
1894 
1895. 
1912 
1914 
1901 
1908 
1873 
1873 
1901 
1908 
1915 - 
1914 
1913 
1892 
1911 


nee 


Joß, Pfarrer, Koppigen (Bern) 
Isler, Dr..med., Frauenfeld . 
- Kaiser, a. Sekundarlehrer, Müllheim 
 Kappeler-Ammann, Frauenfeld 
Kappeler-Leumann, Frauenfeld 
- Kappeler Otto, Kaufmann, Frauenfeld 
Keller, Eisenhändler, Frauenfeld 
Keller Jak., Professor, Frauenfeld 
- Kesselring, "Oberst, Bachtobel bei Weinfelden 
Kim K., Bahnmeister, Wattwil 
Kreis E., Sekundarlehrer, Kreuzlingen 
Küng As Dr., Prof. an der Kantonsschule in Solothurn 
Labhardt, Dr., Chemiker, Basel, Missionsstraße 53 
Lauchenauer, 'Sekundarlehrer, Romanshorn 
 Leisi, Prof. Dr., Frauenfeld 
Leumann, Dr., Rektor, Frauenfeld £ 
Leutenegger, Dr., Seminarlehrer, Kreuzlingen 
 Leutenegger, Sekundarlehrer, Ermatingen 
Leuthold, Hotel Bahnhof, Frauenfeld 
Luder -Wiesmann, Bernrain { ; 
Löffler Rud., Gartenbautechniker, Frauenfeld 
Löhle, Lehrer, Müllheim ß i 
Lüthi, Bezirksarzt, Bürglen 
Matter, Prof. Dr., Frauenfeld 
_ Meier, Dekan, Frauenfeld 
- Meier Emil, Dr., Ermatingen 
- Meier, Sekundarlehrer, Dußnang 
Meyer O., Architekt, Frauenfeld 
Michel, Pfarr er, Märstetten 


- Mühlebach, Direktor der landw. Winterschule Arenenberg 


Müller E. , Pyrotechniker, Emmishofen 
- Nägeli, Dr. med., Bezirksarzt, Ermatingen 

‚Nägeli, Dr. med. Prof., Tübingen 

Naegeli, Dr. med., Oetlishausen 

 Oehninger, Zahnarzt, Frauenfeld 

Oettli Max, Dr., Glarisege 3 

- Osterwalder, Ingenieur, Frauenfeld 

 Osterwalder, Sekundarlehrer, Bischotszell ; ; 
_ Osterwalder, Dr., Weinbau- -Versuchsstation, Wädenswil 
_ Pischl, C., Apotheker, Steckborn 

_ Pritzker Dr., Chemiker, Frauenfeld 

Reese, Dr. med., Bellevue, Kreuzlingen 

_ Ribi, Sekundarlehrer, Amriswil . i 

_ Richter, Dr., Apotheker, Kreuzlingen . 

2  llEnbers E., Fabrikant, Bürglen 

 Scherb A., prakt. Arzt, Bischofszell 

Scherrer, ?rof., Kantonsschule Zürich j 

_ Schönenberger, Ingenieur, St. Gallen, Falkensteinstraße 
- Schilt, Apotheker, Frauenfeld 


Eintritt 
1911 
1890 
1874 
1902 
1908 


1894 


1886 
1915 
.1888 
1915 
1900 
1906 
1884 
1912 
1906 
1911 
1901 
1913 
1907 
1908 
1912 
1900 
1906 
1900 
1915 
1904 
1885 


. 1908 


1896 
1905 
1906 
1884 
1891 
1912 
1885 
1904 
1894 
1892 
1898 
1899 
1911 
1915 
1904 
1906 
1908 
1901 
1899 
1912 
1582 


— 230. — 


Schiltknecht, Dr. med., Weinfelden 

Schmid A., Kantonschemiker, Frauenfeld 
Schmid A., Landwirtschaftslehrer, Arenenberg 
Schüepp, Prof., Frauenfeld 


Schmidle, Prof. Dr., Direkt. d. höh. Bürgerschule, Konstanz 


- Schneider Dr., Chemiker, Frauenfeld 
Schuster, Seminardirektor, Kreuzlingen 
Schweizer, Sekundarlehrer, Romanshorn 
Sprenger, Dr., Chemiker, Zofingen 
Spühler, Dr. med., Frauenfeld 
Steinhäuser, Fabrikant, Frauenfeld 
Stutz, Elektrotechniker, Frauenfeld 
Tanner, Dr., Konviktführer, Frauenfeld 
Thalmann. Sekundarlehrer, Frauenfeld 
Ullmann, Dr. med., Nationalrat, Mammern 
Vogler Otto, Dr. med., Frauenfeld 
Wagner, Sekundarlehrer, Alterswilen . 
Wälli-Sultzberger, Direktor, Frauenfeld 
Walder, Dr. med., Wängi . i 
Weber, 'Kulturingenieur, Frauenfeld 
Wegelin H.» Prof; Frauenfeld 

Wegelin Olga, Apotheker, Amriswil 
Wehrli Eugen, Dr. med., Basel . 5 
Wehrli Th, Sekundarlehrer, Müllheim 
Wildbolz, Dr. med., Amriswil 

Wille, Dr. Direktor, Münsterlingen 


Würtenberger, 02 Ingenieur, Riehen bei Basel. 


Zeller, Apotheker, Romanshorn . 
Zuberbühler, Sekundarlehrer, Sulgen . 


Eintritt 


1891 


1888 


1905 
1883 
1925 
1914 

1908 


1886 


1911 
1912 
1908 
1908 
19095 
1884 


1906 


1896 
185 
1908 
1908 
1908 
1874 
1913 
1891 
1914 
1901 
1912 
1909 
1894 
1915 


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Mitteilungen 


der 


Thurgauischen 


Naturforschenden Gesellschaft 5 


XXI, Beit 


Redaktion: 5. Wegelin 


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Mitteilungen 


Thurgauischen 


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XXI. Beft 


Redaktion: 5. Wegelin 


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Druck von Buber & Co. in arinseuf 
1917 Ed 
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Inhaltsverzeichnis. 


l. Wissenschaftlicher Teil. 


e1. Die thurgauischen Parkbäume und Ziersträucher, von Seite 
Dr. E. Leisi in Frauenfeld : . . . 5 3—71 
2. Die sroßblättrige Agave (Furcraea macrophylla Hooker 
fil.), von H. Wesgelin in Frauenfeld . . . . 72—11 
3. Fangsund Zucht der Blaufelchen im Bodensee, von 
W. Schweizer in Romanshorn . . . S 78--89 


4. Die Verbreitung der Zahnfäule bei der schweizerischen 
Schuljugend und ihre Bekämpfung, von Zahnarzt 


Ad. Brodtbeck in Frauenfeld . . 2 . .90—110 

5. Dr. med. H. Albrecht 7, von Dr. Cl. Heß in Frauenfeld 111--115 

6. Kleine Mitteilungen . SE 
Zwei Schwalbengeschichten, von J. Engel . RE 116 
Trüffeln im Thurgau, Yon... Wesellmen .... u... 118 
Elchfund in Gloten, von H. Wesgelin N 119 

Die Wälle von Eschlikon und das hinterthur gauische 
Trockental, von H. Wegelin . . 123 

Die Kohlfirst-Exkursion der Naturforschenden Gesell- 
schaft, von H. Wegelin . . . : 125 
Der Formsand von Schlattingen, von H. "Wegelin 3 130 

Die Quellen der Wasserversorgung Frauenfeld, von 
2 H.Deppe:-... RR 133 

Kohlenausbeutung im Staatsgebiet Kalchrain, von 
Bud na 137 

li. Vereinsnachrichten. 

- Auszug aus dem Protokoll . . . . 0.8 0,148 —151 
Jahresversammlung 1916 in Winterthur. . . . . 143 
Jahresversammlung 1917 in Frauenfeld . . . . . 146 

Die Grundwasserströme der Schweiz insbesondere 
des Kantons Thurgau, von Dr. J. Hug . . 146 
Verzeichnis der durch Tausch und ne ein- 
gegangenen Druckschriften . . . .. . .152—154 


incliederverzeichnis , . ... 2.2.0800 2.0 22.155158 


issenschaftlicher Per 


Die thurgauischen Parkbäume 
und Ziersträucher. 


Von Dr. E. Leisi. 


Einleitung. 


Die wildwachsende Flora ist bei uns schon so gut erforscht, 
daß nur"mit großer Mühe noch neue Standorte und Varietäten, 


oder gar neue Arten von Pflanzen gefunden werden können. 
Anders steht es mit den kultivierten Gewächsen. Zwar den 


Nutzpflanzen hat sich von jeher das Interesse zugewendet; 


dagegen steht die Durchforschung der Zierpflanzen im Thurgau 
noch weit zurück. Ein erster Schritt in dieser Richtung war die 


_verdienstliche Liste der alten Zierpflanzen in den thurgauischen 


j 


_ Bauerngärten, die Herr Professor Wegelin im 13. Heft dieser 

- Mitteilungen erscheinen ließ. Auf Anregung desselben Pflanzen- 
_ kenners habe ich es nun versucht, über die Gartenbäume und 
- Gartensträucher des Thurgaus mit Ausschluß der bloß wegen 


ihrer Früchte gepflanzten Obstbäume, aber mit Einschluß der 


- im Park vertretenen, bei uns wildwachsenden Holzgewächse, 


auf zahlreichen Exkursionen eine Uebersicht zu gewinnen. Das 


Ergebnis ist in der vorliegenden Arbeit niedergelegt. Während 
_ ihres Entstehens und namentlich während der zeitraubenden 
Vorarbeiten hat mich Herr Kollege Wegelin fast täglich mit 


seinem guten Rat und seinen reichen Kenntnissen unter- 


stützt; dafür sei ihm auch hier noch mein warmer Dank 
| ausgesprochen. 


Das Studium der Gartenflora bietet verschiedene eigen- 


_ artige Schwierigkeiten. Zunächst ist der in Betracht kommende 

Pflanzenbestand sehr wechselnd. Besonders auf dem Gebiete 
des Sommerflors bestehen fast ungezählte Möglichkeiten, und 
_ was in einem Jahr in einem Garten auftaucht, wird vielleicht 
schon im nächsten Jahr wieder fallen gelassen. Ferner sind 


viele Gartenpflanzen durch die Kunst der Gärtner vermittelst 
- Kreuzung oder vegetativer Fortpflanzung von spontan auftretenden 


Se 


Variationen so stark umgeformt worden, daß es schwer hält, 
die wissenschaftlich beschriebenen Eltern oder die typische Form 
der entstandenen Abarten herauszufinden. Nun setzt zwar bei 
den ausdauernden.Pflanzen unser Winter. der 'unbeschränkten 
Vermehrung der Arten einen Damm; trotzdem erfolgen natür- 
lich immer noch Neueinführungen aus den andern Vegetations- 
gebieten der gemäßigten Zone. Die Hauptlieferanten unserer 
exotischen Holzgewächse sind Japan und China, das südliche 
Sibirien, Südeuropa, und von der Neuen Welt namentlich die 
atlantische und die pazifische Küste der Union und Kanadas, 
während die südliche gemäßigte Zone im Thurgau erst durch 
drei oder vier chilenische Arten vertreten ist. Schon wegen 
der Neueinführungen wird meine Liste nie vollständig sein. 
Voraussichtlich ist sie es aber auch deswegen nicht, weil ich 
natürlich bei weitem nicht alle Gärten meines Gebietes be- 
treten konnte, und weil endlich auch einem geübten Auge 
leicht etwa ein Strauch entgeht, der momentan weder durch 
Blüten noch: durch Früchte den Blick auf sich zieht. Ich 
darf also auf billige Nachsicht für zutage tretende Lücken in 
meiner thurgauischen Gartendendrologie Anspruch erheben, 
möchte aber hier gleich den Wunsch aussprechen, daß die- 
jenigen Pflanzenfreunde, die in der Lage sind, mir Ergänzungen 
oder Beriehtigungen zu übermitteln, ja nicht hinter dem Berge 
halten sollen, damit in einiger Zeit vielleicht ein Nachtrag 
zu der vorliegenden Arbeit erscheinen kann. Ferner muß ich 
um Zubilligung mildernder Umstände bitten bei meiner Be- 
handlung gewisser Pflanzengattungen, in denen die Zucht von 
Gartenformen ganz besonders erfolgreich gewesen ist, oder wo 
die wissenschaftliche Systematik selber noch nicht feststeht. 
Ich denke da namentlich an die Gattungen Crataegus, Rosa 
und Clematis, bei denen ich mich auf wenige Beobachtungen 
beschränken mußte. Eine erschöpfende Behandlung dieser 
sehwierigen Sträucher und Bäumcehen wäre bei jeder dieser 
Gattungen eine Arbeit für sich gewesen. 

Als erste Einführung in die Kenntnis der Ziergehölze 
habe ich mit vieler Freude das sympathische Büchlein Otfo 
Feucht, Parkbäume und Ziersträucher, aus der Sammlung 
„Naturwissenschaftliche Wegweiser“ benützt. Auf den Ex- 
kursionen sodann leistete mir die handliche Bestimmungsflora: 
Unsere Gartenzierpflanzen von Alfred Lehmann (Stuttgart 1908) 


Er: 
R 
5 
x 
F4 


recht wertvolle Dienste. Sie liest in der ersten Auflage vor 


und hat leider noch Lücken (es fehlen zum Beispiel Juniperus 


! .. . . - » . 
ChinensisL., das ganze Genus Jasminum, Cotoneaster horizontalis 


 Deeaisne, Abelia Chinensis R.Br., Viburnum tinus L., mehrere 


Clematisarten ; sehmerzlich vermißte ich auch manche verbreiteten 


- Bastarde). Dem verständig angelegten Buch ist eine verbesserte 


‘zweite Auflage zu wünschen. Ein altes Standard Work für das 


ganze Gebiet ist die deutsche Dendrologie von Zimil Koehme, 


‚Stuttgart 1893. An neuern Werken ist zu nennen: H. Mayr, 


 Fremdländische Wald- und Parkbäume für Europa (Berlin 1906), 


vergriffen und mir unzugänglich; ferner Beißner, Handbuch 


der Nadelholzkunde, 2. Auflage, Berlin 1909, und das ebenso 
groß an®elegte, vortreflliiche Handbuch der Laubholzkunde von 


0. K. Schneider (1906-—1912). 

Der Besprechung der Gartengehölze sei noch ein Wort 
über unsere Gärten selber vorausgeschickt. In Betracht 
kamen für mich der mittelgroße städtische Ziergarten und 
außerdem der eigentliche Herrschaftspark. Die erste Art ist 
in allen größern Orten des Kantons gut vertreten. Es sind 


namentlich die kleineren Bäume und die Sträucher, die hier 


den Ton angeben und gewöhnlich in schöner Mannigfaltigkeit 
vorhanden sind. Eine besondere Erwähnung verdient in dieser 


Kategorie der kleine, zwischen Häusern eingeschlossene Garten 
des Herrn Dr. Guhl in Steckborn. So zahlreich grünen und 
blühen in ihm wohlgepflegte, fremdländische Sträucher, daß man 
sich wie in ein geheimnisvolles Märchenland versetzt - fühlt, 
_ wenn man an einem Sommertag die Anlage betritt. Hier ist 
es der Besitzer selbst, der sich die Pflanzen für seinen Garten 


als Kenner aussucht, während gewöhnlich die Eigentümer 


leider von Sträuchern und Bäumen nichts verstehen und die 
Auswahl dem Gärtner überlassen. 
. Als eigentliche Herrschaftsgärten sind zu erwähnen: der 


_"Sulzersche Park in Aadorf, Müllberg, Felsenau in Müllheim, 


Schloß Berg, die Brunnschweilerschen Gärten in Hauptwil, 
 Mammertshofen, Moosburg, die Anlagen der beiden Anstalten 
ein ledlingen, Liebburg bei Lengwil, Seeburg und Bellevue 
- (Dr. Binswanger) in en, Brunnegg in Emmishofen, 
Schloß Gottlieben, Kastel, Pflanzberg und Hertler in Tägerwilen, 
' Hard, en und ia in Ermatingen, Arenenberg, 
 Eugensberg und Luisenberg bei Männenbach, sowie der Kurpark 


zu Mammern. Das größte Alter hat wohl der Garten des 
„Kaufhauses* zu Hauptwil; er wurde im Jahr 1666 angelegt. 
Die Zahl der eingeführten fremdländischen Bäume war damals 
noch äußerst gering; neben Linden und Hagebuchen steht 


in jenem Park nur noch eine weißblühende Roßkastanie 


(Aesculus hippocastanum L.), der Vertreter einer Spezies, die 
Karl Clusius in Wien (1526—1609) aus dem Balkan ein- 
geführt hatte. Der Baum hat eine Höhe von etwa 20 m 
erreicht und besitzt diese für eine Roßkastanie ungewöhnliche 
Größe bereits auf einer Ansicht von Hauptwil aus dem 
18. Jahrhundert, die mir Herr Ernst Brunnschweiler vor- 
gewiesen hat. 

In bezug auf ihre Schönheit dürfte denjenigen Gärten 
die Palme gebühren, in denen die schönen und seltenen 
Bäume freistehen, so daß sie sich gleichmäßig entwickeln 
und ihre Schönheit, die ja ihr einziger Daseinszweck_ ist, 
nach allen Seiten zur Geltung bringen können. Solche Solitär- 
bäume gewähren in Kastel und namentlich im Sulzerschen 
Park in Aadorf einen hohen ästhetischen Genuß. Der letzt- 
genannte Park liegt übrigens nur noch zum Teil auf thur- 
gauischem Boden, die größere Hälfte gehört dem Kanton 
Zürich an; doch steht die interessanteste Rarität des Gartens, 
eine virginische Sumpfzypresse (Taxodium distichum Richard), 
die größte des Thurgaus, noch diesseits der Grenze. Selbst- 
verständlich berücksichtigen meine Angaben den ganzen Park. 
Im Gegensatz zu ihm drängen sich in manchen Parkanlagen 
die Bäume so dicht, daß sie durch den Verlust der untern 
Aeste unansehnlich geworden sind und nur noch durch ihre 
Höhe imponieren. Solche „Wälder“, bei denen leider eine 
„Durchforstung* zu spät kommt, dehnen sich beim Schloß 
Gottlieben und bei Müllberg aus. Dem Müllberger Park, der 
trotzdem noch eine Menge von großen und schönen exotischen 
Bäumen aufweist, wäre es zu gönnen, wenn er bald in die 
Hände eines Kenners käme. Vielleicht der beste Gradmesser 
für die Liebe eines Besitzers zu seinem Garten ist das Vor- 
handensein von wohlgepflegten Blütensträuchern. Eine reizende 
Fülle an Sträuchern enthält z. B. der sonnige Garten der 
abgelegenen Liebburg. Alles aber übertrifft der fürstlich an- 
gelegte Park von Eugensberg, wo im Halbschatten Hunderte 
von Sträuchern der Rhododendronarten, Viburnum tomentosum 


- £.plenum, Staphylea trifolia, Evonymus alata, Syringa, Viburnum 
 tints usw. gepflanzt worden sind. Nebenbei sei bemerkt, daß 
in Eugensberg eine ganze Anzahl größerer Bäume mit Erfolg 
versetzt worden sind, z. B. eine 7 m hohe Roteiche und 
mehrere 10 m hohe Nutkazypressen. 

Auch in den thurgauischen Wald sind fremällänidische 
Bäume eingedrungen. Eine ganze Anzahl von Arten kann 
man z.B. beobachten im Rüegerholz, Heerenberg und Galgen- 
holz bei Frauenfeld, bei Steinegg und Kalchrain, in der alten 
Baumschule am Bischofsberg (Bischofszell) und namentlich beim 
 Heidenhaus. Trotz der Höhe des letztgenannten Standortes 
(692 m) gedeiht daselbst noch die Kryptomerie, obschon dieser 
Baum sich sonst im ganzen Kanton, auch am See, empfind- 
' lich gezeigt hat. Angepflanzt werden im allgemeinen etwa die 
Hemlock-, Douglas-, Nordmannstanne, die griechische Tanne, 
die Sitkafichte, die Atlaszeder, die Wellingtonie, die Lawson- 
zypresse, die japanische Lärche, die Roteiche, der Götter- 
baum, die ungarische Silberlinde usw.; doch besitzt nur die 
 Douglastanne in ihrer grünen Varietät durch ihre Rasch- 
 wüchsigkeit einen größern forstwirtschaftlichen Wert als die 
einheimischen Baumarten. 


I. Koniferen. 


In der folgenden Aufzählung halte ich mich an die von 
 Beifsner in seinem Handbuch angewendete lateinische Nomen- 
' klatur. Freilich erlaube ich mir hiebei, die heutigen Regeln 
für die Orthographie der alten Sprachen zu befolgen, wodurch 
so unmögliche Formen wie Thuya und Thuyopsis ausgeschlossen 
sind. Kürzehalber führe ich den Ginkgo gleich hier an, obwohl 
ihn Zingler im Syllabus einer eigenen Klasse der Gymnospermen 
zuweist. Die Angaben über die Höhe der Bäume beruhen auf 
Schätzung und sind daher approximativ zu verstehen. Endlich 
ist es selbstverständlich, daß die Angaben tiber Standorte keinen 
Anspruch auf Vollständigkeit machen können. 

Der Ginkgo, Ginkgo biloba L., stammt aus China und 
Japan, wo er indessen nur noch angepflanzt um Tempel 
herum zu finden ist. In unserer Gegend steht das größte 
Exemplar im Sulzerschen Park in Aadorf, leider jenseits der 


Kantonsgrenze.* Der Baum hat eine schöne geschlossene Krone 
von etwa 15 m Höhe. Obgleich seine Blätter spät hervor- 
brechen, sind sie doch schon bisweilen den Maifrösten zum 
Opfer gefallen, und das nachher erscheinende Laub blieb 
alsdann spärlich. Vor dem bBlätterfall trägt der Baum ein 
prächtiges, gelbes Kleid. Früchte sind nicht beobachtet worden; 
das Geschlecht des Baumes wäre daher männlich; sein Alter 
beträgt 80 Jahre. Der größte Ginkgo im Thurgau selber, 
ebenfalls gesund und wohlgeformt, 9 m hoch mit 50 em Stamm- 
dieke, steht im protestantischen Pfarrgarten in Dießenhofen. 
Zwei 7” m hohe Exemplare, die durch Schnitt schlank gehalten 
werden, hat Herr Dr. Guhl in Steckborn; junge Bäume finden 
sich da und dort, meist aus kn gezogen und mäßig 
schön geformt. 

.. Die Kopfeibe, Cephalotaxus pedumeulata S.u.Z., aus China 
ist etwa seit 25 Jahren bei uns eingeführt; doch ehanıen die 
meisten Pflanzen männlichen Geschlechtes zu sein, da mir 
ihre grüne Steinfrucht bis jetzt nur bei Fröbel in Zürich 
begegnet ist. Im Algisser-Frauenfeld findet sich die säulen- 
förmige Varietät fastigiata Carriere. Die Nadeln der Kopfeibe 
sind bedeutend länger als die der Eibe. 

Die Eibe, Taxus baccata L., wird trotz des giftigen Alkaloids, 
das ihre welchen, dunklen Nadeln enthalten, sehr häufig ge- 
pflanzt, um schattige Stellen auszufüllen. Besonders beliebt 
für Gärten und Friedhöfe ist die Säulenform var. fastigiata 
Loudon = hibernica Mackay. Es ist dies eine fixierte Jugend- 
. form, die 1780 in Irland wild gefunden und seither durch 
Stecklinge vermehrt und überallhin verbreitet wurde. Die 
dunkle, schlanke Säule sieht zypressenartig aus und wirkt 
sehr stimmungsvoll. Im Alter wird die irländische Bibe plump 
und löst sich oben in mehrere Spitzen auf, wie es z. B. die 
30jährigen Bäume des alten Ermatinger Friedhofes zeigen. 

Die chilenische Araukarie, Araucaria imbricata Pavon, 
bildet bekanntlich auf der Mainau eine ganze Allee. Die 
langen, schlangenartigen Aeste mit den breiten Nadeln geben 
diesem Baum ein recht abenteuerliches Aussehen. Im Thurgau 


. 1 Dieser Ginkgo wurde abgebildet und beschrieben von Dr. F. 
Fankhauser in der Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen 1901. 
— Das japanische Wort a. bedeutet: „im Winter unbelaubter 
Baum.“ 


habe ich 1904 'auf Kastel 'eine 6 m hohe, schöne Araukärie 
_ als Kübelpflanze gesehen, die schließlich beseitigt werden 
_ mußte, weil kein Winterquartier'von genügender Höhe mehr zu 
- finden war. Im Freien steht ein Baum im Kurpark Mammern. 

Er ist gesund, wächst aber so langsam, daß er mit 15 Jahren 
_ erst 80 cm hoch ist. Ein noch kleineres, ebenfalls sehr träg- 
 wüchsiges Bäumehen hat Herr Steinhäuser in Frauenfeld. 
_ Winterschutz erhalten die beiden nicht, während größere 
- Bäume gegen Schnee geschützt werden müssen, da der Schnee- 

druck leicht die langen Aeste knickt. 

Die kanadische Schierlingstanne, Hemlocktanne, 
 Tsuga Canadensis Carr., erfreut sich wegen ihrer zierlichen, 
| nickenden Zweige, der kurzen flachen Nadeln und der schon 

an jungen Bäumen erscheinenden, winzigen Zapfen einer 
‚großen Beliebtheit. Obgleich sie 20-30 m hoch werden kaun, 
habe ich‘noch kein Exemplar von über 12 m gefunden. Die 

höchste Hemlocktanne dürfte Forstmeister Schwyter in | Frauen- 
‚feld in seinem Garten besitzen. 

Die Douglastanne, Pseudotsuga Douglasiv zeichnet 
sich aus durch weiche Nadeln von mittlerer Länge, glänzend 
braune, zugespitzte Knospen und Harzbeulen am alten Holz. 
- Ihre Heimat ist die Küste des Stillen Ozeans: von Kalifornien 

bis Vancouver. Es gibt eine grüne und eine blaue Form. Die 

grüne Douglastanne ist sehr raschwüchsig; man kann z.B. 

in der alten Baumschule am Bischofsberg sehen, wie sie 
über die gleichaltrigen Fichten hinausgewachsen ist.. Beim 
 Absonderungshaus in Münsterlingen erreicht eine Dougläsie 

20 m Höhe.! Sie ist die einzige fremde Konifere, deren 
Einführung in unsern Wald im großen rentabel ist. Die 
blaue Form wächst langsamer und dient als Zierbaum. In 

Lilienberg steht ein kleines "Wäldchen von 6 m hohen, blauen 

Douglastannen. 

Natürlich findet sich auch die gewöhnliche: Weißtanne, 

Abies peetinata D.C., gelegentlich in Anlagen. Meistens aber 
gibt man den: Worms der aus dem Kaukasus stammenden 

Nordmannstanne, Abies Nordmanniana Spach. Sie behält 
die untern Aeste länger als die Weißtanne, entwickelt eine 

! Die älteste Pseudotsuga des Kantons steht beim Heidenhaus; 


a sie erreicht im Alter von 40 J ahren die Höhe der daneben stehenden 
| ‚80jährigen Fichten, ‚etwa 18 m.: 


: — 11 — 


dichtere Krone, hat kräftige, halbwalzenförmig angeordnete 
Nadeln und entgeht dadurch, daß ihr gelbgrüner Trieb erst 
14 Tage nach dem der andern Tannen erscheint, leichter 
den Spätfrösten. Auf dem schweren Boden von Frauenfeld 
ist sie in der Jugend etwas heikel. Man sieht sie in jedem 
größeren Garten, in Frauenfeld z.B. vor dem Krankenhaus; 
ein 20 m hohes Exemplar mit 1 m Stammdurchmesser be- 
schattet eine Ecke des Absonderungshauses in Münsterlingen. 

Auch die griechische Tanne, Abies Cephalonica Link, 
die besonders gut am Berge Enos auf der Insel Kephalonia 
gedeiht, erreicht in unserm Norden noch eine recht ansehn- 
liche Höhe, obschon sie nicht so wüchsig ist wie die Fichte, 
Ein 15 m hoher Baum neben der neuen Murgbrücke in Frauen- 
feld trägt alle Jahre Zapfen. Ein anderes Exemplar steht 
in Huben, und vermutlich das höchste des Kantons, reich mit 
Zapfen beladen, über 20 m hoch, mit 1 m Stammdicke, bildet 
das Gegenstück zu der vorhin genannten Nordmannstanne in 
Münsterlingen. Auch in den Wäldern des Seerückens, bei 
Steinesg, Kalchrain und Heidenhaus, stehen gesunde, schöne 
kephalonische Tannen. 

Etwas empfindlicher ist die spanische Tanne, Abies 
pinsdpo Boissier; der Winter 1916/17 hat junge Bäume da 
und dort etwas "geschädikt. Ihre regelmäßige Verzweigung 
und die starren, rechtwinklig abstehenden Nadeln lassen die 
Pinsapo leicht erkennen. Da die untern Aeste bei freiem 
Stand bis zum Boden bleiben, so ist diese Tanne, die ihre 
Heimat im Mittelgebirge bei Malaga hat, ein hervorragender 
Schmuck für jeden Garten. In Eugensberg ist eine Pinsapo 
12 m hoch; vier andere in Breitenstein, Lilienberg, in Münster- 
lingen und in Oberkirch erreichen 15 m. Leider stehen diese 
größten Vertreter der Art nicht frei genug, um ihre ganze 
Schönheit zu entfalten, und dabei ist gerade Abies Pinsapo 
gegen Beschattung empfindlich. Viel schöner sind drei erst 
7 m hohe Bäume bei der Moosburg, bei der Villa Kappeler in 
Frauenfeld und bei Herrn Wartmann in Weinfelden. 

Die Koloradotanne, Abies cöncolor Ldl. & Gord., ist im 
Thurgau erst seit etwa 20 Jahren eingeführt; die. größten 
Bäume, die ich gesehen habe (Frauenfeld, Emmishofen), er- 
reichen höchstens 6 m. Diese schöne Tanne, die aus dem 
Felsengebirge stammt, hat sich 1916/17 als vollkommen 


_ winterhart erwiesen, selbst beim hochgelegenen Heidenhaus. 

Der Name eöncolor = gleichfarbig weist darauf hin, daß die 
langen Nadeln oben und unten dieselbe blaugrüne Färbung 
zeigen. 

Dagegen habe ich die Silbertanne, Abves mobihs Ldl., 
_ nur in einigen schwächlichen Exemplaren von 2—21/g m a 

in Frauenfeld und Mammern kennen gelernt. Der Hauptreiz 
dieses Baumes, der aus Oregon kommt, ist der mächtige, wie 
_ bei allen Tannen aufrecht stehende Zapfen von gegen 20 cm 
- Länge, der von unten an im Spätherbst allmählich die Schuppen 
‘fallen läßt. Zwischen den Schuppen hängen zweilappige 
Brakteen heraus; in ihrer Kerbe sitzt eine spitze Granne. 
- Diese Wänne wird in ihrer Heimat 60—90 m hoch; bei uns 
scheint ihr der Boden nicht zu behagen. 

Die Balsamtanne, Abies balsamea Miller, habe ich nirgends 
gesehen; doch ist anzunehmen, daß sie trotzdem im Thurgau 
vorkommt.‘ Dieser Baum hält bei uns nicht lange aus. 

Von der Nikkotanne, Abies homölepis 8. & Z., stehen 
einige junge Pflanzen im Galgenholß bei Kurzdorf in gutem 
Zustand. 

Unter den Fichtenarten hat die serbische Omörikafichte, 
 Picea omöriea Paneie, noch keine große Verbreitung erlangt. 
Neuerdings ist in Eugensberg ein Wäldchen von etwa 50 

Bäumchen angelegt worden; außerdem habe ich den interes- 
santen Baum in einem Garten und in einer Baumschule in 
Frauenfeld gesehen. Im Gegensatz zu den Nadeln der meisten 
übrigen Fichten, die vierkantig und ringsum gleich gefärbt 
sind, hat die Omorika flache Nadeln mit zwei weißen Streifen 
- auf der Oberfläche, die aber meistens nach unten gekehrt ist. 
Selbstverständlich spielt unsere gemeine Fichte, Picea 
excelsa Link, im Park eine wichtige Rolle. Bald imponiert sie 
nur durch ihre natürliche Größe und Schönheit, wie jene 
drei prächtigen, regelmäßigen, freistehenden Bäume vor Schloß 
Hard, die an die 20 m hoch sein mögen; bald wirkt sie durch 
- Phantasieformen, z.B. als dichtbezweigter, beschnittener Kegel 
(Frauenfeld, Friedau), als groteske Tierform (Kurpark Mammern; 
' Frauenfeld, Algistraße), als Säule, deren primäre Aeste senk- 
recht herunterhängen (in Gottlieben hat eine solche bei 4 m 
- Höhe nur etwa 60 cm Kronendurchmesser) oder als Hänge- 
- fiehte (drei Stück im Arboner Stadtgarten, 15 m hoch). 


ak 1 


Unserer Fichte sieht die Sapindusfichte, Picea orientalis 
Link, ähnlich; nur hat sie kürzere Nadeln, die kürzesten unter 
allen Fichten, und kleinere Zapfen, die oft mit Harztropfen 
(„Sapindustränen“) besetzt sind. Einen schönen 34jährigen 
Baum von 12 m Höhe besitzt Herr Fabrikant Sallmann in 
Amriswil; die Zweigspitzen haben allerdings vom Frost des 
letzten Winters etwas gelitten. Ebenfalls schöne Bäume von 
12, 10 und 9 m Höhe enthält der Park von Kastel und der‘ 
von Schloß Berg. Auch schöne’ jüngere Sapindusfichten sind 
nicht selten. Die Heimat des Baumes ist Kleinasien. 

Noch häufiger ist die Weißfichte, Picea alba Link, ein 
Geschenk Kanadas. Ihre hübsche, graugrüne' Farbe, die dreh 
und tiefe Beastung, das langsame Wachstum’ a der frühe 
Ansatz von kleinen Zapfen machen den Baum beliebt. Aller- 
dings erreicht er an Beliebtheit die Stechfichte, Picea pungens 
Engelm., nicht, die als „Blautanne“ f. glauca oder '„Silber- 
tanne* f. argentea nachgerade fast in jedem Gatten steht. 
Leider verliert der Baum im Alter von 25—30. Jahren die 
schöne, blaue oder weiße Bereifung und zeigt sie alsdann 
nur noch am jungen Trieb. Es gibt außerdem viele grüne 
Stechfichten in den Gärten; ihr regelmäßiger Aufbau und 
ihre kräftigen Nadeln machen auch sie zur Gartenzierde. 

Nur im Walde und im Schloßpark Berg habe ick die 
Sitkafichte, Picea Sitkaönsis Carr., gefunden; ihre stechenden 
Nadeln schützen sie vortrefflich gegen das Wild und die 
Ziegen. Beim Heidenhaus und im stehen 5—6m 
hohe Vertreter. 

In großen Landschaftsgärten findet gelegentlich Auch 
die Lärche, ZLarix Europaea D.C., z.B. in Aadorf, wo 80jährige 
Bäume u 25 m hoch sind. Nur im Wald, z. B. im Galgen- 
holz, Kurzdorf, und im Gemeindewald eat "hat man 
vor kurzem die japanische Lärche, Larix leptölepis Gord., in 
Menge gesetzt. Sie soll vom Umazsse mehr verschont bleiben 
als die gewöhnliche Lärche, die’ eigentlich im Hochgebirge zu 
Hause ist. An der europäischen Lärche ist die Blattunterseite 
gelbgrün, an der japanischen blaugrün; die jungen Zweige 
unserer Art sind 'graugelb, an der ostasiatischen. braunrot. 

.Von den drei Zederarten, die auf der Mainau prächtig 
nebeneinander 'gedeihen, hat es im Thurgau nur die Atlas- 
zeder, Cedrus Atlantica Manetti, zu einer größern Verbreitung 


gebracht. Sie unterscheidet sich von der Libanonzeder, 
 Oedrus Libami Barr., durch den aufrechten Gipfeltrieb . und 
die im Alter noch pyramidale Krone, während jene in der 
Jugend oben überhängt und im Alter eine schirmförmige 
Krone ausbildet, ähnlich der Kiefer. Ansehnliche Zedern findet 
man in Mammertshofen, in der alten Baumschule am _Bischofs- 
berg, in Romanshorn, Moosburg, Münsterlingen, Kreuzlingen, 
sogar auf dem Heidenhaus und beim Pfarrhaus Homburg. 
Besonders schön ist- die blaue Form, wie sie ein älteres und 
ein jüngeres Exemplar in. Frauenfeld und eine 15 m hohe, 
 freistehende, wirklich prächtige Zeder in Kastel aufweisen. 
Der ältere Baum in Frauenfeld trägt ans die aber nicht 
reift ‚werden. 
Neuerdings pflanzen die Gärtner ab und zu die Himalaya- 
_ zeder, Cedrus deodära! Loud. Sie hat einen überhängenden 
Gipfeltrieb, ‚leicht hängende Aeste und längere Nadeln als 
die Verwandten. In Frauenfeld steht ein 4 m hohes Exemplar 
an der Laubgasse; ein ähnliches hat Arbon bei der Voliere 
und ein größeres das Kantonsspital Münsterlingen. 

Von den Kieferarten ist im Garten am beliebtesten die 
Tränenkiefer, Pinus exeelsa Wallich, die gleich der zuletzt 
genannten Zeder ihre Heimat im Himalaya hat. Ihre ge- 
‚waltigen, bis 25 em langen Zapfen tragen tränenartige Harz- 
tropfen; die strieknadellangen Nadeln stecken zu fünf in ihrer 
Scheide und hängen schlaff herunter. Sehr lange kann dieser 
Baum bei uns noch nicht eingeführt sein; denn er geht noch 
nicht über 7—8 m Höhe hinaus. Ihm gleicht die nord- 
amerikanische Weimutskiefer, Pinus strobus L., nur dab 
ihre fünfzähligen Nadeln kürzer sind. Im Wald ist sie 
eingebürgert. Auch die Arve, Pinus cembra L., hat fünf- 
zählige Nadeln, die aber steif aufstreben. Obschon im nieder- 
schlagsarmen Hochgebirge zu Hause, bildet sie bei uns eine 
schöne, regelmäßige Krone (Frauenfeld an der Ringstraße 6 m, 
Kastel mehrere Bäume 10 m hoch). 

Dreizählige Föhren, wie die Nußkiefer, Pinus edulis 
Engelm., und die Gelbkiefer, Pinus ponderosa Dougl., beide 
aus den Weststaaten der rn, sind in Frauenfeld gelegent- 
lich schon gepflanzt worden; die letztere erwies sich aber 
als empfindlich. 2 


ı Von Sanskrit devadaru = Götterholz. 


Ze rsge os 


Unter ‘den zweizähligen Föhren kommen die Strauch- 
kiefer, Pinus Banksiana Lambert, aus Nordamerika, sowie 
die gemeine Kiefer, Föhre, Pinus sölvestris L., nur für den 


Wald in Betracht ur Bo wird z.B. = Gelgeug 3 
Kurzdorf, angepflanzt). 

An Stelle: der gemeinen Föhre wird als Zierbaum öfter 
die österreichische Schwarzkiefer, Pinus Larieio Poiret, 
angepflanzt; sie erreicht bei uns eine stattliche Größe aa 
ziert durch ihre langen, dieht zu zweien sitzenden Nadeln. 
Die Pinie des Südens, Pinus Pinea L., hält unsern Winter 
nicht aus. Ein Waldbesitzer in Kurzdorf hatte sich aus Samen 
einige Jungpflanzen gezogen. Durch den Winter 1915/16 
kamen sie gut; aber im Winter 1916/17, der in’ Frauenfeld 


} 


Temperaturen bis zu — 15,8 brachte, gingen sie trotz Seiten- 


schutzes im Wald allesamt zugrunde. Statt der hohen Kiefer- 
arten hält man in kleinern Gärten gern die Bergföhre, 
Pinus montana Miller; in der Varietät uncinata habe ich sie 
im Garten der Irrenanstalt Münsterlingen gefunden. 


Die japanische Zeder, Sugi, Oryptomeria japöniea Don, 


ist im ganzen Thurgau empfindlich gegen Winterfrost und 
bildet nirgends ganz tadellose Bäume. Doch hat man selbst 
noch beim Heidenhaus eine Kryptomerie auf 5 m hochgebracht. 
Der größte mir bekannte Baum erreicht unterhalb Kastel 


etwa 16 m; am schönsten zurzeit steht ein etwa 9 m hohes 


Exemplar in Brunnegg, Emmishofen. Außerdem haben wir 
noch Kryptomerien im botanischen Garten Frauenfeld, in 
Eugensberg, Arenenberg, Hard, Gottlieben und Münsterlingen. 
In einer kleinen Baumschule im Schloßgarten zu Gottlieben 
sind alle vorhandenen Sugi in schlechtem Zustande. Es gibt 
von der japanischen Zeder eine konservierte Jugendiorm, 
f. elegans, an der die Nadeln länger sind, stärker abstehen und 
sich im Winter etwas weinrot färben. Diese sehr dekorative 
Varietät habe ich in ganz gesunden, 4!/s m hohen Vertretern, 
allerdings mit Seitenschutz, in Müllheim („Rosengarten“) und 
in Amriswil (Ammann) gefunden; ein weiteres Exemplar in 
Gottlieben ist kränklich; in An ist vor Jahren 
eines dem Frost an 

Noch seltener ist die virginische Sumpfzypresse, 
Taxödium distichum Richard, ein Baum mit überaus reizvoller 
Bezweigung, an dem im Herbet die Nadeln samt den kleinsten‘ 


; 


Zweiglein abfaller. Eine schöne, etwa .80 Jahre alte und 


| 10m hohe Sumpfzypresse steht im Aadorfer Park an der 
_ Lützelmurg. Früchte wurden an ihr nicht beobachtet; jedoch 
_ treibt sie. 15 cm hohe, knieartige Luftwurzeln (Pneumatophoren). 


Dagegen hat eine zweite. Sumpfzypresse, die in Müllberg 


4m hoch ist (der Gipfel ist vermutlich oben abgebrochen), 


keine Luftwurzeln. Schade, daß der fremdartige, einer aus- 


- sterbenden Gattung angehörende Baum nicht mehr gepflanzt 

wird. Speziell für Gärten, deren Boden vom Seewasser durch- 
_ tränkt ist, wie diejenigen yon Mammern, Gottlieben, Münster- 
- lingen, Moosburg usf., würde er sich gut eignen, Junge Pflanzen 


habe ich nur in Frauenfeld in zwei Gärten gesehen. 


Verfältnismäßig häufig ist dagegen der Mammutbaum 
oder die Wellingtonie, Sequoia gigantea Torrey. In allen 


 größern Ortschaften und bei allen Herrschaftssitzen über- 
- ragen ihre regelmäßigen, spitzen Kegel die übrigen Bäume, so 
- in Arbon, Mammertshofen, Romanshorn, Amriswil, Guggenbühl, 


Berg, Münsterlingen, Kreuzlingen, Emmishofen, Tägerwilen, 


- Kastel, Hard, Arenenberg, Eugensberg, Müllberg, Wigoltingen, 


Frauenfeld, Islikon, Gachnang usf. Bekannt sind die zwei 


schönen Wellinstonien vor dem Frauenfelder Regierungs- 


gebäude (gesetzt 1865); weitere große Bäume haben wir: 
auf dem Friedhof Oberkirch und im Heerenberg. Der Mammut- 


- baum gedeiht bei uns sozusagen überall; auch im hochgelegenen 
- Lustdorf (600 m) und auf der Höhe des Seerückens beim 
- Heidenhaus (700 m) stehen noch schöne Bäume. Nur der 
- wasserdurehtränkte Grund von Gottlieben sagt ihm nicht zu, 


überhaupt undurchlässiger Boden. Es scheint, daß der Mammut- 


- baum sehr bald, nachdem ihn Lobb 1850 auf der Sierra 
Nevada in Kalifornien entdeckt hatte, bei uns eingeführt 


worden ist, nach den stattlichen Vertretern zu schließen, die 
wir im Thurgau haben. Ein Baum in Mattwil, vor dem Haus. 


von Vorsteher Leumann, hatte laut „Thurg. Ztg‘“ eine Höhe 
_ von 35 m und einen Stammumfang von 7 m, als er am 9. April 


1915 vom Blitz zersplittertwurde und gefällt werden mußte. Die 
aus Samen gezogenen Bäume erhalten eine schlanke, zigarren- 


_ förmige Gestalt, während Stecklinge sich breit kegelförmig 
; entwickeln (in der Literatur habe ich nichts darüber gefunden), 
Demnach stammen von allen Wellingtonien, die ich beobachtet 


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habe, nur die von Mammertshofen und Guggenbühl, sowie 


die drei Stück im. Heerenberg, Frauenfeld, und der große 
Baum im Steinegger Wald aus Samen, alle andern aus Steck- 


lingen. In der Jugend ist die Sequoia empfindlich; von der 


al Aussaat. im Heerenberg sind seinerzeit alle un 
Bäume bis auf .drei zugrunde, gegangen. 

Nicht selten, auch in kleinern Gärten, ist ae Hiba, 
Thujopsis dolabrata 8. &Z., die in ihrer Heimat, im südlichen 


Japan, bis 35 m hoch wird. Bei uns gedeiht sie gut und 


ist winterhart; doch sind die ältesten Pflanzen noch nicht 
höher als 10 m (Breitenstein). Unter allen Koniferen, die 
statt der Nadeln Schuppen tragen, sind .die elänzenigrun En 
Schuppen der Thujopsis am größten. 

Merkwürdigerweise wird die kalifornische Flußzeder, 
Liböcedrus decürrens Torrey, neuerdings im Thurgau gar nicht 
mehr angepflanzt, obschon sie bei. uns schöne, schlanke Kegel 


von dunkelgrüner Farbe mit etwas hängenden Wedeln bildet 
und sehr rasch wächst. Auch dieser Baum, den Jeffrey 1852 


in Europa einführte, muß sogleich bei uns Liebhaber gefunden 


haben; denn wir finden im Pflanzberg, Tägerwilen, zwei 
Flußzedern von gegen. 20 und 12 m Höhe, in Müllberg drei 


Stück von 16, 12 und 12 m, in Arenenberg eines von 
16 m, in Gottlieben und Luisenberg je eines von 15 m, zu 


Teil nicht viel kleinere in Eugensberg, Aadorf, Bischofszell 


(Garten Lager), beim Schlößli Kefikon und in der Felsenau E 


Müllheim. Nur diejenigen von Gottlieben und Müllheim haben 
unter der Kälte des letzten Winters gelitten. Der schöne und 
dankbare Baum verdient ‚wirklich ebenso sehr unsere Beach- 


tung wie die Wellingtonie, von der er sich durch schlankere 


Form und dunkleres Grün schon auf Distanz unterscheidet, 
was:man in .Müllberg beobachten kann. 

Allbekannt, überall verbreitet ist der „bendlandiiche 
eben han Thuja oceidentalis L., aus den Oststaaten der 
Union. Er findet sich häufig als Hecke, da er sich schneiden 
läßt, als Kugel, die sich ohne menschliches Zutun bildet, 


und als hoher Kegel. Ein: soleher Kegel von 10 m Höhe 


beim Kaufhaus. Hauptwil ist 100 Jahre alt; drei 80 jährige 
Thujen im Aadorfer Park haben es sogar auf 15 m gebracht. 
Sehr beliebt ist in Frauenfeld die Säulenform, f. fastögeata, die 
hier in 40jährigen Exemplaren 7 m Höhe erreicht. Endlich 


gibt es auch eine fixierte Jugendform der amerikanischen 


Mammutbaum Flußzeder - Lawsonzypresse 
Sequoia gigantea Libocedrus decurrens Chamaecyparis Lawsoniana 


Koniferen im Müllberger Park 
(Aufnahme von Dr. Stauffacher) 


Thuja, f. ericoides, mit Nädelchen, und eine Uebergangsform, 
wo die Nädelchen im Begriff sind, sich schuppenartig anzu- 
legen, f. Ellwangeriana. Thuja occidentalis ericoides bildet mit 
ihren krausen Zweigen dichte Büsche (Berg, Frauenfeld, 
Absonderungshaus Münsterlingen, Kastel, Pflanzberg), die sich 
von der sehr ähnlichen Jugendform der Sawarazypresse durch 
größere Kompaktheit und weniger Grau in der grünen Farbe 
unterscheidet. Leider nimmt die abendländische Thuja im 
Winter eine schmutzig braungrüne Farbe an, um erst im 
April wieder frischgrün zu werden. Die Jugendform macht 
den Farbenwechsel mit — sie hat dabei einen Stich nach 
Lila — und hebt sich also im Winter sehr deutlich von dem 
silbernen Grün der Sawarazypresse ab. 

Dieser Farbenwechsel ist nicht vorhanden bei der Riesen- 


thuja, Thıja gigantea Nuttall, deren Zweige Sommer und 


Winter eine glänzend dunkelgrüne Oberseite und weißliche 
Spaltöffnungsfiguren auf der Unterseite zeigen. Ihre kleinsten 
Zweige sind sehr regelmäßig parallel angeordnet. Dieser 
schöne Baum, der von der pazifischen Küste der Union und 
Kanadas stammt, findet sich nicht allzu häufig, und nur in 
ältern Gärten (Frauenfeld: Friedau, Rebstraße, Spannerstraße), 
obschon er unser Klima gut verträgt. Er bildet schlanke, 
spitze Kegel, weniger dick als die Wellingtonie, aber etwas 
breiter als Zöbocedrus, was man in Müllberg schön beobachten 
kann. Die drei größten Riesenthujen erreichen in Hard und 
vor dem Schloß Pflanzberg etwa 20 m Höhe; weitere statt- 
liche Bäume kann man am Nordportal des letztgenannten 
Schlosses, an der Fasanerie in Kastel, am Absonderungshaus 
Münsterlingen (drei Stämme aus einer Wurzel, 15 m) und 
im „Rosengarten“ Müllheim bewundern. Es gibt auch eine 
panaschierte Form, Th. g. aureo-variegata, mit breiten gelben 
Streifen auf den grünen Wedeln (Kastel; Frauenfeld, Spanner). 

Den japanischen Lebensbaum, Thuja Standishü Carr., 
habe ich in meinem Gebiet nicht getroffen, und er wird, wie 
mir der Vorsteher der dendrologischen Abteilung bei Fröbel 
in Zürich, Herr Rusterholz, mitteilt, auch nicht von Züchtern 
geliefert. Dagegen ist der chinesische Lebensbaum, Biota 
orientalis Endl., uns nicht fremd, vgl. das Schlußwort Seite 69. 
Ich muß darauf verzichten, bei dieser und den folgenden 


Arten Unterscheidungsmerkmale anzugeben, da es einer langen 


3 praktischen Uebung bedarf, um sie sicher identifizieren zu 
können. Zwar bei der echten Zypresse, Oupressus semper- 
_ virens L. fastigiata D.C., findet sich die Gelegenheit zu einer 
solchen Uebung selten, "da sie nur in drei Exemplaren auf 
dem stimmungsvoll gelegenen alten Friedhof Romanshorn 
' vorkommt, siehe am Schluß Seite 68. Schwieriger ist die 
- Bestimmung der fünf Halbzypressen, von denen freilich die 
 Zederzypresse, Ühamaecjparis sphaeroidea« Spach, nach 
meinen Beobachtungen und nach Aussage des eben genannten 
Fachmannes bei uns nicht zu finden ist. 

Die Nutkazypresse, Chamuecyjparis Nutkaensis Spach, hat 
ihre Heimat an der Nutkabai auf Vancouver und auf der um- 
liegenden pazifischen Küste. Sie erscheint in jüngern Gärten 
als rundlicher, noch nicht fruktifizierender Busch mit kräftigen 
aufstrebenden und überhängenden Zweigen, 2—5 m hoch; 

in ältern Gärten bildet sie breite Kegel, die unten durch auf- 
liegende und wieder aufstrebende Aeste, sowie durch Wurzel- 
Einze verbreitert werden; die Zweige hängen senkrecht 

' von den wagrecht hab an an Aesten herab und tragen im 
Winter und Frühjahr eine Menge gelber männlicher Blüten. 
 Sehöne Nutkazypressen, bis 12 m hoch, kann man in Müllberg, 

_ Lilienberg, Breitenstein, Eugensberg, Luisenberg sehen. In 
Eugensberg sind mehrere Exemplare von 10 m Höhe mit 
Erfolg versetzt worden. 

Außerordentlich häufig ist die Lawsonzypresse, 0. Law- 
soniana Parl., die von der pazifischen Küste der Union zu 
uns gekommen ist. Ihre normale Form ist ein Kegel mit 

an der Spitze leicht überhängenden Aesten, unten bisweilen 
verstärkt durch Wurzeltriebe. Diese Mesa sind bei uns bis 
15 m hoch (zwei Stück in Müllberg, eines beim Absonderungs- 
haus in Münsterlingen) und nehmen es an Schönheit mit 
 Sequoia und Libocedrus auf. Besonders schön ist die Lawson- 
zypresse, wenn sie einen bläulichen Schimmer hat, von dem 
im Mai die zahllosen roten männlichen Blüten sich reizend 
abheben (Ü. L. glauca); diese Form findet sich namentlich in 
jüngern Gärten; doch hat Breitenstein bereits ein 13 m hohes 
Exemplar. Sehr hübsch ist ferner C©. L. öntertexta, deren kleinste 
Zweige auseinander gerückt sind, so daß die Wedel nicht 
geschlossene Flächen bilden, z.B. bei der Irrenanstalt Münster- 
lingen. Häufig ist eine frischgrüne Varietät mit aufstrebenden 


raid 


PN 


Zweigen 0. L. erecta viridis. _Noch seien zwei sehr schöne 


Gartenformen genannt, die ich nur je einmal getroffen habe: 


die Säule, ©. L. pyramidalis, in Arenenberg, 11 m hoch; die 
Aeste hängen angeschlossen herab; der Baum erinnert von 


fern an eine italienische Zypresse. Ferner die fadenförmige 


Spielart, 0. L. fiiformis, an der die kleinsten Zweige lang 
sehnurartig ausgezogen sind und zierlich überhängen (Lilien- 
berg). Sehr häufig ist diese Wuchsform bei der Sawarazypresse. 

Dagegen kann man an der japanischen Hinokizypresse, 
CO. obtüsa 8. & Z., auf unserm Boden nicht viel Freude er- 


leben. Sie ist eine neuere Einführung; die größten Bäume 


sind erst 4m hoch. Von den zirka 20 Exemplaren, die ich 
in Frauenfeld und Aadorf beobachtet habe, ist nicht eines 
ganz befriedigend; meist ist die Krone sparrig, und durch 
Harzfluß sterben fortwährend kleine Zweige ab. Meine Be- 
obachtung wurde durch den oben genannten Fachmann der 
Firma Fröbel bestätigt. 

Weit verbreitet ist wieder die ebenfalls aus Japan 
stammende Sawarazypresse, (. pisifera 8. &Z. Zwar die 
typische Form, die stark der Lawsonzypresse gleicht, aber 
eine etwas weniger geschlossene und schöne Krone bildet, ist 
verhältnismäßig selten (in Frauenfeld z. B. bei Frau Dumelin). 
Dagegen sind drei Spielarten allenthalben verbreitet und sehr 


beliebt. In der frühesten Jugend hat die Sawarazypresse grau- 


grüne, wacholderartige Nadeln statt der Schuppen. Wird 
von einer solchen Jungpflanze ein Steckling zum Wachsen ge- 
bracht, so behält der daraus entstehende Baum die Benadelung 
sein ganzes Leben hindurch und trägt bei uns nie Früchte. 
Diese fixierte Jugendform, 0. p. squarrosa, die früher als ein 
eigener Baum aufgefaßt wurde, wird zwar leicht etwas sparrig 
und hat im Innern der Krone immer fuchsige, abgestandene 
Nadeln; doch ist sie sehr zierend durch ihre graugrüne, im 
Winter bleibende Farbe. Die größten Exemplare im Kanton 
dürften diejenigen von Breitenstein (42 Jahre alt, 7” m hoch, 
Stamm 2 dm diek), im Garten von Dr. Guhl in Steckborn 
(40 Jahre, 8 m hoch) und beim Absonderungshaus Münster- 
lingen (40 Jahre, 10 m hoch) sein. Bei der gewöhnlichen 
Entwicklung dagegen geht die Jugendform bald in die er- 
wachsene Gestalt über: die Nadeln werden kürzer und legen 
sich an; die Wedel zeigen vorübergehend eine straußenfederartig 


E." = 


krause Form. Auch diese Uebergangsform läßt sich durch 
| Stecklinge als ©. pisifera plumösa konservieren; je nach dem 
Stadium, in dem der Steckling genommen wurde, wechselt 
das Aussehen des Baumes. Die Uebergangsform ist bei uns 
gleichfalls häufig und setzt reichlich Früchte an (z. B. im 
Spitalgarten Frauenfeld). Sehr zierlich und fremdartig ist 
endlich die beliebte Spielart, bei der die kleinsten Zweige 
als langgezogene überhängende Schnüre entwickelt sind, 
0. pisifera filifera hort. Sie bildet diehte üppige Büsche bis 
zu 4m Höhe (Felsenau, Lilienberg, kleinere da und dort). 

Von wacholderartigen Pflanzen ist zunächst der gemeine 

_ Wacholder, Juniperus commünis L., zu nennen, der als 
Säule (irländischer Wacholder, J. communis Hibernica) nicht 
selten in Gärten, und namentlich auf Friedhöfen, angepflanzt 

_ wird. Solange die Säule nur etwa 21/a m hoch ist, sieht sie 
sehr elegant aus, wie man z. B. auf den Friedhöfen von 
Dießenhofen oder Dozwil sehen kann; später wird sie etwas 
'plump. Auch hochstämmig läßt sich der gemeine Wacholder 
ziehen, z.B. in der alten Baumschule Bischofszell oder im 
Hasli-Müllheim. 

Von den Bergabhängen der alpinen Föhntäler kommt als 
zwar schönes, aber anrüchiges Geschenk der Sadebaum, Sevi, 
Jumiperus Sabina L., in unsere Gärten. Er bildet kleine 
Dickichte von 1 m Höhe, ist giftig, riecht unangenehm und hat 
namentlich die schädliche Besonderheit, daß er als Zwischen- 
wirt für den Gitterrost der Birnbäume, Gymnosporangium fusceum 
D.C., dient. Auch wenn man auf dem Strauch den Rostpilz 
nicht findet, ist ihm nicht zu trauen. Eine schöne Sevigruppe in 

- Frauenfeld, auf der wiederholte Untersuchungen den Parasiten 
nicht ergaben, mußte im Frühjahr 1917 doch beseitigt werden, 
weil ringsherum die Birnblätter die bekannten rotbraunen 
Fleeken aufwiesen. Trotzdem kommt der Sevistrauch in kleinen 
Exemplaren unbeachtet da und dort in den Gärten vor. 
Größere, unleugbar sehr dekorative Massive besitzen Kastel, 

Schloß Berg und Lilienberg. 

Um nichts harmloser ist der virginische Wacholder, 

I. VirginianaL. Während er in den atlantischen Südstaaten der 

Union bis 30 m hoch werden soll, erreicht er bei uns bis 

jetzt nur etwa 8 m (freistehend z.B. in Müllberg und Luisen- 
berg). Er ist unvollkommen diözisch; seine braunvioletten 


rar 


zur Bleistiftfabrikation dient, kennt bei uns fast niemand, 
obschon er recht häufig ist. Bisweilen finden sich an dem- 
selben Exemplar Aeste mit angelegten und mit abstehenden 
Nadeln (in Frauenfeld z.B. an der Thundorferstraße gegen- 
über Sattler Schuppli). Die Farbe schwankt zwischen friseh- 
grün, blaugrün und graugrün. Der Baum nimmt sich auch 


auf Friedhöfen gut aus. In Amriswil hat ein stimmungsvolles 


Beeren sind merkwürdig klein. Diesen Baum, dessen Holz 


Grab von 1902 rechts und links von einem schmalen Obelisken 
zwei säulenartige, diehte, ganz symmetrische virginische 


Wacholder von 2 m Höhe. Der Friedhof Dießenhofen besitzt 
mehrere Bäume, darunter in der Mitte ansehnliche männliche 
und weibliche Exemplare, und an der Südmauer die efiekt- 


volle Trauerform, J. Virg. pendula Carr., mit hängenden, 


sekundären Zweigen, etwa 7 m hoch. An sonnigen Stellen 


hat der virginische Wacholder übrigens im Winter 1916/17 
stark gelitten. 
Nur als Pflanzung aus dem 20. Jahrhundert erscheint der 


chinesische Wacholder, Juniperus Chinensis L. Wir sehen 


ihn meistens als etwa 2 m hohen Strauch mit Nadeln und 
Schuppen; einzelne Zweigspitzen sind weiß (J. Oh. albo- 


variegata), z. B. in Münsterlingen, Irrenanstalt; in Frauenfeld 


an der Ringstraße, im Schloßgarten zu Berg. 


Il. Laubhölzer. 


1. Bäume. 
Hier halte ich mich an die Reihenfolge, in der die Pflanzen 


bei Koehne aufgeführt werden. Die lateinische Benennung 


entspricht derjenigen von Schneiders Handbuch der Laub- 


holzkunde. 


Aus der Familie der Juglandaceen ist zunächst der. 


gemeine Walnußbaum, Jüglans regia L., zu nennen. Er 
findet sich allenthalben in mächtigen, malerischen Exemplaren 
und wird neuerdings auch viel frisch angepflanzt. Obgleich 
sein Holz in der Kriegszeit einen so großen Wert erhalten 
hat, ist sein Verschwinden bei uns noch nicht zu befürchten. 
Im Park wird bisweilen eine weniger wüchsige Form mit 


zerschlitzten Fiederblättehen gehalten (var. heterophyjllaLoudon), 


et 


z.B. in Müllberg und Breitenstein. Am erstgenannten Ort 
beweist ein Ausschlag mit normalen Blättern am Fuße eines 
8m hohen Baumes, daß die Spielart auf die Stammform 
-aufgepfropft worden ist. Die Nüsse dieser Spielart schmecken 
gut; dagegen sind diejenigen des aus dem Mississippibecken 
' stammenden Schwarznußbaums, Juglans nigra L., als Obst 
nichts wert. Das Blatt dieses stattlichen Baumes hat viel mehr 
Fiederblättchen als der Walnußbaum (etwa 19, dieser gewöhn- 
lich 7) und erinnert an das Blatt des Götterbaums. Juglans 
nigra findet sich in Frauenfeld (Neuhauserstraße, Algisser), 
bei Klingenberg, in Mammern (am Dorfbach oberhalb der 
Bahnlinie) und in Kastel (mächtiger, wohl 25 m hoher Baum, 
soll frülfer Misteln getragen haben). 

Zahlreicher sind die Salicaceen vertreten. Hervorragend 
schön ist die auch wild wachsende Silberpappel, Pöpulus 
_ alba L. Gewaltige Bäume stehen z.B. neben dem Schloß 
Eugensberg, im Park der Anstalt Bellevue, Kreuzlingen, in 
- Arenenberg, beim Bahnübergang Eschlikon usf. Diese Pappel 
ist sehr raschwüchsig, aber auch stark zehrend. Lästig ist 
im Frühjahr der überall herumfliegende Flaum der weiblichen 
Blüten; er kann bei Neupflanzungen dadurch vermieden werden, 
daß man nur männliche Bäume wählt. Die allbekannte 
Pyramidenpappel, P. nigra, var. Italica Moench, zeigt gerade 
in diesem Jahr stellenweise viele dürre Zweige, wohl als 
Wirkung von einigen hellen und bitterkalten Februarmorgen. 
Unter den eigentlichen Weiden fällt am meisten ins Auge 
die Trauerweide, Sahx Babylönica L., die besonders am 
Wasser stimmungsvoll aussieht und bei uns 20 m hoch wird 
(Absonderungshaus Münsterlingen, Gottlieben). Herrlich wirkt 
eine Baumgruppe bei Arenenberg, die aus einer Wellingtonie, 
einer Blutbuche und einer Trauerweide besteht. Ferner findet 
man in den Gärten der Bienenzüchter gelegentlich die Sal- 
weide, Salix caprea L., deren bekannte große Kätzchen 
im Vorfrühling den Bienen Pollen und Honig als erste 
Nahrung geben, sowie die Reifweide, S. daphnoides Villars, 
und die Korbweide, $. viminalis L. Wegen der schönen, 
glänzenden Blätter wird häufig die Lorbeerweide, Salx 
pentandra L., gepflanzt, die z. B. hinter der „Bellevue“ 
- Kreuzlingen, als stattlicher Baum vorkommt. Auch Weiß- 
weiden, S. alba L., finden sich gelegentlich als Bäume in 


Landschaftsgärten. Dasselbe gilt von der Birke, Betula alba 
Roth, an deren Stelle neuestens nicht selten die Hängebirke, 
B.pendula Roth, tritt. Ein Baum in der städtischen Anlage 
Arbon mit größern Blättern, den ich zu einer Zeit sah, wo 
die Bestimmungsmerkmale fehlten, ist vielleicht die Papier- 
birke, B. papyracea Aiton. An feuchten Stellen kann man 
natürlich auch die Weißerle, Alnus incana Willd., und die 
Schwarzerle, A. glutinösa Gärtner, als Zierbäume antreffen. 

In dieselbe Familie gehört endlich noch die Hagebuche, 
Carpinus betulus L., deren Verwendung für Hecken und Lauben 
bekannt ist. Im ältesten Teil des Parkes von Hauptwil steht 
eine Hagebuche, die 251 Jahre alt ist und etwa 15 m hoch 
emporragt. Dies dürfte demnach die größte Höhe sein, welche 
die Hagebuche bei uns erreicht. 

Bei der Familie der Fagaceen denkt man natürlich zuerst 
an unsere Buche, Fagus silvatica L., die wegen ihrer Schön- 
heit in Landschaftsgärten nicht fehlen darf. Besonders beliebt 
ist die Blutbuche, die man in großen Exemplaren, mehr oder 
weniger dunkel gefärbt, vor dem Schloß in Frauenfeld, im 
Kurpark Mammern, in Eugensberg, Arenenberg, Arbon usf. 
bewundern kann. Besonders auffallend sind Blutbuchenblätter 
mit hellem Rand. Ganz merkwürdig ist ferner die Tracht der 
Form heterophyjlia Loudon. Hier sind die Blätter schmal und 
fiederschnittig, so daß niemand die Buche erkennt, außer wer 
im Winter die spitzen Buchenknospen ins Auge faßt. Als kleiner 
Baum kommt diese Spielart bei der Villa Steinhäuser, Frauen- 
feld, in der Felsenau, Müllheim und im Kurpark Mammern 
vor. Erwähnung verdient endlich noch die Trauerbuche, eine 
Wuchsform, die man im Garten Sallmann, Amriswil, als 8 m 
hohen Baum sehen kann. Ganz besonders interessant ist eine 
Hängebuche im Garten des Herrn Joachim Brunnschweiler in 
Hauptwil. Die Aeste dieses schönen Baumes, der nur etwa 
10 m hoch ist, verbreiten sich auf Stützen nach allen Seiten 
und beschatten einen Kreis, der 20 m im Durchmesser mißt. 

Von der Edelkastanie, Castanea sativa Mill., wird im 
Schlußwort Seite 68 die Rede sein. An fremden Eichen enthält 
Breitenstein zwei Arten. Da stehen am südlichen Parkrand 
zwei südosteuropäische Zerreichen, Quercus.cerris L., etwa 
15 m hoch (eine andere bei Schloß Berg), deren Blatt sich 
von dem ähnlichen unserer Traubeneiche dadurch unterscheidet, 


DR a 


- daß die regelmäßigen Lappen etwas zugespitzt, bei der Trauben- 
_ eiche stumpf sind. Sodann steht am Eingang, auffallend durch 
ihr großes Blatt, eine großfrüchtige Eiche, Q. macrocarpa 
Michaux, deren Heimat in den Vereinigten Staaten zu suchen 
ist. Das Blatt gleicht demjenigen der Stieleiche, ist aber 
linear doppelt so groß und unterseits graugrün. In Bugens- 
berg werden sog. „immergrüne Eichen“ gepflanzt, deren 
"Blatt dem der Zerreiche ähnlich sieht; die Zerreiche ist aber 
- nieht immergrün. Von einem Gärtner wurde mir der nicht 
wissenschaftliche Name Q. Austriaca hyjbrida dafür angegeben. 
Ich glaube, daß es sich um die Kulturform handelt, die 
 Koehne vermutungsweise als. Bastard der Zerreiche mit der 
' immergrünen Steineiche, @. zlex L., klassifiziert; ©. Schneider 
nennt sie Q. Pseudotürneri. Dieselbe immergrüne Eiche habe 
ich auf Ebersberg-Emmishofen als Veredlung auf Stieleiche 
_ gesehen. Die Stieleiche hatte unten ebenfalls ausgetrieben 
und den 6 m hohen Stamm der immergrünen überwachsen. 
_ Im Winter hoben sich die grüne und die braune Pflanze 
deutlich von einander ab. 
Es versteht sich von selbst, daß die edlen Gestalten 
unserer einheimischen Eichen, der Stieleiche, @. robur L., 
_ und der Traubeneiche, Q. sessilis Ehrhardt, im Park nicht 
fehlen. Von besonders großen und schönen Stieleichen 
möchte ich nennen: diejenigen am Seeufer im Kurpark zu 
Mammern, darunter die „Liebeseiche“, die sich gleich über 
dem Boden in sechs gewaltige Aeste auflöst, so daß eine 
Krone von 25 m Durchmesser entsteht. Der Baum gedeiht 
kräftig weiter, obschon der Boden auf der Landseite um 2 m 
erhöht worden ist. Erwähnenswert sind ferner die Eichen 
am abfallenden Rand des Plateaus vom Arenenberg, sowie 
_ ein prächtiger Baum am Nordrand der Terrasse von Kastel, 
der außerdem den Vorzug hat, im Frühjahr einige Tage vor 
andern Eichen zu treiben. Beiläufig seien hier noch einige 
mächtige Waldeichen angeführt. Eine solche, die im März 
1908 bei Märwil gefällt wurde, war bis zu den untersten 
Aesten 7,5 m, bis zum Gipfel 25 m hoch; der Durchmesser 
der Stockfläche betrug nicht weniger als 180 cm. Einen 
hervorragend schönen Baum beobachtete Dr. Ol. Heß im 
November 1907 zwischen Ueterschen und Braunau. Sodann 
machen mich Prof. Wegelin und Dr. H. Tanner aufmerksam 


/ 


— 26. —. 


auf eine große Eiche mit einem Stammumfang von dm, die # 
: östlich von den Bierkellern in Schupfen am Rodenberge steht. 


— Auch in kleinern Gärten ist die Säulenform der Stieleiche, 


Q. robur fastigiata D.C., zu finden, die zwar mit der Zeit 
gerne etwas plump wird. Eine tadellos schlanke Säule von 
12 m Höhe, die auf Distanz wie eine Zypresse aussieht, be- 
findet sich in Lilienberg. Einer wachsenden Beliebtheit er- 
freut sich die Roteiche, Q. rubra L., die von den großen 
Seen Nordamerikas zu uns gekommen ist. Sie hat ihren 
Namen von der prächtigen, lange anhaltenden Herbstfärbung 
des Laubes. In Eugensberg ist eine 7 m hohe Roteiche noch 
mit Erfolg versetzt worden. Nach Mitteilung von Forstmeister 
Etter werden im Walde gerne Roteichen in junge Buchen- 
bestände eingesetzt (z. B. im Galgenholz); auch beim Heiden- 
haus kann man Roteichen sehen. 

Von der Familie der Ulmaceen dürfte meine Liste noch 
nicht vollständig sein. Da die Ulmen hauptsächlich an ihren 
zahllosen, runden Flügelfrüchten zu unterscheiden sind, und 
diese schon anfangs Juni in alle Winde verflattern, so ist 
die Bestimmung der Bäume einen großen Teil des Jahres 
hindurch fast unmöglich. Diese Früchtehen, die im Mai auf 
den Gartenwegen herumliegen und zu den offenen Fenstern 
hereinfliegen, lassen die Nachbarschaft einer Ulme im Wonne- 
monat dem Menschen nicht gerade als erwünscht erscheinen, 
wohl aber dem Grünfink, der die Flügelfrüchte mit Behagen 
verzehrt. Die Feldulme, Ulmus campestris L., erreicht eine 
sehr ansehnliche Größe. Zwei Bäume vor der Scheune in 
Ittingen, die ziemlich genau 50 Jahre alt sind, erheben ihre 
runden Kronen bis zu 18 m; beinahe ebenso groß dürfte die 
Feldulme im Garten von Redaktor Huber in Frauenfeld sein; 
ein Exemplar in Müllberg schätze ich auf 20 m. Daselbst 
findet sich auch eine Spielart mit Korkstreifen an den Zweigen, 
f. suberösa. Nicht selten ist eine Form mit fast weißen Blättern, 
z.B. in Oberkirch. Obschon panaschierte Bäume langsamer 
wachsen, hat es eine U. campestris fol. arg.-variegatis in Lilien- 
berg zu der beachtenswerten Höhe von 15 m gebracht. Die 
Bergulme, Ulmus scabra Miller, hat größere und rauhere, 
schief-herzförmige Blätter. Ein schöner Baum steht z.B. im 
Trottoir an der Spannerstraße, Frauenfeld; sein Stamm zer- 
platzte in einer eisigen Nacht des Winters 1879/80 mit 


gt 


ne 271 — 


lautem Knall; doch ist die Wunde gut verwachsen. Ferner 
‚hat en Eigenmann in Müllheim eine prächtige Ulme 


: mit 18m hoher, gleichmäßig runder Krone; zwei ähnlich 


große Bäume schmücken die städtischen Anlagen in Arbon; 
ein anderes mächtiges Exemplar, 2!/a m diek, ist die eine 


sog. „Drei Linden“ in Bischofszell. Es gibt auch eine Trauer- 


form, f. horizontalis hort., an der die Zweige aus einer Höhe 
von 2—3 m so dicht schirmartig zur Erde herabhängen, daß 
darunter kein Gras wachsen kann (Felsenau, Pflanzberg, 
Kurzdorf), ferner eine Säulenform, f. pyramidalis Koch, mit 


- aufstrebendem Wuchs und an den Zweigen anliegenden Blättern, 


"hin und wieder. Den Ulmen nahe steht der Zürgelbaum; 
die Bläfter an seinen hängenden Zweigen sind ebenfalls un- 


symmetrisch; die kleine Frucht ist dagegen steinfruchtartig, 


in der Farbe entweder orange oder schwarz, wodurch sich 
der nordamerikanische Zürgel, Celtis oceidentalis L., vom 
südeuropäischen Zürgel, (. australis L., unterscheidet, 


Nach den Früchten gehört der Baum beim Spital Frauenfeld 
zu der amerikanischen, derjenige im botanischen Garten zur 


 südeuropäischen Art. Bei drei andern („Rosengarten* Müllheim, 
- Müllberg und Breitenstein) habe ich keine reifen Belchis 
getroffen. Während die Zürgel in ihrer Heimat 20—25 m 
hoch werden, hat der Baum in Müllberg nach 60 Jahren 
erst 6 m, der in Breitenstein nach 40 Jahren 4 m erreicht; 
Celtis eignet sich also auch für kleinere Gärten. 

Den Ulmengewächsen nahe steht die Familie der Moraceen, 


. Maulbeerbäume. Dieser Name erinnert an einen fehlgescehlagenen 


Versuch, dem Thurgau eine neue Verdienstquelle zu erschließen. 
In den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts 
probierte man nämlich an verschiedenen Orten, im Eichbühl- 
Dießenhofen, in Feldbach-Steckborn (Hanhart zur „Treu*), 
Lanzenneunforn, Kreuzlingen, Keßwil (Glaser Roth), Lippers- 
wilen, Kradolf, Ittingen (Fisch, Tobler & Cie.) und Wängi Seiden- 
raupen zu ahen Der Versuch mißlang, weil öfters anfangs 
Mai, wenn die Räupchen ausschlüpften, die Maulbeerblätter 


s noch nicht da waren, oder den Spätfrösten zum Opfer fielen.' 


ı Wie ich einem Aufsatz von Frickhinger, Die Seidenraupe 
und ihre Zucht (Monatshefte für den Naturwissenschaftlichen Unter- 
richt, 10. Bd., S. 58) entnehme, gibt es eine aus Amerika stammende 
strauchartige Sorte des weißen Maulbeerbaums, Russian Mulberry, 


SE 


Indessen stehen aus jener Zeit an einigen Orten jetzt noch 
Maulbeerbäume als Hochstämme oder Sträucher. Der schwarze 
Maulbeerbaum, Morus nigra L., aus Mittelasien, so genannt 
nach seinen schwarzen, eßbaren Scheinbeeren, hat etwas 
größere und rauhere Blätter mit tieferer Stielbucht als die weiß- 
früchtige Art. Er ist weniger häufig; verschiedene Exemplare 
stehen im Eichbühl, ein geköpftes Bäumchen in Ittingen und 
ein anderes bei der Kirche in Berg; eine sehr üppige Trauer- 
form von 2 m Höhe besitzt Fabrikant Steinhäuser in Frauen- 
feld. Die Blätter sind bei allen Maulbeerbäumen zuerst herz- 


förmig, bilden dann aber häufig vom Rande her tiefe Buchten 


aus, wodurch das Blatt schließlich gelappt erscheint. Am 
schwarzen Maulbeerbaum fehlt diese Bildung häufig oder ist 
nur einseitig; am weißen Maulbeerbaum, Morus alba L., 
aus China, kann man sie rechts und links vom Mittelnerv 
sehen. Ich habe ihn in Feldbach in Hecken getroffen, ferner 
zwei geköpfte Bäume von 3 m Höhe an einem Bahnübergang 
zwischen Keßwil und Moosburg, einen 10 m hohen Baum 
in Ittingen und. einige Heckensträucher im Algisser in 
Frauenfeld. Eine ganze Allee von 19 Stück hat sich in 
Lanzenneunforn erhalten; die Bäume haben 6—8 m Höhe 
und 1m Umfang. Aus China und Japan kommt der Papier- 
maulbeerbaum, Broussonetia papyrifera NVentenat, zu uns, 
dessen Laub ebenfalls von den Raupen des Seidenspinners 
gefressen wird. Die Blätter teilen sich in ähnlicher Weise in 
Lappen wie bei den Verwandten, sind aber noch größer als 
die des schwarzen Maulbeerbaumes; die Nerven treten auf der 
Unterseite stark hervor und sind lila angelaufen. Der Baum 
ist zweihäusig; das etwa 4 m hohe Exemplar der Kantons- 
schule ist männlich und ein Strauch im „Rosenheim* Dießen- 
hofen fruktifiziert nicht; ein stattliches „Weibchen“ besitzt 
Breitenstein. Der Feigenbaum, Ficus Carica L., ein Fremd- 
ling aus dem Mittelmeergebiet, ist bei uns im allgemeinen 
Kalthauspflanze. Beim Schloß Glarisegg indessen hält ein 


Morus alba var. Tatarica, die in Dännemark mit bestem Erfolg seit 
einer Reihe von Jahren zur Seidenraupenzucht verwendet wird. Dieser 
Strauch ist vollkommen winterhart, nicht anspruchsvoll in bezug auf 
den Boden, und seine Blätter munden den Raupen ausgezeichnet. 
Von ihm geht vielleicht auch bei uns noch einmal eine Wieder- 
einführung der vergessenen kleinen Haustiere aus. 


_ Strauch an einer Westwand, ‚wo er zugleich gegen den West- 


wind geschützt ist, ungedeckt im Freien aus und bringt reife 


‘ Früchte. Im Winter 1916/17 fror er freilich bis auf die 
Wurzeln ab, trieb aber im Frühjahr wieder kräftig aus. 


Unter den Magnoliaceen sind zuerst die eigentlichen 
Magnolien zu nennen. Die bekannten Sträucher oder kleinen 


Bäume, die uns im April vor dem Erscheinen der zugespitzt- 


elliptischen ‘Blätter durch ihre großen, weißen, violett über- 


 laufenen Blüten entzücken, sind Bastarde von zwei ostasiatischen 
Arten, der rötlichen Magnolia denudata Lamarck und der 


weißen Lilienmagnolie, M. precia Corr. in Vent. Wenn in 


Frauenfeld nicht so große Magnolien zu finden sind, wie am 


# 


See, somiegt das nur am geringern Alter der Pflanzen; denn 


_ ich fand 6 m hohe Exemplare in Aadorf, Ittingen und Müll- 


Ar. 


berg ebenso gut wie in Kreuzlingen und Kastel. Die ameri- 
kanische Gruppe der Magnolien entfaltet ihre Blüten erst zu 
Anfang des Sommers. Dazu gehört die aus den atlantischen 
Südstaaten der Union stammende immergrüne Magnolie, 


- M. foetida Sarg., die in Pallanza jene bekannte Uferallee 


bildet und uns ihre steifen, unten rostfarbigen Blätter zu 


 Totenkränzen liefert. Eine solche Pflanze, allerdings nur 
_ etwa 1 m hoch, befindet sich seit sechs Jahren beim Kantons- 
_ spital in Münsterlingen auf einem nach allen Seiten durch 


az 


Gebüsch oder Mauern geschützten Rasenplatz und entfaltete 
auch in diesem Jahr ihre großen, milchweißen Blüten. 
Weniger dekorativ sind die gelblichgrünen Glocken der 


- Gurkenmagnolie, M. acumindta L., die zwischen New York 


und dem mittlern Mississippi zu Hause ist; dafür ist dieser 
Baum vollkommen winterhart. Der Sulzersche Park in Aadorf 
besitzt ein 60jähriges Exemplar, das 12 m hoch geworden 
ist. Oft hört man, besonders im Munde von Deutschen, den 


' unrichtigen Namen „Tulpenbaum“ für die Magnolie; in Wirklich- 


keit kommt die Bezeichnung einem mit ihnen nahe verwandten 


 Baume aus der östlichen Union zu. Der richtige Tulpen- 
baum, Zuriodendron tulipiferum L., gedeiht bei uns gut und 
_ setzt willig nach dem längsten Tag seine grünlichgelben, 
 tulpenartigen Blüten an. Sehr dekorativ ist auch sein eckiges 
- Blatt. Im Thurgau gibt es bereits stattliche, bis 20 m hohe 
'_ Tulpenbäume, z. B. im Pfarrgarten Kurzdorf, in Aadorf, beim 
Schloß Kefikon, in Müllberg, bei Schloß Berg, „Bellevue“ 


en ag er 1 


Kreuzlingen, Eugensberg, Breitenstein, in Arbon (Stadtpark und ; 


Schloßgarten) und namentlich bei der Fasanerie auf Kastel. 
Die Platanaceen sind bei uns nur durch die orien- 


talische Platane, Platanus orientalis L., vertreten, die aus 


Kleinasien zu uns gekommen ist. Das Blatt der Stammform 
ist fünflappig; dieses Blatt habe ich indessen nur an einem 


Baum des Herrn Nationalrat Eigenmann in Müllheim gefunden. 


Die bei uns verbreitete Abart, Pl. o. acerifola Willd., ist 
nämlich fast dreilappig, indem ‘die beiden untersten Lappen 
nur angedeutet sind. Wo man die Platane bloß wegen ihres 
Schattens hält, wird sie geköpft und bildet dann jene reiz- 
losen Alleen, von denen die langweiligste in der Schweiz 
den Quai von Vivis verunstaltet. Nur wenig Leute haben 
eine Ahnung, wie wundervoll groß und schön eine ungehemmt 
wachsende Platane werden kann. Wohl die riesenhafteste in 


unserm Gebiet ist der freistehende Baum neben dem Schlößchen ° 


Luisenberg, der 25—30 m Höhe erreichen dürfte. Auch sonst 


finden sich am See mächtige Platanen, z. B. in Hard, Pflanz- 


berg, Brunnegg, Arenenberg, aber auch in Aadorf. Ein 
parasitischer Pilz, Gloeospöorium nervisegquum Sace., brachte 
im Mai 1917 viele Platanenblätter zum Abfallen. 

Es folgt nun die große Familie der Rosaceen, und 
darin zunächst die schwierige Gattung der Weißdörner. 
Die einheimischen Arten machen keine Schwierigkeiten; 
dagegen haben uns Kanada und der östliche Teil der Union 
eine größere Zahl von Arten geschickt, die nur mit Hilfe 
der reifen Steinfrüchte zu bestimmen sind, und auch dann 
noch recht verschwommene Merkmale zeigen. Ihren größten 
Zierwert erreichen sie im Herbst, wenn die roten, gelben 
oder schwarzen Früchte sich bis Weihnachten in rispigen 
Dolden von den glänzend grünen, lange bleibenden, ungeteilten 
oder gelappten Blättern abheben. Fast jeder Garten hat 
irgendwo einen im Sommer ganz unbeachteten Strauch oder 
Baum dieser Sippe; in Hauptwil fand ich einen 100jährigen 
Baum, der es auf 8 m Höhe gebracht hat. Bestimmt habe 
ich folgende Bäume in Frauenfeld: Orataegus erus galli L., 
Hahnenspornweißdorn im Garten des Herrn Bachmann- 
Österwalder; einen Bastard C. erus galli X prunifolia, neben dem 
Pfarrgarten Kurzdorf, jetzt verschwunden; einen andern Bastard 


O.erus galli X punetdta, Walzmühlestraße, bis Weihnachten grün; 


Tg en 


— 31 — 


0. eoceinea L., scharlachfrüchtiger Weißdorn, Friedau; 


O. nigra Waldst. & Kitaibel, Villa Steinhäuser. Vom ein- 


heimischen Weißdorn, CO. monögyna Jaegquin, gibt es eine 


gefüllte, rotblühende Form f. flore rubro pleno, die als kleiner 


 Hochstamm unter dem Namen Rotdorn allenthalben, auch 


als Straßenbaum, in Frauenfeld z. B. beim Regierungsgebäude, 


zu sehen ist. Zwei unbeschnittene Rotdörner beim „Bodan“ 


Romanshorn sind 7—8 m hoch. Eine gefüllte weiße Form, 
die rosa verblüht, f. flore albo pleno, enthält der Garten der 


 Sehweizerischen Kreditanstalt in Frauenfeld. 


Die ziemlich seltene Mispel, Mespilus Germanica L., darf 
wegen ihrer großen, länglichen Blätter, die an diejenigen 
der Edelkastanie erinnern, auch als Zierbaum betrachtet 


_ werden. Als kleiner Baum findet sie sich z. B. in Mammerts- 


hofen (ein Wildling und ein veredeltes Exemplar) und in 
Romanshorn. Lilienberg besitzt eine merkwürdige Gruppe 
von drei Mispeln und einem Apfelbaum (Fraurotacher). Diese 
vier Bäume lesen sich mit der Krone nach vier Richtungen 
auf die Erde und streben wieder auf, so daß sie ein rundes 
Massiv von 6 m Höhe und 40 m Umfang bilden, das in der 
Blütezeit reizend aussieht und später reichlich Früchte ansetzt. 

Selbstverständlich fehlt der Vogelbeerbaum, Sörbus 


 qaueuparia L., mit seinen schönen, roten Beeren und seinen 


 gefiederten Blättern, im Park nicht und ebenso wenig der 


mit ihm nahe verwandte Mehlbeerbaum, Sorbus aria Crantz, 


- der ungeteilte, auf der Unterseite weißfilzige Blätter besitzt. 


_ Auceuparia und Aria bilden zusammen einen interessanten 

Bastard, Sorbus semipinnata Hedlund, der blüht und Früchte 
 ansetzt. Das Blatt verrät die Abstammung des Blendlings: 
_ es hat am Grund ein Paar Fiederblättehen wie Sorbus, ist aber 
_ weiter oben ungeteilt wie Aria und auf der Unterseite weiß. 
' Dieser Bastard steht als 12 m hoher Baum bei der Huberschen 
- Buchhandlung in Frauenfeld, in mehreren Exemplaren um die 


Kirche Amriswil und in Lilienberg. Selten ist die nordische 


_Mehlbeere, $. Mougeoti Soy. & Godr., (Bürglen) und die 


Elsbeere, $. torminalis Crantz, die als 12 m hoher Baum 


neben dem östlichen Turm des Schlosses Gottlieben steht. 
- Torminalis wird übrigens jetzt auch als Straßenbaum gepflanzt, 
z.B. bei Illhart. Anscheinend gar nicht haben wir den 


“ 
2 
A. 
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3 
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i Speierling, S. domestica L., der die Tracht der Eiberesche 


ee 


hat, aber eßbare Früchte: trägt. Gärtner Schaffer in Münster- 
- lingen versicherte mir, daß er wiederholt in Baumschulen 
darnach verlangt habe, ohne ihn bekommen zu können. 

Der Birnbaum, Pirus communis L.,- ist in erster Linie 
Nutzbaum. Als Zierbäume dürfte man vielleicht jene sechs 
Gruppen Zuckerbirnbäume im Kurpark von Mammern an- 
sprechen, wo jeweilen mehrere Bäume aus einer Wurzel 
hervorgegangen sind. Es sind wohl Stockausschläge, die man 
hat groß werden lassen. Der Apfelbaum, Malus pümila Mill., 
schmückt bisweilen als Wildling den Garten. Einen solchen 
Holzapfelbaum, etwa 6 m hoch, besitzt Breitenstein. Meistens 
jedoch sind die Zieräpfel asiatischen Ursprungs und haben 
auf ihren erbsen- bis kirschgroßen Früchtehen, im Gegensatz 
zum sewöhnlichen Apfel, an der Stelle des Kelches nur noch 
eine Narbe. Am häufigsten ist der aus Japan stammende 
Blütenreiche Apfel, Malus floribünda Siebold. Er hat 
kleine, ungeteilte Blätter und etwas von oben nach unten 
zusammengedrückte, erbsengroße Früchte. Dazu gehört in 
Frauenfeld ein reichblühender, 4 m hoher Baum vor dem 
Schloß, ein 1!/s m hoher Strauch beim Zeughaus, sowie in 
Eugensberg zahlreiche neugesetzte Pflanzen. Nur ganz ver- 
einzelt gelappte Blätter und kirschengroße, elliptische Aepfelchen 
trägt ein 3 m hohes Bäumchen bei Gubler & Kappeler, das 
sicher als ein Bastard M. baccata Desf. X Ringo Siebold 
anzusprechen ist. Dagegen gehören zwei leider geschnittene 
Sträucher mit gelappten Blättern gegenüber von Sattler 
Schuppli zu M. Toringo Sieb., Toringoapfel. 

Aus der Gattung der Kirschen und Pflaumen haben wir 
außer einem Dutzend Obstbäumen auch eine ganze Anzahl 
bloßer Zierpflanzen. So wird die Traubenkirsche, Padus 
racemosa Ö©. Schn., die etwa 10 m Höhe erreicht (Breitenstein, 
Spitalgarten Frauenfeld, wild an der Murg und Thur), wegen 
der weißen Blütentrauben ab und zu in Gärten gehalten. 
Die bei uns unbeachteten, schwarzen Früchte werden anderswo 
(Vättis im Kalfeisental) gerne gegessen. Die Traubenkirsche 
leidet unter Raupenfraß; ein 10 m hoher Baum in Ebersberg, 
Emmishofen, wurde zwei Jahre hintereinander vollkommen 
kahl gefressen. Ein naher Verwandter aus den Vereinigten 
Staaten, die spätblühende Traubenkirsche, P. serötina 
Agardh, wird im jungen Laubwald angepflanzt, z. B. im 


BEN 


Galgenholz. Ein kleiner Trauerbaum, dessen Blätter lorbeer- 
artig aussehen, steht im Park des Schlosses Berg; Breiten- 
"stein besitzt einen schönen, 10 m hohen Baum als Gegen- 
"stück zu der vorhin genannten Traubenkirsche. Gerne wird 
_ wegen ihres glänzenden Laubes und ihrer Blütentrauben, die 
freilich kleiner sind als bei Padus racemösa, die Weichsel- 
kirsche, Prünus mahaleb L., angepflanzt. Das Holz erfreut 
sich einer großen Beliebtheit wegen des Kumaringeruchs, der 
ihm und den Blättern anhaftet. Im Frauenfelder Spitalgarten, 
und sonst in vielen Gärten ist mir die Steinweichsel begegnet. 
"Die Kirschbäume, Prunus eerasus L., Sauerkirsche, P. avium 
L., Süßkirsche, gehören, wenn sie gefüllte Blüten tragen, 
im Mai zu den schönsten und auffallendsten Blütenbäumen. 
So steht ein gefüllter Süßkirschhaum in Frauenfeld im 
_ Huberschen Garten neben dem Spannerschulhaus und erfreut 
die Vorübergehenden in jedem Frühjahr mit seiner schneeigen 
_ Pracht. Andere gefüllte Kirschbäume habe ieh sonst noch in 
- Frauenfeld, sowie in Ittingen, Romanshorn, Dießenhofen usf. 
angetroffen; leider stehen sie alle nicht frei. Der Schloßpark 
"Berg hat gefüllt blühende Süß- und Sauerkirschbäume neben- 
einander. Die berühmte Kirschblüte der Japaner stammt, wie 
man weiß, nicht von unsern Kirschbäumen, sondern von 
einer japanischen Art, P. pseudocerasus Steudel. Die Farbe 
ihrer gefüllten Blüten ist blaßrosa. Unter dem Namen „Ito 
Sakura“ wurden kleine Bäumchen der ebenfalls japanischen 
Art P. frutieösa Pall. in Eugensberg eingesetzt; sie blühen 
‚anfangs Mai und werden nicht über 2 m hoch. Bekannter 
ist bei uns die aus China stammende Mandelaprikose, 
P. triloba Lindley. Es ist jener Strauch oder höchstens 3 m 
hohe Baum, der sich sozusagen in allen Gärten Frauenfelds 
im April mit reizenden, gefüllten, blaßroten Röschen bedeckt, 
noch bevor die Blätter da sind. Mehr Zier- als Obstbaum ist 
der Kirschpflaumenbaum, P. cerasifera Ehrhardt. Ein 
‚solcher ist der Baum am Algisserteich in Frauenfeld, der 
sich zur Freude der Spaziergänger jeweilen zu allererst, 
manchmal schon Ende März, mit weißen Blüten bedeckt. 
_ Dieses Exemplar hat bei 50 em Stammdurchmesser etwa 8 m 
Höhe. Ein gleich großer Baum steht im Garten der Wirtschaft 
' zum „Thurtal“ in Eschikofen, ein anderer hinter dem Haus 
von Kirchenratspräsident Guhl in Frauenfeld. Weit häufiger 


3 


—. 94 — 


als die Stammform ist eine rotblätterige Spielart, die Blut- E 
pflaume, P. cerasifera f. Pissardi Carr., der häufigste rot- 
blättrige Baum unsrer Gärten. Sie wird auf runde Krone 
geschnitten und blüht deshalb meistens nur spärlich. Im 
Frühjahr leidet sie stark unter Raupenfraß. Die großen, 


roten Kirschpflaumen, von fad süßlichem Geschmack, werden 


auf dem Frauenfelder Markt als „Messalonen“ angeboten. 

Mehrere Leguminosen sind stattliche Bäume. Der 
Schusserbaum, Gymnöcladus dioeca Koch, steht m. W. nur im 
botanischen Garten. Der Christusdorn, Gleditsia triacanthus 
L., wird gewöhnlich, ebenso wie Sophora und Cladrastis, mit 
der Akazie verwechselt. Bei näherm Zusehen entdeckt man, 
daß viele Blätter der Gleditschie teilweise oder ganz doppelt 
gefiedert sind; bisweilen ist sogar ein Fiederblättehen zur 
. Hälfte ungeteilt, auf der andern Seite gefiedert. Die mächtigen, 
dreispitzigen Dornen des Baumes, die am Stamm oft starrende 
Diekichte bilden, gaben Anlaß zu der Annahme, daß die 
Dornenkrone Christi aus diesem Material bestanden habe. 
Tatsächlich ist der nach einem Berliner Gartendirektor 
Gleditsch benannte Baum erst im 18. Jahrhundert aus Nord- 
amerika (Kanada bis Texas) gekommen. Es gibt auch eine 
unbewehrte Abart, var. nermis Moench. Die dornige Art kann 
man in etwa 18 m hohen Bäumen in Kurzdorf an der Murg- 
brücke, im botanischen Garten, in Müllberg, kleinere im 
Garten von Redaktor Huber in Frauenfeld, in Breitenstein, 
„Felsenau“ Müllheim, sowie in Feldbach sehen. Von der 
unbewehrten Varietät stehen ein 138 m hoher Baum und ein 
etwas kleinerer im Aadorfer Park, ein 20 m hohes Exemplar _ 
in Breitenstein. Im Gegensatz zum Christusdorn bleibt der 
gemeine Judasbaum, Cereis siliquastrum L., ein Geschenk 
Südeuropas, bei uns ein Strauch oder kleiner Baum. Man 
liebt ihn wegen seiner schönen, nierenförmigen Blätter und 
seiner dunkelroten Blüten, die im April und Mai aus dem 
alten Holz hervorbrechen. In Lilienberg steht ein 6 m hoher 
Baum; kleinere Pflanzen habe ich in Luisenberg, in Frauen- 
feld an der Ringstraße, an der Oberkirchstraße und beim 
Schmirgelwerk gesehen. Das nordamerikanische Gelbholz, 
Oladrastis Intea C. Koch, ist in den Staaten Nord-Karolina, 
Kentucky und Tennessee einheimisch. Es unterscheidet sich 
von der Akazie auf den ersten Blick durch die weniger 


— 39. — 

zahlreichen (5—-9) und größern Fiederblättchen, sowie durch 
- die große, lockere Blütenrispe, an der die weißen Blüten 
‘Mitte Juni, nach der Akazienblüte, erscheinen. Der Sommer 
1917 brachte sie nach langer Pause zu ausgiebiger Ent- 
wieklung. Zwei etwa 8 m hohe Bäume stehen in Frauenfeld 
im Garten von Redaktor Huber, kleinere in Brunnegg, Emmis- 
hofen und in Liebburg. Häufiger ist der japanische Schnur- 
baum, Söphora Japönica L., der seine grünlich-weißen, in 
_ lockern, aufstrebenden Rispen stehenden Blüten erst im August 
und September öffnet. Da diese Zeit sonst an Blüten schon 
recht arm ist, so wird die Sophora vom Bienenzüchter hoch 
geschätzt. Ihr Laub ist dunkler als das der Akazie; die 
Fiederblättchen sind eiförmig-lanzettlich, nach vorne etwas 
zugespitzt. Der warme Vorsommer 1917 hat die Sophoren 
im Thurgau zu ganz besonderer Blütenentfaltung veranlaßt, 
an der auch die selten blühenden Trauerformen teilnahmen. 
Große, 18—20 m hohe Sophoren findet man in Aadorf, im 
Garten von Redaktor Huber in Frauenfeld, in der „Bellevue“ 
Kreuzlingen, sowie in Gottlieben, etwa 10 m hohe bei der 
Kantonsschulturnhalle in Frauenfeld und in Brunnegg. Eine 
schöne Trauersophore von etwa 5 m Höhe überdacht in 
Frauenfeld den Garten der Bierhalle am Kreuzplatz; kleinere 
stehen im Garten von Frau Haffner in Frauenfeld, in den 
städtischen Anlagen Arbons, vor dem Schloß Glarisegg, in 
Gottlieben und anderswo. Auch die Akazie, richtiger Robinie, 
Robinia_ pseudacdeia L., hat im Jahre 1917 sehr reichlich 
geblüht, mit Ausnahme der Kugelakazie, var. umbraeulifera 
D.C., die nie blüht. Die Robinie erreicht bei uns 20 m, 
z.B. im Aadorfer Park, in der „Bellevue“ Kreuzlingen und 
sonst; die schönsten in Frauenfeld stehen im Huberschen Garten. 
Als interessante, dekorative Verwendung der Robinie ist ein 
etwa 300 m langer Laubengang von Sandegg nach Eugens- 
berg zu erwähnen, in dem sich von rechts und links ab- 
wechselnd Robinien und Goldregenbäume in einer Höhe von 
5 m zusammenwölben. Zur Blütenzeit in der zweiten Hälfte 
Mai bietet dieser Gang einen bezaubernden Anblick. Weniger 
_ verbreitet sind die beiden rosenrot blühenden Arten, die aus 
den südlichen Vereinigten Staaten stammen. Die klebrige 
Robinie, R. glutinosa Sims, deren Zweige mit klebrigen 
Drüsenwarzen besetzt sind, besitzt in Aadorf am westlichen 


Era = 


Parkeingang zwei 10 m hohe Vertreter, die Stacheln tragen, 
während die Nebenblätter bei dieser Art gewöhnlich nicht 
stachelig sind. Desgleichen fehlen die Stacheln bei der 
borstigen Robinie, R. hispida L., deren Triebe mit roten 
Borsten besetzt mil (Frauenfeld n mehreren Gärten, als 
Strauch oder kleiner Hochstamm). 
Aus der tropischen Familie der Simarubaceen ist ein 
ostasiatischer Angehöriger zu uns gekommen, der Götter- 
baum, Avlanthus glandulösa Desfontaines. Er gleicht mit 
seinen großen Fiederblättern auf Distanz dem Schwarznuß- 
baum; doch erkennt man ihn leicht am unangenehmen Geruch 
des Laubes, sowie an den roten Drüsen, die sich auf 1—3 
Randzähnen am Grunde jedes Fiederblättchens befinden. Junge 
Bäume machen bis 3 m lange Jahrestriebe (Müllberg) und 
tragen riesige bis 1 m lange Blätter mit 41 und mehr 
Fiederblättehen. Der Götterbaum ist entweder männlich oder 
zwitterig; für den Garten sind die Zwitter zu empfehlen, da - 
die in großen Büscheln vereinigten Flügelfrüchte, wenn sie 
im Spätsommer rot überlaufen sind, eine Hauptzierde des 
Baumes bilden. In Frauenfeld steht ein kleiner Baum im 
Spitalgarten, zwei etwa 14 m hohe am Waldrand im Heeren- 
berg. Kleinere bis 8 m hohe Exemplare sieht man ferner 
in der alten Baumschule Bischofszell, in Moosburg und Feld- 
bach. Größere bis 18 m hohe Bäume fand ich im Aadorfer 
Park, in Dießenhofen (Unterhof), in Müllheim am Dorfausgang 
gegen Lamperswil, in Müllberg, „Bellevue“ Kreuzlingen, 
Irrenanstalt Münsterlingen, in Arbon beim Schloßturm. Wohl 
der schönste Ailanthus im Thurgau ist der 20 m hohe Baum 
im „Lindenhof“ Dießenhofen; sein glatter, weißgrauer Stamm 
mißt bis zu den ersten Aesten 8 m. 
Die Ahorngewächse, Aceraceen, haben schon in unserm 
Wald drei ansehnliche Vertreter; dazu kommen im Garten 
noch einige Ausländer. Einer der kleinsten ist der man- 
dsehurische Ahorn, Acer ginnala Maximowiez, der 6m 
hoch wird, aber in eaenold (Kappeler-Ammann) schon bei 
2m Höhe über und über mit Früchten beladen ist. Seine 
Blätter sind dreilappig; der mittlere Lappen ist viel länger 
und breiter als die Seitenlappen. Der allbekannte Bergahorn, 
A.pseudoplatanus L., erreicht z. B. in Lilienberg 20 m Höhe. 
Er findet sich in Anlagen häufig als f. purpurdscens mit roter 


a Ta 2 


Blattunterseite (in Frauenfeld z. B. beim Retiro und an der 
Grabenstraße), oder mit weiß oder gelb panaschierten Blättern. 
"Ebenso formenreich ist der japanische Fächerahorn, A. pal- 
matum Thunberg, ein überaus feiner und zierlicher Garten- 
schmuck. Seine 7—11lappigen, sehr tief geteilten Blätter 
sind grün bis dunkelrot; bisweilen sind die Lappen noch 
einmal zerschnitten (f. palmatifidum, z. B. in Tänikon). Unsere 
Bäumchen, die 6 m erreichen können, sind gewöhnlich nur 
1—2 m hoch; man findet sie z. B. in Frauenfeld in ver- 
schiedenen Gärten. Der Fächerahorn wächst schwer an, 
kommt aber noch auf feuchtem Boden, ebenso wie der Berg- 
ahorn. In Kanada und den Vereinigten Staaten bis zum 
Felsengebirge hat der Eschenahorn, A. negundo L., seine 
Heimat, der mit seinen drei- oder fünfzählig gefiederten 
Blättern an eine Esche erinnert. Er ist häufig in Anlagen; 
doch nur als kleinerer oder mittlerer Baum; 40 jährige Bäume 
in Breitenstein und Lilienberg sind 12 m hoch. In kleinern 
Gärten liebt man eine schwachwüchsige, weißblättrige Abart, 
die auf breite, rundliche Krone geschnitten wird. Der Feld- 
_ ahorn, A. campestre, hat seine Stelle in großen Landschafts- 
gärten. So steht bei Sandegg ein 8 m hoher Baum, in Aadorf 
sogar einer von 14 m. Vermutlich kommt auch der stumpf- 
blättrige Ahorn, A. obtusatum W. & K., bei uns vor, der 
in Zürich schon große Bäume aufweist; sein Blatt gleicht 
‘dem des Bergahorns, die Lappen sind aber stumpflich und 
breiter. Nicht gerade selten ist der Spitzahorn, A. platanoides 
L., besonders in der Abart f. Schwedleri = coloratum rubrum 
Pax, die an jungen Zweigen dunkelrote Blätter trägt. Diese 
Form sieht man z.B. in mehreren mittelgroßen Exemplaren 
bei der Kirche Amriswil. Ein einziges Mal habe ich den 
pennsylvanischen Ahorn, A. Pennsylwanicum L., getroffen, 
dessen plumpes Blatt am Ende drei kurze Lappen trägt. Ein 
etwa 10 m hoher Baum steht im Garten des „Kaufhauses“ 
Hauptwil. 

In demselben Garten ist die Familie der Hippocastana- 
ceen durch einen ehrwürdigen 250 jährigen Baum vertreten, 
ich meine die mächtige weiße Roßkastanie, Aesculus 
hippocastanum L., von der bereits in der Einleitung die Rede 
war. Bekanntlich ist die weißblühende Kastanie bei uns 
allgemein verbreitet, ebenso wie die rotblühende A. carnea 


Bee 
Hayne, die etwas kleiner bleibt. Diese letztere gilt übrigens 
als ein Bastard zwischen A. hippocastanum > pdvia. Hippo- & 
kastanum hat seine Heimat auf dem Balkan, die rotblühende 
Pavia, die nur 8 m hoch wird, in den mittleren Vereinigten 
Staaten. Vermutlich kommt Pavia hie und da auch in reiner - 
Art vor. Ein anderer Amerikaner, diesmal aus den atlantischen 
Südstaaten, ist die gelbe Pavie, A. octdndra Marsh. So heißt 
der schöne, gelblich blühende, gegen 100 Jahre alte Baum, 
der sich als Sehenswürdigkeit vor der alten Kirche Romans- 
horn erhebt. Aus derselben Sippe gibt es noch einen schönem 
Strauch, die Aehrenpavie, A. parviflöora Walter, der hier 
neben seinen größern Verwandten Erwähnung finden mag. 
Die weißen Blüten erscheinen im Juli in langer, schmaler 
Rispe und sind nicht so dekorativ: wie die weißen und roten 
Kerzen der andern Arten. Dagegen dürfte das elegante Blatt 
ein vorzügliches Motiv für das Kunstgewerbe bilden. Auf 
einem langen, an der Sonne rot angelaufenen Stiel wiegen 
sich die fünf ebenfalls gestielten Blättchen; sie sind so fein 
gesägt, daß ihr Umriß als eine einfache, geschwungene Linie 
erscheint, die eine verkehrt-eilängliche Spreite umschließt. Diesen 
Strauch, der höchstens 4 m hoch wird, haben der Aadorfer Park, 
der Pfarrgarten von Aawangen, der botanische Garten Frauen- 
feld, der Garten von Dr. Guhl in Steckborn, die städtischen 
Anlagen zu Arbon, der Garten von Frau Major Brunnschweiler 
in Hauptwil usw. 
Die Linden gehören in die Familie der Tiliaceen. Die- 
'jenigen Arten, deren Blattunterseite weißfilzig ist, werden 
als Silberlinden bezeichnet. Eine ganze Allee von 50 Silber- 
linden besitzt Frau Major Brunnschweiler in Hauptwil in 
ihrem Garten. Nach der Form ihres Nüßchens lassen sich 
die ungarische und die amerikanische Silberlinde unterscheiden. 
Die ungarische Silberlinde, Tilia tomentösa Moench, hat 
eine runde, ungefurchte Frucht mit fünf feinen, erhabenen 
Linien. Zu dieser Art gehören in Frauenfeld die Linden im 
Spitalgarten und ein 18 m hoher, prächtig geformter Baum in 
Oberkirch. Bei der amerikanischen Silberlinde, 7. alba 
Aiton, dagegen ist das Nüßchen durch fünf Furchen seicht 
fünflappig. Sie ist vertreten z. B. in der „Friedau*“ Frauenfeld 
und in Müllberg, beiderorts in stattlichen Exemplaren. Sie 
stammt aus den nördlichen und mittleren Vereinigten Staaten. 


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Weiter südlich, von New York bis Florida, hat die weich- 


_ haarige male, T. pubescens Aiton, ihre Se Ein solcher 


v 


Baum ziert den rien Wartmann nee dem Bahnhof Wein- 


felden. Alle die genannten Linden und auch die noch zu 
nennenden einheimischen Arten haben schief herzförmige 


: Blätter; dagegen sind die Blätter der Schwarzlinde, T. 


Ameriedna L., gleichseitig herzförmig; sie ist in Kanada und 


in der Union östlich von der Prärie zu Hause. Diesen Baum 


glaube ich im Arboner Stadtpark gefunden zu haben. Unsere 


beiden einheimischen Linden sind leicht zu unterscheiden, 
bilden aber einen Bastard, dessen Merkmale schwanken. Die 
_ Sommerlinde, 7. platyphyjlia Scopoli, hat weichhaarige 
_ Blätter«mit grauen Bärten in den Nervenwinkeln der hell- 


grünen Unterseite. Die Blütenstände sind 2—5blütig. Die 


- Winterlinde, T. cordata Miller, hat ein oben glattes Blatt, 
auf dessen blaugrüner Unterseite rostrote „Aderbärte* sitzen; 


die Blüten sind zu 5—11 angeordnet. Große Bäume der 
letzten Art sind z. B. die beiden 60 jährigen Bäume neben 
der Karthause Ittingen (20 m hoch), vier Stück im Gottlieber 


Park (18 m), die Linde in der „Valdivia* Dozwil (18 m). 


Sommerlinden sind die prächtige Klosterlinde von St. Katha- 


 rinenthal, die Gerichtslinde beim Schloß Hard, die Gerichts- 
_ linde in Gottlieben, zwei Bäume von den „drei Linden“ in 


Bischofszell, die uralte Dorflinde in Roggwil. 
Die Familie der Araliaceen ist bei uns durch den Efeu 
und außerdem durch einen kleinen Baum vertreten, die . 


_ ehinesische Aralia, Ardlia Chinensis L. Der Stamm dieser 


Aralie ist hellgrau; die Zweige und sogar die Spindeln der 
doppelt gefiederten Blätter sind stachlig. Die Hauptzierde des 


_ Baumes sind die großen bis 1 m langen Blätter; in der 


EEE. SEE EHEN, , OD BERN 


4 


zweiten Hälfte August erscheinen die kleinen, weißen Blüten 
in mächtigen Rispen. Ich habe die chinesische Aralie in 
Frauenfeld bei Fabrikant Steinhäuser, in zwei Gärten zu 
Müllheim, bei der Schuhfabrik Wigoltingen, in Müllberg und 
in Kreuzlingen gefunden. Das ansehnlichste Exemplar steht 
neben der Wirtschaft zum Heidenhaus. Es hat 12 cm Stamm- 
durchmesser und 3 m Höhe bei einem Alter von über 20 
Jahren und verträgt das Klima von 700 m Meereshöhe gut. 

Dagegen gibt es im Thurgau, wie es scheint, keine 
Ebenaceen mehr. Schröter erwähnt im Jahr 1902 in 


A / 


der „Vegetation des Bodensees“, II. Teil; Seite 83, eine 


Dattelpflaume, Deospyros Kaki L., die in Romanshorn 
gestanden hätte. Nach freundlicher Mitteilung von Herrn 
Sekundarlehrer Bach ist dort nichts mehr von einem solchen 
Baum bekannt. 

Unsere Esche, Fraxinus exeelsior L., die zu den Oleaceen 
gehört, ist im allgemeinen wegen ihrer weitausreichenden 
Wurzeln im Parke nicht beliebt; doch findet sie sich in 
großen Landschaftsgärten. Im Februar 1913 wurde auf der 
Höhe von Kastel eine 220jährige Riesenesche gefällt, deren 
Stamm bis zur Gabelung 7,5 m maß, unten 1,40 und oben 
1,15 m diek.war und über 200 Zentner wog. Die gemeine 
Esche blüht ohne Blumenblätter; es gibt aber einige Spezies 


ihrer Gattung, die im Frühjahr weiße Blüten entfalten. Die 


gemeine Blumenesche, Fr. ornus L., ist ein kleiner Baum, 
der sich auch außerhalb seiner Blüte im Mai von der wilden 
Esche durch die Zahl der Fiederblättehen (ornus 7, excelsior 
11) und die Farbe der Knospen (ornus silbergrau, excelsior 
schwarz) unterscheidet. Eine 3 m hohe Blumenesche steht 


neben Schloß Kastel, eine 5 m hohe, die von Gröpelingen 


bei Bremen in den Thurgau gebracht wurde, bei Brunnegg, 
Emmishofen. 

Nicht ganz leicht zu unterscheiden, wenn nicht Blüten 
oder Früchte einen Fingerzeig geben, sind die Paulownia, 
ein japanischer Baum aus der Familie der Scerophulariaceen 
und die Trompetenbäume aus der Familie der Bignoniaceen. 


Die Paulownia, Paulöwnia tomentösa K. Koch, hat tief 


herzförmige Blätter, an denen sich bisweilen 3—5 Ecken 
bilden. Die im Mai erscheinenden Blüten sind bläulichrosa; 
die Frucht ist eine elliptische Kapsel. Indessen fallen die 
Blütenknospen, die sich schon im August bilden, meist den 
Spätfrösten zum Opfer; die Winterkälte schadet ihnen weniger. 
Das Frühjahr 1917 war infolgedessen eher günstig. Zwei 
5 und 6 m hohe Paulownien vor dem Hotel „Seeburg“ in 
Arbon haben geblüht, ebenso zwei schöne 20 m hohe Bäume 
in der „Bellevue“ Kreuzlingen. Dagegen kam ein 12 m hoher 
Baum in Brunnegg nicht zum Blühen, und eine Paulownia in 
Gaienhofen soll seit 1911 nicht mehr Blüten angesetzt haben. 
Ebenso wenig haben vier 5m hohe Bäume in Frauenfeld 
und in Eschlikon geblüht. Man hält dieses Gewächs auch 


etwa als Blattpflanze. Es wird in den Gärten von Dr. Altwegg 
"und Direktor Züst, Frauenfeld, bis nahe an die Erde abgeschnitten 
und treibt an 3m ons Schößlinge mit ungeheuren 
Blättern. 

Der gemeine Trompetenbaum, Ontälpa bignomioides 
Walter, hat seicht herzförmige, bisweilen mit Ecken versehene, 
etwas übelriechende Blätter. Seine weißen Blüten erscheinen 
in der zweiten Hälfte Juli; die Frucht ist eine bohnenartig 
langgestreckte, walzliche Kapsel wie bei allen Catalpen. Er 
wird nur etwa 10 m hoch. Blühende Bäume sah ich in Feld- 
bach, in Eugensberg, beim Schloß Hard (8 m hoch), bei der 
- „Bellevue“ Kreuzlingen (6 m), zwei Stück in der „Blumenau“ 

Uttwil 8 m), im „Scherbenhof“ Weinfelden (10 m), in der 
„Friedau“ Frauenfeld (7 m), etwas kleinere zu Amriswil im 
Kindergarten, bei Herrn Ammann und bei der „Tonhalle.“ 
Zu derselben Art gehören die geköpften Bäume bei der 
Mädchenturnhalle und in mehreren Garten in Frauenfeld. 
. Der gemeine Trompetenbaum ist in den östlichen Vereinigten 
Staaten von Illinois an südwärts zu Hause. Nur in Illinois 
und in Ohio gedeiht im wilden Zustand der prächtige 
Trompetenbaum, (. speciösa Warder. Seine Blätter haben 
keinen besondern Geruch und sind tiefer herzförmig, so daß 
er leicht mit Paulownia zu verwechseln ist. Die .weißen 
' Blüten erscheinen schon Ende Mai. Ein solcher Baum steht 
am Hafen von Arbon; dahin gehört wohl auch das geköpfte 
Exemplar an der Mauer des alten Friedhofs in Ermatingen. 
Außerdem haben wir noch den japanischen Trompeten- 
baum, C. ovata G. Don, der im Juli gelblich blüht. Seine 
Blätter tragen unterseits in fast allen Nervenwinkeln violette 
Flecke. Eine japanische Catalpa bei der Schuhfabrik Wigol- 
tingen hat diesen Sommer reichlich Blüten angesetzt. 


2. Ziersträucher. 


Da die Sträucher viel weniger seßhafte Bewohner unserer 
Gärten sind als die Bäume, so begnüge ich mich damit, die- 
jenigen Arten, die ich nur einmal fand, die vielleicht schon im 
nächsten Jahre wieder verschwinden, ohne Beschreibung, nur 
mit Namen anzuführen. Ein großer Teil der Sträucher werden 
_ ihrer Blüten wegen gehalten; ich versuche deshalb, sie ungefähr 
in der Reihenfolge ihres Aufblühens anzuordnen und hoffe 


SERIE ES 


dadurch zu ermöglichen, daß häufigere Pflanzen nach meinen 


Angaben erkannt werden können. Auch erleichtert es viel- 


leicht diesem oder jenem Gartenbesitzer, der den ganzen 


Frühling und Sommer über blühende Sträucher haben möchte, 


die Auswahl seiner Pflanzen. Es ist selbstverständlich, daß 
meine Liste bei diesen kleinern Gewächsen noch weniger 
Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann als bei den 
Bäumen. Ebenso wird man mit meiner Abgrenzung zwischen 
Bäumen und Sträuchern nicht zu strenge ins Gericht gehen; 


denn es gibt eine Menge Holzgewächse, die hochstämmig und 


strauchig wachsen; anderseits erschien es mir bei einigen 
Straucharten der Familien Magnolia, Prunus, Aesculus, Acer 
usw., deren meiste Vertreter bei uns als Bäume auftreten, 
geboten, sie gleich bei ihrer Gattung oder Familie unter den 


Bäumen zu erwähnen. Es sei nun also sozusagen ein Blüten- 


kalender für die Sträucher eines thurgauischen Ziergartens 
aufgestellt. 


Februar. Das Blütenjahr beginnt in milden Wintern schon 


um die Neujahrszeit, gewöhnlich aber Ende Februar, wenn 


nämlich die Haselsträucher aus der Familie der Salieaceen 
ihre schon anfangs August gebildeten Kätzchen ausstäuben 
lassen, worauf bald aus dieken Knospen die weiblichen Blüten 
als kleine, rote Federchen hervorkrechen. Die Haselnuß 
unserer Gebüsche, Cörylus Abelläna‘ L., erscheint auch im 
Garten, und zwar teils in der Stammform, teils mit eigen- 
tümlich grobgezähnten Blättern, die an Nesseln erinnern. Die 


Abart wird daher als urtieifolia bezeichnet (z.B. Frauenfeld am 


Algisserfußweg; Amriswil, Garten Ammann; Arbon, städtische 
Anlagen; Kreuzlingen, Colomba). Meistens aber hält man im 
Garten die südeuropäische Lambertsnuß, C. maxima Miller, 
deren Frucht an Größe die Waldhaselnuß übertrifft und in 
eine lange, grüne Becherhülle vollständig eingeschlossen ist, 
während die Waldhaselnuß herausschaut. Eine rotblättrige 
Abart (purpürea) der Lambertshasel gilt als besonders trag- 
freudig, hat aber etwas kleinere Nüsse. Die auffallend große 
Webbnuß unserer Gärten, bei der die Zipfel der grünen 


1 Die Haselnuß heißt bei Plınius und andern lateinischen Schrift- 
stellern nux Abellana, sie selber oder der Strauch Abellana, nach 
der kampanischen Stadt Abella; die Schreibart Abellana ist also 
richtiger als das übliche Avellana. 


ER 


Hülle die Frucht von oben noch sehen lassen, ist vermutlich 
eine veredelte Waldhaselnuß. 

Gleichfalls schon im Februar oder anfangs März blüht 
der portugiesische Lorbeer, Vibürnum tinus L., ein süd- 
europäischer Strauch aus der Familie der Period, mit 
rötlichen Trugdolden. Er gilt bei uns als nicht winterhart; 

_ doch habe ich ihn vielfach am Neuenburger- und Genfersee 
gesehen, und sogar auf der Mainau hält er aus und trägt 
keimfähige Früchte. Es ist daher vielleicht doch nicht ganz 
Sn wenn man versuchsweise in Eugensberg am Teich 

im Sehatten hoher Bäume einige Tinussträucher gepflanzt hat. 

März. Den ersten Farbenton in den noch winter- 
lichen @arten bringt schon im März der bekannte Seidelbast 

_ oder Kellerhals, Daphne Mezereum L., mit seinen hellpurpurnen 
Blüten. Dieser Strauch aus der Familie der Thymelaeaceen 
erreicht im Garten, wo er nicht fortwährend wie im Walde 
durch das Abreißen seiner Zweige geschädigt wird, eine 
Höhe von 1 m und darüber. Aus derselben Familie wird in 
Eugensberg noch der flaumige Seidelbast, D. cneörum L., 

_ gehalten; er öffnet seine rosa Blüten im Mai. Ebenfalls schon 
im März sehen wir einen Strauch oder kleinen Baum sich 
mit kleinen, zitronengelben, doldig angeordneten Blüten be- 

decken. Dieser gelbe Schimmer verrät den im Sommer 
wenig beachteten Kornelkirschbaum, die Dürlitze, Oornus 
mas L., bei uns „Tierlibaum“ genannt, aus der Familie der 
Cornaceen. Erst im September reifen seine roten, säuerlichen 
Steinfrüchte, „Tierli*, von denen es auch eine weißgelbe 
Abart gibt (Aadorf, Berg, Dießenhofen). Die größten Kornel- 
kirschbäume erreichen etwa 5-6 m Höhe, z. B. beim Schloß 

 Gaehnang, in Aadorf, Hauptwil (Kaufhaus), Müllberg, Hard. 
In der Gegend von Iltishausen sollen verwilderte Dürlitzen im 
Walde vorkommen. Ueber die Weiden vergleiche Seite 23. 

April. Schon reicher ist die Strauchblüte im zweiten 
Frühlingsmonat. Zunächst seien einige immergrüne Pflanzen 
genannt, die in diesem Monat ihre wenig auffallenden Blüten 
öffnen. Da ist der Mäusedorn, Ruscus aculedtus L., aus 
der Familie der Liliaceen, dessen Zweige man aus Kränzen 
kennt. Die kleinen Blüten stehen mitten auf steifen, stachel- 
spitzigen, dunkelgrünen „Blättern“, die deshalb richtiger 
als Zweige, „Phyllokladien“ aufgefaßt werden. Ein solches 


BES ENER EN 


Sträuehlein gedeiht seit Jahren im botanischen Garten der 
Kantonsschule. Schon im untern Tessin trifft man den Ruscus 
im Buschwald. Ferner blüht um diese Zeit der allbekannte 
Buchs, Buxus sempervirens L., Familie der Buxaceen. In der 
Westschweiz wird er wild gefunden. Er kommt bei uns als 
niedere Beeteinfassung, var. suffruticosa L., vor, wie als höherer 
Strauch. Durch Beschneiden kann man aus ihm allerhand 
Figuren herstellen, wie es z. B. in Eugensberg mit viel 

Phantasie geschehen ist. Bisweilen hat er panaschierte Blätter 
mit weißem oder gelblichem Rand (Frauenfeld, Spitalgarten). 

Immergrün sind ferner eine Anzahl Gewächse aus der Familie 

der Berberidaceen. Eine hieher gehörige Gattung mit ge- 
fiederten Blättern führt den Namen Mahonia. Da gibt es 

eine japanische Mahonie, Mahönia Japönica D.C., die im 

April ihre gelben Blüten entfaltet. Sie trägt starre, gelb- 

grüne Fiederblättehen mit sechs bis acht kräftigen Stacheln und 
bildet freistehend ansehnliche, diehte Büsche von 2 m Höhe. 

Ebenso häufig ist ihre Verwandte von der andern Seite des 

Stillen Ozeans, die aus Kalifornien und seinen nördlichen 

Grenzländern stammende glanzblättrige Mahonie, M. aqwi- 

folkum Nutt., deren gelbe Blüten Ende April erscheinen; oft 
sieht man sodann im Sommer ihre blaubereiften Beeren. Die 
Fiederblättchen sind oben glänzend dunkelgrün und feiner 

'gezähnt. Diese Mahonie hat allenthalben unter dem Winter 

1916,17 und namentlich unter der Februarsonne schwer 

gelitten. 

Jetzt regen sich auch die sommergrünen Gewächse. Immer 
noch als Vorläufer des allgemeinen Blühens entfalten die nach 
einem englischen Botäniker Forsyth benannten chinesischen 
Forsythien ihre üppige, goldene Pracht. Sie gehören in die 
Familie der Oleaceen und finden sich in den Gärten in zwei 
Arten. Die schönere davon ist unstreitig die hängende 
Forsythie, Forsyjthia suspensa Nahl. Bei ihr brechen die 
vierzipfligen, goldgelben Glocken mehrere Tage vor den 
Blättern hervor, und zwar in überraschender Fülle. Zu dieser 
Art gehören die kräftigen Sträucher in einem Garten neben 
der Kantonsschule, die in jedem Frühjahr das Entzücken 
aller Vorbeigehenden bilden. Weniger effektvoll, weil zugleich 
mit dem Laub und etwas weniger zahlreich erscheinend, sind 
die Blüten der dunkelgrünen Forsythie, F. vöridissima 


' Lindley. Ihre Blätter bleiben stets einfach, lanzettlich und 
_ färben sich vor dem späten Laubfall weinrot, während die 
_ andere Art teilweise dreizählige Sommerblätter treibt. Eine 
- dritte Art, F. Europaca Deg. & Bald., stammt aus den 
albanischen Bergen; sie gedeiht bei uns auch gut und wird 
_ im botanischen Garten der Kantonsschule gehalten, reicht 
‚aber an Zierwert nicht an F. suspensa heran. 

Gleich nach den Forsythien öffnen die zu den Saxifragaceen 
gehörigen Zierjohannisbeeren ihre Blüten- und Blattknospen. 
Die rotblütige Johannisbeere, Ribes sangwineum Pursh, 
hänst tiefrote, vielblütige sn nlen aus; Früchte on 
sie meist Rdn, an. Merkwürdigerweise enthält dieser und 
jener Gaeten auch die Alpenjohannisbeere, Ribes Alpinum:- 
 L., obschon ihre zweihäusigen Blüten ganz unscheinbar sind 
und auch die schwach glänzenden Blätter keinen hervorragenden 
Zierwert haben. Etwa 14 Tage nach diesen beiden Arten blüht 
die Goldtraube, R. aureum Pursh, deren goldgelbe Glocken 
in wenigblütigen Trauben vereinigt sind. Selten trifft man 
ihre glänzend schwarzen Beeren; mir sind sie nur im Garten 
der Irrenanstalt Münsterlingen begegnet. Ribes aureum dient 
als Unterlage für Stachel- und Johannisbeerhochstämme; oft 
sieht man am Fuße dieses Beerenobstes die glatten Blätter 
der Goldtraube austreiben. Ribes sanguineum und aureum bilden 
‚ einen Bastard, R. Gordonidnum Lemaire, dessen Blüte die 
rote und die gelbe Farbe nebeneinander aufweist. Die rot- 
blühende wie die gelbblühende Johannisbeere stammen aus 
Kalifornien. 

Unterdessen erscheinen die ersten Rosenblütler auf dem Plan 
mit ihren zierlichen weißen Dolden. Es ist dies Thunbergs 
Spierstrauch, Spiraea Thunbergi Siebold, der grasgrüne, 
schmale Blätter trägt und in Frauenfeld recht häufig ist, 
während der egleichzeitig blühende pflaumenblättrige 
Spierstrauch, Sp. prunifölia 8. & Z., mit ovalen, fein ge- 
zähnten Blättern, etwas weniger verbreitet ist und in Frauen- 
feld z.B. im Schloßgarten und bei Prof. Büeler steht. Sonst 
habe ich ihn z.B. in Hauptwil, Bischofszell, Amriswil und 
beim Heidenhaus (700 m ü. M.) gesehen. Bi Sträucher 
stammen aus Japan; Sp. pr unifolia ist bei uns immer gefüllt. 
In Eugensberg habe ich außerdem noch einen Bastard, Sp. 
arguta Zabel = Sp. Thunbergi X multiflöora gefunden. 


N En 7 


Von einheimischen Holzgewächsen blüht jetzt im Garten 2 
die Sehneeheide, Erica cdrnea L., aus der Familie der 
Erieaceen. In den Alpen öffnet sie ihre tiefroten Glöckchen 
erst einen Monat später. Eine Verwandte von ihr, E. multi- 
caülis Salisbury, die steife Heide, aus Südeuropa, dagegen 
blüht erst vom Juli an. Beide finden sich gelegentlich in 
Steingruppen. Auch der gemeine Sanddorn, Hippöphaes 
rhamnoides L., aus der Familie der Elaeagnaceen, ein Be- 
wohner der Flußufer, z. B. längs des Rheins oberhalb des 
Bodensees, setzt jetzt schon seine unscheinbaren, zweihäusigen 
Blüten auf. Er ist leicht kenntlich an seinen schmalen, grauen 
Blättern, zwischen denen Dornen hervorragen. Seine Haupt- 
zierde sind die gelbroten Beeren, die an weiblichen Exemplaren 
im Spätsommer oft in großen Mengen sitzen. Ein ungewöhnlich 
hoher Sanddorn (6—7 m) im Kleinkindergarten zu Frauen- 
feld trägt nur vereinzelte Beeren, vielleicht weil die nächste 
männliche Pflanze zu weit entfernt ist. In dieselbe Familie 
gehört die Silberölweide, Hlaedgnus argentea Pursh, die 
ebenfalls durch ihr silbergraues Kleid auffällt. Ihre Biütezeit 
fällt in den Juni. Man findet diesen Gast aus den Nord- 
staaten der Union in Frauenfeld in den Gärten zur „Meise“ 
und zur „Erika.“ 

Mai: Nun beginnt der Wonnemonat, und die Blütenpracht 
erreicht ihren Höhepunkt. Zu dem, was schon die letzten 
Tage April gebracht haben, treten neue rote, weiße, gelbe und 
violette Farbentöne. Einen Haupteffekt in der Maienherrlich- 
keit machen die Tamarisken aus der Familie der Tamaricaceen. 
Es sind bis 3 m hoch werdende Sträucher mit überaus duftigen, 
feinen Zweigen und Zweiglein, an denen nur ganz schuppen- 
artig kleine Blätter sitzen. Die zierliche Verästelung erinnert 
an Spargelkraut. Die viermännige Tamariske, Tamarix 
teträndra Pallas, aus Südosteuropa, treibt im Mai zahlreiche, 
fleischrote Blütenähren, deren winzige Einzelblüten vierzählig 
sind. In Frauenfeld ist es besonders eine Gruppe von drei 
Tamarisken an der Ringstraße, die in jedem Mai die Blicke 
auf sich zieht. Eine zweite Art, aus Südfrankreich, die fünf- 
männige Tamariske, T. Gaällica L., unterscheidet sich von 
der ersten bei genauem Zusehen durch fünfzählige Blütchen, 
und namentlich dadurch, daß sie dieselben etwas spärlicher 
als die Verwandte aus dem Balkan und erst im August 


SZ 0 


öffnet (in Frauenfeld bei Kappeler-Stierlin, Redaktor Huber 
und sonst). 

Es folgt die dufterfüllte Zeit, wo der Flieder blüht. Von 
diesem Strauch, der zu den Oleaceen gehört, haben wir etwa 
- fünf Arten. Der persische Flieder, Syringa Persica L., hat 
schmal-herzförmige, am Grunde nicht ausgebuchtete Blätter. 
‚Seine zahlreichen Büsche waren um den 20. Mai 1917 so 
überreich mit den leichten, lilafarbenen Blütenrispen besetzt, 
daß man die Blätter nicht mehr sah. Breiter und am Stiel- 
ansatz etwas ausgebuchtet sind die Blätter des gemeinen 
Flieders, $. vulgaris, der aus Südosteuropa stammt. Seine 
Blüten sind weniger zahlreich und verblassen bald. Man zieht 
ihm daher vielfach den chinesischen Flieder, $. Ohinensis 
Willd., vor, der noch größere Blätter und schwerere, intensiver 
gefärbte weiße oder dunkelviolette Blütenrispen trägt. Er ist 
wahrscheinlich ein Bastard der vorgenannten Arten. Etwa zwei 
Wochen später blühen zwei Fliederarten, deren elliptisches, 
etwas runzeliges Blatt den Flieder nicht ohne weiteres er- 
kennen ließe, wenn nicht die Blüten, diesmal in locker 
zusammengesetzten Rispen, sich als Fliederblüten präsentierten. 
Es sind der Emodiflieder, $. Emödi Wallich, aus dem 
Himalaya, und der Josikaflieder, S. Josikaeca Jacquin fil., 
aus Siebenbürgen. Bei jenem sitzen die Staubblätter tiefer in 
der Röhre, aber noch über ihrer Mitte, bei diesem oben am 
Schlunde; sonst sind die Sträucher sehr ähnlich. Außerdem 
steht im botanischen Garten noch der japanische Flieder, 
S. Japönica Dene., und der zottige Flieder, 8. villosa Vahl. 

Kaum ist das erste Lila der Fliederbüsche da, so beginnt 
der den Leguminosen angehörige, südeuropäische Goldregen, 
Laburnum vulgare Grisebach, seine üppigen, goldgelben 
Trauben auszuhängen. Er wird als Strauch oder häufiger als 
kleiner Baum gezogen; ausgiebige Verwendung hat er in 
dem schon genannten Laubengang von Eugensberg erhalten, 
siehe Seite 35. Einen Platz im Garten möchte man auch 
einem Verwandten von ihm gönnen, dem purpurnen Geiß- 
klee, Oytisus purpüreus Scopoli, der im botanischen Garten 
in Frauenfeld gut gedeiht und in der zweiten Hälfte Mai 
schön blüht. Auch der Besenginster, (. scoparius Link, 
öffnet jetzt seine gelben Blüten. Oft mit dem Goldregen 
verwechselt wird der Erbsenstrauch, Caragana arborescens 


EURE EN 


Lamarck, obwohl an ihm die gelben Blüten nicht Trauben 
bilden, sondern zu 1—3 zwischen den paarig gefiederten Blättern 
stehen. Dieser schöne Gartenschmuck kommt aus Sibirien. 
Läßt man ihn strauchig frei wachsen, so wird er 6 m hoch, 
z. B. in Breitenstein; gewöhnlich aber ist er ein kleiner, etwa 
2 m hoher Hochstamm mit hängenden Aesten, z. B. hinter 
dem Spital in Frauenfeld, auf dem Friedhof Aawangen und 
sonst sehr häufig in Gärten und auf Gräbern. Auffallend ist 
das starke Dickenwachstum dieser Stämmechen; während die 
Krone manchmal nicht größer ist als die eines tüchtigen 
Rosenstocks, erreicht der Stamm einen Durchmesser von 1 dm 
und darüber. Noch eine Leguminose ist die strauchige 
Kronwicke, Coronilla emerus L., die bei Glarisegg wild 
wächst, aber wegen ihrer gelben, zu 1—3 stehenden Blüten 
gerne auch im Garten gehalten wird. Ihre gefiederten Blätter 
haben gewöhnlich 7 Blättehen, die von Caragana 8 oder 10. 
Gleichzeitig mit diesen Schmetterlingsblütlern erfreuen eine 
Anzahl Caprifoliaceen unser Auge. Schon ganz zu Anfang des 
Monats blüht der Waldholunder, Sambueus racemösa L., der 
freilich weniger wegen der grünlichen, kugelig angeordneten 
Blüten als wegen der vom Hochsommer an auffallenden roten 
Beeren gehalten wird. Zwei Formen des Waldholunders mit 
scharf gesägten oder fiederschnittigen Blättchen, f. serrata und 
lacinidta, werden als Blattpflanzen behandelt, indem man 
die Triebe jeden Herbst bis zum Boden abschneidet, worauf 
im Frühjahr neue üppige Schößlinge erscheinen (Windegg, 
Frauenfeld). Der ebenfalls bei uns wild wachsende kleine 
Mehlbaum, Vibürnum lantana L., erreicht in den günstigen 
Verhältnissen des Gartens eine Höhe von 6 m („Blumenau*® 
Uttwil). Auffallender sind seine Verwandten, die kanadische 
Schlinge, V.lentago L., die im botanischen Garten seit 
vielen Jahren ganz gut gedeiht, und namentlich der allgemein 
verbreitete Schneeball, V. opulus L., var. roseum L. Der 
wilde Schneeball hat im Wald an seinen Doldenrispen ver- 
größerte, unfruchtbare Randblüten und kleinere, fruchtbare 
Mittelblüten; an der Gartenform sind alle Blüten unfruchtbar 
und bilden eine erst grünliche, dann weiße Kugel. Aus Japan 
und China stammt die filzige Schlinge, V. tomentosum 
Thunberg, mit etwas runzeligen Blättern; die weiße Blüten- 
dolde ist flach und setzt in der Mitte Beeren an (Brüschwil, 


RAIN 


- Hamisfeld, Garten von Dr. Guhl in Steckborn). In einer Garten- 
form, f. Bon Maxim. = f. plenum Rehder, setzt diese Schlinge 
ebentalls runde Schneeballen an, und zwar schon an 1 m hohen 

Sträuchern. Ich habe den schönen Busch in Frauenfeld in den 
Gärten Huber-Albrecht und Kappeler-Ammann, und nament- 
lich zahlreich in Eugensberg gesehen.. Zu den Caprifoliaceen 
gehört außerdem die Gättung Lonicera, wovon im Mai das 
Heckengeißblatt, Z. xylösteum L:, mit -gelblichweißen 

, Zwillingsblüten und die tatarische Heckenkirsche, ZL. 
Iberiea Marschall Bieberstein, die in Südostrußland und Sibirien 
einheimisch ist, mit rosenroten Blüten ins Auge fällt. Noch 
häufiger als diese Decksträucher sind die reizenden Weigelien, 

_ von denen namentlich eine Art, Diervilla florida 8. & Z., in 

vielen Arten mit weißen oder ‚rosenroten Blüten von Ende 
Mai an jeden Garten schmückt. Bisweilen haben die A 
weiß oder gelb panaschierte Blätter. 

‚Aus der Familie der Rosaceen sind es besonders Me 
Obstbäume, die im Mai jedes Auge erfreuen, und ihre nächsten 
‘Verwandten, darunter die schon erwähnte Mandelaprikose, 
Primus triloba Lindley, Seite 33, die Zieräpfel, Malus, Seite 32 
und das japanische Sträuchlein Ito Sakura, Primus pendula, 
Seite 33, sowie die japanische Scheinquitte, Ohaenomeles 
Japönica Lindley. Aus den dunkelgrünen Blättern der Schein- 
quitte heraus glühen tiefrote Rosenblüten in großer Menge. 
Dieser Strauch pflegt quittenartige Früchte anzusetzen, die 

_ man im Herbst zu Konfitüre verwenden kann. Jetzt, im August 
1917, hat Chaenomeles vielerorts unter Meltau gelitten. Zu 
erwähnen sind ferner zwei sehr häufige, weißblühende Spiräen, 
die im Charakterbild unserer Gärten eine große Rolle spielen: 
Van Houttes Spierstrauch, Spiraea« van Houttei Zabel, ein 
Bastard zwischen der nordehinesischen Sp. trölobata L. und der 
südehinesischen Sp. Cantoniensis Loureiro, sowie der ehren- 
preisblättrige Spierstrauch, Sp. chamaedryfola L., der 
‚seinen natürlichen Verbreitungsbezirk von Oesterreich ostwärts 
bis Japan hat. Beide tragen reichlich weiße Blüten; doch wird 
das reine Weiß bei dem zweiten durch die lang heraus- 
ragenden Staubfäden etwas gestört; auch sind die graugrünen, 

_ vorn groß gezähnten Blätter von Sp. van Houttei schöner als 

die oft etwas gelbgrünen von chamaedryfolia. Ein weiterer 
japanischer Gast, die Kerrie, Kerria Japönica D.C., öffnet 


4 


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ee 


in sehr vielen Gärten gegen Ende Mai ihre einfachen oder 
gefüllten, gelben Röschen, „spanische Rösli.* Unscheinbarer 
sind die Blüten der Cotoneasterarten. Allenthalben auf 
Steingruppen sieht man einen niederliegenden Strauch, dessen 
lange Zweige die kleinen, elliptischen Blätter an Kurztrieben 
in Menge tragen. Sein schönster Schmuck sind die zahlreichen 
roten Beeren, die sich fast bis zum Frühling erhalten. Es ist 
die niederliegende Zwergmispel, Ootoneaster horizontalis 
Decaisne. Sie stammt aus China und blüht im Mai mit kleinen, 
roten Becherblüten. Daneben gibt es in vielen Gärten eine 
ähnliche, aber aufrechte Pflanze, bei der Blätter und Beeren 
linear doppelt so groß sind als bei der niederliegenden Zwerg- 
mispel. Blütenbecher und Kelch sind spärlich behaart, aber 
reichlich bewimpert; die Blätter sind beiderseits anliegend 
gelblich-steifhaarig, ebenso die krautigen Triebe. Blattlänge 
11/a—2!/a em. Es ist Simons’ Zwergmispel, (0. Sömönsi 
Baker, die vom Himalaya eingeführt worden ist.! Die Blätter 
der beiden Sträucher fallen erst im Winter ab und werden 
vorher schön rot. Eine weitere Art ist immergrün und blüht 
mit weißer, ausgebreiteter Blumenkrone. Es ist die klein- 
blättrige Zwergmispel, ©. microphyjlius? Wallich, die aus 
dem Himalaya stammt und in Frauenfeld am Teich im Spital- 
garten, bei Frau Truninger und bei Prof. Büeler zu sehen 
ist. Wenig bekannt ist die schwarze Apfelbeere, Sorbus 
(Arönia) melanocarpa Heynhold, ein nordamerikanischer 
Strauch, den Dr. Guhl in Steckborn hält.. Er schmückt sich 
später mit erst roten, dann schwarzen Beeren. 

Weit verbreitet dagegen ist der gemeine Kirsch- 
lorbeer, Laurocerasus officinalis Roem.; doch sieht man bei 
uns selten die im Mai aufblühenden, aufrechten, weißen 
Blütentrauben. Immerhin kommt dieser Strauch gelegentlich 
nicht nur am See, sondern auch im innern Thurgau zum 
Blühen (Wigoltingen, Berg). Im August werden sodann seine 
schwarzen Kirschen reif. Uns ist der Kirschlorbeer wertvoll - 
dureh’ seine elliptischen, glänzenden, immergrünen Blätter. 

! Die Bestimmung der beiden rotblühenden Cotoneasterarten 
verdanke ich Herrn Dr. Thellung in Zürich. Die Beschreibungen 
bei Koehne und bei Lehmann sind unzureichend. 

2 Ootoneaster ist ein künstlich gebildetes Wort nach Analogie 


von oleaster. Da dieses Maskulinum ist, so hat man zu schreiben 
microphyllus statt mierophylia ! 


Uebrigens ist er nicht ganz winterhart; er wird daher zerne 
an Hausmauern gepflanzt, wo er vor der Wintermorgensonne 
geschützt ist. Im Februar 1917 wurden durch die Sonnen- 
wärme, die auf eiskalte Nächte folgte (— 15,8 °), viele Büsche 
stark beschädigt, indem Blätter und Zweige erfroren. Der 
Kirschlorbeer hat seine Heimat auf der Balkanhalbinsel und. 
in Vorderasien bis nach Persien hinein; am härtesten soll 
eine Abart aus dem Balkan, die var. Schipkaensis Späth, sein. 
Bei uns in Frauenfeld erreicht der Laurocerasus noch nicht 
über 2 m Höhe, während ich in Luisenberg ein 10 m breites 
und 4 m hohes, freistehendes Massiv gefunden habe. 

Einen märchenhaften Glanz aus buntern Zonen bringen 
im Mai*die zu den Ericaceen gehörigen Rhododendron- 
sträucher. Leider halten sich die exotischen Arten nicht viele 
Jahre; auch ist man selten in der Lage, sie in größern 
Mengen zu pflanzen, da sie Moorboden verlangen. In Eugens- 
berg hat man sie zu Hunderten im Halbschatten der hohen 
Bäume eingesetzt und dadurch im Mai 1917 einen Farben- 
effekt erzielt, wie er sich erst südlich von den Alpen wieder 
findet. Da blühen natürlich auch unsere Alpenrosen, Rhodo- 
dendron ferrugineum und hirsutum, die aber neben den aus- 
ländischen Vettern klein und bescheiden aussehen. Was da 
an immergrünen Arten im Park violette, hochrote, orangerote, 
hellgelbe und weiße Farbenflecke bildet, sind fast lauter 
Bastarde, die folgenden Arten nahe stehen: Rh. Pönticum L. 
(Armenien), hellpurpurn, Rh. maximum L. (Neuengland), rosa, 
Rh. Oatawbiense Michaux (atlantische Südstaaten der Union), 
violett, Rh. Dahurieum L. (südliches Sibirien), rosa. Sommer- 
grün sind Rhododendron Canadense Zabel, rosa oder weiß, 
Zeh. molle Miquel, orangerot (aus Japan), Rh. flavum Don, 
sattgelb (vom schwarzen Meer), Rh. Kaempferi Planch., orange- 
rot (aus Japan). Einen besonders tiefen Eindruck machte mir 
ein meterhoher Strauch, der noch blattlos war, vermutlich 
Reh. hiteum C.S. Von oben bis unten mit rotgelben, großen 
Blüten bedeckt, glich er einer lodernden Flamme, vor der sich 
die dunkelgrünen Koniferen in respektvoller Distanz hielten. 
Aus derselben Familie schmücken jenen fürstliehen Park noch 
der schmalblättrige Berglorbeer, Kalmia angustifoha L., 
und die blütenreiche Andrömeda, A. floribünda Pursh, 
ebenfalls Moorpflanzen von der Ostküste der Vereinigten Staaten. 


EEE 


Noch zwei ‚allgemein bekannte und auffallende Maien- 
blüher sind zu nennen. In reichem Weiß prangt anfangs 
Mai die zierliche Deutzie, Deutzia gracilis 8. & Z., eine 
Saxifragacee. Sie stammt aus Japan und wird nicht ml 
1 m hoch. ‚Auf Rasenplätzen sieht man sodann Ende Mai 
die strauchartige, Pfingstrose, Paeönia arborescens, ihre 
meist gefüllten, rosenroten Blüten entfalten. Ihre Heimat ist 
China; in der Systematik hat sie ihren Platz unter den 
Ranunculaceen. 

Eine Reihe Sträucher haben unscheinbare Blüten; sie zieren 
durch ihre Blätter oder noch mehr durch ihre Früchte. Beides 
trifft zu bei der Ste chpalme, Tlex aquifolium L., die im Wald 
‚als Strauch gedeiht, im Garten aber meist als kleiner Baum 
gezogen wird. Es gibt im Winter keinen schönern Garten- 
schmuck als ihre immergrünen, glänzenden Blätter, zwischen 
denen rote Beeren glühen. . Dieses schöne Gewächs aus der 
Familie der Aquifoliaceen hat bisweilen auch panaschierte 
Blätter. Im Mai entfalten ferner die Berberitzen aus der 
Familie der Berberidaceen ihre gelben Blüten. Unsere heimische 
Berberitze, Berberis vulgaris L., ist wegen-der zierlichen, 
roten Träubchen, die sie im August schmücken, beliebt; nicht 
selten hält man sie in einer rotblättrigen Spielart, var. purpürea. 
An fremden Arten habe ich gesehen: Thunbergs Berberitze, 
B.ThunbergiD.C., aufKastel undsonst. Siestammtaus Japan;ihre 
roten Beeren stehen, im Gegensatz zur gewöhnlichen Berberitze, 
einzeln. Die buchsblättrige Berberitze, B. buxifolia Lam., 
mit immergrünen Blättern, die im übrigen der gemeinen Art 
gleicht, stammt aus Chile und ist eines der wenigen Geschenke, 
die die südliche gemäßigte Zone unserm Park gemacht hat. 
Gleichfalls aus Chile stammt der Bastard B. stenophjjlia hort. 
oder vielmehr seine beiden Stammeltern 2. Darwini Hooker 
und B. empetrifölia Poiret. Der Rand seiner immergrünen 
Blätter ist stark eingerollt und gibt ihnen ein nadelartiges 
Aussehen; die Früchte beider Chilenen sind blau. 2. stenophylla 
findet sich in Frauenfeld bei Redaktor Huber, Hans Gyr, 
Kappeler-Ammann usw. 

Die Familie der Celastraceen liefert uns das Pfaffen- 
hütchen, Fvonymus Europaea L., mit den bekannten, zuletzt 
roten Früchten. Hievon wurde im Park von Hard ein älteres 
Exemplar gefällt, das nach Mitteilung von Forstassessor 


& Marquardt 6—7 m hoch und 25 em. diek war; wegen seiner 
ungewöhnlichen Größe erkannte den Baum ans, niemand. 
Nicht viel kleiner ist ein 50jähriges Exemplar im botanischen 
Garten Frauenfeld. Aus Ostasien kommt der geflügelte 
Spindelbaum, E. striata' Loes. = E. alata Koch, (Aadort, 
Eugensberg) und namentlich der immergrüne, japanische 
Spindelbaum, EZ. Japöniea Thunberg. Dieser hat in Frauen- 
feld in: vielen Gärten, wo er nicht nach den Frostnächten 
von der Februarsonne beschienen wurde, den Winter 1916/17 
ganz gut überstanden, an der Sonne aber stark gelitten. Neben 
der grünen, aufrechten Form gibt ‘es noch eine kriechende, 
f. radicans, mit meist weiß panaschierteu Blättern. Man ch 
sie häufig an Gartenzäunen nicht sehr weit in ‘die Höhe 
steigen; Blüten entwickelt sie nicht. In dieselbe Familie 'ge- 
hören die Pimpernüsse. Die gemeine Pimpernuß, Staphylea 
_ pinndta L., die gelegentlich wild vorkommt, wird ab und zu 
im’ Garten allen weniger wegen der eben Blüten als 
wegen der aufgeblasenen Frucht. Sie hat fünfzählige Fieder- 
blätter. Die dreizählige Pimpernuß, 8f. trifolia L., hat 


nur drei Fiederblättehen und kommt von der amerikanischen 


Ostküste. Ich fand einen 4 m höhen Strauch: bei Dr. Guhl 
Fin Steckborn, eine u ur Pflänzlinge am Teich in 
_ Eugensberg. 

- Auch’ die Familie ‚der Cornaceen hat le die Ende 
‚Mai blühen. In Hecken finden wir alsdann den gemeinen 
 Hornstrauch, Oörnus sanguinea L., in Blüte. Im Garten setzt 
der sibirische Hartriegel, (. alba L., seine pyramiden- 
förmige, weiße Rispe auf. Im August trägt er an Stelle der 
Blüten weiße Beeren, die einen himmelblauen Anflug auf- 
weisen. Eine Abart las Strauchs, die var. Sibirica, scheint allein 
bei uns vorzukommen; sie zeichnet sich im Winter durch 
blutrote Farbe der Rinde aus. In dieselbe Familie gehört 
noch -Atcuba Japonica Thunberg, ein immergrüner Strauch, 
den man oft im Schaufenster von Metzgerläden sieht. Im 
Freien kommt er bei einigem Schutz an Mauern leidlich durch 
den Winter; doch hat der Frost und die Februarsonne 1917 
. eine Menge Pflanzen getötet oder verstümmelt. Die Haupt- 
zierde der Aukuba sind die glänzend grünen, gelb gefleckten, 
-elliptischen oder lanzettlichen Blätter; die roten Beeren be- 
kommt man höchstens am Untersee zu sehen. 


Auch noch im Mai blüht die Kleeblattzitrone, Citrus 
trifoliata L. Sie kommt in drei Exemplaren, gegen Winter- 
sonne und Westwind geschützt, bei Brunnegg ohne Decke 
durch die kalte Jahreszeit. Der schöne japanische Strauch 
aus der Familie der Rutaceen hat dreizählige Blätter, starke, 
grüne Stacheln, und trägt im Spätsommer nußgroße Zitronen. 
In die Familie der Nachtschattengewächse, Solanaceen, ge- 
hört der gemeine Bocksdorn, Lyeium halimifolium Miller. 
Dieser chinesische Strauch läßt vom Mai bis zum Oktober an 
seinen überhängenden Zweigen hell-purpurne Blüten erscheinen. 
Ich fand ihn in Dießenhofen und in Bischofszell. 

Juni. Noch immer nimmt die Blütenfülle nicht ab. Zu 
Anfang Juni treten in den mannigfaltigsten Gartenformen 
und Sorten die Rosen auf den Plan. Vor allem aus ist es 
die indische Rose, Rosa Indica L., die uns in der Varietät 
semmperflöorens Curti, die Monatsrosen, in der Varität Indica 
Koehne die Teerosen liefert. Immer mehr Verbreitung findet 
sodann die ostasiatische Büschelrose, Rosa multiflöora Thun- 
berg, der die kletternden Arten angehören. Ebenfalls aus 
Ostasien eingeführt und vielfach vorhanden ist die runzel- 
blättrige Rose, R. rugösa Thunberg. An dem stark 
stacheligen Strauch fallen die runzeligen, neunzähligen Blätter 
auf, sowie die kräftigen, roten Früchte, auf denen zur Reifezeit 
die Kelehzipfel 2—2!/g em lang stehen. Als alte Rosenarten 
dagegen, die im Verschwinden begriffen sind, haben wir noch 
die Zentifolie, R. Gallica L., var. centifolia L. und die Moos- 
rose, R. Gaällica f. muscosa, zu nennen. Auch die gelbe 
Rose, R.lutea Mill., die man z.B. in Mammern und Ermatingen 
noch häufig sehen kann, hatte im Mittelalter ihre größte 
Verbreitung." Erwähnt sei ferner die Apfelrose, R. villosa L., 
var. pomifera Herrmann, die bei Dr. Guhl in Steckborn und 
im botanischen Garten in Frauenfeld zu finden ist. Professor 
Wegelin nennt endlich noch als Bewohner von Bauerngärten 
die gefüllte weiße Rose, R. alba L., sowie die Pompon- 
rose, „Lyonerrösli“, R. pompönia Lindley. 

Von andern Rosaceen dieses Monats ist zu nennen: der 
Kaimastrauch, Rhodötypus kerrioides 8. & Z., japanischen 


! Vergleiche Dr. W. Rytz, Ein Blick in die Vergangenheit 
unserer Gärten, in „Schweizerische Obst- und Gartenbau-Zeitung“ 
1917,. Seite 146/47. 


- Ursprungs. Er hat ungeteilte, gegenständige, runzelige Blätter 
' und endständige, reinweiße, vierzählige Blüten. Die schwarz- 
braunen, rundlichen Trockenfrüchte, zu einem Klumpen ver- 
 einigt, erinnern von weitem an eine Brombeere. In Frauenfeld 
ist der Strauch nicht häufig; öfters begegnete ich ihm in 
‚Bischofszell, aber auch am See und in Aadorf. Auf Stein- 
gruppen erscheint die weiße Blüte der alpinen Silberwurz, 
Dryas octopetala L. Nicht selten hält man die kanadische 
Himbeere, Rübus odoratus L., in Frauenfeld, in Amriswil, 
_ auch noch beim Heidenhaus. Ihr Schmuck sind die großen, 
roten Blüten und die schöngeformten, gelappten Blätter, 


- während die Frucht keinen Obstwert hat. Natürlich fehlen 


dem Jumi auch die blühenden Spiräen nicht; vor allem beliebt 
ist der weidenblätterige Spierstrauch, Spiraea salieifolia 
-L., aus Osteuropa, mit schmalen, fleischroten Blütenrispen, 

sowie ein Bastard, $. Fontenaysi rösea h., dessen weiße, rosa 
_ angehauchte Blüten in einer kurzen Pyramide stehen. Er 
stammt von Sp. salieifolia X canescens D. Don, wovon der zweite 
im Himalaya zu Hause ist. Einen andern Bastard, 8p. blanda 
‘ Zabel, von Sp. Cantoniensis X Chinensis, der mich stark an 
van Houttes Bastard erinnerte, fand ich in Salenstein. 

Der Feuerdorn, Pyracantha coccinea Roemer, ist in Süd- 
_ europa immergrün; bei uns läßt er in strengen Wintern die 
glänzenden Blätter fallen. Sein Hauptschmuck sind die in 
Doldenrispen stehenden, dicht gedrängten, weißen Blüten, und 
später die zahlreichen feuerroten Beeren. Ein schöner, 2 m 
hoher Feuerdorn steht im neuen Friedhof Ermatingen; aber 
auch in Kreuzlingen, Müllheim, Frauenfeld und Münchwilen 
gedeiht dieser zu wenig beachtete Zierstrauch. 

Aus der Familie der Calycanthaceen blüht im Juni der 
Erdbeergewürzstrauch, Calycanthus flöridus L. Seine aus 
zahlreichen, braunroten Blättern bestehende Blumenkrone und 
' deren würziger Duft läßt ihn leicht erkennen. Fast keinen 
_ Duft und schmälere Blätter hat der gleichzeitig blühende, 
fruchtbare Gewürzstrauch, (. fertilis Walter, während der 
frühblühende Gewürzstrauch, Chöimonanthus praecox Link, 
seine purpurnen Blüten schon im Frühling vor der Belaubung 
entfaltet (Spanner, Frauenfeld). 

Einige schöne und allgemein verbreitete Blütensträucher 
- liefert die Familie der Saxifragaceen. Hieher gehört der aus 


RT 


Osteuropa stammende gemeine Pfeifenstrauch, Phöladelphus 
corondrius L., bei uns „Zimmetrösli* genannt. Verwandte Arten 
sind der nicht duftende dünnblättrige Pfeifenstrauch, 
P. tenuifolius Bupr. & Maxim. (auch in Frauenfeld), sowie der 
Nepalpfeifenstrauch, .P. Nepalensis h., mit viel kleinern 
‚Blättern ‚und Blüten (z. B.: Amriswil im Kindergarten). Jener 
ist in der Mandschurei, dieser im: Himalaya zu Hause. Ein 
Hauptblüher des «Monats ist ‘sodann ‘die rauhe Deutzie, 
Deutzia. scabra Thunberg, die mit einfachen ‘oder: gefüllten, 
‚weißen Blüten fast jeden nn schmückt. Sie stammt 
aus Japan. 

Die Familie. der: os iminoeen erfreuf uns vom. A ‚an 
‚durch die gelben,: mit einer roten Zeichnung gezierten Blüten 
des Blasenstrauchs, Oolutea arboreseens L. An ihrer:Stelle 
trägt der in Mitteleuropa .einheimische Strauch später blasig 
‚aufgetriebene, prall. mit Luft. gefüllte Hülsen. Seine Fieder- 
‚blättchen sind ‘an. der Spitze leicht gekerbt. Der Besen- 
pfriemen, Spartium jümceum L:, war. schon vor..30 Jahren 
‚durch einen Strauch in Bischofszell. und. nöch kürzlieh durch 
einen andern in Glarisegg vertreten.. Nachdem der letztere.dem 
Winter 1916/17. zum -Opfer’ gefallen ist, vermag: ich keinen 
‚Standort - für ‚diesen: aus; dem‘ :Mittelmeergebiet: stammenden 
Schmetterlingsblütler mehr anzugeben. An Ginsterarten habe 
äich.in Gärten Genista tinctöria L. und :G. radiata Scopoli an- 
‘getroffen. : Den sibirischen Salzstrauch; Halemodendron 
‘halodendron Noß, kenne ich nur von einem ältern Exemplar 
in Kreuzlingen. Seine :silbergrauen, vierzähligen Blätter :wie 
‚die. Ber Blüte. ‚machen. ihn zu einem ‚schönen -Garten- 
schmuck. Ber 

; Aus der . Familie der Klaren blüht ee der nord 
amerikanische. Lederstrauch, .Ptelea trifokata L. Er hat 
‚dreizählige Blätter und eine Flügelfrucht, die nach Hopfen 
.duftet und wie die. Ulmenfrucht rings einen -häutigen Saum 
trägt. : Er findet. sich :hin ‚und ‚wieder im: innern Thusgen 
‚wie. am See.. TA 

Zu..den. Aäpardincein gehört a bekannter Eoaksn- 
strauch,, Cbtinus .coceı ygea -C.. Koch: ‚Er verdankt seine 


! In starrer Durchführung des Antennen aha : 


’C: Schneider jetzt wieder ©. coggygria, weil Scopoli den Strauch 
:1772:so 'benannt.hat.: Indessen ist dieser. alte Beiname anscheinend 


Beliebtheit den rötliehen Wollfäden, die aus seinem Fruchtstand 
 sprießen und im Spätjahr wie eine zerzauste Perücke aus- 
sehen. Der größte Strauch dieser südeuropäischen Art, etwa 
6 m hoch, steht in Frauenfeld im Garten von Frau Dr. Reiffer, 
. wo er seine Federhaare bis in den November behält. 
x »Sehon:. erwähnt: sind. der japanische Spindelbaum, sowie 
die :Oelweide.. Die Familie der Oleaceen ist im Juni durch 
die Ligusterarten vertreten. Neben dem einheimischen, ge- 
meinen Liguster, ‚der: Rainweide,  Zögustrum vulgare L., _ 
ist es namentlich eine südeuropäische Art, der eiblättrige 
Liguster, Z: ovalifölium Haßkarl, der als Deck- und Hecken- 
strauch verwendet wird und in: milden Wintern seine Blätter 
behält. «Im: Februar 1917 indessen: wurde nach den eisigen 
Nächten sein: Laub im Sonnenschein schwarz und fiel ab, 
doch, wie es scheint, chne-Schaden für den Strauch. Es 
‚gibt auch eine: Form mit weißgelbem an var. aureo- 
| man gindtum ‚Rehder. 

Mitte ‘Juni : bedeckt sich der schwarze holonden 
Sambueus nigra L., mit seinen duftenden Blüten. Im Park 
verwendet: man von ihm Spielarten mit ‘weiß oder gelb 
 geflecktem ‚Laub oder mit Blättern, an denen die Fieder- 
blättehen fiederschnittig sind. Alle diese Formen kann man 
z.B. im ‚Spitalgarten ‚Frauenfeld sehen. Gleichfalls in die 
Familie der Caprifoliaceen gehört die Schneebeere, Symphori- 
‚carpus racemösus Michaux, die von jetzt an bis in den Oktober 

ihre kleinen Blüten öffnet und weiße Beeren ansetzt. Der 

aus Amerika stammende Strauch hat den Vorzug, daß er noch 
im Schatten gedeiht; anderseits wird er durch Wuchern lästig. 
‘ Ebenfalls bis in den Herbst hinein blüht Adeli« Chinensis R: 
' Br,, ein mit Linnäa verwandter Strauch aus Nordchina. Ich 
beobachtete ihn 1916 an der Südseite der Eingangsterrasse 
von Kastel; im Sommer 1917: war er nicht mehr da, so daß 
‚ich vermuten muß, er sei dem .kalten Winter erlegen. 


aus Versehen entstanden; er ist weder lateinisch noch griechisch, 
und niemand weiß, was er eigentlich bedeutet. Ich verwende daher 
mit Koehne den 1869: von (©. Koch. aufgestellten Speziesnamen 
coccygea. Es ist, dies die Bezeichnung, welche der Perückenbaum 
schon im Altertum bei Theophrast (xoxxvy&«) und mit unbedeutender 
Aenderung (coceygia) bei Plinius geführt hat. Auch den Namen 
Ootinus kennt schon: Plinius. 


Enhe 


Juli. Allmählich vermindert sich die Zahl der blühenden 
Gewächse. Die reizende, kleinblütige Roßkastanie und die 
steife Heide sind schon erwähnt worden (Seite 38 und 46). 
Hauptsächlich sind es die Rosaceen und die Leguminosen, 
die auch im Hochsommer noch blühende Sträucher liefern. 
An Rosaceen sind zu nennen: die Kranzspiere, Stephanandra 
ineisa Zabel, ein japanisches Sträuchlein mit weißen Blüten 
(Liebburg); der gemeine Fingerstrauch, Potentilla fruticosa 
L., ein in Südeuropa und in Asien wildwachsender, kleiner 
Strauch mit gelben “Blüten (Wigoltingen; Arbon, städtische 
Anlage). Dazu die häufig gepflanzte Ebereschen-Fieder- 
spiere, Sorbaria sorbifolia Braun, deren gefiederte Blätter _ 
an den Vogelbeerbaum erinnern. Dieser sibirische Strauch 
wird etwa 2m hoch und ist am dekorativsten, wenn die 
weißen Blüten an den Rispen sich eben öffnen wollen. Regen 
in der Blütezeit beeinträchtigt seine Schönheit bald. Gegen 
Ende des Monats stehen noch zwei verbreitete Spiräen in 
Blüte: der japanische Spierstrauch, Spiraea Japonica L. 
fil., mit schönen, roten Dolden, und ein ganz ähnlicher, aber 
weißblühender Bastard, Sp. Foxi Koch, den Sp. Japonica mit 
der aus den Vereinigten Staaten stammenden Sp. corymbosa 
Rafinesque bildet. | 

Von Sehmetterlingsblütlern findet man jetzt mehrere Arten 
blühend. Die Sehönhülse, Oalöphaca Wolgarica Fischer, ist 
ein 2 m hoher, russischer Strauch mit gelben Blütentrauben 
(Kreuzlingen). Der vielpaarige Hahnenkopf, Hedysarum 
multijugum Maxim., stammt aus der Mongolei und hat violette 
Blüten in blattwinkelständigen Trauben, dazu gefiederte Blätter 
(botanischer Garten). Der kanadische Wandelklee, 
Desmödium Canadense D.C., hat dreizählige Blätter und hell- 
rote Blüten (botanischer Garten). Hellpurpurn sind die Ende 
des Monats erscheinenden Blumenkronen des Indigostrauchs, 
Indigöfera Gerardidna Wallich. Er stammt aus den höhern 
Regionen des Himalaya; ich fand ihn in zwei Frauenfelder 
Gärten. Seine Blätter sind ähnlich gefiedert wie die von 
Hedysarum. 

Die Familie der Anacardiaceen liefert den bekannten 
Essigbaum, Hirschkolbensumach, Rhus tıjphina L., aus den 
östlichen Vereinigten Staaten. Da er bisweilen zweihäusig ist, 
so erscheinen nicht immer zwischen den großen, gefiederten 


Be 


_ Blättern die roten Fruchtkolben. Sehr schön ist im Oktober 

- die rote Herbstfarbe seines Laubes. Er findet sich z. B. hinter 
dem Regierungsgebäude in Frauenfeld, wo er keine Früchte 
trägt, mit Früchten am Badweg, verwildert bei der Rohrer 
Brücke. Weniger groß sind die Fiederblättchen beim Schar- 
lachsumach, Rhus glabra L. Er ist ebenfalls in den Ver- 
einisten Staaten zu Hause, aber südlicher als R. Zyphina. 

Der Scharlachsumach gleicht in seiner Tracht der Ebereschen- 
Fiederspiere; doch hat diese grob- und doppeltgezähnte Blättchen, 
während sie beim Rhus nur entfernt gesägt sind. Auch fällt 
an den weißlichen Blütenrispen des Sumachs die dichte Be- 
haarung auf. Sein Name bezieht sich auf die Farbe des 
- Fruchtkelbens. Ich fand ihn wiederholt in Amriswil, in einem 
Garten nebeneinander in der typischen Form und mit fieder- 
teiligen Fiederblättehen, f. laciniata Carr. 

Zu den Rhamnaceen gehört die Säckelblume, (eanöthus, 
deren kleine, langröhrige Blüten in dichten Büscheln stehen. 

Ich traf davon zwei Bastarde, nämlich C. röseus hort. mit rosa 
Blüten (Anstalt Münsterlingen) und eine bläuliche Züchtung 
CO. americanus L. X azureus Desfontaines (Liebburg, Frauenfeld). 

In die tropische Familie der Loganiaceen stellt man die 
nach ihrem Entdecker Adam Buddle benannten Buddleiaarten. 
Nur Buddleia variabilis Hemsl. aus China wird nach meinen 
Beobachtungen seit kurzem im Thurgau gepflanzt. Es ist ein 
üppig wachsender, 2 m hoher Strauch mit lanzettlichen, unten 
weißfilzigen Blättern und langen, duftenden, violetten Blüten- 
rispen, die viele Sehmetterlinge anlocken. In Frauenfeld sieht 
man ihn erst in drei Gärten; ferner traf ich ihn in Steckborn, 
Hard, Liebburg, Münsterlingen und Kreuzlingen. 

Nahe mit der genannten Familie verwandt sind die 
Jasminaceen. Der gebräuchliche Jasmin, Jasminum offi- 
einale L., hat aufrechte Ruten, an denen sich die 5— 7 zähligen 

_ "Blätter und die langgestielten, weißen, duftenden Blüten wiegen 
(Kastel). Ferner sei noch Hydrangea arborescens L., die 
baumartige Hortensie, erwähnt, ein Strauch mit flachen 
Blütendolden, die an die bekannte, in Kübeln gezogene Hortensie 
erinnern, aus der Familie der Saxifragaceen (Steckborn). 

Im Hochsommer blühen endlich einige Sträuchlein aus 
der Familie der Labiaten, die wegen ihres Duftes oder als 
Küchenkräuter namentlich im Bauerngarten ihren Platz haben. 


SI 


Ich meine den Lavendel, Zavandula spica L., die Garten- 
salbei, Salvia offieinalis L., und den Ysop, Hyssöpus offiei- 
nalis.* Ihre Blumenkrone ist blau bis violett. Da sie sämtlich 
aus Südeuropa stammen, so wird ihnen ein strenger Winter 
gefährlich. Ich habe z.B. beobachtet, daß in Frauenfeld zahl- 
reiche Salbeistöcke der Kälte des Februars 1917 erlegen sind. 

August. Viele der genannten Blüten dauern in den August 
hinein; auch erscheinen jetzt die remontierenden Rosen’ wieder. 
Die zum erstenmal aufblühenden Sträucher sind bald genannt. 
Da ist ’eine Verwandte der eben genannten Hortensie, näm- 
lich die rispige Hortensie, Hydrangea paniculäata Siebold, 
die aber aus: Japan stammt, während jene im Gebiet des Ohio 
zu Hause ist. ‘Man sieht ihre breiten, weißen Blütenkegel 
den ganzen. Monat hindurch an vielen Orten. . In einigen 
Gärten von Frauenfeld blüht im August eine weitere Hortensie, 
die bis auf die Farbe der Randbliten Koehnes' Beschreibung 
von H. serrata D.C., und bis auf die Serratur mit ©. Schneiders 
Beschreibung von H. aspera Don, übeinstimmt. Die sterilen 
Randblüten. sind umgedreht und kehren die trübrote Unter- 
seite (bei Koehne violett) nach oben. ‘Der Blattrand ist ziemlich 
grob gesägt (nach ©. Schneider sehr fein). H: dspera ist nach 
©. Schneider die einzige Hortensie mit gezähnten sterilen 
‚Blüten, was bei der hiesigen Pflanze zutrifft. Jedenfalls ist 
‚der 1 m hohe Strauch recht dekorativ. Sehr häufig gepflanzt 
wird der syrische Roseneibisch, Hibiscus Syriacus L., aus 


der Familie der Malvaceen. Er wird 3m hoch ‘und hat weiße 


oder hellrote Blüten. Eine schöne Pflanze zu Weinfelden 
besitzt weißbunte Blätter und dunkelrote, gefüllte Blüten, die 
sich nur wenig öffnen: Trotzdem werden Samenkapseln gebildet. 
‚Jetzt blüht auch die südfranzösische Art der Tamariske, 
Tamarix Gallica L,, von der‘ schon ‚auf Seite 46 die Rede 
war. In zwei Frauenfelder Gärten fand ich Zespedeza formosa 
Koehne aus Japan, eine Leguminose. Dieses niedliche Sträuch- 
lein friert, wie Desmodium und Hedysarum, im Winter’ bis 
auf die Wurzeln zurück. Seine Blätter sind dreizählig; die 
hellpurpurnen Blüten hängen an fadenartigen Seitenzweigen. 
Reizend ist auch Leyeesteria formösa Wallich, eine Caprifoliacee 


x Vergleiche über diese Gewächse: H. Wegelin, „Die. alten Zier- 
pflanzen der thurgauischen Bauerngärten“, in Heft XII dieser 
Mitteilungen. 


en 


_ aus dem Himalaya. Der kleine Strauch hat unten gelappte, 
oben ungeteilte, herzförmige Blätter und wirkt besonders durch 
die großen, trübroten Hochblätter, welche die Blütenquirle 
_ umgeben. Nicht höher ist das großblumige Johanniskraut, 
Hryperieum cahjeinum L., das in seiner südosteuropäischen Heimat 
im Schatten liehter Wälder gedeiht. Die Blüten sind gelb, die 
länglichen Blätter immergrün (Schloß Berg). 

September. Wir haben ms Sträucher, die erstim Sopteralien 
ihre Blüte beginnen. Wohl aber setzen die Augustblüher: beide 
Hortensien, Roseneibisch, südfranzösische Tamariske, Lespedeza, 
Eobilumigen d ohanniskraut, von Bäumen die Sophora: und die 
Aralie ihren Flor noch’ ein paar Wochen fort. Auch. die 
Remontemtrosen und der japanische Spierstrauch sind immer 
noch auf dem Plan, ebenso die Gewächse, die den ganzen 
Sommer hindurch blühen, wie die Schneebeere und der Bocks- 
dorn. Gelegentlich erscheinen an Weigelien oder van Houttes 
Spiraea usf. noch vereinzelte Blüten. Der Hauptschmuck des 
Gartens sind indessen jetzt die Früchte. Prächtig nehmen sie 
sich aus, die roten Beeren und Steinfrüchte an Üotoneaster, 
 Kornelkirschbaum, Stechpalme, Runzel- und Apfelrose, Feuer- 
- dorn, amerikanischen und hiesigen Weißdornarten, Berberitzen, 
Ebereschen, Mehl- und Elsbeerbäumen, Pfaffenhütchen, Sand- 
_ dorn, Waldholunder; die schwarzen Beeren am schwarzen 
Holunder, Liguster, an ‚der Apfelbeere; die weißen Beeren 
des sibirischen Hartriegels und des Schneebeerstrauches, die 
schwarzbraunen Trockenfrüchte am Kaimastrauch, die nied- 
_ lichen Aepfelchen an den Zierapfelbäumen, die roten Kolben 
am Essigbaum und Scharlachsumach, die runden Flügelfrüchte 
des Lederstrauchs, die aufgeblasenen Hülsen der Pimpernuß und 
des Blasenstrauchs, die rötlichen Flaummassen am Perücken- 
strauch und die weiße Wolleder Waldreben. Auch im September 
macht ein wohlgepflegter Strauchgarten, ganz abgesehen vom 
Obst, seinem Besitzer noch große Freude. 


3. Kletterpflanzen. 


ner Kletterpflanzen gehören 15 verschiedenen Familien 
an. Aus der Familie der Aristolochiaceen haben wir den 
bekannten Tabakpfeifenstrauch, Aristolöchia macrophjlia 
 Lamarck, aus den südöstlichen Staaten der Union. Er wächst 
rasch, auch auf der Nordseite der Häuser, und gibt mit seinen 


a 


großen Blättern viel Schatten, ist daher allgemein verbreitet. 
Aehnlich raschwüchsig, aber nicht so schön ist der baldsehua- 
nische Knöterich, Poljgonum Baldschuanieum Regel, eine 
Polygonacee aus Zentralasien. Die Blätter sind herzeiförmig, 
die weißroten, kleinen Blüten zeigen sich den ganzen Sommer 
über an langen Rispen. Auch diese Pflanze sieht man häufig. 

Zu den Ranunculaceen gehört die arten- und formenreiche 
Gattung der Waldreben. Schon unsere einheimische Wald- 
rebe, Clematis vitalbaL., die nur ganz kleine, weiße Kelchblätter 
besitzt, bringt mit ihren verlängerten Griffeln, die als weißer 
Flaum aus Bäumen und Sträuchern herausragen, im Spät- 
sommer und Herbst eine schöne Wirkung hervor. Noch 
dekorativer sind die vielen ausländischen Arten mit blauen, 
violetten, roten, gelben und weißen Blumenkronen, die man 
morphologisch als Kelchblätter auffaßt. Freilich ist es hier 
sehr schwer, die Arten richtig anzugeben, da in der Gattung 
Clematis fast alle Gartenpflanzen durch Kreuzung entstanden 
sind. 

Im Monat Mai erscheinen die weißen, vierzähligen Blüten 
der Bergwaldrebe, 0. montana Buchanan, aus dem alten 
Holz. Diese Kletterpflanze aus dem Himalaya, habe ich in 
Romanshorn und in Amriswil an der Südseite zweier Häuser 
gesehen. Was sodann im Juni und Juli sehr häufig blüht, 
vereinzelt bis in den Herbst hinein, mit relativ kleinen Blüten, 
deren vier Blättehen etwas runzlig aussehen, hellblau oder 
rosa, ist O. vitieella L., die blaue Waldrebe, aus Südeuropa. 
Größer, etwa 10 cm breit, mit blassem Streifen auf den blauen 
oder hellroten Blumenblättern sind die Blüten eines Bastards 
der reichblütigen Waldrebe, (. flörida Thunberg. Diese 
ist eine japanische Pflanze, die aber nicht sehr hoch wird 
(nur 1,5 m). Höher und ebenso großblütig ist ein neuerdings in 
Inseraten und Preislisten viel angebotener Bastard, ©. Jackmani, 
Jackman. Als Eltern werden (. lanugincsa Lindley aus Japan 
und ©. viticella L. aus Südeuropa vermutet. 

An weißblühenden Arten sieht man im Sommer nicht 
selten die rispige Waldrebe, (0. paniculata Thunberg, aus 
Japan. Aus dem Mittelmeergebiet stammt die zierliche, blasen- 
ziehende Waldrebe, C. lammulaL., die ich auf einem Grab in 
Oberkirch im September noch blühend fand, neben 0. vitscella L. 
Da indessen die Waldreben meistens mit Hilfe ihrer Blattstiele 


ER 


_ klettern, die sie in die Krone anderer Holzgewächse hinein- 
_ drängen, wobei sie bisweilen einen Zweig direkt: umschlingen, 
‚so sinken sie an den glatten Grabsteinen hilflos zusammen. 
Besser würde sich hier eine nichtkletternde Art ausnehmen, 
etwa die südeuropäische, ganzblätterige Waldrebe, C. 
integrifolia L., die einfache, gegenständige Blätter trägt, sehr 
reichlich blauviolett blüht und etwa 60 cm hoch wird. Ich 
fand sie in zwei Gärten in Frauenfeld, sowie in Weinfelden, 
wo der Besitzer sie nach der Form der hängenden Blüte 
„Narrenkappe“ nennt. Ebenfalls in Frauenfeld sah ich die 
grüngelb blühende orientalische Waldrebe, (C. orientalis 
L., die aus Westasien stammt und bis tief in den Spätherbst 
hinein blüht. Einige Waldreben tragen krugförmige Blüten, 
deren Kelchblätter fest zusammengeschlossen bleiben. Eine 
hübsche Art mit reichlichen, weißen Blüten, die ich Mitte 
Juli in Kreuzlingen sah, dürfte die gleißenblättrige Wald- 
rebe, (. aethusifölia Turezaninow, aus Nordchina, oder ein 
ihr nahestehender Bastard gewesen sein. Noch reizender sind 
die hochroten Krüglein der scharlachblütigen Waldrebe, 
.C. coceinea Engelm., aus Texas. Obschon sie aus einem wärmern 
Klima stammt und im Winter bis zum Grund erfriert, hat sich 
in Weinfelden eine solche Pflanze schon seit 30 Jahren ge- 
halten; sie wird in der kalten Jahreszeit nicht einmal gedeckt. 

Sonst erlebt man mit den Clematisarten oft den Verdruß, 
daß sie ohne sichtbaren Grund eingehen. Die Ursache davon 
sind Nematoden, Pflanzenälchen, die am Wurzelhals der 
Sträucher schmarotzen. 

Es folgt die Familie der Lardizabalaceen mit der zierlichen: 
'Schlingpflanze Akebia quinata Decaisne aus Japan. Sie hat 
von allen Schlingern allein die Eigentümlichkeit, daß sie auch 
an wagrechten Stützen noch vorwärts wächst. Ihre dunkel- 
roten Blüten erscheinen im Mai; der Hauptschmuck sind 
indessen die fünfzähligen Blätter. Akebia klettert etwa 5 m 
hoch; man kann sie in Frauenfeld an mehreren Orten, an 
der „Felsenau“ Müllheim, am Schloß Berg usf. sehen. Eine 
Akebia an der „Brunnegg“ Emmishofen ist am Wurzelhals 
1 dm dick. 

Aus der Familie der Saxifragaceen steigt die Kletter- 
 hortensie, Hydrangea petiolaris 8. & Z., vermittelst Haft- 
wurzeln an Mauern empor. Diese selten blühende Pflanze aus 


BR 


Japan traf ich im Juni 1917 am „Lindenhof“ in Dießenhofen 
in Blüte. ; 
Allgemein bekannt ist. die zu dent Lezuminose gehörige 
chinesische Glyeine, Wisteria Sinensis D.C., aus Nord- 
china. Ihre blauen Blütentrauben erscheinen = Menge im 


Mai, vereinzelt noch bis zum Herbst. Besonders der Flecken: 
Name scheint eine große Nerbebe für diesen schönen 


Schlingstrauch zu haben. - 

Ein unheimlicher Gast: aus den elanlichen Südstaaten 
der Union ist der kletternde Giftsumach, Giftefeu, Brhus 
radicans L.; Familie der Anacardiaceen. Er bekleidet die 
Ostseite ni 31/g m hohen Gartenmauer des Schlosses Berg; 


außerdem stehen einige Sträucher in. zwei Gärten von Frauen- 


feld. Der weiße Milchsaft der Stengel und der Wurzeln, eine 
Harzemulsion, hat nach gef.. Mitteilung von Dr. Haffter in 


Berg wiederholt bei Gärtnern langwierige, heftig juckende 


Hautausschläge hervorgerufen. Die. meisten Personen sind 


indessen, wie hiesige Beobachtungen ergaben, gegen das Gift: 


immun. Zum Blühen kommt der langgestielte, dreizählige 
Blätter treibende Strauch, trotz üppigen Wucherns, an den 
angegebenen Standorten ah k 

De trägtderrundblättrigeBaumwürger, Oellishriß 
orbieulatus unbe Familie der Celastraceen, bei uns seine 


runden, orangefarbenen Kapseln reichlich. We bei dem nahe. 


verwandten Spindelbaum umgibt den Samen ein rotbrauner 
Arillus. Die „Beeren“ werden von den Vögeln nicht gefressen 
und bleiben somit den ganzen Winter über am Strauch. 
An drei Wänden des Klosterhofs in Ittingen klettert dieser 


japanische Sehlinger durch Umwinden von Stützlatten seit 


1909; namentlich an der nach Süden gekehrten Wand hat er 
1917 überreichlich Beeren angesetzt. Ein anderes Exemplar, 
das in Lilienberg im Schatten ein Geländer verkleidet, 
fruktifiziert nicht. 

Die Familie der Vitaceen enthält Kletterpflanzen, deren 
Ranken sich mit Haftscheiben oder durch Winden an ihrer 

! Ueber den Giftsumach ist zu vergleichen: Z Rost und E. Gilg, 
„Der Giftsumach“, Berichte der deutschen pharmazeutischen Gesell- 
schaft 1912, und Nestler in „Umschau“ 1913, Seite 460, Waltisbühl, 
ebenda, Seite 603. Gegen das heftige Jucken hilft nach Rost 


und Gilg eine gesättigte Bleiazetatlösung in 50—75 prozentigem 
Alkohol sofort. 


BENENNEN WERTEN 


tern 


—_ 6 


"Stütze festhalten. Am stärksten sind die Haftscheiben bei der 
.dreispitzigen Jungfernrebe,. Psedera tricuspidata Rehder 
(Ampelopsis Veitchi), aus Japan, die deshalb überall zur Be- 
' rankung von Mauern verwendet wird, und namentlich durch die 
rote Herbstfärbung dekorativ wirkt. Bei dem ebenfalls allgemein 
bekannten wilden Wein, Psedera (Ampelopsis) quinquefolia 
Greene, aus Kanada, ist das Haftvermögen nicht so groß, so 
daß er Stützen erhalten muß. Alle folgenden Arten klettern 
durch Umschlingen von Stäben oder von Zweigen anderer 
Gewächse. Die verschiedenblättrige Doldenrebe, Ampe- 
lopsis heterophylla 8. & Z., aus Nordchina, hat teils seicht, teils 
tief 3- oder 5lappige Blätter (Amriswil). Tief fünfspaltig bis 
gefingemt ist das Blatt der ebendaher stammenden, sturmhut- 
blättrigen Doldenrebe, A. aconitifolia Bunge, var. dissecta - 
Koehne, die in großer Ueppigkeit an einem Gartenzaun neben 
der Kantonsschule wuchert. Am Schloß Berg gedeiht die Ussuri- 
Doldenrebe, A. brevipeduneulata Koehne; ihre Blätter sind 
dreilappig. Die eigentliche Weinrebe, Vitis vinifera L., wird 
nicht selten als Spalierpflanze gehalten. Ueber eine Pflanzung, 
bei der die Reben unbesehnitten in die Höhe wuchsen, be- 
richtete Herr Sekundarlehrer Oberholzer, Arbon, in der 
„Ihurgauer Zeitung“ vom 24. Oktober 1908. Danach waren 
an einer Pappel zwischen Roggwil und Mammertshofen zehn 
40 jährige Reben etwa 15 m hoch hinaufgewachsen und da- 
mals reich mit blauen Trauben beladen. Dasselbe Phänomen, 
das in Italien nichts Seltenes ist, habe ich 1906 in Allmanns- 
dorf gesehen. Eine Form der Weinrebe, die sog. Petersilien- 
rebe, „Jerusalemrebe“, var. apiifolia Loud., hat fünfzählige 
Blätter mit fiederschnittigen Blättchen (Frauenfeld). Zur Be- 
kleidung von Lauben dürften auch noch Verwendung finden: 
die nördliche Fuchsrebe, V. Labrusca L., von der Ostküste 
der Vereinigten Staaten, und die Sandrebe, YV. rupestris- 
'Scheele, vom untern Mississippi. Beobachtet habe ich diese 
beiden nicht, wohl aber die Uferrebe, V. riparia Michaux, aus- 
derselben Gegend wie die Fuchsrebe. Sie bedeckt einen Lauben- 
gang in Kastel, und bestätigt daselbst die Angabe von Koehne;: 
daß die Uferrebe bei uns meist männlichen Geschlechtes ist. 
Die Familie der Dilleniaceen liefert verschiedene windende 
Arten der japanischen Actinidia. Eine Spezies, der vielehige 
Strahlengriffel, Actinidia poljgama Miquel, bekleidet zwei. 
a 


ae 


Geländer in Lilienberg, kommt aber wegen des schattigen 


Standorts nicht zum Blühen. Dagegen trägt er die dunkel- 
grünen, elliptischen oder eiförmigen Blätter, deren Stiele stets 
gerötet sind, in großer Fülle. 


Zu den Araliaceen gehört der gemeine Efeu, Hedera 4 


helix L., der mit Haftwurzeln klettert. Es ist bekannt, daß 
sein holziger Stamm an alten Bäumen und Mauern eine Dicke 
von 10— 30cm erreichen kann (z.B. Gottlieben, Hard, Arenen- 
berg an der Aussichtsecke, Schlößchen Dietingen). Auf einem 
Grab im alten Friedhof Arbon begegnete ich dem sroß- 
blättrigen, sog schottischen Efeu, H. helix var. Hibernica. 

Aus Südosteuropa stammtdie griechische Baumschlinge, 
Periploca Graeca L., Familie der Asklepiadaceen, die mit ihren 
schlaffen Zweigen etwas windet. Sie hat glänzende, elliptische 
Blätter und entfaltet im Juni braunröte, außen grünlich an- 
gelaufene Blüten in Trugdolden. Ihr Saft soll sehr giftig 
sein. Eine solche Pflanze an einer Platane vor der Nordfront 
des Schlosses Wellenberg blüht jedes Jahr; an einer andern, 
die am Stamm einer hohen Gleditschie in Aadorf hängt, 


wurden nie Blüten beobachtet. Die Baumschlinge ist bei uns 


nicht eben selten. 

Geradezu ein Unikum in der Pflanzenwelt ist der früh- 
blühende Jasmin, Jasminum nudiflorum Lindley, aus der 
Familie der Jasminaceen. Ein berühmtes, üppiges Exemplar 
dieses nordchinesischen Strauches wächst an der Nordseite 
des Bundesbahnhofes in Tägerwilen und umgibt mit seinen 
dünnen, grünen, über 3 m langen Zweigen die Eingangstüre 
des Bureaus. Als ich die Pflanze im Oktober 1916 besichtigte, 
entfaltete sie die ersten gelben Blüten zwischen den derben, 


dreizähligen Blättern. In der Januarkälte sodann, die den 


Untersee zum Gefrieren brachte, fand ich die nunmehr blatt- 
losen Stengel mit einer großen Zahl von gelben Blüten be- 


deckt, ein Anblick, bei dem man seinen Augen nicht traute. 


Im Sommer 1917 besuchte ich sie wieder; diesmal hatte sie 
nur den grünen Blätterschmuck und schien vom Winterfrost 
nicht gelitten zu haben. Sie gedeiht auch in Frauenfeld, wo 
mehrere Gärten sie schon enthalten. 

Bekannter ist die Klettertrompete, (dmpsis radicans 
Seem., aus dem Osten der Vereinigten Staaten. Obschon ihre 
gefiederten Blätter stark denen der Glycine gleichen, ist sie 


RS: 
Y 
4 


mit ihr nicht verwandt, sondern gehört mit der Catalpa zu 
_ den Bignoniaceen. Ihre schönen, gelbroten Trompetenblumen 
‚ erscheinen vom Juli bis September; die langen, einjährigen 
Ruten pflegen in unserm Winter abzusterben. Ihre Haftwurzeln 
_ genügen nicht, um den Strauch ohne Stützlatten an Mauern 
festzuhalten. In Frauenfeld wächst er am Konvikt und an 
mehreren andern Häusern, außerdem in Mammertshofen und 
‚anderwärts. 

Endlieh sind noch die bekannten windenden Geißblatt- 
arten aus der Familie der Caprifoliaceen zu erwähnen. Aus 
den Südstaaten der Union stammt das immergrüne Geiß- 
blatt, Lonicera sempervirens L. Die bis 5 cm lange Blumen- 
krone ist scharlachrot, fast allseitig symmetrisch und geruchlos. 
Ich fand den schönen Zierstrauch in Dießenhofen.. Glarisegg 
und Ermatingen, aber auch in Frauenfeld, an West- und 
Südwänden, vom Juni an in Blüte. Die obersten Laubblätter 
sind bei ihm paarweise zu einem Schüsselchen verwachsen, 
‚gleich wie am südeuropäischen Jelängerjelieber, 2. capri- 
foliumi L. Dieser hat duftende Blüten, die zuerst rosa bis 
weiß gefärbt sind, beim Verblühen aber gelblich werden. 
Sie sind zweilippig und kleiner als bei der vorhergehenden 
Art. Dieselbe Form und Größe und auch den Duft haben die 
‚gelblichen Blüten des Waldgeihbblattes, Z. peröchjmenum L., 
einer ebenfalls südeuropäischen Art, bei der aber die gegen- 
ständigen Blätter nie mit einander verwachsen. Beide Sträucher 
sieht man nicht selten an Gartenzäunen und Lauben. 


Schluß. 


Das Klima des Thurgaus ist bekanntlich am Seeufer am 
mildesten. Frauenfeld hat 8,1 Grad, Kreuzlingen 8,5 Grad 
mittlere Jahreswärme. Die Niederschläge erreichen in Eschlikon 
jährlich im Mittel 112 cm, in Bischofszell und Aadorf fast 
gleichviel, während sie in Kreuzlingen auf 84, in Dießen- 
 hofen auf 80 cm sinken. Man sollte nun glauben, daß diese 
Gegensätze auch in der Parkflora zum Ausdruck kämen. 
Zwar ist es bekannt, daß am See die Bäume im Frühjahr 
eher treiben als im innern Kanton; auch finden wir daselbst 
eine üppigere Belaubung. Was jedoch den Unterschied im 
Artenbestand der verschiedenen Kantonsteile anbelangt, so 


BE Ne 


muß leider gesagt werden, daß uns Mangel an geeignetem 3 


Vergleichsmaterial hindert, darüber eingehende Feststellungen 


zu machen. Der innere Kanton enthält nämlich so wenig ältere 


Ziergärten, daß aus dem zufälligen Fehlen eines Gewächses 
nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden darf, es gedeihe 
daselbst überhaupt nicht. Größere Bedeutung kommt vielleicht 


folgenden Tatsachen zu: In Glarisegg überwintert ein Feigen- 
baum, Ficus Carica L., ungedeckt im Freien, allerdings in 
geschützter Lage, in Brunnegg, Emmishofen, drei Zitronen- 


sträucher, Citrus trifolata L.; in Eugensberg versucht man 
die Anpflanzung von Viburnum tinus L. im Baumschatten; auf 
Kastel und Brunnegg stehen ansehnliche Blumeneschen, 
Fraxinus örnus; beim Kantonsspital Münsterlingen hält sich 
seit sechs Jahren eine immergrüne Magnolie, M. foetida Sarg. 
Edelkastanien, Castanea sativa Mill., stehen in Aadorf, 


im Mühletobel bei Frauenfeld, im Pfauenmoos bei Arbon, in 


Liebburg, bei Kastel, im Dorf Ermatingen und in Lilienberg, 
beim Heidenhaus und in Dießenhofen. Davon brachten die 
beiden Ermatinger Bäume selbst im naßkalten Sommer 1916 
noch genießbare, wenn auch kleine Früchte. Auch im Pfauen- 


moos wurden trotz seiner hohen Lage (500 m ü. M.) von 


beiden Bäumen bisweilen reife Kastanien gepflückt. An andern 


Orten: Liebburg (500 m), Kastel (500 m), Aadorf (520 m), 


Frauenfeld (440 m) wurde mir gesagt, daß die Früchte nicht 
genußreif werden, und das wird für Aadorf und Frauenfeld 
stimmen, kaum aber für die beiden hochgelegenen Schlösser 


am See. Konnten doch selbst beim Heidenhaus (700 m hoch) ; 


im Jahr 1911 Kastanien genossen werden! Auf dem alten 
Friedhof Romanshorn stehen drei italienische Zypressen, 
Oupressus sempervirens L., 50—60 Jahre alt, mit einer Höhe 
von 6—7 m. Natürlich sind sie .nicht so üppig wie die 


Zypressen von Morcote, aber immerhin gesund. Sie setzen auch 


Zäpfchen an, die freilich bei einer von der eidgenössischen 


Samenkontrollstation in Zürich durchgeführten Untersuchung 4 


keine keimfähigen Samen enthielten. Schade, daß man in 
einen der edlen Bäume einen Efeu hat hineinwachsen lassen. 
Daß die Zypresse im innern Kanton nicht gedeihen würde, 
steht außer aller Frage. Der chinesische Lebensbaum, 
Biöta orientalis Endl., gilt in Frauenfeld für sehr empfindlich. 
Als eine Gärtnerfirma ihn vor Jahren in Menge als Hecken- 


Dh ara ei go 


strauch statt des amerikanischen Lebensbaumes anpflanzen 

wollte, gingen in einem einzigen Winter sämtliche Pflänzlinge 
' zugrunde. Die Frauenfelder Gärtner behaupten infolgedessen, 
daß die Biota hier erfriere. Immerhin stehen in Frauenfeld 
drei stattliche und gesunde Bäume von etwa 8 m Höhe, 
allerdings geschützt gegen die Wintersonne. Ein 4 m hoher 
chinesischer Lebensbaum in Aadorf ist in schlechtem Zustand; 
ein Strauch in Eschlikon dagegen präsentiert, sich nicht nal 
Jedoch viel zahlreicher und üppiger findet sich Biota orientalis 
am Seegestade, z. B. in Romanshorn, in Arbon, auf dem alten 
Friedhof in Ermatingen; in Amriswil besteht sogar eine 
gesunde Hecke aus dem chinesischen Lebensbaum. 

Diese Erscheinungen sind augenscheinlich durch den 
mildernden Einfluß des Sees auf die Wintertemperaturen 
veranlaßt. So zeigt die Pflanzenwelt am Bodensee entsprechend 
dem Klimaunterschied doch einige andere Züge als die Flora 
des innern Kantons. Solche Abweichungen würde ein Be- 
obachter, dem mehr Zeit zur Verfügung stände, gewiß noch 


zahlreich entdecken können. 


Verzeichnis der besprochenen Pflanzen. 


Abelıa 57 
Abies 9, 10, 11 
Acer 36 
Actinidia 65 
Aehrenpavie 38 
Aesculus 37, 38 
Ahorn 36 
Aılanthus 36 
Akazie 35 
Akebia 63 
Alnus 24 
Alpenrosen 51 
Ampelopsis 65 
Andromeda 51 
Apfelbäume 32 
Apfelbeere 50 
Apfelrose 54 
Aralia 39 
Araucaria 8 
Aristolochia 61 
Aronia 50 
Arve 13 
Atlaszeder 7 


Aucuba 53 
Balsamtanne 11 
Baumschlinge 66 
Berberis 52 
Bergahorn 36 
Bersföhre 14 
Berglorbeer 51 
Bergulme 26 
Besenginster 47 
Besenpfriemen 56 
Betula 24 

Biota 18, 68 
Birnbaum 32 
Birken 24 
Blasenstrauch 56 
Blumenesche 40, 68 
Blutpflaume 34 
Bocksdorn 54 
Broussonetia 28 
Buche 24 

Buchs 44 
Buddleia 59 
Büschelrose 54 


Buxus 44 
Calophaca 58. 
Calycanthus 55 
Campsis 66 
Caragana 47 
Carpinus 24 
Castanea 24, 68 
Catalpa 41 
Ceanothus 59 
Cedrus 12 
Celtis 27 
Cephalotaxus 8 
Cercis 34 
Chaenomeles 49 
Chamaecyparis 19 
Christusdorn 34 
Citrus 54, 68 
Cladrastis 34 
Clematis 62, 63 
Colutea 56 
Cornus 43, 53 
Coronilla 48 
Corylus 42 


Cotinus 56 
Cotoneaster 50 
Crataegus 30 
Cryptomeria 14 
Öupressus 19, 68 
Cytisus 47 
Daphne 43 
Dattelpflaume 40 
Desmodium 55 
Deutzia 52 - 
Diervilla 49 
Diospyros 40 
Doldenrebe 65 
Douglastanne 7, 9 
Dryas 55 

Dürlitze 43 
Edelkastanie 24, 68 
Efeu 66 

Eibe 8 

Eichen 24 - 26 
Elaeagnus 46 
Elsbeerbaum 31 
Emodiflieder 47 
Erbsenstrauch 47 
Erica 46 

Esche 40 
Eschenahorn 37 
Essigbaum 58 
Evonymus 52, 53 
Fächerahorn 37 
Feigenbaum 28, 68 
Feldahorn 37 
Feldulme 26 
Feuerdorn 55 
Fichte 11 

Ficus 28, 68 
Fiederspiere 58 
Fingerstrauch 58 
Flieder 47 
Flußzeder 16 
Forsythia 44 
Fraxinus 40, 68 
Fuchsrebe 65 
Gartensalbei 60 
Geißblatt 49, 67 
Geißklee 47 
Gelbholz 34 
Gelbkiefer 13 
Genista 56 
Gewürzsträucher 55 


er 


Giftsumach 64 
Ginkgo 7 

Ginster 56 
Gleditschia 34 
Glyeine 64 
Goldregen 47 
Goldtraube 45 
Götterbaum 7, 36 
Gurkenmagnolie 29 
Gymnocladus 34 
Hagebuche 24 
Hahnenkopf 58 
Halimodendron 56 
Hängebirke 24 
Hartriegel 53 
Haselnuß 42 
Heckenkirsche 49 
Hedera 66 
Hedysarum 58 
Heidekraut 46 
Hemlocktanne 7, 9 
Hiba 16 

Hibiscus 60° 
Himalayazeder 13 
Himbeere 55 
Hinokizypresse 20 
Hippophaes 46 
Holunder 48, 57 
Hornstrauch 53 
Hortensie 59, 60 
Hydrangea 59, 60, 63 
Hypericum 61 
Hyssopus 60 

Ilex 52 

Indigofera 58 
Indigostrauch 58 
Ito Sakura 33 
Jasminum 59, 66 
Jelängerjelieber 67 
Johannisbeeren 45 
Johanniskraut 61 
Josikaflieder 47 
Judasbaum 34 
Juglans 22, 23 
Jungfernrebe 65 
Juniperus 21, 22 
Kaimastrauch 54 
Kalmia 51 
Kellerhals 43 
Kerria 49 


Kiefern 14 
Kirschbäume 33 - 
Kirschlorbeer 50 
Kirschpflaume 33 
Kleeblattzitrone 54 
Kletterhortensie 63 
Klettertrompete 66 
Knöterich 62 
Koloradotanne 19 
Kopfeibe 8 
Korbweide 23 
Kornelkirschbaum 43° 
Kranzspiere 58 
Kronwicke 48 
Kryptomerie 7, 14 
Laburnum 47 
Lambertsnuß 42 
Lärche (Larix) 7, 12 
Laurocerasus 50 
Lavandula 60 


Lawsonzypresse 7,19 


EEE CET 


Lebensbäume 16, 68 2 


Lederstrauch 56 
Lespedeza 60 
Leycesteria 60 
Libanonzeder 13 
Libocedrus 16 
Liguster 57 
Liriodendron 29 
Lonicera 49, 67 
Lorbeerweide 23 
Lycium 54 
Maenolia 29, 68 
Mahonia 44 

Malus 32 
Mammutbaum 15 
Mandelaprikose 53 
Maulberbäume 27,28 
Mäusedorn 43 
Mehlbaum 48 
Mehlbeerbaum 31 
Mespilus -31 

Mispel 31 

Moosrose 54 

Morus 28 
Nikkotanne 11 
Nordmannstanne 7, 9 
Nußkiefer 13 
Nutkazypresse 7, 19 
Omorikafichte 11 


- Padus 32 
Paeonia 52 

. Papierbirke 24 
Papiermaulbeere 28 
Paulownia 40 
Periploca 66 
Perückenstrauch 56 
Pfaffenhütchen 52 
Pfeifensträucher 56 
Pfingstrose 52 
Philadelphus 56 

- Bicea 11, 12 
Pimpernuß 53 
Pinie 14 

Pinus 13, 14 

Pirus 3% 

Platane 30 
Polygonum 62 
Populus 23 
Potentilla 58 
Prunus 33 

Psedera 65 

* Pseudotsuga 9 

: Ptelea: 56 
Pyrasantha 55 
Pyramidenpappel 23 
Quercus 24—26 
Reifweide 23 
Rhododendron 51 
Rhodotypus 54 
Rhus 58, 59, 64 
Ribes 45 
Riesenthuja 18 
Robinia 35 

Rosa 54 
Roseneibisch 60 
Roßkastanie 6, 37, 38 
Rotdorn 31 
BRoteiche 7, 26 
Rubus 55 

Ruscus 43 
Säckelblume 59 
'Sadebaum 21 

Salix 23 

.. Salvia 60 

Salweide 23 
Salzstrauch 56 
Sambucus 48, 57 


Sanddorn 46 
Sandrebe 65 
Sapindusfichte 12 
Sauerkirsche 33 
Sawarazypresse 20 
Scheinquitte 49 
Schierlingstanne 9 
Schlinge 48 
Schneeball 48 
Schneebeere 57 
Schneeheide 46 
Schnurbaum 35 
Schönhülse 58 
Schusserbaum 34 
Schwarzerle 24 
Schwarzkiefer 14 
Schwarzlinde 39 
Schwarznußbaum 23 
Seidelbast 43 
Sequoia 15 

Sevi 21 
Silberlinden 7, 38 
Silberölweide 46 
Silberpappel 23 
Silbertanne 11 
Silberwurz 55 
Sitkafichte 7, 12 
Sommerlinde 39 
Sophora 35 
Sorbaria 58 
Sorbus 31, 50 
Spartium 56 
Speierling 31 
Spindelbaum 53 
Spiraea 45, 49, 55, 58 
Spitzahorn 35 
Staphylea 7, 53 
Stechfichte 12 
Stechpalme 52 
Stephanandra 58 
Stieleiche 25 
Strahlengriffel 66 
Strauchkiefer 14 
Sugi 14 

Sumach 58, 59 
Sumpfzypresse 6, 14 
Süßkirsche 33 
Symphoricarpus 57 


Syringa 7, 47 
Tabakpfeifenstr. 61 
Tamariske 46, 60 
Tannen 7, 9—11 
Taxodium 6, 14 
Taxus 8 

Thuja 16, 18 
Thujopsis 16 

Tilia 38 
Toringoapfel 32 
Tränenkiefer 13 
Traubeneiche 25 
Traubenkirschen 32 
Trauerweide 23 
Trompetenbaum 41 
Tsuga 9 
Tulpenbaum 29 
Uferrebe 65 
Ulmen 26, 27 
Viburnum 43, 48, 68 
Vitis 65 
Vogelbeerbaum 31 
Wacholder 21, 22 
Waldholunder 48 
Waldreben 62f. 
Walnußbaum 22 
Wandelklee 58 
Weichselkirsche 33 
Weigelie 49 
Weimutskiefer 13 
'Weinrebe 65 
Weißdorn 30 
Weißerle 24 
Weißfichte 12 
Weißtanne 9 
Weißweide 23 
Wellinstonie 7, 15 
Winterlinde 39 
Wisteria 64 

Ysop 60 

Zedern 12, 13, 14 
Zederzypresse 19 


. Zentifolie 54 


Zerreiche 24 
Zieräpfel 32 
Zürgel 27 
Zwergmispel 50 
Zypresse 19, 68 


Die großblättrige Agave 
Furcraea macrophylla Hooker fil. 
Von H. Wegelin in Frauenfeld. 


Neben einigen jungen Exemplaren der bekannten Agave 
americana L. und deren panaschierten Varietät marginata aurea 


Trelease besitzt der botanische Garten in Frauenfeld seit 


mindestens 40 Jahren ein großes agavenähnliches Gewächs, 
das in den letzten Dezennien als schwere Kübelpflanze je- 
weilen im Keller überwintert wurde, und das im Herbst 1916 
durch Blütenansatz die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Da 
es sich bei dieser Fureraea macrophylla um eine interessante 
Pflanze handelt, die in den botanischen Gärten Europas wenig 
verbreitet, und deren Blühen noch kaum beschrieben ist, mag ° 
nachstehende Notiz gerechtfertigt sein. 

Die Blattrosette hatte durch Absterben je der untersten 
Blätter nach und nach einen etwa 35 cm hohen und 20 cm 
dicken Stamm erhalten. Ausläufer wurden niemals be- 
obachtet. Die zirka 50 reingrünen Blätter sind glatt, lang- 
lanzettlich, durch aufgebogene Ränder rinnig. Ihre Länge 
beträgt durchschnittlich 120 em, die Breite am Grunde 13 cm, 
wenig oberhalb 7 em, in der Mitte 12 cm, die Dicke am 
Blattansatz 5 em, 30 cm höher 2 cm, in der Mitte 0,5 cm. 
Ein Endstachel, wie er sonst von den Agaven beschrieben 
wird, fehlt: die Blattspitze ist grün, hart, schlank, kegel- 
förmig, am Ende spitz zugerundet. !/s—1 cm unterhalb öffnet 
sich oberseits die Rinne. Fig. 2a. 

Randstacheln finden sich jederseits etwa 45; sie sind 
hell elfenbein- bis strohfarbig, zirka 4 mm lang, stark hakig 
nach vorn gekrümmt, mit Ausnahme der 5—-10 untersten 
kleinen Zähne, die sich gegen die Basis kehren. Abstände 
der Stacheln am Grunde etwa 1 em, in der Mitte 11/2 —4, 
oben 2—5 cm. Fig. 2d,c. Die im Laufe des Sommers 1916 
gebildeten Blätter waren etwas kürzer, das letzte nur 65 cm 


"lang. Im August nahm die Trieb- 
spitze eine eigentümliche, rötlich- 
graue Färbung an, und Mitte Sep- 
tember erhob sich ein Blüten- 
schaft, der durch sein rasches 
Wachstum Staunen erregte. Am 
13. Oktober hatte er eine Höhe 
von '210 cm erreicht und wurde 
dann wöchentlich zweimal ge- 
messen. Sein durchschnittlicher 
täglicher Längenzuwachs betrug 
in der 2. Oktoberhälfte 5,6 cm, 
im Nowmber .: .'.. 6,4 cm, 
im Dezember  .. .. .. »,1.cm, 
in der 1. Januarhälfte. 2 cm. 
‘Die am 15. Januar 1917 erreichte 
Höhe von 6,13 m wurde nicht 
überschritten. DELL; 
Am Schafte stehen in °/J; J 
Spirale schief angesetzte Hoch- P; 
blätter. Sie umfassen denselben PA 
zu einem Drittel, sind über der IN 
‚Basis stark eingezogen und haben | 
die größte Breite zwischen dem . 


untern Drittel und der Hälfte. 
Die untersten sind den Laub- 


blättern ähnlich, nur dünner 
und kürzer, 70—30 cm lang; in 
1 m Höhe messen sie 15 em, 
beim Anfang der Rispe 5—6 cm, 
in der Mitte derselben 3 cm. 
Von jedem Hochblatt läuft eine 
breite, flache Rinne am Schaft Q 
aufwärts. Bis in 1 m Höhe ent- 
sprechen Spitze und Randzähne 
denen der normalen Blätter. 
In der Höhe von 1,6 m be- 
 sinnt die Verzweigung aus _$ 
den Achseln der Hochblätter, erst 


mit kürzern, etwa 10 cm langen (ij AN 187 
NN Se 
AN um 
Be Ne 


Fig.1. Fureraea macrophylla Hook. f. 
Die mit Brutzwiebeln besetzte Pflanze 
im. März 1917. 

(Zeichnung von Prof. ©. Abrecht) 


EA 


Zweigen; in der Höhe von 3,9 m erreichen diese die maximale 
Länge von 130 cm und nehmen gegen die Spitze wieder ab, 
so dab die Rispe eine breite Spindelform erhält. Das Wachs- 
tum der Aeste betrug zirka 2 cm pro Tag und hörte mit dem 
25. Januar auf. Die Hauptäste tragen wieder Seitenzweige, 
die größern deren 13—17 von 10—25 cm Länge. Fig. 1. 
Von Mitte Dezember an be- 
deckte sich das ganze System mit 
Blütenknospen. Diese zeigten 
deutlich den Amaryllideen- oder 
Narzissentypus: der Fruchtknoten 
ist unterständig, dreifächerig, etwas 
längeralsdassechsblättrige Perigon, 
das sechs Staubgefäße und einen 
Griffel umschließt. Die Perigon- 
blätter sind am Scheitel kapuzen- 
“ förmig eingezogen. Die Staubgefäße 
haben kurze, am Grunde verdickte 
Fäden und dorsi- 
fixe Beutel. Die 
papillöse Narbe 
ist gerade ab- 
gestutzt, der 
Griffel am 
Grunde eben- 
falls verdickt. 


Fig. 3. Die 
Knospen er- a. b 
Fig, 2. reichten eine Fig. 3. 
a Spitze des Blattes. Länge von a Blütenknospe 
b Blattrandstacheln oberhalb der geschlossen. 
Mitte. 25mm und nah- » Dieselbe durch Weg- 
c Blattrandstacheln im untern 4 Re schneiden dreier 
Drittel. men eine weiß Perigonblätter 


liche Karbe an, geöffnet. 
fielen aber vorzu massenhaft ab, so daß keine einzige zur. 
vollen Entwicklung gelangte. Am Grunde der sich ablösenden 
Blütenstiele sproßten aber einzeln und büschelweise Brut- 
knospen, Bulbillen, hervor. Diese nahmen offenbar den 
Blüten die Nahrung weg und zwangen sie zum Abfallen. 
Sie sind reingrün, eiförmig zugespitzt, glatt, saftig, mit zwei 
bis drei trockenen Schuppen am Grunde. Die maximale Größe 


Et 


war Ende Januar 13/6 mm, anfangs August 30/18 mm. Ihre 
Zahl liegt zwischen 2000 und 3000. Sie lassen sich leicht 
abbrechen und wurden in den ersten Monaten bei Wegnahme 
durch neue Brut ersetzt. Fig. 4. 

Der Standort der Agave war vom 16. Oktober an das 
helle, warme Treppenhaus des Konviktgebäudes, wo es an 


Fig.4. Zweig mit Brutzwiebeln. 
(Photographie von Max Meier, 14. April 1917.) 


Raum zur Ausdehnung nicht fehlte. Daß der. Mangel an 
Sonnenlicht im trüben Winter die Entwicklung ‚der Blüten 
noch besonders gehindert hat, ist wohl wahrscheinlich. 
Interessant ist das geringe Wasserbedürfnis unserer Blüherin. 
Nur selten war dieErde im Kübel so trocken, daß gegossen 
werden durfte. Dafür entleerten sich nach einander, mit dem 
untersten beginnend, die Blätter; sie wurden von der Spitze 
aus gelb, verloren ihre Straffheit und senkten sich schließlich, 
als das Einschrumpfen die Basis erreicht hatte. Ende Dezember 
waren 28 Blätter ganz oder größtenteils gelb, 20 noch grün 
und voll, Mitte Mai noch 13 aufrecht, die meisten aber schon 
spitzendürr, anfangs August 10 aufrecht, zum größten Teil 
entleert, die Hochblätter aber noch alle unversehrt. Mitte 


Se ee 


. September, also nach Jahresfrist, fanden sich noch fünf normale 

Blätter, bei denen allerdings nur die untere Hälfte noch grün 
und prall war. Die untersten Brakteen waren bereits in die 
Vergilbung eingetreten und. in der Rispe die Bulbillen zum 
Abfallen bereit. Die Pflanze hat demnach ihren Riesenblüten- 
stand und ihre Nachkommenschaft aus den seit Jahrzehnten 
angesammelten Reservestoffen gebildet. 

Und nur ein einziges Mal in ihrem langen Leben hat 
sich die Riesenrosette zur Fortpflanzung angeschickt. Dabei 
ist ihr der normale Weg, der durch Blüte und Frucht führt, 
mißlungen; sie ersetzt die Samen durch Tausende von Brut- 
zwiebeln im Blütenstand, und an der Geburt ihrer Nach- 
kommenschaft erschöpft sich ihre Lebenskraft. Für Vermehrung 
und Verbreitung ist dabei wohl gesorgt: von einem 4—6 m 
hohen Standort herab wird der Wind die Zwiebelchen weithin 
zerstreuen, und jedes derselben kann mit Hilfe seiner auf- 
gespeicherten Feuchtigkeit und Reservenahrung am zusagenden 
Orte zur neuen Pflanze auswachsen. In der Tat ergaben 
Pflanzversuche mit diesen Bulbillen raschen Erfolg; schon 
nach wenigen Wochen hatten dieselben bis 10 cm lange Blätter 
entwickelt, die mit Rinne und Randzähnen den normalen 
durchaus ‚gleichen. 

Die Bestimmung unserer Agave erwies sich als eine 
schwierige Aufgabe: Zwar die charakteristische Tracht kenn- 
zeichnet sie ohne weiteres als Agave; aber die stachellose 
Blattspitze und die elegante pyramidale Rispe findet sich bei 
keiner der von A. Berger (V) beschriebenen 274 Arten. Die 
kurzen, am .Grunde geschwollenen Staubfäden weisen auf die 
von den echten Agaven abgetrennte Gattung Fureraea Ventenat 
(1793) = Foureroya Sprengel (1833) hin (I, Seite 117) und 
nach dem Drummondsehen Schlüssel (IV, Seite 46) kommen die 
tiefrinnigen, schmalen Blätter mit großen, weit entfernten, 
vorwärts gerichteten Randstacheln nur der von Hooker fil. 
Furcraea macrophylla, von Todaro F. altissima genannten 
Art zu. Diese Bestimmung ist gütigst bestätigt worden von 
Herrn Dr. D. Lanza in Palermo, nach Vergleich mit Exemplaren 
im dortigen botanischen Garen, die lass als Freiland- 
pflanzen im warmen sonnigen Süden weit größere Dimensionen 
erreichen: Sie treiben Blätter von 3—4 m Länge und A 
stände bis zu 15 m Höhe (III, Seite 51). 


 Furcraea macrophylla wird kultiviert auf den Bahamas und 
den großen und kleinen Antillen. Ihre wirkliche Heimat 
sucht Drummend in den der Landenge von Panama benach- 
barten Teilen von Zentral- und Südamerika. Sie ist eine 
wertvolle Faserpflanze. Aus den Blattfasern macht man Säcke, 
Taschen, Pantoffeln und Packsättel (Drummond, Seite 45)... 
Ihre Verwendung entspricht also vollständig derjenigen der 
verwandten Arten, der Riesenagave, Furcraea gegantea\ entenat 
(Costariea und Nordküste Südamerikas) und der knolligen 
Asave, F. tuberosa Aiton (Antillen), die sowohl in ihrer 

' Heimat als auch in andern tropischen Ländern wie Mauritius 
(seit 1750) und besonders auch in Ostafrika kultiviert werden 
und die*berühmte Pitafaser, auch Oubahanf und Mauritiushanf 
genanut, liefern. Die Blätter werden vom dritten Jahre an 
geerntet und mit Hand oder Maschinen verarbeitet. 


Benutzte Literatur. 


I A. Eneter und K. Prantı, Die natürlichen Pflanzenfamilien, U. Teil, 
5. Abteilung, Asavoideae, Seite 115—119. Leipzig 1888. 

II IsageL MuLrorD, A study of the Agaves of the United States. 
7. Report of the Missoury Botanical Garden 1896, p. 47—100. 

III A. Borzı, Intorno ad alcune specie critiche del Genere Furcraea 
coltivate nel R. Orto botanico di Palermo. Bolletino del R. Orto 
bot. e Giardino coloniale di Palermo Anno VIII. 1900. Seite 45 
bis 51. 

IV J. R. Drummonp, The literature of Furcraea with a Synopsis of the 
known species. 18. Report of the Missouri Botanical Garden 1907, 
Seite 25—75. 

V Auwın BERGER, Die Avaven. Beiträge zu einer Monographie. 1915 


Blaufelehen (Milchner), (1:4) 38 em, 377 g, 5 Jahre alt. 


Fang und Zucht der Blaufelchen 


im Bodensee. 


Kartographische Darstellung mit Begleitwort 


von W. Schweizer, Sekundarlehrer in Romanshorn. 
(Bearbeitet für die Schweizerische Landesausstellung in Bern 1914, 
Abteilung Fischerei.) } 


Der Blaufelehen, Coregonus eoruleus (Fatio), ist wirt- 
schaftlich der wichtigste Fisch des Bodensees; beschäftigen 
sich doch mit seinem Fang vom Frühjahr bis Spätherbst 
' zirka 280 Berufsfischermeister aller Bodenseeuferstaaten. 

Die Zahl der gefangenen Blaufelehen betrug laut der 
deutschen Fischereistatistik 

im Jahr 1910: 166000 kg im Werte von 229100 Mark 


1911: 113920 kg - - - 198600 7° - 
1912: 189020 kg - - - 289620 - 
1913: 296290 kg - - >=,3112003%7, 


Dazu kommen noch die Fänge der Schweizerfischer, die 
schätzungsweise auf 250000—300000 Stück im Werte von 
160000—200000 Franken angenommen werden dürfen (eine 
amtliche Fangstatistik wird bei uns erst mit 1914 eingeführt), 
so daß in den letzten zwei Jahren dem Bodensee jährlich 


RE N. 


‚an Blaufelehen allein ein Kapital von über 500000 Franken 
entnommen werden konnte.! 

Während in früheren Zeiten der Hauptanteil den badischen 
Fischern zufiel, betätigen sich seit zwanzig Jahren auch die 
‚schweizerischen und württembergischen Fischer immer mehr 
am Fang. Da der Blaufelchen nur innerhalb der „Halde“, 
im sogenannten „blauen See“ vorkommt und sich hauptsächlich 
von Plankton, aber auch von kleinen „Kretzern“ (Hürlingen) 
und sogar von der eigenen Jungbrut ernährt, so vollzieht sich 
deren Fang ausschließlich auf „hohem See.“ Als Grenzzone 
kann etwa die Tiefe von 25—30 m angegeben werden. (Siehe 
Tiefenkurve von 30 m auf der Karte.) 

Der «#ang geschieht durch zwei verschiedene Methoden 
und Netzgerätschaften: 

1) durch Schwebnetze bei Nacht, ohne menschliche 

Tätigkeit, 
2) durch schwebende Zuggarne, Klusgarne, bei Tag. 


1) Die Schwebnetze, siehe Skizze Tafel I, sind Stell- 
netze, die, nach internationaler Uebereinkunft aller Bodensee- 
uferstaaten vom Jahre 1898, eine minimale Maschenweite von 
40 mm haben und höchstens 1,5 m hoch und 120 m lang 
sein dürfen. Sie werden bis zu höchstens 30 Stück zu einem 
„Satze* aneinandergeknüpft und auf hohem See, bei zirka 
30 m Tiefe beginnend, ausgesetzt. Durch Bleianhängsel an 
der „Unterähre“* werden sie straff gespannt und vermittelst 
Korkschwimmern, „Bauchel“, in Tiefen von 6—25 m an 
Sehnüren schwebend erhalten. 

Anfang und Ende eines Satzes sind durch Schwimmer, 
sogenannte „Maien“, das sind kreuzweise übereinander be- 
festigte Brettehen mit aufgestecktem Tännchen oder Fähnchen 
gekennzeichnet, und die Mitte wird durch ein schwimmendes 
Fäßchen bezeichnet. Ein solcher Satz wird jeweils in den 
Abend- oder Nachmittagsstunden entweder gerade in den See 


ıN achtrag. Laut amtlicher Statistik wurden gefangen 


durch deutsche Fischer Schweizerfischer Total 
Anno 1914: 180728 kg 69360 kg 250588 kg 
1915: 94424 kg 73616 kg 165040 kg 
1916: 63744 kg 52130 kg 115874 kg 


Die letzten Erhebungen über die österreichischen Fänge stehen 
noch aus. 


Bauchel 


Schwebnetz 


Sm 


° 
| 
x 


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I% 1% 
% RS OR SR 


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 hinauslaufend, oder in einem Bogen, „Kehr“ endigend, der 


‘je nach Windrichtung oder Wasserströmung („Rus“) gewählt 


wird, in den See gesetzt. So bleiben die Netze über Nacht 
sich selbst überlassen und fischen ohne direkte menschliche 
Tätigkeit. Oft werden sie von Wind, Wellen oder Wasserrus 


stundenweit getrieben, weshalb das Aufsuchen derselben am 


folgenden Morgen eine mühsame, bei Nebel und Sturm sogar 
eine gefährliche Arbeit ist. Sobald der richtige Satz gefunden 
ist, beginnt das Heben oder „Bühren“ der Netze. 

Diese sind aus sehr zartem Baumwollgarn gestrickt und 
werden zur bessern Haltbarkeit meist imprägniert. Die darin 
sich verwickelnden Fische wehren sich jedenfalls sehr heftig 
gegen die Gefangenschaft, wie aus den entstehenden Netz- 
verwicklungen hervorgeht, und häufig findet man auch leere 
„Zöpfe*, wenn so ein zappelnder Blaufelchen dem Netzwerk 
wieder entronnen ist. 

Im Sommer und Herbst werden die Netze je nach Temperatur 
und Reinheit des Wassers, welche ihrerseits wieder den Standort 
des Planktons bestimmen, 9—20 m tief gehängt. Zur Laich- 
zeit, gewöhnlich anfangs Dezember, steigen die Blaufelchen 
bis an die Oberfläche des Wassers empor. Dementsprechend 
werden dann auch die Netze höher gehängt, und da die 
unreifen Exemplare sich noch in der Tiefe aufhalten, ist, um 
das Wesfangen dieser möglichst zu verhindern, durch besondere 
Vorschrift bestimmt, daß die Schnüre, an denen die Netze 
 hangen, nicht länger als 10 m gemacht werden dürfen. 

In hellen Nächten, bei Vollmondschein, ist das Fang- 
ergebnis sehr gering, da die Netze von den Fischen besser 
gesehen werden und auch das Plankton tiefer steht. 
Nach dem Einziehen der Netze werden diese am Land 
an Stangen aufgehängt und vor neuem Gebrauch getrocknet 
und ausgebessert. Beschädigungen kommen häufig vor, wenn sie 
bisweilen auf den Grund der „Halde“ getrieben werden oder 
zusammenrinnen und mit wenig Sorgfalt gehoben werden, wo- 
‚durch ganze Netzknäuel — „Hunde“ nennt sie der Fischer — 
entstehen, deren Entwirrung viel Arbeit und Geduld erfordert. 

Der großen Maschenweite entsprechend werden 


mit den Schwebnetzen nur große, ausgewachsene 
Blaufelchen über dem Schonmaße von 30 cm gefangen 
und die Jungfische geschont. 


ae 


Klusgarn 


Wand = 25 m, Tuch = 20 m, Gestell = 6,6 m 
ne 


Flügel 


u Eat 


2) Das Klusgarn, siehe Skizze Tafel 2, ist ein 
schwebendes Zuggarn, das jedenfalls älter ist als der 
Gebrauch der Schwebnetze; wird es doch schon in alten 
_ Fischereidokumenten des Bodensees aus den Jahren 1534 und 

1544 ausdrücklich erwähnt (siehe Dr. F\. Stoffel, „Fischerei- 
' verhältnisse am Bodensee“, Bern 1904). 

Es besteht aus zwei Wänden oder Flügeln und einem 
Sack. Der äußere Teil des Flügels heißt die „helle“ Wand, 
da sie Maschen von 120—140 mm Weite aufweist; sie ist 
etwa 25 m lang. Dann folgt das „Tuch“ von 20 m Länge 
und 45—40 mm Maschenweite, hierauf das „Gestell“, 6,6 m 
lang, mit Maschen von 40 —37 mm, bis zur Mitte des Garns, 
wo der Sack, ein geschlossenes, triehterförmiges Garn von 
zirka S m Länge, mit dessen Ende, Zipfel genannt, von 
1,2—2 m Länge und abnehmender Maschenweite von 37 bis 
zurzeit 30 oder 24 mm sich anschließt. 

Das Garn gründet etwa 22 m tief und umschließt in, 
horizontaler adehaune eine Wasserfläche von zirka 1 Morgen 

= 33 Aren. 

Durch ausgehöhlte tannene Schwimmer von spindelförmiger 
‚Gestalt, sogenannte „Flossen“, durch welche die Oberähre des 
Garns gezogen ist, wird es schwebend und vermittelst runder 
Steine von 1—1!/a kg Gewicht, im Abstand von zirka 2m 
an der Unterähre straff gespannt. Der Sack, in der Mitte des 
Garnes anschließend, wird durch eine mit Luft erfüllte Schweins- 
blase am Eingang offen erhalten. Sein hinterer, offener Teil, 
Zipfel, wird vor dem Gebrauch mit einer Schnur zugebunden 
und nach dem Einziehen zum Entleeren der Beute geöffnet. 
An beiden Enden der Flügel sind Zugleinen angebracht, von 
denen die eine, hintere, zirka 45 m lang, am Ende mit einem 
Schwimmer, „Schweber“, versehen ist, damit der Anfang des 
Netzes nach dem Setzen leicht wieder gefunden wird. Die - 
andere, das Schwebseil genannt, ist zirka SO m lang und 
wird nach und nach ausgeworfen, bis die erste Zugleine mit 
dem Schweber wieder erreicht ist. 

Nachdem bei Beginn des Setzens der Schweber und nach 
und nach in voller Fahrt das hintere Seil ausgeworfen ist, 
wird das ganze Garn von zirka 110 m Länge ausgelegt, 
wobei mit dem Schiff annähernd ein Kreis beschrieben und 
zum Ausgangspunkte zurückgekehrt wird; hierauf nehmen die 


— 84 — 0% 


Fischer den Schweber ins Schiff hinein. Der Sack vorn, in 
der Mitte des Garns, wird durch Anziehen der beiden Seile 
und der Flügel straff gespannt. Eine Verankerung des Schiffes 
findet nicht statt; das Netz wird gleichmäßig zum querstehenden 
Schiffe herangezogen. Früher wurde es fast immer von vier 
Mann in einem großen Flachbodenschiffe bedient; heute wird 
es zumeist nur noch von zwei Mann in einer größern Gondel 
gezogen. Für das Ausspannen des Garns und speziell des 
Sackes ist es notwendig, daß es in richtiger Stellung zum 
„Wasserrus“, und zwar gegen den Rus „angefehrt“ wird; 
denn davon hängt zum größten Teil der Erfolg des Zuges ab. 

‘Während des Einziehens des Garns stellen sich die Maschen 
diagonal uud ziehen sich zusammen; die Wände nähern sich 
im untern Teil einander, so daß die Fische gegen den Sack 
geleitet werden. Schließlich wird auch dieser gegen das Ende 
hin fast senkrecht ins Boot hinaufgezogen, wobei ein Ent- 
weichen selbst der kleineren Felchen, namentlich bei raschem 
Aufziehen, kaum mehr möglich ist. Nach dem Einziehen des 
Zipfels wird dieser geöffnet und sein Inhalt auf den Schiffs- 
boden entleert, worauf die untermäßigen Blaufelchen, unter 
30 cm, wieder in den See zurückversetzt werden, was leider 
nieht immer geschieht, und daher auch die Klagen über den 
Fang untermäßiger Felchen immer wieder ertönen. 

Um diesem Uebelstande einigermaßen abzuhelfen, soll nun 
die zulässige kleinste Maschenweite des Sackes, resp. Zipfels, 
auf 35 mm festgesetzt werden. Zudem wäre notwendig, dab 
das Einziehen desselben langsam geschieht, um das Entweichen 
der kleinen Felchen eher zu ermöglichen. 

Neben Blaufelehen werden auch Raubfische, namentlich 
Forellen, im Klusgarn gefangen. Ein Zug bringt oft 10 bis 
20, in sellemen Fällen 50, ja bis über 100 Stück Blau- 
felehen und beansprucht zirka eine Viertelstunde Zeit; nachher 
wird der Standort des Bootes gewöhnlich gewechselt. Mit 
Motorschiff können in einer Stunde wohl fünf Züge gemacht 
werden; überdies liegt der Vorteil dieses Betriebes auch darin, 
dab Es Fischer in kürzerer Zeit an die Orte gelangen nal 
wo der Fang ergiebig ist. Die Klusgarnfischer arbeiten, meist 
in Gesellschaft von 10—20, ja 40 und mehr Booten neben- 
einander und beobachten die gegenseitigen Fangergebnisse 
genau. Sie fischen von früh morgens bis abends zur Dämme- 


rung. Ergiebig ist meist der „Morgen- und Abendschweb*, 


wogegen über Mittag, zumal an heißen Sommertagen, die 
Arbeit ruht. 

Die Klusgarne sind vom April bis Oktober in Betrieb, 
die Schwebnetze meist erst von Mitte Mai bis zur Schon- 
zeit, 10. November, und dann wieder in der Laichzeit vom 
25. November an. 

Die gefangenen Felchen werden im Sommer sofort aus- 


 geweidet und an die Händler abgegeben, welche die Fischer- 


flottillen oft mit Motorbooten begleiten, um die Ware frisch 
in Empfang zu nehmen. 

Während noch vor wenigen Jahren der Felchenfang mit 
dem Klusgarn hauptsächlich nur im untern, badischen Seeteil 
von den dortigen Fischern mit zirka 70 Garnen ausgeübt, 
derjenige mit Schwebnetzen dagegen mehr im obern badischen, 
speziell aber im schweizerischen und württembergischen Seeteil 
betrieben wurde, haben sich die Verhältnisse seither gründlich 
geändert. Seitdem die badischen Fischer immer mehr die 
Fischgründe im Obersee aufsuchen und befischen, indem sie 
sich auf die Annahme stützen, der „blaue See“ sei Condo- 
minium aller Uferstaaten und dürfe von allen Fischern 
mit Schwebnetzen und Klusgarnen befischt werden, haben 
nun auch die schweizerischen Fischer der Kantone Thurgau 
und St. Gallen, sodann die württembergischen, bayrischen und 
österreichischen Fischer Klusgarne angeschafft und sind mit 


gutem Erfolge zu dieser Fangmethode übergegangen. Es sei 
noch erwähnt, daß ein Klusgarn fertig montiert auf zirka 


450 Franken zu stehen kommt. 
Im August 1913 zählte man am Bodensee laut statistischen 
Erhebungen durch die Fischereiaufseher: 


Klusgarne Schwebnetzsätze 

mebadena 2.00 2... 97 48 
in Württembere. . . .. .. 230 42 
in Bayern 2.0. ,.,.,., 4 5 
im Oesterreich .2:.- .. . 9 2 
in der Schweiz: St.Gallen . 15 12 
Thurgau . 49 98 

Total 204 167 


wobei im gleichen Betriebe zumeist beide Gerät- 
schaften benutzt werden. 


LT Re 


Die Vorteile des Klusgarns gegenüber den Schwebnetzen 
lassen sich in der Hauptsache in folgendem zusammenfassen : 
1) Der Fischer hat jederzeit das ganze Fischereigerät bei 
der Hand und muß es nicht über Nacht Wind und 
Wellen preisgeben wie die Schwebnetze. 

2) Die Klusgarnfischer, die meist in größeren Gruppen 
beisammen arbeiten, sind rascher über den Stand der 
Felchen orientiert, als dies beim Fang mit Schweb- 
netzen der Fall ist, wo das Fangergebnis von mehr 
Zufälligkeiten abhängt. 

3) Das Klusgarn durchsiebt in vertikaler Richtung 
beinahe die ganze Blaufelchenzone bis auf zirka 
25 m Tiefe, wogegen die Schwebnetze nur einen Wasser- 
streifen von 1,5 m Höhe durchfischen und daher nicht 
immer die Aufenthaltszone dieser Fische erreichen: 
letztere muß vielmehr durch Abmessen der Schnüre 
ausprobiert werden. 

Dagegen werden mit dem Klusgarn, namentlich bei der 
zurzeit noch zulässigen Maschenweite von 24 resp. 30 mm im 
Sack und Zipfel, eine große Menge nicht ausgewachsener, ja 
untermäßiger Blaufelechen gefangen, was mit den Schweb- 
netzen von 40 mm Maschenweite sozusagen ausgeschlossen ist. 
Daher bestand zwischen den Klusgarn- und Schwebnetzfischern 
_ von jeher ein großer Gegensatz, der erst in neuester Zeit sich 
auszugleichen scheint, da beide Fanggerätschaften nun ziemlich 
gleichmäßig in allen Uferstaaten benutzt werden. 

Die kartographische Darstellung gibt auf Grund obiger, 
von den staatlichen Fischereiaufsehern am Bodensee auf- 
genommenen Statistik ein Bild des Blaufelchenfanges, wie er 
von den einzelnen Ortschaften aus mit den zwei verschiedenen 
Fanggerätschaften betrieben wird, wobei das Uebergewicht der 
badischen Klusgarnfischer, das übrigens historisch ist, deutlich 
in die Augen fällt. 

Die bedeutende Fangsteigerung in den letzten Jahren ist 
offenbar nur möglich gewesen, weil der Blaufelehenbestand 
im Bodensee ein außerordentlich guter war. Er dürfte vor 
allem der seit mehr als zwänzig Jahren intensiv betriebenen 
künstlichen Vermehrung der Blaufelehen zuzuschreiben 
sein; denn es ist kaum anzunehmen, daß ohne den jährlichen 
Einsatz von vielen Millionen von Jungfischen aus den Brut- 


— 370 — 

anstalten am Bodensee die stets zunehmenden Fangergebnisse 

nachgerade den Felehenbestand nicht dezimieren müßten. 
Durch den Fang in der Laichzeit, meist anfangs Dezember, 
der nur unter genauer Beobachtung gewisser Vorsichtsmaßregeln 
erfolgen darf, wie: beschränkte Fangzeit, maximales Schnurmaß 
(J0 m), Verpflichtung der Fischer zu sorgfältiger Abstreifung 
und Befruchtung der Eier, sowie die künstliche Erbrütung 
derselben in den Brutanstalten, wird die Möglichkeit geboten, 
dem See alljährlich wieder viele Millionen junger Blaufelchen 


.. Hievon stammten aus den 
zurückzugeben. Do schweizerischen Brutanstalten 


im Jahr 1904: 24 Millionen 14!/oa Millionen 


1907: a 
2910: 260 2. 12 te 
Ta 16. 7 0 


Ueber die Zahl, das Vorkommen und die Größe der Brut- 
anstalten und deren Leistungen für die Blaufelehenzucht 
(Biereinsätze und Brutergebnisse) in den letzten fünf Jahren 
gibt die Karte ebenfalls allen wünschbaren Aufschluß. 

Bemerkt sei nur noch, daß in diesem Jahre in Baden 
eine weitere Brutanstalt für Blaufelchen in Hagenau und in 
Württemberg eine solche in Langenargen errichtet worden 
ist. Die Brutanstalt in Konstanz hat bis jetzt noch keine 
Blaufelcheneier erbrütet, sondern beschäftigt sich wie die- 
jenige von Ermatingen hauptsächlich mit der Erbrütung 
von Gangfisch-, Aeschen- und Hechteiern, Ermatingen überdies 
auch mit der Zucht von Weißfelchen. Auch in Hard werden 
hauptsächlich Sandfelchen- und Forelleneier erbrütet. 

Durch den Fang in der Laichzeit und die damit ver- 
bundene Gewinnung und Befruchtung der Eier und deren 
Erbrütung wird dem See ein größerer Prozentsatz Jungfische 
zurückgegeben, als dies bei dem natürlichen Laichgeschäft 
der Fall ist.! 

Unter diesen Umständen darf der schöne Blaufelchen- 
bestand im Bodensee zurzeit noch als gesichert betrachtet 

. werden; doch ist die stete Zunahme von Fanggeräten, speziell 
der Klusgarne, die, wie schon gesagt, beinahe die ganze 


! Siehe darüber meine Ausführungen in der Festschrift der 
Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft, Heft XX, 1913 (Huber 
& Co. in Frauenfeld): „Beobachtungen und Erfahrungen bei der 
künstlichen Erbrütung der Blaufelchen.“ 


a 


EB 
Blaufelehenzone durchsieben, nicht unbedenklich, und 
eine Beschränkung derselben entweder nach Zahl oder 
mit Bezug auf Fangzeiten mit der Zeit wohl unausbleiblich, 
um so mehr als sie eben den Blaufelchenbestand nicht nur 
quantitativ, sondern wegen der vielen dabei mitgefangenen 
untermäßigen Exemplare auch qualitativ beeinträchtigen. 

Nicht zu übersehen ist auch die zunehmende Verwendung 
von Motorbooten bei der Benutzung dieser Garne, die eben- 
falls eine intensivere Befischung möglich machen, erstens weil 
in gleicher Zeit mehr „Züge“ gemacht werden können, und 
zweitens, weil die besten Fischgründe in kürzerer Frist auf- 
gesucht und abgefischt werden können. 

Möge nötigenfalls die weitere wirksame Fürsorge für die 
Erhaltung der wertvollen und mit Recht geschätzten Blau- 
felchen, der „Brotfische“ des Bodensees, so rechtzeitig und 
so intensiv einsetzen, daß auch noch spätere Generationen 
an diesem „wirtschaftlichen Kapital sich erfreuen können. 


Romanshorn, im Dezember 1913. 


Nachschrift. 


Seit der Schweizerischen Landesausstellung in Bern 1914, 
für welche diese Karte nebst Begleitwort bearbeitet worden 
ist, sind auf Grund wiederholter Beratungen verschiedene 
staatliche Vorschriften erlassen worden, die für den Fang 
und die Zucht der Blaufelchen von so weittragender Bedeutung 
sind, daß ich es für angezeigt erachte, sie im wesentlichen 
noch nachzutragen: 

1) Die Schonzeit für die Blaufelehen wurde vom 
10. November (früher 15. November) bis 15. Dezember, 
und der Beginn des Fanges in der Schonzeit auf den 
25. November (früher 1. Dezember) festgesetzt. (Bundes- 
ratsbeschluß vom 7. November 1913, nach internationaler 
Uebereinkunft.) 

2) Die Maschenweite im hintersten Teil des Klusgarnsackes _ 
(„Zipfel“) darf nur auf eine Länge von höchstens 4 m 
noch 35 mm betragen. (Bundesratsbeschluß vom 20.No- 
vember 1914, nach internationaler Uebereinkunft.) 

3) Für die Ausübung des gewerbsmäßigen Fischfanges auf 
hohem See mit Klusgarn und Schwebnetzen (Blau- 


1908 07 03 09 


25 


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Legende. 
von 30 m Tiefe an. 
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Mitteilungen der Ihurg. nat. Ges. Heft 22, 


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Beginn der Baufelebenzone 


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Fang und Zucht 


Blaufelchen im Bodensee 


Dargestellt von 
W. Schweizer, Sekundarlehrer, ee nshom. 


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Konstanz 


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Orte mit Fischbrutanstalten und Zahl 
der Brutgläser, Die Statistiken beziehen 


sich auf die Erbrütungsergehnime bei 


Blaufoichen von 1906-1912. Eingetragen 
ist jeweilem die Zahl der eingelieferuen 


und der erbrüteten Eier in Tausendern, 


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Stalus vom August 1018. 


Maßstab 1: 125000 Kurtographia Winterthur A. G. 


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felehenfang) werden in jedem Uferstaate besondere 
Hochseefischereipatente zur einheitlichen Taxe von 
12 Franken (10 Mark oder 12 Kronen) ausgegeben und 
die Zahl dieser Patente wie folgt kontingentiert: 


Baden 2.22..5 02.23 28:164 = 
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Oesterreich, 3-22... 38 
Schweiz: St.Gallen . . 45 
Thurgau . 2.105 
Württemberg . - . . 60 


Gleichzeitig ist auch die Verwendung von Motorbooten 
beim Fischfange in der Weise geregelt worden, daß in 
einem Fischereibetrieb nur ein Motorschiff mit höchstens 
6 PS gestattet wird gegen Entrichtung einer jährlichen 
Gebühr von 20 Franken (16 Mark oder 18 Kronen) 
per eingebaute PS. 

Das „Ziehen* der Netze mit motorischer Kraft ist 
verboten. (Thurgauische kantonale Verordnung vom 
18. Dezember 1915, nach internationaler Uebereinkunft.) 

Es wäre sodann nahe gelegen, außer der amtlichen Fang- 

statistik, die nun auch schweizerischerseits seit 1914 vollständig 
vorliegt, auch die Ergebnisse in den Brutanstalten, soweit sie sich 
auf die Blaufelehen beziehen, bis heute nachzutragen und auf 
der Karte darzustellen. Allein durch den europäischen Krieg 
hat auch der Fischereibetrieb auf dem Bodensee so große Ver- 
änderungen und Einschränkungen erfahren, daß ein durchaus 
“anormales und unvollständiges Bild entstanden wäre. Ich be- 
schränke mich daher noch auf die Angabe, daß im Herbst 1915 
in Uttwil und 1916 in Rorschach je eine neue, rationell 
eingerichtete Brutanstalt mit 14 resp. 16 Felchenbrutgläsern 
in P _ »b gesetzt worden ist. 

u Bezug auf die öffentlich rechtlichen Fischereiverhältnisse 
sei zum Schlusse noch bemerkt, daß seit Kriegsbeginn auch 
auf dem Oberseegebiet die Grenzsperre eingeführt wurde, eine 
Tatsache, die mit der These, als ob das Bodenseegebiet ein 
Condominium wäre, auffällig kontrastiert und für die Ausübung 
des Blaufelehenfanges nicht ohne Einfluß war. 


August 1917, 


Die Verbreitung der Zahnfäule bei 
der schweizerischen Schuljugend 
und ihre Bekämpfung. | 


Von Zahnarzt Ad. Brodtbeck in Frauenfeld. 


(Drei Tafeln und eine Karieskarte.) 


Es war im Jahre 1906, als ich zum erstenmal in den 
Mitteilungen der Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft 
eine Arbeit über die Ursachen der Zahnkaries, ihre Folgen 
und deren Bekämpfung, veröffentlichte. Schon dazumal war 
ich in der Lage, den Leser mit einer großen Zahl von 
Untersuchungsresultaten aus der Schweiz bekannt zu machen. 
Heute bin ich am Schlusse meiner Erhebungen angelangt, 
nachdem ich während dreißig Jahren, auf meinen Wanderungen, 
in meinen Ferien, einen Einblick in die Zahn- und Mund- 
verhältnisse bei der schweizerischen Schuljugend bekommen 
habe. So habe ich die romantischen und oft sehr einsamen 
Täler vom Berner Oberland, Graubünden und Wallis besucht; 
auch habe ich die Jugend von Onsernone, Oentovalle, Verzasca 
und Campo Bosco kennen gelernt. In meiner Studienzeit kam 
ieh nach dem welschen Jura; das Baselbiet, meinen Heimat- 
kanton, kannte ich nach allen Richtungen. Später lernte ich 
das liebliche Appenzellerländehen und das Toggenburg kennen. 
Kurz und gut, ich habe auf meinen vielen hygienischen Streif- 
zügen so viel gesehen, beobachtet und erfahren, daß ich mit 
gutem Gewissen meine gesammelten Eindrücke veröffentlichen 
darf. Meine Untersuchungen erstreckten sich in der Haupt- 
sache auf die ländliche Schuljugend.. Was mich veranlaßte, 
die Resultate der städtischen Schulen nicht zu berücksichtigen, 


! Nach einem Vortrag des Verfassers, welcher an der Jahres- 
versammlung der Schweizerischen Odontologischen Gesellschaft in 
Basel 1917 gehalten und für die Mitteilungen der Thurgauischen 
Naturforschenden Gesellschaft umgearbeitet wurde. 


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_ lag in dem Umstand, daß mir die Städte infolge zu intensiver 
Misehung der Bevölkerung ein zu wenig genaues Bild für 
meine Erhebungen gegeben hätten; auch die prozentuale 
Fixierung der kranken Gebisse wäre durch das Produkt der 
intensiven konservierenden Tätigkeit der Privatzahnärzte, 
- Polikliniken und Schulzahnkliniken auf Schwierigkeiten ge- 
stoßen. Auf dem Lande hingegen, wo man heute noch mit 
geringen Ausnahmen den zahnärztlichen Eingriffen mißtrauisch 
gegenüber steht, war der Fall ein anderer. Füllungen habe 
ich höchst selten gesehen, wohl aber die grausamen Wirkungen 
der Extraktionszangen; so traf ich Kinder im Alter von 12 
bis 14 Jahren, welchen man sämtliche bleibenden Zähne 
entfernt hatte. Auf diese höchst brutalen und gesundheits- 
schädlichen Eingriffe in die noch nicht fertig entwickelten 
Kinderkiefer werde ich später zurückkommen. 

Zirka 30000 Schulkinder wurden von mir untersucht; 
vielfach konnten nur sogenannte Stichproben gemacht werden. 
Die faulen Milchzähne, welche oft schwere Krankheitsbilder 
aufweisen, liefern einen hohen Prozentsatz der kranken 
Gebisse; noch höher aber ist die Zahl der kranken bleibenden 
Zähne. Von Seite der Geistlichkeit und Lehrerschaft fand ich 
kräftige Unterstützung; doch auch die Eltern, hauptsächlich 
in den Gebirgstälern, unterstützten mich und gestatteten mir 
einen Einblick in ihre Lebensweise. Letztere spielt bei der 
Verbreitung der Zahnfäule eine größere Rolle, als allgemein 
angenommen wird. Wie die Menschen verschieden sind, so 
sind auch ihre Lebensbedingungen verschieden und so ver- 
schieden ist auch ihre körperliche Entwicklung. In unserer 
kleinen Schweiz können wir in dieser Beziehung enorme 
Kontraste beobachten. Den größten Unterschied fand ich 
zwischen der Walliser-- und Appenzellerbevölkerung. Hier 
Degeneration, dort noch urchiger, unverfälschter Gebirgler- 
 typus; einerseits vernünftige, rationelle Lebensweise, ander- 
- seits Verweichlichung in Nahrung und Lebenshaltung. Man 
muß sich nicht wundern, wenn die kräftigsten Kindergebisse, 
die kräftigsten und normalsten Kiefer in den Kantonen Wallis, 
Tessin und Graubünden zu finden sind. In diesen Gegenden 
habe ich eine große Zahl der herrlichsten Eindrücke erlebt, 
welche sehr zugunsten dieser armen, aber doch zufriedenen 
und glücklichen Menschen sprechen. So bescheiden und 


REDE 


anspruchslos die Eltern in Kleidung und Nahrung sind, so 
bescheiden ist auch die Jugend. In diesen Dörfern trifft man 
noch gesunde Tradition. Das Kind ruht an der Mutterbrust 
als wirklicher Säugling; niemand stößt sich an dem lieblichen, 
bei uns so seltenen Bild, höchstens unsere falsche Prüderie. 
Der Mann wiederum gefällt mir durch seine Enthaltsamkeit 
im Genuß alkoholischer Getränke. Ist für ihn die Tages- 
arbeit noch so streng und gefahrvoll, er begnügt sich still- 
schweigend mit seiner bescheidenen Mahlzeit, welche haupt- 
sächlich aus Risotto oder Polenta besteht. Eltern und Kinder 
lagern sich um den Topf und löffeln mit gesundem Appetit, 
nicht neusig, ohne Hast von dem wahrhaft nahrhaften Gericht. 


Zwischenhinein kauen sie von ihrem harten, selbstgebackenen 


Schwarzbrot. Die Jugend benimmt sich während dem Essen 
nicht frech; die Achtung und der Respekt vor den Eltern 
ist zu groß. Gewiß, das Leben in diesen einsamen Tälern 
ist monoton, der Tiefländer wollte nicht tauschen; doch eines 
haben diese Gebirgler voraus, auch wenn sie nur ein paar 
Gaißen und einen Stadel als Eigentum besitzen: Glück, 
Bescheidenheit, hohe Moral und Gesundheit. Die Jugend hat 
durchwegs ein blühendes Aussehen; höchst selten trifft man 


ein sogenanntes Wachsgesicht. Mit nackten, braunen Beinen, 


dazu noch geraden, springen sie herum, klettern über alle 
Hindernisse und freuen sich so recht des Daseins. Die reifere 
Jugend hilft mit gebräunten Wangen den Eltern bei der 
Arbeit. Je anmutiger das Mädchen, um so derber der Knabe; 
doch immer sind sie höflich und anständig gegen die Fremden, 
was man von der Tieflandjugend nicht immer behaupten 
könnte. So soll die Jugend sein, ungeschminkt, natürlich, 
wie sie der Herrgott gedrechselt, wenn sie sich normal ent- 
wickeln soll. 

Hier fand ich auch bis 15 ° gesunde Gebisse, Kiefer 
und Zähne kräftig entwickelt, das Zahnfleisch gesund und 
straff gespannt. Dank dem kräftigen „Kauen“ sauberer 
Mund, ohne den bekannten schmierigen, grünen Belag; hier 
darf man von einem süßen Kindermund sprechen. Bei etwas 
tiefer gelegenen Dörfern, in der Nähe von Hotelvierteln, ist 
bereits eine Abnahme der gesunden Gebisse zu konstatieren, 
ein Beweis, wie schädlich auch die Hotelindustrie auf unsere 
Jugend wirkt. Es ist eine altbekannte Tatsache, daß z.B. die 


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Die mit © bezeichneten Städte 
besitzen Schulzahnkliniken 
Die mit 4 bezeichneten Städte 
schicken ihre Schulkinder auf 
Kosten der Gemeinde in die 

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Nach Untersuchungsresultaten aufgestellt 


von 
Zahnarzt Ad. Brodtbeck, Frauenfeld 


1890—1917 
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Die Verbreitung der Zahnfäule bei der Schuljugend in der Schweiz 


85— 90 %% kranke Gebisse 


Die mit © bezeichneten Städte 
besitzen Schulzahnkliniken 
Die mit 4 bezeichneten Städte 
schicken ihre Schulkinder auf 
Kosten der Gemeinde in die 

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Nach Untersuchungsresultaten aufgestellt 
von 


Zahnarzt Ad. Brodtbeck, Frauenfeld 
1890—1917 


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Kinder von Bergführern schlechtere Zähne haben als die 
Kinder von Eltern, welche Landwirtschaft betreiben. So 
komme ich in den Bezirken St. Maurice, Martigny, Chonthey, 
Sion, Saanen, Ober-Simmental, Fruttigen, Interlaken, Oberhasli, 
Uri, Vorderrhein, Glenner, Heinzenberg, Unterlandquart usw. 
nur noch auf 5—10 °/, gesunder Gebisse; sogar Bellinzona, 
Lugano und Mendrisio, Bezirke mit starker industrieller Ent- 
wicklung, mußten hier einbezogen werden. Die übrige fran- 
zösische Schweiz, Nieder-Simmental, Thun, Bern, Aarberg, 
Fraubrunnen, Burgdorf, Trachselwald, Konolfingen, Signau, 
Entlebuch, Obwalden, strichweise Nidwalden, Schwyz, Glarus, 
und Sargans weisen 2—5 °/, gesunder Gebisse auf. In den 
Bezirkefi Solothurn, Olten, Gösgen, Balstal, Wangen, Aarwangen, 
Willisau, Sursee, Hochdorf, Luzern, Küßnacht, und in den 
Kantonen Baselland, Baselstadt, Aargau, Schaffhausen, Zürich 
und teilweise Thurgau und St.Gallen fanden sich 0—2 % 
intakter Gebisse, während die Bezirke Weinfelden, Bischofs- 
zell, Wil, Goßau, Tablat, St.Gallen und der ganze Kanton 
Appenzell die dunkelste Stelle meiner Aufzeichnungen bilden. 

Aus obigen Erhebungen ist zu entnehmen, wie mißlich 
es mit den Zahnverhältnissen bei der Schuljugend, speziell 
in der Ostschweiz, steht. Aber auch in den südlichen, süd- 
westlichen und südöstlichen Gegenden der Schweiz kommen 
wir auf 85 % kranker Schülergebisse. Auf der beigegebenen 
Schweizerkarte! habe ich die während dreißig Jahren ge- 
sammelten Untersuchungsresultate niedergelegt und dabei nur 
die Bezirksgrenzen berücksichtigt. Auf absolute Vollkommen- 
heit macht auch meine Statistik keinen Anspruch; kleine 
Varianten sind immer möglich, da nicht in jedem einzelnen 
Bezirk Untersuchungen durchgeführt werden konnten. Doch 
etwas sagt die Karte deutlich, daß die Verbreitung der Zahn- 
fäule bei der schweizerischen Schuljugend eine ungeheure ist 
und daß wir vor einer schweren Volkskrankheit stehen. Heute 
gilt es die Ursachen zu erforschen und zu bekämpfen, sowie 
Mittel und Wege zu finden, um die Volksseuche vorerst im 
‚konservierenden Sinne zu beseitigen. 

Als eine der Hauptursachen müssen wir die veränderte 


‘ Die Karte ist eine Verkleinerung meiner Originalkarieskarte 
(Maßstab 1:1000000), welche an die Mitglieder der Schweizerischen 
Odontologischen Gesellschaft verteilt worden ist. 


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Lebensweise betrachten. In meiner Einleitung habe ich ver- 
sucht, einen Einblick in Volksernährung bei den Gebirglern im 
romanischen Teile der Schweiz zu geben; ziehe ich nun eine 
Parallele mit der Ernährung im Tieflande, so kommen wir 
zu auffallenden Resultaten. Die Jugendernährung im Tieflande, 
speziell in den Industriezentren, ist bei den Arbeiterfamilien 
durchwegs unrationell und das Produkt davon Unterernährung. 
Mit Ausnahme eines Teiles der romanischen Schweiz, wo die 
Mutter den Säugling noch mit Stolz an die Brust legt, be- 
kommt das Kind nach den ersten Wochen die Milchflasche 
und Grießbrei. Kommen die Milchzähne, so gibt man deshalb 
nicht gemischte Nahrung (gekochtes Gemüse und Obst); die 
Milchkost wird fortgesetzt, bis der Körper aufgedunsen ist. 
Mit salzarmen Knochen und krummen Beinen werden foreierte 
Gehversuche gemacht, und immer noch glaubt die Mutter, den 
Liebling, statt mit fester Nahrung, mit Milch und Brei stopfen 
zu müssen. Inzwischen ist der Kleine oder die Kleine schul- 
pflichtig geworden; da Vater und Mutter schlechte Zähne 
besitzen, werden die Gerichte dem elterlichen Kauvermögen 
angepaßt; die Folge davon ist, daß auch die Kinder das zu 
Brei gekochte Zeug essen müssen. So müssen und lernen 
die Kinder nicht kauen; Kiefer, Zähne und Muskeln bleiben 
in der Entwicklung zurück. Man entschuldigt sich gegenseitig 
und nimmt den faulen Zustand der Gebisse, den sehmierigen, 
grünen Belag und das hochrot entzündete Zahnfleisch, als 
selbstverständlich hin, sind es doch für die Eltern und weitere 
Umgebung bekannte Bilder. Als Begleiter gesellen sich 
Schmerzen und Unterernährung hinzu. Für die Schmerzen 
springt man zum Barbier, für die Blutarmut zum Doktor, 
und beide können nicht helfen. Kommt man endlich zum 
Zahnarzt, dann ist es zu spät. So kommt es, daß bei uns, 
hauptsächlich in den Industriegegenden, die Jugend so früh 
zu entstellenden Gebissen kommt. Im Kanton Appenzell ist 
es direkt zur Mode geworden, daß man einer Tochter ein 
künstliches Gebiß, oder sagen wir besser falsche Zähne, in 
die Aussteuer gibt. Die Burschen verlangen es so, damit sie 
später nicht auch noch diese. Ausgaben haben. In diesen 
Gegenden würde man mit einer gesunden und reellen Auf- 
klärung und Belehrung über den hohen Nutzen konservierter 
Zähne schlecht ankommen; liegen doch vielfach diese Schichten 


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der Bevölkerung total in den Händen der Pfuscher, welche 
nichts Gescheiteres tun können als das Gegenteil zu behaupten, 


was die wirklichen Zahnärzte sagen. Was von Seite dieser 


Elemente geleistet wird, grenzt an das Aschgraue, und trotzdem 
werden sie von Behörden, Kantonsräten, ja sogar von einem 
Teil der Mediziner unterstützt. So muß man sich nicht 
wundern, wenn schon der Kanton Appenzell und Umgebung 
die dunkelste Stelle in der Zahnfäulnisfrequenz aufweist; auf 
einen großen Umkreis machen sich die schädlichen Einflüsse 
der Wunderdökter bemerkbar, und die Worte dieser falschen 
Propheten gewinnen weiter an Boden. Falsche Behandlungen, 
brutale operative Eingriffe, Massenextraktionen usw. im Kindes- 
alter stören das Wachstum der Kiefer, verengern den Nasen- 
 rachenraum und den Oberkiefer, verpfuschen die Stellung 
der noch durchbrechenden Zähne. Abgebrochene oder ab- 
geschliffene Kronen (Zahnersatze oder Kronen auf Wurzeln, 
ohne Wurzelbehandlung, das Schlimmste was es gibt) mit 
vereiterten Nerven, rufen schwere Drüsenschwellungen, also 
lebensgefährliche Infektionen hervor. Auch das Deutsche Reich ! 
mit seiner Legion von sogenannten Dentisten (nicht Zahnärzte), 
welche sich vielfach aus Abenteurern rekrutieren, leisten.dem 
Volke einen zweifelhaften Dienst, und doch pilgern die Thurgauer 
mit Vorliebe nach Konstanz. Nicht immer die scheinbar billigere 
Behandlung ist es, was sie lockt, sondern die marktschreierische 
Reklame, welche von Lug und Trug strotzt, zwingt sie mit 
magischer Gewalt in die Hände der Zahnatelier-Besitzer. 
Hier kann nur zahnärztliche Wissenschaft und exakte Technik, 
also nicht handwerksmäßige Verrichtung, Remedur schaffen; 
ihr allein verdanken wir die großen Fortschritte in der 
Konservierung der Zähne. 

Eine weitere bedauernswerte Erscheinung der Appenzeller 
und Umgebung ist die Sucht für Schleckereien. Die Appen- 
zeller, St. Galler, und neuerdings auch die Welschschweizer, 
haben nicht nur das weißeste Brot, sondern auch die süßesten 
Torten. Die sogenannten Appenzellerfladen werden sogar in 
den Sennhütten gehalten. Die Kinder lutschen saure Früchte- 
bonbons; auch die Konfitüre spielt eine große Rolle; Butter- 


: ! Im sanzen deutschen Reich (sonst in keinem andern Staate) ist 
die Medizin freigegeben; alles kann praktizieren. Nur die Verwendung 
ärztlicher Titulaturen wie Arzt und Zahnarzt sind verboten. 


brote mit einer dieken Schicht Zucker sind bei der Jugend 


ebenfalls keine Seltenheit. Ein schlagender Beweis hiefür 
folgende amtliche Zeitungsnotiz: Für die Abgabe von Einmach- 
zucker sind im Kanton Appenzell A.-Rh. Anmeldungen ein- 


gegangen, welche die vom Bund zur Verfügung gestellte 


Menge um 52000 kg übersteigen. 

Es ist ferner auffallend, daß die Zahnfäule speziell in 
denjenigen Gegenden stark auftritt, wo die Heimarbeit, welche 
bekanntlich auch die Jugend mit engagiert, zu Hause ist. 
In den Bezirken Wil, Goßau und Appenzell ist das häufig 
der Fall; auch die Bezirke Waldenburg (Baselland), Locle, 
Chaux-de-Fonds, Courtelary usw. haben einen höhern Prozent- 
satz kranker Gebisse als die benachbarten Gebiete. Die in 
der Entwicklung begriffene Jugend nimmt dabei enormen 


Schaden an Leib und Seele. Hier sollte mit aller Macht 


Abhilfe geschaffen werden, und zwar durch besondere behörd- 
liche Verfügungen oder Gesetze. Die Jugend sollte zu un- 
gesunder Heimarbeit, in ungesunden Räumen, vor Ablauf 
des 16. Lebensjahres nicht zugelassen werden. Mangel an 
Bewegung in freier und frischer Luft, dazu noch eu 
Nahrung, führt zu den schwersten Volksschäden. 

an in den Schulen dürfte man speziell bei den untern 
Klassen für die normale Entwicklung des Organismus mehr 


Sorge tragen. Die Lehrer und Lehrerinnen sollten mit ihren 


Schülern an schönen Frühlings-, Sommer- und Herbsttagen 
viel in die prächtige Natur hinaus. Die blühenden Wiesen, 
Felder und Wälder geben der Jugend viel Anregung für 
naturgeschichtliche Betrachtungen, für die Lehrer ein Unter- 
richtsmaterial in Hülle und Fülle. Die natürlichen Bilder 
bleiben auch in besserer Erinnerung als die nichtssagenden 
Tabellen der Schulwände. Noch verbleiben genügend Tage 
im Jahr für die schädliche Schulluft. Die prächtigen Resultate 
der städtischen Waldsehulen sind bekannt; die geistige Ent- 
wieklung ist dabei nicht zu kurz gekommen, sondern stark ge- 
hoben worden. Jugenderzieher und Hygieniker dürften sich auch 
in dieser Beziehung einander besser verstehen und miteinander 
arbeiten; die Jugend hat es bitter nötig. Seminardirektor 
Schuster in Kreuzlingen sagte in einem Vortrag anläßlich 
der Thurgauischen Schulsynode folgende prächtige und wahre 
Worte; sie verdienen an dieser Stelle wiederholt zu werden: 


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„Die Fortschritte und die große Ausdehnung, die in der 
Neuzeit Wissenschaft und Technik gewonnen, und die Ver- 
änderungen überhaupt im wirtschaftlichen Leben haben die 
Lebensbedingungen und das Denken des Volkes verändert und 
‘sogar die körperliche Beschaffenheit der modernen Menschen 
bis zu einem gewissen Grade nachteilig beeinflußt. Das 
moderne Leben und das moderne Hasten und Jagen hat 
_ nervöse Kinder gebracht, geschwächte junge Organismen. 
Zahnarzt Brodtbeck hat nachgewiesen, dab in den Kultur- 
staaten die Ostschweiz die meisten Kinder mit Zahnfäule 
aufweist. Kann die Schule selbstverständlich nicht allein die 
erwähnten Uebelstände beseitigen, so kann sie doch zu ihrer 
Beseitigung beitragen. Versuche haben gezeigt, daß durch 
Errichtung von Waldschulen und Erholungsheimen selbst 
‘schwache Kinder einen normalen Lehrgang durchzumachen 
imstande sind. Für unsere Kinder im Kanton Thurgau genügt 
der Aufenthalt mit körperlicher Bewegung in freier Luft. 
Für die untern Schulklassen sind heute sechs Stunden im 
Schulzimmer zu viel; aber auch die obern Klassen sind über- 
lastet, und das letztere trifft namentlich für Mädchen zu, die 
neben der Schule zu Hause im Haushalt noch stark und 
- vielseitig beschäftigt werden. Eine wohltätige Aenderung ist 
‚bei uns schon dadurch im Lehrplan gemacht worden, daß 
Nachmittagsexkursionen eingeführt worden sind. Wer solchen 
Spaziergängen mit Unterricht im Freien nicht geneigt .ist, 
vergesse nicht, daß der Unterricht im Freien eine genauere 
Vorbereitung des Lehrers erfordert, und daß dadurch die 
Schüler auf Grund ihrer sinnlichen Wahrnehmungen vor 
allem ihre Beobachtungsgabe üben und vervollkommnen. In 
der Schulstube von etwas reden, das man draußen nicht 
gesehen hat, das erzeugt bloß Schwätzer.“ Hoffentlich haben 
die Ausführungen von Herrn Seminardirektor Schuster ihre 
Wirkungen getan; er hat damit die innersten Wünsche der 
Schulhygieniker und vieler besorgter Eltern berührt. 

Noch eine weitere Beobachtung habe ich auf meinen 
Wanderungen gemacht; der Romane genießt viel weniger 
Zwischenmahlzeiten als der Deutschschweizer. Bei uns will 
man immer Hunger verspüren; immer muß wieder etwas 
gegessen werden; eine Erscheinung, welche unbedingt mit 
dem Schlingen, mit dem Nichtkauen der Speisen, zusammen- 


7 


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hängt. Ein Mensch, welcher sich zum Essen Zeit nimmt, 


und auch imstande ist, seine Nahrung gut zu kauen, fühlt 
sich bei der einfachsten Nahrung länger gesättigt, als einer, 
welcher in fünf Minuten sein Gericht hinunterwürgt. Eltern 
und Kinder kann man nicht genug aufmerksam machen, die 
Speisen gut zu kauen, Beim Essen soll nicht gehastet werden, 
auch auf das Risiko hin, daß der Vater zu spät zum „Jassen“ 
kommt. Die Speisen 'müssen im Mund langsam gekaut und 
der Brei gut eingespeichelt werden, eine Hauptbedingung für 
normale Fortsetzung der Verdauung im Magen. Allerdings 
gehört dazu ein gesundes Gebiß und nicht faule Zähne. Mit 
einem kranken Gebiß ist ein normaler Verdauungsakt aus- 
geschlossen; auch werden durch die Schlingbewegung die 
faulen Stoffe aus den hohlen Zähnen in großer Menge in 
den Magen befördert, wo sie die Veranlassung zur krank- 
haften Veränderung des Magensaftes bilden. 

Auch Reformen im Genuß der Nahrungsmittel sind nötig. 
Die Vorbedingungen hiezu sind im Werden begriffen. So 
Schreckliches und Furchtbares ein Krieg bringen kann, er 
hat auch seine gute Seite; ohne Weltkrieg wären wir kaum 
bezüglich Ernährung aus dem alten Schlendrian heraus- 


gekommen. Unsere frühere Kost bestand in der Hauptsache . 
aus kalkarmer Nahrung, wie Weißbrot, Fleisch, Kartoffeln. 


und Teigwaren, gewürzt mit dem obligaten Dessert; dagegen 
die nahrhaften Speisen, wie Reis, Mais, Habermues, Linsen, 
die gesunden Gemüse mit dem schmackhaften, gelagerten 
Vollmehlbrot, sah man selten auf dem Tisch. Auch der zu- 
nehmende Gemüsebau bringt uns weitern vorzüglichen Ersatz. 
Der Not gehorchend, haben Gemeinden, Behörden und Industrie- 
“ gesellschaften dem Volke Pflanzland zur Verfügung gestellt 
und so manch eine Familie veranlaßt, in frischer, herrlicher 
Luft zu arbeiten. Heute ist es eine Freude, zu sehen, wie 
Eltern und Kinder das Land bebauen, wie sie das- frische 
Gemüse nach Hause tragen; eine Freude zu sehen, wie der 
elterliche Tisch sich wieder mit Gemüse bedeckt, wie die 
Gesundheit in doppelter Beziehung Nutzen davon trägt. Auch 
der Rückgang des Fleischkonsumg ist eine erfreuliche  Er- 
scheinung. Vor dem Kriege wurde an vielen Familientischen 
fast ausschließlich Fleisch gegessen und das Gemüse neben- 
sächlich behandelt, zum schweren Nachteil des Stoffwechsels. 


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Es ist selbstverständlich, daß mancher Erwachsene im 
Anfang bei dieser veränderten Lebensweise Reaktionen durch- 


macht, daß mancher Magen sich bei dieser neuen Kost rebellisch 


zeigt und der Organismus verschiedene Störungen erlebt. Hat 
sich einmal der Mensch an diese veränderte Kost recht an- 
gepaßt, und auch daran gewöhnt gut zu kauen und weniger die 


. Speisen zu schlingen, dann wird er mit dieser Kostart sich 


bald versöhnen. Gerade bei dieser veränderten, doch ver- 
nünftigen Ernährung zeigt es sich, was ein gesundes, natür- 
liches Gebiß für einen hohen Wert besitzt. Erwachsene mit 
kranken oder gar keinen Zähnen werden mit der gegen- 
wärtigen Nahrung nicht viel anfangen können; sie werden 
fortgesetzt murren, über schlechtes Brot und über schlechte 
Verdauung klagen und massenhaft mit Hilfe ärztlicher Atteste 
sich Weißmehl und Grieß verschaffen. Die Jugend selbst, 
d.h. so weit sie über ein leistungsfähiges Gebiß verfügt, 
fühlt sich bei dieser Ernährung wohl. Ich fürchte nur, daß 
nach dem Kriege das alte Laster wieder Platz greift, daß 
die Menschen bald wieder zum Massenzuckerkonsum, zum 
sehädlichen Weißbrot und zur vermehrten Fleischkost zurück- 
kommen, es sei denn, daß die jetzigen Verordnungen über 
Volksernährung bestehen bleiben im Interesse des Schweizer- 
volkes. 

Soweit über die Hauptursachen der Zahnfäule und ihre 
indirekten Bekämpfungsmöglichkeiten. 

Noch verbleibt uns die örtliche, d.h. die direkte Bekämpfung. 
der Zahnfäule durch: den Zahnarzt selbst. Ueber diesen Punkt 
ist von Fachmännern und Laien schon viel gesprochen, ge- 
stritten und geschrieben worden. Heute noch wird speziell auf 
dem Lande die Sanierung des Gebisses als Luxus qualifiziert; 
auch bringt man vielfach allen konservierenden Eingriffen 


das größte Mißtrauen entgegen; für alles hat man Geld, nur 
- nichts für die Zähne. Manch junger Bursche würde besser 


tun, sein Geld für gründliche Behandlung des Gebisses zu 
opfern, als mit faulen Zähnen und Buckel auf dem Velo im 
Lande herum zu radeln; das Laufen bekäme ihm sicher besser. 
Für Hüte, Kleider, seidene Zopfbänder, Eisenbahnen, Velo, 
Auto usw. hat man Geld, für die in Fäulnis strotzenden 
Mundhöhlen bleibt nichts übrig. Vielfach hört man auch sagen, 


- die zahnärztlichen Behandlungskosten seien für die gewöhnlichen 


— . 100 — 


Menschenkinder unerschwinglich. Bei sehr defekten Gebissen 
und bei großer Kalksalzarmut der Zähne kann dieser Aus- 
spruch gewisse Berechtigung haben; doch vergesse man nicht, 
daß nur wenige über eine so schlechte Qualität von Zähnen 
verfügen, und daß eine korrekte Sanierung eines vernachlässigten 
Gebisses niemals billig oder fast um nichts durchgeführt werden 
kann, auch nicht von heute auf morgen. Ein sehr krankes 
Gebiß zu behandeln erfordert viel Zeit und oft enorme Geduld, 
nebst tüchtigem Studium große Fachkenntnisse und Erfahrung, 
ein tadelloses Instrumentarium, sowie nur erste Qualität von 
Füllungsmaterialien, da für erfolgreiche Arbeiten kaum das 
Beste gut genug ist. In Fällen, wo die Kosten unmöglich 
von den Zahnkranken übernommen werden können, da sollten 
z. B. für die Schuljugend die Schulgemeinden, für die Arbeiter 
die Krankenkassen und für Soldaten Kanton und Eidgenossen- 
schaft in den Riß treten. Schulgemeinden und Krankenkassen 
haben auf die ärztlichen Mahnungen und Ratschläge nur 
bescheiden reagiert; bezüglich Soldatenbehandlung kam es 
anders. Hier war es die Kriegsmobilisation, welche die große 
Notwendigkeit spezialärztlicher Hilfe der kranken Soldaten 
wach rief. Die Erkenntnis für das Bedürfnis zahnärztlicher 
Dienste ist bis zur obersten Behörde gedrungen. Der lange 
Grenzdienst, die feldmäßige Nahrung, die nasse und kalte 
Witterung, die luftigen Kantonnemente, haben sich mit den 
schlechten Zähnen schlecht vertragen; bald waren die Kranken- 
zimmer mit Zahnwehpatienten überfüllt, und so kam es, daß 
man zu den Zahnärzten griff und zahnärztliche Stationen 
organisierte. Die kleine Zahl der zahnärztlichen Kliniken 
genügte schon anfangs 1915 nicht mehr; es mußten weitere 
Fürsorgestellen geschaffen werden. Trotz alledem konnte 
nicht in allen Fällen in der Sanierung der Gebisse Gründ- 
liches geleistet werden, speziell da, wo die Kliniken mit 
Patienten überlastet waren. Heute darf man es offen aus- 
sprechen, die Schweizerzahnärzte haben bis zum Jahrgang 66 
während drei Jahren bei unsern Feldgrauen eine enorme 
Arbeit bewältigt; sie haben mit ihren Leistungen die Sym- 
pathien der Soldaten, Offiziere und Behörden erworben. Die 
neue Organisation der Militär-Sanitätsanstalten vom 2. Februar 
1917 sieht ebenfalls für die chirurgische Sektion Zahnärzte 
vor. Zirka 100 Zahnärzte sind bei den zehn Sanitätsanstalten 


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— 102 — 


eingeteilt; sie haben sich im Kriegsfall hauptsächlich mit 
Kieferverletzten zu befassen. Von diesen Zahnärzten haben 
ungefähr 50 eine Spezialausbildung in Kriegslazaretten von 
Deutschland, Oesterreich und Frankreich genossen. Für den 
aktiven Dienst sind laut Beschluß des Bundesrates vom 
27. Oktober 1916 die Regimentszahnärzte eingeführt worden; 
sie haben, wie die Aerzte und Apotheker, eine Sanitätsofliziers- 
aspirantenschule zu absolvieren, um den Grad eines Sanitäts- 
offiziers zu erlangen. Wie sehr diese Organisationen notwendig 
waren, beweist folgende Statistik aus der Samadener Klinik 
über das Thurgauer-Regiment: In 1405 Sitzungen wurden 
2236 Extraktionen, 1484 Füllungen und 50 Zahnersatze 
erledigt. Auf das Füsilierbataillon 74 fielen in 675 Sitzungen 


allein 974 Extraktionen, 761 Füllungen und 25 Zahnersatze. 
Auch die Truppen aus den Kantonen St. Gallen und Appen- 


zell brachten dieser kleinen zahnärztlichen Grenzstation viel 
Arbeit. Die Gesamtleistung während zwei Jahren beträgt: 
12179 Sitzungen, 13543 Extraktionen ganz fauler und kranker 
Zähne, 11858 Füllungen, 2516 Kauterisationen, 1350 thera- 
peutische Behandlungen und 769 Zahnersatze. Ueber 200 
Soldaten verfügten über sehr schlecht konstruierte Gebisse, 
welche in sogenannten „Zahnateliers“ (nicht in wirklichen 
zahnärztlichen Praxen) hergestellt worden sind. Diese Prothesen- 
besitzer waren nicht imstande, die feldmäßige Nahrung zu ver- 


arbeiten. Nur wenige Laien können aus obigen Zahlen die 


große Summe segensreicher Arbeit herausfinden; sie sprechen 
für die Unentbehrlichkeit dieser zeitgemäßen Institution. Was 
heute an Zahnpatienten in die Militärzahnkliniken wandert, ist 
ein verschwindend. kleiner Teil von den vielen Zahnkranken, 
und doch sind die Stationen mit Behandlungen überhäuft. 


Noch einen weitern Vorteil hat die Soldatenbehandlung 


dem Volke gebracht, die Erkenntnis für die große Wichtigkeit 
gesunder Zähne und Mundhöhlen. So muß man sieh nicht 
wundern, wenn heute in allen größeren Gemeinden der Wunsch 
nach Sehulzahnkliniken laut wird. Man beginnt endlich zu 
begreifen, daß diesem Volksübel nur durch Gründung von 
zahnärztlichen Fürsorgestellen erfolgreich begegnet werden 
kann, d.h. durch frühzeitige Bekämpfung der Zahnfäule. 
Diese Fürsorge hat jedoch nur dann einen idealen. Wert, 
wenn sie sämtlichen Schulkindern zugänglich gemacht wird, 


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— 104 — 


und zwar in dem Sinne, daß gesunde Organisationen von 
Schulzahnkliniken (für jeden Bezirk eine Klinik, 1—-2 Schul- 


zahnärzte vom Staate oder von den Bezirken besoldet) geschaffen 


werden, welche es ermöglichen, die Sanierung der Schüler- 
gebisse gründlich und periodisch durchzuführen. Schlecht ge- 


leitete Kliniken, dazu noch kleinliche Kreditgewährung, führt 
zu den schlimmsten Schäden und zum endlichen Ruin der ° 


Kliniken; Beispiele hiefür könnten genügend erbracht werden. 


Mit gutem Willen und mit der nötigen Dosis Energie kann 


alles erreicht werden, sogar das scheinbar Unmögliche; man 
lasse nur hübsch Zweifel und Mißtrauen auf der Seite, sowie 
die Politik und die sogenannte Konfession. 


Im Jahre 1911 wurde in Frauenfeld die dritte Schulzahn- 


klinik in der Schweiz gegründet. Luzern, Zürich, St. Gallen, 
Bern, Lausanne und Genf besitzen ebenfalls Kliniken. Winter- 
thur, Horgen und Chur schicken ihre Schüler auf Kosten der 
Schulkasse in die Privatpraxen. Die Behandlungen erfolgen 
nach folgendem -Tarif: 


1 Extraktion . . .. Fr. 1. — 
1 Extraktion mit ern. nn 2. — 
1 provisorische Füllung. . . - 3. — 
1 Amalgam-Füllung . . . .  - 3.50 
1 Silikat-Füllung . . . - 4. — 


Dieses System bringt einer emails größere Auslagen, 
trotzdem nur 10— 15%, der Schüler auf Behandlung Anspruch 
machen können. Von Seite der Schulbehörden in Winterthur 
und Chur werden heute übrigens bereits Anstrengungen ge- 
macht, Kliniken zu gründen. Auf der Karieskarte der Schweiz 
sind alle Städte, welche für ihre Schulen zahnärztliche Fürsorge 
eingeführt haben, mit besonderen Zeichen markiert. 

Mit dem Gedanken, Schulzahnkliniken zu gründen, befassen 
sich heute folgende Gemeinden: Arbon, Amriswil, Arosa, Baden, 
Brugg, Biel, Basel, Burgdorf, Chaux-de-Fonds, Langenthal, 
Lugano, Schaffhausen und Thun. Wie es mit so modernen, 
doch zeitgemäßen hygienischen Forderungen zu gehen pflegt, 
werden wohl die meisten Behörden die Angelegenheit 
besprechen, jedoch das Postulat, nur weil es etwas Kosten 
verursacht, nicht zur Ausführung bringen. Den Gemeinden 
kann ich mit gutem Gewissen und mit einer großen Portion 
Erfahrung eine Organisation, wie sie Frauenfeld besitzt, nur 


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empfehlen, vorausgesetzt, daß ein Zahnarzt zur Verfügung > 
steht, welcher für die Jugend und für diese zeitgemäße In- 


- stitution warm empfindet. Leicht ist der Anfang nicht, und 


oft noch schwerer, einen Kredit von 3500—5000 Franken = 
für die Installation einer Klinik zu erhalten. Dank einer 


weitsichtigen-Schulbehörde konnte in unserer Residenz eine 
mustergültige Installation, welche sich auf drei Zimmer 
-ausdehnt, getroffen werden; die Kosten kamen nicht höher 
als auf 3500 Franken. Die Klinik besitzt einen Tarif mit 
folgenden Ansätzen: 


1 Extraktion ‚eines Zahnes oder Wurzel Fr. —. 50 
L Kauterisation eines Nerves. . .. a 
1 Behandlung eines vereiternden Nero. - 1.— 
1 nn Se - 1.— 
1 provisorische Füllung in Deren: oder 
Guttapercha ©... nu. 
1 Sılbertulune . . ee 1,30 
1 Porzellan- nenn. 2 - 2.— 
Untersuchungen der Gebisse und Konsultation 
„gratis. * 


Die Behandlungskosten für arme oder weniger bemittelte 
Schüler werden auf diskrete Art von der Schulkasse getragen, 
noch später aus dem Zins eines Klinikfonds (letzterer ist be- 
scheiden im Wachsen begriffen) bestritten werden. Die Klinik 
steht bis jetzt folgenden Schulen zur Verfügung: 

Primar- und Repetierschule von Frauenfeld, 

- - - -  Kurzdorf, 

- - - - een, 
Kantonsschule bis und mit der den! Ka sowie die 
Mädchen-Sekundarschule und alle Konfirmanden, 

im ganzen zirka 1200 Schüler. 


Seit dem Bestand der Klinik sind bis heute in einem 
permanenten Abendbetrieb (von 5--6 Uhr abends) folgende 
Behandlungen ausgeführt worden, und zwar freiwillig, ohne 
Zwang für den Schüler: 


Untersuchungen und Konsultationen . . 3267 
Extraktionen fauler Zähne und Wurzeln, 


zuklusive Milchzähne 2... 172222220 
| Uebertrag 5387 


— 107 = 


Vortrag 5387 
Extraktionen mit Injektion (lok. Anästhesie) 1130 


Kauterisationen freigelester Nerven . . 615 
Behandlung vereiternder Nerven . . 120 
Nervkanalfüllungen (zeitraub. on) 650 
Broyisorisehe* Küllungen °.  ..°.09.0..22.222120 
- Porzellan-Zementfüllungen . . . . . 1850 
Silberhillungen‘ 2.2.02, 200.20, ° 922 22222303500 
Kronenersatze (Davissystem) auf Front- 
wurzeln: Se... 60 
Kleinere chirurgische im enaite ul an 
peutische Behandlungen . . . . .. 1500 


Zusammen an zahnärztlichen Verriehtungen 14932 


Also rund 15000 Behandlungen in über 4000 Sitzungen 
gleich 2600 Arbeitsstunden. 


Heute besitzt die Primarschule, auf freiwilligem Wege, 
über 50 %, sanierte Gebisse, gegenüber 5 °/, vor der Gründung 
der Klinik. Die Mädchen-Sekundarschule hat den Rekord 
geschlagen mit 92 %. Die übrigen Schulen (Land- und 
__ Industrievorstädte von Frauenfeld) haben es auf 35-—40 %% 
sanierter Gebisse gebracht. Viele Schüler, welche seither der 
Schule entlassen worden sind, pflegen mit großem Interesse 
weiters ihre Gebisse; die Pflege der Zähne ist ihnen förmlich 
in Fleisch und Blut übergegangen. Was wir wollten, ist 
gelungen und so gekommen, wie wir es gedacht haben. 

Für Kinder, welche für die Ferienkolonie bestimmt sind, 
ist die Untersuchung und Behandlung obligatorisch. Dieser 
Beschluß hat sich auf das beste bewährt; er spricht aber 
auch für das große Vertrauen und für die nötige Einsicht 
in hygienischen Fragen von Seite der Behörde. 

Nur wer einen Einblick in die minutiösen zahnärztlichen 
Verrichtungen hat, bekommt einen Begriff von der Leistungs- 
fähigkeit einer Provinzialklinik, von ihrem großen Wert für 
die Gesundheit der Schuljugend. Was dabei an kranken, 
infektiösen Stoffen aus der Mundhöhle und Zähnen entfernt 
worden ist, kann nur der Fachmann ermessen; einen weitern 
Kommentar braucht es nicht. 

Zum Schlusse möchte ich noch den Vorteil des Tarif- 
systems erwähnen. Die sozialen Forderungen gehen darauf 


— 108 — 


aus, daß alles unentgeltlich von den Gemeinden geleistet 
werde. So ist es gekommen, daß die meisten Schulmittel 
ohne Entschädigung an alle Schüler abgetreten werden. Die 
schlechten Folgen haben sich aber auf dem Fuße eingestellt; 
zu den Büchern, Heften, Schreibmaterialien usw. wurde mit 
wenigen Ausnahmen geringe Sorgfalt getragen. Zu Großvaters- 
zeiten mußten Schulbücher mehrere Generationen erleben; 
man trug dazu die größte Sorge, erstens weil das Buch selbst 
bezahlt wurde, und zweitens, weil die Eltern es so haben 
wollten. Auch mit dem Papier, mit den Schiefertafeln, mit 
den Griffeln und Stahlfedern wurde gespart. Solide Eltern 
(auch wo viele Kinder waren) konnten sich früher diese 
Ausgaben leisten; heute reichen die Einnahmen, auch wenn 
es nur einige Zehnrappenstücke kostet, für nützliche Dinge 
nicht mehr. Dem Staate gegenüber bedeutet die Gratisabgabe 
der Schulmittel eine enorme Auslage; dazu gesellt sich noch 
ein absurder, erzieherischer Faktor, die Kinder lernen zu den 
anvertrauten Gegenständen nicht mehr Sorge tragen. Aehnlich 
ginge es mit unentgeltlichen zahnärztlichen Behandlungen; 
man würde die Arbeiten nicht nur als selbstverständlich hin- 
nehmen, man täte noch böse Kritik üben, und die behandelten 
Zähne, trotz Mahnung, kaum pflegen. Mit dem Tarifsystem 
hingegen kann eine Klinik mit Hilfe bescheidener Taxen 
zum größten Teil die laufenden Auslagen bestreiten; der 
Jahreskredit für eine Gemeinde wird relativ klein und leicht 
erhältlich. Fällt diese Einnahme weg, so müßte mindestens 
für eine Gemeinde wie Frauenfeld ein Jahreskredit von 7000 
Franken verlangt werden, eine Forderung, welche niemals 
von der Gemeinde genehmigt würde. Ich sehe wirklich nicht 
ein. warum für korrekte und anstrengende Verrichtungen 
kein Honorar verlangt werden soll, zum voraus mindestens 
90% der Eltern gerne diese kleinen Taxen bezahlen. Wir 
haben genügend Beispiele, wo beim System der absoluten 
Unentgeltlichkeit nach kurzer Zeit der Betrieb der Klinik 
sistiert werden mußte, und nur deshalb, weil der bewilligte 
Jahreskredit zu klein war und Klinikeinnahmen nicht gegen- 
über standen. Erfolgt die Unterstützung bei weniger bemittelten 
Schülern diskret mit Hilfe der Schulkasse, oder aus dem Zins 
eines Klinikfondes, so ist kein Grund zum Murren vorhanden, 
am allerwenigsten zum Beschimpfen genannter Hilfsquellen; 


Er RE 


gibt es trotzdem noch Unzufriedene, so kann es solchen nicht 
einmal der Herrgott recht machen. 

‘ Auch in Deutschland hat man schon vor dem Kriege den 

- Unsinn, welchen man durch die Einführung unentgeltlicher 

Behandlung machte, eingesehen. Die meisten Kliniken mußten 

nachträglich von jedem Kinde einen bestimmten Betrag ver- 

langen, nur um den Betrieb aufrecht erhalten zu können. 

Die Frauenfelder Klinik mit ihrem Tarifsystem hat heute 
aus allen Schichten der Bevölkerung einen sehr starken 
Besuch; sie ist mit Behandlungen überhäuft. Aus allen 
. Gegenden der Schweiz kommen Anfragen über Betrieb und 
Kostenpunkt der Klinik; man kann und will es nicht begreifen, 
daß di®@ Jahresauslagen der Gemeinde für die Klinik so klein 
sind, daß mit einem relativ kleinen Jahreskredit so unendlich 
viel Gutes geleistet werden kann. 

Ich glaube nun, mit meinen Ausführungen nicht nur die 
wichtigsten Punkte min sondern auch gezeigt zu haben, 
he Mittel und Wege ermsal nen sind, um mit Erfolg 
den Kampf gegen die Volksseuche aufzunehmen. Klingende 
Münze, wie vielfach von hypergescheiten Menschen angenommen 
wird, wird es für den Leiter der Klinik nicht absetzen; im 
Gegenteil, es fordert oft viele Opfer, wenn alles seinen nor- 
malen Weg gehen soll. Die fortschrittiichen Zahnärzte mit 
' ethischem Empfinden sind sicher überall gerne bereit, ihr 
Wissen und Können auch den breiten Schichten der Bevölke- 
rung, respektive der Jugend, zur Verfügung zu stellen. Von 
den Gemeinden ist es aber Pflicht, diesen Männern so viel 
als möglich entgegenzukommen, und dafür zu sorgen, daß die 
Leistungen richtig gewürdigt und honoriert werden. Gemeinden, 
welche sich dieses Postulat auf das Programm genommen 
haben, sollten gerade in der jetzigen Zeit nicht zögern, den 
Gedanken in die Tat umzusetzen. In den heutigen Tagen ist 
mit Ausnahme der Kriegsgewinnler niemand auf Rosen ge- 
bettet; nach allen Seiten enorme Verteuerung der Lebenslage, 
ohne daß ein Aequivalent an Einnahmen gegenüber steht. 
Die zahnärztlichen Verrichtungen sind kein Luxus; durch das 
Hinausschieben der Behandlungen der Zähne auf bessere Zeiten 
ruft man nicht nur großen gesundheitlichen Schaden wach, 
‚sondern die Zerstörung wird eine so intensive, daß nur noch 
-Prothesen helfen können. Wenn auch die zahnärztlichen 


— 10 — 
Apparate, Instrumente und Materialien, sowie die Saläre der 
zahnärztlichen Assistenten, und das übrige Personal, heute 
größere Auslagen hervorrufen als vor dem Krieg, so ist es 
trotzdem eine direkte Pflicht der Gemeinden, der Bevölkerung, 
speziell in wichtigen sozialhygienischen Fragen, entgegen zu 
kommen. Knauserei und Engherzigkeit sind in diesen Zeiten 
nicht am Platze, zum voraus, wenn es gilt, die Jugend, unsere 
Zukunft, gesund zu erhalten. Gemeinden, Behörden und Jugend- 
erzieher, interessiert euch auch für diese Frage; ihr werdet 
sicher den Dank des Volkes und später der Jugend ernten, 
und dabei ein gesundes moralisches Empfinden verspüren, 


welches höher einzuschätzen ist als vielleicht andere, weniger 


zeitgemäße Beschlüsse. 


Dr. med. H. Albrecht r. 


Mit großem Bedauern wird weit herum die Kunde ver- 
nommen werden, daß der Senior der Aerzte von Frauenfeld, 
Dr. H. Albrecht, letzte Nacht verschieden ist. Eine Herzaffektion 
bannte den selten rüstigen und noch unverwüstlich tätigen 
Mann vor einigen Wochen ins Zimmer. Nach vorübergehender 
Erholung, die ihm sogar erlaubte, seiner schwer leidenden 
- Tochter dann und wann wieder einen Besuch abzustatten, 
trat in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch eine Wendung 
ein, die den Angehörigen keine Hoffnung mehr ließ. Aber 
erst nach mehrtägigem schwerem Ringen gewann jener die 
Oberhand, den der Verstorbene selber erfolgreich von so 
manchem Krankenbette verscheucht hat. Joh. Heinrich Albrecht 
kam am 5. Februar 1842 in Matzingen zur Welt als ältestes 
Kind des dortigen Pfarrers und nachmaligen Ständerats, der 
"mit Thomas Bornhauser eng ‚befreundet war. Im Jahr 1849 
resignierte der Vater als Geistlicher und siedelte in seine 
Heimatgemeinde Müllheim über, wo der Sohn die Elementar- 
schule besuchte. Mit der Eröffnung der thurgauischen Kantons- 
schule trat er 1853 als jüngster von 84 Schülern in diese 
ein und bestand im Herbst 1860 die Maturitätsprüfung. Als 
Medizinstudenten, Zofinger und flotten Turner sah man ihn 
darauf in Zürich, wo in jener Zeit neben den Professoren 
Griesinger, Meier und Breslau auch der Chirurg Billroth wirkte. 
Sieben Zürcher Semestern schloß sich noch eines in Bern an, 
das zum Doktorexamen führte, keineswegs aber bereits das 
- Ende der Studien bedeutete. Nach einem kurzen Aufenthalt 
in Prag trat Albrecht als Assistent von Spitalarzt Kappeler 
in Münsterlingen ein, und in diese einjährige Tätigkeit fiel 

auch das damals noch kantonale medizinische Examen, worauf 
_ der Ruf des inzwischen nach Wien übergesiedelten Billroth 
den jungen Arzt noch nach Wien lockte. Ende Januar 1866 
eröffnete er dann in Steekborn die eigene Praxis, verlegte 
diese aber schon fünf Jahre später nach Frauenfeld, wo er 


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seitdem ununterbrochen gewirkt hat. Welche Unsumme geistiger 
und auch körperlicher Anstrengung diese jahrzehntelange 
Tätigkeit umfaßt, das wissen nicht bloß seine Angehörigen 
und seine Patienten, das wissen alle, die den stattlichen Mann 
mit dem schöngeschnittenen Charakterkopf jahraus, jahrein, 
bald zu Fuß, bald hoch zu Roß, bald in der Chaise, bald 
im ungedeckten Rennschlitten Krankenbesuche machen sahen, 
Kein Wetter war ihm zu unwirtlich, keine Stunde zu spät, 
wenn selbst aus entlegenem Orte der Ruf an ihn erging. Den 
Sonntag kannte er sozusagen nur dem Namen nach, und 
selbst aus festlichem Familienanlaß riß er sich ohne Besinnen 
los, wenn die Not an seine Tür pochte. Für diese hingebungs- 
volle Arbeit sah er sich bis in die letzte Zeit durch eine oft 
rührende Anhänglichkeit einer großen Klientschaft belohnt, 
der er nicht bloß der Arzt, sondern auch der Freund und 


Berater und nicht selten auch der Wohltäter war. Aber er 


war es im stillen. Die in der Medizin wie in der Politik da 
und dort beliebte Effekthascherei verschmähte er durchaus, 
wie ihm auch Ueberschätzung der ärztlichen Kunst im 
allgemeinen und der seinen insbesondere stets fern lag. Als 
den besten Arzt bezeichnete er oft die Natur, ohne deren 
heilsame Mithilfe alles Doktern eitle Mühe sei. Verwoben mit 
der Privatpraxis war seine bezirksärztliche Tätigkeit, die er 
von 1879 an volle 35 Jahre ausübte und bei der ihm seine 
Erfahrung wie seine Gewandtheit im schriftlichen Ausdruek 
sehr zu statten kamen. Psychiatrische Fälle, die ihm aus der 
Justiz häufig zur Beurteilung zukamen, fesselten ihn dabei 
ganz besonders, und oft schloß ein überreich mit Kranken- 
besuchen ausgefüllter Tag für ihn noch mit der Abfassung 
eines Gutachtens, bei dem die folgenschwere Frage der Zu- 
rechnungs- oder Unzurechnungsfähigkeit im Vordergrunde stand. 
Neben der zivilärztlichen Arbeit lief die militärärztliche her. 
Albrecht war mit Leib und Seele Soldat. Als Jurist, Kauf- 
mann oder Industrieller wäre der ehemalige Kadettenhauptmann 
wohl Reiteroberst geworden. So brachte er es in rascher 
militärischer Karriere bis zum Armeekorpsarzt. Die mar- 
kantesten Erlebnisse in dieser Laufbahn waren seine Teil- 
nahme an der 70er Grenzbesetzung als Assistenzarzt beim 
Thurgauer Bataillon 7, an die sich die ärztliche Betreuung 
der in St. Katharinenthal untergebrachten Bourbaki-Soldaten 


anschloß, sowie die offizielle Vertretung der Schweiz am 
internationalen Aerztekongreß in Rom 1894, von dem der 
Verstorbene eine Fülle schöner und interessanter Erinnerungen 
nach Hause brachte. Die Liehtpunkte im Leben des Militär- 
arztes Albrecht waren die Rekrutierungsreisen, die ihn als 
Divisionsarzt der 8. Division in seine geliebten Berge führten. 
Mit manchem Gipfel, aber auch mit mancher hervorragenden 
Persönlichkeit dieses aus- 
gedehntesten der ehe- 
maligen Divisionskreise 
schloß er in dieser Zeit 
Bekanntschaft. Das täg- 
liche Bensum bildeten die 
Obliegenheiten des Platz- 
arztes von Frauenfeld mit 
den Visiten in der Kaserne 
zu früher Morgenstunde, 
eine Tätigkeit, welche 
ihn auch nach seinem 
Rücktritt von dem Posten 
eines Korpsarztes noch 
lange Jahre in liebem 
Kontakt mit dem Militär 
hielt. Fast unfaßbar ist es, 
daß diese mannigfachen 
Berufspflichten noch Zeit 
ließen für eine Mitwirkung 
in der Primarschulvor- 
steherschaft, eine 29jäh- 
rige Mitgliedschaft in der 
Aufsichtskommission der 
Kantonsschule und eine rege Fürsorge für das Krankenhaus 
Frauenfeld und die Sache des Roten Kreuzes, das im Ver- 
storbenen den Gründer und Leiter des Zweigvereins Frauenfeld 
verliert. Die Erholung von diesem reichen Lebenswerke bildete 
Lektüre vielseitigster Art. Geographische und kriegsgeschicht- 
liche Werke waren dabei bevorzugt. In der Geschichte des 
deutsch-französischen Krieges von 1870,71 war Dr. Albrecht 
Spezialist, und in anschaulicher Schilderung wußte er, unter 
genauer Angabe von Daten und Namen, dessen ganzen Verlauf 


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wie einzelne Schlachtenbilder zu entrollen. Auch der neueste 
Weltkrieg hatte in ihm einen der aufmerksamsten Zuschauer. 
Beim täglichen eingehenden: Zeitungslesen wurde stets. die 
Karte zu Rate gezogen, ja, noch auf dem Totenbette griff 
seine Hand, schon unsicher geworden, nach diesem Hilfsmittel, 
um das durch Vorlesen gewonnene Bild vom neuesten Stand 
‚der Kriegsereignisse zu verdeutlichen. Jetzt ist er zum Frieden 
eingegangen, bevor draußen Friede geworden ist. 
(Aus der „Thurgauer Zeitung“ vom 18. Dezember 1915.) 

Mit dem Hinschiede Dr. Albrechts hat auch die Thurgauische 
Naturforschende Gesellschaft einen großen Förderer ihrer Be- 
strebungen verloren. Der junge Arzt hatte sich an seinem 
neuen Wirkungskreis in Frauenfeld kaum zurechtgesetzt, so 
‘wurde er in den Mitgliederkreis des noch in den Jugendjahren 
‚steckenden, tatkräftiger Unterstützung bedürftigen „Kantonalen 
‚Naturhistorischen Vereins“ eingezogen, und schon im Jahre 


‘darauf finden wir ihn als Präsidenten an seiner Spitze. Für 


"die erste Arbeit hatte die Schweizerische Naturforschende 


‚Gesellschaft gesorgt. Durch das Departement des Innern lieb 


‚diese den Naturhistorischen Verein ersuchen, zum Zweeke 
‘des Studiums der Gletscherfrage eine Landesaufnahme der 
‚erratischen Blöcke vorzunehmen. Der neue Präsident erfaßte 
‚lie Arbeit mit der frischen Begeisterung eines Neugewählten. 
‚Ortsvorsteher, Schullehrer und Förster des ganzen Kantons 


wurden durch Zirkulare zur Mitarbeit aufgefordert. Als Frucht. 


‘der Bemühungen gingen eine Menge Anmeldungen von Find- 
lingen ein. Die Fundorte wurden in die Dufourkarte ein- 
‚getragen und damit der Grund gelegt für die Aufnahme 
‘des thurgauischen Erratikums. Leider verlor der Verein 
seine energische Leitung schon nach kurzer Zeit. Berufliche 
Arbeitsüberhäufung nötigte den jungen Präsidenten schon 
nach zweijähriger Amtsdauer das Ehrenamt niederzulegen, 
unzweifelhaft in dem ausgesprochenen Pflichtgefühl, nicht 
ein Amt innehalten zu wollen, wenn es ihm nicht vergönnt 
sei, die damit verbundenen Obliegenheiten voll und ganz zu 


erfüllen. Mit dem Rücktritt als Präsident entzog jedoch 
Dr. Albrecht dem Verein seine Hilfe nicht. Er blieb auch 


weiterhin im Vorstand, besorgte noch sechs Jahre das un- 
angenehme Kuratoramt und ebenso lang das Quästorat, wobei 
er das zweifelhafte Vergnügen hatte, der unter einem hart- 


a ee ee a he 


— 115 — 


näckigen Defizit leidenden Kasse häufig durch namhafte Beträge 
aus der Klemme zu helfen. Von hohem Interesse waren die 
im „Naturwissenschaftlichen Kränzchen“ in Frauenfeld ge- 
haltenen Vorträge, deren Themata allein schon deutlich 


erkennen lassen, daß der Vortragende in seinem Arbeiten 


und Streben auch außerhalb des Berufes stets das allgemeine 
Wohl im Auge hatte. Der Inhalt bezog sich gewöhnlich auf 
die sanitären Verhältnisse zu Stadt und Land, oder er war 
die Frucht der Studien über Erlebnisse bei der Armee als 
Divisions- und Korpsarzt. Dr. Albrecht sprach über: 
Das Wesen der Diphtherie und ihre Beziehung zum Krupp. 
Die durch Staubatmung verursachten Krankheiten der Ar- 
beiter mit Berücksichtigung der Schutzmaßregeln (drei 
Vorträge). 
Die Frage der Absonderung, Kanalisation und Abfuhr in 
Frauenfeld mit Berücksichtigung der Maßregeln gegen 
die Cholera. 
Sonnenstich und Hitzschlag. 
Einfluß des neuen Infanteriegeschosses auf Schußwunden 
(zwei Vorträge). 

Die Aktualität der Vortragsstoffe lockte jeweils eine große 
Zuhörerschaft an, die mit gespannter Aufmerksamkeit und 
siehtlichem Genuß den klaren und beredten Ausführungen des 
Referenten folgte. Naturwissenschaftliche Fragen jeder Art 
fanden bei Dr. Albrecht höchstes Interesse und die Ueber- 
nahme größerer Aufgaben einen warmen Befürworter. Wenn 
dabei Zaghaftigkeit und Zweifel am Erfolg da und dort ge- 
drückte Stimmung und Kopfschütteln verursachten, erzeugten 
die auch im vorgeschritteneren Alter noch mit jugendlichem 
. Enthusiasmus gesprochenen Worte aus seinem Munde Mut und 
Zuversicht auf ein gutes Gelingen. Die Naturforschende Gesell- 
schaft ehrte ihren Freund „in Anerkennung seiner vielfachen 
Verdienste um sie selbst und die naturhistorischen Sammlungen“ 
durch Ernennung zum Ehrenmitglied. Dr. He 


Kleine Mitteilungen. 


Zwei Schwalbengeschichten. 
1 


Im Sommer 1915 fand ich im Hofe hinter dem Rathause 
eine Schwalbe, welche infolge eines verletzten Flügels nicht 
mehr fliegen konnte. Es war eine Turmschwalbe (Mauer- 
segler, Spyr, Oypselus apus). Das arme Tierchen wäre unfehlbar 
eine Beute der Katzen geworden, welche sich immer im Hofe 
herumtreiben; daher nahm ich die Schwalbe mit mir und 
versorgte sie zuerst in einem großen Käfig. Ich wollte sie 
füttern; aber alle Versuche nützten nichts; sie öffnete nicht 
einmal den Schnabel, um die ihr vorgehaltenen Spinnen, 
Fliegen und dergleichen zu nehmen. So mußte ich sie ihrem . 
Schicksale überlassen. Nachdem sie aber mit dem verletzten 
Flügel zwischen zwei Stäbe des Käfigs geraten war und sich 
selbst nicht mehr befreien konnte, nahm ich sie zum Käfig 
heraus und ließ sie frei in meinem Arbeitszimmer umher 
spazieren, was sie denn auch bald tat; bald war sie da, bald 
dort, über Nacht aber stets in der gleichen Ecke des Zimmers. 
Nahrung fand sie wohl keine; der ganze Boden ist mit 
Linoleum belegt, durch das keine Insekten von unten her 
kommen können; dagegen zeigten sich stets die Spuren der 
' Verdauung auf demselben. So ging es fast eine Woche lang; 
jeden Morgen, wenn ich ins Zimmer kam, meinte ich, sie in 
ihrer Ecke tot zu finden; denn ich konnte nicht begreifen, 
wie das Tierchen so lange ohne Nahrung leben könne. Aber 
ihr Zustand besserte sich; von Tag zu Tag nahm der ver- 
letzte Flügel eine bessere Lage an, und die Schwalbe fing 
an, an den Vorhängen hinauf zu klettern. Am sechsten Tage 
öffnete ich ein Fenster und stellte sie auf die Fensterbank. 
Zu meinem Erstaunen entfaltete sie die Flügel und flog in 
elegantem Schwunge über die Straße, der Kirche zu, wo sie 


— 117. — 


im Schwarme der andern Schwalben verschwand. Sie hatte 
es also sechs Tage lang ohne Nahrung ausgehalten. 


I. 


Anfangs Sommer 1916 baute ein Hausschwalbenpaar 
(Mehlschwalbe, Herundo urbica) unter dem Dachvorsprung über 
meiner Wohnung ein Nestehen und bezog es. Bald beobachteten 
wir, daß junge Nachkommenschaft vorhanden war. Am 23. Juli, 
nachmittags 2 Uhr, fiel das Nestechen hinunter, und fünf junge 
Schwalben lagen hilflos am Boden. Ich hob dieselben auf 
und plazierte sie in eine Kartonschachtel, in die ich eine 
Schicht, Watte gelegt hatte. Die Schachtel stellte ich auf die 
Fensterbank, gerade unterhalb der Stelle, wo das Nestchen 
sich befunden hatte, und befestigte sie mit einer Schnur, 
damit der Wind sie nicht hinunter wehen konnte. Nun er- 
wartete ich mit Spannung den Erfolg. Eine große Zahl von 
Schwalben umflog aufgeregt und eifrig schwatzend die Stätte 
des Unglücks; die Jungen pipsten ängstlich nach Futter und 
streekten ihre Köpfchen so hoch wie möglich empor. Endlich 
wagte es eine Schwalbe, sich auf den Rand der Schachtel 
zu setzen und den Jungen etwas Nahrung zu bringen, und 
als einmal die erste Scheu vor dem neuen Neste verschwunden 
war, da ging die Fütterung regelmäßig vonstatten und 
dauerte die ganze Woche fort. Auch da, in dieser Schwalben- 
gemeinschaft, galt das Recht des Stärkern; die größten drängten 
sich immer vor, wenn Nahrung ankam und trampelten auf 
den kleinen und schwachen Geschwistern herum. Nach und 
nach begannen einige die Flügel zu regen und suchten am 
Rande der Schachtel hinauf zu klettern. Sonntag den 30. Juli, 
morgens 7 Uhr, waren nur noch vier Schwälbehen im Neste;' 
eines war schon ausgeflogen; um 8 Uhr erfolgte der Ausflug 
der zweiten Schwalbe. Die drei übrigen wurden wieder den 
ganzen Tag gefüttert. Am folgenden Tage früh morgens fand 
wieder eine Besichtigung der Situation durch einen großen 
Schwarm von Schwalben statt, währenddem die drei Jungen 
_ stetsfort nach Futter schrien. Es hatte ganz den Anschein, als 
ob die Schwalbenschar die drei Nesthocker auch noch hinaus- 
locken wollte. Mittags waren wieder zwei Junge fort und 
nur noch das kleinste, schwächste, das von den andern stets 
getreten worden war, im Neste. Mit Besorgnis erwartete ich 


— . 118 — 


den Ausgang. Sollte das arme Wesen verlassen werden? 
Nein! Bald sah ich zu meiner Freude, daß es doch wieder 
von den Alten gefüttert wurde, aber noch vergebliche Versuche 
machte, aus der Schachtel heraus zu kommen. Dienstag morgen 
sitzt es endlich auf der Fensterbank neben dem Nestchen und 
ein altes neben ihm, das ihm immerfort zuredet. Bald kamen 
auch die andern Schwalben wieder in großer Zahl und lockten 
es, und endlich um 91/2 Uhr schwang auch es die Flügelein 
und flog davon. Die Beobachtung von dem Interesse, das 
die ganze Schwalbenschaft der Umgebung an dem Schicksal 
der armen Familie nahm, die ihr Haus verloren hatte, die 
Sorgfalt, mit der die Alten unter ganz veränderten Um- 
ständen fortfuhren, die Jungen zu füttern, und die Tatsache, 
daß auch das kleinste und schwächste der Tierchen nicht ver- 
gessen und verlassen wurde, haben mich mit großer Freude 
erfüllt. J. Engeli, Ermatingen, 


Trüffeln im Thurgau. 


Die Trüffeln sind bei uns als einheimische Bodenerzeugnisse 
so viel wie unbekannt. Dennoch kommen sie vor; aber weil 
sie im Boden verborgen bleiben, werden sie nur durch Zufall 
gefunden und auch dann kaum beachtet. 

1) Die gemeine Hirschtrüffel, Elaphomyces cervinus 
Schröter, ist sogar nieht selten. Sie steht in Verbindung mit 
dem filzigen Ueberzug (Mycorhiza) der Fichten- und Föhren- 
wurzeln und wird daher meist beim Fällen und Ausstocken 
von Nadelholz im Spätherbst und Winter entdeckt. Es sind 
hasel- bis walnußgroße Kugeln mit gelbbrauner, sehr fein- 
körniger Haut und zäher Rinde. So lange das Innere weib 
ist, gilt die Hirschtrüffel als eßbar; im reifen, nicht mehr 
senießbaren Fruchtkörper ist das ganze Innere von einer 
pulvrigen, schwarzen Sporenmasse erfüllt. 

2) Etwas seltener, aber an gleichen Orten vorkommend, ist 
die bunte Hirschtrüffel, Elaphomyces variegatus Vittadini, 
deren Oberfläche dunkler und grobkörniger und deren Sporen 
kleiner sind als bei der gemeinen Hirschtrüffel. 

3) Die weiße Trüffel, Choöromyces meandriformis Nitta- - 
dini, wurde 1913 im Sirnacherwald, 1916 im Rüegerholz bei 
Frauenfeld und 1917 im Hohliholz bei Bethelhausen-Niederwil 


ae 


gefunden. Sie sieht einer Kartoffel täuschend ähnlich 
und erinnert uns daran, daß der gebräuchlichste deutsche 
Name unseres Erdapfels von der italienischen Bezeichnung der 
Trüffel „Tartufo“* herkommt, die im Volksmund zu Tartuffel 
und Kartoffel ‚wurde. 

Die weißen Trüffeln sind kugelig oder nierenförmig bis 
unregelmäßig knollig, mit glatter, hellgelbbrauner Haut, die 
oft durch an Sprünge erinnernde Furchen in Felder geteilt 
wird. Das Fleisch ist ziemlich zähe, im jungen Zustand hell-, 
. gelblichweiß, mit dunkleren Bändern aderartig durchzogen 
und fast geruchlos. Zur Zeit der Sporenreife ist es dunkler, 
gelbbraun und erfüllt die Umgebung mit einem durch- 
dringenden Geruch, der in der Nähe an Senf, weiter 
‚entfernt an Johannisbeerkonfitüre erinnert. Er ist so stark, 
daß eine einzige Knolle den Aufenthalt in einem großen 
Zimmer fast unerträglich machen kann, und im Walde zieht 
er Massen von Fliegen an, die geeignet sind. uns auf die 
Trüffel zu führen. Daß Schweine und Hunde durch solchen 
Geruch ebenfalls angezogen und deshalb zur Trüffelsuche 
benutzt werden können, ist bekannt. 

Die weiße Trüffel, die in Böhmen und Schlesien, wo 
sie häufig ist, als  Speisepilz geschätzt wird, findet sich 
im Buchen- und gemischten Wald, immer im Bereich der 
Baumkronen dicht unter der Erdoberfläche, oft zur Hälfte 
aus dem Boden vortretend, meist nesterweise bis 15 Stück 
beisammen, und da die Knollen faustgroß und über pfund- 
schwer werden können, so liefert ein solches Nest oft mehrere 
Kilogramm. 

Entdeckt man einmal einen Standort, so soll man sich 
denselben merken, da die Trüffeln dann alljährlich im Herbst 
zu finden sind. H. Wegelin. 


Elchfund in Gloten. 


Nördlich der Ziegelfabrik Gloten, Gemeinde Sirnach, findet 
sich ein Flach- oder Wiesenmoor von zirka 70 a an der Stelle, 
wo die topographische Karte des Kantons Zürich von Hs. Kd. 
- Gyger, 1667, einen kleinen See zeichnet mit der Burg am 
Südostufer. Die gegenwärtige Knappheit an Brennmaterial 
veranlaßt den Besitzer, Herrn Weibel, zur intensiven Ausbeutung 


des Torflagers. Der Torf wird zusammen mit Saargrießkohle 
brikettiert und an der Luft getrocknet. 
Das Torflager zeigte am 16. Juli 1917 folgendes Profil: 


Abraum 28... er ee 50 Alrem 
Wiesentorf san. ans ern 200 cm, - 
Astmogstorfi.n. ee een 30 em, 
Blättertorff . . . Er 3—4+ em, 


Spur Seekreide auf Schlemmsand. 20—30 em, 
Steiniger Lehm. - 
Der Torf ist frisch hellbraun, wird aber an der Luft rasch 
schwarz. In seiner obern Hälfte findet sich in wirrem Durch- 
einander sehr viel kleines Astholz, und mehr am Grunde liegen 


größere Aeste, in unregelmäßigen Abständen selbst stärkere, bis 


40 em dieke, mit Aststumpen versehene Baumstämme, merk- 
würdigerweise alle von Südosten-nach Nordwesten orientiert. 
Alles deutet auf Einschwemmung in stehendes Wasser und spätern 
Einschluß durch die verlandende Torfbildung. Besonders gut 
erhalten ist das nicht häufige, tiefschwarze Eichenholz. Die 
Hauptmasse erweist sich als zum Teil weiches, zum Teil noch 
hartes, helles, wenig gebräuntes Föhrenholz, das auf radialen 
Längsschnitten die bekannten großporigen Markstrahlen deut- 
lich zeigt. Völlig weich sind Erlen- und Birkenholz, bei 
denen die Umkleidung mit der charakteristischen Rinde keinen 
Zweifel an der richtigen Bestimmung aufkommen läßt. Inter- 
essant sind die in die Blätterschicht eingebetteten Föhren- 
zapfen dadurch, daß einige von ihnen beim Austrocknen 
sich noch öffneten. Sie sind symmetrisch gebaut und rühren 
von der Waldföhre, Pinus silvestris, her. 

Eine bemerkenswerte Erscheinung bilden zahlreiche Föhren- 
äste, die am untern Ende wie infolge künstlicher Bearbeitung 
sich zuspitzen. Es sind sogenannte Wetzikonstäbe, die früher 
in der Tat als Erzeugnisse von Menschenhand beschrieben 
wurden, aber beim genauen Zusehen sich als aus dem zer- 
setzten Stammholz der Föhre ausgewitterte Astansätze er- 
wiesen (Früh & Schröter, Moore der Schweiz, Seite 178 und 
539; €. Schröter in Vierteljahrsschrift der Zürcher Natur- 
forschenden Gesellschaft 1896). 

In der untersten Torfschicht fanden sich auch zwei links- 
seitige Geweihhälften von dem bei uns längst aus- 


gestorbenen, aber in Nordeuropa, in Sibirien und Kanada 


ee 


noch heute lebenden Elch oder Elentier, Cervus Alces L.. 
einem gewaltigen Hirschtier mit zackigem Schaufelgeweih. 

Das größere Stück rührt von einem sechs- bis sieben- 
jährigen Männchen her und besteht aus einer runden, zirka 
10 cm langen und 4!/sz cm dieken Stange und einer flachen 
29/12 em messenden Schaufel mit fünf Zinken. Die Platte hat 
stark ausgeprägte Aderfurchen und ist ziemlich flach; sie besitzt 
nur je in der Mitte der Vorder- und Hinterhälfte eine flache 
Einbiegung. Die Zinken sind von der Schaufel aufgebogen. 
am meisten die unterste. Diese ist weitaus die stärkste und 
längste; ihre Spitze steht von der Mittellinie der Schaufel 
zirka 35 cm ab, und ihre Breite beträgt in der Mitte noch 
5 cm, während die entsprechenden Maße der zweiten und 
dritten Zinke nur 17/2 em betragen. 

Die untern drei Zinken sind vollständig, die vierte nur 
im untern Drittel erhalten, während die fünfte durch den 
grabenden Spaten aus der Platte herausgebrochen wurde. 
Größte Auslage des Geweihs von vorn nach hinten etwa 50 cm, 
von der Rose bis zur Spitze der untersten Zinke, der Krümmung 
nach gemessen, 41 em, Plattenbreite bei der Bucht zwischen 
der ersten und zweiten Zinke 12!/ em, Plattenbreite bei der 
Bucht zwischen der zweiten und dritten Zinke 11!/aem. Vorder- 
und Hinterschaufel sind also nicht entschieden voneinander 
getrennt; das Geweih ist ein ungeteiltes, unipalmates. 

Das kleinere Stück gehörte einem etwa vier’ Jahre 
alten Gabler. Der runde, etwa 12 cm lange Geweihstiel ist 
stark gekrümmt, erst nach außen, dann nach oben gebogen; 
sein Umfang beträgt 9 cm; er verflacht sich unter der Gabe!, 
deren Zinken im rechten Winkel spreizen und hat nur schwache 
Aderfurchen. Die Spitze der untern Zinke ist beschädigt. 
Länge vom Rosenstock bis zur Spitze der untern Zinke, der 
Krümmung nach gemessen 29 cm, entsprechende Länge bei der 
obern Zinke 26!/s cm, Abstand der Zinkenspitzen zirka 21 em. 

Da bei diesen Geweihhälften keine weiteren Teile vom 
Knochengerüste gefunden wurden, darf angenommen werden, 
daß die Tiere ihre Kopfzierde beim jährlichen Abwurf, der 
bei den heutigen Elchen um Neujahr herum stattfindet, ver- 
loren haben. 

Dieselben sind nicht die einzigen auf thurgauischem Boden 
aufgefundenen Ueberreste vom Elentier. Solche wurden früher 


Sao 


schon gehoben bei Homburg (aufbewahrt im Rosgartenmuseum 
zu Konstanz), bei Heimenlachen (je ein Geweih im St. Galler 
und Frauenfelder Museum) und im Befangermoos bei Hauptwil 
(Museum in Bern). Siehe E. Bächler, Ueber einige Funde des 
Elentierss aus dem Kanton Thurgau in Mitteilungen der 
Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft, Heft 19, 1910. 

Unsere Funde erzählen also von einem ehemaligen See, 
(ler innerhalb des Moränenwalles Bronschhofen-Bild-Bergholz- 
Sirnacherberg von den sich zurückziehenden Eismassen der 
Wilerzunge des Lauchetalgletschers aus zunächst mit trüber 
Gletschermilch gefüllt wurde. Diese setzte den Lehm ab, dem 
(lie Ziegelei ihre Existenz verdankt. 

Mit dem weitern Rückzug des Gletschers in das eigent- 
liche Bodenseebecken und das St. Galler Rheintal hinauf hörte 
dieser Zufluß auf; der See verkleinerte sich und wurde später 
nur noch gespiesen durch die Tagewasser und das von den 
umliegenden Hügeln hersickernde kalkreiche Grundwasser. 
Der nunmehr einsetzende Murglauf nahm dem See wohl 
ebenfalls einen Teil seines Wassers weg und verkleinerte ihn 
auf einige Becken, wie den See von Gloten, den von Riet- 
Sirnach und den Egelsee südwestlich Trungen. 

Diese Wasserbecken umgaben sich allmählich mit sumpfigem 
Vorland, in welchem Birken und Erlen wuchsen, und das 
weiterhin in Föhrenwald mit einzelnen Eichen überging. Im 
Walde’ trieb sich der Elch herum, der mit seinen stark 
spreizenden Klauen auch weichen Sumpfboden zu betreten 
vermag. Von diesem Walde aus schwemmten die Regenfluten 
Sand, das herbstliche Laub, die abgefallenen Aeste und selbst 
vom Sturm gefällte Bäume ins Wasserbecken. 

Nach und nach rückten die Rietgräser und andere Sumpf- 
pflanzen weiter gegen das Wasser vor, den See mehr und 
mehr einengend, um ihn schließlich — wohl erst im 17. Jahr- 
hundert — ganz zu erobern und in das Flachmoor zu ver- 
wandeln, das die letzten Jahrhunderte gesehen haben. 

Herr Ziegeleibesitzer ./. Weibel hat in freundlichster Weise 
die beiden Elchgeweihe, sowie Proben der verschiedenen 
Hölzer und Torfschiehten dem kantonalen Museum überlassen, 
wofür ihm auch an dieser Stelle herzlicher Dank ausgesprochen 
wird. H. Wegelin. 


SI ap 


Die Wälle von Eschlikon 
und das hinterthurgauische Trockental. 
(Ein Exkursionsbericht.) 


Die beiden naturforschenden Gesellschaften von Winterthur 
und vom Thurgau veranstalteten auf Sonntag den 25. Juni 1916 
eine gemeinsame Exkursion nach Eschlikon, zum Bichelsee und 
ins Trockental Seelmatten-Turbenthal. Das schöne Sonntags- 
wetter und die Aussicht, wertvolle Aufschlüsse über die Natur 
der engern Heimat zu erhalten, lockte die unerwartet große 
Zahl von 47 Teilnehmern zum Sammelorte, dem von Eschlikon 
südwärts verlaufenden, jenseits der Bahnlinie im Stockholz 
bogehförmig nach Südosten sich fortsetzenden Hügelwalle. 
Hier schilderte der sachkundige Exkursionsleiter, Herr 
Professor Dr. Jul. Weber von Winterthur, in klarem Vortrage, 
wie vor vielleicht 30000 Jahren an dieser Stelle das Ende 
eines Gletschers gelegen habe. Aus dem St. Galler Rheintale 
ins Vorland ausbrechend, überschritt der Rheingletscher weit- 
hin das Bodenseebecken nach Osten, Norden und Westen. 
Seine Zungen krochen wie eine dicke Breimasse die Rhein- 
furche hinunter bis zum Randen, von Romanshorn durch das 
jetzige Thurtal bis Jestetten, von Rorschach-Arbon her einer- 
seits über St.Gallen, anderseits über Bischofszell-Oberbüren 
westwärts und von Altnau durchs Kemmental hinunter. Von 
der Thurzunge löste sich rechts der Arm Pfyn-Stammheim 
ab, links bei Weinfelden die Lauchezunge über Affeltrangen 
nach Aadorf mit Seitenzweigen über Wil und Eschlikon hinaus. 
Die Gletscher waren indes schon wieder auf dem Rückzuge, 
5-10 km von ihrer äußern Linie entfernt, als sie in längerem 
Stillstande die sogenannten innern Moränen von Stammheim, 
Ossingen, Wiesendangen, Aawangen und Eschlikon aufschütteten. 
Auf der Wallmoräne von Eschlikon stehend hat man also 
ostwärts das Zungenbecken des Gletschers vor sich, dessen 
Schmelzwasser über den Wall gegen Westen abfloß, dort, im 
jetzigen Riet und Sor, eine weite Schotterebene erzeugend 


und — vielleicht erst später — ein Seebecken füllend, das 
sowohl bei Balterswil als auch bei I£fwil in tieferes Gelände 
überquoll. 


Beim weiteren Rückzug des Eises entstand auch ostwärts, 
vor der Moräne ein Wasserbecken, in dem sich die trübe 


— 124 — 
Gletschermilch klärte und einen feinen Lett absetzte, das 
Tonlager der Ziegelfabrik. 

Ein gewaltiger Muschelsandsteinblock in der Böschung 
des Bahneinschnittes beweist, daß wirklich der Rheingletscher 
hier gewesen ist; nur dieser konnte den Stein von seiner 
ursprünglichen Lagerstätte bei Rheineck hieher getragen haben, 
und der Aufschluß am östlichen Ende des Stockholzes zeigt 
mit gekritzten und geschrammten Alpenkalken und den 
grün gefleckten Dioriten und Graniten die Arbeit des Eises 
und dessen Herkunft aus den rätischen Bergen. Unweit davon 
erhebt sich der zweite, etwas niedrigere Eschlikoner Wall, 
eine weitere Rückzugsstufe des Gletschers markierend. 

Das stark gewundene Trockental Wil-Littenheid-Dußnang- 
Balterswil-Turbenthal wird in den Schulbüchern als ehemaliges 
Thurtal erklärt, das durch eine Moräne bei Rickenbach ab- 
sedämmt worden sei. Die neueren Forschungen erklären seine 
Entstehung wesentlich anders. Die gewaltigen Gletscher ließen 
eine Unmenge von Wasser entströmen, und dieses konnte 
nieht die gewohnten Talwege einschlagen, sondern mußte 
vielmehr dem Rande des Eises folgen. Die Abwasser 
der südlichen und südwestlichen Rheingletscherzungen, wie 
diejenigen des Säntisgletschers im Toggenburg, sammelten 
sich in einer Rinne, die im Osten das jetzige Thurtalstück 
Oberbüren-Wil einnahm und sich im Tal von Littenheid- 
Dußnang-Bichelsee nach Westen fortsetzte. Nachdem sich dann 
aber die Eismassen weiter zurückgezogen hatten, verlor dieser 
Flußlauf sein Wasser größtenteils. Das östliche Talstück 
beanspruchte alsdann die Thur; das mittlere wurde von der 
Murg durchquert; im Westen arbeitete sich mit rückwärtigem 
Gefälle die Lützelmurg durch die Scharte von Iiwil, und die 
übrigen Teile bekamen den Charakter des Trockentals, dessen 
Boden sich nach und nach erhöhte durch die aus allen Nischen 
hervordrängenden, sanft geböschten Schwemmkegel, die sich 
zu Talwasserscheiden entwickelten und Torfmoore zwischen 
sich entstehen ließen. 

Das fröhliche Picknick „aus dem Rucksack“ auf dem 
Stutz bei Wallenwil, der botanische Halt am verlandenden 
Bichelsee, das Planktonfischen und die durch die Freund- 
lichkeit der Sirnacher Mitglieder ermöglichte Fahrt der Aus- 
dauernden durch das liebliche Tal zur Töß hinunter gaben der 


Seo 


Exkursion einen so gemütlichen Abschluß, daß beim Abschieds- 
trunk in der „Schlangenmühle* zu Winterthur auf weitere 
gemeinsame Touren angestoßen wurde. H. Wegelin. 


Die Kohlfirst-Exkursion 
der Naturforschenden Gesellschaft. 


. Sonntag den 21. Mai 1916 strebte unter Führung der 
Herren Dr. Jul. Weber und Dr. Fischli von Winterthur und 
Professor Wegelin von Frauenfeld bei denkbar schönem Maien- 
wetter eine fröhliche gemischte Gesellschaft (16 Herren, 10 
Damen) zu Fuß und zu Wagen! von der Station Marthalen 
durch Wald und Riet dem schmucken Dorfe Benken und 
weiterhin dessen berühmten Quarzsandgruben am Abhange 
des Kohlfirstes zu. Schon seit vielen Jahren wird hier durch 
die Gemeinde ein reiner Quarzsand ausgebeutet, der für Spezial- 
zwecke Verwertung findet: anfänglich für die Glasfabrikation 
in Elgg, später als Form- und Putzsand in Gießereien, für 
Schmelztiegel- und Schmirgelscheibenfabrikation und als Streu- 
sand für Lokomotiven; heute auch für Sandstrahlgebläse, für 
Steinsägerei und Marmorschleiferei, für Glasmanufaktur und 
chemisch-technische Produkte. 

Die Ausbeute beträgt gegenwärtig über 800 Wagen- 
ladungen per Jahr, wobei eine Wascherei und Sortiererei 
mit elektrischem Betrieb etwa 15 Sorten Sand liefert, von 
!/a—8 mm Korngröße. Im Sommer und bei trockenem Wetter 
wird die Grube durch Tagebau weiter bergwärts vergrößert, 
im Winter und bei Regen der Sand durch Stollenbetrieb aus 
dem Berge geholt. Fig. 1. 

Das gröbere Quarzkies wird neuerdings durch eine Brech- ° 
maschine nutzbar gemacht und der Waschschlamm ins Gemeinde- 
riet geleitet, wo er bei den im Gang befindlichen Meliorations- 
arbeiten ein wertvolles Hilfsmittel zur Verbesserung der leichten 
Torferde bildet. 

Daß das Quarzwerk eine reiche Quelle des Wohlstandes 
für die Gemeinde Benken bildet, erhellt schon aus dem 
Umstand, daß dieselbe keine Steuern zu erheben braucht und 


! Die Verwaltung des Quarzwerkes hatte in freundlichster Weise 
zwei Breaks zur Verfügung gestellt. 


— 126 — 


alle Arbeit von einheimischen Kräften neben der landwirt- 


schaftlichen Tätigkeit ausgeführt wird. 

Nach Besichtigung der interessanten Maschinen und eifriger 
Suche nach den zahlreichen Haifischzähnen in den Kieshaufen 
und im anstehenden Lager orientierten die Exkursionsleiter 
über Bau und Entstehung des von den Geologen schon seit 
Jahrzehnten vielfach besuchten und gründlich studierten Lagers. 


Dasselbe belehrt nämlich durch die zahlreichen Einschlüsse 
‘von versteinerten Tierresten, die heute sogar maschinell, 


gleichsam im großen, durch die Sortiersiebe gewonnen werden, 


außergewöhnlich gründlich über seine Entstehung im fernen 


Tertiär (Wienerstufe, Virdobon) als eine Flachmeerbildung 
an der Spitze eines alpinen Deltas unweit einer jurassischen 
Gegenküste. Der Glassand ist also marine Molasse, die Ueber- 
deckung dagegen obere Süßwassermolasse (Thurgauermolasse, 
Oehninger Stufe) und eiszeitliche Moräne. Siehe Figur 2 
und die ausführlichere Darstellung in der den Mitgliedern 


zugestellten Schrift „Die Quarzsande von Benken“ von H. 


Wegelin 1916. 

Nun ging es durch den maigrünen Laubwald der Höhe 
des Kohlfirsts zu, der sich als ein Tafelberg mit ziemlich 
ebener Oberfläche etwa 150 m über das umliegende Land 


erhebt und noch teilweise in den Thurgau hinein erstreckt. 


Eine Kiesgrube gab Aufschluß über den Bau der obersten 
Bergschicht. Diese besteht nämlich in einer Mächtigkeit von 
40—60 m aus diluvialer oder löcheriger Nagelfluh, einem 
verkitteten Gletscherflußschotter aus der zweiten Glazialzeit, 
und zeigt, daß dazumal die Oberfläche des Kohlfirsts einen 
Teil der ausgedehnten nordwestwärts geneigten Ebene bildete, 
auf der die Gletscherwasser fächerartig aus dem Alpenvorlande 
herausflossen. Die große Schotterplatte umfaßte nach Heim, 
Geologie der Schweiz, Seite 283: Hörnliwald (Kalchrain) 
-Steinegg-Stammheimerberg (Sohle 590. Oberfläche 630 m ü.M.) 


-Wolkenstein-Hohenklingen-Schienerberg-Heilsperg (Gottma- 


dingen) -Buchberg (Thaingen 518—550 m) -Gailingerberg-Hoh- 
berg (Herblingen) -Geißberg (Schaffhausen) -Kohlfirst (500 
bis 560 m) -Rheinsberg (südlich der Tößmündung). Die spätere 


Ausbildung der Rhein- und Thurfurche hat dann den Kohlfirst 


zum Restberge gemacht, und jenes Schotterstück blieb als 
dessen Decke zurück. 


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— .-128  — 


Unser Deckenschotter ist durchlässig für Sickerwasser, und 


weil vom Waldboden der Kohlfirstplatte kein Wasser ober- 


flächlich abfließt, so sprudeln da, wo etwa 100 m tiefer, am 


Grunde der Meeressande dichte Mergelschichten der untern 
Süßwassermolasse das Wasser aufhalten, rings um den Berg 


Quellen heraus und machen den Kohlfirst zum Lieferanten 
wohlfiltrierten Trinkwassers für alle umliegenden Ortschaften, 
selbst noch für das 5 km entfernte Dießenhofen. Ueber den 
Kohlfirst siehe Dr. Jul. Weber, Clubführer des Schweizer Alpen- 
Club, I, Seite 85—98. 


Hier oben auf herrlicher Waldwiese wurde in fröhlichem E 


Piekniek Mittagsrast gehalten. Dann führte die weitere Wande- 
rung durch den Wald, zum nördlichen Abhang, wo am Fuße 
die Ziegelei Paradies eine Sandgrube ausbeutet, in der 
ebenfalls Geröll- und Sandschichten der Meeresmolasse ent- 


blößt sind. Sie kennzeichnen sich durch Austernschalen aus den - 


Formenkreisen der Diekauster (Ostrea giengensis und batillum) 
und der Eßauster (0. Aargoviana) und durch vereinzelte Hai- 
zähne. Darunter folgen Sandsteine und lose Sande der untern 
Süßwassermolasse. Aus einzelnen Knauern konnten seinerzeit 


durch Herrn Dr. Fischli wohlerhaltene Blattabdrücke isoliert 


werden von Feige, Kampherbaum, Stechwinde (Smzlax) und 


andern subtropischen Pflanzen, welche für das mittlere Tertiär 


ein wärmeres Klima bezeugen, als heute in unsern Gegenden 


herrscht. So tiefe Molasseschichten wie hier treten im Thurgau . 


sonst nirgends zutage. Siehe Mitteilungen der Thurg. Nat. 
&es., Heft 19, 8. 116. 

De a allzu sonnenwarme Ebene am Südrande de 
botanisch berühmten Scharenwaldes erreichte die Gesellschaft 
das letzte der vier Exkursionsziele, die Quellteiche von 
Kundelfingen, wo das Grundwasser der Hochterrassenschotter 
(Gletscherflußkies der vorletzten Eiszeit) des Buchbergs am 
lehmdichten Rande des ehemaligen Sees der Gegend von 
Paradies-Schlatt als größte thurgauische Quelle aufstößt und 
mit den 4500 Minutenlitern klaren Wassers nicht nur Zucht- 
teiche für Regenbogenforellen speist, sondern auch Trinkwasser 
und Kraft für den großen Hofbetrieb von Kundelfingen liefert. 
Die heiße, staubige Landstraße hatte dafür gesorgt, daß das 
Quellwasser gehörig probiert und als vorzüglich anerkannt 


wurde. Noch mehr Würdigung aber erhielt der Trank köstlichen _ 


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— 2.102 


Obstsaftes, den der Besitzer des Hofes, Herr Spieß, in liebens- 
würdiger Weise seinen Gästen kredenzen ließ. Es sei ihm 
auch an dieser Stelle herzlich dafür gedankt. 

Der Heimweg führte durch das getreidereiche Ratihard, 
ein ehemaliges Schotterfeld der letzten Eiszeit, das ganz 
wasserlos zu sein scheint; nichtsdestoweniger zirkuliert in 
seiner Tiefe ein so kräftiger Grundwasserstrom, daß die Stadt. 
Zürich daraus im anschließenden Scharenwald einen Trink- 
wasserbedarf von 300 Sekundenlitern zu decken gedachte 
(Projekt H. Peter, 1908). Vor St. Katharinenthal fesselte die 
berühmte Klosterlinde, eine der mächtigsten des Kantons, das 
Auge. Das idyllisch gelegene Kloster selber ist heute ein 
stark besetztes Greisen- und Krankenasyl; von ihm aus führt 
ein schattig kühler Weg dem ruhigen Rheinstrom entlang ins 
alte Städtehen Dießenhofen, wo der vorgesehene gemütliche 
Abendtrunk durch den unerbittlichen Eisenbahn-Fahrplan 
leider sehr verkürzt wurde. 

Die Erinnerung an den genuß- und lehrreichen Tag 
wird in allen Teilnehmern eine freundliche sein. Besondere 
Anerkennung gebührt dabei den beiden Winterthurer Freunden 
unserer Gesellschaft, die durch ihre Lokalforschung in 
erster Linie zur Führung berufen waren, ebenso den beiden 
Historikern Dr. v. Greyerz und Dr. Leutenegger für ihre an 
geeigneter Stelle gemachten interessanten Einlagen über 
Wildensbuch und die Kämpfe von 1798/99 in der durch- 
wanderten Gegend. H. Wegelin. 


Der Formsand von Schlattingen. 


1!/g km östlich der Station Schlattingen wird vorzüglicher 
Gießerei- oder Formsand gewonnen, der neben dem wirtschaft- 
lichen auch wissenschaftliches Interesse beansprucht. 


Das Lager befindet sich am Südfuße des Rodenberges, da, 


wo er im „Grund“ eine leichte Einbiegung erfährt, in einer 
Meerhöhe von 440—450 m, und der Abbau findet gegen- 
wärtig nördlich vom neuerbauten Hof Eppelhausen und dem 
Bahnübergang nach Kachisbrunn und Stammheim statt. Die 
Besitzer, die Herren Joh. Schmid und Sohn in Schlattingen, 


haben festgestellt, daß das Lager nach Süden etwa am alten 


Steinerweg auskeilt und nach Osten in etwa 400 m Ent- 


. — „131° — 


fernung in kiesige Moräne übergeht; im Westen ist die Grenze 
der Abbauwürdigkeit noch unbekannt. | 

- Es ist keine Sandgrube im landläufigen Sinne des Wortes, 
sondern ein Abbau mitten im leicht zum Bergfuß ansteigenden 
Ackerfeld. Die Ackerkrume wird auf 30 cm Mächtigkeit 
streckenweise weggeschürft, dann der unterliegende Sand etwa 
. 130 em tief abgegraben und fortgeführt, nachher der Boden 
wieder mit dem Humus bedeckt und das Feld weiter bestellt. 
Es bleibt sozusagen keine Spur übrig; das Gelände hat einfach 
etwa einen Meter Abtrag erlitten. Im Sommer 1916 trugen 
so schon wieder 86 a Getreide, Kartoffeln und Futtergewächse. 

Der Abbau findet schon seit 1904 statt. Anfangs wurden 
per Jahr 100—200 Wagenladungen ä 10 t mit Pferden der 
Station zugeführt; von 1910— 14 waren es 200— 300, 1916 
gegen 400 Wagen, und 1917 nötigten der Pferdemangel und 
die schlechte Abfuhrstraße zur Anlage einer Feldbahn, die 
die Leistung auf über 600 Wagen in diesem Jahre erhöhte. 

Abnehmer sind die großen Gießereien in Schaffhausen, 
‘Winterthur, Uzwil und Rorschach. Der Sand eignet sich in 
vorzüglicher Weise für Gußformen, da er bildsam (fett) und 
völlig kalkfrei ist. Beim Gießen würden dem Sande bei- 
gemischte Kalkteilchen mit den Kieselkörnern zusammen- 
schmelzen, eine Art Glas (Kalksilikat) bilden und das Modell 
durch Sinterung ändern. 

Der Sand gleicht der überliegenden Ackererde. Er ist 
frisch tief rötlich- bis schwärzlichbraun mit einzelnen hervor- 
glitzernden Muskovitblättchen; feucht knetbar, trocknet er zu 
ziemlich fest zusammenhaltender Masse. Der Kieselgehalt 
wurde zu 83 °%, bestimmt. Die Sandkörner sind rund bis 
eckig, von ?/s mm Durchmesser an abwärts bis zu feinsten 
Splitterchen, stets umgeben von rostbraunen schleimigen Fein- 
teilchen. Nach Behandlung mit heißer Salzsäure, die keine 
Blasenbildung erzeugt, hinterbleiben fast ausschließlich farblose 
 Quarzkörner; nur selten sind rotbraune und gelbe beigemengt. 
Der aus der Tiefe von mehr als 1,70 m heraufgeholte 
. Sand zeigt wenig Abweichung; er ist nur etwas heller, glimmer- 
haltiger, und Salzsäure erzeugt geringe Bläschenbildung, so 
daß also hier die Entkalkung nicht mehr vollständig ist. 

Der nutzbare Sand ist auf große Strecken völlig gleich- 
artig erdig, feinkörnig; immerhin kommen örtlich auch einige 


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Kiesschichten vor. Ein Werfen oder sonstiges Zubereiten des 
Formsandes findet nicht statt. 

Auffällig waren in einer einheitlichen Schicht liegende 
sroße Steine, die aus Juliergranit, Verrucano, Dolomit, Alpen- 
kalk, Neokomgestein, Gault, Sandstein und dergleichen, 
unserm gewöhnlichen Erratikum, bestehen. Sie wurden anfangs 
wenig beachtet; als aber zwischen den Steinen schwarze Erde, 
Kohlenteilchen, angeschwärzte Sandsteine und zwei Bronze- 
ringe mit spangrünen Knochenteilen zum Vorschein kamen, 
setzte sorgfältige Beobachtung ein. Es fanden sich weiterhin im 


braunen Sande zerstreut viele weiche, schwarze. Tonscherben, 


nirgends aber ein ganzes oder ein wenigstens wieder herstell- 
bares Gefäß. Fernere Funde waren einige Schlacken- und 
Rostklumpen und ein Feuersteinschaber, während schon 1907 
ein schönes Steinbeil zutage gefördert worden war. Letzten 


Frühling wurden dann 60 cm unter der Oberfläche drei runde, 


etwa 3!/s m im Durchmesser haltende, niedere, rohe Stein- 
mauern mit seitlichem Eingang entdeckt und später von den 
Herren Direktor Viollier und Professor Büeler untersucht. 
Sie enthielten leider keine archäologischen Gegenstände; 
ihre Deutung ist daher unsicher; vielleicht stammen sie aus 
römischer Zeit, wofür die Tonscherben sprechen; vielleicht 
waren es Brandgräber der Pfahlbauleute, die im nahen 
Stammerweiher gewohnt hatten. Dieser wurde erst nach 
1667 (topogr. Karte von Hs. Kd. Gyger) durch Abgrabung 
entleert, und in seinem Grunde fand man beim Bahnbau 
1895 zahlreiche Pfähle. Die erratischen Steine sind also 


offenbar durch Menschen hieher zusammengetragen und später 
wieder mit Erde bedeckt worden. Siehe Thurg. Beiträge zur 


vaterl. Gesch., Heft 56, Seite 97. 

Alle diese Steine zeigen weitgehende Entkalkung. Sie 
sind von stark ausgelaugter Verwitterungsrinde umgeben; 
'Sandsteine sind ganz porös und leicht geworden. Aehnlich 
erweist sich das Gerölle in den eingelagerten Kiesbändern. 
Merkwürdig ist ein etwa 30/10 cm messendes Stück Randen- 


grobkalk, das von der Entkalkung auch mürbe geworden ist. . 
Wie dieser Stein hieher gelangte, ist unklar; möglicherweise 


handelt es sich um einen versunkenen Markstein. 
Die starke chemische Verwitterung der Steine zusammen 
mit dem Vergleich der am Rodenberg anstehenden Molasse 


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sprechen für die Ansicht Herrn Dr. Baumbergers in Basel über 
- die Entstehung solchen Formsandes. Dieser sei keineswegs in 
oder seit der Gletscherzeit hergeschwemmter oder hergewehter 
Sand, sondern an Ort und Stelle entstanden aus zutage ge- 
tretener Molasse, die durch das einsickernde Regen- und 
Sehneewasser gelockert und entkalkt wurde, wobei Glimmer 
und Feldspatteilchen in braunen, eisenhaltigen Ton übergingen. 
Möglicherweise handelt es sich auch, wenigstens teilweise, um 
die Verwitterung vom Gehängeschutt, von Gesteinsbrocken, die 
vom Rodenberg hinunter rollten und sich am Fuße angehäuft 
haben. In den vom Frost gelockerten Sandmassen an den 
Hängen und im mürben Boden ist die Entkalkung durch 
kohlemsäurehaltiges Wasser eine durchgreifende. 

Da das Siekerwasser die Entkalkung bewirkte, sind nur 
die obersten Lagen des Sandes kalkfrei; schon in 2 m Tiefe 
ist der Sand „mager“, mit Säure brausend, und noch tiefer - 
sind jene Kalkkonkretionen zu erwarten, die in der „weißen 
Grube“ nordwestlich der Station Schlattingen so häufig sind. 

Siehe Mitteilungen der Thurg. Nat. Ges., Heft 16, 8. 231. 
Für die Richtigkeit dieser Erklärung sprechen auch die 


-  Maulwurfshaufen am Südhang des Rodenberges bis zur Höhe 


des Generalstands hinauf, die aus einer dem Formsand ähnlichen 
Erde bestehen, sowie eine neue Waldstraße, deren Einschnitt 
den Uebergang der braunen Sanderde zum „gewachsenen“ 
Fels zeigt. 

Wie mir Herr Dr. Baumberger mitteilt, dem ich für 
 gütige Auskunft zu Dank verpflichtet bin, sind auch ander- 
wärts im Anstehenden der Molasse gute Formsande gefunden 
worden, ebenso im Gehängeschuttsand längs Molassezügen; 
beispielsweise beziehen die Gießereien von Kriens und Emmen- 
baum ihren Formsand von einem solchen Vorkommnis am 

Sonnenberg bei Littau. H. Wegelin. 


Die Quellen der Wasserversorgung Frauenfeld 
und ihre Beziehungen zu den Niederschlägen 
in den Jahren 1915 und 1916. 


Seit Januar 1915 werden sämtliche Quellen der Hochdruck- 
wasserversorgung Frauenfeld regelmäßig alle Wochen gemessen, 
um genaue Angaben über die Erträge der einzelnen Quellen 


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zu erhalten. Sobald diese Messungen einige Jahre ausgeführt 
sind. leisten sie der Gemeinde in verschiedener Hinsicht 
wertvolle Dienste. 

Wir werden dadurch in die Lage versetzt, für alle 
Niederschlagsverhältnisse ein getreues Bild des Ertrages der 
Quellen zu bekommen; nur so ist es möglich, die günstigste 
Gestaltung von Ergänzungsanlagen berechnen zu können. 

Ebenso wichtig sind fortlaufende Messungen für allfällige 
Wasserrechtsstreitigkeiten, respektive Abgrabungen im Sinne 
von Art. 707 des 2.G.B. Der Nachweis einer Abgrabung ist 
in der Regel auch dem Fachmann nur dann möglich, wenn 


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genaue Anhaltspunkte über die Ertragsschwankungen vor- 


liegen; fehlen genaue Aufzeichnungen, so hält es in der 
Regel schwer, den rechtlichen Schutz von bestehenden Quellen 
richtig geltend machen zu können. 

Wie aus Heft XX der Mitteilungen der Thurgauischen 
Naturforschenden Gesellschaft hervorgeht (Die Quellen des 
Kantons Thurgau von Herrn Engeli, Sekundarlehrer in Er- 
matingen), bezieht die Ortsgemeinde Frauenfeld ihr Trink- 
wasser aus dem Thunbachtal. Nebst dein Grundwasser, welches 
mittelst Stollen schon seit 1886 der Stadt zugeleitet wird, 
sind neun Quellen vorhanden, von denen sich drei auf dem 
linken und sechs auf dem rechten Ufer des Thunbaches be- 
finden. Ueber die Lage der einzelnen Quellen gibt vorstehende 
Skizze Auskunft. 


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Die Ueberdeckungen der einzelnen Fassungen betragen: 
Duelle NE.1.02, 0080 04 oo) 9 
Ueberdeckung zirka 7 5 45 48 5 5 8-12 6-10 10-15 m 

In geologischer Hinsicht sind sämtliche Quellen einander 
ähnlich: Kiesige Moräne auf undurchlässigem Molassefelsen. 

Herr Dr. J. Hug in Zürich, auf dessen Untersuchung und 
Anleitung hin die Quellen 7—9 gefaßt wurden, gibt darüber 
in seinem vorläufigen Gutachten an die Wasserversorgungs- 
kommission Frauenfeld folgende geologische Darstellung: 

„Wenn man von der Landstraße den Abhang herabsteigt, 
so geht das trockene, in der Hauptsache kiesige Terrain 
unvermittelt in eine zeitweise bodenlose Lehmmasse über, die _ 
bis zum Bach heruntergeht und ein typisches Rutschgebiet 


Verrutschrer 
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Kiesise;. as nn : 
Moräne" "15. 


darstellt. Ueber dem Lehm konnte man einen deutlichen 
Ueberzug von Kalktuff beobachten, der nur als Absatz von 
Quellwasser entstanden sein kann. Da und dort rieselten 
zerstreut verschiedene kleine Wässerlein herunter, die allein 
für die Tuffbildung verantwortlich gemacht werden mußten. 
Alle diese Verhältnisse sprachen für die Annahme, daß am 
obern Rande des sumpfigen Gebietes das kiesige Material nach 
unten aufhöre und auf undurchlässiger Molasse aufruhe. Das 
im Kies gesammelte Quellwasser sinkt natürlich nur bis auf 
die undurchlässige Unterlage herab und fließt auf dieser weiter. 
Wo diese Kontaktfläche an einem Abhang angeschnitten ist, 
muß das Wasser als Schichtquelle zutage treten. In unserm 
Falle ist aber der Idealfall durch Rutschungen stark gestört 
und der eigentliche Wasserhorizont durch angelagerte Lehm- 
' massen verhüllt. Es konnte daher nicht zur Bildung einer 


— 156 — 


deutlichen Quelle kommen; das Wasser zerschlus sich im 
Lehm und gab so zur Bewegung Anlaß.“ 

Nebst den praktischen Ergebnissen bieten die Messungen 
auch Raum für wissenschaftliche Fragen, so z. B.: In welchem 
Verhältnis stehen die Quellenerträge zu den Niederschlägen ? 

Zur Lösung dieser Aufgabe wurden die Niederschlags- 
mengen und der Quellenertrag für je sieben Tage berechnet 
und in der beiliegenden Tabelle zusammengestellt. Aus der- 
selben können nun ohne weiteres die verschiedenen Be- 
ziehungen abgelesen werden. Hauptsächlich fällt auf, daß 
bei den Quellen mit der größten Ueberdeckung (Nr. 7—-9) 
die Niederschläge S—14 Tage später zur Wirkung kommen 
als bei den Quellen 1—5. Eine Ausnahme macht sodann 
Quelle Nr. 6, welche beinahe das ganze Jahr den gleichen 
Ertrag aufweist. Für diese Quelle sibt Herr Dr. J. Hug die 
Erklärung, daß das Wasser durch eine Kiesschieht mit ganz 
bestimmter Mächtigkeit und Durchlässigkeit fließt, d.h. die 
Kiesschicht kann nur eine ganz bestimmte Wassermenge ab- 
führen. Durch das hinterliegende Wasserreservoir in der 
Kiesschicht wird die Quelle auch zu trockenen Zeiten mit 
dem gleichen Wasserguantum gespeist. 

Es mag noch bemerkt werden, daß alle Quellen auch 
bei den größten Erträgnissen reines, einwandfreies Trink- 
wasser liefern. Die von Zeit zu Zeit durch das kantonale 
Laboratorium ausgeführten bakteriologischen Untersuchungen, 
welche meistens bei Regenperioden vorgenommen werden, 
ergeben immer nur wenige oder gar keine Pilzkolonien. 
Besonderer Erwähnung verdient in dieser Hinsicht Quelle 
Nr. 9, deren Keimzahl zu nur 1 bestimmt wurde; meistens 
erwies sich aber das Wasser als völlig keimfrei. Nach der 
amtlichen Zusammenstellung der bakteriellen Verhältnisse - 
einzelner Wasserversorgungen der Schweiz stellt sich die 
Keimzahl der, Brandquelle (Nr. 9) bedeutend günstiger als 
alle andern angeführten Beispiele. Siehe J. Hug, „Beiträge 
zur Kenntnis der Grundwasser der Schweiz“, Annalen der 
Schweizerischen Landeshydrographie. Band III. Bern 1917. 

H. Deppe, Stadtgeometer. 


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Kohlenausbeutung im Staatsgebiet Kalchrain 
1916—1917. 


Die zur Zeit des gegenwärtigen Weltkrieges entstandene 
Kohlennot und die hohen Kohlenpreise ermunterten ver- 
schiedener Orts im Schweizerland die Privatindustrie dazu, 
in ihrem eigenen Risiko, wiederum an verschiedenen bereits 
bekannten Fundstellen nach Kohlen, Schieferkohlen, Braun- 
kohlen, Pechkohlen, Steinkohlen und Anthraziten zu suchen. 
So vermochten die schwierigen Kohlenbeschaffungen während 

des bereits über drei Jahre dauernden Völkerringens auch 
die Erinnerungen an die Nachgrabungen im Jahre 1856 und 
1862%in Herdern wieder aufzufrischen. Ende des vergangenen 
Jahres 1916 kam ein Abkommen zwischen dem thurgauischen 
Fiskus und der Firma @. Weinmann in Zürich zustande, nach 
welchem genannter Firma an der früheren Fundstelle, im 
Gebiet des Anstaltsgutes Kalchrain, die Bewilligung erteilt 
wurde, während einem Jahr Schürfungen und Grabungen 
nach Kohlen, Mineral- oder Erzlagern vornehmen zu dürfen. 
Im diesbezüglichen Beschluß des h. Regierungsrates heißt 
es in der Motivierung, daß sich tatsächlich bei den heutigen 
Schwierigkeiten in der Kohlenbeschaffung die Wünschbarkeit 
nach inländischer Kohlenerschließung geradezu aufdrängt. 

Bereits am 20. Dezember 1916 ist dann der erste Spaten- 
stich zu diesen neuen Grabungen gemacht und schon am 
23. Dezember gleichen Jahres auch die erste Kohle gefördert 
worden. Bis Ende Mai 1917 sind zirka 200 Tonnen dieser 
Pechkohle gefördert und abtransportiert worden. 

Sämtliche Mengen sind mittelst Pferdegespannen nach 
Bahnstation Frauenfeld transportiert und dann per Bahn nach 
Kallnach versandt worden, wo die Firma G. Weinmann eine 
elektrochemische Fabrik besitzt, in der die Herderner Kohle 
ihre Verwendung fand. 

Einzig 10000 kg sind nach der Gasfabrik Frauenfeld 


geführt worden. um damit Brennversuche zu machen. Dies 


geschah im März 1917. Dabei ergab sich, daß das Gas 
schlecht ist. Es enthält zirka 20—25 °% Schwefel, und die 
Kohle hinterläßt nach ihrem Verbrennen keine festen Bestand- 
teile, also keinen Koks, sondern nur ein weißes Aschenpulver. 
Punkto Gaswert soll selbst der Torf besser sein. 


— „158 — 


Im gleichen Monat sind die Herderner Kohlen auch chemisch 
untersucht worden an der eidgenössischen Prüfungsanstalt für 


Brennstoffe in Zürich. Das Resultat war folgendes: 
Lufttrockene Probe Rohprobe 


Wassergehalt °.. ........100 18,5 % 
Flüchtige Kohlensäure . 0,8% 0,8 %o 
Asche a Sauna 22,9 9% 


Heute wird allerdings der letztere Gehalt weniger Prozente 
aufweisen, da offenbar die Qualität der Kohle gegen das 
Innere des Berges besser wird. Im weitern wurde der Heizwert 
auf 5008 Wärmeeinheiten festbestimmt. Sie zeigte nach ihrem 
Verbrennen keinen Koks, sondern ließ 27,4 °/o feine, weiße 
Asche zurück. - Die Verbrennungswärme der Kohle ergab 
7023 Wärmeeinheiten. 

Die Hoffnungen, die anfangs des laufenden Jahres auf 
die Mächtigkeit des Kohlenflözes gehegt worden sind, haben 
bis heute noch nicht in Erfüllung gehen können, da die 
Grabarbeiten noch zu wenig weit vorgeschritten sind. 

Mit Sicherheit kann also bis heute nichts Bestimmtes über 
die Ausdehnung dieses Flözes gesagt werden. Erst wenn die 
Ausbeute durch Stollenbau geschieht oder durch Bohrungen 
Untersuchungen vorgenommen werden, kann Näheres hierüber 
gemeldet werden. 

Die Art und Weise, wie genannte Firma dieses Frühjahr 
in Herderın nach Kohlen grub, half nicht zur Abklärung 
dieser Frage mit, indem sie nur vermittelst gewöhnlichen 
Rigolens nach Kohlen grub und nur bestrebt war, so viel 
als möglich abzuführen. Stollenbau und Bohrungen nahm 
sie keine vor. Durch dieses Rigolen traten bald Rutschungen 
ein. Dies und anderes brachte bald Arbeitermangel und für 
den Staat Unbefriedigendes, so daß die Firma Weinmann 
ihre Bauhütten abtransportierte und klanglos die Kohlenlager 
verließ. Wohl darf bemerkt werden, daß die kurze Konzessions- 
dauer von einem Jahr Bohrungen aus begreiflichen Gründen 
nicht zuließ; dagegen hätte die Firma durch Stollenbau 
mehreres tun sollen. 

Mittlerweile ist die Angelegenheit in bezug auf die Rendite 
der Ausbeute des Kohlenflözes in Herdern durch in Chur 
internierte deutsche Bergleute untersucht worden. Der Bericht 
lautete derart, daß die Regierung an den eidgenössischen 


— 1359 — 


Armeearzt, dem die Öberleitung der Interniertenversorgung 
übertragen ist, das Gesuch stellte, es möchten 8—10 internierte 
Bergleute aus der Bergwerkschule für deutsche Internierte in 
Chur nach Herdern abgegeben werden, um durch diese Fach- 
leute mittelst Stollenbau die Mächtigkeit des dortigen Kohlen- 
flözes feststellen zu können, um dadurch über die Abbau- 
würdigkeit ein klares Bild zu erhalten. Bereits sind nun seit 
20. September laufenden Jahres zuerst 8 und heute 32 Berg- 
leute unter Leitung eines bergtechnisch gebildeten Internierten 
daran, durch Aushebung einer Zufahrt zum projektierten 
Stollenantrieb den Flöz abzubauen. 

Bei diesen Aufschließungs- und Aufklärungsarbeiten werden 
fast täglich 150— 200 Zentner Pechkohle gefördert. Dieselben 
werden abtransportiert, in den verschiedensten Feuerungen 
verwertet und dabei zugleich zu Versuchszwecken verwendet. 
Man hofft bei annähernd guter Witterung gegen Ende November 
mit dem Stollenbau beginnen zu können. Dann wird auch 
die Zeit kommen, wo ein Konzessionsvertrag oder ein Unter- 
nehmen, an welchem Bund und Kanton beteiligt sind, zustande 
kommen wird. 

Die Kohlenfundstelle liegt auf Grund und Boden der 
Staatsdomäne Kalchrain, und zwar direkt an der Staatsstraße 
II. Klasse Herdern-Kalchrain in einer Höhe von 551 mü.M. 
Sie gehört zur Gemeinde Herdern, während Kalchrain selbst 
auf Gebiet der Gemeinde Hüttwilen liegt. Der Kohlenflöz 
liegt anfangs so ziemlich horizontal, senkt sich aber gegen 
den Berg zu mäßig gegen Herdern; wie er sich weiter er- 
streckt, wird man erst beim Stollenbau und beim nachfolgenden 
Abbauverfahren sagen können. Der Wasserabfluß, wird dabei 
erschwert, und einige Male sind auch die derzeitigen Auf- 
schließungsarbeiten durch Einstürze der gegen Kalchrain zu 
gelegenen Einschnittsflächen gestört worden. 

Wenn nun in einigen Tagen der Tagbau beendigt ist, 
werden die Kohlenabbauarbeiten durch Rutschungen nicht 
mehr belästigt werden. 

Die Herderner Kohle ist eine Pechkohle, keine normale 
Braunkohle. Sie wird auch „Molassekohle* genannt. Sie ist 
tiefschwarz, glänzend, aber spröde, während die Braunkohle 
_ matt erscheint. Die Pechkohle ist gemäß den Forschungen des 
Geologen Escher als Ueberrest einer frühern Vegetation zu 


— 140 —. 
betrachten und ist demnach eine torfrestliche, pechimprägnierte 
Kohle der Molasse. Sie enthält viel Gas und ist auch des- 
wegen eine reine Flammkohle, die ziemlich viel Schwefel 
enthält. 

Es wird wohl interessieren, was für ein Bild das Quer- 
profil der Fundstelle bietet und werde ich daher nachfolgend 
eine Beschreibung desselben geben. 

Unter der Humusschicht und derjenigen von Lett, Kies 
und Sand befindet sich eine ziemlich starke Schicht von 
blauem, fettigem, reinem Lehm, sog. Blaulehm. Er soll 
stark schwefelhaltig und ebenfalls wertvoll sein, da er in 
der Aluminiumindustrie große Verwendung findet. Nun folgt 
eine dünne Schicht verfaulter Kohlenschiefer, der sich 
aber nur am Rande des Flözes vorfindet und auf dem Feuer 
nicht brennt. Dagegen entzündet sich der folgende bituminöse 
Kalkstein, da er in seinen Poren Gas enthält. Letzteres 
brennt nach Auflegen eines Steines auf ein Feuer, bildet ein 
klein wenig Rauch und erzeugt einen noch ziemlichen Wärme- 
effekt; dagegen zeigen sich keine Flammen. Dieser bituminöse 
Kalkstein wird auch „Stinkkalk“ genannt, da er, wenn man 
ihn mit einem harten Gegenstand schabt, nach Petrol stinkt. 

Unter dieser Stinkkalkschicht zeigen sich dann verschiedene 
Lagen reine Pechkohlenschichten. Die ganze bituminöse 
Schicht beträgt heute vor der projektierten Stollenantriebstelle 
total 90—95 cm. Abzüglich der die Kohle durchziehenden 
Stinkkalkschiehten bleibt hier eine nutzbare Kohlenmächtigkeit 
von 60—65 cm. Ob der Flöz im Innern des Berges noch 
mächtiger wird und wie weit er verläuft, wird wiederum der 
Abbau im Stollen zeigen. Zu unterst finden wir eine mächtige 
Sandsteinschicht, auf der der Flöz ruht. 

Das für heute. Es wird sich eventuell später Gelegenheit 
bieten, über die Kohlenlager Herdern und deren Abbau ein- 
gehender zu berichten, bei welcher Gelegenheit dann auch über 
die Resultate der heizungstechnischen Untersuchungen und das 
eingeschlagene Kohlenabbauverfahren Mitteilungen gemacht 
werden können. Leo Wild, Straßeninspektor. 


Il. 


Vereinsnachrichten. 


; —————— 


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Auszug aus dem Protokoll 


der 


Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft. 


- Jahresversammlung 1916 
abgehalten am 23, Oktober 1916 im Hotel Krone in Winterthur. 


Vorsitzender: Schmid, Kantonschemiker. 
Zahl der Teilnehmer: 32. 


Die 60. Hauptversammlung stand im Zeichen der Museums- 
frage. Die Tatsache, daß seit der Eröffnung der neuen Kantons- 
schule unsere reichhaltigen Sammlungen ganz unbefriedigt 
untergebracht sind, veranlaßte den Vorstand, die Versammlung 
nach Winterthur zu verlegen, wo die naturhistorischen Samm- 
lungen ein prächtiges neues Heim erhalten hatten. Man hoffte, 
durch einen Besuch desselben neue Anregung und Aufmunterung 
zur Lösung unseres Problemes zu erhalten und täuschte sich 
nicht; denn der Gang durch das Museum, unter der kundigen 
Leitung unserer Winterthurer Kollegen, bot eine Fülle des 
Interessanten, und der Dank des Präsidenten für die liebens- 
würdige Aufnahme kam aus vollem Herzen. 

Dem Museumsbesuch vorgängig wurden die Jahresgeschäfte 
erledigt. Dem Jahresbericht des Präsidenten entnehmen wir 
folgendes: Seit der letzten Jahresversammlung verloren wir 
zwei Ehrenmitglieder durch den Tod, nämlich die Herren 
Bezirksarzt Dr. Albrecht in Frauenfeld und Minister //g in 
Zürich, von denen sich besonders der erstgenannte als lang- 
jähriges Vorstandsmitglied und als Förderer wissenschaftlicher 
Bestrebungen um den Verein sehr verdient gemacht hat. Zu 
seinem Andenken wurde der Gesellschaft ein größeres Legat 
gestiftet, — Ein langjähriges, treues ordentliches Mitglied 
wurde durch eine Explosion dahingerafft. 


— 144 — 
Der gegenwärtige Mitgliederbestand beläuft sich auf 133. 

Besondere Erwähnung verdient die Herausgabe des 21. Heftes 
unserer Mitteilungen mit einer Hauptarbeit von Herın Professor 
Wegelin: „Ueber die Veränderungen der Erdoberfläche im 
Thurgau während der letzten 200 Jahre“, einer Arbeit, die 
nicht nur in naturhistorischer, sondern auch in volkswirtschaft- 
licher Beziehung äußerst wertvoll ist. Der Präsident verdankt 
Herın Wegelin, sowie den andern Herren, welche unser Heft 
bereichert haben (Herren Dr. Baumann, Zürich, Dr. Brunner, 
Dießenhofen) ihre Arbeit aufs wärmste. 

Der Lesestoff für die Mappen ist immer noch reichlich, 
obschon er des Krieges wegen reduziert werden mußte. Ein 
neuer Lesekreis mußte für Sirnach gebildet werden. 

Im Naturwissenschaftlichen Kränzehen in Frauen- 
feld wurden im Berichtsjahr folgende Vorträge und Referate 
abgehalten: 

Herr Hans Kappeler: Ueber Rindenschälung außerhalb der 
Saftzeit. 

Herr Dr. Hch. Tanner: Ueber das Moor- und das Sehneehuhn. 

Herr Prof. Wegelin: Der Bernstein. 

Herr Dr. Darm: Höhenbestimmungen in den Alpen. 

Herr Apotheker V. Schilt: Ueber den Rückgang der ein- 
heimischen Vögel. 

Herr Dr. ee Ueber biorisierte Milch. 

Gemeinsam mit dem Gewerbeverein Frauenfeld veranstalteten 
wir einen Vortrag von Herrn Ingenieur Schoop in Zürich 
über sein Metallisierungsverfahren. 

Es wurden ferner zwei Exkursionen ausgeführt, die 
in jeder Hinsicht einen sehr erfreulichen Verlauf nahmen. 
Im Juni wurden unter der Leitung der Herren Professor 
Wegelin, - Frauenfeld, Dr. Weber und Dr. Frschli, Winterthur 
die Glassandgruben von Benken, die marine Molasse von Schlatt 
und die Stromquellen von Kundelfingen besucht (siehe Seite 
125). Die zweite Exkursion wurde in Verbindung mit der 
Winterthurer Schwestergesellschaft veranstaltet und führte zu 
den Endmoränenwällen von Eschlikon und an den Bichelsee 
(siehe Seite 123.) 

Die Bestrebungen der Gesellschaft sind auch im Berichtsjahr 
in verdankenswerter Weise durch die Beiträge der Regierung 
und der Gemeinnützigen Gesellschaft unterstützt worden. 


| Die Jahresrechnung 1915 wird verlesen und unter bester 
Verdankung an den Kassier genehmigt. Sie weist folgenden 
Abschluß auf: 


Bimnahmens.. 32.0. 222er :2949200 
AuSoaben en. ee N 22h 
Seuldo, wre Deere te 208.32 
Abzüglich Sammlungsfonds. . .  - .500.— 
Detzit. pro |. Januar 1916 .. . Er -191.68 


In Anerkennung seiner großen Verdienste um die Er- 
forschung der Urgeschichte unseres Landes ‘und um die 
Populärisierung der Naturwissenschaften in der Ostschweiz, 


sowie der mannigfachen Dienste, die er unsern Sammlungen 


und der Naturforschenden Gesellschaft direkt erwiesen hat, 
wird Herr Konservator Emil Bächler in St. Gallen zum Ehren- 
mitglied unserer Gesellschaft ernannt. 

Die Zahl der Vorstandsmitglieder wird von 8 auf 9 
erhöht und als neuntes Mitglied gewählt Herr Dr. Leis in 
Frauenfeld. 

Ueber die Tätigkeit der Naturschutzkommission referierte 
deren Präsident, Dr. Hch. Tanner: Die Bemühungen wegen 
des Uferschutzes der Scharenwiese sind zu einem vorläufigen 
Abschluß gelangt. Um den Pflanzenbestand auf der Scharen- 
wiese zu schonen, sind die nötigen Schritte eingeleitet worden. 
Zum Schutze des Wassergeflügels und zur Erhaltung der 
Uferwege, welche der Oeffentlichkeit immer mehr entzogen 
werden, sind Eingaben an die Regierung gemacht worden, 
welche bei derselben gute Aufnahme gefunden haben. Es 
sind Versuche gemacht worden, den Fischotter vor gänzlicher 
 Ausrottung zu bewahren, und man bemühte sich ferner, von den 
 Güterzusammenlegungskorporationen vermehrte Nistgelegen- 
heit für unsere Vögel zu erhalten. Für einen großen erratischen 
Block in Pfyn erhielten wir vom Besitzer die Zusicherung, 
daß derselbe intakt bleiben solle. 

Herr Zahnarzt Brodtbeck regt die Gründung einer Museums- 
gesellschaft an. 

Zum Schlusse der Verhandlungen begrüßte Herr Professor 
Dr. Weber die Thurgauer Kollegen herzlich und dankte für 
' die Ehre des Besuches. Auf seine Anregung wurde nach dem 


10 


— 1 — i 
Besuch des Museums ein Spaziergang nach dem Schlosse 
Wülflingen gemacht. 


Der Aktuar ad int.: Dr. Hch. Tanner. 


. Jahresversammlung 1917 


Samstag den 20, Oktober 1917 im Hotel Bahnhof in Frauenfeld. 
Anwesend: 35 Mitslieder und Gäste. 


Herr Kantonschemiker Schmid begrüßt als Präsident die 
Versammlung und erteilt nach kurzem Eröffnungswort Herrn 
Dr. J. Hug in Zürich das Wort zum Hauptreferat: 


Die Grundwasserströme der Schweiz 
insbesondere des Kantons Thurgau. 


Als Grundwasser wird heute alles unter der Erdoberfläche 
zirkulierende Wasser aufgefaßt. Aus dem Kanton Thurgau 
seien die folgenden typischen Beispiele von Grundwasser- . 
bildung genannt: 

l. Am rechten Hang des Thunbaches zwischen Huben 
und Thundorf beobachtet man längs der Hauptstraße an ver- 


schiedenen Stellen gut durchlässigen Kies, der auf schwer 8 


durchlässiger Süßwassermolasse aufruht. Im Kies versickern 
die Niederschläge zu Grundwasser, das auf der Schichtfläche 
zwischen Kies und Molasse im Thunbachtobel einen durch- 
gehenden Quellenhorizont bildet, der in drei neuen Fassungen 
für die Wasserversorgung Frauenfeld ausgenützt wird. 

2. Am Steilhang zwischen Amriswil und Schocherswil 
konstatiert man zu oberst Moräne der letzten Eiszeit; darunter 
folgt eine mehr als 10 m mächtige Schicht eines gut ver- 
kitteten Schotters, der nur dem Hochterrassenschotter zu- 
gerechnet werden kann. Auf und in der Unterlage, die aus 
hartem Grundmoränenschlamm gebildet wird, tritt das im 
Schotter gesammelte Grundwasser aus (Quellen von Amriswil). 

3. Die Ebene von Horn besteht aus fluvioglazialem Schotter 
der letzten Eiszeit. Darüber folgt eine mehrere Meter dicke 
Lehmschicht, die aus dem südlich anschließenden Hang ab- 
geschwemmt wurde. Auch diese Kiesablagerung ist mit Grund- 


— ]4t — 


wasser durchsetzt, das bei niederem Wasserstande. deutlich 
siehtbar in den Bodensee austritt. 

4. Im Gebiete von Thundorf-Matzingen wurde schon vor 
mehreren Jahrzehnten eine frühere Bachrinne festgestellt, die 
unter die heutige Bachsohle -herabreicht, mit Kies ausgefüllt 
ist, und in ihrer Richtung vom heutigen Bachlaufe vollständig 
abweicht. In dem Kiese muß sich wieder Grundwasser sammeln, 
das auf der Bahn des ehemaligen Bachlaufes als Grundwasser- 
strom abfließt. Dieser wird gegenwärtig für die Wasser- 
versorgung Frauenfeld durch eine Fassung moderner Kon- 
struktion ausgenützt. 

5. Am ausgiebigsten gestaltet sich die Grundwasserführung 
natürlich in der ausgedehnten Kiesausfüllung im Talboden des 
Thurtales, der von Kradolf an zu einer Breite von 1 km 
anschwillt. Die Tiefbohrungen in der Gegend von Sulgen- 
Bürglen haben ergeben, daß der Kies gegen 20 m tief unter 
die Erdoberfläche herab reicht. Zwischen Kradolf und Bürglen 
sieht man die Thur ein Stück weit links außerhalb der Kies- 
auffüllung in die etwas ältere Grundmoräne eingeschnitten. 
Der Schotter des Talbodens füllt sich talabwärts immer bis 
. näher an die Terrainoberfläche mit Grundwasser an, das von 
_ verschiedenen Gemeinden durch Pumpwerke ausgenützt wird. 
Weiter talabwärts wird die Mächtigkeit des Schotters immer 
geringer und keilt unterhalb Horgenbach fast ganz aus. Damit 
muß auch der Grundwasserstrom abgegeben werden, der 
hauptsächlich durch die Binnenwasserkanäle längs der Thur 
aufgenommen wird. 

Im zweiten Teil des Vortrages wurden eine Reihe größerer 
Grundwasserströme in den Kiesauffüllungen der Urstromtäler der 
Nordschweiz, den Schotterfeldern der letzten Vergletscherung im 
Aargau (Suhrtal), den jüngeren Kiesfeldern der Alpentäler und 
einigen Bergsturzgebieten des Kantons Graubünden besprochen. 

Zum Schlusse kam das Thema „Grundwasser und Seen“ 
zur Behandlung. Es wurden drei Typen von Seen vorgeführt, 
nämlich: Grundwasserseen (mit unterirdischem Zufluß und 
unterirdischem Abfluß), Quellseen (mit unterirdischem Zu-, 
' aber oberirdischem Abfluß) und Seen mit oberirdischem:. Zu-, 
aber unterirdischem Abfluß. (Autoreferat). 

Der außerordentlich interessante, mit prächtigen Pro- 
jektionsbildern ergänzte Vortrag wurde mit großem Applaus 


— 148 — 


aufgenommen und vom Präsidenten bestens verdankt. In der 
Diskussion erklärte Herr Dr. Hug den Zufluß des Frauenfelder 
Pumpwerkes als Grundwasserstrom der Murg, verstärkt durch 
den unterhalb Matzingen einmündenden Grundwasserstrom des 
Thunbaches. Die Kundelfinger Quellen hätten ihren Ursprung 
ebenfalls im Schotter des alten Rheinlaufes, dessen Grund- 
wasserstrom bei Kundelfingen überläuft. 

Hierauf wies Prof. Wegelin drei im Thurgau vorkommende 
Trüffelarten vor (siehe Seite 118), sowie die Funde von Elch- 
geweihen, Wetzikonstäben und Föhrenzapfen aus dem Torfmoor 
von Gloten (siehe Seite 119), Inspektor Wild Probestücke der 
in Herdern geförderten Pechkohle und deren Begleitgestein 
(siehe Seite 137) und Sekundarlehrer Zingeli drei Seltenheiten 
aus der Gesteinswelt: 1. Pyrophyllit, ein Mineral der Talk- 
gruppe mit prächtigen apfelgrünen Rosetten aus dem Wallis. 
während bisher nur Fundorte in Schweden und im Ural be- 
kannt waren; 2. einen merkwürdig geschichteten Tuff aus 
dem Unterengadin, und 3. einen Mäander- oder Furchenstein 
aus dem Greifensee mit sonderbar eingegrabenen Furchen 
und Gängen, die von den einen Forschern den sauren Aus- 
scheidungen von Köcherfliegenlarven zugeschrieben, von andern 
als Wirkungen einer Algenvegetation, die dem Stein Kohlen- 
säure entzieht, angesehen werden. (Siehe Schröter und Kirehner, 
Die Vegetation des Bodensees, Lindau 1896, I, S. 47—53.) 

Es folgen die Vereinsgeschäfte, nachdem vorausgehend der 
Präsident die von der Versammlung mit starkem Beifall auf- 
genommenen Mitteilungen bestens verdankt hatte. 

1. Jahresbericht des Präsidenten. Demselben ist folgendes 
zu entnehmen: Der furchtbare Krieg hat unser Gesellschafts- 
wirken nicht stark beeinflußt. Nur eine Maßnahme des Vor- 
standes, die Bestellung einer Kohlen- und Torfkommission, 
hängt damit zusammen. Dieselbe soll die bei der in die Wege 
geleiteten Nutzbarmachung von Kohlen- und Torflagern zutage 
tretenden Erscheinungen feststellen, wissenschaftlich verwerten 


und eventuell für weitere Versuche und Unternehmungen = 


nutzbar machen. Der Vorstand hat seine Geschäfte in fünf 
Sitzungen erledigt, wobei namentlich Anregungen der Natur- 
schutzkommission vermehrte, aber angenehme Arbeit brachten. 

Die drei Kränzchensitzungen, deren Leitung Herr Dr. Tanner 
übernommen hat, hatten folgende Referenten: Herr Straßen- 


— 149 — 


inspektor Wild über Asphalt und seine Verwendung, Herr 
Zahnarzt Brodtbeck über einen Besuch in deutschen Kriegs- 
lazaretten für Kieferverletzte mit Projektionen, Herr Dr. Leisi 
über die immergrünen Parkbäume von Frauenfeld und Um- 
gebung. Unter Leitung von letzterem fand im Frühjahr ein 
Rundgang durch diverse Gärten von Frauenfeld zur Besichtigung 
der Parkbäume statt. Endlich war die Gründung der Museums- 
gesellschaft möglich in Verbindung mit dem Historischen Verein, 
dem Verkehrsverein und Vertretern der Behörden. 

Der Senat der Schweizerischen Naturforschenden Gesell- 
schaft wird künftig durch Zuzug von Vertretungen kantonaler 
Gesellschaften. erweitert und die Delegiertenversammlung auf- 
gehoben werden. In Basel fand das hundertjährige Jubiläum 
unserer Schwestergesellschaft statt, verbunden mit Einweihung 
_ eines Museums für Völkerkunde. Einer Einladung folgend 
ließen wir uns vertreten. 

Der Mitgliederbestand beträgt zurzeit 135. 

Zum Schluß erstattet der Präsident den wärmsten Dank 
an Herrn Prof. Wegehin für die Redaktion der Mitteilungen und 
für seine Dienste als Kurator, dann an die Mitarbeiter der 
Mitteilungen, an Dr. Tanner für die Leitung der Kränzchen- 
sitzungen, der Regierung und der Gemeinnützigen Gesellschaft 
für ihre Beiträge. Er gedenkt ferner der Erteilung des 
Dr. honoris causa an unser Ehrenmitglied Herrn Konservator 
' Bächler durch die Universität Zürich und gedenkt auch unseres 
erkrankten lieben und langjährigen Mitarbeiters Herrn Dr. Eberli 
in Kreuzlingen, dessen Gruß an die Jahresversammlung durch 
ein Telegramm erwidert wird. 

2. Ueber die Tätigkeit der thurgauischen Naturschutz- 
kommission berichtet Herr Dr. Tanner, der Präsident derselben. 
Es wurde versucht, die Fauna und Flora auf gesetzgeberischem 
Wege zu schützen. Eingaben an das Polizeidepartement ent- 
hielten die Begehren, in der neuen Jagdverordnung Verwendung 
eines Teiles der Patenttaxen für Vogelschutz vorzusehen, dem 
Naturschutz in der Jagdkommission eine Vertretung einzu- 
räumen, und Fischotter, sowie Fischreiher vor der Ausrottung 
zu schützen. Ein Entwurf zu einer thurgauischen Pflanzen- 
sehutzverordnung liegt beim Regierungsrat. Von diesem wurden 
Schutzbestimmungen gegen das massenhafte Pflücken von 
Hasel- und Weidenkätzchen erlassen, und in den Zeitungen 


MO 


hat die Naturschutzkommission Stellung gegen die Monstre- 
buketts genommen. Am Untersee ist eine kleine Reservation 
für ganz seltene Pflanzen in Aussicht gestellt. Durch Ver- 
mittlung des kantonalen Torfkommissärs wurden die Torf- 
produzenten ersucht, uns zuhanden der Schweizerischen Prä- 
historischen Gesellschaft bemerkenswerte Funde mitzuteilen. 
Schließlich sind noch die Bemühungen zum Schutze der 
erratischen Blöcke und zur Erhaltung bemerkenswerter Bäume 
zu erwähnen. E 

Die beiden sehr interessanten und zum Teil mit Humor 
durchwürzten Berichte, wovon hier nur ein Auszug möglich 
war, wurden von der Versammlung genehmist, und seien an 
dieser Stelle den beiden Berichterstattern bestens verdankt. 

3. Herr Kappeler-Leumann verliest die Jahresrechnung 
pro 1916 im Auszug: 


Einnahmen. 229... 3.12 we 
Ausgaben 2 Pe ee 84 I 
Saldo er 2 sr ein A 
Ab Fonds für naturh. Sammlungen - 500.— 
Vereinsvermögen 1. Januar 1917 . Fr. 235.42 
Betztjähriges Dehat „22.2 022722 291..068 
Vermögensvermehrung 1916 . . Fr. 427.10 


Der Kassabericht wird auf Antrag der Revisoren genehmigt 
und dem Kassier bestens verdankt. 


4. Die Versammlung beschließt einstimmig, den Fonds 


für naturhistorische Sammlungen im Betrag von 500 Fr. der 
Museumsgesellschaft als Museumsfonds zu schenken. Eine 
Mehrheit ist auch dafür, daß unsere Gesellschaft der Neu- 
gründung als Kollektivmitglied mit 50 Fr. Jahresbeitrag 
beitreten solle. 

5. Als Rechnungsrevisoren werden der bisherige Herr 
Dr. Dannacher und an Stelle des zurücktretenden Herrn 
Debrunner-Schröder Herr Inspektor Wild gewählt. 

6. Bei den Vorstandswahlen tritt leider Herr Kantons- 
chemiker Schmid als Präsident und Vorstandsmitglied zurück. 
Da bereits vorausgegangene Bemühungen, ihn zum Bleiben 
zu veranlassen, scheiterten, weil Herr Schmid mit amtlichen 
Arbeiten stark belastet ist, wird zur Ersatzwahl geschritten, 


et 


Herr Professor Wegelin wird einstimmig als Präsident und 
Herr Dr. Prötzker als neues Mitglied gewählt. Die übrigen 
Vorstandsmitglieder werden mit offenem Mehr bestätigt. 

7. Herr Professor Wegelin verdankt das ihm bewiesene 
Zutrauen und gedenkt hierauf in warmen Worten der Ver- 
dienste seines Vorgängers, welcher 25 Jahre dem Vorstande 
angehörte. Auf Antrag des Vorstandes wird Herr Kantons- 
chemiker Schmid in Würdigung seiner vielen und vielseitigen 
Verdienste als Vorstandsmitglied während 25 Jahren zum 
Ehrenmitgliede ernannt. Herr Schmid dankt herzlich für die 
ihm zuteil gewordene Ehrung. 

8. Nach der anschließenden konstituierenden Sitzung des 
Vorstandes, bei welcher das Vizepräsidium von Herrn Dr. Tanner 
übernommen wird, kommt als gemütlicher Schluß ein einfaches 
Abendessen. 
Der Aktuar: A. Weber, Kultur-Ing. 


Verzeichnis 


der vom 1. November 1915 bis 1. November 1917 durch Tausch 
und Schenkung eingegangenen Druckschriften. 


(Dient zugleich als Empfangsbescheinigung.) 


I. Schweizerischer Tauschverkehr. 


Basel. Naturforschende Gesellschaft: Verhandlungen Bd. 26, 27. 

Baselland. Naturf. Gesellschaft: Tätigkeitsbericht 1911—16. 

Bern. Schweiz. Naturf. Gesellschaft: Verhandlungen 1915, 1916. 

— Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen 1915. 

— Schweiz. Entomologische Gesellschaft: Vol. XII, Heft 7/8. 

Chur. Naturf. Gesellschaft von Graubünden: Jahresbericht, Bd. 56, 57. 

Frauenfeld. Historischer Verein des Kantons Thurgau: Thurgauische 
Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Heft 55 und 56, 

Freiburg. Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen: Botanik Bd. IlIs. Bulletin 
Bd. 23. 

Geneve. Societ& de physique et d’histoire naturelle: Compte rendu 
des seances 32, 33. 


Lausanne. Societe vaudoise des sciences naturelles: Bulletins Nr. 186 


bis 192. Convocations 1916-1917. 
Lugano. Societa tieinese di Scienze naturali: Bolletino 1915. 
Luzern. Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen, 7. Heft. 
Neuchätel. Societe des sciences naturelles: Bulletin, tome 41. 
Winterthur. Naturwissenschaftl. Gesellschaft: Mitteilungen, Heft 11. 
Zürich. Naturf. Gesellschaft: Vierteljahrsschrift 1916. 
— Schweizerische Geologische Kommission: 
Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz. II. Serie. Lief. 203, 
302, 44, 46. 
Erläuterung zur geologischen Karte der Schweiz 19. Spezial- 
karten 29, 66, 77, 80, 83. Profiltafel 29, 730. 
Geschichte der Geologischen Kommission von A. Aeppli. 
— Schweizerische Geotechnische Kommission: 
Karte der Fundorte v. mineralischen Rohstoffen nebst Erläuterung. 
— Schweizerische Botanische Gesellschaft: Berichte 24/25. 
Beiträge zur Kryptogamenflora der Schweiz: Coelastrum 1915. 
— Physikalische Gesellschaft: Mitteilungen 18. 
— Botanisches Museum der Universität: Mitteilungen 73—76. 


II. Ausländischer Tauschverkehr. 


Agram (Zagreb). Kroatische Naturwissenschaftliche Gesellschaft: Mit- 
teilungen, Bd. 28, 29. 
Bautzen. Naturwissenschaftl. Gesellschaft Isis: Abhandlungen 1915/15. 


ee 


Bayreuth. Naturwissenschaftl. Gesellschaft: 2. Bericht (1911—1914). 

Berlin. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg: Verhandl. 1915. 

Brünn. Naturforschender Verein: Abhandl. 52—55. Meteorologischer- 
Bericht 29, 30, 31. 

Chapel Hill N.C. Elisha Mitchell Scientific Society: Journal 31—33. 

Cincinnati. Lloyd Library: Mycologicalnotes: Synopsis Polyporus Apus. 
Bibliographical contributions II 6—11. 

Cordoba (Arg.). Academia Nacional de Ciencias: Boletin 20, 21. 

Danzig. Naturf. Gesellschaft: Bd. 14, Heft 1, 2. 

_  —— Westpreußischer botanisch- -zoologischer Verein: Berichte BU 38% 

Dresden. Naturwissenschaftl. Gesellschaft Isis: Sitzungsberichte und 
Abhandlungen, 1914, 1915. 

Erlangen. Physikalisch-medizinische Societät: Sitzungsberichte 47. 

. Frankfurt a. M. Senckenbergische Naturf. Gesellsch.: Bericht 46. 

Frankfurt a. 0. Naturwissenschaftl. Verein: Helios 28. 


_  Gießen«Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: Berichte, 


medizin. Abt., Bd. 9, 10; naturwissenschaftl. Abt., Bd. 6. 

Güstrow. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg: 
Archiv 69, 70 

Halifax. Nova Scotia, Canada: Nova Scotian Institute of Science: 
Proceedings and Transactions, N.01.135 14-9: %s. 

Halle a.d. Saale. Kaiserl. Leop. -Carol. deutsche "Akademie der Natur- 

z forscher: Leopoldina 1915, 1916. 

. Hamburg, Naturwissenschaftlicher Verein: Verhandlungen 1912—1914, 
Abhandlungen XX. 

Hermannstadt. Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschaften: Mit- 
teilungen, Bd. 64. Festschrift 1914. 

Innsbruck. Ferdinandeum für Tirol und Vorarlberg: Zeitschrift, Heft 59. 

Kassel. Verein für Naturkunde. Abhandlungen 54. 
Kiel. Naturwissenschaftl. Vereinf. Schleswig-Holstein: Schriften, Bd. 16.2. 
Klagenfurt, Naturhist. Landesmuseum für Kärnten: Carinthia 105, 106/7. 
Klausenburg (Kolozsvär). Siebenbürgischer Museumsverein: Mitteilungen 
II. Band, 1915, 1916. 

Krefeld. Naturwissenschaftl. Museum der Stadt: Mitteilungen 1915/16. 

Lawrence (Kansas). University of Kansas: Bulletin 165. 

Leipzig. Naturf. Gesellschaft: Sitzungsberichte 1914, 1915. 

Lyon. Societe Linndeenne: Annales 1914, 1915. 

Madison. Wisconsin Academy: Transactions Vol. 18ı. 

Mexiko. Instituto Geologico: Boletin 32, 34. Anales 1, 2. 

Milwaukee (Wis). Public Museum: Bulletin 133. 

München. Kgl. hydrotechnisches Bureau: Jahrbuch 1914—1915 mit 
Beilagen (Wassermessungen 1911—1915). 

— Kgl. bayr. Akademie der Wissenschaften: Sitzungsberichte der 

'math.-phys. Klasse, Jahrgang 1914—1917. 5 

Münster. Westfälischer Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst: 
Jahresberichte 43, 44. 

-New-Haven (Conn. U. S.). Yale university: Transactions, Vol. 19. 

New York. Academy of Seiences: Annals, Vol. 26, 27. 


Ne Nürnberg. Naturhistorische Gesellschaft: Abhandlungen, Band 19v. 


Jahresbericht 1915, 1916. 


— 154 — 


Philadelphia. Academy of Natural Sciences: Proceedings Vol. 67, 68. 
Prag. Naturhistorischer Verein Lotos: „Lotos“ 1916. 
Reichenberg. Verein der Naturfreunde: "Mitteilungen 42. 
St. Louis (Missouri). Botanical Garden: Annals Vol. 2, 31. 
Stockholm. Entomologiska Föreningen: Ent. Tidskrift 1915, 1916. 
Stuttgart. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in 
Württemberg, 71. und 72. Jahrgang mit Beilagen. 
Upsala. University: Bull. of the Geologieal Institution, Vol. 13, 14, 1 > 
Washington D.C. Smithsonian Institution: U. S. National- Museum: 
Proceedings, Vol. 47 — 50. 2 
Bulletin 50, 82, 91—96, 
Contribution from the U. S. Nat. Herbarium, Vol. 17—20. 
— U. S. Geological Survey: 
Annual Report 36. 
Bulletin 544—649 (Reihe unvollständig). 
‘Water supply papers 512—399 (Reihe unvollständig). 
Professional papers S7—91, 95, 98. 
Mineral Resources 1914—1916. 
Monograph 53, 54. 
Wien. K. k. geolog. Reichsanstalt: Verhandlungen 1916. 
— K.k. Naturhist. Hofmuseum: Annalen, Bd. 29, 30. 
Wiesbaden. Nassauischer Verein für Naturkunde: Jahrbücher 68, 69. 
Würzburg. Physikalisch-mediz. Gesellsch.: Sitzungsbericht 1915, 1916. 


III. Geschenke von Privaten. 


Brodtbeck A. in Frauenfeld: In deutschen Kriegslazaretten für Kiefer- 
verletzte. Frauenfeld 1915. 
Früh J. Dr. Prof. in Zürich: Entwicklungsformen und Verbreitung 
des Büßerschnees 1915. 

Graf F.in Weinfelden: Maout-Decaisne, Traite general de Botanique. 
Paris 1876. 

Greuter Dr. A. in Menziken: Beiträge zur Systematik der Gastrotrichen 
in der Schweiz. Berner Dissertation. Genf 1917. 

Kaiser Alfred in Arbon: Ein 80jähriger Afrikareisender: Professor 
Dr. Schweinfurth. Arbon 1816. 

Kim, Bahnmeister, in Wattwil: 1) F. Merklein, Beitrag zur Kenntnis 
der Erdoberfläche um Schaff hausen; 2) Karte des Säntisgletschers 
(1: 100000) von A. Gutzwiller, mit Text. 

Stadtbibliothek in Winterthur: Neujahrsblatt 1915/16: Landbau und 
Besiedlung im Weinland. 


| Mitgliederverzeichnis 


der 


Thurgauischen Naturiorschenden Gesellschaft. 
(Abgeschlossen am 1. November 1917.) 


”— Vorstand. 


H. Weselin, Professor, Präsident und Kurator. 
Hch. Tanner, Dr., Konviktführer, Vizepräsident. 
A. Weber, Kulturingenieur, Aktuar. 

Hs. Kappeler-Leumann, Quästor. 

. Brodtbeck, Zahnarzt. 

. Schilt, Apotheker. 

. Osterwalder, Sekundarlehrer. 

F. Leisi, Dr., Professor. 

Pritzker, Dr., Chemiker. 


E<s» 


Naturschutzkommission. 


Dr. Hch. Tanner, Präsident. 
Dr. Leisi. 
 E. Osterwalder. 


Kohlen- und Torfkommission. 


H. Weselin, Präsident. 
Hs. Kappeler. 

Weber, Kulturingenieur. 
Wild, Straßeninspektor. 
Dr. Hch. Tanner. 


Ehrenmitglieder (12). - 


‚Keller C., Dr., Professor der Zoologie an der Technischen Hochschule 
in Zürich (seit 13. Dezember 1880). 
Rauch C. A., Privatier, in Luzern, Villa Montana (seit 29. Sept. 1883). 
Müller-Thurgau, Prof. Dr., Direktor der Weinbau-Versuchsstation in 
Wädenswil (seit 1. Oktober 1888). 
Zimmermann Traugott, Privatier, in Heiden (seit 1. Oktober 1388). 
Grubenmann, Dr., Professor an der Technischen Hochschule und an 
der Universität in Zürich (seit 27. September 1893). 


oe 


Früh J., Dr., Professor der Geographie an der Technischen Hochschule 
in Zürich (seit 29. Oktober 1904). 

Schwyzer-Reber F., in Zürich (seit 21. Oktober 1908). 

Engeli J., alt Sekundarlehrer, in Ermatingen (seit 26. Oktober 1912). 

Heß Cl., Dr., Professor in Frauenfeld (seit 16 Mai 1914). 

Graf F., alt Sekundarlehrer, Weinfelden (seit 16. Mai 1914). 

Bächler E., Dr., Konservator, St.Gallen (seit 23. Oktober 1916). 

Schmid A., Kantonschemiker in Frauenfeld (seit 20. Oktober 1917). 


Ordentliche Mitglieder (123). 


: Eintritt 
Aebli-Iselin, Fabrikant, Sirnach . 2 \ ß Ä 5 1916 
Ammann J., Sekundarlehrer, Erlen . 5 ; ER 1915 
Ammann, Oberstlieutenant, Frauenfeld : ; i ß 1372 
Ammann, Tierarzt, Frauenfeld . : z : ; 1908 
Ammann W., Ermatineen ; : & : ; ; 1911 
Bach, Sekundarlehrer, Romanshorn : ; : ; i 1915 
Bach, Inspektor, Kefikon ; ; : : ; : 1911 
Bachmann E., Seminarlehrer, Kreuzlingen . ; ; - 1902 
Bauer E., Dr. med., Sirnach ä E - : - 1915 
Bäumlin 1 Dr. med, Altnau °. : , 1902 
Baldin, Lebensmittelinspektor, Frauenfeld . : : £ 1909 
Baur A., Dr., Chemiker, Steckborn . : ; : 1885 
6, Zahnarzt, Frauenfeld B 3 i 3 1905 
Binswanger, Dr. med., Kreuzlingen . ; i ; : 1912° 
Brauchli Robert, zum „Ziegelhof“, Berg . ; i 1908 
Brenner W., Architekt, Frauenfeld . . : : Snhce)7 
Brodtbeck, Zahnarzt, Frauenfeld 1392 


Brunner, Dr. med., Direktor des Kantonsspitals Münsterlingen 1596 
Brunner Se, Dr. med, Direktor des Asyls St. Katharinenthal 1912 


Brunnschweiler B., Artillerie- Oberlieutenant, Hauptwil . 1912 
Dannacher S, Prof. Dr., Frauenfeld . : 5 i 5 1905 
Debrunner, Dr. med., Frauenfeld : : £ : £ 1912 
Debrunner, Telegraphenchef, Frauenfeld . : ; & 1599 
Deppe, Stadtgeometer, Frauenfeld ; : : F 1913 
Despres A., Frauenfeld | - ; : 1594 
Eberli, Dr. "phil, Seminarlehrer, Kreuzlingen z ; : 1394 
Eeloft, Dr. med., Kreuzlingen . 3 F 5 : 1903 
Eiter P., Forstmeister, Steckborn 5 ; : 1900 
Fehr wi Oberst, Karthause- -Ittingen bei Frauenfeld . ; 1886 
Fischer Ir, Sekundarlehrer, Bischofszel . ; 5 ö 1905 
Fischer, Forstmeister, Romanshorn . : es 5 1908 
Frölich, Geometer, Steckborn \ \ : ä ; : 1908 
Furrer L. P., Zahnarzt, Romanshorn . : E : ? 1394 
Gamma A., Granitgeschäft, Gurtnellen 3 : : 2 1917 
Gebhart T, prakt, Arzt, Piyn = ; ö : 1895 
Geiger E., "Sekundarlehrer, Lenzberg- -Warth 5 ; . 1916 
v. Greyerz JE, Die: Professor, Frauenfeld . : ; : 191£ 
Gsell J., Dr., Bezirkstierarzt, Romanshorn . ae \ 1901 


Gubler, Bezirkstierarzt, Frauenfeld . : : i i 1908 


Be 


Guhl, Dr. med., Steckborn 

Haffter, Apotheker, Weinfelden . 

Hanhart, Bezirksstatthalter, Steckborn 

Hanselmann, Sekundarlehrer, Aadorf . 

Huber, Notar, Erlen 

Huber, Sekundarlehrer, Wattwil . 

; Hugelshofer 1, Sekundarlehrer, Steckborn 
Hugentobler ne Sekundarlehrer, Ermatingen 

Joß, Pfarrer, Koppigen (Bern) 

Iselin-Lang, Fabrikant, Sirnach . 

Isler, Dr. med., Frauenfeld . 

Kappeler-Ammann, Frauenfeld 

Kappeler-Leumann, Frauenfeld 

Kappeler Otto, Kaufmann, Frauenfeld : 

Kelle®Bösch A., Neuhausen am Rheinfall . 

Keller, Eisenhändler, Frauenfeld 

Keller Jakob, Professor, Frauenfeld . 

Kesselring, Oberst, Bachtobel bei Weinfelden 

Kim K., Bahnmeister, Lichtensteig 

Kreis E., Seminarlehrer, Kreuzlingen ; 

Küng K Dr; Professor an der Kantonsschule in Solothurn 

Labhardt, Dr., Chemiker, Basel, Missionsstraße 53 

Leisi, Prof. Dr., Frauenfeld . 

Leumann, Dr., Rektor, Frauenfeld 

Leutenegger, Dr., Seminarlehrer, Kreuzlingen 

Leuthold, Hotel Bahnhof, Frauenfeld . 

List A., Sekundarlehrer, Birwinken 

Luder-Wiesmann, Bernrain.. 

Löhle, Lehrer, Müllheim 

- Lüthi, Bezirksarzt, Bürglen .. 

Meier, Dekan, Frauenfeld 

Meier Emil, Dr., Ermatingen 

Meier, Sekundarlehrer, Dußnang . 

Meyer O., Architekt, Frauenfeld. 

Michel, Pfarrer, Märstetten . 

 Mötteli, Frl. Olga, Frauenfeld E 

Nägeli, Dr. med., Bezirksarzt, Ermatingen . 

‚Nägeli, Dr. med., Professor, Tübingen 

Oehninger, Zahnarzt, Frauenfeld. 

Oettli Max, Dr., Glarisege- -Steckborn . 

Osterwalder, Dr. A., Weinbau-Versuchsstation, Wädenswil . 

Osterwalder E., Sekundarlehrer, Bischofszell 

. Osterwalder K. Ingenieur, Frauenfeld 

Pfister-Bühler, Sekundarlehrer, Sirnach 

Pischl C., Apotheker, Steckborn . 

Pritzker, Dr., Chemiker, Frauenfeld 

Reese, Dr. med., Bellevue, Kreuzlingen 

Ribi, Sekundarlehrer, Amriswil 

Rüeger, Apotheker, Bischofszell . 


Eintritt 
1573 
1573 
1908 
1915 
1892 
1911 
1915 
1915 
1911 
1916 
1890 
1902 
1908 
1894 
1916 
1886 
1915 
1888 
1915 
1900 
1906 
1584 
1906 
1911 
1901 
1907 
1915 
1908 
1900 
1906 _ 
1915 
1904 
1885 
1908 
1896 
1917 
1584 
1591 
1585 
1904 
1898 
1892 
1894 
1916 
1899 
1911 
1915 
1904 
1916 


N — 158 eH 


‚Schellenberg E., Fabrikant, Bürglen 
Scherb A., prakt. Arzt, Bischofszell 

Schilt, Apotheker, Frauenfeld 

Schiltknecht, Dr. med., Weinfelden 
Schiltknecht E., stud. techn., Eschlikon 
Schirmer A., Dr., Eschenz . 

Schmidle, Prof. Dr., Direktor d. höhern Bürgerschule, Konstanz 
Schüepp, Professor, Frauenfeld ? 
Schümperli J., Ingenieur, Frauenfeld . 
Schuster, Seminardirektor, Kreuzlingen 
Schweizer, Sekundarlehrer, Romanshorn 
Sprenger, 'Dr., Chemiker, Zürich . ; 
Sprenger J., Junior, Stickfabrikant, Sirnach. 
Spühler, Dr. med., Frauenfeld 2 
Steinhäuser, Fabrikant, Frauenfeld 

Tanner Hs., Dr., Professor, Frauenfeld : 
Tanner Hch., Dr., Konviktführer, Frauenfeld 
Ullmann, Dr. med., Nationalrat, Mammern . 
Vogler Otto, Dr. med., Frauenfeld 

Wagner, Sekundarlehrer, Alterswilen . 
Walder, Dr. med., Feldmeilen 

Wälli- Sulzberger, "Direktor, Lenzburg . 
‘Weber, Kulturingenieur, Frauenfeld 
Weber R., Lehrer, Bußwil . ; 

Wesgeli U, Dr., Chemiker, Dießenhofen 
Wegelin H., Professor, Frauenfeld 

Wehrli J., Gemeindeammann, Eschlikon 
'Wehrli Th,, Sekundarlehrer, Müllheim 
Wild L., Straßeninspektor, Frauenfeld 

. Wildbolz, Dr. med., Amriswil ; 
Wille, Dr., Direktor, Münsterlingen 

Zeller, Apotheker, Romanshorn . 5 
Ziegler O., Sekundarlehrer, Eschlikon 
Zuberbühler, Sekundarlehrer, Sulgen . 
Zweifel-Iselin, Fabrikant, Sirnach 


Eintritt 
1908 
1901 
1882 
1891 
1917 
1915 
1911 
1883 
ILShLZ, 
1908 
1886 


SRELS 


1917 
1912 
1908 
1916 
1909 
1906 
1896 
1885 
1908 
1908 
1908 
1916 _ 
1916 
1874 
1916 
1914 
1916 
1901 
1912, 
1894 
1915 
1915 
1915 


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