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Mitteilungen
der
Thurgauischen
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Naturforschenden Gesellschaft
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XXI. Bejt
Redaktion: B. Wegelin
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Druk von Buber & Co. in Frauenfeld
1915
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Mitteilungen
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Naturforschenden Gesellschaft
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XXI. DBeft
Redaktion: 5. Wegelin
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Druck von Buber & Co. in Frauenfeld
1915
Inhaltsverzeichnis.
l. Wissenschaftlicher Teil.
1. Veränderung der Erdoberfläche innerhalb des Kantons
Thurgau in den letzten 200 Jahren, von H. De
in Frauenfeld : ; : 3—170
2. Die Vegetation des Une (Bodenseo) von Dr. Eug.
Ben in Zürich . ; 179672200
3. Beiträge zur Kenntnis der Kilora. des oe Dicken
hofen und seiner a von Dr. med. Hans Brunner
in Dießenhofen . : \ E ; . 201—209
ll. Vereinsnachrichten.
Auszug aus den Protokollen : i : : ; 213
Jahresversammlung 1913.
Jahresversammlung 1914:
Ueber Ernährungsfragen, von A. Schmid, Kantons-
chemiker ; i ; 215
Jahresbericht des Prsienten BESSER : 216
Jahresversammlung 1915:
Wundinfektion und Wundbehandlung im Kriege,
von Dr. Brunner, Direktor in Münsterlingen . 2185
Jahresbericht des Präsidenten B 221
Verzeichnis der Tauschschrften . 2... 222
“ Mitgliederverzeichnis : 5 ER ; 227
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Veränderung der Erdoberfläche
innerhalb des Kantons Thurgau
in den letzten 200 Jahren.
Von H. Wegelin in Frauenfeld.
Inhalts-Uebersicht.
Einleitung 5 0 h b B
I. Kritik der Quellen, insbesondere der Karten
A.
B.
C.
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Die Karte des Kantons Zürich von Hs. C. re
Die Karte des Schaffhauser Gebiets von Hch. Peyer
Die Karte der Landgratschaft Thurgau von Joh. Nötzli
a. Die Karte von 1717
b. Kopien der Karte von 1717 .
e. Die Karte von 1720 und deren Kopien .
_ d. Die Karte des jüngern Nötzli .
. Herrschaftspläne aus dem 18. Tancharderis
. Ittingen
. Dießenhofen
. Neunforn 5
. Mammern und Sarkınz
. Freudenfels und Eschenz
. Wagenhausen-Kaltenbach.
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. J.J. Sulzberger und seine topographische Karte ass none
. Die Dufourkarte
. Die Siegfriedkarten .
Kantonsgrenzen
Die Grenze am Rhein as, alargec
Die Grenze bei Konstanz und im „Trichter“
. Reichsboden und Reichsgrenze im Obersee
. Die Züricher Grenze
. Die St. Galler Grenze
III. Die Gewässer
A.
Bodensee und Rhein
a. Die Hochwasser
b. Das Oberseeufer
1. Zerstörung und Uferschutz
2. Natürliche Neubildungen
c. Der Rheinlauf Konstanz-Gottlieben
d. Das Unterseeufer
e. Der Rheinlauf Stiegen- Sohasir msn
12
1. Die Schwemmkegel der Enge von Stiegen
2. Tuffbildung ö ® B i ö
3. Erratiker im Strombett . 5
4. Angriff der Ufer durch Wellenschlag der Dampfschiffe
B. Flüsse im Innern des Kantons
a. Die Thur {
1. Das Kartenbild
2. Veberschwemmung und on
b. Die Sitter
c. Die Murg
C. Bäche
. er
. Rheiugebiet Konstanz- Gottlieben
. Unterseegebiet
. Rheingebiet Stein- Schaffhausen
. Thurgebiet
. Sittergebiet .
g. Murggebiet . A
D. Veränderung an Seelein mil Weihern 3
a. Die natürlichen Wasserbecken
b. Die künstlich angelegten Weiher
E. Wirtschaftliche Benutzung des Wassers
a. Zu industriellen Zwecken (Mühlen)
b. Zu landwirtschaftlichen Zwecken
c. Verwendung des Eises
. Das Wasser als Schutzwehr
. Quellen und Grundwasser
a. Quellen und Sümpfe
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b. Grundwasser ee edkriechen Brelanisch, Grund
wasserstiom) .
H. Rückbliek und Ausblick
IV. Der Wald
A. Lage
B. Ausdehnung
a. Aenderungen in ahemEn ende
b. Aenderungen im 19. Jahrhundert
C., Eigentumsverhältnisse
a. Der alte Wald
b. der Gemeindewald
ec. der Privatwald 2
d. der Genossenschaftswal! .
e. der Staatswald
f. Uebersicht
D. Pflanzenbestand
a. In alter Zeit
b Im 19. Jahrhundert
ce. Fremde Waldbäume
E. Zusammenfassung
V. Das Rebland
A Aeltere Geschichte
B. Verbreitung
C. Höhenlage
D. Zerstückelung
E. Rückgang
Benutzte Literatur
93
Einleitung.
Die im Laufe der Zeit eintretenden Veränderungen im
Antlitz unseres Landes werden durch zweierlei Faktoren her-
vorgerufen:
1) durch natürliche, das Walten der Naturkräfte in Ver-
witterung, Abtragung, Verfrachtung und Ablagerung von
Materialien der Erdoberfläche;
2) durch anthropogene, d. h. Eingriffe der Menschen zur
Umformung der Urlandschaft in eine Kulturlandschaft.
Der Nachweis von Veränderungen wird möglich durch
Vergleich älterer Dokumente, speziell von Karten und Plänen
mit neueren topographischen offiziellen Karten, wie Dufour-
und Siegfried-Atlas und der heutigen Landschaft selbst.
Indem wir die spezielle Siedlungsgeschichte, Ackerbau und
Verkehrswege wenig berühren, behandeln wir die verwendeten
Karten, die Grenzen, die Gewässer, den Wald und das Rebland.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, allen denjenigen, welche
meine Arbeit bereitwillig und mit Interesse förderten, den
wärmsten Dank auszusprechen.
Vor allem habe ich zu danken den Herren Prof. Dr. J. Früh
in Zürich, Archivar und Bibliothekar F. Schaltegger in Frauen-
feld und Regierungsrat Dr. Hofmann, Vorstand des Straßen-
und Baudepartements, in Frauenfeld; sodann den Herren
Regierungsrat Aepli-Frauenfeld, Dr. Eberli-Kreuzlingen, Sek.-
Lehrer Eingeli-Ermatingen, Forstmeister Ziter-Steckborn, Lehrer
Fehr-Arbon, Steuerkommissär F'reyenmuth-W ellhausen, Dr. Hep-
Frauenfeld, Redaktor Huber-Frauenfeld, Sek.-Lehrer Oberholzer-
Arbon, Sek.-Lehrer Osterwalder-Bischofszell, Kantonsgeometer
Possert-Frauenfeld, Roth-Huber-Zürich, Staatsschreiber Schneller-
Frauenfeld, Sek.-Lehrer Schoop-Tägerwilen, Statthalter P. A.
Senn-Freudenfels, Forstmeister Schwyter-Frauenfeld, Kultur-
ingenieur Weber-Frauenfeld, Regierungsrat Wiesl-Frauenfeld,
Andreas Zimmermann-Dießenhofen.
Besondern Dank schulde ich der schweizerischen Zandes-
hydrographie in Bern, welche mir die Cliches zu den Ueber-
schwemmungsbildern Fig. 3 und 4 unentgeltlich zur Verfügung
stellte, und der Abteilung für ZLandestopographie des schwei-
' zerischen Militärdepartements in Bern für die am 29. Juni
ee
und 10. August erteilte Erlaubnis zur Reproduktion von fünf.
Abschnitten aus dem schweizerischen topographischen Atlas
(Fig. 1, 9, 14, 16 und 19).
I. Kritik der Quellen, insbesondere der Karten.
Es gibt eine Reihe von Plänen und Karten aus den letzten
drei Jahrhunderten, welche einzelne Gegenden oder das ganze
Gebiet des Thurgaus darstellen. Die hauptsächlichsten der-
selben: Gygers Karte des Kantons Zürich von 1667, Nötzlis
Entwurf der Landgrafschaft Thurgau, die Herrschaftspläne
des 18. Jahrhunderts, Sulzbergers topographische Karte von
1836 und der neue schweizerische topographische Atlas der
Schweiz — sind voneinander unabhängige Darstellungen in
Zeitintervallen von 50—60 Jahren und erscheinen darum
trefflich geeignet, die Veränderungen herauszufinden, welche
unser engeres Vaterland seit der Mitte des 17. Jahrhunderts
erfahren hat. Indes ist eine vorgängige Prüfung des Karten-
materials auf seine Zuverlässigkeit durchaus notwendig, damit
nicht aus allfälligen falschen Darstellungen eine Umgestaltung
herausgelesen wird, die niemals stattgefunden hat. Als Prüf-
stein eignet sich vor allem die Landschaft Dießenhofen, die
dank ihrer vorgeschobenen Grenzlage zwischen Zürich und
Schaffhausen nicht nur vom Thurgau aus, sondern als Grenz-
‚gebiet auch von jenen Kantonen topographisch berücksichtigt
wird.
A. Die Karte des Kantons Zürich von Hs. C. Gyger
1667.
Für die Karte des Kantons Zürich — „Einer Lobl. Statt
Zürich eigenthümlich zugehörige Graff- und Herrschaften,
Stett, Land und Gebiett, Sampt deroselben anstoßenden
benachbarten Landen und gemeinen Vogteien* — von Hans
Conrad Gyger im Maßstab von zirka 1:32000 (vorzüglich
lithographisch reproduziert 1891 von Hofer & Burger in Zürich),
verweise ich auf Wolf, Geschichte der Vermessungen in der
Schweiz, Zürich 1879, und besonders auf Walser, Verände-
rungen der Erdoberfläche im Umkreis des Kantons Zürich seit
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RE
der Mitte des 17. Jahrhunderts, Bern 1896. Letzterer ist
' durch mühsame Einzeluntersuchungen der verschiedenen Teile
‘der Karte zu dem Schlusse gekommen, daß darin die Dießen-
hofer Landschaft wie der ganze Nordrandsich durch Genauigkeit
auszeichnet. Im Mittel sind die Distanzen um !/3s0 zu grob.
1 mm der Karte bedeutet 31,23 m im Felde. Eigene Ver-
gleichungen haben den Wert des Millimeters zu 29,139 — 32,430 m
ergeben.
Hans Conrad Gyger lebte von 1599—1676 in Zürich.
Er war erst Glasmaler, dann Topograph. Seine erste Arbeit
war die Karte des Kantons Zürich in 1:52500, die er als
Jüngling unter Anleitung Joh. Hallers zeichnete. Dieser folgten
bis 1667 noch nahezu 40 andere Karten und Pläne, unter
denen eine kleine Schweizerkarte in zirka 1:900000 her-
vorragt: „Die Eydtgnoschafft Pünten und Wallis. Helvetia
cum Confinijs. Hans Conrad Geiger von Zürich feeit Anno
1637.“ 271/2/34!/a em. Herausgegeben 1642 in M. Merians
Topographia Helvetiae. Der Thurgau ist sehr gut dargestellt:
Man erkennt trotz des kleinen Maßstabes Stammerweiher und
Geißlibach, Hüttwilerseen und Seebach, Bommerweiher und
Kemmenbach, den Mühlekanal Bürglen-Weinfelden, die Thur-
brücken von Schwarzenbach, Bischofszell und Andelfingen etc.
1647 wurde der verdiente Mann zum Amtmann auf dem
Kappelerhof in Zürich ernannt und in dieser Stellung 1668
auf Lebenszeit bestätigt, als Belohnung für die in 37jähriger
Arbeit eben vollendete große Karte, die seinen Ruf in der
ganzen Schweiz verbreitete.
Diese Karte ist wirklich ein Meisterwerk der damaligen
Zeit; Walser (Seite 10) bezeichnet sie als das glänzendste, das
die ältere, mit roheren mathematischen Hilfsmitteln arbeitende
Topographie hervorgebracht hat. Höchstwahrscheinlich benutzte
Gyger kein trigonometrisches Netz mit gemessener Basis. Er
teilte nach der Methode von Sebastian Münster sein Gebiet
in Dreiecke — mit Ortschaften und weithin sichtbaren Fix-
. punkten als Eekpunkten — und ermittelte dann jede ein-
zutragende Strecke durch direkte Messung, meist im Schrittmaß
des abschreitenden Mannes oder gar des Pferdes (Wolf 8. 8 u. 9).
Irrtümer und Fehler sind darum unvermeidlich; aber sie sind
durch die Gewissenhaftigkeit Gygers auf ein geringes Mab
zurückgeführt, und die Darstellung ist auch für die modernen
Ba
Augen und Ansprüche sehr klar und ausführlich. Wir finden
die Höhenformen bei südlicher Beleuchtung durch grauen
Reliefton und durch Striche bezeichnet, welche die Haupt-
neigung des Gehänges angeben; es sind die kleinsten Ge-
wässer, viererlei Wege, die Brücken, alle Ortschaften und
Einzelgebäude, die Wälder, Reben und Obstgärten bezeichnet,
sowie die Grenzsteine mit den zugehörigen Flurnamen.
Man wird Gyger keinen großen Vorwurf daraus machen,
daß er außerhalb seines Kantons fallende Randgebiete weniger
gewissenhaft behandelte als diesen selbst (Fig. 22). Es fehlen
im angrenzenden Thurgau einzelne Weiler und Höfe, wie
Geisel und Ochsenfurt und der Mühlekanal auf der linken
Murgseite bei Frauenfeld; ferner sind die Gegenden zwischen
Pfyn und Wil verzogen und verkürzt, und der Abfluß der
Metziker Weiher mündet unrichtigerweise beim Weiherhaus
Wängi.
Für die thurgauischen Randgebiete auf der Ost-
grenze ist Gygers Karte sehr wertvoll, aber nicht
durchaus beweisend.
Unter den von Hans Conrad Gyger aufgenommenen Flur-
plänen ist von Wichtigkeit für den Thurgau:
Grundriß über die Herrschaft Wynfelden und die Bir-
wingischen und Dottnacher Gerichte 1663, 135/147 em, 1000
Schritt —= 12,5; em. Auf diesem Plan, der vom Kemmental bis
Rothenhausen und von Bürglen bis gegen Amlikon reicht, sind
die Felder grün, das Wasser blau, Wald, Wege und Böschungs-
schraffen braun, die Gebäude rot gezeichnet. Besondere Auf-
merksamkeit ist den Marken gewidmet, da der Plan zur Erläu-
terung der Markenbeschreibung zu dienen hatte.
B. Die Karte des Schaffhauser Gebiets, von Heinrich
Peyer 1685.
Heinrich Peyer von Schaffhausen, 1621 —1690, studierte
mathematische und militärische Wissenschaften, wurde Haupt-
mann und Feldzeugmeister, 1666 Stadtbaumeister. Während
mehrerer Dezennien nahm er die erste gute Karte seines
Kantons auf, die 1685 vollendet und von Felix Mayer in Winter-
thur gestochen wurde. Die Karte beruht auf einem Dreiecks-
netz und zeigt dieselbe Genauigkeit wie bei Gyger; das Grad-
EG
netz ist sogar noch etwas genauer orientiert, das Gelände sehr
deutlich bezeichnet. Als Maßstab ergibt sich 1: 54972, da
1000 Ruten (= 3573,23 m) — 65 mm messen, im Gebiet
von Dießenhofen — nach Vergleichung einiger Strecken mit
denen der Siegfriedkarte — indessen 1:50 200 — 1: 54600,
im Mittel 1:53 400.
Die Details der Karte sind im allgemeinen gut und deutlich
bezeichnet, besonders Ortschaften, Straßen und Wald; die
Bäche sind richtig eingetragen, doch nicht bis zu den
Quellen fortgeführt; so fehlen die Kundelfinger Quelle und
der Geißlibach von Stammheim bis Schlattingen; Stadt- und
Paradieser Weiher sind abflußlos, und das „Gries“, die Mün-
dung des Geißlibaches, ist etwa 250 m westlich statt direkt bei
Dießenhofen. Die Weinberge sind nicht so deutlich wie bei
Gyger; die abschließenden Querstreifen fehlen oft; das offene
Feld wird durch zerstreute wagrechte Strichelehen und durch
einzelne Bäume gegeben.
Die zweite Ausgabe der Peyerschen Karte besorgte 1747
Ingenieur Albertin mit den alten, schon etwas abgenützten
- Kupferplatten, die dritte Archivar Ludwig Peyer 1825. Er
reduzierte sie auf 1: 86400, benutzte die heute gebrauchten
Zeichen für Häuser, Straßen, Wald ete. und bediente sich
der Bergschraffen bei senkrechter Beleuchtung.
C. Die Karte der Landgrafschaft Thurgau
von Johs. Nötzli.
a. Die Karte von 1717.
Eigentlicher Entwurff | Der Landgraafschafft Thurgöwv; |
Darinn verzeichnet alle und jede Stätte, Flecken, Schlösser, Olöster,
Dörffer | und Höfe. Samt ordentlicher Delineation aller Herr-
schafften, Gerichtsbarkeiten und Freysitzen. Delineavit Johannes
Nötzlinus A. 1717.
Johs. Nötzli, 1689 — 1753, dessen Vater Pfarrer in Buß-
nang, später in Weinfelden war, erlernte die Schreinerei und
übte sich daneben im Feldmessen und Planzeichnen. Er
wurde Hauptmann im thurgauischen Militär, Quartierschreiber
zu Weinfelden und Verwalter der Herrschaft Thurberg. Im
Auftrage des Landammanns Joh. Ulr. Nabholz (1667 —1740)
Be
erstellte er 1717 die erste genaue Karte des Thurgaus, die
auf wirklicher Vermessung beruhen soll. Ihr Maßstab ist
etwa 1:43000, 1 Wegstunde — 6000 Schritt —= 105 mm.
Streckenvergleichungen mit der Siegfriedkarte ergaben 1: 35 000
bis 1:50000!
Die Nötzlikarte galt mehr als ein Jahrhundert für eine
gute Karte, und sie soll mehrfach als Zeuge bei Grenzstreitig-
keiten zugezogen worden sein (J. Meyer, Karten der Land-
grafschaft Thurgau S. 69— 73). Sie enthält sämtliche Herr-
schaftsgebiete und Gerichtsbezirke scharf umgrenzt mit den
zugehörigen Ortschaften, den wichtigsten Wäldern, den Wein-
bergen, den Flüssen, Bächen und Weihern. Bei den Ort-
schaften werden Stadt, Marktflecken, Kirchdorf, Dorf, Weiler
und Hof unterschieden, je mit dem ungefähren Grundriß und
der Form der Schlösser und Kirchen nach dem Aufriß. Das
Relief des Landes ist teils an + dicht stehenden, + langen,
krummen Schraffenstrichen, teils an der Exposition und Form
der in Rechtecke geteilten Weinbergzeichnungen zu erkennen.
Der Wald mit ziemlich scharfem Umriß ist durch Punkte und
winklige Strichelehen dargestellt, und die Auen an der Thur
etwas abweichend davon durch Strauchzeichnung. Die Feldflur
enthält eingestreute Striche und Graszeichen.
Die Brücken sind durch Doppelstrich quer über den Fluß
angegeben, sonst fehlen aber alle Verkehrswege.
Die Namenschreibung ist mit Ausnahme des Hochdeutschen
‚bei Pfein, Weilen und Hausen der damaligen Aussprache
entsprechend: Kralef (Kradolf), Habeheren (Hackborn), Buß-
lingen, Bolschausen ete.
Der topographische Wert der Karte ist wesentlich geringer
als derjenigen von Gyger und Peyer; es fallen beispielsweise
folgende Unrichtigkeiten auf:
Selbst im besten Teil der Karte, der Gegend von Wein-
felden, zeigen die Winkel Fehler von 10—15°.
Steckborn ist der Nordpunkt des Thurgaus am Untersee.
Von ihm tritt das Ufer gegen Osten und Westen derart südlich
zurück, daß Mannenbach die geographische Breite von Mammern
bekommt. Im Süden dieser Halbinsel sind dann die Ortschaften
völlig verstellt, so daß Helmetshausen, Seelwies, Tägermoos
und Hörhausen östlich statt westlich vom Meridian und Steck-
born liegen; Tägermoos z.B. zwischen Berlingen und Homburg.
EL
An der Salmsach bei Romanshorn sind Gemmertshausen
- und Hotterdingen westlich statt Östlich von Hungerbühl und
„Eich“.
Bei Frauenfeld liegen Wüsthäusli an der Stelle von Bühl,
Unterherten südlich des Mühletobels, Hungersbühl im Gebiet
des Rügerholzes und Aüwli (Aumühle) nördlich der Murg.
Murkart ist weggelassen, während Gyger Ruine, Kapelle
und sogar fünf Häuser angibt. Von den drei Hüttwilerseen
fehlt der, 12 ha große Hasensee.
Ein schwacher Teil der stets gerühmten Karte ist auch
die Landschaft Dießenhofen. Hier ist jedenfalls von Vermessung
wenig zu spüren; es scheint vielmehr, Nötzli sei gar nie
oder nur flüchtig in der Gegend gewesen und habe vielleicht
nur nach ungenauen Informationen gezeichnet. Er kann auch
weder die Gyger- noch die Peyerkarte zu Rate gezogen
haben; sonst könnte er nicht. den Hof Kundelfingen als Kirch-
dorf zeichnen, das uralte Willisdorf weglassen, den Geißlibach
unterhalb St. Katharinenthal in den Rhein leiten, dem Roden-
berg von Dießenhofen 1200 Schritte und von Schlattingen 2500
Schritte Abstand geben ustf.
Esist also die Karte von Nötzli nur mit großer
Vorsicht und beständiger Kritik für Vergleichungs-
zwecke zu gebrauchen.
Die Nötzlikarte wurde vielfach kopiert und besonders bei
den reichern Gerichtsherren vorgefunden (Meyer 8. 73). Diese
Kopien enthalten sämtlich noch die Herrschaft Rheinau in
einer Nebenkarte, die dem Original fehlt (siehe 8. 45). Unter
den im Thurgau und in Zürich vorhandenen Kopien sind
drei Klassen zu unterscheiden.
u. Kopien der Karte von. 1711.
2) Carte generale de la Comte de Thourgovie, dans laquelle
sont marques les Dependances et Limites de toutes les Juris-
dietions, Seigneuries, Abbayes et Oloitres, comme elle a ete dressee
par J. Nötzlin de Zurich. Eigentum der thurgauischen Kantons-
bibliothek. Sie trägt weder Unterschrift noch Jahreszahl; da
jedoch der französische Titel mit demjenigen der Kopien von
Daniel Teucher von Frauenfeld 1738 und 1742 (Meyer 8. 75,
Wolf 8. 74) übereinstimmt, dürfte sie auch dem letztern zu-
Be
zuschreiben sein. Leider ist eine Vergleichung mit der
Teucherschen Kopie von 1738, die der vaterländischen Biblio-
thek in Basel gehören soll, unmöglich, da diese in der Basler
Bibliothek nicht aufzufinden ist.
Daniel Teucher, 1691—1754, war Feldmesser und Wappen-
maler, zugleich auch Zeugherr der Stadt Frauenfeld. Er
malte 1749 die Wappentafel im Treppenhause des Regie-
rungsgebäudes. Von ihm sind ferner vorhanden: Im evange-
lischen Pfarrarchiv Frauenfeld Pläne vom Kirchhof in Ober-
kirch 1734, im Archiv der Bürgergemeinde eine Marchen-
beschreibung zwischen Frauenfeld und Ittingen (8. März 1741);
in der thurgauischen Kantonsbibliothek ein Lageplan der Moos-
burg bei Bischofszell; in der Stadtbibliothek Zürich der
geometrische Grundriß der Herrschaft Kefikon und Islikon,
21. Oktober 1241 (Frauenfelder Bürgerbuch).
Die Carte generale, 91 X 160 cm (12000°' —= 2 Heures
de Chemin sind durch 208 mm dargestellt) ist keine ganz
genaue Nachzeichnung, keine Pause der Karte von 1717. Die
Bergschraffen sind sorgfältiger; ebenso ist die Waldzeichnung
besser, und die Reben-Rechtecke enthalten noch senkrechte
Striehlein, ähnlich der heute gebräuchlichen Darstellung. Im
Verzeichnis der Ortschaften ist wenig geändert; bei Frauen-
feld sind Krämershäusli, Ob dem Holz und Brotegg ergänzt
und die Schmiede vor Langdorf mit Sch. bezeichnet.
Die großen Fehler der Originalkarte, z. B. in der Gegend _
von Dießenhofen, von Steekborn und von Romanshorn sind
noch vollständig vorhanden.
2) Kopie von Joh. Ulrich Müller von Frauenfeld, 1753,
151/85 cm, „zusammengetragen von Joh. Nötzli von Zürich
1717. Sint der Zeit um viel verbessert und vermehrt worden.“
Diese Notiz gibt einen Fingerzeig, daß die Karte von
Nötzli nicht auf direkten Vermessungen beruht, vielmehr „zu-
sammengetragen* wurde, wohl aus schon vorhandenen Plänen
der einzelnen Herrschaften.
J. U. Müller, 1722—1787, Sohn des Hs. Rud. Müller zum
Schwert und der Esther Nabholz, übte den Knopfmacherberuf
aus, war Mitglied des Innern Rats und des Gerichts, sowie
Seckelmeister der Stadt (Frauenfelder Bürgerbuch). Auch
seine Karte ist keine pünktlich genaue Uebertragung; ihre
FREIE
Einzelheiten sind darum nirgends mit denen des Originals
zur Deckung zu bringen.
Müller hat sein Hauptgewicht auf schöne Ausführung der
Stadt-, Burg- und Kirchenansichten gelegt, denen deshalb viel
mehr Raum gewidmet ist als bei Nötzli selber. Die Gewässer
sind nachlässig behandelt; ausführlich dargestellt ist die Um-
gebung von Frauenfeld. Zwischen der Stadt und Langdorf ist
die „Schmitte* als Haus gezeichnet, östlich Langdorf das
„Guggehürli* als Doppelhaus mit Türmehen und der Be-
zeichnung Müllitobel; südlich davon ist Hohenzorn. Hunger-
bühl versetzt Müller richtig auf die linke Murgseite, doch
südöstlich Aumühle. Die übrigen Unrichtigkeiten sind geblieben,
z. B. Unterherten südlich Mühletobel, Bühl nördlich von Obholz,
Thal mitten zwischen Murkart und Köll. Die großen Fehler
der Originalkarte sind nicht verbessert. Die Thur hat doppelte
Breite erhalten; die Zeichen für Wald und Reben sind so
verblaßt, daß sie nur noch an wenigen Orten deutlich hervor-
treten. Thurgauer Kantonsbibliothek.
3) Kopie von Joh. Jakob Diethelm, Oiv. Episcopicelli Chyr.
1754, 150/87 em, Eigentum der Stadtbibliothek Bischofszell.
Im beigegebenen Maßstab messen 12000 Schritte — zwei
- Stunden — 181!/2 mm.
Die Kirchen und Burgen resp. Herrensitze mit ihren Hügeln
sind in Ansicht gezeichnet, die Ortschaften durch Gruppen
kleiner Quadrate, die im obern Thurgau rote Füllung besitzen,
dargestellt. Auf die Grenzen der Gerichtsherrschaften ist großes
- Gewicht gelegt; der Wald wird nur wenigenorts angegeben,
beispielsweise zwischen Hochstraße - Emmishofen - Egelshofen
einerseits und der Stadtgrenze Konstanz anderseits (?). Gruppen
paralleler Feinstriche dürften versuchen, das Relief anzudeuten;
sie könnten aber ebensogut als Zeichen für Felder oder Wein-
gärten genommen werden. Die Bäche sind ganz mangelhaft
dargestellt. Der topographische Wert der Karte bleibt bedeutend
hinter dem des Originals zurück.
4) Kopie von Jos. Bieg von Engen im Hegeüw, dermahlen
Mahler in F’feld 1771, in der thurgauischen Kantonsbibliothek.
Bieg zeichnet weder Reben noch Wald noch Relief. Die
Karte ist auf Holzrahmen befestigt und hing jedenfalls lange
Zeit am Licht; sie ist sehr stark verblichen und die Gegend
ei er
zwischen Romanshorn, Weinfelden und Steckborn fast nicht
mehr zu entziffern.
Sie ist wesentlich kleiner als die bisher besprochenen
Kopien, 101/63 em. Eine Seite des quadratischen Netzes mißt
durchschnittlich 61!/s mm, bei Diethelm 95 mm, bei Müller
94 mm, bei der Carte generale 98 mm, bei Dänicker 89 mm.
Bei den Kopien der Nötzlikarte wurde offenbar stets so
verfahren, daß Quadrat um Quadrat nach denen der Original-
karte ausgefüllt wurde; dies erklärt dann die kleinen Ver-
schiebungen von Karte zu Karte wie die Wiederkehr aller
Hauptfehler. Als Vorlage hatte Bieg, wie auch Diethelm, die
Karte von Müller, mit der die seinige in Farben (Gemeinde
Frauenfeld und Dießenhofen ganz dunkelgrün) und Sehreib-
weise (Trüklikon, Haldingen,. Horwilen, Köln) übereinstimmt.
An einigen Orten geht er eigene Wege, schreibt Guntalingen
statt Kundelfingen und setzt richtigerweise die Langmühle
westlich Entenschieß an die Kantonsgrenze.
c. Die Karte von 1720 und deren Kopien.
Das Original ist im Zürcher Staatsarchiv. Es trägt den
nämlichen Titel wie die Karte von 1717 und als Angabe des
Autors: Delineavit Johannes Nötzlinus Tigurinus Anno 1720.
Der verjüngte Maßstab zeigt eine Stunde gemeinen Fußwegs
— 6000 geometrische Schritte — 104 mm, somit 1:43 400.
Diese große Karte (160/92 em) ist sauber und schön er-
halten; sie ist in einem Stück auf Leinwand aufgezogen, und
Nägelspuren am freien Leinenrand zeigen, daß sie an einer
Wand befestigt war.
Sie ist nicht nur hübsch ausgeführt, sondern noch mit
verschiedenen bunten Verzierungen versehen. Unter diesen
fällt ein farbiger Kranz von den durch Blumen verbundenen
Wappen der 8 alten Orte auf, welcher folgende Inschrift
umfaßt:
Sih hier den Edlen Crantz
So Thurgöüws Lande ziert,
Von deme es auch weis
Und klüeglich wird regiert.
O! das er allzeit blüeh
In Einigkeit und Treüw
So geht es Thurgöüw woll
Und bleibt Im alles Neüw.
Era
Die Ortschaften bestehen aus rotbedachten Häuschen in
verschiedenen Stellungen. Kirchen und Schlösser sind im Aufriß
gezeichnet. Das stehende Wasser ist grün umrandet, die
-Waldzeichnung deutlich. Die Reben sind ähnlich wie bei
Gyger.
Im Hörnligebiet sind die einzelnen Höfe um Schurten nicht
mehr namenlos, wie auf der Karte von 1717, und mehrere
Ortschaften wurden ergänzt: Gentenegg, Alle Winden, Kalten-
brunn, Neuhaus usw. Bei Wängi ist der Mörischwanger Weiher
verschwunden, bei Rickenbach das Freigericht zur Thurlinde
eingetragen.
Um Weinfelden sind neu: Eierlen, Wolfhaus, Unterthuren
und Schachen. Bei Dießenhofen mündet der Geißlibach am
richtigen Orte. Die Kundelfinger Quelle und „Weilenstorf“ sind
eingetragen, letzteres allerdings nicht am rechten Platze.
Die großen Fehler von 1717 sind geblieben, so beispiels-
weise bei Steckborn, bei Romanshorn, am Rodenberg; mehrere
kleinere sind auch neu hinzugekommen; z. B. werden nicht nur
Entenschieß und Langmühle verwechselt, sondern auch Münch-
und Fahrhof; Iltishausen ist nördlich Ettenhausen eiugetragen
statt am Haselberg.
Die Karte von 1720 bedeutet einen wesentlichen Fort-
schritt gegenüber der von 1717, nicht in der Anlage, wohl
aber in der feinern Ausführung und dem größern Reichtum
an Einzelheiten. Sie zeigt keine Einteilung in Quadrate; die
‚verwendeten Farben sind nicht grell, die einzelnen Gebiete
durch Grenzkolorit getrennt.
Da im Thurgau bis 1789 keine Kopien dieser Karte
gemacht wurden, ist anzunehmen, daß sie nach ihrer Ent-
stehung sofort nach Zürich kam und dort aufbewahrt wurde,
während das Original von 1717 im Thurgau blieb; die bessere
Erhaltung in Papier, Schrift und Farben gibt auch der Ver-
mutung Berechtigung, daß diese Karte trotz der Jahrzahl 1720
später, vielleicht 50 Jahre nachher, entstanden ist.
Von dieser Karte 1720 waren mir drei Kopien zugänglich.
1) Die Kopie von Emanuel Werdmüller 1777, 160/92 cm,
gefaltet aufgezogen, im Besitze der Stadtbibliothek Zürich,
ist die schönst ausgeführte der mir bekannt gewordenen
Nötzli-Karten. Das Fluß- und Grenznetz kann fast überall
mit demjenigen des Vorbildes zur Deckung gebracht werden.
Re
Die Ausführung selber aber ist selbständig, feiner, lebhafter
und farbenfroher. Der See hat hellgrüne, abgetönte Umrandung;
dieselbe Farbe zeigen die Weiher. Flüsse und Bäche sind
himmelblau, die letztern bis gegen die Quellen hinauf doppelt
konturiert. Der Wald wird durch dunkelgrün schattierte Kegel
auf braunem, mit Grün durchsetztem Boden bezeichnet; das
Rebland durch Querreihen von aufrechten, gleicharmigen
Kreuzlein auf grünem Grunde, abgeteilt durch hellgrüne
Striche; die Feldflur durch blaßbraune, parallele Weitschraf-
fierung. Westlich der Linie Wagenhausen-Ueßlingen sind der-
selben noch vereinzelte grüne, rundkronige Bäume eingesetzt.
Berghalden sind durch braune, faserige Schraffen dargestellt;
die Häuser durch Quadrate mit rotem Dachstrich; die Kirchen
mit der charakteristischen Turmform. Die Landesgrenze tritt
mit großen roten Punkten deutlich hervor; hassen sind die
Scheiden der einzelnen Gerichtsbezirke ie aufdringlich, so
daß sie das übrige einheitliche Kartenbild wenig stören. Die
Feinheit der Ausführung steigert sich von Osten nach Westen
und ist am schönsten auf dem Karton von Rheinan.
2) Kopie von J. M. Daenicker 1789. Thurgauische Kantons-
bibliothek (Fig. 7 u. 25).
Joh. Martin Daenicker (1766 —1820), der sich schon al
Jüngling durch seine mathematischen Kenntnisse und sein
Sasha für das Planzeichnen bemerklich machte und darum
ins Geniekorps aufgenommen wurde, war von Beruf Glaser
(Meyer, S. 74). Die Karte ist in fast allen Punkten mit dem
Original zur Deckung zu bringen, darf also als Pause des-
selben aufgefaßt werden. Sie ist in Quadrate von 89 mm
Seite eingeteilt, noch sehr gut erhalten und in der Ausführung
der Karte von „1720“ ebenbürtig.
3) Die General Oharte des Kantons Thurgau nach der gegen-
wärtigen Einteilung in Distrikte, Kreise und Munizipalitäten.
J. Häckli fecit 1810. Delineavit J. Nötzli 1720. Thurgauische
Kantonsbibliothek.
Sie erweist sich als eine genaue Kopie, doch nicht als
Pause der Daenickerkarte, mit allen Vorzügen und Fehlern,
besitzt aber die moderne Gebietseinteilung und das Netz der
damaligen Kunststraßen. Außerdem sind mit Bleistift neuere
Straßen eingetragen und sogar die beiden ersten thurgauischen
Eisenbahnen, N.O.B. und V.S.B., so daß sich der Schluß
EN
aufdrängt, die Karte sei bis zum Erscheinen der Dufourkarte
im Bureau des Straßeninspektors gebraucht worden.
Von Reben- und Weldzeichonnsen sind nur noch ver-
gilbte Spuren zu erkennen.
d. Die Karte des jüngern Nötzli.
Eine dritte Reihe von Nötzli-Kopien stützt sich auf die
im Besitze der Stadtbibliothek Zürich befindliche Karte:
Die Landgrafschafft Thurgau und allen darin liegenden
Herrschaften, wie auch den Stetten, Clösteren, Schlösser etec.,
von Joh. Casparus Nötzlinus Tigur. Ohne Jahreszahl. Format
65/37 em. 1 Stunde gemeinen Fußwegs — 6000 geometr.
Sehritte ist mit 42 mm angegeben, woraus sich 1 : 107 500
ergibt.
Nach J.C. Fäsi, 8. 146, hat der vierte Sohn Nötzlis,
Johann Caspar, geboren 5. März 1724, gestorben 6. Juni 1790,
aus der Karte seines Vaters eine kleinere ausgearbeitet, welche
für die „Geschichte der Landgrafschaft Thurgau* bestimmt
war, indes nicht zur Ausgabe gelangte.
Das Flußnetz ist kräftig, das Relief einzig auf der Berg-
kette östlieh Fischingen angegeben; Wald und Reben fehlen;
Kirehorte sind durch den Aufriß der Kirche, die Schlösser
ebenfalls im Aufriß dargestellt, die Dörfer durch ein &, Weiler
und Höfe durch ©. Bei den letztern fehlt häufig die nament-
liche Bezeichnung. Gelbe, grüne und rote Töne unterscheiden
die verschiedenen Arten der Herrschaften.
Bei der Geißlibachmündung sind die Nötzlikarten von 1717
und 1720 kombiniert, indem durch Bifurkation bei Weilenstorff
Mündungen unterhalb St. Katharinenthal (!) und bei Dießen-
hofen zustande kommen. Kundelfingen besitzt keine Kirche;
bei Frauenfeld ist die Aumühle am richtigen Orte Die Halb-
insel Romanshorn springt ungebührlich schlank nach Norden
aus dem gleichmäßig gerundeten Ufer heraus.
Offenbar ist das Recht zur Veröffentlichung dieser Karte
von David Herrliberger für sein berühmtes Kupferwerk „Neue
und vollständige Topographie der Eydgnoßschaft“ erworben
worden. Sie findet sich als Kupferstich von J. G. Sturm im
3. Bande ohne zugehörigen Text mit der Bezeichnung D:H:
2
a
Cum priv. 1767 und ist genau auf die Hälfte reduziert: 1 Stunde
gemeinen Fußwegs mißt 21 mm, das engere Kartenbild
31/18 cm. Die Doppelmündung as Dießenhofer Geißlibaches
und das schroffe Horn von Romanshorn kennzeichnen deutlich
ihren Ursprung.
Die Ausführung ist sorgfältig, besonders das Wassersystem
deutlich. In dem Exemplar der Züricher Stadtbibliothek fehlen
die Farben, indes zeigt der Vordruck einer Farbenskala für
die verschiedenen Gerichtsgrenzen, daß auch farbige Exemplare
vorhanden sein müssen.
Der Karte von Caspar Nötzli schließt sich bone Maß-
stab von zirka 1: 110000 (6000 geom. Schr. = 41 mm) an
diejenige von Hans Jakob Bolschauser 1195, im Besitze der
thurgauischen historischen Gesellschaft.
Hs. Jakob Bolschauser, geb. 21. Februar 1751 auf Halden
bei Ottoberg, war Kaufmann, dann Oberschullehrer in Altstätten
(St. Gallen). Er lebte von 1792 an im Heimatort Ottoberg,
wo er am 12. August 1813 starb (J. Meyer, Karten der Land-
grafschaft Thurgau, S. 79). Seine Karte mißt 66/36 !/2 cm,
und der Thurgau ist auf ihr stark nach Osten verzogen.
Sie steht bedeutend hinter ihrem Vorbilde zurück. Ihr
einziger Zweck war wahrscheinlich, die Verteilung der Herr-
schaften im Thurgau graphisch darzustellen. Gewässer, Gelände
und genaue Lage der Ortschaften sind so sehr Nebensache,
daß die Karte für unsere Untersuchungen ganz außer
Betracht fallen muß. Auch die Ausführung ist nachlässig,
die Ortsnamen sind bald wagrecht, bald schief, bald fehlend, oft
unrichtig (Oxfort — Ochsenfurt, Reichenbach — Rickenbach).
Die Karte enthält auch Nachträge aus den dreißiger Jahren
des 19. Jahrhunderts nach Sulzbergers Streckenbestimmung.
D. Herrschaftspläne aus dem 18. Jahrhundert.
Aus dem 18. Jahrhundert sind mehrere Aufnahmen einzelner
Landesteile vorhanden, die durch Fixierung der damaligen
Kleinformen unser Interesse beanspruchen. Im großen Maß-
stab ausgeführt geben sie Aufschluß über Gebäudezahl und
genauen Grundriß der Ortschaften, über die Verkehrswege,
die Flurverteilung, die Kleingewässer ete., so daß mit ihrer
Te ee
Hilfe die Zuverlässigkeit der großen Karten von Nötzli und
' Sulzberger sich prüfen läßt.
| Mehrere dieser Herrschaftspläne finden sich im Zürcher
Staatsarchiv, zwei größere in demjenigen des Kantons Thurgau,
zwei wertvolle im Schloß Freudentels.
a. Ittingen (Fig. 15 u. 18).
Die Flurpläne des Gotteshauses Ittingen von Pater Josephus,
Procuratorius, stammen aus den Jahren 1742—44. Ueber die
Personalien ‘des Ingenieur-Mönchs wissen wir wenig: Nach
der Schreibweise der Orts- und Flurnamen Ißlingen, Holz-
wüß und dgl. muß er ein Württemberger gewesen sein. Seine
zielbewußte, gründliche Tätigkeit beginnt mit dem Jahre 1735,
und die Aufzeichnungen von seiner Hand reichen bis 1772.
Als im Jahre 1735 die Vermessung aller „Gerichtsscheidungen,
eigentümlicher, Lehen- und Kirchengüter” beschlossen war,
erkundigte sich P. Josephus zunächst nach dem im Thurgau
allgemein üblichen und gesetzlich anerkannten Feldmaß. Dem
im Kloster gefundenen, einem Holzstab aufgetragenen Ittinger
Feldschuh traute er nur halb und bewog daher den Abt zu
einer bezüglichen Anfrage beim Landvogt in Frauenfeld. Die
Untersuchung durch eine besonders hierfür niedergesetzte Kom-
mission brachte dann viererlei übliches Feldmaß zutage: 1. den
Märstetter-Fischinger, 2. den Ittinger, 3. den Frauenfelder
und 4. den Weinfelder Feldschuh — und der salomonische
Entscheid lautete:
„Da an vielen Orten alte Dokumente mit den ortsüblichen
Maßen vorhanden sind und ärgerlicher Wirrwarr entstehen
könnte, wenn nun noch ein neues, vielleichts fünftes Maß
eingeführt würde, so sollen alle bisherigen Maße gestattet
bleiben.“
P. Josephus konnte das nicht begreifen und meinte, das
Syndikat hätte den Wirrwarr besser vermieden durch Ein-
führung eines Normalmaßes, unter genauer Fixierung des
Verhältnisses zu den bisher üblichen Feldschuhen.
Auf einem im thurgauischen Staatsarchiv befindlichen
Brettehen aus Ittingen sind alle vier thurgauischen Feldschuhe
abgesteckt, der Märstetter-Fischinger mit 29,8, der Ittinger
mit 29,95, der Frauenfelder mit 30,4 und der Weinfelder
ee
mit 30,6 cm. Offenbar handelt es sich in allen diesen Fällen
um den Nürnberger Fuß von 30,3793 cm, der an den ver-
schiedenen Orten ungenau abgesteckt wurde, oder aber auf
Brettehen oder Stäben fixiert war, die sich durch Austrocknen
verkürzten (Schaltegger).
Der Vermessung wurde also der 12-zöllige Ittinger Feld-
schuh zugrunde gelegt, nach der Absteckung im Protokoll
mit genau 300 mm, so daß er mit dem 1837 eingeführten eid-
genössischen Fuß völlig übereinstimmt. Die Rute ist mit
10 Fuß, die Juchart mit 314 7]? — 31400 []' angegeben.
P. Josephus erstellte nun in 1:2000 eine große Karte
des Klosterbesitztums, eingeteilt in Quadrate von 360 Fuß
Seitenlänge. Dieselbe fehlt dem Kantonsarchiv; da indessen
die einzelnen Abschnitte bei der Marchen- und Zehnten-
beschreibung in die Bücher kopiert sind unter Angabe der
Quadrate des Hauptplans und Beigabe der Orientierungsbussole,
so kann derselbe rekonstruiert werden.
Der Ittinger Plan enthält die Gerichts- und Flurmarchen
mit spezieller Bezeichnung der Länge von Marchstein zu March-
stein, die Fluren in Wald, Wiese, Ackerland und Weingärten
unterschieden. Die Zelgen sind in die einzelnen Grundstücke
geteilt, Flurnamen und Wege überall angegeben. Im Ueber-
schwemmungsgebiet der Thur sind die Marchen durch „Loochen“,
d.s. je zwei Hintermarchen, gesichert, Dämme und Fähren
eingezeichnet. Jeder Dorfmarchenplan ist ein wichtiges Doku-
ment für die Siedlungsformen des Thurgaus.
Das gesamte Material wird mit sauberer Handschrift unter
Beigabe der zugehörigen Pläne in sechs gewaltigen Folio-
bänden beschrieben.
b. Dießenhofen.
Für den Bezirk Dießenhofen ist wichtig und wertvoll der
große Plan von J. J. Hanhart 1770.
Nach den mir durch Herrn J. G. Mäder-Hanhart gütigst
mitgeteilten Daten des Stammbaums der „Hanhart in Hütten“
und des Geschlechtsregisters der Hütten wurde Hans Jakob
Hanhart, später genannt der Engländer, am 15. April 1718
geboren als das zweitälteste von zehn Kindern des Leonhart
Hanhart (geb. 1691) in Schupfen. Er war in jungen Jahren
in spanischen Kriegsdiensten, verheiratete sich den 28. Februar
— 21 —
1752 mit Johanna Maria Brunner, Tochter des Dr. med. Jonas
' Brunner, und starb 1806. Von seinen sieben Kindern über-
' lebten ihn nur drei Töchter. Von seiner bürgerlichen Stellung
und seinem Berufe erfahren wir sehr wenig. Er war Zunft-
schreiber und Stadtfähndrich; nach seinen hinterlassenen
Werken zu schließen, muß er ein tüchtiger Geometer und
Planzeichner gewesen sein.
Von J. J. Hanhart sind erhalten:
a. der große Plan des Bezirks Dießenhofen im kleinen
Rathaussaal zu Dießenhofen vom Jahre 1770, 3,6/2,7 m;
b. eine gleichgroße Kopie, wahrscheinlich für das Kloster
‚St. Katharinenthal angefertigt, in der Kantonsbibliothek
zu Frauenfeld;
e. Plan über die Richlinger Lehenhölzer im Rodenberg,
30. April 1781;
d. Grundriß der Stadt Dießenhofen, ohne Jahreszahl, im
Rathaus Dießenhofen ;
e. Perspektivische Vorstellung der Stadt Dießenhofen vom
badischen Ufer aus, ebenfalls im Dießenhofer Rathaus,
und ohne Jahreszahl. (Kopie des Merianschen Bildes,
Fig. 25.)
Auf dem großen Plan werden 8‘ durch 1 mm dargestellt.
Da Hanhart angibt, die Juchart sei 252[_]°, so handelt es
sich um die Schaffhauser Juchart — 32,17533 Aren (s. Furrer,
Volkswirtschaftslexikon der Schweiz, Art.: Maß und Gewicht),
woraus sich 1‘ = 0,357323 m, 8° — 2,s5s53ı m, somit der Mab-
stab 1: 2858,554 ergibt.
Die aus der Vergleichung einzelner Strecken der Karte
mit den entsprechenden des Siegfriedblattes erhaltenen Maß-
zahlen schwanken zwischen 1: 2478 und 1:3042.
Daß der Plan den heutigen Anforderungen nicht stand-
hält, ersieht man namentlich an den beiden Achsen, die
Hanhart hervorhebt: N—S Siegelturm — Basadinger Kirche, und
O—W Zieglerhaus in Schupfen — Steinhaus am Rhein bei Bü-
singen. Es kreuzen sich diese unter einem Winkel von 90",
bei Siegfried unter 79°.
Von einer trigonometrischen Messung mit Basis und Winkel-
ablesungen ist offenbar keine Rede; aber das rechtwinklige
Koordinatennetz mit Abständen von je 131 Ruten (d.h. Quadraten
Se
von 681/, Juchart) läßt annehmen, daß er mit Meßlatten oder
Meßketten und Kreuzscheibe, resp. Quadrant gearbeitet hat.
Seine Ordinate bildet mit der NS- olluns einen Winkel von
12° gegen Ost.
Hanhart zeichnete seine Karte im Auftrage der Gemeinde
Dießenhofen als
„Tabell zur Anweisung der H. Oberkeitlichen Gerichts-
„marken, item derer, welche den Fruchtzehenden und Weid-
„gang bezeichnen diß und jenseits dem Rhein und wohin
„die Güter zehendbar, hiervon sind ausgenommen die
Diesen S°, so mit *%*%* marquiert stehen. Alles nach
„ihrer Figur und Area nach gezogenen Parallelen mathe-
„matisch hier in Grund gelegt und beschrieben durch Joh.
„Jak. Hanhart in Schupfen.“
Man soll somit aus der Karte nicht nur Lage und Größe
der Grundstücke ersehen, sondern auch deren Erträgnis an
Zehnten und ihre Zugehörigkeit an die verschiedenen Zins-
herren. Zu diesem Zwecke sind ihr noch sieben weitere Tabellen
beigegeben.
Dießenhofer- und Klostergut greifen vielfach ineinander,
so daß es sehr begreiflich ist, wenn die Klosterfrauen von
Katharinenthal auch ein Exemplar der Karte bestellten. Dieses
ist vom Jahre 1772 und hat zum Teil andere Tabellen. (Es
kam nach der Aufhebung des Klosters 1869 ins thurgauische
Staatsarchiv.) Während aber die Dießenhofer Karte mit Rolle
und Aufzug versehen, lackiert und in den Farben noch lebhaft
erhalten ist, besteht das Klosterexemplar aus vier senkrechten
Streifen von zirka 90 em Breite, die mit Ringen zum Auf-
hängen eingerichtet sind. Ihre Ausführung ist weniger sorg-
fältig. besonders in den Teilen, die das Klostergut nicht näher
angehen.
Bei dem großen Maßstab ist Hanhart imstande, jedes noch
so kleine Grundstück anzumerken; sein Plan, ein eigentlicher
Kataster, enthält also sicher alle für uns in Betracht kom-
menden Gegenstände und ist ein äußerst wertvolles Dokument
für den geographischen Zustand seiner Heimat in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Die Darstellungsweise ist klar; besonders Wald, Wasser
und Wege sind gut hervorgehoben. Die Reben und Wiesen
haben blaugrüne Umrandung, die erstern außerdem noch braune
oa
Weinstockzeichen. Die Aecker sind braun. Das Relief fehlt;
nur hie und da sind die Böschungen schüchtern durch Schraffen
bezeichnet. Die Steilhänge gegen den Rhein werden fast
nirgends angegeben.
Eine auf zirka 1: 27000 reduzierte Kopie (38,4/28,3 em)
findet sich in der Kantonsbibliothek:
„Entwurf der Marchenlinien um den Distrikt Dießenhofen,
copiert nach dem großen Stadtplan in Dießenhofen.
Sulzberger October 1824.“
Unter den thurgauischen Flurplänen im Zürcher Staats-
archiv sind durch Größe und gute Ausführung hervorragend:
c. Neunforn.
„Grundriß über die Herrschaft Ober- und Niederneunforn
im Thurgaü, bis an die Thur.* 109/123 cm. Pergament.
Zeichner und Jahreszahl sind nicht angegeben; doch fügt
die Bibliographie der schweizerischen Landeskunde IIb S. 326
bei: J. H. Albertin (?) ca. 1730.
In Farben und sorgfältig ausgeführt. Die heutigen Land-
und Flurstraßen der Gegend sind fast ausnahmslos die ver-
besserten des 18. Jahrhunderts.
d. Mammern und Neuburg.
„Grundriß beider Herrschaften Mammern und Neuburg,
darinnen alle Reben, Wiesen, Felder und Holtz besonders
ausgemessen und verzeichnet sind. 1755. 120/246 em, 21 em
— 100 Ruten a 12 Werkschuh oder 10 Dezimalschuh. Die
Angabe des Autors fehlt.
Der farbige Plan ist schön und reichhaltig; er enthält
u. a. auch die Einzäunung der einzelnen Grundstücke durch
Lebhäge.
Auf dem zum Stift Einsiedeln gehörigen Schloß Freuden-
fels finden sich ebenfalls zwei wichtige Herrschaftspläne:
e. Grundriß beider Herrschaften Freudenfels und Eschenz 1759.
254/218 cm. 1:1920. (Fig. 10.)
Er zeichnet die Gegend von Rappenhof und Steinbach
im Westen bis über Klingenzell hinaus im Osten und vom
a
See bis auf. die Höhe des Seerückens an die Grenze der
Steineggerherrschaft.
Die Wiesen sind grün, das Ackerfeld weiß, das Weinland
weiß mit grüner Rebenzeichnung, der Wald weiß mit grünen
Bäumen, die Straßen hellbraun. Ueberall sind die Grünhecken
gezeichnet. Der Plan macht den Eindruck einer genauen,
saubern Arbeit; er ist jedenfalls viel gebraucht worden und
da und dort etwas beschädigt.
Ueber den zum Messen verwendeten Maßstab, von dem
ein Fuß mit 352 mm in natürlicher Länge dargestellt ist,
sagst eine Notiz: „Wan in den Turgeüischen Herrschaften
kein allgemeines Feldmäß, sondern nach Willkühr einer jeden
Herrschafft gleichsahm ein eigenes beobachtet worden, als hat
man sich in gegenwärtiger Mappa des Schaffhausischen als
des gemeinen kommlichsten, sowohl in Felder, Reben, Wiesen,
als Holz gebraucht, nach welchem Mäß ein Jauchert 230
Qvadrat Rutten Groß: macht 33120 Werck-Schu aus.“
Nach Furrers Volkswirtschaftslexikon hatte die alte Schaff-
hauser Juchart 252 Quadratruten — 32,175 a, die Rute — 10
Feldschuh & 357,323 mm — 12 Werkschuh a 297,73 mm. Nach
Gemälde der Schweiz XII wurde 1840 die Schaffhauser Juchart
von 32,175 a in 200 Quadratruten eingeteilt.
f. Wagenhausen-Kaltenbach.
„Grundriß über den dem fürstlichen Gotteshaus Einsiedeln
zustehenden Universal-Groß- und Klein-Zehnden, von denen in
der Herrschaft Wagenhausen und vor der Bruggischen
Bezirk und Gerichten gelegenen Güter etc.“ 1760.
170 .:154 em.
Der in natürlicher Größe abgebildete Feldschuh mißt
356 mm, und im verjüngten Maßstab sind 100° mit 69 mm
dargestellt; letzteres ist wohl unrichtig, da die Angabe mit
andern Ausmaßen nicht stimmt; die Verjüngung ist vielmehr
etwa 1:3000.
Der Plan schließt mit Rappenhof-Steinbach an die große
Karte an und endigt im Westen im „Stammer Rieht“ und
am „Rodellberg.“
Außer den Zeichen des Freudenfelser Plans sind hier
angegeben: Sumpf mit brauner Farbe und Ergeten, „allwo
A
nur Stauden darauf wachsen“, mit langrunden grünen Tüpflein
auf weißem Grunde.
Der Plan hat spezielle Wichtigkeit in bezug auf das alte
Wegnetz, weil an der Steinerbrücke verschiedene Landstraßen
ausstrahlten, wie die Winterthurer, die Schaffhauser- und die
Rheinauerstraße, letztere dem Südfuß des Rodenbergs entlang
nach Schlattingen.
E. J. J. Sulzberger und seine topographische Karte
des Thurgaus.
Joh. Jak. Sulzberger von Frauenfeld war der jüngste von
drei Söhnen des Johs. Sulzberger (1762—1841),.der als Straßen-
inspektor und Mitarbeiter des um das Straßenwesen des Kantons
hochverdienten Regierungsrates J.©. Freyenmuth (1775—1843)
anerkennende Erwähnung verdient. Der thurgauische Beamten-
etat verzeichnet ihn als Straßeninspektor von 1806—1823.
Joh. Jakob Sulzberger, geb. 4. Juli 1802, studierte neuere
Sprachen und Mathematik und wandte sich dann topographischen
Arbeiten zu. Im eidgenössischen Ingenieurkorps brachte er es
zum Range eines Hauptmanns. Er zeichnete für das thurgauische
Neujahrsblatt von 1826 einen Plan des Munizipalbezirks Frauen-
feld nach eigener Aufnahme in 1: 21600 und veröffentlichte
eine Studie über das Treffen bei Frauenfeld am 25. Mai 1799.
Von 1826—1832 war er thurgauischer Straßeninspektor und
begann als soleher die topographische Aufnahme des Kantons.
Seine Tätigkeit als Ingenieur erstreckte sich über die
Grenzen des Thurgaus hinaus. Er beteiligte sich an der eid-
genössischen Triangulation im Hochgebirge (1828), leitete
die Tieferlegung des Lungernsees (1833 — 1836), die Abtragung
der Zürcher Stadtmauern und den Bau des Eisenbahntunnels
der Linie Zürich-Baden (1846).
1832 baute er mit Joh. Heinr. Debrunner die Frauenfelder
Walzmühle nach den Plänen eines durch die polnische
Revolution aus Warschau vertriebenen Schweizers, namens
Müller. Da aber das Müllersche Mahlsystem sich als unpraktisch
erwies, ersann und konstruierte er zweckmäßigere Walzen
und brachte so die Erfindung zum Durchbruch und praktischen
Erfolge. Die Frauenfelder Walzmühlengesellschaft, die mit
- einem Kapital von 300 000 Rhein. fl. bis 1846 bestand, dehnte
ihren Wirkungskreis nach Mainz, Leipzig, München, Stettin,
Prag und Pest aus, von welch letzterer Stadt aus das Sulz-
bergersche System seinen Weg nach Minneapolis und bald in
die übrigen Getreidestaaten der Union fand. Leider war der
finanzielle Erfolg der Aktiengesellschaft nicht der Wichtigkeit
der Erfindung entsprechend. Mit weiteren Verbesserungen
heimsten andere die eigentlichen Früchte der Anstrengungen
Sulzbergers und seiner Freunde ein. Dennoch brachte es Sulz-
berger dank seiner angestrengtesten Tätigkeit in den letzten
Lebensjahren zu ökonomischer Unabhängigkeit, und diese fand
in ihm einen Mann mit stets offenem Herzen und offener
Hand für die Leiden Bedürftiger. Er war namentlich Freund
und Förderer der Gewerbe und des Handwerks, redigierte
(1849) die schweizerische Handels- und Gewerbezeitung, und
bei allen gemeinnützigen Bestrebungen durfte man auf ihn
zählen. \
Für den Bau der Eisenbahn bemühte sich Sulzberger
eifrig; er vermaß das Trac& Islikon-Romanshorn (1845) und
erhielt 1852 vom Großen Rate die Konzession für diese
Strecke. Da er aber die geforderte Kaution nicht aufbrachte
und auch sein Vorschlag, die Bahn mit vorwiegend fremdem
Kapital zu bauen, nicht durchdrang, blieb er bei der Aus-
führung auf die Seite geschoben.
Der geniale, rührige, vielseitige und erfahrene Mann
gehörte auch dem Verfassungsrate von 1849 als Vertreter des
Handels- und Gewerbestandes, sowie der Aufsichtskommission
der Kantonsschule an.
Sulzbergers Ehe (1829) mit der einzigen Tochter (Luise,
gest. 1859) von Antistes Sulzberger entsproßten drei Töchter
und ein Sohn. Er starb den 13. Januar 1855, noch im besten
Mannesalter. (Frauenfelder Bürgerbuch; Nekrologe in Thur-
gauer Zeitung und Wächter.)
Die Geschichte der topographischen Karte des Thurgaus
weist folgende Daten auf:
Am 31. August 1826 erhielt Sulzberger von der eid-
genössischen Militäraufsiehtsbehörde den Logarithmus der Seite
Schauenberg-Hörnli (3,7683603) und vermaß in diesem und
dem folgenden Jahre das thurgauische Dreiecksnetz erster
und zweiter Ordnung mit dem Turm der katholischen Kirche in
EN
Frauenfeld als Zentrum (Geschichte der Dufourkarte, Seite 14,
Häberlin-Schaltegger, Geschichte, Seite 104).
Im März 1827 wurde Sulzberger von der thurgauischen
Regierung mit der topographischen Aufnahme des Kantons
beauftragt und fertigte 1828—30 ein Musterblatt mit der
Gegend vom Hörnli bis zur Linie Guntershausen-Oberhofen
in 2 Farben (Wasser blau) mit ausführlicher Zeichenerklärung.
Dasselbe findet sich in der Kantonsbibliothek.
Vom 13. Dezember 1830 datiert der „Vertrag zwischen
der Kommission der inneren Angelegenheiten des Kantons
Thurgau und dem eidgenössischen Ingenieur-Hauptmann Jakob
Sulzberger von Frauenfeld“ über die Erstellung der Karte,
"wonach
1) der Ingenieur sämtliche Vermessungskosten bestreitet
und alles, was im Laufe der Vermessung gezeichnet
und geschrieben wird, dem Staate abliefert, insbesondere
eine getreue Kopie aller Aufnahmeblätter in zweck-
mäßigem Format; :
2) der Staat vergütet:
a. für die Vermessung und Aufnahme W vom Meridian
des Schloßturmes zu Bürglen per Quadratstunde
70 Gulden;
b. für dieselbe O vom Bürgler Schloßturm 751/a Gulden
wegen größerer Entfernung vom Wohnorte und da-
heriger Vermehrung der Reisekosten;
e. für die Kopie aller Aufnahmeblätter ein Entschädnis
von 400 Fr. — 25 Louisdors;
3) die Arbeit bis 1838 vollendet sein muß;
4) es dem Ingenieur gestattet ist, von der Karte in ver-
jüngtem Maßstab, höchstens in Regalformat, eine Kopie
für sich zu machen und solche durch Stein- oder Kupfer-
druck dem’ Publikum zu übergeben.
Am 9. April 1833 trat der Vertrag Sulzbergers mit Dufour
in Kraft.
Sulzberger verpflichtet sich, seine Aufnahme, die in
1:21600 gemacht war, in 1:25000 zu kopieren und gegen
eine Entschädigung von 28 Fr. per Quadratstunde der Eid-
genossenschaft abzuliefern (Geschichte der Dufourkarte, S. 33).
1835 erhielt Dufour die Kopien der Blätter 5—8, und im
a
Juni 1837 war Dufour im Besitze sämtlicher 14 thurgauischen
Blätter in 1: 25000.
Die Aufnahme der Karte fällt somit in die Jahre
1828 — 1836!
Die Geschichte der Dufourkarte bemerkt Seite 125: Dem
Thurgau, der die glückliche Idee gehabt, seine Karte erstellen
zu lassen, hat man nur die lächerliche Subvention von 1600 Fr.
in 8 Jahresraten angeboten, was zur Folge hatte, dab man
bei der dortigen Herstellung der Karte nichts zu sagen hatte
und diese dann in einem andern Maßstab (1 : 80 000) heraus-
kam, was zu teuern Kopien führte.
Im März 1838 erschien bei H. Füßli in Zürich die kleine
Handkarte des Kantons Thurgau 1:154000, mit
Schraffen, in senkreehter Beleuchtung, ein Kupferstich des
Kartenstechers Rinaldo Bressanini, der vorher im k. k. topo-
graphischen Bureau in Mailand gearbeitet hatte und als poli-
tischer Flüchtling nach Zürich gekommen war. Die Karte mißt
44,6/27 em und ist ohne Jahrzahl. Die Siedlungen sind durch
die üblichen Zeichen + o @ MN dargestellt; bei den Wegen
sind drei Arten unterschieden: Haupt-, Kommunikations- und
fahrbare Nebenstraßen. Kleinere Objekte können fehlen, wie
z. B. der Paradieser Weiher. Bei der feinen Ausführung kommt
sie der größern Karte nahe. Diese Ausgabe scheint weniger
verbreitet gewesen zu sein als die andere. Die ul
Kantonsbibliothek besitzt mehrere Exemplare.
Der Januar 1839 brachte die große Handkarte in
1:80000. Zürich, bei Heinr. Füßli & Co., ohne Jahreszahl.
Preis 21/3 Gulden. Von dieser Ausgabe sagt die „Thurgauer
Zeitung“ in Nr. 7 1839: Der Zeichner, Herr Goll, und der
Stecher, Herr Bressanini, haben Herrn Sulzberger Talente
dargeboten, wie sie sich selten in solchem Grade zusammen-
finden.
In der Tat ist das Kartenbild in Darstellung des Geländes
durch Schraffen in senkrechter Beleuchtung und der übrigen
topographischen Gegenstände sehr klar. Die Siedlungen bieten
den Grundriß dar, indem die Häuser durch gefüllte Vierecke,
die Mühlen und Sägen durch Ringlein, die Kirchen durch ein
Kreuz bezeichnet sind. Das Waldbild unterscheidet Laub- und
Nadelholz; bei den Verkehrswegen sind auch noch wichtige
Fußwege angegeben.
NEO
1850 wurde das Blatt IV des schweizerischen Dufour-
‚ atlasses herausgegeben, auf dem der Thurgau nach den Sulz-
bergerschen Aufnahmen von 1828 —36 gezeichnet ist.
1855 erschien von der Handkarte in 1: 80000 eine neue
Auflage bei Orell Füßli & Co. in Zürich, „verbessert“ und mit
‘den Eisenbahnlinien ergänzt. Indessen sind frühere Fehler
nicht verbessert und unterdessen eingetretene Veränderungen
nicht eingetragen worden.
Am 11./12. Mai 1861, beim Brande zu Glarus, wurde die
Platte zu dieser Karte im Feuer zerstört (Pupikofer Gem. Anm.).
Die thurgauische Karte nach den Aufnahmen von J. Sulz-
berger ist somit in fünf verschiedenen Maßstäben vorhanden:
1)«Die Aufnahmeblätter 1:21 600 (1828 - 36);
2) die Reduktion auf 1: 25000 für das eidgenössische topo-
graphische Bureau;
3) auf Blatt IV der Dufourkarte 1:100000;
4) die große Handkarte 1: 80000;
5) die kleine Handkarte 1 :150000.
Dazu gesellt sich noch eine von Sekundarlehrer F. L. Bauer
in Bischofszell in 1: 54000 gezeichnete Schulwandkarte von
1842, die etwa 40 Jahre lang in Gebrauch blieb.
Kritik der topographischen Karte. Für die Vergleichung der
geographischen Zustände vor 80 Jahren mit den heutigen kommen
hauptsächlich in Betracht die Originalaufnahme und deren Re-
duktion auf 1:25000. Diese sollten, da sie mit modernen Hilfs-
mitteln durch einen gebildeten Ingenieur aufgenommen wurden,
durchaus zuverlässig den Zustand der Landschaft um 1830
wiedergeben, und es sollte speziell die letztere mit der den-
selben Maßstab haltenden Siegfriedkarte in der Hauptsache
zur Deckung gebracht werden können.
‘ Leider ist dies nur recht unvollständig der Fall. Zuerst
wurden die badischen Topographen, welche für ihre Aufnahmen
an der thurgauischen Grenze Anschluß suchten, auf ver-
schiedene Mängel aufmerksam. Nach der Geschichte der Dufour-
karte, S. 231, fand 1847 unter Generalmajor v. Fischer ein
reger Austausch von gegenseitigem Material statt; besonders
wünschte derselbe zuverlässigere Angaben, als die Karte
von Sulzberger zu bieten vermochte, „da man große Differenzen
gefunden habe.“
a a
Solche Differenzen sind in der Tat allzu reichlich zu ent-
decken.
1) Die Lage mancher topographischer Punkte ist
ungenau bestimmt, so daß Zirkelstrecken auf Sulzbergers
und Siegfrieds Karte trotz des gleichen Maßstabes häufig nicht
übereinstimmen. Nachstehend einige Beispiele aus verschiedenen
Landesteilen.
Sulzberger Siegfried Differenz
a. In der Landschaft Dießenhofen: m m m 9%
Biebermündung—Dießenhofer Brücke‘ 3775 4185 — 4105 98
Biebermündung— Säge in Schupfen 1050 1410 — 360 — 25,7
-— 5,9
Furtmühle—Etzwilen £ 3175 3375 — 200 ,
b. Im Waldland des westlichen Seerückens:
Rappenhof—Speckhof 760 925 —165 —18
Rappenhof—Iben 95 850 +85 +10
Speckhof—Iben 660° 8325 —165 —2%0
Schlattinger Kirche — Etzwilen
(Straßenkreuzung) 3650 3765 —115 — 3,1
c. In der Gegend von Gottlieben:
Schloß Gottlieben (Nordostecke) bis
Straßenkreuzung südlich Hertler 1050 935 +115 +1235
Schloß Gottlieben— Bachbrücke
Triboltingen 2185 1935 +250 + 12,9
Aegerstenbach-—-Bachbr. Triboltingen 775 925 —150 — 16,2
d. In der Berggegend von Wuppenau:
Leuberg (südl. Markstein— Neuhaus 950 1325 —375 — 28,3
- — Heid 2700 3200 —500 —- 15,6
- - - — Ruderschwil1900 2125 —225 —- 10,6
Grub—Hosenruck 900 750 +150 +20
2) Mit den Streekenfehlern hängt dann zusammen die
ungenaue Form der topographischen Objekte, z.B.
der Rheinlauf Stein-Schupfen, die Wälder auf dem westlichen
Seerücken, die Grenzlinie südlich Wuppenau. In Ufergegenden
ergeben sich Unstimmigkeiten dadurch, daß Sulzberger offenbar
einen niedrigeren Wasserstand für die Uferlinie an-
genommen hat als die spätern Topographen; so hängen bei
ihm die beiden östlichen Werd-Inseln bei Stein zusammen,
während sie auf den ’neuern Karten getrennt sind; Schloß
Luxburg und Schloß Gottlieben haben viel größeren Abstand
vom Wasser, ohne daß seitherige Uferabtragung wahrscheinlich
ist. Ganz unerklärlich ist das Ufer Gottlieben-Triboltingen,
wo Sulzberger anstelle der heutigen tiefen Bucht einen breiten
a
Landvorsprung und vor dem Horn von Triboltingen eine See-
- bucht zeichnet.
Als kaum möglich erweist sich die Darstellung vom Quell-
gebiet des Baches von Neukirch a./Th., wo statt des
Hubertobelbaches der Zufluß des Hörmooserweihers den Ursprung
bei Gabris hat. Nötzli (1717) gibt die Verhältnisse der Jetzt-
zeit entsprechend an.
3) Die Sümpfe sind richtig eingetragen auf dem vom
Probeblatt von 1830 kopierten Gelände der toten Thur
(Riekenbach bis Bichelsee). Sonst fehlen sie fast überall, selbst
das Weinmoos bei Sulgen, die Sümpfe um die Hüttwilerseen,.
das Etzwiler Riet ete. Das ist mindestens Inkonsequenz.
4 Das Straßennetz ist unvollständig; so fehlen beispiels-
weise die alte Landstraße Dießenhofen— Schaffhausen durch
den Scharen und die Straße Unterschlatt—Dickihof, obschon
beide heute noch benutzt werden.
5) Die Reben sind oft undeutlich bezeichnet, indem die
Punktreihen zwischen den Schraffen leicht verschwinden; viel-
fach sind die Weingärten auch einfach weggelassen worden,
wie z. B. nordöstlich und östlich Paradies, bei St. Katharinen-
thal, im Breitenweg bei Dießenhofen, nordwestlich Dickehof,
welche schon von Hanhart aufgezeichnet und bis in die Neu-
zeit erhalten geblieben sind.
6) Die ins Kartenbild hereinragenden badischen Gegenden
sind teilweise. völlig verzeichnet, z. B. ist gegenüber Gott-
lieben das kleine Bohl größer als die Insel Langenrain, und
die Bodanshalbinsel östlich Konstanz ragt viel zu weit nach
Süden vor.
Zur Entschuldigung Sulzbergers muß hervorgehoben werden,
daß die erste eidgenössische Triangulation, auf die seine Ver-
messung fußte, ungenau war (Geschichte der Dufourkarte,
Seite 50), daß die äußerst dürftige Bezahlung keinen Ansporn
_ für gewissenhaft genaue Arbeit bildete, und daß die Auf-
nahmen in eine Zeit fielen, da Sulzberger durch die Betei-
ligung bei der Walzmühle ungemein in Anspruch genommen
und zeitweise in finanziellen Schwierigkeiten war.
‚Immerhin darf auch nicht verschwiegen werden, daß sich
schon Buchwalder und später Dufour schwer über seine Un-
— 832 —
zuverlässigkeit beklagen mußten (Geschichte der la ns,
Seite 13, 16, 38).
Als Resultat unserer Prüfung der topographischen Karte
von 1836 ergibt sich folgendes:
L)
Sie ist eine schöne, noch jetzt brauchbare Karte von
plastischer Wirkung, in den Hauptzügen gut, in den Einzel-
heiten der heute geforderten Genauigkeit nicht ent-
sprechend. Bei Vergleichung der durch sie dargestellten Zu-
stände in den dreißiger Jahren mit den heutigen ist stete
Kritik unerläßlich.
F. Die Dufourkarte.
Blatt IV der topographischen Karte der Schweiz von
G. H. Dufour, 1:100000, 1850, ist im wesentlichen nach
den Sulzbergerschen Aufnahmen gemacht worden und enthält
trotz manchen Verbesserungen noch vielfach deren Fehler
— siehe z. B. die Grenze zwischen Wagenhausen und Burg,
sowie die Bucht nördlich Triboltingen anstelle des Schwemm-
kegels —, wenn auch manche derselben bei dem viermal
kleineren Maßstabe nicht stark hervortreten.
1853 —54 wurde dann die eidgenössische Triangulation
durchgeführt und für die spätern Aufnahmen eine bessere
Grundlage geschaffen.
G. Die Siegfriedkarten.
Die thurgauischen Blätter des topographischen Atlasses
der Schweiz im Maßstab der Originalaufnahmen (Siegfried-
Atlas) gelangten erstmals 1878 —85 zur Ausgabe. Diese
ältesten Blätter fixieren die damaligen Zustände in sehr
befriedigender Weise. Sie bleiben auch ein wertvolles Dokument
für manche seither durch Straßen-, Bahn- und Wuhrbauten
außer Gebrauch gesetzte oder wenigstens auf den Karten weg-
gelassene Flurnamen, wie z. B. Banau und Unterthuren bei
Weinfelden, Biberäuli bei Horgenbach ete.
Die neueren Ausgaben verzeichnen Schritt für Schritt
die großartigen Veränderungen, welche in neuester Zeit die
Steigerung des Verkehrs und die überall einziehende Industrie
an Siedlungen und Kulturflächen hervorrufen (Siehe Fig. 1,
9% 14, 170.89):
KB EN
I. Die Kantonsgrenzen.
Der Bestand des heutigen Kantons Thurgau datiert vom
6. Juni 1800, da Dießenhofen den am 23. Mai 1798 gebildeten
7 Bezirken als 8. beitrat. Er umfaßt ziemlich genau die
ehemalige Landgrafschaft Thurgau ohne Rheinau und Stamm-
heim, die Zürich zufielen, und ohne den thurgauischen Anteil
von Stein, der mit diesem an Schaffhausen kam (26. Mai 1798).
Die Grenzen der zugehörigen Einzelgebiete sind schon alt,
auf die Besitzstände des Bischofs von Konstanz, der Klöster
und der Gerichtsherren gegründet. Sie finden sich demnach,
mit wenigen Ausnahmen den heutigen Zuständen entsprechend,
bereits auf den Karten von Gyger und Nötzli.
A. Die Grenze am Rhein und Untersee.
Von jeher bildeten Rhein und Untersee die nördliche Grenz-
scheide des Thurgau, im frühen Mittelalter gegen den schwä-
bischen Hegau, heute gegen Baden und einige Teile des Kantons
Schaffhausen.
Auf der Karte von G@yger (1667) geht die Hoheitsgrenze
von Paradies bis Burg in der Rheinmitte, im zürcherischen
Steinergebiet, dem auch noch der Hof Steinbach angehört, auf
dem Südufer und hernach zwischen den Werdinseln durch,
die große östliche dem Thurgau zusprechend, auf die Mitte
des Untersees.
Peyer (1685) verlegt sie, den Schaffhauser Ansprüchen
auf den ganzen Rhein entsprechend, von Paradies bis zum
Hattinger Stein unterhalb St. Katharinenthal auf das Südufer,
von da an in die Mitte des Stromes.
Nötzli (1717) läßt die Grenze von Paradies bis zum
Hattingerstein in der Rheinmitte, von hier an auf dem Nord-
ufer bis zum Rodenbrunnen, von da an wieder in der Rhein-
mitte verlaufen. Bei Stein umzieht sie das zürcherische Burg
und geht westlich der Kapelleninsel Werd auf die Seemitte.
Die Karte von 1720 und deren Kopien beanspruchen vom
Hattingerstein aufwärts bis Stein den ganzen Strom für den
Thurgau, ebenso den Untersee bis zur Mitte (Fig. 25).
Sulzberger (1836) unterläßt jede Markierung der Grenze
in Rhein und See, selbst zwischen den Werdinseln. Seine
3
BA.
Landgrenze bei Burg-Stein weicht von der heutigen erheblich
ab: Zwischen Wagenhausen und Burg trifft sie — statt recht-
winklig — schief auf den Rhein mit Richtung in die untere
Stadt Stein hinein. Bei Kaltenbach ist sie etwa 100 m weiter
westlich als heute, so daß sie das letzte Haus an der direkten
Straße nach Stein dem Kanton Schaffhausen zuweist. Diese
Verhältnisse können kaum der damaligen Wirklichkeit ent-
sprochen haben und dürften auf Verwechslung der Marken
beruhen.
Die heutigen topographischen Karten geben als
Grenze die Mitte von Rhein und Untersee südwärts von Höri
und Reichenau. Vor Konstanz biegt sie im Bogen, zugunsten
Badens, zur Mündung des Grenzbaches. Bei Stein erstreckt sich
der Unterbruch von 400 m westlich bis 425 m östlich der
Rheinbrücke, am Südufer gemessen. Die Südgrenze des schaff-
hausischen Stückes erstreckt sich fast gradlinig längs der
thurgauischen Straße Kaltenbach-Eschenz auf 970 m Länge,
Kaltenbach völlig ausschließend. Die beiden kleinern Inseln
Raftkopf und Laye sind Schaffhausen, die größere Werd
Thurgau zugeschieden.
Die Grenzgeschichte des 19. Jahrhunderts befaßt sich
namentlich mit zwei Anständen, die Staatsverhandlungen nötig
machten und erst 1854 abgetan wurden.
1) Die Scharenwiese am Rheinknie gegenüber Büsingen
war, weil für die thurgauischen Siedlungen abgelegen,
von Büsingen erworben und bewirtschaftet worden.
Baden beanspruchte darum die Hoheit über die 17 Ju-
charten auf der linken Rheinseite, was von Seite der
Schweiz bestritten wurde, da Privatbesitz nicht das
Territorialhoheitsrecht in sich schließe.
2) Die Setzi oder Zaunstelle bei Dießenhofen, ein von
einem Lebhag umgebener, geschlossener Weinberg von
zirka 140 Jucharten am rechten Rheinufer von Ober-
gailingen bis zum Laaggut, war stets zu Dießenhofen
gerechnet worden, da die Grundstücke und Trotten dessen
Bürgern gehörten, die Stadt auch die Straßen baute und
unterhielt, die Feldpolizei ausübte und ein Siechenhaus
mit Kapelle jenseits des Rheins besaß (Fig. 24).
Dießenhofen war auch im tatsächlichen Besitz des
ganzen Rheins längs seines Bezirks mit Fischerei und
ae
‘ Strompolizei. Die Rheinbrücke war von der Stadt gebaut
und der Zoll wurde in einem Häuschen am rechten
Ufer erhoben.
Als dann aber die Grafschaft Nellenburg, zu der
Gailingen gehörte, 1803 an das Großherzogtum Baden
kam, verlangte letzteres nach und nach alle Hoheits-
rechte am rechten Rheinufer bis zur Stromesmitte, stellte
die Setzi unter die Behörden von Gailingen, bezw. des
Bezirksamtes Radolfzell, beanspruchte Rechte auf der
halben Rheinbrücke, baute 1840 ein Zollhaus vor die-
selbe und ließ die am rechten Ufer haltenden Schiffe
zollamtlich untersuchen.
(Bericht des Statthalters Benker an die thurgauische
* Kanzleidirektion vom 29. April 1854, und Bericht von
Staatsschreiber Mörikofer an den Kleinen Rat vom 3. August
1831 im thurgauischen Staatsarchiv.)
Den hieraus entstehenden mannigfachen Beschwerden und
Reibungen machte dann der Staatsvertrag zwischen der
Schweiz und Baden im Oktober 1854 ein Ende (Bundes-
blatt vom 10. Februar 1855).
Derselbe nahm überall, von der badischen Grenze unter-
halb Konstanz bis zur thurgauischen Grenze bei Paradies die
Mitte des Rheins, bezw. des Untersees als Landesscheide an,
wies die Setzi der Gemarkung Gailingen, die Scharenwiese
der Gemeinde Unterschlattzu. Dießenhofen blieb unbeschränkter
Eigentümer seiner Brücke und erhielt Erleichterungen im Ver-
kehr mit der Setzi, gleichwie Büsingen bezüglich der Scharen-
wiese. Auf Urkunden oder altes Herkommen sich stützende
Fischereigerechtigkeiten wurden als Privatrechte gegenseitig
anerkannt.
Danach regulierte sieh auch Fischerei und Vogeljagd auf
Rhein und Untersee.
Auf dem Rhein umfaßt die Steiner Fischenz den ganzen
Rhein bis zur schaffhausischen Landesgrenze oberhalb der
Geißhütte, die Dießenhofer ebenfalls den ganzen Rhein von
da bis zum Hattinger Stein, und die Paradieser Fischenz das
- folgende Rheinstück bis 50 m oberhalb der Kantonsgrenze bei
Langwiesen (Schaltegger, Privatfischereirechte, Seite 12).
| Auf dem Untersee steht der Hauptteil der allgemeinen
‚Fischerei offen unter Aufsicht der „der badischen Behörde
ee
zur Handhabung derselben zustehenden Polizei.“ Ausgenommen
sind der Gnadensee und ein Stück bei Öhningen für domänen-
ärarische Fischerei, sowie die Rheinstrecke Konstanz-Tribol-
tingen und ein kleines Stück westlich Stiegen für Privatfischerei
(Karte zur Fischereiordnung für den Untersee und Rhein vom
Jahre 1897, 1:50000, eidgenössisches topographisches Bureau).
Die Handhabung der Fischereipolizei entspricht dem Vertrag
von 1556 zwischen dem Bischof von Konstanz und den Eid-
genossen, wonach die niedere Gerichtsbarkeit und die Fischerei-
ordnung auf dem Untersee der Abtei Reichenau zustehen
(Pupikofer, Geschichte des Thurgaus, II, Seite 433).
Wer sich also am thurgauischen Unterseeufer gegen die
Fischereiordnung vergeht, wird beim badischen Bezirksamt
Konstanz verzeigt und von diesem gebüßt. Der thurgauische
Statthalter in Steckborn oder Kreuzlingen hat alsdann den
Betrag der Buße einzutreiben und ihn nach Konstanz ab-
zuliefern. — Zustände, die der Souveränität der Schweiz
unwürdig sind.
B. Die Grenze bei Konstanz und im „Trichter.“
(Nach F. Schaltegger, Die Hoheitsgrenze und die Fischereigerechtig-
keit im Konstanzer Trichter, Frauenfeld 1909), und J. Wälli, Unsere
Grenzen, Sonntagsblatt der „Thurg. Zeitung“, 1903.)
Eine staatliche Interessengrenze bei Konstanz gibt es erst
seit der Eroberung des Thurgau durch die Eidgenossen 1460
oder vielmehr seit dem Schwabenkrieg, der die Eidgenossen-
schaft faktisch von dem Reiche loslöste. Vorher war der
Thurgau für Konstanz die natürliche Landschaft, die land-
wirtschaftliche Erzeugnisse gegen Industrieprodukte tauschte
und in der die reich gewordenen Patrizier ihren Reichtum
gerne in Landbesitz anlegten, wie sich das in der Physiognomie
der Siedelung um Emmishofen und Tägerwilen ausdrückt.
Selbst in die eidgenössische Zeit hinein, bis 1499, konnte
Konstanz Landgericht und Wildbann im Thurgau behalten,
die es 1416 von Kaiser Sigismund erkauft hatte. Als dann
aber in den Wirren der Reformationszeit die katholischen
Orte den Anschluß der damals evangelischen Stadt an die
Eidgenossenschaft als unerwünscht hintertrieben und sie dadurch
isolierten, unterlag sie den Österreichischen Waffen und verlor
a
ihre Selbständigkeit. Von da an galt zu Konstanz die nach
der Herrschaft über den ganzen Bodensee strebende Politik
des österreichischen Statthalters, und es hatte der Thurgau
statt eines wohlwollenden Nachbars einen unfreundlichen, der
seine für Verkehr, Schiffahrt und Fischerei vorzügliche Lage
zu ungunsten des Landes zur Geltung brachte.
Das 16. und 17. Jahrhundert sahen von Seite des Macht-
habers in Konstanz grobe militärische Eingriffe (wie z. B. die
Zerstörung des Klosters Kreuzlingen) und kleinliche Schikanen,
sowie Versuche, durch kluge Verträge tatsächliche Herren des
Triehters, d.i. der Konstanzer Bucht zu werden, wo die Eid-
genossen bis zur Mitte die Hoheit beanspruchten.
Nach dem sog. Raßlerschen Vertrag von 1685 wurde
der Stadt Konstanz ein Teil des Trichters, 1500 geometrische
Schritte & 3 Schuh, vom Hafeneingang aus gemessen, zu-
geschrieben, und der sog. Damianische Vertrag von 1786
legte dieses Abkommen so aus, daß nicht der Radius von
4500’, sondern die an den betreffenden Kreis gelegte Tangente
den Machtkreis der Stadt zu begrenzen hatte. Auf diese Weise
wurden See und Strandboden bis zur Wöschbachmündung öst-
- lich Hörnli dem Thurgau entzogen. Außerdem erlaubte Kon-
stanz weder Gebäude noch Erdwerk und keine Landungsstelle
im Bereich eines Kanonenschusses von den Stadtmauern.
Es scheint aber, daß dieser Vertrag beide Teile nicht
befriedigte und darum bald in Vergessenheit geriet; denn seit
Baden 1803 in Konstanz die Herrschaft übernahm und freund-
lichere Politik befolgte als Oesterreich, galt allgemein die
Fortsetzung der Landgrenze beim Rauhenegg in den See hinaus
bis zu dessen Mitte und von da an diese als Landesscheide.
Auf der topographischen Karte von Sulzberger
(1836) folgt die Grenze vom Ziegelhof am Rhein beim Paradies
‚dem Grenzbach mit stark gegen die Stadt vorspringendem
Winkel nördlich vom Emmishofer Tor, entsprechend seiner
frühern Ausmündung aus dem Festungsgraben. Vom Emmis-
hofer Tor an begleitet sie diesen mit seinen Vorsprüngen,
vom Kreuzlinger Tor an in Ostnordost-Richtung zum Rauhenegg
an der Stelle, wo die Pfahlwand des jetzigen äußern Hafens
beginnt.
Die Grenze im See fehlt bei Sulzberger; aber noch 1873
wurde diese auf einem vom Stadtbauamt Konstanz dem thur-
EU nenn
gauischen Regierungsrat eingereichten Plan vom Rauhenegg
aus parallel der Hafenpfahlwand in den See hinausgezogen.
Als dann aber die eingeengte Stadt trotz Auffüllung großer
Strandbodenflächen den Platz für die dringende Erweiterung
des Bahnhofs nur auf Schweizerboden finden konnte und die
thurgauische Regierung auf eine vom badischen Gesandten,
Minister Dusch, 1861 in Vorschlag gebrachte Grenzberichtigung
im Tägermoos auf Kosten des Kantons zugunsten der Stadt
Konstanz nicht eingehen wollte, besann und berief sich Baden
auf den alten Damianischen Vertrag. Nach langen Verhand-
lungen wurde durch die Uebereinkunft vom 24. Juni 1879
die Grenze südwärts gerückt und der erweiterte Bahnhof ins
deutsche Reichsgebiet einbezogen. Die Grenze im Trichter
wird durch die Punkte ABO (Fig. 1) bestimmt. A liegt in
der Seemitte zwischen dem Südpunkt J der Bodanshalbinsel
beim „Jakob“ und dem thurgauischen Landvorsprung X bei
der Mündung des Kogenbaches. AD hat Richtung zum Turme
des Bahnhofs Konstanz und BD ist der Schnittpunkt dieser
Linie mit derjenigen von J zum einspringenden Winkel in
der Seemauer, wo der Grenzstein Nr. 1 gesetzt ist.
Es kamen also der schweizerische Teil des Bahnhofs, das davor-
liegende Festland und der Strand in einer Länge von 220 m in
badischen Besitz, wogegen der bisher von Baden beanspruchte weitere
Strand in der Ausdehnung von 1500— 1600 m definitiv schweizerisch
wurde.
Gleichzeitig hatte der Thurgau noch Land abzutreten zwischen
den Grenzmarken 13 und 13. Um den häufigen Ueberschwemmungen
von Sau- und Schoderbach abzuhelfen, war 1876 vereinbart worden,
diese Wasserläufe sollten nicht mehr in den ehemaligen Festungs-
graben geleitet, sondern durch einen besondern, etwa 450 m langen
Kanal direkt dem Grenzbach zugewiesen werden. Dadurch kamen aber
etwa 9 Jucharten, die bereits in konstanzischem Privatbesitz waren,
auf die rechte, deutsche Seite zu liegen und diese trat Thurgau an
Baden ab gegen Uebernahme des von Emmishofen-Kreuzlingen zu
leistenden Beitrags von 7000 Fr. durch die badische Regierung.
C. Reichsboden und Reichsgrenze im Obersee.
So lange der Bodensee samt seinen Ufern zum deutschen
Reiche gehörte, wurde er als Reichsboden behandelt, der Kaiser
und Reich zustand und gemeinen Brauch hatte. Niemand
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konnte darauf Privilegien erteilen als der römische Kaiser
und König (Schaltegger, Hoheitsgrenze, Seite 1).
Seit dem Basler Frieden 1499, da sich die Schweiz definitiv
vom deutschen Reiche lossagte, ging das Bestreben des letzteren,
resp. Oesterreichs dahin, den Bodensee mit Fischerei und Schiff-
fahrt unter seiner Hoheit zu erhalten, während die VII alten
Orte als Besitzer des Thurgaus immer die Seemitte als Reichs-
grenze betrachtet und behandelt haben. Auch die heutige
schweizerische Arealstatistik teilt dem Thurgau 143,24 km?
Seefläche zu, nachdem die Landestopographie anhand der
Bodenseekarte eine ausgeglichene Mittellinie empirisch fest-
gesetzt und auf diese von den Grenzpunkten der Nachbar-
staaten aus unter sich Senkrechte gefällt hatte (Regul. des
Bodensees S. 16, Anm.) Zu einer wirklichen internationalen
Abgrenzung der Hoheitsrechte ist es aber noch nie gekommen,
und während des gegenwärtigen Krieges übt tatsächlich Deutsch-
land die Polizeiaufsicht auf dem ganzen Öbersee aus, wie dies
seit 1556 auf dem Untersee der Fall ist.
Nach der internationalen Schiffahrts-- und Hafenordnung
vom 22. September 1867 ist nur noch die Wasserfläche des
Hauptbeckens ungeteiltes internationales Gebiet. Die Hafen-
einrichtungen, die Bade- und Waschanstalten werden als Bestand-
teile der einzelnen Länder angenommen, und selbstverständlich
ist auch der Strandboden Eigengut des anstoßenden Staates.
Eine Frage für sich bildet die Abgrenzung des Privat-
eigentums gegen das Gemeingut der Seefläche, die
bei niederm Wasserstand große Strecken kahlen Bodens frei
läßt, bei Hochwasser ins Kulturland und selbst in die Dorf-
gassen hinein flutet.
Nach dem thurgauischen Rechtsbuch (8. 152) erstreckt
sich das öffentliche Seegebiet oder der Reichsboden gegen
das Ufer hin bis zu der Linie, bis zu welcher bei gewöhn-
lichem mittlerem Wasserstande der Wellenschlag reicht. Diese
Linie ist allerdings etwas Unsicheres, da sie je nach den zur
Berechnung des Mittels benutzten Jahrgängen schwankt. Das
Rechtsbuch erklärt ihre Anwendung darum nur als zulässig,
wenn die Grenze nicht in anderer Weise, durch bestehende
Vermarkung oder hinreiehende Nutzungshandlung ermittelt
werden kann.
Das Recht zur Benutzung des Reichsbodens ist ein öffent-
liches, dem Staate zustehendes, soweit nicht eine Beschränkung
durch speziell erworbene Rechte, die aber niemals nur ersessen
werden können, eingetreten ist.
Nach $ 10 des thurgauischen Gesetzes über den Unterhalt
der öffentlichen Gewässer vom 21. Mai 1895 dürfen auf dem
Reichsboden ohne Bewilligung des Regierungsrates weder Auf-
schüttungen, noch Ausgrabungen oder Einfriedigungen vor-
genommen werden; auch die freie Abfuhr von Grien und
Steinen ist untersagt.
Eine eigentliche Vermarkung des Reichsbodens fand
zuerst in der Gemeinde Egnach statt. Hier hatten einige
Bauern auf dem Strande Schilf gepflanzt und dasselbe zu .
ordentlichem Ertrage gebracht. Da die Leute das neue Kultur-
land Zu eigen beanspruchten, kam es zu Anständen mit dem
Fiskus wegen Besteuerung desselben und wegen der Abgrenzung
des Privatbesitzes.
Unterm 11. September 1861 entschied der Regierungsrat,
es sei nach dem Grundsatze des mittleren Wellenschlages
entsprechend den Aufzeichnungen des Romanshorner Pegels
eine Grenzausscheidung zu treffen; im übrigen sei der Regie-
rungsrat geneigt, auf erfolgte Anfrage hin und unter Eigen-
tumsvorbehalt den Seeanstößern die Nutzung der auf Reichs-
boden wachsenden Streue zu gestatten.
Die bezügliche Vermarkung fand im Herbst 1861 durch
Geometer Ganter statt; sie umfaßte die Reichsbodengrenze
längs der Gemeinden Romanshorn, Salmsach und Egnach und
ist in einem Plan 1: 2000 festgelegt.
Die Rohrpflanzungen der Egnacher Landwirte machten
weitere Fortschritte: Mit unendlicher Mühe, großer Energie
und Hartnäckigkeit besiegten sie die Hindernisse; so oft die
Pflänzlinge verkümmerten, erfroren oder ertranken, so oft
setzten sie wieder neue, schrägten das Uferbord ab, füllten
die Pflanzgräben mit guter Erde und hatten zuletzt, wohl
auch unterstützt durch eine Reihe günstiger Jahrgänge, den
- gewünschten Erfolg. In einem Fall wurde der Schilfbestand
um zirka 8 Jucharten vergrößert.
Da aber die Erträge zähen Fleißes ebenfalls mit Energie
für sich zu Eigentum gefordert wurden, entstanden 1871
neuerdings Differenzen mit dem Staate. Der Regierungsrat
beharrte indessen auf dem 1861 eingenommenen Standpunkt,
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42. —
„es werde zwar gegen die Anlage
von Rohrpflanzungen ab seiten
der Grundbesitzer am See und
gegen die Benutzung derselben
keine Einsprache erhoben; es
sei jedoch das Eigentumsrecht
des Fiskus am Reichsboden aus-
drücklich gewahrt, und es könne
demnach das zugestandene Nutz-
ungsrecht den Erwerb von Ei-
gentum für die Nutznießer nie-
mals begründen“ (Regierungs-
rats-Protokoll vom 15.September
1871).
Als sich dann die Verifikation
der Ganterschen Abgrenzung
wegen mangelnden Hintermar-
ken als unmöglich erwies, ge-
währte die Regierung einen
Kredit von 150 Fr. für neue
Vermessung und bleibende Ver-
markung. Diese wurde im Mai
1874 ausgeführt durch Geometer
Gentsch. Sein „Situationsplan
über ‘die Reichsgrenze und die
angrenzenden Privatgüter der
Gemeinde Egnach“ in 1: 2000
bezeichnet die Reichsgrenze als
mittleren Wasserstand. Gleich-
zeitig war auch infolge eines
Kaufvertrags zwischen Ammann
zur „Seeburg“ in Kreuzlingen
und dem thurgauischen Fiskus
der Reichsboden von der Lan-
desgrenze bei Konstanz bis zur
„Seeburg“ vermessen und eine
allgemeine Vermarkung
des Reichsbodens am Bo-
densee in Aussicht genommen
worden. Diese fand im Jahre
N ae
1880 durch U. Gentsch statt, und dabei wurde den An-
sprüchen der Egnacher Landwirte dadurch Rechnung getragen,
daß man die Reichsgrenze um 40—110 m, im Mittel etwa
80 m, seewärts rückte (Fig. 2). Es konnte dies um so eher
geschehen, als unterdessen der Strandboden sich tatsächlich
erhöht hatte, indem durch den als Schlammfänger wirkenden
Schilfwald die Zone des mittlern Wellenschlages weiter vom
Lande weg verlegt worden war. Die Gentschschen Uferpläne
von 1880 in 1: 1000 bilden seither die Grundlage für die
Planierung des Uferschutzes.
Letztere bringt nun insofern eine Aenderung der Reichs-
grenze, als „in Rücksicht auf die erhebliche Beteiligung des
Kantons an den Kosten der dem neuen Werke vorgelagerte
Strafdboden dem Staate zufallen und zugefertigt werden muß,
damit nicht durch beliebigen und unkontrollierten, oftmals die
Schutzvorrichtungen schädigenden Bezug von Kies und Sand
die Bauten wieder gefährdet werden“ (Germann, 8. 7).
D. Die Züricher Grenze.
Schon von dem Uebergang Dießenhofens an die Eid-
genossen im Jahr 1460 war dessen Gebiet vom Umfange des
heutigen Bezirks.
Die Grenzen auf den Karten des 17. und 18. Jahrhunderts
sind somit die gleichen wie die der Siegfriedkarte, und wenn
Sulzberger 1836 Abweichungen zeichnete, so rühren diese
wohl vom Nichtauffinden von Grenzmarken her, wie z. B. bei
Paradies, wo seine Grenze den Rhein unter einem Winkel
von 17° N gegen E trifft, während die tatsächliche einige
Grade von Norden gegen Westen abweicht. Sein Südpunkt
ist um zirka 500 m zu weit nördlich, und vom Wölflis-
bild über die Furtmühle zum Kintschersbuck springt seine
Grenze in geraden Linien, während die tatsächliche den
Krümmungen des Ulmerwegs folgt.
Auf Messungsfehler begründet ist die Abweichung bei dem
gegen Norden zum Rodenberg, vorspringenden Stammheimer
Gebiet: Abstand der Marken Kintschersbuck und Hohenegg
bei Sulzberger 1150 m, bei Siegfried 1450 m.
Zürich hatte 1464 die niederen Gerichte und die Vogtei
in Stammheim von den Herren von Klingenberg erworben,
RE U
und diese Gemeinde gehört seit dem 3. März 1504 tatsächlich
zu Zürich (Pupikofer, Geschichte II, S. 109), wenn es auch
bis zu Ende des 18. Jahrhunderts dem thurgauischen Land-
gerichte zugeteilt war.
Die thurgauische Grenze gegen Stammheim weicht am
Nußbaumer See auf Gygers und Nötzlis Karten von den
heutigen Verhältnissen ab, indem bei ihnen das Inselchen
einen Grenzstein trägt. Der Ittinger Plan des Paters Josephus
von 1743 korrigiert aber den Fehler (Fig. 18), und er erklärt
denselben im Hüttwiler Lehenbuch pars I, 8. 49 folgender-
maben:
„Auf der in der Mitte des Ittingischen unteren oder so-
genannten Uerschhauser Sees gelegenen Insel ist vor altem
eine Fischerhütte oder Häusli, in welchem ein Fischer des
Gotteshauses wohnhaft gesessen, gestanden, welches A°. 1711
abgebrochen worden; so aber das Gottshaus kraft Brief
wiederum ein anderes dahin zu setzen befugt ist. Die-
weilen aber allda nach abgebrochenem Häusli ein steinernes
Ofensäuli stehen verblieben, haben hernach dieses die Stamm-
heimer für eine Landmarken angesehen und dieser Ursach
halber vermeinen wollen, daß der untere Teil des Sees von
gedachter Insel an gegen Niedergang in dem Zürcher Gebiet
gelegen sei, folgsamb daß Hampfrosen und Einlagen in diesem
untern Teil des Sees kein Landvogt im Thurgau ihnen wehren
und verbieten könne. Hat sich aber bei dem hochoberkeitlich
anno 1715 gehaltenen Augenschein das Contrarium klar er-
schunen; indem kraft Landmarken noch ein gutes Stück Land
unter dem See gegen Niedergang dem Thurgau zudienet.“
Zu dieser Erklärung des gelehrten Paters stimmt nicht
ganz, daß schon 1667 Gyger die Grenze über die Insel
gehen läßt.
An der Thur gibt Gyger vom Fahrhof aufwärts bis
zur alten Furt des Baches zwischen Veldi und Unterwiden
die Mitte des Flusses als Grenze an; Nötzli legt dieselbe ganz
‚auf das nördliche Ufer. Jedenfalls war von jeher der Talweg
der Thur Landesscheide, und diese erfuhr daher auch in der
Neuzeit zusammen mit dem Flusse eine Geradelegung.
In Ellikon war der Dorfbach Grenze zwischen den hohen
» Gerichten von Kyburg und Thurgau, während das Dorf zürche-
risch war und geblieben ist. R
A
Die Grenze von der Thur bis zum Hörnli ist seit
1427 festgelegt, da die Herrschaft Kyburg von der Land-
grafschaft Thurgau abgelöst wurde (Pupikofer, Geschichte II,
8. 788). Als Hauptmarken galten das Schloß Kefikon, der
Mühlenstein oberhalb Meiersberg bei Gachnang, die Burg
Hagenbuch, die Brücke zu Aadorf, Hiltisberg (Iltishausen),
Rüdlinsberg (Rudberg), die alte Burg Bichelsee und das Hörnli.
Die Angaben Gygers stimmen mit den heutigen Verhältnissen,
so daß den Abweichungen Nötzlis beim Bichelsee keine Be-
deutung zukommt. Eigentümlich ist der stark einspringende
' kleine Gebietsteil mit der Ruine der durch den Toggenburger
Brudermord berüchtigten Burg Reingerswil. Derselbe ist
durch Kauf von den Herren von Landenberg an die Graf-
schaff Kyburg gelangt (H. Zeller-Werdmüller, Erläuterungen
zu Hs. ©. Gygers Karte von 1667).
Auf den alten Karten (s. S.11) ist auch die Abtei Rheinau
dem Thurgau zugeschrieben. Diese war tatsächlich eine un-
. abhängige, aber seit 1451 unter dem Schutz der sieben alten
Orte stehende Herrschaft.
Als der Rheinau am nächsten stehende eidgenössische
Beamte hatte der Landvogt im Thurgau die mit der Schirm-
herrschaft, der militärischen und gerichtlichen Hoheit ver-
bundene Oberaufsicht über Ort und Kloster auszuüben und
von den Rheinauerbürgern den Treueid entgegenzunehmen ;
ihm hatte auch die Abtei Rechnung abzulesen. Im übrigen
aber war der ehemals reichsfreien Herrschaft die Selbst-
regierung belassen. 1798 wurde dann die lockere Verbindung
mit dem Thurgau gelöst und Rheinau dem Kanton Zürich
eingefügt. (K. Dändliker, Schweizerische Rundschau 1896,
I. Bd., 8. 471.)
E. Die St. Galler Grenze.
Die Grenze gegen das Toggenburg wurde beim Ab-
schluß des Landrechtes der Toggenburger mit Schwyz und
Glarus 1436 festgelegt und ist seither unverändert geblieben.
Gegen das Fürstenland war die Grenze lange schwan-
kend, weil die Aebte die Zahl ihrer Gerichtsvogteien durch
Ankauf vermehrten, sich über die Neuerwerbung die fürst-
liche Obervogtei anmaßten und so die Wirksamkeit des Land-
ee
a in diesen Vogteien hemmten (Pupikofer, Geschichte
II, 25). Im großen and ganzen gelten aber die schon 1717
durch Nötzli fixierten Marchen.
Bei der Vergleichung alter und neuer Karten fallen auf
der St. Galler Grenze nur folgende fünf Punkte auf:
1) Beim Hof Rengishalde westlich Bischofszell ist auf
der Sulzbergerschen Karte der Bach die Kantonsgrenze, der
Hof st. gallisch. Das ist wohl falsch; denn die Rengishalde
gehörte früher der Bürgergemeinde Bischofszell und ist auf
den Nötzlikarten dem Thurgau zugeteilt, wie auch auf der
Siegfriedkarte, welche die Grenze 700 m südlicher legt.
2) Die östlich Gottshaus auf die Sitter treffende Kantons-
grenze hat bei Sulzberger, zugleich mit dem Einlauf des Buch-
mühlebaches, Richtung auf die Ruine Ramschwag, bei den neuen
Karten auf Kollerberg. Die Differenz von zirka 100 m ist
auf Ungenauigkeit le
3) Bei Oberegg springt auf der Sulzbergerkarte das
St. Galler Gebiet hun nach Süden ans Sitterufer vor,
das sie 75 m weit begleitet. Auf Blatt 74 des topographischen
Atlasses ist das Trapez durch einen flachen Bogen ersetzt,
der das Ufer nicht mehr berührt. Die Korrektionspläne des
thurgauischen Baudepartements rekonstruieren die Form von
1836 und geben auf 180 m das nördliche Ufer der Sitter
als Kantonsgrenze an. Die Sitter soll im Laufe der Zeit am
Scheitel ihres scharfen Bogens das Gelände von Oberegg an-
genagt und zum Abrutschen gebracht haben, so daß der Fluß-
lauf sich zum Teil auf st. gallischen Boden hinein verlegte.
An dieser Stelle wird nunmehr die Korrektion auf Kosten
des Kantons St. Gallen durch die thurgauischen Organe besorgt.
4) Bei Steinach verzeichnet schon Nötzli die Grenze
zwischen Arbon und Horn auf dem Seestrande, so daß also
das Land st. gallisch ist, Wasser und Seeboden dem Thurgau
gehören. Die Ausgabe 1911 der topographischen Karte weist
mit der Grenze in den See hinaus. Tatsächlich besteht zurzeit
noch Differenz mit St. Gallen, welches seine Steinacher Grenze
bis zur Seemitte hinaus verlängert haben will, während Thurgau
auf den alten Ansprüchen beharrt und gestützt auf den Marchen-
beschrieb die Grenze dem Rande der sog. Weiße entlang zieht
(Thurg. Rechenschaftsbericht 1910, 8. 9).
5) An der Goldach: Sulzberger läßt die Grenzlinie vom
Eee
Marchstein nordöstlich Mühlehof-Ach aus spitzwinklig ostwärts
an die Goldach streichen, die Siegfriedkarte dagegen recht-
/ winklis. Die Karte von 1836 zieht dann die Marchlinie auf
dem thurgauischen Ufer bis zum See, diejenige von 1885
auf dem st. gallischen Ufer. Die Aufnahme von 1903 zeichnete
sie in der Mitte der korrigierten Ach und setzte sie in deren
Richtung in den See hinaus fort. Damit war aber St. Gallen
nicht einverstanden: Die Grenze folgte früher dem Talweg der
Goldach, und da dieser auf dem Schwemmkegel nach Westen
abbog, so nahm auch die Grenze im See die Richtung des
letzten Laufstückes an. Durch die Korrektion wurden nun aller-
dings Goldach und Grenze gerade gelegt bis zum See, im letztern
aber nach der Uebereinkunft vom 14. Mai 1906 die Kantons-
scheide der alten Richtung parallel bis zum neuen Auslauf
nach Osten gerückt (Mitteilungen des Kantonsgeometers).
Trotz der Feststellung der Grenze durch beidseitig an-
erkannte Marchsteine erheben sich aber immer wieder Anstände
zwischen den beiden Nachbarkantonen.
Die Grenze geht eben nicht gradlinig von Stein zu Stein,
sondern folgte von jeher ausgeprägten Kulturrändern: Wald-
säumen, Grünhecken, Gräben u. dgl. Verschwanden solche im
Laufe der Zeit, so verwischte sich die Grenze, und die Grund-
stücke griffen scheinbar willkürlich herüber und hinüber. Daß
sich dadurch vielfach Besteuerungsanstände ergeben mußten,
liegt auf der Hand, um so mehr als die beiden Kantone ver-
schiedenen Steuerfuß haben. Der Eigentümer eines gerade
auf der Grenze stehenden Hauses soll sich sogar jahrelang
jeder Steuerpflicht entzogen haben dadureh, daß er je nach
den Umständen die Wohnstube und damit seinen „Wohnsitz“
bald auf st. gallischen, bald auf thurgauischen Boden verlegte.
Bei der Binführung des Grundbuches war eine interkanto-
nale Einigung unvermeidlich. Die Grenzbereinigung ist heute
(August 1915) noch im Gange: Wo zwischen zwei anerkannten
Marchen nicht alte Pläne und Beschriebe Klarheit schaffen,
werden möglichst natürliche Scheidelinien festgesetzt, und wo
Grundstücke zerschnitten würden, dieselben demjenigen Kanton
zugeschrieben, auf dessen Gebiet sie zum größten Teil liegen.
Auch geht das Bestreben dahin, durch Verlegung der
Grundstücksgrenzen unter Wertausgleich unzweideutige Ver-
hältnisse zu schaffen.
An Ze
Zwischen den Gemeinden Hauptwil und Waldkirch fand
ein interessanter Tausch statt. Der ersteren war in der
„Stocketen“ ein Grundstück zugeschieden worden, ohne daß
auf der beiderseitigen Grenze ein Ausgleich möglich war.
Der letztere wurde dann aber dadurch bewerkstelligt, daß
'Waldkireh von der Gemeinde Gottshaus das Widenhuber Hölzli
erhielt und dafür von Hauptwil mit 1000 Fr. entschädigt
wurde (Thurg. Großratsverhandlungen vom 30. März 1915
und Mitteilungen des Kantonsgeometers).
Ill. Die Gewässer.
Das Wasser spielt in der Veränderung der Erdoberfläche
eine gewaltige Rolle: es wirkt auf die feste Erde lockernd,
lösend, entblößend, abtragend, deckend, anhäufend. Die meisten
dieser Wirkungen steigern sich mit dem Böschungswinkel des
Geländes und verringern sich mit der zunehmenden Dichte
der Pflanzendecke.
Der Thurgau ist größtenteils eine sanft geböschte, mit
Vegetation bekleidete Landschaft. Darum können die Wasser-
wirkungen im allgemeinen keine sehr stark in die Augen
springenden sein; erst nach langen Zeiträumen treten sie
so hervor, daß sie auf den Karten zum Ausdruck gelangen.
Der Mensch läßt aber die Natur nicht selbständig walten;
er kämpft gegen die verderbliche Wirkung der Hochfluten
und nützt die Energie des fallenden Wassers aus. Er ändert
den Lauf der Gewässer, leitet lästige Nässe ab und staut
Vorratswasser.
Dieses Eingreifen des Menschen ist ‚uralt, aber vielfach
mit großen Enttäuschungen und Mißerfolgen verknüpft ge-
wesen, teils weil die Naturgesetze zu wenig erkannt und
beachtet wurden, teils wegen der unendlichen Interessenzer-
splitterung früherer Zeiten. Große, zweckmäßige Werke von
dauerndem Werte gehören fast alle der neueren Zeit an, dem
Zeitalter des gesteigerten Naturerkennens, des Dampfes, der
Elektrizität und der Wasserwirtschaft.
Wenn wir die geographischen Quellen speziell nach den
Veränderungen unserer Landschaft in hydrographischer Hin-
sicht vergleichen, so wird sich ergeben, dal die natürlichen
a
Aenderungen weit zurückstehen gegen die vom
Menschen direkt und indirekt verursachten, und diese
‘ werden sich häufen mit der Annäherung an die Gegenwart.
A. Bodensee und. Rhein.
a. Die Hochwasser.
Für die Gestaltung der See- und Rheinufer sind von
ausschlaggebender Bedeutung die Pulsationen der Wassermasse,
die Hochstände im Sommer, namentlich deren oberes Extrem,
die Hochflut, und in geringerem Maße auch die winterlichen
- Tiefstände.
Der erste Pegel (d. i. Wasserstandsanzeiger) wurde 1797
in Lindau eingerichtet; die längsten zusammenhängenden
Beobachtungsreihen über Wasserstände verdanken wir dem-
jenigen von Konstanz, seit 1816. Heute sind 16 zuverlässige
Pegelstationen in Tätigkeit, darunter vier mit Limnigraphen
(d. s. selbstaufzeichnende Wasserstandsmesser).
Der Nullpunkt des Konstanzer Limnigraphen, 6 m unter
der Hochflutmarke von 1817, gibt diejenige Tiefe unter dem
bekannten niedersten Wasserstand an, welche für die Be-
wegung der Dampfboote größten Tiefganges bei voller Ladung
erforderlich ist (Honsell, S. 39). Dieser Nullpunkt wurde durch
das schweizerische Präzisionsnivellement (Pierre du Niton
376,86 m) zu 395,48 m über dem Spiegel des Mittelmeeres
bestimmt." Die Nullpunkte der übrigen Pegel weichen nach
den Angaben der schweizerischen Landeshydrographie (Näf,
S. 10. 21, 22) von dem in Konstanz etwas ab: Rorschach
395.42, Romanshorn 395,51, Berlingen, Steckborn und
Mammern 395,16, Stein-Burg 394,85, Dießenhofen 393,51 m.
Aus den Reihen der Pegelbeobachtungen lassen sich nun
die mittleren Wasserhöhen berechnen (Boßhard, 8. 10):
! Die Höhe der Pierre du Niton im Hafen von Genf ist aber
neuerdings und wohl endgültig zu 573,6 m bestimmt worden. Der
künftige schweizerische Normalnullpunkt ist daher —= bisheriger
Schweizer N.N. — 35,26 m = Berliner N.N. + 0,46 m — Mittelwasser
der Adria — 0,05 m.
4
Absolute Höhe Konstanzer Pegel
1858 - 1910 m m
Mittelstand des Jahres 398,936 3,456
- - Sommers 399,345 3,863
- - Winters ER 398,519 3,039
Mittel der höchsten Jahreswasserstände 400,139 4,659
- - niedrigsten - 398,098 2,618
Bei Niederwasser, d.h. Senkung des Seespiegels um
83 cm (1909 um 107 em, 1858 um 120 cm) unter den Mittel-
stand, werden große Strecken des Strandbodens der zer-
störenden Wirkung von Frost und Wind ausgesetzt. Die an-
stehenden Molassefelsen und besonders die Kalkkrusten und
Schlammabsätze auf den Steinen werden zermürbt und nachher
vom Winde oder -vom wiederkehrenden Wasser verteilt. Die
winterlichen Tiefstände verhindern somit die Erhöhung des
Bodens auf der „Wyße“, der Bank zwischen Ufer und Halde.
Die Hochfluten in den letzten 100 Jahren erreichten:
1817: 401,72 m 6,24 m Konstanzer Pegel 6,50 Rorschacher Pegel
1821: 401,40 - 5,92 - 2 5,98 : -
11851: 400958 550. = 0556 2 :
1876: 401,10 - 5,62 - £ 5,08 - 2
1890: 401,24 - 5,76 - i 22589 £ :
1910: A006 na -..2.25,64 - x
(Boßhard, S. 9.)
Von der Pegelhöhe 4,54 m in Konstanz, 4,61 m in
Mammern an gilt das Hochwasser als schädlich; es beginnt
damit der Rückstau in den Kloaken der Uferorte, das Ver-
sagen der Abflußdolen. Dieser schädliche Stand wird jedes
Jahr während etwa zwei Monaten überschritten, aber im
Sommer und bei ruhigem Wetter nicht sehr unangenehm
empfunden.
Bei weiterem Steigen dringt das Wasser in die Keller,
durchtränkt die niedrigen Gärten und Seewiesen, macht die
Fußwege und Straßen am Ufer ungangbar und nötigt zu
großen Umwegen. Bei 4,85 m am Konstanzer Pegel tritt
der Untersee auf die Landstraßen in Berlingen und Steckborn,
so daß dann der trockene Verkehr nur auf über Böcke ge-
legten Brettern, durch „Stegeten“ aufrecht erhalten werden
kann (Fig. 3 u. 4).
Zeigt der Konstanzer Hafenpegel 5,1 m, so muß die Schiff-
fahrt auf dem Rhein eingestellt werden, weil die Durchfahrt
bier
unter den Brücken gefährdet ist. Für das neue Dampfboot
„Schaffhausen“ ist dies schon bei 4,95 m der Fall (Mit-
_ teilung der Dampfbootverwaltung.)
In Gottlieben stand 1817 mehrere Wochen lang die Flut
5‘ hoch über dem Ufer, so daß man nur auf Brücken und
‘zu Schiffe von einem Haus zum andern gelangen konnte und
ein mit Stroh beladenes Schiff sogar neben der Kirche vorbei-
segelte (Thurg. Neujahrsblatt 1831).
In dem Ueberschwemmungsjahr 1876 stieg der See vom
5. bis 18. Juni auf 5,4 m und blieb so bis 12. Juli, um dann
langsam zu sinken und erst Mitte August das gewöhnliche
Sommermittel zu erreichen (Honsell, S. 127). Im Jahre 1890
trat der See am 29. August aus; am 4 September war die
Haupts traße in Berlingen und Steekborn 93 cm tief im Wasser,
und ähnlich die niederen Teile von Gottlieben, en
(Fig. 3), Mannenbach und Dießenhofen. Erst am 20. aan
wurden die Landstraßen wieder wasserfrei und konnten Wohn-
räume und Erdgeschosse vom Schlamme gereinigt werden.
Die Zusammenstellung der amtlich abgeschätzten direkten
Schädigungen — mit Kuscchlib aller indirekten, wie Geschäfts-
störung, besonders auch des al ranleulas, Durchnässung
und. dergleichen — ergab für das Hochwasser von 1890 in
den Seegemeinden von Horn bis Dießenhofen die Summe von
Fr. 109218.60, von denen Fr. 48171.60 auf den. Obersee
entfallen (Rechenschaftsbericht 1890, S. 196 — 201).
Außergewöhnliche Hochstände treten sonach besonders
‘an den dieht und nahe besiedelten Untersee- und Rheinufern
schädigend auf, indes auch am Obersee, wenn auch hier in
milderer Form und etwas anderer Weise.
Nach dem Regulierungsprojekt von 1912 (Boßhard, 8. 33)
sollen nun die Seehochstände: künftig am Rorschacher Pegel
nicht mehr 5 m — 400,42 m überschreiten und nicht unter
3 m — 398,42 m absolute Höhe gehen. Es wird dies zu
erreichen gesucht durch Sohlenvertiefung des Konstanzer Rheins
um 1,5 m und Einbau eines beweglichen Wehrs bei Stein
mit entsprechender Senkung des Strombettes. Das Wehr hat
die ganze Wasserführung zu regulieren.
! Die gleichen Pegelzahlen gelten auch für Stein, da der dortige
Nullpunkt um die Differenz der Wasserspiegelhöhen tiefer liest.
52
(Aus
Gutachten
DRS AnIT
DIS
x
Fig 3. Hochwasser in Ermatin
©
to)
en.
über die Regulierung des Bodensees
— Dorfstraße
am
anfangs September 1890.
von W.E. Boßhard. — Photographie Walser
Arenenberg.)
Fig. 4. Hochwasser in Steekborn. — Hauptstraße Ende Juni 1910.
(Aus Gutachten über die Regulierung des Bodensees von W.E. Boßhard.)
(Photographie. H. Labhart, Steckborn.)
er
b. Das Oberseeufer.
1. Zerstörung und Uferschutz.
Beim Hochstande des Sees wird dessen Ufer in hohem
Maße vom Wellenschlage des Biswindes (N., NE. und E.)
benagt und weicht deshalb vielerorts beständig zurück. Während
des Hochwassers staut sich auch das Grundwasser, und beim
Fallen des Sees beschleunigt sein Druck die Einstürze. Da
am ganzen thurgauischen Ufer nirgends widerstandsfähige
Felsen anstehen, fast überall Grundmoräne und daraus her-
vorgegangenes Kulturland den Wasserrand berühren, so ist
das Auswaschen besonders ergiebig.
Seit langer Zeit wird der Uferverlust bei Arbon un-
angenehm empfunden. Der st. gallische Geschichtsschreiber
Vadianus schreibt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
daß im Winter auf dem Seeboden bei der Stadt noch alte
Fundamente von allerlei Gebäuden sichtbar seien, welche dort
gestanden, aber von dem See „oben nider ertrenkt und über-
gossen sat ae
Nach Pupikofer (Gemälde 8. 296) hat die Bürgerwernede
seit einigen Jahrhunderten und besonders noch im 18. große
Stücke Weideland (Allmend) durch Wellenschlag und Ufer-
durchtränkung verloren. Noch 1828 erinnerte man sich, daß einst
zwischen der Sa mener: und dem See eine eh werde benutzt
werden konnte. Die Fundamente der alten Stadtmauer waren
dazumal vom Gewell auch derart geschwächt, daß besonders
bei.den Türmen eine Neigung nach der Wasserseite bemerk-
bar war und die Türme umzustürzen drohten (Thurgauisches
Neujahrsblatt 1823).
Nördlich und östlich der Stadt findet sich ein Feld von errati-
schen Blöcken, die nach und nach aus der anstehenden Grund-
moräne herausgewaschen worden sind. Noch im 18. Jahrhundert
benutzte man auf der Ostseite einen Hafendamm, dessen Pfähle
durch eine Reihe angelegter Findlinge geschützt waren. Von
einem solchen Findling, die „Sau“ genannt, erzählt eine Tafel
auf dem Rathause, daß er, 150 Zentner schwer, den. 14. März
1695 durch die Gewalt des Grundeises (Eisdruck des zu-
gefrorenen Bodensees) 25 Schritte weit in die Nähe der Stadt-
mauer geschleudert wurde (Thurgauisches Neujahrsblatt 1328).
Aehnliches geschah bei der „Seegfrörne“ des Jahres 1880
(TAN "uuemsaMm
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TIOgsUgWwoy Tag Tonaqgetarn
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auf der deutschen Seite des Sees. Steudel erzählt S. 29: Bei
Nonnenhorn wurde ein nahezu 100 Zentner schwerer Block,
der einige Meter vom Ufer im Letten stak, durch den Druck
des Eises aus seinem festen Sitz in die Höhe getrieben und
2 m vorwärts und tags darauf 3 m seitwärts geschleudert.
Nordwestlich Arbon, vom Einfluß des Imbersbaches bis
zum Wiedebühlwald, in der Länge von etwa 1600 m, ist die
Erosion sehr stark. 3—4 m hoch steht die Grundmoräne an, aus
der dasGewell gekritzte Steine verschiedener Größe herauswäscht,
so daß sich die Obstbäume in Sommern mit längerem See-
hochstande dem verderblichen Absturz bedenklich rasch nähern.
‘ Der Strand ist mit Steinblöcken und Grobkies dicht bestreut.
Könnten die Angaben der Sulzbergerkarte ohne weiteres
mit denen des Siegfriedblattes verglichen werden, so betrüge
die Breite des seit 1836 verlorenen Landstreifens bei Wiede-
horn 100—150 m, östlich Kratzern bis 60 m. Der Verlust ist
jedenfalls erheblich geringer; doch wird immerhin behauptet,
bei Wiedehorn habe sich früher auf dem jetzt fortgewaschenen
Lande ein Exerzierplatz für das Militär befunden.
An zwei Stellen, östlich und nördlich Kratzern, war die
Nordostbahn auf 300 und 280 m Länge zu Schutzbauten
gezwungen.
Groß sind auch die Schäden in der Gegend westlich
Romanshorn, wo im hohen Ufer Grundmoräne vom Gewell
erfolgreich benagt wird (Fig. 5). Diese Moräne ist so reich an
Steinmaterial, daß streckenweise eine starke Blockstreuung zu
sehen ist und daß in der Nähe von Holzenstein, wie auch östlich
der chemischen Fabrik Uttwil dem Ufer entlang, zirka 20 m
vom Lande entfernt, kopfgroße Rollsteine so dicht ineinander
liegen, daß man an den Unterbau einer modernen Straße
erinnert wird. Daß es sich dabei aber nicht um eine ehe-
malige Römerstraße handelt, wie Pupikofer vermutete, sondern
um Häufung des Grobmaterials durch Auswaschung des Lehms,
beweist ein zurzeit geöffneter Grabenzug von der chemischen
Fabrik bis zum Park westlich Tobelmühle, dessen Aushub
außergewöhnlich viele kopfgroße Steine aus dem Lehm zutage
fördert (21. März 1915).
Ein etwelches Maß für die Uferabtragung durch das Gewell
läßt sich aus den zu verschiedenen Zeiten aufgenommenen
Uferplänen des kantonalen Bauamtes gewinnen:
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Westlich vom Inseli Romanshorn ergeben sich auf einer
Strecke von 600 m zwischen den Jahren 1883 und 1906
Differenzen von 2, 4, 9 und 11 m, im Mittel wohl 5 m,
das sind 22 cm per Jahr (Fig. 6). Bei Holzenstein ist der Ein-
bruch ”—8 m auf eine Strecke von zirka 70 m, nahezu 50 cm
per Jahr, gegen das Pumpwerk hin 4—1 m, ähnlich bis
zur Tobelmühle. Auch östlich Uttwil ist- das Ufer mehrfach
angebrochen, 1—1!/s m von 1883—1906, im Westen von
Uttwil 4—5 m auf SO m Länge.
Die Frage, ob nun in frühern Zeiten die Abtragung in _
gleichem Schrittmaß stattgefunden habe wie in den letzten
Jahrzehnten, d. h. im Jahrhundert 20—30 m, stellenweise 50 m,
andernorts nur wenige Meter, ist nicht einfach zu bejahen.
Die Kartendokumente reichen nur 200 Jahre zurück und sind
ungenau. Die größere Vorwölbung der Halbinsel Romanshorn
auf der Karte von 1717 würde dafür sprechen, die Existenz
des Inselchens als solches (Kopie von Werdmüller 1777)
dagegen.
Dafür spricht ferner der weite Abstand einiger Pfahlbauten
vom Lande: Münsterlingen 150—200 m, Ruderbaum 250
bis 300 m, Zollershaus 200—250 m, dagegen die Tatsache,
daß die Uferorte seit bald. 1000 Jahren an gleieher Stelle
stehen. Sicher. ist, daß der Abtragungsprozeß seit der Bildung
des Sees stattgefunden hat, und die menschliche Natur bietet
Gewähr dafür, daß schon der Pfahlbauer seine gewohnte
Landungsstelle, seine Uferäcker vor Abrils zu schützen suchte
und ebenso die spätern Ansiedler am Lande, und vom Mittel-
alter bis in die Neuzeit hinein die Gerichtsherren und Klöster.
In der Tat ist meistenorts, z. B. zwischen Güttingen und
Uttwil, das Uferbord mit Buschwerk — Erle, Weide, Esche
und Eiche herrschen vor — bepflanzt, welches die Abspülung
mildert. Wo das Gewell Lücken reißt, ist durch Pfahlwerk
mit Steinvorlage nachgeholfen. Auf diese Weise werden schon
seit alten Zeiten wertvolles Kulturland und die ans Ufer
gebauten Wohnstätten vor der Zerstörung durch die Wogen
geschützt. Geht die Auswaschung zwischen den Steinen weiter,
so wird meist erst eine Trockenmauer, später eine Mörtel-
mauer erstellt.
Man bekommt also wirklich den Eindruck, daß die See-
anwohner nach Kräften dem Uebel gesteuert haben und noch
ra gay
steuern und nur ausnahmsweise fatalistisch untätig zuschauen,
bis das Unheil übermächtig geworden ist. Freilich drücken
_ solehe Arbeiten schwer auf den kleinen Mann und sind oft
nur durch Zusammenwirken vieler zu bewältigen. Indes geht
man heute im Zeitalter der Subventionen denn doch zu weit,
wenn jeder glaubt, aus eigener Kraft überhaupt nichts mehr
zu vermögen und nur wehren will, wenn reichliche Beiträge
von Gemeinde, Kanton und Bund fließen. Solche werden
allerdings liberalerweise in den meisten Fällen gewährt gegen
Garantie für zweckmäßige Ausführung und spätere Unter-
haltung.
. Der Staat stellt dabei die Normalien auf, vergibt und leitet
die Arbeiten und bezieht die Beiträge von Anstößern, Gemeinde
und Eidgenossenschaft.
Als schützende Höhe wird der Hochwasserstand von 1890
(401,26 m) angenommen, der Schutz selbst auf verschiedene
- Weise durchgeführt. Am billigsten ist der Steinvorwurf am
Flachufer, am kostspieligsten die Betonmauer mit Hohlprofil
am rutschenden Steilbord. Die gegen den See konkave Mauer
hält den Wellenschlag von der Krone fern und hat sich bis
jetzt am besten bewährt.
Die topographische Karte von 1885 verzeichnet am thur-
gauischen Oberseeufer bereits über 3 km Schutzmauern noch
aus der subventionslosen Zeit, die Hafenquais von Romanshorn
nicht inbegriffen, und die 2. Auflage, von 1904, weist eine
Vermehrung von über 1 km auf. Nach dem Rechenschafts-
bericht der thurgauischen Regierung 1909 wurden weitere
12,4 km in Aussicht genommen mit einem Kostenvoranschlag
von 811780 Fr. und ihre Ausführung auf drei Bauperioden
verteilt derart, daß die dringendsten Arbeiten, zirka 4 km,
in den ersten fünf Jahren ausgeführt würden, 5,6 km in den
folgenden zehn Jahren und der Rest nach Verfluß von fünfzehn
Jahren. Bis Ende 1913 waren bereits 2848 m vollendet
(Recehenschaftsberieht 1912 und 1913).
Die Ufermauern bedeuten aber nicht überall bloß Schutz
vor dem Wasserangriff: Vielfach ringt der Mensch dem See
Neuland oder früher verlorenen Boden wieder ab, wie in
Moosburg, Zollershaus, namentlich aber in den aufstrebenden
größern Ortschaften am See. Solche Auffüllungsbauten werden
nur soweit subventioniert, als der Schutzzweck in Frage steht.
RE N
Mehrfach wurde auch versucht, an Stelle der teuern und
die Landschaft wenig verschönernden Mauern das Ufer durch
Vorpflanzung von Weiden und Schilf vor weiterer Zer-
störung zu schützen und so einen billigen Uferschutz mit der
Schonung der natürlichen Vegetation und des idyllischen Ufer-
bildes zu verbinden. Ein vom thurgauischen Baudepartement ein-
geholtes Gutachten des Rheiningenieurs Wey vom 14. Februar
1898 (Kirchner und Schröter, Die Vegetation des Bodensees II,
S. 36) empfiehlt, gestützt auf die guten Erfolge der: Egnacher
Bauern (8. 41), Schilfpflanzungen für lehmigen, tiefgründigen,
nicht zu tief liegenden Boden. Der von der thurgauischen
Regierung aufgestellte Kostenvoranschlag sah dann am Ober-
see auf eine Länge von 9,4 km Schilfkulturen, 1,5 km
Weidenbestockung und zirka 10 km Stein- und Mauersiche-
rungen vor. Leider waren die vorläufigen Probepflanzungen
mit Schilfrohr bei Münsterlingen, Keßwil und Uttwil wenig
ermutigend: das rasche Steigen des Seespiegels ließ die Setz-
linge zum Teil ertrinken, zum Teil verkümmern (Thurg. Rechen-
schaftsbericht 1898). Aehnlich versagten die Wippen (mit
Draht geschnürte, lange Rutenbündel) und Stecklinge von
Weidenholz im Jahre 1900. Es bewährten sich nur die Rohr-
pflanzungen an höher gelegenen Uferstrecken, wo die neuen
Triebe sich stets über Wasser halten konnten (Rechenschafts-
bericht 1900, S. 232).
Auf mess des eidgenössischen Oberbanimspelder der
1906 neuerdings Berücksichtigung von Binsen, Schilf und
Weiden als natürlichen Uferschutz empfahl, wurden 1908 bei
Kratzern (260 4 90 m) und 1910 unterhalb Münsterlingen
(1000 m) wieder Versuche mit Schilf gemacht. Obgleich speziell
die letztere Stelle hiefür günstig schien, war der Erfolg auch
hier kein befriedigender.
Nach den bei Kratzern und Wiedehorn gemachten Be-
obachtungen (28. April und 29. Mai 1915) liegt die Ursache
der bisherigen Mißerfolge darin, daß nicht gleichzeitig das
Ufer befestigt wurde. Der vom Gewell hin und her bewegte,
von der Uferabtragung stammende scharfkantige Sand scheuert
die zarten Pflanzen derart, daß sie unmöglich gedeihen können,
trotz der durch die Auswaschung gelieferten guten Schlamm-
unterlage im Kiesboden.
Im Hintergrunde der beiden flachen Buchten wehrte die
En
Nordostbahn der drohenden Eisenbahngefährdung durch eine
. in Steilböschung aufgeführte Trockenmauer, und diese brachte
_ nieht bloß die Erosion zum völligen Stillstand, sondern be-
günstigte die Entstehung eines ausgedehnten Schilfbestandes,
der sich ostwärts ausbreitet und reichlich Schlamm und Schwemm-
torf sammelt. Die westliche Mauer ist heute derart mit Vege-
tation bedeckt, daß sie kaum mehr als solche erkennbar ist.
Wo die Ufer nicht befestigt sind, fehlt Schilf, offenbar weil
dessen Pioniere durch Kies- und Sandreibung getötet werden.
Der gewünschte Uferschutz hat also Aussicht auf Erfolg,
wenn die Böschung abgeschrägt, am Grunde mit lebenden
Faschinen befestigt und am Abhang mit Gesträuch besetzt
wird. Zur Bepflanzung eignen sich nach dem Vorschlag von
Dr. E. Baumann Erlen, Weißweiden, Sanddorn und Robinie.
Gleichzeitig sind auf den Strand Rohrglanzgras und Schilf in
starken Stöcken zu setzen.
2. Natürliche Neubildungen.
Wo die Bäche Schwemmaterial zuführen, entsteht Auf-
füllung. Dabei wird das Grobmaterial zum Schwemm-
kegel angehäuft, die feine schleimige Trübe größtenteils durch
die Strömung entführt.
Bei Horn wächst das Goldachdelta in den See hinaus.
Der Abstand seiner Spitze von der Landstraße ist bei Sulz-
berger etwa 125 m, bei Siegfried zirka 230 m, so daß sich
also für 60 Jahre ein Zuwachs von 100 m ergäbe — selbst
wenn wir bei beiden Topographen die gleiche Spiegelhöhe des
Sees voraussetzen (s. S. 30).
Auch das Steinachdelta springt jetzt doppelt so weit
von der Dorfstraße vor wie 1836.
Bei den übrigen in den Bodensee mündenden Bächen
bildet sich am offenen Ufer bis zum Stichbach von Bottig-
hofen kein Schwemmkegel; sie bringen fast ausschließlich
nur die Abspülung ihres Gebietes, deren Produkte den ver-
teilenden Wellen wenig Arbeit machen. Die zerstörende Kraft
des Gewells ist überall größer als die aufschüttende des
Baches. i
Anders in den Buchten südöstlich Arbon und südöstlich
Romanshorn: Ist es der Nordostwind, der in ungestümem
RE OD
Zerstörungstrieb das offene Obersee-Ufer benagt und zurück-
drängt, so hat sein in doppelter Häufigkeit auftretender mil-
derer Bruder Westwind die Aufgabe übernommen, alles in
den See geschwemmte Leichtmaterial und auch die von der
Ufererosion herrührende Trübe dem Strand entlang ostwärts
zu treiben und die ruhigen Buchten hinter den Landvorsprüngen
damit anzufüllen. Als Folge seines Wirkens zeigt sich ein
Seichterwerden des Sees in der Bucht und ein Vorrücken
des Landes. Beim Bahnhof Arbon ist die Tiefenlinie von 4 m
unter dem Mittelstand (395 m) 425 m, südlich der Salmsach-
mündung 575 m und südöstlich der Luxburg 650 m vom
Ufer entfernt.
Südlich Arbon zeigt schon der Anblick des Rietes als
tiefere Ebene, daß sich früher die Seebucht etwa 300 m weiter
ins jetzige Land hinein erstreckt hat als heute. Bei der Bleiche
hat man Reste einer Pfahlbausiedlung aufgedeckt, und auch
die Flurnamen Ried, Rietli, Bösgut weisen auf früheren Sumpf
hin; ebenso der Ortsname Landquart — Lanchwatt — lange
Watt (Beyerle II, S. 51). Auch das hier völlige Fehlen von
Siedlungen in der sonst mit Gehöften übersäten Arboner Land-
schaft läßt auf Sumpf noch in spätern Zeiten schließen. An-
schwemmung und Torfbildung haben die Bucht allmählich
aufgefüllt.
Westlich _Arbon findet im Seemoosriet Veamhns statt.
50—70 m hinaus erstrecken sich Riedgrasflächen, gegen den
See in einen Schilfgürtel übergehend. Die Erhöhung ist derart,
daß die auf der essen Karte von 1880 noch a8
Wasserfläche gezeichnete zirka S00 m lange Stelle auf der
neuen Karte als Land angegeben wird, d.h. sie ist jetzt über
die Mittelwasserfläche onen.
Lehrreich ist die Gegend der Luxburg bei Egnach:
Im 16. Jahrhundert muß die Luxburg noch im See ge-
legen haben. Vadian beschreibt sie als „ein Fleck im See
mit einer lustigen Vischenz und wohl erbauenem Haus, den
man nennt den Lustbühel.* Es muß also dazumal ein Lust-
haus auf einer Insel gewesen sein, ähnlich wie 1637 Gyger
und 1720 Nötzli es zeichneten (Fig. 7). Aus der Zeit des
Umbaus, der nach Götzinger auf 1760 fällt, besitzt das thur-
gauische Staatsarchiv einen Plan, auf dem das „Schlößl
Luxenburg“ im Lande drinnen vom ringförmigen Wassergraben
BE Ban
umgeben ist, der mit der westlich vorbeiziehenden Aach in
Zusammenhang steht. Demnach wäre also die Insel im 18. Jahr-
' hundert landfest geworden. 1836 gibt Sulzberger der Lux-
burg einen Abstand von 110 m vom Ufer, woraus sich ein
sehr rasches Fortschreiten der Verlandung ergeben würde. Da
jedoch die Reichsbodenpläne der thurgauischen Geometer im
Jahre 1878 den Abstand auf 78 m fixieren, sind jene 110 m
nur der Beweis dafür, daß Sulzberger seinen Aufnahmen eine
tiefere mittlere Wasserlinie zugrunde legte.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die
Aach, die bisher nördlich vom Schloßpark in Nordostlauf
den See erreicht hatte, direkt nach Norden durch das Schwemm-
land hindurch abgeleitet, wodurch der alte Lauf mehr und
mehr* zum Verschlammen und Verlanden gebracht wurde
(Fig. 2).
le
Lohrhausli_ F
Ba
Ev
AS
Fig.7. Luxhburg 1720.
(Nach der Kopie der Nötzlikarte von Dänicker.
—_ 6 —
Heute erstreckt sich zwischen der neuen und alten Aach
eine Insel mehrere 100 m weit in den See hinaus. Sie ist
dieht bewachsen mit Schilf und Sesgen und stark erhöht.
Längs der neuen Aach hat das Baugeschäft Züllig einen
Landungs- und Lagerplatz, hauptsächlich für Kies, errichtet,
und denselben durch eine die alte Aach abschneidende Straße
auch bei hohem Wasserstand zugänglich gemacht.
Am 20. März 1915 be-
ieh an
obachtete ich in der Aach- IM) m: .
mündung große Haufen % u m
kohlig geschwärztes Laub; a ZZ
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2
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vor derselben stauten sich DR :
Schwaden von Geniste,Ge- eG:
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gewordenen Buchecker- | mans örn.ıj) ns %
und Eichelbechern, Hasel- j Ws:
nußschalen und zerbro- FF. OS
chenen Aestchen, in dr E =, en,
Länge von gegen 50 m =
und einer Breite von2m. RSSI% Er
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Etwas höher ins Ufer L. a
hatten die Wellen kalk- EN N
reiches Geniste geworfen: INN II
Schneckenschalen, Phry- | N S
ganeenköcher, Trümmer | RSS Ss
von Quelltuff, untermischt NN AO
mit Coaksstückchen vom N & |
Romanshorner Hafen her. |: nn 5
Diese Massen werden ent- | /) er rad
eudsmesienenbeund "YYL
weder vom höher steigen-
den See ins nahe Schilf Fie 5 Romanshorn 1836.
geworfen das seine Rhi- (Nach der topogr. Karte von J. Sulzberger.)
: . J = Inseli, & = Gürtelstein.
zome entgegenschiebt, und
dienen so zur Erhöhung und Düngung des Rohrbodens, oder sie
werden in den umgebenden grauen Schlamm gebettet und fallen
dem Verkohlungsprozeß anheim, entsprechend der Entstehung
der von Schneckenkalk begleiteten Kohlennester in der thur-
gauischen Molasse.
Südöstlich von diesem Delta dehnt sich das Streueland
der Egnacher Bauern aus, und die durchschnittlich .3,5 m
a a
‘ übersteigenden Schilfrohre zeugen von dem fetten Schlamm-
boden.
Die vor dem Gewell des vorherrschenden Westwindes ge-
sehützten Buchten eignen sich auch am besten zur künst-
liehen Gewinnung von Neuland. Arbon, Romanshorn
und Kreuzlingen-Konstanz haben große Auffüllungen vor-
genommen. Südlich Arbon im Bahnhofquartier bis zur Aach-
mündung sind gegen
3 ha gewonnen wor-
den. InRomanshorn
ist das ganze Gebiet
von Bahnhof, Lager-
häusern und Werfte
aufgefüllter Seeboden
(Fig.9). Anderen Stelle
verzeichnet die Karte
von 1836 eine Bucht
(Fig. 8). Der Hafen,
der mit 7,51 ha Ober-
fläche der größte des
Bodensees ist, wurde
1840 — 44 vom Staate
Thurgau erstellt und
1855 —55 erweitert
durch die Nordostbahn-
gesellschaft (Boltshau-
ser, Seite 106--111).
In der Konstanzer
Bucht umfassen die
Auffüllungen vom drit-
ten Vierteldes19.Jahr-
Fig.9. Die Hafenbauten von Romanshorn. hunderts das Gebiet
(Nach den Plänen des thurg. Baudepartements des herrlichen Stadt-
in die Siegfriedkarte eingetragen.)
-----Hafenbaufe 1840
Hafenbaute1855.
gartens, des jetzigen
Hafens und des Bahnhofs, sowie in Fortsetzung auf Schweizer-
boden das Gelände der Seestraße bei der Badeanstalt (Fig. 1).
c. Der Rheinlauf Konstanz-Gottlieben.
Die Rheinstrecke Konstanz-Gottlieben unterscheidet sich
wegen des ruhigen Laufs und der ausgeglichenen Wasser-
führung nicht wesentlich vom Untersee.
5
et
Die niederen Ufer leiden an Durchtränkung, Unterspülung
und Abrutschung, weniger durch das vom Wind erzeugte als
durch das scharf aufprallende Gewell der Dampfschiffe.
Bei Konstanz war der Rheinabfluß durch Brücken- und
Mühlenbauten im 10. und besonders im 16. Jahrhundert ver-
engt und erschwert worden (Fig. 1), so daß dieselben allgemein
als Ursache der schädigenden Hochwasserstände im Bodensee
galten. Honsell (S. 60) schildert die Mühlenanlagen folgender-
maben:
Die Brücke, auf der ganzen Länge gedeckt, war äuberst
solide konstruiert; das an dieselbe auf der Westseite angebaute
Mühlwerk enthielt 13 Mahlgänge, eine Stammholzsäge, Schleif-
mühle, Lohschneide und ein Walkwerk. Die Wellbäume der
mächtigen Wasserräder waren zum Heben und Senken ein-
gerichtet. Der Wasserbau der Mühle bestand aus zwei nahezu
100 m langen, aus Pfahlwerk und Steinpackung konstruierten
Streichwehren, aus festen Verwandungen zwischen den Brücken-
jochen und gewaltigen Ziehschützen, hier Fallen genannt,
welche mittels Ketten und Sattelwellen von der Brücke aus
bewegt wurden.
Von der Fläche des Durchflußprofils, das beim höchsten
bekannten Wasserstande S04 m? maß, waren etwa 150 m?
durch feste Einbauten versperrt, und es konnten durch die
beweglichen Fallen weitere 133 m? abgeschlossen werden.
Letztere sollten nur bei den kleineren Wasserständen ver-
senkt werden; doch wurden sie in der Regel auch bei den
höhern Wasserständen in der Tiefe belassen, bis der See eine
sehadenbringende Höhe erreicht hatte. Dann konnte allerdings
durch Ziehen der Schützen der ganze Bodenseespiegel bis zu
30 em innerhalb 24 Stunden gesenkt werden. :
Zugunsten der Mühle war also der See hier ungebührlich
gestaut, und es mußten sich die Seeanwohner einfach in die
schädlichen Verhältnisse fügen; außerdem hinderten die
Schleusen die Wanderung der zum Laichen dem Untersee zu-
strebenden Gangfische u. dgl. Man begreift daher die allgemeine
Mißstimmung gegen die Rheinmühle zu Konstanz, und als
dieselbe am 1. Juni 1856 samt der Brücke abbrannte, bewirkte
die Vereinigung aller Bodenseeuferstaaten, dab von 1857 —1863
sämtliche Leit- und Stauwerke entfernt wurden. Damit glaubte
man nunmehr vor gefährlichen Hochwassern sicher zu sein.
en
Leider hat man sich getäuscht: Schon 1862 wies Legler
_ in seinem Bericht über die Abflußverhältnisse des Bodensees
darauf hin, daß der Rückstau vom Untersee die Erweiterung
-des Konstanzer Profils nicht zur Wirkung kommen lasse. Das
Heil müsse gesucht werden in einer Vertiefung der Rheinrinne
bei Stein, der dadurch erzeugten Senkung des Unterseespiegels
und vermehrten Gefälles im Konstanzer Rhein.
Die spätern Hochstände haben Legler recht gegeben: Der
nur 28 cm tiefer gelegene Untersee regiert den Wasser-
stand auch im Obersee.
Auch abgesehen von Brücke und Mühle ist selbstverständ-
lieh zwischen dem Uferbild der Stadt Konstanz in den
dreißiger Jahren und dem heutigen ein gewaltiger Unterschied
(Fig. und 25). Damals eine geschlossene Stadt, von Wall
und Wassergraben umgeben, 1830 mit nur 5584 Einwohnern
und geringem Verkehr, heute der offene Verkehrs- und Fremden-
- platz mit 27591 Einwohnern (1910). Die Wallgräben sind
zugefüllt. Den Rhein begleiten Villen und industrielle Werke.
- Am deutschen Ufer ist die Petershauser Seestraße eine Auf-
schüttung auf Strandboden; auf der linken Seite wurde das
frühere Sumpfland westlich vom Ziegelturm durch Auffüllung
getrocknet und erhöht, und bereits erwähnt ist das Neuland
von Stadtgarten, Hafen und Bahnhof.
Unterhalb Konstanz war das dieser Stadt gehörige auf
thurgauischem Boden gelegene Tägermoos 1836 noch ein
weites Sumpfgebiet (auf Seekreide!); heute ist es durch sechs
parallele dem Rhein zugehende Gräben entwässert und von
vier ebenfalls dem Strom zustrebenden Parallelstraßsen durch-
zogen.
Verschiedene Uferveränderungen im verflossenen Jahr-
hundert, die sich durch Vergleichen der Karten von Sulz-
berger und Siegfried ergeben, sind in der Wirklichkeit nicht
begründet. Die Zeichnung Sulzbergers kann unmöglich richtig
' sein: Vergleiche z.B. die Vertauschung der beiden Inseln
Langenrain und Kleines Bohl, sowie Sulzbergers Landvorsprung
westlich Gottlieben an Stelle der Seebucht.
In Gottlieben selber datiert die letzte große Veränderung
vom 24. Februar 1692, da drei Häuser in den Rhein fielen,
worauf ein aus mehr als 700 Eichen- und Fichtenstäimmen
zusammengesetzter Rost und Damm der Gewalt des Stromes
ae
entgegengestellt wurde. Dieser hat bis jetzt standgehalten.
(Pupikofer, Geschichte II, S. 702—705.) En
Oberhalb und unterhalb Gottlieben sind heute je 150 m
des Ufers durch Mauern zu schützen.
Eine kleine Veränderung bedeutete auch die 1876 erfolgte
Abdämmung der sichelförmig ins Land eindringenden Rhein-
bucht zur Aufnahme von Jungfischen. (Mitteilung von Herrn
Sekundarlehrer Schoop.)
d. Das Unterseeufer.
Die Bäche vom Seerücken besitzen viel mehr Stoßkraft
als diejenigen vom Oberthurgau. Jeder derselben bildet tief
eingeschnittene Tobel und ein großes Delta, ein „Horn“,
wie die Fischer jeden Landvorsprung nennen, wodurch das
Unterseeufer mit Buchten und Vorsprüngen eine reiche, reifere
Gliederung aufweist als diejenige des ÖObersees. Auf diese
Schwemmkegel sind die Siedlungen beschränkt, da im steilern
Hinterland der Buchten oder „Bügen“ selten Raum für ein
Haus, geschweige für ein Dorf ist. Man zählt 16 solcher
Hörner.
Die Erosion der Ufer wird vorzüglich vom Westwind,
im östlichen Teile vom Nordwestwind besorgt, weshalb in
erster Linie die Nordwestseite der Hörner dessen Angriff
unterliegt: In Feldbach, Steckborn, Berlingen, Mannenbach
und Ermatingen sind die Nordwestseiten schon auf der Karte
von 1890 mit Mauern eingefaßt. Ein typisches Beispiel für
diese Abtragung der Hörner auf der Windseite bietet die
kleine Halbinsel „im Böschen“ nordöstlich Arenenberg. Nach
den Mitteilungen von Herrn Engeli war noch vor 40 Jahren
dieses „Horn“ bedeutend breiter und erstreckte sich weiter
in den See hinaus; es sind an seiner Westseite lange Aecker,
die einst hier lagen, verschwunden, d.h. infolge des Wellen-
schlags durch Nordwestwinde weggefressen worden. Ein Besitzer
des Bodens hat dann sein Land durch Pfähle mit Steinhinter-
füllung geschützt. Im Norden ist ebenfalls ein Landstreifen
nach dem andern weggeschwemmt worden, und die gewaltigen
Weidenbäume (Olber), die einst am Ufer standen, sind dann
noch einige Zeit im See als Landzeugen stehen geblieben, bis
sie entwurzelt umsanken. Heute ist das Land durch feste
Seemauern vor weiterer Zerstörung geschützt.
Sr AO ze
Wo natürlicherweise oder künstlich die Bachmündung von
‚der Spitze des Horns auf seine Westseite verlegt ist (Triboltingen,
Ermatingen, Mannenbach, Berlingen, Steckborn, Feldbach,
Glarisegg, Eschenz), setzen sich die vom Bache gebrachten
Sedimente der Abtragung entgegen, so daß unter günstigen
Umständen hier sogar Auffüllung stattfinden kann. „In
Ermatingen wurde die Verlegung des Dorfbaches veranlaßt
durch die Ueberschwemmungen des Staads im Jahre 1860.
Er erhielt ein vertieftes, im Bogen nach Westen abbiegendes
Bett, das nunmehr auch bei starker Hochflut die Wassermenge
bewältigt. Durch den vom Bach gebrachten „Trueb“ wird
jetzt der „Bügen“ versandet. Als dort im Winter 1912/13
Erde entnommen wurde zur Hinterfüllung der neuen Seemauer,
ließem sich die in den verschiedenen Jahren abgelagerten
Schichten, durch Blätterlagen getrennt, deutlich unterscheiden.
Während früher das Wasser bis hart ans Ufer reichte, wo
man sogar eine lange Reihe von Pappeln zum Schutze der
sich dort hinziehenden Straße pflanzte, befindet sich jetzt an
gleicher Stelle eine Schilfkolonie, ein „Rohrschachen“, die der
beste Schutz des Ufers ist, und auch da schreitet die Verlandung
immer weiter fort, namentlich weil man auch den Abraum
. des Dorfes dorthin führt.“ (Engeli.)
Die Verlegung des Bachauslaufes nach Westen hin hindert
auch die weitere Ausdehnung der Hörner in den See hinaus,
was in Berlingen, Mannenbach und Ermatingen betreffend
Landungsplatz für die Dampischiffe von Bedeutung ist, beim
Eschenzerhorn für das Offenhalten des Rheinabflusses. Auf
der Ostseite der „Hörner“ beherbergt der Hintergrund des
„Bügen“ meist einen „Rohrschachen“, ein Phragmitetum, wo
sich zwischen Schilf und Binsen das leichte Schwemmmaterial
sammelt, das der Westwind in einem Uferstrom um die Hörner
herum treibt. In welch hohem Maße Schlammtransport und
Ablagerung vor sich gehen, ist z. B. östlich Mannenbach zu
beobachten, wo fetter Schlick den Boden bildet, der bei
niederem Wasserstand das Baden unangenehm gestaltet
(Sommer 1911). \
Die Insel Reichenau ist an ihrem Südostufer durch zahlreiche
Buhnen (Wehrsteden) gegen den scharfen durch Westwind
erzeusten Wellenschlag geschützt. Solche „Stedili*, senkrecht
oder schief gegen die Strömung gestellte kurze Dämme, findet
-
ee
man ebenfalls da und dort, wenn auch nicht häufig, am
thurgauischen Ufer, i
Leider ist für den Nachweis der Aenderung in Kleinformen,
wie sie die Uferanbrüche und Verlandungen im Zeitraume von
80 Jahren darstellen, die Vergleichung der topographischen
Karten von 1836 und 1891/1906 wenig ergiebig. Aenderungen
Siechenha
Wachthütte
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Fig. 10. Eschenzer Horn und Stiegener Enge im Jahre 1727.
(Nach dem Plan des Klosters St. Jörgen zu Stein.)
sind zwar zahlreich zu entdecken und einige stimmen auch mit
den Erfahrungen der Jetztzeit, wie z.B. die Anschwemmungen
am Langhorn-Neuburg und die Abtragung bei Schweizerland-
Steekborn und im Böschen-Arenenberg; weitaus die meisten
sind unwahrscheinlich — vielleieht auf Zeichnung bei ver-
schiedenen Wasserständen zurückzuführen.
Ein besseres Kriterium bilden die Klagen der Anwohner
über Landverlust und die darauf basierenden Uferschutzbauten.
Da in der Ebene am See verhältnismäßig wenig Kultur-
Ft
land vorhanden ist, war dieses von jeher wertvoll; es rentierten
sich Opfer für dessen Erhaltung. Das thurgauische Neujahrs-
blatt für 1830 rühmt von der Unterseegegend: „Da die
Ufer eingedämmt und meist 2—3 Schuh hoch aufgemauert
sind, findet der Wanderer überall einladende Ruheplätzchen.*
Sulzberger hat diese Seemauern nicht aufgenommen; die
topographische Karte von 1891 aber verzeichnet zwischen
Cemems
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Fig. 11. Eschenzer Horn und Stiegener Enge im Jahre 1759.
(Nach dem Freudenfelser Herrschaftsplan.)
Eschenz und Triboltingen 7 km derselben, fast ununterbrochen
von Feldbach bis Mannenbach. Eür die bereits erwähnten
drei Bauperioden der Jetztzeit sind mit kantonaler und eid-
genössischer Hülfe weitere 4.2 km vorgesehen, allein im
Gebiete von Mammern 2,67 km. Hiebei handelt es sich viel-
fach um Reparatur von früher unzulänglich erstellten Schutz-
bauten.
AD
e. Der Rheinlauf Stiegen-Schaffhausen.
Der Rheinlauf beginnt bei der sog. Stiegener Enge, wo
die Schwemmkegel der Bäche von Eschenz und Stiegen
den See einschnüren. Hier ist die vielbesprochene Stelle, wo
die Steigerung der Hochwasser des Sees ihre Ursache haben
soll im Vorwärtsdrängen der beiden Deltas und in der all-
mählichen Erhöhung der ostseitigen Barre durch pflanzliche
Kalkbildungen.
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400 Meter
Sulzberger I832
Fig. 12. Eschenzer Horn und Stiegener Enge im Jahre 1832.
(Nach einem Plan von J. Sulzberger im thurgauischen Staatsarchiv.)
Wir haben zu untersuchen, ob diese beiden Faktoren in
den letzten 100—200 Jahren derart tätig waren, daß sie die
behauptete Wirkung haben konnten.
1. Die Schwemmkegel der Stiegener Enge.
Vergleichen wir nur die topographischen Karten in 1:25000
von 1836, 1880 und 1901, so ergibt sich folgendes Resultat:
a
- Auf der Karte von 1836 mißt die Enge 150 m; das
Esehenzer Horn ist stumpf kegelförmig mit der Bachmündung
an der Spitze. Die Aufnahme von 1879/80 zeigt es mehr
zugespitzt; die Enge ist 110 m, die Bachmündung an gleicher
Stelle. Die Karte von 1901 hat die Hornspitze in gerader
Ostwest-Linie abgestutzt, den Bachauslauf nach Westen verlegt
und das Profil auf 210 m erweitert. Auch in Stiegen ist jetzt
der Bach nach: Westen abgeleitet.
NM Honsell 4879.
Fig. 13. Eschenzer Horn und Stiegener Enge im Jahre 1379.
(Aus Honsell, Der Bodensee, Blatt II.)
Von 1836 —1880 hätte im Rheinauslauf eine Verengung
von 40 m und damit eine Vergrößerung der Hochwassergefahr,
von 1880—1901 eine Erweiterung um 100 m und damit
eine Verkleinerung der Gefahr stattgefunden. Die tatsächlich
eingetretenen Seehochstände (1849, 1851, 1876, 1890 und
1910) haben hievon nichts merken lassen. In der Tat hat
auch eine Vergleichung genauerer Pläne der Stiegener Enge
ein wesentlich anderes Ergebnis.
are
Auf dem im Stiftsarchiv Einsiedeln befindlichen „Grund-
riß der oberen Marken der oberen Fischenz des Amtes
St. Jörgen zu Stein, verfertigt Anno 1727“ (1:2655)
ist die Enge mit 150 m bei Mittelwasser, mit 110 m bei
winterlichem Tiefstande angegeben. Der Bach mündet auf der
Ostseite (Fig. 10).
Auf dem „Grundriß beider Herrschaften Freuden-
fels und Eschenz“ von 1759 in 1:1920 mißt die Enge
121 m, ebenfalls mit Bachmündung im Osten (Fig. 11). Auf
einem Sulzbergerschen Plan von 1832 in 1: 3226 fließt der
- Bach an der Spitze aus. Der Abstand der Ufer ist 128 m,
derjenige der Kiesbänke 118 m (Fig. 12). Honsells Plan aus
der zweiten Hälfte der 70er Jahre in 1:5000 (Fig. 13) er-
zeigt für die Enge 135 m nach der künstlichen Entfernung
der Kiesbank.
Ich getraue mich nicht, die Maßzahlen der drei älteren
Pläne für einwandfrei zu nehmen, da man nicht voraussetzen
darf, daß die Messungen der Geometer so genau geführt wurden,
wie diejenigen Honsells, der mit besonderer Aufmerksamkeit
diese wichtige Stelle aufgenommen hat. Ich kann darum auch
nieht entscheiden, ob und in welchem Maße eine Verengung
bei Stiegen stattgefunden habe. Die Verlegung des Bach-
ausflusses an die Hornspitze hat jedenfalls etwelche lokale
Aufschüttung bewirkt; aber sie ist nicht bedeutend und von
1832 —1876 ungefähr gleich geblieben.
Auf-alle Fälle sind die durch die Karten erzeigten Ver-
änderungen an Schwemmkegeln und Flußenge nicht geeignet,
eine Zunahme der Hochwassergefahr in den letzten 200 Jahren
‘zu begründen. Dies stimmt vollständig mit den Schlüssen
Honsells: Nach seiner hydrologischen Studie (8. 73) reichte
der See ursprünglich bis in die Gegend der Steiner Brücke.
Die jetzigen drei Inseln waren Kalkkiesbänke, wie sie im
Untersee häufig sind, die nur bei Niederwasser hervortraten.
Durch das allmähliche Vorschieben der Bach-Schwemmkegel
von Eschenz und Stiegen wurde das untere Seestück abgesehnürt
und dessen Spiegel wegen des raschern Ablaufs etwas gesenkt,
so daß in der Stiegener Enge ein Gefäll entstand. Jetzt
traten die drei Kiesbänke als Inseln zutage. Zum vollständigen
Seeschluß aber konnte es nicht kommen, weil bei stärkerer
Verengung Gefäll und Strömung stark genug wurden, um
TER:
durch Verfrachtung der frischen Anlagerung in den untern
Seekessel das Profil offen zu halten. Dieser noch heute dauernde
Zustand muß schon im 8. Jahrhundert bestanden haben, da
damals Abt Otmar von St. Gallen (7 759) auf die Insel Werd
verbannt wurde, wo ihm jedenfalls ein Haus zur Verfügung
stand.
Die Frage, ob durch allmähliches Verengen des See-
ablaufes bei Stiegen der Untersee gestaut und die Hochwasser-
gefahr größer werde, beantwortet sich somit auch aus diesem
Grunde durch ein entschiedenes Nein.
Die fernere Frage, ob durch Erweitern der Stiegener
Enge der Seeabfluß beschleunigt, die Hochwassergefahr ver-
kleirert werden könne, ist durch wiederholte Abgrabungen
zu lösen versucht worden:
1) Infolge der Hochwasserkalamität von 1876 wurden etwa
400 m? schweren Gerölles von der Mündung des
Eschenzerbaches künstlich entfernt. Nach Ausweis
der Querprofile unterstützte die Strömung die Arbeit
derart, daß nach der künstlichen Auflockerung der
Massen die Ablagerung um mehr als 1000 m? abnahm
(Honsell, 8. 74).
2) 1891/92 (Legler, S. 63) wurde vom Thurgau mit Unter-
- stützung des Bundes das Durchlaßprofil für Hochwasser
durch Abtragung des. Eschenzer Horns um !/; m auf
250 m verbreitert, gleichzeitig auch durch Ableitung des
Baches nach Westen dafür gesorgt, daß der Schwemm-
kegel sich nieht mehr in den Rheinlauf hinein ver-
größern kann. Die Tobelverbauung Bornhausen-Eschenz
veranlaßte überdies die Zurückhaltung der Geschiebe
im Einzugsgebiet, und auf der badischen Seite war der
Stiegener Bach schon 1880 auf die Westseite des Hornes
verlegt worden.
Beide Seanlsern ern engen hatten keinen befriedigenden
Erfolg, so daß ein uch Projekt vom Jahre 1910, ralelns
eine noch größere Verbreiterung vorsah, von alas Bundes-
behörden nicht genehmigt wurde, hauptsächlich deshalb, weil
mittlerweile die Erkenntnis durchdrang, daß Abgrabungen
bei Eschenz ohne gleichzeitige Profilerweiterung
bei Stein nicht zur Geltung kommen können (Bob-
hard, Gutachten, $. 27).
ae
2. Die Tuffbildungen.
In der Abflußrinne des Rheins, sowohl bei Konstanz wie
bei Stein, ziehen eigentümliche Kalkbildungen die Aufmerk-
samkeit auf sich (Leiner, S$. 87, Honsell, S. 49, Baumann, $. 26).
Es sind Knollen von Nuß- bis über Kopfgröße, aus porösem,
kohlensaurem Kalk bestehend, mit einem Stein, einer Muschel-
schale und dergl. als Kern. Der Durchschnitt zeigt jahrring-
artige Schichtung, und zahlreiche unregelmäßige Base durch-
nel das Gebilde. Die badeschwammähnlichen Knollen sitzen
den Erhöhungen des Grundes auf und bilden ganze Bänke.
Sie überziehen den Seeletten der Untiefen im Alentrain ober-
halb der Rheinbrücke in Konstanz und finden sich auch im
Rhein bis unterhalb Gottlieben. Sie bekleiden die Barren
zwischen Oberstaad und Stiegen und fehlen nicht bei den
Werdinseln und im Rheinbette von Stein bis gegen Bibern.
Die Barren vor den Rheinausflüssen verdanken ihre Ent-
stehung- dem Auftrieb des Tiefenwassers durch den vor-
herrschenden Westwind. Dieser bläst im ruhigen See das ober-
flächliche Wasser ostwärts und verursacht dadurch Auftrieb
kalten Bodenwassers, das Schlamm mitbringt und ihn teil-
weise hier ablagert.!
Die barrenartigen Rücken setzen dem Abfließen des Wassers
Widerstand entgegen, stauen es lokal und veranlassen leb-
haftere Strömung. Diese ist dann dem Wachstum gewisser
Algen (Rivularia haematites Ag., Rivularia Biasolettiana Men.,
Homoeothrix juliana Kirchn. und dergleichen) günstig, die
ihren großen Kohlensäurebedarf dem fließenden, stets wechseln-
den Wasser entziehen und sich mit dem dabei als Folge des
Kohlensäureentzuges ausfallenden Kalk inkrustieren. Die
Algenpolster erzeugen nach und nach die Tuffknollen, und
diese erhöhen ihrerseits die Barre. Die hierdurch vergrößerte
Stauung und Strömung vermehren wieder die Algenvegetation,
bis die Bänke beim winterlichen Niederwasser an die Luft
ı Es ist eine dem Bodenseefischer wohlbekannte Tatsache, daß das
untere Wasser, die „Rus“, dem herrschenden Winde entgegentreibt
und seine Schwebnetzsätze weithin versetzt. Er behauptet auch, daß
Fischnahrung und Fische deshalb den Zug nach Westen und in den
Ueberlingersee hinein haben.
In der Seebadeanstalt Konstanz wird das Wasser unangenehm
kühl, sobald der Westwind anhebt.
N
vortreten, wo sie durch den Frost zermürbt werden und in
leicht zerreibbaren Grus zerfallen, der zum Teil durch Wind
und wiederkehrendes Wasser entführt wird, zum Teil den
Grund zwischen den Knollen erfüllt.
Das, Wachstum der Tuffbänke hat also seine Grenzen im
winterlichen Tiefstand der Gewässer und da der letztere nur
wenig schwankt und ein extremes Jahr auf einmal wieder
gut macht, wenn etwa in andern Wintern die Gebilde zu
sroß wurden, so kann von einem fortwährenden Erhöhen
des Rheingrundes durch diese vegetabilischen Steine nicht
- wohl die Rede sein. In der Tat kommen die technischen
Experten für die Bodenseeregulierung zu dem Schlusse, daß
Barren und Tuffbänke schon seit langen Jahr-
hunderten so wie heute bestehen, ebenso die
Schwemmkegel von Eschenz und Stiegen. Die Be-
schaffenheit der Seeufer und ihre Besiedelung sprechen deutlich
dagegen, daß eine Hebung des Seespiegels infolge eines ver-
engten Seeabflusses stattgefunden habe (Boßhard, Gutachten,
Seite 27.)
Aehnliches wie von der Unterseeausmündung ist zu sagen
vom Rheinlauf Stein-Schaffhausen. Speziell die Enge
von Hemishofen, wo durch das Delta des Waldbaches der
Rhein auf 80 m sich verschmälert und das Gefälle auf 1.32 %/o,
steigt (gegen 0,27 °/oo mittleres Gefälle von Stiegen bis
Schupfen), erhält sich als dauernder Gleichgewichtszustand,
und es werden allfällige Neuanschwemmungen durch ver-
stärkte Strömung wieder selbsttätig entfernt.
Auch alle die Seichtstellen im Rheinbett, welche
mit Schiffahrtszeichen besteckt vor Annäherung warnen, sind
schon alt. Der Honsellsche Plan (Tafel 2 und 3) fixiert die-
selben für 1879 von Stiegen bis Schupfen mit Tiefenkurven ;
' der Hanhartsche Plan von 1770 bezeichnet mit roten Sternchen
diejenigen zwischen Bibern und Paradies. Er macht durch
eine Note besonders aufmerksam auf die Untiefe beim Scharen:
„Diese letztere Fläche ist darum zu bemerken, weilen selbige
eine weite Strecke eben und gleich fortläuft, so daß man
bei sehr kleinem Rhein zu Pferd hinübersetzen könnte, zu-
malen dann auch die großen beladenen Lindauer Schiff ihre
volle Ladung nicht können aufnehmen, sondern sie muß auf
kleinere Fahrzeuge gebracht werden.“
3. Erratiker im Strombkett.
Die erwähnten Pläne sind auch Dokumente für die Lage
der von alters her gefürchteten sog. „Felsen“ im Rhein
(Früh, Erratische Blöcke, Seite 16). Fig. 14.
1) Der oberste ist der Wucherstein, 500 m unterhalb
der Mündung des Waldbaches von Hemishofen, mitten
im Rhein, mit Schiffahrtszeichen versehen (Granit?);
2) der Fahrkopf, zirka 230 m unterhalb des Wuchersteins,
3)
4)
ebenfalls in der Rheinmitte und mit Schiffahrtszeichen
Fig. 14. Die Felsen im Rhein.
(Auf Blatt 48 des topographischen Atlas, 1912.)
besteckt, ist — wenigstens oberflächlich — wohl Kalk-
tuffbildung;
der Wellenstein bei der Bibermühle (nach Hanhart).
Hier treten bei Niederwasser felsige Bänke zutage.
Die Dampfbootverwaltung hält sie für Nagelfluhfelsen.
Das Rheingefälle ist hier 1,14 °/oo (Honsell);
der Salzfresser, dicht unterhalb der Stelle, wo die
Gemeindegrenze Dießenhofen-Rheinklingen die Landes-
grenze trifft, war ein granitischer Findling. Er wurde
in den 70er Jahren durch die Dampfbootgesellschaft
gesprengt. Ein dort zerschelltes Salzschiff soll ihm den
Namen verschafft haben.
Honsell, der dem Stein nicht mehr selber gesehen
hat, zeichnet ihn zirka 350 m westlicher als Hanhart,
dessen Darstellung wohl die richtigere sein dürfte;
5) der Gaißmeier, zirka 50 m oberhalb des ehemaligen
badischen Försterhauses Gaißhütte, ein Findling aus
grünem Gestein (Albulagranit?) wurde in den 50er
Jahren, weil schiffahrtsgefährlich, gesprengt. Das un-
glückliche Apfelschiff, welches ihn zum „Aptelfresser“
umtaufen ließ, wurde erst nach 1770 von seinem Schicksal
erreicht, da Hanhart den Namen noch nicht braucht;
6) der Hattinger Stein, ein hellfarbiger Granit, in der
Laag (Lach — Looch —= Grenzzeichen) unterhalb
Dießenhofen, etwa 30 m vom rechten Ufer, trägt eine
"bei Niederwasser sichtbare Inschrift. Er wurde als
Grenzstein benutzt zwischen dem nellenburgischen, jetzt
badischen Büsinger Gebiet und der Schweiz.
Nach dem schaffhausisch-badischen Grenzvertrag von
1843 ist er gegen Mittag mit VI B1780 und gegen
Mitternacht mit Nr. 79 und dem Nellenburger Wappen
bezeichnet. Im thurgauischen Kantonsarchiv ist eine
Skizze des Steins mit der Inschrift
VN
- NB 1780
4. Angriff der Ufer durch Wellenschlag.
In bezug auf die Rheinufer versagt unsere Sulzberger-
karte: der Rheinlauf Stein-Dießenhofen ist eine der schwächsten
Stellen derselben. Veränderungen lassen sich indes durch
ältere Karten (Gyger, Merian, Hanhart) und durch die Klagen
der Rheinanwohner über Uferabbrüche seit Einführung der
Dampfschiffahrt feststellen.
Es handelt sich nur um Kleinformen: Die Gygerkarte
(1667) zeichnet zwei langgestreckte, schmale Rheinbuchten
(ehemalige Altwasser?) _westlich Scharenwiese gegenüber
Büsingen und östlich Paradies. Die letztere war 1770 stark
verkleinert, 1838 verlandet; die erstere scheint schon 1770
zu Sumpf geworden zu sein.
Im Gries (Mündungstrichter des Geißlibaches) bei Dießen-
hofen enthalten die alten Karten neben dem jetzt noch be-
stehenden Weiher beim alten Schützenhaus noch einen kleinen
ER
auf der Nordostseite der Halbinsel, der offenbar als Boots-
hafen diente. 1860 war dessen Ostwand bereits durchbrochen,
der nördliche Uferdamm zum Inselchen geworden. Ein anderer
kleiner Hafen im Baumgarten des Unterhof mit Zugang vom
Gries her auf dem Merianschen Stadtplan (Fig. 24) ist Han-
hart nicht mehr bekannt.
Die Dampfschiffahrt auf dem Rheine datiert von 1825,
und bis in die 40er Jahre hinein wurde wöchentlich eine
Tour Konstanz-Schaffhausen und umgekehrt ausgeführt, sofern
nicht niedriger Wasserstand das Fahren gefährlich und hoher
das Passieren der Brücken unmöglich machte.
Von 1846 an gab es tägliche Fahrten; aber es scheint,
daß die Dießenhofer am neuen Verkehrsmittel nicht die richtige
Freude hatten.
In bis dahin ungewohnter Weise nagten nämlich die Wellen
an den altersmorschen Mauern des Städtehens und sonst überall
an dem ans Wasser stoßenden Kulturland, so daß die Dampf-
schiffe mit ihren Wellen verwünscht wurden. Wohl mit einiger
Uebertreibung behauptet 1854 der Verwaltungsrat von Dießen-
hofen (Akten betreffend das Gesuch der Schweiz. Dampfboot
A.-G., 8. 22): „Viele Jucharten fruchtbaren, um bedeutende
Summen angekauften Bodens haben die Dampfschiffe nicht
unmittelbar, aber mittelbar durch den Wellenschlag fortgerissen,
und eine ebenso große Zahl geht dem sichern Untergange in
naher Zukunft entgegen.“ Er fordert Schadenersatz von der
Gesellschaft oder Abstellung des Uebels durch Verbot des
Dampftschiffbetriebs.
Die Dampfbootgesellschaft stellte den Uferschaden nicht
in Abrede, lehnte jedoch die Entschädigungspflicht ab, weil
sonst die Benützung der Wasserstraßen einfach unmöglich
würde, und dann auch, weil die Erhebung von Wasserzöllen
für die Benützung des Stromes umgekehrt auch verpflichte,
für den nötigen Ufersehutz zu sorgen (Akten $. 36/37). Die
Gesellschaft ist schließlich mit ihrer Ansicht durchgedrungen ;
die Dampfschiffahrt hat sich entwickelt und der Uferschaden
bis in unsere Tage solche Dimensionen angenommen, daß
zurzeit vom kantonalen Bauamt am thurgauischen Rheinufer
5900 m schutzbedürftig erklärt sind. Davon waren bis Ende
1913 1293 m bereits verbaut.
Seit Bund und Kanton einen großen Teil der Verbauungs-
Sal
kosten auf sich nehmen, lassen sich auch die Anstößer zu
Opfern herbei.
Früher aber war das letztere nur ausnahmsweise der: Fall,
und das stete Gehenlassen ließ den Schaden so gewaltig an-
sehwellen. u
Im Gegensatz zum Unterseeufer stößt nämlich zwischen
Wagenhausen und Paradies meist stark geböschtes und wenig
wertvolles Land an den Rhein, und die Anstößer unterließen
daher mit wenigen Ausnahmen jeglichen Uferschutz, so daß
die Wellen freies Spiel hatten. Besonders stark ist der Ab-
bruch am Hochufer, wenn an dessen Hang Grundwasser hervor-
drückt (Rodenbrunnen). Hier brechen die unterwaschenen Ufer
auf 10-20 m weit nach. Der Schälterweg, der zum Auf-
_ wärtsfiehen der großen und kleinen Segelschiffe von Dießen-
hofen bis Wagenhausen angetrieben war, ist total verschwunden,
und es berührt eigentümlich, daß in der Ortsgemeinderechnung
Dießenhofen bis in die jüngste Zeit (1908) ein ständiger Posten
— Kapital zum Unterhalt des Schälterweges 1000 Fr. —
figurierte, während doch mindestens seit 50 Jahren, da die
Sehälterei aufgehört hat, nichts mehr für den Weg getan
wurde.
; Noch in den 70er Jahren war die „Rheinwiese“ ober-
halb der Rheinsäge gegen den Fluß durch Haselstauden ab-
gegrenzt, die das Hochufer zusammen hielten. Diese sind
sämtlich abgestürzt und weggeschwemmt, und ähnlich ist- es
oberhalb Schupfen.
Im Rodenbrunnen, östlich Dießenhofen, bei der ehe-
maligen Knabenbadanstalt, ist das Ufer unter Mithülfe der Erd-
und Schlammarbeiten der badenden Jungen um volle 6 m zurück-
gewichen und durch Hinterspülung das ehemalige 20 m lange
Schutzmäuerchen des westlichen Anstößers mit den daran ge-
pflanzten Pappeln gefallen. Die Trümmer liegen 7—10 m vom
Ufer weg zerstreut, und die 1913 erstellte solide Schutzmauer
hat einen Abstand von 4—7 m landeinwärts. Einzelne große
Bäume am ehemaligen Ufer sind jetzt isoliert 3—4 m von
demselben, mit ihm noch durch schmale Erdbrücken verbunden.
Wo aber oberhalb dieser Stelle ein früherer Anstößer sein
Bord mit Weiden und Pfählen schützte, ist dasselbe ziemlich
erhalten geblieben, ebenso das künstlich mit Gesträuch besetzte
Ufer bei der Schupfer Bleiche. Fortwährender Unterhalt hat
6
ge.
auch westlich Dießenhofen längs des Klostergebietes größere
Abspülung vermieden.
Am Rheinknie gegenüber Büsingen, der botanisch berühmten
Scharenwiese entlang, ist die Wellenerosion ebenfalls er-
giebig, besonders seitdem der Landungssteg von Büsingen ost-
wärts verlegt wurde und ein Ruderklub den obern Teil der
Wiese benutzt. In der Nähe der Rheinbiegung ist der fest-
verfilzte Rasen stark unterspült und sinkt schwadenweise ein,
am Rande nach und nach in Schollen zerfallend.
B. Die Flüsse im Innern des Kantons.
a. Die Thur.
1. Das Kartenbild.
Während Nötzli der Thur einen ausgeglichenen Lauf
zeichnet ähnlich dem Dießenhofer Rhein und nur durch die
Auwälder und das Fehlen der Siedlungen an ihren Ufern
die wahre Natur des Wildwassers ahnen läßt, erscheint bei
Gyger der Thurlauf richtigerweise als ein Netzwerk von Wasser-
adern, die stellenweise weit ausgreifen und zahlreiche Kies-
inseln umschließen.
Im wesentlichen die gleichen Verhältnisse kartieren die
Herrschaftspläne von Neunforn 1730 und Ittingen 1743, die
Thurlaufkarte Breitingers 1811 und die topographische Karte
Sulzbergers. Da aber bei jedem Hochwasser sich die Fluß-
schlingen änderten, zeigen die verschiedenen Karten jeweilen
total andere Bilder, so daß man den Fluß nicht wieder er-
kennen könnte, wenn nicht die Uferorte sich gleich geblieben
wären (Fig. 15—17).
Als Haupttummelplatz der trüben Wasser erscheint natur-
gemäß der flache Boden des ehemaligen Frauenfelder Sees
von Hasli bis Ossingen mit einer Breite von 2!/g km. Ueber-
schwemmungsgebiete sind auch die Alluvialebenen von Kradolf
bis Bürglen und von da bis Wigoltingen, die auf der Gyger-
karte keinen Platz mehr fanden. Sie kennzeichnen sich durch
Stromteilung, durch Kieslager und Auwald („Staudenland*“),
durch verschleppte oder auf erhöhtem Bett zulaufende Seiten-
bäche.
Die eidgenössische topographische Karte von 1880
zeigt bereits das normalisierte Thurbett, neben demselben aber
Bau
noch die Kiesbänke der alten Serpentinen mit ihren sperrenden
‚ Traversen (Pfyn-Warth). In den Wieden bei Pfyn und süd-
' lieh Grünegg sind Altwasser, und die Bäche oberhalb Eschikofen
haben noch ihre alten Einläufe.
Die Ausgabe von 1891 enthält die Hochwasserdämme
und Binnenkanäle von Eschikofen abwärts. Die Bäche haben
die heutigen Einläufe; nur der linksseitige Binnenkanal wird
oberhalb der Rohrer Brücke noch in ein Altwasser der Thur
geleitet. Die Altwasser bei Pfyn sind größtenteils verlandet.
Die Ausgabe von 1909 zeigt keine großen Aenderungen
mehr: Oberhalb des Murgeinlaufes mündet der normalisierte
Binnenkanal.
#2, Ueberschwemmung und Korrektion.
Die Thur hat ein weites Einzugsgebiet, das sich über
den Alpstein auf die Kurfirsten hin erstreckt. Föhn nach
starkem Schneefall, Gewitter und längeres Regenwetter in
den Bergen und dem Vorlande erzeugen mächtige Hochfluten,
so daß bis in die neueste Zeit jeweilen das flache Thurtal
zu einem trüben, wogenden See wurde, der nach Stunden
oder Tagen zurückging, aber die Fluren mit lehmigem Schlamm
bedeekt oder mit Kies und Sand überführt zurückließ.
Am Neujahrstage 1605 lief das Wasser in der Mühle zu
Hasli zum Stubenfenster hinein, und 1651 am Andreastag
konnte man von Eschikofen über die Thur hin bis nach dem
Rain von Wigoltingen zu Schiffe gelangen (Kappelers Chronik
von Frauenfeld).
1789 fuhr man von der Farb unter der Linde zu Wein-
felden in einem Schiffe über das Sangerfeld nach der Mühle.
Gleichzeitig riß das Wasser die Thurbrücke fort.
1817 setzte die Thur die Kornzelge im Sangerfeld bis
zum Lindenplatz hinein unter Wasser (Weinfelder Chronik).
Da aber immerhin ganz große Fluten selten sind (1664,
1755, 1789, 1851, 1876, 1881, 1883, 1910, Geogr. Lexikon),
wurde der Mensch in seinem Landhunger durch das frucht-
bare Schwemmland verleitet, die Kulturen ins Stromgebiet
hinein vorzuschieben, und so mußten außergewöhnliche Hoch-
' wasser stets katastrophal werden.
An Anstrengungen, den Ueberschwemmungen des Kultur-
landes zu steuern und den Fluß dauernd in Schranken zu
an
halten, hat es nie gefehlt; aber es mangelte jedes Zusammen-
arbeiten der verschiedenen Anstößer. Jeder wehrte nur für
sich, unbekümmert darum, ob durch seine Arbeit die Nachbarn
nen und unten Nutzen edler. Schaden erfuhren, und so fehlte
jeder nachhaltige Erfolg (Fig. 15).
Eine gute Illustration zu diesen frühern Wuhrungen gibt
die Sage vom Grafen von Thurberg:
Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts war der Thurlauf
von Bürglen an derart, daß mindestens ein Arm desselben
über Mauren, Hard, Weinfelden dem Fuße des Ottenbergs
folgte. Die Herren von Thurberg und Bürglen sollen dann
rücksichtslos gegen andere, nur für das eigene Besitztum
bedacht, mit Wuhren und Dämmen den Fluß ins heutige
Bett gezwungen haben. Unter zwei Brüdern Oetli erstellten
die schwergeschädigten Einwohner von Bußnang, Rothenhausen
und Amlikon zu ihrem Schutze den linksseitigen Thurdamm.
Daß der Kern der Sage richtig ist, wird durch folgende
Tatsachen erhärtet:
1. hat sich Weinfelden trotz seiner günstigen Lage erst
vom 13. Jahrhundert an entwickelt;
2. reden alte Kaufbriefe von einer Kapelle, die oberhalb
des Wirtshauses zur Sonne stand, sie liege an der Thur;
3. fand man 1836 beim Bau eines Pumpbrunnens in
Untergontershofen Pfähle und Balken von einem Wuhr;
4. sind die Flurnamen! Steinacht, Wasserschaft, Aeuli,
Egelsee, Schiflände, Rohracker, sowie der Ortsname
Unterthuren und die Bezeichnung „Gießen“ nicht zu
unterschätzende Dokumente aus einer früheren Zeit, da
der Mensch das geschaut hat, was er im Namen aus-
drückt (Weinfelder Chronik, Pupikofer Gemälde).
! Steinacht zwischen Gontershofen und dem Gießen, beim Wort
Wiesenthal der topographischen Karte; Wasserschaft südlich daran
anstoßend; Schifflände die Niederung südlich vom Felsen der protestan-
tischen Kirche; Egelsee, das Feld beim Kluppenbach zwischen Land-
straße und Eisenbahnlinie; Aeuli, das Feld südöstlich Gontershofen,
zwischen den Straßen nach Bürglen und Mauren; so heißt auch das
letzte Haus links an der Landstraße Weinfelden-Frauenfeld ; Rohr-
acker am Kluppenbach, nördlich der Landstraße Weinfelden-Frauen-
feld (Thurg. Neujahrsblatt 1829, Mitteilung von Herrn alt Sekundar-
lehrer Graf).
ae
Erst die neue Zeit hat die Wuhrarbeiten wirklich zweck-
dienlich anhand genommen und durchgeführt.
Der erste durchgreifende Plan für eine rationelle Korrektion
rührt von D. Breitinger her. Seine „Flußkarte des
Thurlauffes von Ueßlingen bis Gütikhausen, ver-
messen im Oktober 1811“, 1:5000 (thurg. Kantonsarchiv)
(Fig. 16) ist interessant durch die Darstellung der damaligen
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Fig. 15. Die Thur bei Uesslingen im Jahre 1743.
(Nach dem Ittinger Herrschaftsplan des P. Josephus. Thurg. Staatsarchiv.)
Flußschlingen, der Altwasser und der meist Auwald tragenden
Kiesinseln und Schlammufer; nicht minder auch durch die
planlos gebauten kurzen Schutzdlämme und die „Fachen“ für
die Fischerei beim Fahrhof. Fähren waren bei Dietingen-
Veldi und bei Neunforn-Altikon. \
Breitinger gab dem geraden Flußlauf auf der gezeichneten
Strecke eine Breite von 45 m. Leider ist sein Plan nicht
ausgeführt worden. .
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Erst die große Ueberschwemmung vom August 1851 ver-
anlaßte wieder das genaue Studium einer durchgreifenden
einheitlichen Korrektion. Der Bau der Nordostbahn 1855
zeitigte zunächst eine Verordnung über die staatliche Ueber-
wachung der an öffentlichen Gewässern auszuführenden
Wuhrungen, worin alles eigenmächtige Vorgehen der Ge-
meinden und Privaten ohne Untersuchung und Aussteckung
durch den Inspektor untersagt war (Häberlin- a
Der Kanton Thurgau, Seite 310).
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Fig.16. Die Thur bei Ueßlingen im Jahre 1811.
(Nach der Flußkarte von D. Breitinger. Thurg Staatsarchiv.)
Von 1866 datiert dann das Gesetz über Unterhalt und
Korrektion der öffentlichen Flußgewässer, nach welchem die
Wuhrarbeiten an der Thur unter staatliche Aufsicht und
Leitung gestellt wurden, und seither ruhte die Durchführung‘
und die Instandhaltung des großen Korrektionswerkes nicht
mehr (Häberlin, Seite 312).
Den Anfang machte 1867 die Vermarkung der Korrektions-
linie und der Normalbreite des neuen Flußbettes von Unterau-
Sulgen bis Dietingen (siehe A. Schmids Karte der Thur-
korrektion in „Mitteilungen der Thurgauischen naturforschenden
Gesellschaft“, Heft 4). Die Durchführung der Normalisierung
geschah dadurch, daß in der neuen Flußachse ein 10 m breiter
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Fig 17. Die Thur bei Ueßlingen in den Jahren 1336 und 1908.
(Die Aufnahme von Sulzberger, eingetragen in Blatt 55 des topograph. Atlasses.)
Kanal gegraben wurde, den dann nachfolgende Hochwasser
auf das gewünschte Profil verbreiterten.
Für die Nieder- und Mittelwasserrinne, welche durch
Faschinenwuhre begrenzt ist, sind fünf Profile festgelegt:
Von der Kantonsgrenze
bis zum Sittereinlauf 30 m
- Fabrikwehr Unterau 40 m
zur Brücke Bürglen 431/2 m
zum Murgeinlauf 45 m
zur Kantonsgrenze 46!/a m
Zur Aufnahme der Hochwasser, deren Maximum zu 1400 m?
Sek. berechnet waren,! sind im flachen Tale beiderseits
weitere 90 m bestimmt, auf deren Gebiet schiefgestellte Quer-
verbauungen ein ansteigendes Profil sichern. 6 m außerhalb
! Wasserfuhr bei der Andelfinger Brücke: minimal 6 m?, mittel
35 m?, maximal 1400 m?Sek. (Geographisches Lexikon).
ge
der 3m hohen Hochwasserdämme werden im Binnenkanal
die Zuflüsse gesammelt und der Thur weiter unten zugeleitet.
Zwischen hohen Ufern ist die Hochwasserzone beiderseits
auf 30 m festgesetzt (Thurg. Straßeninspektorat). Fig. 17.
Außerdem wurden Pegelstationen eingerichtet, an denen
die Wasserstände täglich beobachtet und notiert wurden. Der
Nullpunkt des Pegels steht auf der Sohle des Flusses und
ist durch Nivellement genau bestimmt. Nach der Veröffent-
lichung der schweizerischen Landeshydrographie (J. Näf 1914)
haben die Nullpunkte der thurgauischen Thurpegel folgende
Höhen:
Bürglen-Istighofen . . . . .... . 436,54 m
Weinfelden-Rothenhausen . . . . 429.03 m
Eschikofer Straßenbrücke. . . . . 411,06 m
Eschikofer Eisenbahnbrücke . . . . 407,53 m
Pfyn. Straßenbrücke ze... 22.2222 2.996 0m
Röhrer: brücke = 2.2072 2°:.25 72.2.3868. m
Veßlingsen 22.29 32 22 ar
Nieder-Neunforn » u... =... 0. 2. 03.04
Das schöne Werk ist durch Zusammenwirken von An-
stößern, Gemeinden, Kanton und Bund im wesentlichen 1892
beendet worden (Länge der Wuhrungen 66560 m) und hat
seither sicher gute Dienste geleistet; aber es ist doch nicht
von vollem Erfolge gekrönt. Die großen Serpentinen bei
Össingen-Andelfingen verringern die Geschwindigkeit der Hoch-
wasser derart, daß bis in die Gegend von Pfyn Geschiebe-
stauung eintritt, d.h. Erhöhung des Flußbettes und damit
Wiederkehr vermehrter Hochwassergefahr. Den Beweis dafür
erbrachten nicht nur die Ueberschwemmungen der Hochflut
vom Juni 1910,! sondern auch die tief im Kiesgrund ver-
! Die Hochflut vom 15. Juni 1910 erreichte eine bis dahin un-
bekannte Größe. Der Pegel zeigte in Ueßlingen einen Maximalstand
von 6,20 m, was 2140 m°?/Sek. Durchfluß entspricht, wovon zirka
300 m3/Sek. auf die. Mur g entfallen.
Bei der Weinfelder Eisenbahnbrücke war der Wasserabfluß
18353 m?/Sek., während die bisherigen Berechnungen nur 1074 m?®
Abfluß ergaben.
Einer solchen Wasserlast waren die Thurdämme nicht gewachsen;
sie wurden an 25 Stellen durchbrochen See 1910,
S. 128 und 283—237).
Sg
'sunkenen Marksteine von 1867, sowie der Umstand, daß Grund-
und Regenwasser im untern Thurgebiet (Ellikon!) den Weg zum
Flusse immer schwieriger finden und daher das Gelände ver-
sauern und versumpfen.
Dem Uebel wird kaum abzuhelfen sein durch das seit
November 1913 durchgeführte Freihalten des Hochwasser-
profils von Strauch und Baum, welches möglichste Ver-
minderung von Reibung und Stauung des Stromes bezweckt.
Schon 1879 erklärte A. Schmid (8. 210), es sei dies nur
möglich durch Abgrabung der beiden großen Serpentinen
zwischen Gütikhausen und der Ossinger Bahnbrücke. Dadurch
würde der Flußlauf um zirka 1500 m gekürzt und 1,7 m
absolutes Gefälle gewonnen.
Ein anderes zum Ziel führendes Mittel wäre die Verbauung
der hauptsächlichsten Wildwasser des Thurgebietes, speziell
des Toggenburgs; durch sie würde das die Sohle erhöhende
Geschiebe in den Bergen zurückgehalten.
Durch die wiederholte Abtretung von an die Thur an-
stoßendem Privatgrundbesitz oder Gemeindeeigentum, auf
welchem früher keine Wuhrlast geruht hat, an den Staat,
ist derselbe in den Besitz von 48,28 ha Weidenboden gelangt,
welcher am linken T'hurufer bei Puppikon (666 a), bei der .
Ziegelhütte am Grießenberg (2466 a), in den Grubenwiesen
bei Felben (648 a), am rechten Ufer bis Bonau (774 a) und
am Eggirain unterhalb der frühern Brücke bei Felben (324 a)
liegt.
An letzterer Stelle und am Grießenberg ist die Fläche
mit Weidensetzlingen bepflanzt und die Grenze zwischen Hoch-
wasserprofil und Weidenpflanzen durch Pappeln mit 100 m
Distanz markiert worden (Rechenschaftsbericht 1880, 8. 177).
b. Die Sitter.
Das Wildwasser vom Nordhange des Alpsteins hat in
seinem thurgauischen Abschnitt ein so tief eingeschnittenes
Bett, daß die Veränderungen an seinem Laufe während der
letzten Jahrhunderte keine großen sein können. In der Tat
zeigt auch die Karte von 1717 dieselben Serpentinen und
dieselben Siedlungen, wie sie Sulzberger 1836 kartiert. Wenn
„Hametshub“ an die Stelle von Lütswil versetzt ist, so ent-
Be anne
spricht das andern ähnlichen Fehlern der Karte. Die Kopie
von 1777 läßt von den Flußkrümmungen oberhalb Sitterdorf
nur die bei Lemisau bestehen, vermehrt sie dagegen unter-
halb. Lütswil ist südlich Oberegg eingesetzt und Hametshub
als „Helmetshub“ am falschen Orte verblieben.
Die Karte von 1836 zeichnet die heutigen Serpentinen.
Seither ist diejenige nördlich Gertau mehr ausgeglichen, ver-
flacht, östlich Alten der in zwei Armen hinfließende Fluß
auf den westlichen Arm eingeengt und südlich Lütswil die
stark nach Südwesten biegende Strömung durch einen gerade
nach Nordwesten streichenden Teillauf entlastet. Bei Sitterdort
sind Wuhr und Mühlekanal eingebaut und der Fluß von da
an der Thur entsprechend korrigiert. Eine Pegelstation bei
der Rotfarb Bischofszell (Nullpunkt 461,54 m) registriert die
Wasserstände. Oestlich Sitterdorf, wo wenig wertvolles Kultur-
land in Frage steht, beschränkt man sich auf den durch Anriß
und Rutschungen nötig werdenden Uferschutz. Immerhin sind
auch hier 3 km der Uferlänge rationell verbaut worden. Von
den Siedlungen am Sitterufer haben sich Roten und Tobelmühle
seit 1836 etwas vergrößert, von 2 auf 4 Gebäude, und west-
lich Blidegg ist das „Neugut“ (3 Gebäude) als Neusiedlung
entstanden. Bei Roten und Lütswil sind Brücken gebaut, nach-
dem die Sitterbrücke bei Bischofszell jahrhundertelang die
einzige gewesen war.
c. Die Murg.
Die Murg bildet sich am Osthang des Hörnli aus ver-
schiedenen kleinen Wasseradern, von denen eine, der Tobel-
bach, auf thurgauischem Boden bei Kaltenbrunnen seine Quelle
hat. Bereits ein ansehnlicher Bach betritt sie zirka 2 km
hinter Fischingen die thurgauische Grenze. Gleich nördlich
dieser Ortschaft beginnt ihr Mittellauf mit Serpentinen und
Talverbreiterung. Die Karte von 1830 zeigt den stark
geschlängelten Lauf zwischen Hofen und Münchwilen, die
große Schlinge nach Süden bei Hunzikon, zahlreiche solche
auch zwischen Wängi und Matzingen. Zwischen Lauche- und
Lützelmurgmündung nagt eine nordwärts streichende Ser-
pentine die Matzinger Kirchhalde an; bei Ristenbühl wird
das Südufer angerissen, nördlich der Aumühle der Osthang
er ge
des Hundsrückens. Die Mündung, ungefähr an der heutigen
Stelle, ist ein richtiges Delta mit mehreren Armen.
Die Murg ist ein Regenfluß mit stark schwankender Wasser-
führung: Niederwasser 1 m?/Sek., Hochwasser 200 m?/Sek..,
1910 300 m?/Sek., 1876 bis 400 m?/Sek. (Schmid 8. 216,
-Thurgauischer Rechenschaftsbericht 1910, 8. 284.) Sie ist in
hohem Maße der Industrie dienstbar gemacht; Schmid zählt
S. 212 14 große Stauwehre auf, und diese hindern die Kies-
abfuhr durch das Wasser, so daß sich oberhalb derselben das
Bett erhöht. 1859 mußte bei Jakobstal gebaggert werden, und
von 1856-1876 erhöhte sich die Sohle von der Eisenbahnbrücke
- Frauenfeld bis zum Altermattschen Wuhr um 2 m. Derartige
Sohlenerhöhungen begünstigen natürlich den Austritt der Hoch-
wasser, der an solchen Stellen besonders weit ausgreifend ist,
und da die Abwehr auch bei der Murg des gemeinsamen Planes
entbehrte, waren Katastrophen wie 1876 unabwendbar (Häberlin,
Der Kanton Thurgau, S. 313).
1877 —-1884 wurde die rationelle staatliche Korrektion
auf 30,336 km mittels Dämmen, Steinbrüstungen, Flechtwerk
und dergleichen ausgeführt. Die Pläne für diese Arbeiten,
welche Straßeninspektor Schmid in Heft 4 der „Mitteilungen
der Thurgauischen naturforschenden Gesellschaft“ 1879 pu-
blizierte, fixieren gleichzeitig die gewaltige Ausdehnung der
Hochflut von 1876 von St. Margrethen bis zur Mündung, sowie
das von der Murg nachher beanspruchte Gebiet: Breite des
Murgbettes südlich Espi 10 m, zwischen Eisenbahn und Kurz-
dorfer Brücke 20—30 m, westlich Murkart 90 m, bei den
Fabrikwuhren von Matzingen und Murkart 100. —--110 m.
Uebrigens sind diese Projekte nieht sämtlich ausgeführt
worden, nur diejenigen, bei denen der Wert des zu schützenden
Bodens die Auslagen rechtfertigte, vor allem die Strecken
St. Margarethen-Rosental, Matzingen-Aumühle und Frauenfeld-
Rohr. :
Das Korrektionswerk bestand aber die „Wasserprobe“
nicht in allen Teilen einwandfrei, indem das Hochwasser von
1902 in Fischingen, Matzingen und Langdorf neue Ver-
heerungen anzurichten imstande war und wiederum Schutz-
- arbeiten größeren Umfangs nötig machte.
Die Siegfriedkarten zeichnen von Sirnach an eine aus-
geglichene Laufrichtung; im Bogen der ehemaligen Schlinge
ZU,
bei Hunzikon steht an Stelle des ehemaligen Einzelhauses
„Schwarzwald“ die Station Rosental mit 11 Gebäuden, nun-
mehr auf der linken Flußseite; die großen Bogen zwischen
Wängi und Jakobstal tragen Wiesen; die Kirchhalde von
Matzingen ist durch 200 m breites Kulturland vom . Wasser
getrennt. Die Murkarter Schlingen sind mit Wald bewachsen
und der tote Arm am Hundsrücken dient der Frauenfelder
Jugend als Wintersportplatz. Der Einlauf in die Thur voll-
zieht sich unter einem Winkel von 50° gradlinig.
C. Die Bäche.
Während Rhein, Thur, Sitter und Murg die Flüsse des
Thurgaus darstellen, können alle übrigen fließenden Gewässer
als Bäche bezeichnet werden, entgegen dem thurgauischen
„Gesetz betreffend die Korrektion und den Unterhalt der öffent-
lichen Gewässer“ von 1895, welches auch Aach und Lauche
als Großwasser, als Flüsse, erklärt: Das Gesetz unterscheidet
eben in subventions-politischem Sinne, da die Korrektionskosten
der Großwasser zur Hälfte bis zu drei Vierteln, die der Klein-
gewässer nur zu einem Drittel vom Staate übernommen werden.
Der Thurgau hat keine Regenbäche im Sinne der mediter-
ranen Verhältnisse. Wenn die Rinnsale auch hauptsächlich zur
-Abfuhr des frisch gefallenen atmosphärischen Wassers dienen,
so haben sie stets noch Quellenzulauf von Feuchtigkeit, die
Wochen bis Monate vorher als Regen- und Schneewasser ein-
sickerte, so daß sie beständig fließende Wasseradern
darstellen. Die Wasserführung ist allerdings außerordentlich
schwankend: Das Niederwasser genügt kaum zum Treiben
eines Wasserrades, während das Hochwasser im geneigten
Gelände durch Tiefen-, Seiten- und rückwärts einschneidende
Erosion das Kulturland mindert oder in der Ebene weite Tal-
flächen mit trüber Flut überdeckt, die Lehmschlamm, Sand
und Kies zurückläßt.
Es existiert darum kaum ein Bächlein, das nicht wenigstens
teilweise eine Korrektion erfahren hat, in früherer Zeit willkür-
lich, planlos und mit möglichst wenig Kosten, heute rationell
durch fachkundige Kräfte unter finanzieller Mithülfe des Staates.
Leider fallen die Hochfluten der Bäche häufig zusammen
mit denjenigen der sie aufnehmenden Flüsse, so daß letztere
auf sie rückstauend wirken und ihren Unterlauf durch Sohlen-
erhöhung zum Uebertreten bringen. Es ist deshalb in den
meisten Fällen eine kostspielige Verbauung der Bergbäche nötig,
um das Geschiebe zurückzuhalten, sowie um Sohlenvertiefung
und Nachrutschen der Hänge zu verhindern.
Wo bei einem Bache nur ein Tallauf in Betracht kommt,
wie bei Lauche, Aach, Gießen, Kemmen- und Tegelbach,
wurde zur Vergrößerung der Abflußgeschwindigkeit bei der
Korrektion nur das Bett erweitert und eventuell gerade gelegt;
bei den Bächen mit wildbachartigem Quellgebiet, z. B. Furt-
bach, Berlingerbach, haben sich die Schutzarbeiten ins Ein-
zugsgebiet hinein zu erstrecken durch Verbauung der Tobel.
Die Veränderung der thurgauischen Bäche in den letzten
hundert Jahren besteht also hauptsächlich in Korrektionen,
daneben in erweiterter oder aufgehobener Verwendung für
Mühlen. Diese Verhältnisse sollen in Kürze beleuchtet werden.
a. Bodenseegebiet.
1) Die Goldach an der Ostgrenze ist ein Bergbach : der
Gäbriszone bei Trogen in Außerrhoden, der bis in die Nähe
des Sees starkes Gefälle und intensive Erosion aufweist. Sie
mußte in ihrem Unterlaufe, von der Straßenbrücke Aach-
Tübach ‘an bis zum See, auf eine Länge von zirka 1500 m
durch Gerade- und Tieferlegung korrigiert werden.
2) Der Hornbach von Tübach her, der 1836 von der
Gerstenmühle aus gradlinig den See erreichte, -erhielt durch
Bahnbau und Ausbreitung der Ortschaft Horn nach Westen
hin einen Ziekzacklauf.
3) Die Steinach, ein durchaus st. gallisches Gewässer,
wurde auf 700 m Länge gerade gelegt und mündet jetzt öst-
lich vom Dorf in die Bucht, statt an der Spitze des Deltas.
4) Die Arboner Aach (Altach bei Nötzli) ist die gemein-
same Mündung des Sägenbaches von Mammertshofen her
und des Hegibaches. Der Sägenbach nahm 1836 erst bei
der Bleiche Arbon die Roggwiler Bäche auf; jetzt sind diese
durch einen Kanal bereits bei der Brücke der untern Straße
Roggwil-Landquart mit ihm verbunden. Der Hegibach ist
„während der letzten Jahre vom Arboner Weiher an in den
untersten 800 m durchgreifend korrigiert worden. In seinem
Gebiet zeichnen die neuen Karten drei Weiher mehr als die
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von 1836: südlich Azenholz, westlich Lengwil und bei der
Heinefabrik südlich Arbon.
5) Die Luxburger Aach (Oberaach 1717, Egnachfluß
1720) hat als Hauptquellader den aus dem Hudelmoos aus-
tretenden Hegenbach, dem das Wasser von der Weiherburg
Hagenwil zufließt. Bei Amriswil sind seit 1836 zwei neue
Weiher entstanden (Breiteneich und Heldmühle); bei Pralis-
winden ist ein solcher eingegangen. Ueber die Mündung der
Luxburger Aach siehe Seite 63.
6) Der Hebbach verliert sich 1836 in den Sumpfwiesen
südöstlich Salmsach. Heute ist sein Lauf gradlinig bis zum
See fortgeführt.
7) Die Salmsach oder Aach ist die im breiten ehe-
maligen Gletschertal mit rückläufigem Gefälle hin und her
pendelnde Sammelader für die schwach geböschten Südhänge
des östlichen Seerückens und die Nordseite des Lettenbergs.
Ihre Quelle liegt auf der Talwasserscheide östlich Sulgen
im Weinmoos. Nötzli gibt ihr den Ursprung aus einem großen
Weiher südlich Hessenreute, der also unterdessen größtenteils
verlandet ist. Wegen des geringen Gefälls erzeugt die Aach
leicht Ueberschwemmungen, so daß ihre Verbreiterung und
Gradlegung, zum Teil in neuem Bette, zur Notwendigkeit wurde.
Die Korrektion wurde von der Straße Hessenrüti-Riet an
bis Hölzli mit Staatshülfe durchgeführt, und zwar 1862 —1864
zwischen Ennetaach und Niederaach, 1866—1882 in den
Gemeinden Hemmerswil und Hefenhofen.
Die breite Kulturfläche des Aachtales hatte früher starken
Ackerbau, und die Kraft der Seitenbäche war der Müllerei
dienstbar. Seit 1838 sind 17 neue Weiher gestaut und 3
alte bedeutend vergrößert worden. Ihre Wasserspeicherung
kommt heute weniger mehr der Müllerei als andern Industrien
zugute.
Unter den Zuflüssen der Salmsach lassen sich folgende
Veränderungen feststellen:
a. Der Bach von Riet fließt bei Nötzli zwischen Buakern
und Riett durch einen Weiher, wo heute der Flurname
Riederfeld ist. Bei Riet sind seit 1838 vier neue Weiher,
zwei langgestreckte größere und zwei rechteckige kleinere
zu industriellen Zwecken entstanden.
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5. Am Tobelbach ist bei Buch einer der drei Oberweiher
eingegangen, der Unterweiher vergrößert worden. Die
Verlandung des „Egelsees“ westlich Engishofen geschah
schon in früherer Zeit.
c. Der Eppishauserbach hat zwei neue Weiher südlich
Eppishausen.
d. Im Gebiet des Bießenhofer Baches ist der schon bei
Nötzli gezeichnete Bießenhofer Weiher von 1°/ı ha (1836)
auf zirka 7 ha (1884) vergrößert worden. Bei Bießen-
hofen und der Eichmühle sind je ein, bei der Mühle
Oberaach zwei neue Weiher gegraben worden. Nötzli
zeichnet mitten zwischen „Obereich“ und Schrofen einen
Weiher, vielleicht südöstlich Mühle Oberaach „im Weiher-
"holz. *
e. Bei der Radmühle fehlen die beiden Weiher auf der
Karte von 1836. Bei dem Weiherhof ist der Weiher
nur etwa halb so groß wie heute.
f. Am Mühlebach sind zehn Weiher, sechs davon seit
1836 entstanden (Spitzenrüti ein, Mühlebach zwei, Neu-
mühle zwei, Rüti ein). Nötzli zeichnet nur zwei zwischen
Blasenberg und Spitzenrüti.
8) Der Tobelmühlebach durehfloß 1717 einen Weiher,
an dessen Stelle die heutige Karte den Flurnamen Weiher-
acker enthält. 1648 hatte die Tobelmühle sogar zwei Weiher
(Boltshauser, S. 64).
9) Das Quellgebiet des Uttwilerbaches trägt den Flur-
namen Erenmoosweiher. Dieser Weiher fehlt schon der Nötzli-
karte; ebenso fehlen ihr die vier kleinern Stauweiher von
1836, die seither auf drei, aber größere reduziert wurden.
10) Auch der Freimühlebach von Keßwil entspringt
auf den Karten des 18. Jahrhunderts aus zwei Weihern nord-
westlich Dozwil im Wald. Auf sie deutet vielleicht der Flur-
name Wägertsmooswiesen.
11) Es gibt einen Güttinger Hornbach, aber heute
kein Güttinger „Horn“ (Delta, Landvorsprung). In seinem
Gebiet sind seit 1836 fünf neue Weiher erstanden (drei in
Altnau und zwei bei der untern Säge), zwei alte, schon von
Nötzli gezeichnete, eingegangen (am Büdenbach).
12) Der Stichbach von Bottighofen ist das größte Ge-
wässer zwischen Romanshorn und Kreuzlingen. In seinem
Ba
Gebiet ist auf der Nötzlikarte der große Emerzerweiher noch
nicht zu erkennen, wohl aber der Lochmühleweiher südöstlich
Neugüttingen, und der Liebburger Tobelbach kam 1717 aus
einem Wasserbecken, wo die heutigen Karten einen Sumpf
im „Sörholz“ angeben.
13) Der Wöschbach bei Kreuzlingen nimmt die Wasser-
ader vom dortigen „Egelsee* auf, der durch Kanalisation in
Wiesen verwandelt wurde.
b. Rheingebiet Konstanz-Gottlieben.
In den kurzen Rheinlauf vom Ober- zum Untersee münden
zwei Bäche: ; ä
1) Der Grenzbach auf der Staatsgrenze gegen Konstanz
war früher der Abfluß aus dem Stadtgraben. Dieser nahm
die Bäche von Emmishofen und Egelshofen auf, die oftmals
das ganze Gelände überschwemmten und deshalb 1876 in
gerader Linie dem Grenzbach zugeleitet wurden (siehe S. 38).
Der Schoderbach von Egelshofen durchfloß schon 1717
drei große Weiher südlich Geißberg. 1836 waren zwei große
Wasserbecken auf der Hochebene von Lengwilen-Bätershausen-
und sechs kleinere im nordwärts abfallenden Tobel. Heute
liegen drei große auf dem Plateau (Großweiher 6 ha, Neu-
weiher 4 ha, Pfaffenweiher 1 ha) und vier kleinere im Tobel, .
Der Schoderbach wurde im Jahre 1910 bis zur Mühle Egels-
hofen hinauf kanalisiert und dabei die Wasserkraft für die
Forstersche Säge durch Expropriation ausgeschaltet.
Der Saubach von Emmishofen ist ebenfalls korrigiert,
und zwar von der Konstanzer Grenze an bis Bemrain. In
seinem Gebiet ist in etwa 500 m Höhe westlich Bernrain ein
von Sulzberger noch nicht gezeichneter Weiher im „Dorn-
busch.*
2) Der Bach von Gottlieben zeigt auf der Karte von
1836 trotz seiner vielen Mühlen nur einen einzigen kleinen
Teich bei der Hammerschmiede. Heute sind am Allmendbach
vier, im Gebiet des Rüselbaches auch vier und zwischen Täger-
wilen und Gottlieben noch drei Weiher. Da _Sulzberger die
westlich Gottlieben hornartig ins Land greifende Rheinbucht
nicht zeichnet, erscheint irrtümlich auch der seit 1876 ab-
gedämmte, sichelförmige Weiher als neu.
I A
c. Unterseegebiet.
Die dem Untersee zufließenden Bäche erfuhren auf der
S/ Karte sichtbare Veränderungen fast nur in ihrem Unterlauf,
innerhalb des Schwemmkegels und der Ortschaft.
1836 verliert sieh der Triboltinger Bach in den Sumpf-
wiesen unterhalb der Ortschaft; auf den neuen Karten ist ein
künstlicher Ablauf unter der Eisenbahn durch bis zum See,
mit der Mündung auf der Westseite des Deltas. Die Korrektion
des Ermatingerbaches ist bereits auf Seite 69 erwähnt.
Der Berlinger Bach erfuhr außer der Korrektion im Dorf
auf die Strecke von 600 m oberhalb der Eisenbahn Tobel-
verbauung. Durchgreifende Korrektion finden wir auch beim
Eschenzer Bach, der bis nach Bornhausen hinauf ein ge-
‚schütztes Bett besitzt.
Nötzli zeichnet im Gebiet der Unterseebäche keine Weiher,
Sulzberger nur vier Mühleteiche (Eggsmühle, Mammern und
Berlingen). Es können daher als in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts zu industriellen Zwecken gegraben oder
gestaut angesehen werden die Weiher bei Klingenzell, Lieben-
fels (5), Neuburg, Eugensberg, Mannenbach und südlich Breiten-
stein bei Ermatingen. Indes trifft dies wohl nicht überall
zu; denn die alten Topographen dürften hie und da einen
solchen Teich übersehen oder der Kleinheit wegen nicht ein-
getragen haben, wie das Beispiel des Egelsees (70 a auf
der topographischen Karte 1901) zwischen Fruthwilen und
Salenstein zeigt. Er fehlt in den ältern Karten, selbst das
Siegfriedblatt von 1891 enthält ihn nur als Flurname; dennoch
ist dieser Weiher in seiner heutigen Ausdehnung schon alt.
Nach Mitteilung von Herrn Engeli gehörte er früher zum
Schloß Hard und wurde ums Jahr 1828 von 3 Fruthwiler
Bürgern angekauft. In Verlandung begriffen, zeigt er im
Sommer nur schmale Wasserstraßen zwischen den großen
„Sehwertelebösche“ (Carex strieta). Im Winter wird er gestaut
durch Zustopfen des gegen len hin fließenden Ablaufs,
um Eis zu gewinnen.
Schon vor 1717 befanden sich verlandete Weiher bei
Weiherholz südlich Klingenzell und bei Weier südlich Feld-
bach. Auch der Flurname „Seelwies“ im Quellgebiet des Glaris-
eggerbaches deutet auf ein ehemaliges „Seeli“ im jetzigen
„Füllimoos* hin.
erde
d. Rheingebiet Stein-Schaffhausen.
1) Am mühlenreichen Ibenbach südlich Stein sind seit
1836 vier neue Weiher entstanden, während der Egelsee
östlich Kaltenbach schon vor 1760 zum Sumpfe verlandet ist.
2) Von Bleuelhausen bis Rain diente in früheren Jahr-
hunderten das Bett des Tobelbaches als Landstraße (Freuden-
felser Karte von 1760).
3) Der Geißlibach ist der Wasserablauf aus einem
großen Moränengebiet zwischen den Moränen westlich Dießen-
hofen (Chrieshalde-Langfuri-Buchberg) und denjenigen, die das
Hüttwilerbeeken westlich abschließen.
Seine Quelladern rieseln teilweise vom Stammheimerberg,
von Etzwilen bis Nußbaumen herab; teils kommen sie von
der Neunforner Höhe her; zum Teil auch versickern sie vor-
läufig in den Sehottern der Stammheimer Hard.
Der unruhigen Gletscherlandschaft ist eine große Zahl von
Hohlformen eigen, mit noch bestehenden, mehr noch mit längst
eingegangenen Wasserbecken (siehe „Nordschweizerische Seen-
platte“ in Moore der Schweiz von Früh und Schröter, 8. 260).
Nur noch durch das zwar sichere Dokument der Flur-
namen bezeugt, vor 1668 verlandet sind der Seewadel
westlich Furtmühle, der Seewadel nördlich Neubrunn, der
Bgelsee nördlich Diekehof, der Weiher südwestlich Waltalingen,
das Weiherholz südöstlich Waltalingen, der Weiher südwest-
lich Uerschhausen.
Noch auf der Gygerkarte verzeichnet sind der Stam-
merweiher und der Stadtweiher.
Der Stammerweiher oder Eppelhausersee südlich vom
Rodenberg muß zwischen 1685 und 1760 durch Einsehneiden
des Abflusses künstlich entwässert worden sein. Gyger und
Peyer geben einen 1250/350 m großen See an; auf dem
Freudenfelser Plan 1760 ist das „Stammer Rieht, vor deme
Eppelhauser Weyer genannt“, von weiterem Sumpfland um-
geben und mit einzelnen Bäumen besetzt. Das Bächlein läuft
südlieh an ihm vorbei. Hanhart zeichnet auch nur Riet,
durch das sich ein Bächlein schlängelt. Wenn bei Sulzberger
sogar das Sumpfland fehlt, so gehört das zu seinen vielen
Ungenauigkeiten.
Der Stadtweiher südöstlich Dießenhofen erfüllte einst
das ganze Becken zwischen den beiden Straßen von Dießen-
SIMGGT TA
-hofen nach Schlattingen. Gyger gibt denselben an im Aus-
maß von 375/120—200 m mit Abfluß zum Geißlibach beim
‘ Eichenbühl. Peyer zeichnet ihn abflußlos, dagegen mit dem
Bächlein vom Rodenberg her. Bei Hanhart ist das Wasser-
becken bereits auf den winzigen Rest an der OÖstecke beschränkt
und der ehemalige Weiherboden eingeteilt und als Gemüse-
land benutzt wie heute, ebenso das „Kabisland“, das ein schon
früher verlandetes Stück des Stadtweihers vorstellt. Die Ent-
wässerung des Stadtweihers fällt somit zwischen 1685 und 1772.
Der Sandweiher, heute ein kleiner Sumpf, wird von
Hanhart als Wasserfläche mit 40/30 m angegeben. Zwischen
1772 und 1836 verschwand auch der langgezogene Weiher
in den Teuerwiesen südöstlich Dießenhofen, sowie der ebenso
geformte im Fridschinsgraben südlich Waltalingen.
Die regelmäßige Wasserführung des Geißlibaches muß
‘durch die Trockenlegung des Stammer- und des Stadtweihers
Eintrag erlitten haben. Eine weitere Schmälerung erfuhr er
durch die 1907 erfolgte Quellenfassung im Mooshölzli, südlich
Stammerriet, für die Wasserversorgung Basadingen. Nach
Aussage der Fischer soll der Ausfall der 165 Minutenliter
den Fischbestand des Schlattinger Baches ungünstig beeinflußt
haben.
4) Der Mühlebach von Paradies, wohl die ehemalige
„Schwarzach“, bildet sich bei Kundelfingen aus dem Schlatter
Dorfbach und der dortigen starken Quelle (4500 Minutenliter
nach Engeli, S. 16). Der Dorfbach entspringt auf den Karten
von Gyger und Peyer aus einem Weiher südöstlich Mettschlatt
im heutigen Weiherbuch. Dieser ist, wie das „Weiherli“
nordöstlich Unterschlatt, vor 1770 verlandet. Noch früher mag
die Wasserfläche des „Seewadels“ westsüdwestlich Dickehof
verschwunden sein. Auch der „Niegel*- (— Egel-) See bestand
schon zu Gygers Zeit nicht mehr. Wie die Tonlager der Ziegel-
fabrik Paradies beweisen, war hier einst ein größeres See-
becken, von dem der um die letzte Jahrhundertwende größten-
teils in Rietflächen verwandelte Paradieser Weiher den letzten
Rest darstellt.
e. Thurgebiet.
1) Der Alpbach von Rickenbach kommt von Süden, aus
dem Hügellande zwischen Thur und Murg und fließt über die
—_
Schotterebene nach Osten hinaus in die Thur. Durch seinen
Schwemmkegel hat er einen alten Thurlauf nach Westen ab-
‘ seschnürt (Früh und Schröter, Seite 258).
Das tote Thurtal hatte nach Nötzli 1717 seine Wasser-
scheide bei Littenheid auf dem Schwemmkegel des dort von
Süden herabkommenden Bächleins. Oestlich davon dehnte sich
der Egelsee aus, eine Wasserfläche, die durch eine den
Vogelherd nördlich umziehende Wasserader vor Rickenbach
mit dem Alpbach in Verbindung stand. Westlich Littenheid
war bis zur Murg keine Wasserfläche mehr. Trotz des ehr-
würdigen Dokumentes kann dies aber unmöglich richtig sein.
Im Archiv-Repertorium des Klosters Fischingen (Thurgauisches
Kantonsarehiv) findet sich unter „Littenheid“ ein Urteils-
extrakt von 1532 bezüglich Trieb und Trat (Weiderecht) auf
dem Nägelsee, und von 1579 ein solches betreff „Trieb und
Trat auf dem Nägelsee, wie auf dem Ablauf und Abwasser, und
Zeit, Streue zu mähen“; 1741 ist der Graben auf dem Nägelsee
erwähnt, und 1745 spricht eine Urkunde von Wiesen der
Gupfer und Wietziker, die an den Mooswanger Weiher
stoßen.
Hiernach muß also schon 1532 der Egelsee zum Streue-
gebiet verlandet und 1745 der Mooswanger Weiher westlich
Littenheid eine Wasserfläche gewesen sein — Verhältnisse wie
sie Sulzberger darstellt. Die Wasserscheide bei Littenheid war
bereits vor 1830 durchstochen und der westliche Teil des
„Egelsees“ gegen die Murg hin entwässert.
1852 wurde der Mooswanger Weiher (1 km lang, 300 m
breit) durch Kanalisation trocken gelegt und 1865 diese durch
den Egelsee weitergeführt, so daß die kleine Wasserader von
ihm zum Alpbach gänzlich aufgehoben wurde. Die Wasser-
scheide zwischen Thur und Murg hat sich also im
Laufe der Zeit um zirka 2 km nach Osten verschoben.
Heute ist der Egelseeboden zum größten Teil feuchtes Streue-
land. Ganz im Westen wird Torf gestochen; der Littenheider
Durchstich ist 4—5 m tief und der Mooswanger Weiher eben-
falls Torfgebiet.
Nötzli zeichnet als weitern Zufluß zum Alpbach das
Bächlein von Wil, während dieses nach den topographischen
Karten von Sulzberger und Siegfried auf der fluvioglazialen
Ebene südlich Wil in der „Matt“ in drei Adern geteilt versickert
ee
und als seine Fortsetzung Östlich in der Thurau, etwa 30 m
tiefer, sich einige Quelladern zum „Gießen“ sammeln. Nötzli
' hat jedenfalls auch hier nicht im Gelände gezeichnet.
2) Der Bach von Wuppenau-Zuzwil entströmt auf den
Karten von Nötzli und Sulzberger dem größern der beiden
Weiher nördlich Wuppenau (11 und 2 ha). Diese. gehörten
zur Mühle Hugentobel und waren durch Talsperren im ehe-
maligen Sumpfgebiet der Wasserscheide gestaut. Beim Rück-
‘gang der Müllerei wurden sie verkauft, und die Käufer legten
sie 1864 mittels Durchstich des Dammes und Anlage von Kanälen
mit Aufwand von 11000 Fr. trocken. Ein Teil des ehemaligen
“ Seebeckens lieferte schöne Wiesen; die übrige Fläche wird auf
Torf ausgebeutet. Später wurde auch das Bachbett, so weit
es bei Wuppenau- westlich der Staatsstraße liegt, auf etwa
1000 m korrigiert.
3) Der Sorenbach. In der Moränenlandschaft von Gotts-
haus waren Wasserbecken ein ganz natürliches Vorkommnis.
Dieselben sind aber schon früher verlandet wie die Moore
von Tröhn, Ergaten, Wolfhag, Freiberg, Birenstiel und Befang;
‚auch die Ortsnamen Horb und Horbach bedeuten Moor. (Früh
und Schröter 8. 300.) Die heutigen Weiher wurden künst-
lich gestaut und mögen im Laufe der Zeit den jeweiligen
Bedürfnissen angepaßt worden sein: die ältere Nötzlikarte
zeichnet deren 4, Nötzli „l720* nur 3; Sulzberger hat die
heutigen 5, doch in anderer Form und Größe:
Sulzberger Siegfried
Horber-Weiher zirka 4!/a ha 5l/s ha
Rüti-Weiher en - Bl =
Horbacher-Weiher. - 2 - 4 -
Gwand-Weiher 6 - 3l/a -
Hauptwiler-Weiher - 2! - 3 -
19 ha 21!/a ha
Die Verlandung dieser Weiher ist so gering, daß seit
Menschengedenken keine Reinigung nötig wurde.
Südlich Hauptwil enthält die Karte von 1720 zwei Weiher,
den von Niederwil, und einen innerhalb der Thurgauer Grenze.
Der letztere, ein ursprünglich natürliches Wasserbecken, ist
jetzt ganz verflacht und nur im Frühjahr und bei anhaltendem
Regen mit einer geringen Wassermenge angefüllt. Den größten
— 102 —
Teil des Jahres ist das ehemalige Weihergebiet mehr oder
weniger trockenes Streueland. Ein Zufluß zu diesem verlandeten
Weiher existiert nicht; dagegen wird der Abfluß offen erhalten
(Mitteilung von Herrn E. Brunnschweiler in Hauptwil). Die
letztere Bemerkung läßt auf einstige künstliche Trockenlegung
schließen.
Korrektion und Verbauung erfuhren:
4) Die beiden Bäche von Kradolf, der südliche auf
900 m, der nördliche auf 400 m Länge.
5) Der Bach von Schönenberg mit den Quelladern
Rüti- und Rotbach, zusammen etwa 2800 m.
6) Der Katzenbach von Götighofen und dem Weinmoos
her erhält auf der Karte von 1836 Zufluß durch einen Kanal
von der Thur, der die letztere gegenüber der Bezirksgrenze
Bischofszell-Weinfelden verläßt, und fällt dann 600 m west-
lich der Bürgler Mühle in den Fluß. Heute ist er in den
Grabenwiesen längs der Eisenbahn und vom Bädli an kanalisiert
und wird bei Neubürglen vom Fabrikkanal aus verstärkt.
Katzenbach und Weinmoos müssen bei der BEinwanderung
junger Aale in den Bodensee eine wichtige Rolle spielen.
7) Der Buhwiler Bach ist korrigiert von Schönholzers-
wilen und von Innenberg an bis zur Mündung in der Länge
von etwa 41/4 km.
Der große Weiher zwischen Mettlen und Metzgers-
buhwil, den die Nötzlikarten angeben, war schon 1836 ver-
landet, und der fast quadratische Hörmooser Weiher ist
zirka !/a ha größer als der gestreckte der Sulzbergerkarte.
8) Der Furtbach wurde verbaut vom Itobel durch Mettlen
bis zur Säge und von der Margenmühle bis zur Mündung;
ebenso der westliche Zufluß bei Oberbußnang, zusammen zirka
7 km. Der große „Heldgumpen“, der Badeplatz der Mettler
Jugend am Walderbach, fiel der Hochflut von 1876 zum Opfer.
; 9) Der Bach von Amlikon ist auf zirka 300 m korrigiert.
Nötzli hat nördlich Eppenstein und südlich im Krähenried
je einen größern Weiher, die auf den neuern Karten fehlen.
Die kleinen Weiher südlieh Amlikon und westlich Bißegg
sind seit 1836 um zwei vermehrt worden.
10) Der Gießen hat von 1863 an auf die Strecke von
6 km, von Opfershofen bis zum Einlauf in die Thur unter-
halb Amlikon Korrektion erfahren, ebenso seine Zuflüsse
— 103 —
Tobel- und Wiesenbach. Nach Häberlin-Schaltegger (Der
‚ Kanton Thurgau, S. 316) wurden 1865 bei Mauren über
100 Jucharten entwässert und unter Güterzusammenlegung
61 Parzellen in 40 Stücke abgeteilt.
Neue Weiher im Gebiet sind durch Lettaushub beim
Ziegelhof Berg entstanden.
11) Der Kemmenbach wurde 1863/1865 gerade gelegt
von der Grubmühle bis unterhalb Hasli, zirka 41/a km,
ebenso der Emdwiesenbach bei Märstetten. Während der
Kemmenbach früher bei Hasli in eine Thurschlinge einfloß,
ist heute seine Mündung bis unterhalb Pfyn verschleppt.
Seine Wasserführung wird namentlich ausgeglichen durch
die Bommerweiher, deren Dammabschluß auf der West-
seite die künstliche Anlage beweist. Sulzberger zeichnet nur
zwei Weiher. Siegfried hat wie Nötzli noch einen dritten
kleinen, den Untern Weiher, dessen rings scharf. geböschtes
Becken auf Ausgrabung schließen läßt. Die Form der großen
Weiher hat sich seit 1838 bedeutend geändert, und der östliche
Zufluß von Dippishausen her ist auf zirka 1100 m kanalisiert.
Oestlich der Kemmenmühle war 1836 ein großer Weiher
von zirka 80 a; er ist jetzt trocken gelegt, während bei der
Dütschenmühle an Stelle der drei kleinen ein großer recht-
eckiger Weiher von zirka 90 a gegraben wurde.
Das Bridenmoos bei Heimenlachen war in der Vorzeit
eine Wasserfläche mit Pfahlbauten.
12) Die Bäche von Müllheim erfuhren ihre Korrektion
zu verschiedenen Zeiten, der Aspibach schon vor 1838, der
Müßherzenbach 1874, vor allem aber bei der Güter-
zusammenlegung 19081912.
Im Gebiet derselben fanden größere Hnwaslerungen mit
Staatshülfe statt, bei Raperswilen 1912 und im Dear
und Eggholz 1910. Als neue Weiher verzeichnet die oe
karte je einen bei Fischbach und Herten und vier kleinere
bei Müllberg. Der Grauweiher nordöstlich Büren ist schon
vor 1712 verlandet.
13) Auch der Pfynerbach zeigt heute nicht mehr die
Schlängelung wie 1836. In seinem Quellbezirk auf der Wasser-
scheide gegen Steckborn nördlich Hörhausen zeichnet Sulz-
berger nicht einmal Sumpfland; die Siegfriedkarte von 1881
hat vier Weiher, diejenige von 1909 nur Sumpf. In seinem
0
Einzugsgebiet fanden statt: 1893 die Korrektion des Salen-
grabens bei Pfyn, 1892 die Kanalisation im Breitenloo west-
lich Pfyn und 1909 die Drainage bei Lanzenneunforn (26 ha).
14) Die linksseitigen Bäche von Hüttlingen, Metten-
dorfund Felben, welche 1836 noch durchwegs geschlängelten
Lauf aufwiesen, wurden zum Teil beim Bau der Nordostbahn,
zum Teil erst in neuerer Zeit kanalisiert und im Oberlauf
bis in die Quelltrichter hinein verbaut.
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Fig. 18. Die Hüttwiler Seen im Jahr 1743.
(Nach dem Ittinger Herrschaftsplan des P. Josephus. Thurg. Staatsarchiv.)
Von dem zum Hüttlinger Bach gehörigen, künstlich ge-
stauten Harenwiler Weiher schreibt Fäsi (S. 149) im Jahre
1766: „Der Harweiler- auch Hüttlinger-See genannt umfabt
nur wenige Morgen. Einige schwimmende Inselchen oder kleine
Stücker Landes, welche sich etwan von einer Seite zur andern
lassen, machen diesen See merkwürdig.“ Derselbe wurde im
Jahre 1865 trocken gelegt.
15) Der Seebach ist der rückläufige Abfluß der Moränen-
seen im Hüttwilertale. Gyger zeichnet die drei Seen im großen
ganzen den heutigen Verhältnissen entsprechend; der Süd-
westzipfel des Nußbaumersees und der Hasensee sind aber
jedenfalls zu lang, und der östliche Teil des Steineggersees
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ist zu schmal ausgefallen. Bedeutend genauer ist der Plan
des P. Josephus von 1744 in 1:5825; er hält durchaus der
‚ Vergleiehung mit der Siegfriedkarte stand. Nötzlis Zeichnung
fällt außer Betracht, da er vom Hasensee nichts weiß und
den Abstand der beiden großen Wasserbecken viel zu klein
angibt. Er ist wohl auch in dieser Gegend nicht selbst gewesen.
Auf der Sulzbergerkarte ist der Nußbaumersee zu klein.
Hasen- und Steineggersee sind zu groß und anders geformt.
Während Josephus und Siegfried den Abstand der beiden
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Fig. 19. Die Hüttwiler Seen im Jahre 1904.
(Blatt 53 des topographischen Atlas.)
letztern zu 500 m angeben, hat Sulzberger etwas mehr als
die Hälfte; Abstand von Nußbaumer- und Steineggersee 1744:
600 m, 1838: 500 m (?), 1904: 675 m. Verlandungen und
Verkleinerung der Wasserfläche durch die Seebachkorrektion
von 1857—1862 sind nicht ausgeschlossen, und die Land-
grenze im Sumpfgebiet ist stets schwer festzulegen; aber es
handelt sich doch wohl um Ungenauigkeit in der Sulzberger-
schen Aufnahme.
Vergleichen wir als maßgebend die Aufnahmen von Pater
Josephus 1744 und die der Siegfriedkarte von 1904, so ergibt
xt
oe
sich, daß die drei Seelein in den letzten 200 Jahren nahezu
gleich geblieben sind (Fig. 18 u. 19).
Die Ursache für Graben- und Wegeverlegung in den um-
gebenden Rietflächen liest in der Einführung des Torfstiches
um 1742 an Stelle der früher ausschließlichen Weide- und
Streuenutzung.
Der Lauf des Furtbaches durch das Gemeinderiet und
seine Mündung in den Nußbaumersee sind mehrfach geändert
worden. Auf dem Ittinger Plan begleitet er den Steinerweg,
die jetzige Straße, mit Einlauf ins unterste Seeende; Sulz-
berger gibt diesen 300 m, Siegfried 125 m westlicher an.
Auch die Steinbachmündung hat Veränderung erfahren.
1668 ging sie in den See selbst, 1744 und 1836 in den
Seebach; die Korrektion der Neuzeit hat sie wieder dem See
zugewiesen.
Erloschene Weiher im Seebachgebiet sind der Negelisee
bei Kalchrain (Früh, Die beiden Deckenschotter, S. 15), der
Weiher der Nötzlikarte westlich Lanzenneunforn und derjenige
des Ittinger Plans nördlich vom Nordende des Nußbaumersees.
16) Der Tegelbach wurde 1869/70 im Unterlauf, später
‚von Islikon bis zur Mündung korrigiert, gleichzeitig auch der
Negelsee des Niederwiler Rietes durch einen Stollen süd-
wärts zum Tegelbach entwässert, während er früher nach
Norden überfloß. Der Negelsee, einst ein Pfahlbaugebiet, muß
schon zu Gygers Zeit größtenteils verlandet gewesen sein, da
er denselben nicht als Wasserfläche, sondern als Buschwald-
gebiet zeichnet. Die Wasserlöcher der Neuzeit entstanden durch
das Torfgraben, welches besonders in den 40er und Ser
Jahren lebhaft betrieben wurde, da die Rotfarb in Frauenfeld
ein guter Abnehmer war. Bei demselben kamen in den Rand-
partien zahlreiche Baumstümpfe zum Vorschein, u. a. auch
eine liegende Eiche von 1 m Durchmesser mit schwarzem Holz
(Mitteilung von Herrn Roth-Huber).
Im Tegelbachgebiet enthält die neue topographische Karte
elf Weiher (sieben Tobelweiher westlich Gachnang, zwei Hof-
ackerweiher südwestlich Islikon, zwei Mühleweiher südlich
Islikon), von denen Sulzberger nur einen, Gyger keinen angibt.
17) Korrektion erfuhren auch bei Anlaß der Thurkorrektion
der Gilgraben von Horgenbach bis zur Thur und der Bach
von Ellikon.
0
18) Das Gebiet des Lattenbaches bei Neunforn behandelt
Walser, 8. 30—34. Der Wilersee soll 1836 doppelt so groß
wie heute und vierbuchtig gewesen sein; er hat Schwingufer,
ist also am Verlanden. Der Flurname „Weiheracker“ südwestlich
Wilen deutet aufeine ehemalige Wasserfläche. Der Barchetsee
scheint seit Gygers Zeit auch bedeutend kleiner geworden zu
sein. Er ist ein typisches Beispiel eines Quellsees und zugleich
eines Verwachsungs- und Ueberwachsungssees (Walser, S. 31)
mit zahlreichen schwimmenden Inseln (Früh und Schröter,
S. 58). Westlich Entenschieß, gegen die Langmühle hin, sind
zwei Weiher Gygers, von denen 1836 noch einer bestand,
ganz verschwunden, während der dritte, mit der kleinen Insel,
sich „bis heute erhalten hat.
f. Sittergebiet.
Unter‘ den thurgauischen Zuflüssen der Sitter hat
der Lauftenbach! seit 1838 Vergrößerung des Weihers von
Wiedenhub erfahren (auf zirka dreifache Größe), hingegen
der Rötelbach westlich Zihlschlacht Verkleinerung des Alten-
weihers von 1'/a ha auf 1 ha. Neu sind auch der Weiher
bei Ried und die Entwässerung des Hudelmooses durch Kanali-
sation 1889 und 1903. Durch keine Karte dokumentiert ist
die Verlandung des Seewadels nördlich Zihlschlacht.
Vier kleine Weiher südlich Eberswil sind in der Karte
von 1836 noch nicht eingetragen.
&. Murggebiet.
1) Abfluß des Mooswanger Weihers Seite 100.
2) Nach den Karten von Gyger und Nötzli muß der Bach
von Gloten und Sigensee bis ins 19. Jahrhundert bei Münch-
wilen in die Murg gefallen sein. 1856 war er als „Krebs-
bach“ nach St. Margrethen verschleppt und zur Verstärkung
der dortigen Wasserkraft noch ein Kanal von Münchwilen
her gezogen. Die neuen Karten zeigen diesen Kanal noch
bedeutend erweitert. „Sigensee“ und das Torfmoor nordwestlich
Gloten weisen auf ehemalige Weiher hin; mit dem des letztern
ist vielleicht identisch der Gygersche Weiher mit der Burg
Gloten am Ufer.
N Tauften = Lauf = Wasserfall zur Sitter.
oe
3) Verschwundene Weiher im Bachgebiet von St. Mar-
grethen: Westlich St. Margrethen (1668), bei Dreibrunnen
und Mörikon (1717), drei Weiher bei Dreibrunnen (1836).
4) Die beiden natürlichen Weiher bei Metzikon, 7 und
0,5 ha, wurden um 1854 trocken gelest.
5) Der Mörischwanger Weiher verschwand zwischen
1717 und 1777; dem Weiherholz südwestlich Heiterschen
fehlte bereits 1668 die Wasserfläche.
6) Das Weiherhaus Wängi verlegt Gyger irrtümlich
auf das linke Murgufer. Der Weiher bestand schon 1717 nicht
mehr. Der Fabrikweiher östlich Wängi ist neu, ebenso der
Mühleweiher südlich Matzingen.
7) Das weite, flache Lauchetal neigt stark zur Ueber-
schwemmung und Versumpfung.: Schon 1759 wurde stück-
weise kanalisiert, aber erst im 19. Jahrhundert die Gerade-
legung der Lauche und Entsumpfung des anliegenden Landes
energisch durchgeführt; in den 40er Jahren zwischen Kalt-
häusern und Stettfurt, 1861—-63 in den Gemeinden Lommis
und Affeltrangen; 1877 Entwässerung des Wallisegger
Weihers, der übrigens schon 1836 nur Sumpfland war.
1879 Korrektion der Lauche zwischen Märwil und Affel-
trangen, Affeltrangen und Lommis, und von Matzingen bis
zum Murgeinlauf, sowie Verbauung des Tobelbaches von der
Brücke in Tobel bis zum Mühlewuhr. Neu im Lauchegebiet
ist der zirka 140 a große Weiher südlich Buch. 1717
bestand noch ein großer Weiher in der Mitte des Dreiecks
Lommis-Anet-Anetswil; zu den seit 1836 verschwundenen
Weihern gehören diejenigen nördlich und westlich Sonnenberg.
Im Tale von Thundorf wurde seit 1717 der Gerthauser
Weiher gestaut; er ist heute etwa viermal kleiner als 1836.
8) Im Lützelmurggebiet ist seit 1720 der Seelmattersee
eingegangen und seit 1836 der Bichelsee etwas kleiner ge-
worden, namentlich im östlichen Teil, wohl durch die seither
durchgeführte Lützelmurgkorrektion. Verschwunden ist der
Weiher von Haslen und derjenige südlich Krillberg im
Weihertal; den Hof Weyern zeichnet Gyger mitten zwischen
zwei langgestreckten Seelein; das eine davon war wohl in
den Weiherwiesen bei Weierhüsli. Seit 1836 gestaut ist der
Weiher südwestlich Weiern
— 109 .—
1854 beim Bahnbau, Korrektion der Lützelmurg zwischen
Ifwil und Guntershausen ;
1868-—72 Kanalisation im Soor bei Balterswil;
1890 Kanalisation des Schulbachs in Bichelsee;
1910 — 11 Entwässerung und Güterzusammenlegung von
Weiern.
: Die Bifurkation des Tobelbaches westlich Ettenhausen fehlt
bei Sulzberger, ist aber schon 1668 durch Gyger verbürgt.
Pupikofer (Anmerkung zum Gemälde) wirft. die Frage
auf, ob nicht der Name Eschlikon durch seine Verwandt-
schaft mit Eschikofen und Eschenz als Ableitung von escansia
— Landungsstelle auf das Bestehen des ehemaligen Sees im
jetzigen Ried noch in historischer Zeit hinweise.
9) Der Langdorferbach aus dem Mühletobel („Horn-
tobel“ auf dem Sulzbergerschen Plan der Schlacht bei Frauen-
feld), welcher noch auf der ersten Siegfriedausgabe offen das
Dorf durchfloß und unterhalb der Militärbrücke in den Widen
mündete, wurde 1898 von der Schrenze an bis zum Einlauf
in die Murg unterhalb des Altermattschen Steges gedeckt.
D. Veränderung an Seelein und Weihern.
In engem Zusammenhang mit den Bächen stehen die
kleineren stehenden Gewässer: teils geben sie jenen den Ur-.
sprung, teils sind sie in deren Lauf durch natürliche oder künst-
liche Talsperren eingefügt.
a. Die natürlichen Wasserbecken
erfüllen meist ehemalige, durch Grundmoränenlehm gedichtete
Vertiefungen in den Schottern der letzten Risflut. Sie sind
daher am häufigsten in den Moränengebieten des Winkels
Pfyn-Andelfingen-Paradies, z. B. die drei Hüttwilerseen, der
Wilersee, der Barchetsee. Andere sind Restbecken des toten
Thurtales Wil-Dußnang-Turbenthal, durch seitliche Schwemm-
kegel und Rutschungen ins Haupttal abgedämmt, wie der
Bichelsee.
Sie sind heute wenig zahlreich. Waren sie von den
Siedlungen abgelegen oder mit ungünstigem Abfluß versehen,
so blieben sie sich selbst überlassen, und ihre Zuflüsse füllten
I
sie mit Sand, Schlamm oder Kalktuff, oder sie „verlandeten *
oder „erblindeten“, bald durch Niederschlagsbildung im freien
Wasser (Sedimentation), bald durch Vordringen des Pflanzen-
gürtels vom Ufer aus (Verlandung im engern Sinne). Das
Resultat der Verwachsung ist bei hartem Wasser ein Flach-
moor mit Binsen, Seggen, Gräsern, Erlen, Birken und Faul-
baum, bei Ausschluß kalkhaltigen Wassers ein Hochmoor mit
. Torfmoos, Heidekraut, Wollgras, Sonnentau und dergleichen
(Früh und Schröter, Seite 11).
Die Zahl der bereits verlandeten Weiher ist beträchtlich.
An ihre Stelle ist Sumpf getreten, und die in der Frühschen
Moorkarte angegebenen 220 ehemaligen und zirka 60 be-
stehenden thurgauischen Flachmoore dürfen zum größten Teil
als verlandete stehende Wasser angenommen werden. Sehr
oft erinnert jetzt nur noch ein Flur- oder Ortsname an das
verschwundene Wasser, wie bei mehreren „Egelseen“.
Eine Anzahl natürlicher Weiher ist bei Vermehrung der
Bevölkerung dem Bedürfnis nach mehr Kulturland zum Opfer
gefallen: der. Stadtweiher von Dießenhofen wurde in Gemüse-
gärten, der Metzikerweiher in saftige Grasflächen umgewandelt.
Streueland sind heute der Stammer, Mooswanger und Paradieser
Weiher.
Von natürlichen Weihern sind in historischer Zeit im
Thurgau 56 verschwunden, die Richtigkeit der Karten voraus-
gesetzt:
27 durch Flurnamen als solche bezeugte schon vor 1668;
26 Weiher der Nötzli- und Gygerkarte fehlen 1856;
3 wurden seit 1836 trocken gelegt.
b. Die künstlich angelegten Wasserbecken
scheinen weniger leicht zu altern als die natürlichen. An
günstigen Orten zu bestimmtem Zwecke angelegt, werden sie
überwacht und nötigenfalls vom Schlamm und Verwachsungs-
gürtel befreit. Zu ihnen gehören: |
1) Durch Talsperren gestaute und oft durch Ausgrabung
noch erweiterte Fabrik-, Mühlen- und Feuerweiher.
Viele von ihnen reichen Jahrhunderte zurück (siehe
Seite 112); andere verdanken ihr Dasein dem Aufschwung
der Industrie im 19. Jahrhundert.
— 111 —
Die größten künstlichen Weiher sind:
die Weihertreppe in Gottshaus-Hauptwil mit zirka 22 ha
die 3 Bommerweiher - EAU LE
die 3 Geißbberger Weiher b. Bätershausen - pe
der Bießenhofer Tea
der Emmerzer Ha
die 2 Fimmelsberger 4 -
der Hörmoser Weiher 31/8 -
Die Veränderungen, welche diese Weiher in Zahl und
Größe während der letzten 80 Jahre erfahren haben, sind
bei den Bächen, Seite 92—-109, angegeben. 16 sind seit
1836 verschwunden; 83 der heute bestehenden fehlen noch
der Swizbergerkarte. Viele hat der Rückgang der Müllerei
eingehen lassen (Wuppenau, Kemmen, Harenwilen), während
hinwiederum für größere Betriebe der Neuzeit solche gegraben
(Wängi, Frauenfeld) oder alte vergrößert wurden (Bießen-
hofen, Bätershausen).
2) Ebenfalls durch Stauung erhaltene Wasserbecken, die,
nur im Winter gefüllt, dem Schlittschuhsport oder der
Eisgewinnung dienen, gehören alle der neuesten Zeit an
(S. 121) und finden sich vornehmlich in der Nähe größerer
Ortschaften: Eisfeld Aumühle, Hasli, Weinfelden, Amriswil,
Bischofszell usw.
3) Verteidigungszwecken dienende Wasserbecken der sog.
Weiherhäuser von Wängi, Hagenwil und Luxburg (siehe
8. 122).
4) Gegrabene Kleinformen von geringerer Bedeutung
‘wie Hanfrosen, Torf- und Lettlöcher und ins Grundwasser
reichende Kiesgruben.
Die Hanfrosen, oft nur wenige Quadratmeter messend,
gehören mit dem Hanf- und Flachsbau der Vergangenheit an;
die Torflöcher wachsen regelmäßig wieder zu; nasse Lehm-
und Kiesgruben bilden lästige Nebenerscheinungen der be-
treffenden Betriebe und ot womöglich mit Abraum aus-
gefüllt oder der Verwachsung überlassen.
Ausnahmsweise ist eine derartige Anlage zur Verschöne-
rung der Landschaft erhalten und zum Teil umgestaltet
worden:
Im Jahre 1891 wurde ein großes Areal des Stacherholzes
nn
bei Arbon ausgegraben, um Material zum Ausfüllen des
sumpfigen Baugrundes für die Stickerei Heine & Co. zu be-
kommen. Durch Hineinleiten des Fallentürlibaches verwandelte
man das „Loch“ in einen zirka 21/2 ha großen Weiher, der
aber nach und nach ein im Sommer übelriechender Sumpf
zu werden drohte, so daß der Besitzer vor die Alternative
gestellt wurde, entweder den Weiher zu reinigen oder ihn
aufzufüllen. Mit großen Kosten, an welche die Gemeinde einen
Beitrag leistete, wurden im Winter 1913/14 die Reinigung
durchgeführt, Zu- und Ablauf durch Schleusen reguliert, die
Ufer befestigt und mit schönen Spazieranlagen versehen, so
daß jetzt der Weiher mit dem daranstoßenden Waldpark des
Verschönerungsvereins eine Zierde des Quartiers bildet (Mit-
teilung von Herrn A. Oberholzer).
E. Wirtschaftliche Benutzung des Wassers.
a. Zu industriellen Zwecken.
In unserm zerschnittenen Hügelgelände mit dem regen-
reichen Klima hat das fließende Wasser von alters her eine
bequeme und billige mechanische Triebkraft geliefert, zunächst
zum Mahlen des Getreides, später auch zum Sägen des Holzes,
zum Pressen des Oels, zum Hanfreiben, zum Lohestampfen u. dgl.
Die Arbeit war bis ins 19. Jahrhundert hinein meistens
Saisonarbeit, gebunden an die schwankende Wassermenge und
an die Zeiten, da Rohstoff‘ zur Verfügung stand. Es gab
Mühlen, die nur wenige Monate des Jahres in Tätigkeit waren.
Um sich von der Wasserführung der Bäche etwas un-
abhängiger zu machen, legten die Müller an geeigneten Orten
Wassersammler an, meist durch Talsperren kleinen Formats —
als Schutz vor Wassermangel — oder sie leiteten das Wasser
durch Kanäle von bestimmtem Profil und regulierbarer Füllung
vom Flusse oder Bache her — als Schutz vor Hochwasser-
schaden.
Solehe Vorriehtungen finden sich schon in den Karten
des 17. und 18. Jahrhunderts eingetragen:
1) Künstlich gestaute größere Mühleweiher:
a. Auf Gygers Grundriß der Herrschaft Wynfelden 1663:
Der große Weier zur Kemmenmühle und östlich davon
ein „alter Weyerdamm.*
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3 @ Erossmuürhle
ı ® Fruchtbreche
4 © Betrieb eingestellt
| vor 783% verlassen
A Sagerer
N ekemal. Saägere:
W jür and/rauser benutze
D ckemal Sapıer-. OL-
Lohm uühle
RZ
— : 113 °—
b. Auf der Karte von Gyger 1667:
Der Harenwilersee für die Hüttlinger Mühle;
- der Fimmelsberger Weiher mit Kanal nach Griesenberg;
der Bannholzweiher bei Lustdorf für die Mühle von
Aufhofen ;
die drei Neunforner Weiher für die Langmühle.
ec. Auf den Karten von Nötzli 1717 und 1720:
Die Gottshauser Weiher für die Mühle von Hauptwil;
die Wuppenauer Weiher für die Mühle im Hugentobel;
die Bommerweiher für die Mühlen im Kemmental
(Fig. 25);
die Geißberger Weiher für die Mühlen am Schoder-
bach (Fig. 25).
2) Mühlekanäle, sogenannte Mühlgräben oder Mülli-
bäche:.
Am Geißlibach bei Basadingen, Willisdorf, Rottmühle und
Dießenhofen (1667).
An der Murg:
a. Von Wiezikon über die Sirnacher Mühle nach Hofen
A7ım;
b. vom Königswuhr zum Schloß Frauenfeld (1667) und
c. von gleicher Stelle über die Gerbe nach Kurzdorf
dig).
Historisch lassen sich letztere beiden Kanäle bis zum
Jahr 1403 hinauf nachweisen (Schaltegger, Bauliche Ent-
wieklung von Frauenfeld, 8. 23).
An der Thur der „Bülibach“ (wohl eher Müllibach!) von der
Sulger Au über Bürglen und Sangen bis Busnang (Gyger 1637).
Er war vielfach Gegenstand des Streites wegen Wiederher-
stellung nach Hochwassern zwischen dem Bürgler und dem
Weinfelder Müller (Wälli 8. 163). Er fiel endgültig den großen
Ueberschwemmungen der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts
zum Opfer, und die Karte von Häckli 1810 zeichnet ihn nur
noch bis Bürglen, dafür einen neuen von der Brücke im
Thurrain über die Weinfelder Mühle bis unterhalb Amlikon.
Dieser Kanalbau fällt zusammen mit dem Bau der neuen
Mühle. 1776 verkaufte Zürich die alte Sangenmühle auf
Abbruch, während die Säge an den Gießen verlegt wurde.
1782 —1784 baute die Gemeinde Weinfelden an neuer, weniger
)
— 114 —
gefährdeter Stelle eine Mühle, zu welchem Zweck 1783 der
neue Wasserkanal gegraben wurde. (Weinfelder Chronik,
Wälli, 8. 113, 185 und 306).
Im Kemmental der Mülibach zur Tütschenmülli (Gygers
. Grundriß von Wynfelden, 1663).
An der Goldach der Kanal von der Bruggmühle bis nach
Horn el:
Die Müllerei war stets ein unentbehrliches Hilfsgewerbe
der Landwirtschaft, und jede Wirtschaftseinheit (Kloster, Stadt,
Dorf, Hof, Grundherrschaft) mußte über mindestens eine Mühle
verfügen.
Der Mühlenweg war ein öffentlicher; für den von Frauen-
feld war sogar eine Mindestbreite vorgeschrieben, so daß ein
mit einem vollen Sack beladenes Pferd einem andern gut
ausweichen konnte. Im Mittelalter hatten die Mühlen be-
sonderen Rechtsschutz, den „Mühlenfrieden“, als Ausdruck
des außerordentlichen Wertes, den sie als die einzigen tech-
nischen Einriehtungen von Bedeutung damals für Eigentümer
und Allgemeinheit hatten (R. Keller, Seite 11 u. 31).
Es gab im Thurgau nur Kundenmühlen. Der Müller mahlte
um Lohn; er hatte mit Pferd und Karren bei den Bauern
das Korn abzuholen und ihnen das Mahlgut zurückzustellen,
falls sie nicht vorzogen, das Getreide selbst zu bringen, um
den Mahlprozeß zu überwachen. In der Mahlsaison drängten
sich die Leute in der Regel vom frühen Morgen an in der
Mühle, um dann der Reihe nach bedient zu werden: „Wer
zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Uebrigens konnten Grundherr,
Meier und Keller das Vormahlrecht beanspruchen.
Von der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an waren die
Mühlen sog. Ehehaften wie die Wirtschaften, Bäckereien,
Schmieden und dergl.
Unter Ehehafte verstand man ein Nutzungs-, meist
Gewerberecht, das an einem bestimmten Grundstück haftete
und von der Obrigkeit verliehen wurde. Seen, Flüsse und
Bäche gelten als öffentliches Gut, soweit nicht alte Privat-
rechte nachgewiesen waren, und die Anstößer konnten darum
über Wasser und Wasserkraft nicht frei verfügen. Das
Wiesenwässern z. B., das damals mehr als heute geübt wurde
(siehe Seite 120), war nur soweit gestattet, als es dem Müller
— 115 —
nicht schadete, und vor andern Triebwerken hatten die Mühlen
den Vorrang (R. Keller, Seite 61—67).
Nach dem thurgauischen Ehehaftengesetz von 1322 war
für die Konzession eines Wasserrechtes eine einmalige Gebühr
von 25—150 Gulden zu bezahlen, je nach Kapitalwert und
Ertrag des Gewerbes. Außerdem mußte für jedes Wasserrad
ein jährlicher Wasserzins von |-—6 Gulden entrichtet werden.
Im Jahre 1825 zählte der Thurgau auf 450 Einwohner eine
- Mühle, im ganzen 168 mit 538 Wasserrädern. Dabei bedeutete
aber nicht jedes Wasserrad auch einen Mahlgang. Fast jede
Mühle hatte noch Nebenbetriebe. So fand man in der Wein-
felder Mühle neben den vier Rädern für die vier Mahlgänge
noch je ein Rad für eine Nußmühle, eine Relle, eine Säge,
eine Hanfreibe, eine Flachsbläue und eine Lohstampfe (R. Keller,
Seite 109). Die Rheinmühle in Konstanz hatte 13 Mahlgänge,
dazu noch Stammholzsäge, Lohschneide und Walkwerk.
In der Regel verfügten die alten Bauernmühlen über vier
Mahlgänge: einen Gerbgang zum Reinigen der Frucht und
zum Brechen von Hafer und Bohnen, einen Weißgsang für
Weißmehl, einen Mahlgang zum Griesen und Schroten und
einen Mahlgang zum Ausmahlen — gewöhnlich im Erd-
geschoß; darüber waren die Wohnräume des Müllers. Eine
solche Mühle konnte von einem guten Holzarbeiter oder
Mühlenmacher zusammen mit einem Schmied neu erstellt
werden (Öttiker, Seite 23). Der Thurgau zählte 1828 238
Müller und 33 Mühlenmacher.
Die alten Mühlen waren Steinmühlen, deren Mahlsteine
oft aus einheimischem Material, geeigneten Findlingen, z. B.
Verrucanosandstein, herausgemeißelt oder zusammengesetzt
wurden. Noch heute liegen da und dort solche Mühlsteine
herum als Zeugen von damals. Das Mahlgut mußte stark
angefeuchtet werden, und die Ausbeute war dunkles Brotmehl
neben wenigen Prozenten Weißsmehl. Seit Ende der 20er Jahre-
des 19. Jahrhunderts arbeitete sich ein neues Mahlverfahren
empor, die Walzenmüllerei. Sie ist eine spezifisch schweize-
rische Erfindung, zu deren Vervollkommnung Ingenieur Sulz-
berger in Frauenfeld vieles Wesentliche beigetragen hat (8. 25).
Nach seinem System wurden die Walzmühle in Frauenfeld
und je eine Dampfmühle in Venedig, Budapest und Prag ein-
gerichtet, die aber die darauf gesetzten Hoffnungen nicht
ee
erfüllten, hauptsächlich weil sich die Walzen rasch abnutzten,
ungleich rund und unbrauchbar wurden. Seit den 50er Jahren
haben sich beide Verfahren sehr wesentlich vervollkommnet;
die Walzenmüllerei aber gewann Vorsprung und hat heute
die Steinmüllerei verdrängt. Sie liefert feineres, weiberes und
reineres Mehl als alle andern Mahlverfahren (Ottiker, 8. 23
bis 26).
Unterdessen machte aber die Müllerei noch eine weitere
Wandlung durch: Mit dem Rückgang des Getreidebaus und
der Steigerung der Einfuhr fremden Getreides verloren viele
Mühlen ihre Kundsame, und manche von ihnen ging aus Mangel
an Arbeit ein. Nur Mühlen in guter Verkehrslage mit aus-
reichenden Wasserkräften und Geldmitteln richteten sich nach
und nach besser ein; sie wurden zu großen Handelsmühlen,
d. h. modernen drei- bis vierstöckigen Mehlfabriken.
Den immer mehr um ihre Existenz kämpfenden Lohn-
mühlen kam die in die gleiche Zeit fallende rasche -Entwick-
lung anderer Industriezweige insofern zu gut, als manche von
ihnen eher verwertet werden konnte.
An den Stellen, wo teilweise wohl schon im 8. Jahr-
hundert Mühlen entstanden, haben sich solche meist bis in unsere
Tage hinein erhalten, sofern Platz und Wasserverhältnisse
mit richtigem Blick ausgewählt worden waren. Manche freilich
sind verschwunden, und auf der Karte von 1836 treffen wir
eine Anzahl Flur- und Ortsnamen, die das ehemalige Dasein
von Mühlen bezeugen:
Die Schlechtenmühle südöstlich Weinfelden, welche
schon dem Gygerschen Grundriß 1663 fehlt, bestand wahr-
scheinlich an dem Thurarm, der früher den Lauf dem Otten-
berg entlang hatte, und an einer andern Thurschlinge mag
1475 Kysen a.d. Thur (Pupikofer, Geschichte des Thurgaus
II, S. 16) gelegen haben, das zwischen Hüttlingen und Pfyn
genannt wird.
im Mühletobel bei Frauenfeld muß die Mühle in der
Schrenze gestanden haben, da auf der Müllerschen Karte und
noch auf einem Sulzbergerschen Plane die Umgebung des
„Guggenhürli“ mit Mühletobel, das ganze Tälchen dagegen mit
Horntobel bezeichnet ist.
Bei der untern Badstube in Weinfelden war im 16. Jahr-
— 111 —
hundert eine große Mühle mit Stauweiher in der Büntwiese
(Weinfelder Chronik 1509).
Längst eingegangen sind ferner die Tobelmühle bei
| Eochom, die Hubmühle nördlich Mühlebach, die Mühle
Riet bei Zihlschlacht, die Daubenmühle am Neuburger-
tobelbach bei een
Im Aeuli fand man beim Bau der Fabrik Jakobstal einige
Mühlsteine. Die Mühle sei von der. Murg weggerissen und
nachher nieht mehr aufgebaut worden, weil der Müller von
Matzingen die betreffende Ehehafte erworben habe, um sich
von der Konkurrenz zu befreien (Pupikofer, Nachträge).
Die 168 Mühlen des Jahres 1825 hatten sich in den ersten
Jahrzehnten der Gewerbefreiheit noch beträchtlich vermehrt,
so daß’in den 60er Jahren etwa 180 solcher das einheimische
Getreide verarbeiteten.
Die Karte, Figur 20, nach Erkundigungen in den ver-
schiedenen Landesgegenden und unter Benutzung einer Zu-
sammenstellung der thurgauischen Wasserkräfte durch die
Staatskanzlei des Kantons Thurgau gezeichnet, zeigt den heutigen
Stand dieser Mühlen. Es fristen noch 23 Bauernmühlen
kümmerlich ihr Dasein. 44 haben sich als Frucht- oder
Futterbreehen der modernen Futterwirtschaft angepaßt:
Meist nur noch mit einem einzigen Mahlgang werden Mais,
Roggen, Gerste, Hafer und Fäsen (die vollen Aehrchen des
„Korns“, Tritieum Spelta) grob gemahlen als Futter für Vieh,
Schweine und Geflügel, oft nur für den Gebrauch in der eigenen
Wirtschaft. Bereits stellen auch diese nach und nach ihre
Tätigkeit ein wegen Konkurrenz der Genossenschaftsmostereien,
die in ihrer toten Zeit auch Futterartikel mahlen und weil
die Bauern vielfach, durch den bequemen elektrischen Betrieb
veranlabt, sich selbst mit einer Futterbreche versehen.
Neun Mühlenbetriebe, in Bischofszell, Bottighofen, Bürglen,
Egelshofen, Hasli - on een, Mörikon - oa
Rickenbach und u aelen entwickelten sich zu modernen,
großen Handelsmühlen.
Alle übrigen sind eingegangen oder in andere Bere
verwandelt.
Ueber die Verbreitung der Mühlen läßt sich aus der
Karte folgendes erkennen:
Im westlichen Kantonsteil (Dießenhofen, Neunforn, Hütt-
-— 118 . —
wilen), der sich infolge geringer Niederschläge noch am ehesten
für Getreidebau eignet, sind am meisten, d. h. acht, Bauern-
mühlen erhalten geblieben. Andere finden sich im Thurtal
von Pfyn bis Bischofszell (sieben), bei Amriswil (zwei) und
am Nordhang des Seerückens von Eschenz bis Altnau (vier).
Im gesamten Murggebiet sind sie verschwunden; hier hat,
mit Ausnahme des Lauchetals, das Vorwalten der Stickerei
sogar die Fruchtbrechen entbehrlich gemacht.
Die Großmühlen sind nicht auf die Produktion des Um-
seländes angewiesen; für ihre Verteilung (fünf im Thurtal,
zwei bei Kreuzlingen-Konstanz, drei im hintern Thurgau) sind
ausschlaggebend Verkehrslage, Wasserkraft und Absatzmög-
lichkeit.
Die Fruchtbrechen sind am häufigsten im Gebiet vor-
waltenden Gras- und Obstbaus (Bezirk Arbon 11); im hintern
Thurgau fehlen sie.
Meistens sind die mit den Mühlen verbundenen Säge-
reien erhalten geblieben; ja vielfach wurde in Verwendung
der Wasserkraft eine neue Säge eingerichtet, so daß sich die
Zahl der Wassertrieb-Sägereien heute auf 68 beläuft.
Von den vier Papiermühlen der Sulzbergerkarte, Stein-
bach bei Eschenz, Bottishofen, Aadorf und Degenau, besteht
keine mehr; dafür ist in Bischofszell ein Großbetrieb entstanden.
Die Oelmühlen sind sämtlich eingegangen, seit die Reps-
felder die Frühlingslandschaft nicht mehr vergolden, der Flachs-
bau eingestellt wurde und die „Rollen“ (Mohn) auf wenige
kleine Parzellen sich reduzierten. Die letzte „Oele“ wurde
1912 bei Amlikon abgebrochen, nachdem sie schon 1896 den
Betrieb eingestellt hatte.
Gleichzeitig sind die Hanfreiben verschwunden und die
Walken an den Großbetrieb der Wollindustriezentren ab-
gegeben worden.
Die Lohmühlen teilten das Schieksal ihrer Kunden, der
kleinen Gerbereien. Die modernen Schuhfabriken unterdrückten
das überall verbreitete Schuhmacherhandwerk und damit auch
die Kleingerberei. Der Thurgau hat heute nur noch fünf
Gerbereien, sämtlich mit Großbetrieb: Frauenfeld (44 Arbeiter),
Arbon (19 Arbeiter), Andhausen (9 Arbeiter), Matzingen und
Oberaach.
— 119° —
Ueber die Verwendung des Wassers in der modernen
Industrie lassen sich nur schwer allgemeine geographische
Gesichtspunkte gewinnen. Die alten Kleinbetriebe mieden
der Hochwassergefahr wegen die großen Flüsse; sie bevor-
zugten die Bäche und fanden dabei die wohltätige Dezentrali-
sation, die ziemlich gleichmäßige Verteilung über das sie be-
‚nötigende Land. Die heutige Großindustrie kann sich nicht
mit kleinen Kraftmengen begnügen; sie überläßt diese den
aus dem Handwerk zur Kleinfabrik sich emporringenden Be-
trieben, der Schlosserei, Schreinerei, Käserei etc. und sucht
die Kraft unter Anlage einer Dampf- oder elektrischen Reserve
an Thur und Murg. Die Verwendung der Rheinenergie fehlt
zurzeit völlig, nachdem die Mühlen in Konstanz und Dießen-
hofen und die Sägen im Werd und oberhalb Dießenhofen
eingegangen sind.
Nach den Erhebungen der thurgauischen Staatskanzlei 1913
sind zurzeit die größten es
Papierfabrik Bisehofszell . . . . .,600 PS
Kammgarnspinnerei Bürglen. . . 3350 PS
Seidenweberei Schönenberg . . . 230 PS
Zwicnerein Murkatt ı% 2... 8 100,8
Weberei Weinfelden. ..: . .. .... 140. PS.
Vigognespinnerei Pfyn . . 120-528
Schuhfabrik Frauenfeld ea) NEIKSHIEIS
Mühle Sitterbrücke-Bischofszzell . . 100 PS
Dlebereit Kurzdort 2.2... .,100508
Der kleinste Wasserkraftverbrauch — durch Futterschneide,
Waschmaschine u. dgl. — lehnt sich an die Wasserversor-
gungen an.
b. Zu landwirtschaftlichen Zwecken.
Die frühere Viehwirtschaft mit dem Weidebetrieb verfügte
über wenig Stalldünger. Dieser war dringend nötig für Pünt
und Reben, so daß zur Ertragssteigerung der Wiesen nur
das Wasser übrig blieb. In trockenen Sommern war übrigens
das letztere auch wertvoll für Krautgarten und Pünt. So
waren denn weit ins 19. Jahrhundert hinein die Wiesen von
'Wassergräben durchschnitten, deren Inhalt zeitweilig durch
Stauschleusen („Fallen“) dem benachbarten Bache entzogen
— 120° —
wurde, und überall regelten verbriefte Rechte und von den
Behörden aufgestellte Ordnungen und Verbote den Wasser-
verbrauch. Beispielsweise erwähnt Wälli S. 24. 26 und 41-43
verschiedene solche auf Weinfelden bezugnehmende Wäs-
serungsbriefe aus dem 16.—18. Jahrhundert.
1) Ueber den Dorfbach 1539: Vom Gemeindhaus abhin
hat die Herrschaft das Wasser vom Dienstag am Morgen bis
am Mittwoch zu Mittag. In der übrigen Zeit mag jeder ein
Teil nehmen, so weit das Wasser langen mag, und so man
die Wasserschwelle bei der Badstube abläßt, soll auch jedem
ein Teil gehören. So der Bach ausgefüllet, sollen sie alle
helfen, die am Wasser hand, den Bach zu schorren.
2) Ueber den Bach in .Gontershofen 1541: Die
Herrschaft hat das Wasser vom Samstag, „so man Feierabend
lüt“, bis Dienstag morgens. Ferner mag sie dasselbe am
Donnerstag zu Nacht bis Freitag „mitten Tag Zit“ in die
langen Wies halb nehmen.
3) Ueber die Falle am Gießen bei der Steinacht-
wies zu Gontershofen 1547: Der Vogt Lutz Ulmer im Namen
der Herrschaft und der Schreiber Josef Bockstorf haben gemein-
sam eine Falle und jeder einen Schlüssel dazu. Bockstorf darf
das Wasser nutzen vom Mittwoch Morgen bis Samstag Abend.
In der übrigen Zeit gehört es der Herrschaft. Das Abwasser
erhält der Anstößer Güttinger für seine „gsteinet Wies“ und
nachher noch Aberli Rennhart. „Beide mögen es nutzen so,
daß dem Gras der Herrschaft kein Schaden geschieht“ und
zu dem Ende muß Güttinger durch seine Wiese einen Graben
machen.
4) Ueber den kleinen Gießen 1554, 1643/1650: Die
Herrschaft verfügt über das Wasser vom Sonntag Morgen
„als man Messi lüt“ bis zur Frühmesse am Montag. Das
Recht der übrigen 16 Anstößer zählt nach Stunden: von
der Frühmesse um 4"—-10", von 10"—4", von 4? 10%
abends, von 10"—4" früh usw.
Die Anstößer sind verpflichtet, den Graben in der Breite
von 3 Werkschuh alle Jahre richtig zu stellen.
1705 verteilte ein neuer Brief das Wasser derart, daß es
die Herrschaft für ihre Pünt 25 Stunden erhielt, die übrigen
Sechzehn je nach der Größe ihres Grundstückes 7—3 Stunden
pro Woche.
— 121: —
Auf Mißbrauch des Wassers haftete eine Buße von einem
‚ Louistaler.
/ Beim Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Weidgang
im Thurgau. aufgehoben (Weinfelden 1799, Wilen bei Wil
.1807, allgemein 1810) und da vermehrte Stallmistproduktion
den Ertrag der Aecker schnell auf erfreuliche Höhe brachte,
wurden nach und nach auch die Wiesen gedüngt. Damit war
aber das Wässern nicht vereinbar, da das Wasser die wert-
vollen Düngstoffe größtenteils wegschwemmt und die Güte
- des Futters herabsetzt.
Heute ist die Wiesenwässerung fast ganz verschwunden.
Für Streueland aber, das seit dem Ueberwiegen der Vieh-
wirtschaft erhöhten Wert bekam, der vielorts dem der Futter-
wiesen gleichkommt, wirkt künstliche Wasserzufuhr unter
gewissen Bedingungen produktionsfördernd.
So empfiehlt der thurgauische Kulturingenieur in seinem Be-
richt für die schweizerische Landesausstellung 1914 (A. Weber,
8. 17) Wässerungsanlagen für einige 100 Hektaren abgelegene
und wenig bestraßte Streueflächen mit Kiesunterlage und dünner
Humusdecke, die durch die Hochwasserdämme der regelmäßigen
Ueberflutung beraubt wurden und seitdem verarmten.
c. Die Verwendung des Eises.
Sobald des Winters Frost den Spiegel der Seen und Weiher
gehärtet hat, belebt sich derselbe von alters her mit dem Jung-
volk der Umgebung. Während aber früher die Erwachsenen
mit mehr oder weniger Neid auf das fröhliche Treiben der
Jugend herabgebliekt haben, ist seit etwa 40 Jahren die
kräftigende Betätigung auf dem Eise zum Gemein-
gut von Jung und Alt geworden.
Dabei genügen die alten Mühleweiher nicht mehr: Jede
größere Ortschaft sorgt in ihrer Nähe durch Stauung eines
Bächleins in Wiese oder Riet für ein möglichst ausgedehntes,
sicheres Sportfeld, wie z. B. Frauenfeld, Weinfelden, Amris-
‚wil, Bischofszell, Romanshorn, so daß sich über den Winter
die stehenden Gewässer noch merklich vermehren.
Nur wenig älter als der allgemeine Eissport ist die Ver-
wendung des Eises als billiges und bequem anzu-
wendendes Abkühlmittel in Krankenpflege, Brauerei,
— 122 —
Brennerei, Molkerei, Fischhandel, Hotelbetrieb, Metzgerei und .
Haushalt.
Etwas vor 1860 in der Nordschweiz eingeführt und z. B.
schon 1859 am eidgenössischen Schützenfest in Zürich an-
gewendet, hatte die Eiskühlung lange mit den Schwierigkeiten
der Eislagerung über den Sommer zu kämpfen, indem die
verwendeten Strohhütten und Erdlöcher übergroße Verluste
ergaben. Von Mitte der 60er Jahre an hat man rationelle,
mit guten Isolierschichten (Sägespäne, Lohe, Stroh, Holzkohle,
Korksteine) und Abtropfrost versehene Eiskeller und Eisschuppen,
und heute ist der Bedarf an Eis großartig: Frauenfeld allein
speichert jeden Winter zirka 1000000 kg — 10000 q auf,
welche Menge in 500 zweispännigen Wagen aus dem Umkreis
von 7 km hergeführt wird. Arbon bedarf etwa 4000 q, Wein-
felden 4500 q, Kreuzlingen-Emmishofen 3500 q, Amriswil
1000 q. In Ermatingen sind elf Geschäfte, welche Eis brauchen:
Fischhändler, Metzger, Käser und Wirte; ihr Bedarf ist jähr-
lich zusammen 305 lan une a 20 4 —=,610059 Am
meisten brauchen die drei Fischhandlungen.
Da diese Ortsgruppen etwa zwei Siebentel der ee *
ischen Bevölkerung umfassen und sämtliche Bierwirtschaften,
die meisten Konditoreien, viele Metzger und die Spitäler starke
Eiskonsumenten sind, darf der Jahresverbrauch an Eis im
Thurgau auf 80000—90000 q geschätzt werden.
Der Bedarf wird in einigermaßen günstigen Wintern aus
den Weihern gedeekt, in den Seegemeinden auch vom See
her; da und dort sind besondere Eisgerüste mit Spritzapparaten
in Tätigkeit, und in außergewöhnlich frostarmen Wintern er-
sänzen Kunsteis und Import, z.B. vom Klöntalersee und von
Davos, den Ausfall. In Frauenfeld stellen sich 100 kg Natur-
eis auf 70--80 Rappen, 100 kg Kunsteis auf etwa 2 Franken.
F. Das Wasser als Schutzwehr.
Wo die Ritterburgen und Herrensitze statt auf kühnem
Bergsporn, durch Fels und Sehlucht geschützt, im Flachlande
angelegt werden mußten, suchten sie in wassergefüllten Gräben
Sicherheit vor feindlicher Ueberraschung:
Die Güttinger Kachelburg stand im See; das Schloß
Gottlieben war von einem Wassergraben umgeben, den erst
a ge
Prinz Napoleon in den 30er Jahren ausfüllen ließ. Das
„Weiherhaus“ in Wängi hat wenigstens seinen Namen in
‚ die Gegenwart gerettet, und das Schloß Hagenwil ist heute
noch als mittelalterliches Denkmal die „ Weiherburg“ mit wasser-
gefülltem Burggraben und Zugbrücke. Ein Weiherhaus muß
' auch die Luxburg eine Zeitlang gewesen sein, nachdem die
Anschwemmung der Aach ihre Insel mehr und mehr land-
fest gemacht hatte.
Schon längst spielt der Wasserabschluß im Thurgau —
- außer durch Rhein und See — keine militärische Rolle mehr.
G. Quellen und Grundwasser.
“ a. Quellen und Sümpfe.
Zum Ursprung der fließenden Gewässer emporsteigend,
gelangen wir an die Stellen, wo das Grundwasser aus dem
Boden dringend Quellen, Quellsümpfe, nasse Wiesen und
eigentliche Moore bildet.
Die Quellen hat J. Engeli erschöpfend behandelt (Heft 20
dieser Mitteilungen), so daß in bezug auf dieselben ohne
weiteres auf dessen gründliche Arbeit verwiesen werden darf.
Er berichtet auch über das Verdrängen der früher allgemein
verbreiteten Sodbrunnen oft sehr fragwürdigen Charakters
durch die vielen Wasserversorgungen mit Laufbrunnen, Hy-
dranten und Wasserhahnen in Küche, Keller, Stall und Garten,
als Spiegelbild des wachsenden Wohlstandes und vermehrter
Gesundheitspflege. Ihre allgemeine Einführung bedeutet tief-
einschneidende Veränderungen, die sich im Kanton vollzogen
haben; dennoch müssen sie hier außer acht fallen, weil sie
sich in den Karten nicht ausdrücken — höchstens noch durch
die Reservoire und das Verschwinden einzelner Quellsümpfe.
Betreffend Sümpfe verweise ich auf die klassische Arbeit
„Moore der Schweiz“ von Früh und Schröter, deren Karte die
ehemaligen und die bestehenden Moore des Thurgaus angibt.
Um die Zahl der verschwundenen Sümpfe festzustellen, wäre
eine bloße Vergleichung der alten und neuen Karten nicht
angängig gewesen, da Sulzberger und seine Vorgänger die-
selben nur zum kleinen Teile kartierten. Früh (Seite 249)
benutzte vielmehr neben Untersuchungen im Gelände und
floristischen und landesgeschichtlichen Notizen hauptsächlich
— 124 —
die Flur- und Ortsnamen, die auf ehemaliges nasses Land
hinweisen und die in der Regel recht zuverlässige Dokumente
darstellen.
b. Das Grundwasser.
Das Grundwasser hät im Thurgau eine tiefgreitende Be-
deutung. Wegen der weithin verbreiteten undurchlässigen
Grundmoränendecke liegt es fast überall hoch, und der thur-
gauische Kulturboden stand von jeher im Rufe eines zähen,
kaltgründigen, nassen Bodens, der nur geringer Erträge fähig
sei. Die Nässe wurde schon in früheren Jahrhunderten best-
möglich bekämpft, wie die vielen tausend offenen Gräben in
Feldern und Wiesen beweisen, und die allgemeine Not
dokumentiert sich auch dadurch, daß der Thurgau den übrigen
Schweizerkantonen in der rationellen Entwässerung durch
Drainage voranging.
Solche Meliorationsarbeiten waren bitter notwendig, als
um die Mitte des 19. Jahrhunderts der Aufschwung von Verkehr,
Handel und Gewerbe gebieterisch bessere Bodenrendite ver-
langte. Den Anfang machte 1840/41 das Schloßgut Kastell;
ihm folgten die großen Güter von Kreuzlingen, Moosburg,
Liebenfels, Gündelhart ete., und von 1854 an, da ein zeit-
gemäßes Flurgesetz unterstützend eingriff, auch kleinere
Betriebe. 1862 waren schon über 50 Drainagen ausgeführt
und dadurch gegen 2000 ha entwässert worden (J. Kopp, 1865,
Seite 105—126), allerdings nicht alle in rationeller Weise
für dauernden Erfolg (zu geringe Tiefe, schlechte Lagerung
und geringe Röhrenqualität).
Seit 1885 ist ein besonderer kulturtechnischer Dienst ein-
geführt, und 1908 wurde die Stelle eines eigenen Kultur-
ingenieurs geschaffen. Da zugleich Kanton und Bund unter-
stützend eingriffen, machte die Melioration weitere Fort-
schritte. 1885 — 1912 wurden 33 große Drainagen ausgeführt,
20 reine und 14 mit Kanalisation kombiniert. Die Resultate
werden als gut bis sehr gut bezeichnet (A. Weber, Das Boden-
verbesserungswesen im Thurgau, Bern 1914).
! J. Kopp erwähnt in seiner Anleitung zur Drainage Seite 12
ein oberthurgauisches Gut, bei dem die Messung auf 19 Jucharten
Land 1°/ı Jucharten Gräben ergab, also Verlust an nutzbarem Land
nahezu 10 %o.
— 125 —
Neben der Drainage fand auch weitere Trockenlegung
‚durch Kanalisation statt, hauptsächlich, weil diese leichter
‚ auszuführen ist. Sie steht aber der richtig durchgeführten
Drainage nach, weil die offenen Gräben viel Land der Nutzung
entziehen, und weil sie Reinigungsarbeiten und selbst Brücken
nötig machen, auch das Tagewasser allzurasch abziehen. Als
‚heute noch entwässerungsbedürftig bezeichnet A. Weber (8. 16)
5000 ha Kulturland und über 2000 ha Moorboden.
Mit den Hochständen im Grundwasser während außer-
ordentlichen Regenperioden hängt auch noch zusammen:
1) im schwach geneigten Boden ein langsames Absinken
des Erdreichs, das oft nur dezimeter-, oft aber meterweit
geht und als Erdkriechen, Solifluktion, bezeichnet wird. An
Grashalden wird dabei oft der Rasen buckelig vorgetrieben
oder es schiebt sich die Rasendecke über eine Stützmauer
weg oder verengt den Straßengraben, wie es in der Gegend
von Herten bei Frauenfeld, wo der Rasen auf Mergel und
Sandstein lagert, häufig zu sehen ist.
2) bei steileren Böschungen das plötzliche Absinken des
Erdreichs, der Erdrutsch. Dieser heißt im südlichen Kantons-
teil „Läui“, und in habituellen Rutschgebieten treffen wir
auf bezügliche Orts- und Flurnamen:: Leuberg südlich Hosen-
ruck, Leuenhaus westlich Hackborn Leuenwald ob Ochsenfurt,
Leue am Fuße des Burgstockes östlich Weinfelden, Leienberg,
der alte Name für St. Pelagiberg dürften so zu deuten sein.!
Mit „Erdschlipf“ hängen zusammen: Schlipfenberg nörd-
lich Weinfelden, Schlipf westlich Jakobstal-Wängi.
In ähnlicher Weise deutet der Name Bleike, d.i. bleiche,
helle Stelle am Berghang, auf Rutschungen: Bleiken, Dorf
südöstlich Sulgen, Bleike, Bleiche, Hof zwischen Au und Otten-
egg, Bleiche, Flurname östlich Rheinklingen, vielleicht auch
Bleichehöfli, jetzt Bleiche westlich Unterhörstetten und Bleien-
hof südlich Güttingen.
Bekannte Rutschgebiete sind: die Bütschhalde südlich
Oberwangen, wo Nagelfluhbänke in Bewegung ‘geraten. Der
Höllwald unter Hohlenstein östlich Allenwinden, die Abhänge
! Am Untersee hat das Wort Leue, Leie, Laye einen andern
Sinn; man bezeichnet damit die bei Niederwasser hervortretenden
Kiesbänke bei Eschenz, wohl vom mittelhochdeutschen leie, lei =
Fels, Stein (Fig. 11).
-— 126 —
bei Dußnang, wo indes Schlipfe durch Vorsicht beim Ab-
holzen auf ein geringes Mal zurückgeführt werden könnten.
Die Rheinhalde von Wagenhausen bis zum Rodenbrunnen-
Dießenhofen. Im Sittergebiet am Altenrain, bei Oberegsg,
am Osterwalder Rain, wo die ganze Halde in Bewegung
ist und zeitweise Schlammströme hervorquellen, und bei Ober-
buch, wo nach dem Hochwasser vom Januar 1914 etwa 3 ha
ins Rutschen gerieten.
Nach dem Hochwasser von 1876 wurden Rutsch-Entwässe-
rungen (Fig. 21) nötig in Kalchrain, Herdern, Tellen-Hohen-
tannen, Jakobstal und am Immenberg, 1913 in Liebenfels.
Durch Verbauung kamen zum Stillstand die Rutschungen im
Wellhauser Mühletobel und im Krätzerntobel bei Hüttlingen.
Ein interessantes Ergebnis hatte ein Erdrutsch der letzten
Jahre im Griesenberger Tobel: Indem ein im Mittelalter ver-
grabener Schatz durch den Rutsch zutage gefördert wurde,
konnten mehr als 1000 Silbermünzen aus dem 14. Jahrhundert
von der Halde abgelesen werden.
Im gleichen Tobel ist auch ein Felssturz: zahlreiche bis
über 20 m? messende Sandsteinblöcke sind von der Steilwand
abgestürzt, der letzte größere im Winter 1912/13.
Die Grundwasserströme in den mit Kies gefüllten alten
Flußtälern haben im Thurgau bis jetzt noch wenig Beachtung
sefunden. Sie dürften indes in der Zukunft wichtig werden
für Wasserversorgungen. Bereits pumpt Frauenfeld in Murkart
aus einer vom Thunbachtal her unter der Fuchsbergmoräne
durchziehenden Grundwasserströmung den größten Teil seines
Trink- und Brauchwassers, und die Riesenquelle von Kundel-
fingen ist nach Professor Heim der Ausfluß des im alten Tal-
lauf Stammheim-Paradies strömenden Grundwassers.
H. Rückblick und Ausblick.
Die Gewässerkarte Fig. 21 zeigt nach den einschlägigen
Plänen des thurgauischen Baudepartements, des Kantons-
geometers und des Kulturingenieurs die Aenderungen an den
Gewässern, welche mit kantonaler und eidgenössischer Unter-
stützung und unter Aufsicht der Regierungsorgane, also zweck-
dienlich, in den letzten Jahrzehnten ausgeführt wurden.
Außerdem registriert sie die alten durch Talsperren erzeugten,
— 27 —
die seit 1837 neu gestauten und gegrabenen, sowie die er-
'losehenen und trocken gelegten Weiher.
' Die Umformungen der Gewässer sind über den ganzen
Kanton verbreitet, am intensivsten durchgeführt in den dicht-
bevölkerten Gegenden; sie erfolgten eben als Ausdruck der
intensiven Bodenkultur, der Reduktion des Oed-
landes. Sie bestehen wesentlich in Entwässerung, in Ufer-
schutz, Schutz der Einzugsgebiete und Kürzung der Lautlänge.
Die gründliche Ausnützung des vorhandenen Kulturbodens
ist die notwendige Folgerung der stetigen Vermehrung des
Volkes und des steigenden Nahrungs- und Erwerbsbedürfnisses.
Die Schutzmaßregeln sind demnach im Interesse der Volks-
wohlfahrt, und der Staat ist stets bereit, den Arbeiten einzelner
"und ganzer Gegenden helfend beizustehen, weil die Gesamtheit
von solehen Schutz- und Entwässerungsarbeiten Nutzen zieht.
Indes wird die Frage, ob der betretene Weg wirklich der
richtige, zum besten Endergebnis führende, sei, noch nicht
von jedermann mit „Ja“ beantwortet. Es gibt Stimmen, die
von einem Uebermaß in Korrektion und Melioration sprechen.
Sie meinen, man sei damit in eine ungesunde Einseitigkeit
verfallen.
Ein früherer Besitzer der Fabrik Friedtal erklärte mir,
daß durch die Entwässerung des Eschlikoner Rietes die Wasser-
führung der Lützelmurg ungünstig nach den Extremen hin
beeinflußt worden sei. „Das Eschlikoner Riet war bis zur
Entwässerung für uns ein großes Reservoir, welches sein
Wasser nach und nach abgab; jetzt vermehrt es die Flut zu
einer Zeit, da man sonst schon ‘genug hat.“
Die Leute an der untern Thur, in Ellikon, Wieden, Veldi
und Altikon klagen, daß durch die Geradelegung der Thur
und deren Zuläufe der Wasserabfluß so beschleunigt werde,
daß die auf einmal eintretenden hohen Fluten der verschiedenen
Einzugsgebiete den Durchlaß bei Ossingen nicht zu passieren
vermögen, sich dort stauen und weit rückwärts Ueberschwem-
mungen veranlassen. Der rasche Abfluß sei ein Uebel; das
Land solle sich nicht sofort vom Tagewasser entleeren, sondern
sich wie ein Schwamm damit vollsaugen und die Abgabe auf
"Tage und Wochen verteilen. (Einsendungen in den Tages-
blättern.)
Die Stadt Schaffhausen verwahrt sich aus ähnlichen Gründen
— 128 —
mit Erfolg gegen die Profilerweiterung des Rheinauslaufes bei
Stein, um nicht die Wasserschäden der Seeanwohner auf sich .
zu lenken.
Es darf als sicher angenommen werden, daß dureh ober-
flächliche Drainage, Kanalisation, Tobelverbauung,
Einengung und Geradelegung der Flußläufe das atmo-
sphärische Wasser rascher als sonst zum Abfluß ge-
langt und damit das momentane Hochwasser und die
damit verbundene Gefahr größer werden.
Es fragt sich nur, ob diese Nachteile nieht auf andere
Art als durch das Unterlassen der Entwässerungsarbeiten ge-
hoben werden können.
Der bezüglichen Ratschläge sind mehrere (E. Blösch,
Schweizerische Wasserwirtschaft. 1911):
1) Beseitigen stauender Hindernisse im Haupt-
ablauf, wie Abschneiden der Flußschlingen bei Ossingen,
Einbau von Hochflutdurchlässen bei Fabrikwuhren.
2) Belassen möglichst vieler Weiher und Moore,
namentlich solcher, bei denen der Landgewinn dem Bauern
die Entwässerungskosten nur dann deckt, wenn der Staats-
zuschuß dieselben auf geringe Beträge reduziert; mit anderen
Worten: Subventionierung nur solcher Meliorationen, deren
Wirtschaftlichkeit für Eigentümer und Allgemeinheit über allen
Zweifel erhaben ist.
3) Staatliche Unterstützungvon Talsperrenbauten.
Jede Talsperre wirkt bei richtiger Bedienung regulierend auf
das flußabwärts gelegene Gebiet, also allgemein wohltätig,
abgesehen vom Gewinn an Energie und von der Verschönerung
der Landschaft durch das Wasserbecken.
4) Möglichste Aufforstung steiler Kahlstellen,
besonders in Bachtobeln und auf den nunmehr frei werdenden
Rebhalden. Wald wirkt nicht nur durch das Wurzelwerk der
Holzgewächse die Hänge befestigend, sondern auch, wie die
großen Moore nach Troekenzeiten, akkumulierend auf das
Wasser.
Die nahe Zukunft mit den vielen Kanal- und Elek-
trifizierungsprojekten wird Gelegenheit geben, diese Vorschläge
näher zu prüfen und abgewogen in die Tat umzusetzen.
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© Eingegangene Weiher
ı © im 18418. Jahrk.eingegang.
+
durch Flurnamer nach=
‚gewiesene [rähere. Heiher
um
IV. Der Wald.
A. Lage.
Die thurgauische Siedelungsgeschichte lehrt uns in bezug
auf den Wald:
1) Schon in der prähistorischen Zeit waren die Seeufer,
die trockenen Talböden und die sonnigen Terrassen bewohnt
und zum Teil beweidet, zum Teil bebaut; die Höhen aber
bedeckte dichter Wald.
2) In der Römerzeit fand kaum große Rodung statt.
Der Landesherr schaute mehr auf die Anlage und die Weg-
verbindung fester Plätze in diesem Grenzland, als auf intensivere
Bebauung.
3) Die Allemannensiedlungen des 5.—7. Jahrhunderts be-
schränkten sich auch hauptsächlich auf die bereits unter Kultur
gestandenen Talböden und drangen nur vereinzelt gegen die
Höhen vor.
4) Erst die grundherrliche Siedelung der Frankenzeit
— ungefähr mit der Gründung der Klöster Reichenau (724)
und St. Gallen (720) beginnend — rodete allgemein und
überall in den Wald hinein, der die Höhen bedeckte.
5) Diese Ausdehnung der Kulturfläche ms Waldland hinein
mußte aber nach einiger Zeit zum Stillstand kommen:
a. weil der noch vorhandene Waldrest für die March-
genossen Bedürfnis war und sich ohne Not nicht mehr
reduzieren ließ;
db. weil in den hohen Lagen Klima und unfruchtbarer
Boden die Siedlung häufig unrentabel machten.
Dieser Stillstand muß schon im 13. Jahrhundert geherrscht
haben, und seit dieser Zeit ist der Wald im großen und
ganzen da gewesen, wo wir ihn heute sehen.
Kleine Aenderungen an den Waldgrenzen sind selbst-
‘verständlich zu jeder Zeit vorgekommen, bei Erbteilungen,
bei Neusiedelungen, bei Wüstungen, in Kriegszeiten und
dergleichen; aber als Ganzes steht eben der Wald an
dem von der Natur und den Wirtschaftsverhältnissen
bedingten Platz, und jede willkürliche Aenderung rächt
sich schnell durch Unrentabilität, durch Versagen des Schutzes
vor Naturschaden, durch Versiegen der Quellen ete.
* 9
a
Dem Walde gehörenvon Natur aus die Hochflächen,
die Hügelrücken mit ihrem rauhen, feuchten und windigen
Klima, ihrem wenig fruchtbaren Molasseboden oder ihren
harten Deckenschottern, die Tobel mit ihren Steilwänden
und ihrem feuchten Schatten, die stark geneigten Hänge
der Hügelzüge, soweit nicht Südlage für den Weinbau aus-
genützt ist, sowie das Ueberschwemmungsgebiet der Flüsse,
wo sich der feuchtigkeits- und schwemmhumusbedürftige Au-
wald bis in die Kiesbänke hineinwagt.
Es sind dies die sog. absoluten Waldböden, die für
die Landwirtschaft nicht oder kaum in Betracht kommen.
Das Wort „absolut“ sagt aber dennoch zu viel: die schlechten
Böden können durch Düngung ergiebig gemacht werden; der
früher so einträgliche Weinbau gestattete künstliche Befestigung
der Steilhänge, und in den Auwald dringen, durch Dämme
geschützt, Felder und Streuewiesen vor.
Der Thurgau hat aber auch noch Wald auf den besten
landwirtschaftlich ausnutzbaren Böden, zum Teil im ebenen
Tal, auf ebenen Terrassen, die sog. Hardwälder, z. B. der
Scharen westlich Dießenhofen, zum Teil auf sanft geneigten
Berghängen, wo überall der ursprüngliche Boden mit frucht-
barem Grundmoränenlehm oder mit humösen Anschwemmungen
bedeckt ist, z. B. das Rügerholz bei Frauenfeld, die Wälder
des östlichen Seerückens von Tägerwilen bis Romanshorn.
Der Wald existiert hier, weil sein Gebiet von der Siedlung
abgelegen ist, oder weil der Holzbedarf derselben es erfordert.
In solchem mineralkräftigen, tiefgründigen Boden ist der
Holzertrag schon bei mäßigen Preisen durchaus befriedigend.
B. Ausdehnung.
Bis ins Zeitalter des gesteigerten Verkehrs und des in-
dustriellen Aufschwungs waren die Ortschaften klein und ihre
Bevölkerung im Vergleich zu heute gering. Die Landwirtschaft
bedurfte trotzdem relativ großer Flächen, weil sie allen materiellen °
Bedürfnissen genügen mußte, und der Weidgang dehnte
sich in den Wald hinein aus. Es haben sich vielfach im
Walde Flurnamen erhalten, die darauf hindeuten, z. B. Roßweid
nordwestlich Nollen, Kalberweid südwestlich Gerlikon, Sefiweid
südöstlich Welfensberg, Neuschürweid südlich Fischingen.
Jede Siedlung bedurfie des Waldes für Bau-, Werk- und
REN En
Brennholz. Die frühern Block- und Ständerhäuser, wie die
Fachwerkbauten des 18. und 19. Jahrhunderts brauchten viel
Holz, und die großen Oefen in den Bauern- und Bürger-
stuben waren arge Holzfresser. Die thurgauische Forststatistik
von 1860 erzählt von einem thurgauischen Kloster, das jähr-
lich 500 Klafter Holz und 20000 Wellen im Haushalt ver-
brauchte, und nach Bühler ($. 24) wurde 1538 der große
Konventstubenofen im Kloster Feldbach auf die Hälfte reduziert,
weil er per Tag soviel Holz brauchte, als zwei Pferde in
einer Ladung zuführen konnten. Auch für Einzäunungen war
viel Holz erforderlich; das Dorf war vom geflochtenen Etter-
zaun umgeben, die Straßen gegen das Weidevieh durch Fallen-
tore abgesperrt; die Pünt, die angesäte Zelge und die Wiesen
waren” von Georgi bis zum Emdet mit Stangenzäunen ein-
gefaßt (Meyer, Geschichte des Klettgaus, S. 81).
Bine gewisse@rößedesjeder Siedlung zugehörigen
Waldes war also durch den Bedarf stets gefordert
und nur abhängig von der Produktionskraft desselben. Wenn
darum neues Kulturland nötig wurde, suchte man es meist
zum eigenen Schaden und darum bloß vorübergehend im nahen
Walde, viel eher im bisherigen Oed- oder Sumpfland, oder
durch Einfriedigen gewisser Teile der Allmend (Einschlag,
Einfang, Bifang).
Wir wundern uns also nicht, wenn alte Karten des 17.
und 18. Jahrhunderts die gleichen Waldflächen angeben, wie
sie heute bestehen, und wenn beim Einzug neuer Verhält-
nisse, betreffend Industrie und Verkehr, der Gesetzgeber zu
Waldschutz und Walderhaltung in die Verfügungsfreiheit von
Gemeinden und Privaten eingreift.
a. Aenderungen in früheren Jahrhunderten.
Für den Nachweis der Aenderungen am Waldbestand
kommen folgende Urkunden in Betracht:
1) Flurnamen im heutigen Kulturland und Orts-
namen, die auf ehemaligen Wald hindeuten:
Als älteste erscheinen für sich und in Zusammensetzungen
Loo, Loh, Loch (d. i. Wald): Breitenloo, Schwaderloh, Steine-
loh, Fezisloh, Löliwies, Lölizelg, Lochwiesen ete.;
Hard, Hart, (d. i. Wald in der Ebene): Gündelhart, Langen-
hart, Degenhart, Iltishard-Dingenhard, Illhart, Ochsen-
— . 1532. — 2
hard, Alishard bei Weiningen, Bietenhard bei Thundorf,
Ratihard westlich Dießenhofen ; Spanner bei Frauenfeld soll
aus Spanhard, Espanhard! umgebildet sein (Schaltegger).
Alt sind auch die eigentlichen Rodungsnamen:
Sehlatt, Schlacht (d. i. Holzschlag): Zihlschlacht, Ober-, Mett-
und Unterschlatt; der Name Schlatt ist sehr häufig;
Schwendi (Schwand, Schwanden), Sang, Sangen, Brand (d. i.
durch Abbrennen gerodetes Land; die Bäume wurden
durch Ringeln zum Absterben gebracht und nachher
angezündet): Schwendli südwestlich Lanzenneunforn,
Schwendi bei Fischingen, Schwendi und Hinterschwendi
bei Au, Sängi südlich Etzwilen, Sangenebne südlich
Wolfsberg, Sangen bei Weinfelden, Ilebrand bei Mär-
stetten, Brand bei Dingenhart und bei Dingetswil. Nach der
Spärlichkeit dieser Namen zu schließen, muß das Sengen
und Schwenden im Thurgau wenig geübt. worden sein;
Rüti, Rütenen, Reute, Grüt, Neugrüt (d. i. durch die Axt
serodetes Land): Klarsreute, Attenreute, Kuglersgreut
Neurüti, Holzreuti. Diese Namen sind ungemein häufig
und verbreitet.
Jünger, moderner klingend, sind die Namen mit:
- Wald, Holz, Hau, Stocken, Eich, Tann, Hasel, Bilchen, Buch ete.
Ihre Verbreitung und ihr zahlreiches Vorkommen zeigt
die ursprüngliche gewaltige Ausdehnung des Waldes in
der Urzeit bis zum Rodungsprozeß in der fränkischen
Periode.
2) Manche Flurnamen im heutigen Wald beweisen
die Existenz ehemaliger Lichtungen, erzeigen vielfach ein
Wiedergutmachen früherer Rodungs- und Siedlungsfehler:
Mahnenwieshau und Langwieshau in Güttinger Wald; Stock-
wies westlich Lengwilen; Holzwies südöstlich Dozwil; Teil-
wies westlich Mettlen; Riesezelg westlich Ochsenfurt; Gatterwies
und Armsrütiwies südlich Bernrain; Wiesenbühl zwischen Buch
und Iselisberg; Eppelhausen südwestlich Hüttwilen; Amer-
wilen nördlich Waldhof-Lustdorf; Hübli nordöstlich Lustdorf;
Schauhausen nordöstlich Pfyn.
" Esban, Espan, Espen bezeichnete einen freien Platz in der
Feldflur, der zur Viehweide benutzt wurde (Schaltegger).
— 189 —
3) Die Gygerkarte von 1667 (Fig. 22). Ihr Waldareal
deckt sieh naeh Walser (S. 91) auffallend mit dem heutigen.
Die Waldfläche des Kantons Zürich hat sich seither um zirka
50 km? — 2,85°), der Kantonsfläche verringert. Für den
Thurgau kommt der Gygerkarte nur in bezug auf den Bezirk
Dießenhofen und das Thurtal von Neunforn bis Frauenfeld
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Fig. 22. Die Gegend von Frauenfeld im Jahre 1668.
(Nach Hs. Cd. Gygers Karte des Kantons Zürich.)
Beweiskraft zu. Das übrige Grenzgebiet ist zu ungenau ver-
zeichnet. Um Dießenhofen sind alle heutigen Wälder an-
gegeben, Scharen und Rodenberg sogar im Ausmaß recht
befriedigend. Beim Buchberg und seiner Fortsetzung nach Süden
stört die starke Verkürzung der Karte in dieser Richtung; doch
findet man ohne weiteres die heutigen Waldstücke heraus.
— 134 —
Um Frauenfeld (Fig. 22) sind Rüeger- und Pfaffenholz, Mühletobel-
und Bühlwald, sowie der Wald am Gerlikerberg ungefähr im
heutigen Umfang angegeben; das Galgenholz dagegen liegt
südlich der Straße Kurzdorf-Osterhalden, und das Staudenland der
Thur erstreckt sich von der Murgmündung bis zum Galgen hin.
Auch für den Thurgau erzeigt also die Gygerkarte, daß
sich der Waldbestand seit 1685 nicht wesentlich geändert hat.
4) Die Nötzlikarten. Diese zeichnen die Wälder eben-
falls; dennoch müssen sie wegen offenbaren Ungenauigkeiten
für Vergleichungszwecke außer Betracht fallen: Auf der viel-
fach verbesserten Ausgabe von 1720 ist um Dießenhofen zwar
der Scharenwald richtig, der „Rötelberg“ (Rodenberg) dagegen
nur am Nordabhang bewaldet, und der Buchberg wird durch
„ Weilenstorf“ in zwei Teile geteilt. Bei Frauenfeld sind Galgen-
und Bühlholz, sowie der Wald am Gerlikerberg vorhanden;
hingegen fehlt das Pfaffenholz, und das Rüegerholz beschränkt
sich auf einen kleinen Rest auf dem Hundsrücken. Da die Ort-
schaften auch vielfach verstellt sind (siehe S. 11), so können
auch die Wälder unmöglich annähernd genau sein.
b. Aenderungen im 19. Jahrhundert.
Die Sulzbergerkarte zeigt uns unzweifelhaft überall
dort Wald, wo zur Zeit der topographischen Aufnahme (1828
bis 1836) solcher vorhanden war. Von einer Größenmessung
muß aber Umgang genommen werden wegen der mangelhaften
trigonometrischen Messung. Die Seiten irgend eines heraus-
gegriffenen größern Dreiecks stimmen speziell im Waldland
so wenig mit den bezüglichen Stücken auf der Siegfriedkarte,
daß die Areale unmöglich annähernd richtige Größenangaben
liefern können. Auch die Bachläufe sind ungenau und die
Waldblößen undeutlich.
Immerhin kann herausgelesen werden, wo seither einiger-
maßen bedeutender Zuwachs oder Abgang stattgefunden hat
(Fig. 23).
Bedeutende Rodungen von je mehr als 10. ha fanden statt:
1) längs der Eisenbahn bei Weinfelden, Sulgen, Amriswil,
Eschlikon;
2) bei Klingenberg, Freudenfels, Steckborn, Landschlacht,
Güttingen, Klarsreute, Brüschwil, Arbon, Zihlschlacht, Mettlen. _
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Bau
— 156 —
Die Gründe für die Abholzungen lagen
a.
b.
im Bahnbau, der zum Teil durch Waldungen führte
und für Stationen und Schwellen vielen Holzes bedurfte;
im gesteigerten Holzbedarf für eine vermehrte Bevölke-
rung und für die aufblühenden Fabriken, die sich vor
der Zeit der Eisenbahnen nicht mit Steinkohlen ver-
sorgen konnten. Schon 1838 klagte man über die Er-
höhung der Holzpreise infolge Vermehrung der Dampf- _
schiffe auf dem Bodensee;
c. in der Anschauung der Landwirte, daß jungfräulicher
d.
Waldboden das beste Mittel gegen Pflanzenkrankheiten
‘ (Kartoffelkrankheit) sei. Gegen Ende der 40er Jahre.
setzte darum ein eigentlicher Waldfeldbau ein. Die
Altholzbestände wurden kahl abgetrieben und nach der
Stockrodung für zwei bis drei, oft sechs bis zehn Jahre
mit Kartoffeln bepflanzt, wofür die Bauern güte Pacht-
zinse zahlten. Nachher setzte man in den ausgesogenen
Boden Rottannen, machte aber die Erfahrung, daß der
Boden, sobald er nicht mehr bearbeitet wurde, verhärtete
und die Tännchen nicht eindringen ließ, so daß die
Kulturen an-frühzeitiger bleibender Erschöpfung litten.
Man betrachtet heute diese Art des Waldbaues als eine
glücklich überstandene Krankheit (Der schweiz. Wald,
>. 101)»
im Bestreben der Bauern, die Landwirtschaft durch Ein-
führen neuer Kulturen zu heben (Futterarten,. Zucker-
rüben). Die thurgauische Forststatistik von 1860 erwähnt
(S. 23), daß auf einem einzigen Herrschaftsgute (Klingen-
berg?) innert fünf Jahren zirka 150 Jucharten (56 ha)
abgeholzt wurden. Es war zur Hälfte 40 — 50jähriger,
zur Hälfte 20jähriger Bestand. Von der abgeholzten
Fläche wurden 90 Jucharten (33,6 ha) ausgestockt und
für landwirtschaftlichen Betrieb bestimmt.
e. Die durch Bahnbau und Fabriken enorm gesteigerten
Holzpreise veranlaßten gewissenlose Spekulanten und
arme Waldeigentümer zu vorzeitigem Schlag und nach-
lässiger Wiederaufforstung. „Wo irgendwo in Händen
der Privaten noch ein Stücklein verwertbares Holz vor-
kommt, da sammelt sich das stark angewachsene Heer
der Holzhändler, deren Waldschlächterei in allen Teilen
a
des Kantons alljährlich viel Bestände zum Opfer fallen
(Thurg. Forststat. 1860). Häberlin (Der Kanton Thurgau,
S. 120) klagt, daß in zehn Jahren 458 ha Wald aus-
gerodet und nur 54 ha wieder zu Waldboden gemacht
wurden. Während früher vom Seerücken her in einzelnen
Jahren etwa 500 Klafter Bau- und Sägeholz nach Frank-
_ reich und Holland verfrachtet wurden, habe nicht nur
der Export aufgehört, sondern ein gewaltiger Import
aus dem Schwabenland eingesetzt. :
Während der Kanton Zürich schon 1837 durch ein strenges
Forstgesetz Ordnung in seine Wälder brachte, versagte im
Thurgau die Gesetzgebung für die Erhaltung dieses Teils des
Nationalvermögens und des erprobten Schutzmittels gegen ver-
derbliche Naturgewalten. Selbst der Versuch von 1860, zunächst
nur für Staats-, Gemeinde- und Korporationswaldungen eine
vernünftige Waldpflege vorzuschreiben, scheiterte am Veto
des Volkes. Erst das Bundesgesetz von 1902 hatte vollen
Erfolg.
Zum Glück waren die Waldbesitzer nicht gehindert, frei-
willig die Forstwirtschaft zu verbessern. Den Anfang machte
schon in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts der thurgau-
ische Fiskus, sodann die Gemeinden Dießenhofen, Frauenfeld
und Güttingen und später Bischotszell, und als 1861 der Staat
durch weitgehende Unterstützung mittels Beiträgen an .die Ver-
messungskosten, sowie durch Pflanzmaterial und wirtschaftlichen
Rat weiter. ermunterte, folgten Ermatingen, Tägerwilen, Uttwil,
Weinfelden, Märwil, Hüttlingen, Ettenhausen, Mett-Oberschlatt
und viele Private. So war denn der Boden für das Gesetz
von 1902 wohl vorbereitet, und schon gegen Ende des vorigen
Jahrhunderts traten die Abholzungen gegen die Aufforstungen
zurück. Im allgemeinen sind in. den letzten 80 Jahren Staat
und Gemeinden walderhaltend, die Privaten wald-
zerstörend aufgetreten.
Die größern Aufforstungen, die sich durch die Vergleichung
. der Sulzbergerkarte mit den Siegfriedblättern 1896 — 1908
erkennen lassen, sind folgende:
1) Eine Menge von Tobeln, die 1838 kahl erschienen,
wurden mit Wald bepflanzt.
2) Im Hörnligebiet sind Sedelegg, Schochenegg
und Nod als Siedlungen verschwunden; an ihre Stelle ist
Wald getreten. Von Mitte der 40er bis Ende der 60er Jahre
wurden nämlich vom thurgauischen Staat über 100 ha ehe-
maliger Fischinger Klosterweiden (Sedelegg) aufgeforstet, ebenso
die Blößen von den zerstreuten Holzschlägen der Kloster-
verwalter. Später kam noch Schochenegg bei Au mit 18 ha
dazu, dessen Häuser abgebrochen und dessen Fluren aufzeforstet
wurden (Schwyter).
3) Zwischen Lauche und Thur: Euglimoos am
Immenberg, Bietenhart und Waldhof auf dem Wellenberg.
Die ersten beiden Güter gehören der Bürgergemeinde Thun-
dorf. Euglimoos wurde 1755 dem Amt Hinwil abgekauft und
1845 durch Zukauf eines dem Kloster Fischingen gehörigen
Stücks vergrößert. Die Aufforstung beträgt zirka 10 ha.
Das Gut Bietenhard gehörte in den 30er Jahren dem Re-
gierungsrat Dr. Freyenmuth, der zirka 10 ha mit Lärchen,
Fichten und Föhren aufforsten ließ. Durch letztwillige Ver-
fügung kam ein Teil an den Spital Münsterlingen und durch
diesen an den Staat. 1867 erwarb die Bürgergemeinde Thun-
dorf den Rest und forstete hier 15 ha auf (Mitteilungen der
Bürgerverwaltung Thundorf und des Kantonsforstmeisters).
Der Waldhof gehört der Gemeinde Lustdorf (14—18 ha)
und wurde von ihr großenteils mit Wald bepflanzt.
Auch die Statthalterei Sonnenberg forstete in den letzten
Jahren zirka 4 ha Waldwiesen auf.
4) Auf dem Ottenberg: Die Gemeinde Weinfelden er-
warb den Rathof und forstete 38 ha auf.
5) Auf dem westlichen Seerücken: 1864 kaufte der
thurgauische Fiskus 134 ha des ehemaligen Schafterter
Hofes oberhalb Steinegg und verwandelte den größten Teil
in Wald. Nur ein Teil der schönsten Wiesen wurde belassen,
da die Eschenzer Bauern das Gras kaufen (Schwyter). Auch
bei Liebenfels sind über 20 ha neue Waldanlagen.
Mit dem Jahre 1908, d. h. mit Inkrafttreten der kanto-
nalen Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz von 1902, ist
nun der thurgauische Wald in seinem Bestande gesichert.
Ausreutungen in Nicht-Schutzwaldungen bedürfen der Bewilli-
sung der Kantonsregierung, solche in Schutzwaldungen (Muni-
zipalgemeinde Fischingen 1102 ha) derjenigen des Bundesrates.
Bei Begutachtung solcher Gesuche wird von den Forstämtern
. darauf gehalten, daß für Rodungsflächen über 10 a Größe
er
der Gesuchsteller innert drei Jahren durch Neuaufforstung von
‚Streueland oder minderwertigem landwirtschaftlich benütztem
"Boden zu Ersatz verpflichtet werde.
Seit 1908 ist die Privat-Waldfläche nicht mehr zurück-
gegangen, übrigens nicht bloß wegen der gesetzlichen Hinder-
‚nisse: In neuerer Zeit braucht man kaum mehr neues Kultur-
land, weil die Arbeitskräfte für den Landbau stets rarer werden
und weil überall intensivere Bearbeitung des vorhandenen
Landes Platz greift.
Aus diesen Gründen werden jetzt auch die einmädigen,
im Walde zerstreuten Wiesen auf dem Seerücken aufgeforstet;
so von der Bürgergemeinde Tägerwilen die Heeren-, Groß-
und Ribiwiese mit 7,82 ha. Bei den Bürgergemeinden Er-
matingen, Triboltingen, Neuwilen und Kreuzlingen sind zurzeit
ebenfalls Wiesenflächen in Aufforstung begriffen, und in der
Umgebung von Haidenhaus kaufte der Staat sämtliche Privat-
wiesen, zirka 5 ha, auf, um sie in Wald zu verwandeln. Auch
Klingenberg hat einen Teil seines Rodlandes wieder mit Wald
angesetzt und ebenso Weinfelden das 1830 — 1865 als Bürger-
äcker benutzte und dafür gerodete Land zwischen Bahn und
Thur (Güttingers Rüti oder Oberau).
Eigenartig, immer schwankend, ist die Ausdehnung des
Auwaldes auf den Flachufern der Thur. Schon frühe wurde
in denselben hineingerodet und das gewonnene Kulturland
durch Dämme geschützt: Widen bei Ueßlingen, Erzenholz
und Horgenbach, Felben, Hasli, Bonau und Gerau, Schachen
und Sangen bei Weinfelden wurden den „Auen“ abgerungen.
Seit der Korrektion nach dem Hochwasser von 1876 ließen
sich auch vielorts neue Streuewiesen gewinnen; im allgemeinen
aber wurden die trocken gelegten Flußschlingen als unsicheres,
nasses Gebiet den „Stauden“ überlassen. Der Auwald hat
deshalb örtliche Vergrößerung erfahren.
Nachdem nun aber in Nachachtung des Großratsbeschlusses
vom 25. November 1913 von Kradolf bis zur zürcherischen
Grenze auf zirka 31 km Länge dem Leitwerk der Thur ent-
lang ein Schutzstreifen von 45 m Breite gänzlich abgeholzt
wurde und alle Hochstämme in einer Breite von 10 m, vom
Fuße des Hochwasserdammes gemessen, entfernt werden mußten,
gingen neuerdings wieder zirka 250 ha für die forstliche Be-
nutzung dauernd verloren (Thurg. Rechenschaftsbericht 1913,
8. 350).
Aehnlich verhalten sich die Auwälder der korrigierten
Sitter und der Murg.
Zu verschiedenen Zeiten ist versucht worden, die Flächen-
größe der thurgauischen Wälder zu ermitteln. Das Ergebnis
war 1801: 11612 ha, 1834: 11022 ha, 1860: 18095 ha,
1912: 17998 ha.
Die neueste Aufnahme basiert auf planimetrischer Ver-
messung der topographischen Karte durch die eidgenössische
Landestopographie unter Kontrolle durch die Angaben der
kantonalen Forstverwaltung. Die Resultate sind nicht einwand-
frei, können aber erst durch die fortschreitende Vermessung
der Gemeinden bereinigt werden. Von den 212 Gemeinden
des Kantons sind zurzeit 178 noch nicht vermessen (Schweiz.
Arealstatistik 1912). Die Arealaufnahme von 1860 beruhte
auf Schätzung durch die kantonalen Forstmeister (Forststatistik
des Kantons Thurgau), die frühern auf solche der Gemeinde-
räte unter Kontrolle der Steuerkommission. Abgesehen davon,
daß die Schätzung größerer Waldflächen der Unübersichtlichkeit
wegen sehr schwierig ist und in früherer Zeit die Grenze zwischen
Weide und Wald sich vielorts verwischte, sind die damaligen
Angaben der Besitzer meistens viel zu niedrig, da diese sich vor
größerem Steueransatz fürchteten (Pupikofer Gemälde, S. 68.)
Unter solehen Umständen sind Vergleichungen und daraus
zu ziehende Schlüsse kaum angängig. Immerhin bietet die
Zusammenstellung der Ergebnisse von 1860 und 1912 einiges
Interesse, und die Differenzen finden wenigstens teilweise ihre
Erklärung durch die Karte der Rodungen und Aufforstungen
1836—1900.
Bezirk 1860 1912 Unterschied
ha ha ha
Arbon 1011 842 169
Bischotszell 1271 1345 — 68
Dießenhofen 1431 1345 =.86
Frauenfeld 3266 Sl — 93
Kreuzlingen 2156 2155 ==
Münchwilen 3240 3413 —
Steckborn 3779 3874 +. 95
Weinfelden 1936 1851 —
18096 144938 — 98
EN A
C. Eigentumsverhältnisse. -
a. Der alte Wald.
Zur Allemannenzeit war Wald in der Dorfmarch Gemein-
gut der Dorfgenossen, wie es auch kein Privateigentum an
Feld und Weide gab — alle Huben wurden von drei zu drei
Jahren neu verlost. Abgelegene Waldungen galten als herrenlos.
Zur Frankenzeit (von 536 au) ging allmählich «das Eigen-
tumsrecht an Hofstatt und Ackerland an die einzelnen Mark-
genossen über, und das älteste schwäbische Gesetzbuch von
718 kennt bereits am Kulturland nur Privateigentum. Wald
und Weide äber blieben Allmend.
Die fränkischen Könige beanspruchten die ehemaligen
römischen Staatsgüter als ihr Eigentum, und sie belegten alle
herrenlosen Wälder mit ihrem Banne. So schoben sich schon
frühe königliche und herzogliche Domänen zwischen die Wälder
der Dorfmarken ein (Geschichte des Kantons Schaffhausen,
Ss. 102—104).
Solche wurden an Bistümer, Klöster und Adlige verschenkt
‚oder in Lehen gegeben und von dem neuen Eigentümer dadurch
nutzbar gemacht, daß er Rodung und Siedlung darin erlaubte
oder anbefahl gegen einmalige Entschädigung oder gegen
ewige Zehnten und Abhängigkeit. Immer behielten sich die
Grundherren am Walile das Mitbenutzungsrecht vor betreffend
Jagd und Holzung derart, daß z. B. die Klöster einschritten,
wenn wertvolle Ueberständer von den Bauern verkauft werden
wollten.
Ueberall bestand das Trattrecht oder Weiderecht: Mindestens
der Jungwald vom 8. bis 20. Jahre, etwa ein Drittel des
Areals (Tägerwilen) war so der Weide preisgegeben, wenn er
nicht durch ein Gehege der allgemeinen Benutzung entzogen
war. Solch eingehegter Wald hieß Ghögg, Ghay, Kaa —
Hegi, Einfang, Einschlag, Bifang. Ein ausgedehntes Ghay hatte
der Bischof von Konstanz zwischen Schwaderloch, Kastell und
Bernrain (Schaltegger). Ein Ghay findet sich südlich Gachnang,
ein Ghögg südwestlich Bischofszell, ein Kaa südöstlich Lommis,
‚außerdem als Flurnamen südlich Altnau und südöstlich Mettlen.
b. Der Gemeindewald.
Aus dem Gemeinwald der Markgenossenschaft, der für die
allgemeine Weide nötig war und nicht durch private Rodung
ro
gemindert werden durfte, bildete sich der Gemeindewald
heraus, namentlich bei städtischen Gemeinwesen. Vcn der
thurgauischen Waldfläche gehören heute 31%, den Gemeinden.
Die Hälfte aller Gemeindewälder liegt in den Bezirken Frauen-
feld (1392 ha) und Steckborn (1366 ha). Große Wälder be-
sitzen auch Dießenhofen, Bischofszell, Güttingen, Ermatingen,
Neuwilen, Tägerwilen, Weinfelden ete.
Der Wald bildet eine eigentliche Kapitalanlage der Ge-
meinde, wird deshalb von dieser meist gut verwaltet und
gelegentlich durch Zukauf und Aufforstung vermehrt. Der
Bürgernutzen stammt fast überall aus dem Wald.
Eigentümlich gemischte Besitzesverhältnisse hatte bis in
die neue Zeit hinein der Tägerwiler Wald. Derselbe ge-
hörte von jeher der Gemeinde; aber es bestanden sogenannte
Schuppissen, d.h. Holzrechte, die auf gewissen Häusern ruhten
und dem jeweiligen Eigentümer das Mitbenutzungsrecht im
Walde einräumten. Die Besitzer eines vollen Schuppisrechtes
bezogen im voraus einen Wagen auserlesenes Stangen- oder
Stammholz, durften bei Neubauten zwölf Eichen beanspruchen
und bei Reparaturen so viel Holz, als sie nötig hatten. Die
sog. Hofstattberechtigten waren Viertelsschuppisser.
Die Schuppisrechte wurden rücksichtslos ausgeübt, so dab
die Gemeinde den Berechtigten den vollständigen Anteil am
Winterhau herzugeben hatte, auch wenn das Wohl und der
Ertrag des Waldes Schaden litten. In den 20er Jahren des
vorigen Jahrhunderts mußte dafür sogar 20jähriges Holz ge-
schlagen werden. Dies führte dann zur Aufhebung der Sonder-
rechte: 1837 wurde ein Schuppisrecht zu 100 Gulden gewertet
und die meisten danach ausgelöst. Immerhin bestanden 1871
noch’ deren 13, sämtliche im Besitze des Schloßgutes Kastell;
auch diese sind seither abgelöst worden. ®
Eine besondere Servitut der Tägerwiler Waldung war die
jährliche Gertenlieferung an die Gottlieber Fischer, bestehend
in 1500 Gerten und 50 Stößeln für die Fachen (Pupikofer,
Anmerkung; Schwyter, Wirtschaftsplan).
c. Der Privatwald.
Die Lehenleute der Einödhöfe hatten in ihrem abgerundeten
Gute auch ihren besondern Wald; ebenso die wenigen freien
Bauern, die Inhaber der Freisitze und die Gerichtsherren.
EN
en lisı 2
Das war von jeher oder nach Ablösung der Lehenverpflichtung
Privatwald, der im Laufe der Zeit durch Erbteilung auber-
ordentlich zerstückelt wurde. Nach 1860 zählte man 38684
_Waldparzellen, von denen 38170 auf Private fielen mit durch-
schnittlich ®/a Juchart (— 27 a). Einzelne Stücklein gingen
auf den halben Vierling — 4!/s a zurück und eine Breite
von nur 5-7 m (Häberlin, Der Kanton Thurgau, S. 119;
Thurg. Forststatistik, S. 23). 1860 nahm der Privatwald 61 °
der damaligen Waldfläche ein, 1909 55°. Er herrscht vor
in den Bezirken Münchwilen, Bischofszell und Weinfelden;
in den Bezirken Frauenfeld und Steekborn bildet er etwa die
Hälfte, in Dießenhofen ein Viertel des Waldes.
Daß der Privatwald nieht mustergültig bewirtschaftet wird,
ersieht"man an seinem Katasterwert. Im Jahre 1909 waren
die Waldungen folgendermaßen eingeschätzt (Rechenschafts-
bericht 1909):
| Staatswaldungen zu 1570 Fr. per ha,
Korporationswaldungen zu 1558 Fr. per ha,
Gemeindewaldungen zu 1400 Fr. per ha,
Privatwaldungen zu 1060 Fr. per ha.
d. Der Genossenschaftswald.
Im obern Thurgau besitzen Korporationen oder Ge-
- nossenschaften mit privatrechtlichem Charakter viel Wald:
1860 3,8%, 1909 4,6%, des Gesamtareals.
Emmishofen-Egelshofen . . . . . 66,64 ha
Silungen ti so ie ie eg ha
Keßwilas sen; 08.9
Romanshorn, alter Wald RE a 74.63 ha
. Uttwil-Dozwil . . . . 173,42 ha
Hefenhofen er sr re 29,52 ha
Mooser Leimat bei kenne ser. ha
Niedersommerks,...7 3.0 WA a ler 30.04 ha
Obersommeri . . „ars L-Anrche
Gerhof-Wisoltingen Borau) esse
667,66 ha
(Nach der für die landwirtschaftliche Ausstellung in Frauenfeld 1903
gemachten Zusammenstellung.)
Der Genossenschaftswald wird gut gepflegt und durch
Zukauf und Aufforstung arrondiert. Er steht größtenteils
-—— 144 —
(606 ha) im Mittelwaldbetrieb. Entwicklungsgeschichte und
Satzungen der Genossenschaften sind nicht überall die gleichen.
Als Beispiel: mögen diejenigen von Güttingen, Romanshorn
und Emmishofen angeführt werden:
In Güttingen, einem Amt des bischöflichen Hochstifts Kon-
stanz, erhielten die Hofjünger oder Lehensleute alljährlich das
ne Holz aus der dortigen Waldung. Da aber der Bezug
und die Verteilung dieser Hebeipen stetsfort Unzufriedenheit
erzeugte, oder, wie sich die Urkunde ausdrückt, „der Schatzung
halber sich Anstand und Irrung ergaben“, so willigte im Jahre
1771 der Bischof Franz Conrad ein, den „Holzinteressenten“
einen Teil des Waldes „zum freien und ungehinderten Holz-
genuß dergestalt zu überlassen, daß sie anstatt deren ehevor
von gnädigster Herrschaft ihnen abgereichten schuldigen Holz-
marken sich von nun an daraus beholzen können, sollen und
müssen, mithin an gnädigste Herrschaft eine anderweitige
Holzgab weder jetzt noch in Zukunft nimmermehr zu suchen
und zu fordern haben.“ Der Bischof befreite also dadurch
die übrige Waldung — speziell Moosholz, Bruder- und Lang-
wieshau — von der Servitut der Holzabgabe und sicherte sich
darauf das unbeschränkte Eigentumsrecht. Das bezügliche
„Abteilungsinstrument entzwischen dem Amt Güttingen und
dasigen Holz-Interessenten“ vom 24. Januar 1771 (Thurg.
Staatsarchiv S Nr. 467) behielt dem Hochstift Konstanz auch
Jagd- und Waldpolizei, Beeidigung des Baunwarts und die Ober-
aufsicht vor, „damit die Waldung zur Bestreitung der jähr-
lichen Holznotdurft im Stande erhalten und nicht gänzlich ver-
ödet werde.* Es sicherte auch allen Einwohnern von Güt-
tingen, „es mögen dieselben eigenen Holzanteil haben oder
nicht“, zwei wöchentliche Holztage zu, nämlich „dürres und
abgängiges Holz von Rechts wegen samlen und holen zu
dürfen“, sowie das Recht auf alles wilde Obst und die Eicheln
in der gesamten Waldung, und es verlangte, daß der über-
lassene Wald „für jetzt und in die künftige Zeiten, so lang
Sonne, Mond und Sternen am Himmel stehen, ohnzerteilt sein
und bleiben.“
Schon wenige Jahrzehnte nachher verlor der Bischof die
Herrschaft über die frühern Besitzungen im Thurgau. Sein
Rechtsnachfolger war der junge Staat Thurgau, dessen leere
Kassen nicht erlaubten, die Wälder als Domänen zu behalten,
Sees
So konnten die Güttinger „Holz-Interessenten* 1807 noch
Bruder- und Langwieshau, etwa 23 ha, ihrem Walde zukaufen.
Auch später noch, von 1807—1868 wurden zwecks Abrundung
und Aufforstung gelegentlich mehrere Waldwiesen käuflich
erworben.
Nach gefl. Mitteilung von Herrn Förster Hanselmann ist das
Eigentum an diesem Genossenschaftswalde in 70 Einheiten,
sog. Marken eingeteilt, wobei die Marke noch in 16 Fährten
zerlegt werden kann. Besitzer von Vierteln (4 Fährten) und
Achteln (2 Fährten) waren früher zahlreich; heute gibt es
' aber nur noch einen einzigen Achtelbesitzer. 1833 zählte man
103 Waldanteilhaber, 1915 deren 57. Die Holzrechte können
frei gekauft und verkauft werden.
Jeder Markbesitzer bezieht jährlich Losholz, das ist auf
dem Stock ausgegebenes Unterholz aus dem Mittelwald, und
außerdem noch Dividenden aus den Ganterlösen im era
wert von 200 bis 260 Fr., so daß der Verkaufswert einer
Marke zurzeit zirka 6000 Fr. beträgt.
Etwa drei Viertel des Waldes sind im Laubholz-Mittelwald-
betrieb mit zahlreichen Oberständern; ein Viertel ist Nadel-
holzhochwald, zum größten Teil Fichten.
Die eine liegt in den Händen einer Waldkommission
und eines von derelben angestellten Försters.
Der Uttwil-Romanshorner Korporationswald. Zwischen Ro-
manshorn, Uttwil, Dozwil, Brüschwil und Hatswil dehnte
sich von jeher ein großer Wald aus, ein Grenz- oder Mark-
wald, der noch jahrhundertelang, nachdem die Felder unter
die Siedlungen verteilt waren, Gemeingut blieb für Holz-
nutzung und Weidgang. Im Laufe der Zeit fand aber doch
Teilung nach den einzelnen Gemeinden statt, und verschiedene
Stücke gingen in Privatbesitz über. Letztere gaben dann viel-
fach Anlaß zu Aerger und Klage, da sie mitten im übrigen
Walde zerstreut lagen und ihre Besitzer häufig nicht am
richtigen Orte ihr Holz holten. Nachdem schon 1644 sich
die Gemeinden zur Wahl einer Kommission geeinigt hatten,
der die gemeinsame Pflege und Ueberwachung des Waldes
oblag, verordnete 1748 die Abtei St. Gallen als Gerichtsherr,
daß die Wälder der betreffenden Gemeinden in einen einzigen
Wald verschmolzen und die darin zerstreuten Privatgrund-
stücke unter Aufsicht gestellt werden. Diese Aufsicht hatte
10
— . 146 —
eine Kommission zu führen, in welche Uttwil 3, Romanshorn
und Dozwil je 1 Mitglied wählten und welche vom Ammann
in Uttwil präsidiert wurde. Der Vertrag blieb bis 1819 und
mit Revisionen von 1834, 1855 und 1866 bis heute in
Gültigkeit. Seit 1866 stellen Uttwil und Romanshorn je zwei,
Dozwil ein Mitglied in die Kommission. Interessant ist der
Art. 9 der Ordnung von 1664, nach welchem schon damals
die Holzrechte vertauscht oder vergantet werden konnten
(Boltshauser, S. 76, 79 u. 129).
Von diesem gemeinsamen Wald liegen 79,68 ha in Ro-
manshorner, 91,11.ha im Uttwiler und 2,63 ha im Dozwiler Bann.
Der Gesamtbesitz von 173,42 ha ist heute in 202 Holz-
rechte oder „Viertel“ eingeteilt, von denen jedes etwa 80 Fr.
-— an Gabenholzhaufen und Dividende von verkauftem Lang-
holz — einträgt und gegenwärtig einen Kurswert von 1800 Fr.
besitzt. Die Korporation hat eigenen Förster und Pflanzgarten.
Der Romanshorner Korporationswald. Neben diesem ge-
meinsamen Wald hat Romanshorn noch einen eigenen von
zirka 75 ha. Die Romanshorner Korporation umfaßte früher
88 Viertel, heute noch infolge Rückkaufs durch die Genossen-
schaft deren 80. Ertrag und Kurswert der Holzrechte sind
denen im Uttwiler Walde nahezu gleich, ebenso Pflege, Auf-
sicht und Verwaltung durch einen Förster und eine Kommission.
Noch jetzt sind den beiden Genossenschaftswäldern eine
größere Anzahl Privatgrundstücke eingestreut mit gegen 40 ha
Mittel- und Hochwald. Diese unterstehen der Aufsicht des
Korporationsförsters und bezahlen dafür einen jährlichen Beitrag
an dessen Besoldung (gefällige Mitteilung des Korporations-
präsidenten).
In Emmishofen-Egelshofen sind die Veran ähnlich,
wie sie früher in Tägerwilen (siehe $. 142) bestanden. Ur-
sprünglich hatten 60 ehnassse das Anrecht auf die Hälfte
des Bürgerwaldes. Im Laufe der Zeit erwarb aber die Bürger-
gemeinde 44 Holzrechte („Schuppisgerechtigkeiten‘“), so dab
heute noch 16 derselben bestehen; sie werden zu 1500 Fr.
gewertet (gefällige Mitteilung von Herrn J. Müller).
e. Die Staatswaldung.
Den Anfang der thurgauischen Staatswaldung bildeten die
Wälder der ehemaligen Komturei Tobel, die 1807 nach Auf-
- hebung des Johanniterordens durch Napoleon I. dem Fiskus zu-
fielen. Schon 1805 hatte der junge Kanton vom Domkapitel Kon-
'stanz Domänen erworben, in Ausgleich gegen Besitzungen thurg.
Klöster in Deutschland, sie aber wieder verkauft (8. 144).
r Die Staatsforsten vermehrten sich durch die Wälder der
aufgehobenen Klöster, soweit nicht deren Verkauf vorgezogen
wurde. 1848 betrug der Zuwachs 3393 Jucharten = 1086 ha,
und in neuerer Zeit wurden gelegentlich noch Waldstücke
zugekauft zwecks Abrundung und Aufhebung von Weg- und
Nutzungsrechten Dritter. 1860 besaß der Staat 4,5 °%/o, 1906
7% des Waldareals eRz, 75 ha) in sieben een
1) Kreuzlingen- Uebertrag 511 ha
“Münsterlingen 146 ha 4) Katharinenthal . 145 ha
Srkelgdbach ..- :.... 90:ha 5) Tanikon'. .... .:106'ha
3) Kalchrain-Steinegg 275 ha 6) Fischingen . . 367 ha
Uebertrag 511 ha 7) Tobelu.Bietenhard 141 ha
1270 ha
Seither hat sich der Bestand auf 1284,16 ha erhöht
(31. Dezember 1914).
| In den Bezirken Dießenhofen und Steckborn besitzt der
Kanton Schaffhausen größere Waldkomplexe.
Der Reinertrag der thurgauischen allen. ist der
mustergültigen Bewirtschaftung entsprechend durchaus be-
friedigend, er war 1889: Fr. 63.60, 1898: Fr. 69.—, 1910:
Fr. 92.80, 1912: Fr. 77.18 per ha. Es sind dies Mittelzahlen;
in günstigen Abschnitten gehen die Erträge an Nadelholz-
Hochwald auf netto 120 Fr. per ha (Bitter).
f. Uebersicht.
1860 ! 1909?
ha 9 ha an
Staatswald 820 4,5 1236 7
Gemeindewald 5535 30,6 5484 30,9
Privatwald 11053 61,1 10483072 57.3
Korporationswald 686 3,8 822 4,6
18094 100 17725 100
! Nach der Thurg. Forststatistik von 1860.
?2 Nach dem Rechenschaftsbericht des Regierungsrates 1909.
3 Mit Einschluß von 441 ha, welche Staat und Gemeinden anderer
Kantone gehören; ohne dieselben 9742,3 ha = 55 %.
Siehe auch die Bemerkungen Seite 140.
— 148 —
D. Pflanzenbestand.
a. In alter Zeit.
Es ist noch einer weiteren Veränderung des Waldes zu
gedenken, welche auf den Karten nicht zum Ausdruck gelangt,
aber doch geeignet ist, dem Landschaftsbild ein anderes
Gepräge zu geben: der Veränderung im Pflanzenbestand.
Der Wald früherer Jahrhunderte war mehr oder weniger
ein Urwald, dessen natürlicher Bestand allerdings vielfach
beeinflußt war durch Weidebetrieb und sonstige unwirtschaft-
liche Nutzung, und der sich stets wieder aus sich selbst ver-
jüngen mubte. :
Pupikofer (Gemälde 8. 92) schreibt noch 1837 von den
Privatwäldern:
Bei neuen Holzschlägen wird gewöhnlich die frische Be-
samung ganz der Natur überlassen und diese dabei so schlecht
unterstützt, daß sogar vernachlässigt wird, Samenbäume stehen
zu lassen. Es können daher viele Jahre vergehen, bis ein
frischer Anflug sich über das Gestrüpp von Salweiden, Brom-
beeren, Wegdorn usw. hervorzuarbeiten vermag.
Ueber die Zusammensetzung der Wälder früherer Jahr-
hunderte haben wir nurindirekt einige dürftige Nachrichten durch
Flur- und Ortsnamen, die sich auf Waldbäume und -Sträucher
beziehen, und durch gelegentliche Angaben in den Urkunden.
Nach Brandstetter, „Die Namen der Bäume und Sträucher
in Ortsnamen der deutschen Schweiz“, verzeichnet der topo-
graphische Atlas im Thurgau in Orts- und Flurnamen die
Buche 75mal; dann folgen der Häufigkeit nach geordnet:
Eiche 44, Weide (Wide, Felbe, Sale) 34, Tanne 25, Espe 19,
Erle 18, Hasel 17, Birke (Bilche) 15, Linde 12, Rose 12,
Esche 10, Pappel 8, Hollunder (Holder) 7, Wacholder 5,
Föhre 4, Eibe 3mal usw.
Die Buche war also überall und wohl noch mehr als
heute verbreitet. Sie wurde nicht nur wegen dem hohen
Brennwert ihres Holzes geschätzt; auch ihre Früchte, die
Buchekern, Acheren, Akran, wurden gesammelt für Eßöl-
bereitung und Schweinemast.
Der vornehmste und geachtetste Waldbaum war aber die
Eiche. Nach Brockmann (Vergessene Kulturpflanzen, S. 21)
wurde die Eichel ursprünglich von den wenig verwöhnten
N ER
Germanen als Speise genossen, sogar zu Brot gebacken, später
stets als Schweinefutter geschätzt. Das Recht zum Eintreiben
der Schweine in den herbstlichen Eichenwald, das Schütteln
der Eichen und das Eichelnsammeln bildete bis in die neuere
Zeit einen wichtigen Artikel der Waldverträge; die Eiche
wurde als „berhafter* Baum den Obstbäumen gleich geachtet
und als erster Waldbaum durch Saat nachgezogen. Schlatter
(8. 110) führt das Waldmastrecht zu Romanshorn 779 an,
und noch 1748 wird in der Romanshorner Waldordnung das
Eichenschütteln, Kirschenlesen u. dgl. den Berechtigten vor-
behalten (Boltshauser). Auch die Güttinger Urkunden erwähnen
das Recht der Schweinemastweid im Walde (Schaltegger),
ebenso solche von Dießerhofen (Idiotikon, S. 71). Da nun
aber immerhin diese Berichte spärlich sind, darf angenommen
werden, daß die Eiche nirgends in großen Beständen ver-
breitet war, am ehesten noch in den Mittelwaldungen dem
See und Rhein entlang, wo stets auch guter Absatz für Rinde
zu finden war in den zahlreichen Gerbereien.
Die Orts- und Flurnamen unterscheiden die beiden Tannen-
arten nicht. Der frühere Wald im schweizerischen Mittellande
soll fast ausschließlich die Weißtanne und nur vereinzelt die
Fichte besessen haben. Daß letztere aber wirklich im Thurgau
vorkam, beweisen Zapfen und Samen in den Pfahlbauten von
Steckborn, sowie das Fichtenholz in allen Schichten des
Eschliker Rietes (Früh u. Schröter, Moore, 8. 358 u. 370).
Wenn die Linde 12mal erwähnt ist, so darf daraus doch
nicht auf ihre allgemeine Verbreitung als Waldbaum geschlossen
werden. Sie ist nur im Bezirk Dießenhofen häufig, wohin sie
sich wohl vom Randen ausgebreitet hat, und findet sich ver-
einzelt als Gesträuch am Seerücken und im Hörnligebiet.
Dagegen wurde sie in den Siedlungen als Dorflinde (Roggwil,
_ Weinfelden, Bischofszell, Arbon usw.), und abseits von den-
selben als Gerichts- (Thurlinde bei Riekenbach) und Grenz-
baum (Klosterlinde bei Dießenhofen) absichtlich gepflanzt.
b. Im 19. Jahrhundert.
Die Sulzbergerkarte zeichnet die Wälder nach den zur Zeit
der Aufnahme herrschenden Beständen mit Sternchen (Nadel-
wald) und kleinen Nullen (Laubwald). Ihr zufolge hatten in
den 30er Jahren:
> = -
'1) Vorherrschend Nadelwald: Alles Waldland südlich.
der Thur und der Linie Sulgen-Romanshorn; verschiedene
Teile des Seerückens (Egethof-Birwinken, Müllheim-
Wagerswil, die Tobel um Müllberg, Einzugsgebiet des
Pfyner Baches, Berlingen-Helsighausen, _Freudenfels-
Steekborn, Steinegger- und Hörnliwald); der Ottenberg;
die Neunforner Höhe und der Rodenberg.
2) Gemischten Wald: Der südliche Teil des Bezirks
Dießenhofen; der Seerücken südlich Etzwilen und zwi-
schen Ermatingen und Dippishausen.
3) Vorherrschend Laubwald: Scharen, Kohlfirst und
Buchberg im Bezirk Dießenhofen; der Seerücken zwischen
Nußbaumen und Kaltenbach, zwischen Steckborn und
Salen, südlich Klingenberg, südlich Landschlacht, zwi-
schen Herrenhof und Romanshorn.
Es stimmt dies mit der Beschreibung des thurgauischen
Waldes durch Pupikofer (Gemälde, p. 38):
Auf den Höhen, welche vom Thurtale mittäglich liegen,
bestehen die Wälder fast ganz aus freiwillig wachsendem
Nadelholz; Fichte und Weißtanne haben das Uebergewicht
über die Kiefer.
Auf dem Seerücken dagegen sind die Waldungen mehr
aus Laubholz zusammengesetzt (Aspen, Buchen, Hagbuchen,
Eichen, Erlen ete.) und einzelnen Fichten, Weißtannen und
Kiefern. Die Laubholzbäume sind daselbst auch häufig zu
Unterholz verstümmelt und mit andern, sonst Hecken bilden-
den Sträuchern gemischt (Rainweiden, Pfaffenkäppchen, Hart-
riegel, Weiß-, Schwarz- und Kreuzdorn und manchen
Weidenarten etc.
Längs den Ufern der Thur und Murg ziehen sich kleine
Weidenwälder hin.
Die Siegfriedkarte unterscheidet nicht mehr Laub- und
Nadelwald, kann daher in dieser Beziehung nicht zum Ver-
gleich herangezogen werden. Dafür haben wir in der miono-
graphischen Skizze über die Waldungen im Thurgau von
P. Etter, Forstmeister in Steckborn, eine treffliche Schilderung
des heutigen Waldes und der Veränderung der Bestände in
den letzten 80 Jahren. Etter unterscheidet sechs verschiedene
Waldgebiete:
— 151 —
1) Das Gebiet südlich Thur und Sitter, mit Aus-
nahme der Thurtalebene; dazu der Ottenberg und einige
kleinere Waldinseln Sonden der Thur.
Hier sind den alten Naturbeständen eigentümlich Miohunsen
von Weißtanne, Fichte, Föhre und Buche; oft sind alle vier,
oft nur drei oder zwei derselben an den Zusammensetzung
beteiligt. Daneben finden sich künstlich gepflanzte, monotone
Rottannenbestände, die sich nicht bewähren, weil sie durch
Windbruch und Rotfäule zu frühzeitiger starker Lockerung des
Schlusses und damit zu Zuwachsverlusten führen. Die heutigen
Verjüngungen trachten wieder die urspüngliche Naturmischung
von Fichte, Tanne und Buche herbeizuführen.
2) Die Thurtalebene. Die Waldungen, weiter vom
Flusse entfernt gelegen, zeigen als ursprünglichen Bestand
die Föhre, mehr oder weniger mit der Fichte gemischt. Auch
hier, sind in Verkennung der Sonn Ian Kanne vielfach
reine Fichtenkulturen angelegt.
Die Ufer- und Auwaldungen sind Niederwald oder
oberholzarmer Mittelwald mit Weiden, Erlen, Eschen u. dgl.
als Unterholz, und Schwarzpappeln und Eschen (vereinzelte
Weiden, Föhren, Fichten und Eichen) als Oberholz. Durch
‚die Korrektion der Thur wurde ein tieferes Einschneiden des
Flusses und damit ein Senken des Grundwasserspiegels ver-
anlaßt, durch die Hochwasserdämme die Ueberschwemmung
und Ueberschlammung verunmöglicht. Der Auwald beantwortet
diesen Entzug von Wasser und Düngung durch Gipfeldürre
der Pappeln und Rückgang der Weiden, welche ersetzt werden
durch Schlehdorn und Goldrute. Letztere verdrängt die Streue-
pflanzen („Streuepest*) und macht den Boden unproduktiv.
Eine weitere Umwandlung des Auwaldes wird durch die
gesetzlich befohlene Abholzung auf 45 m Abstand vom Flusse
bewirkt. Da das Offenhalten durch alljährlichen Staudenhieb
kostspielig wäre, wird nunmehr gestockt und Streue gepflanzt.
3) Das niederschlagsarme Gebiet.der Neunforner Höhe
und des Seebachtales bis Lanzenneunforn-Pfyn. Hier domi-
niert die Föhre in lichten Beständen, besonders auf den
häufigen Südhalden.
\ Die Höhe des Seerückens: nördlich dieses Gebietes trägt
reine. Fichtenwälder mit hohem Massen-. und Geldertrag.
— 152 —
4) Seerücken von Amriswil-Romanshorn bis Neu-
wilen-Tägerwilen. Auf schwerem bindigen Lehmboden
gedeiht nur Laubholz, besonders Eiche und Esche gewinn-
bringend, aber mit vorzüglicher Produktionskraft in Mittel-
waldbetrieb.
5) Nordhang des Seerückens von Wäldi-Erma-
tingen bis Etzwilen. Der Boden ist meist als Sand und
weicher Sandstein anstehende Molasse. Die Buche dominiert,
begleitet von Ahorn, Elsbeer und Bergulme. Der magere Boden
erzeugt aber wenig Holz. Jahrhundertelange Laubstreunutzung
ließen den Boden verarmen und selbst versauern. Um die
Nutzung zu verbessern, wird die natürliche Laubholzverjüngung °
unterstützt durch Pflanzung von anspruchslosern Nadelhölzern,
besonders der Föhren; hier ist auch die Eibe in stattlichen
Exemplaren heimisch.
6) Bezirk Dießenhofen. Mittelwald mit starkem Ober-
holzbestand und schwach entwickeltem Unterholz. Das Unter-
holz besteht aus Hagenbuche und vielen Weichhölzern. Im
ÖOberholz herrschen Fichtengruppen vor. Die Buche ist spär-
lich vertreten, um so mehr die Linde, daneben Eiche und
Hagenbuche. Seit 40 Jahren sind Esche und Ahorn zahlreich
eingebürgert worden, und es wurde auch hier die Fichte künst-.
lich sehr stark bevorzugt; aber der trockene Sommer 1911
hat diesen Fichtenbeständen arg zugesetzt. In den 70 ha des
thurgauischen Staatswaldes Scharen mußten im Frühling 1912
360 m”? Rottannen gefällt werden.
c. Fremde Waldbäume.
Das Bild von der Wandlung, die der thurgauische Wald
im Laufe der Zeit durchgemacht hat, wäre unvollständig,
wenn nicht noch der fremden, meist nordamerikanischen Hölzer
gedacht würde, die probeweise angepflanzt wurden und werden,
um den Ertrag zu heben.
Vielfach ist die alpine Lärche, Larix decidua Müller, in
unsern Wäldern, besonders südlich der Thur gesetzt worden.
Sie bewährt sich aber nur da, wo ihr viel Luft und Licht
zur Verfügung stehen; sonst bleibt sie im Wachstum hinter
den konkurrierenden Holzarten zurück, überzieht sich mit
Flechten und stirbt rasch von unten nach oben ab. Schöne
— 1593 —
- gesunde Lärchenbestände sind im Bietenharter Staatswald
1829/30 von Regierungsrat Freyenmuth gepflanzt worden
(Schwyter). Im Bezirk Dießenhofen ist sie trotz ihrer tiefen
Bewurzelung der Sommerdürre von 1911 erlegen (Etter).
Ebenso die japanische Lärche, Larix leptolepis Murray,
die dafür im Haidenhauswald vielversprechend ist.
Völlig eingebürgert ist die nordamerikanische W eimuts-
kiefer, Pinus Strobus Linne. Sie erweist sich wertvoll auf
leichten Böden, besonders Kiesboden, um so mehr als sie schon
nach 50 —60 Jahren Sägholz für Kisten liefert. St. Katharinen-
thal hat schöne Bestände (Schwyter).
Vielen Schatten verträgt die raschwüchsige amerikanische
Zypresse, Cupressus Lawsoniana Murray, die bereits weit
verbreitet ist. Die Sitka-Fichte, Picea sitchensis Trautv.,
widersteht durch ihre spitzen, stark stechenden Nadeln dem
Verbiß durch die Rehe. Dieses Wild hat in neuerer Zeit
merklich zugenommen und erzeugt durch Verbiß junger Pflanzen
‚und Fegen (Schälen) in allen Waldgebieten deutlichen Schaden,
namentlich an Lärchen, Douglastannen und Weimutskiefern
(Rechenschaftsbericht 1913). Die Sitkafichte bewährt sich
im nassen Waldlande, wo die Rottanne stockrot wird.
Die Douglastanne, Pseudotsuga Douglasii Carriere, mit
dem feinen Balsamgeruch der weichen Nadeln wächst rascher
als die einheimischen Hölzer und ist vierzigjährig schon 24m
hoch mit 44 cm Durchmesser in Brusthöhe.
Am anspruchlosesten ist die kanadische Strauchkiefer,
Pinus Banksiana Lambert, die schöne Dienste leistet auf Böden,
die sonst höchstens Weißerlen hervorbringen.
Der einzige fremde Laubbaum, der sich in unserm Walde
bewährt, ist die amerikanische Roteiche, Querecus rubra Linne.
Der schnellwüchsige, glattrindige Baum mit dem purpurroten
Herbstlaub ist viel genügsamer als die einheimischen Eichen.
Weniger für den eigentlichen Wald als für steile Halden
_ eignet sich die Robinie oder falsche Akazie, Robinia
Pseudacacia L., die in warmen Lagen und sandigem Boden
außerordentlich schnell wächst und in kurzer Zeit wertvolles
Nutzholz liefert.
So ist also der thurgauische Wald trotz der „Rückkehr
zur Natur“ in Gefahr, seine ursprüngliche Eigenart zu ver-
lieren und „international“ zu werden.
1)
2)
3)
5)
— . 154 —
E. Zusammenfassung.
Der thurgauische Wald ist nach Lage und Ausdeh-
nung in den letzten 200 Jahren ziemlich gleich ge-
blieben.
Bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts waren Um-
trieb und Nutzung nur auf den Augenblick berechnet;
die Wiederaufforstung blieb der Natur überlassen. Im
zweiten Drittel setzte rationelle Kultur zunächst bei Staats-
und Gemeindewald ein. Sie wurde im letzten Drittel
allgemeiner mittels Staatshülfe. und volle Ordnung
brachte das eidgenössische Forstgesetz von 1902.
Der früher durchaus überwiegende Privatbesitz ist nach
und nach zugunsten des Gemeinde- und Staatswaldes
auf etwa die Hälfte des Gesamtareals zurückgegangen.
Er ist ungemein zerstückelt und war bis in die neueste
Zeit vielfach waldzerstörend, während Staat und Gemeinde
walderhaltend gewirkt man,
Der Pflanzenbestand des Waldes war vor 80 Jahren
ein natürlicher, soweit nicht unverständige Nutzung
hindernd eingriff. In der Mitte des 19. Jahrhunderts
setzte überall Bevorzugung der Rottanne ein, so daß
sich die Naturwälder in monotone Fichtenbestände ver-
wandelten. Die neue Forstkultur bevorzugt wieder die
dem Boden und dem Klima angepaßte Mischung des
Naturwaldes unter Beizug von fremden — meist A
amerikanischen — einträglichen Holzarten.
Die tiefgreifendste Kulenmne erfuhr der Auwald, der
früher ausgedehnte Gebiete beherrschte. Durch die Gerad-
und. Tieferlegung des Thurlaufes wurden ihm vielfach
Wasser und Schwemmdüngung entzogen, so daß sich
einerseits . der Pflanzenbestand änderte, anderseits die
Streuekultur in sein Areal vorrückte. Das Gesetz fordert
heute seine Entfernung bis 45 m vom Stromlauf.
a
V. Das Rebland.
A. Aeltere Geschichte.
Der Weinbau ist im Thurgau wahrscheinlich im letzten
Viertel des 8. Jahrhunderts vom Elsaß und Breisgau her, wo
schon vor 780 das Kloster St. Gallen Rebland besaß, ein-
geführt worden.
779 wurde ein Weingarten in Romanshorn dem Kloster
St. Gallen geschenkt, und noch im gleichen Jahrhundert ist
der Weinbau auch für Ermatingen nachgewiesen (Pupikofer,
- Gemälde, $8. 86). 829 wird ein Weinberg zu Keßwil, 830
zu Bottighofen, 834 zu Stammheim, 857 bei Bußnang, 865
bei Landschlacht, 394 bei Wittershausen-Aadorf, 909 in Mam-
mern ®rwähnt (Schlatter, S. 132). Von Abt Walafried (842
bis 849) wurden von Steekborn her 40 Rebleute auf die
Reichenau berufen, um Gemüse- und Weingärten anzulegen
(Thurg. Neujahrsblatt 1830).
Schon ums Jahr 850 müssen Obst- und Weinbau ver-
breitet gewesen sein; denn seit dieser Zeit verschwinden die
Bierzinse aus den St. Galler Urkunden, und war somit das
sermanische Bier durch Obstmost und Wein verdrängt (Beyerle
III, S. 67). In den Urbarien späterer Jahrhunderte spielen
jeweils die Weinzehnten eine große Rolle, ebenso die Reb-
fronden: Lieferung von Dünger und Stickeln, Stellung von
- Fuhrwerk und Arbeitskräften.
Der Thurgau war als Weinproduzent sehr gut gelegen
zwischen zwei Gebieten, denen das Klima die Rebe versagte,
zwischen den Voralpen des Appenzellerlandes und Toggenburgs
_ einerseits und dem Allgäu und Oberschwaben andererseits.
Bei den frühern primitiven Verkehrsverhältnissen waren beide
Gebiete betreffend Wein auf diesen ihren. nächsten Bezugsort
angewiesen. Der Absatz war stets gesichert, und der Weinbau
muß in guten Jahren sehr einträglich gewesen sein.
B. Verbreitung.
Zusammenfassende Dokumente über das Rebareal in
frühern Jahrhunderten existieren kaum; aber die Stich-
proben in einzelnen Urkunden lassen darauf schließen, dab
schon frühe das wirklich taugliehe Weinland in Kultur
— 156 —
genommen war, ja, daß die hohen Erträge guter Weinjahre
dazu verleiteten, den Rebbau übermäßig auszudehnen auf Un-
kosten des notwendigeren Ackerlandes. Im Jahre 1571 wude
der Antrag des thurgauischen Landschreibers, keine neuen
Weingärten, am wenigsten in den fruchtbaren Ebenen, an-
zulegen, vom Landvogt aller Aufmerksamkeit gewürdigt (Pupi-
kofer, Geschichte des Thurgau II, S. 498).
Aus der Ansicht von Dießenhofen in M. Merians Topo-
graphia Helvetiae (Fig. 24) geht hervor, daß diese Stadt im
Jahre 1643 nicht nur im Breitenweg und in der Setzi
jenseits des Rheins Reben hatte, sondern auch in der Hutzlen,
südlich Vogelsand, bei der hintern Mühle, westlich der
Säge an der Chrieshaldenstraße, ja sogar noch innerhalb
der Mauern, östlich vom Rathaus.
Allzugroße Ausdehnung des Weingebietes wurde aber von
selbst korrigiert durch Fehljahre, namentlich wenn mehrere
solcher rasch aufeinander folgten, wie z. B. 1566, 1572, 1573
(Pupikofer Geschichte II, S. 499).
Die Gygerkarte von 1667 zeichnet die Rebberge ganz
deutlich, wenn auch deren Größe kaum zuverlässig ist, und
gibt für das von ihr dargestellte Gebiet wertvolle Auskunft
über den damaligen Weinbau.
Im untern Thurgau bestanden 1667 schon überall die
größern Rebgelände, die bis in unsere Tage hinein den kräf-
tigen Thurgauerwein geliefert haben, z.B.: Am rechten Rhein-
ufer bei Dießenhofen von der Lag bis Obergailingen, auf der
Kantonsgrenze bei Paradies-Langwiesen, bei den drei Schlatt,
im Dickehof, bei Willisdorf und Eichenbühl, zwischen Basa-
dingen und Schlattingen und am Rodenberg bei Schlattingen,
ferner am Neunfornerberg von der Kantonsgrenze bis gegen
Ochsenfurt, am westlichen Seerücken von Stammheim bis
Herdern, am Nordhange des Thunbachtales, am Immenberg
von Stettfurt bis Zezikon, am Tuttwilerberg bei Wittershausen,
Maischhausen und Eschlikon, nördlich Ettenhausen und zwischen
Aawangen und Egghot.
Bei Gyger fehlend, aber von Peyer 1685 eingezeichnet
sind die Reben nördlich und östlich Paradies, östlich Dicke-
hof, bei St. Katharinenthal und am Breitenweg bei Dießenhofen.
Bei Gyger fehlen auch noch die Reben in Wagenhausen,
von Etzwilen über Bleuelhausen bis Hüttenberg, im Kalchen-
(SeoAJaH vıydersodoT SULLION suy)
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— 158 ° —
acker nordöstlich Nußbaumen, im Osten von Frauenfeld (Neu-
hausen, Mühletobel, Oberkirchweg, Plättli), Fig. 22. Ob nun
diese Weingärten erst seit 1667 angelegt wurden oder, was
wahrscheinlicher ist, von Gyger, als im Randgebiet seiner
Karte außerhalb des Kantons Zürich gelegen, nicht mehr
sorgfältig verzeichnet, wird sich nur gelegentlich anhand von
Dokumenten herausbringen lassen. Von den bei Gyger ge-
zeichneten Weinbergen fehlen auf spätern Karten diejenigen
auf der Nordseite des Eichenbühls südlich Dießenhofen, an
der Seehalde zwischen Nußbaumen und Seeben und am Hasel-
berg bei Balterswil.
Auch die Nötzlikarte von 1717 enthält die Rebberge
in derselben Darstellung wie diejenige von Gyger. Bei der
großen Unzuverlässigkeit dieses Dokuments wäre es aber
gewagt, das Fehlen oder Vorhandensein von Reben bei jeder
Ortschaft herauslesen zu wollen.
Nötzli hat beispielsweise keine Reben, wo sie durch
Gyger 50 Jahre früher und durch spätere Karten bewiesen
sind: südlich der Linie Aawangen-Mörischwang-Bronschhofen ;
bei Willisdorf und am Rodenberg bei Schlattingen.
Wo er aber Reben angibt, die bis in die Rodungszeit
der letzten Jahre standgehalten haben, darf er als Zeuge
gehört werden. So verzeichnet er die Weinberge von Neunforn
bis gegen Ochsenfurt, westlich, südlich und östlich Frauen-
feld; am Ottenberg, am Immenberg, bei Thundorf und Lust-
dorf, am Unter- und Oberseeufer, u. a. bei Altnau dem See
entlang, direkt unter dem Dorf und nordwestlich dem Dorfe;
bei Arbon am Bergli, östlich Mammertshofen, und am Winzeln-
berg, nicht aber am Gristenbühl (); in der Gegend von
Bischofszell bei Hummelberg, Ibrig, Heidelberg, Katzensteig
und Hauptwil.
Die Nötzlikarte von 1720 (Fig. 25) zeichnet bedeutend
mehr Reben als diejenige von 1717: Die: Weinberge längs
des Unter- und Bodensees sind ziemlich vollständig und viel-
fach ausgedehnter, da und dort früher getrennte Stücke zu-
sammenfassend; aber nur an einigen Orten werden Rebstücke
verzeichnet, die nicht wenigstens in Resten auf unsere Tage
gekommen wären. Zu diesen wenigen gehören solche südlich
Lanzenneunforn, am Mattrain südlich Münchwilen, und von
Adlishaus über Mallisdorf nach Steineloh im Egnach. Dagegen
— .159 —
fehlen noch manche durch Gyger konstatierte Weinberge.
Zwischen Basadingen und Schlattingen, nördlich vom Geißli-
bach hat es jedenfalls nie Reben gehabt, dagegen am Roden-
berg, der hier, wie auf allen Nötzlikarten, viel zu weit von
— Sehlattingen entfernt ist. Weder aus der alten Karte von
1717 noch aus derjenigen von 1720 können größere Aende-
rungen in der Verteilung des Reblandes herausgelesen werden.
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Fig. 25. Die Weinberge bei Konstanz im Jahre 1720.
(Nach Dänickers Kopie der Nötzlikarte 1789.)
Die Herrschaftspläne des 18. Jahrhunderts ergänzen und
berichtigen die großen Karten eingehend und zuverlässig:
Das Rebland von Ueßlingen auf dem Ittinger Plan von 1743
(@®ig. 15) stimmt in fast allen Einzelheiten genau mit dem-
jenigen der ersten Siegfriedkarte, und ähnlich verhalten sich
die Pläne von Mammern 1755, Neunforn 1730 und Dießen-
‚hofen 1770.
— 160 —
Die Freudenfelser Pläne von 1759 und 1760 enthalten
die bei Nötzli fehlenden Reben von Kaltenbach, Bleuelhausen,
Steinbach und Eschenzer Stad (Fig. 11).
Auch im 18. Jahrhundert war alles für den Weinbau
taugliche und dafür zu erübrigende Land demselben gewidmet,
und es können in diesem Zeitraume nur untergeordnete Aende-
rungen in der Verteilung des Rebengeländes aus den Doku-
menten ersehen werden.
Im Jahre 1766 schreibt J. C. Fäsi (S. 151) vom Thur-
gauer Wein:
„Der beste wird an der rechten Seite der Thur von
Weinfelden bis unter Neunforn, wie auch in der Gegend
Wellenberg und in dem Lomisser Tal gebauet; an dem
Untersee aber, von Dägerweilen an bis unter Steckborn,
ist er weit geringer, obgleich in diesen Gemeinen die
Weinberge überaus zahlreich sind. — Die Ausfuhr des.
Weins ist ein beträchtlicher Teil der Handelschaft der.
Landgrafschaft. Ein großer Teil desjenigen, so zwischen
der Thur und dem Untersee wächst, wird in das Schwaben-
land, bis über Memmingen hinaus verführt. Von demjenigen
aber, so diesseits der Thur gepflanzt wird, gehet ein wich-
tiger Teil in den Kanton Appenzell, in die Alte Land-
schaft und in die Grafschaft Toggenburg. Täglich siehet
man eine Menge Saumrosse, welche mit Thurgäuerweinen
nach diesen Gegenden beladen sind.“
C. Höhenlage.
Entsprechend der Höhenlage des Landes zwischen 370 m
bei Neunforn und 1030 m am Hörnli ist der Weinbau haupt-
sächlich auf die Stufe zwischen 400 und 500 m beschränkt.
Am Rhein, am Unter- und Oberseegestade, im untern
Thurtal von Neunforn bis Engwang gehen die Reben
nur ausnahmsweise über 500 m.
Die Neunforner Weinberge liegen zwischen 375 m im
Zelgli bei Fahrhof und 520 m bei Oberneunforn, die Ueß-
linger zwischen 390 und 520 m, die Dießenhofer zwischen
410 und 437 m, die Steckborner zwischen 405 und 500 m,
die Emmishofer zwischen 410 und 485 m, die Altnauer zwischen
See
400 und 470 m, die Egnacher bei Gristen und Winzelisberg
‚ zwischen 450 und 465 m.
Im Bezirk Bischofszell hebt sich die Grenze um 50
bis 100 m: Götighofen 545, Heidelberg 570, Schönenberg 560,
Hauptwil 590, Gottshaus 600 m (Oberholz und Hasum 590,
Langentannen 595, Pelagiberg 600 m).
Auf dem Seerücken überschreitet die Rebe 600 m:
Gonterswilen 610, Homburg 613, Sassenloh 620, Helsig-
hausen 625, Gündelhart 627, Büren 640 m. Mit Ausnahme
von Gündelhart fehlen diese Standorte bei Nötzli; Sulzberger
führt sie auf.
Merkwürdig hoch ist die obere Weingrenze im Thun-
bach-#Lauche- und Lützelmurggebiet: Kirchberg 650 m,
Lustdorf 670, Sonnenberg 640, Spiegelberg 610, Bettwiesen
640. Aadorf 600, Tuttwil 630, Eschlikon 635, Wallenwil
640 m — und dies nieht bloß in der höhern Talsohle und
wegen der Notwendigkeit, mit der Rebe weiter zu steigen, -
wenn man überhaupt Wein pflanzen wollte, sondern auch
wesen des verhältnismäßig trocknen Bodens, des Vorteils
besserer Ventilation bei hoher Lage, der Vermeidung der
Spätfröste und bei feuchtem Herbstwetter der Traubenfäule.
Auffallend hoch ist auch die Grenze der Rebkultur am
Öttenberg, wo die Siegfriedkarte vom Jahre 1883 bei Ober-
“Ottoberg in 675 m Höhe Reben verzeichnet. Da Sulzberger
dieselben nicht gekannt hat, scheint der Vorstoß in diese
Höhe (auch Ratwies 620 m) erst um die Mitte des 19. Jahr-
hunderts erfolgt zu sein.! Es stimmt damit die Notiz in der
Statistik des Thurgauer Rebbaus von 1858, S. 31: In Dießen-
hofen und Weinfelden wird dem Rebland in hohen Lagen
wieder ersetzt, was es in niedern Lagen verliert.
Die absoluten Höhengrenzen der Rebe im Thurgau
sind: 375 m im Zelgli bei Fahrhof-Neunforn und 675 m bei
Ober-Ottoberg.
Weder die Karten von Gyger und Nötzli, noch diejenige
von Sulzberger lassen auf Ueberschreitung dieser Grenzen in
frühern Zeiten schließen.
Die momentanen Grenzen (1915) ließen sich nur schwierig
feststellen, da fortwährend neue Rodungen im Gange sind.
ı Ebenso von Gottshaus, dessen vier Rebstücke bei Nötzli und
Sulzberger fehlen.
11
— : 162 —
D. Zerstückelung.
Das Rebland wurde in Handarbeit durch kleine Eigen-
tümer oder durch Rebleute im Akkord bearbeitet. Demgemäß
war es sehr zerstückelt. Die Statistik des Jahres 1858 gibt
für die 5600 Jucharten! des thurgauischen Reblandes 27 259
Parzellen an mit der durchschnitilichen Größe von 3?/s Quart.
Stücke von mehr als einem Vierling waren selten; in Altnau
und Aawangen gab es halbe Manngrabe, in Weinfelden Viertels-
manngrabe, und in Uttwil soll es sogar !/sı Juchart gegeben
haben.
Die größten Rebgelände fanden sich 1858 in
Weinfelden 373 Juch. Neunforn 257 Juch.
Ueßlingen 368 - Hüttwilen 232 -
Steckborn 313 - Scherzingen 211 -
Egelshofen 309 - Frauenfeld 209 -
Da die Herren und Klöster in allen guten Weinlagen
eigene Reben besaßen, die wenigsten Rebstücke zinsfrei waren
und die Bauern nur dort keltern durften, wohin sie zu zehnten
hatten, so erklärt sich ohne weiteres die große Zahl der
Trotten oder Torkel, welche die Weinberge begleiteten
und das Landschaftsbild nicht unwesentlich beeinflußten. Eine
Handschrift in der thurgauischen Kantonsbibliothek zählt die
Trotten der meisten thurgauischen Gemeinden zu Anfang des
19. Jahrhunderts auf; beispielsweise hatten die Munizipal-
gemeinden:
Neunforn 39 Trotten Amlikon 36 Trotten
Ueßlingen 53 - Affeltrangen 14 -
Pfyn 24 - Stettfurt 17 -
Gachnang 20 - Thundorf 15 -
Frauenfeld 35 - Aadorf 15 -
Hüttlingen 7 - Wängi 14
Für Weinfelden fehlen die ueaben, dessen Chr, sagt
aber, daß der 46°‘ lange und 4‘ breite Trottbaum in der
Blatterntrotte der größte unter den 0 Trottbäumen des Wein-
felder Reblandes sei. Den Rekord hatten die Rebgelände in
der Nähe von Konstanz, wo von Altnau bis Ermatingen
! 1 Juchart = 4 Vierling = 16 Quart. 1 neue Juchart, seit 1836
=56 Aren. 1 alte große Juchart & 15 Manngrab = 34 Aren. 1 alte
Rebjuchart a 10 Manngrab = 23 Aren.
ee
190 Trotten gezählt wurden: Altnau 65, Scherzingen T,
' Landschlacht 20, Münsterlingen 6, Bottighofen 16, Kurzricken-
bach 17. Kreuzlingen 12, Egelshofen 10, Emmishofen 10,
Gottlieben 1, Tägerwilen 7, Triboltingen 4, Ermatingen 13,
Wolfsberg 2.
In dieser Landschaft hatten nicht nur verschiedene Klöster,
sondern auch viele reiche Konstanzer Herren ihre eigenen
zinsfreien Rebstücke und zugehörigen Trotten. Mit Bezug auf
Altnau, das speziell in die Gerichtsbarkeit von Konstanz
gehörte, schrieb mir auf meine Anfrage Herr Kommandant
F. Waser. „Die Zahl 65 für die Trotten von Altnau im
Anfang des 19. Jahrhunderts scheint mir nicht übertrieben
zu sei. Ich erinnere mich noch ganz gut an die Jahre 1850
bis 1860 und weiß, daß dazumal noch zirka 20 größere
Trotten vorhanden waren nebst etwa 10 kleinen, und wenn
bei der Zählung von 1801 die hölzernen Spindelpressen auch
unter diesem Titel aufgenommen worden sind, was wahrschein-
lieh ist, so mag die Zahl annähernd stimmen.“
Da in den 60er Jahren die Zehnten fast überall abgelöst
waren — der letzte im Thurgau im Jahre 1875 —, so waren
auch die Trotten ins Eigentum der Altnauer Bauern über-
gegangen. „Die Großbauern hatten jeder seine eigene Trotte;
die kleinen Rebbesitzer besaßen zu 2, 3 oder 4 gemeinsam
eine solche und bildeten eine Korporation. In den 60er Jahren
mag das Altnauer Rebareal, das im Anfang des 19. Jahr-
hunderts aus 80—90 Jucharten bestand, schon um ein Drittel
reduziert gewesen sein; ebenso auch im gleichen Verhältnis
die Trotten. Heute haben wir in der ganzen Gemeinde nur
noch 1 Juchart Reben und keine einzige Trotte mehr.“
E. Rückgang.
Damit sind wir bereits auf das Kapitel des großen Rück-
sanges eingetreten, welcher steigend bis in unsere Tage
sich fortsetzt und hoffentlich nicht mit dem gänzlichen Unter-
gang des thurgauischen Rebbaus endet.
Die Sulzbergerkarte zeigt das thurgauische Rebareal noch
ziemlich in alter Vollständigkeit, der Siegfriedatlas schon
bedeutend reduziert; in jeder neuen Ausgabe seiner Blätter
— 16t —
mangeln weitere altbekannte Rebstücke, und die Zahl der
rebenfreien Gemeinden erhöht sich zusehends.
Nach F. Schaltegger (Das Rebwerk im Thurgau, S. 116)
besaß unser Kanton an Rebland
1801: 2325,3 ha 1884: 1811,8 ha
1834: 2159,1 ha 1901: 1347,5 ha
1852: 2092,7 ha 1907: 971.4 ha
Seit 1907 hat der Rückgang noch Beschleunigung er-
fahren. Die Rodung betrug von 1901 —1907 durchschnittlich
53,7 ha, von 1907—1914.86 ha per Jahr.
Nach der vom thurgauischen Landwirtschaftsdepartement
durchgeführten Statistik nahm das Rebland noch ein: 1912:
564,41 ha, 1913: 453,26 ha, 1914: 368,76 ha.
Einigermaßen erhebliche Rebareale haben nur noch die
Munizipalgemeinden
1913 1914 1913 1914
ha . ha ha ha .
Neuntornt, 27.2 58,12 93.0 Basadnsen 2033 29,5
Hüttwilen .. .. 46,6 27,6: "Berlingen '. = 26 24
Ueßlingen . . 41,5 36,5 Ermatingen . 21 18
Steckborn . . 41,5 35,2 Märstetten . . .20 19,8
Weinfelden . 35,2 35 Salenstein . . 14.5 10
Die angeführten Zahlen sind alle ungenau, da die An-
gaben früher allgemein und heute noch für sechs Siebentel
der Gemeinden auf bloßer Schätzung beruhen. Immerhin
zeigen sie deutlich den trostlosen Niedergang unserer Wein-
kultur.
Als Ursachen desselben lassen sich folgende erkennen:
1) So lange der Absatz auch der geringeren Weine nach
St. Gallen und Appenzell. nach dem Toggenburg und Glarus,
und über den See nach Schwaben und ins Allgäu regelmäßig
vor sich ging, war der Weinbau lohnend, besonders am See-
gestade bei den bequemen Abfuhrverhältnissen. Am Untersee
bedeckte sich nicht nur die mitternächtliche Seite des See-
rückens, sondern auch der schmale Streifen des flachen Ufer-
geländes mit Reben geringen Gewächses, und ein Weinhandel
entstand hier, der nicht allein manchem einzelnen Hause zu
ansehnlichem Vermögen, sondern dem ganzen Seeufer zu
blühendem Wohlstand verhalf (Pupikofer Gemälde, 8. 91).
— 165 —
Als dann aber im Anfang des 19. Jahrhunderts die
benachbarten deutschen Staaten unverhältnismäßig hohe
Weinzölle einführten, vermochten gerade die geringen See-
weine! die Zollbelastung nicht zu ertragen, und da zugleich
verbesserte Straßen die Zufuhr edlerer Weine ins Innere
der Schweiz aus begünstigteren Gegenden ermöglichten, sank
der Preis des geringen Weines und seines Reblandes derart,
daß — speziell nach den Mißjahren 1812—1817 — Hunderte
von Jucharten Reben ausgestockt und niemals wieder bepflanzt
wurden (Thurg. Rebbaustatistik, S. 30, G. Aeppli, S. 4).
2) In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts hatten nach
Schaltegger, Rebwerk, $. 5) manche Weinbauern die naive
: Idee, daß sie durch Roden der Reben der auf diesen haftenden
Zehntpllicht sich entziehen könnten. „Diese war indes nach
bestimmtem Ansatz gewertet und mußte wohl oder übel in
barem Gelde entrichtet oder in zwanzigfachem Betrage ab-
gelöst werden.“ Doch wurde nur da gerodet, wo die Lage
_ dem Gedeihen der Reben ungünstig war, und in der Ebene,
wo andere Kulturen sicherere, Erträge versprachen.
Dafür fanden in dieser Zeit, besonders in hohen Lagen
(Ottenberg, Dießenhofen), wo Früh- und Spätfröste weniger .
‚Schaden stiften, Neupflanzungen in besseren Sorten statt, so daß
"sich nach und ch die durchschnittliche Qualität elonran hob.
Im allgemeinen aber galt der Weinbau nicht mehr
als lohnender Erwerb, und die Lage der unbemittelten
Rebbauernbevölkerung war abhängiger und gedrückter als
diejenige der übrigen Landbauern (Pupikofer Gemälde, $. 39).
3) Als nun die Industrie im Lande einzog und den arm-
seligen Rebbäuerlein lohnenden und weniger mühsamen Erwerb
gewährte, gebrach es dem Weinbau bald an Arbeits-
kräften, die sich keineswegs durch Maschinen ersetzen ließen
wie beim Feldbau.
4) Ende der 70er Jahre zog der falsche Mehltau
(Plasmopara viticola Berlese et De Toni) ins Land und erhöhte
durch die notwendigen Spritzarbeiten die Kulturkosten
bedeutend, so daß, als 1846 die Reblaus (Phylloxera vastatrix
1 Schon 1585 war der Steckborner Wein zu Stein aus dem Wein-
handel ausgeschlossen, weil ihm alle die Eigenschaften mangelten,
durch welche die Stadt Stein ihrem Weinhandel Zutrauen zu ver-
schaffen hoffte (Thurg. Neujahrsblatt, 1830).
— 166 —
Planchon) erschien und ihre Bekämpfung große Weinareale
verwüstete, dies vielorts nicht einmal als Unglück angesehen,
ja sogar wegen der vom Staate bezahlten Entschädigung eher
als willkommener Ausweg aus der bösen Lage empfunden
wurde.
Die Reblaus wurde im Oktober 1896 am Immenberg in
der Gemeinde Wetzikon entdeckt und sofort energisch bekämpft;
1900 waren ihre Verwüstungen bei Landschlacht, 1905 bei
Stettfurt-Sonnenberg und gleichzeitig bei Gachnang und bei
Altnau, 1906 bei Aadorf sichtbar. Im Kampfe mit dem Schäd-
ling wurden von 1897—1912 440 844 Rebstöcke (41,10 ha)
zerstört, Fr. 39353.57 Entschädigung für hängende Ernte,
sowie Fr. 131 853.35 für Stock und Stickel ausbezahlt. Die
Entschädigung für Stock und Stiekel betrug anfangs 45 Rp.,
später noch 10 Rp. (Dr. Stauffacher, Bericht über die Arbeiten
zur Reblausbekämpfung im Kanton Thurgau in den Jahren
1909—1912). SE
5) Seit den 50er Jahren bringen die Eisenbahnen nicht
nur aus den bevorzugten Weingegenden der Schweiz, dem
Wallis, der Waadt und von Neuenburg, dem unsrigen weit
.überlegene Weine, sondern in stets steigendem Maße auch
von fernher, aus Ungarn und Südtirol, aus Frankreich, Italien,
Spanien und Algerien, und zwar zu einem Preise, der trotz
des hohen Schutzzolles von 8 Fr. per hl dem einheimischen
Gewächs scharfe Konkurrenz macht. Letzteres kann sich nur
noch in den so seltenen guten Weinjahren auf dem Markte
erfolgreich behaupten.
6) Der steigende Konsum des billigen Bieres einerseits
und die stets erfolgreicher auftretende Abstinenzbewegung
andererseits tragen weiter dazu bei, dem thurgauischen Reb-
bau das Grab zu schaufeln, und dieser wird sich voraus-
sichtlich nur noch in einigen bevorzugten Lagen durch kapital-
kräftige Besitzer weiterhin halten können.
Leider ist das Vorgehen bei der heutigen Reb-
rodung ein ganz unrationelles. Dieselbe gleicht dem kopf-
losen, ungeordneten Rückzuge einer geschlagenen Armee. So
sehr jetzt die Aufgabe des Rebbaus in exponierten, ungünstigen
Lagen oder da, wo mit Vorteil andere Kulturen angelegt
werden können, angezeigt erscheint, so sehr ist bei der weit-
gehenden Parzellierung des Besitzes zu bedauern, dab jeder
a
rodet, wo und wann es ihm beliebt, selbst mitten aus den
besten Weinlagen heraus. Solche Lücken sind dann für den
_ Anstößer verhängnisvoll. Stehen gebliebene vereinzelte Reb-
stücke gehen, weil allen Feinden ausgesetzt, im Ertrag un-
bedingt zurück und verfallen dann ebenfalls der Reuthaue.
Den Lückenschlag im guten Weinberg durch Ankauf der
betreffenden Parzelle aufzuhalten wagt aber auch niemand,
weil die Zukunft sowieso trübe erscheint.
So zeigt also heute der Thurgau mit seinen kahlen
Sonnenhalden ein gegen früher völlig verändertes
Landschaftsbild. In den früheren Rebendörfern sind die
kleinen Rebleuteexistenzen eingegangen. Das Erwerbszentrum
ist die*Käserei oder die Fabrik geworden. Die ehemaligen
_ Rebberge sind kahl; sie harren, vorderhand ziemlich unrentabel
mit Futter bepflanzt, auf neue, einträglichere Kulturen —
Sehlatt und Schlattingen haben Himbeer-, Mannenbach und
rmatingen Stachel- und Johannisbeeranlagen — oder wieder
auf den Wald, dem sie vor Zeiten abgerungen wurden.
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Die Vegetation des Untersees
(Bodensee)'
Vortrag, gehalten an der Jahresversammlung
der Thurgauer Naturforschenden Gesellschaft in Kreuzlingen, 21. Oktober 1911;
verkürzt wiederholt als akademischer Vortrag im Rathaus zu Frauenfeld,
13. Dezember 1912.
-
Von Dr. Eugen Baumann in Zürich.
Ein jeder See ist nur eine vorübergehende Erscheinung
im Antlitz der Erde, nur ein flüchtiger Lichtblick in der
Geschichte des Tales, dessen Sohle von den Fluten bespült
wird. Das Schicksal aller Seen ist besiegelt; es lautet: all-
mähliches Verschwinden von der Erdoberfläche. Die akkumu-
lierende Arbeit des Wassers, seine fortwährend nagende
Erosion, die stetige Zuführung von Anschwemmaterial durch
einmündende Bäche und Flüsse, und dadurch bedingt, ihre
ausfüllende Tätigkeit, ferner die allmähliche Verwachsung
und Verlandung durch die energisch gegen den See vor-
dringenden Vegetationspioniere: dies sind die Faktoren, welche
in wechsekeitigen Kombinationen und Kontrasten ein lang-
sames Verschwinden der Seen herbeiführen.
Der an landschaftlichen Reizen so überreiche und besonders
auch in botanischer und pflanzenbiologischer Hinsicht so
äußerst merkwürdige Untersee ist nach der orographischen
Beschaffenheit der Gegend ein dem Ueberlingersee gleich-
wertiger, südlicher Arm des Bodensees und hatte einst. mit
dem Obersee eine einheitliche Fläche gebildet. Von ihm aus
erfolgt in der Hauptlängenachse des Sees der Abfluß des
! Vel. E. Baumann, Die Vegetation des Untersees (Bein 9)
Eine floristisch-kritische und biologische Studie. Stuttgart 1911.
E. Baumann, Beiträge zur Flora des Untersees (Bodensee), in ] Mitteil
der Thureg. Naturf. Ges. 18. Heft. Frauenfeld 1908.
Sn
Rheins bei Konstanz. Durch Anschwemmungen, Geschiebe
einmündender Bäche, durch Aufschüttung von glazialen Kiesen
und die noch zu besprechenden Schnegglisand-Ablagerungen
ist er in seiner Sohle erhöht und sein Becken mit nur 47 m
Maximaltiefe (Ueberlingersee 147 m; Obersee 252 m) relativ
seicht geworden.
Der Untersee ist durchwegs in obere Süßwassermolasse
eingebettet, welche indessen an den meisten Orten durch
Moränen und glaziale Kiese verdeckt ist. Auf die interessanten
glazialgeologischen Untersuchungen über den Boden- und
Untersee kann ich hier nicht eintreten!; es mag der Hinweis
genügen, daß der Rheingletscher bei seinem letzten Rückzug
bei Konstanz einen länger dauernden Halt machte, so daß
Konstanz selbst zum Teil auf einer Moräne liegt. Nordwestlich
dieser Moräne finden sich als jüngste Verlandungsprodukte
Seekreiden, Seeschlick; ferner die später zu erwähnenden
Schnegglisande, sowie äußerst zähe, kalkhaltige, geschichtete
Tone, sogen. Bändertone. Alle diese Verlandungsprodukte
bilden den Untergrund des Tägermooses und Wollmatinger-
riedes, zwischen denen der „Rhein“ sich aus dem Öbersee
in nur 4 km langem „Stromlauf ohne Geschiebeführung*
unterhalb Gottlieben wieder zum Untersee erweitert.
Von Inseln ist die Reichenau mit über 5 km Länge und
über 2 km Breite die größte. Sie ist mit dem Festland durch
eine im seichten, bei Niederwasser trockenliegenden Seegrund
erbauten Dammstraße verbunden. Vom untern Ende der Insel
verläuft ein unterseeischer Rücken nur wenige Meter unter
dem Wasserspiegel gegen die Halbinsel Mettnau bei Radolfzell.
Kleinere Inseln sind die drei Inseln Weerd bei Stein und
die merkwürdigen Schnegglisandinseln bei Gottlieben.
In den Untersee münden 46 meist kleinere Bäche ein,
welche durch Kies- und Sandanschwemmung jene charakte-
ristischen Landzungen gebildet haben, auf denen zum Teil die
Uferdörfer Ermatingen, Mannenbach, Berlingen und Steekborn
erbaut wurden. Der größte und merkwürdigste Zufluß zum
Untersee ist die Radolfzeller Aach, auch Hegauer oder Singener
Aach genannt, deren starke Quelle beim Städtchen Aach als
kleines Flüßchen entspringt und in kurzem, zuletzt stark
1 Vol. W. Schmidle, Die diluviale Geologie der Bodenseegegend
(und die dort zitierte Literatur). Braunschweig 1914.
ET
‚gewundenem Lauf sich vor Radolfzell in den Untersee ergießt.
Die schon vor 200 Jahren vermutete unterirdische Verbindung
_ zwischen der 170 m höher gelegenen Donau und der Aach
wurde in jüngster Zeit einwandfrei nachgewiesen. Die obere
oder Schwarzwalddonau verschwindet nämlich jedes Jahr
zwischen Möhringen und Immendingen auf badischem und
bei Fridingen auf württembergischem Gebiet, teilweise
unter starkem Gepolter in die Tielen des weißen Jura, wodurch
ihr Flußbett oft bis sechs Monate lang und mehrere Kilometer
weit trocken liegt. Strenggenommen fließt also der Oberlauf
der Donau in den Untersee und damit in den Rhein und in
die Nordsee, statt ins schwarze Meer. Diese ausräumende
Tätigkeit der Donau ist für den Untersee von größter Be-
deutung, indem dadurch jährlich etwa 3100 m? gelösten Kalkes
dem Jura entzogen werden, in 50 Jahren ein Raum von
155000 m?! Der größte Teil dieser riesigen Kalkmenge wird
in gelöstem Zustand in den Untersee geführt und dort auf
chemischem oder organischem Wege niedergeschlagen.
Die durchschnittlichen Jahresschwankungen des Untersee-
spiegels betragen 2,12 m, in nassen Jahren bis 3,3 m. Bei
dem durch die Schneeschmelze in den Bergen bedingten Hoch-
wasserstand im Frühsommer sind die ausgedehnten Flächen
des Wollmatinger-, Markelfinger- und Radolizellerriedes voll-
ständig überschwemmt; bei Niederwasser im Winter dagegen
sind letztere nicht nur vollständig trocken, sondern es finden
sieh längs der Ufer bis 100 m breite Streifen Seebodens eben-
falls trocken.
Diese Verhältnisse sind für die Entwicklung der litoralen
und zum Teil auch der Riedflora von großer Bedeutung.
Die Pflanzen auf der Grenzzone, d. h. desjenigen am Unter-
see besonders deutlich ausgebildeten Landstreifens, der beim
sommerlichen Hochwasser überschwemmt, vom Herbst bis
Frühling dagegen trocken liegt, kommen im Frühling meist
vor der Blütezeit unter Wasser; ihre Vermehrung erfolgt dann
auf vegetativem Wege durch Ausläufer oder Brutknospen.
Die ausnehmend trockenen Frühjahre 1909 und 1911, bei
abnormalem, lang andauerndem Tiefwasserstand gestaltete sich
für die Grenzzonenbewohner zum eigentlichen Blütenjahr;
denn all ihre Vertreter, wie Strandling (Litorella) Nadel-
binse (Eleocharis acieularis), Kriech-Hahnenfuß (Ranunculus
— 1174 —
reptans) und andere blühten an all ihren Standorten zu
Tausenden! 5
Für die Seeflora dagegen bewirkte dieser Tiefwasser-
stand einen starken Rückgang in der Entwicklung, indem
ganze Bestände, selbst von häufigen Wasserpflanzen (Charen,
Laichkrautarten, Wasserpest, Horn- und Nixenkräuter) stellen-
weise fast gänzlich verschwanden.
Der jeweilige Wasserstand bedingt im weiteren die Aus-
bildung der an das Wasser- bezw. an das Landleben sich
anpassenden Pflanzenformen, und es entstehen, von demselben
beeinflußt, bei einer Anzahl von Grenzzonenpflanzen eigen-
tümliche, von einander gänzlich verschiedene Tiefwasser-,
Seichtwasser- und Landformen.
Die weiten, im Sommer überschwemmten, bei Niederwasser
dagegen trocken liegenden Streifen der Uferzone verlangen
ferner für eine Reihe von Wasser- oder wasserliebenden
Pflanzen die Ueberwinterung auf dem Trockenen, indem diese
mit verdiekten Wurzelteilen und Brutknospen (Winterknospen)
oder mit ihren Samen in trockenen und selbst gefrorenen
Boden den Winter überdauern, so z. B. viele Laichkrautarten
und Armleuchtergewächse (Oharaceen), Nixenkräuter (Najas-
Arten), Tausendblatt (Myriophyllum vertieillatum), Tannenwedel
(Hippuris), Wasserschlaucharten (Utrieularia) und andere.
Die Uferzone des Untersees ist sehr abwechslungsreich
gestaltet; ausgewaschene Ufer wechseln mit angeschwemmten
Deltabildungen; auf sandige, schlammige Buchten mit reich-
licher Vegetation folgen kiesige, vegetationsarme Uferstreifen.
Durch diese reiche Abwechslung der großenteils noch natür-
lichen Ufer erhält der Untersee die mit Recht gerühmten
landschaftlichen Reize.
Von der Uferzone zieht sich die sog. W yße mit wechselnder
Breite, oft in kaum merklicher Neigung, bisweilen in mäßigem
Abfall gegen die Halde hin. Sie ist meist deutlich ausgebildet
und hebt sich durch ihre weißliche Farbe schon aus der Ferne
vom Blaugrün des tieferen Wassers ab. Hier spielt sich ein
äußerst reichhaltiges Leben pflanzlicher und tierischer Or-
ganismen ab, und die Wyße bildet eine unerschöpfliche Fund-
grube zur Beobachtung derselben. Sie ist der Sammlungs-
platz, der Berührungspunkt, wo die seewärts vordringenden
Pioniere der Verlandungspflanzen und die gegen das Ufer
Sn
Be intrtekenden Wasserpflanzen einander begegnen. Besonders
im Sommer ist dieser Bezirk außerordentlich belebt, wenn
das Heer der Wasserpflanzen in Erscheinung tritt. Laich-
-kräuter, Armleuchtergewächse, Wasserpest, eine len und
andere überziehen die im Winter wie tot erscheinende Fläche
mit einer wirr durcheinandergeflochtenen Vegetationsdecke,
welche den Badenden und Gondelfahrern als lästiges Hindernis
genussam bekannt ist. Gegen den Herbst treten mit pünkt-
licher Regelmäßigkeit Myriaden von Kieselalgen (Diatomeen)
auf, die absterbenden Pflanzenteile mit einem schleimigen
Ueberzug umhüllend.
‚ Auf die Wyße folgt als mehr oder minder steiler Abfall
die H#lde, die nach unten allmählich in den eigentlichen
Seeboden übergeht! Der Boden des Untersees ist durchwegs
von einem feinen, graugelben Schlammüberzug bedeckt, in
welchem Prof. R. Lauterborn die merkwürdige Schwefelbakterie
Thioploca Schmidlei entdeckte, deren zu flockenartigen Massen
verflochtene, mit Schwefelkörnern besetzte Fäden konstant in
gleitender Bewegung sich befinden und die unlängst auch im
Zürichsee nachgewiesen wurde.
Merkwürdigerweise gelingt es, bis auf wenige Meter genau
die Ausbreitung des Obersee- und Unterseewassers zu bestimmen,
und zwar mit Hilfe des Planktons, d. h. der in jedem See
oder Fluß oft in ungeheurer Menge vorhandenen, meist
nur mikroskopisch sichtbaren, passiv oder aktiv im Wasser
schwebenden oder schwimmenden Organismen pflanzlicher
oder tierischer Natur. Das Plankton erweist sich hier nach
Prof. Lauterborn als zuverlässiger Stromweiser, indem das
Unterseewasser als charakteristische Leitform das dem Obersee
fehlende, von bloßem Auge sichtbare Infusorium Stentor besitzt;
dagegen fehlt dem Unterseewasser gänzlich die im Obersee
häufige Alge Botryococeus braumit.
Zu Seegebilden eigentümlichster Art gehören die im Unter-
see weit verbreiteten Kalkablagerungen. In der Konstanzer
Bucht, im Rhein bis unterhalb Gottlieben, ferner am Aus-
- 1 Ueber die zum Teil nicht unbedeutenden Veränderungen der
Bodengestaltung im Untersee durch das Erdbeben vom 16. Nov. 1911 °
vel. @. Rüetschi, Das Erdbeben vom 16. Nov. 1911 am Untersee.
Sonderabdr. Jahresber. u. Mitteil. d. oberrhein. geol. Vereins, Bd. III,
1. Heft 1913, S. 113 - 143.
— 116 —
fluß des Sees von Eschenz bis unterhalb Stein liegen auf
lokalen Erhöhungen des Seebodens die seit längerer Zeit
bekannten Kalktuffbänke, die aus einer mehr oder minder
zusammenhängenden Schicht kleinerer oder größerer, von einer
meist dieken Kalkkruste umhüllter Kiesel bestehen.
Auf den äußern, jüngern Schichten finden sich neben
seltenen Moosen (Jumgermannia riparia, Fissidens grandifrons
und crassipes ete.), kuglige, olivenbraune bis dunkelgrüne
Polster von Spaltalgen, hauptsächlich Riövularia-Arten, welche
den im Wasser gelösten doppelkohlensauren Kalk bei der
Assimilation als einfachkohlensauren Kalk niederschlagen.
Letzterer umhüllt als äußerste Schicht die lebenden Algen-
kolonien. Diese vegetabilischen Kalktuffbildungen finden sich
stets in stärkerer oder schwächerer Strömung, wohl infolge
des vermehrten Kohlensäuregehaltes im fließenden Wasser.
Sie nehmen an Größe mit den jahrringähnlich sich aut-
lagernden Kalkschichten zu und wachsen zuletzt barrenartig
in die Höhe. Bei Niederwasser im Winter ragen sie mitunter
zum Wasser heraus und frieren, vor Frost zerspringend, ab.
Noch merkwürdiger sind die von Prof. Schmidle in Kon-
stanz und mir genauer untersuchten Schnegglisandablage-
rungen. Unterhalb Gottlieben finden sich gegen den seichten
Flachgrund „im Feld“ drei größere, inselartig auftauchende
Erhebungen, deren größte, die Insel Langenrain, auch bei
Mittelwasser zum See herausragt. Die nicht bewachsenen und
besonders bei niederem Wasserstand im Herbst und Winter
in ansehnlicher Breite sich ausdehnenden und schon aus der
Ferne weißlichgrau schimmernden Uferstreifen bieten einen
höchst sonderbaren Anblick. Der ganze Untergrund dieser
drei Erhebungen besteht nun nach Aussage der Fischer, und
wie ich mich durch eigene Ausgrabungen wiederholt überzeugt
habe, aus diesen Kalkablagerungen, die bei den Fischern
unter dem zutreffenden Namen „Schnegglisand“ bekannt
sind. Sie sind mit den vorhin erwähnten Kalktuffen nicht
identisch, aber gleich diesen ein Seegebilde (Fig. 1)!
! Die Figuren 1—5 stammen aus E. Baumann, Vegetation des
Untersees (Bodensee). Stuttgart 1911. Sie wurden uns von der
E. Schweizerbartschen V erlagsbuchhandlung (Naegele & Dr. Sproesser)
für die vorliegende Publikation bereitwilligst zur Verfügung gestellt,
was wir an dieser Stelle dankbar erwähnen möchten. Der Verf.
Fig.1. Verschiedene Formen von Kalkalgen-Ablagerungen (,‚Schnegglisande‘‘)
auf Muscheln, Schneekenschalen usw. (Insel Langenrain, September 1907.)
.
Fig. 2. Kalkalgen- (‚‚Schnegglisand‘‘) Bank bei der Insel Langenrain.
Aufgenommen bei niedrigem Wasserstand am 6. Oktober 1906.
(Die Länge der Bank betrug etwa 2 km.)
12
—.. 178 —
Es sind kleinere oder größere, stecknadelkopf- bis zwiebel-
große, mehr oder minder plattgedrückte, rundliche oder läng-
liche, in der Mitte nicht selten durchlöcherte oder ausgehöhlte,
mit Kalk stark inkrustierte, hellgraue bis bräunliche
Knollen, die dem seichten Seegrund bis zu mehreren Metern
Mächtigkeit aufgesetzt sind. Die Kalkkruste besteht aus jahr-
ringartig aufgelagerten, sandartigen Schichten, deren Kern sehr
häufig aus einer Schnecken- oder Muschelschale besteht; daher
der Name „Schnegglisand“ (Fig: 2).
Diese Kalkschiehten werden nun durch die Tätigkeit von
Kalk ausscheidenden Spaltalgen erzeugt und zwar sind
eine ganze Anzahl von Spaltalgenarten daran beteiligt
(Sehizothrix-Arten, Hwyellococcus niger, Pleetonema tenue u. a.).
Die lebenden Algenkolonien finden sich stets auf der
äußersten Schicht des Steinchens; die inneren Schichten sind
tot. Die Algenpolster schlagen bei ihrem Wachstum fort-
während kohlensauren Kalk auf ihre Außenschicht bezw. auf
die Schalen von kleineren Schnecken und Muscheln nieder,
und zwar im Sommer unter Wasser in einer lockeren
Schicht, im Winter über dem Wasserstand in einer kom-
pakteren Form, so daß ein wechselndes, jahrringähnliches
Wachstum erkennbar ist.
Durch mehrfache Ausgrabungen bis auf’s Grundwasser
konnte ich nachweisen, daß die Insel Langenrain ausschließlich
aus den Ablagerungen dieser Kalk abscheidenden Algen besteht.
Sie stellt geradezu eine vegetabilische Insel dar, eine
Analogie zu den Koralleninseln des Ozeans, wie sie noch von
keinem Süßwassersee bekannt geworden ist!
Die Schnegglisande haben im Untersee eine starke Ver-
breitung. Sie bilden Erhebungen und Bänke bei Stromeyers-
dorf unterhalb Konstanz, auf der Mettnau bei Radolfzell, bei
Hornstad, bei den Inseln Werd bei Stein usw. Auffallender-
weise finden sie sich in großer Ausdehnung auch auf dem
Lande. Fast das ganze, sehr ausgedehnte Wollmatingerried
hat ausschließlich Schnegglisande als Unterlage, wie ich durch
das Material aufgeworfener Fuchslöcher und durch eigene
Ausgrabungen konstatieren konnte. Im südöstlichen Teil dieses
Riedes ist die Schnegglisandschicht bis zwei Meter mächtig.
Diese für das Wasser stark durchlässige und daher oft längere
Zeit trockene Bodenunterlage hat hier die Ansiedlung von
2 ge
trockenliebenden Pflanzen (Xerophyten) begünstigt,
- welche zur Riedflora im grellsten Widerspruche stehen. Weleh
eigentümliches Bild, die Heide-Segge (Carex ericetorum), die
Kugelblume (Globularia Willkommü), das Katzenpfötehen
(Antennaria dioica), die Küchenschelle (Anemone pulsatilla),
der Färber-Ginster (Genista tinctoria), den Berg-Haarstrang
(Peucedanum Oreoselinum), alle in Menge und mitten im Ried
und in unmittelbarster Nähe von Schilf und Binsen!
| Schnegglisande bilden am linken Rheinufer die Unterlage
von Gottlieben bis hinauf zum Paradieser Feld bei Konstanz,
und selbst in der Stadt Konstanz ruhen sie auf den die Stadt
durchquerenden Geschieben der Konstanzer Moräne.
Die” wichtige Bedeutung der Schnegglisandablagerungen
ist einleuchtend. Die im Winter bei Niederwasser abbröckeln-
- den und zu einer grusartigen Masse zerfallenden Kalkkrusten
' werden im Sommer vom steigenden Wasser überflutet, vom
Wellenschlag und der Strömung aufgewühlt und schließlich
an seichtern oder tiefern Orten abgelagert. Sie setzen vieler-
orts den Hauptteil des Seeschlamms und der Seekreide zu-
sammen. Ihre Bildung hat sich über lange Zeiträume ver-
breitet und schreitet heute noch fort; ihre Entstehung reicht
bis in die postglaziale Zeit zurück. Durch ihre mächtigen
Ablagerungen haben die Schnegglisand-Algen im
LaufderJahrtausendeander Ausfüllung des Untersee-
beckens einen wichtigen, wenn nicht den größten
Anteil genommen.
Es ist mir leider versagt, in dem kurzbemessenen Raum
Ihnen ein vollständiges Bild von der äußerst reichhaltigen
Vegetation des Untersees zu geben, mit deren Reichhaltigkeit
kaum ein anderer See in Mitteleuropa rivalisieren dürfte; doch
möchte ich Ihnen wenigstens einen Einblick zu verschaffen
suchen in die merkwürdigen Lebensverhältnisse und in die
wichtigsten Vegetationsformen seiner Ufer- oder litoralen
Flora.
Das Gebiet der Uferflora umfaßt die Vegetation des
ständig und zum Teil periodisch untergetauchten Hanges, der
Wyße und der Halde und damit die Mehrzahl der makro-
_ phytischen Gewächse. Die einzelnen Vegetationszonen
sind im allgemeinen am Untersee nicht so scharf geschieden
wie in anderen Seen, da bei seinen langsam gegen die Tiefe
— 180 —
verlaufenden Gehängen die verschiedenen Bedingungen der
einzelnen Zonen nur wenig scharf ausgeprägt einwirken. Die
Pflanzen der oberen und unteren Zone passen sich daher leicht
an die nur allmählich sich ändernden Verhältnisse an und
besiedeln dadurch Standorte, wo sie sonst niemals vorkommen.
Gleichwohl können wir als innerste und tiefste Zone eine
Zone der Chara-Bestände erkennen, die sich von etwa
5—17 m Tiefe erstreckt. Dieser folgt landeinwärts die Zone
der Laichkraut-(Pofamogeton)-Bestände, die sich von un-
gefähr 2,5— 7,5 m ausbreitet. Die folgende Zone der See-
rosen-Bestände (Nuphar, Nymphaea) ist auf wenige Kolonien
bei Radolfzell und Moos beschränkt. Häufiger dehnt sich von
0,5—3 m Tiefe die Zone der Binsen- und Schilf-
bestände (Seörpetum und Phragmitetum) aus. An die Schilf-
zone schließt sich die Zone der Goßseggen-Bestände
(Magnocaricetum) und der übrigen Bestände der Grenzzonean.
Die Pflanzengesellschaften als solche, die sich übrigens
über mehrere Vegetationszonen erstrecken können, nennen wir
Bestandestypen oder Assoziationen.
Der Bestandestypus der Armleuchtergewächse oder
das Characetum ist im Untersee am wenigsten an eine
bestimmte Zone gebunden. Ueberall finden sich einzelne
Vertreter derselben, oft in mächtiger Entwicklung, von 10 em
bis 17 m, im Obersee sogar bis 30 m Wassertiefe. Chara
aspera und ceratophylla sind die häufigsten von den 17 im
Untersee vorkommenden Arten und bilden auf weite Strecken
unterseeische Wiesen. Sie werden bei Ermatingen und Gott-
lieben unter dem Namen „Müß“ im Frühling mit langen
Rechen (Müßrechen) fuderweise aus dem See gezogen und
als kalkreicher Dünger auf die Felder gebracht, eine schon
über 150 Jahre lang ausgeübte Düngmethode! In stillen,
schlammigen Buchten oder im lockeren Schilficht findet sich
ziemlich häufig die prächtig gelbgrüne Nitella syncarpa und
die sonst seltene Nitella hyalina oft in wirrem Durcheinander.
Die oft nur wenig aus dem Schlamm hervorguckenden
Pflänzchen der letztern Art gewähren mit ihren rundlichen,
stark inkrustierten Blattquirlen einen überaus reizvollen An-
blick, als ob der Boden mit braungrünen Kügelchen bedeckt
wäre. Zwei sehr seltene Arten, die für die Schweiz neue
Ohara stelligera und die angeblich nur einmal bei Cortaillod
_ aufgefunden, überhaupt nur von Mantua und den Strombergen
- Kaplands bekannt gewordene, seither auch im Zürichsee auf-
gefundene COhara dissoluta entdeckte ich bei Ermatingen,
Berlingen und Moos, beide Arten in Menge beisammen
wachsend.
Die stark mit Kalk inkrustierten Armleuchterpflanzen
lassen beim Absterben eine beträchtliche Kalkmenge zurück.
Von Wind und Wellenschlag werden oft ganze Haufen dieser
‚losgerissenen Charenmassen zusammengeweht. Sie bilden dann
kleinere, lokale Erhebungen, auf denen sich später Laich-
kräuter ansiedeln, wodurch die Verlandung begünstigt wird.
An den Charenstengeln finden sich häufig Süßwasserschwämme
(Spongillen), und am Grund der Bestände liegen oft zu Tau-
senden eingebettet die grünen Gallertkugeln der Infusorien-
kolonie von Ophrydium versatile. Seltener steigen etwa im
August aus den tiefer gelegenen Oharacetum die eigen-
tümlichen, kuhfladenähnlichen Gebilde der in bräunliche
Kugeln sich auflösenden Spaltalge Aphanothece stagnina
langsam zur Wasserfläche empor.
| Auf die Armleuchtergewächse folgt landeinwärts der
Bestandestypus der Laichkräuter oder das Potametum,
im Untersee die vorherrschende Pflanzengesellschaft (häufigste -
Arten: Potamogeton perfoliatus, lucens, pectinatus, crispus,
pusillus, stellenweise P. vaginatus, hie und da P. Zizü, gra-
mineus, decipiens, Zanmichellia palustris, Myriophyllum spicatum,
Ceratophyllum demersum, Helodea, Hippuris, Najas intermedia).
Die Gattung Potamageton allein ist mit 16 Arten, 23 Ab-
arten, 3 Bastarden und einer Menge von Formen vertreten.
Diese Pflanzengesellschaft ist über das ganze Gebiet der Ufer-
flora verbreitet, am häufigsten auf der eigentlichen Potamo-
geton-Zone von 2,5—7,5 m Tiefe; sie erfüllt mit Vorliebe
stagnierende Buchten und Schiffshäfen; ihre Vertreter fluten
zu beiden Seiten der Rheinrinne und rücken nicht selten gegen
das Ufer hinauf.
Auf den sandigen Streifen der Uferzone bilden die kleinsten
Arten derselben eine eigene Zwerg-Laichkrautgesell-
schaft. Es sind dies äußerst typische, kleine, schmächtige,
unscheinbare, braungrüne Rasenkomplexe, die mit ihren meist
nadelförmigen, fadendünnen Blättchen oft kaum sichtbar aus
dem Sande herausragen. Diese meist isolierten Rasen bilden
— 182 —
einen eigenartigen Bestand der Grenzzonenflora und bestehen
aus Potamogeton pusillus ssp. panormitanus var. minor und vul-
garis, Potamogeton pectinatus var. scoparius, Zannichellia pa- :
lustris var. repens, Chara aspera f. reducta. Sehr selten
treten die beiden seltenen Nixkrautarten Najas minor und
die für die Schweiz und fast ganz Mitteleuropa von mir
neuentdeckte Najas flexilis hinzu; bisweilen sind sie mit den
Pygmänen der Nadelbinsengesellschaft (Zleocharetum acieularis)
gemengt.
Im Gegensatz zu den größern Arten des Potametums
vermochte sich diese Zwerg-Laichkrautgesellschaft oder
das Parvopotametum, die von den größern Arten verdrängt und
gezwungen wurde, durch Ausläufer und Kriechwurzeln gegen
das Ufer hinauf, dem Lichte zu, auszuwandern und an die
neuen Standortsbedingungen der Grenzzone sich vorzüglich
anzupassen, indem alle ihre Vertreter durch Samen, Rhizom-
knöllehen oder eigentliche Winterknospen im Trockenen über-
wintern können. Die Kleinheit und Verborgenheit dieser nied-
lichen Pflanzengesellschaft, welehe im “Untersee sehr aus-
geprägt auftritt, brachte es mit sich, daß sie bis heute über-
sehen wurde.
Alle Laichkraut-Arten vermögen infolge der im Wasser
häufig verhinderten Blüten- und Samenbildung sich auf vege-
tativem Wege fortzupflanzen und zu überwintern, sei es,
daß abgerissene und 'verschwemmte Stengel und Rhizomteile
sich anderswo: einwurzeln und neue Individuen bilden, sei es,
daß sie durch aufgeschwollene Rhizomglieder oder deren
knollenförmige Endknospen sich vermehren und überwintern
(so z. B. Potamogeton fluitans, perfoliatus, pectinatus, gra-
mineus, Zizü) oder indem sie die Fortpflanzung und Ueber-
winterung durch sich ablösende Winterknospen ermöglichen
(Potamogeton erispus, dessen Winterkospen aus kurzen Seiten-
trieben mit stärkegefüllten, starren Blättehen bestehen; ferner
Potamogeton pusillus, Potamogen mucronatus und andere).
Der seltene Potamogeton vaginatus, das scheidige Laich-
kraut, dessen Hauptverbreitungsgebiet im Norden (Skan-
dinavien, Finnland, Labrador) liegt, besitzt in Mitteleuropa
nur einige wenige zerstreute Standorte, in der Schweiz außer
im Untersee und Bodensee noch im Genfer- und Vierwald-
stättersee, die sich als Glazialrelikte bis heute erhalten
ea
Fig. 3. Potamogeton graminens.L. a. Wassertorm var. lacustris Fr.);
d. Seichtwasserform (var. stagnalis Fr.) mit Uebergangsformen (ce)
zur Landform d (f. terrestris Fr.)
haben. Die Pflanze dringt mit ihrer konischen, auch im
Winter unverdiekten Rhizomspitze an den kühl temperierten
Halden des Rheins bis 8 m Tiefe vor und bleibt, im Gegen-
satz zu den andern Arten, den ganzen Winter hindurch grün,
— 184 —
selbst bei größter Kälte, weshalb sie von den Fischern,
„Winterkraut“ genannt wird.
Eigentümliche Anpassungserscheinungen zeigen einige
Laiehkrautarten (Potamogeton gramineus, Potamogeton Zizü
und deren Bastarde) in der Fähigkeit, verschiedenartige Blätter
zu bilden. Sie besitzen eine äußerst fein ausgeprägte Reaktions-
fähigkeit gegenüber dem sie umgebenden Medium und ver-
‚mögen als Wasserpflanzen sich dem Leben auf dem Trockenen;
durch Luftblattbildung anzupassen. So bildet z. B. das
grasblättrige Laichkraut (Potamogeton gramineus) bei sinkendem
Wasserstand eiförmige, freudig grüne Luftblätter mit
Spaltöffnungen aus, während die normale Wasserform gras-,
artige, bräunliche Blätter ohne Spaltöffnungen besitzt
(Fig. 3, a—d). Sinkt der Wasserstand noch weiter zurück,
so daß die Pflanzen aufs Trockene gelangen, so treten am
Stengelgrunde ausschließlich noch Blattrosetten mit breit-
eiförmigen, freudig grünen, beiderseits mit Spaltöffnungen!
versehenen Luftblättern auf. Solche Formen: haben : voll-
kommen das Aussehen von Landpflanzen und gleichen der
ursprünglichen Wasserform nicht im ‘geringsten. Sie ver-
ändern jedoch ihre Tracht alsobald wieder, wenn sie längere
Zeit überflutet werden, und schlagen dann wieder in die Seicht-
wasser- und Tiefwasserform zurück, je nachdem sie kürzer -
oder länger unter Wasser gesetzt werden. In regenreichen
Sommern mit anhaltend hohem Wasserstand treten Landformen
selten oder nie auf. Allgemein finden wir am Untersee während
des sommerlichen Hochwasserstandes die Wasserblätter, und
je nach Veränderung bezw. Abnahme des Wasserspiegels im
Spätsommer und Herbst die Seichtwasser- und Land-
formen. Von allen Wasserpflanzen hat sich das grasartige
Laichkraut dem Landleben weitaus am besten angepaßt und
findet sich im „Luftblattkostüm“ oft den ganzen Sommer
hindurch bis in die Seewiesen hinein, natürlich nur inner-
halb der Hochwasserstandsmarke.
Im Potametum finden wir bisweilen noch die Wasser-
hahnenfuß-Arten Ranunculus trichophyllus, Ranunculus diva-
ricatus, selten Ranunculus flwitans und Ranunculus aquatiks.
Das „Körblekraut* (Ranuneulus divaricatus) treibt im Juli
oft in abgerissenen, weißschimmernden, angenehm duftenden
Blütenpolstern auf der Wasseroberfläche herum.
}
— 185 —
Landeinwärts des Potametums, in der Nähe der Uferzone
‘oder diese besiedelnd, dehnen sich in abwechselnder Reihen-
folge oder zu Mischbeständen vereinigt, die Seebinsen- und
Sehilfbestände (Seirpetum und Phragmitetum) aus. Die
Seebinse (Schoenoplectus lacustris) dehnt sich am Untersee
meist seewärts der Schilfbestände aus — in anderen Seen
ist es umgekehrt! — und zeigt noch Anpassungen an das
Wasserleben. Sie dringt bis 3,5 m Tiefe vor und erzeugt an
solchen Stellen keine Halme mehr, sondern nur noch eigen-
tümliehe, flutende Bandblattformen, während das Schilf
nur bis zu 2 m vordringt und nur /Luftblätter ausbildet. Die
Seebinsenbestände sind oft von ejner reichhaltigen Pflanzen-
gesells@haft durchsetzt. In dem stillen, traumverlorenen See-
winkel bei dem Fischerdörfehei Moos bilden die Seebinsen
mit dem Schilf und dem Rohrgianzgras (Phalaris arumdinacea)
große Mischbestände und als kräftig durchsetzenden Einschlag
finden wir die Wasser-Brunnenkresse (Nasturtium amphibium),
im Juni Myriaden von okergelben Blütenrispen entsendend und
_ oft dominierend; ferner den schmalblättrigen Rohrkolben (Typha
angustifola) mit seinen sammtrotbraunen Kolben, das Pfeil-
kraut (Sagittaria) mit seinen duftigen, weißrötlich schimmernden
Blütenkandelabern, den grasartigen Froschlöffel (Alsma gra-
minifolium), Tannenwedel (Hippuris), Tausendblatt (Myrio-
phyllum vertieillatum), Nixenkraut (Najas intermedia), seltener
weiße und gelbe Seerosen und andere; zwischen den Binsen-
'halmen trefien wir an windgeschützten Stellen die Wasser-
linsenarten (Lemna trisulca und minor, Spirodela polyrhiza.)
Die Schilfbestände (das Phragmitetum), bilden entweder
‘ein zusammenhängendes, fast undurchdringliches Dickicht,
oder sie rücken in mehr oder minder geschlossenen Kolonnen
gegen die Grenzzone und in die Seewiesen hinein, oder aber
seewärts bis zu 2 m Tiefe vor. Das Schilf ist das eigent-
liehe Wahrzeichen des Untersees und erreicht daselbst
nicht selten über 5 m Höhe! Es besiedelt stellenweise in
riesiger Ausdehnung seichte Buchten und Untiefen. Gegen
den See sind die Schilfbestände entweder abgesetzt oder sie
verlieren sich allmählich. Außer der Seebinse sind seine
häufigsten Begleiter: das prächtige Süßgras (@lyceria aquatica),
wohl das schönste Gras der Schweizerflora, ferner das Rohr-
glanzgras (Phalaris arundinacea), das ich häufig als Vorläufer
— 186. —
der Schilfbestände konstatierte und dessen künstlicher Anbau
zu Uferschutzzwecken an Stellen, wo einstweilen kein Schilf
aufkommen könnte, sich sicher lohnen würde!
Unter Umständen bildet das Schilf auf Seewiesen eigen-
tümliche Kriechhalme (Schlüpfrohr, Schilfschlangen), die
bis 14 m lang werden, und ferner die auf die Wasserober-
fläche gleich schwimmenden Ausläufern sich hinlegenden
Legehalme.
Das Schilf liefert durch abgerissene Rhizomstücke, Wurzel-
fasern, abgestorbene Halmteille und Blätterfragmente den
Hauptbestandteil des sog. „Schwemmtorfs“, einer aus or-
ganischem Detritus bestehenden, braunen, wasserdurchdrängten
Masse, die von den Wellen stellenweise ans Ufer abgelagert
und als Dünger verwendet wird. Dieser Schwemmtorf wird
rasch von einer charakteristisehen Pflanzengesellschaft besiedelt,
hauptsächlich von Knöterich- und Ampferarten (Polygonum
lapathifolium, persicaria, mite, hydropiper, Rumex conglomeratus
und erispus); ferner das Quellgras (Catabrosa aquatica), Zwei-
zahn ( Bidens tripartita), Winterkresse (Barbaraea vulgaris) usw.,
die an solchen Standorten riesige Dimensionen erreichen, so
fand ich z. B. den normal 15--25 em hohen Gifthahnenfuß
(Ranunculus sceleratus) in Exemplaren von 1,5 m Höhe!
Mit dem landeinwärts gelegenen Teil des Schilfgürtels
sind wir auf der Grenzzone angelangt, jenem am Untersee
besonders deutlich ausgebildeten, zeitweise zum See, zeitweise
zum Land gehörenden Landstreifen, der von dem mehr oder
minder abgesetzten Ufer fast stets getrennt ist. Demgemäß
_ stammen die Grenzzonenbewohner zum Teil vom See, teil-
weise vom Land her. Die Wasserpflanzen mußten sich
an das zeitweise Leben im Trockenen gewöhnen, die Land-
bezw. Sumpfpflanzen dagegen an die periodische Ueber-
schwemmung, den Anprall des Gewells usw.
Vom Wasser her ist die oben besprochene Zwerg-
Laichkrautgesellschaft zur Grenzzone hinaufgewandert,
ferner die Nixenkräuter (Najas intermedia, minor und flexilks)
und viele Characeen, die mit Samen und Sporen im trockenen
Sand und Schlamm überwintern; die Wasser-Hahnenfuß-Arten
(Ranunculus trichophyllus und divaricatus), die als luft-
atmende Landformen auf dem Trockenen leben können.
In ähnlicher Weise behelfen sich die mitunter ebenfalls auf
— 187 —
der Grenzzone vorkommenden Wasserschlauch-Arten (Utrieu-
laria neglecta, minor und intermedia), die bei dem regelmäßigen
Fehlschlagen der Samen durch Winterknospen sich ver-
mehren und perennieren.
Eine äußerst typische, seefeste Pflanzengesellschaft, die
sieh nur im seenahen Teil der Grenzzone findet, bilden die
Bestände der Nadelbinse und des Strandlings (Zleocharetum
aeicularis bezw. Litorelletum). Sie bestehen aus niedrigen,
zusammenhängenden Rasen und sind an das Wasserleben
vorzüglich angepaßt. Sie blühen und fruchten im Frühling
oder Herbst, bevor oder nachdem das Wasser sie bedeckte,
und bilden mit reichlichen Ausläufern vielfach verankerte
Rasen, "mit denen sie dem Wellenschlag Widerstand leisten.
Die Nadelbinse (Zleocharis acieularis), der häufigste
Bewohner der Grenzzone, rückt mit fadendünnen, gradlinig
verlaufenden Ausläufern bis 21/a m Tiefe vor. Diese unter-
getauchten, die Wasseroberfläche nie erreichenden Formen
vermehren sich nur auf vegetativem Wege durch Ausläufer,
während temporär auftauchende Pflanzen reichlich blühen
und fruchten. An ganz trockenen Standorten finden wir die
niedliche Kümmerform var. fiöiformis; bei größerer Tiefe und
in geschützten Buchten entwickelt sich die flutende Form
var. longicaulis) mit über fußlangen Halmen.
Etwas weniger häufig tritt, entweder in isolierten Rasen
oder mit der Nadelbinse vereint der Strandling (Zitorella
uniflora) auf. Er blüht seltener als z. B. die Nadelbinse und
die anderen Grenzzonenbewohner. Der trockene Frühling 1909
war für diese Pflanze ein eigentliches Blütenjahr. Ein Blüten-
meer vom Strandling gehört zum Anmutigsten, was die ab-
wechslungsreichen Lebenserscheinungen der Strandflora dem
glücklichen Beobachter zu bieten vermögen. Es war ein
wundervoller Anblick voll intimster Reize, wie die Myriaden
gelbweißlicher Staubbeutel auf ihren schwanken, seidenglän-
zenden Stielen gleich Miniaturfähnchen beim leisesten Wind-
hauch erzitterten! Der größte Strandlingsbestand am Untersee
_ bei der Kirche Hemmenhofen, welcher eine Fläche von über
200 m? bedeckte, hatte am 30. Mai 1909 eine solch ungeheure
Blütenmenge entfaltet, daß beim Betreten desselben die Schuhe
von einer Schieht gelbweißlichen Blütenstaubes vollständig be-
deekt wurden; dabei ist das lebende Pflänzchen nur 3— 6 cm hoch.
—. 188 —
Als Dritter im Bunde der Nadelbinsengesellschaft findet
sich fast stets der kriechende Hahnenfuß (Ranunculus
reptans), der gleich den andern Begleitern zierlich gebogene
Ausläufer entsendet, die an den Knoten festwurzeln und die
mit einer kleinen, unscheinbaren, gelben Blüte endigen.
Ebenfalls ausschließlich an die Grenzzone gebunden ist
das reizende Liliputaner-Vergißmeinnicht (Myosotis
caespititia oder Myosotis Rehsteineri), ein niedliches, kaum
zollhohes Pflänzechen mit am Boden enganliegenden Blatt-
rosetten, dessen azurblaue Blumenkronen gleich leuchtenden
Punkten in die braunroten, über den tee hingebreiteten®
Rasenteppiche eingebettet sind und die im April und Mai
eine liebliche Zierde des Seestrandes bilden.
Neben der Nadelbinsengesellschaft treffen wir noch eine
ganze Reihe von Sumpfpflanzen, die bisweilen ins ständig
überschwemmte Gebiet vorrücken, wie z. B. der Tannenwedel
(Hippuris vulgaris), der ganz den Charakter einer Wasser-
pfanze annimmt und bei Ermatingen bis zu 5 m Tiefe vor-
dringt, der Wasserknöterich (Polygonum amphibium), der je
nach dem Wasserstand Schwimmformen, Seichtwasser- und
Landformen erzeugt, und andere.
Ein fein ausgeprägtes Anpassungsvermögen an die ver-
schiedenen Lebensbedingungen auf der Grenzzone des Unter-
sees zeigen das sonst seltene Pfeilkraut (Sagittaria sagötti-
foka) und der noch seltenere grasblättrige Froschlöffel
(Alöisma graminifolium). Gleich dem oben erwähnten gras-
artigen Laichkraut (Putamogeton gramineus) vermögen diese
beiden Pflanzen je nach dem Wasserstand verschiedenartige
Standortsformen auszubilden, die in ihren Extremen ein total
verschiedenes Aussehen erhalten. Aber während es sich beim
grasartigen Laichkraut um eine Wasserpflanze handelt,
deren normale Wasserform sich bei sinkendem Wasserstand
zur luftblättrigen Landform umbildet, so haben wir es in
diesem Fall mit Landpflanzen zu tun, welche das Leben
unter Wasser mit eigenartigen, bandförmigen Wasserblättern
längere Zeit aushalten.
Das Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia) besitzt als normale
Seichtwasserform einige durchscheinende, breitlineale Band-
(Primär-)blätter und langgestielte, pfeilförmige Schwimm-
blätter, sowie schmal pfeilförmige Luftblätter. Bei sinkendem
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— 190 —
Wasserstand nehmen letztere an Zahl zu, bis sie bei der
Landform (f. terrestris) fast ausschließlich noch auftreten. In
tieferem Wasser bleibt die Pflanze entweder als einfache Blatt-
rosette mit 5—8 em langen, linealen Primärblättern bestehen
(f. stratiotoides) oder sie bildet sich zur eigentlichen Tief-
wasserform (f. vallisnerii fola) aus mit bis 2,5 m langen,
durchscheinenden Bandblättern.
In ähnlicher Weise läßt der grasblättrige Frosch-
löffel (Alösma graminifolium) in tieferem Wasser gleich dem
Pfeilkraut bis meterlange Bandblätter entstehen (f. angustössı-
mum);, bei der Seichtwasserform (f. Zypicum) treten einige
lanzettliche Luftblätter dazu, und an der Landform (f. terrestris)
sind ausschließlich noch diese Luftblätter vorhanden (Fig. 4,
a—d).
Die Ufer-Brunnenkresse (Nasturtium anceps var. steno-
carpum) erzeugt ebenfalls vom jeweiligen Wasserstand bedingte
Standortsformen. Ihre extremen Wasser- und Landformen
wurden oft für zwei verschiedene Arten gehalten, indem die
Wasserform sich äußerlich der Wasser-Brunnenkresse (Nastur-
tium amphibium) sehr nähert und in der Landform mit der
wilden Brunnenkresse (Nasturtium silvestre) große, wenn auch
rein äußerliche Aehnlichkeit besitzt (Fig. 5, a —d).
Das Pfeilkraut kommt am Untersee und Obersee mehrfach
vor; der dem Obersee fehlende grasblättrige Froschlöftel
scheint am Untersee einen eigenen Entstehungsherd zu be-
sitzen und findet sich erst wieder in der Rheinebene und in
der Westschweiz. Die Ufer-Brunnenkresse ist eine Charakter-
pflanze des ganzen Bodenseegebietes und findet sich zerstreut
noch längs des Rheins bis Ellikon a. Rh. und gegen Basel;
sie ist auch von Herrliberg am Zürichsee nachgewiesen worden.
Das quirlblättrige Tausendblatt (Myriophillum ver-
tieillatum) zeigt ebenfalls ein deutlich ausgeprägtes An-
passungsvermögen. Es besitzt sein Wachstums-Optimum in nicht
allzu tiefem Wasser, in Gräben und Buchten usw. und bildet
sich auf den trocken-feuchten Streifen der Grenzzone zur
niedrigen Landform aus, welche gelegentlich Blüten und Früchte
hervorbringt. In beiden Formen erzeugt diese Pflanze gegen
den Herbst längliche, keulenförmige verdiekte Winterknospen
(Turionen), welche der vegetativen Vermehrung und Ueber-
winterung dienen, während die übrigen. Pflanzenteile ab-
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Aral
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— 192 —
sterben. Das als perennierend bezeichnete Tausenblatt ver-
hält sich dadurch gleich den Wasserschlauch-Arten (am
Untersee Utrieularia vulgaris, intermedia und minor) wie ein
einjähriges Gewächs.
Auch ein Gras, das weiße Fioringras (Agrostis alba
var. prorepens), eine typische Landpflanze, vermag unter
Wasser flutende Formen zu erzeugen, welche als unterseeische,
gelbgrüne Vliese dem Beschauer entgegenleuchten, um sofort .
wieder in die Normalform überzugehen, wenn sie aufs Trockene
gelangen. In tieferem Wasser bildet die Pflanze mit ihrem
ausgedehnten Rasen die Anfänge einer Pflanzengesellschaft
und spielt dadurch eine wichtige Rolle als Verlander. Werden
ihre Rasen vom Gewell mit Sand oder Schlamm überschüttet,
so arbeiten sie sich mit den sich verlängernden Trieben nach
Art der Dünenpflanzen wieder heraus, was sich besonders
schön in dem klassischen Verlandungsgebiet bei der Insel
Langenrain unterhalb Gottlieben verfolgen läßt.
Sogar ein Laubmoos, das prächtige Hypnum scorpioides, er-
zeugt charakteristische Wasserformen, welche die Landpflanzen
an Dimension um mehr als das Zehnfache übertreffen.
- Weitere mehr oder minder regelmäßige Bewohner der
Grenzzone sind: der wilde Schnittlauch ( Alkum schoenoprasum),
der zur Blütezeit Strand und Seewiesen in prächtiges Rosa
verwandelt, das Quellgras: (Catabrosa aquatica), die Alpen-
binse (.Jumens alpinus), der Dreizack (Triglochin palustre), der
flammende und kriechende Hahnenfuß (Ranunculus flammula
und repens), die gelbliche Wiesenraute (Thakietrum flavum),
die Rampe (Zrucastrum obtusangulum), die Winterkresse (Bar-
barea vulgaris), das Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensıs),
der Zweizahn (Bidens tripartita) und ein ganzes Heer von
Seggenarten (Carex), von denen am Untersee 45 Arten vor-
kommen usw.; von seltenen Arten nenne ich: die beiden
Öypergräser (Oyperus fuseus und flavescens), die seltene Zwerg-
binse (Schoenoplectus supinus), die 2 m hohe Wiesenraute
Thalietrum exaltatum (auch am oberen Bodensee), die lichtrosa-
blühende Wasserviola (Butomus umbellatus) und das Schlamm-
kraut (Leimosella aquatica), beide Arten neu für das Bodensee-
gebiet, der kleine Knöterich Polygonum minus mit der seltenen
Variation latifolia, usw.
Von besonderem Interesse sind nun drei an feuchten,
— 193 —
kiesigen oder sandigen stellen wachsende Vertreter der Strand-
flora: der am Unter- und Obersee vorkommende gegenblättrige
Steinbreeh (Sarxifraga oppositifolia), ferner ein an beiden Seen
stellenweise verbreitetes Gras, die rheinische Rasenschmiele
(Deschampsia litoralis var. rhenana) und die nur auf den
Untersee beschränkte, mit den beiden genannten Arten zu-
Fig.6. Saxifraga oppositifolia L. var. amphibia Sündermann auf dem Kiesufer
der Grenzzone bei Staad bei Konstanz im März 1913.
(Aus W. Schmidle, Diluviale Geologie der Bodenseegegend )
sammenwachsende rheinische Strandnelke (Armeria purpurea
var. rhenana).
Der gegenblättrige Steinbrech (Saxifraga oppositifolia),
eine Pflanze des Nordens und der Hochalpen und seit über
100 Jahren vom Bodenseestrand bei Konstanz bekannt, be-
wohnt den Kies und Sand der Grenzzone an verschiedenen
Orten des. Untersees, bei Reichenau, Hegne, Allensbach, Glaris-
egg-Steckborn; er findet sich ferner an beiden Ufern im untern
Teil des Bodensees, besonders häufig bei Münsterlingen, ferner
15
— 194 —
bei Altnau. Güttingen und badischerseits bei Konstanz, Meers-
burg, Ueberlingen usw. Er blüht im frühesten Frühling, oft
schon im Februar, mit prachtvollen purpurfarbenen Kronen
und ist von der Alpenform durch größere Blüten (bis 2 em
Durchmesser!), schlafferen Wuchs und weniger bewimperte
Blätter verschieden (Fig. 6).! Da nun die Bodenseeform an den
Mündungen der beiden Alpenströme Rhein und Bregenzer Aach
° und überhaupt am obern Bodenseeufer vollständig fehlt,
(la ferner ihre reife Samen im Wasser sofort zu Boden sinken,
so kann sie unmöglich als ein „Herabschwemmling“ aus den
Alpen aufgefaßt werden. Wir halten sie vielmehr mit Xeller-
mann, ©. Nägeli, Schmidle, Schröter, Sündermann und andern
für ein Relikt aus der letzten Eiszeit, wo sie nach-
gewiesenermaßen in der Ebene vorkam. Sie stellt einen Be-
standteil der glazialen Moränenflora dar, welcher an geeigneten
Schlupfwinkeln am quellig-feuchten Ufer des Bodensees sich
bis heute behaupten konnte. Seit dieser Zeit vermochte sie
daselbst durch allmähliche Umbildung in die heutige Bodensee-
form sich an die Bedingungen der Ebene und das periodisch
untergetauchte Leben anzupassen, welches sie schadlos erträgt.
Ihr Hauptverbreitungszentrum befindet sich im untern
Teil des Bodensees. Einige Standorte liegen direkt auf der
Stirnmoräne des sich zurückziehenden Rheingletschers in der
Nähe von Konstanz. Auch die Standorte am Untersee
sprechen durchaus für diese Annahme! Sie finden sich fast
alle auf der von der Rheinströmung äbgewendeten Seite, und
die Fundstellen bei Hegne und Markelfingen im Gnadensee
sind überhaupt von derselben abgeschnitten und ausgeschaltet.
Zudem ist es ganz undenkbar, daß die kleinen, nicht
schwimmfähigen (!) Samen den über 50 km langen Weg
von der Rheinströmung zum Untersee gefunden hätten, während
die Pflanze am obersten Teil des Bodensees nirgends vor-
handen ist, obwohl dort passende Standorte zur Genüge vor-
handen wären.
! Diese Abbildung ist dem Werke von W. Schmidle, Die di-
luviale Geologie der Bodenseegegend, Braunschweig und
Berlin, 1914, entnommen. Wir sind dem Verfasser, Herrn Ober-
realschuldirektor W. Schmidle in Konstanz, sowie dem Verleger,
Herrn Georg Westermann in Braunschweig, für die freundl. gestattete
Aufnahme in diese Publikation zu großem Danke verpflichtet. Z. B.
— 195 —
Die gleichen Beweggründe lassen mich auch für die
rheinische Strandnelke (Armeria purpurea f. rhenana) das
_ Postulat eines Glazialreliktes stellen. Die Unterscheidungs-
merkmale zwischen dieser prächtigen Pflanze, die außer am
Untersee nur noch im Memmingerried an der bayerisch württem-
bergischen Grenze vorkommt, und der Alpenstrandnelke
(Armeria alpina) sind so geringe und so relative, daß wir die
Untersee- und die Memminger-Pflanze ohne weiteres als eine
Anpassungsform der Alpenpflanze Armeria alpina ansprechen
dürfen, die durch veränderte Standortsbedingungen allmählich
' entstanden ist, in ähnlicher Weise, wie sich aus der Alpen-
form der Saxifraga oppositifolia die Bodenseeform heraus-
gebild@t hat. Auch in dieser Pflanze haben wir ein Relikt aus
der letzten Eiszeit vor uns, welches gleich der Saxifraga
oppositifolia sich auf den feuchten Kiesstreifen der Grenzzone
bis heute zu behaupten vermochte. Sämtliche Standorte am
Untersee befinden sich im Rückzugsgebiet des Rheingletschers;
das Hauptzentrum der Entwicklung liegt auf dem Boden seiner
Rückzugsmoräne, und auch der Standort im Memminger-
ried liest auf den Schottern, welche die Schmelzwässer der
letzten Vergletscherung in das Tal der Iller hineinwarfen.
Ein Herabschwemmen aus den Alpen ist ganz ausgeschlossen,
da die schweren Samen sogleich zu Boden sinken.
Die rheinische Strandnelke blüht im April und Mai und
setzt nach einem längeren, untergetauchten Ruhestadium im
Sommer ihr Wachstum beim Zurückgehen des Wassers im
Spätsommer und Herbst wieder fort. Ihre purpurfarbenen
Blütenköpfehen fand ich in zweiter Blüte bis in den November
hinein.
‚Die weitestgehende Anpassung an die veränderten Stand-
ortsbedingungen am Bodensee hat die rheinische Rasen-
sehmiele (Deschampsia litoralis f. rhenana) erfahren. Sie
gehört zu den charakteristischsten Erscheinungen der Bodensee-
und Unterseeflora und findet sich häufig an nassen kiesig-
sandigen Ufern, oft mit der rheinischen Strandnelke und dem
Een Steinbrech.
Meist wird sie vor oder während der Blütezeit im Mai
und Juni überflutet und bildet dann die bekannten viviparen,
d. h. lebendig gebärenden Aehren aus, indem statt der Blüten
und Samen ein Sproß entsteht, der dann zu einer neuen
— 196 —
Pflanze heranwächst. In sehr trockenen Jahrgängen, wie z. B.
im Frühling 1909 und 1911, blüht dieses merkwürdige Gras
ausnahmsweise normal und reift dann selbst keimfähige Samen
aus. In diesem Zustand ist es mit der an den Ufern der Seen
und Flüsse im Gebiet der Alpen und des Jura vorkommen-
den Hauptart Deschampsia litoralis vollkommen identisch. Die
Bodenseeform unterscheidet sich also vom Typus der Deschampsia
litoralis z. B. am Genfersee und an den Juraseen bloß durch
ihr biologisches Verhalten, indem sie die durch die Ueber-
flutung unterdrückte Samenbildung mit der im Wasser un-
gehindert erfolgenden Vergrünung der Aehren, d. h. durch
Viviparie ersetzte. Die vivipare Bodenseepflanze ist also eine
Anpassungsform an die stark schwankenden Wasserstands-
verhältnisse dieses Sees, dessen Schwankung 2,12 m beträgt,
am Genfersee dagegen nur S0 cm bis 1 m, weshalb die Pflanze
dort ungehindert blüht und fruchtet und niemals vergrünt.
Das Hauptverbreitungsareal der Deschampsia litoralis
f. rhenana liegt, wie bei den beiden oben genannten Arten,
im untern Teil des Bodensees und am Untersee, d.h. auf
dem Moränengebiet des ehemaligen Rheingletschers.. Gegen
den oberen Teil des Bodensees nehmen die Standorte ab und
verschwinden gegen das Mündungsgebiet des Rheins und der
Bregenzer Aache gänzlich. Gegen ein Herabschwemmen
sprechen ferner die schweren, im Wasser sofort zu Boden
sinkenden Samen und die von der Strömung abgeschnittenen,
häufigen Standorte am östlichen Ufer des Gnadensees und
am Ueberlingersee.
Wir Dahn daher Deschampsia litor u im allgemeinen
und die Bodenseeform f. rhenana im besonderen bene als
ein Ueberbleibsel aus der letzten Eiszeit. Die ursprüngliche
Alpenpflanze hat sich in der Bodenseeform allmählich an die
örtlichen Standortsbedingungen angepaßt, indem sie durch
eine erblich mehr oder minder fixierte Viviparie das os
bestehen der Art gesichert hat.
Auch das sch eine Laichkraut (Potamogeton vaginatus),
das im Untersee noch einen der wenigen sporadischen Stand-
orte in Mitteleuropa besitzt, kann ungezwungen als Glazial-
relikt angesprochen werden, der ursprünglich vom Norden
her nach Mitteleuropa gewandert ist und sich seither, aller-
dings nur sehr vereinzelt, stellenweise erhalten konnte. Im
Anklang an ihre ursprüngliche, nordische Heimat bewohnt
diese Art im Untersee Standorte mit relativ niedriger Tempe-
_ ratur in größerer Tiefe (bis 8 Meter) und in fließendem
' Wasser.
In der ohnehin an glazialen Erscheinungen überreichen
Unterseegegend ist es nicht zu verwundern, wenn auch ver-
sehiedene pflanzliche Relikte an vereinzelten ursprüng-
lichen Standorten erhalten blieben.
Auf der Grenzzone tritt ferner ein Hauptphänomen
des Untersees in die Erscheinung: die denselben charakteri-
sierende Verlandung. Wir haben bereits auf die verlandende
Tätigkeit verschiedener Bestände hingewiesen. Armleuchter
und Läichkrautgewächse bilden besonders an seichteren Orten
niedrige, lokale Erhöhungen, bis zu denen oft die kleinen
Rasen der Nadelbinsengesellschaft vordringen. Das flu-
tende Fioringras (Agrostis alba f. fluitans) gibt dem Boden
eine festere Grundlage, und andere Gewächse besiedeln die
Zwischenlücken. Wo Schilf und Seebinse, getrennt oder
vereint, gegen das Seegebiet vorrücken und als Schlamm-
fänger eine Reihe von Ansiedlern herbeilocken, entsteht dem
See abgerungenes „Neuland“; der Prozeß der Verlandung
hat sich vollzogen!
Das grobe Geschütz dieser Verlandungspioniere bilden
aber die Großseggen-Bestände oder Magnocariceten und
an ihrer Spitze die Rasenkegel erzeugende Steifsegge oder
der Böschenspalt (Carex stricta), welche als ein äußerst
energischer Verlander von der Grenzzone her die Schilfichte
und Binsichte durchbricht oder selbst gegen die offenen Flächen
des seichteren Seegebietes vordringt und Land erobert! Ihre
meterhohen Rasenkegel, „Schwertelenböschen“ genannt, sind
oft von dem ebenfalls verlandend wirkenden flutenden
Fioringras kranzartig umgeben und verleihen dem weichen,
schlammigen Boden eine solidere Grundlage.
Bei der Insel Langenrain unterhalb Gottlieben mit ihren
prachtvollen Verlandungsbildern, bei Eschenz, Moos, bei Radoif-
zell, im obersten und untersten Winkel des Gnadensees uni
überhaupt fast um den ganzen Untersee herum. finden wir
Verlandungsflächen oder Streifen der Steifsegge, oft auf weite
Strecken den kürzlich eroberten, flachen Seegrund bedeckend.
‚Gelegentlich werden freilich verlandete Uferteile von den
ee
Wellen wieder zerstört; der erhöhte Seeboden wird aus-
gewaschen und dem Seeregime zurückgegeben. Eine einzige
schlammführende Sturzwelle verwischt oft mit einem Schlag
das Vegetationsbild einer ganzen Strandpartie. Allein neuer-
dings erscheinen auf dem ausgewaschenen Seegrund Charen
und Laichkräuter, und kleinere und größere Bewohner der
Grenzzone befestigen wieder den Boden; von neuem dringen
weitere Vegetationspioniere gegen das Wasser vor, und in
kurzer Zeit ist die Verlandungsgesellschaft wieder „Herr der
Situation !*
Wir finden daher sowohl die See- wie die Strandvegetation
nicht immer in gleicher Zusammensetzung und Häufigkeit vor.
Das Pflanzenbild der Grenzzone wechselt unaufhörlich. Das
Leben auf der Grenzzone gleicht einer Werkstätte der Natur mit
'ununterbrochenem Betrieb, in welcher die Arbeiter das Rüst-
zeug erwerben, auch unter veränderten Lebensbedingungen,
im unaufhörlichen Kampf zwischen Land und See, zwischen
Eingebürgerten und Ansiedlern, das Feld zu behaupten.
Ich muß es mir leider versagen, auf die äußerst reich-
haltige Vegetation der zum Teil abgelegenen und von mensch-
lichen Eingriffen meist noch unberührten Uferrieder und See-
wiesen näher einzutreten, deren reichste Fundgrube das Woll-
matingerried ist. Fast überall werden im Frühling die
Riedflächen vom Frühlings-Enzian (Gentiana verna) und der
Mehlprimel (Primula farinosa) in herrliches Blau und Rosa
getaucht; im Sommer folgt eine artenreiche Riedflora (z. B.
Filipendula hexapetala, Gladiolus paluster, Thesium pratense,
Thalietrum Bauhini var. galioides, Gentiana utrieulosa, Gentiana
solstitialis, Halium verum = mollugo, Euphrasia Kernert in riesiger
Menge usw.). Ende August erglänzen vielerorts weite Flächen
im Lichtrosa der zu Tausenden sich wiegenden Blütenköpfe
des wohlriechenden Lauchs (Allium suwaveolens), der auch noch
anderwärts im Gebiet vorkommt, aber nicht weiter in die
Schweiz vordringt, und die Schartendistel (Serratula tinetoria),
der Sumpfenzian (Gentiana pneumonanthe), und die Herbst-
zeitlose (Colehicum autumnale) geben einen farbenprächtigen
Einschlag dazu.
Die eigentümliche Xerophytenflora auf den lokal erhöhten
Schnegglisandablagerungen im Wollmatingerried wurde bereits
erwähnt. Aehnliche Pflanzenvereinigungen finden sich auch
el
an entsprechenden Stellen bei Hegne und auf der Mettnau
bei Radolfzell.
Eine pflanzengeographisch merkwürdige ID. Ion ist
das auffallende Hervortreten der südeuropäisch-pontischen
Florenelemente, die als ein ganzes Netz von Einsprenglingen
sich über die Unterseerieder und deren trockenere Stellen
gespannt haben.
Charakteristisch für ds ganze Gebiet des Untersees ist
außer den bereits genannten en das relativ häufige Vor-
kommen der stets in Gesellschaft der Herbstzeitlose wach-
senden Natterzunge (Ophioglossum vulgatum), des. prächtigen
Süßgrases (Glyceria aquatica), der sibirischen Schwertlilie
- (Iris Sibirica), der Sommer-Drehblume (Spiranthes uestivalis),
der gelben Wiesenraute (Thalictrum flavum), der wasser-
' liebenden Brunnenkresse (Nasturtium amphibium), des großen
und des linealblättrigen Klappertopfs Alectorolophus major
und Alectorolophus stenophyllus, beide ungemein häufig, usw.
Der Untersee erweist sich als ein höchst dankbares, ab-
_ wechslungsreiches Exkursions- und Untersuchungsgebiet. Eine
reiche Vegetation von Wasserpflanzen bewohnt seine Buchten
- und seichten Niederungen, und ebenso reichhaltig gestaltet
sich die Pflanzenwelt seines Strandes und seiner Seewiesen.
Noch ist er ein Stück unberührter Natur; noch sind seine
natürlichen, periodisch überschwemmten Ufer mit schlammigem
oder sandigem Boden bedeckt und das Stelldichein einer
schmiegsamen, auf alle Lebensbedingungen abgestimmten
Strandvegetation; noch haben weder Entwässerung noch andere
künstliche Eingriffe dem Pflanzenkleid seiner Seerieder starke
Einbuße gebracht. Er hat, wie kaum ein anderer See, den
Charakter «des Urtümlichen bis heute noch beibehalten, und
es ist dringend zu wünschen, daß sowohl Naturschutz "wie
Heimatschutz eifrig darüber wachen, daß die malerischen Ufer-
und Stimmungsbilder dieses herrlichen Naturjuwels anläßlich
den beabsichtigten Uferschutzbauten und später bei der Bodensee-
' regulierung ja nicht zerstört werden. Auf deutscher Seite
hat das Zerstörungswerk leider schon eingesetzt, indem die
klassische Stelle bei Konstanz, wo Saxifraga oppositifolia seit
über 120 Jahren bekannt war und noch heute in un-
geschwächter Kraft und Ueppigkeit den feuchten Kiesstrand
— 200 —
überkriecht, nach einer mir jüngst zugegangenen Mitteilung
wegen Häuserbauten dem sicheren Untergang geweiht ist.
Der Untersee, weleher für Stift und Pinsel so unendlich
viele Motive geliefert hat und immer noch bietet, er erschließt
auch dem für Naturschönheiten zugänglichen Forscher in seinen
stillen, weltabgeschiedenen, oft vom diehten Röhricht erfüllten |
Buchten eine unerschöpfliche Fundgrube lieblieher Natur- und
Vegetationsbilder voll intimster Reize; er erzählt ihm vom
lautlosen, unblutigen, aber nicht minder energischen Kampf
ums Dasein seiner Bewohner, welche er mit seinen stillen
Fluten bedeckt; er predigt ihm die ergreifende Wahrheit des
Werdens und Vergehens. —
Es ist Abend geworden, und unsere Exkursion neigt sich
dem Ende zu. Nochmals lassen wir unsere Blicke über die
herrlichen Fluten schweifen, aus deren Hintergrund die Halb-
insel Höri herübergrüßt. Die harmonische Farbensymphonie
der alles vergoldenden Abendsonne hat sich in den stillen
Silberglanz der Mondscheinbeleuchtung aufgelöst. Im Kahn
suchen wir allmählich das Ufer zu gewinnen. Bereits winkt
aus duftiger Höhe das denkwürdige Arenenberg zu uns herab,
und die im leisen Windhauch lispelnden Schilfhalme raunen
uns ihr einschläferndes Nachtlied zu. Unser letzter Gruß gilt
dem einzig schönen, schilfumsäumten, sagenumwobenen, eiland-
geschmückten, aquamaringrünen Untersee!
' Beiträge zur Kenntnis |
der Flora des Bezirks Dießenhofen
und seiner Umgebung.
Von Dr. med. Hans Brunner in Dießenhofen.
In den Mitteilungen der Thurgauischen Naturforschenden
Gesellschaft vom Jahre 1882 (5. Heft, S. 11-61) veröffent-
lichte Herr Friedrich Brunner, Apotheker sel., von Dießen-
hofen, ein „Verzeichnis der wildwachsenden Phanero-
samen und Gefäßkryptogamen des thurgauischen
Bezirkes Dießenhofen, des Randens und des Höh-
gaus“; meine kleine Arbeit soll als Ergänzung genannter
Schrift aufgefaßt werden. In derselben will ich die im
Verlaufe der letzten 10 Jahre von mir in der hiesigen Ge-
gend neugefundenen Genera und Species, in der Reihenfolge
nach der Flora von Schinz und Keller (3. Auflage 1909)
numeriert, aufführen. Sperrdruck deutet an, daß auch das
Genus für unser Gebiet neu ist. Bei zahlreichen Arten (z. B.
des Genus Hieracium u. a.), für welche im Verlaufe der neueren
Zeit Unterarten gebildet worden sind, welche Herrn Brunner
damals noch nicht bekannt sein konnten, habe ich mir er-
laubt, jeweils alle in unserem Bezirke von mir gefundenen
Subspeeies zu nennen, ohne in jedem Falle zu beanspruchen,
eine Neuentdeckung gemacht zu haben. Für sehr viele seltenere
Pflanzen sind mir auch neue Standorte bekannt geworden;
ich muß leider heute darauf verzichten, dieselben zu publi-
zieren. Im übrigen habe ich zu bemerken, daß ich einen
sehr großen Teil der von Friedrich Brunner in seinem Ver-
zeichnis erwähnten Pflanzen an den von ihm genannten Stand-
— .202 —
orten wieder getroffen habe, andere noch zu finden hoffe. Ver-
geblich habe ich bis jetzt gesucht die Genera: Ammi, Adoxa,
Doronicum, Aceras, Goodyera, Cyperus.
Den Herren isniiersen Heinrich Wegelin in Frauenfeld,
Professor Dr. Schinz, Dr. Bauman, Dr. Thellung und F. Ban
in Zürich, welche so freundlich waren, in zweifelhaften Fällen
“die Verifikation der Diagnosen zu übernehmen, sei hier mein
verbindlichster Dank ausgesprochen.
I. Pteridophyta.
3. Fam. Ophioglossaceae.
Ophioglossum.
37. O. vulgatum L. Gemeine Natterzunge. In Hosen bei
Stein a. Rh.
5. Fam. Equisetaceae
Equisetum.
54. E. hiemale L. Winterschachtelhalm. Rheinufer im
Staffel, Rheinhölzli.
ll. Siphonogamae.
B. Angiospermae.
a. Monocotyledones.
Potamogeton.
12. P. coloratus Vahl; plantagineus Du Croz. Farbiges
Laichkraut. Etzwilen, Schlattingen.
Forma rotundifolius, Landform. Etzwiler Riedt,
Schlattingen.
16. — lucens L. Spiegelndes Laichkraut, var. acuminatus
Fries. Im Rhein beim Laaggut.
17. -—- angustifolius Bercht. und Presl, Zözii Mert und
Koch. Schmalblättriges Laichkraut. Im Rhein
oberhalb Büsingen.
18. —- gramineus L. Grasartiges Laichkraut; var. laeustris,
var. paueifolius: forma heterophyllus. Im Rhein,
Laaggut.
EFlodea.
19. P. nitens Weber. Glänzendes Laichkraut. Im Rhein
oberhalb Büsingen.
27. — pectinatus L. Kammförmiges Laichkraut; var.
Scoparius Wallr. Häufig im Rhein bei Bibern,
Büsingen, der Scharenwiese; var. vulgaris Cham.
und Schlecht. Früher im Gries; var. vaginatus
Turez. Im Rhein bei Dießenhofen.
41. E. canadensis Michaux. Kanadische Wasserpest.
Häufig im Rheine.
Panicum.
| Oryza.
„P. capillare L. Haarförmige Hirse. Adventiv auf
neuangelegter Straße in Dießenhofen.
59. O. oryzoides L. Oryza clandestina A. Br. Verborgen-
blütiger Reis. Bei Bibern und Ramsen.
- Phalaris.
61. Ph. canariensis L. Kanariengras. Adventiv. Schutt-
haufen bei Schlatt.
(alamagrostis.
91. C. varia Schrader, Host. Buntes Reitgras. Eschen-
riedt im Scharen.
Eragrostis.
122. E. minor Host. Kleines Liebesgras. Bahnkörper bei
Etzwilen, Schlattingen, Dießenhofen.
- Carex.
271. O©. diandra Schrank, teretiuscula Good. Rundstenglige
Segge. Neunforn, Schlattingen.
337. — acutiformis Erh., paludosa Good. Sumpf-Segge;
var. acrogyna. Schlattingen.
‚Juneus.
367. J. alpinus Will. Alpensimse. Scharenwiese.
Ornithogalum.
> ae
O. narbonense L. Narbonnische Vogelmilch. Adventiv.
Eichbühel.
- Polygonatum.
446. P. offieinale All. Gebräuchliche Weißwurz. Friedinger
Schlößle.
og
Orchis. ; e
488. O. incarnatus L. Fleischfarbiges Knabenkraut; var.
ochroleukus Wüstnei. Binningen.
489. — Traunsteineri Sauter. Traunsteiners Knaben-
kraut. Sehr spärlich. Etzwilen.
Epipactis.
515. E. sessilifola Peterm. — Violacea Bor. Violette Sumpf-
wurz. Gailinger Berg.
be. Dicotyledones.
S. hybrida: Caprea > Viminalis, Bastard der Sahl-
und Korbweide. Im Todten Mann.
Aristolochia.
598. A. Clematitis L. Waldrebenartige Osterluzei. Wechselt
auffallend den Standort. Dießenhofen, Gailingen,,
Büsingen, Ramsen, Schlattingen.
Fagopyrum.
628. F. sagittatum Gilib. Polygonum Fagopyrum L. Aechter
Buchweizen. Adventiv: Schlatt.
Chenopodium.
647. Oh. album L. Weißer Gänsefuh.
Ssp. eualbum Ludwig. Var. lanceolatum Müh-
lenberg; var. pseudo-Borbasii Murr; var. vir-
deseens St. Amans. Dießenhofen, Büsingen.
Heileborus.
781. H. viridis L. Grüne Nieswurz. Bei Randegg.
Lepidium.
882. Z. ruderale L. Sehuttkresse.. Adventiv. Bahnhöfe
Radolfzell, Etzwilen.
Sisymbrium.
909. S. altissimum L. Sisymbrium "sinapistrum Crantz.
Hoher Raukensenf. Adventiv. Kundelfingen.
913. -— orientale L. —- columnae Jaeg. Orientalischer
Raukensenf. Adventiv. Laaghof, 1907. |
Erysimum.
997. E. repandum L. Ausgeschweifter Schotendotter. Ad-
ventiv. Laaghof,. 1907.
Berteroa.
1007. B. incana DE (syn. Alyssum incanum L.). Graue Ber-
® teroe. Adventiv. Laaghof, 1907.
Ohorisporu.
5 Ch. tenella Palle Zarte Knotenschote. Adventiv.
Laaghof, 1907.
Sedum.
1026. S. spurium M. Bieb. Unechte Fetthenne. Aach.
1038. —- rupestre L. Felsenfetthenne. Stauffen.
- Potentilla.
- 1188. P. verna L. Frühlings-Fingerkraut.
j . Var. «aestiva. _Dörflingen.
. Rosa.
1219. R. dumetorum Thuill. Heckenrose. Schlattingen.
933: Jundzillii Besser. Rosa trachyphylia Rau. Rauh-
blättrige Rose. Basadingen.
Sarothamnus.
1264. $. scoparius L. Besenginster. Hohenklingen, Staffel.
Lupinus.
| L. polyphylius Douglas. Vielblättrige Wolfsbohne.
Adventiv. Scharenwiese. 1915.
Vieia.
1362. V. pannonica Orantz. Ungarische Wicke. Var. pw-
purascens (DC) Koch. Adventiv. Dörflingen.
Oxalis.
1413. O. strieta L. Steifer Sauerklee. Dießenhofen.
- Hypericum.
1482. H. humifusum L. Niederliegendes Johanniskraut.
Buchberg, Gailinger Berg.
Viola.
1509. V. alba Besser. Weißes Veilchen. Var. scotophyl-
E loides. Randegg.
Hippophaic.
1535. H. Rhammoides L. Sanddorn. Kult. Hohenklingen.
Erica. £
1675. E. carnea L. Rote Schneeheide. Scharen. Standort
F: einige Quadratmeter groß im Walde.
a a nd A nt nat
206° >
Leonurus.
1844. L. cardiuca L. Löwenschwanz. Stauffen.
Origanum.
1874. O. vulgare L. Var. virescens Cariot. Grüner Dost.
Basadingen.
Mentha.
1880. M. vertieillata L. Quirlige Münze. Scharenwiese.
Solanum.
S. rostratum Dunal. Geschnäbelter Nachtschatten.
Adventiv. Rheinsäge, 1911.
Verbaseum.
1905. V. Blattaria L. Schabenkraut. Adventiv. Laaggut.
Erigeron.
2201. E. annuus L. Pers. (syn. Stenactis annua Nees.)
Einjähriges Berufkraut. Eingewandert. Ueberall.
Gnaphalium.
2218. @. uliginosum L. Sumpf-Ruhrkraut. Var. pilulare
(Wahlenb.). Schlattingen.
Galinsoga.
2238. G. parviflora Cav. Kleinblütiges Knopfkraut. Markel-
fingen.
Matricaria.
2253. M. suaveolens Parsh. Matricaria discoidea D.C.
Wohlriechende Kamille. Adventiv. Etzwilen,
Bahnhof.
Senecio.
2300. 8. Jacobaca L. Jakobs Kreuzkraut. Ramsen, Hom-
boll, Hohenkrähen.
Oarlina.
2310. C. acaulis L. Var. caulescens L. Stengellose Eber-
wurz. Randen.
Crepis.
2409. O. mollis Jacqg. Orepis suceisifolia Tausch. Weich-
behaarter Pippau. Binningen.
Hieraecium.
2429. H. pratense Tausch. Wiesen-Habichtskraut. Ssp.
subcollinum. Ssp. longipilum N. P. Bahnkörper
Kundelfingen.
2431. AH. florentinum All. Florentiner Habichtskraut,
2 Ssp. praealtum. Kundelfingen, Dörflingen.
x — .arvieola NP. == AH. florentinum —- pratense.
Ssp. cineinoeladum. Dörflingen, Gailingen.
— Zizianum Tausch — A. florentinum — cymosum.
Ssp. poliocladum. Hohenkrähen. Ssp. rhenovallis
Zahn. Schlattingen, Gailingen.
2440. -—- murorum L., silvaticum Zahn. Mauer-Habichts-
kraut. Ssp. serratöfrons Almg. ce. Sölwularum
Jord. Gailinger Berg. Ssp. oblongum Jord,
Gailinger Berg.
2442, — vulgatum Fries. Gemeines Habichtskraut.
Ssp. maculatum Sm. Gennersbrunn. Ssp. acu-
minatum Jord. Hofenacker. Ssp. anfraetum Fr.
Hohenkrähen. Ssp. Lachenali. Büsingen.
— - divisum Jord. — H. vulgatum — murorum.
Ssp. eruentum. Büsingen.
— commixtum Jord. Ssp. commixtum. Büsingen.
2450. — laevigatum Willd. Geglättetes Habichtskraut.
Ssp. rigidum (Hartm.). — tridentatum Fries.
Hohenkrähen.
Es erübrigt mir noch, diejenigen selteneren Pflanzen
"aus dem engern Bezirke Dießenhofen und der thurgauischen
Nachbarschaft zu erwähnen, welche in der obigen Zusammen-
stellung deshalb nicht aufgeführt sind, weil sie in dem Ver-
zeichnis von Fr. Brunner enthalten, aber von ihm auswärts
gefunden worden sind, oder deren Standort nicht
näher bezeichnet ist: ;
Oystopteris fragilis, Rottmühle. Polypodium vulgare, Rhein-
hölzli. Carex paradoxa und Cnrex limosa, Schlattingen. Carex
_ distans, Etzwilen. Liparis Loeselii, Etzwilen, Schlattingen,
Scharen. Polyenemum arvense, adventiv, Bahnhof Dießen-
hofen. Amaranthus retroflexus, Dießenhofen. Seleranthus an-
_ nuus, Sehlattingen. Seleranthus perennis, adventiv, Schlattingen,
- Ceratophyllum demersum, Wylen. Ranunculus auricomus.
- Schlattingen. Corydalis cava, Dießenhofen. Erucastrum Pol-
_ liehii, Etzwilen. Sedum Telephium, Buchberg. Potentilla
canescens, Rheinhölzli. ZLathyrus tuberosus, Schlatt-Paradies.
—. 208 —
Epilobium rosmarinifolium, Willisdorf. Epilobium adnatum,
Buchberg. Seseli annuum, Willisdorf. Peucedanum palustre,
Schlattingen. Peucedanum cervaria, Scharenwiese. Peucedanum
oreoselinum, Schlattingen. Gentiana eruciata, Pelzhalde. Gen-
tiana germanica, bei Diekihof. Gentiana ceiliata, Sehlatt. Zap-
pula Myosotis, adventiv. Rheinsäge. Galium wliginosum, Pelz-
halde. Zaetusa scariola, Willisdorf. Hieracium pratense, Scharen.
In Bezug auf die Adventivflora, speziell der Kreuz-
blütler ist eine interessante Beobachtung erwähnenswert.
Ein einzelstehendes Bauerngut am rechten Rheinufer, «ler
sog. Laaghof, war während eines ganzen Sommers un-
bewohnt. In Ausübung meiner Landpraxis mußte ich öfter
die Straße, welche an dem .Gehöfte vorbeiführt, passieren
und entdeckte während jener Zeit auf dem den Gebäuden
vorliegenden Gelände, im Hof, in benachbarter Wiese und
"speziell an den Wegrändern eine ganze Anzahl fremder,
seltener Gäste aus der Familie der Äruziferen, die ich früher
nicht getroffen; die später wieder spurlos verschwanden, als
ein neuer Pächter aufzog, der mit dem „Unkraut“ aufzu-
räumen wußte. Ich nenne Chorispora tenella, Erysimum re-
pandum, Sisymbrium cohımnue, Sisymbrium Sophia, Conringia
orientalis, Lepidium Draba, Berteroa incana. Von denselben
blieb, weil daselbst schon länger ansässig, noch mehrere Jahre
nur Lepidium Draba: die übrigen Genossen sind nicht mehr
zu finden.
Zu drei Angaben des Brunnerschen Verzeichnisses gestatte
mir noch eine kurze Bemerkung:
„Nr. 73 Delphinium consolida. g.
Nr. 992 Scandix pecten veneris. g.*
Diese beiden Bürger der Fruchtäcker waren also früher
im Gebiete „gemein“; ich fand dieselben nie, wohl aber noch
im Höhgau und beziehe die Erscheinung des Verschwindens
aus unserem Bezirke auf den Rückgang des Getreidebaus.
„Nr. 1597 Veronica prostrata s3*
Diese seltene Pflanze ist am Aussterben und findet sich
am Standorte nur noch ganz vereinzelt.
Eragrostis minor, Lepidium ruderale, Matricaria discordeua,
Hieracium Zizianum sind Neuerscheinungen, die den Weg
in unsere Gegend längs des Schienenstranges gemacht
— 209 —
haben. Die Samen von Juncus alpinus dürften wohl von
‚dem Rheinstrom vom Bodensee oder vom Gebirge her auf
den Ufersand der Scharenwiese hergeschwemmt worden sein.
Die Standorte anderer seltener Pflanzen, z. B. des Helle-
borus viridis und der Erica carnea bilden kleine, sehr ein-
same Inselchen. Elodea canadensis verdankt ihre Anwesen-
‚heit einer allgemeinen Invasion, die also in unserem Bezirk
nach 1882 stattgefunden haben muß.
Auffallende Wanderungen im Gebiete macht Aristolochia
Olematitis; sie erscheint vagabundierend in der Nähe von
Gärten, heuer in dieser Ortschaft, nächstes Jahr in einer
andern.
Im Allgemeinen ist zu sagen, daß auch im Bezirke Dielen-
hofen und Umgebung durch zunehmende Rodung von Hecken
und kleinen Gehölzen, Urbarisierung von Rainen, Ausfüllung
von Gräben, Teichen und Hanfrosen, Trockenlegung von
Sümpfen und Riedtern, intensivere Düngung überall die boden-
ständige Flora allmählich Schaden zu nehmen droht und
daher dem Botaniker die Pflicht erwächst, durch weises
Sammeln und mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln
hier und allerorts derselben seinen Schutz angedeihen zu
lassen.
14
reinsnachrichten.
Auszug aus dem Protokoll
der
Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft,
” Die Jahresversammlung 1913
fiel aus, weil die 96. Jahresversammlung der Schweizerischen
Naturforschenden Gesellschaft in Frauenfeld tagte.
Jahresrechnung 1912:
Einnahmen 7.2.0202, ur 2702 28 Rr,22074279
mussaben =. men. - 2583.71
Rückschlag im Jahre 1912 . . Fr. 508.96
Vermögen am 1. Januar 1912 . Fr. 593.88
Rückschlag im Jahre 1912 . . - 508.96
Vermögen auf 1. Januar 1913 . Fr. 84.92
Der Aktuar: A. Weber, Kultur-Ing.
Jahresversammlung 1914,
abgehalten am 16. Mai im Hotel Bahnhof in Frauenfeld.
Vorsitzender: Kantonschemiker Schmid.
Anwesend: 26 Mitglieder und 23 Gäste.
Das Referat hielt der Vorsitzende über
Ernährungsfragen.
Die Aufklärungen, welche die Ernährungswissenschaft ge-
bracht hat, haben bis anhin im allgemeinen bedenklich wenig
Nutzanwendungen für rationellere Gestaltung der menschlichen
Se
Ernährung gefunden; es ist immer noch die Ansicht vor-
herrschend, man habe sich nur bei der Fürsorge für eine
genügende Ernährung armer Leute und bei der Fürsorge für
rationelle Ernährung in öffentlichen Anstalten darum zu
kümmern, welche Nährstoffmengen der Mensch brauche, um
den Körper auf seinem Bestande und arbeitsfähig zu erhalten.
Ein großer Teil der Bevölkerung beurteilt die Nahrungs-
mittel immer noch ausschließlich nach den geschmacklichen
Eigenschaften, nicht nach deren Bedeutung für die Ernährung,
und daher kommen auch in wohlhabenden Familien, in denen
beim Einkauf von Lebensmitteln nieht gespart wird, Fälle
von Unternährung bei Kindern und Erwachsenen vor.
Ein großer Teil der Bevölkerung will die bisherigen Gewohn-
heiten in der Auswahl der Speisen beibehalten, auch wenn
diese Gewohnheiten von Physiologen, Ühemikern und Aerzten
als unzweckmäßig angefochten werden.
Die unrichtige Ansicht, wonach das Fleisch und andere
eiweißreiche Nahrungsinittel im Körper zu Muskelsubstanz
angesetzt werden und das Fett der Nahrung sich zwischen
den Muskelfasern ablagert, verursacht ebenfalls Schwierig-
keiten bei den Bestrebungen, den Ergebnissen bei der Er-
nährungswissenschaft Beachtung zu verschaffen.
Der Vortragende hält eine Umschau bei den Aufklärungen,
die uns die Wissenschaft in neuerer Zeit geboten hat hin-
sichtlich der Vorgänge bei der Verdauung, wobei im besondern
auf die weitgehenden Zersetzungen hingewiesen wird,
welche die Bestandteile der Nahrung bei der Ver-
dauung erfahren, und auf die Bildung neuer Eiweiß-
stoffe in den Organzellen aus den Spaltungspro-
dukten der RBiweißstoffe der Nahrung. Die Eiweiß-
stoffe von: Fleisch und anderen animalischen Nahrungsmitteln
werden im Körper nicht abgelagert; sie werden wie die Ei-
weißstoffe der pflanzliehen Nahrung in einfache Verbindungen
zerlegt; aus diesen bilden sich in den Zellen des Körpers
neue Eiweißstoffe, die besondere Eigenschaften haben, nicht
mehr zellfremd sind. Der Eiweißbedarf des Körpers kann
daher durch pflanzliches wie durch tierisches Eiweiß gedeckt
werden; die Zufuhr von tierischem und pflanzlichem Eiweiß
in der Nahrung ist insofern nicht gleichwertig, als von pflanz-
lichem Eiweiß eine größere Menge erforderlich ist, ' wenn
a
es sich darum handelt, den Eiweißverlust des Körpers zu
decken.
Eingehend wird die Bedeutung der Nahrung als Wärme-
spender und damit als Kraftspender besprochen. Wenn
Pflanzen unter dem Einfluß von Sonnenlicht und Wärme
wachsen, so wird in den einzelnen Pflanzenteilchen mit der
Entstehung komplizierter chemischer Verbindungen Wärme
aufgespeichert, und eine ähnliche Wärmeaufspeicherung erfolgt
beim Wachsen tierischer Organe. Werden pflanzliche Stoffe
oder tierische Organe als Nahrung verwendet, so erfolgen
durch die Wirkung von ungeformten Fermenten Spaltungen
und Oxydationen, wobei die in der pflanzlichen und tierischen
Nahrung aufgespeicherte Wärme frei wird.
Die Wärmemenge, die sich täglich im Körper bildet, ent-
spricht der Wärmemenge, die in der Nahrung aufgespeichert
war, abzüglich die Wärmemenge, die wegen unvollständiger
Verdauung der Nährstoffe nicht frei geworden ist.
Da bekannt ist, wie viel Wärme in den einzelnen Be-
standteilen unserer Nahrung, in den Eiweißstoffen, den Fetten
und den Kohlenhydraten aufgespeichert ist, kann bei jeder
Speise, deren Gehalt an den genannten Nährstoffen bekannt
ist, berechnet werden, wie viel Wärme sie dem Körper zu
spenden vermag.
Ein Erwachsener, der wenig körperliche Arbeit leistet,
muß sich täglich eine Wärmemenge von 2000 bis 2500
Kalorien mit der Nahrung zuführen; bei großen körperlichen
Leistungen sind 500 bis 1000 Kalorien mehr erforderlich.
Bei der Berechnung des täglichen Bedürfnisses an Nahrung
ist das genannte Wärmebedürfnis, außerdem aber auch der
_ tägliche Verlust des Körpers an Stickstoffsubstanzen, Mineral-
stoffen und Wasser in Betracht zu ziehen.
Der tägliche Verlust an Stickstoffsubstanz könnte bei einem
Mann mit 70 Kilo Körpergewicht nach Rübner gedeckt werden
durch 30 Gramm animalisches Eiweiß oder die zwei- bis
dreifache Menge an pflanzlichem Eiweiß; diese Eiweilsmenge
nennt man physiologisches Eiweißminimum. Bei freier Wahl
der Kost wird durchschnittlich drei- bis viermal mehr Ei-
weiß zugeführt, als dem physiologischen Minimum bei ani-
malischer Kost entspricht, weil vielleicht in unserem Klima
das Bedürfnis vorliegt, mit der Eiweißzufuhr nicht nur den
— 216 —
Eiweißverlust zu deeken, sondern auch die Wärmebildung im
Körper bei Vermeidung der Zufuhr großer Mensen an Fett
und Kohlenhydraten zu erhöhen.
Um Nutzanwendungen machen zu können von den Er-
gebnissen der Forschungen über die. Vorgänge bei der Ver-
dauung, über das tägliche Eiweiß- und Wärmebedürfnis des
menschliehen Körpers müßten Tabellen in Betrachtung ge-
zogen werden, welche über den Nährstoffgehalt und den
Kalorienwert der einzelnen Nahrungsmittel Aufschluß geben;
ein solches Tabellenstudium kann aber rasch Ermüdung herbei-
führen. Der Vortragende hat zur Erleichterung der Wert-
schätzung und der Erkenntnis der Bedeutung der einzelnen
Nahrungsmittel schwarze und rote Säulen und Säulchen auf-
gestellt, deren Höhe einerseits das tägliche Wärmebedürfnis
des Körpers bei verschiedenem Alter und bei Ruhe, leichter
und schwerer Arbeit, sowie das Eiweißbedürfnis veranschaulicht
und die anderseits Aufschluß darüber geben, welche Wärme-
mengen und Eiweißmengen dem Körper mit je 100 Gramm
verschiedener Nahrungsmittel und mit üblichen Portionen ver-
schiedener Speisen dem Körper zugeführt werden. Andere
Säulen und Säulchen erleichtern dem Auge eine rasche Ver-
gleichung der Eiweilsmengen und der Wärmemengen, welche
für 1 Franken in Frauenfeld bei den wichtigen Nahrungs-
mitteln erhältlich waren. Dieses Anschauungsmaterial er-
möglichte auch zu zeigen, bei welchen Ernährungsgewohnheiten
die Gefahr einer Unternährung vorliegt, und auf welche
Lebensmittel hauptsächlich zu achten ist bei den Bestrebungen,
den Eiweiß- und Wärmebedarf des Körpers mit wenig Geld-
mitteln zu decken.
Aus dem Jahresbericht des Präsidenten.
Der gelungene Verlauf der Jahresversammlung der
Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft zu Frauenfeld
im September 1913 verdient besondere Erwähnung. Dankbare
Anerkennung fanden namentlich die Ausflüge nach Ermatingen-
Arenenberg und nach der Karthause, welche durch die all-
seitige Unterstützung der Mitglieder, Behörden und weiterer
Kreise der Bevölkerung möglich wurden. Es blieb sogar noeh
ein Ueberschuß in der Festrechnung, welcher als Fonds für
Bereicherung der kantonalen naturwissenschaftlichen Sammlung
_ bestimmt wurde. Damit soll der Glaube unserer Gesellschaft
an die bessere Zukunft eines Museums neu gestärkt und zu-
‘gleich die Hoffnung genährt werden, daß der Opfersinn sich
wiederhole bei unserem Bemühen, die Schätze vor dem Ver-
‚derben zu bewahren und sie zur Belehrung unseres Volkes
nutzbar zu machen.
Jahresrechnung 1913:
Binuahmen m 2 mans. in 2097.49
Ausgaben ES RE RR 1 2320
Vorschlag für das Jahr 1913 . Fr. 405.36
Vermögen vom 1. Januar 1913- s 84.92
Vermögen am 1. Januar 1914 . Fr. 490.28
Auszuscheidender Fonds für unsere
Bamımlunsene n:... 0.0.2009 900,
Passiv-Saldo am 1. Januar 1914. Fr. IM2
An der Landesausstellung in Bern beteiligt sich unsere
"Gesellschaft mit 20 Heften ihrer Mitteilungen.
Für die Vereinsbibliothek steht würdige und allgemein
zugängliche Aufstellung in der neuen Kantonsbibliothek in
- Aussicht.
Zu Ehrenmitgliedern werden ernannnt: Herr Dr. (Il. Heß,
in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen in
Meteorologie und Klimatologie, sowie in Würdigung seiner
aufopfernden Tätigkeit für alle Bestrebungen der Gesellschaft
als langjähriges Mitglied des Vorstandes und speziell als deren
Präsident; Herr Sekundarlehrer F'erd. Graf in Weinfelden in
Anerkennung seines langjährigen treuen Mitwirkens an den
Bestrebungen der Gesellschaft.
Im Vorstand wurden die eine Wiederwahl ablehnenden
Herren Dr. Eberli, Engeli, Etter und Dr. Heß ersetzt durch
die Herren Kappeler-Leumann, Sekundarlehrer Osterwalder
in Bischofszell, Dr. Tanner und Kulturingenieur Weber. Als
Präsident wurde Herr Kantonschemiker Schmid bestätigt.
Der Vorstand ernannte als Rechnungsrevisoren die Herren
Dr. Leisi und Telephonchef Debrunner-Schröder.
Seit der Jahresversammlung 1912 sind in den Kränzchen-
sitzungen folgende Vorträge zu verzeichnen:
Kantonschemiker Schmid: Die Ersatzmittel für Butter;
Prof. Wegelin: Der Kautschuk;
Dr. Heß: Entstehung der Landhose bei Schönenbaum-
garten;
Dr. Pritzker: Hygienische Gewinnung der Milch;
Dr. Fritz Sarasin in Basel: Neu-Caledonien;
Dr. Stauffacher: Neuere Forschungen über Befruchtung
und Vererbung;
Dr. Pritzker: Der Tabak und das Tabakrauchen;
Dr. Isler: Ueber Blinddarmentzündung; |
Prof. Wegelin: Der thurgauische Wald und dessen Ver-
änderung im Laufe der letzten 80 Jahre.
Der Aktuar: A. Weber, Kultur-Ing.
Jahresversammlung 1915,
abgehalten am 23. Oktober im Hotel Bahnhof in Frauenfeld.
Vorsitzender: Kantonschemiker Schmid.
Zahl der Teilnehmer (Mitglieder und Gäste) 75.
Vortrag von Herrn Dr. Brumner, Direktor des Kantons-
spitals in Münsterlingen über:
Wundinfektion und Wundbehandlung im Kriege.
Der Redner besprach zunächst die zwei Arten der In-
fektion, die primäre, welche durch das Geschoß selbst,
durch mitgerissene Kleider- und Hautfetzen erzeugt wird, die
sekundäre, die erst nach der Verletzung entsteht, auf dem
Schlachtfeld, im Schützengraben, auf dem Transport, im
Lazarett. In sehr interessanter Weise gab er darauf einen
historischen Abriß über die Schußverletzungen und wür-
digte die Verdienste Listers und Esmarchs, dessen Soldaten-
verbandpäcklein in den meisten Staaten dem Krieger mit ins
Feld gegeben wird und dort große Dienste leistet. Die
moderne Taktik, insbesondere die gewaltige Entwicklung der
Artillerie, hat das Feldsanitätswesen gänzlich umgestaltet.
Im Positionskampfe liegen die Verhältnisse günstiger als im
Bewegungskrieg. Im ersteren können die großen Verband-
plätze mit Ruhe und Umsicht nicht weit hinter der Kampf-
linie eingerichtet werden; im letzteren fehlen oft Zeit und
ee
x # : IR Me: i
- Gelegenheit, nur einigermaßen anständig unterzukommen, wie
_ die Verhältnisse in Polen und Galizien zeigen. Hat der Soldat
_ eine Verwundung erlitten, so legt er sich einen Notverband
an oder läßt sich durch einen Kameraden verbinden. Das
_ Material hiezu liefert das Verbandpäcklein. Hilfsverband-
plätze, „Verwundetennester“, nehmen die Blessierten auf
und machen sie zum Rücktransport aus der Kampflinie ge-
_ eignet oder befähigen sie zur Wiederaufnahme der Kampfes-
_ tätigkeit. Auf den Hilfsplätzen gilt der Grundsatz: Nil nocere.
Eine Wunde, an welcher nichts gemacht wird, ist weit
_ weniger gefährlich als eine falsch behandelte. Man begnügt
sich daher in den meisten Fällen mit der Bakterienfixation,
‘d.h. mit der Betäubung der Bakterien durch Jodtinktur.
_ Diese wird übrigens in mehreren Heeren schon dem Soldaten-
_ verbandpäcklein beigegeben zur Bekämpfung der sekundären
_ Infektion. Vom Hilfsverbandplatz gelangen die Verwundeten
_ auf den Hauptverbandplatz. Damit auf dem Transport,
bei dem das Auto eine große Rolle spielt, die Verbände
_ nieht verschoben werden, verwendet man mit Erfolg Klebe-
_ verbände aus Mastisol. Zur Beruhigung der Leute wird Mor-
_ phium benützt. Jede unnütze Bewegung verbreitet die Infektion.
Auf dem Hauptverbandplatz erfolgt zuerst die Ausscheidung
der Leicht- und Schwerverwundeten. Erstere kommen an
- Plätze hin, von wo aus sie nach ihrer Herstellung möglichst
rasch die Front wieder erreichen. Von den letztern werden
_ die Transportfähigen durch die Lazarettzüge nach dem Innern,
wenn möglich nach der Heimat, spediert; die andern bleiben
im Feldlazarett, wo ihnen die erste sachgemäße Behandlung
zuteil wird. Ideal sind die Verhältnisse an der Westfront,
wo in guteingerichteten Lokalen oft die schwierigsten Ope-
rationen mit Erfolg durchgeführt werden; schauderhaft steht
es an der Ost- und Südfront, wo oft nicht einmal den ein-
fachsten Forderungen der Asepsis genügt werden kann. In
der Heimat befinden sich die Reservelazarette, wo die
- dauernde Wundbehandlung -— auch Zahn- und Kieferersatz —
_ vorgenommen wird. Hier ist alles aufs modernste eingerichtet
_ mit Röntgenkabinett ete. Auffallend ist die Zunahme der
Starrkrampffälle gegenüber früher: 1870/71 3,5°/00, jetzt
6°/oo. Ursache hievon ist der Graben- und Artilleriekrieg.
_ Gewaltig ist die Summe humanitärer Arbeit, welche die
— 220 —
Aerzte zu leisten haben, groß ihr Opfermut, der ein tröst-
liches Bild bietet im Meere des durch den Krieg verursachten
Elendes, des Krieges, der ein Schandgemälde der Menschheit
Senancı werden muß.
Der lehrreiche, allgemein verständliche Vortrag, welcher
gegen °/ı Stunden Baden hatte, erntete reichen Beifall und
wurde vom Präsidenten ärrefens verdankt. Eine Der 2
fand nicht statt.
Aus dem Jahresbericht des Präsidenten:
Bei den schwierigen Verhältnissen des vergangenen Jahres
mußte sich der Vorstand darauf beschränken, die regulären
Aufgaben zu erfüllen und die Herausgabe des Heftes 21 der
„Mitteilungen“ vorzubereiten.’
Die Zirkulation der Lesemappen konnte in bisheriger
Weise bewirkt werden, obschon die Zeitschriften in reduzierter
Ausgabe und teilweise nicht mehr eintrafen und auch die Zahl
der eingehenden Tauschschriften stark zurückging. Der Militär-
dienst mancher Mappenbezüger brachte Störung in bisher
ungewohntem Maße.
Das gesamte Schriftenmaterial der Gesellschaft hat nun-
mehr in der Kantonsbibliothek eine bleibende Stätte und
würdige Aufstellung gefunden, und es steht dasselbe den Mit-
gliedern dort zur Verfügung.
Am 7. Juni 1914 fand eine Vereinsexkursion mit 14 Teil-
nehmern nach dem Haidenhause und dem Haidenwalde statt,
wo Herr Forstmeister Etter die wichtigsten einheimischen und
die dort probeweise gepflanzten fremden Waldbäume besprach
und an mehreren typischen Beispielen die natürliche Ver-
jüngung des Waldes durch Ränderung erklärte. Den inter
essanten Belehrungen über Ziele und Methoden des modernen
Forstbetriebs war ein gemütliches Picknick eingeschaltet in
einer Waldlichtung mit herrlicher Aussicht auf den lieblichen
Untersee und die Vulkankuppen des Hegaus.
Im Winter 1914/15 wurden im natwrwissenschaftlichen
Kränzchen Frauenfeld Vorträge gehalten von den Herren:
Prof. Wegelin: Veränderung ‘der thurgauischen See- und
Rheinufer in den letzten 80 Jahren;
Dr. Schneider: Die Verhältnisse in der chemischen Industrie °
während des Krieges;
Dr. Tanner: Ueber die Selbstreinigung- der Gewässer;
" Kulturingenieur Weber: Die Aufgaben des thurgauischen
_ Kulturingenieurs.
Infolge Rücktritts der bisherigen Mitglieder wurde die
- Naturschutzkommission neu bestellt in den Herren
- Dr. Tanner, Dr. Leisi und Sekundarlehrer Osterwalder.
Die Bestrebungen .der Gesellschaft sind auch im Berichts-
_ jahre in verdankenswerter Weise durch die Beiträge der
_ Regierung und der Gemeinnützigen Gesellschaft unterstützt
_ worden.
Die Gesellschaft besteht zurzeit aus 123 Mitgliedern und
- 12 Ehrenmitgliedern.
2 Ueber die Tätigkeit der Naturschutzkommission refe-
'rierte deren Präsident Herr Dr. Tanner. Sie befaßte sich
besonders mit dem Schutze der botanisch höchst interessanten
- Scharenwiese und des kleinen Ratihardweihers. Ihre Be-
_ mühungen waren dank dem Entgegenkommen des Bau- und
- des Finanzdepartements von Erfolg begleitet.
Jahresrechnung pro 1914:
Die Einnahmen betragen . . . Fr. 1860.13
Die Ausgaben betragen . . . „649.28
Vermögen auf 1. Januar 1915 . Fr. 1210.85
Auszuscheidender Fonds für die
Bammlunsen 2.0.2... nersenn 900°
Zur Verwendung für die übrigen
Vereinszwecke:. .. .: 2... #.Br.: 710.85
Auf Antrag der Revisoren wird die Rechnung genehmigt
_ und dem Quästor verdankt.
Der Aktuar ad. int.: Dr. H. Tanner.
Verzeichnis
der vom 1. Juli 1913 bis 1. November 1915 durch Tausch oder Schenkung
eingegangenen Druckschriften. i
(Dient zugleich als Empfangsbescheinigung.)
I. Schweizerischer Tauschverkehr.
Aarau. Aargauische Naturf. Gesellschaft: XIII. Heft.
Basel. Naturf. Gesellschaft: Verhandlungen Bd. 24—25.
Baselland. Naturf. Gesellschaft: —
Bern. Schweiz. Naturf. Gesellschaft: Verhandlungen 1912 - 14.
-— . Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen 1913, 1914.
— Schweiz. Entomologische Gesellschaft: Vol. XII, Heft 5,6.
Chur. Naturf. Gesellschaft von Graubünden: Jahresbericht, Bd. 54, 55.
Frauenfeld. Historischer Verein des Kantons Thurgau: Thurgauische
Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Heft 52— 54.
Freiburg. Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen: Chemie Bd. IIIs. Geologie
und Geographie Bd. IVs, VIIlı. Mathem. und Physik Bd. III.
Zoologie Bd. Is. Bulletin Bd. 21, 22.
Geneve. Societe de physique et d’histoire naturelle: Compte rendu
des seances 30, 31.
— Institut National Genevois: —
Glarus. Naturforschende Gesellschaft: —
Lausanne. Societ€ vaudoise des sciences naturelles: Bulletins Nr.
179-186. Convocations 1913— 1915. ;
Lugano. Societä ticinese di Scienze naturali: Bolletino 1912, 1915/14.
Luzern. Naturf. Gesellschaft: — ne
Neuchätel. Societe des sciences naturelles: Bulletin tome 40. Me-
moires tome V. v
Sion. Societ& Murithienne; —
Solothurn. Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen, Heft 5 (1911—1914).
St. Gallen. Naturwissenschaftl. Gesellschaft: Jahrbuch 1912, 1913.
Winterthur. Naturwissenschaftl. Gesellschaft: Mitteilungen, Heft 10.
Zürich. Naturf. Gesellschaft: Vierteljahrsschrift 1913—1915.
— Schweizerische Geologische Kommission:
Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz. N. F. Lief. 20 ır,
301, 34, 40, 43, 45.
Erläuterung zur geologischen Karte der Schweiz 17.
Spezialkarten 55"'s, 73.
Karte in 1:100000: Batt 3.
— 223 —
Geotechnische Serie: Die natürlichen Bausteine und Dach-
j schiefer der Schweiz.
EAirich, Schweizerische Botanische Gesellschaft:
Berichte Heft 22, 23.
Beiträge zur Kryptogamenfauna der Schweiz: Algen-Rein-
kulturen 1915. Protomycetaceen 1915.
— Physikalische Gesellschaft: Mitteilungen 17.
— DBotanisches Museum der Universität: Mitteilungen 65, 68,
5 ar
II. Ausländischer Tauschverkehr.
'Agram (Zagreb). Kroatische Naturwissenschaftliche Gesellschaft:
Mitteilungen Bd. 26, 27.
Augsburg. Naturwissenschaftl. Verein für Schwaben und Neuburg:
| Bexicht 41.
Bamberg. Naturf. Gesellschaft: —
Bautzen. Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis: Abhandlungen
1910— 12.
- Bayreuth. Naturwissenschaftl. Gesellschaft: —
Berlin. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg: Verhandlungen
1913, 1914.
Bielefeld. Naturwiss. Verein: Jahresber. 1911/13.
Bonn. Naturhist. Verein der preußischen Rheinlande und Westfalens:
Sitzungsbericht und Verhandlungen 1912, 19131.
-— Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: —
Boston. Society of Natural History: Proceedings, Vol. 34, Nr. 13,
Vol. 55, Nr. 1.
Braunschweig. Verein für Naturwissenschaft: —
Bremen. Naturwissenschaftliche Vereine: Abhandlungen, Bd. 22°, 23!
Breslau. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur: 90.
Jahresbericht.
Brooklin. Institute of arts and sciences: —
‘Brünn. Naturforschender Verein: —
— — Lehrer-Klub für Naturkunde: —
Brüssel. Societe royale de Botanique de Belgique:
Bulletin 1912 (vol. jubilaire), tome 52.
Budapest. Königlich-ungarische naturwissenschaftliche Gesellschaft:
Mathematischer und naturwissenschaftl. Bericht aus Ungarn,
Bd. 27—29.
Aquila. Zeitschrift für Ornithologie 1912.
Buenos Aires. Museo Nacional de Historia Natural, Anales tomo 26.
- — Deutscher wissenschaftlicher Verein: —
- Cassel. Verein f. Naturkunde. Festschrift 1911.
Chapel HillN.C. Elisha Mitchell Scientific Society: Journal, Vol.
29— 311.
Chemnitz. Naturwissensch. Gesellschaft: —
Cherbourg. Societ& nationale des sciences naturelles: —
_ Chicago. Academy of sciences: Bulletin Vol. II, N® 6-10. Vol. IV,
INT.2:
a =
Cincinnati 0. Lloyd Library: Mycological notes Nr. 38.
Bibliographical contributions I 10—13, IT1—5.
Crefeld. Naturwiss. Museum der Stadt: Mitteilungen 1913.
Danzig. Naturf. Gesellschaft: Bd. 12, Heft 3, 4. Katalog Heft 2, 3.
— Westpreußischer botanisch-zoologischer Verein: Ber 31, 32, 36.
Darmstadt. Verein für Erdkunde und großh. geolog. Landesanstalt:
Notizblatt, IV. Folge, Heft 33.
Donaueschingen. Verein f. Geschichte und X Naturgeschichte: —
Dresden. Naturwissenschaftl. Gesellschaft Isis: Sitzungsberichte und
Abhandlungen, 1915.
Elberfeld. Naturwissenschaftlicher Verein: 14. Heft.
Emden. Naturf. Gesellschaft: —
Erlangen. Physikalisch-medizinische Societät: Sitzungsberichte, Band
44—46.
Frankfurt a.M. Senckenbergische Naturf. Gesellsch.: Berichte 44—45.
Frankfurt a. 0. Naturwissenschaftl. Verein: —
Freiburg i. Br. Naturf. Gesellschaft: Berichte, Bd. 20, 21'.
Gießen. Oberhessische Gesellschaft f. Natur- und Heilkunde: Berichte,
medizin. Abt., Bd. 7 und 8; naturwissenschaftl. Abt., Bd. 5.
Görlitz. Naturf. Gesellschaft: —
Graz. Naturwissenschaftl. Verein für Steiermark: 49, 50.
Greifswald. Geographische Gesellschaft: 14. Jahresbericht. |
— Naturwissenschaftl. Verein für Neu-Vorpommern und Rügen:
Mitteilungen, Jahrgang 44.
Güstrow. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg: —
Halifax. Nova Scotia, Canada: Nova Scotian Institute of Science:
Proceedings and Transactions, Vol. 12, part. 4.
Halle a. d. Saale. Kaiserl. Leop.- -Carol. deutsche Akademie der Natur-
forscher: Leopoldina 1913.
— Sächsisch-thüringischer Verein f. Erdkunde: Mitteilungen 1912.
Hamburg. Naturwissenschaftl. Verein: —
Hanau. Wetterauische Gesellschaft für die gesamte Naturkunde: —
Hannover. Naturhistorische Gesellschaft: 60. und 61. Jahresbericht.
Heidelberg. Naturhistorisch-mediz. Verein: Verhandlungen, Bd. 123.4.
und 131.
Hermannstadt. Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschaften: Ver-
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Innsbruck. Ferdinandeum für Tirol und, Vorarlberg: Zeitschrift,
Heft 58.
Kiel. Naturwissenschaftl. Verein für Schleswig-Holstein: Schriften
Bd. 15, 161.
Klagenfurt. Naturhistor. Landesmuseum für Kärnten: Carinthia 1913.
Klausenburg (Kolozsvär). Siebenbürgischer Museumsverein: Mitteil.
aus der mineral.-geolog. Sammlung 1912, 1913.
Königsberg i. Pr. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft: Schriften,
53. Jahrgang.
Landshut (Bayern). Naturwissenschaftl. Verein: —
Lawrence (Kansas). University of Kansas: —
Leipzig. Naturf. Gesellschaft: Sitzungsberichte 1912.
Linz. Museum Francisco Carolinum: Jahresbericht 72.
— 225 —-
- Lüneburg. Naturwissenschaftl. Verein für das Fürstentum Lüneburg:
Br Jahreshefte 1910-1913.
Luxemburg. Gesellschaft Luxemburger Naturfreunde: 1912, 1913.
- Lyon. Societe Linneenne: Annales 1913.
Madison. Wisconsin Academy: Transactions Vol. 17.
Magdeburg. Naturwissenschaftl. Verein und Museum für Natur- und
Heimatkunde: —
Mannheim. Verein für Naturkunde: —
Meißen. Naturwissenschaftl. Gesellschaft Isis: Mitteilungen 12.
Mexico. Instituto Geologico: Boletin 30. Parergones t. IV.
Milwaukee. Wisconsin Natural a0 Soeiety:: Bulletin, Vol. 11—13.
Montevideo. Museo nacional:
Moskau. Societ& imperiale des akraslbane: Bulletins 1913.
München. Ornithologische Gesellschaft in Bayern: —
— Kgl. hydrotechnisches Bureau: Jahrb. 1911—-1914 mit Bei-
lagen.
— Kegl. bayr. Akademie der Wissensch.: Sitzungsber. der math.-
phys. Klasse, Jahrg. 1913, Register 1860—1910.
- Münster. Westfälischer Provinzialverein für Wiss. u. Kunst, Jahres-
berichte 41, 42.
Nancy. Societ& des sciences: Bulletins, tomes 14, 151.
New-Haven (Conn. U. S.). Yale university: Transactions, Vol. 18,
Vol. 20, p. 133—160.
New-York. Academy of Sciences: Annals, Vol. 22—24, 26.
Nürnberg. Naturhistorische Gesellschaft: Abhandlungen, Bd. 19, 20.
Mitteilungen 1910— 1913.
Offenbach. Offenbacher Verein für Naturkunde: --
Osnabrück. Naturwissenschaftl. Verein: —
Passau. Naturhistorischer Verein: —
Philadelphia. Academy of Natural Sciences: Proceedings Vol. 65—671,
Prag. Naturhistorischer Verein Lotos: „Lotos“ 1913, 1914.
Regensburg. Naturwissenschaftl. Verein: 14. Heft.
Reichenberg. Verein der Naturfreunde: —
Riga. Naturforscher-Verein: —
"Rochester N.-Y. Academy of Sciences: —
Santiago de Chile. Sociedad cientifica Alemana, Bd. VIs, Vllı--
St. Louis (Missouri). Academy of Sciences: Transact. Vol. 20, 21.
— Botanical Garden: Annals Vol.1.
Stockholm. Entomologiska Föreningen: Ent. Tidskrift 1913, 1914.
Stuttgart. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde
in Württemberg, 69. und 70. Jahrgang mit Beilagen.
Upsala. University: —
Washington D.C. Smithsonian Institution: U. S. National-Museum:
Proceedings, Vol. 43 - 46.
Annual Report. —
Bulletin 50, 71, 83—90.
Special Bulletin: American Hydroids III.
Contribution from the U.S. Nat. Herbarium, Vol. 16—18.
— T.S. Geological Survey:
Annual Report 34, 35.
15
— 226 —
Bulletin 502—600 (Reihe unvollständig).
Water supply papers 259—366 (Reihe. unvollnde
Professional papers 76, 78—86, 90.
Mineral Resources 1911—1913.
Monograpn. —
Wien. K.k. geolog. Reichsanstalt: Verhandlung 19131915.
— K.k. Naturhist. Hofmuseum: Annalen Bd. 27—29.
— K.k. zoologisch-botan. Gesellschaft: Verhandlungen Bd. 63.
— Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse
(VI/j1 Technische Hochschule): Bd. 55-55.
Wiesbaden. Nassauischer Verein für Naturkunde: Jahrbücher 66, 67.
Würzburg. Physikalisch-mediz. Ges.: Sitzungsbericht 1913, 1914.
Zwickau. Verein für Naturkunde: —
III. Geschenke von Privaten.
Barringer D. M.: Meteor Crater in N. C. Arizona (1909) 1915.
Graf U., a. Sekundarlehrer, Weinfelden: L. Foucault, Traveaux scien-
tifiques avec planches, 2 tomes. Paris 1878.
Janet Charles (Beauvais, Oise): L’alternance sporophyto-gameto-
phytique de generations chez les algues. Limoges 1914.
Keller Dr. R: Studien über die geogr. Verbreitung schweiz. Arten
und Formen des Genus Rubus. Winterthur 1914.
Schmidle W., Oberrealschuldir. in Konstanz: Der Hohentwiel. 1913.
Mitgliederverzeichnis
der
Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft.
(Abgeschlossen am 1. November 1915.) |
Vorstand.
Präsident: A. Schmid, Kantonschemiker.
Vizepräsident und Kurator: H. Wegelin, Professor.
Aktuar: A. Weber, Kulturingenieur.
Quästor: Hs. Kappeler-Leumann.
A. Brodtbeck, Zahnarzt.
V. Schilt, Apotheker.
H. Tanner, Dr. phil. _
E. Osterwalder, Sekundarlehrer.
Ehrenmitglieder (12).
Keller C., Dr., Prof. der Zoologie an der Technischen Hochschule
in Zürich (seit 13. Dez. 1880).
Rauch €. A., Privatier, in Luzern, Villa Montana (seit 29. Sept. 1883).
Müller-Thurgau, Prof. Dr., Direktor der Weinbau-Versuchsstation
in Wädenswil (seit 1. Oktober 1888).
Zimmermann Traugott, Privatier, in Heiden (seit 1. Oktober 1888).
Ilg Alfred, a. Minister, in Zürich, Forchstraße (seit 3. Okt. 1892).
Grubenmann, Dr., Prof. an der Technischen Hochschule und an der
Universität in Zürich (seit 27. September 1893).
Früh J. Dr., Prof. der Geographie an der Technischen Hochschule
f in Zürich (seit 29. Oktober 1904).
* Albrecht, Dr. med., in Frauenfeld (seit 14. Oktober 1905).
Schwyzer-Reber F., in Zürich (seit 21. Oktober 1908).
Engeli, Sekundarlehrer, in Ermatingen (seit 26. Oktober 1912).
Heß C]., Dr., Prof. in Frauenfeld (seit 16. Mai 1914).
Graf U., alt Sekundarlehrer, Weinfelden (seit 16. Mai 1914).
Ne
Ordentliche Mitglieder (126).
Aebli, Sekundarlehrer, Amriswil
Ammann, Oberstlieutenant, Frauenfeld
Ammann, Tierarzt, Frauenfeld
Ammann W., Ermatingen
Arbenz E, Dr., Schweiz. Gesundheitsamt, Bern
Bach, Sekundarlehrer, Romanshorn
Bach, Inspektor, Kefikon i
Bachmann E., Seminarlehrer, Kreuzlingen !
Bäumlin J. Dr. med., Altnau .
Baldin, Lebensmittelinspektor, Frauenfeld :.
Baur A., Dr., Chemiker, Steckborn
Berger G., Zahnarzt, Frauenfeld
Binswanger, Dr. med., Kreuzlingen .
Brunnschweiler E., Art. -Oberlieut., Hauptwil
Brauchli Rob., z Ziegelhof, Berg
Brenner A., Oberst, Frauenfeld
Brenner W.., Architekt, Frauenfeld
Brodtbeck, Zahnarzt, Frauenfeld :
Brunner, Dr. med., Direktor des Kantonsspitals M’sterlingen
Brunner H., Dr. med., Direktor des Asyls St. Katharinenthal
Dannacher 8., Prof. Dr., Frauenfeld
Debrunner, Dr. med., Frauenfeld
Debrunner, Telegraphenchef, Frauenfeld
Deppe, Stadtgeometer, Frauenfeld i
Despres A., Feinmechaniker, Frauenfeld
Dolder, Sekundarlehrer, Schönholzerswilen
Eberli, Dr. phil., Seminarlehrer, Kreuzlingen
Egloff, Dr. med., Kreuzlingen
Etter P., Forstmeister, Steckborn 3
Fehr V., "Oberst, Karthause Ittingen bei Frauenfeld
Fischer EL Sekundarlehrer, Bischofszell
Fischer, Forstmeister, Romanshorn
Frölich, Geometer, Steckborn
Furrer L. P., Zahnarzt, Romanshorn .
Gebhart J., prakt. Arzt, Pfyn
Göldi, a. Seminarlehrer, Frauenfeld
v. Greyerz Th., Dr., Professor, Frauenteld .
Gsell J., Dr., Bezirkstierarzt, Romanshorn
Gubler, Bezirkstierarzt, Frauenfeld
Guhl, Dr. med, Steckborn
Haffter, Apotheker, Weinfelden
Haffter Max, Dr. med., Berg Ä
Hanhart, Bezirksstatthalter, Steckborn
Hanselmann, Sekundarlehrer, Aadorf
Herzog, Chemiker, Langgasse 84, St. Gallen
Hofer, Landwirtschaftslehrer, Arenenberg
Huber, Grundbuchverwalter, Erlen
Huber, ‚Sekundarlehrer, Wattwil
Eintritt
1907
1872
1908
1911
1905
1915
1911
1913
1902
-1909
1885
1905
1912
1912
1908
1894
1897
1892
1896
1912
1905
1912
1899
1913
1894
1914
1894
1903
1900
1886
1905
1908
1908
1894
1895.
1912
1914
1901
1908
1873
1873
1901
1908
1915 -
1914
1913
1892
1911
nee
Joß, Pfarrer, Koppigen (Bern)
Isler, Dr..med., Frauenfeld .
- Kaiser, a. Sekundarlehrer, Müllheim
Kappeler-Ammann, Frauenfeld
Kappeler-Leumann, Frauenfeld
- Kappeler Otto, Kaufmann, Frauenfeld
Keller, Eisenhändler, Frauenfeld
Keller Jak., Professor, Frauenfeld
- Kesselring, "Oberst, Bachtobel bei Weinfelden
Kim K., Bahnmeister, Wattwil
Kreis E., Sekundarlehrer, Kreuzlingen
Küng As Dr., Prof. an der Kantonsschule in Solothurn
Labhardt, Dr., Chemiker, Basel, Missionsstraße 53
Lauchenauer, 'Sekundarlehrer, Romanshorn
Leisi, Prof. Dr., Frauenfeld
Leumann, Dr., Rektor, Frauenfeld £
Leutenegger, Dr., Seminarlehrer, Kreuzlingen
Leutenegger, Sekundarlehrer, Ermatingen
Leuthold, Hotel Bahnhof, Frauenfeld
Luder -Wiesmann, Bernrain { ;
Löffler Rud., Gartenbautechniker, Frauenfeld
Löhle, Lehrer, Müllheim ß i
Lüthi, Bezirksarzt, Bürglen
Matter, Prof. Dr., Frauenfeld
_ Meier, Dekan, Frauenfeld
- Meier Emil, Dr., Ermatingen
- Meier, Sekundarlehrer, Dußnang
Meyer O., Architekt, Frauenfeld
Michel, Pfarr er, Märstetten
- Mühlebach, Direktor der landw. Winterschule Arenenberg
Müller E. , Pyrotechniker, Emmishofen
- Nägeli, Dr. med., Bezirksarzt, Ermatingen
‚Nägeli, Dr. med. Prof., Tübingen
Naegeli, Dr. med., Oetlishausen
Oehninger, Zahnarzt, Frauenfeld
Oettli Max, Dr., Glarisege 3
- Osterwalder, Ingenieur, Frauenfeld
Osterwalder, Sekundarlehrer, Bischotszell ; ;
_ Osterwalder, Dr., Weinbau- -Versuchsstation, Wädenswil
_ Pischl, C., Apotheker, Steckborn
_ Pritzker Dr., Chemiker, Frauenfeld
Reese, Dr. med., Bellevue, Kreuzlingen
_ Ribi, Sekundarlehrer, Amriswil . i
_ Richter, Dr., Apotheker, Kreuzlingen .
2 llEnbers E., Fabrikant, Bürglen
Scherb A., prakt. Arzt, Bischofszell
Scherrer, ?rof., Kantonsschule Zürich j
_ Schönenberger, Ingenieur, St. Gallen, Falkensteinstraße
- Schilt, Apotheker, Frauenfeld
Eintritt
1911
1890
1874
1902
1908
1894
1886
1915
.1888
1915
1900
1906
1884
1912
1906
1911
1901
1913
1907
1908
1912
1900
1906
1900
1915
1904
1885
. 1908
1896
1905
1906
1884
1891
1912
1885
1904
1894
1892
1898
1899
1911
1915
1904
1906
1908
1901
1899
1912
1582
— 230. —
Schiltknecht, Dr. med., Weinfelden
Schmid A., Kantonschemiker, Frauenfeld
Schmid A., Landwirtschaftslehrer, Arenenberg
Schüepp, Prof., Frauenfeld
Schmidle, Prof. Dr., Direkt. d. höh. Bürgerschule, Konstanz
- Schneider Dr., Chemiker, Frauenfeld
Schuster, Seminardirektor, Kreuzlingen
Schweizer, Sekundarlehrer, Romanshorn
Sprenger, Dr., Chemiker, Zofingen
Spühler, Dr. med., Frauenfeld
Steinhäuser, Fabrikant, Frauenfeld
Stutz, Elektrotechniker, Frauenfeld
Tanner, Dr., Konviktführer, Frauenfeld
Thalmann. Sekundarlehrer, Frauenfeld
Ullmann, Dr. med., Nationalrat, Mammern
Vogler Otto, Dr. med., Frauenfeld
Wagner, Sekundarlehrer, Alterswilen .
Wälli-Sultzberger, Direktor, Frauenfeld
Walder, Dr. med., Wängi . i
Weber, 'Kulturingenieur, Frauenfeld
Wegelin H.» Prof; Frauenfeld
Wegelin Olga, Apotheker, Amriswil
Wehrli Eugen, Dr. med., Basel . 5
Wehrli Th, Sekundarlehrer, Müllheim
Wildbolz, Dr. med., Amriswil
Wille, Dr. Direktor, Münsterlingen
Würtenberger, 02 Ingenieur, Riehen bei Basel.
Zeller, Apotheker, Romanshorn .
Zuberbühler, Sekundarlehrer, Sulgen .
Eintritt
1891
1888
1905
1883
1925
1914
1908
1886
1911
1912
1908
1908
19095
1884
1906
1896
185
1908
1908
1908
1874
1913
1891
1914
1901
1912
1909
1894
1915
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Mitteilungen
der
Thurgauischen
Naturforschenden Gesellschaft 5
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Redaktion: 5. Wegelin
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Mitteilungen
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Redaktion: 5. Wegelin
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Druck von Buber & Co. in arinseuf
1917 Ed
4‘
Inhaltsverzeichnis.
l. Wissenschaftlicher Teil.
e1. Die thurgauischen Parkbäume und Ziersträucher, von Seite
Dr. E. Leisi in Frauenfeld : . . . 5 3—71
2. Die sroßblättrige Agave (Furcraea macrophylla Hooker
fil.), von H. Wesgelin in Frauenfeld . . . . 72—11
3. Fangsund Zucht der Blaufelchen im Bodensee, von
W. Schweizer in Romanshorn . . . S 78--89
4. Die Verbreitung der Zahnfäule bei der schweizerischen
Schuljugend und ihre Bekämpfung, von Zahnarzt
Ad. Brodtbeck in Frauenfeld . . 2 . .90—110
5. Dr. med. H. Albrecht 7, von Dr. Cl. Heß in Frauenfeld 111--115
6. Kleine Mitteilungen . SE
Zwei Schwalbengeschichten, von J. Engel . RE 116
Trüffeln im Thurgau, Yon... Wesellmen .... u... 118
Elchfund in Gloten, von H. Wesgelin N 119
Die Wälle von Eschlikon und das hinterthur gauische
Trockental, von H. Wegelin . . 123
Die Kohlfirst-Exkursion der Naturforschenden Gesell-
schaft, von H. Wegelin . . . : 125
Der Formsand von Schlattingen, von H. "Wegelin 3 130
Die Quellen der Wasserversorgung Frauenfeld, von
2 H.Deppe:-... RR 133
Kohlenausbeutung im Staatsgebiet Kalchrain, von
Bud na 137
li. Vereinsnachrichten.
- Auszug aus dem Protokoll . . . . 0.8 0,148 —151
Jahresversammlung 1916 in Winterthur. . . . . 143
Jahresversammlung 1917 in Frauenfeld . . . . . 146
Die Grundwasserströme der Schweiz insbesondere
des Kantons Thurgau, von Dr. J. Hug . . 146
Verzeichnis der durch Tausch und ne ein-
gegangenen Druckschriften . . . .. . .152—154
incliederverzeichnis , . ... 2.2.0800 2.0 22.155158
issenschaftlicher Per
Die thurgauischen Parkbäume
und Ziersträucher.
Von Dr. E. Leisi.
Einleitung.
Die wildwachsende Flora ist bei uns schon so gut erforscht,
daß nur"mit großer Mühe noch neue Standorte und Varietäten,
oder gar neue Arten von Pflanzen gefunden werden können.
Anders steht es mit den kultivierten Gewächsen. Zwar den
Nutzpflanzen hat sich von jeher das Interesse zugewendet;
dagegen steht die Durchforschung der Zierpflanzen im Thurgau
noch weit zurück. Ein erster Schritt in dieser Richtung war die
_verdienstliche Liste der alten Zierpflanzen in den thurgauischen
j
_ Bauerngärten, die Herr Professor Wegelin im 13. Heft dieser
- Mitteilungen erscheinen ließ. Auf Anregung desselben Pflanzen-
_ kenners habe ich es nun versucht, über die Gartenbäume und
- Gartensträucher des Thurgaus mit Ausschluß der bloß wegen
ihrer Früchte gepflanzten Obstbäume, aber mit Einschluß der
- im Park vertretenen, bei uns wildwachsenden Holzgewächse,
auf zahlreichen Exkursionen eine Uebersicht zu gewinnen. Das
Ergebnis ist in der vorliegenden Arbeit niedergelegt. Während
_ ihres Entstehens und namentlich während der zeitraubenden
Vorarbeiten hat mich Herr Kollege Wegelin fast täglich mit
seinem guten Rat und seinen reichen Kenntnissen unter-
stützt; dafür sei ihm auch hier noch mein warmer Dank
| ausgesprochen.
Das Studium der Gartenflora bietet verschiedene eigen-
_ artige Schwierigkeiten. Zunächst ist der in Betracht kommende
Pflanzenbestand sehr wechselnd. Besonders auf dem Gebiete
des Sommerflors bestehen fast ungezählte Möglichkeiten, und
_ was in einem Jahr in einem Garten auftaucht, wird vielleicht
schon im nächsten Jahr wieder fallen gelassen. Ferner sind
viele Gartenpflanzen durch die Kunst der Gärtner vermittelst
- Kreuzung oder vegetativer Fortpflanzung von spontan auftretenden
Se
Variationen so stark umgeformt worden, daß es schwer hält,
die wissenschaftlich beschriebenen Eltern oder die typische Form
der entstandenen Abarten herauszufinden. Nun setzt zwar bei
den ausdauernden.Pflanzen unser Winter. der 'unbeschränkten
Vermehrung der Arten einen Damm; trotzdem erfolgen natür-
lich immer noch Neueinführungen aus den andern Vegetations-
gebieten der gemäßigten Zone. Die Hauptlieferanten unserer
exotischen Holzgewächse sind Japan und China, das südliche
Sibirien, Südeuropa, und von der Neuen Welt namentlich die
atlantische und die pazifische Küste der Union und Kanadas,
während die südliche gemäßigte Zone im Thurgau erst durch
drei oder vier chilenische Arten vertreten ist. Schon wegen
der Neueinführungen wird meine Liste nie vollständig sein.
Voraussichtlich ist sie es aber auch deswegen nicht, weil ich
natürlich bei weitem nicht alle Gärten meines Gebietes be-
treten konnte, und weil endlich auch einem geübten Auge
leicht etwa ein Strauch entgeht, der momentan weder durch
Blüten noch: durch Früchte den Blick auf sich zieht. Ich
darf also auf billige Nachsicht für zutage tretende Lücken in
meiner thurgauischen Gartendendrologie Anspruch erheben,
möchte aber hier gleich den Wunsch aussprechen, daß die-
jenigen Pflanzenfreunde, die in der Lage sind, mir Ergänzungen
oder Beriehtigungen zu übermitteln, ja nicht hinter dem Berge
halten sollen, damit in einiger Zeit vielleicht ein Nachtrag
zu der vorliegenden Arbeit erscheinen kann. Ferner muß ich
um Zubilligung mildernder Umstände bitten bei meiner Be-
handlung gewisser Pflanzengattungen, in denen die Zucht von
Gartenformen ganz besonders erfolgreich gewesen ist, oder wo
die wissenschaftliche Systematik selber noch nicht feststeht.
Ich denke da namentlich an die Gattungen Crataegus, Rosa
und Clematis, bei denen ich mich auf wenige Beobachtungen
beschränken mußte. Eine erschöpfende Behandlung dieser
sehwierigen Sträucher und Bäumcehen wäre bei jeder dieser
Gattungen eine Arbeit für sich gewesen.
Als erste Einführung in die Kenntnis der Ziergehölze
habe ich mit vieler Freude das sympathische Büchlein Otfo
Feucht, Parkbäume und Ziersträucher, aus der Sammlung
„Naturwissenschaftliche Wegweiser“ benützt. Auf den Ex-
kursionen sodann leistete mir die handliche Bestimmungsflora:
Unsere Gartenzierpflanzen von Alfred Lehmann (Stuttgart 1908)
Er:
R
5
x
F4
recht wertvolle Dienste. Sie liest in der ersten Auflage vor
und hat leider noch Lücken (es fehlen zum Beispiel Juniperus
! .. . . - » .
ChinensisL., das ganze Genus Jasminum, Cotoneaster horizontalis
Deeaisne, Abelia Chinensis R.Br., Viburnum tinus L., mehrere
Clematisarten ; sehmerzlich vermißte ich auch manche verbreiteten
- Bastarde). Dem verständig angelegten Buch ist eine verbesserte
‘zweite Auflage zu wünschen. Ein altes Standard Work für das
ganze Gebiet ist die deutsche Dendrologie von Zimil Koehme,
‚Stuttgart 1893. An neuern Werken ist zu nennen: H. Mayr,
Fremdländische Wald- und Parkbäume für Europa (Berlin 1906),
vergriffen und mir unzugänglich; ferner Beißner, Handbuch
der Nadelholzkunde, 2. Auflage, Berlin 1909, und das ebenso
groß an®elegte, vortreflliiche Handbuch der Laubholzkunde von
0. K. Schneider (1906-—1912).
Der Besprechung der Gartengehölze sei noch ein Wort
über unsere Gärten selber vorausgeschickt. In Betracht
kamen für mich der mittelgroße städtische Ziergarten und
außerdem der eigentliche Herrschaftspark. Die erste Art ist
in allen größern Orten des Kantons gut vertreten. Es sind
namentlich die kleineren Bäume und die Sträucher, die hier
den Ton angeben und gewöhnlich in schöner Mannigfaltigkeit
vorhanden sind. Eine besondere Erwähnung verdient in dieser
Kategorie der kleine, zwischen Häusern eingeschlossene Garten
des Herrn Dr. Guhl in Steckborn. So zahlreich grünen und
blühen in ihm wohlgepflegte, fremdländische Sträucher, daß man
sich wie in ein geheimnisvolles Märchenland versetzt - fühlt,
_ wenn man an einem Sommertag die Anlage betritt. Hier ist
es der Besitzer selbst, der sich die Pflanzen für seinen Garten
als Kenner aussucht, während gewöhnlich die Eigentümer
leider von Sträuchern und Bäumen nichts verstehen und die
Auswahl dem Gärtner überlassen.
. Als eigentliche Herrschaftsgärten sind zu erwähnen: der
_"Sulzersche Park in Aadorf, Müllberg, Felsenau in Müllheim,
Schloß Berg, die Brunnschweilerschen Gärten in Hauptwil,
Mammertshofen, Moosburg, die Anlagen der beiden Anstalten
ein ledlingen, Liebburg bei Lengwil, Seeburg und Bellevue
- (Dr. Binswanger) in en, Brunnegg in Emmishofen,
Schloß Gottlieben, Kastel, Pflanzberg und Hertler in Tägerwilen,
' Hard, en und ia in Ermatingen, Arenenberg,
Eugensberg und Luisenberg bei Männenbach, sowie der Kurpark
zu Mammern. Das größte Alter hat wohl der Garten des
„Kaufhauses* zu Hauptwil; er wurde im Jahr 1666 angelegt.
Die Zahl der eingeführten fremdländischen Bäume war damals
noch äußerst gering; neben Linden und Hagebuchen steht
in jenem Park nur noch eine weißblühende Roßkastanie
(Aesculus hippocastanum L.), der Vertreter einer Spezies, die
Karl Clusius in Wien (1526—1609) aus dem Balkan ein-
geführt hatte. Der Baum hat eine Höhe von etwa 20 m
erreicht und besitzt diese für eine Roßkastanie ungewöhnliche
Größe bereits auf einer Ansicht von Hauptwil aus dem
18. Jahrhundert, die mir Herr Ernst Brunnschweiler vor-
gewiesen hat.
In bezug auf ihre Schönheit dürfte denjenigen Gärten
die Palme gebühren, in denen die schönen und seltenen
Bäume freistehen, so daß sie sich gleichmäßig entwickeln
und ihre Schönheit, die ja ihr einziger Daseinszweck_ ist,
nach allen Seiten zur Geltung bringen können. Solche Solitär-
bäume gewähren in Kastel und namentlich im Sulzerschen
Park in Aadorf einen hohen ästhetischen Genuß. Der letzt-
genannte Park liegt übrigens nur noch zum Teil auf thur-
gauischem Boden, die größere Hälfte gehört dem Kanton
Zürich an; doch steht die interessanteste Rarität des Gartens,
eine virginische Sumpfzypresse (Taxodium distichum Richard),
die größte des Thurgaus, noch diesseits der Grenze. Selbst-
verständlich berücksichtigen meine Angaben den ganzen Park.
Im Gegensatz zu ihm drängen sich in manchen Parkanlagen
die Bäume so dicht, daß sie durch den Verlust der untern
Aeste unansehnlich geworden sind und nur noch durch ihre
Höhe imponieren. Solche „Wälder“, bei denen leider eine
„Durchforstung* zu spät kommt, dehnen sich beim Schloß
Gottlieben und bei Müllberg aus. Dem Müllberger Park, der
trotzdem noch eine Menge von großen und schönen exotischen
Bäumen aufweist, wäre es zu gönnen, wenn er bald in die
Hände eines Kenners käme. Vielleicht der beste Gradmesser
für die Liebe eines Besitzers zu seinem Garten ist das Vor-
handensein von wohlgepflegten Blütensträuchern. Eine reizende
Fülle an Sträuchern enthält z. B. der sonnige Garten der
abgelegenen Liebburg. Alles aber übertrifft der fürstlich an-
gelegte Park von Eugensberg, wo im Halbschatten Hunderte
von Sträuchern der Rhododendronarten, Viburnum tomentosum
- £.plenum, Staphylea trifolia, Evonymus alata, Syringa, Viburnum
tints usw. gepflanzt worden sind. Nebenbei sei bemerkt, daß
in Eugensberg eine ganze Anzahl größerer Bäume mit Erfolg
versetzt worden sind, z. B. eine 7 m hohe Roteiche und
mehrere 10 m hohe Nutkazypressen.
Auch in den thurgauischen Wald sind fremällänidische
Bäume eingedrungen. Eine ganze Anzahl von Arten kann
man z.B. beobachten im Rüegerholz, Heerenberg und Galgen-
holz bei Frauenfeld, bei Steinegg und Kalchrain, in der alten
Baumschule am Bischofsberg (Bischofszell) und namentlich beim
Heidenhaus. Trotz der Höhe des letztgenannten Standortes
(692 m) gedeiht daselbst noch die Kryptomerie, obschon dieser
Baum sich sonst im ganzen Kanton, auch am See, empfind-
' lich gezeigt hat. Angepflanzt werden im allgemeinen etwa die
Hemlock-, Douglas-, Nordmannstanne, die griechische Tanne,
die Sitkafichte, die Atlaszeder, die Wellingtonie, die Lawson-
zypresse, die japanische Lärche, die Roteiche, der Götter-
baum, die ungarische Silberlinde usw.; doch besitzt nur die
Douglastanne in ihrer grünen Varietät durch ihre Rasch-
wüchsigkeit einen größern forstwirtschaftlichen Wert als die
einheimischen Baumarten.
I. Koniferen.
In der folgenden Aufzählung halte ich mich an die von
Beifsner in seinem Handbuch angewendete lateinische Nomen-
' klatur. Freilich erlaube ich mir hiebei, die heutigen Regeln
für die Orthographie der alten Sprachen zu befolgen, wodurch
so unmögliche Formen wie Thuya und Thuyopsis ausgeschlossen
sind. Kürzehalber führe ich den Ginkgo gleich hier an, obwohl
ihn Zingler im Syllabus einer eigenen Klasse der Gymnospermen
zuweist. Die Angaben über die Höhe der Bäume beruhen auf
Schätzung und sind daher approximativ zu verstehen. Endlich
ist es selbstverständlich, daß die Angaben tiber Standorte keinen
Anspruch auf Vollständigkeit machen können.
Der Ginkgo, Ginkgo biloba L., stammt aus China und
Japan, wo er indessen nur noch angepflanzt um Tempel
herum zu finden ist. In unserer Gegend steht das größte
Exemplar im Sulzerschen Park in Aadorf, leider jenseits der
Kantonsgrenze.* Der Baum hat eine schöne geschlossene Krone
von etwa 15 m Höhe. Obgleich seine Blätter spät hervor-
brechen, sind sie doch schon bisweilen den Maifrösten zum
Opfer gefallen, und das nachher erscheinende Laub blieb
alsdann spärlich. Vor dem bBlätterfall trägt der Baum ein
prächtiges, gelbes Kleid. Früchte sind nicht beobachtet worden;
das Geschlecht des Baumes wäre daher männlich; sein Alter
beträgt 80 Jahre. Der größte Ginkgo im Thurgau selber,
ebenfalls gesund und wohlgeformt, 9 m hoch mit 50 em Stamm-
dieke, steht im protestantischen Pfarrgarten in Dießenhofen.
Zwei 7” m hohe Exemplare, die durch Schnitt schlank gehalten
werden, hat Herr Dr. Guhl in Steckborn; junge Bäume finden
sich da und dort, meist aus kn gezogen und mäßig
schön geformt.
.. Die Kopfeibe, Cephalotaxus pedumeulata S.u.Z., aus China
ist etwa seit 25 Jahren bei uns eingeführt; doch ehanıen die
meisten Pflanzen männlichen Geschlechtes zu sein, da mir
ihre grüne Steinfrucht bis jetzt nur bei Fröbel in Zürich
begegnet ist. Im Algisser-Frauenfeld findet sich die säulen-
förmige Varietät fastigiata Carriere. Die Nadeln der Kopfeibe
sind bedeutend länger als die der Eibe.
Die Eibe, Taxus baccata L., wird trotz des giftigen Alkaloids,
das ihre welchen, dunklen Nadeln enthalten, sehr häufig ge-
pflanzt, um schattige Stellen auszufüllen. Besonders beliebt
für Gärten und Friedhöfe ist die Säulenform var. fastigiata
Loudon = hibernica Mackay. Es ist dies eine fixierte Jugend-
. form, die 1780 in Irland wild gefunden und seither durch
Stecklinge vermehrt und überallhin verbreitet wurde. Die
dunkle, schlanke Säule sieht zypressenartig aus und wirkt
sehr stimmungsvoll. Im Alter wird die irländische Bibe plump
und löst sich oben in mehrere Spitzen auf, wie es z. B. die
30jährigen Bäume des alten Ermatinger Friedhofes zeigen.
Die chilenische Araukarie, Araucaria imbricata Pavon,
bildet bekanntlich auf der Mainau eine ganze Allee. Die
langen, schlangenartigen Aeste mit den breiten Nadeln geben
diesem Baum ein recht abenteuerliches Aussehen. Im Thurgau
. 1 Dieser Ginkgo wurde abgebildet und beschrieben von Dr. F.
Fankhauser in der Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen 1901.
— Das japanische Wort a. bedeutet: „im Winter unbelaubter
Baum.“
habe ich 1904 'auf Kastel 'eine 6 m hohe, schöne Araukärie
_ als Kübelpflanze gesehen, die schließlich beseitigt werden
_ mußte, weil kein Winterquartier'von genügender Höhe mehr zu
- finden war. Im Freien steht ein Baum im Kurpark Mammern.
Er ist gesund, wächst aber so langsam, daß er mit 15 Jahren
_ erst 80 cm hoch ist. Ein noch kleineres, ebenfalls sehr träg-
wüchsiges Bäumehen hat Herr Steinhäuser in Frauenfeld.
_ Winterschutz erhalten die beiden nicht, während größere
- Bäume gegen Schnee geschützt werden müssen, da der Schnee-
druck leicht die langen Aeste knickt.
Die kanadische Schierlingstanne, Hemlocktanne,
Tsuga Canadensis Carr., erfreut sich wegen ihrer zierlichen,
| nickenden Zweige, der kurzen flachen Nadeln und der schon
an jungen Bäumen erscheinenden, winzigen Zapfen einer
‚großen Beliebtheit. Obgleich sie 20-30 m hoch werden kaun,
habe ich‘noch kein Exemplar von über 12 m gefunden. Die
höchste Hemlocktanne dürfte Forstmeister Schwyter in | Frauen-
‚feld in seinem Garten besitzen.
Die Douglastanne, Pseudotsuga Douglasiv zeichnet
sich aus durch weiche Nadeln von mittlerer Länge, glänzend
braune, zugespitzte Knospen und Harzbeulen am alten Holz.
- Ihre Heimat ist die Küste des Stillen Ozeans: von Kalifornien
bis Vancouver. Es gibt eine grüne und eine blaue Form. Die
grüne Douglastanne ist sehr raschwüchsig; man kann z.B.
in der alten Baumschule am Bischofsberg sehen, wie sie
über die gleichaltrigen Fichten hinausgewachsen ist.. Beim
Absonderungshaus in Münsterlingen erreicht eine Dougläsie
20 m Höhe.! Sie ist die einzige fremde Konifere, deren
Einführung in unsern Wald im großen rentabel ist. Die
blaue Form wächst langsamer und dient als Zierbaum. In
Lilienberg steht ein kleines "Wäldchen von 6 m hohen, blauen
Douglastannen.
Natürlich findet sich auch die gewöhnliche: Weißtanne,
Abies peetinata D.C., gelegentlich in Anlagen. Meistens aber
gibt man den: Worms der aus dem Kaukasus stammenden
Nordmannstanne, Abies Nordmanniana Spach. Sie behält
die untern Aeste länger als die Weißtanne, entwickelt eine
! Die älteste Pseudotsuga des Kantons steht beim Heidenhaus;
a sie erreicht im Alter von 40 J ahren die Höhe der daneben stehenden
| ‚80jährigen Fichten, ‚etwa 18 m.:
: — 11 —
dichtere Krone, hat kräftige, halbwalzenförmig angeordnete
Nadeln und entgeht dadurch, daß ihr gelbgrüner Trieb erst
14 Tage nach dem der andern Tannen erscheint, leichter
den Spätfrösten. Auf dem schweren Boden von Frauenfeld
ist sie in der Jugend etwas heikel. Man sieht sie in jedem
größeren Garten, in Frauenfeld z.B. vor dem Krankenhaus;
ein 20 m hohes Exemplar mit 1 m Stammdurchmesser be-
schattet eine Ecke des Absonderungshauses in Münsterlingen.
Auch die griechische Tanne, Abies Cephalonica Link,
die besonders gut am Berge Enos auf der Insel Kephalonia
gedeiht, erreicht in unserm Norden noch eine recht ansehn-
liche Höhe, obschon sie nicht so wüchsig ist wie die Fichte,
Ein 15 m hoher Baum neben der neuen Murgbrücke in Frauen-
feld trägt alle Jahre Zapfen. Ein anderes Exemplar steht
in Huben, und vermutlich das höchste des Kantons, reich mit
Zapfen beladen, über 20 m hoch, mit 1 m Stammdicke, bildet
das Gegenstück zu der vorhin genannten Nordmannstanne in
Münsterlingen. Auch in den Wäldern des Seerückens, bei
Steinesg, Kalchrain und Heidenhaus, stehen gesunde, schöne
kephalonische Tannen.
Etwas empfindlicher ist die spanische Tanne, Abies
pinsdpo Boissier; der Winter 1916/17 hat junge Bäume da
und dort etwas "geschädikt. Ihre regelmäßige Verzweigung
und die starren, rechtwinklig abstehenden Nadeln lassen die
Pinsapo leicht erkennen. Da die untern Aeste bei freiem
Stand bis zum Boden bleiben, so ist diese Tanne, die ihre
Heimat im Mittelgebirge bei Malaga hat, ein hervorragender
Schmuck für jeden Garten. In Eugensberg ist eine Pinsapo
12 m hoch; vier andere in Breitenstein, Lilienberg, in Münster-
lingen und in Oberkirch erreichen 15 m. Leider stehen diese
größten Vertreter der Art nicht frei genug, um ihre ganze
Schönheit zu entfalten, und dabei ist gerade Abies Pinsapo
gegen Beschattung empfindlich. Viel schöner sind drei erst
7 m hohe Bäume bei der Moosburg, bei der Villa Kappeler in
Frauenfeld und bei Herrn Wartmann in Weinfelden.
Die Koloradotanne, Abies cöncolor Ldl. & Gord., ist im
Thurgau erst seit etwa 20 Jahren eingeführt; die. größten
Bäume, die ich gesehen habe (Frauenfeld, Emmishofen), er-
reichen höchstens 6 m. Diese schöne Tanne, die aus dem
Felsengebirge stammt, hat sich 1916/17 als vollkommen
_ winterhart erwiesen, selbst beim hochgelegenen Heidenhaus.
Der Name eöncolor = gleichfarbig weist darauf hin, daß die
langen Nadeln oben und unten dieselbe blaugrüne Färbung
zeigen.
Dagegen habe ich die Silbertanne, Abves mobihs Ldl.,
_ nur in einigen schwächlichen Exemplaren von 2—21/g m a
in Frauenfeld und Mammern kennen gelernt. Der Hauptreiz
dieses Baumes, der aus Oregon kommt, ist der mächtige, wie
_ bei allen Tannen aufrecht stehende Zapfen von gegen 20 cm
- Länge, der von unten an im Spätherbst allmählich die Schuppen
‘fallen läßt. Zwischen den Schuppen hängen zweilappige
Brakteen heraus; in ihrer Kerbe sitzt eine spitze Granne.
- Diese Wänne wird in ihrer Heimat 60—90 m hoch; bei uns
scheint ihr der Boden nicht zu behagen.
Die Balsamtanne, Abies balsamea Miller, habe ich nirgends
gesehen; doch ist anzunehmen, daß sie trotzdem im Thurgau
vorkommt.‘ Dieser Baum hält bei uns nicht lange aus.
Von der Nikkotanne, Abies homölepis 8. & Z., stehen
einige junge Pflanzen im Galgenholß bei Kurzdorf in gutem
Zustand.
Unter den Fichtenarten hat die serbische Omörikafichte,
Picea omöriea Paneie, noch keine große Verbreitung erlangt.
Neuerdings ist in Eugensberg ein Wäldchen von etwa 50
Bäumchen angelegt worden; außerdem habe ich den interes-
santen Baum in einem Garten und in einer Baumschule in
Frauenfeld gesehen. Im Gegensatz zu den Nadeln der meisten
übrigen Fichten, die vierkantig und ringsum gleich gefärbt
sind, hat die Omorika flache Nadeln mit zwei weißen Streifen
- auf der Oberfläche, die aber meistens nach unten gekehrt ist.
Selbstverständlich spielt unsere gemeine Fichte, Picea
excelsa Link, im Park eine wichtige Rolle. Bald imponiert sie
nur durch ihre natürliche Größe und Schönheit, wie jene
drei prächtigen, regelmäßigen, freistehenden Bäume vor Schloß
Hard, die an die 20 m hoch sein mögen; bald wirkt sie durch
- Phantasieformen, z.B. als dichtbezweigter, beschnittener Kegel
(Frauenfeld, Friedau), als groteske Tierform (Kurpark Mammern;
' Frauenfeld, Algistraße), als Säule, deren primäre Aeste senk-
recht herunterhängen (in Gottlieben hat eine solche bei 4 m
- Höhe nur etwa 60 cm Kronendurchmesser) oder als Hänge-
- fiehte (drei Stück im Arboner Stadtgarten, 15 m hoch).
ak 1
Unserer Fichte sieht die Sapindusfichte, Picea orientalis
Link, ähnlich; nur hat sie kürzere Nadeln, die kürzesten unter
allen Fichten, und kleinere Zapfen, die oft mit Harztropfen
(„Sapindustränen“) besetzt sind. Einen schönen 34jährigen
Baum von 12 m Höhe besitzt Herr Fabrikant Sallmann in
Amriswil; die Zweigspitzen haben allerdings vom Frost des
letzten Winters etwas gelitten. Ebenfalls schöne Bäume von
12, 10 und 9 m Höhe enthält der Park von Kastel und der‘
von Schloß Berg. Auch schöne’ jüngere Sapindusfichten sind
nicht selten. Die Heimat des Baumes ist Kleinasien.
Noch häufiger ist die Weißfichte, Picea alba Link, ein
Geschenk Kanadas. Ihre hübsche, graugrüne' Farbe, die dreh
und tiefe Beastung, das langsame Wachstum’ a der frühe
Ansatz von kleinen Zapfen machen den Baum beliebt. Aller-
dings erreicht er an Beliebtheit die Stechfichte, Picea pungens
Engelm., nicht, die als „Blautanne“ f. glauca oder '„Silber-
tanne* f. argentea nachgerade fast in jedem Gatten steht.
Leider verliert der Baum im Alter von 25—30. Jahren die
schöne, blaue oder weiße Bereifung und zeigt sie alsdann
nur noch am jungen Trieb. Es gibt außerdem viele grüne
Stechfichten in den Gärten; ihr regelmäßiger Aufbau und
ihre kräftigen Nadeln machen auch sie zur Gartenzierde.
Nur im Walde und im Schloßpark Berg habe ick die
Sitkafichte, Picea Sitkaönsis Carr., gefunden; ihre stechenden
Nadeln schützen sie vortrefflich gegen das Wild und die
Ziegen. Beim Heidenhaus und im stehen 5—6m
hohe Vertreter.
In großen Landschaftsgärten findet gelegentlich Auch
die Lärche, ZLarix Europaea D.C., z.B. in Aadorf, wo 80jährige
Bäume u 25 m hoch sind. Nur im Wald, z. B. im Galgen-
holz, Kurzdorf, und im Gemeindewald eat "hat man
vor kurzem die japanische Lärche, Larix leptölepis Gord., in
Menge gesetzt. Sie soll vom Umazsse mehr verschont bleiben
als die gewöhnliche Lärche, die’ eigentlich im Hochgebirge zu
Hause ist. An der europäischen Lärche ist die Blattunterseite
gelbgrün, an der japanischen blaugrün; die jungen Zweige
unserer Art sind 'graugelb, an der ostasiatischen. braunrot.
.Von den drei Zederarten, die auf der Mainau prächtig
nebeneinander 'gedeihen, hat es im Thurgau nur die Atlas-
zeder, Cedrus Atlantica Manetti, zu einer größern Verbreitung
gebracht. Sie unterscheidet sich von der Libanonzeder,
Oedrus Libami Barr., durch den aufrechten Gipfeltrieb . und
die im Alter noch pyramidale Krone, während jene in der
Jugend oben überhängt und im Alter eine schirmförmige
Krone ausbildet, ähnlich der Kiefer. Ansehnliche Zedern findet
man in Mammertshofen, in der alten Baumschule am _Bischofs-
berg, in Romanshorn, Moosburg, Münsterlingen, Kreuzlingen,
sogar auf dem Heidenhaus und beim Pfarrhaus Homburg.
Besonders schön ist- die blaue Form, wie sie ein älteres und
ein jüngeres Exemplar in. Frauenfeld und eine 15 m hohe,
freistehende, wirklich prächtige Zeder in Kastel aufweisen.
Der ältere Baum in Frauenfeld trägt ans die aber nicht
reift ‚werden.
Neuerdings pflanzen die Gärtner ab und zu die Himalaya-
_ zeder, Cedrus deodära! Loud. Sie hat einen überhängenden
Gipfeltrieb, ‚leicht hängende Aeste und längere Nadeln als
die Verwandten. In Frauenfeld steht ein 4 m hohes Exemplar
an der Laubgasse; ein ähnliches hat Arbon bei der Voliere
und ein größeres das Kantonsspital Münsterlingen.
Von den Kieferarten ist im Garten am beliebtesten die
Tränenkiefer, Pinus exeelsa Wallich, die gleich der zuletzt
genannten Zeder ihre Heimat im Himalaya hat. Ihre ge-
‚waltigen, bis 25 em langen Zapfen tragen tränenartige Harz-
tropfen; die strieknadellangen Nadeln stecken zu fünf in ihrer
Scheide und hängen schlaff herunter. Sehr lange kann dieser
Baum bei uns noch nicht eingeführt sein; denn er geht noch
nicht über 7—8 m Höhe hinaus. Ihm gleicht die nord-
amerikanische Weimutskiefer, Pinus strobus L., nur dab
ihre fünfzähligen Nadeln kürzer sind. Im Wald ist sie
eingebürgert. Auch die Arve, Pinus cembra L., hat fünf-
zählige Nadeln, die aber steif aufstreben. Obschon im nieder-
schlagsarmen Hochgebirge zu Hause, bildet sie bei uns eine
schöne, regelmäßige Krone (Frauenfeld an der Ringstraße 6 m,
Kastel mehrere Bäume 10 m hoch).
Dreizählige Föhren, wie die Nußkiefer, Pinus edulis
Engelm., und die Gelbkiefer, Pinus ponderosa Dougl., beide
aus den Weststaaten der rn, sind in Frauenfeld gelegent-
lich schon gepflanzt worden; die letztere erwies sich aber
als empfindlich. 2
ı Von Sanskrit devadaru = Götterholz.
Ze rsge os
Unter ‘den zweizähligen Föhren kommen die Strauch-
kiefer, Pinus Banksiana Lambert, aus Nordamerika, sowie
die gemeine Kiefer, Föhre, Pinus sölvestris L., nur für den
Wald in Betracht ur Bo wird z.B. = Gelgeug 3
Kurzdorf, angepflanzt).
An Stelle: der gemeinen Föhre wird als Zierbaum öfter
die österreichische Schwarzkiefer, Pinus Larieio Poiret,
angepflanzt; sie erreicht bei uns eine stattliche Größe aa
ziert durch ihre langen, dieht zu zweien sitzenden Nadeln.
Die Pinie des Südens, Pinus Pinea L., hält unsern Winter
nicht aus. Ein Waldbesitzer in Kurzdorf hatte sich aus Samen
einige Jungpflanzen gezogen. Durch den Winter 1915/16
kamen sie gut; aber im Winter 1916/17, der in’ Frauenfeld
}
Temperaturen bis zu — 15,8 brachte, gingen sie trotz Seiten-
schutzes im Wald allesamt zugrunde. Statt der hohen Kiefer-
arten hält man in kleinern Gärten gern die Bergföhre,
Pinus montana Miller; in der Varietät uncinata habe ich sie
im Garten der Irrenanstalt Münsterlingen gefunden.
Die japanische Zeder, Sugi, Oryptomeria japöniea Don,
ist im ganzen Thurgau empfindlich gegen Winterfrost und
bildet nirgends ganz tadellose Bäume. Doch hat man selbst
noch beim Heidenhaus eine Kryptomerie auf 5 m hochgebracht.
Der größte mir bekannte Baum erreicht unterhalb Kastel
etwa 16 m; am schönsten zurzeit steht ein etwa 9 m hohes
Exemplar in Brunnegg, Emmishofen. Außerdem haben wir
noch Kryptomerien im botanischen Garten Frauenfeld, in
Eugensberg, Arenenberg, Hard, Gottlieben und Münsterlingen.
In einer kleinen Baumschule im Schloßgarten zu Gottlieben
sind alle vorhandenen Sugi in schlechtem Zustande. Es gibt
von der japanischen Zeder eine konservierte Jugendiorm,
f. elegans, an der die Nadeln länger sind, stärker abstehen und
sich im Winter etwas weinrot färben. Diese sehr dekorative
Varietät habe ich in ganz gesunden, 4!/s m hohen Vertretern,
allerdings mit Seitenschutz, in Müllheim („Rosengarten“) und
in Amriswil (Ammann) gefunden; ein weiteres Exemplar in
Gottlieben ist kränklich; in An ist vor Jahren
eines dem Frost an
Noch seltener ist die virginische Sumpfzypresse,
Taxödium distichum Richard, ein Baum mit überaus reizvoller
Bezweigung, an dem im Herbet die Nadeln samt den kleinsten‘
;
Zweiglein abfaller. Eine schöne, etwa .80 Jahre alte und
| 10m hohe Sumpfzypresse steht im Aadorfer Park an der
_ Lützelmurg. Früchte wurden an ihr nicht beobachtet; jedoch
_ treibt sie. 15 cm hohe, knieartige Luftwurzeln (Pneumatophoren).
Dagegen hat eine zweite. Sumpfzypresse, die in Müllberg
4m hoch ist (der Gipfel ist vermutlich oben abgebrochen),
keine Luftwurzeln. Schade, daß der fremdartige, einer aus-
- sterbenden Gattung angehörende Baum nicht mehr gepflanzt
wird. Speziell für Gärten, deren Boden vom Seewasser durch-
_ tränkt ist, wie diejenigen yon Mammern, Gottlieben, Münster-
- lingen, Moosburg usf., würde er sich gut eignen, Junge Pflanzen
habe ich nur in Frauenfeld in zwei Gärten gesehen.
Verfältnismäßig häufig ist dagegen der Mammutbaum
oder die Wellingtonie, Sequoia gigantea Torrey. In allen
größern Ortschaften und bei allen Herrschaftssitzen über-
- ragen ihre regelmäßigen, spitzen Kegel die übrigen Bäume, so
- in Arbon, Mammertshofen, Romanshorn, Amriswil, Guggenbühl,
Berg, Münsterlingen, Kreuzlingen, Emmishofen, Tägerwilen,
- Kastel, Hard, Arenenberg, Eugensberg, Müllberg, Wigoltingen,
Frauenfeld, Islikon, Gachnang usf. Bekannt sind die zwei
schönen Wellinstonien vor dem Frauenfelder Regierungs-
gebäude (gesetzt 1865); weitere große Bäume haben wir:
auf dem Friedhof Oberkirch und im Heerenberg. Der Mammut-
- baum gedeiht bei uns sozusagen überall; auch im hochgelegenen
- Lustdorf (600 m) und auf der Höhe des Seerückens beim
- Heidenhaus (700 m) stehen noch schöne Bäume. Nur der
- wasserdurehtränkte Grund von Gottlieben sagt ihm nicht zu,
überhaupt undurchlässiger Boden. Es scheint, daß der Mammut-
- baum sehr bald, nachdem ihn Lobb 1850 auf der Sierra
Nevada in Kalifornien entdeckt hatte, bei uns eingeführt
worden ist, nach den stattlichen Vertretern zu schließen, die
wir im Thurgau haben. Ein Baum in Mattwil, vor dem Haus.
von Vorsteher Leumann, hatte laut „Thurg. Ztg‘“ eine Höhe
_ von 35 m und einen Stammumfang von 7 m, als er am 9. April
1915 vom Blitz zersplittertwurde und gefällt werden mußte. Die
aus Samen gezogenen Bäume erhalten eine schlanke, zigarren-
_ förmige Gestalt, während Stecklinge sich breit kegelförmig
; entwickeln (in der Literatur habe ich nichts darüber gefunden),
Demnach stammen von allen Wellingtonien, die ich beobachtet
{
Br
k
&
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habe, nur die von Mammertshofen und Guggenbühl, sowie
die drei Stück im. Heerenberg, Frauenfeld, und der große
Baum im Steinegger Wald aus Samen, alle andern aus Steck-
lingen. In der Jugend ist die Sequoia empfindlich; von der
al Aussaat. im Heerenberg sind seinerzeit alle un
Bäume bis auf .drei zugrunde, gegangen.
Nicht selten, auch in kleinern Gärten, ist ae Hiba,
Thujopsis dolabrata 8. &Z., die in ihrer Heimat, im südlichen
Japan, bis 35 m hoch wird. Bei uns gedeiht sie gut und
ist winterhart; doch sind die ältesten Pflanzen noch nicht
höher als 10 m (Breitenstein). Unter allen Koniferen, die
statt der Nadeln Schuppen tragen, sind .die elänzenigrun En
Schuppen der Thujopsis am größten.
Merkwürdigerweise wird die kalifornische Flußzeder,
Liböcedrus decürrens Torrey, neuerdings im Thurgau gar nicht
mehr angepflanzt, obschon sie bei. uns schöne, schlanke Kegel
von dunkelgrüner Farbe mit etwas hängenden Wedeln bildet
und sehr rasch wächst. Auch dieser Baum, den Jeffrey 1852
in Europa einführte, muß sogleich bei uns Liebhaber gefunden
haben; denn wir finden im Pflanzberg, Tägerwilen, zwei
Flußzedern von gegen. 20 und 12 m Höhe, in Müllberg drei
Stück von 16, 12 und 12 m, in Arenenberg eines von
16 m, in Gottlieben und Luisenberg je eines von 15 m, zu
Teil nicht viel kleinere in Eugensberg, Aadorf, Bischofszell
(Garten Lager), beim Schlößli Kefikon und in der Felsenau E
Müllheim. Nur diejenigen von Gottlieben und Müllheim haben
unter der Kälte des letzten Winters gelitten. Der schöne und
dankbare Baum verdient ‚wirklich ebenso sehr unsere Beach-
tung wie die Wellingtonie, von der er sich durch schlankere
Form und dunkleres Grün schon auf Distanz unterscheidet,
was:man in .Müllberg beobachten kann.
Allbekannt, überall verbreitet ist der „bendlandiiche
eben han Thuja oceidentalis L., aus den Oststaaten der
Union. Er findet sich häufig als Hecke, da er sich schneiden
läßt, als Kugel, die sich ohne menschliches Zutun bildet,
und als hoher Kegel. Ein: soleher Kegel von 10 m Höhe
beim Kaufhaus. Hauptwil ist 100 Jahre alt; drei 80 jährige
Thujen im Aadorfer Park haben es sogar auf 15 m gebracht.
Sehr beliebt ist in Frauenfeld die Säulenform, f. fastögeata, die
hier in 40jährigen Exemplaren 7 m Höhe erreicht. Endlich
gibt es auch eine fixierte Jugendform der amerikanischen
Mammutbaum Flußzeder - Lawsonzypresse
Sequoia gigantea Libocedrus decurrens Chamaecyparis Lawsoniana
Koniferen im Müllberger Park
(Aufnahme von Dr. Stauffacher)
Thuja, f. ericoides, mit Nädelchen, und eine Uebergangsform,
wo die Nädelchen im Begriff sind, sich schuppenartig anzu-
legen, f. Ellwangeriana. Thuja occidentalis ericoides bildet mit
ihren krausen Zweigen dichte Büsche (Berg, Frauenfeld,
Absonderungshaus Münsterlingen, Kastel, Pflanzberg), die sich
von der sehr ähnlichen Jugendform der Sawarazypresse durch
größere Kompaktheit und weniger Grau in der grünen Farbe
unterscheidet. Leider nimmt die abendländische Thuja im
Winter eine schmutzig braungrüne Farbe an, um erst im
April wieder frischgrün zu werden. Die Jugendform macht
den Farbenwechsel mit — sie hat dabei einen Stich nach
Lila — und hebt sich also im Winter sehr deutlich von dem
silbernen Grün der Sawarazypresse ab.
Dieser Farbenwechsel ist nicht vorhanden bei der Riesen-
thuja, Thıja gigantea Nuttall, deren Zweige Sommer und
Winter eine glänzend dunkelgrüne Oberseite und weißliche
Spaltöffnungsfiguren auf der Unterseite zeigen. Ihre kleinsten
Zweige sind sehr regelmäßig parallel angeordnet. Dieser
schöne Baum, der von der pazifischen Küste der Union und
Kanadas stammt, findet sich nicht allzu häufig, und nur in
ältern Gärten (Frauenfeld: Friedau, Rebstraße, Spannerstraße),
obschon er unser Klima gut verträgt. Er bildet schlanke,
spitze Kegel, weniger dick als die Wellingtonie, aber etwas
breiter als Zöbocedrus, was man in Müllberg schön beobachten
kann. Die drei größten Riesenthujen erreichen in Hard und
vor dem Schloß Pflanzberg etwa 20 m Höhe; weitere statt-
liche Bäume kann man am Nordportal des letztgenannten
Schlosses, an der Fasanerie in Kastel, am Absonderungshaus
Münsterlingen (drei Stämme aus einer Wurzel, 15 m) und
im „Rosengarten“ Müllheim bewundern. Es gibt auch eine
panaschierte Form, Th. g. aureo-variegata, mit breiten gelben
Streifen auf den grünen Wedeln (Kastel; Frauenfeld, Spanner).
Den japanischen Lebensbaum, Thuja Standishü Carr.,
habe ich in meinem Gebiet nicht getroffen, und er wird, wie
mir der Vorsteher der dendrologischen Abteilung bei Fröbel
in Zürich, Herr Rusterholz, mitteilt, auch nicht von Züchtern
geliefert. Dagegen ist der chinesische Lebensbaum, Biota
orientalis Endl., uns nicht fremd, vgl. das Schlußwort Seite 69.
Ich muß darauf verzichten, bei dieser und den folgenden
Arten Unterscheidungsmerkmale anzugeben, da es einer langen
3 praktischen Uebung bedarf, um sie sicher identifizieren zu
können. Zwar bei der echten Zypresse, Oupressus semper-
_ virens L. fastigiata D.C., findet sich die Gelegenheit zu einer
solchen Uebung selten, "da sie nur in drei Exemplaren auf
dem stimmungsvoll gelegenen alten Friedhof Romanshorn
' vorkommt, siehe am Schluß Seite 68. Schwieriger ist die
- Bestimmung der fünf Halbzypressen, von denen freilich die
Zederzypresse, Ühamaecjparis sphaeroidea« Spach, nach
meinen Beobachtungen und nach Aussage des eben genannten
Fachmannes bei uns nicht zu finden ist.
Die Nutkazypresse, Chamuecyjparis Nutkaensis Spach, hat
ihre Heimat an der Nutkabai auf Vancouver und auf der um-
liegenden pazifischen Küste. Sie erscheint in jüngern Gärten
als rundlicher, noch nicht fruktifizierender Busch mit kräftigen
aufstrebenden und überhängenden Zweigen, 2—5 m hoch;
in ältern Gärten bildet sie breite Kegel, die unten durch auf-
liegende und wieder aufstrebende Aeste, sowie durch Wurzel-
Einze verbreitert werden; die Zweige hängen senkrecht
' von den wagrecht hab an an Aesten herab und tragen im
Winter und Frühjahr eine Menge gelber männlicher Blüten.
Sehöne Nutkazypressen, bis 12 m hoch, kann man in Müllberg,
_ Lilienberg, Breitenstein, Eugensberg, Luisenberg sehen. In
Eugensberg sind mehrere Exemplare von 10 m Höhe mit
Erfolg versetzt worden.
Außerordentlich häufig ist die Lawsonzypresse, 0. Law-
soniana Parl., die von der pazifischen Küste der Union zu
uns gekommen ist. Ihre normale Form ist ein Kegel mit
an der Spitze leicht überhängenden Aesten, unten bisweilen
verstärkt durch Wurzeltriebe. Diese Mesa sind bei uns bis
15 m hoch (zwei Stück in Müllberg, eines beim Absonderungs-
haus in Münsterlingen) und nehmen es an Schönheit mit
Sequoia und Libocedrus auf. Besonders schön ist die Lawson-
zypresse, wenn sie einen bläulichen Schimmer hat, von dem
im Mai die zahllosen roten männlichen Blüten sich reizend
abheben (Ü. L. glauca); diese Form findet sich namentlich in
jüngern Gärten; doch hat Breitenstein bereits ein 13 m hohes
Exemplar. Sehr hübsch ist ferner C©. L. öntertexta, deren kleinste
Zweige auseinander gerückt sind, so daß die Wedel nicht
geschlossene Flächen bilden, z.B. bei der Irrenanstalt Münster-
lingen. Häufig ist eine frischgrüne Varietät mit aufstrebenden
raid
PN
Zweigen 0. L. erecta viridis. _Noch seien zwei sehr schöne
Gartenformen genannt, die ich nur je einmal getroffen habe:
die Säule, ©. L. pyramidalis, in Arenenberg, 11 m hoch; die
Aeste hängen angeschlossen herab; der Baum erinnert von
fern an eine italienische Zypresse. Ferner die fadenförmige
Spielart, 0. L. fiiformis, an der die kleinsten Zweige lang
sehnurartig ausgezogen sind und zierlich überhängen (Lilien-
berg). Sehr häufig ist diese Wuchsform bei der Sawarazypresse.
Dagegen kann man an der japanischen Hinokizypresse,
CO. obtüsa 8. & Z., auf unserm Boden nicht viel Freude er-
leben. Sie ist eine neuere Einführung; die größten Bäume
sind erst 4m hoch. Von den zirka 20 Exemplaren, die ich
in Frauenfeld und Aadorf beobachtet habe, ist nicht eines
ganz befriedigend; meist ist die Krone sparrig, und durch
Harzfluß sterben fortwährend kleine Zweige ab. Meine Be-
obachtung wurde durch den oben genannten Fachmann der
Firma Fröbel bestätigt.
Weit verbreitet ist wieder die ebenfalls aus Japan
stammende Sawarazypresse, (. pisifera 8. &Z. Zwar die
typische Form, die stark der Lawsonzypresse gleicht, aber
eine etwas weniger geschlossene und schöne Krone bildet, ist
verhältnismäßig selten (in Frauenfeld z. B. bei Frau Dumelin).
Dagegen sind drei Spielarten allenthalben verbreitet und sehr
beliebt. In der frühesten Jugend hat die Sawarazypresse grau-
grüne, wacholderartige Nadeln statt der Schuppen. Wird
von einer solchen Jungpflanze ein Steckling zum Wachsen ge-
bracht, so behält der daraus entstehende Baum die Benadelung
sein ganzes Leben hindurch und trägt bei uns nie Früchte.
Diese fixierte Jugendform, 0. p. squarrosa, die früher als ein
eigener Baum aufgefaßt wurde, wird zwar leicht etwas sparrig
und hat im Innern der Krone immer fuchsige, abgestandene
Nadeln; doch ist sie sehr zierend durch ihre graugrüne, im
Winter bleibende Farbe. Die größten Exemplare im Kanton
dürften diejenigen von Breitenstein (42 Jahre alt, 7” m hoch,
Stamm 2 dm diek), im Garten von Dr. Guhl in Steckborn
(40 Jahre, 8 m hoch) und beim Absonderungshaus Münster-
lingen (40 Jahre, 10 m hoch) sein. Bei der gewöhnlichen
Entwicklung dagegen geht die Jugendform bald in die er-
wachsene Gestalt über: die Nadeln werden kürzer und legen
sich an; die Wedel zeigen vorübergehend eine straußenfederartig
E." =
krause Form. Auch diese Uebergangsform läßt sich durch
| Stecklinge als ©. pisifera plumösa konservieren; je nach dem
Stadium, in dem der Steckling genommen wurde, wechselt
das Aussehen des Baumes. Die Uebergangsform ist bei uns
gleichfalls häufig und setzt reichlich Früchte an (z. B. im
Spitalgarten Frauenfeld). Sehr zierlich und fremdartig ist
endlich die beliebte Spielart, bei der die kleinsten Zweige
als langgezogene überhängende Schnüre entwickelt sind,
0. pisifera filifera hort. Sie bildet diehte üppige Büsche bis
zu 4m Höhe (Felsenau, Lilienberg, kleinere da und dort).
Von wacholderartigen Pflanzen ist zunächst der gemeine
_ Wacholder, Juniperus commünis L., zu nennen, der als
Säule (irländischer Wacholder, J. communis Hibernica) nicht
selten in Gärten, und namentlich auf Friedhöfen, angepflanzt
_ wird. Solange die Säule nur etwa 21/a m hoch ist, sieht sie
sehr elegant aus, wie man z. B. auf den Friedhöfen von
Dießenhofen oder Dozwil sehen kann; später wird sie etwas
'plump. Auch hochstämmig läßt sich der gemeine Wacholder
ziehen, z.B. in der alten Baumschule Bischofszell oder im
Hasli-Müllheim.
Von den Bergabhängen der alpinen Föhntäler kommt als
zwar schönes, aber anrüchiges Geschenk der Sadebaum, Sevi,
Jumiperus Sabina L., in unsere Gärten. Er bildet kleine
Dickichte von 1 m Höhe, ist giftig, riecht unangenehm und hat
namentlich die schädliche Besonderheit, daß er als Zwischen-
wirt für den Gitterrost der Birnbäume, Gymnosporangium fusceum
D.C., dient. Auch wenn man auf dem Strauch den Rostpilz
nicht findet, ist ihm nicht zu trauen. Eine schöne Sevigruppe in
- Frauenfeld, auf der wiederholte Untersuchungen den Parasiten
nicht ergaben, mußte im Frühjahr 1917 doch beseitigt werden,
weil ringsherum die Birnblätter die bekannten rotbraunen
Fleeken aufwiesen. Trotzdem kommt der Sevistrauch in kleinen
Exemplaren unbeachtet da und dort in den Gärten vor.
Größere, unleugbar sehr dekorative Massive besitzen Kastel,
Schloß Berg und Lilienberg.
Um nichts harmloser ist der virginische Wacholder,
I. VirginianaL. Während er in den atlantischen Südstaaten der
Union bis 30 m hoch werden soll, erreicht er bei uns bis
jetzt nur etwa 8 m (freistehend z.B. in Müllberg und Luisen-
berg). Er ist unvollkommen diözisch; seine braunvioletten
rar
zur Bleistiftfabrikation dient, kennt bei uns fast niemand,
obschon er recht häufig ist. Bisweilen finden sich an dem-
selben Exemplar Aeste mit angelegten und mit abstehenden
Nadeln (in Frauenfeld z.B. an der Thundorferstraße gegen-
über Sattler Schuppli). Die Farbe schwankt zwischen friseh-
grün, blaugrün und graugrün. Der Baum nimmt sich auch
auf Friedhöfen gut aus. In Amriswil hat ein stimmungsvolles
Beeren sind merkwürdig klein. Diesen Baum, dessen Holz
Grab von 1902 rechts und links von einem schmalen Obelisken
zwei säulenartige, diehte, ganz symmetrische virginische
Wacholder von 2 m Höhe. Der Friedhof Dießenhofen besitzt
mehrere Bäume, darunter in der Mitte ansehnliche männliche
und weibliche Exemplare, und an der Südmauer die efiekt-
volle Trauerform, J. Virg. pendula Carr., mit hängenden,
sekundären Zweigen, etwa 7 m hoch. An sonnigen Stellen
hat der virginische Wacholder übrigens im Winter 1916/17
stark gelitten.
Nur als Pflanzung aus dem 20. Jahrhundert erscheint der
chinesische Wacholder, Juniperus Chinensis L. Wir sehen
ihn meistens als etwa 2 m hohen Strauch mit Nadeln und
Schuppen; einzelne Zweigspitzen sind weiß (J. Oh. albo-
variegata), z. B. in Münsterlingen, Irrenanstalt; in Frauenfeld
an der Ringstraße, im Schloßgarten zu Berg.
Il. Laubhölzer.
1. Bäume.
Hier halte ich mich an die Reihenfolge, in der die Pflanzen
bei Koehne aufgeführt werden. Die lateinische Benennung
entspricht derjenigen von Schneiders Handbuch der Laub-
holzkunde.
Aus der Familie der Juglandaceen ist zunächst der.
gemeine Walnußbaum, Jüglans regia L., zu nennen. Er
findet sich allenthalben in mächtigen, malerischen Exemplaren
und wird neuerdings auch viel frisch angepflanzt. Obgleich
sein Holz in der Kriegszeit einen so großen Wert erhalten
hat, ist sein Verschwinden bei uns noch nicht zu befürchten.
Im Park wird bisweilen eine weniger wüchsige Form mit
zerschlitzten Fiederblättehen gehalten (var. heterophyjllaLoudon),
et
z.B. in Müllberg und Breitenstein. Am erstgenannten Ort
beweist ein Ausschlag mit normalen Blättern am Fuße eines
8m hohen Baumes, daß die Spielart auf die Stammform
-aufgepfropft worden ist. Die Nüsse dieser Spielart schmecken
gut; dagegen sind diejenigen des aus dem Mississippibecken
' stammenden Schwarznußbaums, Juglans nigra L., als Obst
nichts wert. Das Blatt dieses stattlichen Baumes hat viel mehr
Fiederblättchen als der Walnußbaum (etwa 19, dieser gewöhn-
lich 7) und erinnert an das Blatt des Götterbaums. Juglans
nigra findet sich in Frauenfeld (Neuhauserstraße, Algisser),
bei Klingenberg, in Mammern (am Dorfbach oberhalb der
Bahnlinie) und in Kastel (mächtiger, wohl 25 m hoher Baum,
soll frülfer Misteln getragen haben).
Zahlreicher sind die Salicaceen vertreten. Hervorragend
schön ist die auch wild wachsende Silberpappel, Pöpulus
_ alba L. Gewaltige Bäume stehen z.B. neben dem Schloß
Eugensberg, im Park der Anstalt Bellevue, Kreuzlingen, in
- Arenenberg, beim Bahnübergang Eschlikon usf. Diese Pappel
ist sehr raschwüchsig, aber auch stark zehrend. Lästig ist
im Frühjahr der überall herumfliegende Flaum der weiblichen
Blüten; er kann bei Neupflanzungen dadurch vermieden werden,
daß man nur männliche Bäume wählt. Die allbekannte
Pyramidenpappel, P. nigra, var. Italica Moench, zeigt gerade
in diesem Jahr stellenweise viele dürre Zweige, wohl als
Wirkung von einigen hellen und bitterkalten Februarmorgen.
Unter den eigentlichen Weiden fällt am meisten ins Auge
die Trauerweide, Sahx Babylönica L., die besonders am
Wasser stimmungsvoll aussieht und bei uns 20 m hoch wird
(Absonderungshaus Münsterlingen, Gottlieben). Herrlich wirkt
eine Baumgruppe bei Arenenberg, die aus einer Wellingtonie,
einer Blutbuche und einer Trauerweide besteht. Ferner findet
man in den Gärten der Bienenzüchter gelegentlich die Sal-
weide, Salix caprea L., deren bekannte große Kätzchen
im Vorfrühling den Bienen Pollen und Honig als erste
Nahrung geben, sowie die Reifweide, S. daphnoides Villars,
und die Korbweide, $. viminalis L. Wegen der schönen,
glänzenden Blätter wird häufig die Lorbeerweide, Salx
pentandra L., gepflanzt, die z. B. hinter der „Bellevue“
- Kreuzlingen, als stattlicher Baum vorkommt. Auch Weiß-
weiden, S. alba L., finden sich gelegentlich als Bäume in
Landschaftsgärten. Dasselbe gilt von der Birke, Betula alba
Roth, an deren Stelle neuestens nicht selten die Hängebirke,
B.pendula Roth, tritt. Ein Baum in der städtischen Anlage
Arbon mit größern Blättern, den ich zu einer Zeit sah, wo
die Bestimmungsmerkmale fehlten, ist vielleicht die Papier-
birke, B. papyracea Aiton. An feuchten Stellen kann man
natürlich auch die Weißerle, Alnus incana Willd., und die
Schwarzerle, A. glutinösa Gärtner, als Zierbäume antreffen.
In dieselbe Familie gehört endlich noch die Hagebuche,
Carpinus betulus L., deren Verwendung für Hecken und Lauben
bekannt ist. Im ältesten Teil des Parkes von Hauptwil steht
eine Hagebuche, die 251 Jahre alt ist und etwa 15 m hoch
emporragt. Dies dürfte demnach die größte Höhe sein, welche
die Hagebuche bei uns erreicht.
Bei der Familie der Fagaceen denkt man natürlich zuerst
an unsere Buche, Fagus silvatica L., die wegen ihrer Schön-
heit in Landschaftsgärten nicht fehlen darf. Besonders beliebt
ist die Blutbuche, die man in großen Exemplaren, mehr oder
weniger dunkel gefärbt, vor dem Schloß in Frauenfeld, im
Kurpark Mammern, in Eugensberg, Arenenberg, Arbon usf.
bewundern kann. Besonders auffallend sind Blutbuchenblätter
mit hellem Rand. Ganz merkwürdig ist ferner die Tracht der
Form heterophyjlia Loudon. Hier sind die Blätter schmal und
fiederschnittig, so daß niemand die Buche erkennt, außer wer
im Winter die spitzen Buchenknospen ins Auge faßt. Als kleiner
Baum kommt diese Spielart bei der Villa Steinhäuser, Frauen-
feld, in der Felsenau, Müllheim und im Kurpark Mammern
vor. Erwähnung verdient endlich noch die Trauerbuche, eine
Wuchsform, die man im Garten Sallmann, Amriswil, als 8 m
hohen Baum sehen kann. Ganz besonders interessant ist eine
Hängebuche im Garten des Herrn Joachim Brunnschweiler in
Hauptwil. Die Aeste dieses schönen Baumes, der nur etwa
10 m hoch ist, verbreiten sich auf Stützen nach allen Seiten
und beschatten einen Kreis, der 20 m im Durchmesser mißt.
Von der Edelkastanie, Castanea sativa Mill., wird im
Schlußwort Seite 68 die Rede sein. An fremden Eichen enthält
Breitenstein zwei Arten. Da stehen am südlichen Parkrand
zwei südosteuropäische Zerreichen, Quercus.cerris L., etwa
15 m hoch (eine andere bei Schloß Berg), deren Blatt sich
von dem ähnlichen unserer Traubeneiche dadurch unterscheidet,
DR a
- daß die regelmäßigen Lappen etwas zugespitzt, bei der Trauben-
_ eiche stumpf sind. Sodann steht am Eingang, auffallend durch
ihr großes Blatt, eine großfrüchtige Eiche, Q. macrocarpa
Michaux, deren Heimat in den Vereinigten Staaten zu suchen
ist. Das Blatt gleicht demjenigen der Stieleiche, ist aber
linear doppelt so groß und unterseits graugrün. In Bugens-
berg werden sog. „immergrüne Eichen“ gepflanzt, deren
"Blatt dem der Zerreiche ähnlich sieht; die Zerreiche ist aber
- nieht immergrün. Von einem Gärtner wurde mir der nicht
wissenschaftliche Name Q. Austriaca hyjbrida dafür angegeben.
Ich glaube, daß es sich um die Kulturform handelt, die
Koehne vermutungsweise als. Bastard der Zerreiche mit der
' immergrünen Steineiche, @. zlex L., klassifiziert; ©. Schneider
nennt sie Q. Pseudotürneri. Dieselbe immergrüne Eiche habe
ich auf Ebersberg-Emmishofen als Veredlung auf Stieleiche
_ gesehen. Die Stieleiche hatte unten ebenfalls ausgetrieben
und den 6 m hohen Stamm der immergrünen überwachsen.
_ Im Winter hoben sich die grüne und die braune Pflanze
deutlich von einander ab.
Es versteht sich von selbst, daß die edlen Gestalten
unserer einheimischen Eichen, der Stieleiche, @. robur L.,
_ und der Traubeneiche, Q. sessilis Ehrhardt, im Park nicht
fehlen. Von besonders großen und schönen Stieleichen
möchte ich nennen: diejenigen am Seeufer im Kurpark zu
Mammern, darunter die „Liebeseiche“, die sich gleich über
dem Boden in sechs gewaltige Aeste auflöst, so daß eine
Krone von 25 m Durchmesser entsteht. Der Baum gedeiht
kräftig weiter, obschon der Boden auf der Landseite um 2 m
erhöht worden ist. Erwähnenswert sind ferner die Eichen
am abfallenden Rand des Plateaus vom Arenenberg, sowie
_ ein prächtiger Baum am Nordrand der Terrasse von Kastel,
der außerdem den Vorzug hat, im Frühjahr einige Tage vor
andern Eichen zu treiben. Beiläufig seien hier noch einige
mächtige Waldeichen angeführt. Eine solche, die im März
1908 bei Märwil gefällt wurde, war bis zu den untersten
Aesten 7,5 m, bis zum Gipfel 25 m hoch; der Durchmesser
der Stockfläche betrug nicht weniger als 180 cm. Einen
hervorragend schönen Baum beobachtete Dr. Ol. Heß im
November 1907 zwischen Ueterschen und Braunau. Sodann
machen mich Prof. Wegelin und Dr. H. Tanner aufmerksam
/
— 26. —.
auf eine große Eiche mit einem Stammumfang von dm, die #
: östlich von den Bierkellern in Schupfen am Rodenberge steht.
— Auch in kleinern Gärten ist die Säulenform der Stieleiche,
Q. robur fastigiata D.C., zu finden, die zwar mit der Zeit
gerne etwas plump wird. Eine tadellos schlanke Säule von
12 m Höhe, die auf Distanz wie eine Zypresse aussieht, be-
findet sich in Lilienberg. Einer wachsenden Beliebtheit er-
freut sich die Roteiche, Q. rubra L., die von den großen
Seen Nordamerikas zu uns gekommen ist. Sie hat ihren
Namen von der prächtigen, lange anhaltenden Herbstfärbung
des Laubes. In Eugensberg ist eine 7 m hohe Roteiche noch
mit Erfolg versetzt worden. Nach Mitteilung von Forstmeister
Etter werden im Walde gerne Roteichen in junge Buchen-
bestände eingesetzt (z. B. im Galgenholz); auch beim Heiden-
haus kann man Roteichen sehen.
Von der Familie der Ulmaceen dürfte meine Liste noch
nicht vollständig sein. Da die Ulmen hauptsächlich an ihren
zahllosen, runden Flügelfrüchten zu unterscheiden sind, und
diese schon anfangs Juni in alle Winde verflattern, so ist
die Bestimmung der Bäume einen großen Teil des Jahres
hindurch fast unmöglich. Diese Früchtehen, die im Mai auf
den Gartenwegen herumliegen und zu den offenen Fenstern
hereinfliegen, lassen die Nachbarschaft einer Ulme im Wonne-
monat dem Menschen nicht gerade als erwünscht erscheinen,
wohl aber dem Grünfink, der die Flügelfrüchte mit Behagen
verzehrt. Die Feldulme, Ulmus campestris L., erreicht eine
sehr ansehnliche Größe. Zwei Bäume vor der Scheune in
Ittingen, die ziemlich genau 50 Jahre alt sind, erheben ihre
runden Kronen bis zu 18 m; beinahe ebenso groß dürfte die
Feldulme im Garten von Redaktor Huber in Frauenfeld sein;
ein Exemplar in Müllberg schätze ich auf 20 m. Daselbst
findet sich auch eine Spielart mit Korkstreifen an den Zweigen,
f. suberösa. Nicht selten ist eine Form mit fast weißen Blättern,
z.B. in Oberkirch. Obschon panaschierte Bäume langsamer
wachsen, hat es eine U. campestris fol. arg.-variegatis in Lilien-
berg zu der beachtenswerten Höhe von 15 m gebracht. Die
Bergulme, Ulmus scabra Miller, hat größere und rauhere,
schief-herzförmige Blätter. Ein schöner Baum steht z.B. im
Trottoir an der Spannerstraße, Frauenfeld; sein Stamm zer-
platzte in einer eisigen Nacht des Winters 1879/80 mit
gt
ne 271 —
lautem Knall; doch ist die Wunde gut verwachsen. Ferner
‚hat en Eigenmann in Müllheim eine prächtige Ulme
: mit 18m hoher, gleichmäßig runder Krone; zwei ähnlich
große Bäume schmücken die städtischen Anlagen in Arbon;
ein anderes mächtiges Exemplar, 2!/a m diek, ist die eine
sog. „Drei Linden“ in Bischofszell. Es gibt auch eine Trauer-
form, f. horizontalis hort., an der die Zweige aus einer Höhe
von 2—3 m so dicht schirmartig zur Erde herabhängen, daß
darunter kein Gras wachsen kann (Felsenau, Pflanzberg,
Kurzdorf), ferner eine Säulenform, f. pyramidalis Koch, mit
- aufstrebendem Wuchs und an den Zweigen anliegenden Blättern,
"hin und wieder. Den Ulmen nahe steht der Zürgelbaum;
die Bläfter an seinen hängenden Zweigen sind ebenfalls un-
symmetrisch; die kleine Frucht ist dagegen steinfruchtartig,
in der Farbe entweder orange oder schwarz, wodurch sich
der nordamerikanische Zürgel, Celtis oceidentalis L., vom
südeuropäischen Zürgel, (. australis L., unterscheidet,
Nach den Früchten gehört der Baum beim Spital Frauenfeld
zu der amerikanischen, derjenige im botanischen Garten zur
südeuropäischen Art. Bei drei andern („Rosengarten* Müllheim,
- Müllberg und Breitenstein) habe ich keine reifen Belchis
getroffen. Während die Zürgel in ihrer Heimat 20—25 m
hoch werden, hat der Baum in Müllberg nach 60 Jahren
erst 6 m, der in Breitenstein nach 40 Jahren 4 m erreicht;
Celtis eignet sich also auch für kleinere Gärten.
Den Ulmengewächsen nahe steht die Familie der Moraceen,
. Maulbeerbäume. Dieser Name erinnert an einen fehlgescehlagenen
Versuch, dem Thurgau eine neue Verdienstquelle zu erschließen.
In den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts
probierte man nämlich an verschiedenen Orten, im Eichbühl-
Dießenhofen, in Feldbach-Steckborn (Hanhart zur „Treu*),
Lanzenneunforn, Kreuzlingen, Keßwil (Glaser Roth), Lippers-
wilen, Kradolf, Ittingen (Fisch, Tobler & Cie.) und Wängi Seiden-
raupen zu ahen Der Versuch mißlang, weil öfters anfangs
Mai, wenn die Räupchen ausschlüpften, die Maulbeerblätter
s noch nicht da waren, oder den Spätfrösten zum Opfer fielen.'
ı Wie ich einem Aufsatz von Frickhinger, Die Seidenraupe
und ihre Zucht (Monatshefte für den Naturwissenschaftlichen Unter-
richt, 10. Bd., S. 58) entnehme, gibt es eine aus Amerika stammende
strauchartige Sorte des weißen Maulbeerbaums, Russian Mulberry,
SE
Indessen stehen aus jener Zeit an einigen Orten jetzt noch
Maulbeerbäume als Hochstämme oder Sträucher. Der schwarze
Maulbeerbaum, Morus nigra L., aus Mittelasien, so genannt
nach seinen schwarzen, eßbaren Scheinbeeren, hat etwas
größere und rauhere Blätter mit tieferer Stielbucht als die weiß-
früchtige Art. Er ist weniger häufig; verschiedene Exemplare
stehen im Eichbühl, ein geköpftes Bäumchen in Ittingen und
ein anderes bei der Kirche in Berg; eine sehr üppige Trauer-
form von 2 m Höhe besitzt Fabrikant Steinhäuser in Frauen-
feld. Die Blätter sind bei allen Maulbeerbäumen zuerst herz-
förmig, bilden dann aber häufig vom Rande her tiefe Buchten
aus, wodurch das Blatt schließlich gelappt erscheint. Am
schwarzen Maulbeerbaum fehlt diese Bildung häufig oder ist
nur einseitig; am weißen Maulbeerbaum, Morus alba L.,
aus China, kann man sie rechts und links vom Mittelnerv
sehen. Ich habe ihn in Feldbach in Hecken getroffen, ferner
zwei geköpfte Bäume von 3 m Höhe an einem Bahnübergang
zwischen Keßwil und Moosburg, einen 10 m hohen Baum
in Ittingen und. einige Heckensträucher im Algisser in
Frauenfeld. Eine ganze Allee von 19 Stück hat sich in
Lanzenneunforn erhalten; die Bäume haben 6—8 m Höhe
und 1m Umfang. Aus China und Japan kommt der Papier-
maulbeerbaum, Broussonetia papyrifera NVentenat, zu uns,
dessen Laub ebenfalls von den Raupen des Seidenspinners
gefressen wird. Die Blätter teilen sich in ähnlicher Weise in
Lappen wie bei den Verwandten, sind aber noch größer als
die des schwarzen Maulbeerbaumes; die Nerven treten auf der
Unterseite stark hervor und sind lila angelaufen. Der Baum
ist zweihäusig; das etwa 4 m hohe Exemplar der Kantons-
schule ist männlich und ein Strauch im „Rosenheim* Dießen-
hofen fruktifiziert nicht; ein stattliches „Weibchen“ besitzt
Breitenstein. Der Feigenbaum, Ficus Carica L., ein Fremd-
ling aus dem Mittelmeergebiet, ist bei uns im allgemeinen
Kalthauspflanze. Beim Schloß Glarisegg indessen hält ein
Morus alba var. Tatarica, die in Dännemark mit bestem Erfolg seit
einer Reihe von Jahren zur Seidenraupenzucht verwendet wird. Dieser
Strauch ist vollkommen winterhart, nicht anspruchsvoll in bezug auf
den Boden, und seine Blätter munden den Raupen ausgezeichnet.
Von ihm geht vielleicht auch bei uns noch einmal eine Wieder-
einführung der vergessenen kleinen Haustiere aus.
_ Strauch an einer Westwand, ‚wo er zugleich gegen den West-
wind geschützt ist, ungedeckt im Freien aus und bringt reife
‘ Früchte. Im Winter 1916/17 fror er freilich bis auf die
Wurzeln ab, trieb aber im Frühjahr wieder kräftig aus.
Unter den Magnoliaceen sind zuerst die eigentlichen
Magnolien zu nennen. Die bekannten Sträucher oder kleinen
Bäume, die uns im April vor dem Erscheinen der zugespitzt-
elliptischen ‘Blätter durch ihre großen, weißen, violett über-
laufenen Blüten entzücken, sind Bastarde von zwei ostasiatischen
Arten, der rötlichen Magnolia denudata Lamarck und der
weißen Lilienmagnolie, M. precia Corr. in Vent. Wenn in
Frauenfeld nicht so große Magnolien zu finden sind, wie am
#
See, somiegt das nur am geringern Alter der Pflanzen; denn
_ ich fand 6 m hohe Exemplare in Aadorf, Ittingen und Müll-
Ar.
berg ebenso gut wie in Kreuzlingen und Kastel. Die ameri-
kanische Gruppe der Magnolien entfaltet ihre Blüten erst zu
Anfang des Sommers. Dazu gehört die aus den atlantischen
Südstaaten der Union stammende immergrüne Magnolie,
- M. foetida Sarg., die in Pallanza jene bekannte Uferallee
bildet und uns ihre steifen, unten rostfarbigen Blätter zu
Totenkränzen liefert. Eine solche Pflanze, allerdings nur
_ etwa 1 m hoch, befindet sich seit sechs Jahren beim Kantons-
_ spital in Münsterlingen auf einem nach allen Seiten durch
az
Gebüsch oder Mauern geschützten Rasenplatz und entfaltete
auch in diesem Jahr ihre großen, milchweißen Blüten.
Weniger dekorativ sind die gelblichgrünen Glocken der
- Gurkenmagnolie, M. acumindta L., die zwischen New York
und dem mittlern Mississippi zu Hause ist; dafür ist dieser
Baum vollkommen winterhart. Der Sulzersche Park in Aadorf
besitzt ein 60jähriges Exemplar, das 12 m hoch geworden
ist. Oft hört man, besonders im Munde von Deutschen, den
' unrichtigen Namen „Tulpenbaum“ für die Magnolie; in Wirklich-
keit kommt die Bezeichnung einem mit ihnen nahe verwandten
Baume aus der östlichen Union zu. Der richtige Tulpen-
baum, Zuriodendron tulipiferum L., gedeiht bei uns gut und
_ setzt willig nach dem längsten Tag seine grünlichgelben,
tulpenartigen Blüten an. Sehr dekorativ ist auch sein eckiges
- Blatt. Im Thurgau gibt es bereits stattliche, bis 20 m hohe
'_ Tulpenbäume, z. B. im Pfarrgarten Kurzdorf, in Aadorf, beim
Schloß Kefikon, in Müllberg, bei Schloß Berg, „Bellevue“
en ag er 1
Kreuzlingen, Eugensberg, Breitenstein, in Arbon (Stadtpark und ;
Schloßgarten) und namentlich bei der Fasanerie auf Kastel.
Die Platanaceen sind bei uns nur durch die orien-
talische Platane, Platanus orientalis L., vertreten, die aus
Kleinasien zu uns gekommen ist. Das Blatt der Stammform
ist fünflappig; dieses Blatt habe ich indessen nur an einem
Baum des Herrn Nationalrat Eigenmann in Müllheim gefunden.
Die bei uns verbreitete Abart, Pl. o. acerifola Willd., ist
nämlich fast dreilappig, indem ‘die beiden untersten Lappen
nur angedeutet sind. Wo man die Platane bloß wegen ihres
Schattens hält, wird sie geköpft und bildet dann jene reiz-
losen Alleen, von denen die langweiligste in der Schweiz
den Quai von Vivis verunstaltet. Nur wenig Leute haben
eine Ahnung, wie wundervoll groß und schön eine ungehemmt
wachsende Platane werden kann. Wohl die riesenhafteste in
unserm Gebiet ist der freistehende Baum neben dem Schlößchen °
Luisenberg, der 25—30 m Höhe erreichen dürfte. Auch sonst
finden sich am See mächtige Platanen, z. B. in Hard, Pflanz-
berg, Brunnegg, Arenenberg, aber auch in Aadorf. Ein
parasitischer Pilz, Gloeospöorium nervisegquum Sace., brachte
im Mai 1917 viele Platanenblätter zum Abfallen.
Es folgt nun die große Familie der Rosaceen, und
darin zunächst die schwierige Gattung der Weißdörner.
Die einheimischen Arten machen keine Schwierigkeiten;
dagegen haben uns Kanada und der östliche Teil der Union
eine größere Zahl von Arten geschickt, die nur mit Hilfe
der reifen Steinfrüchte zu bestimmen sind, und auch dann
noch recht verschwommene Merkmale zeigen. Ihren größten
Zierwert erreichen sie im Herbst, wenn die roten, gelben
oder schwarzen Früchte sich bis Weihnachten in rispigen
Dolden von den glänzend grünen, lange bleibenden, ungeteilten
oder gelappten Blättern abheben. Fast jeder Garten hat
irgendwo einen im Sommer ganz unbeachteten Strauch oder
Baum dieser Sippe; in Hauptwil fand ich einen 100jährigen
Baum, der es auf 8 m Höhe gebracht hat. Bestimmt habe
ich folgende Bäume in Frauenfeld: Orataegus erus galli L.,
Hahnenspornweißdorn im Garten des Herrn Bachmann-
Österwalder; einen Bastard C. erus galli X prunifolia, neben dem
Pfarrgarten Kurzdorf, jetzt verschwunden; einen andern Bastard
O.erus galli X punetdta, Walzmühlestraße, bis Weihnachten grün;
Tg en
— 31 —
0. eoceinea L., scharlachfrüchtiger Weißdorn, Friedau;
O. nigra Waldst. & Kitaibel, Villa Steinhäuser. Vom ein-
heimischen Weißdorn, CO. monögyna Jaegquin, gibt es eine
gefüllte, rotblühende Form f. flore rubro pleno, die als kleiner
Hochstamm unter dem Namen Rotdorn allenthalben, auch
als Straßenbaum, in Frauenfeld z. B. beim Regierungsgebäude,
zu sehen ist. Zwei unbeschnittene Rotdörner beim „Bodan“
Romanshorn sind 7—8 m hoch. Eine gefüllte weiße Form,
die rosa verblüht, f. flore albo pleno, enthält der Garten der
Sehweizerischen Kreditanstalt in Frauenfeld.
Die ziemlich seltene Mispel, Mespilus Germanica L., darf
wegen ihrer großen, länglichen Blätter, die an diejenigen
der Edelkastanie erinnern, auch als Zierbaum betrachtet
_ werden. Als kleiner Baum findet sie sich z. B. in Mammerts-
hofen (ein Wildling und ein veredeltes Exemplar) und in
Romanshorn. Lilienberg besitzt eine merkwürdige Gruppe
von drei Mispeln und einem Apfelbaum (Fraurotacher). Diese
vier Bäume lesen sich mit der Krone nach vier Richtungen
auf die Erde und streben wieder auf, so daß sie ein rundes
Massiv von 6 m Höhe und 40 m Umfang bilden, das in der
Blütezeit reizend aussieht und später reichlich Früchte ansetzt.
Selbstverständlich fehlt der Vogelbeerbaum, Sörbus
qaueuparia L., mit seinen schönen, roten Beeren und seinen
gefiederten Blättern, im Park nicht und ebenso wenig der
mit ihm nahe verwandte Mehlbeerbaum, Sorbus aria Crantz,
- der ungeteilte, auf der Unterseite weißfilzige Blätter besitzt.
_ Auceuparia und Aria bilden zusammen einen interessanten
Bastard, Sorbus semipinnata Hedlund, der blüht und Früchte
ansetzt. Das Blatt verrät die Abstammung des Blendlings:
_ es hat am Grund ein Paar Fiederblättehen wie Sorbus, ist aber
_ weiter oben ungeteilt wie Aria und auf der Unterseite weiß.
' Dieser Bastard steht als 12 m hoher Baum bei der Huberschen
- Buchhandlung in Frauenfeld, in mehreren Exemplaren um die
Kirche Amriswil und in Lilienberg. Selten ist die nordische
_Mehlbeere, $. Mougeoti Soy. & Godr., (Bürglen) und die
Elsbeere, $. torminalis Crantz, die als 12 m hoher Baum
neben dem östlichen Turm des Schlosses Gottlieben steht.
- Torminalis wird übrigens jetzt auch als Straßenbaum gepflanzt,
z.B. bei Illhart. Anscheinend gar nicht haben wir den
“
2
A.
a
3
‚
i Speierling, S. domestica L., der die Tracht der Eiberesche
ee
hat, aber eßbare Früchte: trägt. Gärtner Schaffer in Münster-
- lingen versicherte mir, daß er wiederholt in Baumschulen
darnach verlangt habe, ohne ihn bekommen zu können.
Der Birnbaum, Pirus communis L.,- ist in erster Linie
Nutzbaum. Als Zierbäume dürfte man vielleicht jene sechs
Gruppen Zuckerbirnbäume im Kurpark von Mammern an-
sprechen, wo jeweilen mehrere Bäume aus einer Wurzel
hervorgegangen sind. Es sind wohl Stockausschläge, die man
hat groß werden lassen. Der Apfelbaum, Malus pümila Mill.,
schmückt bisweilen als Wildling den Garten. Einen solchen
Holzapfelbaum, etwa 6 m hoch, besitzt Breitenstein. Meistens
jedoch sind die Zieräpfel asiatischen Ursprungs und haben
auf ihren erbsen- bis kirschgroßen Früchtehen, im Gegensatz
zum sewöhnlichen Apfel, an der Stelle des Kelches nur noch
eine Narbe. Am häufigsten ist der aus Japan stammende
Blütenreiche Apfel, Malus floribünda Siebold. Er hat
kleine, ungeteilte Blätter und etwas von oben nach unten
zusammengedrückte, erbsengroße Früchte. Dazu gehört in
Frauenfeld ein reichblühender, 4 m hoher Baum vor dem
Schloß, ein 1!/s m hoher Strauch beim Zeughaus, sowie in
Eugensberg zahlreiche neugesetzte Pflanzen. Nur ganz ver-
einzelt gelappte Blätter und kirschengroße, elliptische Aepfelchen
trägt ein 3 m hohes Bäumchen bei Gubler & Kappeler, das
sicher als ein Bastard M. baccata Desf. X Ringo Siebold
anzusprechen ist. Dagegen gehören zwei leider geschnittene
Sträucher mit gelappten Blättern gegenüber von Sattler
Schuppli zu M. Toringo Sieb., Toringoapfel.
Aus der Gattung der Kirschen und Pflaumen haben wir
außer einem Dutzend Obstbäumen auch eine ganze Anzahl
bloßer Zierpflanzen. So wird die Traubenkirsche, Padus
racemosa Ö©. Schn., die etwa 10 m Höhe erreicht (Breitenstein,
Spitalgarten Frauenfeld, wild an der Murg und Thur), wegen
der weißen Blütentrauben ab und zu in Gärten gehalten.
Die bei uns unbeachteten, schwarzen Früchte werden anderswo
(Vättis im Kalfeisental) gerne gegessen. Die Traubenkirsche
leidet unter Raupenfraß; ein 10 m hoher Baum in Ebersberg,
Emmishofen, wurde zwei Jahre hintereinander vollkommen
kahl gefressen. Ein naher Verwandter aus den Vereinigten
Staaten, die spätblühende Traubenkirsche, P. serötina
Agardh, wird im jungen Laubwald angepflanzt, z. B. im
BEN
Galgenholz. Ein kleiner Trauerbaum, dessen Blätter lorbeer-
artig aussehen, steht im Park des Schlosses Berg; Breiten-
"stein besitzt einen schönen, 10 m hohen Baum als Gegen-
"stück zu der vorhin genannten Traubenkirsche. Gerne wird
_ wegen ihres glänzenden Laubes und ihrer Blütentrauben, die
freilich kleiner sind als bei Padus racemösa, die Weichsel-
kirsche, Prünus mahaleb L., angepflanzt. Das Holz erfreut
sich einer großen Beliebtheit wegen des Kumaringeruchs, der
ihm und den Blättern anhaftet. Im Frauenfelder Spitalgarten,
und sonst in vielen Gärten ist mir die Steinweichsel begegnet.
"Die Kirschbäume, Prunus eerasus L., Sauerkirsche, P. avium
L., Süßkirsche, gehören, wenn sie gefüllte Blüten tragen,
im Mai zu den schönsten und auffallendsten Blütenbäumen.
So steht ein gefüllter Süßkirschhaum in Frauenfeld im
_ Huberschen Garten neben dem Spannerschulhaus und erfreut
die Vorübergehenden in jedem Frühjahr mit seiner schneeigen
_ Pracht. Andere gefüllte Kirschbäume habe ieh sonst noch in
- Frauenfeld, sowie in Ittingen, Romanshorn, Dießenhofen usf.
angetroffen; leider stehen sie alle nicht frei. Der Schloßpark
"Berg hat gefüllt blühende Süß- und Sauerkirschbäume neben-
einander. Die berühmte Kirschblüte der Japaner stammt, wie
man weiß, nicht von unsern Kirschbäumen, sondern von
einer japanischen Art, P. pseudocerasus Steudel. Die Farbe
ihrer gefüllten Blüten ist blaßrosa. Unter dem Namen „Ito
Sakura“ wurden kleine Bäumchen der ebenfalls japanischen
Art P. frutieösa Pall. in Eugensberg eingesetzt; sie blühen
‚anfangs Mai und werden nicht über 2 m hoch. Bekannter
ist bei uns die aus China stammende Mandelaprikose,
P. triloba Lindley. Es ist jener Strauch oder höchstens 3 m
hohe Baum, der sich sozusagen in allen Gärten Frauenfelds
im April mit reizenden, gefüllten, blaßroten Röschen bedeckt,
noch bevor die Blätter da sind. Mehr Zier- als Obstbaum ist
der Kirschpflaumenbaum, P. cerasifera Ehrhardt. Ein
‚solcher ist der Baum am Algisserteich in Frauenfeld, der
sich zur Freude der Spaziergänger jeweilen zu allererst,
manchmal schon Ende März, mit weißen Blüten bedeckt.
_ Dieses Exemplar hat bei 50 em Stammdurchmesser etwa 8 m
Höhe. Ein gleich großer Baum steht im Garten der Wirtschaft
' zum „Thurtal“ in Eschikofen, ein anderer hinter dem Haus
von Kirchenratspräsident Guhl in Frauenfeld. Weit häufiger
3
—. 94 —
als die Stammform ist eine rotblätterige Spielart, die Blut- E
pflaume, P. cerasifera f. Pissardi Carr., der häufigste rot-
blättrige Baum unsrer Gärten. Sie wird auf runde Krone
geschnitten und blüht deshalb meistens nur spärlich. Im
Frühjahr leidet sie stark unter Raupenfraß. Die großen,
roten Kirschpflaumen, von fad süßlichem Geschmack, werden
auf dem Frauenfelder Markt als „Messalonen“ angeboten.
Mehrere Leguminosen sind stattliche Bäume. Der
Schusserbaum, Gymnöcladus dioeca Koch, steht m. W. nur im
botanischen Garten. Der Christusdorn, Gleditsia triacanthus
L., wird gewöhnlich, ebenso wie Sophora und Cladrastis, mit
der Akazie verwechselt. Bei näherm Zusehen entdeckt man,
daß viele Blätter der Gleditschie teilweise oder ganz doppelt
gefiedert sind; bisweilen ist sogar ein Fiederblättehen zur
. Hälfte ungeteilt, auf der andern Seite gefiedert. Die mächtigen,
dreispitzigen Dornen des Baumes, die am Stamm oft starrende
Diekichte bilden, gaben Anlaß zu der Annahme, daß die
Dornenkrone Christi aus diesem Material bestanden habe.
Tatsächlich ist der nach einem Berliner Gartendirektor
Gleditsch benannte Baum erst im 18. Jahrhundert aus Nord-
amerika (Kanada bis Texas) gekommen. Es gibt auch eine
unbewehrte Abart, var. nermis Moench. Die dornige Art kann
man in etwa 18 m hohen Bäumen in Kurzdorf an der Murg-
brücke, im botanischen Garten, in Müllberg, kleinere im
Garten von Redaktor Huber in Frauenfeld, in Breitenstein,
„Felsenau“ Müllheim, sowie in Feldbach sehen. Von der
unbewehrten Varietät stehen ein 138 m hoher Baum und ein
etwas kleinerer im Aadorfer Park, ein 20 m hohes Exemplar _
in Breitenstein. Im Gegensatz zum Christusdorn bleibt der
gemeine Judasbaum, Cereis siliquastrum L., ein Geschenk
Südeuropas, bei uns ein Strauch oder kleiner Baum. Man
liebt ihn wegen seiner schönen, nierenförmigen Blätter und
seiner dunkelroten Blüten, die im April und Mai aus dem
alten Holz hervorbrechen. In Lilienberg steht ein 6 m hoher
Baum; kleinere Pflanzen habe ich in Luisenberg, in Frauen-
feld an der Ringstraße, an der Oberkirchstraße und beim
Schmirgelwerk gesehen. Das nordamerikanische Gelbholz,
Oladrastis Intea C. Koch, ist in den Staaten Nord-Karolina,
Kentucky und Tennessee einheimisch. Es unterscheidet sich
von der Akazie auf den ersten Blick durch die weniger
— 39. —
zahlreichen (5—-9) und größern Fiederblättchen, sowie durch
- die große, lockere Blütenrispe, an der die weißen Blüten
‘Mitte Juni, nach der Akazienblüte, erscheinen. Der Sommer
1917 brachte sie nach langer Pause zu ausgiebiger Ent-
wieklung. Zwei etwa 8 m hohe Bäume stehen in Frauenfeld
im Garten von Redaktor Huber, kleinere in Brunnegg, Emmis-
hofen und in Liebburg. Häufiger ist der japanische Schnur-
baum, Söphora Japönica L., der seine grünlich-weißen, in
_ lockern, aufstrebenden Rispen stehenden Blüten erst im August
und September öffnet. Da diese Zeit sonst an Blüten schon
recht arm ist, so wird die Sophora vom Bienenzüchter hoch
geschätzt. Ihr Laub ist dunkler als das der Akazie; die
Fiederblättchen sind eiförmig-lanzettlich, nach vorne etwas
zugespitzt. Der warme Vorsommer 1917 hat die Sophoren
im Thurgau zu ganz besonderer Blütenentfaltung veranlaßt,
an der auch die selten blühenden Trauerformen teilnahmen.
Große, 18—20 m hohe Sophoren findet man in Aadorf, im
Garten von Redaktor Huber in Frauenfeld, in der „Bellevue“
Kreuzlingen, sowie in Gottlieben, etwa 10 m hohe bei der
Kantonsschulturnhalle in Frauenfeld und in Brunnegg. Eine
schöne Trauersophore von etwa 5 m Höhe überdacht in
Frauenfeld den Garten der Bierhalle am Kreuzplatz; kleinere
stehen im Garten von Frau Haffner in Frauenfeld, in den
städtischen Anlagen Arbons, vor dem Schloß Glarisegg, in
Gottlieben und anderswo. Auch die Akazie, richtiger Robinie,
Robinia_ pseudacdeia L., hat im Jahre 1917 sehr reichlich
geblüht, mit Ausnahme der Kugelakazie, var. umbraeulifera
D.C., die nie blüht. Die Robinie erreicht bei uns 20 m,
z.B. im Aadorfer Park, in der „Bellevue“ Kreuzlingen und
sonst; die schönsten in Frauenfeld stehen im Huberschen Garten.
Als interessante, dekorative Verwendung der Robinie ist ein
etwa 300 m langer Laubengang von Sandegg nach Eugens-
berg zu erwähnen, in dem sich von rechts und links ab-
wechselnd Robinien und Goldregenbäume in einer Höhe von
5 m zusammenwölben. Zur Blütenzeit in der zweiten Hälfte
Mai bietet dieser Gang einen bezaubernden Anblick. Weniger
_ verbreitet sind die beiden rosenrot blühenden Arten, die aus
den südlichen Vereinigten Staaten stammen. Die klebrige
Robinie, R. glutinosa Sims, deren Zweige mit klebrigen
Drüsenwarzen besetzt sind, besitzt in Aadorf am westlichen
Era =
Parkeingang zwei 10 m hohe Vertreter, die Stacheln tragen,
während die Nebenblätter bei dieser Art gewöhnlich nicht
stachelig sind. Desgleichen fehlen die Stacheln bei der
borstigen Robinie, R. hispida L., deren Triebe mit roten
Borsten besetzt mil (Frauenfeld n mehreren Gärten, als
Strauch oder kleiner Hochstamm).
Aus der tropischen Familie der Simarubaceen ist ein
ostasiatischer Angehöriger zu uns gekommen, der Götter-
baum, Avlanthus glandulösa Desfontaines. Er gleicht mit
seinen großen Fiederblättern auf Distanz dem Schwarznuß-
baum; doch erkennt man ihn leicht am unangenehmen Geruch
des Laubes, sowie an den roten Drüsen, die sich auf 1—3
Randzähnen am Grunde jedes Fiederblättchens befinden. Junge
Bäume machen bis 3 m lange Jahrestriebe (Müllberg) und
tragen riesige bis 1 m lange Blätter mit 41 und mehr
Fiederblättehen. Der Götterbaum ist entweder männlich oder
zwitterig; für den Garten sind die Zwitter zu empfehlen, da -
die in großen Büscheln vereinigten Flügelfrüchte, wenn sie
im Spätsommer rot überlaufen sind, eine Hauptzierde des
Baumes bilden. In Frauenfeld steht ein kleiner Baum im
Spitalgarten, zwei etwa 14 m hohe am Waldrand im Heeren-
berg. Kleinere bis 8 m hohe Exemplare sieht man ferner
in der alten Baumschule Bischofszell, in Moosburg und Feld-
bach. Größere bis 18 m hohe Bäume fand ich im Aadorfer
Park, in Dießenhofen (Unterhof), in Müllheim am Dorfausgang
gegen Lamperswil, in Müllberg, „Bellevue“ Kreuzlingen,
Irrenanstalt Münsterlingen, in Arbon beim Schloßturm. Wohl
der schönste Ailanthus im Thurgau ist der 20 m hohe Baum
im „Lindenhof“ Dießenhofen; sein glatter, weißgrauer Stamm
mißt bis zu den ersten Aesten 8 m.
Die Ahorngewächse, Aceraceen, haben schon in unserm
Wald drei ansehnliche Vertreter; dazu kommen im Garten
noch einige Ausländer. Einer der kleinsten ist der man-
dsehurische Ahorn, Acer ginnala Maximowiez, der 6m
hoch wird, aber in eaenold (Kappeler-Ammann) schon bei
2m Höhe über und über mit Früchten beladen ist. Seine
Blätter sind dreilappig; der mittlere Lappen ist viel länger
und breiter als die Seitenlappen. Der allbekannte Bergahorn,
A.pseudoplatanus L., erreicht z. B. in Lilienberg 20 m Höhe.
Er findet sich in Anlagen häufig als f. purpurdscens mit roter
a Ta 2
Blattunterseite (in Frauenfeld z. B. beim Retiro und an der
Grabenstraße), oder mit weiß oder gelb panaschierten Blättern.
"Ebenso formenreich ist der japanische Fächerahorn, A. pal-
matum Thunberg, ein überaus feiner und zierlicher Garten-
schmuck. Seine 7—11lappigen, sehr tief geteilten Blätter
sind grün bis dunkelrot; bisweilen sind die Lappen noch
einmal zerschnitten (f. palmatifidum, z. B. in Tänikon). Unsere
Bäumchen, die 6 m erreichen können, sind gewöhnlich nur
1—2 m hoch; man findet sie z. B. in Frauenfeld in ver-
schiedenen Gärten. Der Fächerahorn wächst schwer an,
kommt aber noch auf feuchtem Boden, ebenso wie der Berg-
ahorn. In Kanada und den Vereinigten Staaten bis zum
Felsengebirge hat der Eschenahorn, A. negundo L., seine
Heimat, der mit seinen drei- oder fünfzählig gefiederten
Blättern an eine Esche erinnert. Er ist häufig in Anlagen;
doch nur als kleinerer oder mittlerer Baum; 40 jährige Bäume
in Breitenstein und Lilienberg sind 12 m hoch. In kleinern
Gärten liebt man eine schwachwüchsige, weißblättrige Abart,
die auf breite, rundliche Krone geschnitten wird. Der Feld-
_ ahorn, A. campestre, hat seine Stelle in großen Landschafts-
gärten. So steht bei Sandegg ein 8 m hoher Baum, in Aadorf
sogar einer von 14 m. Vermutlich kommt auch der stumpf-
blättrige Ahorn, A. obtusatum W. & K., bei uns vor, der
in Zürich schon große Bäume aufweist; sein Blatt gleicht
‘dem des Bergahorns, die Lappen sind aber stumpflich und
breiter. Nicht gerade selten ist der Spitzahorn, A. platanoides
L., besonders in der Abart f. Schwedleri = coloratum rubrum
Pax, die an jungen Zweigen dunkelrote Blätter trägt. Diese
Form sieht man z.B. in mehreren mittelgroßen Exemplaren
bei der Kirche Amriswil. Ein einziges Mal habe ich den
pennsylvanischen Ahorn, A. Pennsylwanicum L., getroffen,
dessen plumpes Blatt am Ende drei kurze Lappen trägt. Ein
etwa 10 m hoher Baum steht im Garten des „Kaufhauses“
Hauptwil.
In demselben Garten ist die Familie der Hippocastana-
ceen durch einen ehrwürdigen 250 jährigen Baum vertreten,
ich meine die mächtige weiße Roßkastanie, Aesculus
hippocastanum L., von der bereits in der Einleitung die Rede
war. Bekanntlich ist die weißblühende Kastanie bei uns
allgemein verbreitet, ebenso wie die rotblühende A. carnea
Bee
Hayne, die etwas kleiner bleibt. Diese letztere gilt übrigens
als ein Bastard zwischen A. hippocastanum > pdvia. Hippo- &
kastanum hat seine Heimat auf dem Balkan, die rotblühende
Pavia, die nur 8 m hoch wird, in den mittleren Vereinigten
Staaten. Vermutlich kommt Pavia hie und da auch in reiner -
Art vor. Ein anderer Amerikaner, diesmal aus den atlantischen
Südstaaten, ist die gelbe Pavie, A. octdndra Marsh. So heißt
der schöne, gelblich blühende, gegen 100 Jahre alte Baum,
der sich als Sehenswürdigkeit vor der alten Kirche Romans-
horn erhebt. Aus derselben Sippe gibt es noch einen schönem
Strauch, die Aehrenpavie, A. parviflöora Walter, der hier
neben seinen größern Verwandten Erwähnung finden mag.
Die weißen Blüten erscheinen im Juli in langer, schmaler
Rispe und sind nicht so dekorativ: wie die weißen und roten
Kerzen der andern Arten. Dagegen dürfte das elegante Blatt
ein vorzügliches Motiv für das Kunstgewerbe bilden. Auf
einem langen, an der Sonne rot angelaufenen Stiel wiegen
sich die fünf ebenfalls gestielten Blättchen; sie sind so fein
gesägt, daß ihr Umriß als eine einfache, geschwungene Linie
erscheint, die eine verkehrt-eilängliche Spreite umschließt. Diesen
Strauch, der höchstens 4 m hoch wird, haben der Aadorfer Park,
der Pfarrgarten von Aawangen, der botanische Garten Frauen-
feld, der Garten von Dr. Guhl in Steckborn, die städtischen
Anlagen zu Arbon, der Garten von Frau Major Brunnschweiler
in Hauptwil usw.
Die Linden gehören in die Familie der Tiliaceen. Die-
'jenigen Arten, deren Blattunterseite weißfilzig ist, werden
als Silberlinden bezeichnet. Eine ganze Allee von 50 Silber-
linden besitzt Frau Major Brunnschweiler in Hauptwil in
ihrem Garten. Nach der Form ihres Nüßchens lassen sich
die ungarische und die amerikanische Silberlinde unterscheiden.
Die ungarische Silberlinde, Tilia tomentösa Moench, hat
eine runde, ungefurchte Frucht mit fünf feinen, erhabenen
Linien. Zu dieser Art gehören in Frauenfeld die Linden im
Spitalgarten und ein 18 m hoher, prächtig geformter Baum in
Oberkirch. Bei der amerikanischen Silberlinde, 7. alba
Aiton, dagegen ist das Nüßchen durch fünf Furchen seicht
fünflappig. Sie ist vertreten z. B. in der „Friedau*“ Frauenfeld
und in Müllberg, beiderorts in stattlichen Exemplaren. Sie
stammt aus den nördlichen und mittleren Vereinigten Staaten.
h
Weiter südlich, von New York bis Florida, hat die weich-
_ haarige male, T. pubescens Aiton, ihre Se Ein solcher
v
Baum ziert den rien Wartmann nee dem Bahnhof Wein-
felden. Alle die genannten Linden und auch die noch zu
nennenden einheimischen Arten haben schief herzförmige
: Blätter; dagegen sind die Blätter der Schwarzlinde, T.
Ameriedna L., gleichseitig herzförmig; sie ist in Kanada und
in der Union östlich von der Prärie zu Hause. Diesen Baum
glaube ich im Arboner Stadtpark gefunden zu haben. Unsere
beiden einheimischen Linden sind leicht zu unterscheiden,
bilden aber einen Bastard, dessen Merkmale schwanken. Die
_ Sommerlinde, 7. platyphyjlia Scopoli, hat weichhaarige
_ Blätter«mit grauen Bärten in den Nervenwinkeln der hell-
grünen Unterseite. Die Blütenstände sind 2—5blütig. Die
- Winterlinde, T. cordata Miller, hat ein oben glattes Blatt,
auf dessen blaugrüner Unterseite rostrote „Aderbärte* sitzen;
die Blüten sind zu 5—11 angeordnet. Große Bäume der
letzten Art sind z. B. die beiden 60 jährigen Bäume neben
der Karthause Ittingen (20 m hoch), vier Stück im Gottlieber
Park (18 m), die Linde in der „Valdivia* Dozwil (18 m).
Sommerlinden sind die prächtige Klosterlinde von St. Katha-
rinenthal, die Gerichtslinde beim Schloß Hard, die Gerichts-
_ linde in Gottlieben, zwei Bäume von den „drei Linden“ in
Bischofszell, die uralte Dorflinde in Roggwil.
Die Familie der Araliaceen ist bei uns durch den Efeu
und außerdem durch einen kleinen Baum vertreten, die .
_ ehinesische Aralia, Ardlia Chinensis L. Der Stamm dieser
Aralie ist hellgrau; die Zweige und sogar die Spindeln der
doppelt gefiederten Blätter sind stachlig. Die Hauptzierde des
_ Baumes sind die großen bis 1 m langen Blätter; in der
EEE. SEE EHEN, , OD BERN
4
zweiten Hälfte August erscheinen die kleinen, weißen Blüten
in mächtigen Rispen. Ich habe die chinesische Aralie in
Frauenfeld bei Fabrikant Steinhäuser, in zwei Gärten zu
Müllheim, bei der Schuhfabrik Wigoltingen, in Müllberg und
in Kreuzlingen gefunden. Das ansehnlichste Exemplar steht
neben der Wirtschaft zum Heidenhaus. Es hat 12 cm Stamm-
durchmesser und 3 m Höhe bei einem Alter von über 20
Jahren und verträgt das Klima von 700 m Meereshöhe gut.
Dagegen gibt es im Thurgau, wie es scheint, keine
Ebenaceen mehr. Schröter erwähnt im Jahr 1902 in
A /
der „Vegetation des Bodensees“, II. Teil; Seite 83, eine
Dattelpflaume, Deospyros Kaki L., die in Romanshorn
gestanden hätte. Nach freundlicher Mitteilung von Herrn
Sekundarlehrer Bach ist dort nichts mehr von einem solchen
Baum bekannt.
Unsere Esche, Fraxinus exeelsior L., die zu den Oleaceen
gehört, ist im allgemeinen wegen ihrer weitausreichenden
Wurzeln im Parke nicht beliebt; doch findet sie sich in
großen Landschaftsgärten. Im Februar 1913 wurde auf der
Höhe von Kastel eine 220jährige Riesenesche gefällt, deren
Stamm bis zur Gabelung 7,5 m maß, unten 1,40 und oben
1,15 m diek.war und über 200 Zentner wog. Die gemeine
Esche blüht ohne Blumenblätter; es gibt aber einige Spezies
ihrer Gattung, die im Frühjahr weiße Blüten entfalten. Die
gemeine Blumenesche, Fr. ornus L., ist ein kleiner Baum,
der sich auch außerhalb seiner Blüte im Mai von der wilden
Esche durch die Zahl der Fiederblättehen (ornus 7, excelsior
11) und die Farbe der Knospen (ornus silbergrau, excelsior
schwarz) unterscheidet. Eine 3 m hohe Blumenesche steht
neben Schloß Kastel, eine 5 m hohe, die von Gröpelingen
bei Bremen in den Thurgau gebracht wurde, bei Brunnegg,
Emmishofen.
Nicht ganz leicht zu unterscheiden, wenn nicht Blüten
oder Früchte einen Fingerzeig geben, sind die Paulownia,
ein japanischer Baum aus der Familie der Scerophulariaceen
und die Trompetenbäume aus der Familie der Bignoniaceen.
Die Paulownia, Paulöwnia tomentösa K. Koch, hat tief
herzförmige Blätter, an denen sich bisweilen 3—5 Ecken
bilden. Die im Mai erscheinenden Blüten sind bläulichrosa;
die Frucht ist eine elliptische Kapsel. Indessen fallen die
Blütenknospen, die sich schon im August bilden, meist den
Spätfrösten zum Opfer; die Winterkälte schadet ihnen weniger.
Das Frühjahr 1917 war infolgedessen eher günstig. Zwei
5 und 6 m hohe Paulownien vor dem Hotel „Seeburg“ in
Arbon haben geblüht, ebenso zwei schöne 20 m hohe Bäume
in der „Bellevue“ Kreuzlingen. Dagegen kam ein 12 m hoher
Baum in Brunnegg nicht zum Blühen, und eine Paulownia in
Gaienhofen soll seit 1911 nicht mehr Blüten angesetzt haben.
Ebenso wenig haben vier 5m hohe Bäume in Frauenfeld
und in Eschlikon geblüht. Man hält dieses Gewächs auch
etwa als Blattpflanze. Es wird in den Gärten von Dr. Altwegg
"und Direktor Züst, Frauenfeld, bis nahe an die Erde abgeschnitten
und treibt an 3m ons Schößlinge mit ungeheuren
Blättern.
Der gemeine Trompetenbaum, Ontälpa bignomioides
Walter, hat seicht herzförmige, bisweilen mit Ecken versehene,
etwas übelriechende Blätter. Seine weißen Blüten erscheinen
in der zweiten Hälfte Juli; die Frucht ist eine bohnenartig
langgestreckte, walzliche Kapsel wie bei allen Catalpen. Er
wird nur etwa 10 m hoch. Blühende Bäume sah ich in Feld-
bach, in Eugensberg, beim Schloß Hard (8 m hoch), bei der
- „Bellevue“ Kreuzlingen (6 m), zwei Stück in der „Blumenau“
Uttwil 8 m), im „Scherbenhof“ Weinfelden (10 m), in der
„Friedau“ Frauenfeld (7 m), etwas kleinere zu Amriswil im
Kindergarten, bei Herrn Ammann und bei der „Tonhalle.“
Zu derselben Art gehören die geköpften Bäume bei der
Mädchenturnhalle und in mehreren Garten in Frauenfeld.
. Der gemeine Trompetenbaum ist in den östlichen Vereinigten
Staaten von Illinois an südwärts zu Hause. Nur in Illinois
und in Ohio gedeiht im wilden Zustand der prächtige
Trompetenbaum, (. speciösa Warder. Seine Blätter haben
keinen besondern Geruch und sind tiefer herzförmig, so daß
er leicht mit Paulownia zu verwechseln ist. Die .weißen
' Blüten erscheinen schon Ende Mai. Ein solcher Baum steht
am Hafen von Arbon; dahin gehört wohl auch das geköpfte
Exemplar an der Mauer des alten Friedhofs in Ermatingen.
Außerdem haben wir noch den japanischen Trompeten-
baum, C. ovata G. Don, der im Juli gelblich blüht. Seine
Blätter tragen unterseits in fast allen Nervenwinkeln violette
Flecke. Eine japanische Catalpa bei der Schuhfabrik Wigol-
tingen hat diesen Sommer reichlich Blüten angesetzt.
2. Ziersträucher.
Da die Sträucher viel weniger seßhafte Bewohner unserer
Gärten sind als die Bäume, so begnüge ich mich damit, die-
jenigen Arten, die ich nur einmal fand, die vielleicht schon im
nächsten Jahre wieder verschwinden, ohne Beschreibung, nur
mit Namen anzuführen. Ein großer Teil der Sträucher werden
_ ihrer Blüten wegen gehalten; ich versuche deshalb, sie ungefähr
in der Reihenfolge ihres Aufblühens anzuordnen und hoffe
SERIE ES
dadurch zu ermöglichen, daß häufigere Pflanzen nach meinen
Angaben erkannt werden können. Auch erleichtert es viel-
leicht diesem oder jenem Gartenbesitzer, der den ganzen
Frühling und Sommer über blühende Sträucher haben möchte,
die Auswahl seiner Pflanzen. Es ist selbstverständlich, daß
meine Liste bei diesen kleinern Gewächsen noch weniger
Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann als bei den
Bäumen. Ebenso wird man mit meiner Abgrenzung zwischen
Bäumen und Sträuchern nicht zu strenge ins Gericht gehen;
denn es gibt eine Menge Holzgewächse, die hochstämmig und
strauchig wachsen; anderseits erschien es mir bei einigen
Straucharten der Familien Magnolia, Prunus, Aesculus, Acer
usw., deren meiste Vertreter bei uns als Bäume auftreten,
geboten, sie gleich bei ihrer Gattung oder Familie unter den
Bäumen zu erwähnen. Es sei nun also sozusagen ein Blüten-
kalender für die Sträucher eines thurgauischen Ziergartens
aufgestellt.
Februar. Das Blütenjahr beginnt in milden Wintern schon
um die Neujahrszeit, gewöhnlich aber Ende Februar, wenn
nämlich die Haselsträucher aus der Familie der Salieaceen
ihre schon anfangs August gebildeten Kätzchen ausstäuben
lassen, worauf bald aus dieken Knospen die weiblichen Blüten
als kleine, rote Federchen hervorkrechen. Die Haselnuß
unserer Gebüsche, Cörylus Abelläna‘ L., erscheint auch im
Garten, und zwar teils in der Stammform, teils mit eigen-
tümlich grobgezähnten Blättern, die an Nesseln erinnern. Die
Abart wird daher als urtieifolia bezeichnet (z.B. Frauenfeld am
Algisserfußweg; Amriswil, Garten Ammann; Arbon, städtische
Anlagen; Kreuzlingen, Colomba). Meistens aber hält man im
Garten die südeuropäische Lambertsnuß, C. maxima Miller,
deren Frucht an Größe die Waldhaselnuß übertrifft und in
eine lange, grüne Becherhülle vollständig eingeschlossen ist,
während die Waldhaselnuß herausschaut. Eine rotblättrige
Abart (purpürea) der Lambertshasel gilt als besonders trag-
freudig, hat aber etwas kleinere Nüsse. Die auffallend große
Webbnuß unserer Gärten, bei der die Zipfel der grünen
1 Die Haselnuß heißt bei Plınius und andern lateinischen Schrift-
stellern nux Abellana, sie selber oder der Strauch Abellana, nach
der kampanischen Stadt Abella; die Schreibart Abellana ist also
richtiger als das übliche Avellana.
ER
Hülle die Frucht von oben noch sehen lassen, ist vermutlich
eine veredelte Waldhaselnuß.
Gleichfalls schon im Februar oder anfangs März blüht
der portugiesische Lorbeer, Vibürnum tinus L., ein süd-
europäischer Strauch aus der Familie der Period, mit
rötlichen Trugdolden. Er gilt bei uns als nicht winterhart;
_ doch habe ich ihn vielfach am Neuenburger- und Genfersee
gesehen, und sogar auf der Mainau hält er aus und trägt
keimfähige Früchte. Es ist daher vielleicht doch nicht ganz
Sn wenn man versuchsweise in Eugensberg am Teich
im Sehatten hoher Bäume einige Tinussträucher gepflanzt hat.
März. Den ersten Farbenton in den noch winter-
lichen @arten bringt schon im März der bekannte Seidelbast
_ oder Kellerhals, Daphne Mezereum L., mit seinen hellpurpurnen
Blüten. Dieser Strauch aus der Familie der Thymelaeaceen
erreicht im Garten, wo er nicht fortwährend wie im Walde
durch das Abreißen seiner Zweige geschädigt wird, eine
Höhe von 1 m und darüber. Aus derselben Familie wird in
Eugensberg noch der flaumige Seidelbast, D. cneörum L.,
_ gehalten; er öffnet seine rosa Blüten im Mai. Ebenfalls schon
im März sehen wir einen Strauch oder kleinen Baum sich
mit kleinen, zitronengelben, doldig angeordneten Blüten be-
decken. Dieser gelbe Schimmer verrät den im Sommer
wenig beachteten Kornelkirschbaum, die Dürlitze, Oornus
mas L., bei uns „Tierlibaum“ genannt, aus der Familie der
Cornaceen. Erst im September reifen seine roten, säuerlichen
Steinfrüchte, „Tierli*, von denen es auch eine weißgelbe
Abart gibt (Aadorf, Berg, Dießenhofen). Die größten Kornel-
kirschbäume erreichen etwa 5-6 m Höhe, z. B. beim Schloß
Gaehnang, in Aadorf, Hauptwil (Kaufhaus), Müllberg, Hard.
In der Gegend von Iltishausen sollen verwilderte Dürlitzen im
Walde vorkommen. Ueber die Weiden vergleiche Seite 23.
April. Schon reicher ist die Strauchblüte im zweiten
Frühlingsmonat. Zunächst seien einige immergrüne Pflanzen
genannt, die in diesem Monat ihre wenig auffallenden Blüten
öffnen. Da ist der Mäusedorn, Ruscus aculedtus L., aus
der Familie der Liliaceen, dessen Zweige man aus Kränzen
kennt. Die kleinen Blüten stehen mitten auf steifen, stachel-
spitzigen, dunkelgrünen „Blättern“, die deshalb richtiger
als Zweige, „Phyllokladien“ aufgefaßt werden. Ein solches
BES ENER EN
Sträuehlein gedeiht seit Jahren im botanischen Garten der
Kantonsschule. Schon im untern Tessin trifft man den Ruscus
im Buschwald. Ferner blüht um diese Zeit der allbekannte
Buchs, Buxus sempervirens L., Familie der Buxaceen. In der
Westschweiz wird er wild gefunden. Er kommt bei uns als
niedere Beeteinfassung, var. suffruticosa L., vor, wie als höherer
Strauch. Durch Beschneiden kann man aus ihm allerhand
Figuren herstellen, wie es z. B. in Eugensberg mit viel
Phantasie geschehen ist. Bisweilen hat er panaschierte Blätter
mit weißem oder gelblichem Rand (Frauenfeld, Spitalgarten).
Immergrün sind ferner eine Anzahl Gewächse aus der Familie
der Berberidaceen. Eine hieher gehörige Gattung mit ge-
fiederten Blättern führt den Namen Mahonia. Da gibt es
eine japanische Mahonie, Mahönia Japönica D.C., die im
April ihre gelben Blüten entfaltet. Sie trägt starre, gelb-
grüne Fiederblättehen mit sechs bis acht kräftigen Stacheln und
bildet freistehend ansehnliche, diehte Büsche von 2 m Höhe.
Ebenso häufig ist ihre Verwandte von der andern Seite des
Stillen Ozeans, die aus Kalifornien und seinen nördlichen
Grenzländern stammende glanzblättrige Mahonie, M. aqwi-
folkum Nutt., deren gelbe Blüten Ende April erscheinen; oft
sieht man sodann im Sommer ihre blaubereiften Beeren. Die
Fiederblättchen sind oben glänzend dunkelgrün und feiner
'gezähnt. Diese Mahonie hat allenthalben unter dem Winter
1916,17 und namentlich unter der Februarsonne schwer
gelitten.
Jetzt regen sich auch die sommergrünen Gewächse. Immer
noch als Vorläufer des allgemeinen Blühens entfalten die nach
einem englischen Botäniker Forsyth benannten chinesischen
Forsythien ihre üppige, goldene Pracht. Sie gehören in die
Familie der Oleaceen und finden sich in den Gärten in zwei
Arten. Die schönere davon ist unstreitig die hängende
Forsythie, Forsyjthia suspensa Nahl. Bei ihr brechen die
vierzipfligen, goldgelben Glocken mehrere Tage vor den
Blättern hervor, und zwar in überraschender Fülle. Zu dieser
Art gehören die kräftigen Sträucher in einem Garten neben
der Kantonsschule, die in jedem Frühjahr das Entzücken
aller Vorbeigehenden bilden. Weniger effektvoll, weil zugleich
mit dem Laub und etwas weniger zahlreich erscheinend, sind
die Blüten der dunkelgrünen Forsythie, F. vöridissima
' Lindley. Ihre Blätter bleiben stets einfach, lanzettlich und
_ färben sich vor dem späten Laubfall weinrot, während die
_ andere Art teilweise dreizählige Sommerblätter treibt. Eine
- dritte Art, F. Europaca Deg. & Bald., stammt aus den
albanischen Bergen; sie gedeiht bei uns auch gut und wird
_ im botanischen Garten der Kantonsschule gehalten, reicht
‚aber an Zierwert nicht an F. suspensa heran.
Gleich nach den Forsythien öffnen die zu den Saxifragaceen
gehörigen Zierjohannisbeeren ihre Blüten- und Blattknospen.
Die rotblütige Johannisbeere, Ribes sangwineum Pursh,
hänst tiefrote, vielblütige sn nlen aus; Früchte on
sie meist Rdn, an. Merkwürdigerweise enthält dieser und
jener Gaeten auch die Alpenjohannisbeere, Ribes Alpinum:-
L., obschon ihre zweihäusigen Blüten ganz unscheinbar sind
und auch die schwach glänzenden Blätter keinen hervorragenden
Zierwert haben. Etwa 14 Tage nach diesen beiden Arten blüht
die Goldtraube, R. aureum Pursh, deren goldgelbe Glocken
in wenigblütigen Trauben vereinigt sind. Selten trifft man
ihre glänzend schwarzen Beeren; mir sind sie nur im Garten
der Irrenanstalt Münsterlingen begegnet. Ribes aureum dient
als Unterlage für Stachel- und Johannisbeerhochstämme; oft
sieht man am Fuße dieses Beerenobstes die glatten Blätter
der Goldtraube austreiben. Ribes sanguineum und aureum bilden
‚ einen Bastard, R. Gordonidnum Lemaire, dessen Blüte die
rote und die gelbe Farbe nebeneinander aufweist. Die rot-
blühende wie die gelbblühende Johannisbeere stammen aus
Kalifornien.
Unterdessen erscheinen die ersten Rosenblütler auf dem Plan
mit ihren zierlichen weißen Dolden. Es ist dies Thunbergs
Spierstrauch, Spiraea Thunbergi Siebold, der grasgrüne,
schmale Blätter trägt und in Frauenfeld recht häufig ist,
während der egleichzeitig blühende pflaumenblättrige
Spierstrauch, Sp. prunifölia 8. & Z., mit ovalen, fein ge-
zähnten Blättern, etwas weniger verbreitet ist und in Frauen-
feld z.B. im Schloßgarten und bei Prof. Büeler steht. Sonst
habe ich ihn z.B. in Hauptwil, Bischofszell, Amriswil und
beim Heidenhaus (700 m ü. M.) gesehen. Bi Sträucher
stammen aus Japan; Sp. pr unifolia ist bei uns immer gefüllt.
In Eugensberg habe ich außerdem noch einen Bastard, Sp.
arguta Zabel = Sp. Thunbergi X multiflöora gefunden.
N En 7
Von einheimischen Holzgewächsen blüht jetzt im Garten 2
die Sehneeheide, Erica cdrnea L., aus der Familie der
Erieaceen. In den Alpen öffnet sie ihre tiefroten Glöckchen
erst einen Monat später. Eine Verwandte von ihr, E. multi-
caülis Salisbury, die steife Heide, aus Südeuropa, dagegen
blüht erst vom Juli an. Beide finden sich gelegentlich in
Steingruppen. Auch der gemeine Sanddorn, Hippöphaes
rhamnoides L., aus der Familie der Elaeagnaceen, ein Be-
wohner der Flußufer, z. B. längs des Rheins oberhalb des
Bodensees, setzt jetzt schon seine unscheinbaren, zweihäusigen
Blüten auf. Er ist leicht kenntlich an seinen schmalen, grauen
Blättern, zwischen denen Dornen hervorragen. Seine Haupt-
zierde sind die gelbroten Beeren, die an weiblichen Exemplaren
im Spätsommer oft in großen Mengen sitzen. Ein ungewöhnlich
hoher Sanddorn (6—7 m) im Kleinkindergarten zu Frauen-
feld trägt nur vereinzelte Beeren, vielleicht weil die nächste
männliche Pflanze zu weit entfernt ist. In dieselbe Familie
gehört die Silberölweide, Hlaedgnus argentea Pursh, die
ebenfalls durch ihr silbergraues Kleid auffällt. Ihre Biütezeit
fällt in den Juni. Man findet diesen Gast aus den Nord-
staaten der Union in Frauenfeld in den Gärten zur „Meise“
und zur „Erika.“
Mai: Nun beginnt der Wonnemonat, und die Blütenpracht
erreicht ihren Höhepunkt. Zu dem, was schon die letzten
Tage April gebracht haben, treten neue rote, weiße, gelbe und
violette Farbentöne. Einen Haupteffekt in der Maienherrlich-
keit machen die Tamarisken aus der Familie der Tamaricaceen.
Es sind bis 3 m hoch werdende Sträucher mit überaus duftigen,
feinen Zweigen und Zweiglein, an denen nur ganz schuppen-
artig kleine Blätter sitzen. Die zierliche Verästelung erinnert
an Spargelkraut. Die viermännige Tamariske, Tamarix
teträndra Pallas, aus Südosteuropa, treibt im Mai zahlreiche,
fleischrote Blütenähren, deren winzige Einzelblüten vierzählig
sind. In Frauenfeld ist es besonders eine Gruppe von drei
Tamarisken an der Ringstraße, die in jedem Mai die Blicke
auf sich zieht. Eine zweite Art, aus Südfrankreich, die fünf-
männige Tamariske, T. Gaällica L., unterscheidet sich von
der ersten bei genauem Zusehen durch fünfzählige Blütchen,
und namentlich dadurch, daß sie dieselben etwas spärlicher
als die Verwandte aus dem Balkan und erst im August
SZ 0
öffnet (in Frauenfeld bei Kappeler-Stierlin, Redaktor Huber
und sonst).
Es folgt die dufterfüllte Zeit, wo der Flieder blüht. Von
diesem Strauch, der zu den Oleaceen gehört, haben wir etwa
- fünf Arten. Der persische Flieder, Syringa Persica L., hat
schmal-herzförmige, am Grunde nicht ausgebuchtete Blätter.
‚Seine zahlreichen Büsche waren um den 20. Mai 1917 so
überreich mit den leichten, lilafarbenen Blütenrispen besetzt,
daß man die Blätter nicht mehr sah. Breiter und am Stiel-
ansatz etwas ausgebuchtet sind die Blätter des gemeinen
Flieders, $. vulgaris, der aus Südosteuropa stammt. Seine
Blüten sind weniger zahlreich und verblassen bald. Man zieht
ihm daher vielfach den chinesischen Flieder, $. Ohinensis
Willd., vor, der noch größere Blätter und schwerere, intensiver
gefärbte weiße oder dunkelviolette Blütenrispen trägt. Er ist
wahrscheinlich ein Bastard der vorgenannten Arten. Etwa zwei
Wochen später blühen zwei Fliederarten, deren elliptisches,
etwas runzeliges Blatt den Flieder nicht ohne weiteres er-
kennen ließe, wenn nicht die Blüten, diesmal in locker
zusammengesetzten Rispen, sich als Fliederblüten präsentierten.
Es sind der Emodiflieder, $. Emödi Wallich, aus dem
Himalaya, und der Josikaflieder, S. Josikaeca Jacquin fil.,
aus Siebenbürgen. Bei jenem sitzen die Staubblätter tiefer in
der Röhre, aber noch über ihrer Mitte, bei diesem oben am
Schlunde; sonst sind die Sträucher sehr ähnlich. Außerdem
steht im botanischen Garten noch der japanische Flieder,
S. Japönica Dene., und der zottige Flieder, 8. villosa Vahl.
Kaum ist das erste Lila der Fliederbüsche da, so beginnt
der den Leguminosen angehörige, südeuropäische Goldregen,
Laburnum vulgare Grisebach, seine üppigen, goldgelben
Trauben auszuhängen. Er wird als Strauch oder häufiger als
kleiner Baum gezogen; ausgiebige Verwendung hat er in
dem schon genannten Laubengang von Eugensberg erhalten,
siehe Seite 35. Einen Platz im Garten möchte man auch
einem Verwandten von ihm gönnen, dem purpurnen Geiß-
klee, Oytisus purpüreus Scopoli, der im botanischen Garten
in Frauenfeld gut gedeiht und in der zweiten Hälfte Mai
schön blüht. Auch der Besenginster, (. scoparius Link,
öffnet jetzt seine gelben Blüten. Oft mit dem Goldregen
verwechselt wird der Erbsenstrauch, Caragana arborescens
EURE EN
Lamarck, obwohl an ihm die gelben Blüten nicht Trauben
bilden, sondern zu 1—3 zwischen den paarig gefiederten Blättern
stehen. Dieser schöne Gartenschmuck kommt aus Sibirien.
Läßt man ihn strauchig frei wachsen, so wird er 6 m hoch,
z. B. in Breitenstein; gewöhnlich aber ist er ein kleiner, etwa
2 m hoher Hochstamm mit hängenden Aesten, z. B. hinter
dem Spital in Frauenfeld, auf dem Friedhof Aawangen und
sonst sehr häufig in Gärten und auf Gräbern. Auffallend ist
das starke Dickenwachstum dieser Stämmechen; während die
Krone manchmal nicht größer ist als die eines tüchtigen
Rosenstocks, erreicht der Stamm einen Durchmesser von 1 dm
und darüber. Noch eine Leguminose ist die strauchige
Kronwicke, Coronilla emerus L., die bei Glarisegg wild
wächst, aber wegen ihrer gelben, zu 1—3 stehenden Blüten
gerne auch im Garten gehalten wird. Ihre gefiederten Blätter
haben gewöhnlich 7 Blättehen, die von Caragana 8 oder 10.
Gleichzeitig mit diesen Schmetterlingsblütlern erfreuen eine
Anzahl Caprifoliaceen unser Auge. Schon ganz zu Anfang des
Monats blüht der Waldholunder, Sambueus racemösa L., der
freilich weniger wegen der grünlichen, kugelig angeordneten
Blüten als wegen der vom Hochsommer an auffallenden roten
Beeren gehalten wird. Zwei Formen des Waldholunders mit
scharf gesägten oder fiederschnittigen Blättchen, f. serrata und
lacinidta, werden als Blattpflanzen behandelt, indem man
die Triebe jeden Herbst bis zum Boden abschneidet, worauf
im Frühjahr neue üppige Schößlinge erscheinen (Windegg,
Frauenfeld). Der ebenfalls bei uns wild wachsende kleine
Mehlbaum, Vibürnum lantana L., erreicht in den günstigen
Verhältnissen des Gartens eine Höhe von 6 m („Blumenau*®
Uttwil). Auffallender sind seine Verwandten, die kanadische
Schlinge, V.lentago L., die im botanischen Garten seit
vielen Jahren ganz gut gedeiht, und namentlich der allgemein
verbreitete Schneeball, V. opulus L., var. roseum L. Der
wilde Schneeball hat im Wald an seinen Doldenrispen ver-
größerte, unfruchtbare Randblüten und kleinere, fruchtbare
Mittelblüten; an der Gartenform sind alle Blüten unfruchtbar
und bilden eine erst grünliche, dann weiße Kugel. Aus Japan
und China stammt die filzige Schlinge, V. tomentosum
Thunberg, mit etwas runzeligen Blättern; die weiße Blüten-
dolde ist flach und setzt in der Mitte Beeren an (Brüschwil,
RAIN
- Hamisfeld, Garten von Dr. Guhl in Steckborn). In einer Garten-
form, f. Bon Maxim. = f. plenum Rehder, setzt diese Schlinge
ebentalls runde Schneeballen an, und zwar schon an 1 m hohen
Sträuchern. Ich habe den schönen Busch in Frauenfeld in den
Gärten Huber-Albrecht und Kappeler-Ammann, und nament-
lich zahlreich in Eugensberg gesehen.. Zu den Caprifoliaceen
gehört außerdem die Gättung Lonicera, wovon im Mai das
Heckengeißblatt, Z. xylösteum L:, mit -gelblichweißen
, Zwillingsblüten und die tatarische Heckenkirsche, ZL.
Iberiea Marschall Bieberstein, die in Südostrußland und Sibirien
einheimisch ist, mit rosenroten Blüten ins Auge fällt. Noch
häufiger als diese Decksträucher sind die reizenden Weigelien,
_ von denen namentlich eine Art, Diervilla florida 8. & Z., in
vielen Arten mit weißen oder ‚rosenroten Blüten von Ende
Mai an jeden Garten schmückt. Bisweilen haben die A
weiß oder gelb panaschierte Blätter.
‚Aus der Familie der Rosaceen sind es besonders Me
Obstbäume, die im Mai jedes Auge erfreuen, und ihre nächsten
‘Verwandten, darunter die schon erwähnte Mandelaprikose,
Primus triloba Lindley, Seite 33, die Zieräpfel, Malus, Seite 32
und das japanische Sträuchlein Ito Sakura, Primus pendula,
Seite 33, sowie die japanische Scheinquitte, Ohaenomeles
Japönica Lindley. Aus den dunkelgrünen Blättern der Schein-
quitte heraus glühen tiefrote Rosenblüten in großer Menge.
Dieser Strauch pflegt quittenartige Früchte anzusetzen, die
_ man im Herbst zu Konfitüre verwenden kann. Jetzt, im August
1917, hat Chaenomeles vielerorts unter Meltau gelitten. Zu
erwähnen sind ferner zwei sehr häufige, weißblühende Spiräen,
die im Charakterbild unserer Gärten eine große Rolle spielen:
Van Houttes Spierstrauch, Spiraea« van Houttei Zabel, ein
Bastard zwischen der nordehinesischen Sp. trölobata L. und der
südehinesischen Sp. Cantoniensis Loureiro, sowie der ehren-
preisblättrige Spierstrauch, Sp. chamaedryfola L., der
‚seinen natürlichen Verbreitungsbezirk von Oesterreich ostwärts
bis Japan hat. Beide tragen reichlich weiße Blüten; doch wird
das reine Weiß bei dem zweiten durch die lang heraus-
ragenden Staubfäden etwas gestört; auch sind die graugrünen,
_ vorn groß gezähnten Blätter von Sp. van Houttei schöner als
die oft etwas gelbgrünen von chamaedryfolia. Ein weiterer
japanischer Gast, die Kerrie, Kerria Japönica D.C., öffnet
4
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ee
in sehr vielen Gärten gegen Ende Mai ihre einfachen oder
gefüllten, gelben Röschen, „spanische Rösli.* Unscheinbarer
sind die Blüten der Cotoneasterarten. Allenthalben auf
Steingruppen sieht man einen niederliegenden Strauch, dessen
lange Zweige die kleinen, elliptischen Blätter an Kurztrieben
in Menge tragen. Sein schönster Schmuck sind die zahlreichen
roten Beeren, die sich fast bis zum Frühling erhalten. Es ist
die niederliegende Zwergmispel, Ootoneaster horizontalis
Decaisne. Sie stammt aus China und blüht im Mai mit kleinen,
roten Becherblüten. Daneben gibt es in vielen Gärten eine
ähnliche, aber aufrechte Pflanze, bei der Blätter und Beeren
linear doppelt so groß sind als bei der niederliegenden Zwerg-
mispel. Blütenbecher und Kelch sind spärlich behaart, aber
reichlich bewimpert; die Blätter sind beiderseits anliegend
gelblich-steifhaarig, ebenso die krautigen Triebe. Blattlänge
11/a—2!/a em. Es ist Simons’ Zwergmispel, (0. Sömönsi
Baker, die vom Himalaya eingeführt worden ist.! Die Blätter
der beiden Sträucher fallen erst im Winter ab und werden
vorher schön rot. Eine weitere Art ist immergrün und blüht
mit weißer, ausgebreiteter Blumenkrone. Es ist die klein-
blättrige Zwergmispel, ©. microphyjlius? Wallich, die aus
dem Himalaya stammt und in Frauenfeld am Teich im Spital-
garten, bei Frau Truninger und bei Prof. Büeler zu sehen
ist. Wenig bekannt ist die schwarze Apfelbeere, Sorbus
(Arönia) melanocarpa Heynhold, ein nordamerikanischer
Strauch, den Dr. Guhl in Steckborn hält.. Er schmückt sich
später mit erst roten, dann schwarzen Beeren.
Weit verbreitet dagegen ist der gemeine Kirsch-
lorbeer, Laurocerasus officinalis Roem.; doch sieht man bei
uns selten die im Mai aufblühenden, aufrechten, weißen
Blütentrauben. Immerhin kommt dieser Strauch gelegentlich
nicht nur am See, sondern auch im innern Thurgau zum
Blühen (Wigoltingen, Berg). Im August werden sodann seine
schwarzen Kirschen reif. Uns ist der Kirschlorbeer wertvoll -
dureh’ seine elliptischen, glänzenden, immergrünen Blätter.
! Die Bestimmung der beiden rotblühenden Cotoneasterarten
verdanke ich Herrn Dr. Thellung in Zürich. Die Beschreibungen
bei Koehne und bei Lehmann sind unzureichend.
2 Ootoneaster ist ein künstlich gebildetes Wort nach Analogie
von oleaster. Da dieses Maskulinum ist, so hat man zu schreiben
microphyllus statt mierophylia !
Uebrigens ist er nicht ganz winterhart; er wird daher zerne
an Hausmauern gepflanzt, wo er vor der Wintermorgensonne
geschützt ist. Im Februar 1917 wurden durch die Sonnen-
wärme, die auf eiskalte Nächte folgte (— 15,8 °), viele Büsche
stark beschädigt, indem Blätter und Zweige erfroren. Der
Kirschlorbeer hat seine Heimat auf der Balkanhalbinsel und.
in Vorderasien bis nach Persien hinein; am härtesten soll
eine Abart aus dem Balkan, die var. Schipkaensis Späth, sein.
Bei uns in Frauenfeld erreicht der Laurocerasus noch nicht
über 2 m Höhe, während ich in Luisenberg ein 10 m breites
und 4 m hohes, freistehendes Massiv gefunden habe.
Einen märchenhaften Glanz aus buntern Zonen bringen
im Mai*die zu den Ericaceen gehörigen Rhododendron-
sträucher. Leider halten sich die exotischen Arten nicht viele
Jahre; auch ist man selten in der Lage, sie in größern
Mengen zu pflanzen, da sie Moorboden verlangen. In Eugens-
berg hat man sie zu Hunderten im Halbschatten der hohen
Bäume eingesetzt und dadurch im Mai 1917 einen Farben-
effekt erzielt, wie er sich erst südlich von den Alpen wieder
findet. Da blühen natürlich auch unsere Alpenrosen, Rhodo-
dendron ferrugineum und hirsutum, die aber neben den aus-
ländischen Vettern klein und bescheiden aussehen. Was da
an immergrünen Arten im Park violette, hochrote, orangerote,
hellgelbe und weiße Farbenflecke bildet, sind fast lauter
Bastarde, die folgenden Arten nahe stehen: Rh. Pönticum L.
(Armenien), hellpurpurn, Rh. maximum L. (Neuengland), rosa,
Rh. Oatawbiense Michaux (atlantische Südstaaten der Union),
violett, Rh. Dahurieum L. (südliches Sibirien), rosa. Sommer-
grün sind Rhododendron Canadense Zabel, rosa oder weiß,
Zeh. molle Miquel, orangerot (aus Japan), Rh. flavum Don,
sattgelb (vom schwarzen Meer), Rh. Kaempferi Planch., orange-
rot (aus Japan). Einen besonders tiefen Eindruck machte mir
ein meterhoher Strauch, der noch blattlos war, vermutlich
Reh. hiteum C.S. Von oben bis unten mit rotgelben, großen
Blüten bedeckt, glich er einer lodernden Flamme, vor der sich
die dunkelgrünen Koniferen in respektvoller Distanz hielten.
Aus derselben Familie schmücken jenen fürstliehen Park noch
der schmalblättrige Berglorbeer, Kalmia angustifoha L.,
und die blütenreiche Andrömeda, A. floribünda Pursh,
ebenfalls Moorpflanzen von der Ostküste der Vereinigten Staaten.
EEE
Noch zwei ‚allgemein bekannte und auffallende Maien-
blüher sind zu nennen. In reichem Weiß prangt anfangs
Mai die zierliche Deutzie, Deutzia gracilis 8. & Z., eine
Saxifragacee. Sie stammt aus Japan und wird nicht ml
1 m hoch. ‚Auf Rasenplätzen sieht man sodann Ende Mai
die strauchartige, Pfingstrose, Paeönia arborescens, ihre
meist gefüllten, rosenroten Blüten entfalten. Ihre Heimat ist
China; in der Systematik hat sie ihren Platz unter den
Ranunculaceen.
Eine Reihe Sträucher haben unscheinbare Blüten; sie zieren
durch ihre Blätter oder noch mehr durch ihre Früchte. Beides
trifft zu bei der Ste chpalme, Tlex aquifolium L., die im Wald
‚als Strauch gedeiht, im Garten aber meist als kleiner Baum
gezogen wird. Es gibt im Winter keinen schönern Garten-
schmuck als ihre immergrünen, glänzenden Blätter, zwischen
denen rote Beeren glühen. . Dieses schöne Gewächs aus der
Familie der Aquifoliaceen hat bisweilen auch panaschierte
Blätter. Im Mai entfalten ferner die Berberitzen aus der
Familie der Berberidaceen ihre gelben Blüten. Unsere heimische
Berberitze, Berberis vulgaris L., ist wegen-der zierlichen,
roten Träubchen, die sie im August schmücken, beliebt; nicht
selten hält man sie in einer rotblättrigen Spielart, var. purpürea.
An fremden Arten habe ich gesehen: Thunbergs Berberitze,
B.ThunbergiD.C., aufKastel undsonst. Siestammtaus Japan;ihre
roten Beeren stehen, im Gegensatz zur gewöhnlichen Berberitze,
einzeln. Die buchsblättrige Berberitze, B. buxifolia Lam.,
mit immergrünen Blättern, die im übrigen der gemeinen Art
gleicht, stammt aus Chile und ist eines der wenigen Geschenke,
die die südliche gemäßigte Zone unserm Park gemacht hat.
Gleichfalls aus Chile stammt der Bastard B. stenophjjlia hort.
oder vielmehr seine beiden Stammeltern 2. Darwini Hooker
und B. empetrifölia Poiret. Der Rand seiner immergrünen
Blätter ist stark eingerollt und gibt ihnen ein nadelartiges
Aussehen; die Früchte beider Chilenen sind blau. 2. stenophylla
findet sich in Frauenfeld bei Redaktor Huber, Hans Gyr,
Kappeler-Ammann usw.
Die Familie der Celastraceen liefert uns das Pfaffen-
hütchen, Fvonymus Europaea L., mit den bekannten, zuletzt
roten Früchten. Hievon wurde im Park von Hard ein älteres
Exemplar gefällt, das nach Mitteilung von Forstassessor
& Marquardt 6—7 m hoch und 25 em. diek war; wegen seiner
ungewöhnlichen Größe erkannte den Baum ans, niemand.
Nicht viel kleiner ist ein 50jähriges Exemplar im botanischen
Garten Frauenfeld. Aus Ostasien kommt der geflügelte
Spindelbaum, E. striata' Loes. = E. alata Koch, (Aadort,
Eugensberg) und namentlich der immergrüne, japanische
Spindelbaum, EZ. Japöniea Thunberg. Dieser hat in Frauen-
feld in: vielen Gärten, wo er nicht nach den Frostnächten
von der Februarsonne beschienen wurde, den Winter 1916/17
ganz gut überstanden, an der Sonne aber stark gelitten. Neben
der grünen, aufrechten Form gibt ‘es noch eine kriechende,
f. radicans, mit meist weiß panaschierteu Blättern. Man ch
sie häufig an Gartenzäunen nicht sehr weit in ‘die Höhe
steigen; Blüten entwickelt sie nicht. In dieselbe Familie 'ge-
hören die Pimpernüsse. Die gemeine Pimpernuß, Staphylea
_ pinndta L., die gelegentlich wild vorkommt, wird ab und zu
im’ Garten allen weniger wegen der eben Blüten als
wegen der aufgeblasenen Frucht. Sie hat fünfzählige Fieder-
blätter. Die dreizählige Pimpernuß, 8f. trifolia L., hat
nur drei Fiederblättehen und kommt von der amerikanischen
Ostküste. Ich fand einen 4 m höhen Strauch: bei Dr. Guhl
Fin Steckborn, eine u ur Pflänzlinge am Teich in
_ Eugensberg.
- Auch’ die Familie ‚der Cornaceen hat le die Ende
‚Mai blühen. In Hecken finden wir alsdann den gemeinen
Hornstrauch, Oörnus sanguinea L., in Blüte. Im Garten setzt
der sibirische Hartriegel, (. alba L., seine pyramiden-
förmige, weiße Rispe auf. Im August trägt er an Stelle der
Blüten weiße Beeren, die einen himmelblauen Anflug auf-
weisen. Eine Abart las Strauchs, die var. Sibirica, scheint allein
bei uns vorzukommen; sie zeichnet sich im Winter durch
blutrote Farbe der Rinde aus. In dieselbe Familie gehört
noch -Atcuba Japonica Thunberg, ein immergrüner Strauch,
den man oft im Schaufenster von Metzgerläden sieht. Im
Freien kommt er bei einigem Schutz an Mauern leidlich durch
den Winter; doch hat der Frost und die Februarsonne 1917
. eine Menge Pflanzen getötet oder verstümmelt. Die Haupt-
zierde der Aukuba sind die glänzend grünen, gelb gefleckten,
-elliptischen oder lanzettlichen Blätter; die roten Beeren be-
kommt man höchstens am Untersee zu sehen.
Auch noch im Mai blüht die Kleeblattzitrone, Citrus
trifoliata L. Sie kommt in drei Exemplaren, gegen Winter-
sonne und Westwind geschützt, bei Brunnegg ohne Decke
durch die kalte Jahreszeit. Der schöne japanische Strauch
aus der Familie der Rutaceen hat dreizählige Blätter, starke,
grüne Stacheln, und trägt im Spätsommer nußgroße Zitronen.
In die Familie der Nachtschattengewächse, Solanaceen, ge-
hört der gemeine Bocksdorn, Lyeium halimifolium Miller.
Dieser chinesische Strauch läßt vom Mai bis zum Oktober an
seinen überhängenden Zweigen hell-purpurne Blüten erscheinen.
Ich fand ihn in Dießenhofen und in Bischofszell.
Juni. Noch immer nimmt die Blütenfülle nicht ab. Zu
Anfang Juni treten in den mannigfaltigsten Gartenformen
und Sorten die Rosen auf den Plan. Vor allem aus ist es
die indische Rose, Rosa Indica L., die uns in der Varietät
semmperflöorens Curti, die Monatsrosen, in der Varität Indica
Koehne die Teerosen liefert. Immer mehr Verbreitung findet
sodann die ostasiatische Büschelrose, Rosa multiflöora Thun-
berg, der die kletternden Arten angehören. Ebenfalls aus
Ostasien eingeführt und vielfach vorhanden ist die runzel-
blättrige Rose, R. rugösa Thunberg. An dem stark
stacheligen Strauch fallen die runzeligen, neunzähligen Blätter
auf, sowie die kräftigen, roten Früchte, auf denen zur Reifezeit
die Kelehzipfel 2—2!/g em lang stehen. Als alte Rosenarten
dagegen, die im Verschwinden begriffen sind, haben wir noch
die Zentifolie, R. Gallica L., var. centifolia L. und die Moos-
rose, R. Gaällica f. muscosa, zu nennen. Auch die gelbe
Rose, R.lutea Mill., die man z.B. in Mammern und Ermatingen
noch häufig sehen kann, hatte im Mittelalter ihre größte
Verbreitung." Erwähnt sei ferner die Apfelrose, R. villosa L.,
var. pomifera Herrmann, die bei Dr. Guhl in Steckborn und
im botanischen Garten in Frauenfeld zu finden ist. Professor
Wegelin nennt endlich noch als Bewohner von Bauerngärten
die gefüllte weiße Rose, R. alba L., sowie die Pompon-
rose, „Lyonerrösli“, R. pompönia Lindley.
Von andern Rosaceen dieses Monats ist zu nennen: der
Kaimastrauch, Rhodötypus kerrioides 8. & Z., japanischen
! Vergleiche Dr. W. Rytz, Ein Blick in die Vergangenheit
unserer Gärten, in „Schweizerische Obst- und Gartenbau-Zeitung“
1917,. Seite 146/47.
- Ursprungs. Er hat ungeteilte, gegenständige, runzelige Blätter
' und endständige, reinweiße, vierzählige Blüten. Die schwarz-
braunen, rundlichen Trockenfrüchte, zu einem Klumpen ver-
einigt, erinnern von weitem an eine Brombeere. In Frauenfeld
ist der Strauch nicht häufig; öfters begegnete ich ihm in
‚Bischofszell, aber auch am See und in Aadorf. Auf Stein-
gruppen erscheint die weiße Blüte der alpinen Silberwurz,
Dryas octopetala L. Nicht selten hält man die kanadische
Himbeere, Rübus odoratus L., in Frauenfeld, in Amriswil,
_ auch noch beim Heidenhaus. Ihr Schmuck sind die großen,
roten Blüten und die schöngeformten, gelappten Blätter,
- während die Frucht keinen Obstwert hat. Natürlich fehlen
dem Jumi auch die blühenden Spiräen nicht; vor allem beliebt
ist der weidenblätterige Spierstrauch, Spiraea salieifolia
-L., aus Osteuropa, mit schmalen, fleischroten Blütenrispen,
sowie ein Bastard, $. Fontenaysi rösea h., dessen weiße, rosa
_ angehauchte Blüten in einer kurzen Pyramide stehen. Er
stammt von Sp. salieifolia X canescens D. Don, wovon der zweite
im Himalaya zu Hause ist. Einen andern Bastard, 8p. blanda
‘ Zabel, von Sp. Cantoniensis X Chinensis, der mich stark an
van Houttes Bastard erinnerte, fand ich in Salenstein.
Der Feuerdorn, Pyracantha coccinea Roemer, ist in Süd-
_ europa immergrün; bei uns läßt er in strengen Wintern die
glänzenden Blätter fallen. Sein Hauptschmuck sind die in
Doldenrispen stehenden, dicht gedrängten, weißen Blüten, und
später die zahlreichen feuerroten Beeren. Ein schöner, 2 m
hoher Feuerdorn steht im neuen Friedhof Ermatingen; aber
auch in Kreuzlingen, Müllheim, Frauenfeld und Münchwilen
gedeiht dieser zu wenig beachtete Zierstrauch.
Aus der Familie der Calycanthaceen blüht im Juni der
Erdbeergewürzstrauch, Calycanthus flöridus L. Seine aus
zahlreichen, braunroten Blättern bestehende Blumenkrone und
' deren würziger Duft läßt ihn leicht erkennen. Fast keinen
_ Duft und schmälere Blätter hat der gleichzeitig blühende,
fruchtbare Gewürzstrauch, (. fertilis Walter, während der
frühblühende Gewürzstrauch, Chöimonanthus praecox Link,
seine purpurnen Blüten schon im Frühling vor der Belaubung
entfaltet (Spanner, Frauenfeld).
Einige schöne und allgemein verbreitete Blütensträucher
- liefert die Familie der Saxifragaceen. Hieher gehört der aus
RT
Osteuropa stammende gemeine Pfeifenstrauch, Phöladelphus
corondrius L., bei uns „Zimmetrösli* genannt. Verwandte Arten
sind der nicht duftende dünnblättrige Pfeifenstrauch,
P. tenuifolius Bupr. & Maxim. (auch in Frauenfeld), sowie der
Nepalpfeifenstrauch, .P. Nepalensis h., mit viel kleinern
‚Blättern ‚und Blüten (z. B.: Amriswil im Kindergarten). Jener
ist in der Mandschurei, dieser im: Himalaya zu Hause. Ein
Hauptblüher des «Monats ist ‘sodann ‘die rauhe Deutzie,
Deutzia. scabra Thunberg, die mit einfachen ‘oder: gefüllten,
‚weißen Blüten fast jeden nn schmückt. Sie stammt
aus Japan.
Die Familie. der: os iminoeen erfreuf uns vom. A ‚an
‚durch die gelben,: mit einer roten Zeichnung gezierten Blüten
des Blasenstrauchs, Oolutea arboreseens L. An ihrer:Stelle
trägt der in Mitteleuropa .einheimische Strauch später blasig
‚aufgetriebene, prall. mit Luft. gefüllte Hülsen. Seine Fieder-
‚blättchen sind ‘an. der Spitze leicht gekerbt. Der Besen-
pfriemen, Spartium jümceum L:, war. schon vor..30 Jahren
‚durch einen Strauch in Bischofszell. und. nöch kürzlieh durch
einen andern in Glarisegg vertreten.. Nachdem der letztere.dem
Winter 1916/17. zum -Opfer’ gefallen ist, vermag: ich keinen
‚Standort - für ‚diesen: aus; dem‘ :Mittelmeergebiet: stammenden
Schmetterlingsblütler mehr anzugeben. An Ginsterarten habe
äich.in Gärten Genista tinctöria L. und :G. radiata Scopoli an-
‘getroffen. : Den sibirischen Salzstrauch; Halemodendron
‘halodendron Noß, kenne ich nur von einem ältern Exemplar
in Kreuzlingen. Seine :silbergrauen, vierzähligen Blätter :wie
‚die. Ber Blüte. ‚machen. ihn zu einem ‚schönen -Garten-
schmuck. Ber
; Aus der . Familie der Klaren blüht ee der nord
amerikanische. Lederstrauch, .Ptelea trifokata L. Er hat
‚dreizählige Blätter und eine Flügelfrucht, die nach Hopfen
.duftet und wie die. Ulmenfrucht rings einen -häutigen Saum
trägt. : Er findet. sich :hin ‚und ‚wieder im: innern Thusgen
‚wie. am See.. TA
Zu..den. Aäpardincein gehört a bekannter Eoaksn-
strauch,, Cbtinus .coceı ygea -C.. Koch: ‚Er verdankt seine
! In starrer Durchführung des Antennen aha :
’C: Schneider jetzt wieder ©. coggygria, weil Scopoli den Strauch
:1772:so 'benannt.hat.: Indessen ist dieser. alte Beiname anscheinend
Beliebtheit den rötliehen Wollfäden, die aus seinem Fruchtstand
sprießen und im Spätjahr wie eine zerzauste Perücke aus-
sehen. Der größte Strauch dieser südeuropäischen Art, etwa
6 m hoch, steht in Frauenfeld im Garten von Frau Dr. Reiffer,
. wo er seine Federhaare bis in den November behält.
x »Sehon:. erwähnt: sind. der japanische Spindelbaum, sowie
die :Oelweide.. Die Familie der Oleaceen ist im Juni durch
die Ligusterarten vertreten. Neben dem einheimischen, ge-
meinen Liguster, ‚der: Rainweide, Zögustrum vulgare L., _
ist es namentlich eine südeuropäische Art, der eiblättrige
Liguster, Z: ovalifölium Haßkarl, der als Deck- und Hecken-
strauch verwendet wird und in: milden Wintern seine Blätter
behält. «Im: Februar 1917 indessen: wurde nach den eisigen
Nächten sein: Laub im Sonnenschein schwarz und fiel ab,
doch, wie es scheint, chne-Schaden für den Strauch. Es
‚gibt auch eine: Form mit weißgelbem an var. aureo-
| man gindtum ‚Rehder.
Mitte ‘Juni : bedeckt sich der schwarze holonden
Sambueus nigra L., mit seinen duftenden Blüten. Im Park
verwendet: man von ihm Spielarten mit ‘weiß oder gelb
geflecktem ‚Laub oder mit Blättern, an denen die Fieder-
blättehen fiederschnittig sind. Alle diese Formen kann man
z.B. im ‚Spitalgarten ‚Frauenfeld sehen. Gleichfalls in die
Familie der Caprifoliaceen gehört die Schneebeere, Symphori-
‚carpus racemösus Michaux, die von jetzt an bis in den Oktober
ihre kleinen Blüten öffnet und weiße Beeren ansetzt. Der
aus Amerika stammende Strauch hat den Vorzug, daß er noch
im Schatten gedeiht; anderseits wird er durch Wuchern lästig.
‘ Ebenfalls bis in den Herbst hinein blüht Adeli« Chinensis R:
' Br,, ein mit Linnäa verwandter Strauch aus Nordchina. Ich
beobachtete ihn 1916 an der Südseite der Eingangsterrasse
von Kastel; im Sommer 1917: war er nicht mehr da, so daß
‚ich vermuten muß, er sei dem .kalten Winter erlegen.
aus Versehen entstanden; er ist weder lateinisch noch griechisch,
und niemand weiß, was er eigentlich bedeutet. Ich verwende daher
mit Koehne den 1869: von (©. Koch. aufgestellten Speziesnamen
coccygea. Es ist, dies die Bezeichnung, welche der Perückenbaum
schon im Altertum bei Theophrast (xoxxvy&«) und mit unbedeutender
Aenderung (coceygia) bei Plinius geführt hat. Auch den Namen
Ootinus kennt schon: Plinius.
Enhe
Juli. Allmählich vermindert sich die Zahl der blühenden
Gewächse. Die reizende, kleinblütige Roßkastanie und die
steife Heide sind schon erwähnt worden (Seite 38 und 46).
Hauptsächlich sind es die Rosaceen und die Leguminosen,
die auch im Hochsommer noch blühende Sträucher liefern.
An Rosaceen sind zu nennen: die Kranzspiere, Stephanandra
ineisa Zabel, ein japanisches Sträuchlein mit weißen Blüten
(Liebburg); der gemeine Fingerstrauch, Potentilla fruticosa
L., ein in Südeuropa und in Asien wildwachsender, kleiner
Strauch mit gelben “Blüten (Wigoltingen; Arbon, städtische
Anlage). Dazu die häufig gepflanzte Ebereschen-Fieder-
spiere, Sorbaria sorbifolia Braun, deren gefiederte Blätter _
an den Vogelbeerbaum erinnern. Dieser sibirische Strauch
wird etwa 2m hoch und ist am dekorativsten, wenn die
weißen Blüten an den Rispen sich eben öffnen wollen. Regen
in der Blütezeit beeinträchtigt seine Schönheit bald. Gegen
Ende des Monats stehen noch zwei verbreitete Spiräen in
Blüte: der japanische Spierstrauch, Spiraea Japonica L.
fil., mit schönen, roten Dolden, und ein ganz ähnlicher, aber
weißblühender Bastard, Sp. Foxi Koch, den Sp. Japonica mit
der aus den Vereinigten Staaten stammenden Sp. corymbosa
Rafinesque bildet. |
Von Sehmetterlingsblütlern findet man jetzt mehrere Arten
blühend. Die Sehönhülse, Oalöphaca Wolgarica Fischer, ist
ein 2 m hoher, russischer Strauch mit gelben Blütentrauben
(Kreuzlingen). Der vielpaarige Hahnenkopf, Hedysarum
multijugum Maxim., stammt aus der Mongolei und hat violette
Blüten in blattwinkelständigen Trauben, dazu gefiederte Blätter
(botanischer Garten). Der kanadische Wandelklee,
Desmödium Canadense D.C., hat dreizählige Blätter und hell-
rote Blüten (botanischer Garten). Hellpurpurn sind die Ende
des Monats erscheinenden Blumenkronen des Indigostrauchs,
Indigöfera Gerardidna Wallich. Er stammt aus den höhern
Regionen des Himalaya; ich fand ihn in zwei Frauenfelder
Gärten. Seine Blätter sind ähnlich gefiedert wie die von
Hedysarum.
Die Familie der Anacardiaceen liefert den bekannten
Essigbaum, Hirschkolbensumach, Rhus tıjphina L., aus den
östlichen Vereinigten Staaten. Da er bisweilen zweihäusig ist,
so erscheinen nicht immer zwischen den großen, gefiederten
Be
_ Blättern die roten Fruchtkolben. Sehr schön ist im Oktober
- die rote Herbstfarbe seines Laubes. Er findet sich z. B. hinter
dem Regierungsgebäude in Frauenfeld, wo er keine Früchte
trägt, mit Früchten am Badweg, verwildert bei der Rohrer
Brücke. Weniger groß sind die Fiederblättchen beim Schar-
lachsumach, Rhus glabra L. Er ist ebenfalls in den Ver-
einisten Staaten zu Hause, aber südlicher als R. Zyphina.
Der Scharlachsumach gleicht in seiner Tracht der Ebereschen-
Fiederspiere; doch hat diese grob- und doppeltgezähnte Blättchen,
während sie beim Rhus nur entfernt gesägt sind. Auch fällt
an den weißlichen Blütenrispen des Sumachs die dichte Be-
haarung auf. Sein Name bezieht sich auf die Farbe des
- Fruchtkelbens. Ich fand ihn wiederholt in Amriswil, in einem
Garten nebeneinander in der typischen Form und mit fieder-
teiligen Fiederblättehen, f. laciniata Carr.
Zu den Rhamnaceen gehört die Säckelblume, (eanöthus,
deren kleine, langröhrige Blüten in dichten Büscheln stehen.
Ich traf davon zwei Bastarde, nämlich C. röseus hort. mit rosa
Blüten (Anstalt Münsterlingen) und eine bläuliche Züchtung
CO. americanus L. X azureus Desfontaines (Liebburg, Frauenfeld).
In die tropische Familie der Loganiaceen stellt man die
nach ihrem Entdecker Adam Buddle benannten Buddleiaarten.
Nur Buddleia variabilis Hemsl. aus China wird nach meinen
Beobachtungen seit kurzem im Thurgau gepflanzt. Es ist ein
üppig wachsender, 2 m hoher Strauch mit lanzettlichen, unten
weißfilzigen Blättern und langen, duftenden, violetten Blüten-
rispen, die viele Sehmetterlinge anlocken. In Frauenfeld sieht
man ihn erst in drei Gärten; ferner traf ich ihn in Steckborn,
Hard, Liebburg, Münsterlingen und Kreuzlingen.
Nahe mit der genannten Familie verwandt sind die
Jasminaceen. Der gebräuchliche Jasmin, Jasminum offi-
einale L., hat aufrechte Ruten, an denen sich die 5— 7 zähligen
_ "Blätter und die langgestielten, weißen, duftenden Blüten wiegen
(Kastel). Ferner sei noch Hydrangea arborescens L., die
baumartige Hortensie, erwähnt, ein Strauch mit flachen
Blütendolden, die an die bekannte, in Kübeln gezogene Hortensie
erinnern, aus der Familie der Saxifragaceen (Steckborn).
Im Hochsommer blühen endlich einige Sträuchlein aus
der Familie der Labiaten, die wegen ihres Duftes oder als
Küchenkräuter namentlich im Bauerngarten ihren Platz haben.
SI
Ich meine den Lavendel, Zavandula spica L., die Garten-
salbei, Salvia offieinalis L., und den Ysop, Hyssöpus offiei-
nalis.* Ihre Blumenkrone ist blau bis violett. Da sie sämtlich
aus Südeuropa stammen, so wird ihnen ein strenger Winter
gefährlich. Ich habe z.B. beobachtet, daß in Frauenfeld zahl-
reiche Salbeistöcke der Kälte des Februars 1917 erlegen sind.
August. Viele der genannten Blüten dauern in den August
hinein; auch erscheinen jetzt die remontierenden Rosen’ wieder.
Die zum erstenmal aufblühenden Sträucher sind bald genannt.
Da ist ’eine Verwandte der eben genannten Hortensie, näm-
lich die rispige Hortensie, Hydrangea paniculäata Siebold,
die aber aus: Japan stammt, während jene im Gebiet des Ohio
zu Hause ist. ‘Man sieht ihre breiten, weißen Blütenkegel
den ganzen. Monat hindurch an vielen Orten. . In einigen
Gärten von Frauenfeld blüht im August eine weitere Hortensie,
die bis auf die Farbe der Randbliten Koehnes' Beschreibung
von H. serrata D.C., und bis auf die Serratur mit ©. Schneiders
Beschreibung von H. aspera Don, übeinstimmt. Die sterilen
Randblüten. sind umgedreht und kehren die trübrote Unter-
seite (bei Koehne violett) nach oben. ‘Der Blattrand ist ziemlich
grob gesägt (nach ©. Schneider sehr fein). H: dspera ist nach
©. Schneider die einzige Hortensie mit gezähnten sterilen
‚Blüten, was bei der hiesigen Pflanze zutrifft. Jedenfalls ist
‚der 1 m hohe Strauch recht dekorativ. Sehr häufig gepflanzt
wird der syrische Roseneibisch, Hibiscus Syriacus L., aus
der Familie der Malvaceen. Er wird 3m hoch ‘und hat weiße
oder hellrote Blüten. Eine schöne Pflanze zu Weinfelden
besitzt weißbunte Blätter und dunkelrote, gefüllte Blüten, die
sich nur wenig öffnen: Trotzdem werden Samenkapseln gebildet.
‚Jetzt blüht auch die südfranzösische Art der Tamariske,
Tamarix Gallica L,, von der‘ schon ‚auf Seite 46 die Rede
war. In zwei Frauenfelder Gärten fand ich Zespedeza formosa
Koehne aus Japan, eine Leguminose. Dieses niedliche Sträuch-
lein friert, wie Desmodium und Hedysarum, im Winter’ bis
auf die Wurzeln zurück. Seine Blätter sind dreizählig; die
hellpurpurnen Blüten hängen an fadenartigen Seitenzweigen.
Reizend ist auch Leyeesteria formösa Wallich, eine Caprifoliacee
x Vergleiche über diese Gewächse: H. Wegelin, „Die. alten Zier-
pflanzen der thurgauischen Bauerngärten“, in Heft XII dieser
Mitteilungen.
en
_ aus dem Himalaya. Der kleine Strauch hat unten gelappte,
oben ungeteilte, herzförmige Blätter und wirkt besonders durch
die großen, trübroten Hochblätter, welche die Blütenquirle
_ umgeben. Nicht höher ist das großblumige Johanniskraut,
Hryperieum cahjeinum L., das in seiner südosteuropäischen Heimat
im Schatten liehter Wälder gedeiht. Die Blüten sind gelb, die
länglichen Blätter immergrün (Schloß Berg).
September. Wir haben ms Sträucher, die erstim Sopteralien
ihre Blüte beginnen. Wohl aber setzen die Augustblüher: beide
Hortensien, Roseneibisch, südfranzösische Tamariske, Lespedeza,
Eobilumigen d ohanniskraut, von Bäumen die Sophora: und die
Aralie ihren Flor noch’ ein paar Wochen fort. Auch. die
Remontemtrosen und der japanische Spierstrauch sind immer
noch auf dem Plan, ebenso die Gewächse, die den ganzen
Sommer hindurch blühen, wie die Schneebeere und der Bocks-
dorn. Gelegentlich erscheinen an Weigelien oder van Houttes
Spiraea usf. noch vereinzelte Blüten. Der Hauptschmuck des
Gartens sind indessen jetzt die Früchte. Prächtig nehmen sie
sich aus, die roten Beeren und Steinfrüchte an Üotoneaster,
Kornelkirschbaum, Stechpalme, Runzel- und Apfelrose, Feuer-
- dorn, amerikanischen und hiesigen Weißdornarten, Berberitzen,
Ebereschen, Mehl- und Elsbeerbäumen, Pfaffenhütchen, Sand-
_ dorn, Waldholunder; die schwarzen Beeren am schwarzen
Holunder, Liguster, an ‚der Apfelbeere; die weißen Beeren
des sibirischen Hartriegels und des Schneebeerstrauches, die
schwarzbraunen Trockenfrüchte am Kaimastrauch, die nied-
_ lichen Aepfelchen an den Zierapfelbäumen, die roten Kolben
am Essigbaum und Scharlachsumach, die runden Flügelfrüchte
des Lederstrauchs, die aufgeblasenen Hülsen der Pimpernuß und
des Blasenstrauchs, die rötlichen Flaummassen am Perücken-
strauch und die weiße Wolleder Waldreben. Auch im September
macht ein wohlgepflegter Strauchgarten, ganz abgesehen vom
Obst, seinem Besitzer noch große Freude.
3. Kletterpflanzen.
ner Kletterpflanzen gehören 15 verschiedenen Familien
an. Aus der Familie der Aristolochiaceen haben wir den
bekannten Tabakpfeifenstrauch, Aristolöchia macrophjlia
Lamarck, aus den südöstlichen Staaten der Union. Er wächst
rasch, auch auf der Nordseite der Häuser, und gibt mit seinen
a
großen Blättern viel Schatten, ist daher allgemein verbreitet.
Aehnlich raschwüchsig, aber nicht so schön ist der baldsehua-
nische Knöterich, Poljgonum Baldschuanieum Regel, eine
Polygonacee aus Zentralasien. Die Blätter sind herzeiförmig,
die weißroten, kleinen Blüten zeigen sich den ganzen Sommer
über an langen Rispen. Auch diese Pflanze sieht man häufig.
Zu den Ranunculaceen gehört die arten- und formenreiche
Gattung der Waldreben. Schon unsere einheimische Wald-
rebe, Clematis vitalbaL., die nur ganz kleine, weiße Kelchblätter
besitzt, bringt mit ihren verlängerten Griffeln, die als weißer
Flaum aus Bäumen und Sträuchern herausragen, im Spät-
sommer und Herbst eine schöne Wirkung hervor. Noch
dekorativer sind die vielen ausländischen Arten mit blauen,
violetten, roten, gelben und weißen Blumenkronen, die man
morphologisch als Kelchblätter auffaßt. Freilich ist es hier
sehr schwer, die Arten richtig anzugeben, da in der Gattung
Clematis fast alle Gartenpflanzen durch Kreuzung entstanden
sind.
Im Monat Mai erscheinen die weißen, vierzähligen Blüten
der Bergwaldrebe, 0. montana Buchanan, aus dem alten
Holz. Diese Kletterpflanze aus dem Himalaya, habe ich in
Romanshorn und in Amriswil an der Südseite zweier Häuser
gesehen. Was sodann im Juni und Juli sehr häufig blüht,
vereinzelt bis in den Herbst hinein, mit relativ kleinen Blüten,
deren vier Blättehen etwas runzlig aussehen, hellblau oder
rosa, ist O. vitieella L., die blaue Waldrebe, aus Südeuropa.
Größer, etwa 10 cm breit, mit blassem Streifen auf den blauen
oder hellroten Blumenblättern sind die Blüten eines Bastards
der reichblütigen Waldrebe, (. flörida Thunberg. Diese
ist eine japanische Pflanze, die aber nicht sehr hoch wird
(nur 1,5 m). Höher und ebenso großblütig ist ein neuerdings in
Inseraten und Preislisten viel angebotener Bastard, ©. Jackmani,
Jackman. Als Eltern werden (. lanugincsa Lindley aus Japan
und ©. viticella L. aus Südeuropa vermutet.
An weißblühenden Arten sieht man im Sommer nicht
selten die rispige Waldrebe, (0. paniculata Thunberg, aus
Japan. Aus dem Mittelmeergebiet stammt die zierliche, blasen-
ziehende Waldrebe, C. lammulaL., die ich auf einem Grab in
Oberkirch im September noch blühend fand, neben 0. vitscella L.
Da indessen die Waldreben meistens mit Hilfe ihrer Blattstiele
ER
_ klettern, die sie in die Krone anderer Holzgewächse hinein-
_ drängen, wobei sie bisweilen einen Zweig direkt: umschlingen,
‚so sinken sie an den glatten Grabsteinen hilflos zusammen.
Besser würde sich hier eine nichtkletternde Art ausnehmen,
etwa die südeuropäische, ganzblätterige Waldrebe, C.
integrifolia L., die einfache, gegenständige Blätter trägt, sehr
reichlich blauviolett blüht und etwa 60 cm hoch wird. Ich
fand sie in zwei Gärten in Frauenfeld, sowie in Weinfelden,
wo der Besitzer sie nach der Form der hängenden Blüte
„Narrenkappe“ nennt. Ebenfalls in Frauenfeld sah ich die
grüngelb blühende orientalische Waldrebe, (C. orientalis
L., die aus Westasien stammt und bis tief in den Spätherbst
hinein blüht. Einige Waldreben tragen krugförmige Blüten,
deren Kelchblätter fest zusammengeschlossen bleiben. Eine
hübsche Art mit reichlichen, weißen Blüten, die ich Mitte
Juli in Kreuzlingen sah, dürfte die gleißenblättrige Wald-
rebe, (. aethusifölia Turezaninow, aus Nordchina, oder ein
ihr nahestehender Bastard gewesen sein. Noch reizender sind
die hochroten Krüglein der scharlachblütigen Waldrebe,
.C. coceinea Engelm., aus Texas. Obschon sie aus einem wärmern
Klima stammt und im Winter bis zum Grund erfriert, hat sich
in Weinfelden eine solche Pflanze schon seit 30 Jahren ge-
halten; sie wird in der kalten Jahreszeit nicht einmal gedeckt.
Sonst erlebt man mit den Clematisarten oft den Verdruß,
daß sie ohne sichtbaren Grund eingehen. Die Ursache davon
sind Nematoden, Pflanzenälchen, die am Wurzelhals der
Sträucher schmarotzen.
Es folgt die Familie der Lardizabalaceen mit der zierlichen:
'Schlingpflanze Akebia quinata Decaisne aus Japan. Sie hat
von allen Schlingern allein die Eigentümlichkeit, daß sie auch
an wagrechten Stützen noch vorwärts wächst. Ihre dunkel-
roten Blüten erscheinen im Mai; der Hauptschmuck sind
indessen die fünfzähligen Blätter. Akebia klettert etwa 5 m
hoch; man kann sie in Frauenfeld an mehreren Orten, an
der „Felsenau“ Müllheim, am Schloß Berg usf. sehen. Eine
Akebia an der „Brunnegg“ Emmishofen ist am Wurzelhals
1 dm dick.
Aus der Familie der Saxifragaceen steigt die Kletter-
hortensie, Hydrangea petiolaris 8. & Z., vermittelst Haft-
wurzeln an Mauern empor. Diese selten blühende Pflanze aus
BR
Japan traf ich im Juni 1917 am „Lindenhof“ in Dießenhofen
in Blüte. ;
Allgemein bekannt ist. die zu dent Lezuminose gehörige
chinesische Glyeine, Wisteria Sinensis D.C., aus Nord-
china. Ihre blauen Blütentrauben erscheinen = Menge im
Mai, vereinzelt noch bis zum Herbst. Besonders der Flecken:
Name scheint eine große Nerbebe für diesen schönen
Schlingstrauch zu haben. -
Ein unheimlicher Gast: aus den elanlichen Südstaaten
der Union ist der kletternde Giftsumach, Giftefeu, Brhus
radicans L.; Familie der Anacardiaceen. Er bekleidet die
Ostseite ni 31/g m hohen Gartenmauer des Schlosses Berg;
außerdem stehen einige Sträucher in. zwei Gärten von Frauen-
feld. Der weiße Milchsaft der Stengel und der Wurzeln, eine
Harzemulsion, hat nach gef.. Mitteilung von Dr. Haffter in
Berg wiederholt bei Gärtnern langwierige, heftig juckende
Hautausschläge hervorgerufen. Die. meisten Personen sind
indessen, wie hiesige Beobachtungen ergaben, gegen das Gift:
immun. Zum Blühen kommt der langgestielte, dreizählige
Blätter treibende Strauch, trotz üppigen Wucherns, an den
angegebenen Standorten ah k
De trägtderrundblättrigeBaumwürger, Oellishriß
orbieulatus unbe Familie der Celastraceen, bei uns seine
runden, orangefarbenen Kapseln reichlich. We bei dem nahe.
verwandten Spindelbaum umgibt den Samen ein rotbrauner
Arillus. Die „Beeren“ werden von den Vögeln nicht gefressen
und bleiben somit den ganzen Winter über am Strauch.
An drei Wänden des Klosterhofs in Ittingen klettert dieser
japanische Sehlinger durch Umwinden von Stützlatten seit
1909; namentlich an der nach Süden gekehrten Wand hat er
1917 überreichlich Beeren angesetzt. Ein anderes Exemplar,
das in Lilienberg im Schatten ein Geländer verkleidet,
fruktifiziert nicht.
Die Familie der Vitaceen enthält Kletterpflanzen, deren
Ranken sich mit Haftscheiben oder durch Winden an ihrer
! Ueber den Giftsumach ist zu vergleichen: Z Rost und E. Gilg,
„Der Giftsumach“, Berichte der deutschen pharmazeutischen Gesell-
schaft 1912, und Nestler in „Umschau“ 1913, Seite 460, Waltisbühl,
ebenda, Seite 603. Gegen das heftige Jucken hilft nach Rost
und Gilg eine gesättigte Bleiazetatlösung in 50—75 prozentigem
Alkohol sofort.
BENENNEN WERTEN
tern
—_ 6
"Stütze festhalten. Am stärksten sind die Haftscheiben bei der
.dreispitzigen Jungfernrebe,. Psedera tricuspidata Rehder
(Ampelopsis Veitchi), aus Japan, die deshalb überall zur Be-
' rankung von Mauern verwendet wird, und namentlich durch die
rote Herbstfärbung dekorativ wirkt. Bei dem ebenfalls allgemein
bekannten wilden Wein, Psedera (Ampelopsis) quinquefolia
Greene, aus Kanada, ist das Haftvermögen nicht so groß, so
daß er Stützen erhalten muß. Alle folgenden Arten klettern
durch Umschlingen von Stäben oder von Zweigen anderer
Gewächse. Die verschiedenblättrige Doldenrebe, Ampe-
lopsis heterophylla 8. & Z., aus Nordchina, hat teils seicht, teils
tief 3- oder 5lappige Blätter (Amriswil). Tief fünfspaltig bis
gefingemt ist das Blatt der ebendaher stammenden, sturmhut-
blättrigen Doldenrebe, A. aconitifolia Bunge, var. dissecta -
Koehne, die in großer Ueppigkeit an einem Gartenzaun neben
der Kantonsschule wuchert. Am Schloß Berg gedeiht die Ussuri-
Doldenrebe, A. brevipeduneulata Koehne; ihre Blätter sind
dreilappig. Die eigentliche Weinrebe, Vitis vinifera L., wird
nicht selten als Spalierpflanze gehalten. Ueber eine Pflanzung,
bei der die Reben unbesehnitten in die Höhe wuchsen, be-
richtete Herr Sekundarlehrer Oberholzer, Arbon, in der
„Ihurgauer Zeitung“ vom 24. Oktober 1908. Danach waren
an einer Pappel zwischen Roggwil und Mammertshofen zehn
40 jährige Reben etwa 15 m hoch hinaufgewachsen und da-
mals reich mit blauen Trauben beladen. Dasselbe Phänomen,
das in Italien nichts Seltenes ist, habe ich 1906 in Allmanns-
dorf gesehen. Eine Form der Weinrebe, die sog. Petersilien-
rebe, „Jerusalemrebe“, var. apiifolia Loud., hat fünfzählige
Blätter mit fiederschnittigen Blättchen (Frauenfeld). Zur Be-
kleidung von Lauben dürften auch noch Verwendung finden:
die nördliche Fuchsrebe, V. Labrusca L., von der Ostküste
der Vereinigten Staaten, und die Sandrebe, YV. rupestris-
'Scheele, vom untern Mississippi. Beobachtet habe ich diese
beiden nicht, wohl aber die Uferrebe, V. riparia Michaux, aus-
derselben Gegend wie die Fuchsrebe. Sie bedeckt einen Lauben-
gang in Kastel, und bestätigt daselbst die Angabe von Koehne;:
daß die Uferrebe bei uns meist männlichen Geschlechtes ist.
Die Familie der Dilleniaceen liefert verschiedene windende
Arten der japanischen Actinidia. Eine Spezies, der vielehige
Strahlengriffel, Actinidia poljgama Miquel, bekleidet zwei.
a
ae
Geländer in Lilienberg, kommt aber wegen des schattigen
Standorts nicht zum Blühen. Dagegen trägt er die dunkel-
grünen, elliptischen oder eiförmigen Blätter, deren Stiele stets
gerötet sind, in großer Fülle.
Zu den Araliaceen gehört der gemeine Efeu, Hedera 4
helix L., der mit Haftwurzeln klettert. Es ist bekannt, daß
sein holziger Stamm an alten Bäumen und Mauern eine Dicke
von 10— 30cm erreichen kann (z.B. Gottlieben, Hard, Arenen-
berg an der Aussichtsecke, Schlößchen Dietingen). Auf einem
Grab im alten Friedhof Arbon begegnete ich dem sroß-
blättrigen, sog schottischen Efeu, H. helix var. Hibernica.
Aus Südosteuropa stammtdie griechische Baumschlinge,
Periploca Graeca L., Familie der Asklepiadaceen, die mit ihren
schlaffen Zweigen etwas windet. Sie hat glänzende, elliptische
Blätter und entfaltet im Juni braunröte, außen grünlich an-
gelaufene Blüten in Trugdolden. Ihr Saft soll sehr giftig
sein. Eine solche Pflanze an einer Platane vor der Nordfront
des Schlosses Wellenberg blüht jedes Jahr; an einer andern,
die am Stamm einer hohen Gleditschie in Aadorf hängt,
wurden nie Blüten beobachtet. Die Baumschlinge ist bei uns
nicht eben selten.
Geradezu ein Unikum in der Pflanzenwelt ist der früh-
blühende Jasmin, Jasminum nudiflorum Lindley, aus der
Familie der Jasminaceen. Ein berühmtes, üppiges Exemplar
dieses nordchinesischen Strauches wächst an der Nordseite
des Bundesbahnhofes in Tägerwilen und umgibt mit seinen
dünnen, grünen, über 3 m langen Zweigen die Eingangstüre
des Bureaus. Als ich die Pflanze im Oktober 1916 besichtigte,
entfaltete sie die ersten gelben Blüten zwischen den derben,
dreizähligen Blättern. In der Januarkälte sodann, die den
Untersee zum Gefrieren brachte, fand ich die nunmehr blatt-
losen Stengel mit einer großen Zahl von gelben Blüten be-
deckt, ein Anblick, bei dem man seinen Augen nicht traute.
Im Sommer 1917 besuchte ich sie wieder; diesmal hatte sie
nur den grünen Blätterschmuck und schien vom Winterfrost
nicht gelitten zu haben. Sie gedeiht auch in Frauenfeld, wo
mehrere Gärten sie schon enthalten.
Bekannter ist die Klettertrompete, (dmpsis radicans
Seem., aus dem Osten der Vereinigten Staaten. Obschon ihre
gefiederten Blätter stark denen der Glycine gleichen, ist sie
RS:
Y
4
mit ihr nicht verwandt, sondern gehört mit der Catalpa zu
_ den Bignoniaceen. Ihre schönen, gelbroten Trompetenblumen
‚ erscheinen vom Juli bis September; die langen, einjährigen
Ruten pflegen in unserm Winter abzusterben. Ihre Haftwurzeln
_ genügen nicht, um den Strauch ohne Stützlatten an Mauern
festzuhalten. In Frauenfeld wächst er am Konvikt und an
mehreren andern Häusern, außerdem in Mammertshofen und
‚anderwärts.
Endlieh sind noch die bekannten windenden Geißblatt-
arten aus der Familie der Caprifoliaceen zu erwähnen. Aus
den Südstaaten der Union stammt das immergrüne Geiß-
blatt, Lonicera sempervirens L. Die bis 5 cm lange Blumen-
krone ist scharlachrot, fast allseitig symmetrisch und geruchlos.
Ich fand den schönen Zierstrauch in Dießenhofen.. Glarisegg
und Ermatingen, aber auch in Frauenfeld, an West- und
Südwänden, vom Juni an in Blüte. Die obersten Laubblätter
sind bei ihm paarweise zu einem Schüsselchen verwachsen,
‚gleich wie am südeuropäischen Jelängerjelieber, 2. capri-
foliumi L. Dieser hat duftende Blüten, die zuerst rosa bis
weiß gefärbt sind, beim Verblühen aber gelblich werden.
Sie sind zweilippig und kleiner als bei der vorhergehenden
Art. Dieselbe Form und Größe und auch den Duft haben die
‚gelblichen Blüten des Waldgeihbblattes, Z. peröchjmenum L.,
einer ebenfalls südeuropäischen Art, bei der aber die gegen-
ständigen Blätter nie mit einander verwachsen. Beide Sträucher
sieht man nicht selten an Gartenzäunen und Lauben.
Schluß.
Das Klima des Thurgaus ist bekanntlich am Seeufer am
mildesten. Frauenfeld hat 8,1 Grad, Kreuzlingen 8,5 Grad
mittlere Jahreswärme. Die Niederschläge erreichen in Eschlikon
jährlich im Mittel 112 cm, in Bischofszell und Aadorf fast
gleichviel, während sie in Kreuzlingen auf 84, in Dießen-
hofen auf 80 cm sinken. Man sollte nun glauben, daß diese
Gegensätze auch in der Parkflora zum Ausdruck kämen.
Zwar ist es bekannt, daß am See die Bäume im Frühjahr
eher treiben als im innern Kanton; auch finden wir daselbst
eine üppigere Belaubung. Was jedoch den Unterschied im
Artenbestand der verschiedenen Kantonsteile anbelangt, so
BE Ne
muß leider gesagt werden, daß uns Mangel an geeignetem 3
Vergleichsmaterial hindert, darüber eingehende Feststellungen
zu machen. Der innere Kanton enthält nämlich so wenig ältere
Ziergärten, daß aus dem zufälligen Fehlen eines Gewächses
nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden darf, es gedeihe
daselbst überhaupt nicht. Größere Bedeutung kommt vielleicht
folgenden Tatsachen zu: In Glarisegg überwintert ein Feigen-
baum, Ficus Carica L., ungedeckt im Freien, allerdings in
geschützter Lage, in Brunnegg, Emmishofen, drei Zitronen-
sträucher, Citrus trifolata L.; in Eugensberg versucht man
die Anpflanzung von Viburnum tinus L. im Baumschatten; auf
Kastel und Brunnegg stehen ansehnliche Blumeneschen,
Fraxinus örnus; beim Kantonsspital Münsterlingen hält sich
seit sechs Jahren eine immergrüne Magnolie, M. foetida Sarg.
Edelkastanien, Castanea sativa Mill., stehen in Aadorf,
im Mühletobel bei Frauenfeld, im Pfauenmoos bei Arbon, in
Liebburg, bei Kastel, im Dorf Ermatingen und in Lilienberg,
beim Heidenhaus und in Dießenhofen. Davon brachten die
beiden Ermatinger Bäume selbst im naßkalten Sommer 1916
noch genießbare, wenn auch kleine Früchte. Auch im Pfauen-
moos wurden trotz seiner hohen Lage (500 m ü. M.) von
beiden Bäumen bisweilen reife Kastanien gepflückt. An andern
Orten: Liebburg (500 m), Kastel (500 m), Aadorf (520 m),
Frauenfeld (440 m) wurde mir gesagt, daß die Früchte nicht
genußreif werden, und das wird für Aadorf und Frauenfeld
stimmen, kaum aber für die beiden hochgelegenen Schlösser
am See. Konnten doch selbst beim Heidenhaus (700 m hoch) ;
im Jahr 1911 Kastanien genossen werden! Auf dem alten
Friedhof Romanshorn stehen drei italienische Zypressen,
Oupressus sempervirens L., 50—60 Jahre alt, mit einer Höhe
von 6—7 m. Natürlich sind sie .nicht so üppig wie die
Zypressen von Morcote, aber immerhin gesund. Sie setzen auch
Zäpfchen an, die freilich bei einer von der eidgenössischen
Samenkontrollstation in Zürich durchgeführten Untersuchung 4
keine keimfähigen Samen enthielten. Schade, daß man in
einen der edlen Bäume einen Efeu hat hineinwachsen lassen.
Daß die Zypresse im innern Kanton nicht gedeihen würde,
steht außer aller Frage. Der chinesische Lebensbaum,
Biöta orientalis Endl., gilt in Frauenfeld für sehr empfindlich.
Als eine Gärtnerfirma ihn vor Jahren in Menge als Hecken-
Dh ara ei go
strauch statt des amerikanischen Lebensbaumes anpflanzen
wollte, gingen in einem einzigen Winter sämtliche Pflänzlinge
' zugrunde. Die Frauenfelder Gärtner behaupten infolgedessen,
daß die Biota hier erfriere. Immerhin stehen in Frauenfeld
drei stattliche und gesunde Bäume von etwa 8 m Höhe,
allerdings geschützt gegen die Wintersonne. Ein 4 m hoher
chinesischer Lebensbaum in Aadorf ist in schlechtem Zustand;
ein Strauch in Eschlikon dagegen präsentiert, sich nicht nal
Jedoch viel zahlreicher und üppiger findet sich Biota orientalis
am Seegestade, z. B. in Romanshorn, in Arbon, auf dem alten
Friedhof in Ermatingen; in Amriswil besteht sogar eine
gesunde Hecke aus dem chinesischen Lebensbaum.
Diese Erscheinungen sind augenscheinlich durch den
mildernden Einfluß des Sees auf die Wintertemperaturen
veranlaßt. So zeigt die Pflanzenwelt am Bodensee entsprechend
dem Klimaunterschied doch einige andere Züge als die Flora
des innern Kantons. Solche Abweichungen würde ein Be-
obachter, dem mehr Zeit zur Verfügung stände, gewiß noch
zahlreich entdecken können.
Verzeichnis der besprochenen Pflanzen.
Abelıa 57
Abies 9, 10, 11
Acer 36
Actinidia 65
Aehrenpavie 38
Aesculus 37, 38
Ahorn 36
Aılanthus 36
Akazie 35
Akebia 63
Alnus 24
Alpenrosen 51
Ampelopsis 65
Andromeda 51
Apfelbäume 32
Apfelbeere 50
Apfelrose 54
Aralia 39
Araucaria 8
Aristolochia 61
Aronia 50
Arve 13
Atlaszeder 7
Aucuba 53
Balsamtanne 11
Baumschlinge 66
Berberis 52
Bergahorn 36
Bersföhre 14
Berglorbeer 51
Bergulme 26
Besenginster 47
Besenpfriemen 56
Betula 24
Biota 18, 68
Birnbaum 32
Birken 24
Blasenstrauch 56
Blumenesche 40, 68
Blutpflaume 34
Bocksdorn 54
Broussonetia 28
Buche 24
Buchs 44
Buddleia 59
Büschelrose 54
Buxus 44
Calophaca 58.
Calycanthus 55
Campsis 66
Caragana 47
Carpinus 24
Castanea 24, 68
Catalpa 41
Ceanothus 59
Cedrus 12
Celtis 27
Cephalotaxus 8
Cercis 34
Chaenomeles 49
Chamaecyparis 19
Christusdorn 34
Citrus 54, 68
Cladrastis 34
Clematis 62, 63
Colutea 56
Cornus 43, 53
Coronilla 48
Corylus 42
Cotinus 56
Cotoneaster 50
Crataegus 30
Cryptomeria 14
Öupressus 19, 68
Cytisus 47
Daphne 43
Dattelpflaume 40
Desmodium 55
Deutzia 52 -
Diervilla 49
Diospyros 40
Doldenrebe 65
Douglastanne 7, 9
Dryas 55
Dürlitze 43
Edelkastanie 24, 68
Efeu 66
Eibe 8
Eichen 24 - 26
Elaeagnus 46
Elsbeerbaum 31
Emodiflieder 47
Erbsenstrauch 47
Erica 46
Esche 40
Eschenahorn 37
Essigbaum 58
Evonymus 52, 53
Fächerahorn 37
Feigenbaum 28, 68
Feldahorn 37
Feldulme 26
Feuerdorn 55
Fichte 11
Ficus 28, 68
Fiederspiere 58
Fingerstrauch 58
Flieder 47
Flußzeder 16
Forsythia 44
Fraxinus 40, 68
Fuchsrebe 65
Gartensalbei 60
Geißblatt 49, 67
Geißklee 47
Gelbholz 34
Gelbkiefer 13
Genista 56
Gewürzsträucher 55
er
Giftsumach 64
Ginkgo 7
Ginster 56
Gleditschia 34
Glyeine 64
Goldregen 47
Goldtraube 45
Götterbaum 7, 36
Gurkenmagnolie 29
Gymnocladus 34
Hagebuche 24
Hahnenkopf 58
Halimodendron 56
Hängebirke 24
Hartriegel 53
Haselnuß 42
Heckenkirsche 49
Hedera 66
Hedysarum 58
Heidekraut 46
Hemlocktanne 7, 9
Hiba 16
Hibiscus 60°
Himalayazeder 13
Himbeere 55
Hinokizypresse 20
Hippophaes 46
Holunder 48, 57
Hornstrauch 53
Hortensie 59, 60
Hydrangea 59, 60, 63
Hypericum 61
Hyssopus 60
Ilex 52
Indigofera 58
Indigostrauch 58
Ito Sakura 33
Jasminum 59, 66
Jelängerjelieber 67
Johannisbeeren 45
Johanniskraut 61
Josikaflieder 47
Judasbaum 34
Juglans 22, 23
Jungfernrebe 65
Juniperus 21, 22
Kaimastrauch 54
Kalmia 51
Kellerhals 43
Kerria 49
Kiefern 14
Kirschbäume 33 -
Kirschlorbeer 50
Kirschpflaume 33
Kleeblattzitrone 54
Kletterhortensie 63
Klettertrompete 66
Knöterich 62
Koloradotanne 19
Kopfeibe 8
Korbweide 23
Kornelkirschbaum 43°
Kranzspiere 58
Kronwicke 48
Kryptomerie 7, 14
Laburnum 47
Lambertsnuß 42
Lärche (Larix) 7, 12
Laurocerasus 50
Lavandula 60
Lawsonzypresse 7,19
EEE CET
Lebensbäume 16, 68 2
Lederstrauch 56
Lespedeza 60
Leycesteria 60
Libanonzeder 13
Libocedrus 16
Liguster 57
Liriodendron 29
Lonicera 49, 67
Lorbeerweide 23
Lycium 54
Maenolia 29, 68
Mahonia 44
Malus 32
Mammutbaum 15
Mandelaprikose 53
Maulberbäume 27,28
Mäusedorn 43
Mehlbaum 48
Mehlbeerbaum 31
Mespilus -31
Mispel 31
Moosrose 54
Morus 28
Nikkotanne 11
Nordmannstanne 7, 9
Nußkiefer 13
Nutkazypresse 7, 19
Omorikafichte 11
- Padus 32
Paeonia 52
. Papierbirke 24
Papiermaulbeere 28
Paulownia 40
Periploca 66
Perückenstrauch 56
Pfaffenhütchen 52
Pfeifensträucher 56
Pfingstrose 52
Philadelphus 56
- Bicea 11, 12
Pimpernuß 53
Pinie 14
Pinus 13, 14
Pirus 3%
Platane 30
Polygonum 62
Populus 23
Potentilla 58
Prunus 33
Psedera 65
* Pseudotsuga 9
: Ptelea: 56
Pyrasantha 55
Pyramidenpappel 23
Quercus 24—26
Reifweide 23
Rhododendron 51
Rhodotypus 54
Rhus 58, 59, 64
Ribes 45
Riesenthuja 18
Robinia 35
Rosa 54
Roseneibisch 60
Roßkastanie 6, 37, 38
Rotdorn 31
BRoteiche 7, 26
Rubus 55
Ruscus 43
Säckelblume 59
'Sadebaum 21
Salix 23
.. Salvia 60
Salweide 23
Salzstrauch 56
Sambucus 48, 57
Sanddorn 46
Sandrebe 65
Sapindusfichte 12
Sauerkirsche 33
Sawarazypresse 20
Scheinquitte 49
Schierlingstanne 9
Schlinge 48
Schneeball 48
Schneebeere 57
Schneeheide 46
Schnurbaum 35
Schönhülse 58
Schusserbaum 34
Schwarzerle 24
Schwarzkiefer 14
Schwarzlinde 39
Schwarznußbaum 23
Seidelbast 43
Sequoia 15
Sevi 21
Silberlinden 7, 38
Silberölweide 46
Silberpappel 23
Silbertanne 11
Silberwurz 55
Sitkafichte 7, 12
Sommerlinde 39
Sophora 35
Sorbaria 58
Sorbus 31, 50
Spartium 56
Speierling 31
Spindelbaum 53
Spiraea 45, 49, 55, 58
Spitzahorn 35
Staphylea 7, 53
Stechfichte 12
Stechpalme 52
Stephanandra 58
Stieleiche 25
Strahlengriffel 66
Strauchkiefer 14
Sugi 14
Sumach 58, 59
Sumpfzypresse 6, 14
Süßkirsche 33
Symphoricarpus 57
Syringa 7, 47
Tabakpfeifenstr. 61
Tamariske 46, 60
Tannen 7, 9—11
Taxodium 6, 14
Taxus 8
Thuja 16, 18
Thujopsis 16
Tilia 38
Toringoapfel 32
Tränenkiefer 13
Traubeneiche 25
Traubenkirschen 32
Trauerweide 23
Trompetenbaum 41
Tsuga 9
Tulpenbaum 29
Uferrebe 65
Ulmen 26, 27
Viburnum 43, 48, 68
Vitis 65
Vogelbeerbaum 31
Wacholder 21, 22
Waldholunder 48
Waldreben 62f.
Walnußbaum 22
Wandelklee 58
Weichselkirsche 33
Weigelie 49
Weimutskiefer 13
'Weinrebe 65
Weißdorn 30
Weißerle 24
Weißfichte 12
Weißtanne 9
Weißweide 23
Wellinstonie 7, 15
Winterlinde 39
Wisteria 64
Ysop 60
Zedern 12, 13, 14
Zederzypresse 19
. Zentifolie 54
Zerreiche 24
Zieräpfel 32
Zürgel 27
Zwergmispel 50
Zypresse 19, 68
Die großblättrige Agave
Furcraea macrophylla Hooker fil.
Von H. Wegelin in Frauenfeld.
Neben einigen jungen Exemplaren der bekannten Agave
americana L. und deren panaschierten Varietät marginata aurea
Trelease besitzt der botanische Garten in Frauenfeld seit
mindestens 40 Jahren ein großes agavenähnliches Gewächs,
das in den letzten Dezennien als schwere Kübelpflanze je-
weilen im Keller überwintert wurde, und das im Herbst 1916
durch Blütenansatz die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Da
es sich bei dieser Fureraea macrophylla um eine interessante
Pflanze handelt, die in den botanischen Gärten Europas wenig
verbreitet, und deren Blühen noch kaum beschrieben ist, mag °
nachstehende Notiz gerechtfertigt sein.
Die Blattrosette hatte durch Absterben je der untersten
Blätter nach und nach einen etwa 35 cm hohen und 20 cm
dicken Stamm erhalten. Ausläufer wurden niemals be-
obachtet. Die zirka 50 reingrünen Blätter sind glatt, lang-
lanzettlich, durch aufgebogene Ränder rinnig. Ihre Länge
beträgt durchschnittlich 120 em, die Breite am Grunde 13 cm,
wenig oberhalb 7 em, in der Mitte 12 cm, die Dicke am
Blattansatz 5 em, 30 cm höher 2 cm, in der Mitte 0,5 cm.
Ein Endstachel, wie er sonst von den Agaven beschrieben
wird, fehlt: die Blattspitze ist grün, hart, schlank, kegel-
förmig, am Ende spitz zugerundet. !/s—1 cm unterhalb öffnet
sich oberseits die Rinne. Fig. 2a.
Randstacheln finden sich jederseits etwa 45; sie sind
hell elfenbein- bis strohfarbig, zirka 4 mm lang, stark hakig
nach vorn gekrümmt, mit Ausnahme der 5—-10 untersten
kleinen Zähne, die sich gegen die Basis kehren. Abstände
der Stacheln am Grunde etwa 1 em, in der Mitte 11/2 —4,
oben 2—5 cm. Fig. 2d,c. Die im Laufe des Sommers 1916
gebildeten Blätter waren etwas kürzer, das letzte nur 65 cm
"lang. Im August nahm die Trieb-
spitze eine eigentümliche, rötlich-
graue Färbung an, und Mitte Sep-
tember erhob sich ein Blüten-
schaft, der durch sein rasches
Wachstum Staunen erregte. Am
13. Oktober hatte er eine Höhe
von '210 cm erreicht und wurde
dann wöchentlich zweimal ge-
messen. Sein durchschnittlicher
täglicher Längenzuwachs betrug
in der 2. Oktoberhälfte 5,6 cm,
im Nowmber .: .'.. 6,4 cm,
im Dezember .. .. .. »,1.cm,
in der 1. Januarhälfte. 2 cm.
‘Die am 15. Januar 1917 erreichte
Höhe von 6,13 m wurde nicht
überschritten. DELL;
Am Schafte stehen in °/J; J
Spirale schief angesetzte Hoch- P;
blätter. Sie umfassen denselben PA
zu einem Drittel, sind über der IN
‚Basis stark eingezogen und haben |
die größte Breite zwischen dem .
untern Drittel und der Hälfte.
Die untersten sind den Laub-
blättern ähnlich, nur dünner
und kürzer, 70—30 cm lang; in
1 m Höhe messen sie 15 em,
beim Anfang der Rispe 5—6 cm,
in der Mitte derselben 3 cm.
Von jedem Hochblatt läuft eine
breite, flache Rinne am Schaft Q
aufwärts. Bis in 1 m Höhe ent-
sprechen Spitze und Randzähne
denen der normalen Blätter.
In der Höhe von 1,6 m be-
sinnt die Verzweigung aus _$
den Achseln der Hochblätter, erst
mit kürzern, etwa 10 cm langen (ij AN 187
NN Se
AN um
Be Ne
Fig.1. Fureraea macrophylla Hook. f.
Die mit Brutzwiebeln besetzte Pflanze
im. März 1917.
(Zeichnung von Prof. ©. Abrecht)
EA
Zweigen; in der Höhe von 3,9 m erreichen diese die maximale
Länge von 130 cm und nehmen gegen die Spitze wieder ab,
so dab die Rispe eine breite Spindelform erhält. Das Wachs-
tum der Aeste betrug zirka 2 cm pro Tag und hörte mit dem
25. Januar auf. Die Hauptäste tragen wieder Seitenzweige,
die größern deren 13—17 von 10—25 cm Länge. Fig. 1.
Von Mitte Dezember an be-
deckte sich das ganze System mit
Blütenknospen. Diese zeigten
deutlich den Amaryllideen- oder
Narzissentypus: der Fruchtknoten
ist unterständig, dreifächerig, etwas
längeralsdassechsblättrige Perigon,
das sechs Staubgefäße und einen
Griffel umschließt. Die Perigon-
blätter sind am Scheitel kapuzen-
“ förmig eingezogen. Die Staubgefäße
haben kurze, am Grunde verdickte
Fäden und dorsi-
fixe Beutel. Die
papillöse Narbe
ist gerade ab-
gestutzt, der
Griffel am
Grunde eben-
falls verdickt.
Fig. 3. Die
Knospen er- a. b
Fig, 2. reichten eine Fig. 3.
a Spitze des Blattes. Länge von a Blütenknospe
b Blattrandstacheln oberhalb der geschlossen.
Mitte. 25mm und nah- » Dieselbe durch Weg-
c Blattrandstacheln im untern 4 Re schneiden dreier
Drittel. men eine weiß Perigonblätter
liche Karbe an, geöffnet.
fielen aber vorzu massenhaft ab, so daß keine einzige zur.
vollen Entwicklung gelangte. Am Grunde der sich ablösenden
Blütenstiele sproßten aber einzeln und büschelweise Brut-
knospen, Bulbillen, hervor. Diese nahmen offenbar den
Blüten die Nahrung weg und zwangen sie zum Abfallen.
Sie sind reingrün, eiförmig zugespitzt, glatt, saftig, mit zwei
bis drei trockenen Schuppen am Grunde. Die maximale Größe
Et
war Ende Januar 13/6 mm, anfangs August 30/18 mm. Ihre
Zahl liegt zwischen 2000 und 3000. Sie lassen sich leicht
abbrechen und wurden in den ersten Monaten bei Wegnahme
durch neue Brut ersetzt. Fig. 4.
Der Standort der Agave war vom 16. Oktober an das
helle, warme Treppenhaus des Konviktgebäudes, wo es an
Fig.4. Zweig mit Brutzwiebeln.
(Photographie von Max Meier, 14. April 1917.)
Raum zur Ausdehnung nicht fehlte. Daß der. Mangel an
Sonnenlicht im trüben Winter die Entwicklung ‚der Blüten
noch besonders gehindert hat, ist wohl wahrscheinlich.
Interessant ist das geringe Wasserbedürfnis unserer Blüherin.
Nur selten war dieErde im Kübel so trocken, daß gegossen
werden durfte. Dafür entleerten sich nach einander, mit dem
untersten beginnend, die Blätter; sie wurden von der Spitze
aus gelb, verloren ihre Straffheit und senkten sich schließlich,
als das Einschrumpfen die Basis erreicht hatte. Ende Dezember
waren 28 Blätter ganz oder größtenteils gelb, 20 noch grün
und voll, Mitte Mai noch 13 aufrecht, die meisten aber schon
spitzendürr, anfangs August 10 aufrecht, zum größten Teil
entleert, die Hochblätter aber noch alle unversehrt. Mitte
Se ee
. September, also nach Jahresfrist, fanden sich noch fünf normale
Blätter, bei denen allerdings nur die untere Hälfte noch grün
und prall war. Die untersten Brakteen waren bereits in die
Vergilbung eingetreten und. in der Rispe die Bulbillen zum
Abfallen bereit. Die Pflanze hat demnach ihren Riesenblüten-
stand und ihre Nachkommenschaft aus den seit Jahrzehnten
angesammelten Reservestoffen gebildet.
Und nur ein einziges Mal in ihrem langen Leben hat
sich die Riesenrosette zur Fortpflanzung angeschickt. Dabei
ist ihr der normale Weg, der durch Blüte und Frucht führt,
mißlungen; sie ersetzt die Samen durch Tausende von Brut-
zwiebeln im Blütenstand, und an der Geburt ihrer Nach-
kommenschaft erschöpft sich ihre Lebenskraft. Für Vermehrung
und Verbreitung ist dabei wohl gesorgt: von einem 4—6 m
hohen Standort herab wird der Wind die Zwiebelchen weithin
zerstreuen, und jedes derselben kann mit Hilfe seiner auf-
gespeicherten Feuchtigkeit und Reservenahrung am zusagenden
Orte zur neuen Pflanze auswachsen. In der Tat ergaben
Pflanzversuche mit diesen Bulbillen raschen Erfolg; schon
nach wenigen Wochen hatten dieselben bis 10 cm lange Blätter
entwickelt, die mit Rinne und Randzähnen den normalen
durchaus ‚gleichen.
Die Bestimmung unserer Agave erwies sich als eine
schwierige Aufgabe: Zwar die charakteristische Tracht kenn-
zeichnet sie ohne weiteres als Agave; aber die stachellose
Blattspitze und die elegante pyramidale Rispe findet sich bei
keiner der von A. Berger (V) beschriebenen 274 Arten. Die
kurzen, am .Grunde geschwollenen Staubfäden weisen auf die
von den echten Agaven abgetrennte Gattung Fureraea Ventenat
(1793) = Foureroya Sprengel (1833) hin (I, Seite 117) und
nach dem Drummondsehen Schlüssel (IV, Seite 46) kommen die
tiefrinnigen, schmalen Blätter mit großen, weit entfernten,
vorwärts gerichteten Randstacheln nur der von Hooker fil.
Furcraea macrophylla, von Todaro F. altissima genannten
Art zu. Diese Bestimmung ist gütigst bestätigt worden von
Herrn Dr. D. Lanza in Palermo, nach Vergleich mit Exemplaren
im dortigen botanischen Garen, die lass als Freiland-
pflanzen im warmen sonnigen Süden weit größere Dimensionen
erreichen: Sie treiben Blätter von 3—4 m Länge und A
stände bis zu 15 m Höhe (III, Seite 51).
Furcraea macrophylla wird kultiviert auf den Bahamas und
den großen und kleinen Antillen. Ihre wirkliche Heimat
sucht Drummend in den der Landenge von Panama benach-
barten Teilen von Zentral- und Südamerika. Sie ist eine
wertvolle Faserpflanze. Aus den Blattfasern macht man Säcke,
Taschen, Pantoffeln und Packsättel (Drummond, Seite 45)...
Ihre Verwendung entspricht also vollständig derjenigen der
verwandten Arten, der Riesenagave, Furcraea gegantea\ entenat
(Costariea und Nordküste Südamerikas) und der knolligen
Asave, F. tuberosa Aiton (Antillen), die sowohl in ihrer
' Heimat als auch in andern tropischen Ländern wie Mauritius
(seit 1750) und besonders auch in Ostafrika kultiviert werden
und die*berühmte Pitafaser, auch Oubahanf und Mauritiushanf
genanut, liefern. Die Blätter werden vom dritten Jahre an
geerntet und mit Hand oder Maschinen verarbeitet.
Benutzte Literatur.
I A. Eneter und K. Prantı, Die natürlichen Pflanzenfamilien, U. Teil,
5. Abteilung, Asavoideae, Seite 115—119. Leipzig 1888.
II IsageL MuLrorD, A study of the Agaves of the United States.
7. Report of the Missoury Botanical Garden 1896, p. 47—100.
III A. Borzı, Intorno ad alcune specie critiche del Genere Furcraea
coltivate nel R. Orto botanico di Palermo. Bolletino del R. Orto
bot. e Giardino coloniale di Palermo Anno VIII. 1900. Seite 45
bis 51.
IV J. R. Drummonp, The literature of Furcraea with a Synopsis of the
known species. 18. Report of the Missouri Botanical Garden 1907,
Seite 25—75.
V Auwın BERGER, Die Avaven. Beiträge zu einer Monographie. 1915
Blaufelehen (Milchner), (1:4) 38 em, 377 g, 5 Jahre alt.
Fang und Zucht der Blaufelchen
im Bodensee.
Kartographische Darstellung mit Begleitwort
von W. Schweizer, Sekundarlehrer in Romanshorn.
(Bearbeitet für die Schweizerische Landesausstellung in Bern 1914,
Abteilung Fischerei.) }
Der Blaufelehen, Coregonus eoruleus (Fatio), ist wirt-
schaftlich der wichtigste Fisch des Bodensees; beschäftigen
sich doch mit seinem Fang vom Frühjahr bis Spätherbst
' zirka 280 Berufsfischermeister aller Bodenseeuferstaaten.
Die Zahl der gefangenen Blaufelehen betrug laut der
deutschen Fischereistatistik
im Jahr 1910: 166000 kg im Werte von 229100 Mark
1911: 113920 kg - - - 198600 7° -
1912: 189020 kg - - - 289620 -
1913: 296290 kg - - >=,3112003%7,
Dazu kommen noch die Fänge der Schweizerfischer, die
schätzungsweise auf 250000—300000 Stück im Werte von
160000—200000 Franken angenommen werden dürfen (eine
amtliche Fangstatistik wird bei uns erst mit 1914 eingeführt),
so daß in den letzten zwei Jahren dem Bodensee jährlich
RE N.
‚an Blaufelehen allein ein Kapital von über 500000 Franken
entnommen werden konnte.!
Während in früheren Zeiten der Hauptanteil den badischen
Fischern zufiel, betätigen sich seit zwanzig Jahren auch die
‚schweizerischen und württembergischen Fischer immer mehr
am Fang. Da der Blaufelchen nur innerhalb der „Halde“,
im sogenannten „blauen See“ vorkommt und sich hauptsächlich
von Plankton, aber auch von kleinen „Kretzern“ (Hürlingen)
und sogar von der eigenen Jungbrut ernährt, so vollzieht sich
deren Fang ausschließlich auf „hohem See.“ Als Grenzzone
kann etwa die Tiefe von 25—30 m angegeben werden. (Siehe
Tiefenkurve von 30 m auf der Karte.)
Der «#ang geschieht durch zwei verschiedene Methoden
und Netzgerätschaften:
1) durch Schwebnetze bei Nacht, ohne menschliche
Tätigkeit,
2) durch schwebende Zuggarne, Klusgarne, bei Tag.
1) Die Schwebnetze, siehe Skizze Tafel I, sind Stell-
netze, die, nach internationaler Uebereinkunft aller Bodensee-
uferstaaten vom Jahre 1898, eine minimale Maschenweite von
40 mm haben und höchstens 1,5 m hoch und 120 m lang
sein dürfen. Sie werden bis zu höchstens 30 Stück zu einem
„Satze* aneinandergeknüpft und auf hohem See, bei zirka
30 m Tiefe beginnend, ausgesetzt. Durch Bleianhängsel an
der „Unterähre“* werden sie straff gespannt und vermittelst
Korkschwimmern, „Bauchel“, in Tiefen von 6—25 m an
Sehnüren schwebend erhalten.
Anfang und Ende eines Satzes sind durch Schwimmer,
sogenannte „Maien“, das sind kreuzweise übereinander be-
festigte Brettehen mit aufgestecktem Tännchen oder Fähnchen
gekennzeichnet, und die Mitte wird durch ein schwimmendes
Fäßchen bezeichnet. Ein solcher Satz wird jeweils in den
Abend- oder Nachmittagsstunden entweder gerade in den See
ıN achtrag. Laut amtlicher Statistik wurden gefangen
durch deutsche Fischer Schweizerfischer Total
Anno 1914: 180728 kg 69360 kg 250588 kg
1915: 94424 kg 73616 kg 165040 kg
1916: 63744 kg 52130 kg 115874 kg
Die letzten Erhebungen über die österreichischen Fänge stehen
noch aus.
Bauchel
Schwebnetz
Sm
°
|
x
SR
I% 1%
% RS OR SR
|
I
|
RES
SOKRCRIERS
STR
°
RS
SC]
OR
% SICH
U> b
ASCHE
EI 5%
SEK RR
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„“
2
s
Sc
SR
ERS
s
5%
EEK
0%
D
I
hinauslaufend, oder in einem Bogen, „Kehr“ endigend, der
‘je nach Windrichtung oder Wasserströmung („Rus“) gewählt
wird, in den See gesetzt. So bleiben die Netze über Nacht
sich selbst überlassen und fischen ohne direkte menschliche
Tätigkeit. Oft werden sie von Wind, Wellen oder Wasserrus
stundenweit getrieben, weshalb das Aufsuchen derselben am
folgenden Morgen eine mühsame, bei Nebel und Sturm sogar
eine gefährliche Arbeit ist. Sobald der richtige Satz gefunden
ist, beginnt das Heben oder „Bühren“ der Netze.
Diese sind aus sehr zartem Baumwollgarn gestrickt und
werden zur bessern Haltbarkeit meist imprägniert. Die darin
sich verwickelnden Fische wehren sich jedenfalls sehr heftig
gegen die Gefangenschaft, wie aus den entstehenden Netz-
verwicklungen hervorgeht, und häufig findet man auch leere
„Zöpfe*, wenn so ein zappelnder Blaufelchen dem Netzwerk
wieder entronnen ist.
Im Sommer und Herbst werden die Netze je nach Temperatur
und Reinheit des Wassers, welche ihrerseits wieder den Standort
des Planktons bestimmen, 9—20 m tief gehängt. Zur Laich-
zeit, gewöhnlich anfangs Dezember, steigen die Blaufelchen
bis an die Oberfläche des Wassers empor. Dementsprechend
werden dann auch die Netze höher gehängt, und da die
unreifen Exemplare sich noch in der Tiefe aufhalten, ist, um
das Wesfangen dieser möglichst zu verhindern, durch besondere
Vorschrift bestimmt, daß die Schnüre, an denen die Netze
hangen, nicht länger als 10 m gemacht werden dürfen.
In hellen Nächten, bei Vollmondschein, ist das Fang-
ergebnis sehr gering, da die Netze von den Fischen besser
gesehen werden und auch das Plankton tiefer steht.
Nach dem Einziehen der Netze werden diese am Land
an Stangen aufgehängt und vor neuem Gebrauch getrocknet
und ausgebessert. Beschädigungen kommen häufig vor, wenn sie
bisweilen auf den Grund der „Halde“ getrieben werden oder
zusammenrinnen und mit wenig Sorgfalt gehoben werden, wo-
‚durch ganze Netzknäuel — „Hunde“ nennt sie der Fischer —
entstehen, deren Entwirrung viel Arbeit und Geduld erfordert.
Der großen Maschenweite entsprechend werden
mit den Schwebnetzen nur große, ausgewachsene
Blaufelchen über dem Schonmaße von 30 cm gefangen
und die Jungfische geschont.
ae
Klusgarn
Wand = 25 m, Tuch = 20 m, Gestell = 6,6 m
ne
Flügel
u Eat
2) Das Klusgarn, siehe Skizze Tafel 2, ist ein
schwebendes Zuggarn, das jedenfalls älter ist als der
Gebrauch der Schwebnetze; wird es doch schon in alten
_ Fischereidokumenten des Bodensees aus den Jahren 1534 und
1544 ausdrücklich erwähnt (siehe Dr. F\. Stoffel, „Fischerei-
' verhältnisse am Bodensee“, Bern 1904).
Es besteht aus zwei Wänden oder Flügeln und einem
Sack. Der äußere Teil des Flügels heißt die „helle“ Wand,
da sie Maschen von 120—140 mm Weite aufweist; sie ist
etwa 25 m lang. Dann folgt das „Tuch“ von 20 m Länge
und 45—40 mm Maschenweite, hierauf das „Gestell“, 6,6 m
lang, mit Maschen von 40 —37 mm, bis zur Mitte des Garns,
wo der Sack, ein geschlossenes, triehterförmiges Garn von
zirka S m Länge, mit dessen Ende, Zipfel genannt, von
1,2—2 m Länge und abnehmender Maschenweite von 37 bis
zurzeit 30 oder 24 mm sich anschließt.
Das Garn gründet etwa 22 m tief und umschließt in,
horizontaler adehaune eine Wasserfläche von zirka 1 Morgen
= 33 Aren.
Durch ausgehöhlte tannene Schwimmer von spindelförmiger
‚Gestalt, sogenannte „Flossen“, durch welche die Oberähre des
Garns gezogen ist, wird es schwebend und vermittelst runder
Steine von 1—1!/a kg Gewicht, im Abstand von zirka 2m
an der Unterähre straff gespannt. Der Sack, in der Mitte des
Garnes anschließend, wird durch eine mit Luft erfüllte Schweins-
blase am Eingang offen erhalten. Sein hinterer, offener Teil,
Zipfel, wird vor dem Gebrauch mit einer Schnur zugebunden
und nach dem Einziehen zum Entleeren der Beute geöffnet.
An beiden Enden der Flügel sind Zugleinen angebracht, von
denen die eine, hintere, zirka 45 m lang, am Ende mit einem
Schwimmer, „Schweber“, versehen ist, damit der Anfang des
Netzes nach dem Setzen leicht wieder gefunden wird. Die -
andere, das Schwebseil genannt, ist zirka SO m lang und
wird nach und nach ausgeworfen, bis die erste Zugleine mit
dem Schweber wieder erreicht ist.
Nachdem bei Beginn des Setzens der Schweber und nach
und nach in voller Fahrt das hintere Seil ausgeworfen ist,
wird das ganze Garn von zirka 110 m Länge ausgelegt,
wobei mit dem Schiff annähernd ein Kreis beschrieben und
zum Ausgangspunkte zurückgekehrt wird; hierauf nehmen die
— 84 — 0%
Fischer den Schweber ins Schiff hinein. Der Sack vorn, in
der Mitte des Garns, wird durch Anziehen der beiden Seile
und der Flügel straff gespannt. Eine Verankerung des Schiffes
findet nicht statt; das Netz wird gleichmäßig zum querstehenden
Schiffe herangezogen. Früher wurde es fast immer von vier
Mann in einem großen Flachbodenschiffe bedient; heute wird
es zumeist nur noch von zwei Mann in einer größern Gondel
gezogen. Für das Ausspannen des Garns und speziell des
Sackes ist es notwendig, daß es in richtiger Stellung zum
„Wasserrus“, und zwar gegen den Rus „angefehrt“ wird;
denn davon hängt zum größten Teil der Erfolg des Zuges ab.
‘Während des Einziehens des Garns stellen sich die Maschen
diagonal uud ziehen sich zusammen; die Wände nähern sich
im untern Teil einander, so daß die Fische gegen den Sack
geleitet werden. Schließlich wird auch dieser gegen das Ende
hin fast senkrecht ins Boot hinaufgezogen, wobei ein Ent-
weichen selbst der kleineren Felchen, namentlich bei raschem
Aufziehen, kaum mehr möglich ist. Nach dem Einziehen des
Zipfels wird dieser geöffnet und sein Inhalt auf den Schiffs-
boden entleert, worauf die untermäßigen Blaufelchen, unter
30 cm, wieder in den See zurückversetzt werden, was leider
nieht immer geschieht, und daher auch die Klagen über den
Fang untermäßiger Felchen immer wieder ertönen.
Um diesem Uebelstande einigermaßen abzuhelfen, soll nun
die zulässige kleinste Maschenweite des Sackes, resp. Zipfels,
auf 35 mm festgesetzt werden. Zudem wäre notwendig, dab
das Einziehen desselben langsam geschieht, um das Entweichen
der kleinen Felchen eher zu ermöglichen.
Neben Blaufelehen werden auch Raubfische, namentlich
Forellen, im Klusgarn gefangen. Ein Zug bringt oft 10 bis
20, in sellemen Fällen 50, ja bis über 100 Stück Blau-
felehen und beansprucht zirka eine Viertelstunde Zeit; nachher
wird der Standort des Bootes gewöhnlich gewechselt. Mit
Motorschiff können in einer Stunde wohl fünf Züge gemacht
werden; überdies liegt der Vorteil dieses Betriebes auch darin,
dab Es Fischer in kürzerer Zeit an die Orte gelangen nal
wo der Fang ergiebig ist. Die Klusgarnfischer arbeiten, meist
in Gesellschaft von 10—20, ja 40 und mehr Booten neben-
einander und beobachten die gegenseitigen Fangergebnisse
genau. Sie fischen von früh morgens bis abends zur Dämme-
rung. Ergiebig ist meist der „Morgen- und Abendschweb*,
wogegen über Mittag, zumal an heißen Sommertagen, die
Arbeit ruht.
Die Klusgarne sind vom April bis Oktober in Betrieb,
die Schwebnetze meist erst von Mitte Mai bis zur Schon-
zeit, 10. November, und dann wieder in der Laichzeit vom
25. November an.
Die gefangenen Felchen werden im Sommer sofort aus-
geweidet und an die Händler abgegeben, welche die Fischer-
flottillen oft mit Motorbooten begleiten, um die Ware frisch
in Empfang zu nehmen.
Während noch vor wenigen Jahren der Felchenfang mit
dem Klusgarn hauptsächlich nur im untern, badischen Seeteil
von den dortigen Fischern mit zirka 70 Garnen ausgeübt,
derjenige mit Schwebnetzen dagegen mehr im obern badischen,
speziell aber im schweizerischen und württembergischen Seeteil
betrieben wurde, haben sich die Verhältnisse seither gründlich
geändert. Seitdem die badischen Fischer immer mehr die
Fischgründe im Obersee aufsuchen und befischen, indem sie
sich auf die Annahme stützen, der „blaue See“ sei Condo-
minium aller Uferstaaten und dürfe von allen Fischern
mit Schwebnetzen und Klusgarnen befischt werden, haben
nun auch die schweizerischen Fischer der Kantone Thurgau
und St. Gallen, sodann die württembergischen, bayrischen und
österreichischen Fischer Klusgarne angeschafft und sind mit
gutem Erfolge zu dieser Fangmethode übergegangen. Es sei
noch erwähnt, daß ein Klusgarn fertig montiert auf zirka
450 Franken zu stehen kommt.
Im August 1913 zählte man am Bodensee laut statistischen
Erhebungen durch die Fischereiaufseher:
Klusgarne Schwebnetzsätze
mebadena 2.00 2... 97 48
in Württembere. . . .. .. 230 42
in Bayern 2.0. ,.,.,., 4 5
im Oesterreich .2:.- .. . 9 2
in der Schweiz: St.Gallen . 15 12
Thurgau . 49 98
Total 204 167
wobei im gleichen Betriebe zumeist beide Gerät-
schaften benutzt werden.
LT Re
Die Vorteile des Klusgarns gegenüber den Schwebnetzen
lassen sich in der Hauptsache in folgendem zusammenfassen :
1) Der Fischer hat jederzeit das ganze Fischereigerät bei
der Hand und muß es nicht über Nacht Wind und
Wellen preisgeben wie die Schwebnetze.
2) Die Klusgarnfischer, die meist in größeren Gruppen
beisammen arbeiten, sind rascher über den Stand der
Felchen orientiert, als dies beim Fang mit Schweb-
netzen der Fall ist, wo das Fangergebnis von mehr
Zufälligkeiten abhängt.
3) Das Klusgarn durchsiebt in vertikaler Richtung
beinahe die ganze Blaufelchenzone bis auf zirka
25 m Tiefe, wogegen die Schwebnetze nur einen Wasser-
streifen von 1,5 m Höhe durchfischen und daher nicht
immer die Aufenthaltszone dieser Fische erreichen:
letztere muß vielmehr durch Abmessen der Schnüre
ausprobiert werden.
Dagegen werden mit dem Klusgarn, namentlich bei der
zurzeit noch zulässigen Maschenweite von 24 resp. 30 mm im
Sack und Zipfel, eine große Menge nicht ausgewachsener, ja
untermäßiger Blaufelechen gefangen, was mit den Schweb-
netzen von 40 mm Maschenweite sozusagen ausgeschlossen ist.
Daher bestand zwischen den Klusgarn- und Schwebnetzfischern
_ von jeher ein großer Gegensatz, der erst in neuester Zeit sich
auszugleichen scheint, da beide Fanggerätschaften nun ziemlich
gleichmäßig in allen Uferstaaten benutzt werden.
Die kartographische Darstellung gibt auf Grund obiger,
von den staatlichen Fischereiaufsehern am Bodensee auf-
genommenen Statistik ein Bild des Blaufelchenfanges, wie er
von den einzelnen Ortschaften aus mit den zwei verschiedenen
Fanggerätschaften betrieben wird, wobei das Uebergewicht der
badischen Klusgarnfischer, das übrigens historisch ist, deutlich
in die Augen fällt.
Die bedeutende Fangsteigerung in den letzten Jahren ist
offenbar nur möglich gewesen, weil der Blaufelehenbestand
im Bodensee ein außerordentlich guter war. Er dürfte vor
allem der seit mehr als zwänzig Jahren intensiv betriebenen
künstlichen Vermehrung der Blaufelehen zuzuschreiben
sein; denn es ist kaum anzunehmen, daß ohne den jährlichen
Einsatz von vielen Millionen von Jungfischen aus den Brut-
— 370 —
anstalten am Bodensee die stets zunehmenden Fangergebnisse
nachgerade den Felehenbestand nicht dezimieren müßten.
Durch den Fang in der Laichzeit, meist anfangs Dezember,
der nur unter genauer Beobachtung gewisser Vorsichtsmaßregeln
erfolgen darf, wie: beschränkte Fangzeit, maximales Schnurmaß
(J0 m), Verpflichtung der Fischer zu sorgfältiger Abstreifung
und Befruchtung der Eier, sowie die künstliche Erbrütung
derselben in den Brutanstalten, wird die Möglichkeit geboten,
dem See alljährlich wieder viele Millionen junger Blaufelchen
.. Hievon stammten aus den
zurückzugeben. Do schweizerischen Brutanstalten
im Jahr 1904: 24 Millionen 14!/oa Millionen
1907: a
2910: 260 2. 12 te
Ta 16. 7 0
Ueber die Zahl, das Vorkommen und die Größe der Brut-
anstalten und deren Leistungen für die Blaufelehenzucht
(Biereinsätze und Brutergebnisse) in den letzten fünf Jahren
gibt die Karte ebenfalls allen wünschbaren Aufschluß.
Bemerkt sei nur noch, daß in diesem Jahre in Baden
eine weitere Brutanstalt für Blaufelchen in Hagenau und in
Württemberg eine solche in Langenargen errichtet worden
ist. Die Brutanstalt in Konstanz hat bis jetzt noch keine
Blaufelcheneier erbrütet, sondern beschäftigt sich wie die-
jenige von Ermatingen hauptsächlich mit der Erbrütung
von Gangfisch-, Aeschen- und Hechteiern, Ermatingen überdies
auch mit der Zucht von Weißfelchen. Auch in Hard werden
hauptsächlich Sandfelchen- und Forelleneier erbrütet.
Durch den Fang in der Laichzeit und die damit ver-
bundene Gewinnung und Befruchtung der Eier und deren
Erbrütung wird dem See ein größerer Prozentsatz Jungfische
zurückgegeben, als dies bei dem natürlichen Laichgeschäft
der Fall ist.!
Unter diesen Umständen darf der schöne Blaufelchen-
bestand im Bodensee zurzeit noch als gesichert betrachtet
. werden; doch ist die stete Zunahme von Fanggeräten, speziell
der Klusgarne, die, wie schon gesagt, beinahe die ganze
! Siehe darüber meine Ausführungen in der Festschrift der
Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft, Heft XX, 1913 (Huber
& Co. in Frauenfeld): „Beobachtungen und Erfahrungen bei der
künstlichen Erbrütung der Blaufelchen.“
a
EB
Blaufelehenzone durchsieben, nicht unbedenklich, und
eine Beschränkung derselben entweder nach Zahl oder
mit Bezug auf Fangzeiten mit der Zeit wohl unausbleiblich,
um so mehr als sie eben den Blaufelchenbestand nicht nur
quantitativ, sondern wegen der vielen dabei mitgefangenen
untermäßigen Exemplare auch qualitativ beeinträchtigen.
Nicht zu übersehen ist auch die zunehmende Verwendung
von Motorbooten bei der Benutzung dieser Garne, die eben-
falls eine intensivere Befischung möglich machen, erstens weil
in gleicher Zeit mehr „Züge“ gemacht werden können, und
zweitens, weil die besten Fischgründe in kürzerer Frist auf-
gesucht und abgefischt werden können.
Möge nötigenfalls die weitere wirksame Fürsorge für die
Erhaltung der wertvollen und mit Recht geschätzten Blau-
felchen, der „Brotfische“ des Bodensees, so rechtzeitig und
so intensiv einsetzen, daß auch noch spätere Generationen
an diesem „wirtschaftlichen Kapital sich erfreuen können.
Romanshorn, im Dezember 1913.
Nachschrift.
Seit der Schweizerischen Landesausstellung in Bern 1914,
für welche diese Karte nebst Begleitwort bearbeitet worden
ist, sind auf Grund wiederholter Beratungen verschiedene
staatliche Vorschriften erlassen worden, die für den Fang
und die Zucht der Blaufelchen von so weittragender Bedeutung
sind, daß ich es für angezeigt erachte, sie im wesentlichen
noch nachzutragen:
1) Die Schonzeit für die Blaufelehen wurde vom
10. November (früher 15. November) bis 15. Dezember,
und der Beginn des Fanges in der Schonzeit auf den
25. November (früher 1. Dezember) festgesetzt. (Bundes-
ratsbeschluß vom 7. November 1913, nach internationaler
Uebereinkunft.)
2) Die Maschenweite im hintersten Teil des Klusgarnsackes _
(„Zipfel“) darf nur auf eine Länge von höchstens 4 m
noch 35 mm betragen. (Bundesratsbeschluß vom 20.No-
vember 1914, nach internationaler Uebereinkunft.)
3) Für die Ausübung des gewerbsmäßigen Fischfanges auf
hohem See mit Klusgarn und Schwebnetzen (Blau-
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25
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Orte mit Fischbrutanstalten und Zahl
der Brutgläser, Die Statistiken beziehen
sich auf die Erbrütungsergehnime bei
Blaufoichen von 1906-1912. Eingetragen
ist jeweilem die Zahl der eingelieferuen
und der erbrüteten Eier in Tausendern,
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Stalus vom August 1018.
Maßstab 1: 125000 Kurtographia Winterthur A. G.
ROT NA
felehenfang) werden in jedem Uferstaate besondere
Hochseefischereipatente zur einheitlichen Taxe von
12 Franken (10 Mark oder 12 Kronen) ausgegeben und
die Zahl dieser Patente wie folgt kontingentiert:
Baden 2.22..5 02.23 28:164 =
Bayer sa 13 2
Oesterreich, 3-22... 38
Schweiz: St.Gallen . . 45
Thurgau . 2.105
Württemberg . - . . 60
Gleichzeitig ist auch die Verwendung von Motorbooten
beim Fischfange in der Weise geregelt worden, daß in
einem Fischereibetrieb nur ein Motorschiff mit höchstens
6 PS gestattet wird gegen Entrichtung einer jährlichen
Gebühr von 20 Franken (16 Mark oder 18 Kronen)
per eingebaute PS.
Das „Ziehen* der Netze mit motorischer Kraft ist
verboten. (Thurgauische kantonale Verordnung vom
18. Dezember 1915, nach internationaler Uebereinkunft.)
Es wäre sodann nahe gelegen, außer der amtlichen Fang-
statistik, die nun auch schweizerischerseits seit 1914 vollständig
vorliegt, auch die Ergebnisse in den Brutanstalten, soweit sie sich
auf die Blaufelehen beziehen, bis heute nachzutragen und auf
der Karte darzustellen. Allein durch den europäischen Krieg
hat auch der Fischereibetrieb auf dem Bodensee so große Ver-
änderungen und Einschränkungen erfahren, daß ein durchaus
“anormales und unvollständiges Bild entstanden wäre. Ich be-
schränke mich daher noch auf die Angabe, daß im Herbst 1915
in Uttwil und 1916 in Rorschach je eine neue, rationell
eingerichtete Brutanstalt mit 14 resp. 16 Felchenbrutgläsern
in P _ »b gesetzt worden ist.
u Bezug auf die öffentlich rechtlichen Fischereiverhältnisse
sei zum Schlusse noch bemerkt, daß seit Kriegsbeginn auch
auf dem Oberseegebiet die Grenzsperre eingeführt wurde, eine
Tatsache, die mit der These, als ob das Bodenseegebiet ein
Condominium wäre, auffällig kontrastiert und für die Ausübung
des Blaufelehenfanges nicht ohne Einfluß war.
August 1917,
Die Verbreitung der Zahnfäule bei
der schweizerischen Schuljugend
und ihre Bekämpfung. |
Von Zahnarzt Ad. Brodtbeck in Frauenfeld.
(Drei Tafeln und eine Karieskarte.)
Es war im Jahre 1906, als ich zum erstenmal in den
Mitteilungen der Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft
eine Arbeit über die Ursachen der Zahnkaries, ihre Folgen
und deren Bekämpfung, veröffentlichte. Schon dazumal war
ich in der Lage, den Leser mit einer großen Zahl von
Untersuchungsresultaten aus der Schweiz bekannt zu machen.
Heute bin ich am Schlusse meiner Erhebungen angelangt,
nachdem ich während dreißig Jahren, auf meinen Wanderungen,
in meinen Ferien, einen Einblick in die Zahn- und Mund-
verhältnisse bei der schweizerischen Schuljugend bekommen
habe. So habe ich die romantischen und oft sehr einsamen
Täler vom Berner Oberland, Graubünden und Wallis besucht;
auch habe ich die Jugend von Onsernone, Oentovalle, Verzasca
und Campo Bosco kennen gelernt. In meiner Studienzeit kam
ieh nach dem welschen Jura; das Baselbiet, meinen Heimat-
kanton, kannte ich nach allen Richtungen. Später lernte ich
das liebliche Appenzellerländehen und das Toggenburg kennen.
Kurz und gut, ich habe auf meinen vielen hygienischen Streif-
zügen so viel gesehen, beobachtet und erfahren, daß ich mit
gutem Gewissen meine gesammelten Eindrücke veröffentlichen
darf. Meine Untersuchungen erstreckten sich in der Haupt-
sache auf die ländliche Schuljugend.. Was mich veranlaßte,
die Resultate der städtischen Schulen nicht zu berücksichtigen,
! Nach einem Vortrag des Verfassers, welcher an der Jahres-
versammlung der Schweizerischen Odontologischen Gesellschaft in
Basel 1917 gehalten und für die Mitteilungen der Thurgauischen
Naturforschenden Gesellschaft umgearbeitet wurde.
2 RE BERN VE 0) esse
_ lag in dem Umstand, daß mir die Städte infolge zu intensiver
Misehung der Bevölkerung ein zu wenig genaues Bild für
meine Erhebungen gegeben hätten; auch die prozentuale
Fixierung der kranken Gebisse wäre durch das Produkt der
intensiven konservierenden Tätigkeit der Privatzahnärzte,
- Polikliniken und Schulzahnkliniken auf Schwierigkeiten ge-
stoßen. Auf dem Lande hingegen, wo man heute noch mit
geringen Ausnahmen den zahnärztlichen Eingriffen mißtrauisch
gegenüber steht, war der Fall ein anderer. Füllungen habe
ich höchst selten gesehen, wohl aber die grausamen Wirkungen
der Extraktionszangen; so traf ich Kinder im Alter von 12
bis 14 Jahren, welchen man sämtliche bleibenden Zähne
entfernt hatte. Auf diese höchst brutalen und gesundheits-
schädlichen Eingriffe in die noch nicht fertig entwickelten
Kinderkiefer werde ich später zurückkommen.
Zirka 30000 Schulkinder wurden von mir untersucht;
vielfach konnten nur sogenannte Stichproben gemacht werden.
Die faulen Milchzähne, welche oft schwere Krankheitsbilder
aufweisen, liefern einen hohen Prozentsatz der kranken
Gebisse; noch höher aber ist die Zahl der kranken bleibenden
Zähne. Von Seite der Geistlichkeit und Lehrerschaft fand ich
kräftige Unterstützung; doch auch die Eltern, hauptsächlich
in den Gebirgstälern, unterstützten mich und gestatteten mir
einen Einblick in ihre Lebensweise. Letztere spielt bei der
Verbreitung der Zahnfäule eine größere Rolle, als allgemein
angenommen wird. Wie die Menschen verschieden sind, so
sind auch ihre Lebensbedingungen verschieden und so ver-
schieden ist auch ihre körperliche Entwicklung. In unserer
kleinen Schweiz können wir in dieser Beziehung enorme
Kontraste beobachten. Den größten Unterschied fand ich
zwischen der Walliser-- und Appenzellerbevölkerung. Hier
Degeneration, dort noch urchiger, unverfälschter Gebirgler-
typus; einerseits vernünftige, rationelle Lebensweise, ander-
- seits Verweichlichung in Nahrung und Lebenshaltung. Man
muß sich nicht wundern, wenn die kräftigsten Kindergebisse,
die kräftigsten und normalsten Kiefer in den Kantonen Wallis,
Tessin und Graubünden zu finden sind. In diesen Gegenden
habe ich eine große Zahl der herrlichsten Eindrücke erlebt,
welche sehr zugunsten dieser armen, aber doch zufriedenen
und glücklichen Menschen sprechen. So bescheiden und
REDE
anspruchslos die Eltern in Kleidung und Nahrung sind, so
bescheiden ist auch die Jugend. In diesen Dörfern trifft man
noch gesunde Tradition. Das Kind ruht an der Mutterbrust
als wirklicher Säugling; niemand stößt sich an dem lieblichen,
bei uns so seltenen Bild, höchstens unsere falsche Prüderie.
Der Mann wiederum gefällt mir durch seine Enthaltsamkeit
im Genuß alkoholischer Getränke. Ist für ihn die Tages-
arbeit noch so streng und gefahrvoll, er begnügt sich still-
schweigend mit seiner bescheidenen Mahlzeit, welche haupt-
sächlich aus Risotto oder Polenta besteht. Eltern und Kinder
lagern sich um den Topf und löffeln mit gesundem Appetit,
nicht neusig, ohne Hast von dem wahrhaft nahrhaften Gericht.
Zwischenhinein kauen sie von ihrem harten, selbstgebackenen
Schwarzbrot. Die Jugend benimmt sich während dem Essen
nicht frech; die Achtung und der Respekt vor den Eltern
ist zu groß. Gewiß, das Leben in diesen einsamen Tälern
ist monoton, der Tiefländer wollte nicht tauschen; doch eines
haben diese Gebirgler voraus, auch wenn sie nur ein paar
Gaißen und einen Stadel als Eigentum besitzen: Glück,
Bescheidenheit, hohe Moral und Gesundheit. Die Jugend hat
durchwegs ein blühendes Aussehen; höchst selten trifft man
ein sogenanntes Wachsgesicht. Mit nackten, braunen Beinen,
dazu noch geraden, springen sie herum, klettern über alle
Hindernisse und freuen sich so recht des Daseins. Die reifere
Jugend hilft mit gebräunten Wangen den Eltern bei der
Arbeit. Je anmutiger das Mädchen, um so derber der Knabe;
doch immer sind sie höflich und anständig gegen die Fremden,
was man von der Tieflandjugend nicht immer behaupten
könnte. So soll die Jugend sein, ungeschminkt, natürlich,
wie sie der Herrgott gedrechselt, wenn sie sich normal ent-
wickeln soll.
Hier fand ich auch bis 15 ° gesunde Gebisse, Kiefer
und Zähne kräftig entwickelt, das Zahnfleisch gesund und
straff gespannt. Dank dem kräftigen „Kauen“ sauberer
Mund, ohne den bekannten schmierigen, grünen Belag; hier
darf man von einem süßen Kindermund sprechen. Bei etwas
tiefer gelegenen Dörfern, in der Nähe von Hotelvierteln, ist
bereits eine Abnahme der gesunden Gebisse zu konstatieren,
ein Beweis, wie schädlich auch die Hotelindustrie auf unsere
Jugend wirkt. Es ist eine altbekannte Tatsache, daß z.B. die
ae hin Alm in id
Be
Die mit © bezeichneten Städte
besitzen Schulzahnkliniken
Die mit 4 bezeichneten Städte
schicken ihre Schulkinder auf
Kosten der Gemeinde in die
Privatpraxen
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Nach Untersuchungsresultaten aufgestellt
von
Zahnarzt Ad. Brodtbeck, Frauenfeld
1890—1917
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Die Verbreitung der Zahnfäule bei der Schuljugend in der Schweiz
85— 90 %% kranke Gebisse
Die mit © bezeichneten Städte
besitzen Schulzahnkliniken
Die mit 4 bezeichneten Städte
schicken ihre Schulkinder auf
Kosten der Gemeinde in die
Privatpraxen
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Nach Untersuchungsresultaten aufgestellt
von
Zahnarzt Ad. Brodtbeck, Frauenfeld
1890—1917
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Kinder von Bergführern schlechtere Zähne haben als die
Kinder von Eltern, welche Landwirtschaft betreiben. So
komme ich in den Bezirken St. Maurice, Martigny, Chonthey,
Sion, Saanen, Ober-Simmental, Fruttigen, Interlaken, Oberhasli,
Uri, Vorderrhein, Glenner, Heinzenberg, Unterlandquart usw.
nur noch auf 5—10 °/, gesunder Gebisse; sogar Bellinzona,
Lugano und Mendrisio, Bezirke mit starker industrieller Ent-
wicklung, mußten hier einbezogen werden. Die übrige fran-
zösische Schweiz, Nieder-Simmental, Thun, Bern, Aarberg,
Fraubrunnen, Burgdorf, Trachselwald, Konolfingen, Signau,
Entlebuch, Obwalden, strichweise Nidwalden, Schwyz, Glarus,
und Sargans weisen 2—5 °/, gesunder Gebisse auf. In den
Bezirkefi Solothurn, Olten, Gösgen, Balstal, Wangen, Aarwangen,
Willisau, Sursee, Hochdorf, Luzern, Küßnacht, und in den
Kantonen Baselland, Baselstadt, Aargau, Schaffhausen, Zürich
und teilweise Thurgau und St.Gallen fanden sich 0—2 %
intakter Gebisse, während die Bezirke Weinfelden, Bischofs-
zell, Wil, Goßau, Tablat, St.Gallen und der ganze Kanton
Appenzell die dunkelste Stelle meiner Aufzeichnungen bilden.
Aus obigen Erhebungen ist zu entnehmen, wie mißlich
es mit den Zahnverhältnissen bei der Schuljugend, speziell
in der Ostschweiz, steht. Aber auch in den südlichen, süd-
westlichen und südöstlichen Gegenden der Schweiz kommen
wir auf 85 % kranker Schülergebisse. Auf der beigegebenen
Schweizerkarte! habe ich die während dreißig Jahren ge-
sammelten Untersuchungsresultate niedergelegt und dabei nur
die Bezirksgrenzen berücksichtigt. Auf absolute Vollkommen-
heit macht auch meine Statistik keinen Anspruch; kleine
Varianten sind immer möglich, da nicht in jedem einzelnen
Bezirk Untersuchungen durchgeführt werden konnten. Doch
etwas sagt die Karte deutlich, daß die Verbreitung der Zahn-
fäule bei der schweizerischen Schuljugend eine ungeheure ist
und daß wir vor einer schweren Volkskrankheit stehen. Heute
gilt es die Ursachen zu erforschen und zu bekämpfen, sowie
Mittel und Wege zu finden, um die Volksseuche vorerst im
‚konservierenden Sinne zu beseitigen.
Als eine der Hauptursachen müssen wir die veränderte
‘ Die Karte ist eine Verkleinerung meiner Originalkarieskarte
(Maßstab 1:1000000), welche an die Mitglieder der Schweizerischen
Odontologischen Gesellschaft verteilt worden ist.
IE NgN BE
Lebensweise betrachten. In meiner Einleitung habe ich ver-
sucht, einen Einblick in Volksernährung bei den Gebirglern im
romanischen Teile der Schweiz zu geben; ziehe ich nun eine
Parallele mit der Ernährung im Tieflande, so kommen wir
zu auffallenden Resultaten. Die Jugendernährung im Tieflande,
speziell in den Industriezentren, ist bei den Arbeiterfamilien
durchwegs unrationell und das Produkt davon Unterernährung.
Mit Ausnahme eines Teiles der romanischen Schweiz, wo die
Mutter den Säugling noch mit Stolz an die Brust legt, be-
kommt das Kind nach den ersten Wochen die Milchflasche
und Grießbrei. Kommen die Milchzähne, so gibt man deshalb
nicht gemischte Nahrung (gekochtes Gemüse und Obst); die
Milchkost wird fortgesetzt, bis der Körper aufgedunsen ist.
Mit salzarmen Knochen und krummen Beinen werden foreierte
Gehversuche gemacht, und immer noch glaubt die Mutter, den
Liebling, statt mit fester Nahrung, mit Milch und Brei stopfen
zu müssen. Inzwischen ist der Kleine oder die Kleine schul-
pflichtig geworden; da Vater und Mutter schlechte Zähne
besitzen, werden die Gerichte dem elterlichen Kauvermögen
angepaßt; die Folge davon ist, daß auch die Kinder das zu
Brei gekochte Zeug essen müssen. So müssen und lernen
die Kinder nicht kauen; Kiefer, Zähne und Muskeln bleiben
in der Entwicklung zurück. Man entschuldigt sich gegenseitig
und nimmt den faulen Zustand der Gebisse, den sehmierigen,
grünen Belag und das hochrot entzündete Zahnfleisch, als
selbstverständlich hin, sind es doch für die Eltern und weitere
Umgebung bekannte Bilder. Als Begleiter gesellen sich
Schmerzen und Unterernährung hinzu. Für die Schmerzen
springt man zum Barbier, für die Blutarmut zum Doktor,
und beide können nicht helfen. Kommt man endlich zum
Zahnarzt, dann ist es zu spät. So kommt es, daß bei uns,
hauptsächlich in den Industriegegenden, die Jugend so früh
zu entstellenden Gebissen kommt. Im Kanton Appenzell ist
es direkt zur Mode geworden, daß man einer Tochter ein
künstliches Gebiß, oder sagen wir besser falsche Zähne, in
die Aussteuer gibt. Die Burschen verlangen es so, damit sie
später nicht auch noch diese. Ausgaben haben. In diesen
Gegenden würde man mit einer gesunden und reellen Auf-
klärung und Belehrung über den hohen Nutzen konservierter
Zähne schlecht ankommen; liegen doch vielfach diese Schichten
N
der Bevölkerung total in den Händen der Pfuscher, welche
nichts Gescheiteres tun können als das Gegenteil zu behaupten,
was die wirklichen Zahnärzte sagen. Was von Seite dieser
Elemente geleistet wird, grenzt an das Aschgraue, und trotzdem
werden sie von Behörden, Kantonsräten, ja sogar von einem
Teil der Mediziner unterstützt. So muß man sich nicht
wundern, wenn schon der Kanton Appenzell und Umgebung
die dunkelste Stelle in der Zahnfäulnisfrequenz aufweist; auf
einen großen Umkreis machen sich die schädlichen Einflüsse
der Wunderdökter bemerkbar, und die Worte dieser falschen
Propheten gewinnen weiter an Boden. Falsche Behandlungen,
brutale operative Eingriffe, Massenextraktionen usw. im Kindes-
alter stören das Wachstum der Kiefer, verengern den Nasen-
rachenraum und den Oberkiefer, verpfuschen die Stellung
der noch durchbrechenden Zähne. Abgebrochene oder ab-
geschliffene Kronen (Zahnersatze oder Kronen auf Wurzeln,
ohne Wurzelbehandlung, das Schlimmste was es gibt) mit
vereiterten Nerven, rufen schwere Drüsenschwellungen, also
lebensgefährliche Infektionen hervor. Auch das Deutsche Reich !
mit seiner Legion von sogenannten Dentisten (nicht Zahnärzte),
welche sich vielfach aus Abenteurern rekrutieren, leisten.dem
Volke einen zweifelhaften Dienst, und doch pilgern die Thurgauer
mit Vorliebe nach Konstanz. Nicht immer die scheinbar billigere
Behandlung ist es, was sie lockt, sondern die marktschreierische
Reklame, welche von Lug und Trug strotzt, zwingt sie mit
magischer Gewalt in die Hände der Zahnatelier-Besitzer.
Hier kann nur zahnärztliche Wissenschaft und exakte Technik,
also nicht handwerksmäßige Verrichtung, Remedur schaffen;
ihr allein verdanken wir die großen Fortschritte in der
Konservierung der Zähne.
Eine weitere bedauernswerte Erscheinung der Appenzeller
und Umgebung ist die Sucht für Schleckereien. Die Appen-
zeller, St. Galler, und neuerdings auch die Welschschweizer,
haben nicht nur das weißeste Brot, sondern auch die süßesten
Torten. Die sogenannten Appenzellerfladen werden sogar in
den Sennhütten gehalten. Die Kinder lutschen saure Früchte-
bonbons; auch die Konfitüre spielt eine große Rolle; Butter-
: ! Im sanzen deutschen Reich (sonst in keinem andern Staate) ist
die Medizin freigegeben; alles kann praktizieren. Nur die Verwendung
ärztlicher Titulaturen wie Arzt und Zahnarzt sind verboten.
brote mit einer dieken Schicht Zucker sind bei der Jugend
ebenfalls keine Seltenheit. Ein schlagender Beweis hiefür
folgende amtliche Zeitungsnotiz: Für die Abgabe von Einmach-
zucker sind im Kanton Appenzell A.-Rh. Anmeldungen ein-
gegangen, welche die vom Bund zur Verfügung gestellte
Menge um 52000 kg übersteigen.
Es ist ferner auffallend, daß die Zahnfäule speziell in
denjenigen Gegenden stark auftritt, wo die Heimarbeit, welche
bekanntlich auch die Jugend mit engagiert, zu Hause ist.
In den Bezirken Wil, Goßau und Appenzell ist das häufig
der Fall; auch die Bezirke Waldenburg (Baselland), Locle,
Chaux-de-Fonds, Courtelary usw. haben einen höhern Prozent-
satz kranker Gebisse als die benachbarten Gebiete. Die in
der Entwicklung begriffene Jugend nimmt dabei enormen
Schaden an Leib und Seele. Hier sollte mit aller Macht
Abhilfe geschaffen werden, und zwar durch besondere behörd-
liche Verfügungen oder Gesetze. Die Jugend sollte zu un-
gesunder Heimarbeit, in ungesunden Räumen, vor Ablauf
des 16. Lebensjahres nicht zugelassen werden. Mangel an
Bewegung in freier und frischer Luft, dazu noch eu
Nahrung, führt zu den schwersten Volksschäden.
an in den Schulen dürfte man speziell bei den untern
Klassen für die normale Entwicklung des Organismus mehr
Sorge tragen. Die Lehrer und Lehrerinnen sollten mit ihren
Schülern an schönen Frühlings-, Sommer- und Herbsttagen
viel in die prächtige Natur hinaus. Die blühenden Wiesen,
Felder und Wälder geben der Jugend viel Anregung für
naturgeschichtliche Betrachtungen, für die Lehrer ein Unter-
richtsmaterial in Hülle und Fülle. Die natürlichen Bilder
bleiben auch in besserer Erinnerung als die nichtssagenden
Tabellen der Schulwände. Noch verbleiben genügend Tage
im Jahr für die schädliche Schulluft. Die prächtigen Resultate
der städtischen Waldsehulen sind bekannt; die geistige Ent-
wieklung ist dabei nicht zu kurz gekommen, sondern stark ge-
hoben worden. Jugenderzieher und Hygieniker dürften sich auch
in dieser Beziehung einander besser verstehen und miteinander
arbeiten; die Jugend hat es bitter nötig. Seminardirektor
Schuster in Kreuzlingen sagte in einem Vortrag anläßlich
der Thurgauischen Schulsynode folgende prächtige und wahre
Worte; sie verdienen an dieser Stelle wiederholt zu werden:
TR EEE \
ONE
„Die Fortschritte und die große Ausdehnung, die in der
Neuzeit Wissenschaft und Technik gewonnen, und die Ver-
änderungen überhaupt im wirtschaftlichen Leben haben die
Lebensbedingungen und das Denken des Volkes verändert und
‘sogar die körperliche Beschaffenheit der modernen Menschen
bis zu einem gewissen Grade nachteilig beeinflußt. Das
moderne Leben und das moderne Hasten und Jagen hat
_ nervöse Kinder gebracht, geschwächte junge Organismen.
Zahnarzt Brodtbeck hat nachgewiesen, dab in den Kultur-
staaten die Ostschweiz die meisten Kinder mit Zahnfäule
aufweist. Kann die Schule selbstverständlich nicht allein die
erwähnten Uebelstände beseitigen, so kann sie doch zu ihrer
Beseitigung beitragen. Versuche haben gezeigt, daß durch
Errichtung von Waldschulen und Erholungsheimen selbst
‘schwache Kinder einen normalen Lehrgang durchzumachen
imstande sind. Für unsere Kinder im Kanton Thurgau genügt
der Aufenthalt mit körperlicher Bewegung in freier Luft.
Für die untern Schulklassen sind heute sechs Stunden im
Schulzimmer zu viel; aber auch die obern Klassen sind über-
lastet, und das letztere trifft namentlich für Mädchen zu, die
neben der Schule zu Hause im Haushalt noch stark und
- vielseitig beschäftigt werden. Eine wohltätige Aenderung ist
‚bei uns schon dadurch im Lehrplan gemacht worden, daß
Nachmittagsexkursionen eingeführt worden sind. Wer solchen
Spaziergängen mit Unterricht im Freien nicht geneigt .ist,
vergesse nicht, daß der Unterricht im Freien eine genauere
Vorbereitung des Lehrers erfordert, und daß dadurch die
Schüler auf Grund ihrer sinnlichen Wahrnehmungen vor
allem ihre Beobachtungsgabe üben und vervollkommnen. In
der Schulstube von etwas reden, das man draußen nicht
gesehen hat, das erzeugt bloß Schwätzer.“ Hoffentlich haben
die Ausführungen von Herrn Seminardirektor Schuster ihre
Wirkungen getan; er hat damit die innersten Wünsche der
Schulhygieniker und vieler besorgter Eltern berührt.
Noch eine weitere Beobachtung habe ich auf meinen
Wanderungen gemacht; der Romane genießt viel weniger
Zwischenmahlzeiten als der Deutschschweizer. Bei uns will
man immer Hunger verspüren; immer muß wieder etwas
gegessen werden; eine Erscheinung, welche unbedingt mit
dem Schlingen, mit dem Nichtkauen der Speisen, zusammen-
7
nt
hängt. Ein Mensch, welcher sich zum Essen Zeit nimmt,
und auch imstande ist, seine Nahrung gut zu kauen, fühlt
sich bei der einfachsten Nahrung länger gesättigt, als einer,
welcher in fünf Minuten sein Gericht hinunterwürgt. Eltern
und Kinder kann man nicht genug aufmerksam machen, die
Speisen gut zu kauen, Beim Essen soll nicht gehastet werden,
auch auf das Risiko hin, daß der Vater zu spät zum „Jassen“
kommt. Die Speisen 'müssen im Mund langsam gekaut und
der Brei gut eingespeichelt werden, eine Hauptbedingung für
normale Fortsetzung der Verdauung im Magen. Allerdings
gehört dazu ein gesundes Gebiß und nicht faule Zähne. Mit
einem kranken Gebiß ist ein normaler Verdauungsakt aus-
geschlossen; auch werden durch die Schlingbewegung die
faulen Stoffe aus den hohlen Zähnen in großer Menge in
den Magen befördert, wo sie die Veranlassung zur krank-
haften Veränderung des Magensaftes bilden.
Auch Reformen im Genuß der Nahrungsmittel sind nötig.
Die Vorbedingungen hiezu sind im Werden begriffen. So
Schreckliches und Furchtbares ein Krieg bringen kann, er
hat auch seine gute Seite; ohne Weltkrieg wären wir kaum
bezüglich Ernährung aus dem alten Schlendrian heraus-
gekommen. Unsere frühere Kost bestand in der Hauptsache .
aus kalkarmer Nahrung, wie Weißbrot, Fleisch, Kartoffeln.
und Teigwaren, gewürzt mit dem obligaten Dessert; dagegen
die nahrhaften Speisen, wie Reis, Mais, Habermues, Linsen,
die gesunden Gemüse mit dem schmackhaften, gelagerten
Vollmehlbrot, sah man selten auf dem Tisch. Auch der zu-
nehmende Gemüsebau bringt uns weitern vorzüglichen Ersatz.
Der Not gehorchend, haben Gemeinden, Behörden und Industrie-
“ gesellschaften dem Volke Pflanzland zur Verfügung gestellt
und so manch eine Familie veranlaßt, in frischer, herrlicher
Luft zu arbeiten. Heute ist es eine Freude, zu sehen, wie
Eltern und Kinder das Land bebauen, wie sie das- frische
Gemüse nach Hause tragen; eine Freude zu sehen, wie der
elterliche Tisch sich wieder mit Gemüse bedeckt, wie die
Gesundheit in doppelter Beziehung Nutzen davon trägt. Auch
der Rückgang des Fleischkonsumg ist eine erfreuliche Er-
scheinung. Vor dem Kriege wurde an vielen Familientischen
fast ausschließlich Fleisch gegessen und das Gemüse neben-
sächlich behandelt, zum schweren Nachteil des Stoffwechsels.
Le
nr eg ar a ine
Es ist selbstverständlich, daß mancher Erwachsene im
Anfang bei dieser veränderten Lebensweise Reaktionen durch-
macht, daß mancher Magen sich bei dieser neuen Kost rebellisch
zeigt und der Organismus verschiedene Störungen erlebt. Hat
sich einmal der Mensch an diese veränderte Kost recht an-
gepaßt, und auch daran gewöhnt gut zu kauen und weniger die
. Speisen zu schlingen, dann wird er mit dieser Kostart sich
bald versöhnen. Gerade bei dieser veränderten, doch ver-
nünftigen Ernährung zeigt es sich, was ein gesundes, natür-
liches Gebiß für einen hohen Wert besitzt. Erwachsene mit
kranken oder gar keinen Zähnen werden mit der gegen-
wärtigen Nahrung nicht viel anfangen können; sie werden
fortgesetzt murren, über schlechtes Brot und über schlechte
Verdauung klagen und massenhaft mit Hilfe ärztlicher Atteste
sich Weißmehl und Grieß verschaffen. Die Jugend selbst,
d.h. so weit sie über ein leistungsfähiges Gebiß verfügt,
fühlt sich bei dieser Ernährung wohl. Ich fürchte nur, daß
nach dem Kriege das alte Laster wieder Platz greift, daß
die Menschen bald wieder zum Massenzuckerkonsum, zum
sehädlichen Weißbrot und zur vermehrten Fleischkost zurück-
kommen, es sei denn, daß die jetzigen Verordnungen über
Volksernährung bestehen bleiben im Interesse des Schweizer-
volkes.
Soweit über die Hauptursachen der Zahnfäule und ihre
indirekten Bekämpfungsmöglichkeiten.
Noch verbleibt uns die örtliche, d.h. die direkte Bekämpfung.
der Zahnfäule durch: den Zahnarzt selbst. Ueber diesen Punkt
ist von Fachmännern und Laien schon viel gesprochen, ge-
stritten und geschrieben worden. Heute noch wird speziell auf
dem Lande die Sanierung des Gebisses als Luxus qualifiziert;
auch bringt man vielfach allen konservierenden Eingriffen
das größte Mißtrauen entgegen; für alles hat man Geld, nur
- nichts für die Zähne. Manch junger Bursche würde besser
tun, sein Geld für gründliche Behandlung des Gebisses zu
opfern, als mit faulen Zähnen und Buckel auf dem Velo im
Lande herum zu radeln; das Laufen bekäme ihm sicher besser.
Für Hüte, Kleider, seidene Zopfbänder, Eisenbahnen, Velo,
Auto usw. hat man Geld, für die in Fäulnis strotzenden
Mundhöhlen bleibt nichts übrig. Vielfach hört man auch sagen,
- die zahnärztlichen Behandlungskosten seien für die gewöhnlichen
— . 100 —
Menschenkinder unerschwinglich. Bei sehr defekten Gebissen
und bei großer Kalksalzarmut der Zähne kann dieser Aus-
spruch gewisse Berechtigung haben; doch vergesse man nicht,
daß nur wenige über eine so schlechte Qualität von Zähnen
verfügen, und daß eine korrekte Sanierung eines vernachlässigten
Gebisses niemals billig oder fast um nichts durchgeführt werden
kann, auch nicht von heute auf morgen. Ein sehr krankes
Gebiß zu behandeln erfordert viel Zeit und oft enorme Geduld,
nebst tüchtigem Studium große Fachkenntnisse und Erfahrung,
ein tadelloses Instrumentarium, sowie nur erste Qualität von
Füllungsmaterialien, da für erfolgreiche Arbeiten kaum das
Beste gut genug ist. In Fällen, wo die Kosten unmöglich
von den Zahnkranken übernommen werden können, da sollten
z. B. für die Schuljugend die Schulgemeinden, für die Arbeiter
die Krankenkassen und für Soldaten Kanton und Eidgenossen-
schaft in den Riß treten. Schulgemeinden und Krankenkassen
haben auf die ärztlichen Mahnungen und Ratschläge nur
bescheiden reagiert; bezüglich Soldatenbehandlung kam es
anders. Hier war es die Kriegsmobilisation, welche die große
Notwendigkeit spezialärztlicher Hilfe der kranken Soldaten
wach rief. Die Erkenntnis für das Bedürfnis zahnärztlicher
Dienste ist bis zur obersten Behörde gedrungen. Der lange
Grenzdienst, die feldmäßige Nahrung, die nasse und kalte
Witterung, die luftigen Kantonnemente, haben sich mit den
schlechten Zähnen schlecht vertragen; bald waren die Kranken-
zimmer mit Zahnwehpatienten überfüllt, und so kam es, daß
man zu den Zahnärzten griff und zahnärztliche Stationen
organisierte. Die kleine Zahl der zahnärztlichen Kliniken
genügte schon anfangs 1915 nicht mehr; es mußten weitere
Fürsorgestellen geschaffen werden. Trotz alledem konnte
nicht in allen Fällen in der Sanierung der Gebisse Gründ-
liches geleistet werden, speziell da, wo die Kliniken mit
Patienten überlastet waren. Heute darf man es offen aus-
sprechen, die Schweizerzahnärzte haben bis zum Jahrgang 66
während drei Jahren bei unsern Feldgrauen eine enorme
Arbeit bewältigt; sie haben mit ihren Leistungen die Sym-
pathien der Soldaten, Offiziere und Behörden erworben. Die
neue Organisation der Militär-Sanitätsanstalten vom 2. Februar
1917 sieht ebenfalls für die chirurgische Sektion Zahnärzte
vor. Zirka 100 Zahnärzte sind bei den zehn Sanitätsanstalten
"9767 "uaN]o AeIsuy-sjejruesuadderg dap NTUM SqoryzURunez
— 102 —
eingeteilt; sie haben sich im Kriegsfall hauptsächlich mit
Kieferverletzten zu befassen. Von diesen Zahnärzten haben
ungefähr 50 eine Spezialausbildung in Kriegslazaretten von
Deutschland, Oesterreich und Frankreich genossen. Für den
aktiven Dienst sind laut Beschluß des Bundesrates vom
27. Oktober 1916 die Regimentszahnärzte eingeführt worden;
sie haben, wie die Aerzte und Apotheker, eine Sanitätsofliziers-
aspirantenschule zu absolvieren, um den Grad eines Sanitäts-
offiziers zu erlangen. Wie sehr diese Organisationen notwendig
waren, beweist folgende Statistik aus der Samadener Klinik
über das Thurgauer-Regiment: In 1405 Sitzungen wurden
2236 Extraktionen, 1484 Füllungen und 50 Zahnersatze
erledigt. Auf das Füsilierbataillon 74 fielen in 675 Sitzungen
allein 974 Extraktionen, 761 Füllungen und 25 Zahnersatze.
Auch die Truppen aus den Kantonen St. Gallen und Appen-
zell brachten dieser kleinen zahnärztlichen Grenzstation viel
Arbeit. Die Gesamtleistung während zwei Jahren beträgt:
12179 Sitzungen, 13543 Extraktionen ganz fauler und kranker
Zähne, 11858 Füllungen, 2516 Kauterisationen, 1350 thera-
peutische Behandlungen und 769 Zahnersatze. Ueber 200
Soldaten verfügten über sehr schlecht konstruierte Gebisse,
welche in sogenannten „Zahnateliers“ (nicht in wirklichen
zahnärztlichen Praxen) hergestellt worden sind. Diese Prothesen-
besitzer waren nicht imstande, die feldmäßige Nahrung zu ver-
arbeiten. Nur wenige Laien können aus obigen Zahlen die
große Summe segensreicher Arbeit herausfinden; sie sprechen
für die Unentbehrlichkeit dieser zeitgemäßen Institution. Was
heute an Zahnpatienten in die Militärzahnkliniken wandert, ist
ein verschwindend. kleiner Teil von den vielen Zahnkranken,
und doch sind die Stationen mit Behandlungen überhäuft.
Noch einen weitern Vorteil hat die Soldatenbehandlung
dem Volke gebracht, die Erkenntnis für die große Wichtigkeit
gesunder Zähne und Mundhöhlen. So muß man sieh nicht
wundern, wenn heute in allen größeren Gemeinden der Wunsch
nach Sehulzahnkliniken laut wird. Man beginnt endlich zu
begreifen, daß diesem Volksübel nur durch Gründung von
zahnärztlichen Fürsorgestellen erfolgreich begegnet werden
kann, d.h. durch frühzeitige Bekämpfung der Zahnfäule.
Diese Fürsorge hat jedoch nur dann einen idealen. Wert,
wenn sie sämtlichen Schulkindern zugänglich gemacht wird,
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— 104 —
und zwar in dem Sinne, daß gesunde Organisationen von
Schulzahnkliniken (für jeden Bezirk eine Klinik, 1—-2 Schul-
zahnärzte vom Staate oder von den Bezirken besoldet) geschaffen
werden, welche es ermöglichen, die Sanierung der Schüler-
gebisse gründlich und periodisch durchzuführen. Schlecht ge-
leitete Kliniken, dazu noch kleinliche Kreditgewährung, führt
zu den schlimmsten Schäden und zum endlichen Ruin der °
Kliniken; Beispiele hiefür könnten genügend erbracht werden.
Mit gutem Willen und mit der nötigen Dosis Energie kann
alles erreicht werden, sogar das scheinbar Unmögliche; man
lasse nur hübsch Zweifel und Mißtrauen auf der Seite, sowie
die Politik und die sogenannte Konfession.
Im Jahre 1911 wurde in Frauenfeld die dritte Schulzahn-
klinik in der Schweiz gegründet. Luzern, Zürich, St. Gallen,
Bern, Lausanne und Genf besitzen ebenfalls Kliniken. Winter-
thur, Horgen und Chur schicken ihre Schüler auf Kosten der
Schulkasse in die Privatpraxen. Die Behandlungen erfolgen
nach folgendem -Tarif:
1 Extraktion . . .. Fr. 1. —
1 Extraktion mit ern. nn 2. —
1 provisorische Füllung. . . - 3. —
1 Amalgam-Füllung . . . . - 3.50
1 Silikat-Füllung . . . - 4. —
Dieses System bringt einer emails größere Auslagen,
trotzdem nur 10— 15%, der Schüler auf Behandlung Anspruch
machen können. Von Seite der Schulbehörden in Winterthur
und Chur werden heute übrigens bereits Anstrengungen ge-
macht, Kliniken zu gründen. Auf der Karieskarte der Schweiz
sind alle Städte, welche für ihre Schulen zahnärztliche Fürsorge
eingeführt haben, mit besonderen Zeichen markiert.
Mit dem Gedanken, Schulzahnkliniken zu gründen, befassen
sich heute folgende Gemeinden: Arbon, Amriswil, Arosa, Baden,
Brugg, Biel, Basel, Burgdorf, Chaux-de-Fonds, Langenthal,
Lugano, Schaffhausen und Thun. Wie es mit so modernen,
doch zeitgemäßen hygienischen Forderungen zu gehen pflegt,
werden wohl die meisten Behörden die Angelegenheit
besprechen, jedoch das Postulat, nur weil es etwas Kosten
verursacht, nicht zur Ausführung bringen. Den Gemeinden
kann ich mit gutem Gewissen und mit einer großen Portion
Erfahrung eine Organisation, wie sie Frauenfeld besitzt, nur
Dh 2 a ne Hl uka ai neh ahnt MER art Sn th nun EEE TO PETER
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N
empfehlen, vorausgesetzt, daß ein Zahnarzt zur Verfügung >
steht, welcher für die Jugend und für diese zeitgemäße In-
- stitution warm empfindet. Leicht ist der Anfang nicht, und
oft noch schwerer, einen Kredit von 3500—5000 Franken =
für die Installation einer Klinik zu erhalten. Dank einer
weitsichtigen-Schulbehörde konnte in unserer Residenz eine
mustergültige Installation, welche sich auf drei Zimmer
-ausdehnt, getroffen werden; die Kosten kamen nicht höher
als auf 3500 Franken. Die Klinik besitzt einen Tarif mit
folgenden Ansätzen:
1 Extraktion ‚eines Zahnes oder Wurzel Fr. —. 50
L Kauterisation eines Nerves. . .. a
1 Behandlung eines vereiternden Nero. - 1.—
1 nn Se - 1.—
1 provisorische Füllung in Deren: oder
Guttapercha ©... nu.
1 Sılbertulune . . ee 1,30
1 Porzellan- nenn. 2 - 2.—
Untersuchungen der Gebisse und Konsultation
„gratis. *
Die Behandlungskosten für arme oder weniger bemittelte
Schüler werden auf diskrete Art von der Schulkasse getragen,
noch später aus dem Zins eines Klinikfonds (letzterer ist be-
scheiden im Wachsen begriffen) bestritten werden. Die Klinik
steht bis jetzt folgenden Schulen zur Verfügung:
Primar- und Repetierschule von Frauenfeld,
- - - - Kurzdorf,
- - - - een,
Kantonsschule bis und mit der den! Ka sowie die
Mädchen-Sekundarschule und alle Konfirmanden,
im ganzen zirka 1200 Schüler.
Seit dem Bestand der Klinik sind bis heute in einem
permanenten Abendbetrieb (von 5--6 Uhr abends) folgende
Behandlungen ausgeführt worden, und zwar freiwillig, ohne
Zwang für den Schüler:
Untersuchungen und Konsultationen . . 3267
Extraktionen fauler Zähne und Wurzeln,
zuklusive Milchzähne 2... 172222220
| Uebertrag 5387
— 107 =
Vortrag 5387
Extraktionen mit Injektion (lok. Anästhesie) 1130
Kauterisationen freigelester Nerven . . 615
Behandlung vereiternder Nerven . . 120
Nervkanalfüllungen (zeitraub. on) 650
Broyisorisehe* Küllungen °. ..°.09.0..22.222120
- Porzellan-Zementfüllungen . . . . . 1850
Silberhillungen‘ 2.2.02, 200.20, ° 922 22222303500
Kronenersatze (Davissystem) auf Front-
wurzeln: Se... 60
Kleinere chirurgische im enaite ul an
peutische Behandlungen . . . . .. 1500
Zusammen an zahnärztlichen Verriehtungen 14932
Also rund 15000 Behandlungen in über 4000 Sitzungen
gleich 2600 Arbeitsstunden.
Heute besitzt die Primarschule, auf freiwilligem Wege,
über 50 %, sanierte Gebisse, gegenüber 5 °/, vor der Gründung
der Klinik. Die Mädchen-Sekundarschule hat den Rekord
geschlagen mit 92 %. Die übrigen Schulen (Land- und
__ Industrievorstädte von Frauenfeld) haben es auf 35-—40 %%
sanierter Gebisse gebracht. Viele Schüler, welche seither der
Schule entlassen worden sind, pflegen mit großem Interesse
weiters ihre Gebisse; die Pflege der Zähne ist ihnen förmlich
in Fleisch und Blut übergegangen. Was wir wollten, ist
gelungen und so gekommen, wie wir es gedacht haben.
Für Kinder, welche für die Ferienkolonie bestimmt sind,
ist die Untersuchung und Behandlung obligatorisch. Dieser
Beschluß hat sich auf das beste bewährt; er spricht aber
auch für das große Vertrauen und für die nötige Einsicht
in hygienischen Fragen von Seite der Behörde.
Nur wer einen Einblick in die minutiösen zahnärztlichen
Verrichtungen hat, bekommt einen Begriff von der Leistungs-
fähigkeit einer Provinzialklinik, von ihrem großen Wert für
die Gesundheit der Schuljugend. Was dabei an kranken,
infektiösen Stoffen aus der Mundhöhle und Zähnen entfernt
worden ist, kann nur der Fachmann ermessen; einen weitern
Kommentar braucht es nicht.
Zum Schlusse möchte ich noch den Vorteil des Tarif-
systems erwähnen. Die sozialen Forderungen gehen darauf
— 108 —
aus, daß alles unentgeltlich von den Gemeinden geleistet
werde. So ist es gekommen, daß die meisten Schulmittel
ohne Entschädigung an alle Schüler abgetreten werden. Die
schlechten Folgen haben sich aber auf dem Fuße eingestellt;
zu den Büchern, Heften, Schreibmaterialien usw. wurde mit
wenigen Ausnahmen geringe Sorgfalt getragen. Zu Großvaters-
zeiten mußten Schulbücher mehrere Generationen erleben;
man trug dazu die größte Sorge, erstens weil das Buch selbst
bezahlt wurde, und zweitens, weil die Eltern es so haben
wollten. Auch mit dem Papier, mit den Schiefertafeln, mit
den Griffeln und Stahlfedern wurde gespart. Solide Eltern
(auch wo viele Kinder waren) konnten sich früher diese
Ausgaben leisten; heute reichen die Einnahmen, auch wenn
es nur einige Zehnrappenstücke kostet, für nützliche Dinge
nicht mehr. Dem Staate gegenüber bedeutet die Gratisabgabe
der Schulmittel eine enorme Auslage; dazu gesellt sich noch
ein absurder, erzieherischer Faktor, die Kinder lernen zu den
anvertrauten Gegenständen nicht mehr Sorge tragen. Aehnlich
ginge es mit unentgeltlichen zahnärztlichen Behandlungen;
man würde die Arbeiten nicht nur als selbstverständlich hin-
nehmen, man täte noch böse Kritik üben, und die behandelten
Zähne, trotz Mahnung, kaum pflegen. Mit dem Tarifsystem
hingegen kann eine Klinik mit Hilfe bescheidener Taxen
zum größten Teil die laufenden Auslagen bestreiten; der
Jahreskredit für eine Gemeinde wird relativ klein und leicht
erhältlich. Fällt diese Einnahme weg, so müßte mindestens
für eine Gemeinde wie Frauenfeld ein Jahreskredit von 7000
Franken verlangt werden, eine Forderung, welche niemals
von der Gemeinde genehmigt würde. Ich sehe wirklich nicht
ein. warum für korrekte und anstrengende Verrichtungen
kein Honorar verlangt werden soll, zum voraus mindestens
90% der Eltern gerne diese kleinen Taxen bezahlen. Wir
haben genügend Beispiele, wo beim System der absoluten
Unentgeltlichkeit nach kurzer Zeit der Betrieb der Klinik
sistiert werden mußte, und nur deshalb, weil der bewilligte
Jahreskredit zu klein war und Klinikeinnahmen nicht gegen-
über standen. Erfolgt die Unterstützung bei weniger bemittelten
Schülern diskret mit Hilfe der Schulkasse, oder aus dem Zins
eines Klinikfondes, so ist kein Grund zum Murren vorhanden,
am allerwenigsten zum Beschimpfen genannter Hilfsquellen;
Er RE
gibt es trotzdem noch Unzufriedene, so kann es solchen nicht
einmal der Herrgott recht machen.
‘ Auch in Deutschland hat man schon vor dem Kriege den
- Unsinn, welchen man durch die Einführung unentgeltlicher
Behandlung machte, eingesehen. Die meisten Kliniken mußten
nachträglich von jedem Kinde einen bestimmten Betrag ver-
langen, nur um den Betrieb aufrecht erhalten zu können.
Die Frauenfelder Klinik mit ihrem Tarifsystem hat heute
aus allen Schichten der Bevölkerung einen sehr starken
Besuch; sie ist mit Behandlungen überhäuft. Aus allen
. Gegenden der Schweiz kommen Anfragen über Betrieb und
Kostenpunkt der Klinik; man kann und will es nicht begreifen,
daß di®@ Jahresauslagen der Gemeinde für die Klinik so klein
sind, daß mit einem relativ kleinen Jahreskredit so unendlich
viel Gutes geleistet werden kann.
Ich glaube nun, mit meinen Ausführungen nicht nur die
wichtigsten Punkte min sondern auch gezeigt zu haben,
he Mittel und Wege ermsal nen sind, um mit Erfolg
den Kampf gegen die Volksseuche aufzunehmen. Klingende
Münze, wie vielfach von hypergescheiten Menschen angenommen
wird, wird es für den Leiter der Klinik nicht absetzen; im
Gegenteil, es fordert oft viele Opfer, wenn alles seinen nor-
malen Weg gehen soll. Die fortschrittiichen Zahnärzte mit
' ethischem Empfinden sind sicher überall gerne bereit, ihr
Wissen und Können auch den breiten Schichten der Bevölke-
rung, respektive der Jugend, zur Verfügung zu stellen. Von
den Gemeinden ist es aber Pflicht, diesen Männern so viel
als möglich entgegenzukommen, und dafür zu sorgen, daß die
Leistungen richtig gewürdigt und honoriert werden. Gemeinden,
welche sich dieses Postulat auf das Programm genommen
haben, sollten gerade in der jetzigen Zeit nicht zögern, den
Gedanken in die Tat umzusetzen. In den heutigen Tagen ist
mit Ausnahme der Kriegsgewinnler niemand auf Rosen ge-
bettet; nach allen Seiten enorme Verteuerung der Lebenslage,
ohne daß ein Aequivalent an Einnahmen gegenüber steht.
Die zahnärztlichen Verrichtungen sind kein Luxus; durch das
Hinausschieben der Behandlungen der Zähne auf bessere Zeiten
ruft man nicht nur großen gesundheitlichen Schaden wach,
‚sondern die Zerstörung wird eine so intensive, daß nur noch
-Prothesen helfen können. Wenn auch die zahnärztlichen
— 10 —
Apparate, Instrumente und Materialien, sowie die Saläre der
zahnärztlichen Assistenten, und das übrige Personal, heute
größere Auslagen hervorrufen als vor dem Krieg, so ist es
trotzdem eine direkte Pflicht der Gemeinden, der Bevölkerung,
speziell in wichtigen sozialhygienischen Fragen, entgegen zu
kommen. Knauserei und Engherzigkeit sind in diesen Zeiten
nicht am Platze, zum voraus, wenn es gilt, die Jugend, unsere
Zukunft, gesund zu erhalten. Gemeinden, Behörden und Jugend-
erzieher, interessiert euch auch für diese Frage; ihr werdet
sicher den Dank des Volkes und später der Jugend ernten,
und dabei ein gesundes moralisches Empfinden verspüren,
welches höher einzuschätzen ist als vielleicht andere, weniger
zeitgemäße Beschlüsse.
Dr. med. H. Albrecht r.
Mit großem Bedauern wird weit herum die Kunde ver-
nommen werden, daß der Senior der Aerzte von Frauenfeld,
Dr. H. Albrecht, letzte Nacht verschieden ist. Eine Herzaffektion
bannte den selten rüstigen und noch unverwüstlich tätigen
Mann vor einigen Wochen ins Zimmer. Nach vorübergehender
Erholung, die ihm sogar erlaubte, seiner schwer leidenden
- Tochter dann und wann wieder einen Besuch abzustatten,
trat in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch eine Wendung
ein, die den Angehörigen keine Hoffnung mehr ließ. Aber
erst nach mehrtägigem schwerem Ringen gewann jener die
Oberhand, den der Verstorbene selber erfolgreich von so
manchem Krankenbette verscheucht hat. Joh. Heinrich Albrecht
kam am 5. Februar 1842 in Matzingen zur Welt als ältestes
Kind des dortigen Pfarrers und nachmaligen Ständerats, der
"mit Thomas Bornhauser eng ‚befreundet war. Im Jahr 1849
resignierte der Vater als Geistlicher und siedelte in seine
Heimatgemeinde Müllheim über, wo der Sohn die Elementar-
schule besuchte. Mit der Eröffnung der thurgauischen Kantons-
schule trat er 1853 als jüngster von 84 Schülern in diese
ein und bestand im Herbst 1860 die Maturitätsprüfung. Als
Medizinstudenten, Zofinger und flotten Turner sah man ihn
darauf in Zürich, wo in jener Zeit neben den Professoren
Griesinger, Meier und Breslau auch der Chirurg Billroth wirkte.
Sieben Zürcher Semestern schloß sich noch eines in Bern an,
das zum Doktorexamen führte, keineswegs aber bereits das
- Ende der Studien bedeutete. Nach einem kurzen Aufenthalt
in Prag trat Albrecht als Assistent von Spitalarzt Kappeler
in Münsterlingen ein, und in diese einjährige Tätigkeit fiel
auch das damals noch kantonale medizinische Examen, worauf
_ der Ruf des inzwischen nach Wien übergesiedelten Billroth
den jungen Arzt noch nach Wien lockte. Ende Januar 1866
eröffnete er dann in Steekborn die eigene Praxis, verlegte
diese aber schon fünf Jahre später nach Frauenfeld, wo er
Dee
seitdem ununterbrochen gewirkt hat. Welche Unsumme geistiger
und auch körperlicher Anstrengung diese jahrzehntelange
Tätigkeit umfaßt, das wissen nicht bloß seine Angehörigen
und seine Patienten, das wissen alle, die den stattlichen Mann
mit dem schöngeschnittenen Charakterkopf jahraus, jahrein,
bald zu Fuß, bald hoch zu Roß, bald in der Chaise, bald
im ungedeckten Rennschlitten Krankenbesuche machen sahen,
Kein Wetter war ihm zu unwirtlich, keine Stunde zu spät,
wenn selbst aus entlegenem Orte der Ruf an ihn erging. Den
Sonntag kannte er sozusagen nur dem Namen nach, und
selbst aus festlichem Familienanlaß riß er sich ohne Besinnen
los, wenn die Not an seine Tür pochte. Für diese hingebungs-
volle Arbeit sah er sich bis in die letzte Zeit durch eine oft
rührende Anhänglichkeit einer großen Klientschaft belohnt,
der er nicht bloß der Arzt, sondern auch der Freund und
Berater und nicht selten auch der Wohltäter war. Aber er
war es im stillen. Die in der Medizin wie in der Politik da
und dort beliebte Effekthascherei verschmähte er durchaus,
wie ihm auch Ueberschätzung der ärztlichen Kunst im
allgemeinen und der seinen insbesondere stets fern lag. Als
den besten Arzt bezeichnete er oft die Natur, ohne deren
heilsame Mithilfe alles Doktern eitle Mühe sei. Verwoben mit
der Privatpraxis war seine bezirksärztliche Tätigkeit, die er
von 1879 an volle 35 Jahre ausübte und bei der ihm seine
Erfahrung wie seine Gewandtheit im schriftlichen Ausdruek
sehr zu statten kamen. Psychiatrische Fälle, die ihm aus der
Justiz häufig zur Beurteilung zukamen, fesselten ihn dabei
ganz besonders, und oft schloß ein überreich mit Kranken-
besuchen ausgefüllter Tag für ihn noch mit der Abfassung
eines Gutachtens, bei dem die folgenschwere Frage der Zu-
rechnungs- oder Unzurechnungsfähigkeit im Vordergrunde stand.
Neben der zivilärztlichen Arbeit lief die militärärztliche her.
Albrecht war mit Leib und Seele Soldat. Als Jurist, Kauf-
mann oder Industrieller wäre der ehemalige Kadettenhauptmann
wohl Reiteroberst geworden. So brachte er es in rascher
militärischer Karriere bis zum Armeekorpsarzt. Die mar-
kantesten Erlebnisse in dieser Laufbahn waren seine Teil-
nahme an der 70er Grenzbesetzung als Assistenzarzt beim
Thurgauer Bataillon 7, an die sich die ärztliche Betreuung
der in St. Katharinenthal untergebrachten Bourbaki-Soldaten
anschloß, sowie die offizielle Vertretung der Schweiz am
internationalen Aerztekongreß in Rom 1894, von dem der
Verstorbene eine Fülle schöner und interessanter Erinnerungen
nach Hause brachte. Die Liehtpunkte im Leben des Militär-
arztes Albrecht waren die Rekrutierungsreisen, die ihn als
Divisionsarzt der 8. Division in seine geliebten Berge führten.
Mit manchem Gipfel, aber auch mit mancher hervorragenden
Persönlichkeit dieses aus-
gedehntesten der ehe-
maligen Divisionskreise
schloß er in dieser Zeit
Bekanntschaft. Das täg-
liche Bensum bildeten die
Obliegenheiten des Platz-
arztes von Frauenfeld mit
den Visiten in der Kaserne
zu früher Morgenstunde,
eine Tätigkeit, welche
ihn auch nach seinem
Rücktritt von dem Posten
eines Korpsarztes noch
lange Jahre in liebem
Kontakt mit dem Militär
hielt. Fast unfaßbar ist es,
daß diese mannigfachen
Berufspflichten noch Zeit
ließen für eine Mitwirkung
in der Primarschulvor-
steherschaft, eine 29jäh-
rige Mitgliedschaft in der
Aufsichtskommission der
Kantonsschule und eine rege Fürsorge für das Krankenhaus
Frauenfeld und die Sache des Roten Kreuzes, das im Ver-
storbenen den Gründer und Leiter des Zweigvereins Frauenfeld
verliert. Die Erholung von diesem reichen Lebenswerke bildete
Lektüre vielseitigster Art. Geographische und kriegsgeschicht-
liche Werke waren dabei bevorzugt. In der Geschichte des
deutsch-französischen Krieges von 1870,71 war Dr. Albrecht
Spezialist, und in anschaulicher Schilderung wußte er, unter
genauer Angabe von Daten und Namen, dessen ganzen Verlauf
)
ne
wie einzelne Schlachtenbilder zu entrollen. Auch der neueste
Weltkrieg hatte in ihm einen der aufmerksamsten Zuschauer.
Beim täglichen eingehenden: Zeitungslesen wurde stets. die
Karte zu Rate gezogen, ja, noch auf dem Totenbette griff
seine Hand, schon unsicher geworden, nach diesem Hilfsmittel,
um das durch Vorlesen gewonnene Bild vom neuesten Stand
‚der Kriegsereignisse zu verdeutlichen. Jetzt ist er zum Frieden
eingegangen, bevor draußen Friede geworden ist.
(Aus der „Thurgauer Zeitung“ vom 18. Dezember 1915.)
Mit dem Hinschiede Dr. Albrechts hat auch die Thurgauische
Naturforschende Gesellschaft einen großen Förderer ihrer Be-
strebungen verloren. Der junge Arzt hatte sich an seinem
neuen Wirkungskreis in Frauenfeld kaum zurechtgesetzt, so
‘wurde er in den Mitgliederkreis des noch in den Jugendjahren
‚steckenden, tatkräftiger Unterstützung bedürftigen „Kantonalen
‚Naturhistorischen Vereins“ eingezogen, und schon im Jahre
‘darauf finden wir ihn als Präsidenten an seiner Spitze. Für
"die erste Arbeit hatte die Schweizerische Naturforschende
‚Gesellschaft gesorgt. Durch das Departement des Innern lieb
‚diese den Naturhistorischen Verein ersuchen, zum Zweeke
‘des Studiums der Gletscherfrage eine Landesaufnahme der
‚erratischen Blöcke vorzunehmen. Der neue Präsident erfaßte
‚lie Arbeit mit der frischen Begeisterung eines Neugewählten.
‚Ortsvorsteher, Schullehrer und Förster des ganzen Kantons
wurden durch Zirkulare zur Mitarbeit aufgefordert. Als Frucht.
‘der Bemühungen gingen eine Menge Anmeldungen von Find-
lingen ein. Die Fundorte wurden in die Dufourkarte ein-
‚getragen und damit der Grund gelegt für die Aufnahme
‘des thurgauischen Erratikums. Leider verlor der Verein
seine energische Leitung schon nach kurzer Zeit. Berufliche
Arbeitsüberhäufung nötigte den jungen Präsidenten schon
nach zweijähriger Amtsdauer das Ehrenamt niederzulegen,
unzweifelhaft in dem ausgesprochenen Pflichtgefühl, nicht
ein Amt innehalten zu wollen, wenn es ihm nicht vergönnt
sei, die damit verbundenen Obliegenheiten voll und ganz zu
erfüllen. Mit dem Rücktritt als Präsident entzog jedoch
Dr. Albrecht dem Verein seine Hilfe nicht. Er blieb auch
weiterhin im Vorstand, besorgte noch sechs Jahre das un-
angenehme Kuratoramt und ebenso lang das Quästorat, wobei
er das zweifelhafte Vergnügen hatte, der unter einem hart-
a ee ee a he
— 115 —
näckigen Defizit leidenden Kasse häufig durch namhafte Beträge
aus der Klemme zu helfen. Von hohem Interesse waren die
im „Naturwissenschaftlichen Kränzchen“ in Frauenfeld ge-
haltenen Vorträge, deren Themata allein schon deutlich
erkennen lassen, daß der Vortragende in seinem Arbeiten
und Streben auch außerhalb des Berufes stets das allgemeine
Wohl im Auge hatte. Der Inhalt bezog sich gewöhnlich auf
die sanitären Verhältnisse zu Stadt und Land, oder er war
die Frucht der Studien über Erlebnisse bei der Armee als
Divisions- und Korpsarzt. Dr. Albrecht sprach über:
Das Wesen der Diphtherie und ihre Beziehung zum Krupp.
Die durch Staubatmung verursachten Krankheiten der Ar-
beiter mit Berücksichtigung der Schutzmaßregeln (drei
Vorträge).
Die Frage der Absonderung, Kanalisation und Abfuhr in
Frauenfeld mit Berücksichtigung der Maßregeln gegen
die Cholera.
Sonnenstich und Hitzschlag.
Einfluß des neuen Infanteriegeschosses auf Schußwunden
(zwei Vorträge).
Die Aktualität der Vortragsstoffe lockte jeweils eine große
Zuhörerschaft an, die mit gespannter Aufmerksamkeit und
siehtlichem Genuß den klaren und beredten Ausführungen des
Referenten folgte. Naturwissenschaftliche Fragen jeder Art
fanden bei Dr. Albrecht höchstes Interesse und die Ueber-
nahme größerer Aufgaben einen warmen Befürworter. Wenn
dabei Zaghaftigkeit und Zweifel am Erfolg da und dort ge-
drückte Stimmung und Kopfschütteln verursachten, erzeugten
die auch im vorgeschritteneren Alter noch mit jugendlichem
. Enthusiasmus gesprochenen Worte aus seinem Munde Mut und
Zuversicht auf ein gutes Gelingen. Die Naturforschende Gesell-
schaft ehrte ihren Freund „in Anerkennung seiner vielfachen
Verdienste um sie selbst und die naturhistorischen Sammlungen“
durch Ernennung zum Ehrenmitglied. Dr. He
Kleine Mitteilungen.
Zwei Schwalbengeschichten.
1
Im Sommer 1915 fand ich im Hofe hinter dem Rathause
eine Schwalbe, welche infolge eines verletzten Flügels nicht
mehr fliegen konnte. Es war eine Turmschwalbe (Mauer-
segler, Spyr, Oypselus apus). Das arme Tierchen wäre unfehlbar
eine Beute der Katzen geworden, welche sich immer im Hofe
herumtreiben; daher nahm ich die Schwalbe mit mir und
versorgte sie zuerst in einem großen Käfig. Ich wollte sie
füttern; aber alle Versuche nützten nichts; sie öffnete nicht
einmal den Schnabel, um die ihr vorgehaltenen Spinnen,
Fliegen und dergleichen zu nehmen. So mußte ich sie ihrem .
Schicksale überlassen. Nachdem sie aber mit dem verletzten
Flügel zwischen zwei Stäbe des Käfigs geraten war und sich
selbst nicht mehr befreien konnte, nahm ich sie zum Käfig
heraus und ließ sie frei in meinem Arbeitszimmer umher
spazieren, was sie denn auch bald tat; bald war sie da, bald
dort, über Nacht aber stets in der gleichen Ecke des Zimmers.
Nahrung fand sie wohl keine; der ganze Boden ist mit
Linoleum belegt, durch das keine Insekten von unten her
kommen können; dagegen zeigten sich stets die Spuren der
' Verdauung auf demselben. So ging es fast eine Woche lang;
jeden Morgen, wenn ich ins Zimmer kam, meinte ich, sie in
ihrer Ecke tot zu finden; denn ich konnte nicht begreifen,
wie das Tierchen so lange ohne Nahrung leben könne. Aber
ihr Zustand besserte sich; von Tag zu Tag nahm der ver-
letzte Flügel eine bessere Lage an, und die Schwalbe fing
an, an den Vorhängen hinauf zu klettern. Am sechsten Tage
öffnete ich ein Fenster und stellte sie auf die Fensterbank.
Zu meinem Erstaunen entfaltete sie die Flügel und flog in
elegantem Schwunge über die Straße, der Kirche zu, wo sie
— 117. —
im Schwarme der andern Schwalben verschwand. Sie hatte
es also sechs Tage lang ohne Nahrung ausgehalten.
I.
Anfangs Sommer 1916 baute ein Hausschwalbenpaar
(Mehlschwalbe, Herundo urbica) unter dem Dachvorsprung über
meiner Wohnung ein Nestehen und bezog es. Bald beobachteten
wir, daß junge Nachkommenschaft vorhanden war. Am 23. Juli,
nachmittags 2 Uhr, fiel das Nestechen hinunter, und fünf junge
Schwalben lagen hilflos am Boden. Ich hob dieselben auf
und plazierte sie in eine Kartonschachtel, in die ich eine
Schicht, Watte gelegt hatte. Die Schachtel stellte ich auf die
Fensterbank, gerade unterhalb der Stelle, wo das Nestchen
sich befunden hatte, und befestigte sie mit einer Schnur,
damit der Wind sie nicht hinunter wehen konnte. Nun er-
wartete ich mit Spannung den Erfolg. Eine große Zahl von
Schwalben umflog aufgeregt und eifrig schwatzend die Stätte
des Unglücks; die Jungen pipsten ängstlich nach Futter und
streekten ihre Köpfchen so hoch wie möglich empor. Endlich
wagte es eine Schwalbe, sich auf den Rand der Schachtel
zu setzen und den Jungen etwas Nahrung zu bringen, und
als einmal die erste Scheu vor dem neuen Neste verschwunden
war, da ging die Fütterung regelmäßig vonstatten und
dauerte die ganze Woche fort. Auch da, in dieser Schwalben-
gemeinschaft, galt das Recht des Stärkern; die größten drängten
sich immer vor, wenn Nahrung ankam und trampelten auf
den kleinen und schwachen Geschwistern herum. Nach und
nach begannen einige die Flügel zu regen und suchten am
Rande der Schachtel hinauf zu klettern. Sonntag den 30. Juli,
morgens 7 Uhr, waren nur noch vier Schwälbehen im Neste;'
eines war schon ausgeflogen; um 8 Uhr erfolgte der Ausflug
der zweiten Schwalbe. Die drei übrigen wurden wieder den
ganzen Tag gefüttert. Am folgenden Tage früh morgens fand
wieder eine Besichtigung der Situation durch einen großen
Schwarm von Schwalben statt, währenddem die drei Jungen
_ stetsfort nach Futter schrien. Es hatte ganz den Anschein, als
ob die Schwalbenschar die drei Nesthocker auch noch hinaus-
locken wollte. Mittags waren wieder zwei Junge fort und
nur noch das kleinste, schwächste, das von den andern stets
getreten worden war, im Neste. Mit Besorgnis erwartete ich
— . 118 —
den Ausgang. Sollte das arme Wesen verlassen werden?
Nein! Bald sah ich zu meiner Freude, daß es doch wieder
von den Alten gefüttert wurde, aber noch vergebliche Versuche
machte, aus der Schachtel heraus zu kommen. Dienstag morgen
sitzt es endlich auf der Fensterbank neben dem Nestchen und
ein altes neben ihm, das ihm immerfort zuredet. Bald kamen
auch die andern Schwalben wieder in großer Zahl und lockten
es, und endlich um 91/2 Uhr schwang auch es die Flügelein
und flog davon. Die Beobachtung von dem Interesse, das
die ganze Schwalbenschaft der Umgebung an dem Schicksal
der armen Familie nahm, die ihr Haus verloren hatte, die
Sorgfalt, mit der die Alten unter ganz veränderten Um-
ständen fortfuhren, die Jungen zu füttern, und die Tatsache,
daß auch das kleinste und schwächste der Tierchen nicht ver-
gessen und verlassen wurde, haben mich mit großer Freude
erfüllt. J. Engeli, Ermatingen,
Trüffeln im Thurgau.
Die Trüffeln sind bei uns als einheimische Bodenerzeugnisse
so viel wie unbekannt. Dennoch kommen sie vor; aber weil
sie im Boden verborgen bleiben, werden sie nur durch Zufall
gefunden und auch dann kaum beachtet.
1) Die gemeine Hirschtrüffel, Elaphomyces cervinus
Schröter, ist sogar nieht selten. Sie steht in Verbindung mit
dem filzigen Ueberzug (Mycorhiza) der Fichten- und Föhren-
wurzeln und wird daher meist beim Fällen und Ausstocken
von Nadelholz im Spätherbst und Winter entdeckt. Es sind
hasel- bis walnußgroße Kugeln mit gelbbrauner, sehr fein-
körniger Haut und zäher Rinde. So lange das Innere weib
ist, gilt die Hirschtrüffel als eßbar; im reifen, nicht mehr
senießbaren Fruchtkörper ist das ganze Innere von einer
pulvrigen, schwarzen Sporenmasse erfüllt.
2) Etwas seltener, aber an gleichen Orten vorkommend, ist
die bunte Hirschtrüffel, Elaphomyces variegatus Vittadini,
deren Oberfläche dunkler und grobkörniger und deren Sporen
kleiner sind als bei der gemeinen Hirschtrüffel.
3) Die weiße Trüffel, Choöromyces meandriformis Nitta- -
dini, wurde 1913 im Sirnacherwald, 1916 im Rüegerholz bei
Frauenfeld und 1917 im Hohliholz bei Bethelhausen-Niederwil
ae
gefunden. Sie sieht einer Kartoffel täuschend ähnlich
und erinnert uns daran, daß der gebräuchlichste deutsche
Name unseres Erdapfels von der italienischen Bezeichnung der
Trüffel „Tartufo“* herkommt, die im Volksmund zu Tartuffel
und Kartoffel ‚wurde.
Die weißen Trüffeln sind kugelig oder nierenförmig bis
unregelmäßig knollig, mit glatter, hellgelbbrauner Haut, die
oft durch an Sprünge erinnernde Furchen in Felder geteilt
wird. Das Fleisch ist ziemlich zähe, im jungen Zustand hell-,
. gelblichweiß, mit dunkleren Bändern aderartig durchzogen
und fast geruchlos. Zur Zeit der Sporenreife ist es dunkler,
gelbbraun und erfüllt die Umgebung mit einem durch-
dringenden Geruch, der in der Nähe an Senf, weiter
‚entfernt an Johannisbeerkonfitüre erinnert. Er ist so stark,
daß eine einzige Knolle den Aufenthalt in einem großen
Zimmer fast unerträglich machen kann, und im Walde zieht
er Massen von Fliegen an, die geeignet sind. uns auf die
Trüffel zu führen. Daß Schweine und Hunde durch solchen
Geruch ebenfalls angezogen und deshalb zur Trüffelsuche
benutzt werden können, ist bekannt.
Die weiße Trüffel, die in Böhmen und Schlesien, wo
sie häufig ist, als Speisepilz geschätzt wird, findet sich
im Buchen- und gemischten Wald, immer im Bereich der
Baumkronen dicht unter der Erdoberfläche, oft zur Hälfte
aus dem Boden vortretend, meist nesterweise bis 15 Stück
beisammen, und da die Knollen faustgroß und über pfund-
schwer werden können, so liefert ein solches Nest oft mehrere
Kilogramm.
Entdeckt man einmal einen Standort, so soll man sich
denselben merken, da die Trüffeln dann alljährlich im Herbst
zu finden sind. H. Wegelin.
Elchfund in Gloten.
Nördlich der Ziegelfabrik Gloten, Gemeinde Sirnach, findet
sich ein Flach- oder Wiesenmoor von zirka 70 a an der Stelle,
wo die topographische Karte des Kantons Zürich von Hs. Kd.
- Gyger, 1667, einen kleinen See zeichnet mit der Burg am
Südostufer. Die gegenwärtige Knappheit an Brennmaterial
veranlaßt den Besitzer, Herrn Weibel, zur intensiven Ausbeutung
des Torflagers. Der Torf wird zusammen mit Saargrießkohle
brikettiert und an der Luft getrocknet.
Das Torflager zeigte am 16. Juli 1917 folgendes Profil:
Abraum 28... er ee 50 Alrem
Wiesentorf san. ans ern 200 cm, -
Astmogstorfi.n. ee een 30 em,
Blättertorff . . . Er 3—4+ em,
Spur Seekreide auf Schlemmsand. 20—30 em,
Steiniger Lehm. -
Der Torf ist frisch hellbraun, wird aber an der Luft rasch
schwarz. In seiner obern Hälfte findet sich in wirrem Durch-
einander sehr viel kleines Astholz, und mehr am Grunde liegen
größere Aeste, in unregelmäßigen Abständen selbst stärkere, bis
40 em dieke, mit Aststumpen versehene Baumstämme, merk-
würdigerweise alle von Südosten-nach Nordwesten orientiert.
Alles deutet auf Einschwemmung in stehendes Wasser und spätern
Einschluß durch die verlandende Torfbildung. Besonders gut
erhalten ist das nicht häufige, tiefschwarze Eichenholz. Die
Hauptmasse erweist sich als zum Teil weiches, zum Teil noch
hartes, helles, wenig gebräuntes Föhrenholz, das auf radialen
Längsschnitten die bekannten großporigen Markstrahlen deut-
lich zeigt. Völlig weich sind Erlen- und Birkenholz, bei
denen die Umkleidung mit der charakteristischen Rinde keinen
Zweifel an der richtigen Bestimmung aufkommen läßt. Inter-
essant sind die in die Blätterschicht eingebetteten Föhren-
zapfen dadurch, daß einige von ihnen beim Austrocknen
sich noch öffneten. Sie sind symmetrisch gebaut und rühren
von der Waldföhre, Pinus silvestris, her.
Eine bemerkenswerte Erscheinung bilden zahlreiche Föhren-
äste, die am untern Ende wie infolge künstlicher Bearbeitung
sich zuspitzen. Es sind sogenannte Wetzikonstäbe, die früher
in der Tat als Erzeugnisse von Menschenhand beschrieben
wurden, aber beim genauen Zusehen sich als aus dem zer-
setzten Stammholz der Föhre ausgewitterte Astansätze er-
wiesen (Früh & Schröter, Moore der Schweiz, Seite 178 und
539; €. Schröter in Vierteljahrsschrift der Zürcher Natur-
forschenden Gesellschaft 1896).
In der untersten Torfschicht fanden sich auch zwei links-
seitige Geweihhälften von dem bei uns längst aus-
gestorbenen, aber in Nordeuropa, in Sibirien und Kanada
ee
noch heute lebenden Elch oder Elentier, Cervus Alces L..
einem gewaltigen Hirschtier mit zackigem Schaufelgeweih.
Das größere Stück rührt von einem sechs- bis sieben-
jährigen Männchen her und besteht aus einer runden, zirka
10 cm langen und 4!/sz cm dieken Stange und einer flachen
29/12 em messenden Schaufel mit fünf Zinken. Die Platte hat
stark ausgeprägte Aderfurchen und ist ziemlich flach; sie besitzt
nur je in der Mitte der Vorder- und Hinterhälfte eine flache
Einbiegung. Die Zinken sind von der Schaufel aufgebogen.
am meisten die unterste. Diese ist weitaus die stärkste und
längste; ihre Spitze steht von der Mittellinie der Schaufel
zirka 35 cm ab, und ihre Breite beträgt in der Mitte noch
5 cm, während die entsprechenden Maße der zweiten und
dritten Zinke nur 17/2 em betragen.
Die untern drei Zinken sind vollständig, die vierte nur
im untern Drittel erhalten, während die fünfte durch den
grabenden Spaten aus der Platte herausgebrochen wurde.
Größte Auslage des Geweihs von vorn nach hinten etwa 50 cm,
von der Rose bis zur Spitze der untersten Zinke, der Krümmung
nach gemessen, 41 em, Plattenbreite bei der Bucht zwischen
der ersten und zweiten Zinke 12!/ em, Plattenbreite bei der
Bucht zwischen der zweiten und dritten Zinke 11!/aem. Vorder-
und Hinterschaufel sind also nicht entschieden voneinander
getrennt; das Geweih ist ein ungeteiltes, unipalmates.
Das kleinere Stück gehörte einem etwa vier’ Jahre
alten Gabler. Der runde, etwa 12 cm lange Geweihstiel ist
stark gekrümmt, erst nach außen, dann nach oben gebogen;
sein Umfang beträgt 9 cm; er verflacht sich unter der Gabe!,
deren Zinken im rechten Winkel spreizen und hat nur schwache
Aderfurchen. Die Spitze der untern Zinke ist beschädigt.
Länge vom Rosenstock bis zur Spitze der untern Zinke, der
Krümmung nach gemessen 29 cm, entsprechende Länge bei der
obern Zinke 26!/s cm, Abstand der Zinkenspitzen zirka 21 em.
Da bei diesen Geweihhälften keine weiteren Teile vom
Knochengerüste gefunden wurden, darf angenommen werden,
daß die Tiere ihre Kopfzierde beim jährlichen Abwurf, der
bei den heutigen Elchen um Neujahr herum stattfindet, ver-
loren haben.
Dieselben sind nicht die einzigen auf thurgauischem Boden
aufgefundenen Ueberreste vom Elentier. Solche wurden früher
Sao
schon gehoben bei Homburg (aufbewahrt im Rosgartenmuseum
zu Konstanz), bei Heimenlachen (je ein Geweih im St. Galler
und Frauenfelder Museum) und im Befangermoos bei Hauptwil
(Museum in Bern). Siehe E. Bächler, Ueber einige Funde des
Elentierss aus dem Kanton Thurgau in Mitteilungen der
Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft, Heft 19, 1910.
Unsere Funde erzählen also von einem ehemaligen See,
(ler innerhalb des Moränenwalles Bronschhofen-Bild-Bergholz-
Sirnacherberg von den sich zurückziehenden Eismassen der
Wilerzunge des Lauchetalgletschers aus zunächst mit trüber
Gletschermilch gefüllt wurde. Diese setzte den Lehm ab, dem
(lie Ziegelei ihre Existenz verdankt.
Mit dem weitern Rückzug des Gletschers in das eigent-
liche Bodenseebecken und das St. Galler Rheintal hinauf hörte
dieser Zufluß auf; der See verkleinerte sich und wurde später
nur noch gespiesen durch die Tagewasser und das von den
umliegenden Hügeln hersickernde kalkreiche Grundwasser.
Der nunmehr einsetzende Murglauf nahm dem See wohl
ebenfalls einen Teil seines Wassers weg und verkleinerte ihn
auf einige Becken, wie den See von Gloten, den von Riet-
Sirnach und den Egelsee südwestlich Trungen.
Diese Wasserbecken umgaben sich allmählich mit sumpfigem
Vorland, in welchem Birken und Erlen wuchsen, und das
weiterhin in Föhrenwald mit einzelnen Eichen überging. Im
Walde’ trieb sich der Elch herum, der mit seinen stark
spreizenden Klauen auch weichen Sumpfboden zu betreten
vermag. Von diesem Walde aus schwemmten die Regenfluten
Sand, das herbstliche Laub, die abgefallenen Aeste und selbst
vom Sturm gefällte Bäume ins Wasserbecken.
Nach und nach rückten die Rietgräser und andere Sumpf-
pflanzen weiter gegen das Wasser vor, den See mehr und
mehr einengend, um ihn schließlich — wohl erst im 17. Jahr-
hundert — ganz zu erobern und in das Flachmoor zu ver-
wandeln, das die letzten Jahrhunderte gesehen haben.
Herr Ziegeleibesitzer ./. Weibel hat in freundlichster Weise
die beiden Elchgeweihe, sowie Proben der verschiedenen
Hölzer und Torfschiehten dem kantonalen Museum überlassen,
wofür ihm auch an dieser Stelle herzlicher Dank ausgesprochen
wird. H. Wegelin.
SI ap
Die Wälle von Eschlikon
und das hinterthurgauische Trockental.
(Ein Exkursionsbericht.)
Die beiden naturforschenden Gesellschaften von Winterthur
und vom Thurgau veranstalteten auf Sonntag den 25. Juni 1916
eine gemeinsame Exkursion nach Eschlikon, zum Bichelsee und
ins Trockental Seelmatten-Turbenthal. Das schöne Sonntags-
wetter und die Aussicht, wertvolle Aufschlüsse über die Natur
der engern Heimat zu erhalten, lockte die unerwartet große
Zahl von 47 Teilnehmern zum Sammelorte, dem von Eschlikon
südwärts verlaufenden, jenseits der Bahnlinie im Stockholz
bogehförmig nach Südosten sich fortsetzenden Hügelwalle.
Hier schilderte der sachkundige Exkursionsleiter, Herr
Professor Dr. Jul. Weber von Winterthur, in klarem Vortrage,
wie vor vielleicht 30000 Jahren an dieser Stelle das Ende
eines Gletschers gelegen habe. Aus dem St. Galler Rheintale
ins Vorland ausbrechend, überschritt der Rheingletscher weit-
hin das Bodenseebecken nach Osten, Norden und Westen.
Seine Zungen krochen wie eine dicke Breimasse die Rhein-
furche hinunter bis zum Randen, von Romanshorn durch das
jetzige Thurtal bis Jestetten, von Rorschach-Arbon her einer-
seits über St.Gallen, anderseits über Bischofszell-Oberbüren
westwärts und von Altnau durchs Kemmental hinunter. Von
der Thurzunge löste sich rechts der Arm Pfyn-Stammheim
ab, links bei Weinfelden die Lauchezunge über Affeltrangen
nach Aadorf mit Seitenzweigen über Wil und Eschlikon hinaus.
Die Gletscher waren indes schon wieder auf dem Rückzuge,
5-10 km von ihrer äußern Linie entfernt, als sie in längerem
Stillstande die sogenannten innern Moränen von Stammheim,
Ossingen, Wiesendangen, Aawangen und Eschlikon aufschütteten.
Auf der Wallmoräne von Eschlikon stehend hat man also
ostwärts das Zungenbecken des Gletschers vor sich, dessen
Schmelzwasser über den Wall gegen Westen abfloß, dort, im
jetzigen Riet und Sor, eine weite Schotterebene erzeugend
und — vielleicht erst später — ein Seebecken füllend, das
sowohl bei Balterswil als auch bei I£fwil in tieferes Gelände
überquoll.
Beim weiteren Rückzug des Eises entstand auch ostwärts,
vor der Moräne ein Wasserbecken, in dem sich die trübe
— 124 —
Gletschermilch klärte und einen feinen Lett absetzte, das
Tonlager der Ziegelfabrik.
Ein gewaltiger Muschelsandsteinblock in der Böschung
des Bahneinschnittes beweist, daß wirklich der Rheingletscher
hier gewesen ist; nur dieser konnte den Stein von seiner
ursprünglichen Lagerstätte bei Rheineck hieher getragen haben,
und der Aufschluß am östlichen Ende des Stockholzes zeigt
mit gekritzten und geschrammten Alpenkalken und den
grün gefleckten Dioriten und Graniten die Arbeit des Eises
und dessen Herkunft aus den rätischen Bergen. Unweit davon
erhebt sich der zweite, etwas niedrigere Eschlikoner Wall,
eine weitere Rückzugsstufe des Gletschers markierend.
Das stark gewundene Trockental Wil-Littenheid-Dußnang-
Balterswil-Turbenthal wird in den Schulbüchern als ehemaliges
Thurtal erklärt, das durch eine Moräne bei Rickenbach ab-
sedämmt worden sei. Die neueren Forschungen erklären seine
Entstehung wesentlich anders. Die gewaltigen Gletscher ließen
eine Unmenge von Wasser entströmen, und dieses konnte
nieht die gewohnten Talwege einschlagen, sondern mußte
vielmehr dem Rande des Eises folgen. Die Abwasser
der südlichen und südwestlichen Rheingletscherzungen, wie
diejenigen des Säntisgletschers im Toggenburg, sammelten
sich in einer Rinne, die im Osten das jetzige Thurtalstück
Oberbüren-Wil einnahm und sich im Tal von Littenheid-
Dußnang-Bichelsee nach Westen fortsetzte. Nachdem sich dann
aber die Eismassen weiter zurückgezogen hatten, verlor dieser
Flußlauf sein Wasser größtenteils. Das östliche Talstück
beanspruchte alsdann die Thur; das mittlere wurde von der
Murg durchquert; im Westen arbeitete sich mit rückwärtigem
Gefälle die Lützelmurg durch die Scharte von Iiwil, und die
übrigen Teile bekamen den Charakter des Trockentals, dessen
Boden sich nach und nach erhöhte durch die aus allen Nischen
hervordrängenden, sanft geböschten Schwemmkegel, die sich
zu Talwasserscheiden entwickelten und Torfmoore zwischen
sich entstehen ließen.
Das fröhliche Picknick „aus dem Rucksack“ auf dem
Stutz bei Wallenwil, der botanische Halt am verlandenden
Bichelsee, das Planktonfischen und die durch die Freund-
lichkeit der Sirnacher Mitglieder ermöglichte Fahrt der Aus-
dauernden durch das liebliche Tal zur Töß hinunter gaben der
Seo
Exkursion einen so gemütlichen Abschluß, daß beim Abschieds-
trunk in der „Schlangenmühle* zu Winterthur auf weitere
gemeinsame Touren angestoßen wurde. H. Wegelin.
Die Kohlfirst-Exkursion
der Naturforschenden Gesellschaft.
. Sonntag den 21. Mai 1916 strebte unter Führung der
Herren Dr. Jul. Weber und Dr. Fischli von Winterthur und
Professor Wegelin von Frauenfeld bei denkbar schönem Maien-
wetter eine fröhliche gemischte Gesellschaft (16 Herren, 10
Damen) zu Fuß und zu Wagen! von der Station Marthalen
durch Wald und Riet dem schmucken Dorfe Benken und
weiterhin dessen berühmten Quarzsandgruben am Abhange
des Kohlfirstes zu. Schon seit vielen Jahren wird hier durch
die Gemeinde ein reiner Quarzsand ausgebeutet, der für Spezial-
zwecke Verwertung findet: anfänglich für die Glasfabrikation
in Elgg, später als Form- und Putzsand in Gießereien, für
Schmelztiegel- und Schmirgelscheibenfabrikation und als Streu-
sand für Lokomotiven; heute auch für Sandstrahlgebläse, für
Steinsägerei und Marmorschleiferei, für Glasmanufaktur und
chemisch-technische Produkte.
Die Ausbeute beträgt gegenwärtig über 800 Wagen-
ladungen per Jahr, wobei eine Wascherei und Sortiererei
mit elektrischem Betrieb etwa 15 Sorten Sand liefert, von
!/a—8 mm Korngröße. Im Sommer und bei trockenem Wetter
wird die Grube durch Tagebau weiter bergwärts vergrößert,
im Winter und bei Regen der Sand durch Stollenbetrieb aus
dem Berge geholt. Fig. 1.
Das gröbere Quarzkies wird neuerdings durch eine Brech- °
maschine nutzbar gemacht und der Waschschlamm ins Gemeinde-
riet geleitet, wo er bei den im Gang befindlichen Meliorations-
arbeiten ein wertvolles Hilfsmittel zur Verbesserung der leichten
Torferde bildet.
Daß das Quarzwerk eine reiche Quelle des Wohlstandes
für die Gemeinde Benken bildet, erhellt schon aus dem
Umstand, daß dieselbe keine Steuern zu erheben braucht und
! Die Verwaltung des Quarzwerkes hatte in freundlichster Weise
zwei Breaks zur Verfügung gestellt.
— 126 —
alle Arbeit von einheimischen Kräften neben der landwirt-
schaftlichen Tätigkeit ausgeführt wird.
Nach Besichtigung der interessanten Maschinen und eifriger
Suche nach den zahlreichen Haifischzähnen in den Kieshaufen
und im anstehenden Lager orientierten die Exkursionsleiter
über Bau und Entstehung des von den Geologen schon seit
Jahrzehnten vielfach besuchten und gründlich studierten Lagers.
Dasselbe belehrt nämlich durch die zahlreichen Einschlüsse
‘von versteinerten Tierresten, die heute sogar maschinell,
gleichsam im großen, durch die Sortiersiebe gewonnen werden,
außergewöhnlich gründlich über seine Entstehung im fernen
Tertiär (Wienerstufe, Virdobon) als eine Flachmeerbildung
an der Spitze eines alpinen Deltas unweit einer jurassischen
Gegenküste. Der Glassand ist also marine Molasse, die Ueber-
deckung dagegen obere Süßwassermolasse (Thurgauermolasse,
Oehninger Stufe) und eiszeitliche Moräne. Siehe Figur 2
und die ausführlichere Darstellung in der den Mitgliedern
zugestellten Schrift „Die Quarzsande von Benken“ von H.
Wegelin 1916.
Nun ging es durch den maigrünen Laubwald der Höhe
des Kohlfirsts zu, der sich als ein Tafelberg mit ziemlich
ebener Oberfläche etwa 150 m über das umliegende Land
erhebt und noch teilweise in den Thurgau hinein erstreckt.
Eine Kiesgrube gab Aufschluß über den Bau der obersten
Bergschicht. Diese besteht nämlich in einer Mächtigkeit von
40—60 m aus diluvialer oder löcheriger Nagelfluh, einem
verkitteten Gletscherflußschotter aus der zweiten Glazialzeit,
und zeigt, daß dazumal die Oberfläche des Kohlfirsts einen
Teil der ausgedehnten nordwestwärts geneigten Ebene bildete,
auf der die Gletscherwasser fächerartig aus dem Alpenvorlande
herausflossen. Die große Schotterplatte umfaßte nach Heim,
Geologie der Schweiz, Seite 283: Hörnliwald (Kalchrain)
-Steinegg-Stammheimerberg (Sohle 590. Oberfläche 630 m ü.M.)
-Wolkenstein-Hohenklingen-Schienerberg-Heilsperg (Gottma-
dingen) -Buchberg (Thaingen 518—550 m) -Gailingerberg-Hoh-
berg (Herblingen) -Geißberg (Schaffhausen) -Kohlfirst (500
bis 560 m) -Rheinsberg (südlich der Tößmündung). Die spätere
Ausbildung der Rhein- und Thurfurche hat dann den Kohlfirst
zum Restberge gemacht, und jenes Schotterstück blieb als
dessen Decke zurück.
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Unser Deckenschotter ist durchlässig für Sickerwasser, und
weil vom Waldboden der Kohlfirstplatte kein Wasser ober-
flächlich abfließt, so sprudeln da, wo etwa 100 m tiefer, am
Grunde der Meeressande dichte Mergelschichten der untern
Süßwassermolasse das Wasser aufhalten, rings um den Berg
Quellen heraus und machen den Kohlfirst zum Lieferanten
wohlfiltrierten Trinkwassers für alle umliegenden Ortschaften,
selbst noch für das 5 km entfernte Dießenhofen. Ueber den
Kohlfirst siehe Dr. Jul. Weber, Clubführer des Schweizer Alpen-
Club, I, Seite 85—98.
Hier oben auf herrlicher Waldwiese wurde in fröhlichem E
Piekniek Mittagsrast gehalten. Dann führte die weitere Wande-
rung durch den Wald, zum nördlichen Abhang, wo am Fuße
die Ziegelei Paradies eine Sandgrube ausbeutet, in der
ebenfalls Geröll- und Sandschichten der Meeresmolasse ent-
blößt sind. Sie kennzeichnen sich durch Austernschalen aus den -
Formenkreisen der Diekauster (Ostrea giengensis und batillum)
und der Eßauster (0. Aargoviana) und durch vereinzelte Hai-
zähne. Darunter folgen Sandsteine und lose Sande der untern
Süßwassermolasse. Aus einzelnen Knauern konnten seinerzeit
durch Herrn Dr. Fischli wohlerhaltene Blattabdrücke isoliert
werden von Feige, Kampherbaum, Stechwinde (Smzlax) und
andern subtropischen Pflanzen, welche für das mittlere Tertiär
ein wärmeres Klima bezeugen, als heute in unsern Gegenden
herrscht. So tiefe Molasseschichten wie hier treten im Thurgau .
sonst nirgends zutage. Siehe Mitteilungen der Thurg. Nat.
&es., Heft 19, 8. 116.
De a allzu sonnenwarme Ebene am Südrande de
botanisch berühmten Scharenwaldes erreichte die Gesellschaft
das letzte der vier Exkursionsziele, die Quellteiche von
Kundelfingen, wo das Grundwasser der Hochterrassenschotter
(Gletscherflußkies der vorletzten Eiszeit) des Buchbergs am
lehmdichten Rande des ehemaligen Sees der Gegend von
Paradies-Schlatt als größte thurgauische Quelle aufstößt und
mit den 4500 Minutenlitern klaren Wassers nicht nur Zucht-
teiche für Regenbogenforellen speist, sondern auch Trinkwasser
und Kraft für den großen Hofbetrieb von Kundelfingen liefert.
Die heiße, staubige Landstraße hatte dafür gesorgt, daß das
Quellwasser gehörig probiert und als vorzüglich anerkannt
wurde. Noch mehr Würdigung aber erhielt der Trank köstlichen _
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Obstsaftes, den der Besitzer des Hofes, Herr Spieß, in liebens-
würdiger Weise seinen Gästen kredenzen ließ. Es sei ihm
auch an dieser Stelle herzlich dafür gedankt.
Der Heimweg führte durch das getreidereiche Ratihard,
ein ehemaliges Schotterfeld der letzten Eiszeit, das ganz
wasserlos zu sein scheint; nichtsdestoweniger zirkuliert in
seiner Tiefe ein so kräftiger Grundwasserstrom, daß die Stadt.
Zürich daraus im anschließenden Scharenwald einen Trink-
wasserbedarf von 300 Sekundenlitern zu decken gedachte
(Projekt H. Peter, 1908). Vor St. Katharinenthal fesselte die
berühmte Klosterlinde, eine der mächtigsten des Kantons, das
Auge. Das idyllisch gelegene Kloster selber ist heute ein
stark besetztes Greisen- und Krankenasyl; von ihm aus führt
ein schattig kühler Weg dem ruhigen Rheinstrom entlang ins
alte Städtehen Dießenhofen, wo der vorgesehene gemütliche
Abendtrunk durch den unerbittlichen Eisenbahn-Fahrplan
leider sehr verkürzt wurde.
Die Erinnerung an den genuß- und lehrreichen Tag
wird in allen Teilnehmern eine freundliche sein. Besondere
Anerkennung gebührt dabei den beiden Winterthurer Freunden
unserer Gesellschaft, die durch ihre Lokalforschung in
erster Linie zur Führung berufen waren, ebenso den beiden
Historikern Dr. v. Greyerz und Dr. Leutenegger für ihre an
geeigneter Stelle gemachten interessanten Einlagen über
Wildensbuch und die Kämpfe von 1798/99 in der durch-
wanderten Gegend. H. Wegelin.
Der Formsand von Schlattingen.
1!/g km östlich der Station Schlattingen wird vorzüglicher
Gießerei- oder Formsand gewonnen, der neben dem wirtschaft-
lichen auch wissenschaftliches Interesse beansprucht.
Das Lager befindet sich am Südfuße des Rodenberges, da,
wo er im „Grund“ eine leichte Einbiegung erfährt, in einer
Meerhöhe von 440—450 m, und der Abbau findet gegen-
wärtig nördlich vom neuerbauten Hof Eppelhausen und dem
Bahnübergang nach Kachisbrunn und Stammheim statt. Die
Besitzer, die Herren Joh. Schmid und Sohn in Schlattingen,
haben festgestellt, daß das Lager nach Süden etwa am alten
Steinerweg auskeilt und nach Osten in etwa 400 m Ent-
. — „131° —
fernung in kiesige Moräne übergeht; im Westen ist die Grenze
der Abbauwürdigkeit noch unbekannt. |
- Es ist keine Sandgrube im landläufigen Sinne des Wortes,
sondern ein Abbau mitten im leicht zum Bergfuß ansteigenden
Ackerfeld. Die Ackerkrume wird auf 30 cm Mächtigkeit
streckenweise weggeschürft, dann der unterliegende Sand etwa
. 130 em tief abgegraben und fortgeführt, nachher der Boden
wieder mit dem Humus bedeckt und das Feld weiter bestellt.
Es bleibt sozusagen keine Spur übrig; das Gelände hat einfach
etwa einen Meter Abtrag erlitten. Im Sommer 1916 trugen
so schon wieder 86 a Getreide, Kartoffeln und Futtergewächse.
Der Abbau findet schon seit 1904 statt. Anfangs wurden
per Jahr 100—200 Wagenladungen ä 10 t mit Pferden der
Station zugeführt; von 1910— 14 waren es 200— 300, 1916
gegen 400 Wagen, und 1917 nötigten der Pferdemangel und
die schlechte Abfuhrstraße zur Anlage einer Feldbahn, die
die Leistung auf über 600 Wagen in diesem Jahre erhöhte.
Abnehmer sind die großen Gießereien in Schaffhausen,
‘Winterthur, Uzwil und Rorschach. Der Sand eignet sich in
vorzüglicher Weise für Gußformen, da er bildsam (fett) und
völlig kalkfrei ist. Beim Gießen würden dem Sande bei-
gemischte Kalkteilchen mit den Kieselkörnern zusammen-
schmelzen, eine Art Glas (Kalksilikat) bilden und das Modell
durch Sinterung ändern.
Der Sand gleicht der überliegenden Ackererde. Er ist
frisch tief rötlich- bis schwärzlichbraun mit einzelnen hervor-
glitzernden Muskovitblättchen; feucht knetbar, trocknet er zu
ziemlich fest zusammenhaltender Masse. Der Kieselgehalt
wurde zu 83 °%, bestimmt. Die Sandkörner sind rund bis
eckig, von ?/s mm Durchmesser an abwärts bis zu feinsten
Splitterchen, stets umgeben von rostbraunen schleimigen Fein-
teilchen. Nach Behandlung mit heißer Salzsäure, die keine
Blasenbildung erzeugt, hinterbleiben fast ausschließlich farblose
Quarzkörner; nur selten sind rotbraune und gelbe beigemengt.
Der aus der Tiefe von mehr als 1,70 m heraufgeholte
. Sand zeigt wenig Abweichung; er ist nur etwas heller, glimmer-
haltiger, und Salzsäure erzeugt geringe Bläschenbildung, so
daß also hier die Entkalkung nicht mehr vollständig ist.
Der nutzbare Sand ist auf große Strecken völlig gleich-
artig erdig, feinkörnig; immerhin kommen örtlich auch einige
I
Kiesschichten vor. Ein Werfen oder sonstiges Zubereiten des
Formsandes findet nicht statt.
Auffällig waren in einer einheitlichen Schicht liegende
sroße Steine, die aus Juliergranit, Verrucano, Dolomit, Alpen-
kalk, Neokomgestein, Gault, Sandstein und dergleichen,
unserm gewöhnlichen Erratikum, bestehen. Sie wurden anfangs
wenig beachtet; als aber zwischen den Steinen schwarze Erde,
Kohlenteilchen, angeschwärzte Sandsteine und zwei Bronze-
ringe mit spangrünen Knochenteilen zum Vorschein kamen,
setzte sorgfältige Beobachtung ein. Es fanden sich weiterhin im
braunen Sande zerstreut viele weiche, schwarze. Tonscherben,
nirgends aber ein ganzes oder ein wenigstens wieder herstell-
bares Gefäß. Fernere Funde waren einige Schlacken- und
Rostklumpen und ein Feuersteinschaber, während schon 1907
ein schönes Steinbeil zutage gefördert worden war. Letzten
Frühling wurden dann 60 cm unter der Oberfläche drei runde,
etwa 3!/s m im Durchmesser haltende, niedere, rohe Stein-
mauern mit seitlichem Eingang entdeckt und später von den
Herren Direktor Viollier und Professor Büeler untersucht.
Sie enthielten leider keine archäologischen Gegenstände;
ihre Deutung ist daher unsicher; vielleicht stammen sie aus
römischer Zeit, wofür die Tonscherben sprechen; vielleicht
waren es Brandgräber der Pfahlbauleute, die im nahen
Stammerweiher gewohnt hatten. Dieser wurde erst nach
1667 (topogr. Karte von Hs. Kd. Gyger) durch Abgrabung
entleert, und in seinem Grunde fand man beim Bahnbau
1895 zahlreiche Pfähle. Die erratischen Steine sind also
offenbar durch Menschen hieher zusammengetragen und später
wieder mit Erde bedeckt worden. Siehe Thurg. Beiträge zur
vaterl. Gesch., Heft 56, Seite 97.
Alle diese Steine zeigen weitgehende Entkalkung. Sie
sind von stark ausgelaugter Verwitterungsrinde umgeben;
'Sandsteine sind ganz porös und leicht geworden. Aehnlich
erweist sich das Gerölle in den eingelagerten Kiesbändern.
Merkwürdig ist ein etwa 30/10 cm messendes Stück Randen-
grobkalk, das von der Entkalkung auch mürbe geworden ist. .
Wie dieser Stein hieher gelangte, ist unklar; möglicherweise
handelt es sich um einen versunkenen Markstein.
Die starke chemische Verwitterung der Steine zusammen
mit dem Vergleich der am Rodenberg anstehenden Molasse
Sa
sprechen für die Ansicht Herrn Dr. Baumbergers in Basel über
- die Entstehung solchen Formsandes. Dieser sei keineswegs in
oder seit der Gletscherzeit hergeschwemmter oder hergewehter
Sand, sondern an Ort und Stelle entstanden aus zutage ge-
tretener Molasse, die durch das einsickernde Regen- und
Sehneewasser gelockert und entkalkt wurde, wobei Glimmer
und Feldspatteilchen in braunen, eisenhaltigen Ton übergingen.
Möglicherweise handelt es sich auch, wenigstens teilweise, um
die Verwitterung vom Gehängeschutt, von Gesteinsbrocken, die
vom Rodenberg hinunter rollten und sich am Fuße angehäuft
haben. In den vom Frost gelockerten Sandmassen an den
Hängen und im mürben Boden ist die Entkalkung durch
kohlemsäurehaltiges Wasser eine durchgreifende.
Da das Siekerwasser die Entkalkung bewirkte, sind nur
die obersten Lagen des Sandes kalkfrei; schon in 2 m Tiefe
ist der Sand „mager“, mit Säure brausend, und noch tiefer -
sind jene Kalkkonkretionen zu erwarten, die in der „weißen
Grube“ nordwestlich der Station Schlattingen so häufig sind.
Siehe Mitteilungen der Thurg. Nat. Ges., Heft 16, 8. 231.
Für die Richtigkeit dieser Erklärung sprechen auch die
- Maulwurfshaufen am Südhang des Rodenberges bis zur Höhe
des Generalstands hinauf, die aus einer dem Formsand ähnlichen
Erde bestehen, sowie eine neue Waldstraße, deren Einschnitt
den Uebergang der braunen Sanderde zum „gewachsenen“
Fels zeigt.
Wie mir Herr Dr. Baumberger mitteilt, dem ich für
gütige Auskunft zu Dank verpflichtet bin, sind auch ander-
wärts im Anstehenden der Molasse gute Formsande gefunden
worden, ebenso im Gehängeschuttsand längs Molassezügen;
beispielsweise beziehen die Gießereien von Kriens und Emmen-
baum ihren Formsand von einem solchen Vorkommnis am
Sonnenberg bei Littau. H. Wegelin.
Die Quellen der Wasserversorgung Frauenfeld
und ihre Beziehungen zu den Niederschlägen
in den Jahren 1915 und 1916.
Seit Januar 1915 werden sämtliche Quellen der Hochdruck-
wasserversorgung Frauenfeld regelmäßig alle Wochen gemessen,
um genaue Angaben über die Erträge der einzelnen Quellen
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zu erhalten. Sobald diese Messungen einige Jahre ausgeführt
sind. leisten sie der Gemeinde in verschiedener Hinsicht
wertvolle Dienste.
Wir werden dadurch in die Lage versetzt, für alle
Niederschlagsverhältnisse ein getreues Bild des Ertrages der
Quellen zu bekommen; nur so ist es möglich, die günstigste
Gestaltung von Ergänzungsanlagen berechnen zu können.
Ebenso wichtig sind fortlaufende Messungen für allfällige
Wasserrechtsstreitigkeiten, respektive Abgrabungen im Sinne
von Art. 707 des 2.G.B. Der Nachweis einer Abgrabung ist
in der Regel auch dem Fachmann nur dann möglich, wenn
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genaue Anhaltspunkte über die Ertragsschwankungen vor-
liegen; fehlen genaue Aufzeichnungen, so hält es in der
Regel schwer, den rechtlichen Schutz von bestehenden Quellen
richtig geltend machen zu können.
Wie aus Heft XX der Mitteilungen der Thurgauischen
Naturforschenden Gesellschaft hervorgeht (Die Quellen des
Kantons Thurgau von Herrn Engeli, Sekundarlehrer in Er-
matingen), bezieht die Ortsgemeinde Frauenfeld ihr Trink-
wasser aus dem Thunbachtal. Nebst dein Grundwasser, welches
mittelst Stollen schon seit 1886 der Stadt zugeleitet wird,
sind neun Quellen vorhanden, von denen sich drei auf dem
linken und sechs auf dem rechten Ufer des Thunbaches be-
finden. Ueber die Lage der einzelnen Quellen gibt vorstehende
Skizze Auskunft.
— 185 . — &
Die Ueberdeckungen der einzelnen Fassungen betragen:
Duelle NE.1.02, 0080 04 oo) 9
Ueberdeckung zirka 7 5 45 48 5 5 8-12 6-10 10-15 m
In geologischer Hinsicht sind sämtliche Quellen einander
ähnlich: Kiesige Moräne auf undurchlässigem Molassefelsen.
Herr Dr. J. Hug in Zürich, auf dessen Untersuchung und
Anleitung hin die Quellen 7—9 gefaßt wurden, gibt darüber
in seinem vorläufigen Gutachten an die Wasserversorgungs-
kommission Frauenfeld folgende geologische Darstellung:
„Wenn man von der Landstraße den Abhang herabsteigt,
so geht das trockene, in der Hauptsache kiesige Terrain
unvermittelt in eine zeitweise bodenlose Lehmmasse über, die _
bis zum Bach heruntergeht und ein typisches Rutschgebiet
Verrutschrer
TREIBT Lehm
Kiesise;. as nn :
Moräne" "15.
darstellt. Ueber dem Lehm konnte man einen deutlichen
Ueberzug von Kalktuff beobachten, der nur als Absatz von
Quellwasser entstanden sein kann. Da und dort rieselten
zerstreut verschiedene kleine Wässerlein herunter, die allein
für die Tuffbildung verantwortlich gemacht werden mußten.
Alle diese Verhältnisse sprachen für die Annahme, daß am
obern Rande des sumpfigen Gebietes das kiesige Material nach
unten aufhöre und auf undurchlässiger Molasse aufruhe. Das
im Kies gesammelte Quellwasser sinkt natürlich nur bis auf
die undurchlässige Unterlage herab und fließt auf dieser weiter.
Wo diese Kontaktfläche an einem Abhang angeschnitten ist,
muß das Wasser als Schichtquelle zutage treten. In unserm
Falle ist aber der Idealfall durch Rutschungen stark gestört
und der eigentliche Wasserhorizont durch angelagerte Lehm-
' massen verhüllt. Es konnte daher nicht zur Bildung einer
— 156 —
deutlichen Quelle kommen; das Wasser zerschlus sich im
Lehm und gab so zur Bewegung Anlaß.“
Nebst den praktischen Ergebnissen bieten die Messungen
auch Raum für wissenschaftliche Fragen, so z. B.: In welchem
Verhältnis stehen die Quellenerträge zu den Niederschlägen ?
Zur Lösung dieser Aufgabe wurden die Niederschlags-
mengen und der Quellenertrag für je sieben Tage berechnet
und in der beiliegenden Tabelle zusammengestellt. Aus der-
selben können nun ohne weiteres die verschiedenen Be-
ziehungen abgelesen werden. Hauptsächlich fällt auf, daß
bei den Quellen mit der größten Ueberdeckung (Nr. 7—-9)
die Niederschläge S—14 Tage später zur Wirkung kommen
als bei den Quellen 1—5. Eine Ausnahme macht sodann
Quelle Nr. 6, welche beinahe das ganze Jahr den gleichen
Ertrag aufweist. Für diese Quelle sibt Herr Dr. J. Hug die
Erklärung, daß das Wasser durch eine Kiesschieht mit ganz
bestimmter Mächtigkeit und Durchlässigkeit fließt, d.h. die
Kiesschicht kann nur eine ganz bestimmte Wassermenge ab-
führen. Durch das hinterliegende Wasserreservoir in der
Kiesschicht wird die Quelle auch zu trockenen Zeiten mit
dem gleichen Wasserguantum gespeist.
Es mag noch bemerkt werden, daß alle Quellen auch
bei den größten Erträgnissen reines, einwandfreies Trink-
wasser liefern. Die von Zeit zu Zeit durch das kantonale
Laboratorium ausgeführten bakteriologischen Untersuchungen,
welche meistens bei Regenperioden vorgenommen werden,
ergeben immer nur wenige oder gar keine Pilzkolonien.
Besonderer Erwähnung verdient in dieser Hinsicht Quelle
Nr. 9, deren Keimzahl zu nur 1 bestimmt wurde; meistens
erwies sich aber das Wasser als völlig keimfrei. Nach der
amtlichen Zusammenstellung der bakteriellen Verhältnisse -
einzelner Wasserversorgungen der Schweiz stellt sich die
Keimzahl der, Brandquelle (Nr. 9) bedeutend günstiger als
alle andern angeführten Beispiele. Siehe J. Hug, „Beiträge
zur Kenntnis der Grundwasser der Schweiz“, Annalen der
Schweizerischen Landeshydrographie. Band III. Bern 1917.
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Kohlenausbeutung im Staatsgebiet Kalchrain
1916—1917.
Die zur Zeit des gegenwärtigen Weltkrieges entstandene
Kohlennot und die hohen Kohlenpreise ermunterten ver-
schiedener Orts im Schweizerland die Privatindustrie dazu,
in ihrem eigenen Risiko, wiederum an verschiedenen bereits
bekannten Fundstellen nach Kohlen, Schieferkohlen, Braun-
kohlen, Pechkohlen, Steinkohlen und Anthraziten zu suchen.
So vermochten die schwierigen Kohlenbeschaffungen während
des bereits über drei Jahre dauernden Völkerringens auch
die Erinnerungen an die Nachgrabungen im Jahre 1856 und
1862%in Herdern wieder aufzufrischen. Ende des vergangenen
Jahres 1916 kam ein Abkommen zwischen dem thurgauischen
Fiskus und der Firma @. Weinmann in Zürich zustande, nach
welchem genannter Firma an der früheren Fundstelle, im
Gebiet des Anstaltsgutes Kalchrain, die Bewilligung erteilt
wurde, während einem Jahr Schürfungen und Grabungen
nach Kohlen, Mineral- oder Erzlagern vornehmen zu dürfen.
Im diesbezüglichen Beschluß des h. Regierungsrates heißt
es in der Motivierung, daß sich tatsächlich bei den heutigen
Schwierigkeiten in der Kohlenbeschaffung die Wünschbarkeit
nach inländischer Kohlenerschließung geradezu aufdrängt.
Bereits am 20. Dezember 1916 ist dann der erste Spaten-
stich zu diesen neuen Grabungen gemacht und schon am
23. Dezember gleichen Jahres auch die erste Kohle gefördert
worden. Bis Ende Mai 1917 sind zirka 200 Tonnen dieser
Pechkohle gefördert und abtransportiert worden.
Sämtliche Mengen sind mittelst Pferdegespannen nach
Bahnstation Frauenfeld transportiert und dann per Bahn nach
Kallnach versandt worden, wo die Firma G. Weinmann eine
elektrochemische Fabrik besitzt, in der die Herderner Kohle
ihre Verwendung fand.
Einzig 10000 kg sind nach der Gasfabrik Frauenfeld
geführt worden. um damit Brennversuche zu machen. Dies
geschah im März 1917. Dabei ergab sich, daß das Gas
schlecht ist. Es enthält zirka 20—25 °% Schwefel, und die
Kohle hinterläßt nach ihrem Verbrennen keine festen Bestand-
teile, also keinen Koks, sondern nur ein weißes Aschenpulver.
Punkto Gaswert soll selbst der Torf besser sein.
— „158 —
Im gleichen Monat sind die Herderner Kohlen auch chemisch
untersucht worden an der eidgenössischen Prüfungsanstalt für
Brennstoffe in Zürich. Das Resultat war folgendes:
Lufttrockene Probe Rohprobe
Wassergehalt °.. ........100 18,5 %
Flüchtige Kohlensäure . 0,8% 0,8 %o
Asche a Sauna 22,9 9%
Heute wird allerdings der letztere Gehalt weniger Prozente
aufweisen, da offenbar die Qualität der Kohle gegen das
Innere des Berges besser wird. Im weitern wurde der Heizwert
auf 5008 Wärmeeinheiten festbestimmt. Sie zeigte nach ihrem
Verbrennen keinen Koks, sondern ließ 27,4 °/o feine, weiße
Asche zurück. - Die Verbrennungswärme der Kohle ergab
7023 Wärmeeinheiten.
Die Hoffnungen, die anfangs des laufenden Jahres auf
die Mächtigkeit des Kohlenflözes gehegt worden sind, haben
bis heute noch nicht in Erfüllung gehen können, da die
Grabarbeiten noch zu wenig weit vorgeschritten sind.
Mit Sicherheit kann also bis heute nichts Bestimmtes über
die Ausdehnung dieses Flözes gesagt werden. Erst wenn die
Ausbeute durch Stollenbau geschieht oder durch Bohrungen
Untersuchungen vorgenommen werden, kann Näheres hierüber
gemeldet werden.
Die Art und Weise, wie genannte Firma dieses Frühjahr
in Herderın nach Kohlen grub, half nicht zur Abklärung
dieser Frage mit, indem sie nur vermittelst gewöhnlichen
Rigolens nach Kohlen grub und nur bestrebt war, so viel
als möglich abzuführen. Stollenbau und Bohrungen nahm
sie keine vor. Durch dieses Rigolen traten bald Rutschungen
ein. Dies und anderes brachte bald Arbeitermangel und für
den Staat Unbefriedigendes, so daß die Firma Weinmann
ihre Bauhütten abtransportierte und klanglos die Kohlenlager
verließ. Wohl darf bemerkt werden, daß die kurze Konzessions-
dauer von einem Jahr Bohrungen aus begreiflichen Gründen
nicht zuließ; dagegen hätte die Firma durch Stollenbau
mehreres tun sollen.
Mittlerweile ist die Angelegenheit in bezug auf die Rendite
der Ausbeute des Kohlenflözes in Herdern durch in Chur
internierte deutsche Bergleute untersucht worden. Der Bericht
lautete derart, daß die Regierung an den eidgenössischen
— 1359 —
Armeearzt, dem die Öberleitung der Interniertenversorgung
übertragen ist, das Gesuch stellte, es möchten 8—10 internierte
Bergleute aus der Bergwerkschule für deutsche Internierte in
Chur nach Herdern abgegeben werden, um durch diese Fach-
leute mittelst Stollenbau die Mächtigkeit des dortigen Kohlen-
flözes feststellen zu können, um dadurch über die Abbau-
würdigkeit ein klares Bild zu erhalten. Bereits sind nun seit
20. September laufenden Jahres zuerst 8 und heute 32 Berg-
leute unter Leitung eines bergtechnisch gebildeten Internierten
daran, durch Aushebung einer Zufahrt zum projektierten
Stollenantrieb den Flöz abzubauen.
Bei diesen Aufschließungs- und Aufklärungsarbeiten werden
fast täglich 150— 200 Zentner Pechkohle gefördert. Dieselben
werden abtransportiert, in den verschiedensten Feuerungen
verwertet und dabei zugleich zu Versuchszwecken verwendet.
Man hofft bei annähernd guter Witterung gegen Ende November
mit dem Stollenbau beginnen zu können. Dann wird auch
die Zeit kommen, wo ein Konzessionsvertrag oder ein Unter-
nehmen, an welchem Bund und Kanton beteiligt sind, zustande
kommen wird.
Die Kohlenfundstelle liegt auf Grund und Boden der
Staatsdomäne Kalchrain, und zwar direkt an der Staatsstraße
II. Klasse Herdern-Kalchrain in einer Höhe von 551 mü.M.
Sie gehört zur Gemeinde Herdern, während Kalchrain selbst
auf Gebiet der Gemeinde Hüttwilen liegt. Der Kohlenflöz
liegt anfangs so ziemlich horizontal, senkt sich aber gegen
den Berg zu mäßig gegen Herdern; wie er sich weiter er-
streckt, wird man erst beim Stollenbau und beim nachfolgenden
Abbauverfahren sagen können. Der Wasserabfluß, wird dabei
erschwert, und einige Male sind auch die derzeitigen Auf-
schließungsarbeiten durch Einstürze der gegen Kalchrain zu
gelegenen Einschnittsflächen gestört worden.
Wenn nun in einigen Tagen der Tagbau beendigt ist,
werden die Kohlenabbauarbeiten durch Rutschungen nicht
mehr belästigt werden.
Die Herderner Kohle ist eine Pechkohle, keine normale
Braunkohle. Sie wird auch „Molassekohle* genannt. Sie ist
tiefschwarz, glänzend, aber spröde, während die Braunkohle
_ matt erscheint. Die Pechkohle ist gemäß den Forschungen des
Geologen Escher als Ueberrest einer frühern Vegetation zu
— 140 —.
betrachten und ist demnach eine torfrestliche, pechimprägnierte
Kohle der Molasse. Sie enthält viel Gas und ist auch des-
wegen eine reine Flammkohle, die ziemlich viel Schwefel
enthält.
Es wird wohl interessieren, was für ein Bild das Quer-
profil der Fundstelle bietet und werde ich daher nachfolgend
eine Beschreibung desselben geben.
Unter der Humusschicht und derjenigen von Lett, Kies
und Sand befindet sich eine ziemlich starke Schicht von
blauem, fettigem, reinem Lehm, sog. Blaulehm. Er soll
stark schwefelhaltig und ebenfalls wertvoll sein, da er in
der Aluminiumindustrie große Verwendung findet. Nun folgt
eine dünne Schicht verfaulter Kohlenschiefer, der sich
aber nur am Rande des Flözes vorfindet und auf dem Feuer
nicht brennt. Dagegen entzündet sich der folgende bituminöse
Kalkstein, da er in seinen Poren Gas enthält. Letzteres
brennt nach Auflegen eines Steines auf ein Feuer, bildet ein
klein wenig Rauch und erzeugt einen noch ziemlichen Wärme-
effekt; dagegen zeigen sich keine Flammen. Dieser bituminöse
Kalkstein wird auch „Stinkkalk“ genannt, da er, wenn man
ihn mit einem harten Gegenstand schabt, nach Petrol stinkt.
Unter dieser Stinkkalkschicht zeigen sich dann verschiedene
Lagen reine Pechkohlenschichten. Die ganze bituminöse
Schicht beträgt heute vor der projektierten Stollenantriebstelle
total 90—95 cm. Abzüglich der die Kohle durchziehenden
Stinkkalkschiehten bleibt hier eine nutzbare Kohlenmächtigkeit
von 60—65 cm. Ob der Flöz im Innern des Berges noch
mächtiger wird und wie weit er verläuft, wird wiederum der
Abbau im Stollen zeigen. Zu unterst finden wir eine mächtige
Sandsteinschicht, auf der der Flöz ruht.
Das für heute. Es wird sich eventuell später Gelegenheit
bieten, über die Kohlenlager Herdern und deren Abbau ein-
gehender zu berichten, bei welcher Gelegenheit dann auch über
die Resultate der heizungstechnischen Untersuchungen und das
eingeschlagene Kohlenabbauverfahren Mitteilungen gemacht
werden können. Leo Wild, Straßeninspektor.
Il.
Vereinsnachrichten.
; ——————
EEE
ME HRSRENE
a
Sy
Auszug aus dem Protokoll
der
Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft.
- Jahresversammlung 1916
abgehalten am 23, Oktober 1916 im Hotel Krone in Winterthur.
Vorsitzender: Schmid, Kantonschemiker.
Zahl der Teilnehmer: 32.
Die 60. Hauptversammlung stand im Zeichen der Museums-
frage. Die Tatsache, daß seit der Eröffnung der neuen Kantons-
schule unsere reichhaltigen Sammlungen ganz unbefriedigt
untergebracht sind, veranlaßte den Vorstand, die Versammlung
nach Winterthur zu verlegen, wo die naturhistorischen Samm-
lungen ein prächtiges neues Heim erhalten hatten. Man hoffte,
durch einen Besuch desselben neue Anregung und Aufmunterung
zur Lösung unseres Problemes zu erhalten und täuschte sich
nicht; denn der Gang durch das Museum, unter der kundigen
Leitung unserer Winterthurer Kollegen, bot eine Fülle des
Interessanten, und der Dank des Präsidenten für die liebens-
würdige Aufnahme kam aus vollem Herzen.
Dem Museumsbesuch vorgängig wurden die Jahresgeschäfte
erledigt. Dem Jahresbericht des Präsidenten entnehmen wir
folgendes: Seit der letzten Jahresversammlung verloren wir
zwei Ehrenmitglieder durch den Tod, nämlich die Herren
Bezirksarzt Dr. Albrecht in Frauenfeld und Minister //g in
Zürich, von denen sich besonders der erstgenannte als lang-
jähriges Vorstandsmitglied und als Förderer wissenschaftlicher
Bestrebungen um den Verein sehr verdient gemacht hat. Zu
seinem Andenken wurde der Gesellschaft ein größeres Legat
gestiftet, — Ein langjähriges, treues ordentliches Mitglied
wurde durch eine Explosion dahingerafft.
— 144 —
Der gegenwärtige Mitgliederbestand beläuft sich auf 133.
Besondere Erwähnung verdient die Herausgabe des 21. Heftes
unserer Mitteilungen mit einer Hauptarbeit von Herın Professor
Wegelin: „Ueber die Veränderungen der Erdoberfläche im
Thurgau während der letzten 200 Jahre“, einer Arbeit, die
nicht nur in naturhistorischer, sondern auch in volkswirtschaft-
licher Beziehung äußerst wertvoll ist. Der Präsident verdankt
Herın Wegelin, sowie den andern Herren, welche unser Heft
bereichert haben (Herren Dr. Baumann, Zürich, Dr. Brunner,
Dießenhofen) ihre Arbeit aufs wärmste.
Der Lesestoff für die Mappen ist immer noch reichlich,
obschon er des Krieges wegen reduziert werden mußte. Ein
neuer Lesekreis mußte für Sirnach gebildet werden.
Im Naturwissenschaftlichen Kränzehen in Frauen-
feld wurden im Berichtsjahr folgende Vorträge und Referate
abgehalten:
Herr Hans Kappeler: Ueber Rindenschälung außerhalb der
Saftzeit.
Herr Dr. Hch. Tanner: Ueber das Moor- und das Sehneehuhn.
Herr Prof. Wegelin: Der Bernstein.
Herr Dr. Darm: Höhenbestimmungen in den Alpen.
Herr Apotheker V. Schilt: Ueber den Rückgang der ein-
heimischen Vögel.
Herr Dr. ee Ueber biorisierte Milch.
Gemeinsam mit dem Gewerbeverein Frauenfeld veranstalteten
wir einen Vortrag von Herrn Ingenieur Schoop in Zürich
über sein Metallisierungsverfahren.
Es wurden ferner zwei Exkursionen ausgeführt, die
in jeder Hinsicht einen sehr erfreulichen Verlauf nahmen.
Im Juni wurden unter der Leitung der Herren Professor
Wegelin, - Frauenfeld, Dr. Weber und Dr. Frschli, Winterthur
die Glassandgruben von Benken, die marine Molasse von Schlatt
und die Stromquellen von Kundelfingen besucht (siehe Seite
125). Die zweite Exkursion wurde in Verbindung mit der
Winterthurer Schwestergesellschaft veranstaltet und führte zu
den Endmoränenwällen von Eschlikon und an den Bichelsee
(siehe Seite 123.)
Die Bestrebungen der Gesellschaft sind auch im Berichtsjahr
in verdankenswerter Weise durch die Beiträge der Regierung
und der Gemeinnützigen Gesellschaft unterstützt worden.
| Die Jahresrechnung 1915 wird verlesen und unter bester
Verdankung an den Kassier genehmigt. Sie weist folgenden
Abschluß auf:
Bimnahmens.. 32.0. 222er :2949200
AuSoaben en. ee N 22h
Seuldo, wre Deere te 208.32
Abzüglich Sammlungsfonds. . . - .500.—
Detzit. pro |. Januar 1916 .. . Er -191.68
In Anerkennung seiner großen Verdienste um die Er-
forschung der Urgeschichte unseres Landes ‘und um die
Populärisierung der Naturwissenschaften in der Ostschweiz,
sowie der mannigfachen Dienste, die er unsern Sammlungen
und der Naturforschenden Gesellschaft direkt erwiesen hat,
wird Herr Konservator Emil Bächler in St. Gallen zum Ehren-
mitglied unserer Gesellschaft ernannt.
Die Zahl der Vorstandsmitglieder wird von 8 auf 9
erhöht und als neuntes Mitglied gewählt Herr Dr. Leis in
Frauenfeld.
Ueber die Tätigkeit der Naturschutzkommission referierte
deren Präsident, Dr. Hch. Tanner: Die Bemühungen wegen
des Uferschutzes der Scharenwiese sind zu einem vorläufigen
Abschluß gelangt. Um den Pflanzenbestand auf der Scharen-
wiese zu schonen, sind die nötigen Schritte eingeleitet worden.
Zum Schutze des Wassergeflügels und zur Erhaltung der
Uferwege, welche der Oeffentlichkeit immer mehr entzogen
werden, sind Eingaben an die Regierung gemacht worden,
welche bei derselben gute Aufnahme gefunden haben. Es
sind Versuche gemacht worden, den Fischotter vor gänzlicher
Ausrottung zu bewahren, und man bemühte sich ferner, von den
Güterzusammenlegungskorporationen vermehrte Nistgelegen-
heit für unsere Vögel zu erhalten. Für einen großen erratischen
Block in Pfyn erhielten wir vom Besitzer die Zusicherung,
daß derselbe intakt bleiben solle.
Herr Zahnarzt Brodtbeck regt die Gründung einer Museums-
gesellschaft an.
Zum Schlusse der Verhandlungen begrüßte Herr Professor
Dr. Weber die Thurgauer Kollegen herzlich und dankte für
' die Ehre des Besuches. Auf seine Anregung wurde nach dem
10
— 1 — i
Besuch des Museums ein Spaziergang nach dem Schlosse
Wülflingen gemacht.
Der Aktuar ad int.: Dr. Hch. Tanner.
. Jahresversammlung 1917
Samstag den 20, Oktober 1917 im Hotel Bahnhof in Frauenfeld.
Anwesend: 35 Mitslieder und Gäste.
Herr Kantonschemiker Schmid begrüßt als Präsident die
Versammlung und erteilt nach kurzem Eröffnungswort Herrn
Dr. J. Hug in Zürich das Wort zum Hauptreferat:
Die Grundwasserströme der Schweiz
insbesondere des Kantons Thurgau.
Als Grundwasser wird heute alles unter der Erdoberfläche
zirkulierende Wasser aufgefaßt. Aus dem Kanton Thurgau
seien die folgenden typischen Beispiele von Grundwasser- .
bildung genannt:
l. Am rechten Hang des Thunbaches zwischen Huben
und Thundorf beobachtet man längs der Hauptstraße an ver-
schiedenen Stellen gut durchlässigen Kies, der auf schwer 8
durchlässiger Süßwassermolasse aufruht. Im Kies versickern
die Niederschläge zu Grundwasser, das auf der Schichtfläche
zwischen Kies und Molasse im Thunbachtobel einen durch-
gehenden Quellenhorizont bildet, der in drei neuen Fassungen
für die Wasserversorgung Frauenfeld ausgenützt wird.
2. Am Steilhang zwischen Amriswil und Schocherswil
konstatiert man zu oberst Moräne der letzten Eiszeit; darunter
folgt eine mehr als 10 m mächtige Schicht eines gut ver-
kitteten Schotters, der nur dem Hochterrassenschotter zu-
gerechnet werden kann. Auf und in der Unterlage, die aus
hartem Grundmoränenschlamm gebildet wird, tritt das im
Schotter gesammelte Grundwasser aus (Quellen von Amriswil).
3. Die Ebene von Horn besteht aus fluvioglazialem Schotter
der letzten Eiszeit. Darüber folgt eine mehrere Meter dicke
Lehmschicht, die aus dem südlich anschließenden Hang ab-
geschwemmt wurde. Auch diese Kiesablagerung ist mit Grund-
— ]4t —
wasser durchsetzt, das bei niederem Wasserstande. deutlich
siehtbar in den Bodensee austritt.
4. Im Gebiete von Thundorf-Matzingen wurde schon vor
mehreren Jahrzehnten eine frühere Bachrinne festgestellt, die
unter die heutige Bachsohle -herabreicht, mit Kies ausgefüllt
ist, und in ihrer Richtung vom heutigen Bachlaufe vollständig
abweicht. In dem Kiese muß sich wieder Grundwasser sammeln,
das auf der Bahn des ehemaligen Bachlaufes als Grundwasser-
strom abfließt. Dieser wird gegenwärtig für die Wasser-
versorgung Frauenfeld durch eine Fassung moderner Kon-
struktion ausgenützt.
5. Am ausgiebigsten gestaltet sich die Grundwasserführung
natürlich in der ausgedehnten Kiesausfüllung im Talboden des
Thurtales, der von Kradolf an zu einer Breite von 1 km
anschwillt. Die Tiefbohrungen in der Gegend von Sulgen-
Bürglen haben ergeben, daß der Kies gegen 20 m tief unter
die Erdoberfläche herab reicht. Zwischen Kradolf und Bürglen
sieht man die Thur ein Stück weit links außerhalb der Kies-
auffüllung in die etwas ältere Grundmoräne eingeschnitten.
Der Schotter des Talbodens füllt sich talabwärts immer bis
. näher an die Terrainoberfläche mit Grundwasser an, das von
_ verschiedenen Gemeinden durch Pumpwerke ausgenützt wird.
Weiter talabwärts wird die Mächtigkeit des Schotters immer
geringer und keilt unterhalb Horgenbach fast ganz aus. Damit
muß auch der Grundwasserstrom abgegeben werden, der
hauptsächlich durch die Binnenwasserkanäle längs der Thur
aufgenommen wird.
Im zweiten Teil des Vortrages wurden eine Reihe größerer
Grundwasserströme in den Kiesauffüllungen der Urstromtäler der
Nordschweiz, den Schotterfeldern der letzten Vergletscherung im
Aargau (Suhrtal), den jüngeren Kiesfeldern der Alpentäler und
einigen Bergsturzgebieten des Kantons Graubünden besprochen.
Zum Schlusse kam das Thema „Grundwasser und Seen“
zur Behandlung. Es wurden drei Typen von Seen vorgeführt,
nämlich: Grundwasserseen (mit unterirdischem Zufluß und
unterirdischem Abfluß), Quellseen (mit unterirdischem Zu-,
' aber oberirdischem Abfluß) und Seen mit oberirdischem:. Zu-,
aber unterirdischem Abfluß. (Autoreferat).
Der außerordentlich interessante, mit prächtigen Pro-
jektionsbildern ergänzte Vortrag wurde mit großem Applaus
— 148 —
aufgenommen und vom Präsidenten bestens verdankt. In der
Diskussion erklärte Herr Dr. Hug den Zufluß des Frauenfelder
Pumpwerkes als Grundwasserstrom der Murg, verstärkt durch
den unterhalb Matzingen einmündenden Grundwasserstrom des
Thunbaches. Die Kundelfinger Quellen hätten ihren Ursprung
ebenfalls im Schotter des alten Rheinlaufes, dessen Grund-
wasserstrom bei Kundelfingen überläuft.
Hierauf wies Prof. Wegelin drei im Thurgau vorkommende
Trüffelarten vor (siehe Seite 118), sowie die Funde von Elch-
geweihen, Wetzikonstäben und Föhrenzapfen aus dem Torfmoor
von Gloten (siehe Seite 119), Inspektor Wild Probestücke der
in Herdern geförderten Pechkohle und deren Begleitgestein
(siehe Seite 137) und Sekundarlehrer Zingeli drei Seltenheiten
aus der Gesteinswelt: 1. Pyrophyllit, ein Mineral der Talk-
gruppe mit prächtigen apfelgrünen Rosetten aus dem Wallis.
während bisher nur Fundorte in Schweden und im Ural be-
kannt waren; 2. einen merkwürdig geschichteten Tuff aus
dem Unterengadin, und 3. einen Mäander- oder Furchenstein
aus dem Greifensee mit sonderbar eingegrabenen Furchen
und Gängen, die von den einen Forschern den sauren Aus-
scheidungen von Köcherfliegenlarven zugeschrieben, von andern
als Wirkungen einer Algenvegetation, die dem Stein Kohlen-
säure entzieht, angesehen werden. (Siehe Schröter und Kirehner,
Die Vegetation des Bodensees, Lindau 1896, I, S. 47—53.)
Es folgen die Vereinsgeschäfte, nachdem vorausgehend der
Präsident die von der Versammlung mit starkem Beifall auf-
genommenen Mitteilungen bestens verdankt hatte.
1. Jahresbericht des Präsidenten. Demselben ist folgendes
zu entnehmen: Der furchtbare Krieg hat unser Gesellschafts-
wirken nicht stark beeinflußt. Nur eine Maßnahme des Vor-
standes, die Bestellung einer Kohlen- und Torfkommission,
hängt damit zusammen. Dieselbe soll die bei der in die Wege
geleiteten Nutzbarmachung von Kohlen- und Torflagern zutage
tretenden Erscheinungen feststellen, wissenschaftlich verwerten
und eventuell für weitere Versuche und Unternehmungen =
nutzbar machen. Der Vorstand hat seine Geschäfte in fünf
Sitzungen erledigt, wobei namentlich Anregungen der Natur-
schutzkommission vermehrte, aber angenehme Arbeit brachten.
Die drei Kränzchensitzungen, deren Leitung Herr Dr. Tanner
übernommen hat, hatten folgende Referenten: Herr Straßen-
— 149 —
inspektor Wild über Asphalt und seine Verwendung, Herr
Zahnarzt Brodtbeck über einen Besuch in deutschen Kriegs-
lazaretten für Kieferverletzte mit Projektionen, Herr Dr. Leisi
über die immergrünen Parkbäume von Frauenfeld und Um-
gebung. Unter Leitung von letzterem fand im Frühjahr ein
Rundgang durch diverse Gärten von Frauenfeld zur Besichtigung
der Parkbäume statt. Endlich war die Gründung der Museums-
gesellschaft möglich in Verbindung mit dem Historischen Verein,
dem Verkehrsverein und Vertretern der Behörden.
Der Senat der Schweizerischen Naturforschenden Gesell-
schaft wird künftig durch Zuzug von Vertretungen kantonaler
Gesellschaften. erweitert und die Delegiertenversammlung auf-
gehoben werden. In Basel fand das hundertjährige Jubiläum
unserer Schwestergesellschaft statt, verbunden mit Einweihung
_ eines Museums für Völkerkunde. Einer Einladung folgend
ließen wir uns vertreten.
Der Mitgliederbestand beträgt zurzeit 135.
Zum Schluß erstattet der Präsident den wärmsten Dank
an Herrn Prof. Wegehin für die Redaktion der Mitteilungen und
für seine Dienste als Kurator, dann an die Mitarbeiter der
Mitteilungen, an Dr. Tanner für die Leitung der Kränzchen-
sitzungen, der Regierung und der Gemeinnützigen Gesellschaft
für ihre Beiträge. Er gedenkt ferner der Erteilung des
Dr. honoris causa an unser Ehrenmitglied Herrn Konservator
' Bächler durch die Universität Zürich und gedenkt auch unseres
erkrankten lieben und langjährigen Mitarbeiters Herrn Dr. Eberli
in Kreuzlingen, dessen Gruß an die Jahresversammlung durch
ein Telegramm erwidert wird.
2. Ueber die Tätigkeit der thurgauischen Naturschutz-
kommission berichtet Herr Dr. Tanner, der Präsident derselben.
Es wurde versucht, die Fauna und Flora auf gesetzgeberischem
Wege zu schützen. Eingaben an das Polizeidepartement ent-
hielten die Begehren, in der neuen Jagdverordnung Verwendung
eines Teiles der Patenttaxen für Vogelschutz vorzusehen, dem
Naturschutz in der Jagdkommission eine Vertretung einzu-
räumen, und Fischotter, sowie Fischreiher vor der Ausrottung
zu schützen. Ein Entwurf zu einer thurgauischen Pflanzen-
sehutzverordnung liegt beim Regierungsrat. Von diesem wurden
Schutzbestimmungen gegen das massenhafte Pflücken von
Hasel- und Weidenkätzchen erlassen, und in den Zeitungen
MO
hat die Naturschutzkommission Stellung gegen die Monstre-
buketts genommen. Am Untersee ist eine kleine Reservation
für ganz seltene Pflanzen in Aussicht gestellt. Durch Ver-
mittlung des kantonalen Torfkommissärs wurden die Torf-
produzenten ersucht, uns zuhanden der Schweizerischen Prä-
historischen Gesellschaft bemerkenswerte Funde mitzuteilen.
Schließlich sind noch die Bemühungen zum Schutze der
erratischen Blöcke und zur Erhaltung bemerkenswerter Bäume
zu erwähnen. E
Die beiden sehr interessanten und zum Teil mit Humor
durchwürzten Berichte, wovon hier nur ein Auszug möglich
war, wurden von der Versammlung genehmist, und seien an
dieser Stelle den beiden Berichterstattern bestens verdankt.
3. Herr Kappeler-Leumann verliest die Jahresrechnung
pro 1916 im Auszug:
Einnahmen. 229... 3.12 we
Ausgaben 2 Pe ee 84 I
Saldo er 2 sr ein A
Ab Fonds für naturh. Sammlungen - 500.—
Vereinsvermögen 1. Januar 1917 . Fr. 235.42
Betztjähriges Dehat „22.2 022722 291..068
Vermögensvermehrung 1916 . . Fr. 427.10
Der Kassabericht wird auf Antrag der Revisoren genehmigt
und dem Kassier bestens verdankt.
4. Die Versammlung beschließt einstimmig, den Fonds
für naturhistorische Sammlungen im Betrag von 500 Fr. der
Museumsgesellschaft als Museumsfonds zu schenken. Eine
Mehrheit ist auch dafür, daß unsere Gesellschaft der Neu-
gründung als Kollektivmitglied mit 50 Fr. Jahresbeitrag
beitreten solle.
5. Als Rechnungsrevisoren werden der bisherige Herr
Dr. Dannacher und an Stelle des zurücktretenden Herrn
Debrunner-Schröder Herr Inspektor Wild gewählt.
6. Bei den Vorstandswahlen tritt leider Herr Kantons-
chemiker Schmid als Präsident und Vorstandsmitglied zurück.
Da bereits vorausgegangene Bemühungen, ihn zum Bleiben
zu veranlassen, scheiterten, weil Herr Schmid mit amtlichen
Arbeiten stark belastet ist, wird zur Ersatzwahl geschritten,
et
Herr Professor Wegelin wird einstimmig als Präsident und
Herr Dr. Prötzker als neues Mitglied gewählt. Die übrigen
Vorstandsmitglieder werden mit offenem Mehr bestätigt.
7. Herr Professor Wegelin verdankt das ihm bewiesene
Zutrauen und gedenkt hierauf in warmen Worten der Ver-
dienste seines Vorgängers, welcher 25 Jahre dem Vorstande
angehörte. Auf Antrag des Vorstandes wird Herr Kantons-
chemiker Schmid in Würdigung seiner vielen und vielseitigen
Verdienste als Vorstandsmitglied während 25 Jahren zum
Ehrenmitgliede ernannt. Herr Schmid dankt herzlich für die
ihm zuteil gewordene Ehrung.
8. Nach der anschließenden konstituierenden Sitzung des
Vorstandes, bei welcher das Vizepräsidium von Herrn Dr. Tanner
übernommen wird, kommt als gemütlicher Schluß ein einfaches
Abendessen.
Der Aktuar: A. Weber, Kultur-Ing.
Verzeichnis
der vom 1. November 1915 bis 1. November 1917 durch Tausch
und Schenkung eingegangenen Druckschriften.
(Dient zugleich als Empfangsbescheinigung.)
I. Schweizerischer Tauschverkehr.
Basel. Naturforschende Gesellschaft: Verhandlungen Bd. 26, 27.
Baselland. Naturf. Gesellschaft: Tätigkeitsbericht 1911—16.
Bern. Schweiz. Naturf. Gesellschaft: Verhandlungen 1915, 1916.
— Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen 1915.
— Schweiz. Entomologische Gesellschaft: Vol. XII, Heft 7/8.
Chur. Naturf. Gesellschaft von Graubünden: Jahresbericht, Bd. 56, 57.
Frauenfeld. Historischer Verein des Kantons Thurgau: Thurgauische
Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Heft 55 und 56,
Freiburg. Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen: Botanik Bd. IlIs. Bulletin
Bd. 23.
Geneve. Societ& de physique et d’histoire naturelle: Compte rendu
des seances 32, 33.
Lausanne. Societe vaudoise des sciences naturelles: Bulletins Nr. 186
bis 192. Convocations 1916-1917.
Lugano. Societa tieinese di Scienze naturali: Bolletino 1915.
Luzern. Naturf. Gesellschaft: Mitteilungen, 7. Heft.
Neuchätel. Societe des sciences naturelles: Bulletin, tome 41.
Winterthur. Naturwissenschaftl. Gesellschaft: Mitteilungen, Heft 11.
Zürich. Naturf. Gesellschaft: Vierteljahrsschrift 1916.
— Schweizerische Geologische Kommission:
Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz. II. Serie. Lief. 203,
302, 44, 46.
Erläuterung zur geologischen Karte der Schweiz 19. Spezial-
karten 29, 66, 77, 80, 83. Profiltafel 29, 730.
Geschichte der Geologischen Kommission von A. Aeppli.
— Schweizerische Geotechnische Kommission:
Karte der Fundorte v. mineralischen Rohstoffen nebst Erläuterung.
— Schweizerische Botanische Gesellschaft: Berichte 24/25.
Beiträge zur Kryptogamenflora der Schweiz: Coelastrum 1915.
— Physikalische Gesellschaft: Mitteilungen 18.
— Botanisches Museum der Universität: Mitteilungen 73—76.
II. Ausländischer Tauschverkehr.
Agram (Zagreb). Kroatische Naturwissenschaftliche Gesellschaft: Mit-
teilungen, Bd. 28, 29.
Bautzen. Naturwissenschaftl. Gesellschaft Isis: Abhandlungen 1915/15.
ee
Bayreuth. Naturwissenschaftl. Gesellschaft: 2. Bericht (1911—1914).
Berlin. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg: Verhandl. 1915.
Brünn. Naturforschender Verein: Abhandl. 52—55. Meteorologischer-
Bericht 29, 30, 31.
Chapel Hill N.C. Elisha Mitchell Scientific Society: Journal 31—33.
Cincinnati. Lloyd Library: Mycologicalnotes: Synopsis Polyporus Apus.
Bibliographical contributions II 6—11.
Cordoba (Arg.). Academia Nacional de Ciencias: Boletin 20, 21.
Danzig. Naturf. Gesellschaft: Bd. 14, Heft 1, 2.
_ —— Westpreußischer botanisch- -zoologischer Verein: Berichte BU 38%
Dresden. Naturwissenschaftl. Gesellschaft Isis: Sitzungsberichte und
Abhandlungen, 1914, 1915.
Erlangen. Physikalisch-medizinische Societät: Sitzungsberichte 47.
. Frankfurt a. M. Senckenbergische Naturf. Gesellsch.: Bericht 46.
Frankfurt a. 0. Naturwissenschaftl. Verein: Helios 28.
_ Gießen«Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: Berichte,
medizin. Abt., Bd. 9, 10; naturwissenschaftl. Abt., Bd. 6.
Güstrow. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg:
Archiv 69, 70
Halifax. Nova Scotia, Canada: Nova Scotian Institute of Science:
Proceedings and Transactions, N.01.135 14-9: %s.
Halle a.d. Saale. Kaiserl. Leop. -Carol. deutsche "Akademie der Natur-
z forscher: Leopoldina 1915, 1916.
. Hamburg, Naturwissenschaftlicher Verein: Verhandlungen 1912—1914,
Abhandlungen XX.
Hermannstadt. Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschaften: Mit-
teilungen, Bd. 64. Festschrift 1914.
Innsbruck. Ferdinandeum für Tirol und Vorarlberg: Zeitschrift, Heft 59.
Kassel. Verein für Naturkunde. Abhandlungen 54.
Kiel. Naturwissenschaftl. Vereinf. Schleswig-Holstein: Schriften, Bd. 16.2.
Klagenfurt, Naturhist. Landesmuseum für Kärnten: Carinthia 105, 106/7.
Klausenburg (Kolozsvär). Siebenbürgischer Museumsverein: Mitteilungen
II. Band, 1915, 1916.
Krefeld. Naturwissenschaftl. Museum der Stadt: Mitteilungen 1915/16.
Lawrence (Kansas). University of Kansas: Bulletin 165.
Leipzig. Naturf. Gesellschaft: Sitzungsberichte 1914, 1915.
Lyon. Societe Linndeenne: Annales 1914, 1915.
Madison. Wisconsin Academy: Transactions Vol. 18ı.
Mexiko. Instituto Geologico: Boletin 32, 34. Anales 1, 2.
Milwaukee (Wis). Public Museum: Bulletin 133.
München. Kgl. hydrotechnisches Bureau: Jahrbuch 1914—1915 mit
Beilagen (Wassermessungen 1911—1915).
— Kgl. bayr. Akademie der Wissenschaften: Sitzungsberichte der
'math.-phys. Klasse, Jahrgang 1914—1917. 5
Münster. Westfälischer Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst:
Jahresberichte 43, 44.
-New-Haven (Conn. U. S.). Yale university: Transactions, Vol. 19.
New York. Academy of Seiences: Annals, Vol. 26, 27.
Ne Nürnberg. Naturhistorische Gesellschaft: Abhandlungen, Band 19v.
Jahresbericht 1915, 1916.
— 154 —
Philadelphia. Academy of Natural Sciences: Proceedings Vol. 67, 68.
Prag. Naturhistorischer Verein Lotos: „Lotos“ 1916.
Reichenberg. Verein der Naturfreunde: "Mitteilungen 42.
St. Louis (Missouri). Botanical Garden: Annals Vol. 2, 31.
Stockholm. Entomologiska Föreningen: Ent. Tidskrift 1915, 1916.
Stuttgart. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in
Württemberg, 71. und 72. Jahrgang mit Beilagen.
Upsala. University: Bull. of the Geologieal Institution, Vol. 13, 14, 1 >
Washington D.C. Smithsonian Institution: U. S. National- Museum:
Proceedings, Vol. 47 — 50. 2
Bulletin 50, 82, 91—96,
Contribution from the U. S. Nat. Herbarium, Vol. 17—20.
— U. S. Geological Survey:
Annual Report 36.
Bulletin 544—649 (Reihe unvollständig).
‘Water supply papers 512—399 (Reihe unvollständig).
Professional papers S7—91, 95, 98.
Mineral Resources 1914—1916.
Monograph 53, 54.
Wien. K. k. geolog. Reichsanstalt: Verhandlungen 1916.
— K.k. Naturhist. Hofmuseum: Annalen, Bd. 29, 30.
Wiesbaden. Nassauischer Verein für Naturkunde: Jahrbücher 68, 69.
Würzburg. Physikalisch-mediz. Gesellsch.: Sitzungsbericht 1915, 1916.
III. Geschenke von Privaten.
Brodtbeck A. in Frauenfeld: In deutschen Kriegslazaretten für Kiefer-
verletzte. Frauenfeld 1915.
Früh J. Dr. Prof. in Zürich: Entwicklungsformen und Verbreitung
des Büßerschnees 1915.
Graf F.in Weinfelden: Maout-Decaisne, Traite general de Botanique.
Paris 1876.
Greuter Dr. A. in Menziken: Beiträge zur Systematik der Gastrotrichen
in der Schweiz. Berner Dissertation. Genf 1917.
Kaiser Alfred in Arbon: Ein 80jähriger Afrikareisender: Professor
Dr. Schweinfurth. Arbon 1816.
Kim, Bahnmeister, in Wattwil: 1) F. Merklein, Beitrag zur Kenntnis
der Erdoberfläche um Schaff hausen; 2) Karte des Säntisgletschers
(1: 100000) von A. Gutzwiller, mit Text.
Stadtbibliothek in Winterthur: Neujahrsblatt 1915/16: Landbau und
Besiedlung im Weinland.
| Mitgliederverzeichnis
der
Thurgauischen Naturiorschenden Gesellschaft.
(Abgeschlossen am 1. November 1917.)
”— Vorstand.
H. Weselin, Professor, Präsident und Kurator.
Hch. Tanner, Dr., Konviktführer, Vizepräsident.
A. Weber, Kulturingenieur, Aktuar.
Hs. Kappeler-Leumann, Quästor.
. Brodtbeck, Zahnarzt.
. Schilt, Apotheker.
. Osterwalder, Sekundarlehrer.
F. Leisi, Dr., Professor.
Pritzker, Dr., Chemiker.
E<s»
Naturschutzkommission.
Dr. Hch. Tanner, Präsident.
Dr. Leisi.
E. Osterwalder.
Kohlen- und Torfkommission.
H. Weselin, Präsident.
Hs. Kappeler.
Weber, Kulturingenieur.
Wild, Straßeninspektor.
Dr. Hch. Tanner.
Ehrenmitglieder (12). -
‚Keller C., Dr., Professor der Zoologie an der Technischen Hochschule
in Zürich (seit 13. Dezember 1880).
Rauch C. A., Privatier, in Luzern, Villa Montana (seit 29. Sept. 1883).
Müller-Thurgau, Prof. Dr., Direktor der Weinbau-Versuchsstation in
Wädenswil (seit 1. Oktober 1888).
Zimmermann Traugott, Privatier, in Heiden (seit 1. Oktober 1388).
Grubenmann, Dr., Professor an der Technischen Hochschule und an
der Universität in Zürich (seit 27. September 1893).
oe
Früh J., Dr., Professor der Geographie an der Technischen Hochschule
in Zürich (seit 29. Oktober 1904).
Schwyzer-Reber F., in Zürich (seit 21. Oktober 1908).
Engeli J., alt Sekundarlehrer, in Ermatingen (seit 26. Oktober 1912).
Heß Cl., Dr., Professor in Frauenfeld (seit 16 Mai 1914).
Graf F., alt Sekundarlehrer, Weinfelden (seit 16. Mai 1914).
Bächler E., Dr., Konservator, St.Gallen (seit 23. Oktober 1916).
Schmid A., Kantonschemiker in Frauenfeld (seit 20. Oktober 1917).
Ordentliche Mitglieder (123).
: Eintritt
Aebli-Iselin, Fabrikant, Sirnach . 2 \ ß Ä 5 1916
Ammann J., Sekundarlehrer, Erlen . 5 ; ER 1915
Ammann, Oberstlieutenant, Frauenfeld : ; i ß 1372
Ammann, Tierarzt, Frauenfeld . : z : ; 1908
Ammann W., Ermatineen ; : & : ; ; 1911
Bach, Sekundarlehrer, Romanshorn : ; : ; i 1915
Bach, Inspektor, Kefikon ; ; : : ; : 1911
Bachmann E., Seminarlehrer, Kreuzlingen . ; ; - 1902
Bauer E., Dr. med., Sirnach ä E - : - 1915
Bäumlin 1 Dr. med, Altnau °. : , 1902
Baldin, Lebensmittelinspektor, Frauenfeld . : : £ 1909
Baur A., Dr., Chemiker, Steckborn . : ; : 1885
6, Zahnarzt, Frauenfeld B 3 i 3 1905
Binswanger, Dr. med., Kreuzlingen . ; i ; : 1912°
Brauchli Robert, zum „Ziegelhof“, Berg . ; i 1908
Brenner W., Architekt, Frauenfeld . . : : Snhce)7
Brodtbeck, Zahnarzt, Frauenfeld 1392
Brunner, Dr. med., Direktor des Kantonsspitals Münsterlingen 1596
Brunner Se, Dr. med, Direktor des Asyls St. Katharinenthal 1912
Brunnschweiler B., Artillerie- Oberlieutenant, Hauptwil . 1912
Dannacher S, Prof. Dr., Frauenfeld . : 5 i 5 1905
Debrunner, Dr. med., Frauenfeld : : £ : £ 1912
Debrunner, Telegraphenchef, Frauenfeld . : ; & 1599
Deppe, Stadtgeometer, Frauenfeld ; : : F 1913
Despres A., Frauenfeld | - ; : 1594
Eberli, Dr. "phil, Seminarlehrer, Kreuzlingen z ; : 1394
Eeloft, Dr. med., Kreuzlingen . 3 F 5 : 1903
Eiter P., Forstmeister, Steckborn 5 ; : 1900
Fehr wi Oberst, Karthause- -Ittingen bei Frauenfeld . ; 1886
Fischer Ir, Sekundarlehrer, Bischofszel . ; 5 ö 1905
Fischer, Forstmeister, Romanshorn . : es 5 1908
Frölich, Geometer, Steckborn \ \ : ä ; : 1908
Furrer L. P., Zahnarzt, Romanshorn . : E : ? 1394
Gamma A., Granitgeschäft, Gurtnellen 3 : : 2 1917
Gebhart T, prakt, Arzt, Piyn = ; ö : 1895
Geiger E., "Sekundarlehrer, Lenzberg- -Warth 5 ; . 1916
v. Greyerz JE, Die: Professor, Frauenfeld . : ; : 191£
Gsell J., Dr., Bezirkstierarzt, Romanshorn . ae \ 1901
Gubler, Bezirkstierarzt, Frauenfeld . : : i i 1908
Be
Guhl, Dr. med., Steckborn
Haffter, Apotheker, Weinfelden .
Hanhart, Bezirksstatthalter, Steckborn
Hanselmann, Sekundarlehrer, Aadorf .
Huber, Notar, Erlen
Huber, Sekundarlehrer, Wattwil .
; Hugelshofer 1, Sekundarlehrer, Steckborn
Hugentobler ne Sekundarlehrer, Ermatingen
Joß, Pfarrer, Koppigen (Bern)
Iselin-Lang, Fabrikant, Sirnach .
Isler, Dr. med., Frauenfeld .
Kappeler-Ammann, Frauenfeld
Kappeler-Leumann, Frauenfeld
Kappeler Otto, Kaufmann, Frauenfeld :
Kelle®Bösch A., Neuhausen am Rheinfall .
Keller, Eisenhändler, Frauenfeld
Keller Jakob, Professor, Frauenfeld .
Kesselring, Oberst, Bachtobel bei Weinfelden
Kim K., Bahnmeister, Lichtensteig
Kreis E., Seminarlehrer, Kreuzlingen ;
Küng K Dr; Professor an der Kantonsschule in Solothurn
Labhardt, Dr., Chemiker, Basel, Missionsstraße 53
Leisi, Prof. Dr., Frauenfeld .
Leumann, Dr., Rektor, Frauenfeld
Leutenegger, Dr., Seminarlehrer, Kreuzlingen
Leuthold, Hotel Bahnhof, Frauenfeld .
List A., Sekundarlehrer, Birwinken
Luder-Wiesmann, Bernrain..
Löhle, Lehrer, Müllheim
- Lüthi, Bezirksarzt, Bürglen ..
Meier, Dekan, Frauenfeld
Meier Emil, Dr., Ermatingen
Meier, Sekundarlehrer, Dußnang .
Meyer O., Architekt, Frauenfeld.
Michel, Pfarrer, Märstetten .
Mötteli, Frl. Olga, Frauenfeld E
Nägeli, Dr. med., Bezirksarzt, Ermatingen .
‚Nägeli, Dr. med., Professor, Tübingen
Oehninger, Zahnarzt, Frauenfeld.
Oettli Max, Dr., Glarisege- -Steckborn .
Osterwalder, Dr. A., Weinbau-Versuchsstation, Wädenswil .
Osterwalder E., Sekundarlehrer, Bischofszell
. Osterwalder K. Ingenieur, Frauenfeld
Pfister-Bühler, Sekundarlehrer, Sirnach
Pischl C., Apotheker, Steckborn .
Pritzker, Dr., Chemiker, Frauenfeld
Reese, Dr. med., Bellevue, Kreuzlingen
Ribi, Sekundarlehrer, Amriswil
Rüeger, Apotheker, Bischofszell .
Eintritt
1573
1573
1908
1915
1892
1911
1915
1915
1911
1916
1890
1902
1908
1894
1916
1886
1915
1888
1915
1900
1906
1584
1906
1911
1901
1907
1915
1908
1900
1906 _
1915
1904
1885
1908
1896
1917
1584
1591
1585
1904
1898
1892
1894
1916
1899
1911
1915
1904
1916
N — 158 eH
‚Schellenberg E., Fabrikant, Bürglen
Scherb A., prakt. Arzt, Bischofszell
Schilt, Apotheker, Frauenfeld
Schiltknecht, Dr. med., Weinfelden
Schiltknecht E., stud. techn., Eschlikon
Schirmer A., Dr., Eschenz .
Schmidle, Prof. Dr., Direktor d. höhern Bürgerschule, Konstanz
Schüepp, Professor, Frauenfeld ?
Schümperli J., Ingenieur, Frauenfeld .
Schuster, Seminardirektor, Kreuzlingen
Schweizer, Sekundarlehrer, Romanshorn
Sprenger, 'Dr., Chemiker, Zürich . ;
Sprenger J., Junior, Stickfabrikant, Sirnach.
Spühler, Dr. med., Frauenfeld 2
Steinhäuser, Fabrikant, Frauenfeld
Tanner Hs., Dr., Professor, Frauenfeld :
Tanner Hch., Dr., Konviktführer, Frauenfeld
Ullmann, Dr. med., Nationalrat, Mammern .
Vogler Otto, Dr. med., Frauenfeld
Wagner, Sekundarlehrer, Alterswilen .
Walder, Dr. med., Feldmeilen
Wälli- Sulzberger, "Direktor, Lenzburg .
‘Weber, Kulturingenieur, Frauenfeld
Weber R., Lehrer, Bußwil . ;
Wesgeli U, Dr., Chemiker, Dießenhofen
Wegelin H., Professor, Frauenfeld
Wehrli J., Gemeindeammann, Eschlikon
'Wehrli Th,, Sekundarlehrer, Müllheim
Wild L., Straßeninspektor, Frauenfeld
. Wildbolz, Dr. med., Amriswil ;
Wille, Dr., Direktor, Münsterlingen
Zeller, Apotheker, Romanshorn . 5
Ziegler O., Sekundarlehrer, Eschlikon
Zuberbühler, Sekundarlehrer, Sulgen .
Zweifel-Iselin, Fabrikant, Sirnach
Eintritt
1908
1901
1882
1891
1917
1915
1911
1883
ILShLZ,
1908
1886
SRELS
1917
1912
1908
1916
1909
1906
1896
1885
1908
1908
1908
1916 _
1916
1874
1916
1914
1916
1901
1912,
1894
1915
1915
1915
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