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Full text of "Mitteilungen des Deutschen archäologischen Instituts, athenische Abteilung"

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MITTHEILUNGEN 

DES KAISERLICH DEUTSCHEN 

ARCHAIOLOGISCHEN INSTITUTS 



ATHENISCHE ABTHEILUNG — -' 



BAND XVn 
1892 

MIT ZWOELr TAFBLK 




ATHEN 

VBBIiAO VON KAEL WILBEE» 

1892 



Atli«D.~ Druck Ton OKBRUBDER PKRRIS.— UniveiviUetf - Strasse, 51. 



INHALT. 



Seil* 

R. BuRESCH, Die sibyllinische Quellgrotte in Erjthrae. . 16 

W. DoERPFELD, Der ältere Parthenon (Tafel VIII. IX) . 158 

» » Die verschiedenen Odeien in Athen . . 252 

i> y> Die Ausgrabungen an der Enneakrunos 439 

St. N. APArOYMHS, Ilepl Ikt^Qm xal ttj; h 'AOrivat; iva- 

xaX'j^Beienr,; 147 

B. Graef, Grabdenkmal aus Bithynien (Tafel V) . . . 80 
F. Hiller von Gaertringen, Moderne und antike Ortsna- 
men auf Rhodos 307 

E. Ralinra, Eine boiotische Alphabetvase (Tafel VI). . lOl 

0. Kern, Des Kuhbild der Göttinnen von Eleusis. . . 125 

)> j> Heroenopfer aus Magnesia am Maiandros . . 277 

P. Kretschmer, Griechische Inschriften aus Balanaia. . 87 

R. LoEPER, Die Trittyen und Demen Attikas (Tafel XII) 319 

M. Mayer, Die Musen des Praxiteles 261 

» » Amphiktyon im Kerameikos 265.446 

» » Nachträge 446 

Th. Mommsen, Fragment des diocletianischen Edicts aus 

Gythion 156 

E. Pernice, Geometrische Vase aus Athen (Tafel X). . 205 

» » Grabmäler aus Athen 271 

T> » Über die Schiffsbilder auf den Dipylonvasen 285 

B. Sauer, Altnaxische Marmorkunst (Tafel VII) ... 37 

M. TSAKYPOrAOYS, Maiovwtal 67rtypa9aiav6)tSoTOt. ... 198 

J. Wacrernagel, Inschrift von Teos 143 

A. Wilhelm, Zu griechischen Inschriften 190 

P. Wolters, Darstellungen des Asklepios (Tafel II- IV) 1 

» » Inschriften aus Perinthos 201 

» » Lekythen aus Athen (Tafel I) 434 



fV INHALT 

J. Ziehen, Über die Lage des Asklepiosheiligtums von 

Trikka 195 

» » Studien zu den Asklepiosreliefs (Tafel XI) . 229 

Litteratur 89.203.278.448 

Funde 90.281.449 

Sitzungsprotokolle 100.451 

Ernennungen 204 



DARSTELLUNGEN DES ASKLEPIOS 
(Hierzu Tafel II- IV) 

Die Asklepiosstatuette , welche auf Taf. 2 wiedergegeben 
ist, wurde im Jahre 1886 in Epidauros zusammen mit etwa 
30 anderen Statuen und Statuetten in dem nördlich vom 
Asklepiostempel gelegenen Gebäude entdeckt und befindet 
sich jetzt, wie diese übrigen Funde, im hiesigen National- 
museum*. Sie ist 63*''" hoch und zeichnet sich vor den übri- 
gen gleichzeitig gefundenen Statuetten durch frische, gewandte 
und lebendige Arbeil aus, ist dagegen sehr viel flüchtiger 
und, man könnte sagen, skizzenhafter gehalten als diese. Eine 
genauere Datirung des Werkes lässt sich nicht leicht geben; 
wenn Kavvadias es in gute römische Zeit setzt, so wird man 
in dem damit bezeichneten Zeitraum gerne möglichst hoch 
hinauf gehen, ja mir scheint selbst eine noch frühere Ent- 
stehung nicht ausgeschlossen. Der Künstler, der diese äusser- 
lich sehr anspruchslose Statuette verfertigte, war nicht der 
Schöpfer des Typus, das leuchtet auf den ersten Blick ein : 
die Trefflichkeit der Erfindung steht in zu starkem Gegensatz 
zu der Flüchtigkeit der Arbeit: aber dabei ist dieselbe doch 
so gewandt und sicher, dass wir annehmen dürfen, den Ein- 
druck des Vorbildes unverfälscht, wenn auch etwas herabge- 
mindert zu empfangen. Fremde Züge hat der Künstler in diese 
anspruchslose Arbeit sicher nicht hineingetragen , und so 
scheint eine in ihrer Gesamtheit so gut erhaltene Darstellung 
des Asklepios wol einiger Aufmerksamkeit wert. 



• Vgl. 'E9T)[j.6pU apxaioXoyixT) 1886 S 243 (Stais). Kavvadias, KaTiXoYO«To0 
iövixoü apxaioXoyixoO fjLouwiou S. 215, 266. Einsicht von letzlerem, im Drnck 
beGndlichen, Werke zu nehmen gestattete mir die Freundlichkeit des Ver* 
fassers. 

ATHEN. MITTHBILUNOBN XVU. 1 



2 ÖAkSTELLÜNÖEN DfiS ASKLEflÖS 

Der Gott ist wie üblich als älterer Mann dargestellt ^ be- 
kleidet nur mit dem faltigen Mantel, welcher den kräfti- 
gen Oberkörper zum Teil unbedeckt lässt; ob er auch San- 
dalen trägt (deren Riemen gemalt gewesen sein könnten), ist 
nicht sicher zu sehen. Er steht aufrecht da, indem er sich 
mit der linken Achsel auf seinen langen, von der gewöhn- 
lichen Schlange umwundenen Stab stützt^; um den Druck zu 
mildern, ist das Gewand zwischen Stab und Achsel in dichten 
Falten zusammengeschoben und wird so seinerseits festgehal- 
ten. Die Last des Körpers ruht besonders auf dem rechten 
Bein, der linke Fuss berührt nur mit der Spitze den Boden. 
Die rechte Hand ist auf die stark ausgebogene Hüfte aufge- 
stützt. Entsprechend der lebhaften Bewegung des ganzen 
Körpers ist auch der Blick nicht einfach geradeaus gerichtet, 
vielmehr ist der Kopf etwas zurückgeworfen und nach seiner 
linken Seite gedreht. So scheint der Blick ohne bestimmtes 
Ziel aufwärts, in die Weite zu schweifen, und wir erhalten 
dadurch in Verbindung mit der lebhaften Bewegung unmit- 
telbar den Eindruck einer starken inneren Erregung, eines 
gewissen Leidens, welches den Gott beherrscht. Es ist keine 
reine olympische Ruhe, in welcher er vor uns steht: ihn selbst 
bedrängen, so könnte man sich etwa ausdrücken, die Leiden 
der Menschen, welche zu lindern sein Beruf ist. Man mag die 
Frage aufwerfen, ob in diesem Mitleiden das Wesen des Askle- 
pios allseitig zum Ausdruck gebracht ist\ sicherlich konnte 
die milde, teilnehmende Menschenfreundlichkeit des Gottes 
kaum stärker hervorgehoben werden, und die wirkungsvolle 
Schöpfung ist nicht ohne Einfluss geblieben. 

Zunächst haben sich in Epidauros gleichzeitig mit der ge- 



^ Über Asklepios im aligemeinen ma^ man die Zusammenslclluiigon von 
Thrämer (Rosebers Lexikon der Mythologie I S. (j'S'^ tf.) und Löwe {/)j 
Aesculapi figura, Strassburg 1887) vergleichen. 

> Wenn dieser Slab sichtbar nur bis zur linken Hand geht, oberhalb der- 
^Iben aber nicht erscheint, so ist dies auf die Fiüchligkeii des Kopisten zu 
schieben. 

3 Vgl. Wilamowitz, Isyllos 8. 95. 



daRstbllunGen des asklefios 3 

nannten fünf Wiederholungen gefunden, die zwar als freie und 
wenig bedeutende Kopien zur künstlerischen Würdigung des 
Original Werkes nichts helfen, aber schon zur Beurteilung der 
genannten Statuette eine kurze Durcliniusterung verlangen. 
Dieselben befinden sich jetzt alle im hiesigen Xationalmuseum 
und sind von Kawadias in seinem angeführten Katalog S. 213 
IT. besprochen; ich führe sie mit den Nummern an, welche 
sie dort tragen. 

^Ql. Nachstehend unter 1 abgebildet, Sä" hoch, pente- 




lischep Marmor. Im Wesentlichen stimmt die Statuette mit der 
besprochenen, nur ist der Mantel etwas über die linke Schul- 
ter emporgezogen. Die Tracht wird dadurch alltäglicher, und 
etwas Schwungloses. Banausisches haftet überhaupt der Sta- 
tuette an. die sehr geeignet ist, die Vortrefflichkeit der Replik, 
von der wir ausgingen, in helles Licht zu setzen. Mit Ihr 
stimmt überein 

268, ein nur 26™ hohes Figürchen aus pentelischem Mar- 
mor. Der Kopf und der rechte Arm fehlen, die Oberfläche 
des Erhaltenen ist^'sehr übel zugerichtet. 

265, Nachstehend unter 2 abgebildet, 54'" hoch, pente- 
lischer Marmor. Gegenüber den genannten erlaubt sich äus- 
serlich diese Kopie nur eine geringe Abweichung im Gewand, 



DARSTELLUNäeX DES ASKLEPlOS 



welches etwas weiter herauf und über die linke Schulter ge- 
zogen ist, der Geist des Vorbildes ist aber völlig \ernichlet. 
An Stelle der starken Bewegung \olI Schwung und Ausdruck 
ist eine erschreckende Steifheit getreten, welche durch den 
starr geradeaus gerichteten Blick ebenso bedingt ist wie durch 




die aufrechte Haltung, die mit dem Motiv des Aufstiitzens 
nicht recht harmonirt. 

263. Pentelischer Marmor, 1,70'" hoch, und wie an Grösse 
80 auch an Sorgfalt der allerdings sehr trockenen und halten 
Arbeit die Statuetten überragend. Die Anordnung des Matilels 
entspricht im VVesenllicIien der letztgenannten Figur, dagegen 
ist die KÖrperlialtung noch mehr geändert. Der Gott steht 
fast gleichmässig auf beiden Füssen, der Stab ist zwar noüh 
wie eine Stütze unter die Achsel gesetzt, aber die Haltung 
wäre auch ohne sie möglich. Die Rechte, welche bei dem Ori- 
ginal energisch in die Seite gestemmt war, rutit hier fast lahm 
auf dem Schenkel auf, kurz die ganze Figur ist ruhiger aber 



DABBTELLUNGEN DES ASKLEPIOS 5 

auch lebloser geworden, das Pathos ist verschwunden, ohne 
dass dafür irgend ein Ersatz geschaffen w^äre. 

264. Noch eine Staffel weiter abwärts führt uns die 'Ecpy;- 
(xepi; ipx- 1886 Taf. 11 abgebildete und S. 246 von StaTs 
besprochene, 63"" hohe Statuette* aus pentelischem Mar- 
mor, nach der Inschrift an der Basis das Weihgeschenk eines 
Priesters Plutarchos im 185. Jahr einer nicht näher bezeichne- 
ten Aera dargebracht. Je nachdem wir nun die von Actiura 
oder die des Hadrian zu Grunde legen (Kästner, De aeris 
quae ab imperio Caesar is Octaviani constituto initium du- 
xerint S. 76) kommen wir entweder in die Mitte des zweiten 
oder den Anfang des vierten Jahrhunderts n. Gh., und man 
könnte für letzteren Ansatz anführen, dass um 150 n. Gh. 
schon die hadrianische Aera in Gebrauch war, eine Bestim- 
mung nach der actischen also damals nicht eben nahe lag; 
aber neuere Funde scheinen dafür zu sprechen, dass in Epi- 
dauros noch andere, lokale Zeitrechnungen üblich waren, so 
dass ein sicherer Ansatz nicht zu gewinnen ist. Mir scheint 
allerdings der Anfang des vierten Jahrhunderts n. Gh. immer 
noch der wahrscheinlichste Zeitpunkt für die Entstehung 
unserer Statuette zu sein, und so wird dieses steife, unge- 
schickte Werk für uns ein Beweis der Langlebigkeit des Ty- 
pus, allerdings auch der Entartung desselben. 

Diese Durchmusterung einer ganzen Reihe von Wiederho- 
lungen, die demselhen Fundorte entstammen, giebt uns die 
Sicherheit, dass die Statuette, von welcher wir ausgegangen 
sind, wirklich den Gharakter der ursprünglichen Erfindung 
verhältnissmässig treu, von den aufgezählten fraglos am treue- 
sten gewahrt hat, dass wir sie also zum Ausgangspunkte wei- 
terer Untersuchung wol machen dürfen , um so mehr als 
ihre schlichte Anspruchslosigkeit es höchst unwahrscheinlich 
macht, dass ihr Verfertiger irgend etwas Neues, Eigenes in 
das fremde Werk hineingetragen habe. Andererseits berechtigt 
die grosse Beliebtheit welcher sich der Typus offenbar er- 



' Vjjl. Löwe, De Aesculapi pgura S. 33. 



6 DARSTELLUNGEN DES ASKLEPIOS 

freute, zu der Erwartung, dass sich auch an anderen Orten 
Kopien finden werden ; ich muss notgedrungen auf den Ver- 
such verzichten, dieselben auch nur einigermassen vollzählig 
aufzuführen^ und möchte nur zwei Wiederholungen etwas 
genauer besprechen, die durch ihre Vortrefflichkeit hoch über 
unserer Statuette stehen, und unsere Vorstellung von dem zu 
Grunde liegenden Werke erst mit wahrem Leben erfüllen, 
andererseits ihrer Unvollständigkeit halber erst durch den 
Vergleich mit jener ganz verständlich werden, ich meine den 
jetzt im Brittischen Museum befindlichen Kolossalkopf aus 
Melos und einen noch nicht veröffentlichten Torso aus dem 
Piräus. 

Aber vorher muss ich wenigstens kurz auf eine Statue hin- 
weisen, welche eine ziemlich genaue Wiederholung unseres 
Typus zu sein scheint und dabei vor den epidaurischen Sta- 
tuetten den Vorzug der Lebensgrösse voraus hat. Dieselbe be- 
findet sich an der Vorderseite des Casino der Villa Panlili in 
Rom, i^t von Clarac IV Taf. 551, 1 160 C abgebildet und von 
Matz, Antike Bildwerke in Rom I S. 14,55 aufgeführt wor- 
den. Eine Photographie und genauere Angaben über den Zu- 
stand der Figur verdanke ich der Freundlichkeit Petersen's; 
darnach ist an der Übereinstimmung im Wesentlichen nicht 
zu zweifeln, wenn aber nur Hände und Vorderarme, nicht 
auch der hässlich und ungeschickt angedrückte rechte Ober- 
arm als ergänzt genannt werden, so muss sich in diesem 
Punkt der Kopist eine Freiheit erlaubt haben. Auch im Ge- 
wand scheint er etwas von seinem Vorbild abgewichen zu 
sein, indem er den Überschlag des Mantels, der so läuft, dass 
sein Saum von der rechten Hüfte zum linken Knie zieht, fort- 
gelassen und das Gewand selbst unten etwas verkürzt hat. 



* Erwähnen will ich nur, dass in diese Reihe das Köpfchen Kekule, The- 
seion Nr. 87. öybel, Öculpluren Nr. 710 jrehörl. das Kavvadias in seinem 
Kalaiüg (Ö. 275, 4b5) richli^' für Askh'pius erkl/irl. Auch ein Kopf in 
Berlin (Conze, Verzeichniss Nr. 291) wird durch die Übereinstimmung; mil 
unserem Typus als Asklepios erwiesen; vgl. dorl auch Nr. 68. Üütschke, 
Oberitalien V S. 73,200. 



DARSTELLUNGEN DES ASKLEPIOS 7 

Die Au«ftihrung ist, wenn auch in Nebensachen wie Schuh- 
werk und Schlangensehuppen nicht ohne Fleiss,doch mittel- 
mässig und , soweit die Photographie ein Urteil gestattet, 
durchaus ohne die originale Frische, welche die bereits er- 
wähnten beiden Werke auszeichnet, denen ich mich jetzt zu- 
wende. 

Der ehemals beim Herzog von Blacas, jetzt im Brittischen 
Museum befindliche kolossale Marmorkopf* ist 1828 auf Me- 
los gefunden worden ; einen Bericht über den Fund gab im 
Jahre davaut {Annali 1829 S. 341) Ch. Lenormant. In einer 
Grotte wäre demnach dieser Kopf gefunden worden zusammen 
mit einer runden Basis, welche die Inschrift 'A(TxXYi7riö xal 
Tyeta 6 Upeix; K).a'jSto; TaX^etvÄ; - trug, zahlreichen Fragmen- 
ten von sieben oder acht Hygieiastatuetten und einigen Votiv- 
reliefs, von denen eines neben der Darstellung eines mensch- 
lichen Beines die Inschrift^ 'AgscXiottiö xat Tysia Ti-^r, euj^a- 
pidTTopiov zeigt. Obwol nun die Grotte, nach Lenormant's Still- 
schweigen zu schliessen, keine architektonische Ausgestaltung 
zeigte, und unterirdische Heiligtümer sonst für Asklepios 
durchaus nicht bezeugt sind, nimmt er sie doch als Kapelle 
des Asklepios in Anspruch und folgert aus der erstgenannten 
Inschrift weiter, dass dieselbe von Klaudios Gallinas einge- 
richtet worden sei. Aber das bezeugt die Inschrift durchaus 
nicht, um so weniger als die ' Basis', wie sich aus der Ab- 
bildung in der Expedition de More'e ergiebt, innen aus- 
gehöhlt war, also vielleicht einem praktischen Zwecke diente, 
jedenfalls ein Weihgeschenk für sich war; eine Weihinschrift 
für ein ganzes Heiligtum hätte auf einem Teil der Architektur 
angebracht werden müssen und hätte schwerlich die Thatsache 

* Vgl. Berliner Gipsabgüsse S. 463,1283. Den dort genannten Abbildun- 
gen ist noch Baumeister, Denkmäler I S. 138. Röscher, Lexikon I S. 637 
hinzuzufügen. 

2 So die oflenl»ar genaueste Abschrift Expedition de Morde HI Taf. 29, 4, 
vgl. S. (47). 2. LeBas, fnscriptions recueillies en Grece V S. 209; das C. /. G. 
II 2428 folgt Lenormant. 

3 Expedition de Morde III Taf. 29, 2, S. (47). 4. LeBas a. a. O. V S. 208. 
0, I. G. II 2429. Newton, fnscriptions II S. 141, 365. 



8 DARSTELLUNGEN DES ASKLEPIOS 

der Gesamtstiftung verschwiegen. Die Annahme eines Heilig- 
tums an der Fundstelle schwebt also völlis; in der Luft und 
es ist nun auch weiter nicht wunderbar, dass von den vier 
Teilen, aus welchen der Kopf zusammen^estückt war, nur 
drei aufgefunden sind, wie auch die ganze kolossale Statue, 
von welcher er abgebrochen ist, fehlt. Den Gedanken, als 
hätte Gallinas seine ärmliche Stiftung mit einem abgebro- 
chenen Statuenkopf beliebiger Herkunft geschmückt, werden 
wir um so lieber fallen lassen, als der Kopf unten Bruch- 
fläche zeigt, und die innen ausgehöhlte * Basis' keineswegs 
geeignet war, ihm als Untersat/, zu dienen: die Aushöhlung 
hat nach der Abbildung einen Durchmesser von mindestens 
40*", während der Hals des Kopfes nur etwa 50 misst. Die 
Anstückungen des Kopfes als Zeichen späterer Ausflickung 
zu betrachten, wird heute Niemand mehr geneigt sein. Es 
bleibt also für uns nur die Thatsache bestehen , dass der 
fragliche Kopf unter Resten gefunden wurde, die aus einem 
Asklepiosheiligtum stammen S und also von vorn herein wol 
Anspruch machen darf, als Asklepios zu gelten, wie dies auch 
Lenormant annahm. 

Gegen diese Deutung hat sich Overbeck gewendet ( Kunst- 
mythologie 11 S. 88) und statt ihrer die auf Zeus befürwor- 
tet. Seine Auffassung der Fundumstände, die aus der von 
Lenormant vorgetragenen weiterentwickelt ist und seiner neuen 
Benennung den Weg ebnen soll , ist im Vorstehenden schon 
berücksichtigt, auf die weitere Begründung seiner Ansicht, 
der sich Muvvdiy {History of Greek sculptiire II S. 130) und 
Collignon (bei Rayet, Monuments I Taf. 42) angeschlossen 
haben, gehe ich hier nicht genauer ein^, da uns jetzt die epi- 



' Wie diese Trümmer in die Grolle ^'claiigl sind, ist nalürlicli niclil zu 
erraten. Ein Fall, ahnlich wie die von I.eBlant. MHanges d'arck^ologie X ö. 
389 besprochenen, schcinl nicht vorzuliegen. 

^ Der Kranz, der wie Overbeck auch mir früher für Asklepios aullallig 
schien, ist es in Wahrheil nicht; vgl. 'E^THJLipl; ap/^. 1890 S. 140 ( Kern). 
Löwe, De Aesculapi figura S. 29. 58, wo auch auf Grund einer Beobachtung 
von Michaelis die Deutung des roelischen Kopfes auf Asklepios vertreten 



DARSTELLUNGEN DES ASKLEPIOS 9 

daurische Statuette ermöglicht die Frage auf kürzerem Wege, 
und wie mir scheint sicher zu lösen. 

Auf Taf. 3 sind neben einander der Kopf der epidaurischen 
Statuette (1) fast in natürlicher Grösse und der Kopf aus Me- 
los (?) in starker Verkleinerung abgebildet ; letzterem ist da- 
bei dieselbe Haltung gegeben, wie sie ersterer zeigt. Die völ- 
lige Übereinstimmung, soweit eine solche überhaupt zwischen 
einer kleinen flüchtigen und einer kolossalen sorgfältigen 
Replik erwartet werden darf, ist so gross, dass es mir ohne 
weiteres einleuchtend erscheint, dass wir hier zwei Wieder- 
holungen desselben Werkes vor uns haben. Es kommt hinzu, 
dass nur bei dieser Aufstellung sich die Haltung des melischen 
Kopfes ungezwungen erklärt, die bei jeder anderen gewaltsam 
und unbegreiflich bleibt. Wir haben also das melische Frag- 
ment nach Massgabe der epidaurischen Statuette zu ergänzen 
und zu erklären, und damit ist seine Bedeutung als Asklepios 
gegen alle Zweifel gesichert. Gesichert ist zugleich die Treue 
der Kopie, von der es stammt — wenn es eine Kopie und 
nicht etwa das Original ist* — .da sie mit der keinenfalls 
selbständig neuernden epidaurischen Statuette so genau über- 
einstimmt; das melische Fragment ist also ein sicherer Aus- 
gangspunkt zur Datirung des ursprünglichen Werkes. Und in 
dieser sind, so viel ich sehe, alle Besprechungen einig; auch 
wenn sie die obere oder die untere Zeitf^renze mehr betonen 2, 
einigen sie sich alle auf das vierte Jahrhundert v. Gh. Dass 



ist. An dieser lelzleren hallen im Wrsenlliclien fest Brunn (Kurzes Ver- 
zeichniss des Museums von Gypsabgüssen in München Nr. 426) Kekulö 
(Das akademische Kunstmuseum zu Bonn Nr. 281) Michaelis (Abgüsse 
griechischer und römischer Bildwerke Nr. 71 1 ). Waldstein (Catalogue of 
casts Nr. 488). Robert (Preller's Griechische Mythologie I 8. 158,1) denkt 
an Zeü? 'AaxXTjjiid?, Thrämer (Roscber's Lexikon I S. 637) entscheidet sich 
nach keiner Seile. 

< Auf diese Frage gehe ich absichtlich nicht ein: sie würde sich mit 
Aussicht auf Lösung nur voi dem Marmor selbst aufwerfen lassen. 

^ Overbeck S. 89 nennt als unterste Grenze das dritte Jahrhundert; der 
Zusammenbang zeigt, dass er damit die äusserste überhaupt denkbare be« 
zeichnen will. 



iO DARSTELLUNGEN DES ASKLEPIOS 

dieser Ansatz nicht zu hoch hinauf geht zeigen zunächst ei- 
nige Reliefs aus dem altischen Asklepieion ^ welche Asklepiofi 
nach unserem Typus, wenn auch nicht in strengstem Anschluss 
an denselben darstellen und ihrerseits mit Sicherheit dem 
vierten Jahrhundert zugeschrieben werden können, und wei- 
terhin bestätigt denselben der Vergleich mit dem auf Taf. 4 
abgebildeten Torso aus dem Piräus, oder wie man genauer 
sagen müsste, aus Munichia. 

Derselbe ist 1888 am südwestlichen Abhang des Muni- 
chiahügels entdeckt worden und befindet sich jetzt im hiesi- 
gen Nationalmuseum (Nr. 258). Seine Auffindung gab Anlass 
zu einer Untersuchung des ganzen Gebietes, über welche im 
AsXtiov 1888 S. 132 ff. berichtet ist; die Funde zwingen uns 
mit Dragatsis ( 'E(p7)(;.£pU ifi- ^884 S. 219. 1885 S. 90) hier 
ein Asklepiosheiligtum ^ anzunehmen, von welchem uns in 
einer Inschrift der /rxiaviTTal toO Mojvtyto'j 'A^^c^yittioO [Bulle^ 
tin de corr, hell, XIV S. 649) sogar der officielle Name er- 
halten ist. Eine Darstellung des Mouvij^to; 'A^t^cXyitio^ haben 
wir also in unserem Torso vor uns. 

Der Torso ist etwa T" hoch. Die Statue, von welcher er 
stammt, war aus mehreren Stücken zusammengesetzt; die 
eine Ansatzfläche, die an der linken Seite des Gottes, wird 
in der Abbildung sichtbar, in ihrer Mitte ist der Rest eines 
metallenen Dübels erhalten. In die linke Schulter ist, offen- 
bar auch zum Zwecke der Anstückung, eine rundliche Ver- 
tiefung eingearbeitet, nicht sehr sorgfältig, wie überhaupt die 
Anschlussflächen nicht eben sauber hergerichtet sind. Auch 
der rechte Arm war ana;estückt, wie die Schnittfläche zei<i;t. 



• Sybel Nr. 3993=Duhn (Arcli. Zeitung 1877 S. 1^5) Nr. H. Sjbel Nr. 
4009 = Duhn Nr. 15. Das Relief Syhel Nr. 3996=Duhii Nr. 14 (Alhen. 
MiUheilungen II Taf. 18. Girard, L'AscUpieion Taf. '2) ist verwand!, wcmcIu 
aber ausser anderem besonders darin ab. dass der Goll nicht den Blick 
nach oben richtet. 

^ Eine Aufnahme der erballenen Baurcsle ist noch nicht verön'entlichl ; es 
ist, wie mir Herr Dragatsis freundlichst an Ort und Stelle nachwies noch 
der ganze Umfang des Feribolos festzustellen, in dessen Mitte das Funda- 
ment des Tempels zu liegen scheint. 



DARSTELLUNGEN DES ASKLEPI08 ii 

und endlich ruht der ganze Torso auf einer bei richtiger Auf- 
stellung nicht horizontalen Anschlussfläche auf; in der Mitte 
derselben zeigt sich ein quadratisches, etwa 8"" messendes 7*^" 
tiefes Dübelloch. Die Augen waren besonders eingesetzt. 

Es scheint mir kaum mösrlich. diesen Torso anders zu er- 
ganzen als nach Massgabe derauf Taf. '2 abgebildeten epidau- 
rischen Statuette. Die Fugen der verschiedenen Teile sind 
dann, wie dies meist geschehen zu sein scheint, so gelegt, 
dass sie ungefähr' mit der Grenze des Gewandes zusammen- 
fallen. Schon daraus müssten wir schliessen, dass die Anord- 
nung des Gewandes ein wenig abweichend war, indem es 
(ähnlich wie bei den Statuetten oben S. 3) auch die linke 
Schulter bedeckte, und es hat sicli hier auch in der That 
noch ein Faltenrest erhalten, welcher die Richtigkeit dieser 
Annahme beweist. 

Noch ist ein Wort zu sagen über die verschiedenen kleineren 
Fragmente, welche gleichzeitig gefunden wurden und AsT^tiov 
1888 S. 133, Nr. 4-10 als zui'ehörii' aufs;ezählt werden. Von 
diesen ist Nr. 10 dem Torso wieder angefügt, die übrigen 
Stücke ausser Nr. 5. welches im Piräus verblieben ist, eben- 
falls in das Nationalmuseum gebracht worden. Die Zugehö- 
rigkeit von Nr. 5 ist möglich ; der Vergleich der panfilischen 
Statue (oben S. 6) spricht sogar dafür. Von den übrigen er- 
scheint Nr. 4 in der That zui^ehöriiij, lehrt uns aber nichts 
weiteres, vor allem in Folge der sehr oberflächlichen Bear- 
beitung der Rückseite. Die drei Stücke ^-8 ergeben zusam- 
mengesetzt eine herabhängende rechte Hand mit Resten der 
Schlange, die sich weder der ermittelten Composition einfü- 
gen lässt, noch auch in Marmor und Arbeit genügende Über- 
einstimmung zeigt. Dasselbe gilt von den unter Nr. 9 genann- 
ten Fragmenten, so dass wir also auf den Torso, wie er auf 
Taf. 4 wiedergegeben ist, allein angewiesen bleiben. 

Eine grosse Verwandtschaft mit dem melischen Kopfe zeigt 



^ Eine genaue Einhaltung der Grenze ist öfters, auch wo sie leicht zu er- 
zielen gewesen wäre, nicht angestrebt, z. B. oben XV S, 188. 



12 DARSTELLUNGEN DES ASKLEPIOS 

ßich auf den ersten Blick, aber zugleich machen sich auch 
Unterschiede fühlbar, weiche den munichischen Torso als ein 
etwas jüngeres, stilistisch umgeformtes Werk erscheinen las- 
sen. Auf die freie Bildung von Bart und Haar darf man sich 
dabei nicht beziehen; wir finden es ebenso bei dem melischen 
Kopfe und, was für die Zeitbestimmung von Wert ist, bei 
dem Anytoskopf des Damophon aus Lykosura (AeXriov 1889 
S. 154. 1890 S 165), an welchen zu erinnern Kavvadias 
nicht versäumt hat ( KaT^Xoyo^ S. 210,258). Der augenfäl- 
ligste Unterschied zwischen dem melischen und dem muni- 
chischen Kopfe ist durch die verschiedene Breite des Gesichts 
verursacht. Bei ersterem erscheint durch die Haaranordnung 
das Gesicht an den Wangen breiter als an den Schläfen , 
die hohe Stirn erhält durch ihren nach oben hin noch schma- 
ler werdenden Umriss in der Vorstellung eine noch grössere 
Höhe als in der Wirklichkeit, und verleiht so dem ganzen 
Kopfe eine Hoheit, welche dem ebenso deutlich ausgesproche- 
nen Pathos, wie es sich schon aus der Composition ergiebt 
(oben S. 2) in glücklichster Weise die Wage hält. Anders 
bei dem Kopf aus dem munichischen Heiligtum. Bei ihm liegt 
die grösste Breite des Gesichtes in der Höhe der Schläfen, 
und verringert sich weder nach oben noch nach unten we- 
sentlich, das Haar ist mehr zurückgestrichen und lässt, wenn 
auch einzelne Locken lose hinunter fallen, Stirn und Gesicht 
in grösserer Breite sehen; der ganze Kopf erscheint dadurch 
weniger hoch, das Gesicht breiter. Die Wangen sind dicht 
unter den Augen rund und voll und nehmen nach dem Mun- 
de zu ziemlich plötzlich ab , ein Umstand , welcher dem 
Gesicht einen etwas welken und matten Ausdruck verleiht. 
Die Nasenflügel sind im Gegensatz zu dem melischen Kopfe 
sehr breit. Die Stirn ist in ihrem mittleren Teil etwas auf- 
geschwellt und fällt nach den Schläfen hin fast zu rasch ab. 
Die Augen sind durch ziemlich starke Eintiefungen zumal 
an den Winkeln wirkungsvoll aus ihrer Umgebung hervor- 
gehoben und müssen mit den eingesetzen bunten Augäpfeln 
einen starken, fast zu lebhaften Kindruck gemacht haben 



DAHsTELLUNGEN des A8KLEt*l08 Vi 

Hervorzuheben ist auch die bewusst auf derbe Wirkung aus- 
gehende Bildung der Augenbrauenpartie, die sich an den 
äusseren Eclcen in dickem Wulst, das Auge fast verdeckend, 
in die Augenhöhle hineinzieht. Im Vergleich mit diesen star- 
ken, aber etwas vereinzelten Efifekten zeigt der melische Kopf 
viel mildere Züge, die sowol für sich als vor allem in ihrer 
harmonischen Zusammenstimmung einen weit ruhigeren Ein- 
druck machen. Im Besonderen mag man die einfachere Füh- 
rung der Augenbraue, die gleichmässige Öffnung der Au- 
genhöhle, die schlicht geschnittenen Augen, die zart ge- 
formte Nase mit den schmalen Flügeln beim melischen Ko- 
pfe beachten , um sich der etwas gesuchten Mittel bewusst 
zu werden, welche der Künstler des munichischen Asklepios 
angewendet hat. Ist man einmal darauf aufmerksam gewor- 
den, so kann man leicht erkennen, dass alle oder doch die 
meisten Abweichungen des munichischen Kopfes ebenso viele 
Beziehungen desselben zu dem skopasischen Ideal sind, wie 
es Graef in den Rom. Mittheilungen IV S. 201 ff. eingehend 
erörtert hat^ Er hat zum Vergleich den praxitelischen Her- 
mes herangezogen : es trifft sich zufällig, dass auch wir diese 
beiden Kunstrichtungen zu vergleichen hatten. Denn es scheint 
mir nicht zweifelhaft, dass der melische Kopf der praxiteli- 
schen Kunst angehört, w^e dies schon CoUignon (bei Rayet, 
Monuments I Taf. 42) angenommen hat; durch unseren 
Vergleich mit dem skopasisch beeinflussten Exemplar aus 
Munichia wird diese Annahme zu einem hohen Grade von 
Wahrscheinlichkeit erhoben, wenn man sich nur dabei die 
genannten Erörterungen (Rom. Mittheilungen IV S. 201 ff.) 
gegenwärtig hält. 

Es liegt hier also einmal handgreiflich der so oft, und wol 
nicht selten mit Unrecht, angenommene Fall der bewussten 
stilistischen Umarbeitung eines älteren Werkes vor, der da- 
durch noch besonders auffällig wird, dass die Entstehung des 



Vgl. auch Conze in den Berliner Sitzungsberichten t892 S. 55. 



14 t)AHST£LLÜN(}EN DES ASKLEt^IOS 

Originales und seine Umgestaltung zeitlich nicht weit ausein- 
ander gerückt werden können. 

Leider ist uns die Möglichkeit entzogen, das Verhältniss 
der beiden Repliken auch durch Vergleich der Körperformen 
genauer zu untersuchen ; einige Bemerkungen über den mu- 
nichischen Torso sind trotzdem unumgänglich, schon weil der 
Charakter seiner Rörperbildung in unserer Tafel leider nicht 
ganz zur Anschauung gebracht ist. Er zeigt einen breiten, 
mächtigen Körper, dessen einzelne Formen, entsprechend dem 
Geschmack, welcher sich im Kopf verrät, stark, mitunter 
fast übertrieben hervorgehoben sind. So drängen sich z. B. 
die Kopfnicker so stark heraus, dass zwischen ihnen eine be- 
trächtliche Vertiefung entsteht, sehr deutlich ist auch beim 
Brustbein der untere Rand des Handgriffs ausgeprägt ebenso 
wie das Schlüsselbein. Die Brustmuskeln sind sehr stark ent- 
wickelt, aber die hohe Wölbung der Brust ist nicht allein 
dadurch verursacht; offenbar ist der Körper in einem Augen- 
blick des tiefsten, angestrengtesten Atmens, in jenem kurzen 
Augenblick willkürlichen Innehaltens vor dem Ausatmen dar- 
gestellt. Das Heben des Brustbeins und des Schlüsselbeins, 
das sich zum Teil aus der Gesamthaltung ergeben mag, ist 
dafür ebenso charakteristisch wie das Einsinken der mittleren 
Halsgrube und das Vorspringen der Kopfnicker (Kollmann, 
Plastische Anatomie S. 135), und auch die in der Natur 
gleichzeitig zu beobachtende stärkere Hervorhebung der Sä- 
gemuskeln so wie der Grenze zwischen dem gradcn und dem 
schiefen Bauchmuskel, ist in besonders deutlicher Weise wie- 
dergegeben. Es ist also ein Augenblick für die Dar^ellung 
gewählt, der dem Geschmack des Künstlers, welcher starke 
Einzelwirkungen bevorzugte, gradezu entgegenkam, und wir 
könnten versucht sein, auch darin eine bewusste Neuerung 
des Kopisten zu sehen, zumal sich bei Skopas ein ähnlicher 
Kunstgriff findet ' um inneres Leben in äusserlich unbeweg- 
ten Mienen auszudrücken' (Rom. Mittheilungen IV S. 205), 
aber der Vergleich der epidaurischcn Statuette scheint mir 
dafür zu sprechen, dass derselbe Moment auch im Original 



DARSTELLUNGEN DES ASKLEPlOS l5 

dargestellt war, wenn auch vielleicht in diskreterer Weise. 
Wir gewinnen dadurch einen für das Verständniss des Gan- 
zen bedeutsamen Zug zurück; was wir aus der Composition 
der Statuette, aus der starken körperlichen Bewegung ohne 
Handlung, der energischen Wendung des Hauptes und dem in 
die Ferne aufwärts gerichteten Blick erschlossen, das wird 
durch die Darstellung des tiefen, angehaltenen Atmens. zu 
welchem jede körperliche Nötigung fehlt, noch weiter bestä- 
tigt: es ist eine qualvolle Unruhe, welche den Gott beherrscht, 
dessen Mitleiden bis zu seelischem Leiden gesteigert in seiner 
körperlichen Erscheinung überraschend stark zum Ausdruck 
gebracht ist. 

Diese im wahrsten Sinne des Wortes pathetische Erfindung 
entstammt, wenn uns der melische Kopf nicht trügt, der pra- 
xitelischen Richtung; ihren Einfluss beweist die fraglos noch 
zu vermehrende grosse Zahl der Nachbildungen. Von diesen 
zeigt die aus dem munichischen Heiligtum stammende den 
Einfluss der skopasischen Kunst ; dieser Umstand bestätigt 
den aus den Reliefs (oben S. 10) zu gewinnenden, auch aus 
dem Werke selbst zu erschliessenden Zeitansatz, der sich 
kaum ändern wird, selbst wenn die stilistische Beurteilung 
nicht stichhaltig sein sollte. 

Athen, Februar 1892. 

PAUL WOLTERS. 



DIE 8IBYLLIXISCHE QUELLGROTTE DC ERYTHRAE 

Bei Lythri^ dem inmitten der Ruinen des alten Erythrae 
liegenden elenden Dorfe, ist im Terflossenen Sommer (1891) 
ein meri^wurdiger Fund gemacht wordktn, von welchem ich 
Anfang August in Smyma hörte und las * : die Höhle der ery- 
thräischen Sibvlle. deren Grabschrift und andere merkwur- 
dige Dinge sollten gefunden sein. Ich begab mich daraufbin 
sofort an Ort und Stelle: im Fol^nden fasse ich das, was zu 
ermitteln und festzustellen mir selun^n ist, zusamm^i. 

Meine Mitteilungen sind in FoIs:e des mir von dem ^Id^e- 
rigen Finder entgegengesetzten Widerstandes lückenhaft: ich 
gebe trotzdem das Vorhandene, weil Vollständigeres kaum zu 
erwarten ist und ausser eini^n griechischen Altertumsfreunden 
bis jetzt ich allein die in Rede stehenden Dinge gesehen habe. 

Am 0-Fusse des ^ewallisren Bursjberjres von Ervthrae ^ra- 
bend hat ein Grieche aus LMfari. Jani Tschakufis eine kunst- 
liehe Grotte aufgedeckt. Dieselbe befindet sich — für den von 
S. herkommenden — hart links am Wege zum Dorf, dessen 



* So die heuliffo irriecliische Furra ( AvB^:'). während die lörkische Lilri 
ist; Chandler hörle sogar Rilre ( Voyagti I, 199. Deutsche Uherüelions: S. 
«26 Cramer. Asxa Minor I. 349 1. 

* nie ersle Nachricht von dem Funde neb^i Milteilunir und kurier Be- 
snrechun? der Inschriften wird dem wuhlbekannten und hochverdienten .\l- 
terturasfreunde Herrn Fontrier in Smvrna verdankt, welchem zwei Freunde 

• 

ihre an Ort und Stelle fjemachten Notizen und Ahschriflen luiiesandt hatten 
( *Ap;xovra 26 *Iojv{oj und \ "WAIoj tS91 ». Einen schnell entworfenen Arti- 
kel sandte ich noch im Aui^ust an die Wochenschrift für klass. Phil. ilS91 
S. 1040), einen Nachtrag dazu s. daselt>sl S. 1245. Nach Fontrier's und 
meinen Mitteilungen verötTenllichte sodann Konioleon die Inschriften im 
NioXö-pc in Konslantinopel und nochmals in der Ne**— ajpvr, II Nov. 1891. 
Wie es scheint lagen ihm das zweile Mal neue i>iQcke der Weihinschrifl 
mit xal ToT{ «uToxp«To[p^], [tij YXuxu]T«tTi RaTiiv. u. a. vor, doch isl auf die- 
sen Abdruck xunacbst nicht weiter zu bauen. 



DtB SIBTLLINISGHE QUELLGROTTE IN ERrTHHAB 17 

Boden, wie es scheint, über 2" höher liegt als der ehemalige 
Boden der Grotte. Diese hat, so weit ich es noch nachprüfen 
konnte (denn die Stelle der Ausgrabung war schon wieder 
yerschüttet) bei halbkreisförmiger Gestalt einen Durchmesser 
Yon etwa 2". Die Grotte war einst schön ausgemauert und aus 
ihrer Hinterwand führt, noch heute gut erhalten, aber selbst- 
verständlich versiegt, eine antike Wasserleitung heraus; meh- 
rere zu ihr gehörige grosse Rinnsteine sowie ein kleines stei- 
nernes Becken , in welches das Wasser wol zunächst floss, 
liegen am Wege. Ausserdem liegen in Masse die einst zum 
Ausbau der Grotte gehörigen Marmorplatten und Schwellen 
umher. 

Von den in der Grotte — angeblich teilweise noch in ihrer 
alten Lage — gefundenen Inschriftsteinen hat der Finder nur 
drei, ihm wertlos erscheinende, uns aber recht wichtige am 
Ausgrabungsplatz liegen lassen, während er sechs (oder auch 
noch mehrere, uns verhehlte) Stücke nach seinem Hause ge- 
bracht hat. 

Ich beginne mit der Aufzählung aller, unmittelbar oder 
mittelbar, mir bekannt gewordenen Inschriftstücke. 

t. Ganz erhaltener Marmorblock mit einfacher Stegver^ 
zierung, oben ausladend, 0,92°* breit, 0,52 hoch, 0,24 dick, 
zu einer Basis gehörig, Buchstaben geziert 

ArAOHl T ¥ X H 
\ÄN¥M(|)HZKÄI0EOAßPO^»"P¥0PÄIÄ 

'AyaÖYit Tujf^Y) 
2i6uX]Xa vuu.(p7); xai ©eoScopou ['E]puOpa£a. 

2. Marmorbruchstück, 0,55™ breit, 0,52 hoch, 0,24 dick, 
zweifellos mit dem ersten eng zusammengehörig. 

N¥M(|)HNÄIZ^ 

3. Wird zuletzt behandelt werden. 

4-8. Im Hause des Finders, Stücke, nicht Bruchstücke ei- 

ATHBN. MITTHEILUNGEN XVII. 2 



^B 



OtB 8IBYLLINI8CHE QueLLGROTTB IN SRtTHtUS 



ncr InHchrifl, nach dem Schullehrer Spyridon Sotiropulos im 
bimuchburUm Hc^isdere Bestandteile des bogenförmigen Thür- 
nbHchluHHeH der Grotte. 4-7, die ich nicht zu sehen bekommen, 
nncih j(!n<>H Kopie; 8 von mir in Lythri hinzugefunden, ein 
ArchitektuPHliick, ü,'29'" hoch, 0,14 breit, 0,19 dick ( Buchsta- 
li<iri i'nHl .'<"" hoch ) zeigt keinen bogenförmigen Charakter. 



4 

Ahmh 

NEINn 
THNn 



TPI0E 

KÄIAO 

HTHNT 



6 
ZMO<|)0 
VKInlÄ 
OVVAä 
EKTQ 



7 


8 


PßlKÄI 


Kfi2lA¥ 


VPHAIßl 


Aiozn 


TOZAN 


¥NTOI 


NIAI£2 





Knr «lin Ki'giin/iiufj; dos Wortlautes der Inschrift giebt es, je 
iMMdMh'iii iiiiiti hIcIi (lin äussorliche Anlage derselben , die 
VMlUtiindiptktMt d(*r Kaisertitulatur und die Genauigkeit der 
l\ii\iii' d<M' iN'r. \-l Nornlcllt, /u viele Möglichkeiten, als dass 
p'h VOM MM'MH'ii \ieleu N'ersuehen einen mit einiger Zuversicht 
vorhrjnfj^en nHMJite. Nur folgende Bemerkungen lassen sich 
iiiiirJieii iliihen Nr. \ uud f) wirklich nur drei Zeilen, so 
luorJilf^ iHiiu »ich die Worte U t(5v [Sicov sehr gerne mitten 
uMler dJH inbehrilt ^enet/t denken, wonach diese aus sieben 
hliirkeo iMoliindnii hiiheii würde. Auf nur zwei weiteren 
hlurkeu lihiT iht diin hU'lier /u Ergänzende nicht unterzubrin- 
gen. »So v\ii)'ee» denn uherhaupt uiHig, die sämtlichen Stücke 
oobi'rer inbelirjl'i /u hellen, nui .sichere Schlüsse in Bezug auf 
die iiub^^ere iie,c^«'liiilTeiili(Ml d(*r letzteren ziehen zu können; 
i*m\i*\i\ etj hirji /. li , diihrt iiuh unseren Steinen in der That ein 
hofieutoruHfifr 1 huriilmelilusn der (irotte gebilih^t wurde, was 
mir jt*. hihfif r dct^lo NMiluhelieinlieher wird, so hätte man daran 
einen Anlhill, dntih diuin dn^ /nhl (U'v Stueke eine ungerade 
(W oder II, wol diih ernlere ) [J!,e\Nesen sein muss. 

(llM*r /\NeeK und Inlnilt der Insehrill kann freilich kein 
/weilel JM'hlelien : i'H liiuidelt hii'li um die Weihung der sibyl- 
liniselu^n <,)u(*llgroLte an Demeter und die Kaiser M. Aurelius 
AnloninuH und 1^. AureliuM Verus durch einen Bürger von 



t>Iß SIBVLLlNlSGHE QÜELLGHÖTTE IN ERYl-HRAfi 19 

Erythrae. Dem Inhalt nach ist also die Inschrift etwa folgen- 
dermassen zu ergänzen: AvjjjiinTpi 06<T(xo96p(«)i xai [Mcfcpjxwt Aufp?)- 

Xtü>i *AvT(»)]v6{vö) )cat Aou)ciü)t AupY)Xiü)i [OuTopwi SeßadTOt;. . . KXau?]- 
oio; nr.. . .] Ty)v Tnoyvjv toö uSaTO^ av[60y))C6V <y]uv toi[; iyÄXiJLadiv *] 

9. Die Krone des ganzen Fundes^ ist eine gewaltige Mar- 
morschwelle, jetzt vor dem Hause des genannten Finders, 
übrigens seit meinem Besuche (angeblich und sehr wahr- 
scheinlich) zerschlagen. Sie ist 1,41™ hoch, 0,47 breit, 0,25- 
0,26 dick ; nach dem grossen Dübelloch und der Rauheit der 
oberen Fläche zu schliessen, trug sie irgend einen Aufsatz, 
nach dem Inhalt ihrer Inschrift stand sie in naher Beziehung 
zu der oben unter Nr. 1 erwähnten Basis, welche ein Bild der 
SißuXXa vu(x(p7); xai öeoSwpou 'EpuOpxia trug. Die Inschrift ist 
von derselben ungemein sorgfältigen Hand, welcher Nr. 1 
und 2 entstammen, in der unverkennbaren, schnörkelhaft ver- 
zierten Schrift, wie sie besonders die Zeit der Antonine liebt, 
geradezu prachtvoll und tief eingegraben worden ( Buchstaben 
2 V2-3"-, nur das (|) 5-6 Vg'"" hoch). 

Der feierliche Charakter der Inschrift hat von derselben die 
der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts sonst schon ganz 
geläufigen Ligaturen fern gehalten ; dagegen hat der Raum- 
mangel den Steinmetzen Z. 10 zur Einschreibung des Y in O 
gezwungen. Auch diese Freiheit ist der genannten Periode nicht 
fremd ; um nur ein mir besonders nahe liegendes Beispiel zu 
erwähnen : in dem prächtig in Marmor gehauenen Brief des 
Caracalla an die Stadt Philadelphia, von dem ich unlängst, 
Wochenschrift für klass. Phil. 1891 S.1242 Nachricht gegeben, 
erscheinen aus Raummangel am Zeilenende ebenfalls N und Z 
in fi gesetzt. Bemerkenswert ist endlich, dass von Z. 19 an, 
übrigens unregelmässig, plötzlich Apostrophe gesetzt sind: 
OVZ'ÄAmHZ und XOON'EBHN, 25A'OTTI, 
29 A'EVNOMIHN und 30 T'ÄPETHN. Die Er- 



^ Tritn diese Ergänzung das Richlige, so sind die aYaX[xaTa die Bilder der 
Sibylle und ihrer göUlicben Mutler. 



20 DIB SIBtLLlNISCHE QÜBLLÖROTTE IN ERVTllRAß 



H^OlBOi ponoAozxPH 

ZMHrOPOZElAAlZIBYAAA 

N YA\c|7Hl N A I A AOI n PE I B¥ 

rENHZOVrATHP 

nATPIZAOYKAAAHAAOYNH 
AEAAOIEZTINEPY0PAI 

KAieEOAQPOZE<?Y0NH 

TOZFANOIFENETHZ 

KIZZÄSTAZAHNEFKENE 

A\ONrONON52ENIXPHZA\0I 
EKnE.,ONßAElNÄJNE¥0Y 

AAAOYZABPOTOII 
TJ- lAEAE^EZOANENHnE 

TPHieNHTOIZlNAEIlA 
A\ANTOZYNAZnA0EßN 

AY©IZEnEZIOA\ENßN 
TPIZAETPIHKOZIOIZINE 

rflZßOYZENlAYTOlI 
nAP0ENOZOYl'AAA\HZ 

rTAZANEniX©ON'EßHN 
A¥0IZAEN©AAErÄrETlAH 

nAPTHIAErEHETPHI 

HMAiNYNArANOlIYAA 
ZITEPnOANENH 

XAlP^A'OTTlXPONOZMOl 

EAHAY0ENHAHAAH0HZ 

ßinÖTANAN©HZElNAY©lZ 

E^MNEPYQPAZ 

TTAEANA'EYNOMIHNEZEIM 

nAOYTONT'APETHNTE 
TTATPHNEZ^^IAI H NßANTl 
.NE^IEPYGPßl 16 



DIE BIBYLLINI9CHE QUELLßROTTE IN ERYTHRAE 2! 

scheinung, welche ebenso den beginnenden Niedergang des 
Sinnes für monumentale Schrift als grammatische Beeinflus- 
sung bezeichnet, tritt in guter Kaiserzeit nur ganz vereinzelt 
auf und vielleicht mag in unserer Inschrift das älteste Beispiel 
vorliegen. Sicher jünger sind die Fälle in den allem Anschein 
nach aus gelehrten Kreisen stammenden, frühestens dem drit- 
ten Jahrhundert n. Ch. angehörigen Grabschriften C, L G. 
2851 TONA'ANeOHKe, /. G. S, I, 1721 (C. /. G, 
6241, Kaibel .£>/gT. 573) TGIX I C 6 A'ÄlAÄN , ebenda 
1883 (Kaibel,^/?/gT. 667) V.3 noCUUNA'eONH ICKGC , 

4 exPHNc'eTi, 5CYr'uu5eNe, 6A'äaic 

und LeBas-Waddington, Asie Nr. 58 (s. die Inschrift unten 
S. 34) TÄ'YÄieiON. 

Die Erlaubniss, die genannte Inschrift genau zu copiren 
oder gar abzudrücken, erlangte ich von dem Besitzer nicht; so 
blieb mir nichts übrig, als eine genaue Revision der Abschrift 
des genannten Sotiropulos, durch welche wenigstens der Text 
ganz sicher gestellt ist. Ausserdem habe ich die Buchstaben- 
formen festgestellt und einige sonstige auf das Äussere der In- 
schrift bezügliche Notizen gemacht, so dass das nachfolgende 
Bild derselben (s. S. 20) in allem Wesentlichen ähnlich, 
wenn auch nicht exakt, sein dürfte. 



vufjL^Y)^ NaiaSo^ TTpsTßuysvY); O'jyaTTop* 
Tuarpi^ oux. aXXy), j/.oovy) Se [xot I<ttiv 'Epoöpal 

)cat ©eöSwpo; e^u Ovyito^ 6[JL0t ysvETY)?* 
5 Ki(j<i(«)Ta^ S' viveyxev 6[j!.6v yovov. d) evt j^pY)(j[JLOu; 

ex7C6[<y]ov ü>$£iva)v eOOü Xa^ouToc ßpOTOi;. 
TyitSe S' 6^eCou.6V7) 7r6Tp7)t övY)TOto"tv aeiaa 

(/.avTOCOva; TcaOswv au9t; l7r6(jaou.£V(»)V 
Tpi; Se TpiY)xo<itoi(Ttv gyo) ^wouc' dvtauTOt? 
10 TcapOevo^ oOc' aSjxr;^ Traaav iizl jrOöv' i'ßiov, 

aiiOi^ S' dvO^.S' ^^a) ye cpiXY) Trap TviiSe ye TuerpYii 

iO(Jt.ai vuv iyavoK uSaat TepwojxevY). 



22 DIE 8IBYLLINI8CHE QÜELLGROTTE IN ERYTHRAE 

(Lt TUOT^ avav6y)<r6tv auOt; ItpYjv 'EpuGpct;, 
15 TUÄdav S' 6uvo(jLiY)v e^gtv xXoutov t' ap6T71V T6 

TUXTpYlV ^; (ptXtY)V ßaVTl V6(i)t 'EpuOpWt. 

Das Gedichtchen erhebt sich, ganz abgesehen von seinen 
sachlichen Merkwürdigkeiten, an poetischem Geschick bedeu- 
tend über das zahlreiche Mittelgut dieser Zeiten und erfüllt 
seine Aufgabe, von welcher unten die Rede sein wird, mit 
anerkennenswerter Anmut. Was seine poetische Diktion im 
Allgemeinen angeht, so haben wir nur das freilich echt sibyl- 
linische dreimalige auOi; innerhalb sieben Verse (V. 8. 10.14.) 
und das sehr hässliche zweimalige ye binnen eines Verses (V. 
11) zu verzeihen; im Übrigen ist sie elegant, ja edel und 
vorzüglich sachgemäss. 

Unser Epigramm ist, wie oben schon angedeutet, ein iva- 
OmfxaTixov, und ganz der Weise dieser Gattung entsprechend 
redet die Sibylle, welche wir uns wol auf einem Felsen sit- 
zend dargestellt zu denken haben ( V.7 und 1 1), selbst. Ebenso 
ihre Nebenbuhlerin, die hellespontisch - troische Sibylle in 
ihrer an unser Gedicht stark anklingenden Grabschrift, wel- 
che unter dem Relief der Grabstele eingegraben war; ganz 
ähnlich hebt sie dort an (Paus. X, 12, 6): "AS' eyw i *o(6oio 

Soviel über die äussere Form des Gedichts; ich gehe nun 
zur Besprechung des Einzelnen über, um dieser die allgemeine 
Ausdeutung folgen zu lassen. 

V. 1. *oi6o'j TTpoTToXo;. Das Wort bezeichnet auch recht 
eigentlich den Tempeldiener (-dienerin), vewxopo; (Hes. irpo- 
TuoXoi* uTTYipETat, v6ü)x6pot, 7upo(py)Tai. Suid. TTpoTTÖXwv* öetwv 
lp(jL7)V6<«)v) und derlei ist die Sibylle zunächst, wie denn die 
Alexandrier in der Troas behaupteten, dass ihre Herophile 
v6<«)/t6pov Tou 'AtuoXXwvo; yeveaOat tou SjjLivOeci);, als welche sie 

der Hekabe nach deren Traum das schwere Geschick geweis- 
sagt habe (Paus. X, 12, 5). 

XpY)a(jLY)y6poc erscheint hier zum zweiten Male. Es steht noch 



DIB .SIBXLMffWCHE QüELLGROTTE !N KRYTHRAE 23 

Sib. Or. IV, 4, wo die jüdische Sibylle sich dagegen ver- 
wahrt, ^J/6'jSo'j^ ^oiSo'j ypr.'jar^vopo; ZU sein. Ebenso vereinzelt 
ist tiavTTiyopo? (o[A?*^) in einem der von mir herausgegebenen 
neuen Orakel (Anecd. Tubing. 41 = Rlaros S. 107 Z. 11); 
(la^nyopi; nennt sich die trojanische Sibylle im [oben ange- 
führten Verse ihrer Grabschrift. 

V. 2. TrpeoSuyevY); nach der von Homer vorgezeichneten Be- 
deutung=erstgeboren (A 249 Koon, der ältere Sohn des An- 
tenor); doch ist der Übergang in die weitere Bedeutung *alt, 
uralt', welche hier vorliegt, leicht und früh zu belegen. Schon 
der Komiker Kratinos nennt in diesem Sinne den Kronos 
xp6^uY6VY)(; (Plut. Per. c 3). wie der orphische Hymnendich- 
ter den Uranos xp6(t6jy£V69Xo<; (iV, 2 Ab.); ebenso Orph. Arg. 
604 Ab. TeiY) TrpeffS'jygvrii; und endlich bezeichnete ein pythi- 
sches Orakel die spartanischen Geronten als TrpgdßjyevßTc (Plut. 
an seni. p. 789 E). Unsere Sibylle ist die * uralte', fast tau- 
sendjährige Tochter der korykischen Quellnymphe. 

V. 3-5 sind der wichtigste Teil des Gedichtes : kein andrer 
Ort als nur allein Erythrae ist der Sibylle Vaterland und 
Theodoros ist ihr sterblicher Vater; der Kissotas aber war 
die Stätte ihrer Geburt. 

Das ist ein bedeutsames Stück Streitschrift, das der patrio- 
tische Dichter mit Plan und Absicht der Sibylle selbst in den 
ehrwürdigen Mund legt. Nichts war umstrittener, selbst des 
blinden Sängers Heimat nicht, als der uralten Seherin Hero- 
phile Stammort. *Von allen Hellenen' — sagt Pausanias X, 
12, 7 in dem wertvollen Abschnitt über die Sibyllen — * füh- 
ren die Erythräer den Kampf um die Herophile am eifrigsten; 
im Korykos-Gebirge zeigen sie eine Höhle, in welcher Hero- 
phile geboren sein soll, Tochter eines einheimischen Hirten, 
Theodoros und einrr Nymphe, Namens Idaia' ( folgt die ery- 
thräische Etymologie des Namens iSata). 

Die Ansprüclie der Erythräer wurden aber von den troischen 
Alexandrinern heftig bestritten (Paus. a. 0. §. 3 ff.). Nach 
ihnen stammte die Sibylle aus dem allmählich zum elenden 
Dorf heruntergekommenen Städtchen Marpessos im Idagebir- 



24 DIP 8IBYLLINI8CHE QCEIXGROTTE IN ERYTHRAE 

ge — der Meinung schlössen sich Manche an, z. B. TibuUus 
II, 5, 67 mit seinem Marpesia Herophile — von einer unsterb- 
lichen idäischen Nymphe mit sterblichem Vater erzeugt (dies 
der gegnerischen Version ganz parallel); und alles dieses lies- 
8611 die Troer ihrerseits die Sibylle selbst erhärten : 

(XYiTpöOev *lSoY6>''nc, wxTpU Se (xoi ddTtv epuöpy) 
MÄpTTYiado^, (XYiTpo? iepT), 7C0Ta(j!.6^ t' 'AiSwveü^. 

Es war der kühne Streich eines patriotischen Lokalgelehr- 
ten (vielleicht des Demetrios von Skepsis ; s. über das ganze 
Wesen der Sibyllenkataloge E. Maass, De Sibyllarum indi- 
cibus S. 4 ff. 23 ff. 28 ff.) das ehrliche 'EpuOpaia von der 
roten Erde um Marpessos abzuleiten. Herophile war nach der 
troischen Version ferner die prophetische Priesterin des smin- 
theischen Apollo und nach langem Umherreisen in der hei- 
matlichen Troas gestorben, wo sie im heiligen Hain ihres 
Gottes bestattet lag, rechts neben ihrem Grabmal eine Herme, 
links eine schön gefasste Quelle und eine Nymphengruppe. 

Genug, gegen alle diese Anmassungen, im Besondern aber 
gegen die Worte TcaTpU Se [aoi lanv IpuOpri Map7UY)(T<Toc u. s. w. 
im oben angeführten troischen Sibyllenzeugniss, richtet sich 
die ausdrückliche Verwahrung unserer Sibylle V. 3 xaTpi; 
V oux aX^Y), |xoüv7) Se (loi eartv 'EpuOpai und dazu stimmt 
vortrefflich die Anmerkung des Pausanias, dass die Erythräer 
den auf das durch listige Fälschung hergestellte epuOpYi (statt 
*Epu6pai) folgenden Vers mit Marpessos und dem Fluss Aido- 
neus für eingeschwärzt erklärten ^ 

Und damit werden sie auch wol Recht gehabt haben. Be- 



^ A. O. § 7 a. E. t6 8e etco; t6 I5 ttjv Mapjrrjaaov xat xov Ä0Ta|Ji6v 'AvStov^a, 
TOüTo Ol *Epi>öpaToi t6 etco; a^aipoSaiv anö twv ypTjafjLwv. Übrigens sucht Maass 
a. O. S. 30 wahrscheinlich zu machen, dass im erylhraischen Verse der 
Stadtname die sonst unbelegte Singularform 'EpuOpTj gehabt habe. Das ist 
nach unserem Gedicht eben nicht mehr wahrscheinlich. 



DIE 8IBYLLINI8CHE QüELLGROTTE IN ERYTHRAE 25 

merkenswert ist ferner, wenn auch eigentlich selbstverständ- 
lich, das Erscheinen des Vaternamens Theodoros: denn das 
die Sibylle Tochter eines einheimischen Hirten dieses Na- 
mens und einer Nymphe gewesen sei, war ja wie oben aus 
Pausanias angeführt, die Behauptung der Erythräer. Nun 
führt Suidas u. StSuXXa 'Epuöpaia die verschiedenen Versio- 
nen betreffs des Vaternamens an, Apollo, Krinagoras, Ari- 
stokrates, w; ^i "'EptAiTTTuo; öeoSwpou. Wenn man fragt, welcher 
der beiden Hermippos gemeint sei, so wird man gelten lassen, 
dass dem Kallimachosschüler aus dem Erythrae so nahen 
Smyrna derlei Erörterungen näher lagen als dem Berytier. 
Wer aber der eigentliche und natürliche Vertreter der Ery- 
thräer in der Sibyllenfrage gewesen sei, deutet die varronische 
Sibyllenliste (Lactantius, Div. inst I, 6) bestimmt an mit den 
Worten quintam (Sibyllam) Erythraeam, quam Apol- 
lodorus Erythraeus adfirmat suam fuisse cwem. Ein 
echt hellenistischer Specialhistoriker, Apollodoros von Ery- 
thrae, also hatte mit vollem Lokalpatriotismus das wichtige 
Sibyllen-Thema abgehandelt*. 

Kissotas (oder Kt(T(i(OTvi<;) ist wahrscheinlich der Name eines 
Gebirgsbaches im Korykos^. Wenn er in unserem Gedicht die 
Geburtstätte der Sibylle genannt wird, so involvirt dies nooh 
keinen Widerspruch gegen die Angaben des Pausanias, dass 
jene in einer Höhle des Korykos geboren worden sei ^ ; denn 
die Höhle konnte sehr wol der Ursprung, die Quelle des 
Kissotas sein, derlei ja bekanntlich nichts weniger als selten 
ist. Das Gebären an solcher Stelle ist für die Najade ange- 
messen, ja selbstverständlich. Der Name KtadUTa? ist neu, 



• Maass a. O. S. 28. 

3 Man kann an sich eben so wol an einen Be rj; dieses Namens denken. 
War doch der Ida für seinen Epheuschmuck berühml (Eur. Tro. 1066 K. 
'IBata xiaaotpdpa va?:?] ) und kommt doch Kiaao^ auch geradezu als Bergna- 
me vor. 

3 Ich bin am O. Hang des Korykos längs bis herunter zum Vorgebirge 
Korykeion geritten, habe aber von den Höhlen, die es hier geben soll, 
keine zu sehen bekommen, weil ich ia der fast ganz aus^estorbei^ea Qe* 
gend keinen Führer fand. 



36 mE ^flHHFUiUU&CHE QUELLGROTTE IN ERTTHRAE 

aber er passt ebenso vortrefflich für einen über epheuberankte 
Felsen rauschenden Gebirgsbach als für den epheuuragürteten 
Quell in kühler Grotte. Übrigens finden sich verwandte Na- 
men : nur aus Münzen bekannt ist der Name eines lydischen 
Flusses K I C C O C , in dessen Nähe eine Stadt Tomara gele- 
gen (Head, Historia numorum S. 554); Kkkjy)!; hiess nach 
Hygin. S. 35, 17. 21. Schm. eine der Najaden, welche den 
jungen Dionysos auf dem Berge Nysa warteten, Kia<iou<i<ya 
endlich war der Name einer herrlichen Quelle beim böotischen 
Haliartus (Plut. Lys. 28). 

In ähnlicher Weise ist die abweichende Angabe des Apol- 
lodoros von Erythrae über den Geburtsort der Sibylle — tej^Oti- 

vai Iv ^o)pi(o Töv *Epu6pöv, xpoTTriyopeüeTO Bätoi Suid. a. O. — 

mit der Angabe unseres Gedichtes in Einklang zu bringen. 
Die Bedeutung des Namens B4:toi (d. h. 'Dickicht') deckt 
sich nach Maass' überzeugender Combination (a. O. S. 29 f.) 
mit der des Wortes röat; die Mutter der Sibylle aber sollte 
nach der erythräischen Etymologie 'iSata heissen xar' aXXo [jlev 

0UÖ6V, Töv ti )^ü)pt(i)v Ta Sadea utto töv avOp(07i;(i)v ßoc^ ovojitdc- 

J^eiOat. ApoUodoros hatte also 'eine Gegend im Erythräischen', 
offenbar rauhes Waldgebirge, Batoi genannt, die Heimat der 
Mutter als Geburtsort der Sibylle bezeichnet, durchaus richtig. 

Die Wendung Kt^idWTa; yjveyxev ijiov yövov scheint mir son- 
derbar, denn mit dem h^^diUni^vT nascentem vidit, yßt^^svov 
tSe, deckt sie sich nicht; yovo;, welches Wort bei Homer mit 
Ausnahme einer Stelle (M 130, wo es 'Erzeugung' oder 
'Geburt' bedeutet) stets, 'Abstammung', 'Herkunft' meint, 
ist auch hier als 'Geburt' zu verstehen, also partum meum 
tulit, 

V. 5 f. sind mit einer bei hellenistischen Dichtern sehr 
beliebten Wortverstellung gebaut; natürlich ist zu ordnen S^ 

evl £)C7r6<jov toSetvcov eOOu y pr,«Tp.ou; XaXoOTX ßporoi; : im Kissotas 

selbst, in ihrem Element hat die Najade ihr Rind geboren und 
dieses beginnt sogleich seinen Seherberuf zu erfüllen. Die 
Wendung exxecov ciSetvwv ist ausgesucht und hochpoetisch. 
Das letztere Wort bezeichnet ja ganz eigentlich die Geburts- 



DIE 8IBYLLINISCHE QüELLGROTTE IN ERYTHRAE 27 

schmerzen (toxstoi); eine H^k; TpocYtxwT&TYi ist dann bekannt- 
lich <oStv6(;=Y6vo; (das Geborene); ferner aber bedeutet das 
Wort auch ganz gewöhnlich die Geburt selbst (1$ (iStvwv) und 
endlich, wie hier, auch die Gebärmutter ((i7)Tpa). So singt 
auch Pindar Nem. 1, 55 aTrX&yj^vwv utuo jxaTspo; aurtxa OaviTocv 
6t; aty^av Trat; Aio; (iStva ^eüywv.. . [;.6>.6v und bei dem ge- 
zierten Aelian heisst es N. A. X, 45 Anf. toc axuXaxta Tu(pXi 
TtXTSTat xat ouj^ opa ttJ; jxr<Tp(^a; (iSivo; xpoeXOovTa. 

EY0YAAAOY2A ist sicher nicht in einem Worte zu 
schreiben — das wäre trotz euÖuXoYeci) u. dgl. kein richtiges 
Wort — sondern £u6u steht hellenistisch für attisches s'jÖu; und 
ist dieser Fall nebst Batrach. 157. (134). Sib. Or. II 78. 229. 
VIII, 61 Rz. den von Lobeck, Phryn. S. 145 für diese sehr 
markante Erscheinung gesammelten Beispielen hinzu zu fü- 
gen. An der Bedeutung von euöu kann schon aus sachlichen 
Gründen kein Zweifel sein. War es doch eine allgemein ver- 
breitete Sage, dass die Sibylle sofort nach ihrer Geburt den 
Mund zur Weissagung geöffnet habe: Schol. Plat. Phaedr. 
S. 244 B xal yocp y6vvY)66t<ya euöu^ TupoffeiTuev 1$ ov6|iaTO? exa^TOv 
xoci 6[;.(x6Tp(x IcpOey^aTo. Proklos zu Plat. Tim. 4, S. 288 Sehn. 

faidTTep y.od y) StßuXXa xar' auTrjv ttjv iTuoxÜYi^iiv j^pYi(i[j!.(j)SY)ffa(ia. 

Wegen des an unser Gedicht anklingenden Wortlauts mag 
auch noch Niketas Chon. III S. 577 d. Bonn. Ausg. xaOoc 

Oop6, xai ajxa Tuepl ttJ? tou TravTo? e^iXodö^ei auffradeo); (s. Ale- 
xandre, Excursus I ad Sib. libr. p. 15) angeführt werden. 

V. 7 f. *Auf diesem Felsen sitzend habe ich den Sterb- 
lichen Prophezeiungen zukünftiger Leiden gesungen'. Hier und 
mit V. 11. Tuotp TYiSeyfi Tcerpy) ri^oLi gibt das Epigramm deut- 
lich zu erkennen, dass das commentirte Kunstwerk die Hero- 
phile auf einem Felsen sitzend darstellte. Und damit führte 
es die Seherin mit der richtigen, so zu sagen offiziellen Sce- 
nerie vor Angen : Pausanias a. 0. § 1. nixpa Se laxtv ivt- 

(jj^ouaa UTTep rri^ yri^' exi TaÜTV) AeX^ol aTÄaav yaatv aaai tou; 

Xpr,(i(xou; ('Hpo^iXYiv) vgl. § 5 a. E. Also ein kleiner Unter- 
schied: in Delphi stand die Seherin, womit sich die Auf- 



98 DIE 8IBT1.LINISGHE QUELLGROTTE IN ERTTHRAE 

Fassung von einer wilderen Verzückung ergiebt. Aber die ery- 
thräischen Münzen treten für die grössere Ruhe der erythräi-» 
sehen Jungfrau ein, indem sie dieselbe wie das leider verlorene 
Kunstwerk unserer Sibyllengrotte auf dem Felsen sitzend 
darstellen (Head, Historia numorum S. 499). 

V. 9 f. * Ich neunhundertjährige, unberührte Jungfrau habe 
die ganze Erde bewandert '. Das ungeheuere Alter der Sibylle, 
welches man mit verschiedenen termini a quo kennzeichnete, 
war bekanntlich sprichwörtlich. Die unserige bekennt schon 
ins zehnte Jahrhundert zu gehen. Dazu stimmt es einigermas- 
sen, wenn Phlegon in seiner Liste von Langlebigen (c. IV 
S. 90 Kell.) die erythräische Sibylle als fast schon tausendjäh- 
rig aufführt; diese Ziffer gewann er, indem er in V. 4 des von 
ihm selbst citirten (a. 0. Z. 8 ff ) Herzensergusses der lebens- 
müden Seherin 

die yevedc — ohne irgend welche Berechtigung, versteht sich — 
nach dem sog. Säkularorakel (ebenda S. 91 a. E.) zu MO 
Jahren rechnete. Indessen ist dies für uns hier ganz gleich- 
gültig; genug, dass die Sibylle in ihrer bei Phlegon erhaltenen 
Auslassung sich als über neunhundertjährig bezeichnet, denn 
dass mit yevea hier das runde Jahrhundert gemeint ist, kann 
nicht zweifelhaft sein. 

Aber vielleicht beruht die Zahl 900 bei unserem Dichter 
auf einer in Erythrae hergebrachten gelehrten Rechnung. Bei 
Suidas heisst es a. 0. nach Aufzählung der verschiedenen an- 
dern Sibyllen weiter : yeyove Se toi<; xpo^Q^<S '^^ Tp(ot)c9i<; iXaxiEa); 
[xftTa uTcy' 6TY). Die Bemerkung von Maass a. 0. S. 28, dass 
der Mann, welcher sich gerade die Zahl 483 ausgesucht, der 
eratostheni sehen Ansetzung der Zerstörung Troja's 1183 bei- 
gepflichtet habe, ist völlig einleuchtend : eine so hübsch runde 
Zahl — 700 V. Ch. — Hess man sich nicht entgehend Nun 



* Die Combination, durch welche Maass a. O. S. 29 wahrscheinlich zu 
machen sucht, dass Eratosthencs nach ApoIIodoros von Erythrae die Sibylle 
ins achte Jahrhundert gesetzt habe, ist mir zu unsicher; dass der letztere 
sie in jene Zejt versetzt habe, durchaus wahrscbeiDlicb. 



DfB SIBtLLmtSGIfB QUBLLGROfTB IN BlilrTHRAB ^d 

drängt sich eine weitere kleine Rechnung von selbst auf: 
162 n. Ch. ward, wie unten nachgewiesen werden soll, aller 
Wahrscheinlichkeit nach unser Gedicht eingegraben (172, 
des Verus Todesjahr ist überhaupt der späteste Termin). 
'Blühte' nun die Sibylle um 700 v. Gh., so war sie um 740 
geboren, dann war sie 162 n. Gh. also rund uud fast genau 
900 Jahre alt. 

Mit den Worten Tcaaav ItuI j^Ööv'eßTiV stellt sich unsere Si- 
bylle als die eine Ursibylle hin, welche nach ihren verschie- 
denen Aufenthaltsorten, deren die Sibyllenlisten bis zu zehn 
aufzählen (s. Maass a. 0., Klaros S.1'28 f.), verschieden be- 
nannt worden sei. Damit tritt sie wieder in Wettbewerb mit 
ihrer troischen Nebenbuhlerin, denn auch von dieser wollte 
man wissen, dass sie ^x.naB (xev t6 tcoXü tou ßtou Iv S&jjkj), ayi- 

X6T0 Sexal 6; KXdpov ty)v KoXo^wviwv y,xi e? AtjXov T6 xal I; AeX^oii;*. 

Auch darin liegt übrigens ein paralleler Zug der beiden 
feindlichen Versionen, dass in beiden die Wanderin in ihre 
Urheimat, hier nach Erythrae, dort nach der Troas, endlich 
zurückkehrt. Die letztere war freilich notorisch tot und begra- 
ben, während die erstere noch lebend, wenn auch nur in Mar- 
mor lebend, von ihrem Felsthron herab zu uns redet ^. 

V. 1 1 f. erst geben mit Fleiss eine knappe Andeutung 
über das Sibyllenbild und die übrigen Scenerie der Grotte. 
* Jetzt aber (d.h. von meinen Wanderungen zurückgekehrt) 
sitze ich wieder hier auf diesem geliebten Fels, mich an 
lieblichen Wassern ergetzend'. Zunächst eine kurze gram- 
matische Anmerkung über xip rviSe TcsTpY) rnLon, Diese Worte 
entsprechen offenbar dem obigen t^Ss 6(pi?^o(xevT(i xeTpri und 



< Vgl. z. B. die Sibyllenliste, Klaros S. 121 eariv oSv itpüStT) St6uXXa ^ 
XaXSaia ^ Ilepai^ . . . Beut^pa f) AJöuaaa, Tp^TT) f) AeX^/j, TCTapTrj f) 'ItaXtf, 
i'f) *Epuöpaia, 7'f)2ajiia..,, ^' f) Kufia^a, ^ti? X^yerai xa\ 'Afifl^XScta 
xal 'Hpo^iX?) xat TapafdivSpa xal AtjV^oöt) . ,, 7)'f) 'EXXcaicovT^a, 6'^ Opu^iai 
i ' fj AtyuTCT^a . 

> Beiläufig: Id Erythrae that sich ia der Wunderzeit'des grossen Alexan- 
der noch einmal eine Sibylle Namens Athenais auf (Strabo XIV 8. 645), 
welche Kallisthenes sogar dreist mit der alten berühmten gleichsetzte und 
die göttliche Herkunft seines Helden bestätigen Hess (Strabo XVII S. 814) 



30 Dlfi SlBYLLINtSCHB QÜELLGROTTB tS ERtTHBAfi 

deshalb wie aus andern nahe liegenden Gründen ist die An- 
nahme, dass Tcapi hier für M oder auch iv eingesetzt sei, un- 
bedingt erforderlich. Und dieser Gebrauch ist ebenso merkwür- 
dig als ausreichend zu belegen. Der vom Hellenismus mit den 
Präpositionen getriebene Missbrauch geht weit über die Gren- 
zen der bisher angestellten philologischen Observation hinaus; 
von allem andern abgesehen, mag nur bemerkt werden, dass 
die Bedeutungsgebiete derselben sich stark verschoben und 
teilweise erweitert haben. Dies gilt ganz besonders von xap<fc *. 
Diese Präposition, fast gleichviel [ob mit dem Dativ oder 
Akkusativ verbunden, masst sich u. a. oft ein ganzes Teil der 
Funktionen des ev an. Ich führe nur zwei inschriftlich erhal- 
tene, ebenfalls aus Gedichten stammende Beispiele an. In der 
Grabschrift des endlich bei Rom zur Ruhe gekommenen Ale- 
xandriners Serammon, /. G, S. /. 1794 = Raibel, Epigr. 

713, heisst es eoTretpav (xe yovEi; Twxp' AiyÜTUTOio S' apoüpat^ und 

ähnlich erlaubt sich der Syrer Proklos in der Grabschrift für 
sein Töchterchen /. G, S, /.1970 = Kaibel, ^/?/gT.703 V.l xei- 
(xat xapi TUfxßt}) und V. 3 YatÄTcocTpt;, y) TrapaxEifjLai. Dass hier 
Tcapi *in\ nicht 'auf ist, verschlägt nichts: es kommt nur 
auf die Einsetzung des xapa für iv an und den vielen Belegen 
für diese Leistung des orientalischen Griechisch fügt unser 
erythräischer Dichter einen neuen hinzu. 

Der Zusatz vöv ayttvoi; ilSaoi TepTvOfxevv) ^ V. 12 ist uns be- 
sonders wichtig, da er die oben (vgl. S. 19) schon voraus- 
gesetzte Zusammengehörigkeit des Gedichtes mit den übrigen 
Inschriften deutlich bekundet. Denn diese 'lieblichen Wasser' 
sind doch wol nichts anders als die TwYiyy) toO uSxto; der unter 
4. besprochenen VVeiheinschrift des Heiligtums, welche der 
unbekannte Patriot von Erythrae zusammen mit den Bildern 
der Sibylle und ihrer Mutter geweiht hatte. Der Quell aber 
gehörte notwendig zur Scenerie: den wie sollte der Najade 

* Vgl. eiaiges dem Folgenden Verwandle, das ich Jahrbücher für Philo- 
logie 1891 S. 537 beigebracht habe. 

^ Nuv ist doch wol nicht zum voraufgehen loa ^(lat, sondern zu den fol- 
genden Worten zu ziehen, was für die Sache nicht ganz gleichgültig ist. 



blE SIByLLINISdHä OUBLLG^ROtTfi IN EBYTHRAfi M 

ohne solchen wol sein ? Und war eine Quellgrotte nicht die 
Scene der Geburt der Sibylle ? 

Auffallend aber ist auch hier wieder die Ähnlichkeit der 
Angabe des jungen erythräischen Sibyllenheiligtums mit der 
des gegnerischen troischen Sibyllengrabes : bei demselben 
rauschte ein Quell in ein Becken hinab, daneben stand eine 
Gruppe von Nymphen (Pausanias X, 12, 6 a. E.). 

V. 14. Nicht etwa av ivöricetv sondern ivavöriffgiv, wieder 
blühen. Das Wort ist recht selten, aber frühhellenistisch (Theo- 
phrast gebraucht es einmal); neugriechisch ist es als ^avavötCo) 
erhalten geblieben. Der Pleonasmus ivavOTQaetv aSöt? ist gut 
griechisch. 

Die letzten Worte der Sibylle führen uns vollends zur Er- 
klärung des gesamten Fundes über. Jene freut sich, dass 
nunmehr die Zeit, * leibhaftig' oder * wahrhaftig' (denn so ist 
j^p6vo<; [;.ot IXyjXuöev y)Sy) i^Tjör); genau wieder zu geben) da ist, 
welche nach ihrer alten Prophezeiung der Vaterstadt eine neue 
Blüte zeitigen wird 7:aTpY)v 1; ff Ckiris ßavTt vecp 'EpuOpcp, 
d. h. mit des neuen Erythros Einzug ins liebe Vaterland. 

Die Sage nannte Erythros, Sohn des Rhadamanthys auf 
Kreta, den Gründer ^otxi(jT7)<;, xTiaTTii;: Pausanias VII, 3, 7. 
Diodor V, 79. 84) von Erythrae und so hebt denn auch eine 
recht prosaische metrische Inschrift (LeBas- Waddington, 
Asie Nr. 55) von dort an y) Sta(n)[A0TaT7) 'EpuOpou tcoXk;. Dass 
unser 'neuer Erythros' eine hohe Standesperson, sagen wir 
nur gleich die höchste der damaligen Welt, bedeutet, versteht 
sich von selbst, sobald man sich der besonders in Inschriften 
so zahlreichen veo; 'AttoXXwv, veo; Atovudo;, vea ''Hpa, 'A^po- 
StTT) und ähnlicher schmeichelhafter, Königen, römischen Kai- 
sern, Kaiserinnen und Gliedern des Kaiserhauses beigelegter 
Titel erinnert. Die Beantwortung der Frage aber, wer der 
neue Erythros sei, ist, seit der Zusammenhang zwischen unse- 
rem Gedicht und Inschrift 4. nachgewiesen ist, nicht mehr 
eben schwer; nur dass wir die Wahl zwischen den beiden 
Kaisern der angeführten Inschrift haben, zwischen Marcus 
Aurelius Anloninus und Lucius Aurelius Verus. Für welchen 



3i t)IB SlBtLLINISGHB ÖÜELL6B0T1*E IN BRYf HRAB 

von beiden man sich zu entscheiden habe, darüber wird man 
sich klar sein, sobald man sich ein Bild vom Anlass unseres 
Gedichtes gemacht hat. Die letzten Worte desselben beziehen 
sich doch offenbar auf einen, gleichviel ob bevorstehenden 
oder stattgehabten Kaiserbesuch in Erythrae, welcher einem 
Patrioten der Anlass wurde, die im Obigen erörterte Stiftung 
zu machen und zugleich durch den Mund der wieder zum 
Leben erstandenen uralten Sibylle, des Stolzes der Vater- 
stadt, dem neuen kaiserlichen * Gründer' (xti(ttx<;) eine an- 
mutig schmeichelnde Huldigung zu bringen. 

Welcher von beiden Kaisern kann nun Erythrae besucht 
haben? Marcus schwerlich. Er war 176 wegen Cassius' Auf- 
stand zwar im Orient, aber von einem Aufenthalt in Kleina- 
sien erfahren wir nichts ( Capitolinus, Anton. 25 f.) ; auch war 
damals Verus längst tot, was allein schon jenes Jahr und so- 
mit überhaupt den Marcus ausschliesst. Viel geeigneter er- 
scheint von vorn herein Verus, des pflichttreuen, ernsten, 
rastlos arbeitenden Marcus unthätiger, vergnügungssüchtiger 
und verschwenderischer Bruder. Erfand leichter Gelegenheit, 
Zeit und Lust zu einem unterhaltenden Besuch im herrlich 
gelegenen, sibyllenberühmten Erythrae, das auch damals noch 
eine der ansehnlichen Städte Asiens war. Und es fehlt meiner 
Annahme auch nicht an einem Anhalt. Als Verus zur Füh- 
rung des gefährlich lodernden Partherkrieges nach dem Orient 
zog, verschleuderte er unterwegs Zeit und Geld in Apulien, 
Korinth und Athen, sodann per singulas maritimas 
civitates Asiie, Pamphylisß Ciliciseque clariores i^olup" 
tatibus immorabatur (Capitolinus, Ver. 6 a. E.). Nun, zu 
den clariores maritima^ cwitates Asiee gehörte Erythrae 
gewiss und so wird ihm der Kaiser auch seinen Besuch abge- 
stattet haben ; ob er freilich der Stadt die alte Blüte, Tuäaav 
iuvo(;.t7)v TvXoöTÖv t' ap6Tr)v t6, wie unser Dichter erhoffte, wie- 
dergegeben hat, das ist uns nicht überliefert. 



DIE SIBYLLINISGHB QUELLGROTTE IN ERYTHRAE 33 

Die Besprechung des oben unter Nr. 3 erwähnten, von mir 
noch auf der Ausgrabungstelle vorgefundenen Inschriftsteines 
habe ich dem Schluss vorbehalten, weil er ganz für sich 
steht. Es ist das untere Bruchstück eines schönen Marmor- 
blocks, ganz ähnlich dem Marmor mit dem Gedicht, wie die- 
ser 47*" breit, etwa 28*" dick, von der Höhe nur 70"" erhal- 
ten; Buchstaben ungemein hässlich, dürftig und von unglei- 
cher Höhe M z. B. 3, T 4'^'- hoch. 

\ ^ I e I K 

M I O Y T O 

L NeneccoMeNoic 



So meine Kopie und Notizen. Dass diese in Wirklichkeit 
weit hässlichere Schrift von anderer Hand und viel später als 
die oben behandelten von einer sorgfältigen und eleganten 
Hand gearbeiteten Inschriften, eingegraben ist, bedarf keines 
Beweises ; die Steine aber, auf denen diese Inschrift und 
das Gedicht stehen, waren, nach ihrem Ausseren und den 
gleichen Massen zu schliessen, allerdings Gegenstücke. Ein 
merkwürdiger Zufall will nun, dass die Inschrift, zu welcher 
unser Bruchstück gehört, von LeBas ' im N. 0. der Akropolis' 
gefunden und abgeschrieben worden ist; sie steht LeBas, Asie 
Nr. 58 und mag, wie auch schon bei Waddington und Raibel, 
Epigr, 1075 geschehen ist, nach den angestrebten rein accen- 
tuirenden, rhythmischen Gliedern abgeteilt werden (die Striche 
bezeichnen die wirklichen Zeilenenden). 

'AyaÖTj Tuj^Y) 

Nu(X(pai; Naiidtv iya>.|X6a6vo;, ev6a SißiiXV/), | 
EtpYivT); ap$a; E0TOj^ia|vo; t6 TU&poiOe ( 
Säxä'vai^ iTot'ixo; 'äYö(pav6(xo; cpi>.6T6i(xo;, | 

Ix TTpoaoSwv tSt(i)v I TTJ TTarptSl t6 uS(i)p, I 

ATHEN. MITTHEILUNGEN XVII. 3 



34 DIB SIBTLLINISGHE QCELLGROTTB IN ERTTHRAB 

^atSpuvev TS Ypa^ai? | i^rixo^piiQ^flCC to iuXtetov | * 
[/.vr,(jL6<T'jvov [toCto] I TOiGtv [eir£aGO(iivoi(. 

Ein verzweifelt *im Irrgarten der Metrik umherirrender' 
Poet und hoffnungsloser Stilist, von der aus späteren Inschrif- 
ten so wol bekannten Art. Und seiner wüsten Leistung ent- 
spricht die Schrift: da gehen alle möglichen Buchstaben- 
formen durcheinander, A und A, ¥ und Y, M und M, C , 
E und C, e ; stehend sind die Formen z und U) ; an Ligaturen 
erscheinen ¥N , HF, HC. Kurz, Gedicht wie Schrift gehören 
frühestens dem dritten Jahrhundert. 

LeBas giebt ausser der ungefähren Fundstätte noch an, dass 
der Stein eine Basis und die Höhe der Buchstaben 3 72*" sö* ? 
Waddington, dass die Inschrift ausgezeichnet erhalten sei und 
nur die fehlenden Enden der drei letzten Zeilen von jenem in 
der oben angedeuteten Weise 'hergestellt' worden wären. 
Diese Zeilenenden liegen nun offenbar auf unserem Bruch- 
stück vor; denn der Rest von Z. 1 welcher vielleicht auf 
AYv 161 N schliessen lässt, muss dem AYAieiON bei LeBas 
entsprechen. Meine Abschrift halte ich für so genau, dass die 
Zerstörung eines Buchstaben in dem Raum zwischen I und N 
angegeben sein müsste; das kleine O ist also vielleicht vom 
Steinmetzen vergessen worden. Aber LeBas muss sich, wie 
mir scheint, auf seiner Tafel, wo die drei letzten Zeilen so 
aussehen 

eniKOCMhCACToÄ'YÄieiON 
MNHMOCY N ON T O ¥TO 

(^ To I c I Nene c CO M SNoic 



^ IjcBas hat das von ihm anf?ohlich gelesene aüXieiov zu cl\jXiov hergestellt, 
doch ist nichts zu ändern; man kann diesem Mann schon etwas zutrauen, 
seinem vulgären Ohr war ein Spondiacus schwerlich wohlgefällig, der Hial 
aber sicher ein Greuel. Im Uhrigen ist seine Stufe schon die neugriechische 
und so mag er x auXisiov wirklich geleistet haben. Der Apostroph in LeBas* 
Abschrift gehört vielleicht nicht hinter Ä. sondern hinter das voraufgehende 
T, so dass unser Dichter wirklich TÄYAieiON schreiben zu wollen 
scheint. 



DIE SIBTLLINISGHE QUELLGROTTE IN ERTTHRAE 35 

eine Willkür gestattet haben, indem er das von ihm Ergänzte 
auf jener selbst einsetzte : A' Y A 1 6 1 hat er aus den halben 
Buchstaben wol sicher erkennen können ; aber auch o N , das 
in der Umschrift doch als ergänzt gegeben wird, sowie OYTO 
und eneCCOMENOIC, wofür dasselbe gilt, erscheinen 
auf der Tafel. Ungenau ist es ferner, dass der absichtliche 
Abstand der beiden letzten Zeilen, welche eine Art für sich 
stehender Clausula enthalten, in der Abschrift nicht wiederge- 
geben ist. Im Übrigen ist nicht zu bezweifeln, dass unser 
Bruchstück die Inschrift LeBas Nr. 58 ergänzt : dafür sprechen 
auch die Ähnlichkeit und die gleiche Höhe der Buchstaben so 
wie die Breite unseres Bruchstückes. 

Ich trete nun dieser Inschrift selbst näher. Der Erythräer 
Eutychianos, ehemals Eirenarch und Agoranom ^ hat mit sei- 
nem Sohne zusammen seiner Vaterstadt eine Quelle gestiftet 
und die Grotte mit Bildwerk geschmückt. Wo, wissen wir 
schon durch den Fundort des Steins^, aber auch sein Stifter 
hatte die Absicht, den Ort recht feierlich zu bezeichnen, näm- 
lich in dem verunglückten und syntaktisch vereinsamten Ein- 
gungsverse : 

NojJLyaicNat&div ayaX>.6(x.6voc, IvOa Si6ü>.>.yi;. 

Also: Er, der sich der Najaden freut, Eutychianos, hat 
dort, wo der Sibylle Grotte ist, die Quelle gestiftet. 'AyaXXofiE- 
vo; weiss ich mit Wahrscheinlichkeit nur auf Eutychianos zu 
beziehen und hinter StßüXXYK; hat der Mann ein avTpov, auXtov, 
Upöv oder dgl. wol nur weggelassen, um das Mass nicht noch 
weiter zu überschreiten. 

Ich komme endlich zu dem Schluss, dass etwa im dritten 
Jahrhundert oder noch später Eutychianos die von jenem un- 



^ B. war Eirenarch und Agoranom gewesen, beides eui^iSyw?. 

* Der Fundberichl eines Griechen, welcher unsern Slein sowie sein Ge- 
genstuck als Thürpfoslen behandelte, behauptete sogar ausdrücklich, dass 
beide 8leine noch an ihren ursprünglichen Stellen sich gefunden hätten, 
mit welchem Recht, kann ich nicht wissen. 



36 DIE SIBYLLINISGHE QUELLGROTTE IN ERTTHRAB 

bekannten Patrioten unter Kaiser Marcus gestiftete Quelle, 
welche wol allniählich verwahrlost und versiegt war, wieder 
herstellte und das Wasser wieder fliessen machte. Zu welchem 
Ende er den Stein, dem er sein Stiftungsgedicht anvertraute, 
dem marmornen Träger des sibyllinischen Gedichts jenes Vor- 
gängers äusserlich anglich, ist schwer zu sagen. 



NACHTRAG 

Soeben ist mir S. Reinach's Besprechung der oben behan- 
delten Inschriften, besonders des Epigramms, in der Revue 
des etiides grecqiies IV S. 276 £f. bekannt geworden. Die- 
selbe ist nach meiner früheren Mitteilung in der Wochen- 
schrift, aber ohne Kenntniss derselben geschrieben, und konnte 
sich leider nur auf die Angaben und ungenauen Abschriften 
des Herrn Sotiropulos stützen. Dies hat einige Irrtümer ver- 
anlasst; in mehreren Punkten treffen wir uns, so in der Deu- 
tung des veo? "EpuOpo; auf Verus. Wenn Reinach S. 285 aber 
von der späten Umrechnung des Zeitalters der Sibylle auf 
Romulus' Regierungszeit (753-14) und zwar von ihrem mitt- 
leren Jahre 735 ausgehend, das Jahr 165 n. Ch. als Abfas- 
sungszeit unseres Epigramms ermittelt, so kann ich ihm darin 
nicht zustimmen. Ich finde ausser 162 kein passendes Jahr 
für einen Besuch des Verus in Erythrae. 

Leipzig. 

K. BURESCH. 



V 




ALTNAXISCHE MARMORKUNST 



(Hierzu Tafel VII) 



Von naxischer Kunst meldet die litterarische Überlieferung 
nicht viel mehr als ihre Existenz. Man berichtet uns von na- 
xischen Bildwerken, die auf der Insel selbst und dem benach- 
barten Delos zu sehen gewesen seien, wir hören selbst von 
einem naxischen Künstler, aber die einzige Leistung naxi- 
scher Werkstatt, von der wir Genaueres erfahren, gehört in's 
Gebiet des Handwerks, nicht der Kunst. Nur von den Monu- 
menten selbst dürfen wir Belehrung erwarten, und diese er- 
halten wir, wie ich darzulegen hoffe, reichlich und über- 
zeugend. Jene versprengten Reste litterarischer Tradition wer- 
den durch die monumentale auf's glücklichste erläutert und 
^ergänzt werden ; bis dahin lassen wir sie, um vor allen Vor- 
urteilen sicher zu sein, völlig bei Seite. 

Ich gehe aus von einem äusserlichen Merkmal, das in den 
meisten ähnlichen Untersuchungen eine untergeordnete Rolle 
spielt, dem Material. 

Von den auf der athenischen Akropolis gefundenen Skulp- 
turen bestehen einige aus einem so grobkörnigen Marmor, ' 
dass sie schon dadurch von der Masse der übrigen, wie von 

ATHEN. MITTHBILUN&BN ZVII. 4 



38 ÄiTKAXISGHfi MARMORiUNSf 

den meisten antiken Skulpturen sich absondern. Eine be- 
stimmtere Meinung über die Herkunft dieses eigentümlichen, 
überaus leicht erkennbaren Materials besass man bis in neuere 
Zeit nicht, und eine mündliche Mitteilung von Russopulos 
(Sitzung des athenischen Instituts vom 23. Jan. 1889), dass 
genau solcher Marmor auf Naxos anstehe, wurde mit einiger 
Zurückhaltung aufgenommen, weil die damals und noch jetzt 
geläufige, wol von allen Fachgenossen geteilte Ansicht, dass 
die erwähnten Skulpturen samisch seien, mit jener Angabe 
sich nicht ohne weiteres vereinen liess. 

Die Frage gewann an Wichtigkeit, als Lepsius denselben 
'ganz grobkörnigen Inselmarmor' auch an nicht wenigen 
Monumenten des Nationalmuseums nachwies. Später hatte 
ich Gelegenheit, im Museum der delischen Funde auf Myko- 
nos sowie auf Delos selbst denselben Marmor an verschiede- 
nen Monumenten, besonders auch an dem Koloss der Naxier 
wiederzufinden. Da Lepsius bei einem kurzen Besuch von 
Naxos, der ihn nur an der Westküste entlang bis zu dem be- 
kannten kolossalen ' ApoUon ' an der Nordspitze der Insel 
führte, den ganz grobkörnigen Marmor nicht gefunden hatte, 
so galt es, die insel genauer zu durchsuchen. Den Marmor in 
den Brüchen bei Aperanthos fand ich nicht wesentlich ver- 
schieden von dem an der Nordspitze der Insel, dagegen traf 
ich auf den gesuchten Marmor inmitten der Insel, im Bezirk 
Tragea*. Die mineralogische Würdigung der gewonnenen 
Proben hat Lepsius bereits unternommen -^ und damit das si- 
chere Fundament für die archäologische Untersuchung ge- 
schaif en . 

Ich gebe zunächst ein nach Fundorten geordnetes Verzeich- 
niss der mir bekannten Monumente aus ganz grobkörnigem 
naxischen Marmor. Für die in Griechenland aufbewahrten 
Stücke kann ich mich zum Teil auf Lepsius' Diagnose beru- 



< Vgl. die Karle bei Dugit, De insulaNaxo, Paris 1867. Arch.-epigr. Mitih. 
aus Österreich XIII S. 179. 
^ Griecli. Marmorsludien, Anhang 3. 132 il'. 



ALTNA21SCHB ttARMORKUNSt 39 

fen. London besitzt ein Stück des delischen Kolosses, nach 
Paris habe ich eine Probe vom Anstehenden geschickt ; dar- 
nach haben Murray und Heron de Villefosse die Güte gehabt, 
die wichtigen dort aufbewahrten Skulpturen gleichen Mate- 
rials zu bestimmen. Abweichende Urteile anderer siehe unter 
2-3 und 42. 

I. UNBEKANNTER HERKUNFT 

1. Kolossaler Lowe. Vor dem Arsenal in Venedig, von links gezählt der 
dritte der vier Löwen. Thiersch, Reisen in Italien I S. 223 (* der eine au^ 
den Vorderfüssen, acht Spannen lang und hoch . . . aber zu schmächtig'). 
Fnrtwängler, Sammlung SabourofT I, Scuipturen Einleitung S. 5i Anm. 3. 
Vgl. die Ansicht des Arsenals bei Laborde, ParthSnon. Nicht wie die ande- 
ren drei aus Attika. Laut der Inschrift: 'Anno Corcyrx liberatx' 1716 auf- 
gestellt; vgl. Laborde, Athenes II S. 241 Anm. 2. Kopf modern, die Mäh- 
nenhaare ungeschickt überarbeitet. H. (ohne Piinthe) etwa 1,85. L. (mit 
modernem Kopf ) 2,42. H. der Piinthe (an einer Stelle messbar) etwa 0,10. 
L. der Piinthe 1,82. 

II. AKTION 

2-3. Nackte Jünglingstorsen ^ jetzt Paris, Louvre, abgeb. Gazette archi^ 
ohgique 1886 Taf. 29, 1.2 S. 235 ff. (Collignon). Brunn, Denkmäler Nr. 76, 
1. 2. Vgl. Arch. Zeitung 1882 S. 52 (Furtwängler). Bull de corr, hell XI 
8. 179 Anm. 1 (Holleaux). 

III. OLYMPIA 

4. Im dortigen Museum, aufbewahrt unter den Giebelfragmenten: Frag- 
ment eines flachen Marmorbeckens. 

IV. BOIOTIEN 

a. Funde vom Ptoion; vgl. die Liste bei Holleaux, Bull, de corr. hell 
XI 8. 177 fl. 

5. Nackte JönglingsGgur. Athen, Nationalmuseum 10. Abgeb. BulL de 
corr, hell, X Taf. 4, S. 66 ff. (Holleaux). Journal of Hell, studies 1887 8. 
188, vgl. 1890 8. 132 (Gardner). Brunn, Denkmäler Nr. 12 rechts. Vgl. 
Bull, de corr. hell. XIV 8. 138 Anm. 1 (Lechat). Lepsius 252. 

6. Jünglingskopf. Athen, Nationalmuseum 19. Lepsius 253. 

7. Kleiner Jünglingstorso. Athen, Nationalmuseum 69. H. 0,54. Es fehlen 



* Nach einer Mitteilung Blinkenbergs bestände nur der ältere von diesen 
Torsen aus gröbstem Marmor. Die Schwierigkeit hebt sich durch die Wahr- 
nehmung, dass auch der Tragea-Marmor manchmal nur mittelgrob ist. 



40 AtTNAXiSGHE MARllORKÜNgt 

die Arme bis auf den linken Unterarm. Die Beschreibung von Holleaax 14 
(Inv. 82) passt hierauf nicht, ebensowenig aber eine der anderen. 

8 Fragment einer nackten Junglingstigur. Kloster Palagiä beim Ptoion. 
H. 0,37. Erhalten von Halsgrube bis Nabelgegend; Arme fehlen. Holleaux 4. 

9. Fragment einer überlebensgrossen nackten Jünglingsfigur. Kloster 
Palagiä. H. 0,62. Erhalten rechte Brust und Schuller mit Schopfende. Hol- 
leaux 1. 

10. Fragment einer kleinen nackten JünglingsGgur. Kloster Palagiä. H. 
0,16. Erhalten Oberteil der linken Körperhälfte. Holleaui 13. 

11. Fragment eines 1. Oberschenkels mit Rest der anliegenden Hand. ^ 
Kloster Palagiä. H. 0,21. Wol Holleaux 65. 

12. Kleinere Fragmente ähnlicher Figuren, die ich nicht mit den von 
Ek)lleaux aufgezahlten identiüziren konnte, auch nicht im einzelnen ver- 
zeichnet habe.. Kloster Palagiä. 

13. Marmorbasis. Im Ptoion. H. 0,30. B. 0,57 bez. 0,47. 

b. Wahrscheinlich vom Ptoion. 

14. Nackte JünglingsGgur. Laut brieflicher Mitteilung Murray's von 
Akraiphiai. London, British Museum. Abgeb. Murray, History of Greek 
sculpture I Taf. 2 zu S. 108; Arch. Zeitung 1882 Taf. 4, S. 5J,tr. (Furl- 
wängler). Brunn, Denkmäler Nr. 77, Mitte. Vgl. Bull, de corr, hell, XI S. 
179,1 (HoUeaui). 

V. M EG ÄRA 

15. Torso einer überlebensgrossen nackten JünglingsGgur. Athen, Na- 
tionalmuseum 13. Sybel 2, wo ältere Litteratur. Lepsius 251. 

VI. ATHEN 

a. Stadt. 

16. Fragmenle einer JünglingsGgur, gefunden beim Waisenhaus an der 
Piräusstrasse. Nalionalmuseum 71. Abgeb. 'E^rnAcpU «px- 1887 Taf. 1, S. 35 ff. 
(Sophulis). Lepsius 250. 

17. Jünglingstorso, ähnlich bewegt wie der Torso Lepsius, Marmorstudien 
S. 72, Nr. 46; von einem Reiter? Neuerdings aus dem Varvakion ins Na- 
tionalmuseum gekommen. 

18. Hinterkopf mit geknoteter Binde. Nationalmuseum. Bezeichnet mit 
rotem P (d. h. riupYo? täv av^fxwv). Nicht bei Heydemann, Bildwerke ^ 

b, Akropolis. 

19. Oberteil einer weiblichen Fi^'ur. Abgeb. Musies d' Athines 9 (Sophu- 
lis). Jörgensen, Kvindcfigurer S. 29 (Rückansicht). Vgl. Journal of Hell, 
studies 1887 S. 187. 1890 S. 132 (Gardiier). liull. de corr. hell, 1890 S. 132 
ff. (Lechat). 'E^rKxepi? apy^. 1888 S. 109 ff. (Sophulis). Lepsius 1. 

20. Weiblicher Torso. Abgeb. 'E^TKxipU Äp)^. 1888 Taf. 6, S. 109 ff. (So- 



* 17 und 18 können von der Akropolis stammen. 



ALTNAZrSCME MARMORKUNST 4i 

phulis). Vgl. Athen. Mitth. XII S. 146 (Petersen). Journal ofHelL studies 
4888 S. 420 (Harrison). BulL de corr. hell. 1890 8. 436 ff. (Lechat). Le- 
psius 2. 

21. Fragmente von einer oder mehreren Figuren» zusammen aufbewahrt 
in einem der Schränke des alten Museums : a. Stück eines r. nackten Un- 
terarms, b. Stück Hinterkopf mit ungeknoteter Binde, c. Stück Schopf mit 
glaltgearbei teter Unterfläche, d. Drei Gewand Fragmente. 

22. Linker Oberarm einer weiblichen Figur. Im neuen Museum. Abgeb. 
unten S. 49. 

23. Fragmentirte Figur eines vierfüssigen Tiers. Sybel 6027. 

24. Fragmente eines von sechs weiblichen Figuren getragenen, reich or- 
namentirten Beckens. Eine der Figuren ist abgebildet bei Jörgensen, Kvin- 
deßgurer S. 33, das ganze auf Taf.7, 1.2. Erhalten sind drei Stücke der Kranz- 
platte, welche deren rechteckigen Grundriss und den Umfang des Hohl- 
raums sichern, der Fuss mit den Figurenresten und ein Rest des wulstigen 
Verbindungsstücks mit einem Teil der Wölbung und drei formlosen Ansät- 
zen, deren Lage auf urspünglich sechs im Kreise geordnete ^Stützen hin- 
weist. Die Gestalt des Hohlraums lässt sich aus den kleinen Resten nur 
annähernd feststellen. Auf dem ornamenllosen Teil der Kranzplatte liest 
man lAOT, nach Lolling Rest von TpiToysyei, das den Schluss der links- 
läufigen Weihinschrift bildete. Die Figuren allein öfter erwähnt: Athen. 
Mitth. XIII S. 440 (Wolters). Journal of Hell, studies 1889 S. 265 (Gard- 
ner). American Journal of archaeology 1889 S. 94 (Frothingham). Verhandl. 
der 40. (görlitzer) Philologenvers. S. 355 ( A. Schneider). Lepsius 3. 

25. a, Fragmente eines ähnlich verzierten Beckens. Abgeb. Taf. 7,3. Zu 
reconstruiren ist nur die Kranzplatte aus drei Stücken, die durch den Ver- 
lauf des Randes und des Ornaments festgelegt werden. Der Hohlraum scheint 
ungefähr halb kugelförmig gewesen zu sein. Der grössere Inschriftrest CLA, 
IV, 1 S. 96,373 ^^'^, Zwischen ihm und dem kleineren bleibt so viel Raum, 
dass die Ergänzung -z^f äy^Xiia Ai6( y^auxciSTciSi xoupT) so gut wie sicher 
ist. — h. Wahrscheinlich zugehöriger kanellirter Fuss ( Dm. 0,50). 

26. Fragmente eines flachen muldenförmigen Gefässes. 

27. Fragment eines sehr roh gearbeiteten Dachziegels. B 0,4S. L. (so- 
weit erhalten) 0,445. D. 0,05. Schon oben nur grob, unten noch gröber ge- 
spitzt. An den Seitenrändern 0,04 breite wulstige Erhöhungen. Auf der Ober- 
seite, der Längsrichtung des Ziegels folgend, in etwa 0,17 hohen, unsiche- 
ren Zügen die Inschrift 



4_ 
10 



9 

28. Verschiedene Fragmente von übereinstimmend gearbeiteten Flach 
und Hohlziegeln. Die äussere Seite fein, die innere grob gespitzt. Die Flach- 



42 ALTNAXISGHE MARMORKUNST 

Ziegel (L. unbcstimml, B. 0,50 bez. 0,44, D. 0,035) zeigen glatten Rand- 
beschlag (B. seitlich 0,02-0,025, sonst 0,01-0,015) and nahe dem schma- 
leren Ende auf der Unterseite ein nicht ganz durchlaufendes Querband von 
0,05-0,08 Breite und etwa 0,01 Erhebung. Die Deckziegel (D. 0,03-0,04), 
haben an ihrem schmaleren Ende einen äusseren, am breiteren einen inne- 
ren Durchmesser von 0,1^5. An jenem schmaleren Ende folgt auf den fein- 
gespitzten Rand (B. 0,06) ein etwas höher liegender ganz glatter Streif (B. 
0,05) und auf diesen, wiederum erhöht, die gröber gespitzte Oberfläche des 
Ziegels. Vom unteren Schlussziegel sind zwei Exemplare, das eine beson- 
ders gut, erhalten. Die Abschlussfläche (H. 0,16) ist ein um die Dicke der 
Flachziegel nach unten erweiterter Halbkreis (Dm. 0,25). Zur Form vgl. 
die Deckziegel bei Koldewey. Neandria, S. 46. Als Steinmetzzeichen erschei- 
nen auf der Unterseite beider Gattungen Kombinationen von AdHnPS9 
(für (D ?) ; die Buchstaben sind 0,06-0,08 hoch und kräftig und sicher ein- 
gehauen. 

29. a. Fragmente von Flachziegeln. L. unbestimmbar, B. (nur einmal 
messbar) 0,47, D. etwa 0,04. — b. Vielleicht zugehörig zwei kleine Brocken 
von Deckziegeln, die innen Wölbung, aussen Grat zeigen. Bei beiden Sor- 
ten ist die Innenseite ziemlich sorgfältig gespitzt, die Aussenseite gemeisselt 
und oberflächlich geglättet. Kein Steinmetzzeichen erhalten. 

30. Fragmente einer Inschriftbasis. Im epigraphischen Museum. C. L A, 
IV, 4 S. 198, 373 »34. 

31-33. Drei ionische Basen von 0,68 unterem Durchmesser und 0,19 Höhe. 

VII. DELOS 

33. Koloss der Naxier. Trümmer der Basis noch am Standort, Brust- und 
Hüftstück weiter im Westen, eine Hand beim Wächterhaus, Fragment der 
Einsatzplinthe und des linken Fusses in London, British Museum (Syn- 
opsis von 1827 Room 14, Nr. 103). Abgeb. die beiden ersten Stücke ganz un- 
vollkommen bei Tournefort, Voyage I S. 345 ( S. 473 der deutschen Über- 
setzung). Spon und Wheler, Voyage I S. 137 (mit der interessanten Notiz, 
dass kurz vorher un Provedileur de TinS luy fit scier le visage^ voyant que 
la Ute Stoit une trop lourde masse pour la pouvoir enlever dans son vaisseau), 
140 (hier die Basis, deren Zugehörigkeit nicht erkannt ist, und die In- 
schriften); von dem zweiten Stück scheint eine rohe und unvollständige 
Seitenansicht bei Cyriacus {Cod. hat, Monac. 716 S. 32 v), den Herr H. 
Bulle für mich freundlichst nachgeprüft hat, vorzuliegen (anders Homolle, 
BulL de corr, hell, XII S. 466 f.); das Plinthen- und Fussfragmenl bei Co- 
ckerell, Antiquities of Athens, Delos Taf. 4, 1. 2; die Baisis ExpMtion de Mo- 
He III Taf. 3, 3. 4; das jetzt verlorene, den Rest der Plinlhe mit dem r. 
und dem grösseren Teil des 1. Fusses umfassende Fragment bei Cyriacus 
p. 32 V (vgl. Bulletlino 186US. 182 Jahn). Die ursprüngliche Inschrift am 
besten bei Röhl, I, G. A. 409, die jüngere C. /. G. 10 u. ö. Vgl. noch Ross, 
Inselreisen I S. 39. Welcker, Tagebuch II S. 277 und Alte Denkmäler I 
S. 400 Anm. Michaelis, Annali 1864 S. 253. Fur^wängler, Arch. Zeitung 



ALTNAXISCHB MARMORKUNST 43 

1882 S. 329 ff. Homolle, Bull de corr. hell. XII S. 466. Die Existenz der 
jüngeren Inschrift scheint zu beweisen, dass man den zu Nikias' Zeit (PIu- 
tarch, Nik. 3) umgestürzten Koloss wieder aufrichtete, vgl. Böckh C. L G. 10 
und Furtwängler a. a. 0. 8. 331. Auf eine hierbei vorgenommene Flickung 
beziehe ich die Löcher, aus denen Welcker» Furtwängler und Homolle auf 
einen ursprünglich angebiachten Bronzegurt schlössen. Die Arme der Fi- 
gur haben an den Schenkeln keine Ansätze hinterlassen, die Unterarme 
waren also erhoben. 

35. Dreieckige mit einem Widderkopf und zwei Gorgoneien geschmückte 
Basis mit Rest einer besonders eingelassenen Jünglingsfigur, gearbeitet 
und geweiht von dem Naxier Viphikartides K Abgeb Bull, de corr. hell. XII 
Taf. 13, S. 463 ff. (Homolle). Vgl. Schöffer, De Deli insulx rebus S. 20 ff. 
Jahrbuch II S. 143 Anm. 23 (Studniczka). Athen. Mitth. XIII S. 129 
(Winter). 

36. Idolähnliche, weibliche Figur, Weihgeschenk der Naxierin Nikan- 
dre. Athen, Nationalmuseum 1. Abgeb. Bull, de corr, hell. III Taf. 1. Ho- 
molle, Diana Taf. 1, 8. 15 ff. Brunn, Denkmäler Nr. 57 links. Vgl. Arch, 
Zeitung 1882 S. 322. Münchener Sitzungsberichte 1884 S. 508 ff. (Brunn). 
Lepsius 297. Ursprünglich bezeichnete er den Marmor als den ' ganz grob- 
körnigen', was ich noch jetzt für richtig halte 3. 

37. Uberlebensgrosser männlicher Kopf mit Binde. Museum von Myko- 
nos. H. 0,41. Sehr verwaschen. Oberkopf abgeplattet; dies und die Stellung 
der Ohren beweist, dass der Kopf sich weit nach vorn schob. Erwähnt Arch, 
Zeitung 1882 S. 323 (Furtwängler). 

38. Geschlossene rechte Hand mit kleinem Rest des Oberschenkels. Mu- 
seum von Mykonos. 

39. Fragmente beider Füsse einer überlebensgrossen männlichen Figur. 
Museum von Mykonos. Beide zeigen Reste der Piinthe (D., soweit erhal- 
ten, 0,01 bez. 0,03) und umfassen Knöchel, Ferse und ein Stück Spanne. 
H. ohne Plinthenrest des rechten Fusses noch 0,21, des linken 0,22, L. 
0,26 bez. 0,28. — Zu 37 gehörig? 

40. Zwei Deckziegel mit eingezeichnetem bärtigem Gorgoneion auf der 
halbkreisförmigen Stirnfläche. Museum von Mykonos. Abgebildet mit der 
freundlich gewährten Erlaubniss des Entdeckers oben S. 37, erwähnt Bull, 
de corr. hell. XII S. 474 (Homolle). H. 0,18, B. 0,29. Technik und Form 
wie bei 27, doch fehlt die Erweiterung der Stirnseite nach unten. 



* So, nicht Euthykartides, lese ich mit dem Herausgeber, Robert (Her- 
mes XXV S. 447) und Schöffer, weil spurloses Verschwinden der schrägen 
Hasten der Ypsilon und der untersten schrägen Hasta des Epsilon bei dem 
Zustand des Steins nicht anzunehmen ist. 

2 Ich benutze diese Gelegeoheit um darauf hinzuweisen, dass bei Cyria- 
cus p. 31 r der Oberteil einer der Nikandre sehr ähnlichen Figur, wenn 
nicht dieser selbst, die in sehr geringer Tiefe gefunden wurde (fiuJZ. de corr, 
hell. III S. 100), dargestellt zu sein scheint, 



44 ALTNAXISGHE MARMORKUNST 

41. QuaJem in verscbiedeaen delischeu Bauleu, z. B. dem Tempel der 
fremden Götter. 

VIII. 8AM08 

42. Weibliche Figur mit Inschrift in samischem Alphabet, Weihgescbenk 
des Gheramyes*. Paris, Louvre. Abgeb. Bull, de corr. hell. IV Taf. 13. 14, 
8.483 IT. (Girard). Brunn, Denkmäler Nr. 56. Vgl. Münchener 8itzungs- 
berichtel884 8. 509. 514 ff. 529 ff. (Brunn). MusSesd' Äthanes zu Taf. 9 und 
'EffTi^pU apx- 1888 8. 109 ff. (8ophuIis). Bull, de corr. hell. XIV 8. 139 ff. 
(Lechat). 

IX. THE RA 

43. *Apollon\ Athen, Nationalmuseum 8. Friederichs- Wolters 14. 8y- 
bel 1, wo ältere Litteratur. Abgeb. am besten Brunn, Denkmäler Nr. 77 
rechts. Lepsius 254. 

X. NAX08 

44. Torso eines nackten Jünglings. Im Besitz des Arztes Damiralis in 
Naxia. Gefunden in der 8tadt vor 15 — 20. Jahren. H. 1,12. Erhalten vom 
Hals bis Knie, links einschliesslich Kniescheibe ; linker Arm fehlt fast 
ganz. Die Hände liegen bez. lagen geschlossen an den Oberschenkeln an. 

45. Kolossale unfertige nackte Jünglingsfigur. Liegt an einem Flerio ^ 



* Ein 8tück von der Basis des delischen Kolosses, das ich vor meinem 
Besuche von Naxos an Ravaisson schickte, erklärte derselbe für so viel grö- 
ber als den Marmor von 42, dass ihm Identität des Materials unwahrschein- 
lich sei. Zur Erklärung dieses Widerspruches genügt das zu 2-3 Bemerkte. 

3 Der Liebenswürdigkeit Jules Martha's, der 1878 diesen Ort besuchte, 
verdanke ich folgende Notizen : 

^Flerio, au S. E. de la source^ sur la pente d'une hauteur rocheuse 
( marbre). Colosse archatque, couchS sur le dos; Ute äpeine ihauchie. Hauteur 
5^50. Largeur 1^31. 

' En suivant un petit sentier qui monte ä coli de ce colosse, traces de coups 
de pic dans les rochers, entailles diverses, raies et stries qui indiquent Vexis- 
tence d'une carridre jadis exploitie ä cet endroit. Quelques gros hlocs ditachis 
gisent ä terre et semblent avoir 6t6 digrossis par endroits, comme si on avaii 
eu Vintenlton de les Irans former en colosses. Ils portent des traces de coups, 
mais Vibauche est ä peine commencSe. 

^ Plus loin vers le S. E., ä un endroit disigni sous le nom de Pharangi, 
sur une hauteur un peu plus Hev^e que celle oü se trouve le colosse de Fle- 
rio, ä cot6 d'une proprium appeUe Pelekania un fragment de colosse 6bau- 
ch6; la tHe et les jambes manquent (Hauteur du torse: 2™ environ}\ 

Nach Aussage meines Führers sind alle Stücke an Ort und Stelle geblie- 
ben, aber wieder verschüttet worden. Vgl. Bull, de corr. hell. XII 8. 467 
Anm. 1 (Homolle). 



ALTNAZISGMB MARMORKÜNST 45 

genannten Ort im Bezirk Tragea, wo, wie schon bemerkt, dieser Marmor 
ansteht. H. 5,55, B. 1,45. Linker Unterschenkel abgebrochen. Allem An- 
schein nach liegt die Figur noch wo sie gebrochen wurde und die erste rohe 
Bearbeitung fand ; vgl. Nr. 47 und 48. 

46. Baureste auf dem Inselchen Paläti (ToPtaXo) gegenüber Naxia. Abgeb. 
Tournefort, Foyo^e S. 261 (338 der deutschen Übersetzung). Choiseul-Gouf- 
fier, Voyage I Taf. 22. Expedition de Mor^e III Taf. 24. Vgl. Leake, Travels 
in northem Greece III S. 93. Dugit, De insula Naxo 36 ff. 

Diese Zusammenstellung zeigt, dass der gröbste naxische 
Marmor zu Architekturzwecken auch in späterer Zeit, we- 
nigstens in der näheren Umgebung seines Fundorts, verwen- 
det wurde. Dagegen findet sich unter den angeführten Bild- 
werken kein einziges, das jünger wäre als die archaische 
Periode. Die Folgerung liegt nahe: das eine Zeit lang ge- 
schätzte und viel verwendete Material ist durch feinere Mar- 
morsorten früh verdrängt worden. 

Jenes Material ist naxischen Ursprungs, und naxische Her- 
kunft wird für 5 der genannten Bildwerke (34. 35. 36. 44. 
45) direkt oder indirekt bezeugt; an einem (35) nennt sich 
sogar ein naxischer Künstler. Dieser Beobachtung gegenüber 
kann die grosse Zahl der in Athen gefundenen Werke schon 
wegen des unattischen Materials nicht ins Gewicht fallen ; 
es kommt hinzu, dass die dort gefundenen in naxischen Mar- 
mor eingehauenen Inschriften sich dem naxischen Alphabet 
ohne Schwierigkeit einfügen, wenn nicht geradezu, wie das CK 
von 27, auf dasselbe hinweisen. 

Allerdings mochte man manchmal auch das Rohmaterial 
ausführen, und wir dürfen zunächst nicht so weit gehen, die 
ausserhalb von Naxos oder wenigstens ausserhalb des Be- 
reiches der Kykladen gefundenen Monumente dieses Materials 
einzig ihres Marmors wegen für Produkte naxischer Kunst 
zu erklären. Wol aber dürfen wir behaupten : Lässt sich in- 
nerhalb der gegebenen Masse eine beträchtliche Anzahl von 
Monumenten als stilistisch gleichartig zusammenstellen und 
um sicher naxische Werke gruppiren, so repräsentiren diese 
Werke zusammengenommen die altnaxische Marmorkunst. 

Nicht bei Seite lassen dürfen wir bei dieser Untersuchung 



46 ALTNAZISGHE IfARMORRüNST 

zwei leider unvollendete, sicher naxische Werke, die nicht aus 
jenem ganz grobkörnigen, sondern aus dem massig groben 
Marmor von der Nordspitze der Insel bestehen. Es sind dies: 

47. Unvollendeter Koloss in einem Marmorbruch bei Komiaki ('orov 
*A7C({XXo>va). Abgeb. Ross, Inselreisen I zu S. 39 f. Schon indem Expedition 
de MorSe III zu Taf. 24, S. 9 abgedruckten Exzerpt aus dem Buch des Je- 
suiten Lichtle ist dieser Koloss als bärtig bezeichnet, Leake (Travels in 
northern Greece III S. 95) und Dugit (De insula Naxo S. 22 f.) haben dies 
von neuem beobachtet. Nicht bemerkt worden ist bisher, dass die Figur 
bekleidet gedacht war; das Gewand wurde etwa wie bei der Bronze Olym- 
pia IV Taf. 7. 40 gefallen sein^ Die Benennung Dionysos ist darnach kaum 
zweifelhaft. Lepsius 388. 

48. Unvollendete Figur eines nackten Jünglings, unterhalb desselben 
Marmorbruchs von Ross gefunden: Inselreisen I S.-4i. Athen, National- 
museum 14. Sybel 3, wo ältere Litteratur. Abgeb. Journal of Bell, studies 
1890 S. 130 (Gardner). Lepsius 255. 

Es wäre ein seltsamer Zufall, wenn die angeführten Mo- 
numente nicht vielfache Verschiedenheiten aufwiesen ; sie 
müssten dies selbst in dem einfachsten Falle, dass sie alle auf 
Naxos entstanden wären. Auf der anderen Seite sehen wir 
innerhalb der gegebenen Reihe kleinere oder grössere Grup- 
pen von Monumenten durch verwandte Züge verbunden und 
haben besonders auf die Thatsache zu achten, dass gewisse 
Eigentümlichkeiten der Typik und des Stils an weit von ei- 
nander entfernten Orten und an Werken gleichen Materials 
sich wiederfinden. Letztere Thatsache und die schon öfter her- 
vorgehobene, dass Naxos auch feineren Marmor hervorbringt, 
geben uns das Recht, die aufgestellte Reihe von Monumenten 
durch solche von feinerem Marmor mit der gebotenen Vor- 
sicht zu erweitern. 

Zwei Figurentypen herrschen in unserer Reihe vor: der 
des nackten stehenden Jünglings und der der bekleideten ste- 
henden Frau. Jener, der weitverbreitete archaische ApoUon- 
typus, ist so allgemein gehalten, dass er der Untersuchung 



^ Die Beine sind nicht, wie es in der Abbildung scheint, getrennt, son- 
dern nur gegeneinander verschoben. 



ALTNAXISGHB MARMORKUNST 47 

wenig Handhaben bietet. Dagegen tritt uns der Frauentypus 
in einer auf den ersten Blick erkennbaren Besonderheit ent- 
gegen ; von ihm dürfen wir schneller Belehrung erwarten und 
beginnen deshalb von ihm unsere Untersuchung. 

Es ist zunächst eine allgemein zugestandene Thatsache, dass 
die Figuren 19. 20. 42, denen ich die Gewandfragmente 21 
hinzufüge, sowie die tektonisch verwendeten und darum nur 
teilweise mit jenen vergleichbaren von 24, typisch und stilistisch 
zusammengehören und allen anderen Frauenfiguren archai- 
scher Kunst als geschlossene Gruppe sich gegenüberstellen. 
Speziell das Unattische ihres Stils hat man so stark empfun- 
den, dass man dem einen Werk zu Liebe, das von Samos 
stammt und eine samische Weihinschrift trägt, auch die drei 
auf der athenischen Burg gefundenen für samisch erklärte. 
Da selbst gegen diese schon einen Schritt zu weit gehende 
Folgerung sich niemals Widerspruch erhoben hat, so kann 
ich es mir ersparen, die auch nach meiner Ansicht durchaus 
trefifenden Gründe für die Zusammengehörigkeit dieser Werke 
zu wiederholen und bezeichne diese Gruppe von Marmorbil- 
dern als diejenige, welche, unter verändertem Gesichtspunkt, 
das meiste Anrecht haben dürfte, für naxisch zu gelten. 

Die anderen Frauenfiguren unserer Reihe sind nicht so ein- 
fach zu beurteilen, weil sie vereinzelt stehen. Aber dafür 
gründet die Figur der Nikandre ihren Anspruch auf ihre na- 
xische Weihinschrift, und das Fragment 22 gehört nach sei- 
nem Stil einer Zeit an, in der feinere Marmorsorten schon 
weit überwogen, darf also auf Grund seines Materials Anspruch 
erheben, aus naxischer Werkstatt zu stammen. In der That 
sind sowol diese beiden Werke wie die Gruppe jener angeb- 
lich samischen nur Glieder einer umfangreicheren Reihe, die 
sofort sich zusammenschliesst, sobald wir einige Werke aus 
anderem Marmor heranziehen. Diese aus Delos und von der 
athenischen Akropolis stammenden Werke sind : 

A. Fragment einer bochallertümlichen weiblichen Figur. Von Delosi 
jelzt im Museum von Mykonos. Beschrieben von Homolle, Diana S. 14 f 
lieb kann mipb nur aiif diese Bes^hreibuni^^ n|cbt auf Autopsie berufeu. 



48 ALTNAZISCHB ICARMORKUKST 

B. Oberkörper einer weiblichen Figur in gegürtetem Chiton. Von Delos, 
jetzt im Museum von Mykonos, Arch. Anzeiger 189! S. 85, Mykonos 1. 
2, &. H. 0,69. Weisser, grobkörniger Marmor. 

C. Weiblicher Torso in gegürtetem Ohiton und kurzem Peplos. Von 
Delos, jetzt im Museum von Mykonos. Abgeb. Homolle, Diana Taf. 3, vgl. 
8. 20 und Arch. Zeitung 1882 S. 323, Nr. 2 (Furtwängler). Stark verwa- 
schen, so dass die Einzelheiten kaum mehr erkennbar sind. So ist es zu 
erklären, dass Furtwängler den Arm ursprünglich vorgestreckt, jetzt abge- 
brochen glaubte und dass die Spuren des Obergewandes, dessen Form die- 
selbe wie bei 19. 20. 42 war, bisher übersehen wurden. Der Marmor erinnert 
stellenweise an den ganz grobkörnigen. 

D. Weibliche Figur. Athen, Akropolis. Abgeb. Mus^e d'Athines Taf. 10. 
'Efruupii apx' 1887 Taf. 9. Gazette arch. 1888. Taf. 10,1. Antike Denkmäler 
I Taf. 19 rechts. Brunn, Denkmäler Nr. 57 rechts. Vgl. neuerdings Verhandl. 
der 40. (görlitzer) Philologenvers. S. 358 (A. Schneider). 'E^ijjjLcpl? apx« 
1891 S. 168 (Sophulis). Lepsius 5. 

E. Oberteil eines weiblichen Torso. Von Delos, jetzt Museum von My- 
konos. Abgeb. Homolle, Diana Taf. 4, 1.2. H. 0,37. Der Kopf war, wie der 
Verlauf der Haarsträhne zeigt, ein wenig nach der linken Schulter gedreht. 
Grobkörniger etwas bläulicher Marmor. 

F. Weibliche Figur. Athen, Akropolis. Abgeb., ausser bei Lepsius, Mar- 
morstudien S. 69, 'E<pi)(xspl« apx. 1891 Taf. 15, S. 168 (Sophulis). Vgl. Ver- 
handl. der 40. (görlitzer) Philologenvers. S.359 (A. Schneider). Lepsius 16. 



Das wichtige Monument, welches die Einheit dieser Ty- 
penreihe verbürgt, ist C. In der balkenähnlichen Grundform 
gleicht dieses Fragment noch fast völlig der Nikandre und 
ihren Verwandten (^4) B\ auch ist der durch den Gürtel 
scharf eingeschnürte Chiton noch faltenlos wie dort. Aber drei 
Neuerungen von entscheidender Bedeutung treten uns entge- 
gen : die Leblosigkeit der streng symmetrischen Anlage ist 
gehoben, indem der linke Arm sich vor die Brust legt und zu 
dem gegürteten Chiton ein kurzer, unsymmetrischer, »ämlich 
auf der Seite des gesenkten Armes tiefer herabreichender Pe- 
plos tritt, und ferner wird die langweilige Fläche des Gewan- 
des zum ersten Male durch Innenzeichnung* belebt. Die bei- 

^ Die Spuren von *7-8 breiten horizontalen Mäanderstreifen', die Furl- 
.Wängler an 36 beobachtete, habe ich nicht entdecken können ; übrigens 



"d 



aLTNAXISCHX UABUOBKUHSt 4d 

den ersten Elemente finden eich unverändert bei den sog. sa- 
miscben Figuren wieder ; die Innenzeichnung ist hier in einem 
besonderen Sinne ausgebildet, nämlich zur schematischen An- 
deutung des Faltenwurfes über die ganze Fläche beider Ge- 
wänder ausgedehnt worden. Dabei zeigen die beiden atheni- 
schen Werke (19. 20), wenn auch weniger aufdringlich, noch 
die alte Balkenform, während das samisclie (43) diese bewusst 
aufgiebt, aber nur, um sie durch eine andere tektonische 
Form, die des Stammes, zu ersetzen'. Der nächste entschei- 
dende Fortschritt musste das Aufgeben des lektoniscben Prin- 
zips sein, und so endet die Reibe mit einem Frauentypus, der 
sich von dem üblichen archaischen nur durch die Umkehrung 
der Funktionen der Arme unterscheidet. Wie lange aber aus- 
ser dieser Eigenheit auch die Balkenform, die symmetrische 
Anlage und Faitenlosigkeit des Gewandes nachgewirkt bat, 



zeigt das hier abgebildete Fragment 22, dessen Verstandniss 



würde zwischen solcher Vorzelcbnung and der liefen Ginriliung des Mäan- 
ders bei C ein prinzipieller Unterschied bestehen. ' 
* Hier und zwar insbesondere an 42 wäre anzuschi Jessen die tektonisch 
vs?wendet gewesene Bronze Friedericfas- Wollers 356. Oljmpia IV Taf.7,74, 
S. 23 f., die schon Studniczlca {Rom, Mittti. II S. 109, Anm. 59) mil RechL 
den sog. samischen Figuren verglichen hat. Ich begnüge mich mit diesem 
DQchtigen Hinweis auf ein henacfabartes Kunslgebiet, da mir ein genaueres 
Studium der Akropolisbronien, die auch Aber unseren Gegenstand manche 
BeiebrüQg erwarten lassen, aichi mehr moglicli war. 



50 



ALTNAXISGHB MARMORKUNST 



uns die besser erhaltenen Stücke D und E erschliessen * . 

Der Frauen typus, dessen Entwickelung dieses Schema vor- 
führt, stellt sich in entschiedenen Gegensatz zu dem in der 
archaischen Kunst herrschenden. Zwar sind wir sonst nicht 
wie hier in der Lage einen Typus stufenweise bis zu seiner 
primitivsten Form zurück zu verfolgen , doch genügt die Ver- 
gleichung mit dem zahlreich vertretenen entwickelten Typus 
der mit gelösten Beinen ruhig dastehenden weiblichen Ge- 
stalt, welche den rechten Unterarm vorstreckt, mit der ge- 
senkten Linken das Gewand fasst : hier ist, aber nur zum Teil, 
der Typus, auf den die eben skizzirte Entwickelung hinaus- 
lief, umgekehrt. So streng herrscht die Regel, so eng ver- 
wachsen sind ßewcgungs- und Gewandmotive, dass einmal, 
bei der Figur Journal of HelL studies 1887 S. 167 gleich- 
zeitig mit der Bewegung auch die Anlage des Gewandes sich 
umkehrt, vielleicht weil die Figur als Gegenstück zu einer 
vom üblichen Schema gedacht war. 

Wir begnügen uns vorläufig damit, die Übereinstimmung 



^ Zur Bequemlichkeit dos Lesers sei das Gesagte durch folgendes Schema 
erläutert : 

A 



ü. 36 




19. 20. 



22. D. E. 



F. 



Über 'EfTiiiipU Apx. 1891 Taf. 11 und Ähnliche siehe die Übersicht am 
Schlüsse dieses Aufsatzes« 



ALTNAlISCHE MAllMORKUNST 5i 

in einer ungewöhnlichen Typik * , für die uns gegebenen Frauen- 
gestalten nachgewiesen zu haben, und werden ihre eingehen- 
dere stilistische Prüfung gemeinsam mit der der Jünglingsfi- 
guren vornehmen, deren Betrachtung wir uns jetzt zuwenden. 
Sehen wir von den Fragmenten ab, die auf den Typus der 
dargestellten Figuren nicht mit absoluter Sicherheit schliessen 
lassen, so bleiben uns etwa ein Dutzend Männerbilder übrig. 
Aber von einer Entwickelung innerhalb des Typus, wie wir 
sie bei den Frauenbildern mit Leichtigkeit aufweisen konn- 
ten ist hier wenig zu spüren. Drei Stadien allerdings sind 
unverkennbar: im ältesten liegen die Arme herabhängend 
dem Leib an, im jüngsten sind beide Unterarme gehoben (16. 
34. 47), dazwischen liegt ein Übergangsstadium, in welchem 
die Hände sich ein wenig von den Schenkeln ablösen, die 
Faust aber sich lockert, so dass der Daumen nicht mehr so 
stark wie im ersten über die geschlossene Masse der anderen 
Finger hinausragt (3; vgl. unter den Frauen D)^. Da wir 
nicht wie jenen Frauenbildern gegenüber behaupten können, 
dass anderswo die Entwickelung sich anders vollzogen habe, 
so ist es klar, dass diese Kriterien zur Ermittelung eines 
Schulzusammenhanges nicht ausreichen. Desto nachdrück- 
licher sprechen gerade bei diesen Werken die äusseren Merk- 
male der Inschriften und der Herkunft mit, und ferner erwei- 
sen sich selbst ohne feinere Analyse einige von ihnen auch als 
stilistisch zusammengehörig. Es lassen sich vorläufig drei 
Gruppen sondern. Vereinzelt steht zunächst mit seinem vor- 
geschobenen Kopf, den hängenden Schultern und dem lang- 
gezogenen Bauchdreieck der *Apollon' von Thera; 45 und 
48, weniger schon 47 sollten wol ähnlich ausfallen. Alle übri- 
gen zeichnen sich durch hoch gezogene Schultern und kurzen 
Bauch oder, anders ausgedrückt, durch übertrieben stumpfen 

< Über Wirkungen derselben auf weitere Kreise vgl. die Übersicht am 
Schlüsse dieses Artikels. 

* Vor dem jüngsten Typus wäre der einzureihen, der einen Arm hebt, 
aber am Leib anliegen lässt. In der statuarischen Kunst kenne ich als ein- 
ziges Beispiel dieses in der Kleinkunst nicht seltenen Typus (vgl. Olympia 
Bd. IV) den pariseben Torso Arcb.-epigr. Mittb. aus Österreich XI S. 160. 



tt ALtNAl^ISGHE ICARkORKUNdt 

Leistenfugen winke! aus, bilden jedoch keine stilistisch ganz 
einheitliche Gruppe. Während nämlich bei den einen die 
Weichlichkeit der Formgebung, die sich höchstens in der Bil- 
dung der Schlüsselbeine verleugnet, den Eindruck bestimmt, 
finden sich bei anderen ungeschickte, auf halbem Verständniss 
der Naturformen beruhende Versuche, den Knochenbau zu 
betonen. Jene sind die eine aktische Figur (8), die ptoischen 
5 und 7, der megarische (15) und der delische Koloss (34); 
diese die andere aktische Figur (2), die wahrscheinlich ptoi- 
sche 14, die athenischen 1 6 und 1 7 und die naxische 44 . Beide 
Gruppen enthalten also ein sicher naxisches Werk, während 
der theräische ApoUon, für den wir kein zureichendes Ver- 
gleichsmaterial haben, zunächst nur durch seinen Marmor 
in Beziehung zu Naxos steht. Die vorläufige Sichtung dieses 
weitzerstreuten Denkmälervorrates lässt es also möglich er- 
scheinen, dass wenigstens jene beiden Gruppen oder doch eine 
von beiden thatsächlich naxische Werke umfasse. 

Aber auch hier dürfen wir nicht bei den Monumenten gröb- 
sten naxischen Marmors stehen bleiben, sondern müssen auch 
einigen anderen Werken gegenüber die Frage aufwerfen, ob 
sie zu Naxos in naher oder ferner Beziehung stehen. 

Es schliessen sich an den * ApoUon ' von Thera an : 

G. Oberteil einer etwas überlebensgrossen nackten Jünglingsfigur. Von 
Delos, jetzt im Museum von Mykonos. Abgeb. Homolle, Diana Taf. 2; in 
martinelli'schen Abgössen verbreitet. Vgl. auch Arch. Anzeiger 4891 S. 85, 
Mykonos 1. 2, c). Homolle S. 18 und JFurtwängler, Arch. Zeitung 1882 S. 
322 f. halten die Figur mit Unrecht für weiblich. H. 0,59. Weisser, grob- 
körniger Marmor. 

H. Nackter Jünglingstorso. Von Delos, jetzt Mykonos 5. Erwähnt von 
Furlwängler a. a. O. S. 323. H. 0,97. Sehr zerstört. Weisser grobkörniger 
Marmor. 

/. Nackter Jünglingstorso. Von Delos, jetzt Mykonos 42/797. Erwähnt 
von Furtwängler a. a. O. S. 323. H. 1,02. Weisser, grobkörniger Marmor. 

An den geläufigsten Typus (15), in Einzelheiten ausserdem 
an 16 schliesst sich an : 

K. Fragment einer Reiterfigur. Athen, Akropolis. Abgeb. 'Ef7)^£pl( dp^. 



k 



ALTNAXISGHE MARMOKKUNST 53 

1887 Taf. 2 S. 40 ff., der Torso allein grösser Mus^es d'Athdnes Taf. 12, vgl. 
•EiprijjLepU «px- ^891 S. 161. 172 (Sophulis). Verhandl. der 40 (görlitzer) 
Philologenvers S.349 f. ( A. Schneider). Lepsius 47 bezeichnet den Marmor 
als parisch ; er ist sehr grobkörnig, aber, soviel ich beurteilen kann, von 
anderer Struktur als der gröbste naiische. 

Mit den jüngsten der genannten Figuren (3. 14. 16. 17. 44) 
sind zu vergleichen : 

L Torso einer nackten JönglingsGgur. Vom Ploion, jetzt Athen, Natio- 
nalmuseum H. Vgl. Bull, de corr. hell, XI S. 184,7 (Holleaux). Lepsius 
277. Der etwas bläuliche Marmor erinnerte mich an die naxische Figur 48. 

M. Torso einer kleinen nackten JünglingsGgur. Vom Ptoion, jetzt in 
Athen (Inv. 83). Holleaux Nr. ? H. 0,44. Weisser, grobkörniger Marmor ^ 

Bei dem ersten Überblick über unser Material haben wir 
auf Wechselbeziehungen der beiden Figurenreihen keine Rück- 
sicht genommen. Das ist bei der nunmehr anzustellenden sti- 
listischen Analyse nachzuholen, von deren Ergebnissen es 
abhängt, welche von den neu herangezogenen Werken eben- 
falls der naxischen Kunst zuzuweisen, welche von den ur- 
sprünglich gegebenen trotz ihres naxischen Materials ihr ab- 
zusprechen sind. Es sei noch einmal daran erinnert, dass die 
mit Buchstaben bezeichneten Werke nicht wie die bezifferten 
durch ein bestimmt lokalisirtes Material charakterisirt sind. 

Wir beginnen mit einer Ausserlichkeit der Tracht. Nicht 
nur bei den Männern, auch bei den Frauen, deren Haar- 
schmuck sonst gewöhnlich der feste Reifen ist, beobachten 
wir eine Vorliebe für breite Haarbinden, die hinten geknüpft 



* Ich würde hier den pesler Torso (Athen. MiUh. VIII Taf. l), den Brunn 
(8. 89 IT) zu den nordgriechischen Skulpturen rechnet, anreihen, wenn 
nicht die Notizen über seine Herkunft (vgl. Friederichs-Wollers 233. Alben. 
MiUh. XII S. 80 Anm. 1) so verwirrend wären. Aber ich spreche es we- 
nigstens, als eine subjektive Überzeugung, aus, dass er in diesen Zusam- 
menhang gehört, und finde es vollkommen begreiflich, dass ihn Holleaux 
{Bull, de corr, hell. XI S. 179 Anm. 1) mit den ptoischen Apollofiguren, 
Sophulis aber ( 'E^TJiJicpU Äp)^. 1887 S 37,1) mit dem Jünglingstorso 16 ver- 
gleicht. Der Marmor ist, nach gütiger Auskunft des Herrn Joseph Hampel, 
nicht so grobkörnig wie die eingesandte Probe gröbsten naiischen Marmors. 

ATHEN. MITTHEILUNaEN ZYII. 5 



ALTNUtaCMS HAtHCOHKUnST 



•ind und in zwei Enden über den Nackenschopf herabhängen. 
Von den Männern zeigen sie der eine aktiscfae (3), das ptoische 
Fragment 9, der athenische Jüngling 16, der athenische Torso 
17, der deliscbe Kopf 37, der naxische 'Apollon' Damiralis, 




44 ; von don Frauen wahrscheinlich die Nikandre 36', sicher 
4itt alliwiiHctien Stücke 18^ und 19, letztere beiden mit dem 
llli«r<tifii>Linini<!n(l f{(tknüpftcn Knoten. Die nicht immer erhal- 
tfum Kiidmi iler Itinilen sind verschieden gestaltet: gerade ab- 
^fM'imilii'it \m •)■ !). n, schwalbenschwanztörmig bei 16; 
l^ctil'liü'H wirlilig ist, ilass die Form einer nuch aussen schräg 
nU'^iit'tu liiiifiiiidi<ti, etwas konkaven Linie in Athen bei einer 
v.('(|(lir|)r(t Fif/iir f 1!)) (v{(l. vorstehende Skizze), auf Naxos 
hn niifi iiinnii\u--Ui'ii d'i) vorkommt: dio erste deutliche Be- 
/lihiiin' /.yiiM'.Um lit'Ai Umit'n Figurcnreihen. 

Vii I f/f "-ici f I' ViTHüliiüiicnlicit zeigt sich in der Bildung des 
UiLiii-i ||i.>iifi'li'rn jillHiDdirtitli (-r.sciioini'n die dicken wulstigen 
M'f'ff-^hiiliri' )*i-|i'lii^ \n-'\ l''niiii'ii sdwol wit^ Männern beider- 
'1 li-' '•iii iliii r>' l'iilli-iii nirlj iiiiHl)i'(Ntt>n oder mit dem Nacken* 
ii'i'ii /'iHii l>^Miliir)ii'ii PMitj Oft Hind die ICinzeli'urmen naliezu 
Ulli'-' iiiiünii ^1 Moii|i-ii I dorjj hiHHCM m:U mit genügender Si- 
iIimIimI ul: \nl„-h;- .Irr .TNlrii (;iiltMng (2'.) 36 und C mit 
i\ni iiiiiiiiii\i\iiii l'iiiiiii'ii ti Hill) / vri'^leiclicn, wülirend das 



I /.|| iUi Uii^' .Ii<i|.lliiilll<: !<•! kl Jii'iti i:\m'M nulTallend glaU geblic- 

III II ''iMI'ui 'Im -iIU i-Uiif:- ii'i'ili iiiiliTi »irli .l<!r MiMo nAiierl : doch zei- 

II -if -• lilp lituii^ »i» li ili.. |lii..l.M«>ii<l>'« von :i umi <J. 

' l>'li IimIIi' In Uli wi-|lill>'li Viunm ilm ruliiwnlllguu UberkopRiaars; vfjl. 19. 



ALTNAXISGRB MARIIOttKüNST 55 

für die Männer typische, bei einer weiblichen Figur zunächst 
befremdliche Fehlen der Schulterlocken ein gemeinsamer Zug 
des delischen Fragmentes 5 und der sogenannten samischen 
Figuren 18. 19. 20. 42 ist^ Die Strähne werden allmählich 
zierlicher, sei es dass die gleichmässige , flache Masse des 
Schopfhaars nur durch Längs- und Querlinien gitterartig ge- 
zeichnet wird (Frauen: 18. 19. 20; Männer: 2. 10. 44) oder 
dass die einzelnen Strähne sich in längliche gerundete Kör- 
per zerlegen, die im Prinzip mit den derben Wülsten des äl- 
teren Typus übereinstimmen (3. 5. 9. 14. 15. 43). Einmal (8) 
findet sich beides vereinigt: zwei Perlensträhne umrahmen 
den gitterförmig gezeichneten Schopf. Das Fragment 17 zeigt 
ausserhalb der Bindenenden schräge Gitterzeichnung, wäh- 
rend es den Raum zwischen jenen gräten- oder ährenförmig 
zeichnet: ein seltsames, rein conventionelles Verfahren, das 
noch einmal in unserem Kreise, nämlich bei den Gefässträ- 
gerinnen 24, dort aber zur Belebung des Gewandes Verwen- 
det ist. Ausser diesen Varianten finden sich auch wirkliche 
Ausnahmen. Beim athenischen Jüngling 16 sind die Strähne 
statt eingeschnürt vielmehr durch querlaufende scharfe Grate 
belebt: dem Reiter /iT fohlt iiborbanpt dor tief lierabfiillende 
Schopf. W ichli^cr ist cino andore Ausnahnio, weil sie einem 




36 




uralten Frauenbild einen jüngeren männlichen Typus zur Seite 
stellt. Unter horizontalen Streifen, die kaum mehr erkennbar 



* Ich weiss sehr wol, dass später diese Eigentümlichkeit sich öfter wie- 
derholt; hier haben wir es nur mit älteren Typen zu thun. 



56 ALTNAXISCHB llARlIORKUNST 

sind, wachsen bei der Nikandre (36) fünf grosse Schnecken- 
locken, von links nach rechts gedreht, hervor, und eine dop- 
pelte Reihe solcher Locken, deren Mitte durch Bronzezierate 
hervorgehoben war, zeigt der delische Koloss (34). Ahnliche 
Endlocken entwickeln sich aus vertikalen Strähnen bei den 
Schopffragmenten 21. 

Üer Oberkopf ist entweder ganz'glatt gelassen (6. 43) oder 
zeigt von vorn nach hinten parallel laufende Strähne (3? 4. 
14. 18. Z). F), die beim athenischen Jüngling (16) wie die 
Schopfsträhne in der schon beschriebenen Weise gegliedert 
sind, oder es treten gleichzeitig Quer- und Längswellen auf 
(19)* ; nie aber findet sich meines Wissens die sonst so be- 
liebte Belebung der Kopf Wölbung durch concentrische Wel- 
len. Über der Stirn läuft das Haar wellig begrenzt nach den 
Schläfen hin bei dem Apollon 5 wie der weiblichen Figur 19 
und der Gorgo von 40 ; vereinzelt stehen die Spiralwulste von 
14, die grossen Schneckenlocken des theräischen Apollon 43 
und die nebeneinander gereihten kurzen und dicken Strähne 
des ptoischen Kopfes 6. 

Noch bessere Belehrung als diese mehr oder weniger deko- 
rativen Gebilde, von denen am wenigsten eine vollkommene 
Konsequenz sich erwarten Hess, bieten uns die Formen der 
Glieder. 

Füsse sind uns erhalten von den Frauenbildern 24. 36. 42 
und den Männerbildern 16. 34. 35. 39, Hände von 19. 20. 36. 
42 und 2. 3. 5. 14. 34. 38. 43. 4 4. Beide Körperteile scheinen 
mehr construirt als der Natur nachgebildet. Eine schräge, 
ganz unbedeutend ausgebogene Linie bilden die Enden der 
schematisch aneinander gereihten, noch ungetrennten ^ Ze- 
hen, deren grösste noch nicht, wie sorgfältigere Beobachtung 
bald lehren sollte, der zweiten an Länge nachsteht. Schwung- 
los verlaufen die seitlichen Konturen der Füsse, der innere 



^ Die Übergangsslelle ist ausgebrochen. 

2 Vgl. über dieses wichlige Slilkriterium Winler, Alben. Mitth. XIII S, 
1 '^9. 



ALTNAXISGHE MARMORKUNST 57 

begreiflicher Weise weniger als der äussere, der sich auch in 
der Natur von der geraden Linie wenig entfernt. Dem ent- 
spricht auch die Stellung der Füsse zu einander. ' Denkt man 
sich', notirte ich mir über die schon recht sorgfältig durchge- 
bildeten Füsse von 16, '\on der Mitte der Fersen gerade Li- 
nien durch die Fugen zwischen den zweiten und dritten Zehen 
gelegt, so werden diese Geraden nahezu parallel laufen'. Die 
auffallende Stellung, die ich damit kennzeichnen wollte, lässt 
sich auch da wahrnehmen, wo nur die Spitzen der Füsse 
erhalten sind oder wo die Füsse, wie bei der Nikandre, in 
Schuhen stecken : die Füsse stehen einwärts. Und wie die 
Zeichnung und Stellung ist auch die Modellirung flau und 
energielos. Soweit es möglich ist, begrenzt man mit Ebenen 
und rundet die entstehenden Kanten weichlich ab; so entste- 
hen Gebilde, die man nicht eigentlich hölzern nennen kann, 
doch aber als schematisch, leblos auf den ersten Blick em- 
pfindet. Von Einzelmodellirung ist da natürlich nicht viel die 
Rede. Die Zehen sind in die so schlicht wie möglich angege- 
bene Masse des Fusses mit dem Meissel technisch sorgfältig 
aber geistlos eingezeichnet und rundlich modellirt; dass sie 
Knochen umschliessen, sieht man ihnen nicht an. Bei den 
besten der erhaltenen Füsse, denen des athenischen Jüng- 
lings 16, macht sich ein Widerspruch geltend, der an die 
Seltsamkeit der Haarbildung von 8 erinnert : wie hier die 
gitterartig gezeichnete Masse Jdes Schopfes von zwei zierlichen 
Spiralsträhnen eingerahmt wird, so liegen dort zwischen recht 
leidlich gelungenen grossen und kleinen Zehen die langweilig 
nach alter Schablone gebildeten drei anderen. 

Auch bei den Händen ist die Anlage flächenhaft, während 
bei der Ausführung das ganze Streben darauf gerichtet ist, 
die Kanten rundlich abzuschleifen. Am deutlichsten zeigen 
das die Hände des theräischen ApoUon (43), bei dem das 
starre Schema selbst die Andeutung der Handwurzeln noch 
verhinderte. Das andere Extrem bezeichnet die aktische Figur 
3; hier ist die Rundung so weit getrieben, dass die ursprüng- 
liche, flächenhafle Gestalt einer mehr walzigen weicht. Die 



58 ALTNAXISGHB MARMORKUNST 

Mehrzahl steht jenem älteren Typus näher, lässt aber we- 
nigstens die Handwurzel mehr oder weniger zur Geltung 
kommen, die bei der samischen Figur 42 sogar durch das 
Gewand hindurch sich deutlich ausprägt. Im übrigen boten 
die beste Gelegenheit zu natürlicheren Bildungen die in kräf- 
tigerer Handlung begriffenen Hände, von denen ein woler- 
haltenes Beispiel in 19 vorliegt. 

Diese Bildung der Füsse und Hände scheint mir besonders 
charakteristisch. Als roh lassen sich diese Gebilde keineswegs 
bezeichnen, aber mit der Vervollkommnung der nach Sauber- 
keit strebenden Technik hält die Naturbeobachtung nicht 
Schritt. Die lebendigen Formen müssen sich in künstliche 
zwängen ; es ist, als ob diese Hände und Füsse in Handschu- 
hen und Strümpfen steckten, 

Ahnliche Erscheinungen wiederholen sich an den schwie- 
riger zu beurteilenden Körperteilen. Auch Arme und Schen- 
kel erlauben zur Not noch flächenhafte Anlage, und in der 
That finden wir sie so gebildet: die Arme besonders bei den 
Frauen im Einklang mit der hier länger festgehaltenen flächi- 
gen Begrenzung des gesamten Körpers, die Schenkel bei den 
Männern. Bei beiden verrät sich diese Befangenheit der Form- 
gebung am deutlichsten da, wo der Künstler sich am wenig- 
sten beobachtet weiss, an der Aussen- und Rückseite. Daneben 
zeigen sich an den Oberschenkeln und Knien — Unterschen- 
kel sind nicht erhalten — vereinzelte und sehr ungleich gera- 
tene Versuche, anatomische Einzelheiten wiederzugeben, Ver- 
gleicht man das rechte Knie des theräischen ApoUon mit den 
Knien von 2. 3. 5. 14. 44, so wird man hier allerdings die 
Knappheit und Schärfe des teneatischen ApoUon nicht wie- 
derfinden, aber ebenso weit wie von diesem sind die bei aller 
Weichheit lebendig modellirten Formen von der Schwerfäl- 
ligkeit des theräischen entfernt. Stark betont ist ferner die 
hintere Grenze des äusseren Schenkelmuskels bei 5. 11. 44 
und noch mehr bei 2, wo zwei kräftige parallele Furchen diese 
Grenze bezeichnen. Die Armmuskeln sind, soweit nicht die 
schon erwähnte Flächenhaftigkeit ihre Form stört, überraschend 



ALTNAXIgCHE MARM0RKÜN8T 59 

weich gebildet ; nur verrät sich die Schablone in der Allge- 
meinheit dieser rundlichen Gebilde, die leicht geschwollen 
und gedunsen erscheinen. Ganz besonders verunglückt ist m 
diesem Sinne der Unterarm des sonst so entwickelten akti- 
schen Apollon 3. 

In der Bildung des Leibes hat die flächige Anlage sich län- 
ger bei den bekleideten weiblichen als bei den nackten Jüng- 
lingsßguren erhalten ; hier ist der athenische Jüngling das 
einzige, aber sehr schlagende Beispiel extremer Anwendung 
dieses Verfahrens'. Bei bekleideten Figuren hatte man sich 
erlauben dürfen, der Bequemlichkeit halber die complicirten 
Formen des Leibes zu verdecken, dem mit einer künstlichen, 
sackähnlichen Hülle umgebenen Körper eine schematische 
Brett- oder Balkenform zu geben. Auch als man schon natür- 
lichere Gebilde hätte schaffen können, hielt man an der be- 
quemen Gewohnheit fest, da der bei nackten Figuren unab- 
weisbare Zwang fehlte, die lebendige Leibesform deutlich 
auszuprägen. So werden jene flächenhaften Formen zwar all- 
mählich runder und nähern sich dadurch der Wirklichkeit, 
aber dass hier keine organische Entwickelung sich vollzog, 
zeigt am besten der plötzliche, ohne eine äussere Veranlassung 
kaum verständliche Übergang zu einem anderen, in unserer 
Monumenten reihe vereinzelten Schema, dem ebenso unnatür- 
lichen völlig runden. Was nach Abzug dieser dem Körper 
aufgedrungenen Formen an charakteristischer Bildung übrig 
bleibt, ist sehr wenig; es beschränkt sich auf die Schlankheit 
der Taille, die besonders die *samischen' Figuren (19. 20. 
'i2), B, C und F auszeichnet, aber auch bei 36 und D ver- 
hältnissmässig stark ausgeprägt ist ; die Flachheit der Brüste, 
die auch bei den freier gebildeten Figuren (19. 20. 42. D) 
auftaut und erst bei F einer lebendigen Fülle weicht; endlich 
die energische Einziehung des Rückens. Und selbst diese 
Merkmale sind mehr für allgemein archaische Züge als für 
Kennzeichen einer einzelnen Kunstrichtung zu halten. 



^ Nahe steht ihm in dieser Hinsicht der pesler Torso. 



60 ALTNAXISGHB MARM0RKUN8T 

Auch bei den Männerbildern ist auf diese übertriebene Ein- 
ziehung der Taille und des Rückens nicht allzuviel Wert zu 
legen; wol aber ist die Bildung der Brust von grosser, fast 
entscheidender Bedeutung. Beim theräischen Apollon laufen 
die unteren Umrisse der kräftig geschwellten Brustmuskeln 
annähernd horizontal, im Wesentlichen nicht anders als bei 
dem viel freieren Apollon von Tenea. Aber die meisten unse- 
rer Apollongestalten lassen diese Umrisse, die sie nur zart an- 
deuten, schräg zum Brustbein ansteigen und gebenden Mus- 
keln nur geringes Relief; so scheinen diese nach aussen zu 
hängen und ermangeln aller Kraft und Spannung. Ein Ver- 
such, Energie in diese weichlichen Formen zu bringen, lässt 
sich an dem athenischen Jüngling 16 beobachten. Hier erhebt 
sich der Brustmuskel aussen in starkem Relief von den Rip- 
pen ab und seine glatte, wie mit dem Messer geschnittene 
Aussen- und Unterfläche trifft in scharfer Kante die vordere. 
Aber dieser Versuch, der nicht aus tieferem Verständniss der 
Form entsprang, sondern eine fertige, künstliche Form will- 
kürlich von aussen hereintrug, hat den Eindruck des Gan- 
zen kaum ändern können ; da jene hängenden Umrisse sich 
auch jetzt noch dem Auge aufdrängen, werden die in Wirk- 
lichkeit kantigen Formen nach wie vor als weichlich em- 
pfunden. 

Kürzer können wir uns über die sonstigen Einzelformen 
des Rumpfes äussern. Die Schlüsselbeine, die wenig hervor- 
treten, aber meist wider Erwarten nicht sanft gerundet, son- 
dern kantig sind, verlaufen bald horizontal (2. 3. 5. 9. 15. 
34. 43. 44. Z. M)y bald bilden sie einen stumpfen Winkel 
(8), bald sind sie ausserdem gekrümmt (14. 16. 17. K), Der 
Rippenabschluss ist meist ganz zaghaft angedeutet ; der the- 
räische Apollon (43) und die beiden aktischen (2. 3) sind 
hierin resoluter, während diese Einzelheit mit übertriebener 
Schärfe bei 16, 17, K und in anderer Weise bei 14 betont 
ist. Auch in der Angabe der Bauchteilung lässt sich keine 
Konsequenz beobachten. Die Querfalten sind meist so schwach 
angegeben, dass sie sich besser fühlen als sehen lassen : sie 



ALTNAXI8CHB MARMORKUNST 61 

fehlen ganz bei 14, wie auch die vertikale Mittellinie einmal 
(3) völlig fehlt; das entgegengesetzte Extrem vertreten die 
athenischen Stücke 16 und K, bei denen, im Einklang mit 
der schon geschilderten Angabe des Rippenschlusses, die Quer- 
falten wie mit einem scharfen Messer eingeschnitten sind. 

Ganz vereinzelt sieht 7, dessen Bauchteilung nach einem 
Grätenschema angelegt ist*. 

Entsprechend diesen Verschiedenheiten finden wir den Na- 
bel bald scharf eingeschnitten (14. 16. 43. K), bald weich 
gerundet (15. /. L. M), ja manchmal verschwimmt er fast in 
der Umgebung (2. 3. 5. 44); auch ist er bald von zwei sich 
scharf schneidenden Bögen (7.14), bald von einer Ellipse (15), 
bald von einem Kreis (16. /. Z. M) umschrieben, bald setzt 
links uöd rechts an die Ellipse oder den Kreis eine kurze Ge- 
rade an {K, bez. 43). 

Wie jede Andeutung des Schamhaars fehlt, ist auch der 
Schamhügel nicht deutlich gegen die Bauchfläche abgegrenzt, 
nur bei 15 ist dies schüchtern versucht. Da die Leistenlinien 
ohne Brechung oder stärkere Biegung sanft in die Umrisse 
des Hodensackes übergehen und auch der Ansatz des Penis 
ausser bei Z, in keiner Weise hervorgehoben ist, so bekommt 
auch diese Körpergegend etwas Schlaffes, Energieloses. 

Die Schwächlichkeit der Obliqui erinnert sofort an die der 
Brustmuskeln ; einen Schein kräftigerer Bildung bekommen 
sie nur durch die Hervorhebung des Darmbeinstachels und 
Hüftbeinkammes, die wir bei 14. 44. L und M beobachten. 
Durch achtlose Übertreibung dieser auf richtiger Beobachtung 
beruhenden Einzelheit kam man bei 2,16 und vielleicht 14 
dazu, die scharf gliedernden Linien über die Hüften hinaus 
bis zur Rückenmitte weiterzuführen. Auf die so entstehenden 
Bildungen wurde schon im Allgemeinen hingedeutet, als wir 
nach den auffälligsten Merkmalen der Schulter- und Unter- 
körperbildung die Jünglingsfiguren vorläufig klassifizirten. 

Der Rücken ist im Allgemeinen zu gleichmässig glatt gehal- 



Vgl. die Zeichnung des Haares bei 17, die des Gewandes bei 24. 



62 ALTNAXI8CHB MARM0RKUN8T 

ten, und die kleinlich gezeichneten und meist zu weit aus- 
einanderstehenden Schulterblätter sind entweder nur durch 
flach vertiefte Linien angedeutet oder erheben sich in schwäch- 
stem Relief über ihre Umgebung. Bei 3 ist die Erhebung der 
Rückenstrecker angedeutet ; da aber ihre Umrisse genau die 
des Schopfes fortsetzen, erhält man mehr den Eindruck einer 
spielenden Dekoration als einer auf besserer Beobachtung be- 
ruhenden Formgebung. 

Mehr technische als stilistische Eigentümlichkeiten verra- 
ten sich in der Art, wie die Arme sich vom Leibe und die 
Schenkel sich voneinander lösen. Das primitive Verfahren ist, 
in den spitzen, dem IVl eissei schwer zugänglichen Winkeln 
Stege stehen zu lassen, die durch Rauhung von den Körper- 
formen unterschieden sind (14. 36. 43. ß? G). Später sucht 
man diese Stege zu vermeiden, lässt aber dafür die Körper- 
formen in jenen Winkeln scharfe Grate bilden S die sich am 
besten bei 15 beobachten lassen, wo sie durch Zerstörung der 
Arme freigelegt sind (2. 5.7. 15). Die fortschreitende Technik 
hat endlich Mittel gefunden, auch diese Form zu umgehen 
und die Schnittkurven der sich berührenden Körperteile der 
Natur getreu nachzubilden (3. 16. 44. L. M). 

Wir wenden uns endlich zu einer vergleichenden Betrach- 
tung der Kopfformen. 

Am deutlichsten hebt sich hier der Typus heraus, der durch 
die weibliche Figur 19 und die männlichen 5 und 16 vertre- 
ten ist, der stolid type Gardner's^. Kaum minder charakte- 
ristisch ist der zweifellos ältere und unbeholfenere, den 36. B 
und n. 45. 47. 48. G aufweisen. Die übrigen sind nicht ohne 
Weiteres unterzubringen und verlangen eine besonders vor- 
sichtige Prüfung. 

Was den ältesten Typus auszeichnet, ist die auch bei den 
unvollendeten Werken erkennbare Flachheit und Breite des 



' Vgl. Journal of Hell, sludies 1887 S. 189 (Gardaer). 
2 Vgl. Journal of Hell, sludies 1887 S. 187. 



ALTNAXISGHB MARMORKÜNST 63 

Oberkopfes gegenüber dem schmalen, ovalen Untergesichl *. 
Von Einzelformen ist fast nichts erhalten oder ausgeführt als 
die unförmlichen lappigen grossen Ohren, die bei 36 und G 
durch den zur Brust herab wallenden Lockenschwall mit nach 
vorn geklappt werden. 

Genauer können wir über den jüngeren Typus urteilen. Der 
allgemeine Eindruck des Blöden, Leeren, Leblosen, den man 
von jeher von diesen Gesichtern empfangen hat, ist in der 
Hauptsache ein Ergebniss der Augen- und Mundbildung. Das 
steil aufsteigende und plötzlich wieder nach aussen abfallende 
Oberlid, die entsprechend hochgezogenen, nur wenig runde- 
ren Brauen, die langweilige, schwunglose Linie des Unterli- 
des, das Fehlen auch der leisesten Andeutung der Thränen- 
drüse, die Flachheit des Augapfels und die horizontale Stellung 
der Augen setzen diese Figuren in scharfen Kontrast zu der 
Mehrzahl der archaischen Figuren. Wichtig ist eine technische 
Eigentümlichkeit von 19, die schon mehrfach, wenn auch, wie 
ich glaube, nicht vorurteilsfrei besprochen worden ist, die 
eingravirten Linien, welche zwischen Oberlid und Braue de- 
ren Lauf wiederholen, sicher in der Absicht, Leben in diesen 
wichtigen Teil des Gesichts zu bringen. Sie fehlen bei 5, wer- 
den uns aber später noch begegnen. Auch der Mund steht wie 
die Augen gerade, nur bei 16 ziehen sich die Winkel nach 
oben; diese aber werden sozusagen abgeschnitten durch zwei 
gerade Linien, die bei 5 nach unten ein wenig convergiren, bei 
16 und 19 divergiren. Auch hier zeigt 19 eine Eigentümlich- 
keit, die bei 5 fehlt, bei 16 fraglich bleibt, während bei ande- 
ren Werken unserer Reihe uns Ähnliches begegnen wird : jene 
Geraden entspringen aus einer Linie, ^^ welche den Rand der 
Oberlippe in geringem Abstand begleitet, so dass zwischen 
ihr und jenem eine kaum sichtbare flache Rinne entsteht. Die 
untergeordneten Merkmale noch einmal aufzuzählen, kann ich 
mir ersparen; ich verweise auf die Abbildungen und die an- 
geführte Litteratur. 

' Bei der Nikandre ist eine gewisse Schärfe des Gesichtskonturs wol erst 
durch die starke Ver Waschung entstanden. 



64 ALTNAXI8GHE MARlfORKUNST 

Es bleiben noch zu betrachten die Kopfformen von 6. 14. 
43, D und F. 

Der theräische Apollon 43 zeigt weder die Abplattung des 
Oberkopfes, die wir bei jenem älteren Typus wahrnahmen, 
noch den für beide Typen giltigen nach unten sich stark ver- 
jungenden (Jesichtsumriss. Die Augen stehen etwas unregel- 
mässig, das rechte etwas schräg, das linke gerade, der Mund 
ist nicht ohne Schwung gezeichnet, das ganze Gesicht zeigt 
ein überraschendes Leben. An 16 und 19 erinnert anderer- 
seits die Bildung der Mundwinkel und ganz wie bei 19 sind 
die Ritzlinien zwischen Lid und Braue gezogen. 

Dass D und F unter sich eng verwandt sind, ist anerkannt ; 
dass die eine in ein fremdartiges, altmodisches Schema ein- 
gezwängt ist, kann an diesem Urteil nichts ändern. Vermöge 
ihrer Typik liessen sie sich in die Familie der Nikandre und 
der sog. samischen Figuren einreihen ; so dürfen wir es nicht 
leicht nehmen, wenn sogar stilistische Eigentümlichkeiten jener 
Familie sich an ihnen wiederfinden. Zunächst haben Augen und 
Mund der herrschenden Mode zum Trotz die horizontale Stel- 
lung beibehalten. Allerdings zeigen sie nicht mehr die Flach- 
heit, die bei 5 und 19 die Leblosigkeit des Gesichtes haupt- 
sächlich verschuldete; sie wölben sich vor und gewinnen da- 
durch auch in der Profilansicht, wie die Vorderansicht, be- 
sonders bei F, durch Angabe der Thränendrüse verbessert ist. 
Beibehalten ist dagegen das geringe Relief der Lider und die 
feine Ritzlinie, die in geringem Abstand dem Umriss des obe- 
ren folgt. In demselben Sinne mischen sich Altes und Neues 
bei der Bildung des Mundes; im Ganzen ist er mehr vorge- 
schoben und die Lippen sind fleischiger geworden, aber ge- 
blieben ist die dem Umriss der Oberlippe folgende, in die 
Mundwinkel endende Linie, die jener Ritzlinie des Lides ent- 
spricht. 

Beide Linien finden sich auch bei 14 wieder, allerdings mit 
dem Unterschiede, dass die unmittelbar über dem Lidrande 
laufende Linie unterdrückt, dafür aber die den oberen Rand 
des Lides bezeichnende verschärft wird. 



ALTNAXISCHE MAHMOBKUNST 65 

Bei 5 fehlen diese Merkmale. Dafür ist zu betonen, dass 
wie bei 19 die Nasenscheidewand unnatürlich tief herabreichte 
und dass die an falscher Stelle scharf eingeschnittenen Wan- 
genfalten, für die eine direkte Analogie nicht vorhanden ist, 
in ihrer Auaführung an die Angabe des Rippenschlusses bei 
2. 3. 16. 43. 44 gemahnen. Die emporgezogenen Mundwinkel 
hat er mit 16, die sich vorwölbenden Augen wie D und F 
mit der Mehrzahl der jüngeren archaischen Figuren gemein. 

Noch ist mit einigen Worten der Tierbilder zu gedenken. 
Auch sie zeigen die Glätte und Leere der Formen, den Man- 
gel an Muskeldetail, den wir an den besprochenen Menschen- 
bildern fast durchweg beobachteten. Im übrigen zeigen sie 
einige interessante Einzelheiten. Die Augen von 23 sind nichts 
als flache Erhöhungen, also ganz so gebildet wie an vielen, 
besonders den kleineren der jüngeren Akropolisfiguren ; Farbe 
musste auch hier nachhelfen. Der venezianische Löwe (1) zeigt 
mehrere Neuerungen; sie glücken, soweit sie im Gebiet des 
Dekorativen bleiben, nämlich bei der Bildung der Mähne, 
während die Angabe der Rippen und Wirbel noch völlig miss- 
lang. 

Unsere vergleichende Analyse der Werke naxischen Mar- 
mors und ihrer nächsten Verwandten ist sehr ausführlich und 
umständlich ausgefallen. Sie soll dazu dienen, eine Prüfung 
der nach dem Gesamteindruck oder besonders hervorstechen- 
den Einzelzügen angestellten Vergleichung und Einteilung 
auch dem zu ermöglichen, dem die unmittelbare Anschauung 
der Monumente fehlt. Ich habe mich bemüht dem Urteil des 
Lesers nicht vorzugreifen und kann jetzt um so kürzer meine 
Ansicht formuliren. 

Die vorläufig gegebene Gruppirung der Monumente ist 
durch die Vergleichung der Einzelformen fast durchweg be- 
stätigt worden. Natürlich werden die zwischen den Gruppen 
gezogenen Grenzen manchmal übersprungen : die Haartracht 
der Nikandre findet sich unerwartet wieder bei dem viel jün- 
geren delischen Koloss; die Schulterlocken von 36 und C 
kehren noch bei 24 wieder ; der Koloss von Komiaki hob schon 



'^' 



66 ALtNAltlSGHB llADMOH^ÜNSt 

beide Arme und trug den Kopf aufrecht, zeigt aber noch die 
konventionelle Abplattung des Oberkopfs ; der Torso 2 verei- 
nigt mit den gewagten Neuerungen der jüngsten Werke die 
Hängeschultern der ältesten. Das Wesentliche aber ist, dass 
diese Züge in der Familie bleiben. Und die Familienähnlich- 
keit ist es, die auch die ferner und anscheinend vereinzelt 
stehenden Werke, besonders die jüngeren, denen man Auf- 
lehnung gegen die Schultradition und Neuerungssucht zu gut 
halten rauss, zu der geschlossenen Masse der anderen hin- 
zieht. Unsere vergleichende Prüfung ist meines Erachtens so 
ausgefallen, dass wir die in unserer Liste enthaltenen Werke 
sicher naxischen Materials als Erzeugnisse naxischer Kunst 
betrachten dürfen. 

Mit einer Ausnahme. Es ist vielleicht nur Zufall, dass der 
ApoUon von Thera mit seinen stilistischen Eigenheiten, die 
sich besonders in der Anlage des Kopfes zeigen, vereinzelt 
steht; aber diese Eigenheiten scheinen mir so gewichtig, dass 
ich es nur für möglich, keineswegs für gewiss halten kann, 
dass auch dieses Werk auf dem benachbarten Naxos entstand. 
Mindestens aber gehört es in eine der naxischen eng verwandte 
Kunst. 

Wo das Material nicht sicher naxisch ist, winl man zu 
gleicher Zurückhaltung sich noch mehr ;i;edräugt fühlen. Die 
von Delos stammenden hochaltertümlichen Frauenbilder (^4) 
B C halte ich für sicher naxisch ; von den delischen Männer- 
bildern hat G das meiste Anrecht auf diesen Namen. L und 
M sind als ptoische Funde, K wegen starker Stilverwandt- 
schaft mit dem verbreitetsten Typus und ausserdem mit 16 
wahrscheinlich naxische Werke. Die auf der athenischen Akro- 
polis gefundenen Werke D und F und das delische Fragment 
E kann ebensowol ein naxischer Künstler angeregt durch 
die Neuerungen anderer Kunstrichtungen, wie ein Nichtna- 
xier im Anschluss an den alten naxischen Typus geschaffen 
haben ; die Existenz des Fragmentes 22 scheint die erstere 
Annahme zu empfehlen. 

Versuchen wir jetzt uns ein Bild von dieser Kunst und dem 



ALTNAXISGHB llARMORKüNSt 67 

Treiben in den Steinbrüchen und Werkstätten von Naxos zu 
machen. 

Ein nicht sehr feines, aber in grossen rechtwinkeligen Blö- 
cken brechendes*, unmittelbar an der Oberfläche liegendes 
Material lud zur Verarbeitung ein. Die Gewinnung ging ^ehr 
primitiv vor sich. Weder an den fertigen Werkstücken noch 
an den unvollendet in den Steinbrüchen liegen gebliebenen 
findet sich die geringste Spur der Säge. Man hat die oft ganz 
riesigen Blöcke nur losgesprengt und die weitere Schlichtung 
der Oberfläche dem Spitzeisen überlassen. Dieses scheinbar 
sehr umständliche, aber bei der Sprödigkeit des Materials 
schnell fördernde Verfahren zeigt auch jener älteste Ziegel 27, 
und erst die jüngeren Sorten zeigen Spuren des Breitmeissels. 
Wegen dieser Sprödigkeit des Marmors ist es fraglich, wie 
weit bei der Glatt ung grosser Flächen, z. B. an der balken- 
förmigen Figur der Nikandre der Meissel, wie weit die bei 
diesem Stein vorzüglich geeignete Raspel ^ gearbeitet hat ; nahe 
liegt es auch, an Mitwirkung des berühmten naxischen Smir- 
gels zu denken ^. 

Es ist uns urkundlich überliefert, wie stolz die Naxier auf 
dieses dankbare Material waren. Die Inschrift des delischen 
Kolosses besagt, dass Bild und Sockel aus demselben Steine 
bestehen. Am nächsten liegt der Gedanke, dass beides aus 
einem Stück gehauen sei, und so ist die Inschrift auch ge- 
wöhnlich aufgefasst worden. Aber so verschwenderisch waren 
die Naxier selbst mit diesem ausgiebigen Material nicht. Die 
kolossale Statue war, wie schon LeBas* bemerkt hat, mitteist 

* Man sehe den Bruch in der Basis des delischen Kolosses Röhl L G. A. 
409. Die Hauptfl/lchen des Blockes folgen der Schichtrichtung. 

2 Ich verdanke diese Kenntniss einem befreundeten Bildhauer, der vor 
meinen Augen eine Probe naxischen Marmors mit den verschiedenen In- 
strumenten bearbeitete. Wahrend unter dem Meissel die Fläche leicht un- 
regelmässig aussplitterte, erzielte die Raspel sehr schnell eine schöne glatte 
Fläche. 

3 Neuraann-Partsch, Geographie von Griechenland S. 216. Blumner, 
Technologie III S. 199. 

* ExpMiiion de MoHe III Inscriptions 8. 2^,=^!nscriplions grecques et la» 
tines V 8. 108. 



6^ ALTNAIISCHE MABMORKÜNST 

einer Einsatzplinthe tod derselben Form wie beim Weibge- 
schenk des Vipbikartides in die mächtige Basis eingelassen ; 
man sieht dies sowol an der noch jetzt teilweise erhaltenen 
Plinthe, die auch Cyriacus von Ancona abzuzeichnen sich be- 
müht hat, als an dem sorgfaltig hergerichteten Einsatzloch ^ 
So gewinnt die Inschrift einen neuen Sinn ; nicht eigentlich 
das Werk und seine Riesengrosse rühmen die Stifter, sondern 
das Material : seht, das ist alles Marmor von Naxos. 

Allerdings musste die Freude am Kolossalen durch ein sol- 
ches Material, falls nur reichliche Arbeitskräfte Torbanden 
waren, sich fast Ton selbst erzeugen. Wir dürfen uns nicht 
wundem, unter einem halben Hundert von Werken sechs ko- 
lossale oder überlebensgrosse zu finden. 

Ebenso natürlich ist es, dass diese Kunst Monolithe bevor- 
zugte. Unter allen hier besprochenen Werken finden sich nur 
drei, bei denen man sich von Anfang an zur Stückung ent- 
schlossen hat^: 22 und Z>, Werke also, die aus dem Bann 
des altgewohnten Typus, aus dem knappen Raum des gege- 
benen Blockes heraus nach freierer Bewegung ringen, und 
der theräische Apollon, dessen Kopf und Hals besonders gear- 
beitet ist. Ich gestehe, dass die letztere Erscheinung mich noch 
mehr geneigt macht, diesem Werk eine Sonderstellung ausser- 
halb, wenn auch nahe der naxischen Kunst anzuweisen. 

Über den künstlerischen Charakter dieser naxischen Mar- 
morkunst ist bei der Einzelprüfung das Wichtigste gesagt 
worden . Sorglose Arbeit, eilfertige Produktion. Unsicherheit 
den höheren künstlerischen Anforderungen gegenüber sind 
ihre auffallendsten Merkmale. Ihre naive Sucht, durch Masse 
und Grösse ihrer Werke zu imponiren, hätte sie gänzlicher 
Zuchtlosigkeit verfallen lassen, wenn nicht eine plötzliche Er- 
weiterung ihres Horizontes und die Berührung mit anderen 
Kunstrichtungen ihr die Notwendigkeit ernsteren Studiums 
und besonnener Arbeit klar gemacht hätte. 



« Pargold (Roebl, /. G. A. 409) hält das Loch irrlümlicb lur zufällig. 
' Der megariscbe Koloss ist reparirt. 



ALTNAlISCHB IfARlfOBKUNST 69 

Aber keineswegs der Kunst allein war der naxische Mar- 
mor vorbehalten. Er musste sieh zu Dachziegeln und anderen 
Bauteilen verwenden lassen, und eine reichliche Produktion 
halbarchitektonischer Gegenstände, figuren- und ornamentge- 
schmückter Getässe, Statuenbasen und Bauteile, endlich ganz 
schmuckloser Becken und Tröge ging neben der höheren Mar- 
morkunst einher *. 

Hier ist es Zeit sich zu erinnern, dass es zwei Werke un- 
serer Reihe waren, an welche Brunn vor Jahren seine fein- 
sinnigen Erörterungen über tektonischen Stil in der statua- 
rischen Kunst angeknüpft hat ^. Er hat damals die brettförmige 
Nikandre und die stammförmige Hera des Cheramyes als 
prinzipiell verschiedene Äusserungen tektonischer Stilisirung 
einander gegenüber gestellt (S. 521). Beide waren damals 
Unica, und der Gedanke an vermittelnde Gebilde konnte kaum 
aufkommen. Aus ihrer Vereinzelung sind diese Werke jetzt 
befreit, die samische Figur stellt sich nur als launenhafte Va- 
riante eines uralten, sehr langsam nach Vollendung streben- 
den Typus dar, und nicht von ihr, sondern von der Nikandre 
und ihren nächsten Nachkommen haben wir die Gesetze des 
tektonischen Stils zu lernen. 

Es war ein verhängnissvoller Zufall, dass gerade dasjenige 
Gebilde, das nicht ohne Willkür aus dem schlichten Urtypus 
herausgebildet worden war, Fast gleichzeitig mit der Nikandre 
und auf der Insel gefunden wurde, deren Erzkunst in der 
archaischen Epoche sich besonderer Blüte erfreute. Seitdem 
hat man das Werk auf seine Reminiszenzen an Bronzetechnik 
wiederholt und peinlich verhört, und heute ist die herrschende 
Meinung, dass die Weichheit der Formen wie die Sucht, 
durch eingravirte Linien die Flächen zu beleben, auf jene 
Technik zurückweise. Ich gestehe, dass ich diese Meinung 



^ Unter den vielen mit Inschriflen versebenen flachen Becken von der 
Akrupülis, die sich jetzt im epigraphischen Museum befinden, wird noch 
ir.ancbes naiische, wenn auch nicht vom gröbsten Marmor sein. 

3 Münchener Sitzungsberichte 1884 S. 508 ff. 

ATHEN. MITTHEILUNGEN XVII. 6 



70 ALTNAtlSGHE llARMORKUNSt 

ebenso rückhaltlos geteilt habe, wie ich sie jetzt, da jene Ty- 
penreihe sich übersehen lässt, bekämpfen muss. 

Dass die Gesamtform der Nikandre an Holzbilder sich an- 
lehnt, bestreitet wol niemand. Je mehr Fläche bei der Bear- 
beitung des Holzes bestehen bleibt, je plötzlicher die stehen 
bleibenden Kanten abgerundet werden, desto mechanischer 
kann die Anlage vor sich gehen, desto weniger wird durch 
die Fasern des Holzes die letzte Formgebung gestört. Für 
Steinarbeit gelten diese Erwägungen im allgemeinen nicht ; 
wol aber gewinnen sie an Bedeutung, wo man aus einem in 
regelmässigen Platten und Blöcken brechenden Stein mit mög- 
lichst geringer Mühe, also mit möglichster Ausnutzung der 
schon durch den Bruch gegebenen Flächen Bildwerke herstel- 
len will. Ein solches Bestreben liegt ebenso nahe für den, der 
aus Mangel an Kunstfertigkeit es sich bequem machen muss, 
wie für den, der wegen starker Nachfrage es sich bequem 
machen will, bei den Versuchen des Anfängers wie bei der 
eiligen fabrikmässigen Produktion, und diese naxische Mar- 
morkunst ist ein Beispiel für beides zugleich. Ich glaube also, 
dass die besonderen Eigenschaften des Materials der Anlass 
gewesen sind, dem Beispiel der Holzbildnerei länger als an- 
derswo zu folgen und bin mit Gardner ^ der Ansicht, dass man 
hier mit demselben Recht wie von einem Holzstil von einem 
Steinstil reden darf. 

Eher könnte bei der dekorativen Ausführung der Metallstil 
nachgewirkt haben. Vor allem fällt nämlich auf, dass bei den 
älteren Werken {C- 40) die Dekoration linear ist und erst 
beider entwickeltsten flächenhaft wird (Mantelsaum von 42? 
22. D. F), und dass die sog. samischen Figuren die einzigen 
unbemalten auf der Akropolis seien hat man oft betont. Aber 
auch diese Dekoration ist, wie am sichersten die gorgonen- 
geschmückten Deckziegel lehren, ohne farbige Ausfüllung der 



< Journal of Hell, studies 1890 S. 131 iL 

3 Der Mäander würde flächenhaft bemalt mit einem der Randstreifen 
zusammenfliessen. 



ALTNAXISCHB MAHlfOtlKUNST 11 

Linien nicht denkbar. Die Belebung der Flächen durch Li- 
nien, die Palten nur vertreten, mag immerhin der Metallkunst 
abgesehen sein ; die Ansführung aber bei der die zwischen 
diesen Linien stehen geblieben Leisten durch rundliche Ab- 
Schleifung der Kanten zu flach convexen Stäben werden, ent- 
spricht wieder so völlig dem üblichen, dem Material überaus 
angemessenen Verfahren, dass ich auch hier mich nicht ent- 
schliessen kann, dem Bronzestil zu Liebe gar nichts von Stein- 
stil zu erkennen. 

Wie man auch darüber denken möge, unverkennbar ist das 
Bild einer routinirter Steinmetzkunst, aus der eine Bildhauer- 
kunst hervorgeht, die bei grossem technischen Vermögen nie 
von fabrikmässigem Betrieb sich zu feinerer Individualisirung 
erhebt, nie den Charakter des Banausischen verleugnet. 

Zur Datirung wenigstens einiger dieser naxischen Werke 
helfen uns zunächst die Inschriften. Die Inschriften der Ni- 
kandre und des Viphikartides werden von den Epigraphikern 
noch in's siebente Jahrhundert gesetzt ^ und mindestens 
ebenso weit ist die Inschrift des rohesten Marmorziegels 27 
hinaufzurücken. Die samische Inschrift von 42 und die na- 
xischen des delischen Kolosses 34 und der athenischen Basis 
30 gehören in's sechste Jahrhundert 2. Die jüngsten, vielleicht 
schon ins fünfte Jahrhundert zu setzenden Inschriften sind 
die Steinmetzzeichen an den Ziegeln 29 ; sie lehren uns über 
Kunst natürlich nichts. Dafür kommt uns ein naxisches Bron- 
zewerk, die Statuette des Berliner Museums^, zu Hilfe, die 
stilistisch etwa mit 14 zu vergleichen ist, während ihre Weih- 
inschrift ebenfalls ins sechste Jahrhundert weist. 

Genauere Daten lassen sich der Geschichte der Insel entneh- 
men^. Als Peisistratos mit bewafl^neter Macht zum zweiten 



* Vgl. ausser KirchhofT. Stu^lien * S. 84 ff. und Diltenberger» Hermes XV 
S. 229 ff. Hüraülle. Bull, de corr. hell. XII S. 476 ff. Schöffer. Üe Deli in- 
SU Ix rebus S. 30 f. 

2 Kirchhoff S. 30. Girard, Bull, de corr. hell. IV S 491 ff. hielt für 42 selbst 
das fünfte Jahrhundert nicht für unmöglich. 

3 Arch. Zeitung 1879 Taf. 7 S. 84 (FrÄnkel). 

*' Vgl. Plass, Tyrannis I 8. 204. 216. 235. Curtius, Naxos (Altertum und 



72 altnaxische MAKMORKUNST 

Male aus der Verbannung zurückkehrte, erfreute er sich der 
Hilfe des Naxiers Lygdamis*, der daheim, obwol selbst Ari- 
stokrat, sich an die Spitze des Volkes gestellt, und schon ein- 
mal, wie es scheint, die Herrschaft gewonnen und verloren 
hatte 2. Peisistratos leistete ihm den erwarteten Gegendienst, 
indem er nach Befestigung seiner Herrschaft Naxos eroberte 
und den Freund, dem er die attischen Geiseln in Verwahrung 
gab, zum Herrn der Insel einsetzte^. Auch dem Polykrates 
hatte Lygdamis zur Herrschaft verholfen oder verhalf ihm 
jetzt dazu^. So beherrschten denn die drei Freunde das ägäi- 
sche Meer, und wie die beiden grösseren Reiche genossen nun 
auch die kleinen Kykladen des Segens einer weiter ausblicken- 
den, dem Verkehr mit dem Auslande günstigen Politik. Doch 
hielt sich die Tyrannis auf Naxos nicht lange. Die vertriebe- 
nen Aristokraten fanden Rückhalt an Sparta, das zunächst 
den samischen Tyrannen angrifft. Es ist eine sehr anspre- 
chende Vermutung Duncker's^, dass das spartanische Geschwa- 
der auf der Rückkehr von Samos, das ihm getrotzt hatte, vor 
Naxos Halt machte und im Bunde mit den naxischen Aristo- 
kraten die Herrschaft des Lygdamis stürzte ^, und dass die 
nun frei gewordenen attischen Geiseln den Sturz des Hippias 
vorbereiten halfen. 

Für die Zeit dieses Tyrannendreibundes fehlt nach oben 
wie nach unten die scharfe Grenze, da wir für den Sturz des 
Lygdamis kein festes Datum haben und die Tradition über 



Gegenwart III S. 234 ff.) und Griech. Gesch. » I S. 350; 611 ff. Duncker » 
VI S. 423 f. 46?. 495. 526. Busoll I S. 555. 563. 566. 602. Dugit, De insula 
Naxo S. 83 fl'. 
^ Herodot I 61. Aristoteles 'AÖ7)v. Tzokvztia 15. 

2 Aristoteles, Pol. V 6, 1; Tcepi Nafiwv tcoXit. bei Athenaeus VHI p. 348 
(fr. 510 R). 

3 Herodot I 64. Aristoteles, 'AÖ7)v. «oXiteta 17. 
•» Polyaeo, Stral. I 32,2. 

5 Herodot III, 46 ff. 

ß A. a. O. S. 424. Curlius » I S.367 und Busolt I S. 566 sind wenigstens 
darin mit ihm einig, dass das Freiwerden der allischen Geiseln durch den 
8turz des Lygdamis noch vor die Ermordung des Hipparch falle. 

7 piuiarch, De malign. lierod. 21. Scboi. Aescbin. Hcpi 7capa7:ps96. 77. 



ALTNAXI8GHE MARMORKUNST 73 

den Beginn der dritten Tyrann is des Peisistratos Wider- 
sprüche enthält, die durch des Aristoteles 'ASiovaiciiv TCoXiTEtot 
14 statt gehoben noch vermehrt worden sind. Aber für un- 
seren Zweck genügt es zu wissen, dass die zweite Rückkehr 
des Peisistratos und wahrscheinlich auch der Beginn der Ty- 
rannis des Polykrates in die erste Hälfte der dreissiger Jahre 
fällt und dass Lygdamis spätestens unmittelbar nach Hippias, 
wahrscheinlicher allerdings schon vor 120 gestürzt wurde. 
Dass aber Lygdamis schon vorher einmal Tyrann gewesen 
war, ist deshalb wahrscheinlich, weil Aristoteles zwei grund- 
verschiedene Darstellungen von dem Emporkommen des Lyg- 
damis giebt, das eine Mal * als handele es sich um eine innere 
Angelegenheit von Naxos, das andere MaP als sei die Auf- 
richtung der naxischen Tyrannis nur ein Stück peisistratei- 
scher Politik'^. 

Sehen wir auf der einen Seite Naxos aus den beschränkten 
Verhältnissen seines Inseldaseins in die grosse Politik des 
Tyrannenbundes hineinwachsen und auf der anderen Seite 
seine altmodische, an der Heimat und ihrer nächsten Umge- 
bung haftende Kunst plötzlich abgelöst durch einen unterneh- 
menden Grossbelrieb, der durch das ganze stattliche Gebiet 
der drei Bundesstaaten und über dieses hinaus sich Geltung 
verschafft, so fällt es schwer einen Zusammenhang dieser Er- 
scheinungen zu leugnen. Zufällig ist uns noch eine Notiz er- 
halten, welche über Beziehungen zwischen Politik und Kunst 
berichtet. Als Lygdamis Tyrann geworden war, bot er unter 
anderen Gütern der Aristokraten auch eine Anzahl von die- 
sen bestellter Weihgeschenke, die halbfertig in den Werkstät- 
ten lagen, zum Kaufe aus, an dem sich aber die Aristokraten 
beteiligen durften^. Auch diese Notiz, die auf die erste Ty- 



* üepi Naf. TcoXiT. bei Athen. VIII p. 348= fr. 510 R. 

2 *AÖT)v. jcoXiT. 17, offenbar nach Herociot I 64. 

3 Ziemlich gewaltsam sucht diesen Widerspruch zu lösen Grote, Griech. 
Gesch. 2 II S. 39i», indem er beide Notizen auf eine Tyrannis bezieht, die 
Lygdamis durch Peisistratos vor dessen zweiler Vertreibung erlangt habe. 

4 Aristot. Oecon. II 3 (p. 1346 Bekk.) A^fSafAtc N(£Sio( ix6aXu>v fufi- 



7^ ALTNAXISCHE MARMOR KUNST 

rannis besser passt als auf die mit fremder Hilfe erzwungene 
zweite, wird illustrirt durch die Monumente. Es ist nicht Zu- 
fall, dass von den unfertigen Werken, die sich in naxischen 
Steinbrüchen gefunden haben die drei genauer bekannten 
den älteren Typus der platt- und breitschädeligen Männerbil- 
der vertreten, die wir ausserhalb der Kykladen nicht ange- 
troffen haben. Sie sind liegen geblieben, weil Niemand Lust 
hatte sie vollenden zu lassen. 

Für diese Gruppe naxischer Werke ergiebt sich aus allen 
diesen Erwägungen, was auch die Gesamtentwickelung der 
archaischen Kunst fordert: Die Werke des älteren Typus lie- 
ferten die naxischen Werkstätten vor rund 540. 

Seitdem belebt sich der Verkehr mit Athen, wo die Existenz 
eines Dachziegels bisher das einzige Zeugniss naxischen Im- 
ports gewesen war, und mit Samos, wo jetzt gar ein Einhei- 
mischer seiner Göttin ein naxisches Werk weiht. Über die Zeit 
dieser eigentlichen Blüte der naxischen Kunst lehren Geschichte 
und Monumente, dass die jüngeren unserer Werke, welche die 
Mehrzahl der erhaltenen bilden, während der durch Pei- 
stratos' Hilfe errungenen oder wiedererrungenen Tyrannis des 
Lygdamis, d. h. in den dreissiger und zwanziger Jahren des 
sechsten Jahrhunderts entstanden sind. 

Ehe wir uns die Frage vorlegen, wann die letzten Werke 
unserer Reihe entstanden seien, erinnern wir uns der naxischen 
Werke in Aktion, im Ptoion, in Megara *, deren Existenz durch 
die geschilderten politischen Verhältnisse noch nicht ohne 
Weiteres sich erklärt, jedoch verständlich wird, wenn wir uns 
ausser diesen Verhältnissen die Beziehungen von Naxos zum 
ApoUonkult vergegenwärtigen. 

Auf der Insel des Dionysos selbst war der Kult des Apollon 



8a;, IäsiBt) t« xTiJjJLaTa auTÖv ouöei; rfiiXr^aiw aXX ^ ßpa/^lo; aYopotJ^eiv, auTot; xot; 
^uyiaiv ajceSoTo* xi tc avaOYJixaia, oaa ^v auicüv ev iiaiv ip-^a^xriphii ii^Up^a ava- 
xiCfASva, iTcoiXei toT( ts ^uyaai xai Tb>v £XXb>v t(5 ßouXo(i£v(ü (uai* eTciYpafTJvai t6 tou 
}cpia{iivou ovo(ia. 

* Auf das verspreogle Stück in Olympia ist kein Wert zu legen. 



ALTNAXISGHE MARMORKUNST 75 

Tragios heimisch*, als dessen Stätte ganz neuerdings durch 
einen Inschriftenfund derselbe noch heute Tpayga genannte 
Bezirk erkannt worden ist 2, der den gröbsten Marmor und 
auch den Koloss von Flerio (45) geliefert hat. Vielleicht ist 
mit diesem Apollon identisch der von Makrobios (I, 17) er- 
wähnte üoiavio? und der unter den berühmtesten seines Glei- 
chen genannte Apollon. den ein Fragment des Ananios meint ^. 
Aber mehr als die Heimat ist das benachbarte heilige Eiland 
der Letoiden der Schauplatz einer Kunst geworden, die Naxos 
dem Apollon und seiner Schwester zu Ehren von schüchter- 
nen Anfangen zu erstaunlichen Leistungen ausbildete. In die 
Kinderjahre dieser Kunst gehört neben dem Weihgeschenke 
der Nikandre das Werk, das sein Künstler und Stifter Viphi- 
kartides als Erzeugniss seiner Werkstätte mit naiver Selbst- 
gefälligkeit anpreist; die äusserste Leistung bezeichnen die 
Kolosse von Flerio und Komiaki, die von den reichen Ge- 
schlechtern dem Apollon und Dionysos zugedacht waren. 

Seit der politischen Umwälzung genügte das delische Hei- 
ligtum nicht mehr als Absatzgebiet der gewandten, fabrik- 
mässigen Produktion von ApoUonbildern. Zwar wird das 
Meisterstück, der berühmt gewordene Koloss, erst jetzt, als 
Zeugniss der Frömmigkeit und der Prachtliebe auch des neuen 
Herrschers, auf Delos errichtet; aber die betriebsamen Stein- 
metzen lenken ihre Blicke mehr nach aussen, wo die freund- 
lichen Wechselbeziehungen der Tyrannenhöfe und die Bewun- 
derung, die ihre bisherigen Leistungen in den Besuchern von 
Delos erregt hatten, ihnen ungeahnte Aussichten erschlossen^. 
Sie haben sich Fremdes angeeignet und fremde Anforderungen 



* Sleph. Byz s. v. Tpa^^a. 

2 Szanlo, Arch.-epigr. Milth. aus Österreich XIII S. 179, Nr. 5. 

3 Schol. Arist. Ran- 659=:Bergk II S. 501 fr. 1. AicoXXov, ockou AfjXov ^ 
nüöoiv' 6/ei{. -H Ndlfov ^ MariTOv fl Ocfriv KXdfpov 

* Neben den berühmten Kulten des aktischen und ptoischen Apollon 
kommt hier der des Apollon Agraios in Megara (Paus. I 41,3 ff,) in Be- 
tracht. — Die bevorstehenden delphischen Ausgrabungen werden uns beleh- 
ren, ob auch dorthin der naxische Marmor gelangt ist. 



76 ALTNAXI8GHE MARMORKUNST 

erfüllen müssen ; nur die naxischen Apollonbilder scheinen 
eine gewisse kanonische Geltung genossen zu haben, und mehr 
als kleine Verbesserungen im Einzelnen haben sie während 
der allerdings kurzen Blüte dieser Produktion nicht erreicht*. 

Auch diesen lohnenden Verkehr mit den entlegeneren Apol 
lonheiligtümern hatte die Tyrannis erschlossen, aber er musste 
nicht so unbedingt unter ihrem Sturze leiden, wie der auf 
wechselseitige Beziehungen gegründete mit dem attischen und 
samischen Tyrannenreich. Dennoch scheint es auch hier mit 
dem Glück der naxischen Kunst schnell vorbei zu sein. Unter 
allen besprochenen Werken sind vielleicht ein paar jünger 
als die jüngsten in Athen gefundenen : der venezianische 
Löwe und das manirirte ptoische Fragment 9, dass bei der 
üblichen starren Gesamtanlage durch sorgfältige Angabe der 
Rippen und Sägemuskeln überrascht. Dass neben diesen jüng- 
sten Werken gröbsten Marmors solche aus feinerem auch auf 
Naxos entstanden, scheinen jene athenischen Stücke zu be- 
weisen. Die naxischen Steinmetzen werden eingesehen haben, 
dass ihr einst so stolz gepriesener heimischer Marmor mit dem 
von Paros und Attika nicht konkurriren könne, und ihre böo 
tischen Kunden haben, wie die ptoischen Stücke aus pente- 
lischem Marmor (Lepsius 170. 171. 172) und oolithischem 
Kalkstein (Lepsius 239) beweisen, sich gesagt, dass das 
nähere attische und das noch billigere, auch früher schon ver- 
wendete einheimische Material (Lepsius 241. 242. 231. 232) 
den teueren und groben Inselmarmor entbehrlich mache. End- 
lich hat auch der wachsende Ruhm erfindsamerer Bildhauer- 
schulen die einst so blühende naxische zu untergeordneter, 
im Wesentlichen wol lokaler Bedeutung herabgedrückt. 

Wir werden kaum fehl gehen, wenn wir über die letzten 



^ Die Frage nach der Bedeutung dieser JunglingsGguren will ich hier 
nicht aufwerfen. Genug, dass die kolossalen mit Sicherheit ApoHon zu nen- 
nen sind (vgl. Overbeck, Kunslmythoiogie III S. 15) und dass die erwähn- 
ten Schulgewohnheiten der naxischen Kunst auch für die übrigen, soweit 
sie äussere Beziehungen zu Apollonheiligtümern haben, den Namen Apoi- 
lon wahrscheinlicher machen als für ähnliche Werke anderer Schulen. 



ALTNAXISCHE MARMOREUNST 77 

Leistungen dieser Kunst urteilen, dass die jüngsten unserer 
Werke im vorletzten Jahrzehnt des sechsten Jahrhunderts 
entstanden sind. 

Was wir später von naxischer Kunst hören ist sehr wenig. 
Der berliner Bronzeapollon steht seinem Typus nach noch auf 
der Stufe der letzten Jünglingsbilder (16. 34) und ich glaube 
mich nicht zu täuschen, wenn ich in seinem Kopfe Ähnlich- 
keit mit der Figur des British Museum (14) finde. Jedenfalls 
kann er uns nichts Neues sagen. Der letzte sicher naxische 
Künstler ist Alxenor, der Meister der bekannten orchomeni- 
schen Grabstele. Eine breite Kluft trennt dieses Werk von 
den hier besprochenen. Da wir nicht wissen, wie auf Naxos 
selbst die Kunst sich weiter entwickelt hat, so ist es an sich 
möglich, dass Alxenor ein späteres Stadium derselben vertritt. 
Aber das Werk ist, wie das Material beweist (Lepsius 232), 
in Boiotien entstanden, und so fehlt jede sichere Beziehung 
des Künstlers zur Kunst seiner Heimat. 

Die litterarische Überlieferung haben wir bisher völlig un- 
berücksichtigt gelassen; jetzt gilt es zu prüfen, wie die aus 
den Monumenten gewonnenen Ergebnisse sich zu ihr verhal- 
ten. Pausanias berichtet (V 10,3) von einem Byzes, oO (paaiv 

Ndc^io; Euepyo^; (xe yevgi Ay)toö; Trope, Bu^^eci) 
Tuai^, 0^ 7up(i)TiGT0^ T6Ö$e >i6ou X6pa(X0V, 

und er fügt hinzu Y)>.ixiav Se 6 Bu^y); outo; tlxtql 'A>.'jiTT7)v tov 

AuSov )cai 'AdTudcyYiv tov Kua^apou ßaejtXeuovTa h MyjSoi?. 

Es ist klar, dass dieser Zusatz auf einer für uns nicht con- 
trolirbaren Berechnung des unbekannten Gewährsmannes des 
Pausanias beruht, während die Notiz selbst auf die Weihin- 
schrift von damals noch in Naxos sichtbaren altertümlichen 
Bildwerken sich stützt. Wer der Meister dieser Bildwerke 
war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Gewiss nicht Euer- 
gos, der sie stiftete; man würde dann eine andere Formel, 
etwa wie die des Viphikartides erwarten. Aber auch Byzes, 
auf den jener Unbekannte schliesst, braucht es keineswegs 
gewesen zu sein; mag man nun ihm, dessen Vaterland uns 



78 ALTNAXISCHE MARMORKUNST 

nicht genannt wird, oder seinem Sohne, dem Naxier Euer- 
gos, die Erfindung der Marmorziegel zuschreiben, mit Kunst 
hat diese Leistung zunächst nichts zu thun, und die Steinmet- 
zenfamilie konnte wol Ursache haben, einen wirklichen Bild- 
hauer zu beschäftigen, wenn sie dem Gotte ein Bildwerk wei- 
hen wollte. Die Überlieferung aliein lehrt also nur zweierlei : 
mit Sicherheit die Erfindung der Marmorziegel in hocharchai- 
scher Epoche, mit Wahrscheinlichkeit die Existenz einer na- 
xischen Bildhauerkunst. Die Monumente haben, denke ich, 
diese dürftigen Notizen reichlich illustirt, indem sie uns na- 
xisches Steinmetzgewerbe und naxische Skulptur in ansehn- 
licher Thätigkeit und lebhafter Wechselwirkung gezeigt ha- 
ben ; im Besonderen sprechen sie dafür, dass die Fabrikation 
von Marmorziegeln in der That auf Naxos erfunden oder we- 
nigstens sehr früh betrieben worden ist. 

Das Alter dieser Marmorkunst hat der von Pausanias be- 
nutzte Autor beträchtlich unterschätzt. Zwar wissen wir nicht, 
wie die ersten Marmorziegel aussahen, aber roher als der älte- 
ste athenische (27) können sie kaum gewesen sein. Er giebt 
uns ein getreues Bild der gerühmten Erfindung, mag man die 
Inschrift B'j als Fabrikmarke des Byzes. der dann in der That 
Naxier gewesen wäre, ansehen oder an einen Zufall glauben, 
der gerade diese Buchstabenverbindung als Versatzmarke uns 
erhalten hätte. Nach diesen Schriftzeichen und der Rohheit 
der Technik, die gleichzeitig mit der Nikandre nicht denkbar 
ist, wurde die Erfindung noch im siebenten Jahrhundert ge- 
macht und über Naxos hinaus verbreitet. Übrigens sind schon 
die Ziegel des ephesischen Artemisions, auf die Puchstein 
neuerdings die Aufmerksamkeit gelenkt hatS so viel künst- 
licher und eleganter als selbst die jüngeren naxischen, dass 
man sich kaum entschliessen kann, anderen marmorreichen 
Gebieten ähnliche Erfindungen abzusprechen und dem Naxier 
einen mehr als lokalen Ruhm zuzugestehen. 

Zum Schlüsse gebe ich eine Übersicht über die Entwicko- 



Arch. Anzeiger 1890 S. 161 fl". 



\ 



ALTNAXISCHE MARMORKUNST 79 

lung der naxischen Marmorkunst, wie sie nach allen diesen 
Erwägungen sich uns darstellt. Einige wenige Beispiele ihrer 
Wirkung nach aussen habe ich in diese Übersicht ohne aus- 
führliche Begründung, die für diesmal zu weit führen würde, 
mit aufgenommen. 

Siebentes Jahrhundert: Erfindung der Marmorziegel ( By- 
zes?) 27. 

Zweite Hälfte des siebenten Jahrhunderts bis etwa 540 : 
Altere Bildwerke. Hauptabsatzgebiet Delos. 35. 36. 37. 45. 
48. A. B, G, H, I. 43(?). 

Mitte des sechsten Jahrhunderts: Neuerungen der Typik 
47. C, 

Etwa 540-500 : jüngere Bildwerke. Absatzgebiete Delos, 
Athen, Samos, die Apollonheiligtümer des Festlandes. 2. 5. 7. 
15. 18. 19. 20. 21. 24. 25. 28. 30. 40. 42 AT. — Typisch ab- 
hängig *E<pY)(;,gpl; ap3^. 1891 Taf. 11, die dieser ähnliche Jör- 
gensen, Kvindeßgurer S. 31 (Vorderansicht). 'E<p7)i;.gpl^ ipj^. 
1891 Taf. 12, 1 (Rückansicht). 1884 Taf. 8, 1. ApoUon von 
Orchomenos^ Stele des Dermys und Kitylos, ptoischer Kopf^ 
Bull, de corr. hell. X Taf. 5. 

Etwa 520-500 : Vielfache Neuerungen in der Einzelbildung. 
1. 3. 6. 8. 9. 10. 14. 16. 17. 22. 23. 34. 44. D, E. F. L, M. 
Berliner Bronze. 

Nach 500 : Alxenorstele. 

Leipzig. 

BRUNO SAUER. 



^ Ich denke über diesen ganz wie Wolters, Berliner Gipsabgüsse 43. 
> Das Vorbild haUe den Gesichtstypus von 5, die Haartracht (vgl. aucq 
die Alxenorstele) von 6. 



GRABDENKMAL AUS BITHYNIEN 
(Hierzu Tafel V) 

Auf Tafel 5 ist nach einer Photographie, welche Herr 
von Kühlmann, Generaldirector der Anatolischen Bahn durch 
den bekannten konstantinopeler Photographen Berggren auf- 
nehmen liess und dem Institut freundlichst zur Verfügung 
gestellt hat, das Denkmal abgebildet, dessen Inschrift!. H. 
Mordtmann im IV Bande dieser Mittheilungen S. 18 veröf- 
fentlicht und erläutert hat. Das Denkmal befindet sich auf 
einem Hügel nahe bei dem Dorfe Atschik-Kaja das seinerseits 
von der Bahnstation Mekedje (182 km von Haydar-Pascha, 
an der Anatolischen Bahn im Sangariostal) etwa drei Stun- 
den entfernt bergauf liegt. Die Basis des Grabmals wird als 
ungefähr 2" breit angegeben, wonach sich die Höhe auf etwa 
7™ schätzen lässt. Die Inschrift ist vorzüglich erhalten und 
auf der Photographie so gut erkennbar, dass ein Zweifel an 
der Lesung nur an einer einzigen Stelle übrig bleibt. Der 
vollständige Text lautet folgendermassen : 

M N H M A 
AIAinOPI2An(|)0¥ZJiNKA 
TESKEOYASENEAYTn 

ANESOAIACTON 
SYNTAIZOIKIAIZKAOnSHEPIEIAHnTAI 

KHNSnEYAHZn^EINEKAIHNEYKAI 

pozoaeyhs-zthoihapoymonzhma 
kaieizhtoynomatoymon-oykazo 

(t)n2ZHTH0ENYTTOZnONTOZEMEIO-EN 
NEArPAMMATEXflTETPAZYAAABOZElMlNOEI 



\ 



Grabdenkmal aus bitüynien 81 

ZY.AITPEIZAinPJiTAlAYOrPAMMATEXOYZINEKAZ 
TH-HAOinHAETATPEIAKAIEIZINA<j)nNATAnENTE 
EZTIAAPIOMOZnENOEKATONTAAEZEAEAlZ 
EnTATAYTOYNZHTHZAZKAirNOYZOZTIznEPOrPA 
YAZrNnZTOZE2HMOYZAIZKAIZO<|)IHZMr 
TOXOZ-MNHMAAEMONTOAEXBPESETIZr 
ONTOZETEYSANAAlNEONrAIHZTEPBOlO 
HNKATEXn 

<juv Tai; oixiat; xaö' Ä; 7C6pi6tXY)7CTat. 

Kyiv (jTCeuSvi;, (0 $g;v6, xai yiv eCxaipo; oSeovi;, 
SttjÖi wap' ou(jLOv <j75(Aa xal etar) TOuvo(xa TOojiLOV. 

OuX idO^ü); s'iOTTOÖeV U7C0 ^(OOVTO; 6(X610. 

'Evvea Ypa(XjJLaT' lj^ci> T6Tpa(yo>.>.a6o; 6t(xi, vost au* 
At Tpet; at TTpöTat Suq Yp(ic|jL(xaT' l^^ouaiv ixdcejTY), 
'H XotTTY) Se Toc Tpeia xai etciv a^cdva toc Tcme. 
'E(ttI S' ipiöjxo; 7rev6' ixaTOVTiSs; [y)]S4 Sl; ßTCTic. 
TolZt ouv ^Y)TY)(ja; xal yvoud odTi; Tcep 6 ypiij/a;, 
FvciXJTo; 6(np Mooaat; xat do^iTj; (xetoj^o;. 
M[Jt.Yi(xa S' i(xov TöSc X^**?^^ ^'^^ ^wovto; ST6u$av 
Aaivsov yaiY); Tepßoio y)v xaTe^^. 

Über die Inschrift im Allgemeinen ist der genannte Aufsatz 
Mordtmann's (oben IV S. 18), zu der frappanten Überein- 
stimmung des Textes mit einer Stelle der sibyllinischen Ora- 
kel seine Bemerkung VII S. 256 zu vergleichen; derselbe hat 
auch für den Namen Ai^{7copi<; die Beispiele und die meist 
nach Thrakien weisenden Analogien gesammelt (vgl. seinen 
Nachtrag Athen. Mitth. V. S. 84). Über die Endung Tuopt; 
vgl. auch HomoUe bei Dumont, Me langes d'archeologie S. 
551 f. zum Namen r-iQTcaiTC'jpt;, AiXiTcopt;, AuXu^opt;. Auch der 
Name *'A7C90(; findet sich in Thrakien {Bull, de corr, hell, 
VI S. 182 Nr. 4) in einer Inschrift aus der Gegend von Eski- 
Zaghra, welches der Herausgeber für Traianopolis ad Hebrum 
hält. Derselbe hat 'A7?fiou in der Umscbrilt, aber auf dem 



82 ÖRABDBNKBiAL AUS BITHYNIEN 

Stein steht, wie in der Inschrift des Diliporis, "Att^ou. Ver- 
glichen mögen auch noch die Namensformen *'A(pY) in einer In- 
schrift aus Brussa werden (Mitth. aus Österreich VIII S. 198) 
und 'AfoO; als Genetiv in Kadiköi in Thrakien (ebenda S. 
'217 Nr. 19. vgl. Dumont, Melanges ctarcheologie S. 374 
Nr. 62 c*). Für die Schreibung xaTCdxeouaejEv endlich sind be- 
reits zwei andere Beispiele bekannt, eines aus der Zeit nach 
Marc Aurel C. /. G, 4411 aus Jotape, und ein viel späteres: 
Sterret, The Wolfe expedition to As ia Minor Nr. 279. Ge- 
gen Sterret s Auffassung dieser Schreibung hat sich mit Recht 
Blass ( Aussprache des Griechischen S. 321) gewendet, und 
dieselbe aus der consonantischen Aussprache des u erklärt. 

In der vorletzten Zeile ist am Ende der Stein etwas be- 
stossen und es ist daher nicht sicher, ob hinter dem O von 
TEPBOIO noch ein Zeichen folgte, wofür der Raum durchaus 
reichen würde. An der Lesung dieses Wortes selbst, welches 
Mordtmann nicht in seine Umschrift aufzunehmen wagte, ist 
aber kein Zweifel. Man wird darin nur einen Namen sehen 
können, der im Genetiv, abhängig von yaiY); stand. Man würde 
dann yatT); als Genetiv des Ortes auffassen und in dem zu 
TEPBOIO gehörigen Nominativ etwa den Namen eines my- 
thischen Gründers erwarten. Da ein solcher anderweitig nicht 
bekannt ist, lässt sich nicht entscheiden, ob wir Tepßoiou er- 
gänzen, oder uns mit dem hier freilich einen Hiatus ergeben- 
den epischen Genetiv Tepßoto von Tepßo? begnügen sollen ; für 
die letztere Namensform sei wenigstens auf eine verwandte 
Spur hingewiesen, den aus Dio Cassius 71,11 bekannten Na- 
men eines Fürsten T&p6o(; aus der Gegend von Pannonien. 
Jedenfalls würde man so zu einer Art der Bezeichnung des 
Ortes kommen, die in dem MeXavo; waTpcitov äcttu der delischen 
Archermosinschrift ihre classische Analogie hätte und ebenso 
müsste man wol auch, worauf mich Adolf Wilhelm aufmerk- 
sam macht, xaToc ^öovx AcüWdepoio auffassen in der Inschrift 
aus Bojuk-Monastir bei Adrianopel, wo die Herausgeber an 
einen Ortsnamen AcoSöTcapo; denken (Mitth, aus Österreich X 



(^RAfiDfiNKtf AL AUS filTHlTNIBN 83 

S. 142 und S. 141 Anm. 10, vgl. Homolle bei Dumont, Me- 
lanies d'archeologie S. 362 Nr. 62 20). 

Über die Zeit des Denkmals kann aliein der Charakter der 
Schrift Aufschluss geben; Mordtmann hatte sie rund in das 
dritte Jahrhundert nach Chr. gesetzt und eine genaue Datirung 
wird bei dem Stande der Epigraphik Kleir asiens auch zur 
Zeit noch nicht möglich sein. Der Steinmetz ist in den For- 
men nicht ganz consequent: die grossen Buchstaben der Über- 
schrift zeigen noch etwas einfachere Formen des M und A 
im Vergleich zum Text des Epigrammes, dafür aber einmal 
die Form C und ein H mit nicht durchgehendem Querstrich. 
Charakteristisch ist die Form des ¥ mit kleinem Querstrich, 
welche in der Überschrift sicher einmal steht , das gerun- 
dete M, welches im Text herrscht, O mit nicht durchge- 
hendem Querstrich und (j) mit kleinem Kreis und langer 
Hasta , welche ganz durchgehend verwendet sind; endlich 
noch die Form des 2 und die verkümmerte Gestalt von B 
und P. Zum Vergleich bietet sich zunächst die folgende Grab- 
schrift von einem Friedhofe, welcher zwischen Ak-Hissar und 
Geve am linken Ufer des Sangarios liegt, also nicht weit von 
der Stelle des in Rede stehenden Denkmals. 

/\ 

^ I II o M n 

AflPOYNEß-E 

kaith2:aaea(|)Hii 

TOYMAPKIAZOYAniA 

nOMnEIAZOEOAOTHZ 

TONAEBJlMONZYNTHOZ 

TO0HKHTHMHTPIZHZA 

ZHETHMKAITnAAEA(|)f2 



EPinOAinZHZANTIET 
-^EEAYTJlZnNCtPONOI 



\TE2KEYAZENEYT 

JLE I ATOYAAE/. Iff YEPA 
N O Z X A I I E 



84 ghabdenkmal aus bithynien 

Ou^TciJou no(X7c[6iou ÖsojScipOb v6(i)T€[pou] xal ty5; iSc^^Yi; [ aujToO 
Mapjcia; OuX7ria[<] üo^jiT^eia^ ©eoSoTr^; TOvSe ßwfxov auv tt) octto- 
ÖTjjcY) TYJ (JiTiTpl ,^'/j(ja<iY) ETT) (Ji xal TG) aS6>.<po) 'EtuittoSici) .J^TOtravTi 
6t[7) o]6 eauTG) 2^(i)v 'ppov[<üv xJaTCiKeuaffcv Eut[uj^o;] (jist« toö iSeX- 
[^o]ö 'Ep(jL[6i<o]vo^ Xatp£ * . 

Der Grabstein, welcher jetzt verkehrt eingegraben ist, misst 
0,70™ in der Höhe nnd 0,53™ in der Breite; auf seiner Un- 
terfläche befindet sich ein Loch zur Aufnahme eines Dübels, 
mit welchem er auf seiner Basis befestigt war. 

Die Inschrift stimmt unter den bisher bekannten bithyni- 
schen Inschriften in den Buchstabenformen am meisten mit 
der von Atschik-Kaja überein: Nur hat A hier stets einen 
gebrochenen Querstrich und die oben erwähnten Formen für 
¥, H, M sind durchgehends verwendet. Ein vereinzeltes C 
findet sich auch hier, wenn ich meiner Abschrift trauen darf. 
So ist die Inschrift durchweg der von Hirschfeld, Sitzungs- 
berichte der Berliner Akademie 1888 S. 866 Nr. 11 veröffent- 
lichten ähnlich ; vgl. daselbst über die Form des ¥. Durch 
den Familiennamen des Trajan gewinnen wir hier wenigstens 
eine obere Zeitgrenze, wie weit wir aber hinabzugehen haben, 
dafür fehlt es an sicheren Kennzeichen. Als untere Grenze 
für die Ansetzung der Grabschrift des Diliporis darf man 
vielleicht zwei Inschriften aus Prusias ad Hypium ansehen, 
welche Athen. Mittheilungen XII S. 177 Nr. 8 und Sit- 
zungsberichte der Berliner Akademie 1888 S. 867 Nr. 14 
veröffentlicht sind und in den Anfang des dritten Jahrhun- 
derts gehören. Beide zeigen, wenn dem Typendruck zu trauen 



* Die Ligaturen TE und TH in Z. 3 und 6 konnten im Druck nicht ge- 
nau wiedergegeben werden. H hat überall den nicht durchgehenden Quer- 
strich. Die Ergänzung der Namen will nur in irgend einer Weise die Lucken 
ausfüllen. Der Name 'EntTcdSio^ begegnet sonst nur noch zweimal : als Name 
eines attischen Epheben aus der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts n. 
Chr. C, [. A. III 1197 und C.I. G, 9552; die Inschrift C. I. G, ^667, welche 
die weibliche Form *Eri7co8ta enthält, steht bei Kaibel, InscripLiones Grxca 
Sicüiw et, lialix unter Nr. 284 * als gefälscht. 



ÖRAtiDE^^KllAt AUS BlTHtNIE^ 6t 

ist, Ähnlichkeit mit der Inschrift des Diliporis haben aber das 
¥ wieder aufgegeben und machen einen ausgiebigeren Ge- 
brauch von Ligaturen. Zu vergleichen wären etwa noch die 
Inschriften aus Pompeiopolis in den eben erwähnten Sitzungs- 
berichten Nr. 6?, welche in das Jahr 136 gehört, und ebenda 
Nr. 59 aus Abonuteichos, welche sich auf Caracalla bezieht. 
Trotz des grossen Schwankens im Gebrauch der einzelnen 
Buchstabenformen, hat es im Allgemeinen den Anschein, als 
wäre man gegen das dritte Jahrhundert hin zu den einfache- 
ren Buchstabenformen zurückgekehrt, wie sie in griechischer 
Zeit üblich waren, vgl. namentlich die auf das Jahr 163 fest- 
gesetzte Inschrift aus Amastris, Sitzungsberichte Nr. 26. und 
Nr. 61 aus dem Jahre 215. Danach hat es alle Wahrschein- 
lichkeit, wenn wir die Inschrift des Diliporis noch in das 
zweite Jahrhundert setzen, während der Versuch, sie jünger 
als jene beiden Steine aus Prusias anzusetzen, auf grössere 
Schwierigkeiten stossen würde. 

Denkmäler von übereinstimmender Form sind bis jetzt 
nicht bekannt geworden, auch bekundet der ganze Autbau 
durch seine Erscheinung so unverkennbar seine Entstehung 
aus der wunderlichen Laune eines Einzelnen, dass man nicht 
einmal erwarten wird, Ähnlichem oft zu begegnen. Immer- 
hin lassen sich gewisse Beziehungen zu Bekanntem auf- 
weisen. Die Höhe des Denkmals und der Geschmack, den 
Sarg so weit über den Erdboden zu erheben, hat wenigstens 
eine Analogie an den bekannten lykischen Grabbauten (z. B. 
Fellows, Reisen Taf. 4. 13, und namentlich 12). Im Ein- 
zelnen aber ergiebt sich , dass der ganze Bau überhaupt 
aus bekannten Elementen zusammengestellt ist. Auf einem 
zweistufigen Unterbau erhebt sich zunächst ein in sich abge- 
schlossener pfeilertörmiger Grabstein mit Ablauf und Sockel, 
der oben durch ein ausladendes Glied gekrönt wird. Chara- 
kteristisch sind die Eckpalmetten, durch welche der obere Ab- 
schluss einem Grabstein recht ähnlich wird, den ich in meh- 
reren Exemplaren auf einem Friedhofe unweit Eski-Schehir 
fand. Um auf diesen Grabstein einen Sarkophag setzen zu 

ATHliN. MITTIIEILUNGEN XVII. 7 



86 ^RA^DENKIfAL AüS AlTHTIflEIt 

können, bedurfte es eines Zwischengliedes, welches die far das 
Auflager des Sarkophages erforderliche grössere Breite ver- 
mittelte. Diesem Zwecke entspricht eine Art Architrav, wel- 
cher an beiden Seilen vorspringt und in der Form einer Con- 
aole geschweift endigt. Nach oben wird er durch ein Kyma 
and einen Abacus abgeschlossen. Für die eigentümliche con- 
solenartige Form macht Dörpfeld auf die Endigung der Ar- 
chitrave der Skene in Oropos (ripaxTixx 1886 Taf. 3) und 
auf die zweistöckige Halle in Epidauros (lIpaxTixx 1884 Taf. 
3, 4. 6) aufmerksam. Auf dieser Basis erhebt sich endlich der 
Sarkophag, er zeigt die in Bithynien ganz verbreitete Form ; 
sie ist dem Hause mit Giebeldach nachgebildet, die Wand- 
flächen durch Pilaster in Felder geteilt, deren Mitte eine iMe- 
dusenmaske einnimmt. Sarkophage von genau derselben Form, 
in übereinstimmender Weise durch Gorgoneia geschmückt, 
sind in der Nähe von Lefkeh aus dem Felsen gehauen. Sie 
befinden sich hart an der Eisenbahn nach Angora. Ihre Kennt- 
Diss verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Ingenieurs 
Rainer, welcher sie bei den Arbeiten für die Bahn im Anfang 
des Jahres 1889 entdeckte. Auch diese Sarkophage befinden 
sich in beträchtlicher Höhe über dem Erdboden auf künstlich 
hergestellten Plattformen, zu denen Stufen führen. Auf dem 
einen derselben sind die Buchstaben 0YOP erhalten, von 
denen das O genügt, um sie im Grossen und Ganzen in die- 
selbe Zeit zu setzen, wie das besprochene Denkmal. 

Athen. 

BOTHO GRAEF. 



GRIECHISCHE INSCHRIFTEN AUS BALANAIA 

Allfeiner im Jahre 1888 unternommenen Reise nach Sy- 
rien fand Herr Dr. Max Blanekenhorn in dem an der syri- 
schen Küste südlich von Latakieh (Laodikeia) gelegenen Orte 
Bäniäs, dem alten Ba>.avaia, zwei griechische Inschriften, von 
welchen er eine Ahschrift nahm und mir freundlichst mit- 
teilte. Bei der ungünstigen Lage, in welcher die Steine ange- 
bracht sind, kann nicht für unbedingte Richtigkeit der Le- 
sung in allen Teilen Gewähr geleistet werden, doch ist die- 
selbe in der Hauptsache gesichert. 

1. Verkehrt eingemauerter Stein in der Mauer des grossen 
Brunnens vor dem sogenannten Serail, einem im Wesent- 
lichc^n aus dem Mittelalter herrührenden grossen Gebäude. 

ONOMOYMENUÜNTHTYX 

ANTIOXOCOKAIAEI(|>IAOCMHNOAUÜIC 
TONNAONEKTUUkNIAlUüNEKTICEN 
AlTAArAAMATAANNEGHIKEN 

'^.(0 Tux[^i 

'AvTlOyO^ 6 TLOLl iiiiffiko^ M7)VoS(i)po[u 

Tov vaov 6x TÖv tSi(ov exTtersv 
x]at ri iya^ixaTa iv<(v^£07)^i^x6v. 

*Avv£[0riX6 mit zwei Ny steht schon auf dem alten korinthi- 
schen Pinax /. G. A. 20, 89; vielleicht ist diese Schreibung 
durch die Silbenabteilung av-£9r,x6 veranlasst, doch ist auch 
sonst fehlerhafte Buchstabenverdoppelung nicht selten. VgL 
Blass, Aussprache des Griechischen^ 127 über gortyn. «ruwr.t 
d. i. auv-Y)i. 



^ (>RIBGltl8CHE (NSGEtRIPrEN AUS ÖALANAtA 

II. Über der Thür einer Mühle am Valania-Bach einge- 
mauerter Stein. 

TOYCYnOTHCBOYAHCKAITOYAHMOYYH(|>IC0ENTAC 
ANAPIANTAC(|>IAITTnOYTOYANTinATPOYKAIANTI 
nATPOYTOYcHAinnOYTOYnATPOCAYTOYIEPACA 
NMENOYKAIEniAOCElCnOlHCAMENOYKAI 
5 rYMNACIAPXHCANTOCEniCHMUÜ.HIM.. 

ENEKAOYCAYTOIEKTUÜ NANEC 

THCAN 

ivSpiivra; ^iXitutuou toö 'AvT'.T:aTpou xal *AvTt- 

^v^jjievou xal 67ctoÖG6i; 7COiy)<rau.£vou xai 

5 Yuu.va<riap)^7)(javT0; 67ut(jY)pL(i) 

evcxa ou; aurot dx T<ii>[v iSicoJv iveer- 

T7)<rav. 

In der 5. Zeile zwischen Uü und H : O? am Schlüsse TT? O? 
In der 7. Zeile steht -T7)(jav in der Mitte, die Inschrift schliesst 
also damit. 

Berlin, den 9. Nov. 1889. 

PAUL KRETSCHMER. 



LITTERATUR 

M. r. Ahmitsa , $u<jt>c7) ;cal tto^vItixt) yt<ti''fpx(fix Tvi; *EXXaSo^ 
xat Töv ixTO^ auTYi; *EX^7ivtxöv jr<j>>p(üv. "ExSoeri; x6[X7CT71. Athen 

1891. 

Tp. E. ErArrEAIAOY, Utpl tyS; Ktavöv TroXireta;. Athen 1892. 
['IiTopta Ktov» XTCO Tvic XTtffio); auT/ic P^^XP^ '^C iXcoaccoc KcovcTav- 
TivouTUoXcö); *EopTal Kicov. "HBt; )cai 66i[/.a Ktwv. Ilgpt töv Ki(i)V 
vou.t(Tut.dtT(i)v. MriVg; Ktcov. 0soi Ktcov. Kto)^ TToXiTeuixal. 

I. K. Ko^lNIÜTOr, *I<JTopta Tou ^'Apyou; u.6t' ctxovcov. Heft 

1-4. Athen 1892. [Unter den Abbildungen findet sich einiges 
sonst nicht Veröffentlichte (19. Statue aus dem Theater, Ber- 
liner Gipsabgüsse 1473. — 20. Weihrelief an Ay)(X7)T7)p Mu^ia). 
Ausserdem ist hervorzuheben S. 87, Bericht über die Aus- 
grabungen des Verfassers im Theater zu Arges. S. 95, Ver- 
zeichniss der in Argos befindlichen oder daher stammenden 
Antiken, Weiterführung der Kataloge von Milchhöfer und 
Stamatakis]. 

A01INA, (T'jyYpafAjJLa TreptoStxov xri^ Iv 'A9r;vat5 67Ut(yTy;(AOvtx95^ 

£Tatp6{a(; III, 3. Athen 1891. Darin u. a. S. 401. Sxup. B4:<jn, 
Z7)T7)tAaTa *P(i)U!.a'ixöc. — S. 408. Derselbe, KpiTixal TrapaTTQpTQdgt; 
6t; Tov B' TOfAOv TTJ; TOU F. BepvapSxjcT) IxSoaewc Tcov nXouT&pyou 
'HOiy.(üv. — S. 419 ff. Inschriften und Beiträge zur mittelal- 
terlichen und neueren Geschichte Griechenlands von K. Zt)- 
<7to(;, darunter S. : 04 zur Zerstörung des Parthenon. 

Aeation AFXAioAoriKON 1891, November und Dezember. 

Ebaomas, 1892 Nr. 1-16. Darin u. a. Nr. 6. Fund eines Re- 
liefs in der Athenastrasse zu Athen, einen ausruhenden Hera- 
kles darstellend. — Nr. 8. A. K. BxpSo'jviwTr,;, 'Avaaxacpai et; 
t6 *Hpatov. — Nr. 10. A. Fp. Ka[A7roopoyXou, At 67rt tt}; ipj^ata; 
UpÄi; oSoO ivxaxxcpat [Kurze Mitteilungen über die Ausgrabun- 
gen beim Aphroditeheiligtum am heiligen Wege. Fund eines 
Meilensteins mit der Inschrift Z' 6$ adTgco;, Weihinschriften 
aus dem Heiligtum]. — Nr.ll. Fund eines Mosaikbodens (Me- 
duse) im Piräus. — Nr. 13. A. Pp. KafATroupoyXou. At iri ty); 
apj^ociag Upa; oSoö avaaxa^al [Weihinschriften]. 



90 FUNDE 

EsTi\ 1892 Nr. 1-16. Darin u. a. S. 21. N. T. noXirr;, 
At 'E:rtY?a<py-i Tri; Kdi [Anzeige des hicks'schen Buches]. — 

S. 56. N. I. SirxvScjvyi^, 'AXe^avSpo; *PoLyAx^y]^, — S. 190. 'lax. 

X. ApayiT'jvji;, Ke^a^Y) MeSo'jTir); [Abbildung und Besprechung 
eines im Piräus entdeckten Mosaiks]. — S. 225. A. MrrAixpi- 
XTi;, KapayotT^ r, FlöpTo Aayo y-at t) H'j.^r, Bittovi^. — S. 237. 
'lax. X. ApayxT^r,;, 'Apyata; oUioL^ XeitJ/ava [Untersuchung des 
Gebäudes, zu welchem das eben genannte Mosaik gehört]. — 
S. 238. A. rp. Ka|A7:o'jpoY>.o'j:, 'Avaaxa<pai ttj; UpÄ; oSoO [Auf- 
deckung des Aphroditeheiligtums bei Daphni, wobei auch die 
Umfassungsmauer, die antike Strasse^ und mehrere Skulptu- 
ren gefunden wurden. Ausgrabungen innerhalb des Klosters 
Daphni, die noch zu keinem sicheren Ergebniss geführt ha- 
ben. Auffindung einiger Grabanlagen. Vgl. unten S. 93.] 
E*HMEPis APXAiOAoriKu 1892 Heft 1. 



FUNDE 

1. Die vom deutschen archäologischen Institute unternom- 
menen Ausgrabungen in Athen, über welche ich in 
diesen Mittheilungen XVI S. ii3 berichtete, sind während 
der Monate Februar und März weitergeführt, dann aber in 
Folge der Heisen des Instituts unterbrochen worden. Ihr 
Zweck, Autklärungen zn bringen über die wichtigsten Fragen 
der athenischen Topographie und besonders über die Lage 
des Stadtbrunnens, ist noch nicht vollständig erreicht, und 
die Grabungen werden deshalb im Laufe des Sommers wieder 
aufgenommen und zu Lude geführt werden. Ein ausführ- 
licher Ikricht über die erreichten Resultate und ein Lageplan 
der freigelegten Gebäude wird erst nach dem Abschluss der 
Grabungen veröffentlicht werden; ich beschränke mich hier 
auf eine kurze Aufzählung derjenigen h^i'gebnisse, welche nach 
meinem letzten Berichte erzielt worden sind. 

Die antike Strasse, welche zwischen Areopag und Pnyx 



aufgefunden worden war, ist weiter nach Süden auf eine 
grosse Strecke zu Tage getreten. Sie kreuzt zuerst die heutige 
Fahrstrasse und sIeigt dann östlich neben ihr allmählich zur 
Akropolis hinauf. Ursprünglich von polygonalen Mauern ein- 
gefasst. hat sie sich im Laufe der Jahrhunderte so beträcht- 
lich erhöht, dass jene Mauern später unter dem Fussboden 
verschwanden. Unter der Strasse liegt ein aus gebranntem 
Thon hergestellter, begehbarer Abflusscanal, zu dem an meh- 
reren Stellen Einsteigeschachte hinabführen. Von elliptischem 
Querschnitt, war er zur Abführung aller Gewässer vorzüg- 
lich geeignet und thatsächlich nimmt er allein auf der von 
uns freigelegten Strecke 13 Nebencanäle auf, welche ihm von 
allen Seiten Wasser zuführten. 

Auf der Westseite der Strasse, zwischen ihr und der an 
dem Pnyxfelsen entlang laufenden grossen griechischen Was- 
serleitung, sind mehrere Bauwerke aufgedeckt worden, wel- 
che nach ihrer Bauweise und auf Grund erhaltener Inschriften 
ins fünfte und sechste Jahrhundert v. Chr. gesetzt werden dür- 
fen. Wenn man die Strasse hinaufwandert, trifft man zunächst 
auf der rechten Seite ein kleines Heiligtum, das von polygona- 
len Mauern umgeben ist und zwei Grenzsteine mit der aus dem 
sechsten Jahrhundert stammenden Aufschrift HOP'O^ enthielt; 
einer der Steine ist noch an seiner alten Stelle. In dem klei- 
nen Bezirk bemerkt man ein kapellenartiges Tempelchen ohne 
Säulen, vor dem ein runder Altar aus Porös steht. Welcher 
Gott oder Heros hier verehrt worden sein mag, ist nicht be- 
kannt. Material und Technik des kleinen Tempels weisen auf 
das sechste Jahrhundert als Erbauungszeit hin. Schon im näch- 
sten Jahrhundert ist das Heiligtum in Folge seiner im Verhält- 
niss zu dem allmählich höher gewordenen Wege tiefen Lage 
unter die Erde gekommen, denn im vierten Jahrhundert liegt 
schon ein anderes Gebäude darüber, welches durch zwei an der 
Strasse noch an ihrer alten Stelle befindliche Grenzsteine mit 
der Aufschrift HOPO€AE€XH^ als Lesche gesichert ist. 

Oberhalb der Lesche findet man an der Strasse einen klei- 
nen ebenfalls aus polygonalen Kalksteinen errichteten Bau, 



9i FUNDB 

an dessen Aussenwand zwei Inschriften aus dem vierten Jahr- 
hundert eingemeisselt sind, welche lehren, dass das Haus mit 
mehreren Hypotheken belastet war, also wol ein Privathaus 
gewesen ist. 

Weiter oberhalb liegen an derselben westlichen Seite der 
Strasse die Reste eines sorgfältig in polygonaler Bauweise er- 
richteten Gebäudes, in welchem man auf Grund seiner inne- 
ren Herrichtung und seiner zahlreichen Ausflüsse einen gros- 
sen Wasserbehälter erkennen muss. Seine Erbauungszeit ist 
das fünfte oder sechste Jahrhundert Anfänglich glaubten wir, 
dass der Behälter einen Teil des gesuchten Stadtbrunnens selbst 
gebildet habe, allein die weitere Aufdeckung ergab, dass dies 
wahrscheinlich nicht der Fall ist ; er kann nur ein Hochre- 
servoir oberhalb oder ein Bassin unterhalb des Lautbrunnens 
gewesen sein. Von diesem selbst ist also bisher nichts gefun- 
den worden ; dass er aber in der Nähe des Ausgrabungsfeldes 
gelegen haben muss, dafür sind sichere Merkmale einmal die 
grosse Anzahl der vorhandenen Wasserleitungen, sodann der 
Umstand, dass die grosse griechische, am Pnyxfelsen erhal- 
tene Wasserleitung gerade hier geendet zu haben scheint und 
endlich die Auffindung einer natürlichen Quelle mit einem 
Felsstollen zwischen dem Behälter und der grossen Fels- 
wasserleitung. Die Steile zwischen dieser Quelle und dem 
Behälter konnte leider nicht ganz freigelegt werden, weil sie 
von der heutigen Fahrstrasse überdeckt ist. 

Die übrigen Anlagen, welche namentlich auf der andern 
Seite der alten Strasse zu Tage getreten sind, lasse ich hier 
unerwähnt, weil ihr Grundplan und ihre Bedeutung noch 
nicht ganz ermittelt sind. Auf jeden Fall steht fest, dass wir 
mit den Ausgrabungen in die Nähe eines Platzes gekommen 
sind, wo sich in ältester Zeit eine natürliche Quelle, wahr- 
scheinlich mit einem einfachen Laufbrunnen, befand; an 
dieselbe Stelle ist in frühgriechischer Zeit eine grosse Was- 
serleitung aus dem oberen Hissos-Thale geleitet worden, of- 
fenbar um dem Brunnen, der für die Bedürfnisse der Stadt 
nicht mehr ausreichte, mehr Wasser zuzuführen. Da nun auf 



FUNDE Ö3 

Grund der Nachrichten des Thukydides. des Pausanias und 
Anderer der Hauptlauf brunnen Athens, die sogenannte En- 
neakrunos, unterhalb des Eleusinions an der Feststrasse, wel- 
che vom Markt zur Akropolis hinaufführte, gelegen haben 
muss, und da er, ursprünglich eine einfache Anlage mit dem 
Namen Kallirroe, von Peisistratos vergrösserl und gewiss 
durch Hinzuleitung neuen Wassers zu einem neunmündigen 
Laufbrunnen gemacht worden war, so trage ich selbst auch 
nicht mehr das geringste Bedenken, an dem von uns ausge- 
grabenen Platze die Enneakrunos anzusetzen, besonders da 
auch aus anderen Gründen, die zu besprechen hier nicht der 
Ort ist, gerade diese Stelle der alten Stadt für die Ennea- 
krunos in Anspruch genommen werden muss. 

Allerdings ist dies bisher nur meine persönliche Überzeu- 
gung. Der Lauf brunnen selbst ist noch nicht gefunden, und 
darum ist derjenige, welcher die Enneakrunos in einen ande- 
ren Stadtteil verlegen zu müssen glaubt, durch die bisherigen 
Ergebnisse der Grabungen noch nicht gezwungen, seine An- 
sicht ohne Weiteres fallen zu lassen. Wir erhoffen von der 
Fortsetzung der Ausgrabungen, dass auch die letzten Zweifel 
gehoben werden und dass sich durch irgend einen Fund mit 
Bestimmtheit ergeben möge, ob die Enneakrunos in der Nähe 
des Marktes gelegen hat, wo sie Pausanias in seiner Beschrei- 
bung Athens ansetzt, oder ob diejenigen Recht haben, welche 
diesen Brunnen am entgegengesetzten Ende der Stadt neben 
dem Olympieion am llissos suchen. 

2. Von der griechischen archäologischen Gesellschaft sind 
in diesem Winter unter der Leitung des Herrn Kamburoglu 
Ausgrabungen in der Nähe des Klosters Daphni an der hei- 
ligen Strasse zwischen Athen und Eleusis gemacht worden. 
Noch vor dem Kloster sind neben der Strasse mehrere Bau- 
anlagen ganz aufgedeckt, von denen früher nur geringe Reste 
sichtbar waren. Es scheinen Begräbnissplätze gewesen zu sein, 
die an der heiligen Strasse angelegt waren. An dem Kloster 
selbst hat man keine wesentlichen Baureste gefunden, dage- 
gen sind bei dem Aphrgdite-Heiligtum, dessen Stelle schon 



94 FUNDE 

längst bekannt war, mehrere Bauwerke aufgedeckt und auch 
zahlreicl^ Weihgeschenke und andere Bildwerke gefunden 
worden. Vor der schon früher sichtbaren Felswand, in wel- 
che Nischen für kleine Votivgegenstände eingemeisselt sind, 
erkennt man einen umgrenzten Raum, den heiligen Bezirk 
der Göttin, und neben ihm mehrere Gebäude unbekannter Be- 
stimmung. Ein Tempel scheint sich unter den letzteren nicht 
zu befinden, wenigstens keiner von der gewöhnlichen Form. 

Neben dem Heiligtum hat man die noch jetzt mit Steinen 
gepflasterte alte Strasse aufgedeckt, welche eine Fahrbahn 
von etwa 4,70° und beiderseits scheinbar einen erhöhten 
Fussweg hatte. Gerade dem Heiligtum gegenüber ist auf der 
andern Seite der Strasse ein stattlicher, von polygonalen Ralk- 
steinmauern eingefasster Bezirk zum Vorschein gekommen, 
in welchem man, da einige Marmorsarkophage darin gefun- 
den sind, einen Begräbnissplatz, vielleicht ein Familiengrab 
erkennen darf. Vgl. oben S. 89 f. 

3. Auf einer Reise durch den Peloponnes, welche auch in 
diesem Frühjahre unter zahlreicher Beteiligung von Fachge- 
nossen unter der Leitung der beiden Sekretare des Instituts 
stattfand, wurden mehrere Orte besucht, an denen neuer- 
dings Ausgrabungen vorgenommen worden sind, oder die in 
archäologischer Beziehung ein besonderes Interesse bieten. Im 
Nachfolgenden mögen einige unserer Beobachtungen mitgeteilt 
werden : 

In Mykenai ist die Ausgrabung des zweitgrössten Kup- 
pelgrabes von Herrn Tsundas weitergeführt worden. Der nun- 
mehr fast ganz ausgeräumte Dromos macht trotz der geringe- 
ren Grösse der Quadern fast einen ebenso grossartigen Ein- 
druck wie das sogenannte Schatzhaus des Atreus Von der 
Verkleidungsarchitektur des Eingangs sind jetzt so viele Stücke 
gefunden, dass eine bildliche Wiederherstellung der Fassade 
möglich ist. Rechts und links von der Thür stand je eine 
Halbsäule aus Alabaster mit einem Kapitell, welches demje- 
nigen vom Löwenthor sehr ähnlich ist; leider ist von diesem 
Kapitell nur ein einziges und dazu noch sehr beschädigtes 



FUNDE 95 

Stück zum Vorschein gekommen. Das Gebälk bestand aus 
einem mit runden Scheiben (Balkenköpfen) ausgestatteten 
Bande und einem mit einem Spiralornament versehenen Ge- 
simse. Das über der Thür befindliche offene Dreieck war aus- 
gefüllt mit einem Streifen, welcher ein dem Triglyphenfriese 
ähnliches Ornament aufweist, und darüber mit zahlreichen 
Spiralbändern ; beide Arten sind aus rotem Stein hergestellt. 
Photographien der Fassade in ihrem jet-tigen Zustande wie 
auch der einzelnen Bruchstücke mit Ornamenten sind vom 
Sekretariate des athenischen Instituts zu beziehen. 

Herr Tsundas hat ferner einen Teil des Burginnern nörd- 
lich vom Löwenthor ausgegraben, ohne bemerkenswerte alte 
Gebäude zu finden. Man sieht dort mehrere Mauern aus 
Bruchsteinen und Lehm übereinander liegen, die verschiede- 
nen Epochen angehören. Ein regelmässiger Grundriss lässt 
sich nicht erkennen. 

4. Im vorigen Jahrgange dieser Zeitschrift S. 255 berich- 
tete ich über Ausgrabungen, welche Herr Kophiniotis bei dem 
Dorfe Ratsingri in einer kleinen antiken Burg vorgenommen 
hatte, die er für das alte Mideia glaubte halten zu dürfen. 
Wir hatten uns bei unserem vorjährigen Besuche der Aus- 
grabungsstelle nicht von der Richtigkeit dieser Ansetzung 
überzeugen können; wir mussten vielmehr Curtius und Bur- 
sian beistimmen, w^elche in ihr eine kleine Festung aus grie- 
chischer Zeit sehen. 

in diesem Jahre haben wir die andere Ruinenstätte besucht, 
welche von Curtius und Anderen für Mideia in Anspruch 
genommen wird, nämlich das Paläokastro bei den Dörfern 
Merbaka und Dendra (vergl. E. Curtius, Peloponnes II S. 
359). Auf einem hohen Berge gelegen, schien uns die Burg 
zunächst für einen alten Herrensitz zu schwer zugänglich zu 
sein ; liegen doch die anderen Burgen der mykenischen Zeit 
fast alle auf niedrigen und leichter zu ersteigenden Höhen. 
Nachdem wir aber den Berg erklommen, die noch wol erhal- 
tenen, in kyklopischer Bauweise errichteten Mauerreste be- 
merkt und dann bei genauereoi Zusehen auch ^ahlreicbr. 



96 FUNDE 

mykenische Vasenscherben gefunden hatten, war es uns nicht 
mehr zweifelhaft, dass hier das alte Mideia angesetzt werden 
muss. Die Burg beherrscht die argivische Ebene vollständig; 
das ganze Land von Nauplia bis Argos und von Ai^os bis 
Mykenai, einschliesslich der vielen Seitenthäler, liegt wie 
eine Karte von den Augen des Besuchers. 

Mehrere Stücke der alten Burgmauer haben wir photogra- 
phirt und können die Bilder vom athenischen Institute bezo- 
gen werden. Ihre Bauart ist noch unregelmässiger wie die der 
Burgmauern von Tiryns und Mykenai, doch darf daraus nicht 
ohne Weiteres auf ein höheres Alter geschlossen werden. 
Ausgrabungen irgend welcher Art sind bisher in Mideia noch 
nicht ausgeführt worden ; im oberen Teile der Burg, wo der 
Fels zu Tage liegt, sind sie auch unmöglich, dagegen würden 
auf den unteren Terrassen, welche eine hohe Erdanschüttung 
besitzen, Grabungen gewiss erfolgreich sein. 

5. In Epidauros hat Herr Kavvadias seit dem vorigen 
Jahre seine Ausgrabungen in dem grossen Gymnasion fortge- 
setzt und mehrere der Zimmer aufgedeckt, welche den gros- 
sen Mittelhof umgeben ; auch das kleine römische Theater, 
welches eine Ecke dieses Hofes einnimmt, ist jetzt ganz frei- 
gelegt. Sodann hat er das Theater des Polyklet ganz ausräu- 
men und seine zerstörten Sitze, soweit die alten Steine noch 
erhalten waren, wiederherstellen lassen. Eine sehr wichtige 
Inschrift aus Epidauros wird bald von Herrn Stais veröffent- 
licht werden ; sie ist, wie der Herausgeber erkannt hat, wahr- 
scheinlich die Baurechnung von der berühmten Tholos des 
Polyklet. üa durch diese Inschrift nicht nur das Alter, son- 
dern auch die Bestimmung des prächtigen, aber in mancher 
Beziehung rätselhaften Baues ermittelt werden kann, so wird 
ihre VeröCTentlichung mit grosser Spannung erwartet. 

6. In dem Theater von Sikyon hat das amerikanische 
archäologische Institut, welchem die Aufdeckung dieses inte- 
ressanten Gebäudes verdankt wird, nachträglich kleinere Aus- 
grabungen vornehmen lassen, um festzustellen, ob auch dort, 
ebenso wie in Eretria, eine unterirdische Verbindung zwi- 



FüNDB 97 

sehen der Orchestra und der Skene bestand. Ein solcher Gang 
hat sich thatsächlich gefunden. Von demjenigen in Eretria 
unterscheidet er sich nur dadurch, dass er zugleich als Ab- 
flusscanal für das Regenwasser diente. Bequem begehbar war 
der Gang nur auf der Strecke von der Mitte der Orchestra bis 
hinter die Säulenwand des Proskenion. 

7. Von demselben Institut sind unter Leitung des Herrn 
Prof. Waldstein Ausgrabungen in Sparta und in dem He- 
raion von Argos vorgenommen worden; da wir den er- 
steren Ort auf unserer Reise nicht berührt haben, berichte ich 
nur über den letzteren. Die untere Terrasse, auf welcher einst 
der jüngere, im fünften Jahrhundert errichtete Tempel der 
Hera stand, ist vollständig freigelegt. Man sieht die Funda- 
mente des Tempels, den Unterbau einer Säulenhalle und die 
Reste eines zur oberen Terrasse führenden Aufgangs. Bekannt- 
lich hatten schon A. R. Rangabe und C. Bursian vor 38 Jah- 
ren Ausgrabungen an dieser Stelle gemacht, welche von rei- 
chem Erfolge gekrönt waren. Die jetzigen Arbeiten sind viel 
umfangreicher und gründlicher und haben sehr wertvolle Re- 
sultate geliefert. Bei Eintritt des Sommers unterbrochen, sol- 
len die Grabungen demnächst wieder aufgenommen werden 
und sich namentlich über die ganze obere Terrasse ausdehnen, 
auf welcher einst der ältere Tempel gestanden hat. Dass die 
Fundamente dieses wichtigen Baues erhalten sind, ist schon 
durch zwei Gräben festgestellt ; wie aber der Grundriss ge- 
staltet war, ist noch unbekannt. 

8. Über die Ausgrabung des Theaters in Megalopolis, 
mit welcher die englische archäologische Schule seit einigen 
Jahren beschäftigt ist, hatte ich im vorigen Jahre berichtet 
(Athen. Mittheil. XVI S. 256). Ich wies damals daraufhin, 
dass die englischen Archäologen eine als scsense frons die- 
nende Säulenhalle irrtümlicher Weise für ein griechisches 
Logeion ausgegeben hätten ; sie hatten den Stylobat der Säu- 
len für ein Podium gehalten und das ehemalige Vorhanden- 
sein der Säulen übersehen. Inzwischen ist das Theater von 
einem englischen Architekten aufgenommen, und dabei wie 



§6 FÜNDri 

ZU erwarten war, die Existenz der etwa 8° hohen Säulenhalle 
bestätigt worden. Das griechische Logeion mit 6 Stufen an 
seiner ganzen Vorderseite, welches man neben der Orchestra 
glaubte gefunden zu haben und das man als wichtigen Beweis 
gegen die Richtigkeit der neuen Theorie über die Einrichtung 
des griechischen Theaters veröffentlichte (vergl. Joiirn. of 
Hell, stiidies XI S. 297), hat also in der That niemals 
bestanden. 

Das grosse Gebäude, dessen Vorhalle von jener Säulenstel- 
lung gebildet wurde, hat sich bei weiteren Ausgrabungen als 
ein theaterähnlicher, dem Telesterion in Eleusis verwandter 
Bau herausgestellt, in welchem die englischen Archäologen, 
wie mir scheint mit Recht, das von Pausanias (VIII ':52,1) 
erwähnte Rathaus der Zehntausend, das Thersileion, glauben 
erkennen zu dürfen. Der Bau scheint mir aus mehreren Grün- 
den älter zu sein als das Theater in seinem jetzigen Zustande. 
Da bei der Erbauung des jetzigen steinernen Theaters die 
Orchestra tiefer gelegt wurde als der Fussboden vor der Vor- 
halle des Thersileion, musste die Zahl der Stufen dieser Vor- 
halle, welche ursprünglich nur zwei betragen hatte, um drei 
vermehrt, also auf fünf gebracht werden. Bei der Aufstellung 
der untersten Sesselreihe, die noch etwas später erfolgte, 
wurde der Boden der Orchestra wahrscheinlich nochmals ver- 
tieft. 

Die Vorhalle des Thersileion konnte damals sehr gut als 
scaßnae frons dienen ; wenn es das aufzuführende Stück aber 
erforderte, musste vor ihr ein besonderes Proskenion errichtet 
werden. Eine solche feste Decoration aus Stein ist erst in spät- 
römischer Zeit, als das Thersileion vielleicht schon zum Teil 
zerstört war, erbaut worden. Sie hatte diejenige Form, wel- 
che zur Zeit der Römer in allen griechischen Theatern üblich 
war. ihre mit Marmorsäulen geschmückte Fassade von etwa 
3,5" Höhe bildete den Hintergrund fürdie AuflFührungen. Nur 
dadurch unterschied sich dieses Proskenion von denjenigen 
der anderen Theater, dass es von der Vorderwand der Skene 
weiter entfernt war, als es bei diesen der Fall zu sein pflegt 



und als Vitruv für die griechischen Theater vorschreibt. Der 
Grund für diese Abweichung lag in den ausserge wohnlich 
grossen Abmessungen der Orchestra, welche für die grosse 
griechische Stadt zwar passend, für die i^leinere römische 
Stadt aber unnütz waren. 

Bei unserem jetzigen Aufenthalte in Megalopolis gelang es 
uns, unter dem aus den verschiedenartigsten Bausteinen zu- 
sammengeflickten Stylobate dieses Proskenion die Schwelle 
eines älteren hölzernen Proskenion zu entdecken, wie es für 
die meisten griechischen Theater vorausgesetzt werden muss. 
Viereckige Löcher für hölzerne Pfosten und längliche schmale 
Einarbeitungen für vertikale Bohlen wiederholen sich schein- 
bar auf der ganzen Schwelle in gleichmässigen Abständen, 
wenigstens haben wir drei solcher Löcherpaare constatirt. Die 
geringe Sorgfalt in der technischen Ausführung spricht da- 
für, dass auch dieses ältere Proskenion erst nach der Zerstörung 
der Stadt durch Kleomenes, also erst in frührömischer Zeit 
erbaut worden ist. 

Zum Schluss mag noch erwähnt werden , dass die von 
Pausanias im Innern des Theaters gesehene Quelle auch jetzt 
noch vorhanden ist. Man erkennt noch die Löcher unter den 
Sitzen, durch welche das Wasser hervorquoll. Auch jetzt 
dringt an mehreren Stellen zwischen den Sitzen Wasser her- 
vor und ergiesst sich in den grossen die Orchestra umgeben- 
den Canal. [W. D.] 



^ 4 j - ■* ' 



SITZUXGSPROTOKOLLE 

6. Jan. 1892. W. Reichel, Homerische Waffen. — Th. So- 
PAULIS, Antenor's Kunst und die Koren aufder Akropolis. II. 

— W, DoERPFELD legt R. Lepsius' Geologische Karte von At- 
tika vor. 

20. Jan. 1892. A. Wilhelm, Über ein attisches Psephisma 
betreffend die Aufnahme von flüchtigen Thasiern in Athen 
(C. L A. II, 4). — R. Loeper, Die Demen von Attika. l. — 
J. N. SvoRONOs legt eine unbekannte Münze von Kyrene vor. 

— P. Wolters, Akarnanisches Grabrelief (oben XVI S. 433). 
3. Febr. 1892. W. Doerpfeld gedenkt des verstorbenen A. 

Rangabe und seiner Verdienste um die Archäologie und be- 
richtet sodann über die Ausgrabungen an der Pnyx. — R. 
Loeper, Die Demen von Attika. 11. — M. Mayer, Altertümer 
von Skyros. 

17. Febr. 1892. 0. Kern, Das Cultbild in Eleusis.— J. 
Ziehen, Zu den Asklepiosreliefs. — W. Doerpfeld berichtet 
über die Ausgrabungen an der Pnyx. 

2. März 1892. W. Doerpfeld berichtet über den Fortgang 
der genannten Ausgrabungen. — B. Graef, Die Vasen von 
der athenischen Akropolis. — W. Doerpfeld, Neandria. 

16. März 1892. W. Doerpfeld, Über die Ausgrabungen an 
der Pnyx. — Th. von Heldreich, Über eine bei diesen Aus- 
grabungen gefundene Schicht von Sämereien. — P. Wolters, 
Archaische Vase aus Böotien. — W. Doerpfeld, Der kimoni- 
sche Parthenon. 

30. März 1892. E. Pernice, Schiffsdarstellungen auf Dipy- 
lonvasen. — 0. Kern, Votivrelief an Demeter als Heilgottheit. 
— J. Ziehen, Die Festung Phyle. 



Mai 1892. 



EINE BOIOTISCHE ALPHABETVASE 
(Hierzu Tafel VI) 

In der Vasensammlung des athenischen Nalionalmuseums 
zog von Anfang an eine Schale meine Aufmerksam keil auf 
sich durch ihren Buchstabenschmuck, welcher nach meiner 
Pause auf Taf. 6 wiedergegeben ist. Der Fundort der Vase 
ist nicht bekannt, vgl. AeXxiov ipj^aioXoyixov 1891 S. 9 Nr. 24. 
Es ist eine zweihenkelige Schale mit niedrigem Fuss, die 
sich vollkommen unbeschädigt erhalten hat. Die Gesamthöhe 
beträgt 10"°, der obere Durchmesser 24"°; der Fuss ist 2"° 
hoch und misst 8,5"° im Durchmesser. Die Höhlung der Schale 
und die Aussenseite beider Henkel ist ganz mit schwarzbrau- 
nem Firniss überzogen, ebenso die obere Kante des Gefässes. 
Diese sowie die Peripherie des Fusses sind mit einer Rille 
versehen. Die Standfläche ist mit zwei aufgemalten concen- 
trischen Kreisen geschmückt. Die Peripherie des Fusses und 
die Mittelstütze sind thongrundig, die übrigen Partien des 
Fusses und die Unterseite des eigentlichen Gefässes bis auf 
einen schmalen Kreisring um die Ansatzstelle der Mittel- 
stütze herum sind mit Firniss bedeckt. Es folgt weiter nach 
oben ein 8""° breiter thongrundiger Streif, hierauf ein 3 Yg"™ 
breiter Reif von Firniss. Von dieser Grundlinie aus spriesst 
unter jedem Henkel ein Efeublatt empor. Auf den beiden 
Bildflächen ist unten über dem letztgenannten Firnisstreifen 
ein Flechtband mit darübergesetzten Punkten gemalt. Die 
Bildflächen selbst nehmen beiderseits je zwei Buchstaben- 
reihen ein; weder bei diesen noch bei den Ornamenten istGra- 
virung angewandt. Auf der einen Seite stehen 23 Buchsta- 

ATUKN. MITTHEILUNGEN XVII. 8 



402 EIKE fiOIOtlSGHE ALt^HABEtVASä 

ben, 12 in der ersten, 1 1 in der zweiten Zeile, auf der andern 
Seite 25 Buchstaben; in der ersten Zeile 13, in der zweiten 
12. In beiden Fällen ist dasselbe Alphabet aufgemalt, nur ist 
es das eine Mal um zwei seltsame Zeichen am Schlüsse be- 
reichert. Die anderen Unterschiede zwischen beiden Alphabe- 
ten betreffen Kleinigkeiten. Im längeren Aphabet ist die win- 
kelige Form des ß viel sorgfältiger gebildet ; das y hat irri- 
gerweise einen Querstrich bekommen; die vertikale Hasta* 
des S ist über den unteren Schnittpunkt hinab verlängert; 
beim p treffen die beiden schrägen Linien nicht in demselben 
Punkte der vertikalen Hasta zusammen. Beim 9 des kürzeren 
Alphabets schliessen der rechte und der linke Halbkreis nicht 
aneinander, wofür das 8 eine Analogie bietet, und überdies ist 
der vertikale Strich vergessen. 

Um die Heimat dieses Alphabets zu bestimmen, müssen 
wir ausgehen von den Buchstaben AU und der Gruppe +®^. 
Die Stellung dieser drei letzten Buchstaben und ihre teils da- 
durch teils durch den Mangel eines I gegebene Bedeutung 
(C9X) führen uns in diejenigen Gebiete, welche auf Rirch- 
hoff's Alphabetkarte rot gefärbt sind. Innerhalb dieses weiten 
Bereiches werden wir durch die Formen Ay und UX auf Boio- 
tien und sein lokrisches Nachbarland beschränkt, wo auch 
gerade die Formen DP V üblich waren. Unter diesen Umstän- 
den liegt es nahe die zahlreichen Inschriften zum Vergleich 
heranzuziehen, welche im Kabirenheiligtum bei Theben zu 
Tage gekommen sind (Athen. Mitth. XIII 412 ff. XV 378 ff\). 
In der That stellt sich sofort eine auffallende Verwandtschaft 
heraus, auch hinsichtlich der Ornamentirung. Efeublätter ge- 
hören zu den häufigsten Ornamenten der Kabirenvasea (Athen. 
Mitth. XIU 417) und das Athen. Mitth. XIII 420 Fig. 14 
abgebildete Flechtband mit Punktreihen finden wir fast unver- 
ändert auf unserer V^ase wieder ; sowol hier wie bei den Ka- 
birenvasen fehlt die beiderseitige lineare Begrenzung, inner- 
halb deren sonst dieses Ornament zu verlaufen pflegt. Die Ähn- 
lichkeit erstreckt sich auch auf die Farbe des Firnisses und 
seine Verteilung über den Gelässkörper (vgl. Athen. Mitth. 



i 



^me BClOf ISCHE ALt>HABErVA8fi 103 

XIII 415 f.) und auf den Thon, welcher bei den Kabiren- 
vasen einheimischer Fabrik ziemlich fein ist und meist eine 
matt rötlichgelbe Oberfläche zeigt. Von den Inschriften der 
Kabirenvasen kommen für uns zunächst nur die aufgemalten 
in Betracht, weil bei Anwendung der Ritztechnik die Buch- 
stabenformen vielfach verzerrt und verzogen worden sind. 
Aufgemalt wurden die Inschriften auf den Kabirenvasen ohne 
Einritzung entweder mit weisser Farbe auf schwarzem Firniss 
oder, wie auf unserer Vase, mit schwarzer Farbe auf Thon- 
grund (Athen. Mitth. XV 396). Der letzteren Gruppe gehört 
Nr. 40 bei Szanto an €M I KRO€ A N EOE KEK ABIRO I ; 
und gerade diese Inschrift ist ganz mit Buchstaben unseres 
Alphabets geschrieben. Wir werden daher in dieser Gegend 
Boiotiens den Fabrikationsort unserer Alphabetvase suchen, 
ja vermuten dürfen, dass sie in derselben Fabrik hergestellt 
worden sei, welcher jene Kabirenvase entstammt. 

Auf den ersten Blick erkennt man, dass die Buchstaben for- 
men, weit entfernt von archaischer Strenge, einer jüngeren 
Zeit angehören. Die Formen AECHO^P^ weisen uns in 
ihrer Gesamtheit auf eine Zeit nach der Mitte des fünften 
Jahrhunderts. Andrerseits führt uns die Thatsache, dass wir 
das epichorisch-boiotische Alphabet hier noch in Geltung se- 
hen, beträchtlich über die Mitte des vierten Jahrhunderts 
hinauf. Eine genauere Zeitbestimmung ermöglichen uns die 
beiden supplementären Zeichen des einen Alphabets, welche 
wir bisher ausser Acht gelassen haben. In ihnen willkürlich 
gebildete, rein zufällige Formen zu sehen, nur bestimmt, den 
noch übrigen Raum der Zeile zu füllen, verbietet schon die 
Anordnung der ersten Zeile, in welche mit augenscheinlicher 
Rücksichtnahme auf sie ein Buchstabe (M) mehr aufgenom- 
men ist als auf der Kehrseite. Wir müssen in ihnen Buchsta- 
ben anerkennen, so schwer es auch ist, sie mit einer der be- 



^ Das O für sieb allein wurde durchaus nichldenAussclilag geben, weil es 
bereits auf der Fran^ois-Vase, also im Anfang des sechsten Jahrhunderts 
wenigstens in Allika vorherrscht. 



104 £IN£ SOIOTISGHE ALt>HAS£TVASe 

kannten Buchstabenformen zu identificiren. Das vorletzte 
Zeichen, in dem man flüchtige Ähnlichkeit mit Sanpi sehen 
möchte, könnte zu der Annahme verleiten, dass auf dieser 
Seite des Gelasses eine litterale Zahlenreihe dargestellt sei, 
welche ja auch in Attika einige Zeichen mehr besitzt als die 
Buchstabenreihe. Jedoch sind 25 Zeichen mit dem dekadischen 
System, welches nach inschriftlichen Zeugnissen auch in Boio- 
tien herrschte, kaum vereinbar. Ausserdem hätten so tief- 
greifende Abweichungen von der litteralen Zahlenreihe des 
benachbarten Attika, wie der Mangel des i und 9 und die 
dadurch bedingte Wertverschiebung der folgenden Zeichen, 
der Platzwechsel von ©, +, die Umstellung des Sanpi, zu 
schwere Nachteile in Handel und Verkehr zur Folge gehabt, 
als dass wir diese Deutung für zulässig erachten könnten, zu- 
mal das ältere Siglensystem für Attika uiid Boiotien princi- 
piell vollkommen gleichartig, graphisch nur leicht verschie- 
den war. Betonen wir den Zuwachs von gerade zwei Zeichen 
zum Alphabet der Rückseite, so liegt der Gedanke an das 
ionische Alphabet nahe, welches durch <|/ü) dem Lautwerte 
nach, durch iß der Form nach reicher war als das boiotische. 
In beiden Fällen haben wir das letzte Zeichen für o in An- 
spruch zu nehmen und dürfen somit hiervon ausgehen. Unser 
Maler hatte ofl'enbar gehört, dass das letzte Zeichen des ioni- 
schen Alpliabets ein unten olfener Kreis mit angesetzten Stri- 
chen ist, welche geradezu verschwenderisch anzubringen er 
nicht unterlassen hat. Über die Form des Buchstabens musste 
er jcdesfalls, wenn auch noch so oberllächlich, unterrichtet 
sein. Darum müssen wir auch bei der Bestimmung des vor- 
letzten Buchstabens aut die Form, nach der wir, wie oben ge- 
sagt, das ionische i darin zu suchen hatten, das Hauptgewicht 
legen. Unser Maler hatte Kunde, dass das ionische Alphabet 
eine zweite dem boiotischen völlig fremde Buchstabenform 
besitze, die aus dem boiotischen $ ( + ) durch Anfügung von 
Strichen gebildet werden könne. Üiese versuchte er in seinem 
vorletzten Zeichen wiederzugeben, indem er an + soviele 
Striche ansetzte, als nur überhaupt möglich war. 



EINE B0I0TI8CHE ALPHABETVASE 105 

Ob ihm die Bedeutung der beiden Zeichen bekannt war, 
ist für die Interpretation belanglos. Ich möchte die Frage be- 
jahen, obwol die unveränderte Beibehaltung des vollen epi- 
chorischen Alphabets dagegen zu sprechen scheint. Die Ge- 
genüberstellung des boiotiscben und ionischen Alphabets hatte 
Interesse und Zweck nur in dem Zeitpunkte der Herrschaft 
des einheimischen Alphabets, in welchem sich die Aufmerk- 
samkeit der Schriftkundigen dem ionischen Alphabet zu- 
wandte. Wir wissen nicht, wann und in welcher Weise* das 
ionische Alphabet in Boiotien eingeführt worden ist. Weil aber 
in den boiotiscben Münzlegenden erst zur Zeit des Epamei- 
nondas sich ein Umschwung vollzieht (Kirchhoff, Studien *, 
143), dürfen wir schliessen, dass man nicht allzulange vor- 
her, also wol erst nach Aufnahme des ionischen Alphabets 
in Attika sich in Boiotien entschlossen hatte, das ionische 
Alphabet zunächst zum Privatgebrauche sich anzueignen. Es 
liegt auch in der Natur der Sache, dass ein Land, wo es sich 
darum handelte mit jahrhundertelang gebrauchten Zeichen 
plötzlich eine ganz verschiedene Bedeutung zu verknüpfen, 
länger mit der Reform zauderte als eines, wo nicht so sehr 
altes Gut umzustempeln als vielmehr neues aufzunehmen war. 
Nachdem aber Attika — vielleicht nicht ganz ohne politische 
Motive — dem ionischen Alphabet oflicielle Aufnahme ge- 
währt hatte, konnte ihm Boiotien nicht lange mehr spröde den 
Zutritt verwehren. Dieser Übergangsperiode gehört unsere 
Vase zweifellos an. Deswegen war für den Räufer, auf den 
sie rechnete, ebenso wie für den Schriftmaler nicht bloss Form 
und Bedeutung der beiden Zeichen, welche das ionische Al- 



^ Im Scholion zu § 7 der Ars des Dionysius Thrax jcepl oroi^citüv (Bekker 
Anecd II 783): oT? 8e vuvi xp^fieOa (sc. aTor/^sioi?) eiaiv 'Itovtxol eiacvlyxavTOj 
*Ap)(^^voü izapoL 07)6a^oi? (J/rJ^iorjia toü? Ypafi(jLaTi<JTa{ ^youv tou? 5i8aaxaXoü{ jcai- 
Seueiv T/)v *Iu)vix7)v Ypa(x(jLaTix))v ^youv tot yp^h-h-**^* ^s' natürlich linier Heran- 
ziehung von Suidas s. v. Sajiitjv 6 8^[jlo5: tous Bi *A0T)va{ou5 e'Tieiac XP^^*' 
ToT{ Twv *IoSvü>v Ypi[jLjia<ji 'Apyjvo; lizi ip/^ovio; EüxX6{5oü ZU schreiben: £iae- 
v^yxavTO^ 'Ap/^ivoü jcap' 'AÖTjvaioig tJ/TJ^tafia tou; YpajijjiaTiaTa? naiöcutiv ttjv *Iwvi» 
X9)V "^fpa^^kaxit.!^^ . 



106 EINB BOIOTISCHE ALPHABETVASE 

phabet vor dem boiotischeD voraus hatte (I und (l), sondern 
auch die damit zusammenhängende Wertveränderung der in 
unserem Alphabet vorausgehenden dreigliedrigen Schluss- 
gruppe + ® ^ von grösster Wichtigkeit. Allerdings hat die- 
ser Umwandlungsprozess in dem ionisirenden Alphabet der 
Vase nur sehr kargen Ausdruck gefunden. Die beiden neuen 
Zeichen sind äusserlich angeschlossen, nicht eingereiht ; die 
drei letzten Zeichen des boiotischen Alphabets sind noch nicht 
im Sinne des ionischen Alphabets umgestellt ; ausserdem be- 
gegnen uns Buchstaben und Formen, welche den damaligen 
lonem fremd waren: II , A für y, U D P. Wir sind mithin zu 
der Folgerung berechtigt, dass diese Alphabetvase eine erste 
Äusserung des beginnenden Ausgleiches zwischen dem alter- 
erbten und dem neu vordringenden Alphabet war, und die 
oben dargelegten Gründe bestimmen mich, sie ungefähr dem 
ersten Jahrzehnt des vierten Jahrhunderts zuzuweisen. 

Die Vase bietet uns ein lehrreiches Beispiel dafür, wie 
langsam und unvollkommen Nachrichten, welche Neuerungen 
auf dem Gebiete der Schrift anzubahnen berufen waren, selbst 
in Zeiten höchst entwickelten Verkehrs nach einem Mittel- 
punkte griechischen Lebens vordrangen. Es ist dies ein Be- 
weis für das geringe Interesse, das man noch damals im all- 
gemeinen der Schrift und ihrer Entwicklung entgegenbrachte, 
und damit für die geringe Verbreitung und die Mangelhaf- 
tigkeit der damaligen Schriftkenntniss. Von diesem Gesichts- 
punkte aus muss man auch die zahllosen Verschreibungen 
auf den Vasen jener Zeit beurteilen und es sich erklären, dass 
der Vasenmaler dem Publikum sogar ganz sinnlose Buchsta- 
ben-Aggregate zu bieten wagte. 

Die Art und Weise, wie unser Schriftmaler sich dem neuen 
Alphabet gegenüber verhalten hat, scheint mir geeignet, auf 
eine Frage, welche in letzter Zeit mehrfach behandelt worden 
ist, neues Licht zu werfen, ich meine die Frage nach der An- 
fangsgeschichte der secundären Zeichen des griechischen Al- 
phabets. Der Maler unserer Vase hatte Kenntniss von der 
Bedeutung der Buchstaben, die er herübernahm, war über 



EINS BOIOTISGHE ALPHABETVASB 107 

die Form der neuen Zeichen oder ihre Herleitung mehr oder 
minder genau unterrichtet und hatte danach seine Buchstaben 
halb abhängig von den ionischen Vorbildern, halb selbständig 
gebildet; für die Stellung war ihm weder die ionische Über- 
lieferung noch irgend eine lautliche Rücksicht massgebend, 
sondern die natürliche Neigung, das Neue am Ende anzufü- 
gen. Diese Gesichtspunkte darf man vielleicht auf jene Zeit 
übertragen, in welcher sich die secundären Zeichen erst ent- 
wickelten, wenn auch die Frage dadurch verwickelt wird, dass 
dasselbe Zeichen + im Westen $, im Osten y, das Zeichen 
>k hier <|/, dort x bedeutete. 

Man steht vor der Alternative, entweder Herleitung gleicher 
Zeichen aus verschiedenem Ursprung oder sinn- und zwecklose 
Umdeutung bei der Herübernahme anzunehmen. Die erste 
Ansicht hat in letzter Zeit einen Hauptvertreter in Deecke 
gefunden, welcher in Baumeisters Denkmälern des klassischen 
Alterthums l 51 ff. die Vermutung ausspricht, dass die neuen 
Zeichen dem kyprischen Silbenalphabet entnommen seien. Er 
leitet X in der Bedeutung 5^ von kii, in der Bedeutung $ von 
xe her, ^ in der Bedeutung i^ von se, in der Bedeutung -^ 
von ke (vgl. für die kyprischen Zeichen Cesnola, Salaminia 
16 ff.). Aber abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit, dass 
die Griechen zur Vervollständigung ihres von den Phoinikiern 
übernommenen Alphabets bei einem ganz heterogenen Al- 
phabet eine Anleihe gemacht hätten, sieht jeder sofort, dass 
Zeichen, welche so ungleich sind wie die genannten, unmög- 
lich sich zu denselben Formen entwickeln konnten. So hat 
sich denn die Annahme, dass die Griechenstämme einander 
ihre secundären Zeichen unter Veränderung des Lautwerts 
entlehnt hätten, fast allgemeiner Geltung zu erfreuen. Trotz- 
dem scheinen mir die principiellen Bedenken gegen eine 
solche Voraussetzung so schwerwiegend zu sein, dass sie un- 
bedingte Berücksichtigung verdienen. Wir haben zwar oben 
gesehen, dass man auch wenn man die Bedeutung eines neuen 
Buchstabens kannte und festhielt, dennoch aafangs über seine 
Form und Stellung mangelhaft unterrichtet sein konnte, so 



108 BINB B0I0TI8CHB ALPHABETVA8B 

dass die Buchstaben nach ihrer Herübernahme ihren Vorbil- 
dern sehr unähnlich sahen und nur das Bildungsprincip bei- 
behalten hatten ; schlechterdings unzulässig aber scheint mir 
die Annahme, ein Griechenstamm habe von dem andern meh- 
rere Zeichen in der Weise entlehnt, dass er dem einen Zei- 
chen seine ursprüngliche Bedeutung belassen, wie beim ©, 
dem andern willkürlich einen völlig verschiedenen Lautwert, 
für den er eben kein anderes Zeichen im Vorrat hatte, unter- 
geschoben habe wie beim >k*. In einer derartigen Entlehnung, 
der man so leicht durch Erfindung eines neuen oder Modifica- 
tion eines alten Zeichens hätte entgehen können, müsste man 
nicht bloss mit Gardthausen ein testimonium paupertatis, 
sondern eine wissentliche Gefährdung des gegenseitigen schrift- 
lichen Verkehrs erblicken. 

Einen neuen Weg zur Lösung des Problems, auf dem die 
oben ausgesprochene Alternative umgangen werden sollte, hat 
Szanto eingeschlagen (Athen. Mitth. XV 235), indem er aus 
dem voreukleidischen Alphabet Attikas auf einen vor unseren 
epigraphischen Erfahrungen liegenden Zustand des gemein- 
griechischen Alphabets schliesst, in welchem man nicht bloss 
+ S und © ^, sondern analog dem theräisch-melischen © B 
auch regelmässig + B und © B geschrieben habe. Daraus habe 
sich im Osten durch einfache Weglassung des Hauchzeichens 
die Schreibung + für x und © für 9 entwickelt. Auf + ^ 
konnte man, da man im Besitze von I war, verzichten. Das 
© ^ habe man durch Streichung des zweiten und Modifica- 
tion des ersten Bestandteiles zu >k umgestaltet. Weniger con- 
sequent sei der Westen verfahren, indem er zwar bei © B 
auch das B weggelassen, das einfache X jedoch nicht für X B, 
sondern für X ^ verwendet habe mit Unterdrückung eines für 
den Lautbestand der Gruppe sehr wesentlichen Teils. Für 
sein X endlich habe er das Ableitungsprincip völlig aufgegeben 
und kurzweg den Ostgriechen das Zeichen ^1^ entnommen. 



< 80 neuerdings Gardthausen, Rhein. Museum XL 609. Gardner, Jour- 
nal of Uellenic studies VII 237, 



BINB B0I0T18CHB ALPHABBTVA8B i09 

welches diese für ^ geschaffen hatten. Man sieht sofort, dass 
Szanto's Methode nur bei den Ostgriechen Erfolge erzielt, wäh- 
rend er bei den Westgriechen sogar dieselbe bedenkliche Um- 
deutung des "^ annehmen muss wie die andern. Überdies sind 
die pleonastischen Schreibungen ©B und XB nicht nach- 
weisbar, denn die Analogie des © B verliert alle Beweiskraft, 
weil das Teth im phoinikischen und im urgriechischen Alpha- 
bet, dessen Zustand uns Thera und Melos erhalten haben, 
nicht die aspirirte Dentalis, sondern eine Abart der Tenuis 
zum Ausdruck brachte, welche im griechischen Lautsystem 
nur in Verbindung mit dem Hauch existirt zu haben scheint, 
sodass man bei G bald von der Beisetzung des B unbeschadet 
der graphischen Deutlichkeit absehen konnte. Ähnlich steht 
es vielleicht mit dem /Yi in fhefhaked, auf das Szanto hin- 
weist; übrigens gestattet das Vorkommen des h neben der 
Spirans / noch durchaus nicht den Rückschluss auf die Ver- 
bindung einer Aspirata mit dem graphischen Ausdruck des 
ohnehin schon rein in ihr liegenden Hauchlautes. Auf ©B RA 
D^O endlich hat Szanto sich nicht mit Recht berufen ; denn 
der Name des Gatten der Nikandre trägt neben den echt grie- 
chischen Doppelnamen der Inschrift ein so fremdländisches 
Gepräge, dass über die Geltung dieses h wol den Orientali- 
sten das letzte Wort wird vorbehalten bleiben müssen. Hie- 
mit fallen alle greifbaren Stützen für die Annahme einer all- 
gemeinen Schreibung © B und + B hinweg ; aber sie ent- 
behrt auch der inneren Wahrscheinlichkeit. Denn es ist schwer 
zu glauben, dass man zwei Zeichen erfunden habe mit der Be- 
stimmung, niemals allein, sondern stets nur in Begleitung 
eines anderen Zeichens zu fungiren. Wir könnten einem sol- 
chen Zeichen keinen andern Laut wert beilegen als ähnlich 
wie bei Teth den einer besonders qualificirten Tenuis. Dann 
aber, um von vielen andern Schwierigkeiten zu schweigen, 
ist schwer verständlich warum man bei der gutturalen Tenuis 
hiefür nicht lieber das zweite verfügbare Zeichen Koppa her- 
angezogen hat, das in seiner thatsächlichen Verwendung laut- 
lich dem Kappa ganz gleich stand und somit für diesen Zweck 



iiO EINE BOIOTISCHE ALPHABETVASE 

entbehrlich war. Es führt uns also auch dieser Ausweg nicht 
ans Ziel. 

Gardthausen hat einen fruchtbaren Gedanken ausgespro- 
chen, indem er, gestützt auf Thatsachen der griechischen Pa- 
läographie, erklärte, dass Ähnlichkeit der Form durchaus 
keine innere Verwandtschaft der Buchstaben begründe. In der 
That können ganz verschiedene Zeichen im Laufe ihrer selb- 
ständigen Entwicklung sich in derselben Form treffen ; nur 
dürfen sie nicht so wenig mit einander gemein haben wie die 
Archetypen Deecke's Ein Beispiel für viele ist die Gleichheit 
zwischen pamphylischem I und sikyonisch- korinthischem E 
(X). Deswegen scheint mir der Versuch, die beiden umstrit- 
tenen Zeichen des griechischen Alphabets + und ^ jedesmal 
aus verschiedener Quelle herzuleiten, durchaus nicht so ver- 
werflich. Die Zulässigkeit einer solchen Herleitung ist die eine 
Voraussetzung für meine Auffassung: die andere ist gegeben 
durch die an der Alphabetvase beobachtete Erscheinung, dass 
die Anordnung der neuen Buchstaben nicht nach lautlichen 
Principien erfolgt, sondern lediglich in der Weise, dass die- 
selben am Schlüsse angefügt werden. Danach muss das + 
(^), welches den Westgriechen zumal an dieser Stelle eigen- 
tümlich ist, in der allerersten Zeit der Sonderentwicklung der 
griechischen Alphabete aufgekommen sein. Daran schloss sich 
zeitlich die Aspiratengruppe (py. Noch einen Schritt weiter 
that der Osten durch Bildung des ^. Wir wollen nun dieser 
Entwicklung näher treten. 

Bald nach der allgemeinen Aufnahme des durch V vermehr- 
ten phoinikischen Alphabets nahmen die loner eine Neuerung 
vor, indem sie das Samech, das in seiner ursprünglichen Be- 
zeichnung des scharfen S-Lautes keine zusagende Verwendung 
finden konnte, zum Ausdruck des i benützten. Dieser Vor- 
gang beweist, dass die phoinikischen Buchstaben damals 
noch in lebendigem Bewusstsein waren und nicht bloss, wie 
dies noch in den Zeiten der Alphabetinschriften von Siena 
und Caere der Fall war, als unfruchtbare Gedächtnisslast 
weiter geschleppt wurden ; das scheint mir aber ein gewichti- 



EINE B0I0TI8CHB ALPHABETVASE IM 

ger Grund zu sein, jene Neuerung als die früheste That in der 
selbständigen Entwicklung der griechischen Alphabete anzu- 
sehen. Man hat daran gedacht, sich diese Umwertung des 
Samech durch einen parallel laufenden Lautübergang von 
scharfem atj in $ erklären zu sollen. Jedoch ein solcher Laut- 
wandel lässt sich auf griechischem Boden nicht nachweisen; 
denn 8i«y<j6; und 8t$6; gehen auf verschiedene Stämme zurück, 
ebenso <juv und ^ov, die Futurendungen (jw und $(«> sind nur 
ihrer Bedeutung, nicht ihrem lautlichen Ursprünge nach 
identisch, die Form UUxes ist, wie Jordan in seinen Kriti- 
schen Beiträgen zur Geschichte der lateinischen Sprache 44 
gezeigt hat, von italischen Völkerschaften ausgegangen und 
beruht vielleicht auf Volksetymologie, ähnlich wie Aiax, mag 
man es nun auf aiaC« zurückführen oder die von 0. Keller, 
Lateinische Volksetymologie 29 vermutete Verwechslung an- 
nehmen. Wir müssen uns also damit abfinden, dass die lo- 
ner mit dem Samech eine ganz ähnliche Umwertung im Sinne 
des griechischen Lautsystems vorgenommen haben, wie es 
vorher allgemein mit den Vokalzeichen und Sain geschehen 
war. Die ursprüngliche Form des Buchstabens war vermut- 
lich die noch später gebräuchliche ^ ein stehendes Kreuz 
zwischen zwei horizontalen Strichen; vgl. das Samech des 
Mesasteins. Denn hätten die loner mit Absicht zum Ausdruck 
der DiCferenzirung des Lautwertes die Urform des Samech 
modificirt, so würden sie ihrem $ sicherlich nicht den alten 
Platz belassen, sondern es ans Ende gestellt haben. Als leichte 
Abwandlungen dieser Grundform müssen wir es ansehen, 
wenn statt des stehenden Kreuzes ein liegendes Kreuz zwi- 
schen zwei horizontalen Strichen auftritt wie in Pamphylien 
X, oder wenn vereinzelt die begrenzenden Striche nicht an 
den beiden Enden des verticalen, sondern des horizontalen 
Schenkels angebracht sind wie in Argos m (Roehl 36). Meh- 
rere Gelehrte wie Kirchhoff (Studien 169), Gardthausen (Pa- 
läographie 99), Roberts [Introduction 21), Gardner {Jour^ 



* So auch Hinricbs,Griech.Epigraphik in Iw.Möller's Handbuch 1 397 1|. a 



Wi EINE B0I0TI8CHB ALPHABETVASE 

nal of HelL studies VII 237 ) vertreten die Ansicht, dass 
die Urform EH sei, und können sieh hiefür auf die Alphabete 
von Siena, Caere und Formello berufen. Jedoch so wie auf un- 
serer Alphabetvase an das stehende Kreuz vier Striche ange- 
fügt sind, so kann sich in Etrurien, das sich auch die seltene 
Form des O mit Punkt für das Omikron angeeignet zu haben 
scheint (vgl. die Alphabete Lepsius, Annali 1836, 186 und 
Th. Mommsen, Bullettino 1882, 91), eine ähnliche Überlie- 
ferung gebildet haben . 

In lonien hatte man bis zu dem Zeitpunkt, da man dem 
Samech die Bedeutung von 5 beilegte, gewiss xd geschrieben, 
eine Schreibung, die auch bei den übrigen Griechen verbreitet 
gewesen sein dürfte. Es mag nach der Erfahrung, die wir bei 
unserer Alphabetvase gemacht haben, geraume Zeit verstri- 
chen sein, bis die Kunde von dem neuen Buchstaben der lo- 
ner nach dem Westen Griechenlands drang. Wenn man sich 
aber hier sträubte, die ionische Neuerung unverändert aufzu- 
nehmen, so kann der Grund hievon sehr wol der gewesen 
sein, dass man, den eigentlichen Lautwert des i noch fest- 
hielt und nicht ohne weiteres durch einen andern ersetzen 
wollte. Man zog es vor, entsprechend der Modification der 
Bedeutung auch an der Form des Zeichens eine leichte Ände- 
rung vorzunehmen, und setzte das einfache Kreuz unter Hin- 
weglassung der begrenzenden Striche als Neubildung mit der 
Bedeutung $ ans Ende der Buchstabenreihe. Das einfache ste- 
hende Kreuz wird, wie natürlich, sehr bald angefangen ha- 
ben, mit dem liegenden zu wechseln; dieselbe Erscheinung 
lässt sich auch beim phoinikischen Taw beobachten. 

In Attika fand keines der beiden Zeichen für $ Eingang. 
Die Athener schrieben bekanntlich bis Eukleides ip, und 
ebenso hat sich in dem benachbarten Boiotien, obwol es das 
dorische $ aufgenommen hatte, die Schreibweise i^ mit be- 
merkenswerter Hartnäckigkeit erhalten. Diese Sonderstellung 
muss meines Erachtens in der Aussprache ihren Grund ge- 
habt haben. Sowie ein Grammatiker [Greg. Cor.] Tcepl Ato^tSo; 
^ ö9 vpn dep Aiolern sagt, dass sie beide Bestandteile des ^ 



BtNB dOIÖtlSGHti ALPHAdBtVASS Üj 

und ^ nebeneinander hören Hessen (ocvtI $e toO ^ xa Tupofepoufft 

$evo; x<jevo; xai ivri toö v|; w(t wAo'J/ weXow^), 80 sprach man 

vermutlich auch in Attika und Umgegend den explosiven Be- 
standteil und das a hörbar getrennt aus und zwar den erstem 
mit einer durch das darauffolgende YpÄ(x.(x.a TrveujjLaTöSe? her- 
vorgerufenen (Blass, Aussprache ^ 94) scharfen Aspiration. Da 
demzufolge den Athenern die Schreibweise xc, 7u<j geradezu 
unrichtig erschienen sein muss, die Schreibung xhc^ nha aber 
zu umständlich war, so machte sich bei ihnen zuerst das Be- 
dürfniss geltend, für KB und PB eigene Zeichen zu erfinden. 
Das Zeichen für <p ist, wie man jetzt fast allgemein an- 
nimmt, aus © differenzirt ; und es stimmt vortrefflich zu dem 
dargelegten Entwicklungsgange, dass gerade Attika an Be- 
zirke grenzt, aus welchen der Lautwechsel zwischen <p und 6 
bezeugt ist^ Die Differenzirung bestand gewöhnlich darin, 
dass man den horizontalen Innenstrich des wegliess; bei 
flüchtig geschriebenen Inschriften kommt vor, dass nur ein 
vertikaler Halbmesser oben (Roehl 323, 372 «^'' »^«, 385) oder 
unten (Roehl 321 Z. 5, 372 ^«2» ^^«) übrig geblieben ist. Zahl- 
reicher sind die Variationen des © selbst, vgl. Iw. Müller-s 
Handbuch I 420, dazu Jahrbuch I 89 ^^). Besonders beach- 
tenswert sind die Fälle, wo und <p in einander übergehen: 
so steht C. L A. I 350 (vgl. IV, 1 S. 153 und S. 181 Nr. 
373 ö^ AeXriov 1891, 74, 8) zweimal Q für <p, ebenso auf der 
in Roscher's Lexikon I 295 abgebildeten Vase, hingegen bei 
CoUignon, Vases peints 194 und vielleicht auch C. L A. IV, 
1 477 c © für 9. vVir dürfen daher auch kein Bedenken tra- 
gen, den Namen ARI^TONOOO^ (Wiener Vorlegeblätter 
1888 zu Taf. 1, 8) mit Wilamowitz (Hermes XXII 118»), 
welcher die Namen KXeivoöo; und TijjlövoOo? ( 'A8Y)vaiov X 524) 
vergleicht, 'ApKJTovoOo? zu lesen. Die anderen Lesungen (wie 
'ApKjTovojjLO^, *Apt(7T6Xo(po?, 'AptcToöovo?, 'ApKJTO^ovo^ ) habcu allc 
eine Verschreibung zur Voraussetzung ; der Vorschlag 'ApidTÖ- 



G. Me^er, Oriech* Oraminalik 214. 



il4 6IN£ BOIOTISGHE ALi>HABETVA8fi 

vopo? ZU deuten ist deshalb abzuweisen, weil f und <p erst in 
nachchristlichen Jahrhunderten verwechselt wurden. 

Das Zeichen X x ist wol von K herzuleiten. Wenn wir, ana- 
log der Umbildung des © in(D, die vertikale Hasta des K bei- 
behalten, von den beiden schrägen Slrichen aber einen weg- 
lassen, so entsteht eine Form, welche in kürzester Zeit zu 
Bildungen führen musste, wie sie uns mehrmals auf der In- 
schrift von Abu-Simbel entgegentretend Damit war die Ge- 
stalt des Kreuzes gegeben, welches wieder nach Willkür ste- 
hend oder liegend gebildet werden konnte. Eine solche Her- 
leitung der aspirirten Gutturalis von der Tenuis K, die vorher 
in Verbindung mit B die Aspirata vertreten hatte, ist durch- 
aus ungesucht und bot sich fast von selbst dar. Dennoch fand 
sie nicht in gleicher Weise wie eine ebenmässige Verbrei- 
tung nach dem Westen wie nach dem Osten Griechenlands, 
sondern eroberte sich nur die östlich von Attika gelegenen 
Gebiete. Der Grund, warum die Westgriechen dem X j^ keine 
Aufnahme gewährten, liegt auf der Hand. Sie hatten bereits 
einem Zeichen Heimatsrecht verliehen, welches mit der näm- 
lichen Form des Kreuzes eine völlig verschiedene Bedeutung 
verband. Da aber auch ihnen die Wichtigkeit einer selbstän- 
digen Bezeichnung de.' gutturalen Aspirata eingeleuchtet ha- 
ben muss, behielten sie für ihr ^ wenigstens das Bildungs- 
princip des athenischen Zeichens bei. Früher hatte man zur 
graphischen Darstellung dieses Lautes entweder Kappa oder 
Koppa mit B verbunden. Die Athener waren von der ersten 
-Darstellungsweise ausgegangen, indem sie das B wegliessen 
und den ersten Bestandteil beschnitten. Andere wandten die- 
selbe Methode auf die zweite Gruppe an. Sie Hessen das B 
fort und schnitten von dem ersten Bestandteil (p, der in dieser 
Form wiederholt und gerade mit B verbunden in der Inschrift 
Roehl 449 erscheint, den obersten Abschluss weg. Es liegt in 
der Natur der Sache, dass ein nach oben offener Halbkreis, 



Vgl. Taylor, TUe alpliabel 11 91. 



älNE 60lOTiSGHE ALPHAB^TVASä ^^5 

zumal wenn er von einer Vertikalen geschnitten wird, sich 
rasch zu einem spitzen Winkel fortbildet. 

Als man im Osten Kenntniss davon erhalten hatte, dass die 
Athener unter Verzicht auf i die neuen Zeichen © und X zu- 
gleich auch bei der graphischen Darstellung von ^ und ^ ver- 
werteten, lag es sehr nahe, nun auch für jene Lautkombina- 
tion, nachdem einmal die Aufmerksamkeit darauf gelenkt war, 
ein eigenes Zeichen zu bilden. Es lag ferner nahe, von der 
athenischen Bezeichnung ® f auszugehen. Man unterdrückte 
den zweiten Bestandteil und modificirte den ersten in der 
Weise, dass man die obere Hälfte wegliess. So entstand ein 
Zeichen, welches in Folge seiner Herkunft genau demselben 
Fortbildungsprozess unterliegen musste wie das westliche j^. 
Es ist daher begreiflich, dass die Westgriechen, auch nach- 
dem die Kunde von diesem ^ zu ihnen gedrungen war, es 
nicht annahmen, sondern sich mit der bilitteralen Bezeichnung 
des Doppellautes begnügten, insoweit sie nicht die Umbildung 
zu % vornahmen. 

So denke ich mir den grossen Gang der Entwicklung des 
griechischen Alphabets. Nebenher jedoch mögen eine Zeit 
lang lokale Versuche gegangen sein, die Laute ^^ <p und $ in 
angemessenerer Weise auszudrücken, als mit den Mitteln des 
Uralphabets möglich war. Einen dieser Versuche entdeckt zu 
haben, ist das Verdienst von Blass (Jahrbücher für Philo- 
logie 1891, 336). Nur kann ich mich mit seiner Deutung des 
Rechteckes, das auf zwei altnaxischen Inschriften in allen vier 
Fällen, in denen $ zum Ausdruck kommen soll, mit <j ver- 
bunden erscheint, nicht einverstanden erklären. Wäre das D 
schon an sich eine Bezeichnung des $, so wäre die regelmäs- 
sige Wiederkehr des pleonastischen c daneben seltsam. Jch 
glaube vielmehr, dass man auf Naxos, das zum attischen Al- 
phabetgebiete gehörte, etwa zu derselben Zeit, da man in At- 
tika nach einer adäquaten Bezeichnung für ^ und ^ d. h. xhc 
und jr/ia suchte, gleichfalls das Bedürfniss empfand, sich we- 
nigstens für ^, das bedeutend häufiger ist als ^ und noch dazu 
im Namen Naxos selbst vorkommt, durch einheitliche Fixi- 



i\6 felNE BOlÖTlSCttE ALt^HAdEtVASS 

rung des ersten Bestandteiles xh einen richtigeren graphischen 
Ausdruck zu schaffen, als es x(t war. Man nahm auch hier 
wie in Attika die Verbindung K B zum Ausgangspunkt, liess 
aber hier den ersten Buchstaben weg und differenzirte den 
zweiten durch Unterdrückung des Mittelstriches, wie ja nach 
unserer Darlegung die Modificationen der Buchstaben auf 
griechischem Boden allgemein nicht in Hinzufügung, sondern 
in Weglassung von Strichen bestanden zu haben scheinen. 
Denkbar wäre es auch, dass man nicht erst auf KB zurück- 
ging, sondern direct an B die Veränderung vornahm, indem 
man die enge Lautverwandtschaft zwischen der gutturalen 
Aspirata und der gutturalen Spirans fühlte. Dieses naxische 
1 hat sich dann lokal noch längere Zeit in der Verbindung 
mit <T, für die es zunächst erfunden worden war, erhalten. 
Man könnte einwenden, dass der Mangel eines Mittelstriches 
hier ebenso zufällig sein könne, wie in den Inschriften des 
Kabirenheiligtums zuweilen beim B der Mittelstrich durch 
Nachlässigkeit des Schreibers weggeblieben ist. Da jedoch in 
den beiden naxischen Inschriften der Mittelstrich des Hauch- 
zeichens ebenso regelmässig gesetzt ist, wie er bei der Verbin- 
dung des fraglichen Buchstabens mit S regelmässig fehlt, so 
ist es methodisch richtiger, nicht einen blossen Zufall an- 
zunehmen. 

Ich bin mir des hypothetischen Charakters meiner ganzen 
Darstellung wol bewusst, jedoch glaube ich alle in Betracht 
kommenden Thatsachen, welche uns die bisher zu Tage geför- 
derten Inschriften lehren, zu Grunde gelegt, an einer unge- 
künstelten, naturgemässen Einfachheit des Entwicklungsgan- 
ges festgehalten und mich in keine der Schwierigkeiten ver- 
wickelt zu haben, welche gegen die bisher aufgestellten Hypo- 
thesen Bedenken einflössen. 

Es erhebt sich noch die Frage, welchen Zweck der Maler 
unserer Vase damit verfolgte, dass er zweimal das Alphabet 
darauf setzte. Da die Buchstaben an Stellen angebracht sind, 
welche sonst mit figürlichen oder ornamentalen Darstellungen 
geschmückt zu sein pflegen, ist der Schluss gestattet, dass 



EINE BOIOTISGHE ALPHABETVASE 117 

der nächste Zweck ein dekorativer war. Auch auf anderen 
griechischen Vasen begegnen uns mitunter auf der Bildfläche 
blosse Buchstaben, indem mitten ins Feld die Meistersigna- 
tur hineingesetzt ist, zunächst wol in der Absicht, die sonst 
tote Fläche zu beleben. Dieser Sitte mag vielleicht der oben 
erörterte Umstand förderlich gewesen sein, dass damals die 
Fertigkeit im Schreiben und Lesen auf einen kleinen Kreis 
beschränkt war. Die Buchstaben konnten unter dieser Bedin- 
gung viel eher als reine Formen wirken und durch das wech- 
selnde Spiel der Linien, gegen die das Auge noch nicht wie 
in einer allgemein Bücher lesenden Generation abgestumpft 
war, ein gewisses Gefallen erregen. Damit ist es aber ganz 
wol vereinbar, dass der Maler mit der Gegenüberstellung des 
alten und des neuen Alphabets auch einen belehrenden Zweck 
verfolgt hat; allerdings haben wir gesehen, wie wenig unter- 
richtet der Lehrmeister selbst war. 

Unter den anderen Alphabetinschriften steht unserer Vase 
zeitlich und örtlich am nächsten ein altertümliches korinthisches 
Pinaxfragment (Roehl 20 ^^), welches das epichorische Alpha- 
bet von E bis T in zwei Zeilen enthält. Die erste Zeile reicht 
bis X; die Buchstaben [jl und v stehen an der Krümmung zur 
zweiten Zeile ; ott sind xiov7)Sov auf eine schadhafte Stelle gesetzt 
in der Weise, dass ihre Längsaxe in der horizontalen Zeilen- 
richtung liegt; hierauf folgen von rechts nach links EE9PMT, 
aber nicht ßojaTpo^TiSov nach links gewendet, sondern, wie man 
an dem einzigen nicht symmetrischen Buchstaben P erkennt, 
mit der Richtung nach rechts. Auffällig ist ausserdem die 
Stellung des i zwischen Fl 9. Ich erkläre mir diese singulare 
Abweichung von der gewöhnlichen Folge durch ein indivi- 
duelles Versehen des Schreibers, welcher, nachdem er N ge- 
schrieben hatte, die neue Zeile richtig mit I begann, hierauf 
aber in seiner Vorlage von O auf 9 abirrte und nachträglich 
die übergangenen Buchstaben ott, so gut oder schlecht es eben 
ging, )ciov7)Sov in der beschädigten Ecke des Täfelchens ein- 
schaltete. Aus allem scheint mir hervorzugehen , dass der 

ATHEN. MITTHEILUNGEN XVII. 9 



H8 EINE BOIOTISGHE ALPHABETVASE 

Schreiber noch nicht \olle Gewandheit im Schriftgebrauche 
erlangt hatte. 

Nächst diesem Pinax ist eine Reihe italischer Gefässe zu 
nennen, welchen das griechische Alphabet eingeritzt ist. Es 
sind dies die Galassi- Vase, bei Caere gefunden (Lepsius, 
Annali 1836, 186, Roehl 534), der Bucchero Chigi, bei Veji 
gefunden, mit einem griechischen Alphabet am Halse und 
einem zweiten am Bauche des Gelasses nebst etruskischen In- 
schriften (Th. Mommsen, Bulletüno 1882, 91), eine bei Adria 
gefundene Vase, deren Deckel ein griechisches Alphabet bis N 
mit zwei Verstellungen (HI, NM) trägt (Lepsius, Annali 
1836, 194 führt Lanzi als Gewährsmann an), endlich ein bei 
Tarent gefundenes Gefäss (Roehl 546), dessen Alphabet von 
unkundiger Hand ^ aufgetragen worden zu sein scheint. Auf 
der Galassi -Vase ist das Alphabet von einem Syllabar be- 
gleitet. Diese Thatsache in Verbindung mit den Mängeln der 
Alphabete auf den beiden letztgenannten Gelassen deutet dar- 
auf hin, dass all diese Alphabete auf Schüler zurückgehen, 
welche Freude daran fanden, das in der Schule Gelernte da- 
heim auf einem Hausgerät zu üben. In dieselbe Gruppe wie 
jene \ier eingeritzten sind drei gemalte Alphabete zu zählen, 
von denen das eine, bis O reichend, an einer Grabwand bei 
Siena \on der Decke nach unten verläuft (Lepsius, Annali 
1836, 194, Roehl 535), das andere, dessen Besonderheiten ich 
nur der Ungenauigkeit des Malers zuschreiben möchte, sich 
auf dem Halse eines bei Armento gefundenen Gelasses befin- 
det (Robert, Bulletüno 1875, 56), das dritte, ein vollständi- 
ges Alphabet der VVestgruppe mit gebrochenem Iota und Sade- 
förmigem Sigma, mit F und 9, endlich mit doppeltem + = $ 
am Schluss, auf der Schulter eines in Metapont entdeckten 
Topfes angebracht ist {Notizie degU scavi 1885, 433). In 
allen drei Fällen sollte das Alphabet wol als Schmuck die- 
nen. Hieran schliessen sich die mehr oder minder vollständi- 
gen griechischen Alphabete, welche an pompeianischen Wän- 



^ Damit erklärt sieb auch am einfachsten die Umstellung des Saüe. 



EINE BOIOTISGHE ALPHABETVASE 119 

den entdeckt worden sind (vgl. C, /. L, IV S.164) Ein voll- 
ständiges steht für sich allein, ein anderes ist mit einem Al- 
phabet in umgekehrter Reihenfolge verbunden. Zangemeister 
nimmt mit vollem Rechte an, dass sie von Knaben zum Zeit- 
vertreib oder zur Übung an die Wände gekritzelt worden 
seien; eine Bestätigung dieser Ansicht liegt darin, dass alle 
diese Alphabete an den untersten Teilen der Wände stehen. 

Ähnlich sind zwei Steininschriften aus Amorgos zu beur- 
teilen. Die eine (Roehl 390) besteht aus den Buchstaben 
ABI AECmr, die andere (Ross, Inscr. ineditse II 127), 
auf der Rückseite einer Inschrift angebracht, bietet das voll- 
ständige ionische Alphabet vierundzwanzigmal nacheinander. 
Ein Steinmetzlehrling hat offenbar auf wertlosen Steinen seine 
Kunst geübt. Erwähnung verdient an dieser Stelle auch die 
von Pervanoglu veröffentlichte Bleiplatte aus Athen , Bul^ 
lettino 1867.75), welche die ?8 attischen Zahlbuchstaben 
enthält. 

Eine besondere Stellung nehmen zwei höchst interessante 
Denkmäler ein, von denen das eine Urlichs in den Beiträgen 
zur Kunstgeschichte IV 39 f., das andere Trendelenburg im 
Bullettino 1874, 253 besprochen hat. Jenes ist eine panathe- 
näische Amphora, Nr. 389 der Würzburger Sammlung. Auf 
dem Schild der Athena sind in buntem Durcheinander die 
Buchstaben A bis O als Schildzeichen aufgemalt, und am 
Halse des Gelasses ist ein Monogramm der drei ersten Buch- 
staben des Alphabets eingeritzt, in welchem Ürlichs ein Merk- 
zeichen des Verkäufers für die Eigenart der Vase sieht. Das 
andere Stück ist eine pompeianische Lampe, auf der ein Alter 
dargestellt ist, welcher eine Rolle mit den Buchstaben ABT 
AEZ hält. In beiden Fällen ist das Alphabet an der Stelle 
abgebrochen, wo der Raum zu fehlen begann. Der Alte lernt 
das Alphabet, wie Trendelenburg erklärt, oder ist, wie ich 
eher glauben möchte, ein Schulmeister. Athena soll, meint 
Urlichs, als Schreiblehrerin gekennzeichnet werden. Der Ge- 
danke ist ansprechend, wenn auch nicht von zwingender 
Überzeugungskraft. Der Maler wollte wol nur den Schild 



i 

3 



i20 EINE BOIOTISGHE ALPHABETVASE 

seiner Athena auf originelle Art verzieren, ohne einen tieferen 
Sinn in das Zeichen hineinzulegen. 

Der christliehen Zeit gehören zwei Inschriften an, weiche 
De Rossi im Bull, di arch. crist. 1881, 131 veröffentlicht, 
die eine in der Villa Aldobrandini in Frascati mit dem grie- 
chischen Alphabet bis M, die andere im Cimitero Ostriano 
mit den Buchstaben ABIT. In jener Inschrift werden wir 
wieder nach den früher angeführten Analogien die Übung 
eines angehenden Steinmetzen erblicken müssen; der letzteren, 
welche als Verschlussplatte für das Grab eines Knaben diente, 
legt De Rossi mystischen Sinn bei : die drei Anfangsbuchsta- 
ben des Alphabets sollen die Einweihung in die Anfangs- 
gründe der Christenlehre bedeuten. 

Ich führe hier auch noch die unter dem Fuss einer Vase 
des Museo latta (S. 313 Nr. 636) eingeritzte Inschrift an, 
welche der Verfasser des Katalogs AKTS liest und ivöa? xkj- 
(jou? yp4:<p6 ß deutet. Nach seinen Angaben möchte ich im zwei- 
ten Buchstaben eher ein schlecht geratenes ß sehen und das 
Ganze als den Anfang eines Alphabets mit Verbesserung des 
verunglückten zweiten Buchstabens auffassen. 

In Kürze will ich der erhaltenen italischen Alphabete ge- 
denken, aus denen wir eine interessante Weiterbildung des 
Alphabetstudiums kennen lernen. Die nicht lateinischen sind 
darunter, wie nicht anders zu erwarten ist, schwach vertreten. 
Einige unvollständige oskische Alphabete finden sich in Pom- 
pei ; zwei davon, die neben einander an der Casa del Fauna 
stehen, hat Mau, Bullettino 187*5,60 besprochen. Das etrus- 
kische Alphabet ist eingeritzt auf einem kleinen Getäss aus 
Bomarzo und zwei nolanischen Paleren des neapeler Museums 
(Heydemann J3'23, 13"27); aufgemalt ist ein bis N reichen- 
des auf der Schuller eines kleinen Eimers in Berlin (F'url- 
wängler 31Ü4 ). 

Für das lateinische Alphabet ist zu nennen das Fragment 
C. /. L. VllI 3317, wo auf einer bereits weggeworfenen In- 
schriftplalte, den unteren Rand zu oberst gekehrt, vermut- 
lich ein Lehrling des Steinmetzhandwerks das lateinische AI- 



EINE BOIOTISGHE ALPHABBTVA8E i2l 

phabet einzeichnete. In der ersten ^eile sind die Buchstaben 
aa bb cc dd, in der zweiten ghklmn erhalten. Ebenso er- 
klärt zweifellos richtig De Rossi {Bull, di arch, cristA^^\, 
130) die Inschriften einer Marmortafel, welche an der Via la- 
tina gefunden und von Henzen, Bullettino 1862, 29 publi- 
cirt ist. Sie enthält zweimal die Buchstabenreihen A-H und 
G-Z, das zweite Mal mit dreifacher Wiederholung des Z, 
ferner ein Alphabet bis Y mit Doppelsetzung des M, dafür 
ein anderes bis Q mit Auslassung des M, endlich die Buch- 
staben G-Z. Zahlreich sind die lateinischen Alphabete, wel- 
che in Pompei zu Tage getreten sind, zusammengestellt CLL, 
IV 2514-2549^ und 3205-3222. Sie sind zum Teil unvoll- 
ständig, enthalten aber noch nie die Buchstaben YZ. Konn- 
ten wir unter den griechischen Alphabeten eines aus Pompei 
nennen, wo die Reihenfolge der Buchstaben die umgekehrte 
ist, so finden sich unter den lateinischen Graffiti nicht wenige, 
wo die diametral auseinander liegenden Buchstaben des Al- 
phabets paarweise zusammengefasst sind A X B V C T u. s. w. 
Dies ist ein neuer Beleg dafür, dass diese Alphabete von 
Schülern zur Übung geschrieben worden sind, zumal in Hin- 
blick auf die Mangelhaftigkeit mancher dieser Alphabete wie 
2544, 3219. Jene Art, die Buchstaben zu paaren, findet sich 
schon in der republikanischen Zeit auf Münzen des L. Gas- 
sius Calicianus (Tb. Mommsen, Geschichte des römischen 
Münzwesens 561). In den folgenden Jahrhunderten aber 
scheint ein besonderes Gewicht darauf gelegt worden zu sein, 
den Knaben durch solche Kunststücke zu untadeliger Kennt- 
niss des Alphabets zu verhelfen (vgl. Hieron. in Jerem. XXV 
26, ep. CVn 4, Irenaeus c. heres. I 14, 3). Jenen Wandin- 
schriften aus Pompei reiht sich eine ausCarnuntum an, welche 
das lateinische Alphabet bis R mit Weglassung des K, die 
wol nicht zufällig ist (vgl. C, L L, V 3892), enthält (Arch.- 
epigr. Mitth. aus Österreich- Ungarn VIll 80). Ganz ähnlich 
wie diese Wandinschriften sind diejenigen Alphabete, welche 
auf Ziegelsteinen eingeritzt sind (vgl. CLL. III S. 962, 



122 EINE BOIOTISGHE ALPHABETVASE 

Brambach C. I. Rhen. HO, Arch.-epigr. Mitth. VIII 46), als 
Schreib-Übungen zu betrachten. 

Nachträglich erfahre ich von Prof. E. Bormann, dass im 
Jahre 1891 auf der Hutweide von Petronell das linke und das 
rechte Ende einer 0,315" hohen, 0,03™ dicken Marmortafel 
gefunden worden sind, welche das lateinische Alphabet mit der 
Formel ex visu enthalten hat. Die P'^ragmente 0,3 und 0,47™ 
breit, haben folgende Gestalt: 



ABC 


H 1 K L 


M N 


- V X Y Z 




EXVISV 



Die Buchstaben sind in der ersten Zeile 0,09, in der zweiten 
0,082™, in der dritten 0,015™ hoch. Die erste Zeile muss 11, 
die zweite 12 Buchstaben umfasst haben; die dritte dürfte, 
weil sie unter dem viertletzten Buchstaben der zweiten Zeile 
aufhört, bei dem vierten (P) angefangen haben, was nach 
Massgabe des erhaltenen Restes auf eine Anzahl von 26 Buch- 
staben schliessen lässt. Die ersten vier dieser 26 Buchstaben 
lassen sich für die Widmung I{ovi) o{ptimo) m{aximo) D{o' 
licheno) in Anspruch nehmen, weil die Tafel in einem Do- 
lichenusheiligtum gefunden ist; es bleiben somit 16 Buch- 
staben für den Namen übrig. Eine Möglichkeit unter vielen 
wäre der Name C. Spurius Silvanus, welcher auf einer in 
demselben Bezirk gefundenen Ära vorkommt, deren Inschrift 
lautet; l{ovi) o{ptim6) m{aximo) Dolicheno pro sal[ute) im- 
p(eratoris) Cass{aris) M{arci) Aur(elii) Comnio{di) Aug[usti) 
G{aius) Spurius Sihanus > leg{ionis) X g{eminae) et Val{e' 
riä) Digna v{otum) s(plverunt) l{ibentes) m[erito). Diese In- 
schrift, welche mit der obigen ungefähr gleichzeitig ist, gestattet 
uns eine genauere zeitliche Fixirung der Alphabetinschrift. 
Wir lernen daraus, dass gegen Ende des zweiten Jahrhun- 
derts die griechischen Buchstaben Y und Z schon zum festen 
Bestände des lateinischen Alphabets gehörten, während sie 
zur Zeit der Zerstörung Pompeis, wenn auch längst in prak- 



EINE B0I0TI8CHB ALPHABETVASE i23 

tischem Gebrauch, doch noch nicht oflBciell recipirt waren. 
Singular ist diese lateinische Alphabetinschrift aus Carnuntum 
insoferne, als das Alphabet nicht zur Übung geschrieben, 
sondern als Ausführung eines göttlichen Befehles^ {ex visu) 
Selbstzweck ist, noch weit mehr als die Alphabete unserer 
Alphabetvase. 

Erwähnenswert ist eine Marmortafel aus einem Columba- 
rium ( C /. L. VI 6831), welche auf der einen Seite vier Al- 
phabete, auf der Rückseite ausser vier Alphabeten , deren 
zweites mit dreifachem Z schliesst (s. oben), die Widmung/). 
J/. S, enthält. Hier scheint allerdings den Alphabeten ein sym- 
bolischer Sinn zu Grunde zu liegen. Eigenartig ist einevero- 
neser Marmortafel (C. /. Z. V 3892) mit dem Buchstaben- 
quadrat ü C B A 

E F G H 

N M L I 

P Q R 

Auch auf altchristlichen Monumenten ist eine Reihe latei- 
nischer Alphabete erhalten. Als jünger geben sich durch die 
Beigabe von Y und Z zu erkennen vier auf einer Bronze- 
platte und eines auf einer Bronzescheibe, alle in Kreisform 
angeordnet, mit einem Kreuz zwischen Z und A {Bull, di 
arch, crist. 1880 Taf. VII). Ein Alphabet bis X zwischen 
Kreuzen befindet sich auf einer Marmorplatte, die im Circus 
Flaminius gefunden worden \s\f{Bull. di arch. crist. 1881, 
136). In den Katakomben von Bolsena sind unter einer Reihe 
mehrerer Kreuze eingeritzt: ein fehlerhaftes Alphabet bis N, 
das Wort pax, die Üarstellung eines Brotes und die Buch- 
staben A-G (6. /. L. XI 2887). Ein Graflito vom Cimitero 
di S. Alessandro, wo jener paarweisen Anordnung des Al- 
phabets A X u. s. w. ein nicht ganz correctes Alphabet von 
A bis Z folgt {Bull, di arch, crist, 1881, 131), belehrt uns, 
dass auch nach Einbeziehung der Buchstaben Y Z ins latei- 



VkI- »las oben besprochene koiinlhische Pina\fragmenl. 



124 EINE B0I0TI8CHE ALPUABBTVA8E 

nische Alphabet die jahrhundertelang geübte paarweise Ver- 
bindung der Buchstaben ihren Bestand nicht änderte. Den 
christlichen Alphabetinschriften legt De Rossi zum Teil myst- 
ischen Sinn bei. Er spricht {Bull, di arch. trist, 1881, 
139) die Ansicht aus,dass das lateinische Alphabet als Symbol 
der ersten Einweihung in die Geheimnisse des Christenturas 
gedient und die mystischen Buchstaben A Jl ersetzt habe, wo- 
bei vielleicht auch eine hineingelegte Anspielung an das gött- 
liche Wort mitgewirkt habe; vgl. Gennadius Script, eccl. 7: 
{Pachonüiis) alphabetum mysticis tectum sacramentis velut 
humanse consuetudinis excedens intellegentiam claiisit. 
So viel steht nach unseren Auseinandersetzungen fest, dass 
man in der letzten Zeit des Altertums, da Wissenschaft und 
Kunst gleich degenerirt waren, auf einen rein mechanischen 
Bestandteil der Bildung, wie das Aiphabet ist, einen weit 
höheren Wert gelegt hat, als zur Zeit unserer Alphabetvase. 

Florenz im November 1891. 



ERNST KALINKA. 



DAS KULTBILD DER GÖTTINNEN VON ELEUSIS 

Schon vor dreissig Jahren hat Eduard Gerhard in seinen 
Studien über den Bilderkreis von Eleusis sich bemüht aus 
dem vorhandenen Denkmälervorrat das Bild der beiden Göt- 
tinnen nachzuweisen, zu dem die frommen Mysten bei dem 
grossen Weihefest im Telesterion von Eleusis aufschauten. 
Das Material, mit dem er arbeiten musste, reichte aber nicht 
aus, und sein Versuch blieb unbeachtet. Die neuere Kunst- 
mythologie suchte dann zwar nach einem kanonischen Ideal- 
bild von Demeter und Kora ; die Frage nach dem Kultbild 
der beiden Göttinnen warf sie ernstlich niemals auf. Und 
doch kann die Fülle der in den römischen Museen vorhande- 
nen Demeter- und Korastatuen nicht eher gesichtet und ge- 
sondert werden, als bis wir eine Vorstellung davon gewonnen 
haben, wie das Kultbild im eleusinischen Weihetempel be- 
schaffen war. Heute kann diese Frage bis zu einem gewissen 
Punkte beantwortet werden : die Ausgrabungen in Eleusis 
haben eine Anzahl von Monumenten ans Licht gefördert, 
welche im Verein mit anderen, längst bekannten Denkmälern 
dazu anregen, den gerhard'schen Versuch von neuem aufzu- 
nehmen. Ich verdanke es wieder der Liebenswürdigkeit des 
Herrn Demetrios Philios, dass ich an dieser Stelle von den 
neuen eleusinischen Funden in Bild und Wort Mitteilung 
machen darf. 

Die nachstehende Abbildung (Fig. 1) giebt die Scherbe von 
einer panathenäischen Amphora wieder, welche 1886 in Eleu- 
sis gefunden ist und sich wie alle weiter unten abgebildeten 
Monumente in dem neuerbauten Museum von Eleusis befin- 
det. Die Abbildung giebt nur die Gruppe der beiden Göttin- 
nen wieder : rechts sitzt Demeter, links steht Kora mit einer 
Fackel in jeder Hand. Rechts neben dieser Gruppe ist ^uf 



1?6 Das KULTBILD DER GOETTINNBN VON BLBDBIB 

dem Original noch der rechte Arm der die Lanze schwingen- 
den Athena sichtbar. Es bedarf kaum einer besonderen Be- 
gründung, dass die Gruppe auf einer Säule stand. Die näch- 
ste Analogie giebt die von Studniczka, Jahrbuch II S. 140 




veröffentlichte Scherbe einer panathfnäischen Amphora in der 
Sammlung der hiesigen archäologischen Gesellschaft, auf wel- 
cher eine Säule dargestellt ist, die eine KämpfergPuppe trägt. 
Auf die Ähnlichkeit derselben mit dem Gegenstück der Ty- 
rannenmörder an dem Stack elberg'schen Marmorthron hat 
Wolters hingewiesen : wir sind also berechtigt anzunehmen, 
dass diese Kämpfergruppe ein bekanntes Bildwerk wieder- 
geben soll. 

Wie bekannt nun die Gruppe der beiden Göttinnen war, 
lehren uns zunächst fünf Votivreliefs aus Eleusis. Das erste 
ist das in der 'EipiofjvEpi; äpj^aioioyHff) 1886 Taf. 3, 2 publizirte 
Lakrateidesrelief, für welches die Herren Rudolf Heberdey 
und Wolfgang Reichel mit glücklicher Hand neues wichtiges 
Material beigebracht haben. Dank der Freundlichkeit Beider 
darf ich das Resultat ihrer Bemühungen mitteilen, soweit es 
die gegenwärtige Untersuchung berührt. Es ist nicht nur 
festgestellt worden, dass zu dem Lakrateidesrelief das Athen. 



DAB KULTBILD DBB GOETTINNIEN VON ELBUSIS 



iti 



Mittheilungen XVI S. 4 ah^j^ehiHetfi RpÜpffragment gehört, 
sondern es sind auch noch neue wichtige Fragmente gefun- 
den worden, welche uns lehren, dass auf diesem etwa 2, 80" 
breiten Relief der Auszug des Triptolemos in Gegenwart des 
eleusinischen Götterkreises dargestellt war. Daraus ergiebt sich, 
dass meine Deutung des genannten Relieffragmentes unrichtig 
ist ; Triptolemos sitzt vielmehr auf seinem Wagen, und rechts 
neben Demeter steht Kora; den Rest ihres Kopfes und ihre 
Fackel giebt das grosse Fragment 'E^-nitfpiq ip/. 1 886 Taf. 3,?. 
Also kann die links neben der sitzenden Demeter stehende 
Frauenfigur nicht Kora sein, wie ich allzu schnell deutete; es 
wird Eleusis sein nach Analogie der Hieronvase, Monumenti 
IX Taf. 43. Den von mir für Triptolemos erklärten Knaben 
mit dem Ährenbüschel in der Linken kann ich nicht benen- 
nen. Jedesfalls ist bewiesen, dass rechts neben der sitzenden 




Demeter Kora steht mit Fackeln in den Händen. Das ist die- 
selbe Gruppe, die wir auf der panathenäiscben Amphora dar- 



ISS DAS SCLTBILD DER flOGTTlNNBN VON BLBÜ9I9 

gestellt fanden. Fig. 2 giebt die Abbildung der Reste eines 
0,36 hohen, 0,11 dicken Votivreliefs; es sind zwei Stücke 
desselben erhalten, welche beide Teile der seitlichen Ränder 
zeigen. Die ehemalige Breite des Reliefs lässt sich nicht aus- 
machen. Der Marmor ist pentelisch. Demeter thront nach 
rechts auf einem merkwürdigen runden Sitz; neben ihr steht 
ausser Kora noch ein Jüngling mit langen Locken in kurzem 
Chiton, über den ein Fell gebunden ist. Das kleinere (0,18 
hohe) Fragment zeigt den zum Teil entbtössten Oberkörper 
eines Mannes, welchen wir Pluton oder (nach Analogie des 
Reliefs 'Ef-nit-tpit; «p^. 1886 Taf. H, 1) öto? nennen werden, den 
bekleideten Oberkörper einer leierspielenden Figur und den 




Kopf einer nach links sitzenden Frau. Das Fig. 3 abgebildete 
Votivrelief ist im sogenannten Plutonion gefunden und von 
Philios 'EipTijAspii äp;^. 1886 S. 261 besprochen worden. Die 



DAB KULTHILD der GOETTINNEN VON ELEttSIS l29 

Reste der Göttinnengruppe, auf welche die Schar der Ado- 
ranten zuschreitet, sind deutlich. Bis auf die Köpfe gut er- 
hahen ist die Gruppp auf dem Fig. 4 abgebildeten, in der 




Nähe des sog. Buleuterions gefundenen Votivrelief ( breit 0,42; 
hoch 0,48 ; dick 0.1 'i ; links Rand). Nur kurz zu erwähnen 
ist der Rest des fünften Votivreliefs : hoch 0,13; dick 0,04; 
breit 0,11; rechts, links, unten gebrochen Erhalten ist der 
erhobene rechte Arm der Demeter und der Kopf eines bärti- 
gen Adoranten nach rechts. 

Üen Votivreliefs schliesse ich das Fig. 5 abgebildete Frag- 
ment einer runden Basis an, das vor einiger Zeit in dem 
Hause des Kosta Petro von Herrn Philios entdeckt worden ist. 
Es besteht aus pentelischem Marmor und ist 0,26 hoch ; links 
ist ein Stück von dem oberen, weit abstehenden Rande erhal- 
ten. Gaoz rechts sehen wir den Oberkörper der nach rechts 



130 bAB KULtBILD DER SOBTtlNNEH VON BLltÜBlS 

sitzenden Demeter und einen Gewandrest von der neben ihr 
stehenden Kora. 




Zu den Votivreliefs treten drei Dekretreliefs. Die Inschrif- • 
ten derselben sind bereits veröffentlicht. Fig. 6 gehört zu dem 
von Foucart, Bulletin de correspondance kelle'nique IM S. 




ISO publizirten Ehrendekret für den Hagmisier Derkylos, der 
aus den Reden des Aischines und Demosthenes ntpl napocTcpt- 



tiAS KULtdILO DER (JOBTTINNEN VON EtBUBld 1^1 

ffSiExi; bekannt ist'. Fig. 7 ist kurz erwähnt von Pbilios, 'Ef yi- 

[iepU äpx^'o^oy*^ 1883 S. 133 Nr. 11 (s. auch 1888 S. 21 Np. 




39 und 1890 S. 82 Anm. I); es ist ein Psephisma zu Ehren 
des Peripolarchen Smikylhion und gehört ungefähr in das 
Ende des vierten Jahrhunderts. Fig. 8 stellt den Rest eines 




ähnlichen Psephisma dar, das Philios 'EipTifitpU 1890 S. 81 
Nr. 50 herausgegeben und in das zweite Viertel des vierten 
Jahrhunderts gesetzt hat. Von diesem Belief ist nur der Un- 
terteil der rechts sitzenden Demeter erhalten. 



I L. von 6;bel, Alhea. Millbeituageu IV 8. Uh. 



132 DAB ^ULTBILD DBB flOBTTtNKBN VON BLBÜBIS 

Die Zahl der in Eleusis selber gefundenen Monumente, auf 
denen die fackcl tragen de Knra neben der auf einem runden 
Sitze thronenden Demeter dargestellt ist, beschliesst eine sta- 
tuarische Gruppe, die Fig. 9 abgebildet ist. Demeter (der 




Kopf ist abgebrochen) sitzt wieder auf dem üblichen runden 
Sitz, der noch sehr deutliche Spuren roter Farbe aufweist. 
Ihre Rechte ist abgebrochen; ihre Linke liegt im Schosse. 
Auf ihre rechte Schulter ist eine Unke Hand aufgelegt, welche 
wir ohne Weiteres als den Rest einer neben ihr stehenden 
Kora auffassen lionnen. Denn ausser Kora giebt es keine Gott- 
heit, die ihre Hand in dieser vertraulichen Weise auf die 
Schulter der Demeter legen kann. Dass neben der Demeter 
noch eine Figur stand, lehrte auch ein längliches Loch an der 
linken Seite unten und darüber ein Ansatz am Sitz, R. He- 
berdey hat diese Figur nun kürzlich in der That aus drei Stü- 
cken wieder zusammengesetzt: Kora legt die linke Hand auf 
die rechte Schulter der Demeter, den erhobenen rechten Arm 
hält sie im Gewand, Die ganze Gruppe war in eine Basis ein- 
gelassen, wie die Abarbeitung des Fussgestells und zwei Lö- 
cher in der Unterfläche beweisen. Der rechte Fuss fehlt; er 
war angesetzt. H. Höhe 0,30; gr. Breite 0,22. 



t)Aä KULTBILD t)EH flOBTTINNBH VON SLEDBre 133 

Diesen aus Eleusis selbst stammenden Monumenten schliesst 
sich die Reihe der Mysterienvasen an. Den bekannten, oft 
besprochenen Exemplaren füge ich ausser der unter Fig. 10 
abgebildeten, in Eleusis gefundenen Scherbe ' von einem weit- 




bauchigen Gefäss mit Mysteriendarstellung — erhalten ist der 
Unterteil der sitzenden Demeter, Fackel und Gewandrest der 
neben ihr stehenden Kora — hinzu eine in der Sammlung der 
archäologischen Gesellschaft (Nr. 2722) befindliche, noch 
nicht verölTentlichte Hydria, welche sich am nächsten berührt 
mit der Monumenü XII Taf. 35 publizirten Vase aus S. Ma- 
ria di Capua (Heibig. Annali 1885 S. 319). 

Nächst Eleusis fordert uns vor allem Athen zur Umschau 
auf, dessen hart unter dem Felsen der Akropolis gelegenes 
Eleusinion die bedeutendste Filiale des eleusinischen Heilig- 
tums war. Die athenischen Monumente hat z. T. schon L. 
von Sybel zusammengestellt, als er den Zwölfgötteraltar Athen. 
Mittheilungen IV Taf. 20 (s. S. 345) publizirte. Zu den von 
ihm aufgezählten Werken , von denen das wichtigste und 



< Die geringen Reste voQ blauer Farbe sind durch horizonlale Schradl- 
runj! winlorgrgeljen, Grün durch hellere Tönung. 

ATHKK. HlTTUBlLDNaSN XVU. 1 



134 Das kültbild der goettinnen von ELEüSIS 

schönste das von Köhler, Athen. Mittheilungen II Taf. 18 
veröffentlichte Asklepiosrelief ist, kann ich hinzufügen das im 
Katalog der Sculpturen zu Athen Nr. 1488 notirte Fragment, 
über dessen Deutung kein Zweifel mehr bestehen kann, ein 
ebenda Nr. 3070 und ein im AeXt^ov 1889 S. üb Nr. o9 
kurz erwähntes Relief aus dem Piräus, die sich gegenwärtig 
im Nationalmuseum befinden, und das bekannte Relief athe- 
nischer Wäscher im Berliner Museum (Conze, Beschreibung 
der Sculpturen S. 264 Nr. 709). 

Auch über Attika hinaus hat das Original, auf welches die 
aufgezählten Denkmäler zurückführen, zur Nachbildung an- 
geregt, zunächst natürlich da, wohin der eleusinische Kult 
der beiden Göttinnen verpflanzt war. Mir ist aus Griechenland 
noch ein Monument bekannt geworden, welches das Göttin- 
nenpaar in dem besprochenen Typus darstellt. Es ist das von 
Milchhöfer, Arch. Zeitung 1883 S. 223 Taf. 13 oben abge- 
bildete Relief aus Gythion, das sich seit zwei Jahren im Na- 
tionalmuseum befindet. Über den Kult der Demeter in Gy- 
thion vgl. Töpffer, Attische Genealogie S. 221. Nur aus Ita- 
lien bekannt sind die Terracottareliefs, welche Ersilia Cae- 
tani-Lovatelli im BulletUno comunale VII Taf. 4. 5. Nr. 1. 
6. 7. 8 zusammengestellt und denen sie eine in Rom in der 
Nähe der Porta Maggiore gefundene Marmorvase (Taf. 1-3) 
hinzugefügt hat. Aus Attika soll nach einer allerdings stark 
bezweifelten Nachricht der berühmte Triptolemossarkophag 
in Wilton House (Michaelis, Ancient marbles in Great 
Britain S. 697, 137, 138) stammen, auf dem das Göttinnen- 
paar von dem seinen Wagen besteigenden Triptolemos Ab- 
schied nimmt. Auch auf einem jetzt verschollenen Relief, des- 
sen Kenntniss wir dem neu entdeckten Skizzenbuch des Fra 
Giocondo {Mclanges cVnrcheologie XI Taf. 1 S. 136) ver- 
danken, der es ' in Roma a Santo Giovane i laterano * sah 
und zeichnete, kehrt die Gruppe der beiden Göttinnen wieder, 
auf die von links eine jugendliche Figur, von der schon da- 
mals nur noch der Kopf erhalten war, und ein Flötenbläser 
zuschreiten. Die letzte Nachwirkung des berühmten Originals 



Das tÜLTftILÖ DEft GOETTINNBN VON ELEÜ8I8 135 

spüren wir auf der von Matz, Arch. Zeitung i87i Taf. 25 
veröffentlichten Goldschale von Pietraossa^ 

Das ist das Material, mit dessen Hilfe ich das Kultbild der 
eleusinischen Göttinnen in seinen Hauptzügen rekonstruiren 
möchte. Auf Vollständigkeit macht diese Sammlung keinen 
Anspruch. Ich bin überzeugt, dass eine Umschau in den ita- 
lienischen Sammlungen noch manches hieher gehörige Monu- 
ment aufweisen wird. Vielleicht gelingt es einem glücklichen 
Auge Copieen der beiden Statuen zu finden, aus denen die 
den aufgezählten Denkmälern zu Grunde liegende Original- 
gruppe bestand. Denn das wird Jeder schon nach einer flüch- 
tigen Betrachtung für ausgemacht halten, dass wir das Recht 
haben, ein berühmtes Bildwerk anzunehmen, welches neben 
der auf einem runden Sitz thronenden Demeter Rora zeigte 
mit Fackeln in beiden Händen ^. Und welches von den aufge- 
zählten Monumenten kommt dem vorauszusetzenden Original 
am nächsten? Schwerlich wird es hier eine Meinungsver- 
schiedenheit geben. Die Scherbe von der panathenäischen 
Amphora muss trotz ihrer Flüchtigkeit den Ausgangspunkt 
der Untersuchung bilden Auf den Reliefs und den Myste- 
rienvasen ist das Göttinnenpaar in eine bestimmte Handlung 
hineingezogen, sei es, dass sie die andächtige Huldigung der 
Adoranten entgegennehmen, sei es, dass sie Triptolemos zu 
seiner Fahrt in ferne Länder, denen er das eleusinische Sa- 
menkorn bringen soll, aussenden, sei es, dass sie der Mittel- 
punkt sind, um welchen sich die anderen eleusinischen Götter 
und das Priesterpersonal gruppiren. Auf jener Scherbe dage- 
gen ist das Bild der beiden Göttinnen als ein solches darge- 
stellt. Mit kleineren oder grösseren Abweichungen kehrt diese 
Gruppe auf sämtlichen vorher aufgezählten Monumenten wie- 
der. Mit Hilfe derselben muss es uns gelingen das Original 



* Genethliacon Gottingense S. 102. 

3 So hat deaa auch Löschcke, Eaneakrunosepisode schon geschlossen, 
dass die wenigen von S^bei a. a. 0. besprochenen Monumente auf das 
Kultbild im Eieusinion zu Athen zurückgehen. 



136 ÖaS KULTBILD DER GOETTINNEN VON ELEÜSIS 

ZU rekonstruiren, wenn wir auf die Darstellung der Scherbe 
immer wieder als auf die Grundlage zurückgreifen ^ 

Zunächst ist der merkwürdige cylindertörmige Sitz, auf dem 
Demeter thront, zu erklären. Auf der Scherbe der panathe- 
näischen Amphora ist nur der obere Rand desselben erhal- 
ten; aber nach der Analogie der anderen Monumente kann 
kein Zweifel über seine Ergänzung bestehen, in halber Höhe 
ist er meist durch eine Kerbe geteilt. Köhler (Athen. Mitthei- 
lungen II S. 244) hielt ihn für ein Getreidemass, und andre 
haben, wie ich höre, an die nun auch inschriftlich ( 'E^r.jAgoi; 
apj^atoXoyt-^Y) 1883 S. 118,47) bezeugte 7U£Tpa aye^adro? ge- 
dacht. Aber ehe man sich zu einer solchen Erklärung ent- 
schliesst, muss man sich die Frage vorlegen, ob es auch andre 
Kulte gab, in welchen dieser merkwürdige Gegenstand eine 
Verwendung fand. Auf mehreren Asklepiosreliefs tragen ju- 
gendliche Mädchen, die in feierlichem Zuge den Heilgöttern 
nahen, auf dem Haupte *eine grosse, runde Truhe', wie 
Duhn, Arch. Zeitung 1877 S. 144 den Gegenstand beschreibt. 
Gewiss ist damit das Richtige getroffen : es ist eine Truhe oder 
Cista, in welcher die Mädchen ihre Opfergaben darbringen. 
Und so wird auch die Deutung des Sitzes der Demeter keine 
Schwierigkeit mehr machen: es ist die so oft genannte cista 
rnijsticd, über welche auf Grund der litterarischen Zeugnisse 
Otto Jahn in dem bekannten Aufsatze Hermes 111 S. 317 ge- 
handelt hat. Schon auf dem Unterweltsgemälde Polygnots in 
der delphischen Lesche war Kleoboia dargestellt mit einer jcißw 
To; in ihrem Scliosse oTrota: Trotsi'jöat ^^]f.\C,r^'jQ\ Ar/ariTpi ( Tansa- 
nias X '28, 3), und die grosse Myslerieninschrift von Andania 
(Dittenberger, S/jl/o^ry^r. 388) spricht Zeile 30 von den heili- 
gen Jungfrauen, )caOa); iv Xx/covt'., ayo'j7at zx ipjJLaTa, £7ri;t6i- 



' Die uiilor Fi^'. \) abi^vhildelc Slaluengru|)j»c kann nur für eine freie 
rinhilduii^' der (Jrii^iiialr «^'elleii. Kora hall iiiclil die Fackeln in den Hän- 
den ; sie hat den leclilen Ann in das Gewand gehiilll und legi die Linke auf 
die reclile .Scliuller der Demeter. Fin Blick auf die oben gegebenen Ahbil- 
dung(ni zeigt licullicli tlie besondere Stellung, welche diese eleusiiiische 
iSculplur in einer Unlersuchung über das Kullbild einnehmen muss. 



DAS KULTBILD DER GOETTINNEN VON ELEÜ8I8 137 

[iiva xtdTa; lyouda; Upa (xu<TTt)tx. Als Ciste ganz unzweifelhaft 
charakterisirt und zwar als bakchische mit Schlange und Fell 
ist der Sitz auf den von Ersilia Lovatelii zusammengestellten 
Terracottareliefs. Und für den eleusinischen Demeterkult kön- 
nen wir diese Cisten auch auf zwei anderen Monumenten nach- 
weisen. Eine solche zweigeteilte Ciste trägt die bekannte Ka- 
ryatide in Cambridge, der ehemals die Ehre widerfahren 
ist, für das Kultbild der Demeter gehalten zu werden. Zuletzt 
hat über diese Kistophoros, von der ein besser erhaltenes 
Exemplar sich noch heute in Eleusis befindet, Michaelis, An- 
cient marbles S. 242, 1 gehandeh *, und er hat auch hinge- 
wiesen auf die Darstelluno; zweier Cisten auf dem Fries der 
Propyläen des Appius Claudius Pulcher {C. /. L. I 619). Da- 
mit wird die richtige Deutung des cylinderförmigen Gegen- 
standes gefunden sein. 

Die Ciste dient also zur Charakteristik der Demeter. Was 
sie in ihren Händen hielt, ist schwer auszumachen. Dafür 
versagt nicht nur die Scherbe der panathenäischen Amphora, 
auch die Reliefs geben wenig aus. In den meisten Fällen sind 
beide Hände leer. Und doch ist die Haltung derselben eine 
solche, dass man sie sich ungern ohne jedes Attribut denken 
mag. Die Linke ist erhoben, als ob sie ein Scepter hielte. 
Und dies finden wir in der That auf den Mysterienvasen mit 
Ausnahme der im Polytechnion befindlichen in ihrer Hand. 
Das Scepter gebührt der heiligen Mutter und Herrin von 
Eleusis, das trägt sie auch auf dem Lakrateidesrelief (vgl. 
oben S. 126), während sie in der auf dem Schosse liegenden 
Rechten ein Ahrenbüschel hält. Man wird die Möglichkeit 
gern zugeben, dass auch die Rechte unseres Originals ein 
Ahrenbüschel hielt, aber man wird sich auch sofort daran 
erinnern, dass auf dem Lakrateidesrelief das Ahrenbüschel 
mehr als ein Attribut war: Demeter reicht es dort dem Tri- 
ptolemos, der die Gabe seiner göttlichen Mutter allen Sterb- 
lichen mitteilen soll. 

Kora hält in beiden Händen die Fackeln. Lichterglanz und 



Vgl. auch Berliner Gipsabgüsse Nr, 1558. 



138 DAS KULTBILD DER GOETTINNEN VON ELEU8I8 

Fackelschein erhellte an den Weihetagen das eleusinische Te- 
lesterion. Ob die Tochter rechts oder links von der Mutter 
stand, das werden wir mit Sicherheit nicht entscheiden kön- 
nen. Aber ungern werden war uns entschliessen, das Zeugniss 
der panathenäischen Scherbe in Zweifel zu ziehen. 

So sah im Wesentlichen das Kultbild des eleusinischen Te- 
lesterion aus. Denn dieses dürfen wir mit Fug und Recht für 
das Original der von uns besprochenen Gruppe halten Der 
Fundort der herangezogenen Monumente spricht vernehmlich 
dafür, und immer richtet sich zunächst unser Blick nach 
Eleusis, wenn wir Bilder von Df meter und Kora vor uns seh- 
en. Wo die litterarische Tradition fast völlig* versagt, haben 
die Monumente gesprochen : das Kultbild stellte nur die bei- 
den Göttinnen von Eleusis dar, Demeter sitzend auf der hei- 
ligen eiste, neben ihr die Tochter stehend mit einer Fackel 
in jeder Hand. lakchos, ohne den wir uns den Kult der Göt- 
tinnen im Telesterion nicht denken können, welchen Sophokles 
Antigone 1120 besingt als Herrscher TrayxotvoK; 'EXeufjivtac iv 
xoXwoK, fehlt. Das ergiebt Folgerungen für die Religionsge- 
schichte, auf welche ich in Übereinstimmung mit E. Rohde's 
Untersuchung über die Mysterien (Psyche I S. 256) noch ein- 
mal hinweisen möchte 2. Denn lakchos ist es vor allem, den 
die Verfechter des orphischen Einflusses in Eleusis immer 
von neuem ins Trefl'en führen. 

Der homerische Demeterhymnos erwähnt lakchos nicht, 
aber die Mysterien kennt er: den Teilnehmern an den hei- 
ligen Handlungen in Eleusis wird ein seliges Leben verheis- 
sen ; wer aber uneingeweiht ist, der wird nicht das Gleiche 
erfahren nach seinem Tode, im dumpfigen Dunkel des Hades. 
Mit Recht lässt Rohde S. "259 die Ansicht derer nicht gelten, 
welche diese deutliche Anspielung auf die Mysterien durch 
die Annahme einer Interpolation beseitigen wollen. Wer in 
einem späteren Jahrhundert daran Anstoss genommen hätte, 



* Lobeck, Agiaophamus I S. 52 fl'. 
3 Athen. Miilbeilungen XVI S. 12, 



DAß KULTBILD DER GOETTINNEN VON ELEÜSIg 139 

dass im Demeterhymnos kein Wort von den Mysterien stand, 
hätte gewiss auch zugleich mit der Mysterienlehre dem lakchos 
einen Platz im llymnos angewiesen, und jetzt hat Diels. Si- 
byllinische Blätter S. 1?3 in den Versen 194 ff. eine deut- 
liche Anspielung auf die mit dem Neuling vorgenommenen 
heiligen Sühnriten aufgezeigt. Es bleibt bei der Thatsache : 
der Hymnendichter kennt die Mysterien, macht sogar Propa- 
ganda für sie ; aber den lakchoskult kennt er nicht. Und das, 
was er über die Mysterien mitteih, deckt sich durchaus mit 
dem, was wir sonst aus sicheren Quellen über ihren Inhalt 
wissen. Das * was die spätere te^sty) kennzeichnet und über 
alle Religionen des griechischen Altertums hoch hinaushebt', 
ist in den drei Versen 

oX6io< o; t4:S' OTCOixev I77iy0ovia>v avöpcoTccov* 

6^ S' aT6^7)C ispwv, o; t' a[X(JLopO(;, outuoÖ' ojaoio)^ 
atdav iyei (pOtjjLevöc Trsp utco ?^ö^(o eupwsvxt 

nicht nur angedeutet, sondern klar ausgesprochen. Von einem 
Schauen ist die Rede, das den irdischen Menschen zur Selig- 
keit erhebt. Was also Pindar, Sophokles, Krinagoras (Lobeck 
I S. 69 ff., Rohde I S. 267) als das Wesen der eleusinischen 
Mysterien hervorheben die Sowy.eva, deren Anblick den Ein- 
geweihten Seligkeit bringt und ewiges Leben im Hades, das 
betont der Ilymnendichter nicht minder, und ich weiss in der 
That keinen Grund, aus dem man berechtigt ist, zu schlies- 
sen, dass uns der Demeterhymnos in eine Zeit führt, in wel- 
cher den Mysterien ein wichtiges, belebendes Element gefehlt 
habe. Haben Pindar und Sophokles andre Verheissungen in 
Eleusis empfangen als der Dichter des Hymnos? Hat der Dich- 
ter der wundervollen Verse 

oiSev [/,6V ßtoTOu TgXeuTiiv, 
otösv 06 otOTOOTOv apyxv. 

innerlich mehr erlebt als der Hymnensänger? Hat Sophokles 
andere tAy) geschaut als der Dichter, der von dem aT6^7)<; Upcov 
spricht, welcher outcoO' 6jjL0t(x)(; aldav sj^ei (pÖtfxevö? wep \jtzo Co?^ 
e'jpcoevTi ? In demselben Gedicht, welches uns die erste Quelle 



140 DAS KULTBILD DER GOBTTINNEN VON ELBU8I8 

für den eleusinischen Demeterkult ist, werden die Mysterien 
erwähnt; mit der Göttin ist auch ihre zeltTTt da. 

Schwerwiegende Gründe müssen es also sein, welche noch 
zuletzt Gelehrte wie U. von Wilamowitz und J. Töpffer zu 
der entgegengesetzten Ansicht bestimmt haben. * Um die Wen- 
de des sechsten Jahrhunderts dringt orphischer Einfluss in 
die eleusinischen Mysterien ein' ist oft gelehrt worden. Und 
als äusseres Zeugniss dafür wird immer der Kult des lakchos 
angeführt, den Sophokles und Aristophanes in feierlichen Lie- 
dern preisen. lakchos, der mystische Dionysos, den die Or- 
phiker aus Thrakien an die Ufer des Ilisos gebracht haben, 
soll vor allem den epochemachenden Einfluss beweisen, den 
die Geheimzirkel der orphischen Dunkelmänner auf den eleu- 
sinischen Gottesdienst ausgeübt haben sollen. Aber wir sind 
eben auf falschem Wege, wenn wir glauben, dass 'die Per- 
son des lakchos den Mysterien den Stempel einer höheren 
geistigen Weihe' aufgedrückt habe. Vergebens suchen wir 
nach dem neuen Element, das die lakchosreligion in die eleu- 
sinischen Mysterien hineingetragen haben könnte, und die 
Thatsache, dass das Kultbild im Telesterion die beiden Göt- 
tinnen ohne ihren vielbesungenen 7rap6Spo(; darstellte, fordert 
uns auf von neuem die älteste Überlieferung über den eleusi- 
nischen lakchoskult zu prüfen. Ein negatives Resultat ergab 
die Betrachtung des Demeterhymnos. Unter den vielen in Eleu- 
sis gefundenen Statuen und Reliefs begegnet uns keine Göt- 
tergestalt, die wir mit Wahrscheinlichkeit auf lakchos deuten 
können. Das mag Zufall sein, und ich leugne durchaus nicht, 
dass in späterer Zeit dem lakchos auch in Eleusis Votivre- 
liefs geweiht und Statuen errichtet wurden, aber niemals hat 
er einen anderen Gott z. B. Eubuleus (Töpffer, Genealogie 
S. 33) oder Triptolemos verdrängt, und nimmermehr haben 
durch das Eindringen seines Kults die Mysterien ein neues 
Ansehen erhalten. In Athen lag das lakcheion, und in ihm 
stand ein lakchosbild, das von Praxiteles' Meisterhand ge- 
schaffen war (Curtius, Stadtgeschichte XXIV, 47). Von Athen 
aus wurde in jedem Jahre am 19. Boedromiou das lakchosbild 



DAS KÜLTBILD DER 60ETTINNEN VON ELEU8I8 ih\ 

nach Eleusis gebracht, und in der darauf folgenden Nacht 
wurde an der heiligen Bucht das lakchosfest gefeiert. Wo 
man das Bild einer Gottheit erst hinbringen muss. da ist sie 
eben nicht zu Hause, da wird sie in starker Weise als Fremd- 
ling empfunden. Wol ist am lakchostage der thrakische Gott 
im Temenos von Eleusis mit unerhörtem Gepränge unter 
Lichterglanz und Fackelschein gefeiert worden, wol erklangen 
fromme Lieder zu seinem Preise ; aber vergeblich sucht man 
in dem grossen Priesterpersonal in Eleusis nach einem lakchos 
priester. Zwei Inschriften sind in Eleusis gefunden, welche 
lakchos erwähnen, ein auflTallend kleiner Prozentsatz unter 
der Masse der eleusinischen Inschriften. Die eine ist bereits 
von Lenormant gefunden und steht C. /. ^4. 1, 5. Es ist ein 
Opfergesetz; neben Hermes, den Chariten, Artemis, Telesi- 
dromos, Triptolemos (?) und den beiden Göttinnen soll auch 
lakchos (Z. 5 ; dazu ist das XO I sicher richtig ergänzt) sein 
Opfertier erhalten. Die andere ist das berühmte Dekret 'E(pY)- 
(xepi? 1887 S. 175 Nr. 36, welches uns die Existenz der drei- 
zehnten Phyle gelehrt hat. Es spricht Z. 21 von der 'EXg'jalvi 

Die älteste litterarische Erwähnung des lakchos bietet He- 
rodot VIH 65 2. Mit dem Lakedaimonier Demaratos steht der 
athenische Verbannte Dikaios kurz vor der Schlacht von Sa- 
lamis auf dem thriasischen Gefilde. Sie sehen von Eleusis her 
eine mächtige Staubwolke aufwirbeln und hören den mysti- 
schen lakchosruf laut erschallen (tov jjlugtdcov ixjcpv). Dema- 
ratos erkundigt sich nach dem Zweck dieses Rufes und erfährt 
von Dikaios, dass um diese Zeit die Athener alljährlich tyI 
(jL-^Tol xat TY) jtoopY) ein Fest feierten. Der Athener fügt aber 
auch noch hinzu, dass aus der Richtung der Staubwolke auf 
die Entscheidung des bevorstehenden Kampfes zwischen Per- 

^ Philios las hei einer neuen Prüfung T ^Tjfjtepl; apy. !890 S. 131 *Iaaxyoü. 
Die Inschrift, welche sich jetzt in der epigraphischen Abteilung des Nalio- 
nalmuseums befindet, ist wenig sorgfällig (s. das Facsimile *E^r^[L£pU 1887 
S. 36) eingehauen. Philios scheint aber— auch nach H. G. I^olling*s An- 
sicht—mit seiner ersten Lesung Recht zu behaltent 

a Trautwein, Hermes XXV S. 527. 561, 



14? DAS RULTBILD DER GOBTTfNNEN VON ELBÜSIS 

Sern und Athenern geschlossen werden könne. Wenn sie sich 
nach der Peloponnes hin erhebe, würde der Perserkönig auf 
dem Festlande Unglück erleiden. Wenn sie sich auf die bei 
Salamis liegenden Schiffe werfe, würde er seine Flotte verlie- 
ren. Die Stimme aber müsse die einer Gottheit sein, welche 
den Griechen zu Hilfe käme ; denn Attika sei ja von Menschen 
ganz verlassen. Die Staubwolke wendet sich dem Schiffslager 
der Griechen zu, Demaratos warnt den Dikaios vor weiterer 
Mitteilung dieser Beobachtung, und bald darauf siegen die 
attischen Schiffe über die stolze Perserflotte. Den lakchosruf 
hielt Dikaios für die Stimme eines helfenden Gottes, lakchos 
wird später dann als Mitkämpfer bei Salamis hingestellt und 
vom Salaminischen Siegestage an wächst die Bedeutung des 
lakchoskults. Wir wissen von dem Inhalt des fakchosliedes, 
das die frommen Mvsten am 19. Boedromion des Jahres 480 
nach der Vision des Dikaios und Demaratos sangen, nichts. 
Wir wissen nicht einmal, ob das lakchosbild schon damals in 
feierlichem Zuge nach Eleusis gebracht wurde. Fest steht nur 
das Eine, dass man in dem lakchosruf die Stimme eines 
göttlichen Helfers zu vernehmen glaubte. Es braucht nur ein 
Altar oder ein Tempel des lakchos auf der heiligen Strasse 
gestanden zu haben: die Mysten opferten dort und stimmten 
ihr Lied an. Das Fest aber, welchem der feierliche Zug galt, 
wurde ty, (xy^xpi xai Tri xoopY) gefeiert. Nichts berechtigt uns 
also anzunehmen, dass der später mit so grossem Prunk ge- 
feierte lakchostag das Zeugniss sei für das Eindringen einer 
neuen Offenbarung, dass er erst den Mysterien die rechte 
Weihe und den rechten Glanz gegeben. Das religiöse Element 
mag an diesem Tage sogar immer sehr in den Hintergrund 
getreten sein. Der lakchostag war vor allem eine nationale 
Feier: erst der Sieg bei Salamis hob den bis dahin wenig 
verehrten Gott, der bei Salamis Mitkämpfer der Hellenen ge- 
wesen war, wie vor zehn Jahren Pan bei Marathon*. 
Athen März 1892. 

OTTO KERN. 

• ü. von WilamuwiU, Aus Kydalhen S. 107. 224. 



INSCHRIFT VON TEOS 

Die von Judeich in diesen Mittheilungen XVI, 291 ff. ver- 
öffentlichte Inschrift von Teos ist auch sprachlich von Inte- 
resse. Zwar das Z. 14 und IG zu lesende Wort ^XavStov, dessen 
Verhältniss zu j^Xaiva und zu yXaj^.ü<; hier nicht untersucht 
werden kann, ist nicht, wie der Herausgeber meint, neu, son- 
dern findet sich auch in dem zuerst von C. Gurtius, Inschrif- 
ten und Studien zur Geschichte von Samos veröffentlichten In- 
ventar des samischen Ileraions Z.30: y>.xvStov aXo('j)pyoOv und 
Z. 36 -/Xx^^ix Siio iXo(u)p)^i ; vgl. Bechtel, Die Inschriften des 
ionischen Dialekts (Abhandlungen der Gesellschaft der Wis- 
senschaften zu Göltingen Bd. 3i) S. 130. Wol aber verdient 
die Inschrift als ein Denkmal der Übergangsperiode von Io- 
nisch zu Attisch Beachtung. Unter den Attizismen sind neben 
sptwv Z. 14, was 6tpt(üv zu lesen die sonstige Orthographie 
dieser Inschrift verbietet, taTpixoG Z. 1 I, -oi; als regelmässiger 
Endung des Dativ Plur., t£>.o>v Z. 2 als Genetiv Plur. beson- 
ders zwei hervorzuheben. Elrstens das häufige aTe>.6ta, wofür 
ionisch i-nUin zu fordern ist und bei Ilerodot l,5i. 3,67. 
9,97 und in der Inschrift von Kyzikos /. G. A. 49t, 3 that- 
sächlich belegt ist. Doch hat die attische Form, offenbar in 
Folge ihres amtlichen Charakters, schon zu Anfang des vierten 
Jahrhunderts im kleinasiatischen lonien Eingang gefunden. 
Sie findet sich bereits in dem erythräischen Volksbeschluss 
von 394 zu Ehren Konons (Dittenberger, Sylloge 53,6), dann 
in einem ebensolchen aus der Zeit des Bundesgenossenkrieges 
(daselbst 84,9), sowie in den nächstfolgenden Jahrzehnten 
in lasos und Zeleia, überall, was bemerkenswert ist, mit dem 
gut ionischen -posSptY) verbunden. Zweitens gehört hierher das 
vom Herausgeber in zwei Worten geschriebene etifx Z. 19. 
Man könnte zwar auch an -ti iv denken, da die attische Aus- 
sprache und Schreibung et für vi, die jetzt auch in den dubli- 
ner Papyri des dritten Jahrhunderts in zahlreichen Beispielen 
begegnet, auch dem ionischen Sprachgebiet und 35 war schon 



144 INSCHRIFT VON TE08 

ZU einer Zeit eignete, wo sonst noch keine Einflüsse des atti- 
schen wahrnehmbar sind: ^Yi^^g'. als III. Sing. Conj. in Am- 
phipolis; T6t, (jTYj^ft, exarepet in Eretria ; vieles der Art auf 
der bekannten Inschrift von Oropos. Man vgl. auch die Be- 
merkungen von Blass, Aussprache '^ S. 25, Anm. 49 über ei 
in Keos. Doch gehören alle diese Beispiele dem Westen des 
ionischen Gebiets an. Dagegen fehlt es für etiv statt ixv gerade 
in der Nachbarschaft von Teos nicht an Analogien : veiwi; auf 
der angeführten Inschrift von Samos (34 6/5 Z. 38 laut Köh- 
ler, Athen. Mitth. VII, 368 f. öetov und tjoXciüx; in Priene Kai- 
bel 774,6.5 (Bechtel Nr.!l41 ), einer woldem vierten Jahrhun- 
dert angehörigen Inschrift; dann um 330 in Zeleia Dittenber- 
ger, Sylloge 1 13, 19 ttoXskoc, Z. 30 iweta und Z. 2Ü und 39 auch 
unser ctav. Solches siiv ist natürlich ein Attizismus. Schon 
auf der dem Anfang des Jahrhunderts angehörigen Inschrift 
von Olynth Ditten berger, Sylloge 60 begegnet man nach fast 
völlig sichrer Lesung der zweisilbigen attischen Form der Par- 
tikel an Stelle von ionischem yjv, was bei dem sonst vorherr- 
schenden lonismus dieser Inschrift überrascht, aber zu ijA^po- 
Ttpot; 614 und dem allerdings nicht ganz sichern jiLia[<; 613 
stimmt. 

Auch auf unserer Inschrift überwiegt der lonismus entschie- 
den : cpyaatY) Z. 16, $'jXo:c(i)Xtr,v Z. 8.12. -yiviv Z. 17, erea Z. 
12, jxiaöapveovTwv, ^'jXYjyeövTwv Z. 7, (t:(i>>.6- ? Z. 15), TCco^.ewGiv 
Z. 8, odoi ?(i>(7i Z. 4 mit beachtenswertem Fehlen des iv, was 
sonst zumeist nur für die Dichtersprache anerkannt wird, ßou- 
XewvTat Z. 19, eine ganz neue Form, die dem Konjunktiv Su- 
vecovrat grade so nachgebildet ist, wie nachhomerisch ßouXy)- 
^o(jLat dem Futurum S'jvy;(jo(xat und attisch i6o'j>.yj9Yiv dem Aorist 
eS'jvToÖYjv, und die somit indirekt das von den Herodothand- 
schriften gebotene, aber von den neuern Herausgebern ver- 
schmähte SuvewvTai (7,163), SuvewfjigÖx (4,97) sichert. Der Her- 
ausgeber, dem ich übrigens für mehrfache Mitteilungen zu 
danken habe, hat diesem überwiegend ionischen Charakter der 
Inschrift nicht genügend Rechnung getragen. Erstens fordert 
•'XKiii^evEaiv auf Z. 18 für Z, 1 1 [id^opejcov statt |_6iafop]a)v; die Ge- 



lW8CHllIF*T VON TEÖ8 US 

netive [^stvoSjoj^iöv xal ßoioytöv xai ^auLTuaSap^icov auf Z. 3 wi- 
dersprechen dem nicht, die ionisch, ähnlich wie im attischen 
Genetiv von rUtpaieu^; und Genossen, eg) hinter t zu w wird : 
'Adico (Chios), riauaavio) (Abdera) und besonders iSixtwv 
(Oropos), welche Form Bechtel a. a. O. S. 12. 39 mit Recht 
für ursprünglicher erklärt als NufjKpecovjMu^^iewv (Chios). Zwei- 
tens stimmt 6t<jTpe<p6tv Z. 9 nicht zu dem sonst regelmässigen 
g;: Z. 8 und 12 e; tyjv ^'jXotccoXiiov, Z. 16 e^&ywgi. Auch ver- 
mag ich dem Wort keinen Sinn abzugewinnen. Es ist sonst 
nur bei Gregor Nyss. belegt, bei dem es vermöge der spätem 
Gleichsetzung von ei? mit ev ' worin ernähren ' bedeutet, was 
für diese Inschrift natürlich nicht verwertet werden darf. Ich 
möchte an [(j'j]<jTp6<p6iv denken, wozu ich bemerke, dass nach 
gütiger Mitteilung des Herausgebers der zweite Buchstabe 
ebenso gut als u wie als i gelesen werden kann ; die Bedeu- 
tung * sammeln, vereinigen' die (ju(jTp6<p6tv bei Herodot 1,101 
und 9,18 hat und die auch dem thukydideischen <ju(jTpe<p6(jöat 
und den Substantiven (ju<jTpo<py), gkksxphhlol zu Grunde liegt, 
scheint in den Zusammenhang zu passen. 

Z. 17 lässt der Herausgeber den Sinn der Buchstaben 
AO I r I H N stvat auTot; tyiv dcTeXeiav in der Schwebe. Brieflich 
bemerkt er mir, dass das dritte Zeichen fast wie B aussehe. 
Dies würde auf [ij^opyiTov führen, wobei das o statt ou mit dem 
i>.opyoö(; auf der zu Anfang erwähnten samischen Inschrift zu 
vergleichen wäre. Aber es ist unmöglich ein solches Substantiv 
dem betreffenden Satz anzupassen, man kann bloss ein Adjektiv 
gebrauchen. Und da auch bei der Schreibung -pytiQv ein Teil des 
angeblichen B preisgegeben werden muss, ist es am einfach- 
sten, die Striche rechts von der senkrechten Hasta überhaupt 
als Fehler des Steins zu betrachten und bei dem A O I r I H N 
der publizirten Abschrift zu bleiben. Und dies lässt sich 
leicht als Adjektiv deuten; XotytiQv ist natürlich unbrauchbar, 
aber das O kann sein, das A A, und das so gewonnene 
iötyiYiv 'unantastbar' ist zwar unbelegt, aber dem Sinn nach 
sehr entsprechend. Man vergleiche aöi3CTo;,5a/ic^w5 Aesch. Ag. 
383 oaoi; iOiÄTwv yicvo; TfaTolto * von denen das Heilige mit 



U6 mSCÖRIFt VON TEÖ8 

Füssen getreten werde', Soph. Or. 891 fi töv iöijcTwv s^crai 
(öi^crai?) (xaraJ^tov. Der Typus der direkt aus der Wurzel ge- 
bildeten gerundiven Adjektiva auf -to? ist uralt: aYio(; = ov 
Sei (SJ^eiOat, aToyio^^ov Sei (jTuygtv (vgl. Brugmann, Griech. 
Gramm, in Iwan Müller's Handbuch II ^ S. 92). Die geringe 
Zahl der dahin gehörigen Bildungen zeigt, dass das Suffix 
-io(; in diesem Sinn im historischen Griechisch nicht mehr 
lebendig war und neue Wörter nicht damit gebildet wurden, 
dass also iötyio; ein in vorhistorischer Zeit gebildetes sehr al- 
tes Wort sein muss. Aus der lebendigen Rede mag es schon 
ziemlich früh geschwunden sein und sich bloss in der quasi 
sacralen Verwendung gehalten haben, in der wir es in unse- 
rer Inschrift treffen. 

Die Sprache der Inschrift erlaubt auch etwelche Schlüsse 
auf ihr Alter. Jünger als 330 v. Gh. kann sie nicht sein, da 
mit Alexander die attische xoivy) zur Herrschaft kommt ( Wila- 
mowitz, Zeitschrift für das Gymn. -Wesen 38,106) und wenig- 
stens in Rleinasien die in die Zeit nach der Schlacht am Gra- 
nikos fallende Inschrift von Zeleia Dittenberger, Sylloge 113 
die jüngste Inschrift ist, in der der lonismus stark hervortritt. 
Alle spätem zeigen nur noch einzelne ionische Wortformen 
und Wendungen. Ob sich ausserhalb Rleinasiens die las länger 
behauptete, will ich nicht untersuchen ; doch wird Bechtels 
Behauptung (Thasische Inschriften ionischen Dialekts im Lou- 
vre, Göttinger Abhandlungen Bd. 32 S. 3 und 12), dass in 
Thasos um 300 v. Gh. die las noch ungeschwächt herrschte, 
durch die Bemerkungen von Hicks, Journal of Hellenic stu- 
dies Vlll, 404 stark erschüttert. Wie viel älter als 330 die 
Inschrift ist, lässt sich auf Grund sprachlicher Erwägungen 
nicht mit Bestimmtheit sagen. Doch schiene mir, wenn man 
Sprache und Orthographie der Inschriften des benachbarten 
Erythrae vergleicht (Dittenberger .')5. 84 und 97), etwa die 
Zeit 370-350 am besten zu passen. 

Basel, März 1892. 

JAKOB WACKERNAGEL. 



nEPI AESXQN KAI THS KN A0HNA1S ANAKAAr4»0EISHS 

'Ev A6>.^ot^, Xg'ygi 6 Ilauaavia; ^ uTcf/Oj^ev oi)C7)a.a ypa^a; e^ov 
roZ uAyUoK) Öadtou ^(oypx^O'j floX^YvcoTOu, avÄÖTojxa piv tü>v Kvi- 
Sicov, x.(XAO'ju.6vov S' 0770 T(üv AeA-pcüv Afo^'^h ft Oft gvTaOOa ejuvtövTe; 
TO apyatov Ta t6 (jTuouSatOTepx SisXe'yovTO xal oiroGa [auÖwSt) » Eu- 
6u^ S' ajJLedüj; £7uay6Tat 6 7C6ptY)yy)TY)^' « TOtaöxa ( oixToaxTa ) stvat 
TwoXXi ivi. Tcaejav Ty;v *EA>.xSa ''0(jL7)po;, £v M6>.av6oG< XoiSoptx Tcpo; 

T]i KO\t e; Xi<T/_Tiv, iXX' Ev6a8c :ioXX' ayopEuci; ». 

Tou; S' auToi»; dTtjf^oi»; toö *OjJLy)poi» 7capaTtör,<Jiv iXXo^ eXXr,v 
(juyypa(p6'j^ twv (/.era XpicTOv j^povcov, 6 *Ap7uoxpaTt(i)v, st; a7cöSgi$iv 
fisßatü)^ TYi; apjrai6TY)T0^ toO töp'jjxaTO^ iv 'EXXaSt, (TrijAticüv ^ a./*' 
0*1 rrc e.ieyor d//fio(riot'C nrac rcmovi:^ ir eh o^o»if)y ayorTe(; Ixadt" 
Corto jioAAoi » . 

Kai OTt (/.6V Y) 'kio^fyi viSy) etcI töv 6[Jt.Y]pixo>v j^pövcov i^v totco^ ti; 

l'XlO;, 61^ OV a7C67Cg(JL7wgTO UTCO TY)? MgXavöoG? u8pt<JTlX(ö^ 6 6V TTTCOJ^OÖ 

TwgptßoXvi ayv(üpi<TTo; *OSu(j(jgu^, xaTaSiQXov. ''Oti Sg 6 toioOto; t6- 
7C0C "^v Sy)(/.ö<yio; )cai gi; tou; (jj^oXyjv iyovxa; j^pTQCijjLO^, jcara ttiv gp- 
jj!.Y)Vctav Y)v av(üTgp(i> 7capg9g<7ajjLgv TOÖ Tg *Ap7co)cpaTi(j)vo^ xai tou 
Ilau'javtO'j , vo[Jt.t^O[Jt.sv oti TUgpiddo); i77oSgixvugi 6 dj^gSov <TÜy^povo; 
TO'j *0(ji-/)pou 'HatoSo^, Xgywv ^' 

flap' 8' l'8i y^aXx£iov Odixov xai Itz cChict, Xia)(^T)v 
aipT) /^£i}jL£f/t7), OTzi'zt xpuo; avipa? k'pywv 
i9)^dtvEi, ev6a x' ^loxvo^ dv7)p (li^a oixov ofAXsi. 
MtJ ae xaxou y£i^(I)vo( a[jL7]y^avtY] xaTa[jLap<{>Y; 
auv TTSv^T), Xeäto) Zi na'/'y'^ 7cd8a x^^P^ '^i^^^lS* 
rioXXä aEpyös avrjp, xeveJjv £7:1 IXjciSa jx^jivcov, 
■y^pTjfl^tov ßioToio, xaxi izpoaeXi^axo öufiw. 
*EX;ci5 8' oux ayaÖT) xE)(^pY]{jL^vov avBpa xofifl^fii, 
fj[jL£vov ev X^(j)(^rj, tw (jlt) ß^o; fipxio; sVt). 



< naud. I '. XXV. 1 . 
^ 'Apjcoxp. iv X. Xiayai. 
** "EpY« xai 7)(jLgpai, 491. 



148 HEPl AESiCQN KAI THE EN AeäNAlt ANAKAAr<l^eEll:H£ 

Et; 'jf^aAxifi'or Softer 7}i .tov ic Mo^rfr TrapaTrejJLTcet y) Mc'XavOci) tov 
*OSu(j(jea, tva exei Y)<7uj^a<Ty) yj apYoXoY7)<j7) * ii^ i'dJxetoy Ocokov xal 
£.t' o^/a Jecri'Tfr xaOi^si xal 6 *H<JtoSo;, (xt(iLoü(it.6vo; tov *'0(XY)pov, Iv 
wpx j^6t(jL6pia TOV &v£xa Toö xpuou; ipyov av$pa. 

''Evvoidcv Tiva (ra^6<7T6pav töv Suo toutcov ^copicov Tcapej^ouaiv y)(jliv 
Ol (J5^oXta(rTal xal XeStxoypic^oi. *0 (sjo'kiOiarr^^ toö *H<jt6Sou T^^t- 
t2^y); TT. j^. (rnjJLgioi ^' a To JzaJaior zä ^aJxeia xal ztdrra zä ipya" 
azi'ipta zä Jtvp ejrorza adopa yr^ ä xal Xicj^a^ ixdJovr, ort oi jzsri}' 
T£c eicep^o^eroi^ xal ftäJJor ir jjrei/tcjrt, ir zo) dep^aireüdai Mcr^ac 
xal flüapiaq JdyMr <Tor{7tJ.sxor ». Kari Se Ty}v toO üpoxXou (xap- 
Tuptav, NeoTCToXepLo; 6 üapiavo; eiTre' (kAetr^r^r eirai Srofta avJTfq 
ir ?f Ttvp ian^y), Kat xari t6 Meya 'ETujjLoXoytxov (nxaza zo 
jcaAaibr iffoc, ir z(m) ^et^&rt zdnor six^*r djtoxf/j^cjptaiiiror ^ ir o) Jivp" 
xaläq TtoiovrzeCi iy avzo) xadeC^^eroi ditfffipsvor d^oJeaj^ovrzec xal 
ffJoapovrzec'^y), Tiko^ &£ jcaö' *H(rÜ5^iov a Aic^rj . . . xal 6 (J;/- 
^omoQ zoTtoq ir o) dtizptßor ol :tz(i)j[ol xal dieAiyorzo dJJTJJoK: . . . 
Kai zovc dAeetrovQ zSjiovq M<rj[ac xaJovai ^ ». 



* Scbolia ad Hesiodum, eraendavit et supplevit Tb. Gaisford, Lipsiaß, 
1823. (JsX. 30i [252].— lipo tou TOiCou xal np({xXo5, 6 ÖidiSo/^o? l:cixaXoü[i6vos. 
(auT({Öi, (JcX. 302 [254] ) l^pOL'^v «rd jj^aUxfta napä zoZq naJtaioiQ äßvpa rjr xal 
6 ßovJlöfxtroQ ei<rqn xal idepfialrtto' xal oi nirrivec ixet ixoifiGirTo. Aicxv ^f 
ian i6noQ tiq dri^doioQ dreifiiro<: tote ßovJtofiiroiQ ». — Kai 6 Euoraöios Bl, stii 
TOU *08ü<i<i6ia? 2. oTi/^. 328* «"//r dk JHaxv dri^dator äßvpüyzor ol'xrifia, Ma oi 
inaltai avrayö^eroi <i)c Xk^OQ tö avxö elxor xal iJtiaxairor Si, S ian Jifc/Uovr, 
tä Soxoiirza dr\Xadi) avToic ». 

a AüTdöi, afiX. 303 [252]. 

3 'Ev X. äSoJleaxla. 'Ev 81 X. JUcxV « • . • zir^Q ^k zä cppvyt,a xal tobe dAeei- 
rovQ zSnovQ Jicr^ac xaJovar ov^ißairei yäp zovq ir zaiQ oixlaiQ tavtaiQ x^P^'*' 
ßipfiriQ xaßeCoiJikvovQ JidyovQ avraipeir ». 

^ "186 xal Souf8av, iv X. Mexv* ^A-kaxfi d^ nap *Hüi6d(ü 77 xa/xiroc». — 
npdxXov, gvöa avtüTäpto* « 'A2ia' »} ßipfiv» V ^^pl f<^f V^ior, xvpiux: vnaißpoQ zS- 
noQ vnö zov v^Xiov ßepfiatrSfteroQ ». — 'Iw. TJ^^iCtjv, evOa «vwi^pw « napäSpafAS 
ti)r Xkox'r\y xal ovrzvxlcLy xal yXvaplar, Z7)r ijtl rg dXia xal ßepi^ri yiYo^i- 
Yr\Y ». — np6. 06O9uXaxTov SifiOxaTXTjv, Iv Imor. 61 « cJ x^^f-^^"^ kne^olza r^ T*»?... 
6 yeuypydQ inl n)r iavroi; äXkar xazk^ivye ». — 'ETUfioXoYixdv «äXia Xi^erai 6 
tdnoc 6 vnö toC riXiov ßepfiairSfxeroc ». — *Hau)(^iov Iv X. (i.^ia* « ßipfir}, ßäX- 
noQ p. — nXoüTap)(^ov, Iv 'EXXtjvixoT; § 33, 2vöa IfriyElTai 8ta xiva Xdyov 6 jcspl t6 
nvp(j6cpioY TOÄo; (TtapatTjpTjtlov t6 ovo[xa tou xdjuou) taoTtov ovrrjaar dXXrlXoiq 9 
JxX7[Ö7) il<ajt;i] 'Ax^alijdr, 



tttPl ASSiON KAI tut SN kBtOXkTt kHAtkuf^t^tHtlOi 14( 

Kätoc TaöTa, 6p9ö; 6 'OXXavXo; ixXom? toö 'H«6Xou, Aaut^ *Ia- 
x(i>Soc van Lennep ^ (x^^o^iic^ef aXaXxeiov Oo^kov poeta dixit 
sedem apud fabrum aerarium , in cuius officina , cum ignem 
haberet, hieme gratum erat receplaculum algentibus et otiosis. 
Itaque in eam , semper patentem , saepe etiam dormitum se 
conferebant egeni et mendici . . . Constat autem e veteribus, 
jam antiquo tempore in omnibus GraecisB urbibus ac pagis 
fuisse 'kiajoLc;, sedifieia pauperibus exeipiendis et adversis hie- 
malem aeris temperiem muniendis exstructa ... In has ^6<ix*^ 
autem saepe etiam garriendi causa otiosi homines convenie- 
bant, unde postea Xe^x*^ significare coepit locum confabulationi- 
bus destinatum, confabulantium congressum , ipsam denique 
confabulationem t> . 

'AXki, TOtaÜTY) uTTYip^ev y) TcpwTT) (xovov (xop^Y) TYi; 'kitsyiTi^, 
'Atto Si Töv ^a^xsicov xat töv spyttaTYipicov tcjv iröp ij^ovxcov xai 
Töv xar' aTTOjxtjjLridtv auTöv xaTa<7X£ua^0[jt.EV(i)v au>(i>v ri aX>(t)v dvTCu- 
XTTipiciiv, si; &, xXiQÖevTa Xtaj^a;, ot tueviotsc 6t(j6p3^6(iLfcvoi tov ^eijjlc&voi 
(ji&Xt^Ta xal ÖepjjLaivojjLEvot , ^Xoapia; Xoywv Sti rnv apyiav xat 
Tvjv <jj(^oXy)v (TuveTcXexov , suxoXü); xal xaroc ^udixYjv axoXoüötav ol 
ipj^atoi *'EXXy)v6^ 7rpoY)j^9Y)(jav st^ ty)v optdTixYiv $ia[x6pf coatv t-o; Xe- 

xvupLevTiV 7)(jLtv uTCo ToO Daudaviou ev AsX^ot^. Meri tou; tutwj^ou;, 
(jL6T0t Tou; yecüpyou^, o)^ ctxo^, Y)votj(^öir)(jav Xeoj^ai xal si^ tou; idreto- 
Ttpou^ xal Tou; suTCOpwTepou^ , et; tou; (Jo^idTa^ xal toÜ; ^iXoaö^ou; 
wv r) (Tj^o^Y), (Tuj^voTcpa, auj^voTEpa; xal toc; Tupo; aSoX6(xj^tav i^op- 
aa; St' oXou ToO Itou; TuapEij^gv. 

Et; Taüxa; xi; Xeaj^a;, &; T(j) (/.ev 'Ico&vvy) Meoupdcp i7c6(iL6voi Su- 
vi:[/.60a vi ovo(iLa(j()i)jjt.6v yevtxcorspov Maj[aq zcor BVJtop(»ir^p<or ^, t^^ 



^ Hcsiodi Opera el dies. Amstelodami, 1847. Commentarius, aeX. 110. 

' LycophroQis Chaicidensis, Aleiandra etc. Altera editio. Lugduni Bata- 
vorura. Anno 1599. Commentarius, a. 225. Eranl vero X^oxat duplices, pau- 
perum et divitum. Pauperum in omnibus fabrorum oflicinis, ad quas hieme 
maiime ad calfaciendum conveniebant el consulebantur. . . At divitum Xe- 
ax.ai aliae erant xXtc. 'AXX' evTauOa, 6iaxp{v(t>v 6 Meoupvio; xai 7capavod>v iv fLcpsi 
ta xe^{jLEva, Tcpo^yETai et( auOa^pETov 6;codiafpc9iv tci^v Xeo/^oSv ci( Xi9)(^a$ nXouaicuv, 
ftSixajTepov, a( t^Otj^iv in partibus aedium secretioribus, oStco; lp{jL7)vsu(ov t6 to(; 

ATHBN. MITTHEILUNGEN XVII. 1 1 



i50 nEt>I AESXON KAI tHE EN AOHNAIS AffAKAAr^eEItHS 

8' YipLsrlpc)) Kopavi ajcoXouÖouvTs;, TO)r xofiifroT^pcür *, st; rauTa; ra; 
^E^j^a; iv&yovTai al Tcap' *Ap7ro3cpaTtcovt (/.apTuptai 'Avti^övto; , 
Tupo^ NiJCOxXea' aMarf^ac eJeyor drffiooiovt: ztraQ zokovq iv olc: aj^O" 
J,r\Y aj'ort€c ejcadi(,orzo 7zoAJoly>' — KXedcvOou;, Iv T(p Tuspl öeöv* 
(ki^idpat: de öuo/ac yiredai avzdc (ri; 'kiayx^) y) ' — 6<ja 6 SoutSa;, 
im(iLapTup6jA6vo; tov 'lepox^Yi, iv a' ^iXodo^oujAevwv, Xeyer ccri cf^ 
TtaJacör ai xadidpai xai ol zojtot, er oIq eiddeaa^ a6poi(,6fieroi yiJo" 
GO^slr Aicrj^at ixaAovrzo' — xat reXo; 6<ja XaTivtarl 6 BiTpouSio; ^a- 

^eriTaTÄ 67rt(AapTup6t' a Exedrae spatiosae , habentes sedes, in 
quibus philosophi, rhelores, reliquique qui studiis delectan- 
tur sedentes disputare possint^ ». 

'Ev Tai; \i(5fOLK^ raÜTai; aöpoiCöpLSvoi 6)ca9e2^ovTO aSoXsdj^ouvTCC, 
^XuapouvTe;, ^laXeyöpLevoi, ^tXoao^oOvTs;, dvtaj^oö $i xat Seiwvodo- 
^iJ^ojAfcvot ^ TcdtvTs; ol Ij^ovte; (j)^oXy)v iyj^wpiot vi Jcal $£voi, i$ ou jcal 
(aMcj^Tf' r\ jt"dAri yAnapca » Y) iSoXsdj^ia, aXXa jcat t) (yu^^TOToeji; jcat 
6 SidcXoyo; jcai t) dTcaywyo; SiSaaxaXia, et; a avaygrai y) (xvtojxy) toO 
KaXXt(Aaj^ou, ev Tcj) wapi Aioyevci rcji Aa8pTt(f) TueptdcoöevTi X*P'^" 
(rTaT(f) iiriypdcpLjJiaTi*. 

. . . 'E(i.v7|967)v 8' 6(79axi( a{i9(iT£poi 
"HXiov SV Xi9x.r, xaTE$u9a[i£v. 'AXXa ou piv nou 

Sctv' *AXixapva9£u, T£TpinaXai oicoBitJ. 
AI $i Tcal C(iSou9iv arfid^t^ ' 



'ETu^ioXoytxou nxdnor elxor änoxsxitipioyikror^^ xai ei; xupico; X^9)(^a( ev T({noi( 
&nai6poi(* olim lamen, XI<Tx.ai proprie dicebantur loca aprica in quse coro- 
raentaadi causa coaveniebant philosophi. 

* 'HXio$(i5pou, AiOioTcixet, Iv a7)[xci(<S(7£(7i xpiTixat;, 9£X. 97. 

^ 'ApÄOxpat. Kvöa aviot^pto. — SoufÖa;, ev X. X^j^t).— Vilruvius,V. XI.— flpS. 
xai <^(üTiov Iv X. Xla/^i). 

' fn Ako^ai napä BoimtotQ xä xoirä (JtfiJrrTjrtJpta » ( 'EtujxoX. Iv X. XloyT)). — 
rioX^{jL(ov 8' EV TCO jcapa Sevo^ü^vti xavetOpco, tou Tcapa Adixcovi xaXou{JLlvou 8ei7Cvou 
xoizi^Oi [iVT)^ovfiuovTa KpaTtvov Iv IIXouTOtc X^ysiv* 

"Ap' aXTjööj tot? E^voia^v loriv, 6iq X^youa', IxeT 
nä^i xoXq IXOouaiv Iv ttj xon^Bi SoivavOai xaXco;, 
Iv hk Tat; X^o/^aivi fuaxat 3cpo97CE7:aTTaXEU[x^vai 
xaTaxpIfxavTai Totai 7cpfi960Tai(7iv anoSecxvEiv oSa^ ; » 

('A6r[v. Afiinvovof. IV. 16 [138]). IIpS. Kopa^, (ji)ji. xpiTixa;, Ivöa avcjTipcu. 

* Atoy. AaEpT. IX. XIII 17. "ISe auTO xai «api SoufSa, Iv X. Xla)(^T). — 
AiXiavou IIotx^T); 'I<JTop^a{, B' X8'. Kx8. Kopa^. 

^ *EvTaS6a f] f pivi; « {jXiov Iv X^o^^t] xaTsSuaa^isv » $uvaTai l( Vvou xaXä^c v^ a- 



nEN AESXOn KAI THS EK A«BllAl£ ANAKAAlT^eBItaS 151 

Kai (Soü, icapa T(jS TlkoMrifyii^ TrepivcoOiiva, !^G^<ra i!xa>v ap^ocCocc 

'Ev AcX^oi;, TTspl Tov vaov Tou riuOtou 'AttöXXcovo;, woXXri uwip- 
5^61 y) JcivYjci^ 7) wept tÄc Upi jcal t«; öudta^ a a; TuoXXa? xai wav- 
TOia^ ivi TTÄ^rav Y)ji.epav $6vo; tc 3cat ^yj^copto? Xeö); t<jS 6fc<j|i j^api2[ö- 
[xfivoi ^pcoGiv», TCoXXol $£ 3cal oi fiXödOfOi 3cai oi ^evoi, oi irp6( ti 
aXXY)Xou; xai icpo; tou; ispei; &iaX6YÖ[xevoi, ccoux oXiyo; ^e 6 toiou- 
To; ßio; (Tuppet Tuepl tov vaov toö Iludiou xal (xou«t6v cctiv aTi^vcä^ 

Y) TTÖXt;, UTCO (iL0U(JY)Y£ry) öctj) ^Ot6aCo(il.6VYl * » . 

*Ex6t 6 nXoÜTapj^o;, iv T<ji ;r£p^ ro)?^ ixJeJoiTzözcor ^prfozffplcjr 
8ta>6y(f) ^, (Tuvccyet Ari(X7)Tptov tov ypa[X[iLaTi3c6v, ex BpcTTavia; ava- 
3CO{iLi^6[/.6vov olicaSe, KXeojxSpoTOv tov Aax6Sai[Jt.6viov, avSpa f iXoOedc- 
aova xat ^iXojiLaöri, oudtav S'ej^ovTa Ix^avYiv jcai w6piY)you(X6vov,xal aX- 
Xou; Ttva;, iv ol;, (xcTot irap&So^a Ttva jcai (JO^idTtJca, mÖTj t6 2[y}T7i[x.a 
wept TY); aiTta; St' 7)v Y)(jt,aup(üGY)<jav, e^iQaöevYjaav, uTrcfiLapdcvOiQ^av, 
i^eXiTTOv Toc 5(^pY)(JTY)pia. c( "H^Ti 8e irco; airo toö. v6ö> Trpo'iövTc;, Xeyei 
6 nXouTap5^o;, iirl Tat; 6upat; tyj; KvtSiwv Xedj^y); iyfiy6v6t(X6V wapiV 
GovTe; ouv e?(7(i>, toü; fiXou;, xpo; ou; i6a$i2[o[xsv, i(i)p(&(x.iv xaQy)- 
[jLEvou; xai irepijJLevovTa; y)(it.Ä;' ^v Se töv aXXcov Yjouj^ia Sta t)}v Apav 
aXetfoptevcov y) 66(0[/.eva>v tou; aOXy)Ta;^. Kai 6 AioptviTpio; Sta(A6i- 
Siaaa;* 

— Y6Ü(jO(iLat , ciTucv , Yj eTU(xov ip£(t) ; SoxeiTe |xot (x.y)Sev a^tov 
(TX£[iL[/.a Sia x^^P^^ ^X^i^^' ^p<<>^ Y^P ^[^^C avii(x.ev(i>; a^oSpa xa07)(Aevou; 
3cai Staxe^ufiievou; toi; icpodcoicoi;. 

*T7roXa6cov ouv 6 Meyapsu; *HpaxXfccov 

— OO yap 2lY)Toö(it,6v, e^Y), t6 ßdMl(»> pYi|xa, woTcpov töv 8uo to 
£v Jdfiöda xaTOC tov (JteXXovTa XP^^^^ airöXXudiv, ouS* awo tivcov 
aTT^öv 6vo[xi:T(ov t6 j^eiftor xai t6 ßi^zior xai t6 j^elpiazor xal to 



va)(^6f) 615 TO 2Ö0J TOü SirifLepeiiir »v tat^ Xiox^ai^ fl xai vi ar^xa^vT) tV iv a8oXca)^ia 
xataXüdiv xf^i V^^Lipaq. — '0 Kixlpeov, npoi 'Atrutov (Bi6X. XII. in, I.) /^apaxT»)- 
pil^ei Spiora tt)v Xi<j)(^T)v ( aBoXco/^^av ) X^ytov esl profecto quiddam XIo^^^t), qua^ 
habet, etiamsi nihil subest, collocutiooe ipsa suavilatem. 
« 'HXioSüSpoü AieiOÄixöv, xf. 108. 

3 2T)(jiEi(0T^a tauT« &( svScixTixa Sti £v Tc5 tdTco) sxc^vü) &7CyJp/^c naXa^OTpa, outco 
Si otSfi^cova Tot( 6n6 tou BiTpou6(ou ev ßi6X(a> V xc^. XI Tcipi TcaXaiarpä&v yc^paii- 
pivot(. 



ihi ItEPt AE£XQN KAI TR!: tH AeHVAIt AKAKAAr^EIEflS 

ßi2ziazor i(y)^Y)(xdtTiffTai. Taöra yap Idto? xal ra TOiaöra ^vriivit 
3cal (JuvtdTTiai t6 TrpöacoTrov ri Se aXXa I^ktti toc; o^pO^ kktoi j^co- 
pav Ej^ovra; ^iXoao^eiv jcal C'^O'ceiv, dcTpepta (xv) Xeivov ß^ewovra;, 
[/."nSk jj^aXcwaivovTa^ toi; ^apoödiv. 

— At^aaöe o5v, 6 AYipiioTpio;, YipLÄ;, ?^7), xal pteö' yjjxöv Xoyov, 
8; St) 7rpO(r7rfcWTCi)X6v yjjxiv oijcsio; öv toö tötcou xal Sia tov 6e6v 
dcwaeji '7rpo<nf)3C(«>v xai otcü); ou ffuvdc^STC toc; o^pÖ; iTcij^etpouvTt; (^xo- 

WCIT6 ) » . 

Kai ouTCO 3ca6wavT6; YipC*^TO [iiaxpa; xai oOj^i euXiowTOu iv xavTi 
^^^TiTn^co;, jcaxaXiQ^dcn); et; ivaSoXiQV, &t* fXXenj/tv ypövou. 

ToiauTdc Tiva (jiivsdo^iCovTO y\ ouvE^iXoaö^ouv ev Tai; Xe(r^ai; Tcp- 
wö(X6voi' «n^av Se tote 

fjBoval TCoXXai ßiou 

(jLOXpa^ T£ X^a)(^ai xai ox^oXtJ, Tspicvov xaxöv ^ 

xal axpatfvä); IXXiqvixov. 

*Haav Sc xaT* ivdcyxiov ol tottoi outoi djtoxeircopiafiiroij xaToc ttjv 
^pdcTtv TOö *Et'j(xoXoyixoO* xal iwetSyj Tcapa toi; y)(jLET6poi; wpoyövoi; 
ouSev ouTC tSicoTtxov OUTE SiQpLÖaiov af lETO 1^(1) xpo^radia; OeoO tivo;, 
ouSev awopov oti xal al "kiayixi, i^^av Otto öecji irpoGTar/j, cl); (xapTupei 
6 KXidcvOiT); iv T(j^ wepl Beöv auyYpdc(X(xaTi, Xeycov a djrorerefirjaffac rw 
*An6JLl(»>ri rac Mc^qq ^ j> . 

'ExaXclTO Se 6 'AtuÖXXwv co; 7rpo^T«TY); töv X6<y^<5v Aso^rfropioCj 



* EupiR^ÖT)?, ev 'ItcroXutw- ot. 382, 383. — *AXXoiaTi{ oOaa, w^ ^a^vexai, a>vo{jLO^- 
l^ftd «0T6 MüXV «ap* Tiai twv *EXXr[vü)v, rö didaoxaXeXor^ 15 ^{ ifaj^rjrojrai oi 615 
auTO 90iT(5vT6{, Ol {ia6T)Tai. OüTto XP^"^*^ *^S ^^E^' 'AvafifxivT)^ 6 9iX({(jo905 («api 
Aioy. Aatpr., 11. 4, 5) ejCKJX^XXwv tw nuSaydpqc iccpt ©ocXtitos, on OcoSpievo; ta 
£9Tpa xaTExpT)pLv(a07) xai a;cE6avE, xai iniX^Ycov* a MiXYjaioiari [xlv vuv 6 aiOepoXdYo; 

Iv TOlh)$E XElTttl tIXei, 7)(JL€T$ 8^ Ol XE9)(^T)Vd^Tat, aUTOl TE [XEpiVbS^EOa TOU CCvBpO^ Ol TE 

k\^ia^ jcalB^^iE xal X«ax.TjvwTai ». Kai «aXiv hl [xaxapd^tov xov IIuOaYcipav Itci tJ Iv 
Kp($Tci>vi ^otSx^ü) xal apEOxfi Öiatpiö^* «^oitloudi Bi toi XE(j)(^T)vöTai xai ex SixeXit)^». 
TV Xla)(^i)v xauTTjv ÖIX« ifeSpar 6 ExBdtTjj 0e[xi(7t^ou tou ao^iaroo Aiovuaio; Ilfi- 
taiJio;, I5t)yoü(jlevo5 ttjv X^ftv ditniänor Iv t^ lÄOfxIvr) ^paaEi xoi3 ©Ejitatiou (Xdyo^ 
xy') «Xl^to 8e ojx st T15 )(^pdvov xiva Eial^pyjas eij tö öiSaaxaXElov l){xi[jLav7]( xal 
IxiÖTjTo )(^aa(JL(«5[XEV05 £«l toö fuXou . . . outo? yotp oux Ijiol Euyy^yovev, aXXi xw ßa- 
8pti> xw Ifxo) xal xw 8(ü|jLaxiü) . . . » (0s{jLiaxiou Xdyoi AP'. Edidit Dionysius Pela- 
vius e Sücielale Jesu. Parisiis, MDCLXXXIV. np6X. xal M. *Exü{x. Iv X. i«- 
üj^äpar «olov ai o/^oXai, citcö tou Xl^aixt, IxeT YaptbpitXouv». 
^ *Ap750xp. Iv X. X|j)^ai. 



Q£PI \EEXQN KAI THS EN AOHNAIS ANAKAA¥<»eEISHS 153 

xotTdc Ti TOÖ auTOü KXsdcvÖou? t})v (xapTupiav * xal xaToc t})v toö 
n^ourdcpj^ou, XeyovTO^ Tfgpl 'AttoXXcovo;- <r TIvdioQ ptev {♦tti toT; ip- 
j^O(JLfivoi; pLavOi:v6iv xal Sia7ruv6i:vg(r6ai, AjjMoc hk xal ^araioc^ ot^ 
•nSiQ Ti Sy)XoOTai xal uTUO^atvgTat rri; iXY)Ö6ta;, ^Icft^rtoc Se toT; 
Ij^oudi rnv d7rt(rTy}(/.Triv xat ylfcrj'?/Ko/>/oc örrt>^ irepy&m ^ xat ajtoJavoxri 
ypdfierot tü> diaMysadai xai yiAo<fO(pe7r 7tpd(: dJdi]Jou(: ^ J> . 

'0 Se $0'jpvouTo;, — xv oÜtco Seov vi ovofxaaövi 6 yp&^j/a; ty)v 
Oeciflar Jtspl rijt: rcor dsG)r ^vaecx:^ ov Ttve; ÖAouai KopvoÖTOv — 
6v xe^aXaicp X6', StSou^ 6$Y)yv)Gtv toÖ iTccovufjLOu toutou toö 'AtuoX- 
X(i>vo^, Xeyei' a Kai Jeo^'rfroptoy avrdr Jtpoaayopsvovatr dta zo xäc 
Tf^Fpac, ratQ Mfrj^aiQ oea} reo dftiMir dJJi]Jot(, avrij^eadat * xovq dr" 
dpüjiovQ^ zäc rixtat: de xaß^ iavzovc, drajtaveaOat ^D. 

Kai ouSsfJLia jxev, xaö' o<tov yjjJLgTc olSaj^ev, TrgptawJ^gTat jx^pTupta 
OTt iv T(ii 6tc ^e(i)^7)v arox£^(i>pi<;pLev({) TOTTcp, rcj) outo) xaOiepcoixevcp 
6t; Tov 'ATToXXwva, Ivuiryipj^e xat (epov i&pujxgvov T(p öecji TOÜT(f), 
iXki, xai aveu jAapTup(ac, ou5^t tuoXu ToXjxiQpa ^aivexat r) etxaaia 
OTt dvTo; ToO wepißoXo'j TYj; \i(y^^ uTryjpj^Ev lSpu[JL£vo; ß(t)ji.6; et; 



^ ^Ev6a av(oWp(o. aKai Tcap' Iviot; tov Oeov XeoyjQvdpiov i7ctxaXeta6ai » . 

2 rpaTCtlov dpyuiö't. 

^ Ilepi TOü 6v AcX^ot^ et, 2. 

"• "law?* avripxfodai. 

^ OuTü> xai t6 M. *Etü{ioXoyix6v Xe^ei Sirffiipevor^ &}i erBofxev avcüT^pcj. *AXX' 
a^la ::apaT7]p7[ar£(o$ f^ IvTauOa Ytvo{jiivY] Biaxptari^ iijxipaq xai vuxto; xar' avxiTcapa- 
Oc9(v npo; Tou; avco {jLV7][iovEu6^vTac 6{jL7]ptxou; arTi)(^ouc, ev ot; 6 *0Suar9€u$ XotdopEtrai 
OTi TCoXüXoysl Iv TCO {jLEyapb), öwJti otuvteXeT El? apT^av ^frlyriaiv t^; ^XXeitctixt); ^pdi- 
a«ti)5 TOÜ TToiijTOü E/^oüOTj? tt[v86 t^v Ivvoiav* « Oü8' eöAei? eX6cov El? )(^aXxT[Yov SdfXOV 
vi Tziar^i vi fjau)(^a<nj5 ij (IXOtüv) «?? Ttva Xij)(^T)v, IxeI vi ^XuapTJdi);, — aXX' £v6a8c 
;coXX' ayopEiJEi? » . *0 EuottciÖio?, ooti? ev toutoi? TcapaTuXrjaitü? EpfiijvE^SEi toü? oTiyou; 
T0UT0ü{, 6^X(üv o7Uo>5 8t[7U0T£ v'aroÖECfr) oti rjöuvaTO xai vi xaTaxXiOfJ ti; ev t^ X^oyi), 
au[x6i6cc^Ei Ti a7U[x6C6aaTa ots XiyEi «t^v 81 X^(I)(^t) 87](xdaiov aOupu)Tov orxT);xa, svOa 
Ol E^alTai auvaYOjjLEvoi di? ^ij^oc t6 auTO ei^ov, xai iJltaxairor M, o saxi b)(xiXouv ». 
Oü8£v d;tiÖavov oti ol ;ct(ü)(^oi xal avE:caOovTO d)? txu-^E xaTaxXivd(i.Evoi h Tivi y^aXxEico 
i] TCTu))^^ ^^^XTli iXXi xai Iv ßaXavE^iu^d)? ivcuT^pco [lapTUpEl an' cuOeia? 6 EuoTaOio? 
xat 6 npdxXo? 8^, dj; xai ar7J[x£pov 9u^6a^v£i h Tiai TaTCEivot? lpYa9T7)piot$ ij xaTCT)- 
Xcioi;* aXXa, xai toi Bev ayvow oti xai t6 M.'ETojioXoyixdv X^y^i oti aJteaxfi' • • T*" 
rezai napä xö XkyiLr' 6 7tapaxei[ieroQ JiJlexd' i( avioij Mcxri^ xazä nXtoraa^ör 
xov am xai oti xal OTjfxEpov oi XE^ixoypafoi t6 Xkyiii dcva^ipouaiv d>$ jbil^av xai tou 
XixovQ xal TTJ{ XkaxflQy BuoxoXd^ [xoi ^aivETai ij a7co8o)(^T) T0iai5TT){ Tcapayio-f^?. Ei« 
toSto 8' IXOdvTo; TOU Xdyou, [xvt^jioveut^ov inXcj« t6 &nd tou ÜETaufou aT)[i£iou(jLEvov 

fffpl T^( Ycvivcco« Tfj( X^^cco^ ii<r^7}' origo hebraica vel syriaca, lescha, cella. 



154 nSPI ABSXQN KAI THS BN AAHNAIE ANAKAAT^eBIEÜS 

Tov Aiffj^Yivoptov. T«ÖT« wapa toI? YjfaTipot? ''EX^Tidiv -o^av auvifjOr, 
xal xa07)(Aipivdc ^ 

Tflturnv Xe tyjv it)ca<r(acv vo(AiCo[x€v ort •^^6« vi xupcixjY) yj teXcu- 
Taia, uwo tov "Apetov Ildcyov, uwo toö wpcirou yP^(^(^^'i^^<*>^ 'f^^ ^^ 
'A67)vai? rcp(xavi3CYi; 'Apj^aioXoytxri^ Sj^oXyj; x. Dörpfeld iTrij^eipio- 
Oiida icpo; TOiroYpa9i3ca( Ipeuva; avaenca^Y). 

H0P02 AE2XH2, — Taunov rJiv 67rtYpa9y)v ^epouai Suo 
«miXat XiOivat, Karac x^P^^ l^pu[Aevai, irpoaY)pii9[X£vat Se dc^aioTpoTrc)) 
Tivl woXuYcovicj) To£)^<i), X«$i? TCji xaTip^opievc)) ty)v oSov toO weptwa- 
Tou TYj; 'AjcpowoXio)^ xal apil^co; wap* auTTiv. 'A^i^Tavrat S' iXXy)- 
Xöv al (STffkoLi (ACTpa iwTOt Tipiiau TcepiTrou, cl; iviXoYOv TrXdcTOC opi- 
!^oi»<Tat TOV JcaToc t6 [xepo; SKeivo djtoxefcoptatiirot^ riri Xe(xj^Yi towov, 
oi t6 «}r>J(^* )taJ t})v IxTadtv TeXsia ivadxa^Y) (aovov SuvaTai vi 

Silvio. 'Ev }ii TCji [LitOL^XJ TÖV SüO ^TJqXÖV jT^pC)), TCJi IvTO^ TOC TOl- 

jrou, iwoxaXu^Öel^ SeocvuTai uwo toG x. Dörpfeld Xiötvo? (jyijco; 
va'iStou fiv 77apa9Tdc9i xal Tcpo toutou, ei; arndTaaiv [xixpdev, xvaTO- 
Xt)co[ii<rn[ASpiV(&(, ß<i>(AOC XtOtvo; OTpoyY^Xo; ^. Kai TauTa [Aev ixgiOev 
Tou Toi^ou, wpo; TT) aY){AtpivYi ^Y)|AO<i{qc a(Aa^iT(j^, YiTi; xal xaXu- 
TTTOuaa aTTOxpuTCTii y);Aiv xaTi ^Llyct [xepo; Ti TcspaiTepci). lipo; Si 
ßoppav xal ocvaToXdc;, icapxXXriXov t(^ toix<}> ^X^t^*^ avaxaXufOeicav 
uwo tt5; ffxa^YJ; pujxYiv (rTivy)v Y^coffTvi; iv riri ap^atoc woXgt ^uvoixia;, 
tt)^ MeXiTjQ;. 'H Xfox**) *P* exeiTO txeiSev tou toi^ou, Iv (p x^PV 
xal Ta Xit^|/ava tou ctixou xal 6 ßcojAo; 6 <TTpoYY^Xo;, ovts; xaTi 
TcÄaav 7ct6av6TY)Ta iSpujAfcvot Iv ^x^^^' ^P^? '^^v töttov xaTi t6 I<tx*' 
TOV wepa; Ti5; Xe^x*'^?» ^P^^ aifiotc zoic Spoic 

Kai av aXXo ti v6(t>Ttpov a^iov Xöyou xpiO^i oti Siv aveSsi^sv y) 
TiXiuTaCa iv *A6y)vat; «ixa^y) tyj; ripjAavtxYi; 2x^^^?* "^ (AeXXouda 



* *Ex ToS Ilauoav^ou ci$tx(5( Yiv(iSaxo{i£v oxi ttJ; Iv SicapTT) Xhyrriq tdr Kpotardr 
ou 9C({pp(i>, GtctJp/^cv 'AoxXtjäioO Upov xal 5ti iz^o^ tJ It^pa Iv SiccipxT) \iTfr^ xfj 
UoixlXri 6ir^p)(^ov «xal fip^a jrp^c avrfj». Kai tauxa [ilv npoS7[X(ü$ {xvY]fxov£<JOVTai 
&3C0 TOU 7cepi7)yT)TOu (Si)( {£pa Kpoaexv V (f^re^V "^^ XIt/^t), t6 $e lepov tou vto{f rov 
'il^<$i4(i>roc, TO xaTa töv Tlauvav^av xc^fuvov ou noppu) ttJc twv KpoTavcov XIv/^t);, 
^a^vSTai {iaXX({v ti aniyiov xal ntOavd)^ S^co 9)(^^aE(i>c npö( auT^v xei[XEvov. 

' TauTa ^oav YCYpa(i.{jL^va ote I?£8({07] lvTau6a td A' t£U)(^o; ToCf XVII x6\L0\i twv 
Mittheil ungea des K. Deutschen Arch. Insliluts, oö Iv 9eX. 90 93 ßXlicE t))v 
aiSvTO(i.ov aXX' axpi6^ nEptypa^^v tou vxa^^vTO^ x^pou xal Tac xp^df i; xal Ta ou^nc- 
pa9|iaTa xoCf ava9xi(|>avT0( n£pl tou l^ifou^ tovI vaVd^ou xal TfJ( Xia/^T}^. 



HBPI A.BSXON KAI THS EN AOHNAIS ANAKAAY^eEISHS 155 

owci); XriwoTi vi ouvtcWct) it; T«XitOTcpav avayvcijpiatv toö iScfe^ou^ 
TT); TzcLkoLi^^ TToXsü);, ßgßaiov 0(A(o5 £)^0(xev c$ auTYi; t6 xepSo; OTi ix, 
Töv Tpia3C0(j((i)v i^TQJtovTa Xeayöv aiTtve; -n^rav ttots sv 'AG7)vat;, 
xaTot ripoxXov (xipTupaS iSei^ev Yjfxiv tyiv Oeaiv (xiÄ;, rri; wpcoTY);, 
xaö' oejov ouvdc{A60a vi $ia3cpiv(i)[A6v ^, (ASTi togoutou; aiü>va; iva- 
xuirTOÜ<m; iwo tyS; xaTa)rco<76(i>; xat ttS; <p6op<2; tyS; piojAy); auröv. 
'Eiv 06 co; 6u^6[A66a, 6$axoXou9yi<ry) xai Trcpairtpö) t7)v (jxa^Yjv 6 
X. Dörpfeld, aipojxevov töv i7Ct7cpo<jGo'j(ro>v Sjcij^gpEiöv, gXTUtCojAgv oti 
ivaSetj^ÖYiaeTai awa; 6 totco; rn? Xedj^y);, i$axpi6ü)97;G6Tai t6>.6ico; 
Toö val<7xo'j xai toö ßcojAoö y) wpo; aurov (juva^eta, ort Se t<j(ü; xat 
7cpoxuij/6t 6i; ^GJ; ^X^o? '7t Töv itpcjv 6X£iv(t)v ffecfucoy ra>r df^oj/ieKior 
Jtepl zovc Toiovtovc ro.Toüc, xaxi T7)v tcoXutijaov jaev. iXX* otcw; St;- 

TTOTS <7X0T£tV7)V TOO lIpOxXoi» (AapTUpiav ^. 

STE<^ANOS N. APArOTMHS 



^ 'Ev a)^oXioi{ £15 *'EpYa xal Tjjilpa?, 2vöa avtoTlpw. 

' IliOavov va ^^ü>;xev anoxExaXutjLfxivov ev t(5 tcXtJOei t(a>v ^evojicvcov lvTau6a ava- 
axa^iov xal &\\o Ita^o^ XiT/r^' dXXa aTEpoufieOa a7:o$E^^£(üV Seixvuouaä^v x6 TcpaYfxa. 
"Av EV Totj {lETafu ToCf Za:i7CE{oü xal tou ap/^a^ou *OXutx7:i£^0'j £p£t::ioi{ [lEYaXou oixo- 
8op.7[|xaTo; Twv ^6(üp.aVx(j>v autoxpaToptxd^v ypeJvwv B'jvaxai v* ava^viüpiaO?) xai \Lipoq 
TcaXa^orTpa^, £)(^ojx£v niOavä^; exeI Xiay(Tii x6tzow ev di xaOel^dfiEvoi oi fiXciaofoi, oi 1091- 
Tcai xal Ol £XXoi ot xata BiTpouSiov apEarxojxEvoi £i? ^sX^xa; ^QÖtSvavto vi au^TiTw- 
atv. np6. t))v Iv npaxT. 'Ap^. 'Eraip. 1889 TCEpi^pa^iiv. 

' "Evßa avtoT^pto. T6 IviaifOa )(^pT[at{iov Tjx^jxa tou yijinpiou tou üpoxXou £)(^ei coSe* 
« OTt $1 Tou( aXfiEivou; o?xou; Ol 7clvT]TE( xaTEXap.6avov, Iv oT( (7UYxaOT[p.£voi Iv XaXiat; 
ifaav, ÖfjXov xai oti Xi^syfOLi IxocXouv xoutou?, xai fäp er *Ä6iiraiQ riaar zoiovvoi rS- 
noi xal Ciro^äCoYTO Ue<rj;at k^rixorza xal Tpiaxdaioi' xal Sri iSpäv6 ura deafiia 
ntpl avroi'C, i^ra oi Myoi -ytvtovtat [obr] zoTc ovriovoir i3tiii(p€AeXc Ei'oÖEffav os 
xai l^xaGEiiÖEiv tive? toT« /^aXxE^oi; xpujiwv ovtwv xal Iv tot; jfXXoi( IpYaTCTjpioi; Iv 

015 IffliTCTETai «Up». El? T7)V ^iXÖ^pOVtt OtCcJSsiEiV TOÜ X. P. WoltefS O^ElXfü TOC 

aSioaY]{JLE{(i>Ta taifra, ort ol Kp^xE? (Iv Frfpxuvi) xat ot 0C(7(7aXoi 6i)(^ov [x^va Xe- 
üxardpior ( MoQumeati dei Lincei I veX. 56. Leipziger Studien VII aeX. 319. 
334) xal oxi ETciypa^^ Iv no{in7)f(ji sOpeSstva (C, /. L. X. 831 ) xaXst schula xf^v 
guyT[6ü>5 XgYojiivTjv exedra. 



FRAGMENT DES DIOCLETIANISCHEN EDICTS AUS GYTHION 

Bei den Ausgrabungen, welche die archäologische Gesell- 
schaft in Athen auf der Stätte des alten Gythion anstellen liess 
(vgl. oben XVI S. 363. AcXtiov 1891 S. 113), ist der Rest 
einer Tafel aus weissem Marmor, hoch 0,56°, breit bis zu 
0,34°, dick 0,04°, mit einer lateinischen Inschrift zum Vor- 
schein gekommen, von welcher mir durch Vermittlung un- 
seres archäologischen Instituts in Athen Abklatsch und Ab- 
schrift zugegangen sind, letztere in durchaus zuverlässiger 
Weise genommen von dem Leiter jener Ausgrabungen, Herrn 
Dr. Andreas N. Skias , mit dessen freundlicher Erlaubniss 
wir das Fragment hier mitteilen. Der Text erwies sich als zu- 
gehörig zu der Vorrede des diocletianischen Preistarifs, von 
dem selbst ebendort schon vor längerer Zeit ein griechisches 
Fragment (C. /. L, III p. 823) gefunden worden ist. Der neu 
entdeckte Text lautet mit den Ergänzungen folgendermassen : 

[tra- 
[xerjunt con[venit prospicientibus nobis qui parentes 
[sjumus gen[eris humani arbitram rebus intervenire ius- 
titiam ut quo[d speratum diu humanitas ipsa praBstare non 
potuit ad com[mune omnium temperamentum remediis 
5 provisionis [nostrae conferatur. Et huius quidem cau- 
896 quantum co[mmunis omnium conscientia recogno- 
scit et psarum (Äo!)r[erum fides clamat, paene sera prospectio 
est, cum hac spe c[onsilia molimur aut remedia inventa 
cohibemus ut, q[uod expectandum fuit per iura na- 
10 turse, in gravis[simis deprehensa delictis ipsa 
se emendaret hu[manitas, longe melius existi- 
mantes non f[erendaB direptionis huius a com- 
munibus iudicis [ipsorum sensu adquc arbitri- 
submoveri, quo[8 cottidie in peiora praecipites 



FRAGMENT DES DC0GLETIANI9GHEM EDICT8 AÜ8 GYTHION 157 

15 et in publicum Qe[fas quadam animorum csBcita- 
te vergente inimicos sin[gulis et universis 
reos atroeissimae inhuma[nitatis gravis no- 
xa dediderat. Ad remedia [igitup iam diu re- 
rum neeessitate desiderata pPLorumpimus, et se- 

20 curi quidem querellamni, ne ut [intempestivo 
aut superfluo medeliae no8t[rae interventus 
vel aput inprobos levior aut v[ilior aestimaretur 
qui tot annorum reticentia[m nostram praece- 
ptrieem modestiaB sentientes [sequi taraen 

25 noiuerunt. 

Quis enim a[deo] obtumsi pee[toris et a sensu 
humanita[tis ejxtorris est, [qui ignorare 
possit, iin[mo no]n senserit in [venalibus re- 
bus quae v[el in m]ercimoniis [aguntur vel 

30 diurna ur[biura c]onversati[one tractantur 
in tantu[m se lie]entiam di[fusisse pretiorum. 

Berichtigt wird der bisherige Text durch das neue Pund- 
stück eigentlich nur an einer Stelle Z 23/4, y^o prasceptri^ 
cem in der Corruptel des Steines von Stratonicea PRAE- 
CEPTIUTEM nicht erkannt worden war. Z. 2 bestätigt der 
Text von Gythion nur den von Plataeae. Bemerkenswert ist 
vielleicht noch, dass von dieser Vorrede bisher nirgends ein 
griechischer Text zum Vorschein gekommen ist, während von 
dem Tarif die griechischen Texte weit zahlreicher sind als die 
lateinischen; wahrscheinlich ist die Verordnung selbst über- 
haupt nur lateinisch promulgirt worden. 

TH. MOMMSEN. 



DER ÄLTERE PARTHENON 



(Hierzu Tafel VHI. IX) 



Seitdem L. Boss im Jahre 1835 den Unterbau des Par- 
thenon hat freilegen lassen, gilt es mit Recht als feststehende 
Thatsache, dass unter dem perikleischen Bau das gewaltige 
Fundament eines älteren Tempels liegt, welches Perikles als 
Unterbau für seinen grossen Athena- Tempel benutzt hat. 
Dieser ältere Bau ist schon oft mehr oder weniger ausführ- 
lich behandelt worden, so von L. Boss (Arch. Aufsätze I S. 
88), F. C. Penrose {Principles of Athenian architecture * 
S. 73 und 2 S. 98), J. H. Strack (Der vorperikleische Par- 
thenon ; Arch. Zeitung 1862 S. 241), E. Ziller (Zeitschrift 
für Bauwesen 1865 S. 39) und A. Michaelis (Der Parthe- 
non S. 119). 

Man hielt übereinstimmend den Tempel für einen grossen 
Peripteros, zu welchem die zahlreichen in der nördlichen 
Burgmauer verbauten dorischen Bauglieder gehörten , und 
glaubte in ihm den alten vorpersischen Hekatompedos erken- 
nen zu dürfen, von dem Hesych (s. v. 'EjcaToaTrsSo;) spricht. 
Nur in Bezug auf die Grösse war man verschiedener Meinung. 
Die Einen schlössen aus den Abmessunsjen des Unterbaues 
auf die Grösse des Tempels und hielten ihn deshalb für einen 
grösseren Bau als den perikleischen Parthenon, während die 
Anderen die Ansicht vertraten, dass mitten auf dem grossen 
Unterbau nur ein kleiner Tempel gestanden habe, der von 
einer breiten steinernen Terrasse umgeben gewesen sei. 

Die Grundlagen dieser Untersuchungen änderten sich voll- 
ständig, als im Jahre 1885 der alte Athena-Tempel ' zwischen 



' Nachdem die Inschrift über das Hekalompedon gefunden isl. wird die- 
ser Tempel vielfach Hekatompedon geaannt. Es scheint mir aber richtiger, 



DER ABLTBRB PARTHEKOK 159 

dem Parthenon und dem Erechtheion entdeckt und im fol- 
genden Jahre ausgegraben wurde. Die überlieferten Nach- 
richten, welche von einem vorpersischen oder im Allgemeinen 
von einem älteren Athena-Tempel sprechen, durften nun nicht 
mehr allein auf den älteren Parthenon bezogen werden, son- 
dern waren zunächst auf die beiden Tempel zu verteilen. Dann 
musste aber weiter ermittelt werden, welcher von beiden Bau- 
ten der ältere sei, und ob nicht einer aus nachpersischer Zeit 
stamme. 

Ausführliche Untersuchungen über den alten Athena-Tem- 
pel habe ich in diesen Mittheilungen (XI S. 337, XII S. 25 
und 190, XV S. 420) veröffentlicht. Ich stellte damals eine 
eingehende Behandlung auch des älteren Parthenon in Aus- 
sicht, gedachte dieselbe aber erst zu veröffentlichen, wenn die 
von G. Kawerau während der letzten Ausgrabungen aufge- 
nommenen genauen Grundrisse und Durchschnitte dieses 
Tempels und seiner Umgebung publicirt wären. Wenn ich 
gleichwol schon jetzt mit einem Aufsatze über den älteren 
Parthenon an die Öffentlichkeit trete, so veranlasst mich dazu 
eine vor Kurzem im Journal of Hell, studies 1891 S. 275 
erschienene Abhandlung von F C. Penrose, welche sich mit 
den beiden älteren Athena-Tempeln beschäftigt. Der verdiente 
Forscher sucht hier seine vor nunmehr vierzig Jahren darge- 
legte Ansicht, dass auf dem grossen Unterbau des Parthenon 
ursprünglich ein kleiner Tempel gestanden habe, und dass die- 
sem Bau die dorischen Gebälkstücke der nördlichen Burg- 
mauer zuzuteilen seien, nochmals als im Wesentlichen richtig 



den späteren Namen «Aller Athena-Tempel» beizubehalten. Nur in der 
Zeit vor den Perserkriegen und bis zur Erbauung des Parthenon hiess er 
das Hekatompedon. Als aber beide Tempel neben einander bestanden, verlor 
er diesen Namen und wurde amilich wie auch im Volksmundc der aalte 
Tempel» (6 ap^atos veaS^), genannt, offenbar um jede Verwechselung mit 
der später Hekatompedos genannten Cella des neuen Tempels zu vermei- 
den. Aus demselben Grunde empüehll es sich, auch jetzt diesen Namen 
beizubehalten. Wir nennen demnach die vier Tempel der Alhena auf der 
Burg: jüngeren Parthenon, älteren Parthenon, alten Athena-Tempel und 
Erechtheion. 



i$0 ORB ABLTERB PABTHBNON 

ZU erweisen. Schon früher war diese Ansicht von A. Mi- 
chaelis (Parthenon S. 121) und Anderen widerlegt wordep; 
dass sie auch den neuen Funden gegenüber ganz unhaltbar 
ist, hoffe ich ira Nachfolgenden zeigen zu können. Ich werde 
mich dabei aber nicht auf die negative Arbeit beschränken, 
die Ansichten Penrose's zu widerlegen, sondern namentlich 
positiv festzustellen suchen, wie der ältere Parthenon aussah 
und wann er erbaut wurde. 

Wie der gewaltige Unterbau des Parthenon gestaltet ist, Hess 
sich früher nur annähernd bestimmen Man sah nur seine 
obersten Schichten und hatte durch einige Löcher, die man 
neben dem Unterbau bis zum Felsen gegraben, festgestellt, 
bis zu welcher Tiefe er an den vier Seiten hinabreichte. Erst 
durch die Ausgrabungen des letzten Jahrzehntes, bei welchen 
das ganze Fundament auf allen Seiten vollständig freigelegt 
wurde, sind seine Form und Ausdehnung besser bekannt ge- 
worden. Es hat sich dabei die Beschreibung des Unterbaues, 
welche E. Ziller in der Zeitschrift für Bauwesen (1865 S. 39) 
auf Grund seiner Messungen und Nachgrabungen gegeben, 
als vollkommen richtig herausgestellt. 

Die auf Tafel 9 veröffentlichte Photographie, welche ich 
während der letzten Ausgrabungen gemacht habe, lässt die 
gewaltige Grösse des Fundaments und auch seine Bearbeitung 
im Einzelnen deutlich erkennen; rechts sieht man den Un- 
terbau des Tempels von den Marmorstufen des jüngeren Baues 
bis hinab zum Felsen. Nach links schliessen sich an den Un- 
terbau die Erdschichten an, welche wir später besprechen 
werden. Die abgebildete Stelle liegt etwa in der Mitte der 
südlichen Langseite. Einen Durchschnitt durch den ganzen 
Unterbau, kleinere Durchschnitte der Stufen an den ver- 
schiedenen Seiten des Tempels und eine Ansicht des Unter- 
baues an der westlichen Seite geben die Textabbildungen 
dieses Aufsatzes. 

Indem ich für alle Einzelheiten auf die erwähnte Baube- 
schreibung Ziller s verweise, mögen hier nur einige zum Ver- 



ÜBtl ABLTBRE 1»AKTHBN0N 461 

Mandnisse des Nachstehenden notwendige Angaben gemacht 
werden . 

Das ganze Fundament ist aus regelmässigen Quadern von 
Piräuskalk errichtet und reicht überall bis zum gewachsenen 
Felsen hinab, der an der Südseite in sehr grosser Tiefe ( bis 
über 10™) liegt, an der Nordseite dagegen selbst den Fussbo- 
den um den Tempel bildet. Im Westen und Osten fällt der 
Fels in treppenförmigen Absätzen bis zu seiner grossen Tiefe 
an der Südseite ab. Im Gegensatze zu anderen Bauwerken des 
fünften Jahrhunderts, z. B. den Propyläen, deren Fundament- 
material zum grossen Teil älteren vorpersischen Bauwerken 
entnommen ist, lässt sich nur bei einigen wenigen Funda- 
mentquadern des Parthenon feststellen, dass sie von älteren 
Bauten stammen und hier zum zweiten Male verwendet sind. 
Wenn Penrose dies läugnet, so befindet er sich im Irrtum ; 
sogar auf unserer Tafel 9 kann man an einer Quader der fünften 
Schicht von unten deutlich die alte Anschlussfläche erkennen. 
Auch in den Zeichnungen Ziller's (a. a. O. Tafel B) erkennt 
man einige solcher Steine. Die von älteren Bauwerken stam- 
menden Steine sind sorgfältig zu rechtwinkligen Quadern ver- 
arbeitet und nicht in ihrem ursprünglichen Zustande mit ihren 
verschiedenen Gliederungen verbaut worden , wie es etwas 
später unter Perikles üblich gewesen ist. Die bei Weitem 
grösste Mehrzahl der Quadern scheint allerdings eigens für 
den Unterbau des Parthenon im Piräus gebrochen und nach 
Athen geschafft worden zu sein. 

Die Herstellung des hohen Unterbaues ist ganz ohne Holz- 
gerüst erfolgt : man versetzte eine oder zwei Quaderschichten 
und höhte dann die Umgebung durch Anschüttung von Erde 
oder Steinbrocken um das entsprechende Stück auf. Die Ober- 
fläche der Anschüttung diente sodann an Stelle eines Gerüstes 
als Bauplatz für die Herstellung der nächsten Quaderlagen. Die 
so aufgehöhten Erdmassen mussten mit einer Futtermauer, 
welche jedesmal etwas höher geführt wurde, gestützt werden, 
und eine solche war die polygonale Stützmauer, welche in 
dieser Zeitschrift (XHI S. 432) beschrieben worden ist, und 



16^ DER AELTEKE PARTHENON 

deren provisorischer Charakter schon aus ihrer geringen 
Stärke hervorgeht. 

Die Erdraassen zwischen der Futtermauer und dem Tem- 
pelfundament sind, wie es jene Herstellungsart zur natür- 
lichen Folge hatte, fast ganz horizontal geschichtet und in 
gewissen Abständen mit dünnen Lagen hellen Bauschuttes 
abgedeckt. Die letzteren, welche auf unserer Tafel 9 als helle 
Linien hervortreten, rühren von der Bearbeitung der Poros- 
quadern für die nächsten Schichten her. Sie sind schon von 
Boss und Ziller richtig erkannt und in ihrer Bedeutung für 
die zeitliche Bestimmung des Unterbaues gewürdigt worden. 

Die Art, wie der Aufbau und die Hinterfüllung erfolgt ist, 
stellt es ausser Zweifel, dass das Tempelfundament, die Erd- 
anschüttung und die polygonale Futtermaucr gleichzeitig 
hergestellt sind. Wenn sich einer dieser drei Teile zeitlich 
bestimmen lässt, so ist damit das Alter aller drei ermittelt. 
Nun ist das Alter der Schuttmassen nach den darin gefunde- 
nen Gegenständen in der Thatzu bestimmen. Die zahlreichen 
Bruchstücke von Baugliedern und Skulpturen aus Porös, 
welche in der Anschüttung vorkommen und auch auf unse- 
rem Bilde in der Höhe der fünften bis siebenten Schicht zu 
sehen sind, gehören unbedingt zerstörten Bauwerken, Weih- 
geschenken und anderen Bildwerken an. In den Erdmassen 
fanden sich ferner neben vielen Scherben schwarzßguriger 
und noch älterer Vasen eine grössere Anzahl rotfiguriger Vasen- 
scherben. Weisen die ersteren Funde darauf hin, dass die 
Anschüttung nach der Zerstörung vieler altertümlicher Ge- 
bäude und Bildwerke erfolgt ist, so zeigen die Bruchstücke 
rotfiguriger Vasen, dass diese Zerstörung frühestens am Ende 
des sechsten oder im Anfange des fünften Jahrhunderts statt- 
gefunden hat. Es muss deshalb als sichere Thatsache ange- 
sehen werden, dass es sich hier um sogenannten Perserschutt 
handelt, und dass demnach die Anschüttung und damit auch 
die Errichtung des Unterbaues in der ersten Hälfte jenes Jahr- 
hunderts erfolgt ist. 

Zu dieser Ansetzung passt auch die Art des Mauerwerks, 



DEß AELTERE PaKTHENOK 163 

welches bei dem Tempelfundament zur Anwendung gelangt 
ist. Bis zum Ende des sechsten Jahrhunderts stellte man in 
Athen die Fundamente der Gebäude, soweit wir wissen, nicht 
aus regelmässigen viereckigen Quadern her, sondern aus mehr 
oder weniger unregelmässigen Kalkstein blocken. Erst nach 
den Perserkriegen wurde gutes Quadermauerwerk auch zu 
Fundamenten verwendet. 

Wenn Penrose trotzdem zu einer ganz anderen Datirung 
gelangt, so ist das nur durch ungenaue und zum Teil sogar 
falsche Beobachtungen möglich geworden. Nach seinen An- 
gaben soll zuerst der grössere westliche Teil des Unterbaues 
unter Benutzung eines Holzgerüstes errichtet (S.291), dann 
viel später die Erdmassen mit ihrer Futtermauer aufgehöht 
(S. '289) und schliesslich, indem die Erdmassen im Osten 
zum Teil wieder entfernt wurden, der östliche Teil des Fun- 
damentes angefügt worden sein (S. 280). Die Errichtung des 
ersten grossen Unterbaues setzt er etwa ein Jahrhundert vor 
den Perserkriegen an (S. 295). Dass diese Annahme und 
besonders auch diese Datirung unrichtig ist, braucht nach 
den vorher angeführten Thatsachen nicht eingehend bewiesen 
zu werden. Es genügt, daran zu erinnern, dass schon Boss 
und Ziller den Thatbestand, der durch die neuen Ausgra- 
bungen bestätigt ist , richtig erkannt und im Wesentlichen 
richtig dargestellt haben. Der hohe Unterbau hat niemals 
freigelegen, sondern die ihn bedeckende Terrasse ist gleich- 
zeitig mit ihm hergestellt worden. Penrose muss die dünnen 
hellen Schichten von Kalksteinsplittern, welche in ziemlich 
regelmässigen Abständen wiederkehren, nicht als Bauschutt 
erkannt haben, denn sonst würde er den Sachverhalt nicht 
haben verkennen können. 

Ein unangenehmeres Versehen ist ihm in Bezug auf die 
Erdschichten an der südöstlichen Ecke des Unterbaues be- 
gegnet, deren Zustand er durch eine besondere Zeichnung auf 
Seite '18\ veranschaulicht. Die Störung in dem gleichmässi- 
gen, fast horizontalen Verlauf der Schichten, welche dort zu 
sehen war, soll ein entscheidender Beweis sein für die ver- 



464 OfiR AELTBRE !>ARTHBN0N 

meint) iche spätere Anfügung eines Stückes an den Unterbau. 
Der Wechsel in den Erdschichten an dieser Stelle stammt 
aber gar nicht aus antiker Zeit , sondern ist durch einen 
Schacht entstanden, welchen E. Ziller im Jahre 1864 zur 
Untersuchung der Parthenon - Fundamente hat graben und 
später wieder ausfüllen lassen (a. a. O. S. 41). 

Auch die kleine Verschiedenheit in der äusseren Zurich- 
tung der Quadern, mit welcher Penrose jetzt wie früher seine 
Ansicht über die spätere Zufügung des östlichen Stückes zu 
stützen sucht, darf nicht als Beweis hierfür verwendet wer- 
den. Denn diese Abweichung beschränkt sich, wie schon Zil- 
ler mit Recht bemerkt hat, auf eine einzige der vielen Qua- 
derschichten und besteht lediglich in einer kleinen Verschie- 
denheit des später abzuarbeitenden Werkzolls. Wie das Fun- 
dament aussehen müsste. wenn ein Stück angefügt worden 
wäre, lässt sich an der nordwestlichen Ecke des Tempels 
erkennen. 

Ich trage demnach kein Bedenken, sowohl die relative als 
auch die absolute Datirung des Unterbaues und seiner Umge- 
bung, wie sie Penrose vorschlägt, als unrichtig zu bezeichnen. 
Um die Ausdehnung und Gestalt des älteren Tempels zu 
bestimmen, müssen wir zunächst die vier Seiten des jetzigen 
Tempelunterbaues näher betrachten. Wir beginnen dabei mit 
der Südseite, von welcher ein Stück auf dem Lichtbilde 
(Tafel 9) zu sehen ist. Einen Durchschnitt durch die süd- 
liche Mauer bis zum Fundamente hinab gebe ich ferner in 
der Abbildung Fig. 5, welche einen Querschnitt durch den 
ganzen Tempel zeigt. 

Schon L. Boss hatte bei der Aufdeckung des Tempelunter- 
baues bemerkt, dass die oberen Schichten viel besser bear- 
beitet sind als die unteren, und dass demnach die ersteren 
bestimmt waren, stets sichtbar zu sein, während die letzteren 
unter dem Erdboden verschwinden und als Fundament die- 
nen sollten. Auf unserem Lichtbilde sieht man, dass die 15 
untersten Schichten an ihrer Aussenseite gar nicht bearbeitet 
sind ; mehrere Quadern und zwar namentlich die Binder ra- 



b^k AfiLtfiRfi l>AlltRfiNON 165 

gen sogar uro ein bedeutendes Stück über die Mauerlinie her- 
vor ; eine geringe Bearbeitung entdeckt man nur an dem rech- 
ten Teile der zehnten Schicht. Die erste Quaderlage, welche 
eine durchgehende Bearbeitung zeigt, ist die 16., an deren 
Oberkante ein glatter Streifen von der Breite einer Hand her- 
gestellt ist; hier waren also zum ersten Male die Umfassungs- 
linien des Tempels aufgeschnürt, und die überstehenden Stücke 
abgearbeitet worden. Eine noch weitergehende Glättung zeigt 
die folgende. 17. Quaderlage, eine Läuferschicht, welche bis 
auf einen schmalen unteren Streifen an ihrer ganzen Aus- 
senseite bearbeitet ist. Sie kann höchstens in ihrem oberen 
Teile sichtbar gewesen sein ; der untere rauhe Streifen lag je- 
denfalls unter der Erde. Die 18. Schicht, welche aus Bindern 
besteht, ist vollkommen ausgearbeitet und jede einzelne Qua- 
der mit Randbeschlag und Spiegel versehen; sie konnte we- 
gen ihrer guten Bearbeitung schon in ganzer Höhe sichtbar 
sein. Von der folgenden, der 19., Schicht erkennt man auf 
dem Lichtbilde nur links einige Steine, da sie schon im Al- 
tertume oder auch erst in neuerer Zeit durch Herausbrechen 
von Quadern beschädigt worden ist. Ihre Vorderfläche war 
vollkommen geglättet und besitzt an ihrer unteren Kante 
einen handbreiten Randbeschlag. Ausserdem zeigt sie auch 
an ihrer Oberseite auf eine Tiefe von 0,45" eine Bearbeitung, 
weil die folgende, 20. Schicht wie eine Stufe um dieses Stück 
gegen sie zurücktritt. Auch die letztere ist stark beschädigt; 
was von ihr und der unteren Schicht erhalten ist, geht aus 
dem Grundriss des Tempels auf Tafel 8, welcher den heu- 
tigen Zustand des Bauwerkes wiedergiebt, deutlich hervor. 
Dass die 19. und 20. Schicht ihrer Form und Bearbeitung 
nach sichtbare Stufen des älteren Tempels waren, ist hier- 
nach nicht zweifelhaft. Die Unterstufe ist ihrer ganzen Höhe 
nach erhalten, während von der Oberstufe bei Erbauung des 
perikleischen Parthenon an der Oberkante ein Stück abge- 
meisselt worden ist. Wie gross dieses Stück war, ist aus dem 
Querschnitt des Tempels (Abbildung 5) und aus dem Durch- 
schnitt durch die östlichen Stufen (Abb. 1) leicbt zu ersehen. 

ATHBN. MITTUEILUNGEN XVU. ] 2 



166 DKft AELTEÄE PARTHENON 

Von einer weiteren, dritten Stufe ist an dem Bau selbst 
nichts erhalten, denn unmittelbar über der 20. Schicht be- 
ginnen die drei Stufen aus Marmor, welche zu dem peri- 
kleischen Tempel gehören. Hatte der Bau trotzdem ehemals 
drei Stufen, wie die meisten späteren Tempel, so fehlt eine 
Stufe ganz, und wir müssen noch eine Oberstufe, den eigent- 
lichen Stylobat, ergänzen. Es ist aber sehr wol möglich, 
dass der ältere Tempel nur zwei Stufen oder richtiger eine 
Hauptstufe oder Stylobat, und eine Unterstufe oder Euthyn- 
teria hatte, wie es bei älteren Tempeln, z. B. bei dem Heraion 
in Olympia und bei dem alten Athena-Tempel auf der Akro- 
polis, bekanntlich vorkommt. Ich glaube, dass der letztere 
Fall vorliegt, dass also die noch an vielen Stellen erhaltene 
20. Quaderlage der Stylobat des Tempels selbst war oder 
werden sollte. Diese Annahme stützt sich einerseits auf die 
Thatsache, dass die Steine dieser Stufe von sehr grossen Ab- 
messungen sind und durch die ganze Tiefe der Aussenmauer 
hindurchgreifen, was bei dem Stylobat gewöhnlich, bei den 
unteren Stufen aber meines Wissens niemals der Fall ist, 
und andrerseits auf das Vorhandensein von senkrechten Dü- 
beln an den Steinen der 20. Schicht, während solche bei der 

19. Lage, soviel ich gesehen habe, nicht vorkommen. Indem 
Querschnitt (Abb. 5) habe ich demnach unmittelbar über der 

20. Schicht die Säulen gezeichnet; in dem Grundriss (Taf. 
8) dagegen und in dem Durchschnitt (Abb. 1) durch punk- 
tirte Linien auch die andere iMöglichkeit, dass nämlich der 
Tempel drei Stufen hatte, neben der ersteren angedeutet. 

An der Ostseite des Tempels ist der alte Unterbau von 
ungleichmässiger Tiefe; in der südlichen Hälfte besitzt er im 
Ganzen 22 Quaderlagen, während in dem nördlichen Teile 
der gewachsene Fels bis zur Höhe des Stylobats hinaufreicht. 
Umstehende Abbildung 1 giebt einen Durchschnitt , etwa 
in der Mitte der Ostseite genommen. Die Bearbeitung der 
einzelnen Schichten weicht etwas von derjenigen an der Süd- 
seite ab, wenigstens zeigen die oberen Lagen eine andere Zu- 
richtung. Die oberste, um eine Stufenbreite zurücksprin- 



DfeR ABLTBRfi t>ARTHBNON 16^ 

gende Schicht, welche wir als Stylobat angenomnien haben, 
ist zwar noch ebenso bearbeitet wie die entsprechende Stufe 
der Südseite, aber die zweitoberste zeigt einen doppelteo 
VVerkzolI an Stelle des einfachen Werkzolls der anderen Seite. 
Noch abweichender ist die dritte Lape gestaltet, indem ihre 
Quadern fast ganz raub geblieben sind und nur einen oberen 
glatten Hand besitzen. Die unteren Steinschichten sind, ebenso 



wie an der Südseite, ausnahmslos unbearbeitet geblieben. 
Bei der driltobersten Schicht der Südseile konnten wir noch 
zweifeln, ob sie bestimmt war, sichtbar zu sein; die Ostseite 
lehrt uns. dass sie sicher unter dem Erdhoden liegen sollte. 

Die oberste Schicht ist im nördlichen Teile der Ostseite 
noch nicht aus dem Felsen herausgearbeitet, wie aus dem 
Grundriss auf Tafel 8 zu ersehen ist, Dass sie nach Fer- 
tigstellung des ganzen Tempels noch herausgemeisselt werden 
sollte, kann aber kaum bezweifelt werden. Wem es bedenk- 
lich erscheioeo sollte, dass der Stylobat also nicht in seiner 
ganzen Ausdehnung aus Quadern, sondern zum Teil aus dem 
gewachsenen Fels bestanden haben soll, der muss noch eine 
dritte, ganz aus Quadern zusammengefügte Stufe annehmen, 
wie sie in dem Durchschnitt Abb. 1 punktin ist. 

Es ist eine aufTallende Erscheinung, dass der ganze Unter- 
bau des Tempels an der Ostseite um etwa 4,28" vor die Stu- 
fen des späteren Parthenon vortritt. Sowol auf Tafel 8 als 
auch in Abbildung 4 ist diese Thatsache zu erkennen. Pen- 
rose glaubt, dass der überstehende Teil des Unterbaues in 



198 DBB AELflBB i"AHTHK!<Öf< 

perikleischer Zeit hei^eslellt sei. om eine Terrasse »or dem 
Eingang des Tempels anzulegen. Diese AonahrDe ist aber 
obne Weiteres zu verwerfen, nicht nur «eil wir wissen, dass 
der Vorbau zu dem äUeren Tempel gehört und zur Zeit des 
Pehklea überhaupt nieht mehr sichtbar gewesea ist. sondern 
aoch weil es vollkommen zwecklos gewesen wäre, zur Herstel- 
loDg einer Terrasse ein bis zu ?^ Schichten tiefes Fundament 
aozufertigen. Ohne Zweifel tritt der L'nterbaa deshalb so weit 
TOr, weil der allere Tempel im Osten um mehrere Meter grös- 
ser sein sollte, als es der spätere Parthenon war. Weshalb die 
Verkürzung »tattgefuoden hat. werden wir später zu bespre- 
cben haben. 

Wie der Unterbau an der Westseite des Tempels jetzt 
aBssJebl. erkennt man ans den beiden nachstehenden Abbil- 



niii,,. jii:liii. 




düngen 3 und 3 , welche eine Ansieht des stidlichen und 
nördlichen Stückes dieser Seite geben. Am nördlichen Ende 
lind alle bis zum gewachsenen Fels vorbaiidenen Quader- 



DER AKLTBRB PARTHENON 



schichten gezeichnet, während weiter nach Süden nur die obe- 
ren. Jetzt sichtbaren Lagen ali^ebildet sind. Die übrigen sind 
wieder verscliüttet. Den Unterbau des aheren Tempels habe 
ich, soweit er sichtbar ist, in den Zetclmungen weiss gelas- 
sen, die Stufen und den hinzugefügten Unterbau des jüngeren 
Tempels dagegen durch Strichelung als Marmor oder Porös 
gekennzeichnet. Man sieht in Folge dessen auf den ersten 
Blick, wie weit der ältere Unterbau reicht, und wo das für 
den neueren Parthenon eriiclitete Zusatzfundament, beginnt. 
Die Schichten des älteren Baues sind hier in dei'selben Weise 
bearbeitet wie die entsprechenden Schichten der Südseite ; die 
oberste Stufe fehlt ganz, wenn sie nicht, wie man nach dem 



._■ 



in Abbildung '* gezeichneten Durchschnitt dieser Seite ver- 
muten darf, unmittelbar hinter den beiden schmalen Zwi- 
schenschichten liegt, von denen die eine, nur wenig bearbei- 
tete, aus Porös, die andere, welche die Ruthynleria des jün- 
geren Parthenon bildet, aus iMarmor besteht. 

Aus demselben Durchschnitt ersieht man ferner, dass der 
ältere Unterbau im Gegensatz zur Süd- und Nordseite hier 
nicht vorspringt, sondern ganz von dem neuen Tempel be- 
nutzt wird. In der linken (nördlichen) Hälfte der Westseite, 
wo der Hurcbschnitt genommen ist, liegt der Fels nur vier 
oder, wenn wir dem alten Tempel drei statt zwei Stufen ge- 
ben, fünf Schichten unter dem älteren Stylobat. In der süd- 
lichen Hälfte fällt er dagegen bis zu grosser Tiefe hinab, so 



!70 DER AELTERE PARTHENON 

dass der Unterbau an der südwestlichen Ecke eine Höhe von 
13 Schichten erreicht. 

Wie der alte Unterbau an der Nordseite des Tem- 
pels gestaltet war, lässt sich nur an der nordwestlichen Ecke 
erkennen, weil die ganze Nordseite von dem Zusatzfundament 
des neuen Baues verdeckt wird. Die Bildung dieser Ecke, 
welche auf unserer Abbildung 3 gut zu sehen ist, giebt L. 
Ross auf seiner Zeichnung (Arch. Aufsätze I Taf. 5) nicht 
ganz richtig. Man bemerkt an Ort und Stelle deutlich, dass 
die beiden untersten Schichten, im Gegensatz zu den entspre- 
chenden Lagen der drei anderen Seiten, stufenförmig absetzen. 
Dass hier thatsächlich die alte Ecke vorliegt, geht aus dem 
auch an der nördlichen Seite der Eckquadern vorhandenen 
Werkzoll zur Genüge hervor. 

Nachdem wir so die Grenzen und die Gestalt des älteren 
Unterbaues auf allen vier Seiten kennen gelernt haben, ist es 
leicht seine Abmessungen in den verschiedenen Schicht- 
höhen genau zu bestimmen. An der Oberkante des Funda- 
ments, also in der drittobersten Schicht, beträgt die Breite 
des älteren Tempels 31,75", seine Länge 76,88". Die ent- 
sprechenden Masse des jüngeren Tempels sind 33,88° und 
72,53". Der letztere Bau ist also im Fundament um 2,13"' 
breiter, aber um 4,3b" kürzer als sein Vorgänger. Etwas an- 
ders stellt sich dieses Verhältniss, wenn wir statt der Dimen- 
sionen des Fundaments diejenigen der obersten Stufe mit ein- 
ander vergleichen. 

Die Breite des älteren Tempels beträgt, in der oberen Stufe 
gemessen, 30,50", seine Länge 75,96"; die Breite des jünge- 
ren Parthenon 30,86", seine Länge 69,51". Während also 
die Breitenmasse fast übereinstimmen — der jüngere Bau ist 
nur um 0,36" breiter als der ältere — , ist die Differenz der 
Längenmasse eine beträchtliche : der perikleische Bau ist um 
6,45" kürzer als der ältere Tempel. Nehmen wir für den 
letzteren einen dreistufigen Unterbau an, so ändern sich diese 
Differenzen naturgemäss etwas ; statt 0,36" erhalten wir 1 ,26" 
und slatji 6,45" einen Längenunterschied von 5,55". Da diese 



DER AELTERE PARTHENON Mi 

Annahme aber weniger Wahrscheinlichkeit für aich bat als 
die erstere, mögen die ersteren Unterschiede unserer weiteren 
Untersuchung zu Grunde gelegt werden. 

Dass der Tempel des Perikles um einen Fuss breiter ist als 
sein Vorgänger, nimmt uns nicht Wunder. Der Unterschied 
ist so gering, dass er gar nicht zu merken war, wenn man 
nicht den Zollstock zur Hand nahm. Dass aber Perikles, der 
gerade wegen der Grossartigkeit seiner Pläne berühmt war, 
den ursprünglichen P!ai . wie ihn seine Vorgänger schon 
angefangen hatten, um mehr als 6'" verkürzt haben soll, er- 
scheint uns zunächst kaum möglich. Was ihn hierzu veran- 
lasst hat, werden wir bei Besprechung des Tempel- Grund- 
risses kennen lernert. Vorher müssen wir die äusseren Säulen 
des älteren Tempeis behandeln und ihre Zahl und Gestalt zu 
bestimmen suchen. 

Dass der ältere Tempel ein Peripteralbau war, und dass er 
auch acht Säulen an seinen Giebelseiten hatte, ist bei der 
Übereinstimmung in den Breitenmassen nicht zweifelhaft. 
Penrose nahm früher und nimmt auch jetzt nur sechs Säulen 
an ; er glaubt, dass auf dem grossen Unterbau nur ein schma- 
ler Tempel gestanden habe, der rings von einer Terrasse um- 
geben gewesen sei. Mit Recht bezeichnet schon A. Michaelis 
(Der Parthenon S. 1?2) diese Anordnung als eine unglaub- 
liche Materialvergeudung. Rs liegt in der That auch nicht 
der geringste Grund vor, einen schmalen Tempel auf dem 
breiten Unterbau anzunehmen. Im Gegenteil spricht die Ana- 
logie des jüngeren Parthenon und nicht minder das Vorhan- 
densein der Stufen an der äusseren Kante des Unterbaues 
entschieden dafür, dass der ältere Tempel ebenfalls acht Säu- 
len hatte und die volle Breite des Unterbaues einnahm. Neh- 
men wir demnach acht Säulen an. so betrugen die Axweiten 
bei einer Stylobatbreite von 30,50"* etwa 4,24", also etwa 
0,05'" weniger als diejenigen des jüngeren Parthenon. 

Die Anzahl der Säulen an den langen Seiten lässt sich 
in einfacher Weise berechnen. Da der ältere Tempel um etwa 
6,5'" länger ist als der jüngere, müssen mindestens zwei 



172 DER AELTERB PARTHENON 

Säulefl mehr angenommen werden, als der letztere besitzt, 
also mindestens 19 Säulen. Nähme man nur eine mehr an, 
also 18, so würde die Axweite an der Traufseite grösser wer- 
den als an der Giebelseite, was meines Wissens niemals der 
Fall ist. Bei 19 Säulen dagegen erhalten wir als Axweite 
4,17", also ein um 0,07" kleineres Mass als an den Giebel- 
seiten. Eine solche Differenz zwischen den Axweilen der ver- 
schiedenen Seiten kommt bei älteren Bauten bekanntlich häu- 
fig vor. 

Der ältere Parthenon war also ein Peripteral- 
tempel von 8 Säulen an den kurzen und 19 an den 
langen Seiten. Dieses Verhältniss ändert sich nicht, wenn 
wir dem Tempel drei Stufen geben. Seine Dimensionen wer- 
den allerdings etwas geringer, nämlich 29,60" für die Breite 
und 75,06" für die Länge. Die Axweiten der Säulen berech- 
nen sich in diesem Falle auf etwa 4,13" für alle Seiten des 
Tempels. 

Die Gestalt der Säulen ist nicht ganz unbekannt, weil 
zum älteren Parthenon, wie man längst bemerkt hat, die 
marmornen Säulentrommeln gehören, welche nördlich vom 
Erechtheion in der äusseren Burgmauer verbaut sind. Von 
den beiden Arten, welche sich unter ihnen befinden, gehören 
diejenigen von 1,90" offenbar zur Ringhalle, die kleineren 
von 1,71" dagegen wahrscheinlich zu der östlichen oder west 
liehen Vorhalle. Die Trommeln tragen im Ausseren noch den 
rohen Werkzoll und die Bossen zum Heben ; sie müssen daher 
einem Bau zugeteilt werden, welcher noch nicht vollendet 
war, als die Trommeln zur Burgmauer verwendet wurden. 
Dass der ältere Parthenon ein solcher unfertiger Bau gewesen 
ist, liess sich an dem Unterbau schon erkennen. 

Bei den Säulen sind ferner einige Stufenquadern vermau- 
ert, welche nach Penrose und Anderen aus Marmor bestehen 
sollen. In Wirklichkeit ist ihr Material aber ein harter Kalk- 
stein, welcher in derselben Qualität beim älteren Tempel 
verwendet ist. Da nun die Stufen auch genau dieselbe Art 
der Bearbeitung und des Werkzolls zeigen, wie die noch an 



OBR AELTERB PARTHENON i73 

ihrer alten Stelle befindlichen Stufen des Tempels, so sind sie 
ein neuer Beweis für die Zugehörigkeit der Säulentrommeln 
zum Tempel. 

Die Höhe der Säulen, die Form der Kapitelle, die Abmes- 
sungen des Gebälkes und die Innenarchitektur des Tempels 
sind vollkommen unbekannt. Man wäre lediglich auf Vermu- 
tungen angewiesen, wenn man eine Wiederherstellung des 
Baues im Bilde versuchen wollte. Wahrscheinlich sind aber 
alle diese Bauglieder überhaupt nicht zur Ausführung gelangt, 
weil der Tempel nicht fertig wurde und über die unteren 
Säulentrommeln niemals hinaus kam. Das darf man aus der 
Thatsache schliessen. dass nur die unteren Trommeln der 
Säulen vorhanden sind. Allerdings ist die Mösjlichkeit nicht 
ausgeschlossen, dass einzelne Steine des Oberbaues von dem 
Architekten bestellt und auch schon zur Ausführung gelangt 
waren. Sie konnten bei dem geringen Unterschiede in den 
Abmessungen fast ohne Veränderung später bei dem jünge- 
ren Tempel Verwendung finden. Ich vermute, dass dies z. B. 
bei den äusseren Metopen der F'all gewesen ist, weil dieselben 
zum Teil wenigstens einen etwas älteren Stil zeigen als der 
Fries und die Giebelgruppen des jüngeren Parthenon. 

Die Grund r issgestaltung des inneren Baues, nämlich 
der Cultcelhi und des Hinterhauses, ist nicht genau festzustel- 
len, weil die F\este der Innenmauern und der inneren Säu- 
lenstellungen vollständig von dem jüngeren Tempel überbaut 
und mitbin an keiner Stelle sichtbar sind. Trotzdem lässt sich 
die Gestalt des Grundrisses in allgemeinen Zügen wiederher- 
stellen. 

Zunächst wird man nicht leugnen, dass der ältere Parthe- 
non als Nachfolger des vorpersischen Athena-Tempels, den er 
ersetzen sollte, und als Vorgänger des jüngeren Parthenon im 
Allgemeinen diesen beiden Bauten in Bezug auf ihren Grund- 
riss ähnlich gewesen sein wird. Alles was diese beiden Tempel 
gemeinsam haben, wird auch dem älteren Parthenon nicht 
gefehlt haben. Man rauss ihm demnach ausser einer Cella mit 
Vorhalle und Hinghalle einen geräumigen Opisthodom zutei* 



174 DER AELTERE PARTHENON 

len. Zweifelhaft kann nur sein, ob der letztere aus einem ein- 
zigen Räume bestand wie beim jüngeren Bau, oder ob aus- 
serdem noch zwei Kammern vorhanden waren, wie beim alten 
Athena-Tempel. Dieser Zweifel wird geholiyen. sobald wir 
uns vergegenwärtigen, dass die beiden Kammern, welche bei 
dem jüngeren Parthenon fehlen, etwa 6™ lang sind, also ge- 
rade das Mass haben, um welches der jüngere Parthenon 
kürzer ist als der ältere. Indem Perikles sich entschloss, den 
alten Athena-Tempel stehen zu lassen und seinen Opistho- 
dom auch fernerhin als Schatzkammer zu benutzen, brauchte 
er in dem neuen Tempel keine besonderen Kammern anzule- 
gen und durfte so, ohne die Cella und den Hintersaal zu ver- 
kürzen, den ganzen Bau um mindestens 6™ verkleinern. Den 
grossen Hintersaai selbst behielt er bei. weil ein solcher statt- 
licher Magazinraum, der unter dem besonderen Schutze der 
Stadtgöttin stand, sehr gut zur Aufbewahrung von Weihge- 
schenken, Pompengeräten und anderen Kostbarkeiten zu be- 
nutzen war. 

Ist diese Annahme richtig, so werden die einzelnen Teile 
des älteren Tempels ungefähr dieselbe Länge gehabt haben, 
wie die entsprechenden Räume des perikleischen Baues. In 
Betreff der Cella hätte man das schon aus einem anderen 
Grunde annehmen dürfen. Während der alte Athena-Tempel 
mit seinem Opisthodom und seinen Vorhallen ungefähr hun- 
dert Fuss (=33") lang war und deshalb das Ilekatompedon 
hiess, ist in dem jüngeren Parthenon allein die Cella schon 
hundert Fuss lang und wurde bekanntlich auch amtlich die 
hundertfüssige Cella genannt. Der Gedanke, an Stelle des al- 
ten Baues von hundert Füssen einen so grossartigen Neubau 
zu setzen, dass seine Cella allein schon ein Hekatompedos 
war, ist gewiss schon bald nach den Perserkriegen entstan- 
den, als man den Plan zu dem älteren Parthenon fasste.Wenn 
aber die Cella des letzteren schon dieselbe Grösse hatte wie 
diejenige des jüngeren Parthenon, so wird seine Hintercella 
auch ungelähr ebenso gross gewesen sein als der etwa 50 Fuss 
tiefe Opisthodom des späteren Baues. 



DER AlSLTERB PARTHENON 175 

Im Gegensatz zu den Längenmassen scheinen die inneren 
Breitenmasse der beiden Tempel nicht gleich gewesen zu 
sein. Die Ringhalle des jüngeren Parthenon ist nämlich an 
den Langseiten so ausserordentlich schmal im Verhältniss zur 
Breite der Cella, dass wir nicht berechtigt sind, bei dem äl- 
teren Bau ein ähnliches Verhältniss anzunehmen Beim alten 
Athena-Tempel verhalten sich die Breitenmasse der Ringhalle 
und der Cella zu einander wie 1: \ 7r ^^'"^ jüngeren Par- 
thenon dagegen wie 1:7'/ Es muss ein besonderer Grund 
vorgelegen haben, dass die letztere ganz ungewöhnliche Pro- 
portion gewählt worden ist. Dieser Grund kann kaum etwas 
anderes gewesen sein, als die Absicht, ein ganz ungewöhn- 
lich grosses Cultbild in der Cella aufzustellen. Die letztere 
musste so breit als möglich gemacht werden, damit das ge- 
waltige Goldelfenbein-Bild, welches etwa achtfache Lebens- 
grösse hatte, zu dem Innenraum auch nur einigermassen 
passte. Man wird das namentlich verstehen, wenn man den 
Zeus-Tempel in Olympia zum Vergleich heranzieht. Dieser 
war schon fertig, als Phidias den Auftrag erhielt, die grosse 
Statue des Zeus darin aufzustellen. Da das Bildwerk, jeden- 
falls auf Wunsch der Rleer dieselbe Grösse hatte wie die Par- 
thenos in Athen, passte es zu der viel kleineren Cella des 
Zeus-Tempels durchaus nicht. Ks mag zwar imposant und 
geradezu überwältigend ausgesehen haben, aber eine befriedi- 
gende künstlerische Wirkung kann es nicht ausgeübt haben. 
Beim Parthenon lagen die Verhältnisse anders. Dort konnte 
Phidias noch durchsetzen, dass die Cella zur Aufnahme des 
Goldelfenbein -Bildes so breit als möglich gemacht wurde. 
Da nun nicht bekannt ist. dass schon für den älteren l^ar- 
thenon ein kolossales Cult.Sild in Aussicht genommen war, 
so dürfen w^ir annehmen, dass das Verhältniss zwischen sei- 
ner Cella und seiner Ringhalle ähnlich gewesen ist wie beim 
alten Athena-Tempel. 

Wir besitzen noch ein anderes Mittel, die Breite der Cella 
des älteren Parthenon etwas genauer zu bestimmen. Wir 
werden es finden, wenn wir uns die Frage vorlegen ; Warum 



176 DER AELTERE PARTHENON 

ist der jüngere Parlfaenon nicht genau mitten auf das ältere 
Fundament gesetzt, sondern um ein beträchtliches Stück nach 
Norden verschoben worden ? 

Die Cella des neuen Tempels sollte breiter werden als die 
ältere Cella und der ganze Tempel sollte auch eine etwas 
grössere Breite erhalten. Hierzu war eine Erbreiterung des 
Fundamentes auf beiden Seiten und vielleicht auch die Er- 
richtung neuer Fundamente für die beiden Cella wände not- 
wendig. Diese bei der grossen Tiefe des festen Baugrundes 
umfangreichen Umbauten konnten auf ein geringes Mass ein- 
geschränkt werden, wenn die neue Tempel-Axe um so viel 
nach Norden verschoben wurde, dass nur an der Nordseite, 
wo der Fels zu Tage lag, ein äusseres Zusatzfundament aus- 
geführt zu werden brauchte. Dieses Auskunftsmittel hätte 
sich bequem und ohne jede Schwierigkeit anwenden lassen, 
wenn das vorhandene Tempelfundament ein einziger durch- 
geschichteter Mauerklotz gewesen wäre. Obwol man allge- 
mein annimmt, dass letzteres thatsächlich der Fall war, trage 
ich grosses Bedenken einen einheitlichen Stereobat für den 
Parthenon vorauszusetzen. Denn erstens kenne ich keinen 
Tempel, der ein solches Fundament besässe, und zweitens ist 
in dem nördlichen Seitenschiff der Parthenon-Cella eine so 
bedeutende Senkung des Plattenfussbodens (um 0,17™) er- 
folgt, dass darunter unmöglich ein bis zum Fels reichendes 
Quaderfundament liegen kann. 

Hatten die einzelnen Wände und Säulenreihen aber beson- 
dere Fundamente , so war eine geringe Verschiebung des 
Tempels nach Norden nicht ohne Weiteres möglich. Sie liess 
sich nur dann durchführen, wenn sie gerade so gross war, 
dass die vorhandenen Grundmauern wieder benutzt werden 
konnten. Um zu zeigen, wie ich mir eine solche Verschiebung 
und Wiederbenutzung der älteren Fundamente denke, habe 
ich den nebenstehend (Abb 5) veröffentlichten Querschnitt ge- 
zeichnet, in welchem die älteren Mauern durch eine kreuz- 
weise, die jüngeren durch eine einfache Schraffirung gekenn- 
zeichijet sincj. Die oberste Schicht des älteren Tempel-Unter- 



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DER AELTERE PARTHENON 



baues ist durch eine dunklere Schraffirung noch besonderö 
hervorgehoben. Für die Ansetzung der älteren nördlichen 
Cellawand sind dabei die auch von Penrose {Journal of Hell, 
studies 1891 Taf. 17) gezeichneten älteren F'undamentreste 
massgebend gewesen, welche unter dem Stylobat der inneren 
nördlichen Säulenreihe der Cella bei den Reinigungsarbeiten 
vor einigen Jahren zu Tage getreten sind. Die ältere Cella- 
wand konnte also als Fundament für die nördliche Reihe der 
neuen Innensäulen benutzt werden. Die ältere südliche Cella- 
wand ist so angesetzt, dass sie als Fundament für die ent- 
sprechende jüngere Wand dienen konnte. Für die südlichen 
Innensäulen des neuen Tempels ist das vorhandene Funda- 
ment der älteren Säulen wahrscheinlich erbreitert worden. 
Für die neue nördliche Cellawand konnte der Unterbau der 
alten nördlichen Ringhalle benutzt werden. Ein ganz neues 
Fundament war für die nördliche Reihe der Aussensäulen zu 
errichten, was aber bei der hohen Lage des gewachsenen Fel- 
sens nur sehr geringe Kosten erforderte. Nur für die süd- 
lichen Aussensäulen war eine bedeutende Erbreiterung des 
entsprechenden älteren tiefen Fundamentes notwendig, vor- 
ausgesetzt, dass gerade hier nicht schon wegen der grossen 
Tiefe eine breitere Untermauerung für die ältere Säulenreihe 
bestand. In diesem Falle war das Zusatzfundament vielleicht 
sogar ganz überflüssig. Man wird leicht erkennen, dass die 
älteren Fundamente noch günstiger liegen würden, wenn der 
ältere Tempel drei statt zwei Stufen und demnach auch eine 
breitere Untermauerung der Aussensäulen hatte. 

Die Umbauten, welche bei einer Verschiebung des Tem- 
pels nach Norden und einer Erbreiterung der Cella notwendig 
waren, sind also im Ganzen nicht bedeutend; sie wären je- 
denfalls viel beträchtlicher gewesen, wenn der Tempel zwar 
erbreitert, aber nicht verschoben worden wäre. Hieraus darf 
man schliessen, dass die Verschiebung erfolgt ist, um die 
durch die Veränderung der Cellabreite und die Erbreiterung 
des ganzen Tempels erforderlichen Baukosten nach Möglich- 
keit zu verringern. Dass die Verschiebung, wie man ge- 



DER AKLTEftE PARTHENON <7Sf 

wohnlich annimmt, geschehen sei, um dem Bau eine grös- 
sere Stabilität zu geben, erscheint mir im Hinblick auf die 
vorzügliche Technik des Unterbaues kaum denkbar. Für die 
Standfestigkeit der äusseren südlichen Säulenreihe war das 
an der Südseite jetzt überstehende ältere Mauerstück vollkom- 
men überflüssig. 

ist es hiernach wahrscheinlich, dass bei der Erbauung des 
jetzigen Parthenon die einzelnen älteren, schon vorhandenen 
Fundamentmauern verwendet worden sind, so dürfen wir 
umgekehrt die Wände und Säulenreihen des jüngeren Par- 
thenon heranziehen, um die Abmessungen des älteren Grund- 
risses zu bestimmen Das ist der weitere oben erwähnte An- 
haltspunkt, den wir zur Feststellung des älteren Tempel- 
planes besitzen. 

iMit Zuhülfenahme dieses Anhaltspunktes erhalten wir als 
Cellabreite des älteren Tempels etwa 14,5™ gegenüber 19,18'" 
beim jüngeren Tempel, und als Breite des Mittelschiffes etwa 
6,5'" gegenüber 9,82'" beim jüngeren Bau. Es mag nebenbei 
ervvähnt werden, dass dies letztere Mass von 6,5'" oder 20 
Füssen auch bei dem Zeus-Tempel in Olympia als Breite des 
Mittelschiffes wiederkehrt. 

In ähnlicher Weise, wie es mit dem Querschnitt geschehen 
ist, lassen sich auch die jetzigen Abmessungen des Längen- 
schniltes benutzen, um die Tiefe der älteren Tempelräume zu 
bestimmen. Nur für eine einzige Quermauer, nämlich für die 
östliche Cellawand des jüngeren Tempels war die Errichtung 
einer neuen Fundamentmauer notwendig, für alle übrigen 
Wände und Säulenreihen standen ältere Untermauern zur 
Verfügung. Wenn demnach auch im Einzelnen die Masse des 
älteren Tempelgrundrisses unbestimmt bleiben müssen, so 
lässt sich doch im Grossen und Ganzen ein Bild des älteren 
Tempels gewinnen. 

Wie schon oben kurz erwähnt wurde, giebt Penrose, trotz 
der oben dargelegten sicheren Anhaltspunkte zur Bestimmung 
des Grundrisses, dem älteren Tempel eine ganz andere Ge- 
stalt. Er zeichnet (Tafel 17) einen Peripteral - Tempel von 



<80 btt^ AELtERE l>ARTttENdN 

6:16 Säulen, der nur mit einer schmalen Hinterhalle, aber 
nicht mit einem llintersaale ausgestattet ist. Als Stützen die- 
ser Ergänzung dienen ihm hauptsächlich zwei Punkte, die 
wir deshalb näher betrachten müssen Erstens benutzt er das 
in der nördlichen Burgmauer verbaute Porosgebülk, welches 
ich dem alten Athena-Tempel zugeschrieben habe, zur Re- 
construction der äusseren Ringhalle. Zweitens zieht er einige 
Marken, welche sich an der Südseite des Parthenon -Unter- 
baues befinden, zur Bestimmung der einzelnen Dimensionen 
des Tempelgrundrisses heran. 

1 . Dass man das Porosgebälk der nördlichen Burgmauer 
dem älteren Parthenon zuschrieb, solange der alte Athena- 
Tempel noch unbekannt war, ist wol zu verstehen. Soviel 
ich sehe, sind alle Forscher ohne jedes Bedenken dieser An- 
sicht beigetreten, obwol sich einige Thatsachen nicht gut mit 
ihr in Einklang bringen Hessen. Dass aber Penrose noch jetzt 
an dieser Ansicht festhält, ist kaum verständlich. Das alter- 
tümliche Gebälk aus Porös gehört unzweifelhaft einem vor- 
persischen Bauwerke an, und zahlreiche Stücke desselben 
sind thatsächlich in dem sog. Perserschutt gefunden worden. 
Der Unterbau des Parthenon ist dagegen wie wir oben dar- 
gelegt haben ebenso sicher ein nachpersischer Bau. Jenes Ge- 
bälk und dieser Unterbau gehören also bestimmt nicht zu- 
sammen. 

Ausserdem stammt das Gebälk von einens-fertigen Gebäude, 
welches nicht nur ganz ausgearbeitet, sondern auch schon 
bemalt war, während der Parthenon - Unterbau alle Merk- 
male eines unfertigen Gebäudes trägt. Die Stufen besitzen 
noch teilweise ihren doppelten Werkzoll und an einigen Stel- 
len sind die Stufen noch nicht einmal aus dem Felsen ausge- 
hauen. Auch das spricht entschieden gegen eine Zusammen- 
gehörigkeit. 

Ferner sind die zahlreichen unfertigen Marmortrommeln 
vorhanden, welche teils in der nördlichen Burgmauer ver- 
baut sind, teils, weil sie aus irgend einem Grunde als un- 
brauchbar verworfen waren, in der Nähe des Parthenon ober- 



DER ABLTBRE PARTHBNON 181 

halb des Perserschuttes gefunden wurden. Es versteht sich 
von selbst, dass sie alle, so lauge nicht das Gegenteil erwie- 
sen ist, zu dem unfertigen Unterbau gerechnet werden müssen. 
Die Annahme Penrose's dagegen, dass sie von den Pisistrati- 
den hergerichtet seien, um den alten Poros-Tempf 1 zu erset- 
zen, dass aber ein Unterbau für diesen Neubau oder Umbau 
noch nicht hergestellt gewesen sei, ist zum Mindesten ganz 
willkürlich. Ebenso unlialtbar ist auch die weitere Annahme, 
dass Thukydides (1, 93) von diesen Süulentromraeln rede, 
während er doch augenscheinlich von der aus Lehmziegeln 
erbauten Stadtmauer spricht, in deren Fundamente (öep.eXiot) 
Grabstelen und andere bearbeitete Steine (ct-^Xai a:;6 (nopiiTov 
xai Xiöoi £ipYX(i(xevoi) in der Eile hineingebaut worden seien. 

Entscheidend für die Unrichtigkeit der Ueconstruction Pen- 
rose's ist schliesslich folgende Thatsache, deren Gewicht gewiss 
Niemandem entgehen wird. Aus den in ihrer ganzen Länge 
erhaltenen Architraven jenes Poros-Gebälks lässt sich die 
Breite des Gebäudes, zu dem sie gehören, bei der auch von 
Penrose gemachten Annahme, dass dieser Tempel ein Hexa- 
stylos war, mit Sicherheit auf 21,3°* berechnen. Ganz ge- 
nau dieses Breitenmass besitzt der vorhandene 
Unterbau des alten Athena-Tempels. Trotzdem teilt 
Penrose es nicht ihm zu, sondern setzt es auf einen Unterbau, 
der auf allen Seiten um einige Meter grösser ist ! 

Allerdings hat Penrose zwei Thatsachen angeführt, welche 
mit der Zuteilung des Gebälks zum alten Athena-Tempel nicht 
im Einklang stehen sollen. Einerseits soll der untere Durch- 
messer der Poros-Säulen, der aus den gefundenen Kapitellen 
annähernd berechnet werden kann, zu dem vorhandenen Sty- 
lobat des alten Tempels nicht passen. Es ist aber gänzlich 
unbekannt, wie breit der Stylobat an den Giebelseiten des al- 
ten Tempels gewesen ist. Nichts steht im Wege, ihm eine 
Breite von 1 ,8ö'" zu geben, so dass er uie Säulen, welche nach 
Penrose's Berechnung etwa 1,75 stark waren, bequem auf- 
nehmejQ kann. Die Breite des Stylobates war übrigens nicht 
einmal an den Langseiten überall dieselbe, wie aus einem 

ATHEN. MITTHBILUNGEN XVH. 13 



182 DER AELTERB PARTHENON 

Fragraent hervorgeht, welches Penpose abbildet (Taf. 18, 
Fig. 4) und der Ecke zuweist, obwol die Gestalt der An- 
schlussfläche eine solche Verwendung offenbar verbietet. Aus- 
serdem ist es nicht zulässig, wie es Penrosc thut, nach den 
Proportionen anderer Tempel zu berechnen, wie gross der 
Unterschied zwischen den Stylobatbreilen an den kurzen und 
langen Seiten höchstens gewesen sein könne Denn bei un- 
serem Tempel kommen zwischen den Baugliedern der bei- 
den verschiedenen Seilen Differenzen vor, welche man kaum 
für möglich halten sollte; so sind z. B. die Triglyphen an 
den Flanken nur 0,15°', an den Fronten aber 0,82" breit. 
Überdies kann man an der einzigen, noch an ihrer alten 
Stelle befindlichen Stylobatquader der nördlichen Seite er- 
kennen, dass auch hier der Stylobat ursprünglich 1,73" breit 
war und erst zur Aufnahme der Fussboden platten der Ring- 
halle um 0,14" schmaler gemacht worden ist. Die Breiten- 
masse der erhaltenen Fundamente des östlichen und west- 
lichen Stylobats gestatten uns sogar, noch über das für die 
Oberstufe vorgeschlagene Mass von 1.85" hinauszugehen. 

Andrerseits soll meine in den Antiken Denkmälern (1 Ta- 
fel 1) gegebene Ergänzung des Grundrisses nicht richtig sein 
können, weil bei ihr eine Säule der nördlichen Langseite ge- 
rade auf die Stelle trefle, wo wegen einer vorhandenen Ein- 
arbeitung ein antikes Weihgeschenk gestanden habe. Dabei 
hat Penrose aber ganz übersehen, dass der Stylobat der Nord- 
seite, soweit er nicht bei Erbauung des Erechtheion hat geop- 
fert werden müssen, mindestens vom Ende des fünften Jahr- 
hunderts ab keine Säulen mehr trug und trotzdem noch heute 
zum Teil erhalten ist. Im vierten Jahrhundert oder später 
konnte daher sehr wol ein Weihgeschenk dort aufgestellt 
werden, wo ursprünglich eine Säule gestanden hatte. Wir 
sind also vollkommen berechtigt, für die Zeit vor den Per- 
serkriegen eine Säule an der Stelle anzunehmen, welche jetzt 
die vertiefte Standspur aufweist. 

2. An dem Unterbau des Parthenon und zwar an der oben 
beschriebenen 16. Schicht der Südseile sind mehrere Mar- 



DER AELTEIIB PARTHENON 183 

ken sauber eingearbeitet, welcbe jetzt leider unter der Erde 
liegen und daher nicht mehr zu sehen sind. Ich habe sie vor 
einer Reihe von Jahren bemerkt und Herrn Penrose auf sie 
autmerksam gemacht, ohne sie damals erklären zu können. 

Im Ganzen sind 19 iMarken vorhanden, deren Abstände 
verschieden gross sind. Möglicher Weise waren früher noch 
einige mehr vorhanden. Wenn man von einzelnen besonders 
grossen oder besonders kleinen Zwischenräumen absieht, 
schwanken die durch die Marken bezeichneten Abslände zwi* 
sehen l,8U und '2,20'". Die grössten bilden entweder das 
zwei- oder das dreifache desselben Betrages. 

Nach Peni'ose sollen nun diese Maiken die wichtigsten 
Masse des 'lempelgrundrisses angeben ; namentlich will er 
die beiden verschiedenen Axweiten, welche das von mir dem 
allen Athena-Tempel zugeschriebene Gebälk aus Porös be- 
sitzt, unter den Absländen der Marken wiederfinden. In die- 
ser vermeintlichen Thatsache sieht er dann den wichtigsten 
Beweis für seine Annahme, dass das Gebälk zu dem älteren 
Parthenon gehört habe. 

Wer sich die Mühe nimmt, die langen Zahlenreiben Penro- 
se s durchzustudiren und seinen Berechnungen auf den Grund 
zu gehen, der wird mit Erstaunen bemerken, dass die angeb- 
lichen wichtigen Beweise nur wertlose Zahlenspielereien sind, 
durch die der verdiente Forscher meines Erachlens sich selbst 
irre geführt hat. 

Ich habe die Pflicht, dieses harte Urteil nicht unbegründet 
zu lassen, obgleich ich dadurch zu einer Abschweifung ver- 
anlasst werde, durch die unsere Kennlniss des älteren Par- 
thenon nur wenig gelordert wird. 

Wenn ein griechischer Architekt derartige Marken an dem 
Unterbau eines Tempels anbrachte, so konnte er dadurch ent- 
weder die Abmessungen der einzelnen Bauteile wie Pronaos, 
Cella und Opisthodom unmittelbar angeben oder etwa die 
Axen der einzelnen Säulen und Triglyphen bezeichnen, oder 
er konnte auch alle wichtigen Masse des Tempels für die 
Steinmetzen zur beständigen ControUe anbringen, im letzte- 



184 DER AELTERE PARTHENON 

ren Falle musste er aber Sorge tragen, dass die einzelnen 
Masse in irgend einer Weise genau bezeichnet waren, damit 
keine Verwechselungen vorkamen. Dies konnte in der Weise 
geschehen, dass alle Marken mit Buchstaben versehen, und 
besondere Listen zur Erklärung der Buchstaben angefertigt 
wurden; jeder Arbeiter konnte dann z. B. den Durchmesser 
der Säulen, die Axweite an den langen und kurzen Seiten, 
die Stärke der Cellawand, die Breite der Cellathür und viele 
andere Masse jederzeit finden und nachmessen. Je mehr sol- 
cher Masse angebracht waren, um so leichter konnten aber 
Verwechselungen vorkommen. Diesen Irrtümern war Thür 
und Thor geölTnet, wenn die Marken nicht mit Buchstaben 
oder in andrer Weise bezeichnet waren ; ich weiss wenigstens 
nicht, wie man überhaupt in diesem Falle ein bestimmtes 
Mass wiederfinden wollte. 

Am Unterbau des Parthenon sind nun keinerlei Bezeich- 
nungen an den Marken erhalten und, wie man aus dem guten 
Erhaltungszustand * ersehen kann, auch niemals vorhanden 
gewesen. Trotzdem glaubt Penrose, dass alle möglichen Ab- 
messungen des Tempels ganz wild durcheinander an dem 
Unterbau vermerkt worden seien. Die meisten Dimensionen 
des Tempels, welche er dort erkennt, sind überdies gänzlich 
unbekannt und konnten so von ihm unter den Abständen der 
Marken nach Willkür ausgesucht werden. Um nur an einem 
Beispiel zu zeigen, wie ungeordnet und geradezu verwirrend 
die Abmessungen markirt sein sollen, wähle ich drei am 
Tempel nebeneinander liegende Grössen, nämlich die Tiefe 
der westlichen llinterhalle, der westlichen Ringhalle und des 
westlichen Podiums um den Tempel; diese drei Abmessun- 
gen, deren Grösse vollständig unbekannt ist, erkennt Penrose 
ohne irgend einen Anhaltspunkt zu haben in den Abständen 
der Marken T-S, II -E und U-P wieder, wobei die Marken 
von ihm in der Reihenfolge von Osten nach Westen mit fort- 
laufenden Buchstaben bezeichnet sind. Einer solchen Me- 
thode vermag ich auch nicht den geringsten wissenschaft- 
lichen Wert beizulegen. 



DER AELTERE PARTHENON 185 

Noch unbegreiflicher ist mir — und damit kommen wir zu 
dem wichtigsten Punkte — ,\vie Penrose die beiden Axweiten^ 
des Porosgel)älks. nämlijh ^i,05"* und 3, 80'" unter den mar- 
kirten Absländen entdeckt und dann diese Thatsache zur 
Grundlage seiner Reconstruction macht. Die beiden Masse 
finden sich nämlich in Wirklichkeit unter den Abständen der 
Marken nicht genau vor; auch dann nicht, wenn man eine 
Marke überschlägt und von der erstell bis zur dritten oder 
von der zweiten bis zur vierten misst. Dafür soll aber das 
2fache, das 4 fache, das Sfache und das 17 7 flache der grös- 
seren Axweite und das 2fache, 3fache, 4 fache und 7fache 
der kleineren Axweite je einmal oder mehrere Male durch 
die Marken angegeben sein. Die letztere Axweite findet er 
ausserdem einmal als arithmetisches Mittel zwischen zwei 
Marken-Abständen, von denen der eine 3,79, der andere 
3,91"" beträgt. Ich kann mir nicht versagen, wenigstens an ei- 
nem Beispiel zu zeigen, wie das dreifache der Axweite von 
3,83™, nämlich 11,49", fünfmal unter den Marken wieder- 
kehren soll: B.C = 11,54, C-II = 11,54, D.I = 11,59, 
E-J = ll,56, J.P=11,47. Warum hat denn der alte Ar- 
chitekt, so fragt sich gewiss Jeder, nur unrichtige Werte 
durch die Marken bezeichnet? Wollte er sich und seine Ar- 
beiterabsichtlich irreführen? Oder hat er sich auf eine Länge 
von 11 Metern einmal um 7^" und ein anders Mal um 10*" 
vermessen ? Ich muss gestehen, dass ich diese Fragen nicht 
zu beantworten weiss. Auf keinen Fall kann ich aber zuge- 
ben, dass der Nachweis für das Vorhandensein der beiden 
Axweiten unter den Abständen der Marken erbracht ist. 

Die Erklärung der Marken, welche Penrose gegeben hat, 
ist somit ohne jedes Bedenken zu verwerfen. Leider vermag 
ich ihr keine bestimmte Erklärung entgegenzusetzen. Nur eine 
Vermutung über ihren Zweck will ich aussprechen. 



* Ich rechne hier un^l bei allen folgenden Zahlen die Beträge von engli- 
schen Füssen in der Weise um, dass ich 1 Fuss = 0,305'" setze. Für die in 
Betracht kommenden Zahlen reicht diese Genauigkeit aus. 



186 DER AELTERE PARTHENON 

Wer die Abstände der Marken, welche von Penrose S. 278 
zusammengeslellt sind, aufmerksam betraclitet. wird bald 
bemerken. dass sie zwar alle ohne Ausnahr.ie verschieilen sind, 
aber siimllich etwas mehr oder weniirer als 2'" betras:en. Bei 
der grossen Sorgfalt, mit der die Marken ausgeführt sind, 
darf man nicht annehmen, dass die Abweichungen durch un- 
genaue Messung entstanden seien und kann daher auch nicht 
daran denken, dass man das richtige Mass als arithmetisches 
Mittel aus einer grösseren Anzahl von Zwischenräumen be- 
rechnen könne. Man muss sich vielmehr die Frage vorlegen, 
ob es an dem Tempel nicht eine Reihe nebeneinander liegen- 
der Steine giebt, welche im Durchschnitt eine Länge von 
etwa 2" haben und dabei doch unter sich verschieden sind. 
Dies ist nun thatsächlich der Fall ; oberhalb der Marken giebt 
es solche Steine. Die Quadern der Stufen haben nämlich 
nicht, wie es bei jüngeren Bauten üblich ist. alle dieselbe 
Länge, sondern nähern sich nur einem bestimmten Durch- 
schnittsmass. So haben die Stylobatquadern auf der Südseite 
des Tempels (vgl. Tafel 8) an einer Stelle nebeneinander 
folgende Masse: 0.90, 0.94, 0,93. 0,96, 0.97, 1.00, 0.9r. 
Die Quadermasse der darunterliegenden Unterstufe, die aus 
Läufern besteht, sind : 1,72, 1,63, i,7'i, 1,70, 1,75, 1,78™. 
Die letzteren sind .also fast doppelt so gross als die Masse der 
darüberliegenden Binderschicht. Nehmen wir nun, was wir 
oben als möglich bezeichneten, über der aus Bindern beste- 
henden Oberstufe noch eine dritte Stufe an, so müssten deren 
Quadern folgerichtig etwas grösser sein als das Doppelte der 
Masse der ersten Reihe. Die F'ugen dieser obersten Stylobat- 
schiebt würden in diesem Falle genau mit den Marken zu- 
sammenfallen können. Die Marken würden demnach bei 
Herstellung der einzelnen Slylobatquadern vor ihrer Verle- 
gung hergestellt sein, um stets übersehen zu können, wie viele 
Steine noch angefertigt werden mussten, und um zu verhin- 
dern, dass in dem Stufenbau zwei Fugen zusammenträfen. 

Dass diese Erklärung der Marken glaubwürdiger ist. als 
die von Penrose gegebene, wird gewiss Jeder zugestehen ; 



DER ABLTERE PARTHENON 187 

trotzdem möchte ich sie vorläufig nur als Vermutung be- 
zeichnen, weil ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass sich un- 
ter den zahllosen Steinen der Akropolis vielleicht noch irgend 
ein Stein der oberen Schicht finden lässt, der die Frage zur 
Entscheidung bringt. 

Ist die Erklärung richtig, so würde auch die Frage ent- 
schieden sein, ob der ältere Parthenon drei oder zwei Stufen 
gehabt hat. Waren drei Stufen vorhanden, so ist die auf un- 
serem Grundrisse punktirte Anordnung der Säulen die rich- 
tige, während bei zwei Stufen die andere Anordnung die gül- 
tige ist. 

Auf jeden Fall ist es jetzt nicht mehr gestattet, die Marken 
als wichtigsten Beweis für die Zugehörigkeit der Porös- Bau 
glieder zum älteren Parthenon zu verwenden, und damit ist 
der Reconslruction, welche Penrose von dem älteren Parthe- 
non gemacht hat, auch die letzte Grundlage entzogen. — 

Ich wollte noch eine andere Frage hier erörtern, welche 
meines Wissens bisher noch nicht aufgeworfen worden ist, 
nämlich diejenige, ob der ältere Parthenon schon eine Cur- 
vatur der Horizontalen besitzt. Da aber neuerdings 
diese Curvatur im Allgemeinen von beachtenswerter Seite 
wiederum geläugnet oder \ielmehr als das Resultat der statt- 
gehabten Senkungen und Verschiebungen erklärt wird (J. 
Durm, Die Baukunst der Griechen ^ S. 168), so ziehe ich 
vor, diese Frage ausführlicher in einem besonderen Aufsatze 
zu behandeln. Ich werde dann zeigen, dass die Curvatur beim 
älteren Parthenon noch regelmässiger ausgeführt ist als bei 
dem Tempel des Perikles. — 

Zum Schluss bleibt uns noch übrig, die Zeit der Er- 
bauung des Tempels, die wir bisher nur im Allgemeinen 
ermittelt haben, genauer zu bestimmen. Aus der Bauart des 
Unterbaues, dem verwendeten Material und dem Inhalt der 
gleichzeitig mit der Errichtung des Unterbaues angeschütteten 
Erdmassen musste der Schluss gezogen werden, dass der 
Tempel in der Zeit nach den Perserkriegen erbaut oder we- 
nigstens begonnen worden ist. Man kann sich den Tempel 






188 DEB AELTERE PARTHENON 

auch nicht denken ohne die grosse südliche Burgmauer, 
durch welche sein Bauplatz erst geschaffen werden inusste, 
und welche unzweifelhaft erst dem Aufschwung Athens nach 
den Perserkriegen ihre Entstehung verdankt. 

Andrerseits muss der Tempel unbedingt älter sein als der 
Parthenon des Perikles, weil das schon vorhandene Funda- 
ment als Unterbau für den letzteren Tempel benutzt worden 
ist. Nur Themistokles oder Kimon können daher als Erbauer 
in Betracht kommen. Dass ersterer den grossartigen Tem- 
pel begonnen habe, ist mir unwahrscheinlich, weil dieser 
Staatsmann zunächst für die Befestigung Athens und des Pi- 
räus zu sorgen hatte und daher nur an die vorläufige Wie- 
derherstellung der von den Persern verbrannten und teilweise 
zerstörten Tempel denken konnte. Der grossartige Umbau der 
ganzen Akropolis und die Errichtung eines Tempels von der 
Grösse des Parthenon konnte erst zu einer Zeit ins Auge ge- 
fasst und begonnen werden, als die Persergefahr endgültig 
beseitigt war. Eine solche Zeit waren die Jahre, als Kimon 
an der Spitze des athenischen Staates stand. Ohne irgend 
welches Bedenken dürfen wir ihn als den Erbauer des statt- 
lichen Tempelunterbaues und damit als den Vater derjenigen 
grossen Pläne bezeichnen , welche später von Perikles zur 
Ausführung gebracht wurden. 

Als Bestätigung kommt hinzu, dass die südliche Burg- 
mauer, welche mit dem Tempel zu einem Baugedanken ge- 
hört, noch bis in die römische Zeit den Namen Rimons ge- 
tragen hat. Von dieser IVlauer und dem damals in die Höhe 
steigenden Fundamente des Tempels wird auch Aischylos 
sprechen, wenn er in den Schutzflehenden (134) sagt: epuera 
eiep' 4va)7ci' id^aXe^ (vgl. Bücheier, Rhein. Museum XLS. 
629). 

Eine genaue Zeitangabe über den Beginn des Baues lässt 
sich nicht machen. Ich vermute, dass der Entwurf zu dem 
Tempel schon vor der Schlacht am Eurymedon bald nach 
der Verbannung des Themistokles fertiggestellt und dass auch 
damals schon mit der Ausführung begonnen wurde. Unter- 



DER AELTERE PARTHENON 189 

brochen wurde der Bau wahrscheinlich, als Kimon in die 
Verbannung gehen musste. Die folgenden Jahre, in welchen 
die Athener gegen die Spartaner, die Böoter und andere Feinde 
Kriege zu führen hatten, waren der Wiederaufnahme des 
Baues nicht günstig. Dass man vor oder unmittelbar nach der 
unglücklichen Schlacht bei Tanagra (457) die halbfertigen 
Bauslücke des Tempels, nämlich seine Säulentrommeln und 
Stufenquadern, zum Bau der nördlichen Burgmauer verwer- 
tete, deren nordöstlich vom Erechlheion gelegenes Stück wäh- 
rend der Bauzeit zum Ilinaufschaffen der Steine offen geblie- 
ben war, habe ich schon früher als Vermutung ausgespro- 
chen. Obgleich ich noch immer keinen bestimmten Beweis 
dafür anführen kann, halte ich auch jelzt an dieser Vermu- 
tung als der wahrscheinlichsten Lösung fest. 

Eine Reihe von Jahren scheint verstrichen zu sein, ohne 
dass die Athener ihre grossen Pläne wieder aufnahmen. Erst 
nach der Schlacht bei Salamis (449) und nach dem Tode 
Kimons begann wahrscheinlich die frühere lebhafte Bautliä- 
tigkeit auf der Burg. Perikles war es, der zunächst den gros- 
sen Athena-Tempel wieder in Angriff nahm und ihn in ver- 
hältnissmässig kurzer Zeit in etwas veränderter Gestalt zur 
Ausführung brachte. 

WILHELM DÖRPFELD. 



-►-c»>*9gS«^ 



zu GRIECHISCHEN INSCHRIFTEN 

1. Das folgende Bruchstück einer Weihinschrift aus Per- 
gamoo (Jüscürifleo voo Pergamon 1 222) ist \om Herausge- 

A J O I Y i wi x«6TQy6(i.6vi 

ic AITOIZ 
APtZTAPXO; 
T TIBAAE 

ber ro issverstanden worden Die letzte Zeile, sagt M. Fran- 
ke!, scheine in einem Verse — er schreibt t[.. (j]ti6xXc[u — 
den Anlass der Weihung angegeben zu haben. Arislarchos 
möge es dem 'führenden' Dionysos zu danken geglaubt ha- 
ben, dass er in einer Notlage eine Streu als Lager antraf. Am 
Schlüsse der zweiten Zeile könne toI; Saxopoi; gestanden ha- 
ben, doch fünden sich aus römischer Zeit in Pergamon Weih- 
ungen, die dem Dionysos Rathegemon in Gemeinschaft mit 
einem Thiasos dargebracht sind, vielleicht sei dies auch hier 
der Fall. In der That wird man dieser letzteren Annahme 
den Vorzug zu erteilen haben; es liegt am nächsten toi; {xOcTai; 
oder, wenn man lieber will, toi; ßouxoXoi; zu ergänzen. Dass 
sich an den Dionysosdienst in Pergamon ein Mystenverein 
der ßouxo^oi schloss, ist durch den Moudciov xal ßi6Xio6Y}3CY) tti; 
EuayyAixYi; ^^jolric; II, 1. 1875/6 S. 4 und von C. Curtius, 
Hermes 1873 S. 39 herausgegebenen Stein (vgl. R. Scholl in 
der Sauppe gewidmeten Salura pkilologa S. 176) erwiesen, 
und für die Fassung der Inschrift kann ich eine ganz ent- 
sprechende Weihung, noch nicht veröQentlicht, AtovOccp 'Ap- 
yeßxxycj) xal Tot; fjfjaTat;, aus Seleukeia am Kalykadnos anfüh- 
ren. Z. 'i lese ich t[o c]ti6xS«[iov aveOr,xev, ix töv iSiwv oder 
ähnlich, wie auch immer. Das Wort ist in der Bedeutung, 



zu GRIECHISCHEN INSCHRIFTEN 191 

die es hier hat, aus dem Lateinischen geläufig: stibadium 
bezeichnet eine Art Speisesopha. über dessen Gestilt und mit- 
unter reiche Ausstattung zahlreiclie Zeugnisse der Schrift- 
steller Auskunft geben *. Ein solches <iTtSxSiov hat Aristarchos 
dem Gotle und seinen Vereinsbrüdern zu ihren Gelagen ge- 
stiftet. Der Steinmetz hat <7TtozSsiov ges::hrieben ; der Schrift 
nach, die vom Herausgeber ausdrücklich als * nicht sorgfäl- 
tig* bezeichnrt wird, scheint es mir nicht nur möglich, sondern 
sogar wahrscheinlich dass der Stein jünger ist als die Zeit, in 
welche er nach Fränkels Anordnung gehören würde. 

Vielleicht ist in ähnlichem Sinne die Ergänzung einer an- 
deren Inschrift zu versuchen. In einer sorgfältig gebauten 
Mauer auf dem Abhänge des Pagos in Smyrna hat Ramsay 
einen Stein mit folgender Inschrift gefunden {American Jour- 
nal of archaeology \ S. 138) 

Mxpxo; iIgfTwpto? I *Api<7TÖXuxo; tt.v CT! |. . AAN i$r)pTi<y8v 

Ramsay ergänzt Ty;v cTi[>gt]Sxv (für (jtu^siSxv) und meint Ge- 
genstand der Widmung sei die Umfassungsmauer des Grund- 
stückes, welches den rav'jar^SstTat gehörte; sollte aber nicht 
vielmehr tt.v (yTi[6x]Sxv zu lesen und anzunehmen sein, dass 
die von Ramsay gesehene Mauer die Umfassung der cti- 
6x;, des Lagers, darstelle, dessen die Brüderschaft zu ihren 
Schmausen bedurfte? Ob diese Vermutung das Richtige trifft 
oder nicht, würde sich nur angesichts der Mauer selbst ent- 
scheiden lassen; vorläufig sind meine Erkundigungen nach 
ihrem Schicksa e leider erfolglos geblieben. 

2. Für eine Lücke von nur zwei Stellen in dem atheni- 
schen Psephisma, das in den Berliner Sitzungsberichten 1888 



« V«l. Marquarrll, Privalleben der Römer S. 307. Pliniiis (Ep. V 6, 36) 
bcsclircihl ein sulclics siibadium aus weissem Marmor: Ex siibadio aqva, 
velul ea-prexxa cuhanUum pondere, sipunrutis effluil, caralo lapide svsripi- 
iur, grarili mannure coniineiur^ alque üa occuile tempe'^alur ut impleai nee 
redundel, (iuslntorium gravwrque cena margini iinponilur leviur naucula^ 
ruin et avium figuris innatans circumü. Vgl. dazu Wiunefeld, Jahrbuch VI 
S. 209. 



192 zu GRIECHISCHEN INSCHRIFTEN 

S. 243 V 19 und von Mylonas im Bull, de corr, hell. XII 
S. 138 herausgegeben worden ist. sclieint mir, trotzdem es an 
Vorschlägen nicht mangelt, die richtige Ergänzung noch nicht 
gefunden. Es handelt sich um die Eidesleistungen, welche 
anlässlich des Reitrittes der Methymnaier zum Seebunde statt 
zufinden haben : Z. 1 9 ff ImixeXr.OYivai Si At<yifJLov xal toO; cuve- 
opou; Tou; i~t T(5v . . (i>v o~<i); iv oaödüx^iv at ifx,*' *^ Mri6i»(xvat(i>v 

xaOirep ol a^Xoi ^JajjLayoi. Mylonas hat an i-rzl töv [töttJwv ge- 
dacht, doch fordert dies Wort eine Stelle mehr als strenge ge- 
nommen zur Verfügung steht. IVlit Rücksicht auf den Raum 
schien Szanto, Athen. Mitth. XVI S. 30, 1 nur eine einzige 
Ergänzung, IttI täv [Xijwv, möglich : den cuvsSpoi der Chier 
als der ersten Unterzeichner der Bundesurkunde sei die Ob- 
sorge für die Eidesleistimg der später in den Bund getretenen 
Methymnaier anvertraut worden. Aber sprachlich wie sach- 
lich ist dieser Vorschlag anstössig: sprachlich weil, wie Szanto 
selbst bemerkt hat, ol cuveSpoi ol £-1 töv Xiwv nicht *die c0v6- 
Spoi der Chier' bedeuten kann, sachlich, weil die bevorzugte 
Stellung, welche den dOvsSpoi der Chier nach Szanlo's Erklä- 
rung zukäme, durch den Umstand, dass sie zuerst wieder in 
ein Bundesverhültniss mit Athen traten, nicht ausreichend be- 
gründet scheint. Somit war Judeich in vollem Rechte als er, 
Rleinasiatische Studien S. 269, eine andere Ergänzung ver- 
suchte: aber seine Vermutung i-l twv [opxjwv hat wiede- 
rum gegen sich, dass sie eine Stelle zuviel erfordert, und 
man wird sie deshalb, wenn auch in der Inschrift Verstösse 
gegen die strenge Ordnung der Buchstaben nicht fehlen, 
verwerfen müssen, so lange irgend eine Möglichkeit be- 
steht die Lücke ohne Überschreitung der regelmässigen Stel- 
lenzahl zu iüUen. Ich habe nie daran gezweifelt dass too; 
(juveSpou; toü; iizl töv [vsJöv zu lesen ist. Aisimos und die (juvg- 
Spoi 'die auf den Schiffen sind' sollen für die Eidesleistung 
der Behörden von Methymna sorgen. Dreierlei Eidesleistung 
wird in dem Psephisma angeordnet: die Gesandten der Methy- 
mnaier sollen in Athen denselben Eid wie die übrigen Bundes- 
genossen den (in Athen anwesenden) <7uve$poi des Bundes und 



zu GRIECHISCHEN INSCHRIFTEN 193 

den Strategen und Ilipparchen (der Athener) leisten; den 
Methymnaiern (d. h. den in Athen beCndlichen Gesandten) 
haben die dJvgSpot der Bundesgenossen und von athenischer 
Seite wiederum die Strategen und Ilipparchen einen entspre- 
chenden Eid zu schwören; drittens werden aber auch die Be- 
hörden in Methymna zum Eide verhalten: und mit ihrer Ver- 
eidigung ist eine besondere Commission betraut, Aisimos 
und die oüveSpoi *aut den Schiffen', die eben zu dem Zwecke, 
den neueingetretenen Bundesgenossen den Eid abzunehmen, 
auf See ist. Dass die Ergänzung richtig ist, lehrt schliesslich 
der Stein selbst; ich habe bereits vor längerer Zeit festgestellt 
dass, obwol die Oberfläche des Steines an der fraglichen 
Stelle ausgesplittert ist, dennoch genauere Untersuchung nach 
Töv die obere Endigung einer senkrechten Kaste erkennen 
lässt, welche ihrer Stellung nach nur zu einem HK oder N 
gehört haben kann. 

3. Die Ergänzung des Inschriftbruchstückes C, L A. II 
333 hat Köhler mit der Begründung abgelehnt: ' Vides de 
sententiarum tenore dubium esse non posse^ verba diverse 
restitui posse\ Gleichwol scheint mir nur eine einzige Her- 
stellung Richtigkeit und Geltung beanspruchen zu dürfen. Ich 
lese Z. 2 ff. : 

*AOr,va]tou; (X6V Aa)C6Sa»|[u.ovioi5 6[y.6<jai too? ti ap^rovia? Kxi 
Too]; aTpxT-Joyoo; xai t|[7;v fiou^y.v xai Itutcxo/ou; xal iTtTca? xat] 
(p'jXipyo'j; xat Ta$t^|[xpyo'j;- (zwei Stellen frei ) vr) Tov Ata 'AxöX 
X<i)va "ApTSfjLtjv "HXtov "ApY) *AOy)väv 'Ap6|[{av IloGstSa) AY;(xr,Tca 
ilJLacvo'jGt ]},W\ h xiX Gjy.iL7.yian nX yEy|[Evy,;/.£vit itvai auTOi^ TtoXXi 
xal a]yaOx, i77topxo'j(Ti 8^ Tava|[vTia. (zwei Stellen frei) AaxeSai- 
(xoviwv 8e 'AÖYjvaJtoi; ojAO^iai xari rauTi toü|[; ßaaiXei; xai tou; 
i^öpou; xai] tou; ytpovTai;' xata TaOra S|[£ OjAO-jai xai xaxi toc \Ta^; 
aXXx^] Tzi'kn; to'j; apyovTa; (zwei Stellen frei). 'Eiv 8'Q|[i Soxit 
Aax6Sxt{JLovioi; xal t]oi; (j'jtxax^^ot; xal *A6r)vaioi; | [xjjutvov tuen 
TTpoiOaivat Tt] xal af sXsiv :ripl xri; aj^i,'j.%/i\[oL^ o iv Xoxet ijx^OTspoi^ 
luojpxov Etvxr ivxypa^at ^l Ty;v (7'j[v6/iXT)v Ta; woXii; iv cTTjXat]; 
xal (jTYiiat dv (Epcüi 6"0u iv ßo'J([X(i)VTat. 

Die Ergänzungen der Z. 10 ff. stammen von Köhler, der 



194 2U GRIBCHISCHBX IXSCHRIFTBN 

nur Z. 13 eine Lücke gelassen hat, welche P. Grätzel, De 
pactionuni inter grascas civitates factarum . . . formuUs. 
Di'ss. Hai. VII S. 59 durch orr.i äv Soxyit iiLtforipoi^ hat aus- 
füllen wollen. Die Worte T[Yiv ßo'jXy;v bis J^Azp/o'j; hat P. 
Rrech, De Crateri ^r9i<7üLXT<i)v cuvaywyr, S. 1U5 ergänzt. Meine 
Herstellung setzt 48 Stellen in der Zeile voraus; genau soviel 
Stellen zählen die letzten Zeilen der unten verslümmelten gros- 
sen Stele C. /. A. II 332 mit der ßündnissuikunde des chre- 
monideischen Krieges. Köhler hat die Zusammengehörigkeit 
der beiden Stücke dahingestellt sein lassen und die Entschei- 
dung über dieselbe von neuerlicher Besichtigung der Steine 
abhängig gemacht; ich kann auf Grund einer kürzlich vorge- 
nommenen Prüfung versichern, dass in dem von mir ergänzten 
Bruchstücke thatsächlich der Schlussteil der Urkunde C, LA. 
II 332 vorliegt. Meine Ergänzungen werden sich selbst recht- 
fertigen; ob sich Röhler's Vorschläge für die Herstellung der 
letzten Zeilen des grösseren Stückes aufrecht erhalten lassen, 
ist zweifelhaft. 

Smyrna, März 1892. 

ADOLPH WILHELM. 



ÜBER DIE LAGE DES ASKLEPIOSHEILIGTUMS VON TRIKKA 

Als \V. Amelung und ich Anfang Juni dieses Jahres in 
dera thessalischen Trikka einen zweitägigen Aufenthalt nah- 
men, richteten wir unser Augenmerk besonders darauf, für 
die Lage des altberühmten Asklopiostempels dieser Stadt nach 
Anhaltspunkten zu suchen; eine bestimmte Ansicht über die 
Lage des Asklepieions von Trikka war bisher nicht aufgestellt 
worden, erst vor Kurzem hat R. Vlytsakis, Rechtsanwalt in 
Trikkala, in seiner verdienstlichen 2:;'jvToy.o; tcTopta ir,(; tjo- 
>£(i); TptJCJciXwv. Athen 1892 S. ü die Vermutung eines nicht 
namhaft gemachten archäologischen Besuchers von Trikkala 
veröflentlicht, nach der das Asklepieion in der Argatzitika 
oder Kukodschami genannten Gegend zu suchen ist. Was zu 
Gunsten dieser Ansicht spricht, sind einmal Quellen, die in 
der Nähe der dort früher stehenden Moschee Kukodschami 
ziemlich reichlich aus der Erde hervordringen und jetzt noch 
z. T. von den Resten mittelalterlicher und türkischer Quell- 
häuser eingefasst sind; ausserdem Architekturtrümmer und 
andere antike Bausteine, die in der Gegend der Moschee her- 
umliegen. 

Da wir durch persönliche Güte des Verfassers die Schrift 
gegen Ende unseres Aufenthalts in Trikkala erhielten, so konn- 
ten wir die von ihr bezeichnete Örtlichkeit noch selbst be- 
suchen und an Ort und Stelle die Ansicht von Vlytsakis ge- 
gen eine Vermutung abwägen, auf die wir gleich bei der ersten 
Durchwanderung des Stadtgebietes gekommen waren. Unter- 
halb der Stelle, wo heute am Abhang des Schlossberges statt 
der vor etwa 10 Jahren abgebrannten Metropolis ein statt- 
licher Neubau errichtet wird, liegen dicht am Flusse zwei 
Quellen, die weiter oberhalb gelegene als Melropolisquelle, 
die etwas weiter unten an einer Biegung des Trikkalianos 



496 UEBEfl DIB LAGE DES ASKLEPIOSHEILIGTUMS VON TRIKKA 

liegende, mit einem obeliskförmigen Oberbau gezierte von 
den Einwohnern als Gnrna bezeichnet. Zahlreich herumlie- 
gende antike Bausteine, der Quellreichlum der Gegend und 
die vortreffliche Lage nahe am Mittelpunkt der alten Stadt 
brachten uns auf den Gedanken, dass hier wol am ehesten 
das berühmte alte Heiligtum zu suchen sei ; zum Glück bie- 
ten sich bei der Entscheidung zwischen Argatzitika und Gur- 
nagegend noch zwei konkretere Kriterien dar, auf die hier kurz 
hingewiesen werden soll. Kann nämlich in Bezug auf das 
Vorhandensein von Quellen die Umgebung der Gurna min- 
destens gleichen Anspruch erheben wie die Gegend der Ku- 
kodschami, so spricht eine von Vlytsakis nicht herangezogene 
Stelle des Isyllos von Epidauros entschieden zu Gunsten eben 
der von uns bezeichneten Lage; wir lernen aus dem dritten 
Gedicht des epidaurjschen Lokaldichters (s. Wilamowitz, Isyl- 
los S. 11 f.), dass in Trikka sich ein Adyton des Asklepios 
befand, zu dem die Befrager des Gottes in der üblichen Weise 
hinabsteigen mussten. Das Vorhandensein dieses Adyton weist 
auf Lage des Heiligtums am Abhang eines Berges hin und 
ein solcher ist an der von Vlytsakis für das Asklepieion in 
Anspruch genommenen Stelle nicht zu finden, während hin- 
ter der Gurnaquelle ziemlich nahe am Flusse der Anstieg des 
Schlossberges von Trikkala beginnt, ein Adyton an diesem 
Berge etwa in der Gegend der neuen Metropolis oder der da- 
hinter liegenden Schule also leicht anzunehmen ist. 

Die in der Umgebung der Gurnaquelle herumliegenden Ar- 
chitekturreste sind weit zahlreicher als die bei der Kukodscha- 
mi vorhandenen; während bei den letzteren Verschleppung 
von anderswoher von Vlytsakis selbst als wahrscheinlich be- 
zeichnet wird, ist für erstere nach der ganzen Art wie sie im 
Boden stecken das Gegenteil ziemlich sicher. Zwei Basissteine, 
die wir der Gurnaquelle gegenüber an einer seichten Stelle 
des jetzigen Flusslaufes fanden, schienen uns noch nebenein- 
ander an ihrer Stelle zu liegen und damit die Richtung eines 
antiken Weges zu bezeichnen. 

Bei den Nachforschungen, die wir nun weiterhin bei den 



UEBEfl DIE LAGE DES ASKLEPIOSHEILIGTUMS VON TRIKKA 197 

Anwohnern der vermutlichen Stelle des allen Asklepiosbezirks 
nach etwaigen Resten anstellten, ergab sich ein Fund, der 
unseres Erachtens eine ziemlich ausschlaggebende Beweis- 
kräftigkeit besitzt Während im Hause des Dim. Kastrakitzas 
nur ein männlicher Porlrätkopf römischer Zeit zu finden war, 
legte man uns in dem Nachbarhause, dessen Besitzer Achil- 
leus Takestis ist, ausser dem Fragment eines Grabreliefs, auf 
dem ein nach 1. stehender Mann einer ihm gegenübersitzen- 
den Frau die Hand reicht, eine Reihe von Terrakotten vor, 
und es kann nach dem bisher Gesagten kaum ein Zufall sein, 
wenn sich unter diesen nach ausdrücklicher Versicherung des 
Besitzers an Ort und Stelle gefundenen Antiken eine Thonfi- 
gur des Telesphoros, ein Hahn und die Figur eines Wickel- 
kindes befanden; alle drei weisen deutlich auf das Vorhanden- 
sein eines Asklepioskults an dieser Stelle hin. 

Es würde eine einfache und lohnende Aufgabe sein, an de- 
ren Ausführung uns leider die Kürze unseres Aufenthaltes in 
Trikkala gehindert hat, dem dortigen offenbar ziemlich reich- 
lichen Antiken bestand namentlich im Privatbesitz nachzugeh- 
en ; was aber noch wichtiger wäre und bei der starken Bau- 
thätigkeit an dieser Stelle nicht zu lange verschoben werden 
dürfte, das ist eine Versuchsgrabung zur Ermittlung des alten 
Asklepiostempels ; sie wird an der hier bezeichneten Stelle mit 
ziemlicher Aussicht auf Erfolg unternommen werden können. 

Athen, Juni 1892. 

JULIUS ZIEHEN. 



AtHBN. MlTTHfilLUNGBN XVll, 1 4 



MAIONIKAI EnirPA<>AI ANEKAOTOI 

'Ev KouXoi; (AfTff ep07)<rav [xeTa^u 6yx(i>$(i&v [iLapaxpcov xal Suo 
ffTTiXai, oxtt)^ j^pir)(yijA£U(y(i)(itv 8i< ttjv oixo$0(i(.7)v toO dv Ta^-jxaj^^aXi 
av6ysipo[AEvou rJ^aiiiiou xal [xivape. 'E-l töv Siio to'jtwv arr^öv UTTxp- 
j^ouci Tpsi; d7:'.ypa^ai, t) jAev wpwTY) ixl xr; (xiä;, at ie Soo (iigya- 
>.6iTfpai ItcI Tfi^ aXXY)^. Kai ttJ^ |xiv TrpwTTi; Ta ypafJL(it.aTa xaTexx- 
Xu^STjaav TiSy) Iv tyI oixo8o(AYi, ttJ; Se aXV/); SiivavTat v' ivayvoxröü)- 
(Jiv In. 'AvTiypa^a TcwTTa töv iTciypa^öv toütcov Xa6(i>v lyxaipo)^ 6 
auTÖOi Xoyto? x. X. 'AXe^iou ixlaTetXcv yjjaiv xpoc STnfJiodte'jdiv, d^'w 
xal iicovefiLOfJLCv auTCj) STiaodiqt Ta; Seouaa; suj^aptaTia;. AI «jTYiXat 
auTai, (b; lCY2xpi6a>9Y), [AeTSxojjLicOYiaav 1^ IpEiTrioiv x£i[i(.Ev(t>v ev ty) 
öX<|^ T^ iyou(J7i Ix Toö wapi Ta KouXa jjCi^pioxj FxioXSe sU to X'^P^^'* 
SapaTcXdcp. (hpex. 'AiJLiXOsia 1892, 20 Maiou, ipiO. 5046). 

1. 2T7)Xti TßTpaTcXcupoc, uij/ou; 0,80 xal TuX&Toi»; 0,30, ^gpouaa 
tt; Ta; TEderapa; ycovia; xE(paXdc; xpici^v. 

ETOYZEMlPMrOPniAl 
OYBMHNO(t>ANHZMH 
NO(t>ANOYZZMYPNAIOY 
AnOAAnNINIZYPEITHI 
E n I (t> A N E I E Y X H N 

"Etöu; E(A^i^p' (iL(ir)v6;) Fop^iaiou 6' Mr)vo^4:vir); MriV09&vou; 
S(jLupvato[;] 'AttoXXwvi NtffupEiTYj in^avEt eOj^y)v. 

2. Srn^T) TETpiiTC^Eupo; uij/ou; 1,30 xai 7uX4:tou; 0,40. 

ETOYZZPOMAHEAAAIOY 
AOYKIONTONEIEPHTONNEn 
TEP0NETEIMHZANA0YKI02 
OlOYAOZOnATHPOMOinZ 
5 KHMHTHPOEOAnPAKOAAEA 
0OZEPMA2KAAEA0AIOE 
OAnPAMEAlTHNHAHEAAl 
ANHKOMHTPn^OEOAflPOZME 
TATHZZYNBIOYMEAITHNHK 



MAIONIKAI EnirPA«AI ANEKAOTOI 199 

• 

10 AOYKIAAAAinATPAIMETATnN 

ZYNBinNnOAYKAPnOZKEni 

KTHZIZTONEAYTnNTEOPAM 

MEN0NEniKTHZIZTP0<t>IM02 

lOPTIKOZONHZIMOZEniKAP 
15 ni AAPI Ar N HnANO E I A K O M O 

AIAAAYAKINOIZONHZI<j)OPOZ 

TONEAYTflNSYNTPO(t>ON 

AOYKIOZOnATPftSMETATHZ 

ZYNBlOYKTnNTEKNflNK 
20 TftNIAIflN-AnAOKOMAZMETA 

THZSYNBlOYKAITnNIAIftN 

AXIAAEYZMETATHZZYNBIOYK 

TflNI AinN-AlONOIZIOZOZYN 

rENHSMETATHZZYNBlOYKTON 
25 fil//i\\A\n^ <l)|AEINOZMETATnN 

lAlftNANTflNEINOSOEniZTA 

THZTATIANOZOIHTPOZTON 

MAOHThNrPA<|)IKOZK<j)IAOnA 

TftPOl I AlOYAnOAAONIOY/// 
30 TON(|>IAONKIOYAI ANOZO An 

nAZKOIIAlOinANTEZMN 

EIAZXAPINETEIMH2AN 
BinSANTAE TH I- H- 
"Etou; <i[9]Ö' ("-(tvo?) 'A:ti».aiou | Aouxtov tov eltpri tÖv vsä- | 
T6pov iTtiftriiav Aou*iO{ | 0iou^o< 6 xxTTip ojaoiw; | ^ x(ai) * t) pi.r;T»ip 
SsoSwpa x(ai) 6 iSc>|^ö? 'Epjxx? x{xi) äSsX(pal0t|oS<!>pa, MeXiTTivri, 
'An:tXXi|aviri, '«(ai) 6 fiiTiTp«; ©eoSwpo? (At|Ti zrti (Tuv6tou, MtXtTY)v») 
x(al) I '"AoujctXXst ai irctTpai ^ixk töv | (xuvßiwv, rioXüxapTCOf x(at) 

'ETttlxTYlOl? tÖv IxutÖV T69pa|(JI.£VOV, 'Eitür»ici{, Tp6fl|t04, I .opTi- 

x6?, 'Ovyi(ii(ji.o?, 'Eicuapl'^wia, 'Apt&yvTi, Il&vOtia, Ko|jio|4{XXa, 
TaxtvOi?, 'OvTiffioopo? I tÖv eauTÖv «livTpo^ov, | Aotixip; 6 «XTpo)« 
(AST* TYJ; I (Tuv6iou x(ai) töv Ttxvwv x(al) | ^^ twv iSicov, 'AtcXoxoixS; 



< [Das xal ist in diesen Inschriften meist durch K- wiedergegeben; wegen 
Mangels an Typen konnte im Druck daßr nur K gesetzt werden]. 



?00 MAiONiKAi EnirpA<i>Ar anekaotoi 

(iiTi I TTJc <i'jv€iou xxi Töv iS{o>v, ( 'Aj^tX^iu; {teta TYJt ouvßiou x(al)| 
Töv t$i(i>v, Aiov(0)<TtO( ö ouv|y6vy); (itri t»); ouvßiov» )c(ai) töv |'^^ [irjai- 
Si«öv[;], ^iXeivo? («tx twv | toiwv, 'Avrwveivo; ö in;t(TTÄ|T7){, TaTiavo? 
6 iY)Tpö{ Tov I (ia6if)Tr,v, Fpa^ixo? x(ai) ^t>owA|TCi)p oi toio[i] 'AxoX- 
Xuvtou ( '" tÖv cpiXov x(ai) 'louXtavö; ö air|:ta; jc(ai) ol loioi «ivTe? 

AIONYZIONTONIEPHTONNE 
öTEPONETEIMHSENOnATHP 
AnOAAßNIOZ§0 YAI02XAM§ 
ZflNOMOIflZKHMHTHP<t>l 
5 AOZENHKAIOAAEA(l)OZAOY 

KIOZOlOYAOZOMOlflZKAOY 
KIAAAHAAEA<t>HKAIOTTATPß Z 
AOYKIOZKATT<l)IA2HTHOE IZ 
KAI0NYZI02KA0YKI0ZT0N 

10ZYNrENHKct)IAOZENOZO 
nAnnOZEAEYOEPOZOMH 
TPflZrPA<|>KOZEniKTHZIZEY 
TYXIA<|>OPTOYNATAnOAY KAP 
TTOZTPo4>IMOZTONEAYTa N 

15KYPIONTPO<|>IMOZAOPY<t>OPOZ 
f/YAPTAKOYAPTEIN O ZTO N 
EAYTaN<t>IAONTPO<t>IMOZ K AI 
<|>IAOnATßPKEYTYXI ZT O NT E 
OPAMME NONBI SiJ ANTAETHIh f 

20 TTAPAHMEPAZ-O- MNEI A_Z2< A f ' N 
ETEIMHZANETOYZZZHÄÄH 
AYANAlOYr 

AtOVUfflOV TÖv UpYJ tÖv V6|<iT£pOV lTJt|XYl«V 6 WÄTTlp | 'AxoXXwVlO? 

['I]ouXio< Xapi.cwv [XajAxiXewv;] | OjAOtw? x(ai) ri (trjTYip $t|^Xo$6VY) 
xocl 6 oLotXcpö; Aou|xiO( OtouXo; ö(iioib>{ x(ai) Ao'jjxtXXa t) äSeXs); xai 
ö irarpw^ | Aoiixio? x(ai) 'Aircpiä? y) Tviö^t^t? | x(al) AiovusiO' x(ai) 
Aouxio; tÖv I *" (T'jvY6vvi x(at) $iX6$6vo; 6 | tcäicTCo;, 'EXeuöspo; ö {ji.tq-| 
Tp<ö{, rpa^(i)xö?, 'ETcixTYion, EviJTuj^ta, ^opTOuvira, noXux»p|wo;, 
Tp6?»{*o; TÖV eauTöv | '^xupiov, Tp6(pi(ji.o<, Aopuflpopo;, | [Ko]u«pTa, 



M. TiL\KlTOrA01'2:. 



«•» 



INSCHRIFTEN AIS PERINTHOS 

In der SaninüuD^ des Herrn Ana$lasios K. P. Sumulis xu 
SiliYri (Selymbria), aus welcher schon mehrere Inschriften 
bekannt ^machl sind '. befinden sieh auch die nuehslehend 
mitteilten in Perinthos gefundenen Texte. Der Besitier hatte 
die grosse Freundlichkeit, uns eine Photographie, die nur leider 
der Kleinheit wes^n für die Buchstaben oft im Stich lässt> 
Abschrift und Beschreibung der Steine zur Verfügung xu stel- 
len, auf Grund deren die Veröffentlichung erfolgt. 

1. Grabstein von TS** Höhe. SS** Breite, Buchstabenhöhe 
2'/o**. Die Inschrift sieht in einem etwas vertieften Viereck, 
das von einem schmalen Band umgeben und von einem fla- 
chen Giebel überhöht ist, der von einem Pflanzenornament 
eingenommen wird. 

BACCIAnAUüTEINAKAlAOY 
CIOCMEAIKEPTHCBACCI H 
0AYCTEINH -EKNUÜTAYKYTA 
TUÜTHNCTHAAHVIKETATOV 
5AATOMIOVUÜ N-C AKENOIKA ""EOE 
KE A M\H M-C XAPINOCAAKE "EPOC 
ANY5HTOAATOMIKKAIEKBA A H 
T-N K A T A K E I r^E N-N A U) C E I T U) 



* Vgl. Archäologisch - epigraphische Mitlheilungen aus Österreich VIII 
S. 204 ff. A. Dumont, Milanges d'arehiologie S. 367 ff. 



802 INSCHRIFTEN AUS PERINTH08 

IEPUUTAT(JÜTAMEI(JÜ»(B(1> 
10 I hC A C hE T H . I B • M H 

NAC-r- XAIPEnAPOAEI 

TA 
BoLaaioL Il^WTiiva xai Aoudio; MeXixepTT); Ba(j(Ti(cjt) ^auGTiivY) 
Texv(j) yXuxuT4:T(j) tyjv <jty;X^yiv (AeTOt toO ^aTO(JLtou (ovYjcajxcvot xaTS- 
6£[X60a jAVYjjAYj; X*P'^» 2? S' av eTSpo; iv(oi)^y) t6 XaTOjJWv xal 6xSi:XY) 
TY)v xaTaxEifXEVYjv S(i)(j£i Tcp Up<i)TaT(j) TajXßici) ^ ^6?'. ZrjflrdcoT) Im 
i6' (Ariva^ y'. Xatpc TrapoSsiTa. 

Zu XaTOfjLiv vgl. Dumont, Me'langes S. 394. 
2. Grabstein, 90*^ hoch, 41 breit, Buchstabenhöhe 3. Der 
Hauptteil des Steines wird von einer Reliefdarstellung einge- 
nommen. Rechts steht vor dem d reibein igen Hackklotz in 
kurzem Gewand ein Mann, im Begriff, mit einem Beil eine 
auf dem Klotz liegende Masse zu zerteilen : es ist offenbar ein 
Fleischer, ähnlich wie Leipziger Berichte 1861 Taf. 13,1 
(Daremberg und Saglio, Dictionnaire des antiquites I, 2 S. 
1159) und Arch. Anzeiger 1889 S. 102. 156,1. In der Mitte 
sitzt, wie auf dem letztgenannten Relief, die Frau ; weiter nach 
links, zum Teil hinter ihr erscheint das zum Aufhängen des 
Fleisches dienende Gestell, eine Wage, ein dreibeiniges Tisch- 
chen, und auf diesem oder dem untersten Brett des Gestells 
ein Schinken und ein undeutlicher Gegenstand. Über dem Re- 
lief erscheint zwischen grossen Eckakroterien ein steiler Gie- 
bel, in diesem nach Herrn Stamulis Angabe ein bärtiger Kopf. 
Unter dem Giebel steht 

XAIPenAPOAh ITA 
unter dem Relief 

AAe5ANAPOCAIOTeillOY 

KATecKeYAce n e ktuün 

lAlUüNTHNCTHAH N KAITO 

AATOMlONeAYTUüKAI 

THrYNAIKlMOYAGHNA 
lAlUüCMHAeNAeTePON 

eniBAHeHNAi 

XAipe 



UTTKlULTini M3 

Xxtpe 7xp^iT9L. 'AlcfxvSdo; AtOTcip.o*j x9tTtoxrix«r» ba nfiv 
vxi^, «; ar.Sivx etssov iTTißXr.Wjvxi. Xxips. 

3. GrabsleiD,92*" hoch. 61*" breit, BuchsUibenhöhe ?*■. Der 
obere Teil ist mit einem Giebel und Eckpalmetten verziert, im 
Giebelfeld erscheinen eine grade, eine gebosrene Flöte und 
zwei Becken. Darunter ist eine übliche Totenmahldarstellung, 
das Ehepaar gelagert, vor ihnen ein rundes Tischchen mit 
Speisen, zu dem ein kleiner Hund aufspringt, rechts ein 
Mädchen sitzend Darunter steht die Inschrift : 

AYP-2EBHPA-AYAOYKATE2KEYAZA 
TOAATOMINZYNTHAAHEMAYTH 
KAITOrAVKYTATOMOYANAPlAYP. 
AIOPENEIKAITOIZTEKNOIZMOY 
EIONAEOYAENIEZTAIETEPONTINA 
KATAOEZGAlEnElAOZEinPOZTEIMOY 
THHOAEI X (|) 

Aup. SeSrjpx AGXou xxTCffxcuxffa t6 Xaröaiv ^v t^ (ffTy|)XXtj 

i[I.X*JTYi Xxi Tb) y^l»X\iTXT({> U.OU XvSpi Aup. AlOyC^tl XXt TOiC T€XVOl( 
[lOU. 'E(^)0V Sc oOScvt E<XTXl CTCpOV TtVX XXTxQcoOxt iT^il $G>9tl TCpOff* 

TSi[iou TTj :;oXci (S-nvxpia) ^'. 
Athen, August 1892. 

PAUL WOLTERS. 



• ♦»^'» • 



LITTERATUR 

K. Xp. BattsaKH, SovTOjjLo; lOTOpCa ttjc -6X««; TpixxiXcöv. 
Athen 1892. 

I. K. Kü*lNiüTOr, 'I^rropix toö "Apyou; (itr' tixövcDv. Heft 

5. 6. Athen 1892 [Hervorzuheben ist S. 149 ET. die Auseinan^ 
dersetzung über die Lage von Midea (vgl. oben S. 95) und 
die Ausgrabungen, welche der Verfasser bei Katsingri unter- 
nommen hat]. 

E. I. StaMATI AAHXI , •E7CIT7)pU T^« 'Hyi(X0vwt; S<fc(XOu 1892, 

Samos 1892. 



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iOi ERNENNUNGEN 



\l Amaabeia Nr. 5075 (Smyrna, 10 Juli 1892). Darin A.E. 



l^ KovTO>.6Ci)v , Ti ipyjxXoL feij^Y) tyj; rpjpvy;;. 

J1 AeiiNA III, 4. Darin u. a. S. 577. B. A&xwvo;, Aiopöcicci; 

xat ^^[JLX^yjpwact; et; T7;v 'ApiaToreXou; 'A6Y)vat(i>v TroXtraiav. — 
S. 593. H. G. Loliing, 'A(ppoSiTY) 'HyepvYi. — S. 607. T. A. 
OaTcaSaciXctou, üfiol tyS; ev EOSot« TroXeo); XaXxiSo;. — S. 617 
I. Kophiniotis über seine Ausgrabungen bei Katsingri. — S. 
632. G. A. Papavassiiiu teilt Inschriften aus Euböa mit (dar- 
unter aus der Gegend von Eretria ^xvoxXvi; Sü)Tt(/.[ov t]|6v ive- 

^i6v xat KXeaptcTY) | Swtijxou tov xvSpa ^avoxXvi | Ttjxoxp&TOu *Ap- 
TejxtSi I 'ATTÖX^wvt Ay)toi I K\ij€ip xat EOSo'jXiSYi; *A6Y)|vaioi 67cotY)- 
(xav) — S. 650. P. Kavvadias, über epidaurische Inschriften. 
( Ehrendekrete für T. Statilius Timokrates und seinen Sohn 



i T. Statilius Laraprias, Basis einer Nikestatue in Gestalt eines 

Schiffsvorderteils, welche zwei Inschriften trägt, eine des 

j vierten Jahrhunderts, welche sie als Weihung des Timokrates 

: } und Euandros toi; Ocoig iwo twv TcoXeixtwv und Werk des Ntxwv 

j 'l6poxXeo(u); bezeichnet, eine jüngere, durch welche Mummius 

t sie dem Asklepios und der Hygieia weiht). 

^ } IV, 1. Darin u. a. S. 3. K. S. Kovtou, napaTY)pY)96i; ei; 'Apt- 

I ffTOTeXou; *A6rjvaici)v TcoXiTSiav. 

i IV, 2. Darin u. a. S. 241. M. EOayycWSou, Kai (xia AuTOxpa- 

i Teipot OTuaSo; ty); toO 'ETUixoüpoii f iXocro^ia;. 

! 

I 



ERNENNUNGEN 

Es sind ernannt worden zu ordentlichen Mitgliedern des 
Instituts S. Excellenz Hamdi-Bey in Konstantinopel und 
Herr W. Kubitschek in Wien, zu correspondirenden Mitglie- 
dern Herr P. Arndt in München und C. JuUian in Bor- 
deaux. 



-*>-m^-0' 



August 1892. 



GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 
(Hiereu Tafel X) 

Das auf Tafel 10,1 abgebildete Geiäss * stamint aus den Aus- 
grabungen in der Piräusstrasse von Athen, denselben, bei wel- 
chen die grosse Netosaraphora gefunden wurde *. Da es trotz 
seiner lückenhaften Erhaltung aus etwa 70-8Ü Stücken be- 
steht, blieb es zuerst unbeachtet. Es zeigte sich indessen, dass 
von diesen Fragmenten eine grosse Zahl an einander passte, 
so dass man nicht nur die Gesamtform, sondern auch die Ein- 
zelheiten der Darstellungen und Ornamentation in den meisten 
Fällen erkennen konnte. 

Böhlau hat in seinem Aufsatze über 'frühattische Vasen *^ 
den Nachweis geliefert, dass diese Gattung * die Lücke zwi- 
schen den Dipylonvasen und der zusammenhängenden Ent- 
wickelungsreihe, die etwa mit der Francoisvase beginnt \ 
ausfüllt. So richtig dies Resultat ist. Jeder, der die jüngsten. 
Ausläufer der Dipylontechnik ^ vergleicht mit dem ältesten 
frühattischen Gefäss^, wird empfinden, wie gross noch der 
Schritt von hier nach dort ist, und wie verschieden die Mittel, 
über welche beide Töpfer verfügten. Eine Übergangsstufe ist 
unsere Vase. 



^ Die Erlaubniss zur Verötrentlichung desGefässcs verdanke ich der Oute 
des Generalephoros Herrn Kavvadias. Die Zeichnungen sind zumeist von 
Herrn Gilli^ron hergestellt. Obwol der schwarze Firniss sehr hftuüg abge- 
sprungen ist, schien es doch richtiger, durch gleichmAssige Ausfüllung der 
einzelnen Darstellungen den ehemaligen Eindruck des Gedässes wieder- 
zugeben. 

3 AeXT^ov 1890 S. 4. 30. Antike Denkmäler I S. 46. 

3 Jahrbuch i^87 S. 33-66. 

* Z. B. das kopenhagener Gefäss, Arch. Zeitung 1885 Taf. 8 (Furtwängler). 

5 Jahrbuch 1887 Taf. 3. 

ATHEN. MITTHEILUNGEN lYII. 15 



206 GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 

Das Gefäss hat die Form eines ziemlich tiefen Kessels mit 
hohem Fuss. Offenbar haben dem Verfertiger die Dreifuss- 
kessel als Vorbild gedient. Denn abgesehen davon, dass die 
Henkel senkrecht stehen, was sich sonst bei derartigen Gelas- 
sen nicht wieder nachweisen lässt, haben dieselben nicht einen 
runden Durchschnitt, wie bei anderen Dipylongefässen in 
Kesselform, sondern sie sind platt, w^as bei den Henkeln me- 
tallener Dreifusskessel das übliche ist. Den Fuss selbst aber 
konnte der Töpfer nicht genau den metallenen Vorbildern 
nachbilden, sondern musste eine Form wählen, die seinem 
Materiale besser entsprach. Der Kessel ist innen mit einem 
braunschwarzen, bisweilen ins Rötliche spielenden Firniss 
recht sauber überzogen, regelmässiger, als man bei den ge- 
wöhnlichen Dipylongefässen zu sehen gewöhnt ist. Der Fir- 
niss, mit welchem die Figuren und die Ornamente gemalt 
sind, lässt an manchen Stellen zu wünschen übrig und ist 
auf der einen Seite, wol der, die nach unten, also feuchter, 
gelegen hat, nur sehr schlecht erhalten. Die Höhe des Kessels 
beträgt 31'"; der Fuss, welcher an keiner Stelle in ganzer 
Höhe erhalten ist, lässt sich mit einiger Sicherheit auf 25°" 
berechnen, so dass sich für das Ganze eine Höhe von se-ßO*" 
ergiebt. 

Um den Rand des Kessels laufen zwei gewellte Kanten oder 
besser Schlangen, unter welchen in regelmässigen Abständen 
kurze Zickzacklinien sichtbar werden. Die Schlangen sind 
plastisch aufgesetzt,an mehreren Stellen sind einzelne Stück- 
chen ausgesprungen. Es ist dies ein Decorationselement, wel- 
ches aufgemalt sich besonders häufig auf den breiten Henkeln 
der Dipylonamphoren findet, auch aufgesetzte Schlangen sind 
dort nicht sehr selten. Um die Vase als Schmuckband ge- 
legt finden sie sich ausser der Kanne von Analatos^ nur auf 
einer grossen Amphora in jüngerem Dipylonstil, welche aus 

* Vgl. Jahrbuch 1887 S. 34, wo für Schlangen an den Henkeln angeführt 
werden: Athen, Arch. Ges. 2448. '2843. Berlin 1^940 abgeb. Jahrbuch IS. 135. 
Die neuesten Ausgrabungen in der Piräusstrasse brachten besonders viele 
Beispiele. 



GBOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 207 

denselben Ausgrabungen stammt, wie unsere Vase^ sowie 
auf der Amphora, von welcher Furtwängler einige Bilder 
Arch. Zeitung 1885 S. 131 f. veröffentlichle, und welche 
gleichfalls jung ist. Wir haben demnach darin eine Neuerung 
der späteren Technik zu erkennen, aber entwickelt aus bereits 
innerhalb des Dipylonstiles vorhandenen Elementen'^. Auf den 
Henkeln sehen wir von FüUornamenten umgeben vier Pferde 
in bekanntem geometrischem Stil, von welchen zwei nach 
links, zwei nach rechts gekehrt sind. Wie die Form des Hen- 
kels selbst, so erinnert auch sein Schmuck an die Henkel von 
Dreifüssen. In Olympia sind die Pferdchen an den Henkeln 
zwar nicht eingeritzt, sondern plastisch aufgesetzt^, indessen 
die häufige Verbindung gerade der Pferde mit diesen Henkeln 
ist charakteristisch genug, um als Analogie für die Dekoration 
unserer Henkel zu dienen. 

Bemalt ist der Kessel mit drei Streifen, welche ohne ei- 
gentliches trennendes Ornamentband auf einander folgen. Die 
beiden oberen sind von gleicher Breite, während der untere 
um ein Kleines schmaler ist. Ihn schmücken weidende Rehe 
mit eingestreuten Füllornamenten, ein Motiv, welches sich 
auf den geometrischen Vasen zeigt, sobald sie überhaupt von 
dem geradlinigen Ornament zu Darstellungen übergehen und 
welches sich noch bis zu den frühattischen Vasen erhält*. 

Der zweite Streifen wird gebildet durch vier aufeinander 
folgende Viergespanne; so viele gestattet der verfügbare Raum 
anzunehmen. Auf dem Wagen, welcher bereits richtig im 



^ Die Vase ist noch nirgends erwähnt, weil sie gleiclifalls in unzähligen 
Scherben gefunden wurde. Sie steht unserem Kessel sehr ttiihe, ist aber et- 
was älter. Die Darstellungen sind Wagenzug, bekleidete Frauen und Män- 
ner in üblichem Dip^lonschema. 

^ Anders, aber verkehrt, urteilt Sittl, Phineusschale S. 23. 

3 Vgl. Oljmpia IV Tafel 33. 27 Nr. 539. 30 Nr. 574. 624. 

* Jahrbuch 1887 Tal. 3, wo sich auch die gleichen Föllornamente ßnden. 
Für geometrihche Vasen ist wiederum auf die letzten Funde zu verweisen. 
In unserer Abbildung ist, da an der Vorderseite die Rehe verloren sind, 
ein Stückchen von der Hinterseite, welches dort anpasst, eingesetzt worden. 



208 GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 

Profil gegeben wird*, steht der behelmte, sonst unbewaffnete 
Wagenlenker. Mit der Linken hält er die Zügel, während er 
mit der Rechten die Pferde antreibt. Hinter ihm steht der 
Krieger mit grossbügeligem Helm, zwei Lanzen und kleinem 
Rundschild, auf welchem als Ornament das Vierblatt erscheint ^. 
Beinschienen sind nicht besonders angedeutet^. Der Streifen 
unterscheidet sich in seiner Gesamtheit nicht wesentlich von 
den durch die Dipylonvasen bekannten Typen Auffällig ist die 
Flüchtigkeit der Zeichnung. 

Die wichtigste und zugleich seltsamste Darstellung bietet 
nun der oberste Streifen. Wir nehmen am besten zum Aus- 
gangspunkt der Beschreibung den besser erhaltenen Henkel. 
Da er die Hälfte der Streifenhöhe bedeckt, sind die unter ihm 
angebrachten Figuren kleiner als die übrigen ausgefallen. 
Diese waren soweit es sich unter Vergleichung des zweiten 
Henkelansatzes feststellen lässt, Frauen, welche in bekanntem 
Schema die eine Hand erhoben, während sie die andere senkten, 
ein Schema, welches uns auch am Fusse begegnen wird. 
Rechts von den Henkeln sehen wir zunächst ein Ornamentensys- 
tem, welches sich in mehreren Wiederholungen findet und die 
Einzeldarstellungen auf beiden Seiten abschliesst. Es besteht 
aus drei Elementen. Die Mitte bildet eine Spiralenreihe, welche 



* Ähnlich Annali 1872 Taf. /. Die Räder des Wagens sind aus freier Hand, 
nicht mit dem Zirkel, wie vielfach bei den Wagen der Dipjlongefässe, ge- 
zeichnet. 

2 Vgl. dasselbe Ornament Arch. Zeitung 1885 S. 131. 

3 Es sind auf den Dipylonvasen, wie es scheint, überhaupt keine Bein- 
schienen dargestellt. Auf unserer Vase wären dieselben nur in den dicken 
Waden zu erkennen; aber solche Waden haben die tanzenden Frauen des 
obersten Streifens auch. Dazu kommt, dass die soigfältigcr gemallen Krie- 
ger des obersten Streifens und des Fusses sicherlich keine Beinschienen tra- 
gen Helbig, llom. Epos ^ S. 76 scbliesst auf das Vorhandensein von Bein- 
schienen aus Bildern, wie auf dem grossen wenig sauber gemalten Kessel 
Monumenli IX Taf. o9,l ebenso Hirschfeld Annali 1872 S. 143 (vgl S. 145. 
139). Auch hier ist die Dicke der Waden der Grund für die Annahme; be- 
sonders angegeben sind die Beinschienen wenigstens nicht. Die frühattische 
Amphora, Jahrbuch 1887 Taf. 5 giebt die Schienen mit wünschenswerter 
Deutlichkeit wieder. 



GBOMETRISCHB YASB AUS ATHBN 209 

rechts und links von einem Zickzackmuster eingeschlossen ist. 
Getrennt werden diese einzelnen Teile durch je drei parallele 
Striche, die auch nach den beiden Seiten hin den Abschluss 
bilden. Hierauf folgt die erste Scene. Sie hebt an mit einem 
Gegenstande, welcher der Erklärung die grössten Schwie- 
rigkeiten bereitet. Es ist eine Art Untersatz, welcher in der 
Mitte stark anschwillt,, und oben nach rechts und links in 
zwei Enden ausläuft, welche die Form \on Tierköpfen zu ha- 
ben scheinen; der zwischen diesen Enden freibleibende Raum 
wird durch neun parallel laufende Stäbe ausgefüllt. Der mitt- 
lere breite Teil dieses Untersatzes ist mit Spiralen gefüllt; 
am unteren Ende sehen wir Halbkreise und an den beiden 
Einschnürungen mehrere horizontale Striche. Dass dieser Ge- 
genstand nicht zur Scene gehört, sondern rein ornamental zu 
fassen ist, erhellt aus einer dem Kessel zugehörenden Scherbe, 
welche wahrscheinlich den rechten Abschluss des Bildes zeigt. 
Denn auch dort findet sich neben dem letzten Frauenkopf das 
linke Ende desselben Gegenstandes (Fig. 1). Also wurde in 
diesem Falle das Bild ausser dem beschriebenen Ornamenten- 



-^p^r^i 



Fig. i. 

System noch rechts und links von dem Untersatze begrenzt. 
Dargestellt ist eine Anzahl, wie es scheint, gänzlich unbekleide- 
ter Frauen, welche sich im Tanzschritt nach rechts bewegen. 
Das Geschlecht ist angedeutet durch die mit besonderer Liebe 
gezeichneten lang herabfallenden Haare. Diese Darstellung 
des Haares, das durch Angabe einiger sechs bis sieben Sträh- 
nen gekennzeichnet wird, finden wir genau so auf den frühat- 
tischen Vasen. Wir brauchen aber im Hinblick auf das jetzt 
reichlich vermehrte Material nicht mehr Analogien wie die 
kyprische Dreifussvase heranzuziehen*, sondern wir sehen, 



* Jahrbuch 1887 S. 35. 



210 GEOMETRISCHE VASE A08 ATHEN 

dass sich diese Darstellungsmanier organisch aus dem alten 
Dipylonstil entwickelt. Je jünger die Vasen, desto genauer 
werden sie, wenn sie nicht flüchtige Machwerke sind, in der 
Angabe der Einzelheiten. Den ersten Versuch zur Charakte- 
risirung des Haares macht eine kolossale etwa 2° hohe Di- 
pylonamphora von der Piräusstrasse*, bei welcher der Maler 
sich aber noch mit zwei Strichen zur Angabe des Haares be- 
gnügt. Gleichzeitig mit jener ist eine andere Dipylonamphora 
von ebendaher, auf der das kurze Haar der Männer durch kleine 
Striche angedeutet wird, die den Kopf wie Stacheln umge- 
ben ; und mehr dergleichen lehren die neuen Funde. Wie viel 
Frauen dargestellt waren, können wir nicht mehr entscheiden. 
Rechts von dem Reste des zweiten Henkels beginnt das 
oben beschriebene Ornamentensystem, welches die Bildfläche 
auch von der andern Seite einschliesst. Auf ihr ist ein Zwei- 
kampf dargestellt. Der Krieger zur Rechten trägt Lanze, run- 
den Schild mit reichem Schildzeichen und einen Helm, dessen 
Bügel vorn und hinten weit über das Gesicht und den Hin- 
terkopf herüberragt. Mit dem eigentlichen Helm ist der Bügel 
durch einen starken Träger verbunden ; die Haare am Bügel 
sind durch regelmässige Zickzacklinien gebildet. Diese Dar- 
stellung des Helmes, welche wir genau so am Fusse des Ge- 
fässes wiederfinden werden, zeigt bereits einen grossen Fort- 
schritt gegenüber den Vasen des Dipylonstiles, wo ein zopfähn- 
licher Busch den Helm andeutet. Von dieser Charakterisi- 
rung des Helmes zu der auf unserer Vase angewendetea bildet 
eine Übergangsstufe eine Scherbe aus den letzten Dipylonfun 
den (Fig. 2), auf welcher der Helm durch eine dicht am 
Schädel entlang laufende dünne Linie besonders hervorgeho- 
ben wird; an diese setzt der Busch an. Von dem Gegner un- 
seres Kriegers sind nur die Beine sichtbar. Es folgen nun 
wieder Reste halbgrosser Figuren auf der unteren Hälfte 
des Streifens, und es fragt sich, ob wir daraus schliessen 



* Alben. Millheilungen XVI S. 253. Die Vase nebsl der sogleich erwähn- 
ten wird demnächst ausführlicher behandelt werden. 



GFOMBTHISGBB TASS A08 ATBCR 211 

müssen, dass auch hier ein Henkel an^bracht war. Da 
dies der erslbeschri ebene Henkel nicht sein kann, würden wir 
einen dritten Henkel annehmen müssen, und kämen dann, da 
doch die einzelnen Henkel sich in gleichen Absländen yod 
einander berunden haben müssen, auf einen Kessel mit vier 
Henkeln, was an sich ja keine Unmöglichkeit wäre. Bei den 
auf Dipylonvasen dai^estellten Dreifüssen wechselt die Anzahl 
der Henkel. Zwei Henkel zeigt die bereits in den Monumenti 




Fig. 2. 

IX Taf- 39, 2 abgebildete Vase', drei sicher eine bisher nicht 
publizirle Scherbe von der AkropolJs. Aber folgende Erwä- 
gung ergiebt mit Sicherheit, dass an unserem Kessel nur zwei 
Henkel angebracht waren, dass er also auch in dieser Hin- 
sicht den Typen der olympischen Üreifüsse gleicht, welche 
ausschliesslich zwei Henkel zeigen'. Wir sahen, dassderZwei- 
kampfrechts und links von dem breiten Ornamentensystem ein- 
gelasst war. Das war auch anzunehmen für das Bild mit den 
tanzenden Frauen, wie jene Scherbe mit dem Reste des rechten 
Bildahschlusses bewies. Nehmen wir nun auch an, dass der 
Chor aus nicht mehr als fünf Frauen bestand und schliessen 

* Furlwan;.'Ier, Bronzeronde von Olympia S. 17. Einen zweiheokeligen 
DLpyl(>n<lreiru'>& linden wir auch auTder geumel Tischen Fibel, ZeiischriÜ lür 
Elhnolugie 18fi9 S. 222 Fig. 32. 

' Fuitwängler a. a. O. 



212 GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 

daran den Untersatz mit dem breiten Ornamentband dahinter 
und lassen sodann die halbgrossen Figuren mit dem Henkel 
darüber folgen, so würde der Raum zwischen dem vorhande- 
nen und dem angenommenen Henkel an dieser Seite um ein 
Beträchtliches grösser sein, als der an der anderen. Und dass 
das unmöglich ist, ist ohne Weiteres einleuchtend. So müssen 
wir in diesem Falle erklären, den Sinn und Zweck der halb- 
grossen Figuren nicht erraten zu können. Sie gehörten viel- 
leicht zu einer Darstellung der Totenklage, wo Figuren häufig 
ohne ersichtlichen Grund kleiner dargesteUt werden. Wie viele 
Einzeldarstellungen der gesamte obere Streif aufwies, können 
wir nicht mehr bestimmen, da die Grösse und Ausdehnung 
der Bilder wechselt. 

Den unteren Abschluss des Kessels bilden drei einfache 
schwarze Firnisstreifen, dieselben, durchweiche die einzelnen 
Bildstreifen von einander getrennt sind ; von da bis zum An- 
satz des Fusses ist der Kessel schwarz gefirnisst. 

Wir kommen zum Fuss des Kessels. Er besteht aus einem 
nach unten sich erbreiternden abgestumpften Kegel, welcher 
durch kleine Fensterchen von länglicher Form so durchbro- 
chen ist, dass sich vier senkrechte schmale und sehr lange 
Streifen ergeben. Die Breite der Öffnungen beträgt 9- 10""*; 
die Höhe wechselt im Allgemeinen so, dass von den vier 
übereinander folgenden die erste und dritte grösser, die zweite 
und vierte kleiner ist. Je weiter nach unten, desto mehr nimmt 
der Fuss an Dicke ab und dieser Umstand ermöglicht, jedes 
einzelne Fragment in der richtigen Höhe anzubringen. Die Auf- 
gabe, welche sich der Maler gestellt hatte, vier schmale Strei- 
fen mit Bildern zu schmücken, war keine geringe, aber er 
hat sie für die Stufe, auf der sein Können stand, mit grosser 
Kunst gelöst. Nicht dass er eine gut in den gegebenen Raum 
sich einfügende Darstellung viermal wiederholte. Vier von 
einander durchaus verschiedene Bilder sind es, die uns der 
Fuss des Gefässes zeigt, Bilder, die in Erfindung und Ausfüh- 
rung weit über das hinausgehen, was die Kunst der Dipylon- 
vasen bis dahin vermocht hatte. Für die Zeitgenossen wird ein 



6B0MBTBI8GHE YASB AUS ATHBN 243 

Kunststück wie dieses Gegenstand gerechter Bewunderung ge- 
wesen sein. Für uns sind die Darstellungen von besonderer 
Wichtigkeit, da sie bei ihrer Grösse über manche Einzelhei- 
ten willkommenen Aufschluss geben, welchen die übrigen Di- 
pylonvasen zu geben nicht im Stande sind. Die vier Bildfel- 
der sind oben, unten und an den Seiten gleich massig orna- 
mentirt. Oben und unten sieht man ein System von Dreiecken 
mit dazwischen gelegten ziemlich flüchtig gezeichneten Rau- 
ten, an den Seiten eine von zwei Parallelen eingefasste Zick- 
zacklinie. Den untersten Abschluss des Fusses bilden unter- 
halb der Dreiecke zwei parallele starke Firnisslinien, welche 
durch vertikale Strichelung verbunden sind. Die Stege unter 
und über den Einschnitten sind mit einfachen horizontalen 
Linien versehen. 

Zunächst zu besprechen ist das besterhaltene Fusstück ; 
da es an den Kessel anschliesst, dient es für die Feststellung 
anderer Fussteile als sicherer Ausgangspunkt (Taf. 10,2). 
Dargestellt ist ein Reiter in vollem Galopp, den Oberkörper 
beugt er auf den Hals seines Pferdes herab, welches er mit 
der Rechten antreibt, während die Linke die Zügel gefasst 
hält; er trägt einen Helm mit weit über das Gesicht ragendem 
vorderem Bügelende. Das Pferd hat im Sprunge die beiden 
Vorderfüsse angezogen, während die hinteren noch den Boden 
berühren. Wichtig ist nun die Aufzäumung des Tieres, für 
die wir sonst keine Beispiele haben. Über dem Halse unter- 
scheiden wir deutlich drei Linien, ebenso unterhalb. Von letz- 
teren geht die obere vom Kinnbacken des Pferdekopfes aus 
und wird fortgesetzt über dem Halse durch die vorderste Li- 
nie, die anderen beiden unter dem Halse laufen zunächst zu- 
sammen, teilen sich aber sodann dicht am Halse des Pferdes 
und finden ihren weiteren Verlauf in zwei Linien oberhalb. 
Soviel ist ohne weiteres einleuchtend, dass die sich teilende 
Linie der eigentliche Zügel ist, der rechts und links vom Ge- 
biss ausläuft und durch welchen das Tier gelenkt wird. Es 
bleibt die dritte Linie; da sie nicht am Gebiss angebracht 
auch nirgends angedeutet ist, dass zwei sich in ihrem ganzen 



914 



GBOMSTBlaCHB VASE AUS ATHEN 



Verlauf deckende Linien zu verstehen sind, müssen wir an- 
nehmen, dass eine Art einfachen Halfterstricks gemeint ist 
So sehen wir auf der grossen Beslattungsvase ' das Pferd von 
dem vordersten Krieger an einem Strick geleitel, dessen Be- 
stimmung dem auf unserer Darstellung genau entspricht. 
Der folgende Fuss (Fig. 3) stellt einen Zweikampf dar. Der 




Fig. 3. 

verfügbare Raum gab den Anlass, dass das Schema eine ent- 
wickeltere Form annahm, als man sonst auf einer Vase dieses 
Stils erwarten würde. Zur Erde sinkt der besiegte Gegner 
nach rückwärts zusammenbrechend. Seine Waffen bestehen, 
soweit sich erkennen lässt.in Helm, Schild und zwei Lanzen, 
die Beinschienen fehlen. Der Helm hat die entwickelte Form, 
wie auf dem obersten Bildstreifen, der Schild ist. wie der des 
Gegners mit reichem Schildzeichen versehen, demselben, das 
wir ebendort gesehen haben. Von dem gewaltigen nach rechts 
schreitenden Gegner sind nur Schild, Reste zweier Lanzen 
und die Beine erhallen. Das Zeichen bestellt in einem laufen- 
den Rad, dessen fünf Teile durch Nehenornamente verbun- 
den sind, ein Schildzeichen, das auf späteren schwarzGgurtgen 



* ilonumenli IX Taf. 39. Annati 1872 S. 143. 



fisoirmtscBE tue aus ATHSN 



Vasen darchaDS gebräuchlich für Schilde iet und somit auf 
die jüngere Zeit hinweist. Wichtig ist. dass auf unserer Vase 
ausschliesslich der Rundschild in Anwendung kommt. Das 
gleiche ist bei den rrühallischeD Vasen der Fall. Diese Beob- 
achtung lehrt uns, dass die Rundschilde zeitlich auf die sonst 
auf Dip^lonvasen gebräuchlichen Schilde folgen. Auf ihnen 
herrschen fast ausschliesslich die grossen aufgeschnittenen 
Schilde, die den gpössien Teil des Körpers bedecken, die run- 
den waren bisher nur in ganz vereinzelten Beispielen bekannt. 
Aber diese beweisen, dass sich der Übergang von einer Form 
zur anderen noch innerhalb der eigentlichen Dipylonperiode 
vollzieht. Besonders charakteristisch dafür ist die geometrische 
Vase in Wien, welche mir nur aus der Beschreibung von 
Furtwäagler bekannt ist', wo abwechselnd ein Krieger mit 
Rundschild, der mit einem Ornament verziert ist, und einer 
mit ausgeschnittenem Schilde sich folgen und dieselbe Er- 
scheinung findet sich auf einigen Scherben, welche bei den 
jüngsten Ausgrabungen in der Piräusstrasse zum Vorschein 
gekommen sind und welche alle einem Gelasse angehören 
(Fig 4). Zu diesen beiden Schildformea aber tritt auf diesen 




Scherben noch eine dritte hinzu, ein längliches Rechteck,wahr- 
scheinlich etwas gekrümmt ~. Vereinzelt findet sich derselbe 



• Arch. ZeitöDg 1885 S. 139. 

' Die JD der Abbildum; weiss gelassenen Flecke sind im Orixinal mit gelb- 
licher DeckTarbe auT den schwanen Pirniss aurgeselil. Sie i^l fast gani ver- 
achwunden, aber ihr ehemaliges Vorhandeusein sicher. Auch auf einem der 



SB01IBTRI8CHB VaSB AUB ATHBK 



Schild auf einer Scherbe von der Akropolis. Diese Form ist 
derjenigen ähnlich, welche wir allerdings aus weit früherer Zeit 
von dem mykenischen Silbergefäss kennen'. Vermutlich folg- 
ten auf die ausgeschnittenen Schilde die länglichen ; dieselben 
hielten sich jedenfalls nur kurze Zeit, da sie in Bezug auf 
Handhabung die gleichen Schwierigkeilen bereiteten wie jene; 
dann gelangte der Rundschild dauernd zur Geltung, wol erst 
ohne, bald aber mit Zeichen versehen, wofür sich die gleich- 
mässig gekrümmte Fläche besonders gut eignete. Eine gewisse 
Zeit hindurch gingen alle drei Formen neben einandef her^. 
Nur zur Hälfte erhalten ist auch das nächste Fussfragment 




(Fig. 5). Man erkennt den unteren Teil eines riesigen Lö- 
wen, der auf den Hinterpranken zu stehen scheint, während die 



Rundschilde ist efn Fleckchen gelherDeckrarbe erhallen, allerdinfis unbe- 
stimmter Form. Die Anwendung sulcher Farhen auTDip^longenissen hat sich 
besonders auf jüngeren Eieraplaren von der Burf! restslellen lassen. Seltener 
ist sie auf älteren Hiernach ist die Noiii bei Böhlau, Jahrbuch 1888 S. 323 
lu berichtigen. 

< 'E?T|tLEpl! ipX'lS9I Taf. !.TsuDdas deutet die Schilde als Chilene; man 
wird nach den Scherben diese Deutung nicht mehr aurrechl erhalten kön- 
nen. So urteilt jetil auch liossliach. Philologus 1892 S. 2 f. 

* Wenn es noch eines Beweises bedürfle, dass die Krieger auf den Dipy- 
lonvasen Schilde, nicht Panzer tragen, würden ihn die wiener Vase und 
die neue Scherbe geben. 



GBOMBTRISCHB VASB AUS ATSBK 217 

Yorderen noch in der Luft schweben ; offenbar ist er gedacht 
im Augenblick des Sprunges. Die Anordnung erinnert lebhaft 
an das erstbeschriebene Fusstück. Die Pranken sind noch äus- 
serst unvollkommen dargestellt und eine wirkliche Cbarak- 
terisirung fehlt noch. Es ist der erste Versuch, die fremden 
Vorbilder nachzubilden, aber die eckige geometrische Ge- 
wohnheit sitzt noch zu fest und lässt ein Gebilde von fast ko- 
misch wirkender Unbeholfenheit entstehen. Am nächsten stehen 
dem Löwen die schon weit entwickelteren von der Analatos- 
kanne, wo indessen die einzelnen Krallen bereits gekrümmt 
erscheinen. 

Der vierte Fuss war wahrscheinlich mit einer einzigen gros- 
sen Frauengestalt bemalt. Wir erkennen (Fig. 6) einen nach links 




Fig. 6. 

schreitenden Fuss nebst einem Stückchen Gewand und ein 
Stück Gewand, welches nach Massgabe der Thonstärke be- 
trächlich weiter oben gesessen haben muss. 

Wie bereits hervorgehoben wurde, schliesst nur das erst 
beschriebene Fussfragment unmittelbar an den Kessel an. Die 
drei anderen sind als zugehörig betrachtet worden wegen der 
Übereinstimmung in der Zeichnung, wegen der gleichen Form, 
wegen der gleichen Dicke und Farbe des Thones. Aber alle 
diese Gründe sind nicht im Stande, die Zugehörigkeit bis zur 
Evidenz zu erweisen. Es zeigte sich nämlich, dass ausser die- 
sem Dreifusskessel noch ein zweiter von genau derselben Form 



218 GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 

und Grösse vorhanden war. Von diesem ist aber nur sehr we- 
nig erhalten. Der eigentliche Kessel ist bis auf zwei Stücke 
von der Mitte des Bodens gänzlich verloren. Aus den erhalte- 
nen Fussteilen muss geschlossen werden, dass er in ganz 
gleicher Weise bemalt war. Diese beiden Stücke sind nun in 
Technik und Dekoration, Thonfarbe und Stärke dem anderen 
Kessel so überaus ähnlich, dass ihre Nichtzugehörigkeit nur 
daraus zu erschliessen war, dass für sie kein Platz an dem 
ersten Kessel vorhanden war. Dasselbe gilt von den zahlrei- 
cher erhaltenen Fusstücken. Sie sind von den besprochenen 
durch keinerlei Eigentümlichkeit unterscheidbar. Es ist daher 
wol möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass von den 
drei zuletzt beschriebenen Fussteilen einer diesem zweiten Ge- 
fäss zuzuteilen ist, während zu dem besser erhaltenen Gefäss 
eines der jetzt zu besprechenden gehört. 

Am wichtigsten sind zwei Fragmente, welche die Reste ei- 
nes nach links schreitenden Kriegers enthalten (Taf. 10, 3). 
Den linken Arm hält er zu Boden gesenkt, den rechten erho- 
ben; was er in der Hand getragen hat, ist nicht mehr zu ent- 
scheiden. Die Bewaffnung besteht nur in einem Schwert. 
Trotz der schlechten l^rhaltung gehört das Stück zu den wich- 
tigsten Überresten der Dipylonzeit; es bietet die einzige Dar- 
stellung eines Wehrgehenkes jener Krieger und giebt das 
Schwert in einer Deutlichkeit wieder, die wir auf anderen 
Darstellungen vergebens suchen. Der Griff des Schwertes be- 
steht aus einem Knauf von der Form eines länglichen sphä- 
rischen Dreiecks, an dessen unterer Spitze das Handstück an- 
setzt. Der in der Mitte dieses Dreiecks freigebliebene Thon- 
grund beweist, dass der Knauf flach, nicht rund zu denken 
ist. Das Handstück verbreitert sich allmählich zu grosser Dicke 
und endigt in einer kurzen geraden Parierstange. Die Scheide 
ist. unten mit einem besonderen Beschlag versehen, ebenso wie 
es scheint, an den Rändern ; das freibleibende Mittelstück ist 
hier mit einfachem, geometrischem Ornament verziert, wird 
aber in Wirklichkeit vielfach mit kostbarem Schmuck ver- 
sehen worden sein, wozu es sich besonders gut eignete. Auf 



GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 21 9 

Jen übrigen Dipylonvasen begegnen wir genau dieser Form 
nicht. Die flüchtig gezeichneten Stücke wie Monumenti IX 
Taf. 39 geben das Schwert wie einen Pfeil mit giebelartig ge- 
bildetem Knauf, aber ohne Parierstange. Besser gemalte Va- 
sen zeigen einen geraden oder wenig gerundeten Knauf*, die 
Parierstange lehlt. Sie begegnet überhaupt nur noch zweimal : 
zunächst auf einer Dipylonscherbe ^von der Piräusstrasse. Aul- 
lällig ist ihre Länge im V^ergleich zu unserem Exemplar ; der 




Fig. 7. 

Knauf erscheint als grader Strich mit knopfartiger Erhöhung 
in der Mitte. Besonders hervorgehoben ist der untere Beschlag 
der Schwertscheide, welcher dieselbe an beiden Seiten um ein 
Bedeutendes überragt. Das andere Beispiel ist die kopenhage. 
ner Vase, Arch. Zeitung 1885 Taf. 8 (unten). Hier ist die Über- 
einstimmung mit dem Schwerte des Kesselfusses besonders deut- 
lich. Danach müssen wir schliessen, dass die Schwertform, 
welche der Kesselfuss nebst der gleichfalls jüngeren kopenha- 
gener Vase und der Scherbe zeigt, eine VVeiterentwickelung ge- 
genüber den Schwertern bedeutet, die in der eigentlichen Di- 
pylonperiode üblich waren, eine Entwickelung, welche im 
Wesentlichen in der Hinzufügung der Parierstange besteht. Zu 
diesem Schluss werden wir auch durch den Umstand gedrängt, 
dass die aus den Dipylongräbern erhaltenen Schwerter ^ eine 
ganz verschiedene Form zeigen. Bei ihnen ist noch keine Spur 
von einer Parierstange vorhanden, auch der Knauf ist wesent- 



* Beispiele bieten die neuen Funde in der Piräusstrasse. 

^ Dieselben sind zuletzt behandell von Undset, Zeitschrift für Ethnologie 
1890 ^. 2. Es sind drei bis jetzt konstatirbar : 1) Athen. Miuheilungen XIII 
S. 2y7 (Dümmler). Heibig, Ilom. Epos« Fig. 131. 2) Undsel 8. 2 Fig. 1 in 
Kopenhagen. 3) Undsel a. a. O. im Louvre. 



$20 GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 

lieh anders gebildet. Mit den auf den Dipylonvasen gebräuch- 
lichen Schwertformen dagegen geht zusammen ein kurzes 
Schwert in der Sammlung der hiesigen Arch. Gesellschaft Nr. 
995. Es hat zwar schon den giebelartigen Knauf, aber noch 
nicht die Parierstange. Dass zu dieser kein grosser Schritt 
mehr ist, zeigt der Umstand, dass das Band, welches zur Auf- 
nahme eines Belags von Holz oder Knochen um den ganzen 
Griff herumgeht, sich auch auf einen kurzen Teil der Klinge 
erst reckt. Wird dieser Teil losgelöst, so ist die Parierstange da. 
Das Schwert des Kesselfusses endlich gleicht aber bis in Ein- 
zelheiten demjenigen, welches in Jalysos auf Rhodos aus einem 
Grabe der jüngeren mykenischen Zeit hervorkam*, eine Über- 
einstimmung, die wichtig genug ist, um einen Zusammenhang 
anzunehmen 2. 

Getragen wird das Schwert an einem Gehenk, dessen Ein- 
richtung wir mit grösster Genauigkeit zu bestimmen vermö- 
gen. Es unterstützt die Schwertscheide an zwei Punkten und 
besteht zunächst in einem breiten Bande, welches in diesem Fall 
mit einem Zickzackornament bemalt ist. Hier war genügend Platz 
vorhanden, um Gold und Silber mit Darstellungen eines xui:- 
v8o< Spi:xa>v ^ anzubringen, und auf solcher Unterlage werden 
die Goldstreifen des vierten Grabes von Mykenä aufgelegen 
haben. Das breite Band wird an den Enden fortgesetzt durch 
einen einfachen Lederriemen welcher durch einen Nagel oder 
Knopf mit jenem verbunden ist. Dieser Knopf ist an beiden 
Enden sichtbar. An diesem Lederriemen hängt das Schwert in 
irgend einer Befestigung. Aber das ist noch nicht alles. Un- 
terhalb des Schwertes sehen wir wieder an beiden Unter- 
stützungspunkten eine Reihe parallel laufender Striche ; es sind 
Riemen oder Streifen aus edlerem Metall, welche troddelartig 
den Abschluss bildeten. So breit wie diese wird auch die ei- 



< Undsel a.a.O. Fig. 16 in London, vgl. Furtwängler und Löschcke, My- 
kenische Vasen Taf. D. S. 1-17. Ähnlich ist auch das korinthische Schwert 
abg. ebenda Fig. 18, vgl. 'E9r)}jnpi5 ipx. 1891 Taf. III, 6. 

2 Vgl. Heibig, Hom. Epos 2 8. 337-338. 

3 Ilias A 38. 



GEOMETRISCHE TASB AUS ATHEN S2t 

^^tlicbe Befestigung zu denk^i sein, so dass wir annehoieo 
müssen, dass sich der schmale Lederriemen an der Scheide 
selbst wieder verbreiterte. Überraschend ist. dass sich diesel- 
ben Streifen oder Troddeln auch auf der Netosvase finden, 
obwol die eigentliche Befestigung dort eine andere ist^ 

Nicht mit Sicherheit ist zu entscheiden^ über welcher Schul- 
ter das Gehenk, d. h. an welcher Seite das Schwert hängt. 
Das Schwert ist nicht in seiner ganzen Länge sichtbar, son- 
dern nur das Stück ist angaben, welches rechts und links 
Ton dem Körper des Kriegers zum Vorschein kommt, die Li- 
nien sind nicht durch das Schwarz hindurch^zo^ren. wie 
sonst üblich und das ist bei der Sorgfalt, mit welcher das 
Stück gezeichnet ist, von Wichtigkeit. Denn danach dürfen 
wir annehmen, dass das Schwert auf der rechten Seite, nicht 
wie Heibig ^ annimmt, auf der linken Seite getragen wurde. 
Auffällig ist, dass in der Bewaffnung des Kriegers das kurze 
Messer fehlt, welches, wie die neuen Funde sicher machen, 
zur Ausrüstung gehört und welches bei soi^ältigeren Gelas- 
sen stets angegeben zu werden pfl^ (s. o. Fig. 2). Die Beine 
des Kriegers sind auf der unteren nicht anschliessenden Scher- 
be erhalten, zeigen indessen keine Beinschienen. 

Es folgen Reste von zwei Frauendarsteliungen gleicher Art, 




Fig. 8. 
wie die oben beschriebene; eine Probe giebt Fig. 8. Man er- 

' Übereinsliramende Wehrgehenke finden sich in mehrfacher Wiederho- 
lung auf einer Scherbe im jüngeren Dipylonslil von der Akropolis. 

* Heibig Hom.Epos» S. 339 Aus einem Bilde wie Monumenti IX, 39 darf 
man nicbl ^bliessen. da es flöchlige Arbeil ist. Häufig genug ist der Schwert- 
strich durch den Körper selbst bei sorgfillligeren S:ucken gebogen, auch 
dann, wenn die Krieger nach^rechls roarfchiren. 

ATHEN. IIITTHKILÜNT.KN XVII. 16 



222 GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 

kennt, dass sie von bedeutender Grösse waren ; eine jede 
schmückte ein Feld. Die eine Hand war nach bekannter Ma- 
nier gesenkt, die andere erhoben. Die Frauen sind reich be- 
kleidet. Vom Halse bis zur Brust zieht sich in mehreren Strei- 
fen ein Zickzackmuster; von da bis zum Gürtel folgen paral- 
lele horizontale Streifen, sodann der Hauptteil des Gewandes 
schachbrettartig gemustert und den Beschluss bildet ein Saum 
in Zickzacklinien. 

Endlich kommt als viertes Bild noch ein Fragment hinzu, 
dessen Darstellung eine Deutung bisher nicht zulässt, man 




Fi«. 9. 



glaubt zwei Ansätze von Beinen, einen Schwanz zu erkennen: 
dann wäre vielleicht ein Löwe dargestellt gewesen, wie auf 
dem bereits besprochenen Fuss ; aber der ganze Rest zur Lin- 
ken bleibt unklar. 

Wenn wir schon aus den Darstellungen die stilistische Stel 
lung unserer Vase bestimmen können, indem sie jünger ist 
als die bekannten Dipylonvasen, denen gegenüber sie eine or- 
ganische Weiterentwickelung in Bezug auf die Bewaffnung, in 
der Einführung neuer Tierbilder, überhaupt in der Erfindung 
und frischen Wiedergabe neuer Darstellungstypen zeigt, älter 
aber als die frühattischen Vasen, insofern Bilder wie beispiels- 
weise der springende Löwe in Gesamtauffassung und Einzel- 
ausführung eine frühere Stufe anzeigt, und ganze Bildstreifen 
sieh vom Dipylonstik noch nicht unterscheiden, so gelangen 
wir zu demselben Resultat durch Betrachtung der Ornamente 
und des Decorationscharakters. An geometrischen Füllmoti- 
ven findet ein Rückgang gegenüber den Dipylonvasen statt. 
Das charakteristischeste und in jeder Beziehung vorherrschen- 



GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 223 

de ist das System von kurzen Zickzacklinien, nach Kroker's* 
und Böhlau's^ Bemerkungen bereits eine Neuerung gegenüber 
dem Gebrauche des streng geometrischen Stiles. Das Orna- 
ment ist so überwiegend, dass andere Füllmotive vollständig 
dagegen in den Schatten treten. Es sind dies die Rauten des 
unteren Streifens — auch erst eine Errungenschaft des jünge- 
ren üipylonstils — die einzelne gewellte Linie und das vier- 
strichige X, das zuweilen, so an den Henkeln, mit der Wel- 
lenlinie verbunden wird. Es sind dieselben Elemente, welche 
sich noch weiterhin bei den frühattischen Vasen gehalten ha- 
ben, besonders auf der Kanne von Analatos, dem ältesten 
Beispiel: auch hier finden sich die Rauten zwischen den Bei- 
nen der weidenden Rehe, das Zickzacksystem zur Trennung 
der einzelnen Männer beim Chor. 

Der Hauptunterschied zwischen den Dipylonvasen und un- 
serer Vase ist aber der, dass durchgehende geometrische Or- 
namentstreifen fehlen, welche die einzelnen Darstellungsstrei- 
fen von einander trennen. Der Mäander vor allen, welcher in 
seinen mannichfachen Variationen das Grundelement geome- 
trischer Decoration ist, ist aufgegeben. Das ist nicht willkür- 
lich, sondern eine natürliche Folge der Entwickelung des geo» 
metrischen Stiles Solange die grossen Ornamentstreifen die 
Stelle der Bilder selbst vertreten ^, spielt der Mäander eine 
sehrgrosse Rolle, die ihm zufolge seiner vorzüglichen Brauch- 
barkeit zur Füllung von Streifen sowie seiner durch sich selbst 
wirkenden ruhigen Einfachheit zukam. Hier giebt es noch 
keine oder so gut wie keine Füllornamente. Diese wurden 
erst nötig, als sich bei der Tier -und Menschendarstellung 
überall freie unregelmässige Stellen des Grundes ergaben, 
welche als ungewohnt das Auge der Beschauer empfindlich 
berührten und welche darum ausgefüllt werden mussten. Mit 



4 Jahrbuch 1886 S. 99. 

s Jahrbuch 1887 S. 39. 

3 Schon bei den einfachsten geometrisch dekorirten grossen Vasen hal 
man zu scheiden zwischen Ornamentstreifen, welche die Stelle der Bilder 
vertreten und solchen, die nur als Trennungsstreifen aufzufassen sind. 



224 GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 

dem Auftreten figürlicher Darstellungen verlieren die alten 
Ornamentbilder an Wichtigkeit. Sie werden wol noch ver- 
wendet, aber nicht mehr an entscheidenden Stellen und in 
geringerem Umfang. Das ist die Stufe, auf welcher die Menge 
der grossen Dipylongefässe steht, z. B. Monumenti IX Taf. 
39. Je mehr Bildstreifen nun auftraten, desto mehr musste der 
Mäander zurücktreten, und da er sich nicht zum blossen 
Trennungsstreifen eignete, verschwand er endlich ganz aus 
der Reihe der Decorationselemente ^ Aber auch die übrigen 
geometrischen Trennungsstreifen nehmen ab, und bei unserer 
Vase finden sich statt ihrer nur noch einzelne dicke schwarze 
Linien 2. Die geometrische Decorationsart gefiel eben nicht 
mehr, aber man musste ihr vorläufig noch die Füllornamente 
entnehmen. Da traten fremde Strömungen auf, denen sie er- 
lag, man griff die neuen Motive mit Begier auf und diese 
sehen wir in voller Blüte auf den frühattischen Vasen. Nun 
fanden sich auch wieder die Trennungsstreifen ein wie auf der 
Vase vom Hymettos, aber diese sind nicht mehr geometri- 
scher Art. Diese fremden Einflüsse nun zeigen sich auf unse- 
rer Vase zum ersten Male. Zunächst ist zu nennen der mittlere 
Teil des so oft am ersten Streifen wiederholten Dekorations- 
systems. Die Entstehung dieses Ornamentes ist so durchsichtig 
wie möglich. Man erhielt von aussen her die * Hakenspirale' 
wie Jahrbuch 1887 S. 51 Fig. 11, die ja ein Hauptmotiv des 
frühattischen Stiles ist. Legt man das rein geometrische Ele- 
ment der beiden sich kreuzenden Zickzacklinien zu Grunde 
und setzt an die Spitzen zur Rechten solche Haken nach oben, 
zur Linken nach unten an, so hat man genau das auf dem Kes- 
sel verwendete Ornament. Um ein Geringes weiter hat diese 
Gombination die Analatoskanne geführt (über dem Ghor am 

* An den Mäander erinnernde Elemente Gnden sich ganz vereinzeil auf 
den frühaUischen Vasen, z. B. Jahrbuch 1887 Fig. 5. 6. iO. 23 (Böhlau), 
aber sie kommen für uns nicht in Frage. 

' Ganz elementare Ornamentslreifen halten sich noch länger, aber nicht 
tnchr als Trennungsstreifen, sondern wie beispielsweise auf der Analatos- 
kanne zum Abschluss des bemalten Gefässes nach unten und ähnlichen 
Zwecken, 



Habe) aber nur in Beug auf das Mitlelstikk , indem doit 
dm Zickiacklinien mit einander mm Ornament verband» 
Herden. Von dieser Halsdekoralion nimmt Eföhlau an, da;ss 
sie in ihrer Gesamtbeil xon mrkeniseben Formen aMiangig 

sei, denn einer^ls seien die Rauten in der mvkenis^ben Ke« 

1*- 

ramik lahlreieher als auf den fmbattisc'ben Vasen, andererseits 
erinnere das GeÜss bei Furtwangier und L5sebele. Mykeni« 
scbe Vasen Taf. 35. 343 sehr an die Kanne. Wir sahen soeben« 
dass das Miltelslöck nur eine Combinalion aus Zieiiaeklinien 
ist. keine Raulen, dann aber sind die Raulen nach dem neu« 
gewonnenen Maleriale nicht sehen, sondern gehören wirkHch 
zum geometrischen Decoralionsbesland. Und die ganie Ver- 
bindung der Raulen mit den Spiralenhaken ist so einfach» 
dass man nicht auf Beispiele aus mykenischer Keramik zu- 
rückzugehen braucht. Zudem wird man, wenn man nach Ana« 
logien sucht, gerade bei einfachsten Ornamenten absolute 
CbereinstimmuDg fordern. Diese findet sich nun hier nicht. 
Die Haken von der mykenischen Scherbe gehen beide nach 
derselben Richtung, was auf der Analatoskanne nicht der Fall 
ist. Ebenso wenig wird man für den Zweig, den der Kentaur 
auf dem thebanischen Krater in der Hand trägt, nach Analo« 
gien suchen. Solche Dinge ergeben sich von selbst. Wir müs« 
sen, scheint mir, den Malern dieser Epoche etwas mehr Selb« 
ständigkeit zutrauen, als es bisher geschehen ist. Die fremden 
Elemente, welche in den geometrischen Stil eindrangen, wur- 
den z. T. zu neuen Gombinationen verarbeitet, wogegen an- 
dere fertige Ornamente einfach übertragen wurtlen, natürlich 
mit der nötigen geometrischen Stilisirung. 

Besonders merkwürdig ist der oben als 'Untersatz' be« 
zeichnete rechts und links von den tanzenden Frauen darge- 
stellte Gegenstand; dass er nur ornamental ist und nicht ein 
wesentlicher Teil der Darstellung, haben wir auch bereits 
gesehen. Diese Form steht nicht vereinzelt da. Bei denselben 
Ausgrabungen sind Reste von der breiten Mündung eines gros« 
sen recht flüchtig gemalten Getässes zum Vorschein gekommen, 
welche denselben Gegenstand aufweisen (Fig. ir^, 11, 12). Die 



GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 



Gesamtform des Stückes ist nicht mehr genau zu rekonstruiren ; 
stilistisch gehört es ziemlich eng zusammen mit der Analatos- 
kanne. Die Löwen mit dem weit aufgesperrten Rachen voller 
Zähne und mit der lang heraushängenden Zunge sind ganz 
analog ; die Krallen der Tiere sind bereits etwas gekrümmt. 






Fig. M. 



Fig. 12. 



Die, wie es scheint, kämpfenden Paare erinnern noch lebhaft 
an die Darstellungen der Dipylonvasea. Das Ornament ist 
nun in seiner doppelten SchnUrung und den geraden Stäben 
genau übereinstimmend mit dem von unserem Kessel, die 
Füllornamente sind dagegen einfacher, es sind nur Zickzack- 
systeme. Und das gleiche Ornament fand sich noch auf meh- 
reren Scherben. Auf dem Fig. 14 abgebildeten Stück ist auch 



GBOUBTRISCHE \ 



die Innenzeichnung durchaus übereinstimmend. Aus diesen 
ThaUachen müssen wir schliessen, dass der 'Untersatz' nicht 
Resultat einer Verarbeitung überkommener Elemente ist, son- 
dern ein fest ausgeprägtes, nur geometrisch stüisirtes Orna- 
ment einer fremden Keramik. 

Aber gerade diese geometrische Stilisirung ist besonders 
wichtig für sämtliche orientalische Ornamentationselemente, 




Fig. 13. Fig. 14. 

die sich auf dem Kessel wie auf den frühattischen Vasen fin- 
den. Denn sie ist der Grund, warum sich genau entsprechende 
Analogien aus dem Kreise orientalischen Kunsthandwerks 
nicht finden lassen. Es kommt daher wesentlich auf den Nach- 
weis eines gemeinsamen Dekorationscharakters an. Für unse- 
ren Fall sind die nächstliegenden Beispiele die phönikischen 
Bronzevasen, welche an verschiedenen Punkten der alten Welt 
zum Vorschein gekommen sind. Die Schale von Curium' er- 
läutert am besten die beliebte Manier jener Kunst, einzelne 
Darstell ungBscenen durch ein einziges grosses Ornament abzu- 
schliessen, wie es der Kessel zeigt; auch hier ist es ein phan- 
tastischer Authau , der in seinem nach oben sich öffnenden Kelch 
mit den einzelnen Blättern sogar direct zum Vergleich heran- 
gezogen werden darf. Dasselbe gilt von der Schale von Ama- 
thus^ und ähnlich steht es mit der Schale von Idalion ^ und 



' Perrot-ChipiM III Fig, 552. 
> Ebenda Fig. 547. 
1 Ghenda Fig. 548. 



228 GEOMETRISCHE VASE AUS ATHEN 

der üronzetasse aus der tomba del Duce von Vetulonia ^ wel- 
che letztere freilich mehr für die frühattischen Vasen in Be- 
tracht kommt. Aus solchen Vorbildern wird jenes selbständige 
•grosse Trennungsornament des Kessels herzuleiten sein, um 
so eher, als das Vorkommen attisch -geometrischer Vasen in 
Cypern den regen Handelsverkehr zwischen Osten und Westen 
bezeugt. 

Wir vergleichen zum Schluss unser Ornament mit denen 
der frühattischen Vasen und erkennen, dass sie zwar aus ver- 
schiedenen Grundelementen abgeleitet sind, aber in der geo- 
metrischen Stilisirung dieselbe Manier verraten. Die Schnü- 
rung der grossen Palmette von der Analatoskanne ist in ganz 
ähnlicher Weise hergestellt, auch die Palmettenköpfe, die frei- 
lich nach innen gestellt sind, erinnern lebhaft an die des Kes- 
sels. Indessen ist an der Analatoskanne schon ein bedeutender 
Fortschritt zu bemerken : so sind die einzelnen senkrechten 
Stäbe schon blattartig mit einander verbunden. Auch die Pal- 
mette der frühattischen Vase Nr. 9 bei Böhlau ist heranzu- 
ziehen, und mit Recht hebt derselbe hervor, dass sie eine äl- 
tere oder besser geometrischer gebildete Form der auf der 
Analatoskanne zu sein scheint. 

Wir sehen somit Stufe für Stufe den Fortschritt, der inner- 
halb der ältesten attischen Keramik gemacht wurde und grade 
dieser durchsichtige Entwickelungsgang ist nicht unwesentlich 
für die Frage nach der Herkunft der Dipylonvasen. Schon 
Kroker hat den attischen Ursprung energisch betont und mit 
positiven Beweisen zu begründen gesucht. Wenn eine so kon- 
tinuirliche Reihe sich herstellen lässt, muss man schliessen : 
entweder sind Dipylonvasen, unser Kessel und frühattische 
Vasen insgesamt nicht attischer, oder insgesamt attischer Ab- 
stammung. Welcher Schluss der richtige ist, braucht nicht 
gesagt zu werden. 

ERICH PERNICE. 



■^■|BB«OWMK>^ 



< Noiizie degli Scavi 1887 Taf. XVI. 



STUDIEN ZU DEN ASKLEPIOSRRLIEFS 

( Hierzu Tafel XI ) 

Seitdem durch die rüstig fortschreitende Erweiterung und 
Neuordnung des hiesigen Nationaimuseums auch die Askle- 
piosreliefs eine ihrer Bedeutung entsprechende Aufstellung 
gefunden haben, ist für das Studium derselben zum ersten 
Male bequeme Gelegenheit und damit hoffentlich auch für 
viele neue Anregung gegeben. Man war für viele und z. T. 
sehr wichtige Stücke bisher allein angewiesen auf die Beschrei- 
bungen, die F. von Uuhn (Arch. Zeitung 1877 S. 139 ff.), 
Girard {L Asclepieion S. 97 ff.) und L. von Sybel von ihnen 
gegeben haben. Es wird daher nicht unwillkommen sein, 
wenn im Folgenden eine Anzahl von Asklepiosreliefs bekannt 
gemacht wird, die nach verschiedenen Seiten hin für die 
Kenntniss dieser Gattung von Yotivreliefs von Bedeutung sind. 
Die Auswahl geschah unter sachlichen Gesichtspunkten, da 
eine chronologische Anordnung, die Duhn seinem Verzeich- 
nisse zu Grunde gelegt hat, mir mit den bis jetzt zur Verfü- 
gung stehenden Kriterien nicht mit genügender Sicherheit sich 
durchführen zu lassen scheint ; auch ist ja Duhn's versuchs- 
weise Datirung im Einzelnen mehrfach bestritten worden und 
es hat im Allgemeinen Koepp ohne Zweifel mit Recht die Be- 
merkung gemacht, dass diese Reliefs, chronologisch betrachtet, 
im Wesentlichen eine einheitliche Gruppe bilden. Für eine 
genauere Datirung der Asklepiosreliefs werden sichere An- 
haltspunkte meines Erachtens einerseits dann gegeben sein, 
wenn wir die fest datirbaren Urkundenreliefs in einer über- 
sichtlichen Gesamtpublikation vor uns haben , andrerseits 
dürften sich aus der sachlichen Analyse der Asklepiosreliefs 
selbst mit der Zeit bestimmtere Kriterien für ihre Chronologie 



'230 STUDIEN ZU DEN A8KLEPJ0SRELIEFS 

ergeben. Ausser den attischen Reliefs wurden zwei ausserat« 
tische herangezogen, die für die Beurteilung auch der atti- 
schen Denkmäler von Wichtigkeit sind. 



1. Asklepios* Krankenbesuch. 

F. von Duhn hat unter Nr. 1 15 seines Verzeichnisses (=Sy- 
bel 7161) ein Relief* beschrieben, das für die Darstellung von 
Asklepios* Krankenbesuch bisher das einzige vollständige und 
gesicherte Beispiel war; die Richtigkeit der Deutung dessel- 
ben ist vollkommen gesichert, und auch über die Einzelheiten 
der Darstellung kann im Wesentlichen kein Zweifel bestehen: 
wir sehen den Heilgott neben dem Bette des Kranken sitzen ; 
zur Rechten, am Kopfende der Kline steht — wol sicher un- 
bärtig — die Gestalt eines der Asklepiossöhne. Derselbe hält 
mit dem ausgestreckten rechten Arm einen nicht mehr er- 
kennbaren Gegenstand über dem Kranken ; Duhn hat sicher 
das Richtige vermutet, wenn er glaubt, dass der Gott nicht 
bloss den Segen erteilt, sondern einen wirklichen Gegenstand 
in seiner Hand hält 2. Hinter dem Stuhle des Asklepios tre- 
ten von links her zwei Adoranten heran. 

Was Duhn von parallelen Darstellungen bei der Bespre- 
chung dieses jetzt im kleinen Museum der Akropolis aufbe- 
wahrten Reliefs heranzieht, wird uns weiter unten zu beschäf- 
tigen haben ; aus dem athenischen Denkmälervorrat ist ihm 
nur noch ein stark fragmentirtes Parallelmonument bekannt 



• Vgl. LeBas- Reinach, Voyage archMogique S. 73. 

2 Die Hygieia des Reliefs Duhn Nr. 14 (=rSybel 4008) darf übrigens in 
Bezug auf die ausgestreckte Hand nicht mit dem Asklepiossohn unseres Re- 
liefs verglichen werden, selbst wenn derselbe keinen konkreten Gegen- 
stand in der Hand hielt; der Adorant desersteren ist keineswegs als Kran- 
ker zu denken, bedarf also einer heilenden Berührung nicht. Hygieia hat ihre 
Hand hier wol nur segnend erhoben ähnlich wie es bei der des AeXxiov 1891 
S.89, Nr. ?3 beschriebenen Reliefs der Fall ist, wo wir es ebenfalls mit ei- 
nem Adoranten, nicht mit einem Heilungsbedürftigen zu thun haben. Es 
ist wol nur ein Versehen, wenn Silll, Gebärden S. 323 den Asklepiossohn 
unseres Reliefs als Heilgotl selbst bezeichnet. 



STODISIt XD DKH ^£LEPI08BU.IBF8 z31 

geworden, das er unter Nr. 20 seines Katalogs beschreiU und 
das wir beistehend (Fig. i ) wiedergeben. 




Fig. 1. 



Das Bruchstück aus penlelischem Marmor ist 33~ hoch, 
13~ breit. Wir sehen auf demselben nur das Kopfende der 
Kline, bedeckt mit zwei Kissen, auf denen das — diesmal bär- 
tige ' — Haupt des Kranken ruht; was von dem Oberteil der 
Brust erhalten ist, genügt, uns erkennen zu lassen, dass der 
Kranke mit einem fest am Halse schliessenden Gewände be- 
kleidet war. Das Kopfende des Lagers berührt unmittelbar 
den rechten Rand der Reliefplalte, auf den die Kissen noch 
etwas übergreifen: eine Figur zu Häupten des Kranken, wie 
wir sie bei dem Relief des Akropoüsmuseuma fanden, war also 
hier keinesfalls vorhanden. 

Mit diesem Relief stimmt am meisten überein das Bruch- 




■ Bei 8ybe] 1896 ist die Fi){ur als uabärtig beioiotiiifil 



Mt 6TUD1BN KU UEM ASKLKPIOSBELIEFS 

Blück, welches Sybel unter Nr. 4359 kurz beschreibt, und 
welches vorstehend (Fig. 2) wiedergef^eben ist; es ist nicht völ- 
lig ausgeschlossen, dass auch hier am Kopfende des Bettes eine 
Gestalt gestanden habe. 

Mehr alä dies Fragment bietet das Bruchstück eines dritten 
ReUefa aus pentelischem Marmor im Nalionalmuseum ( Sybel 
3010); H. 28'", Br. 22'". 




Wir sehen auch hier, ausgehend von der Bruchfläche des 
Reliefs zur Linken das Kopfende einer Kline und auf dem- 
selben in Vorderansicht das von zwei Kissen unterstützte 
Haupt des Kranken. Von rechts her hat sich ein bärtiger 
Mann, dessen Gewand, den Oberkörper frei lassend, um die 
Hüften geschlungen ist, über den Daliegenden gebeugt und 
mit beiden Händen den Kopf des Patienten angefasst, auf den 
zugleich sein Blick offenbar aufmerksam prüfend gerichtet 
ist; die Bewegung der Hände ist nicht ganz deutlich ; es sieht 
fast so aus, als unterstütze und halte die Linke das Haupl des 
Kranken, während die Rechte eine allerdings völlig unerkenn- 
bare Operation an demselben vornimmt. Hinter der Figur 
dieses bärtigen Mannes bildet nach rechlshin den Abschluss 
des Reliefs die nur bis zur linken Hüfte und halben Höhe de? 
rechten Oberarms erhaltene Gestall des Asklepios, der, der 
Schlangenstab unter die rechte Achsel einstemmend, den lin- 



kfB Ann m dw HüAe stiftMiid wl fam^ hgfiJhbI faitoü G^ 
wmmAt ÜB VioirdieniKKfal dm^ : seuie iwirti' Ifawl nikl w 
(Arm ScUboenstab Fallai des GernmiMfes &U«b mI»hi dMH 
InkflB Bi«. auf d«i dab$ Gemidil dks Röqmrs nilil^ btenradb^ 
die FiBsse dfs^ GMes sind naekt. Dte untere Ende d^ Sehbun- 
SHBlahs Kt dnrdi den deidi&lls naekten Unken Fuss d^ mit 
don Exanken betscliift^len Mannes vefdeekt. Über die Hai« 
tni^ d» Ropfies des Asklepios &sl sieh niebis B^estimmles 
sasm : man wnide seme annehmen, dass er dem Kmnken 
msipirciidet. und da^ damit die Anteilnahme des Gottes an 
dem Vofvanse mm Ausdraek spracht war : doeh seheint der 
Verfarlioer des Reliefs einen stataarisehen Typus des Askle« 
pios ein£idi iosserlieh seiner Dar§lellung an^fu^et^ die Her- 
stellons der inneren Beiiehuns; dem Beschauer überlassen ni 
haben. Ein Tollständigeres Bild desselben Typus giebt der 
Askkpios des Reliefe Duhn >r. t8 = Sybel 4399. 

Wie ist der bartige Mann am Köpfende der Rline lu be- 
nennen? Die Kleinheit der Fiis^r sowie die Bartiskeil des 
Mannes schliessen die Deutung auf einen der Asklepioss5hne 
natürlich aus ; wir sehen einen der sterbliehen Heilgehälfen 
des Gottes Tor uns, er ToUuehl im Auftrage und unter den 
Augw des Asklepios die Heilung, wofilr an die Bemerkung 
Ton Zacher, Hermes XXJ S. 47? (vgl. auch Wilamowiti« 
Hermes XIX S. 448) erinnert sein mag. 

Ein Tiertes Fragment (S. 234 Fig. 4) des Nationalmu« 
seums (Sybel 4358) steht dem eben besprochenen insofern 
am nächsten, als auch hier mit dem Haupte des Nvieiler 
bärtigen Kranken ein am Kopfende der Kline stehender 
bärtiger Mann beschäftigt ist; er hat dem Daliegenden die 
Rechte auf das Haar und die Stirn gelegt ; mit dem linken 
Unterarm lehnt er sich auf den Rand des Bettes. Die Tracht 
ist von der des Heilgehülfen auf dem vorigen Relief verschio«- 
den; das Gewand lässt die rechte Seite des Oberkörpers frei, 
yerhüllt die linke Seite desselben, sowie den linken Arm und 
kommt so eher der Tracht des Asklepios nahe ; doch ist der 
Grossenunterschied zwischen dem Daliegenden und seinen) 



STCDrEN tu DES ASKLEPIOsnCLIKFS 

soweit or sich nach dem ErhalteDen feslstellea lasst, 
nicht so bedeutend, dass die Deutung auf Asklepios dadurch 
gesichert wäre. 



Pfleger 




Von neuem Material ausserhalb der athenischen Sammlun- 
gen ist mir nur das nachstehend verüfTentlichte Relief bekannt 




geworden, das im Piräus im Hofe eines Privalliauses' einge- 
mauert ist und uns durcli die Freundlichkeit des Herrn J. Dra 
gatsis zugänglich geworden ist. Leider ist die Oberfläche des 
Reliefs stark bestoseen.doch ist das Wesentliche der Darstellung 



' In einer nucli namenlosen Querstrasse der 'OBöt 'Al>:iSiiBo'j im iiii, Tf ile 
s Piräus gelegen und dein Ktuvaiaviivot NuiTifopou geliürig. 



STUDIEN ZU IWN AS£LEP10SHBUBFS iS^ 

nck^h deutlidi genug zu erk^men. Der Gott ist von links an das 
Lager des nach rechtshin gebetteten Kranken herangi^rHen ; 
er isl barfuss, bekleidet mit dem üblichen langen Ge^'ande 
und hat die Rechte gegen den Kranken erhoben ; von dem 
Kopfe sind kaum noch die Umrisse auf dem Reliefgrunde zu 
erkennen. Hinter dem Gotte schreiten in feierlichem Zuge vier 
männliche, z. T. (die zweite und vierte) sicher bärtige Ge- 
stalten, die durch ihre etwas geringere Grösse als Sterbliche 
charakterisirt sind. Sie sind barfuss und in den langen Man- 
tel gehüllt, der bei den beiden Letzten auch den zur Adoration 
erhobenen rechten Arm verhüllt'. Vor dem vordersten dieser 
Adoranten ist das Vorderteil eines zum Opfer herangeführten 
Schweines sichtbar ; es ist aus dem Verzeichniss Duhn's be- 
kannt, wie häufig das Schwein als Opfertier des Asklepios 
auf den Votivreliefs sich findet^. Der Kopf des Knaben, der 
das Tier heranführt, ist unter der voi^estreckten linken Hand 
des vordersten Adoranten sichtbar : zwischen diesem und dem 
Heilgott bildet das Fussende der Kline hinter dem Kopfe des 
Knaben und dem des Tieres den Hintei^rund. 

Mit der Pflege des von zwei Kissen gestützten, auf der lin- 
ken Körperseite ruhenden, übrigens aufl*allend gross gebilde- 
ten Kranken sind zwei Frauen beschäftigt, die eine, durch 
ihre geringe Grösse als sterblich bezeichnet, steht dicht vor 
Asklepios; was sie mit dem Kranken vornimmt, lässt sich 



< Über die Gebflrde der Adoration vgl. neuerdings SiUl, Gebärden S. 291 f. 
Dort wird übrigens das Relief aus Philippopolis, Annali 1861 Taf. 5. sehr 
mit Unrecht als Ausnahme bezeichnet, weil ein Adorant auf ihm beide 
Arme erhebt. Die Figur ist, wie Bruzza in seiner Beschreibung S. 382 f. 
richtig hervorhebt, deutlich, wenn auch ungeschickt, als blind bezeichnet, 
demnach nicht als Anbetende sondern als um Heilung Flehende zu fassen, 
wozu eben die Erhebung beider Arme zum Gebet nach Sittl 8. 294 f. 
trefllich stimmt; auch die Inschrift unter dem Bilde (&]cip (SipiaKo^) fordert ja 
diese Erklärung von vorne herein. 

> Der Hahn als Opfertier des Asklepios, um das nebenbei zu verzeichnen, 
ist durch da$ 4. Gedicht des Herondas, V. 12 neuerdings in willkomme- 
ner Weise bezeugt; Thrämer in Roscher's Lexikon I 8. 630 hätte ausser 
Sybel 4691 auch noch 8ybel 377 anfuhren können. 



236 STUDIEN 2U DEN ASRLEPIOSRELIEFS 

leider nicht mehr erkennen. Die andere Frauengestalt steht 
am Kopfende der Kline und hat sich über den Kranken ge- 
beugt, ihre Rechte scheint auf seinem Kopfe zu liegen ; die 
Linke hat über dem Handgelenk den linken Arm des Dalie- 
genden, auf dem sein Haupt ruht, ergriffen. Der Zweck die- 
ser Bewegung wird mit Sicherheit kaum zu bestimmen sein. 
Der Heilgehülfe des Fragments Fig. 3 (vgl. auch Fig. 4) ist 
in ähnlicher Weise mit dem Kranken beschäftigt. Dass die 
zuletzt besprochene Gestalt unseres Reliefs eine Göttin ist, 
wird durch ihre Grösse bewiesen. Bei der Heilung seines Plu- 
tos lässt Aristophanes ausser Asklepios V. 730 f. auch die 
Panakeia beschäftigt sein und nach V. 701 jener mit derber 
Komik geschilderten Scene befindet sich dort auch laso im 
Gefolge ihres Vaters; wer durchaus Namen verlangt, mag die 
Figur laso oder Panakeia nennen. Eine der Asklepiostöchter 
haben wir jedenfalls vor uns ; sie entspricht dem Asklepios- 
sohn, der auf dem Relief Duhn Nr. 115 am Kopfende des 
Krankenlagers steht. Unter der Kline ist ein grosses Becken 
sichtbar. 

Während somit die bildlichen Darstellungen von Askle- 
pios* Krankenbesuch um vier neue Exemplare vermehrt sind, 
werden wir allerdings aus der bisher angenommenen Reihe 
dieser Denkmäler eins zu streichen haben, obwol dasselbe von 
Duhn und neuerdings auch von Thrämer hierher bezogen 
worden ist. Das bei Miliin , Mythologische Gallerie Taf. 
^32, 105 abgebildete Relief unbekannter Herkunft und unbe- 
kannten Aufbewahrungsortes gehört, wenn man überhaupt 
mit einem so ungenügend bekannten Monument operiren will, 
jedenfalls nicht zu den Darstellungen von Asklepios' Kran- 
kenbesuch, sondern zu den Reliefs, die mit dem sog. Toten- 
mahle die Figur des Heilgottes verbinden. Das Vorkommen 
solcher Darstellungen ist durch das von Conze (Wiener Sitz- 
ungsberichte 1881, Band 98 11 S. 551 ff.) veröffentlichte 
Relief des pariser Cabinet des medailles zum ersten Male 
bewiesen und kürzlich durch die Auffindung eines Reliefs in 
Rhamnus bestätigt worden, das uns den Heilgott, diesmal 



firciUdi den Amphianos^ bnm Totanmaklile aei^ ^ B^ dem 
miiliit'sclieii Relief wekl aJles^ die Hahung des gria;<eftes 
Slannes^ die Art der Kline and das unter derselben sldiende 
Gerat auf ein Totenmahl, nicht aber auf ein Krankenla^ 
hin. und so wäre denn das Relief eine willkomniene Bereiehe- 
rang der D^^kmalerreibe mit Asklepios beim TotenmahL Auf 
ihre Deutung hier näher einzugehen» muss ich mir \ersagen» 
nur eine Bemerkung sei Terstattet. Man hat das Erseheinen 
des Asklepios beim Totenmahl damit motivirt geglaubt, dass 
der Gott als Typus des Heros bei diesem Akt des Meroenkul« 
tus, dem Totenmahle, Zuschauer sei: mir scheint diese Moti*- 
Tirang nicht ausreichend. Wenn uns eine so allgemein güU 
tige Beziehung zwischen dem Heros des Totenmahls und dem 
Asklepios vorläge, so müsste sich der Gott auf den so lahU 
reichen uns bekannten Toten mahlreliefs meines Erachtens weit 
öfter finden ; kommt aber, wie das thatsächlich der Fall ist» 
in dem bisher bekannten Denkmälervorrat Asklepios» bei. 
Amphiaraos, nur dreimal als Beiwohner des Totenmahls vor« 
so zwingt uns doch wol dies statistische Verbältniss, fär diese 
Ausnahmedarstellung auch eine über das allgemein gültige 
hinausgehende, spezielle Motivirung anzunehmen. Der Heros 
dieser drei Reliefs muss in einer besonderen Beziehung zu As« 
klepios gestanden haben; wie das Erscheinen des Dionysos 
beim Totenmahl auf einen Diener dieses Gottes, so weist 
Asklepios' Anwesenheit auf einen Priester oder sonstigen Die« 
ner des Heilgottes hin Der einfache Typus des Totenmahls 
ist in beiden Fällen in völlig analoger Weise erweitert, füir 
einen speziellen Fall mit einer spezialisirenden Zuthat ver- 
sehen . 

Um von dieser Abschweifung zu unserem Thema zurUck- 
zukehien, so gilt ja bekanntlich seit Stark (Arch. Zeitung 
1851 S. 315) die Stelle des Suidas über das Weihrelief des 



* Über Amphiaraos alsHeilgotl vgl. neuerdings Lo11ing/A0i)vS III 8. 597«!. 
Das Relief hat in demselben Säle des Nalionalrouseuros seine Aufstellung 
gefunden wie die Asklepiosreliefs. Übrigens sieht der Gelagerte dieses BIN 
des weit eher als der des roillin'schen Reliefs wie ein Kranker aus. 

ATHBN. MITTHBILUNOBN ZVII. 17 



93S 



BTUblB» ZV DEN ASKLEPIOSHBLIEI 



Theopompos als ein hochwillkommener lillerarischer Beleg 
für eine Darstellung, die bisher noch auf so wenigen Monu- 
menten nachgewiesen ist. Ich mag üher die im Tone einer 
echt rhetorischen Ixfppa^i? gehaltene Beschreibung des Theo- 
poraposreliefs nicht viel Worte verlieren. Deni icifti oi Tr,v 
wat(iiviDv x''P«' ")''' flPf" so viele Erklärer von Asklepiosreliefs 
operirt haben, scheint mir zu viel Ehre angethan worden zu 
sein; der Asklepios des milUn'sohen Heliefs hat seine Hand 
so ausgestreckt, hoffentlich wird man ihn daraufhin nicht 
wieder zum Krankenbesucher umdeuten. Ferner: was soll 
der ffa(( vfatpö; üitou.eiSiw'* ii«i &üto( ( — vorher hat übrigens in 
dem ganzen Suidasartikel noch Niemand gelacht — )? Der 
rhetorische Beschreiber macht Worte des üblichen Schlages 
darüber; uns lallt dabei die stehende Figur des Totenmahles 
ein. Aber auf dem Steine war doch nach Suidas die Krank- 
heit des Tlieopompos so meisterliaft von dem Künstler wie- 
dergegeben . "EoTi TO tvSccXixK Toü ■Tti9ow( liÜk iixffii, (tWwrj 
xal kÜtt] iiOov, It:' aÜTÜ; x-iX-xi voaoOv tÖ ix.ii-^'ju fia^x, ^iipoup- 
yi;x ipiXoti/'vtj). Ich bezweifle, dass der Gewährsmann des Sui- 
das das EvSot>[*a Toü itiÖQus deutlicher angegeben fand, als die 
neueren Erklürer es auf dem millin'schen Relief gefunden ha- 
ben. Alles in Allem: ich vermute, was uns Suidas da be- 
schrieben hat, ist keine Darstellung von Asklepios' Kranken- 
besuch, sondern ein Totenmahl, bei dem Asklepios, als Schutz- 
gott des Dichters meinetwegen, anwesend ist. An die ähn- 
liche Beziehung des Sophokles At^iuv zum Heilgotte zu den- 
ken, bedarf keiner besonderen Erinnerung. 

In dem so einerseits bereicherten, andererseits gesichteten 
Kreis von Asklepios' Krankenbesuch haben wir leider nur 
zwei vollständig erhaltene Reliefs gefunden. Wir sahen, dass 
nicht ein Typus der Darstellung allen einschlägigen Bildwer- 
ken zu Grunde liegt, vielmehr ist im Einzelnen manche Ver- 
schiedenheit, indem bald Asklepios selbst, bald seine Töchter 
oder sein Sohn, bald endlich ein sterblicher Heilgehulfe mit 
dem Kranken beschäftigt ist. Die zwei vollständigen Exem- 
plare stimmen in einem Punkte überein ; beide zeigen Ado- 



SrOlMEM zu taCS AS£LEM0SIISLISFS ^Si 

nnteo bei dem RrankeDbesiiche des Gelles ; auch keines der 
Fragmente isl so gestaliei. dass es unm^ich ^iüre, sich bei 
der Eiganzang Adoranten hinzugefügt zu denken. Wahrend 
auf den gewöhnlichen Votivreliefs der Goll nach bestem Ver- 
mögen des Künstlers so dargestellt ist, dass er die Anbetung 
seiner Frommen ruhig oder auch mit besonderer Gunstbe- 
zeugung ihnen zugewendet entgegennimmt« erscheint Asklepios 
hier den Adoranten abgewendet ; natürlich • weil er beschäf- 
tigt ist Haben die Adoranten den Zeitpunkt ihrer Verehrung 
so schlecht gewählt ? Ich denke, unsere Reliefs zeigen eine 
Vermischung zweier Darstellungen, zeigen uns statt des ruhig 
ihrer harrenden Gottes im Bilde das, was den Adoranten bei 
ihrem Herantreten an das Götterbild vor der Seele schw*ebt. 

Ist das so, so ist auch die Frage nach dem Ort der Hand- 
lung, an den uns diese Reliefs versetzen, mit beantwortet; die 
Adoration geht im Tempel, die Krankenheilung in der Vor- 
stellung der Adoranten und nach dieser doch wol im Kran- 
kenhause des Asklepiosheiligtums vor * . 

Es soll zum Schlüsse dieses Abschnittes anhangsweise noch 
kurz zusammengestellt werden, was sonst von Darstellungen 
des Heilgottes gegenüber dem Kranken vorhanden ist. Bei 
seinem Relief Nr. 5 = Sybel Nr 4510, umstehend skizzirt 
(Fig. 6) zweifelt von Duhn mit Unrecht, ob Asklepios die 
Schale, die er in der vorgestreckten Rechten hall, darbietet 
oder aber hinreicht, um eine Spende in Empfang zu nehmen; 
die Handhaltung der Frau weist, wie das ja auch von Duhn 
für wahrscheinlich hält, daraufhin, dass sie nicht eine Spende 
in die Schale thun, sondern dieselbe fassen will; der Gott 
reicht ihr also wol einen Heiltrank dar. 

Zwar nicht konkrete Hülfeleistung, wol aber hülfreiches 
Spenden heilsamen Rates zeigt, schon nach Ansicht des er- 



* In der archileklonischen Umrahmung des Reliefs Duhn Nr. i15 wird 
man eine Andeutung des Loltals kaum erkennen dürfen; sie wird rein nur 
ornamentale Bedeutung haben. wAhrend natürlich bei einem Denkmal, wie 
dem von Urlichs (Bonner Jahrbucher 87 S. \ ff. Taf. \) publizirlen Afkle- 
piosrelief Duhn Nr. 42 die Sache ganz anders steht. 



340 STUDIEN ZU DEN ASKLEPIOSBBLIBFS 

sten Herausgebers, das Relieffragment Schöne Nr. 114 = Dufan 
Nr. 106. Für den eigentümlichen Gestus der aufeinander ge- 
legten Hände weiss ich so wenig wie die früheren Erklärer 
eine sichere Deutung zu geben. Der Typus dieses hüllreich 
dem Sterblichen zugeneigten Gottes, den uns die zuletzt be- 
sprochenen Reliefs zeigen, ist vielleicht für Einzeldarstellun- 




Fig. 6. 

gen des Gottes massgebend gewesen, während Köhler vermu- 
tet (Athen. Mitth. II S. 244), dass eine Darstellung des 
Heilgottes, wie sie z. B. das Relief Athen. Mitth. II Taf. 18 
= Duhn Nr. 41 enthält, aus dem Bilde des an das Kranken- 
lager geeilten Arztes abzuleiten ist^ 

Wir sind in dieser kurzen Übersieht ausgegangen von den 
Darstellungen des eigentlichen Krankenbesuchs, die doch wol 
sicher unter der Vorstellung von den Vorgängen in den Kran- 
kenhäusern der Asklepiosheiligtümer entstanden sind und 
die wir uns durch Schilderungen, wie die des aristophanischen 
Plutos, sowie durch die bekannten Heilinschriften von Epi- 
dauros beleben mögen. Eine kurze Reihe von Reliefs, wel- 
che die ärztliche Hülfe des Gottes viel einfacher und ab- 
strakter wiedergeben, schloss sich an. Ich darf wol hier noch 
eine kurze Bemerkung anfügen über eine letzte, zwar kunst- 



' S. übrigens dazu H. L. Urliclis, Bonner Jahrbücher 87 S. 6. 



STUDIEN ZU DEN ASKLEPIQSRBUEFS ?4f 

historisch hierher nicht gehörige Reihe von Denkmälern, auf 
denen man Asklepios mit seinen Kranken in einer hier aller«« 
dings ganz eigentümlichen Weise erkennen zu müssen ge- 
glaubt hat. 

Preller hat in der bekannten Figur des Telesphoros, die auf 
Monumenten vom zweiten Jahrhundert abwärts so häufig mit 
den Heilgöttern verbunden ist, 'den leibhaftigen Ausdruck 
eines in der Genesung begriffenen Kranken ' zu sehen geglaubt 
und so wird denn heutzutage die sonderbare Zwerggestalt 
meist schlechtweg als * Genesungsdämon ' in diesem Sinne 
aufgefasst. Um hier nur kurz anzudeuten, was anderen Ortes 
genauer auszuführen sein wird, so scheint mir diese Deutung 
nicht ganz das Richtige zu treffen; wir haben für die Erkennt- 
niss des Wesens des Telesphoros vornehmlich zwei Anhalts- 
punkte: seine Tracht und seinen Namen. Erstere, die noch 
heute im Orient einem Jedem auffällt, ist als Tracht eines 
Knaben kaum zu verstehen ; soll die eigentümliche Verhül- 
lung überhaupt einen speziellen Sinn haben, so wird man 
doch am natürlichsten an die Verhüllung der Ruhe, des 
Schlafes, denken. Noch deutlicher spricht der Name. Prüfen 
wir die verschiedenen Bedeutungen des Wortes TEX6<j<p6poc in 
der Zeit, die jenem Dämon seine Verbreitung gab, so werden 
die TE^Edcpopa ovetpaTa sich ohne Weiteres als nächstliegende 
Analogie darbieten. Die Verbindung des Hypnos, z. B. in 
Sikyon, mit dem Heilgotte ist mehrfach bezeugt. Man weiss 
aus den Inschriften von Epidauros und aus den Schriften des 
Aristides, eine wie wichtige Rolle Traumorakel bei der Incu- 
bation in den Asklepiosheiligtümern spielten ; mir scheint, wer 
diese Zeugnisse kennt, der müsste eine Personifikation dieser 
Seite des Asklepioskultes auf den Denkmälern direkt vermis- 
sen. Vielleicht tritt Telesphoros, der Dämon der TsXgd^opa 
oveipocTa in diese Lücke ein und es hätten sich dann die Zeit 
und, wenn man die Ursprünge des Telesphoros verfolgt, auch 
die Gegend ihren Incubationsdämon geschaffen, in denen das 
Jncubationswesen mit allem, was drum und dran hängt, seine 
weitgehendste Ausgestaltung fand. Der Denkmälerreihe, die 



242 STUDIEN ZU DEN A8KLEPI08RELIEP8 

wir hier in erster Linie im Zusammenhang betrachtet haben, 
ist, wie gesagt, der Telesphoros noch völlig fremd ^ ; sie zeigt 
uns die heilende Thätigkeit des Asklepios in einfach schlichten 
Bildern, selbst ohne das Beiwerk, das schon damals wie in 
Epidauros, so auch im athenischen Asklepieion nach Ausweis 
litterarischer und inschriftlicher Zeugnisse zu finden war. 

2. Zum Kopflypus des Asklepios auf den 

attischen Reliefs. 

Nachstehend (Fig. 7j ist zum ersten Male ein Relief ver- 
öffentlicht, das im Nationalmuseum unzweifelhaft richtig zu- 
sammengesetzt ist aus drei Stücken, die Duhn unter Nr. 23a 
und 24 seines Verzeichnisses beschrieben hat ; die von ihm 
herangezogenen unter einander zusammenschliessenden Stücke 
Nr. 23 Ä und c scheinen durch die Anfügung von Nr. 24 an 
Nr. 23a als nicht zugehörig erwiesen. Angesichts der hier 
gegebenen Abbildung genügt es, auf Duhn's Beschreibung 
der einzelnen Stücke zu verweisen, doch will ich bemerken, 
dass er jedenfalls irrig die an Asklepios sich anschmiegende, 
von diesem umfasste Figur für männlich hält ; die weit ausla- 
dende Hüfte weist deutlich auf ein weibliches Wesen hin, auf 
dessen zarte Jugendlichkeit die geringe Erhebung der Brüste 
schliessen lässt. Auch wüsste ich nicht, wie wir die vier un- 
tergeschriebenen Namen anders verteilen sollen, als indem wir 
in dieser Figur Panakeia, in den beiden hinter und neben 
Asklepios stehenden Figuren Akeso und laso, in der sitzenden 
Gestalt des Stückes 24 aber Epione erblicken; auch Sybel 
scheint dieser Ansicht zu sein (Nr. 4940 seines Katalogs). 

Hygieia fehlt in dieser Darstellung der Asklepiosfamilie 
ganz; wenn sie für eine spätere Vorstellung nach Ausweis des 



^ Bei V. Sybel finden sich vier Telesphorosdarstellungen aus den Samm^ 
lungen Athens verzeichnet; von diesen zeigen die Statuetten Nr. 1106 und 
4479 den Telesphoros nach Syhel's Ansicht mit Aphrodite gruppirt. Bei 1106 
könnte die starke Entblössung allerdings für Aphrodite beweisend sein, die 
weibliche Figur von 4479 ist sicher Hygieia. 



J\\ ( ,£. RaiM. Henna XXVI S. SS7 f.) 
alkn AiUepiDitÖdilmi am cnssKo mil dem Vater v«r* 
«ar. so isl dassdbp htrr mil Paaaketa «kr Fall. Dtu 
. An aaiEd]«XKl dttht vor. ftä im Srfa<is<)t der EpMoe^ 
sdietat kaiecnd darsesteJ]! iä. ve^ss icti nk-ht zu be- 
er köaole *llrwC> IU «Jer Torlctrste der Adoranun sna. 




Das Relief ist ia mehrfacher Beziehung von besoaderem 
Interesse: kull^eschichtlich ne^a der Zusammenslellung der 
Asklepio^amilie. in der Hygieia hier noch fehlt: was die 
Komposit'OD belriffl. wegen der eigenartigen Grüppining des 
Gottes mit seioem neiblicheo Gefolge, die. nameatlich für die 
\'erbinduDg der Panakeia mit dem Asklepios. fast nahe legt, 
an ein malerisches Vorbild zu denken Für nns ist hier etwas 
Anderes Ton Wichtigkeit : wer nürde ohne das sonstige Figu- 
renbeiwerk und ohne die Inschriften am unteren Rande des 
Reliefs den ihronenden Gott desselben als Asklepios erkenneo? 
Schon Duhn hat für die Haartracht dieses Asklepios an die 



tu , STUDIEN ZU DBN ABKLBPIOSRGLrBPS 

Dionysosköpfe erinnert, und nicht nur die Haartracht, son- 
dern auch der spitzzulaufende, fest geschlossene Bart erinnert 
BD Dionysos, erscheint unserer Vorstellung vom Kopfe des 
Asklepios durehaus befremdend; vielleichL wird auch die 
stark zusammengefallene Haltung des Oherkörpers manchem 
Beschauer des Reliefs auffällig sein. 

Von Duhn hat für den dionysosartigen Charakter des As- 
klepioskopfes, wie ihn das eben besprochene Relief zeigt, kein 
zweites Beispiel angeführt, ich denke, das hier wiedei^ege- 




Fig. 8. 



bene Bruchstück eines aus Epidauros stammenden Votivre- 
liefs wird als ein solches gelten dürfen. Höhe 39™, Breite 3T", 
Ich bin Herrn Kavvadias für die freundliche Überlassung 
desselben zur Publikation zu besonderem Danke verpflichtet. 
Vor einem Altar, dem von rechts her zwei auffällig klein ge- 
bildete Adoranten mit erhobener rechter Hand nahen, steht 
Asklepios, die Linke über dem linken Beine, das die Last 
des Körpers trägt, einslützend, barfuss, mit dem llimation be- 
kleidet, das, unter der rechten Achsel eingeklemmt, den Ober- 
körper mit Ausnahme der linken Schulter frei lässt ; die ge- 
senkte Rechte scheint an dem rechten Oberschenkel zu ruhen, 
vielleicht hält sie einen nicht mehr sichtbaren, aufgemalten 



8TUDIBN Zu DBNASKLBPIOSaBUBPS Hb 

Schlangenstab. Hinter dem Gotte ist ein Teil des nackten 
Körpers eines der Asklepiossöhne sichtbar, dessen rechte Hand 
neben dem rechten Oberschenkel herab hängt, während der 
linke Arm, über dem die Chlamys hängt, gegen Asklepios 
erhoben ist und ihm einen nicht mehr deutlich erkennbaren 
Gegenstand in Form einer Zange, wol ein chirurgisches In- 
strument, entgegenhält; neben dem linken Bein des Jüng- 
lings erscheint das Vorderteil eines Hundes S ganz ähnlich 
wie z. B. auf den Reliefs Schöne Nr. 102 = Sybel Nr. 347, 
auch Sybel Nr. 4036 = Duhn Nr. 30. Von einem zweiten 
Asklepiossohn, der seinem Genossen abgewandt nach links 
gerichtet stand, ist bloss das linke Bein und ein Teil der her- 
abhängenden Chlamys sichtbar ; die Richtung der Figur 
zwingt uns, als linken Abschluss des Reliefs noch mindestens 
einen Asklepiossohn zu ergänzen. 

Asklepios wendet sein leider stark zerstörtes Gesicht dem 
Gegenstand zu, den ihm der erste seiner Söhne — man mag 
ihn wegen jenes Instrumentes Machaon^ nennen — entgegen 
hält und erscheint so mit seinem Kopfe fast ganz in Vor- 
deransicht, nur mit einer leisen Wendung nach der rechten 
Seite. Was von dem Kopfe erbalten ist, scheint nur genügend, 
erkennen zu lassen, dass wir es mit demselben Typus zu thun 
haben, den wir bei dem sitzenden Asklepios des zuerst be- 
sprochenen Reliefs in direkter Profilansicht kennen lernten ; 
wir finden auch hier das hinten hoch aufgebundene Haar 
und den kurzen, fest geschlossenen, etwas spitz zulaufenden 
Bart, der für jenen Kopf bezeichnend war. 

Ich weiss diesen Kopftypus für Asklepios sonst nicht nach- 
zuweisen ; Anklänge an denselben, namentlich in jener Be- 



* Über den Huad als Tier des Asklepios vgl. Schöae zu Nr. 102 seiner 
Reliefs. Drexler, Zeitschrin für Numismatik XIII S. 3i0 IT. Töpffer, Atti- 
sche GeaealogieS. 302. WilamowiU, Isyllos 8.86 ff.'EfiitupU «px- ^^^ 3. 
16 Z. 37. S. 88. Baunack, Philologus 49 8. 596. 

> MacbaoQ ist inschrifllich bezeugt auf dem Relief Duba Nr. 25 = Sybel 
Nr. 4047, wo jedocb die Häade mitsamt den Unterarmen fehlen. Für die 
Zange mag an 8ybel Nr. 4691 der VoUslAudigkeit halber erinaert seiii. 



'246 STUDIEN ZU DEN A8KLEPI0SRELIEPS 

Sonderheit der Anordnung von Haupt- und Barthaar, die, 
scharf geschieden, in der Profilansicht einen grossen Teil des 
Halses hervortreten lassen, finden sich mehrfach, z. B. auf dem 
Relief Duhn Nr. 7 = Sybel Nr. 4019, das ich demnächst in 
anderem Zusammenhang zu publiziren gedenke; von den 
Köpfen statuarischer Darstellungen des Asklepios steht, wenn 
ich recht sehe, der Kopf des Florentiner Asklepios Glarac 
547, 1152 = Dütschke III Nr. 198 am nächsten. Aber suchen 
wir direkte Analogien, so müssen wir den Kreis der Askle- 
piosdarstellungen verlassen; schon oben stellte sich dieser Kopf- 
typus des Heilgottes als dionysisch dar. Mir schien den Askle« 
piosköpfen unserer Reliefs bei erneuter Betrachtung immer 
wieder der neapler Kopf des sog. Plato am nächsten zu stehen, 
den man auf Grund der für Dionysos charakteristischen Haar- 
binde als Dionysos jetzt ziemlich allgemein zu bezeichnen pflegt. 
Das Vorhandensein dieser bei Asklepiosköpfen nicht nach- 
weisbaren, wenigstens noch nicht nachgewiesenen Binde, ge- 
nügt ja wol, um eine Umdeutung des neapler Kopfes von 
vornherein zu verbieten, wenn auch die sonstigen Eigentüm- 
lichkeiten desselben, die starke, fast schlaffe Neigung des 
Hauptes und der eigentümlich müde, schmerzliche Ausdruck 
des Antlitzes, für Asklepios noch mehr als für Dionysos charak- 
teristisch sein würden. Ist der neapler Kopf in seiner Deu- 
tung auf Dionysos auch unanfechtbar, so glaube ich dennoch, 
dass die von uns betrachteten Kopftypen des Asklepios in 
ihtn und auch andrerseits er in ihnen in mancher Beziehung 
eine beachtenswerte Analogie finden. 

3. Asklepios und ein Heilheros, 

Das auf Taf. 11 zum ersten Male veröffentlichte Relief 
nimmt unter den im Säle der Votivreliefs des athenischen Na- 
tionalmuseums aufgestellten Asklepiosreliefs insofern eine Son- 
derstellung ein, als es eines der wenigen nicht aus Attika 
stammenden Denkmäler des Heilgottes ist. Dasselbe ist vor 
langer Zeit von einer der Kykladen, wahrscheinlich von Kyth- 



STUDI81I Zu DBN ASKLEPIOSRBUKrS 247 

1106 naeh Athen gebracht worden und war früher im The« 
seion, wo es Kekule sah und unter Nr. 365 seines Katalogs 
beschrieben hat. Weitere Beschreibungen geben Sybel Nr. 3?1 
und Milchhöfer, Museen Athens S. 21,9. H 0,54, Br. 0,91". 
Die Marmorart vermag ich leider nicht zu bestimmen : an at* 
tischen Marmor wird wol kaum zu denken sein. Als Entste- 
hungszeit des Werkes werden wir das vierte Jahrhundert 
betrachten dürfen ; die namentlich bei dem schlechten Erhal- 
tungszustand schlank erscheinenden Proportionen könnten auf 
Entstehung in nachlysippiscber Zeit hinweisen, die Motive 
der Darstellung im Einzelnen erinnern an die attische Kunst 
der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts. Den Stempel at- 
tischer Kunstübung scheint mir die ganze Arbeit drutlich zu 
tragen. Da Kythnos in jener Zeit dem attischen Seebunde 
angehörte (vgl. A. Schäfer, De sociis Athen. Grimma 1856 
S. i9), so kann eine Beeinflussung der Insel durch attische 
Kunst uns nur natürlich erscheinen. 

Kekule hat den Figuren unseres Votivreliefs keine Namen 
gegeben. Michhöfer nennt das Relief ein ' Heroenrelief mit 
sechs männlichen Figuren (darunter Asklepios) und einem 
Adoranten'; Sybel lässt die 'sechs Götter' der Darstellung 
unbenannt. 

Gehen wir von dem aus, was sicher ist, so sehen wir von 
rechts her einen Adoranten in der üblichen Weise mit erho- 
benem rechten Arm der Göttergruppe nahen. Diese besteht 
zunächst aus vier nackten, nur mit der Chlamys* bekleide- 
ten Jünglingsgestalten, die von dem Künstler paarweise mit 
einander verbunden sind, sich aber daneben auch in ihrer 
Gesamtheit zu einer trefflich komponirten Reihe zusammen- 
schliessen. 

Der Verfertiger des Reliefs hat ausserdem noch Soi^ ge- 



< Die Cblamys isl so gut wie überall als Tracht der Asklepiossöhne zu 
Gndea; nur das Relief Sybel Nr. 4987, wo der verD)utliche Asklepiade eioen 
Mantel trägt (vgl. auch Sybel Nr. 4988), würde eine Ausnahme bilden. — 
Vgl. zu unserem Relief auch Ancieni Marbles IX Taf. 35,3, dort im Text 
S. 135 f. fälschlich auf Dionysos bezogen. 



248 STÜOIBN zu DBN ASKLBPI08RBLIBF8 

tragen, dass der am weitesten nach rechts stehende Gott dem 
herantretenden Adoranten freundlich zugewandt ist, er hebt 
dem Sterblichen die linke Hand entgegen, wie es z. B. auch 
der Asklepiade des Reliefs Duhn Nr. l9 = Sybel 4003, wahr- 
scheinlich that. 

Wie diese vier jugendlichen Götter zu nennen sind, scheint 
mir ziemlich sicher zu sein : es sind die vier Asklepiossöhne, 
die sämtlich oder teilweise auf so vielen, auch ausserattischen 
Votivreliefs im Gefolge ihres Vaters, des Heilgottes, zu finden 
sind, gelegentlich auch allein die Verehrung der Sterblichen 
entgegennahmen ; wer will, kann ihnen Namen geben. Der 
Scboliast zu Aristophanes Plutos 701 liefert uns deren grade 
vier: Machaon und Podaleirios, laniskos und Alexenor. 

Es bleiben als linker Abschluss des Reliefs zwei Gestalten 
übrig : die erstere ist mit der Gruppe der Asklepiossöhne aus- 
serlich eng verbunden, wenn auch nicht grade ihr zugewandt, 
eher als ihr Führer jener anderen Figur gegenübergestellt. 
Unterschieden ist sie von den vier jugendlichen Göttern durch 
ihre lange Gewandung, sowie durch ihre trotz der starken Zer- 
störung der Reliefoberfläche doch wol zweifellose Bärtigkeit. 
Ihr gegenüber steht nun endlich die letzte Figur des Reliefs, 
bekleidet mit einem kurzen Gewände, das die Beine fast bis 
zur Mitte der Oberschenkel unbedeckt lässt, gelehnt auf den 
unter der linken Achsel eingestützten Stab nach dem bekann- 
ten Motiv der Greise vom Parthenonfries und des Asklepios 
verschiedener attischer Reliefs. Nicht sicher, aber wahrschein- 
lich scheint mir, dass die Figur bärtig war ; auch kommt, 
wie ich vermute, die ganze Haltung, sowie was von den Rör- 
performen am Halse erkennbar ist, eher einem älteren Man- 
ne zu * . 

Die Sachlage ist nun die: eine von den beiden zuletzt be- 
sprochenen Figuren muss Asklepios sein ; denn Jeder wird 
die Anwesenheit des Heilgottes neben seinen Söhnen, wenn 
dieselbe überhaupt eine andere göttliche Gestalt neben sich 



f Kekul^ halt die Figur für jugendlich, 



STUDIEN ZU DEN ASKLEPIOSRBLIEFS 249 

haben, als natürlich voraussetzen. Wäre aber die zuletzt be- 
sprochene Figur für Asklepios in Anspruch genommen, was 
an sich schon durch die kurze Gewandung so gut wie un- 
möglich gemacht ist, so bliebe für die Gestalt mit dem langen 
Gewände an der Spitze der Asklepiaden schlechterdings keine 
Benennung und keine Erklärung übrig. Wir gehen darum 
ganz sicher nicht iehl, wenn wir diese erste Möglichkeit aus- 
schliessen und in dem bärtigen, lang gewandeten Führer der 
Asklepiadenreihe den Heilgott selbst erkennen. 

Doch wer ist jener andere Mann, der dem Asklepios und 
seinen Genossen gegenüber steht? Er ist in gleicher Grösse 
wie sie gebildet, muss also ein Gott oder mindestens ein He- 
ros sein ; er muss zu Asklepios in Beziehung stehen und doch 
in irgend einer Weise ihm und seiner Familie gegenüber in 
einer Sonderstellung zu denken sein, wie denn ja auch in un» 
serer mythologischen Überlieferung innerhalb der Asklepios- 
familie für eine solche Gestalt überhaupt kein Platz ist. 

Wenn das Relief attischer Provenienz und nach attischen 
Kultverhältnissen zu deuten wäre, so würde die Erklärung 
dieser zunächst völlig rätselhaften Figur nicht nur möglich 
sondern ziemlich gesichert sein ; wir würden an einen jener 
attischen Heilheroen denken, die in Athen vor und, da kein 
Kult das Altertums plötzlich durch Einführung eines äqui- 
valenten anderen verdrängt wird, neben Asklepios ver- 
ehrt worden sind , an Alkon , oder an den Heros latros 
oder endlich an Amphiaraos^ Es ist uns nun ja auch von 
anderen Orten Griechenlands bezeugt, dass Asklepios bei sei- 
ner Einführung mit lokalen Heilheroen sich in mannigfacher 
Weise auseinanderzusetzen hatte; es genügt dafür auf die 
'Folgerungen für die Religion' zu verweisen, die Wilamowitz 
aus den Gedichten des Isyllos gezogen hat. Bei Kythnos lässt 
uns die Überlieferung im Stich, meines Wissens ist auch kein 
Asklepioskult für die Insel irgendwie bezeugt, da die Schrift- 



« Für Alkon vgl. Wilamowilz, Isyllos 8. 83 und 190 f., Curlius, Stadtge« 
schiebte von Athen S. 210. 



250 STUDIEN ZU DEN A8KLBPI0SRBLIEFS 

Steller ausser dem Maler Kydias, dem guten Käse und dem 
falschen Nero überhaupt nicht viel von der in ' archäologi- 
scher Beziehung ärmsten der Kykladen ' ( Boss, Inselreisen I 
S. 1?1) zu erzählen wissen, die Inschriften schweigen und die 
Münzen keinerlei Hindeutung auf Asklepios enthaltend Doch 
die warmen Quellen, denen die Insel ihren heutigen Namen 
(Thermia) verdankt und die in römischer Zeit sicher schon 
benutzt worden sind (s. LoUing, in I.Müller's Handbuch III 
S. 205 ) legen ja an sich die Vermutung nahe, dass auf Kyth- 
nos eine alte Heilstätte mit Verehrung eines Heilgottes oder 
Heilheroen bestanden hat. Und so mag denn unser aus der 
antiken Mythologie sonst schlechterdings nicht erklärbares 
Relief vielleicht darin seine Deutung finden, dass wir fürKyth- 
nos voraussetzen, was anderwärts bezeugtermassen die kult- 
geschichtliche Entwickelung war, dass ein einheimischer 
Heilheros vor dem Gotte von Epidauros in den Hintergrund 
getreten, doch nicht völlig von ihm verdrängt worden ist. Ein 
durch die Feinheit seiner Komposition wie seiner Ausführung 
anziehendes Denkmal griechischer Kunstübung würde dann 
auch ein wichtiges Zeugniss zur Geschichte antiker Kultent- 
wickelung sein. Es sei erlaubt, die Richtigkeit der vorgeschla- 
genen Deutung einmal zur Voraussetzung zu nehmen und 
noch kurz zu fragen, was uns alsdann das Relief eigentlich 
darstellen will. Wir haben oben bei der Betrachtung des 
* Krankenbesuchs' eine eigentümliche Darstellung der Adoran- 
len beobachtet; der Gott war von dem Adoranten abgewen- 
det, beschäftigt mit der Ausübung seines Heilberufs, der 
Künstler hat sinnlich dargestellt, was dem Adoranten als Erin- 
nerungsbild oder allgemeine Vorstellung vor Augen schwebte, 
als er hintrat zu dem in Wirklichkeit wol eben so freundlich, 
wie auf den Adorationsreliefs ihm zugewandten Gott. Ahn- 
lich steht es hier mit dem Adoranten. Wenn auch aus einer 



^ S. Head, Historia numorum 8.4i3. — In dem Hund der Münze des Brit- 
tischen Museums Aegean Islands Taf. 22, 25 einen Hinweis auf Asklepioskull 
zu erkennen, scheint mir bedenklich. Vgl. über Kythnos im Allgemeinen 
Ross, Inselreisen I Ö. 105 tf. Fiedler, Reise durch Griechenland II S. 95 fT 



STCDIBN ZU OBN ASKLRPIOSBBLIBFS 251 

feinen Rücksicht auf die Komposition der eine der Askle- 
piossöhne dem Sterblichen zugewendet ist, so liegt doch der 
Schwerpunkt der Darstellung nicht in den Beziehungen zwi- 
schen dem Adoranten und seinen Göttern, sondern, wenn an- 
ders ich die Formensprache des Reliefs richtig verstehe, in 
denen zwischen der Asklepiosfamilie und dem Heilheroen, der 
ihr gegenüber steht. Diese Beziehung ist nicht durch eine 
Handlung ausgedrückt, doch die Gruppirung so eigenartig, 
dass sie fast als Äquivalent für eine Handlung gelten kann ; 
in der neueren Kunstgeschichte pflegt man 's santa conversa- 
zione zu nennen und hat es bequem mit solchen Bildern, da, 
was die Künstler uns darstellen, auf der sicheren Überliefe- 
rung einer ausführlich gestalteten Heiligengeschichte beruht. 
Die gemeinsame Entgegennahme der Adoration, wie sie uns 
attische Asklepiosreliefs für Asklepios mit Demeter (s. zuletzt 
H.L. Urlichs , Bonner Jahrbücher 87 S. 1 ff. und die Bemerr 
kungen von Curtius, Arch. Anzeiger 1891 S. 186) und — wenn 
anders die männliche Figur des Reliefs Duhn Nr. 43 = S)rbel 
Nr. 40u6, wie ich glauben ruöchte, mit Recht auf den Heil- 
gott gedeutet wird — auch mit Athena gemeinsam bezeugen, 
stellt uns das fertige Resultat eines kultgeschichtlichen Ent- 
wicklungsganges greifbar vor Augen. Gegen solche Darstel- 
lungen gehalten, stellt unser Relief den kultgeschichtlichen 
Vorgang selber dar. 

Athen 1892. 

JULIUS ZIEHEN. 



-*-c>>tses«<o^ 



DIE VERSCHIEDENEN ODEIEN IN ATHEN. 

Eine grössere Arbeit über das Dionysos-Theater in Athen 
veranlasst mich, zu einer Frage Stellung zu nehmen, welche 
bisher in sehr verschiedener Weise beantwortet worden ist, 
nämlich zu der Frage nach Zahl und Lage der im Altertum 
in Athen vorhandenen Odeien. 

Nach der gewöhnlichen Annahme, welche z. B. C. Wachs- 
muth (Die Stadt Athen I S. 276 und 672) und E. Curtius 
(Stadtgeschichte von Athen S. 54 und 142) vertreten, hat 
es vier verschiedene Odeien in Athen gegeben, nämlich: 

1. das Odeion des Perikles, am südöstlichen Abhänge der 
Burg in der Nähe des Dionysos-Theaters gelegen ; 

2. ein bei der Enneakrunos am llissos angesetztes Odeion, 
welches das älteste von allen gewesen sein soll ; 

3. das Odeion des Herodes Attikos und der Regilla, welches 
am südwestlichen Fusse der Burg noch jetzt in Ruinen erhal- 
ten ist; und 

4. das von Agrippa im Kerameikos errichtete kleine Thea- 
ter, welches zu Vorträgen benutzt wurde und als bedecktes 
römisches Theater auch Odeion genannt werden durfte. 

Andere Gelehrte glauben dagegen, dass das Theater des He- 
rodes an derjenigen Stelle erbaut worden sei, wo früher das 
Odeion des Perikles gestanden habe und verringern so die 
Zahl der Odeien, welche gleichzeitig bestanden haben, auf 
drei. Noch Andere (z. B. Löschcke, Die Enneakrunos -Epi- 
sode, Dorpat. Programm 1883, S. 10) setzen auch die Ennea- 
krunos in der Nähe des Herodes - Theaters an und vereinigen 
so die drei ersten Odeien zu einem einzigen, welches mehr- 
mals umgebaut sein soll. 

Bei jeder Untersuchung über die Odeien ist zunächst der Un- 
terschied zwischen einem griechischen und römischen Odeion 



DIE VERSCHIEDENEN ODEIEN IN ATHEN 253 

wol ZU beachten. Das griechische Odeion, welches Perikled 
erbaute, war ein bedeckter kreisförmiger Bau, in welchem 
musikalische Agone stattfanden, und dessen Einrichtung von 
derjenigen der Theater wesentlich verschieden war. Im Ein- 
zelnen ist sein Plan allerdings unbekannt, aber man weiss, 
dass im Inneren viele Säulen standen, was bekanntlich in 
griechischen Theatern nicht der Fall war ; auch seine äussere 
Gestalt, die eines Rundbaues mit zeltförmigem Dach, war von 
derjenigen der damaligen Theater vollständig verschieden. 

Die römischen Odeien dagegen, wie z. B. dasjenige des 
Herodes Attikos, waren kleine Theater der gewöhnlichen rö- 
mischen Form mit Logeion und Konistra, die wegen ihrer 
geringen Abmessungen mit einem hölzernen Dach versehen 
werden konnten. Ein solcher Bau durfte ebensowol Odeion 
alsTheater genannt werden. Dem entsprechend findet sich für 
den Bau des Herodes bei Pausanias (VII, 20,6) die Be- 
zeichnung Odeion, während es von Anderen (Philostrat, Vit. 
soph. II, 1,5 und Suidas s. v. *HpG)Sir)(;) Theater genannt 
wird. Ebenso wird bei Pausanias (I, 8, 6) das, wie wir spä- 
ter sehen werden, von Agrippa erbaute Theater mit den Wor- 
ten t6 OeaTpov o xaXoödtv (oStiov erwähnt. 

Suchen wir nunmehr die Lage der verschiedenen in Athen 
Odeion genannten Gebäude zu bestimmen, so besteht auch 
nicht der geringste Zweifel über Lage und Namen des von 
Herodes Attikos zu Ehren seiner verstorbenen Gemahlin 
Regula erbauten Odeion; allgemein wird es wiedererkannt 
in der verhältnissmässig gut erhaltenen Theaterruine, welche 
am südwestlichen Fusse der Akropolis liegt. Noch im vorigen 
Jahrhundert glaubte man allerdings in dieser Ruine das Dio- 
nysos-Theater erkennen zu müssen. Aber seitdem Chandler 
und Leake das letztere am südöstlichen Abhänge der Burg 
wiedererkannt, und seitdem Strack und die griechische ar- 
chäologische Gesellschaft es ausgegraben haben, zweifelt mei- 
nes Wissens Niemand mehr daran, dass der stattliche Bau 
westlich von der Stoa des Eumenes das Odeion des Herodes 
ist. Es zeigt den gewöhnlichen Grundriss der römischen Thea- 

ATHEN. MITTHEILUNGBN XVII. ]8 



254 DIE VEUSGHlfiDENEN ODEIfiN IN ATHEN 

ter; dass es mit einem Holzdaeh überdeckt war, geht aus der 
grossen Stärke der Umfassungsmauern mit Sicherheit hervor. 

Das Odeion des Perikles wird dagegen an verschiede- 
nen Stellen angesetzt. Da von seinen Ruinen bisher nicht die 
geringsten Spuren gefunden sind, bleibt zur Bestimmung sei- 
ner Lage nichts übrig, als die aus dem Altertum erhaltenen 
Nachrichten daraufhin zu prüfen, ob sie irgend eine benutz- 
bare topographische Angabe enthalten. 

Drei Nachrichten antiker Schriftsteller kommen in erster Li- 
nie in Betracht, weil andere Erwähnungen topographisch fast 
nichts ergeben. Vitruv (V, 9,1) bestimmt seine Lage bei Auf- 
zählung der neben dem Theater in Athen befindlichen Säu- 
lenhallen. Nachdem er im Allgemeinen auseinandergesetzt, 
dass hinter den Skenengebäuden der Theater gewöhnlich Säu- 
lenhallen errichtet wurden, führt er als zweites Beispiel das 
Theater in Athen an und nennt als neben ihm liegende schutz- 
gebende Gebäude zuerst die Stoa des Eumenes, dann das 
Heiligtum des Dionysos (nämlich die innerhalb des Bezirks 
gelegenen Tempelhallen und Stoa) und schliesslich exeunti^ 
bus e theatro sinistra parte odeum^ quod Themistocles 
columnis lapideis dispositis navium maus et antennis e 
spoliis persicis pertexit, Dass hier Themistokles anstatt Pe- 
rikles genannt wird, beruht auf einem Irrtume Vitruvs. Man 
hat darüber gestritten, welche Seite des Theaters Vitruv hier 
als die linke bezeichne. Meines Erachtens sind solche Anga- 
ben bei Theatergebäuden stets in Bezug auf die Zuschauer, 
niemals in Bezug auf die Schauspieler gemeint. Ausserdem ist 
es in diesem Falle durch die beiden anderen Bauwerke, deren 
Lage bekannt ist, vollkommen gesichert, dass Vitruv hier un- 
ter der linken Seite die östliche versteht. Die Stoa des Eume- 
nes liegt westlich vom Theater, das Heiligtum des Dionysos 
südlich, und folglich muss das an dritter Stelle genannte 
Odeion östlich liegen (vergl. oben XIII S. 100). 

Ausgrabungen sind östlich vom Theater bisher noch nicht 
vorgenommen worden. Man darf aber mit Zuversicht behaup- 
ten, dass unter den elenden Wohnhäusern, welche jetzt jenen 



DIE VERSCHlEDENfiN OOfilEN IN ATHBN $&£ 

ganzen Platz einnehmen, die Reste des perikleischen Odeion 
verborgen liegen. 

Zu dieser Lage, wie sie sich aus Vitruv ergiebt, passen 
sehr gut die Angaben, welche Pausanias (I, 20,4) über das 
Theater und Odeion macht. Nachdem er den Bezirk des Dio- 
nysos Eleuthereus beschrieben, erwähnt er zunächst das 
Odeion des Perikles und geht dann erst zu dem Theater über. 
Da das Letztere zu seiner Zeit durch ein grosses Skenenge- 
bäude von dem heiligen Bezirk des Dionysos geschieden war, 
musste er an dem Odeion vorüber gehen, um aus dem Bezirk 
ins Theater zu gelangen. Allerdings nennt Pausanias den Bau 
nicht Odeion , sondern mit dem allgemeinen Worte xara- 
cDteua'jjjt.a, aber er giebl seine auch anderweitig bekannte Zer- 
störung unter Sulla und seinen Wiederaufbau durch Ario- 
barzanes an und beschreibt es überhaupt so deutlich, dass an 
der Identität nicht zu zweifeln ist. Weshalb er den Bau nicht 
bei seinem alten Namen nennt, ist nicht schwer zu erraten. 
Zu seiner Zeit wurde, wie wir aus einer anderen Stelle (1, 8,6) 
entnehmen können, das an der Enneakrunos liegende Theater 
kurzweg Odeion genannt. Der Bau des Perikles hatte ver- 
mutlich, während er in Trümmern lag, seinen alten Namen 
verloren, und dieser war auf jenes, wie wir sehen werden, 
von Agrippa erbaute, neue bedeckte Theater übergegangen. 

Auch die dritte Nachricht, welche sich bei Andokides (Myst. 
38) findet, stimmt mit unserer Ansetzung des perikleischen 
Odeion überein. Der Sklave, welcher die Hermenfrevler Nachts 
gesehen haben wollte, behauptete, dass er von dem Eingang 
zum Dionysos-Bezirk aus bemerkt habe, wie jene vom Odeion 
in die Orchestra hinabgegangen seien und dort getanzt hätten. 
Da das Thor im Osten des Bezirks gelegen hat, bestätigt diese 
Schilderung die Angaben des Vitruv und Pausanias, dass das 
Odeion östlich vom Theater gelegen hat. Man darf es demnach 
als unzulässig bezeichnen, das Odeion des Perikles an der 
Stelle anzusetzen, wo später der Bau des Herodes errichtet 
worden ist. 

Gab es in griechischer Zeit neben dem Odeion des Perikles 



256 DIE VERSCHIEDENEN ODBIBN IN ATHEN 

noch einen zweiten Bau desselben Namens ? Fast allgemein 
wird angenommen, dass noch ein zweiter und zwar älterer 
Bau bestanden habe, nämlich das Odeion bei der Ennea- 
krunos. Ich halte diese Ansicht aber für unrichtig. 

Zunächst ist zu beachten, dass die \orrömischen Schrift- 
steller, welche ein Odeion erwähnen (die Stellen siehe bei 
A. Milchhöfer, Schriftquellen S. lxxxvii) immer nur von 
dem Odeion sprechen, als wenn es nur ein einziges Gebäude 
dieser Art gegeben habe. Ferner lassen sich ihre Angaben 
alle ohne Schwierigkeit auf das perikleische Odeion beziehen. 
Wenn man aus einer Nachricht (Xenophon, Hell. II, 4, 25: 
i^exdcOeuSov Ss xal ol Itttcei; Iv t(j) (üSsic})) auf das Vorhandensein 
eines ausserhalb der Stadtmauer gelegenen Odeion schliessen 
zu müssen glaubte wegen des Wortes gxjcaOeüSgtv, so scheint 
mir das durchaus nicht notwendig zu sein, weil in der Prä- 
position s/c hier doch nur liegt, dass die Reiter ausserhalb 
ihrer Wohnungen übernachteten. Offenbar war bei einem 
drohenden Angriff ein Platz innerhalb der Stadt besser geeig- 
net zum Alarm-Quartier der Reiter als eine Stelle ausserhalb 
der Stadtmauer. Auf keinen Fall darf man lediglich auf die 
vermeintliche Bedeutung eines Wortes wie IxxaeguSeiv hin die 
Existenz eines ausserhalb der Stadt liegenden Odeion ableiten 
wollen. Es ist das um so weniger gestattet, weil auch an die- 
ser Stelle nur von dem Odeion die Rede ist und demnach 
eine Verwechselung mit dem perikleischen möglich gewesen 
wäre. 

Es giebt allerdings noch eine Nachricht bei einem späten 
Schriftsteller, nämlich bei Hesvch s. v. w^siov, welche für die 
Existenz eines alten Odeions neben demjenigen des Peri- 
kles angeführt zu werden pflegt (vgl. Wachsmuth, Die Stadt 
Athen S. 278 und Milchhöfer, Athen, in Baumeister's Denk- 
mälern des klass. Altertums S. 186). Die Stelle lautet: 

xal Ol )ci6ap(|)Sol YiycöviCovTo. Man schliesst aus dieser Nachricht, 
dass es schon im sechsten Jahrhundert v. Chr. ein Odeion 
in Athen gegeben haben müsse, weil das Theater am Anfange 



DIB VERSCHIEDENEN ODEIBN IN ATHEN 257 

des fünften Jahrhunderts und das Odeion des Perikles erst 
50 Jahre später erbaut worden sei. Aber zunächst ist es frag- 
lich, ob hier von der Erbauung eines Theaters mit hölzernen 
Sitzen, wie sie im Anfang des fünften Jahrhunderts erfolgte, 
die Rede ist oder von dem grossen Neubau unter Lykurg, 
durch den erst ein Zuschauerraum mit steinernen Sitzen ge- 
schafTen wurde. Im letzteren Falle würde unter dem Odeion 
sehr wol der Bau des Perikles gemeint sein können. Diese 
Nachricht darf aber nicht für sich allein betrachtet, sondern 
muss mit andern ähnlich lautenden zusammengestellt werden. 
In diesen Nachrichten, welche sich bei den Lexikographen 
finden, werden zwei andere Orte als diejenige Stelle bezeich- 
net, wo vor Erbauung des Theaters Agone stattgefunden ha- 
ben (vgl. A. Müller, Bühnenaltertümer S. 8 5, Anm. 1 und 
2 und A. Milchhöfer, Schriftquellen S. xcii 85 ff.). Als sol- 
che Orte werden neben dem Odeion noch der Markt und das 
Lenaion genannt. Da ich nun aus Gründen, welche in einem 
anderen Zusammenhange dargelegt werden müssen, das Le- 
naion am Markte ansetze, und da ich ausserdem aus Pausa- 
nias 1,8,6 weiss, dass es zu seiner Zeit ein Odeion am Mark- 
te gab, so führen alle jene verschiedenen Nachrichten auf 
eine einzige Stelle an der Agora als den ursprünglichen Ort der 
musischen und skenischen Agone. 

Der Platz am Markte, auf welchem vor der Erbauung des 
lykurgischen Theaters Agone der verschiedensten Art statt- 
fanden, bei welchem Gerüste für die Zuschauer aufgeschlagen 
wurden, (Photius, unter txpia), neben welchem ferner die be- 
rühmte zum Zuschauen benutzte Weisspappel stand (Hesych 
und Suidas unter aly^ipou Oia, Tuap' ai. 6. und iiz' ai. 6.), in 
dessen Nähe sich das in den Limnai gelegene Heiligtum des 
Dionysos Lenaios befand (Hesych und Photius unter AiQvatov) 
und in dessen Nachbarschaft ein von Agrippa erbautes be- 
decktes und deshalb Odeion genanntes Theater lag ( Hesych 
unter wSeiov), war die bekannte Orchestra, jener alte 
Tanzplatz, welcher noch in später Zeit, als nicht mehr dort 
gespielt wurde, seinen früheren Namen beibehalten hatte (Pho- 



258 DiB VERSCHIEDENEN ODEIEN IN ATHEN 

tius und Timaeus unter opj^yjarpa) : es war die weithin sicht- 
bare Terrasse, auf welcher die Standbilder des Harmodios und 
Aristogeiton aufgestellt waren, 

Es ist zwar oft geleugnet worden, dass die Orchestra am 
Markt von ihrer ehemaligen Benutzung als Tanzplatz bei dio- 
nysischen Spielen ihren Namen erhalten habe, im Hinblick 
auf die angeführten Nachrichten, denen sich noch manche 
anreihen Hessen, halte ich es aber für feststehend, dass diese 
Orchestra der Platz ist, wo zuerst in Athen an den dionysi- 
schen Festen Tänze und Wettkämpfe stattfanden. Eine weitere 
Bestätigung dieser Ansicht finde ich in der schon angedeute- 
ten Thatsache, dass in römischer Zeit gerade neben dieser 
Orchestra ein Theatergebäude errichtet wurde. Dies ergiebt 
sich mit Sicherheit aus folgenden Nachrichten. Nachdem Pau- 
sanias bei seiner Beschreibung des Kerameikos, d. h. des Mark- 
tes, den am Areopag gelegenen Ares Tempel und die in sei- 
ner Nähe aufgestellten Standbilder erwähnt hat, sagt er (I, 
8, 5): ou Tuoppo) Si ecTTaaiv 'ApjjLoSto; itai 'ApKjToyeiTwv. Er be- 
findet sich also, obwol er es nicht ausdrücklich sagt, auf jener 
Orchestra, denn nach der schon angeführten Nachricht bei 
Timaeus (s. v. opj^ridTpa) trug der Platz, wo die Tyrannen- 
mörder standen, diesen Namen. Unmittelbar nach Erwähnung 
der beiden Bildwerke fährt er fort : ToO Oßarpou Si 8 xaXoöaiv 

(|)Seiov ivSp'.dcvTg; TUpo ttj; ddoSou ßadiXewv etci AiyuTUTiwv. Da er 

keinerlei Angabe über die Entfernung dieses Theaters von den 
beiden Standbildern macht, sind wir nach seinem gewöhn- 
lichen Sprachgebrauche, der sich an vielen Beispielen nach- 
weisen lässt, zu der Annahme verpflichtet, dass der Bau nicht 
weit von den Tyrannenmördern entfernt war. Wir würden 
nur dann zur gegenteiligen Annahme berechtigt sein, wenn 
sich diese auf einem anderen Wege beweisen Hesse. Die An- 
gabe des Periegeten, dass sich bei der Orchestra, also noch 
im Kerameikos, ein Odeion genanntes Theater befinde, kann 
aber nicht nur nicht widerlegt werden, sondern wird viel- 
mehr bestätigt durch zwei Stellen bei Philostrat (Vit. soph. 
II, 5, 4 und 8, 4) wo t6 ev T(j) Kepa(X6i)c(p Oearpov, o Sy) etucüvo- 



DIE VERSCHIEDENEN ODBIEN IN ATHEN 259 

(xadrai 'AypiTTwerov erwähnt wird. Ich halte es für selbstver- 
ständlich, dass dieses römische Theater mit dem von Pausa- 
nias ebenfaiis im Kerameikos erwähnten Theater identisch ist. 
Der einzige Einwand, der hiergegen alienfaiis erhoben wer- 
den könnte, dass nämlich Pausanias als Namen des Baues 
*Odeion', Philostrat aber 'Agpippeion* angebe, wird voll- 
kommen entkräftet durch dieThatsache, dass unmittelbar nach 
dem Aufenthalte des Pausanias in Athen noch ein zweites rö- 
misches Theater oder Odeion, nämlich dasjenige des Herodes 
Attikos, gebaut wurde. Zur Zeit des Philostrat durfte daher 
der Bau des Agrippa nicht mehr kurzweg das Odeion ge- 
nannt werden, sondern wie jenes den Namen * Odeion des 
Herodes', so musste dieses den genaueren Namen * Odeion des 
Agrippa' oder * Agrippeion ' bekommen. 

Wenn sich aber neben dem alten am Markte gelegenen 
Tanzplatze ein römisches Theater oder Odeion befand, so kann 
es kaum noch einem Zweifel unterliegen, dass die oben be- 
sprochene Nachricht des Hesych über ein Odeion, welches 
dort liege, wo vor Erbauung des Theaters die Rhapsoden und 
Kitharoden ihre Wettkämpfe abgehalten hätten, auf unser 
Odeion bei der Orchestra am Markt bezogen werden muss. 
Daraus ergiebt sich dann weiter der notwendige Schluss, dass 
die Nachricht des Hesych auf keinen Fall, wie es bisher zu 
geschehen pflegte, als Beweis für die Existenz eines vorperi- 
kleischen Odeion angeführt werden darf, zumal, da von ei- 
nem solchen Bau sonst gar nichts bekannt ist. 

Gegen diese Beweisführung wird man gewiss einwenden, 
dass Pausanias nach Erwähnung der Tyrannen mörder * be- 
kanntlich ' vom Markte plötzlich nach dem äussersten Südo- 
sten der Stadt geeilt sei, um die dort liegende Enneakrunos 
und die in ihrer Nähe befindlichen Bauwerke zu besuchen, 
und dass er dann wieder zum Markte zurückgekehrt sei, und 
die Beschreibung desselben zu Ende geführt habe. Diesen 
Einwand lasse ich nicht gelten, denn für mich existirt die be- 
rühmte * Enneakrunos-Episode' nicht. Ich bin überzeugt, dass 
Pausanias sich bei seiner Periegese nicht vom Markt und sei- 



200 DIB VERSCHIEDENEN ODEIEN IN ATHEN 

ner nächsten Umgebung entfernt, dass sein Text vollkommen 
in Ordnung ist und dass alle Anlagen, welche er zwischen 
den Tyrannenmördern und dem Hephaistos-Tempel aufzählt, 
in der Nähe der Agora und zwar an dem Wege lagen, der 
von dem Markt um die Westseite des Areopags herum zur 
Akropolis führte. In dem Augenblick, wo der Spaten ange- 
setzt ist, um diese wichtigste Frage der athenischen Topogra- 
phie zur Entscheidung zu bringen, scheint es mir zwecklos, 
die lange Reihe von Thatsachen und Nachrichten, welche mir 
jene Überzeugung aufgezwungen haben, auseinanderzusetzen. 
Hoffentlich werden die Ausgrabungen, über deren Beginn 
oben S. 90 bereits kurz berichtet worden ist, und die in die- 
sem Herbste fortgesetzt werden sollen, zu irgend einem be- 
stimmten Resultate führen. 

Das erste Odeion, welches in Athen erbaut wurde, war 
also das des Perikles, welches neben dem Dionysos -Thea- 
ter am südöstlichen Fusse der Akropolis lag. Für musische 
Agone bestimmt, wurde es als grosser bedeckter Raum bald 
auch zu anderen Zwecken benutzt. Im Jahre 86 v. Chr. zer- 
stört, scheint es seinen ursprünglichen Namen verloren zu 
haben. Der Name Odeion ging über auf ein kleines bedecktes 
Theater, welches Agrippa einige Jahre später neben der alten 
Orchestra am Markte erbaute; jedenfalls nennt Pausanias 
diesen Bau kurzweg Odeion. Als bald nachher Herodes Atti- 
kos das jetzt noch in Trümmern erhaltene bedeckte Theater 
baute, gab es zwei Odeien in Athen, von denen das eine Agrip- 
peion, das andere Herodes-Odeion genannt wurde. Ob der da- 
mals noch aufrecht stehende alte Bau des Perikles in römi- 
scher Zeit noch als Odeion oder nur zu anderen Zwecken be- 
nutzt wurde, entzieht sich unserer Kenntniss. 

Ausser diesen drei Odeien hat es niemals ein anderes 
Odeion in Athen gegeben. 

WILHELM DÖRPFELD. 



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DIE MUSEN DES PRAXITELES 

Als die dem Praxiteles zugeschpiebenen Musen -Reliefs 
\on Mantinea entdeckt wurden, hätte man erwarten können, 
dass eine alte Controverse wieder auflebte, nämlich die, ob 
Praxiteles eine Musengruppe gebildet oder nicht. Da aber 
Alle, welche sich bisher über den wichtigen Fund geäussert, 
zwar — mit Ausnahme Overbeck's — den praxitelischen Cha- 
rakter zugeben, mit keinem Worte jedoch jener Überlieferung 
gedenken, so will ich nicht länger zögern dies nachzuholen, 
zumal auch die vor wenigen Jahren erschienene Monographie 
über die Musen davon schweigt. Plinius erwähnt bekannt- 
lich ein praxitelisches Werk Thespiades , einmal unter den 
Bronzen (XXVI 39), einmal unter den Marmorwerken (XXIV 
69). Wir erfahren, dass Mummius dieses Werk dem L. Lu- 
cuUus lieh, der es aber nicht wiedergab, sondern es zugleich 
mit dem Tempel der Felicitas weihtet Zu Plinius' Zeit be- 
fanden sie sich auch dort nicht mehr ; er sagt fuere ; das 
könnte einmal (XXXVl 39) durch blosse Entlehnung einer 
Geschichte aus Varro, den er citirt, veranlasst sein, wo erzählt 
wird, dass ein vornehmer Römer sich in eine dieser Gestalten 
verliebt hätte 2, da er aber auch im 34. Buch denselben Aus- 
druck gebraucht {ante F. aedem fuere) und dort von dem 
Brande des Tempels spricht, so werden die Statuen bei die- 
ser Gelegenheit ihre Stelle gewechselt haben. Über ihren wei- 
teren Verbleib hören wir nichts. Eine Gopie vermutet man^ 



^ Einen andern Tempel der Felicitas, oder einen Neubau dieses, der ab- 
brannte, errichtete Lepidus.Vgl. Brunn, Gesch. der griech. Künstler I 8.546. 

^ Die Erzählung ist übrigens nicht zu verwechseln mit jener andern von 
der unreinen Liebe eines Römers zu einer Venus. 

3 Brunn, Gesch. der griech. Künstler I 8. 546, bestimmter Benndorf in 
der weiter unten erwähnten Schrift. 



262 DIE MUSEN DBS PRAXITELES 

in den Thespiaden des Kleomenes, welche mit den Appiaden 
(Nymphen) des Stephanos, der farnesischen Stiergruppe, 
den nymphentragenden Kentauren des Arkesilas und anderen 
Meisterwerken die anspruchsvollen Lustbauten des Asinius 
PoUio zierten (Plinius XXXVI 33). 

Das praxiteiische Werk befand sich ehe Mummius es ent- 
führte in Thespiä und wird dort neben dem Eros erwähnt 
(Cicero, Verr. act. 2, IV 2, 4). Es fragt sich nun, ob die Be- 
nennung sich auf diesen einen Umstand gründen und was 
denn überhaupt dargestellt sein konnte. Etwa die fünfzig 
Töchter des Thestios oderThespios, Personen, von denen nichts 
bekannt war als dass Herakles eine Nacht bei ihnen geruht? 
Oder auch nur ein Bruchteil dieser schwer zu identifiziren- 
den Gesellschaft? Weder dem Künstler noch seinen unbe- 
kannten Auftraggebern wird man eine derartige Geschmack- 
losigkeit zutrauen können. BenndorfS dem Overbeck folgte, 
hat deshalb ein Epigramm des Antipater herangezogen, wel- 
ches die fünf Statuen schwärmender Bakchantinnen beschreibt, 
und hat einen darin erwähnten Dionysoskult für Thespiä 
vorausgesetzt, indem er sich zugleich auf die 06<i7rii; eupOppo?^ 
berief, einen Ausdruck, der nur die Stadt angeht und mit ei- 
nem sehr gebräuchlichen Epitheton operirt, also bei Seite blei- 
ben kann. Aber in dem Menschenalter, welches seit jener 
Publication verflossen, haben sich die Meinungen über des 
Praxiteles' Kunst-Charakter so weit geklärt, dass man nicht 
mehr so willig auf jene Combination und ihre Voraussetzun- 
gen eingehen mag und unwillkürlich nach ruhigeren Moti- 
ven sucht. Der alte Gedanke an Musen, der von rein philolo- 
gischen Text- Erklärern herrührt, tritt wieder in seine Rechte. 
Die dagegen erhobenen Einwürfe finde ich nicht stichhaltig. 
Der Umstand, dass der Musenkult nicht sowol in Thespiä 
als am Helikon blühte — eine Unterscheidung, auf die sich 



^ De epigramm. anlhologiae ad artem spect, S. 67. 

3 Epigramm des Philiadas von Megara auf die bei Platää Gefallenen ; vgl. 
jetzt Preger, Inscriptiones metricae Nr. 23. 



DIE MUSEN DES PRAXITELES 263 

übrigens die Thespier selbst am wenigsten eingelassen ^ — , hat 
Varro (L. L. 6, 2) doch nicht verhindert zu schreiben : Thes- 
piades deae^ Musae a Thespiis Boeotiae oppido etc. und 
Ovid Met. V 310 Thespiades certate deae. An einer ge- 
schraubten, poetisch klingenden Bezeichnung der Kunstwerke 
nimmt heute bei Plinius Niemand mehr Anstoss. Wenn er sie 
nicht deae nennt, so kann das verschiedene Gründe haben. 
Entweder verwechselten die Römer wirklich Musen und Thes- 
pios -Töchter ; wo der Hercules Miisarum verehrt wurde 
und leierspielend mit den Musen erschien, konnten diese leicht 
für seine Geliebten angesehen werden. Oder aber wir haben 
es mit einer jener abgekürzten Bezeichnungen zu thun, wie 
sie die Sprache der Kunstfreunde für bekannte Meisterwerke 
allezeit in Bereitschaft hat. Solche Namen stellen sich am 
ehesten da ein, wo eine genauere Benennung sich verbietet 
oder umgangen wird, wie wir heute von den Tanagräerinnen, 
den pleureuses, den archaischen Koren sprechen. Die Musen 
des vierten Jahrhunderts waren, wie jetzt allgemein bekannt, 
noch nicht in der bestimmten Weise wie später charakterisirt 
und unterschieden. Selbst von der Neunzahl war man noch 
weit entfernt ; dieselbe wurde erst kanonisch durch die Ale- 
xandriner, welche nach Arat's Beispiel, in allen Stücken mehr 
und mehr auf den alten Hesiod zurückgriffen. Wie bis dahin 
Zahl und Namen schwankten, so wurden ihnen auch die Attri- 
bute unterschiedslos gegeben, wenn sie eines solchen überhaupt 
alle bedurften und sich nicht bloss wie Schwestern zusammen- 
fanden, einander zuhörend und abwechselnd in Gesang, Spiel 
und Tanz, auch wol in der Leetüre. Die Vasen illustriren dies 
auf's Beste, und auf den Reliefs von Mantinea, deren Erfin- 
dung von Allen ausser Overbeck dem vierten Jahrhundert zu- 
geschrieben wird, fuchtelt die eine nicht zwecklos mit dem 



< Vgl. Pausanias 1X27,4 (5) und die inThespiä ( Eremokastro) erhaltene 
grosse Basis einer lebensgrossen Musengruppe mit Epigrammen, geweiht von 
dem Römer Onestos (Honeslus); s. Dittenberger, Inscr. Graeciae septenirio- 
nalis N°. 1796-1805 nach Lolling's Reconstruction und Lesung. 



?64 DIE MUSEN DES PRAXITELES 

grossen Instrument in der Luft herum, sondern sie reicht es 
der andern dar und wird im nächsten Augenblick, wenn sie 
nicht deren Schriftrolle an sich nimmt, attributlos sein wie 
ihre mittlere Schwester auf der andern Platte. Diese Darstel- 
lungsweise, die den Übergang zum blossen Genre so sehr er- 
leichterte, hat in der nächsten Nachbarschaft Thespiäs ihre 
greifbarsten Spuren hinterlassen. Wieso die köstlichen Gestal- 
ten von Tanagra grade in jenem Winkel Böotiens auftreten, 
war bis vor wenigen Jahren ein Rätsel. Den Zusammenhang 
mit Praxiteles, den man hie und da geahnt haben mag, können 
wir heute fast Linie um Linie mit Hülfe der Reliefs von 
Mantinea verfolgen. Freilich fehlte uns bisher das Mittelglied, 
das mit den Thespiaden gewonnen ist ; von ihnen und ihren 
Nachschöpfungen ging die Inspiration auf das kleine Thon- 
Genre aus, und sie kehren, wahrscheinlich ziemlich getreu, 
auf jenen Reliefs wieder, deren Typen, wie man längst bemerkt 
hat, nicht für diesen Ort geschaffen sondern statuarischer 
Natur sind. * Thespiades' könnte also, wenn es nicht direkt 
mit 'Musen' zu übersetzen ist, ein Gattungsname wie Vitruvs 
Caryatides gewesen sein, zur Bezeichnung der in Zahl, Va- 
riation und Verbreitung die Urschöpfung überwuchernden 
Typen tanagräischer und verwandter Manier. Vielleicht waren 
die kleinen marmornen Musen, die Pausanias im Tempel von 
Thespiä sah (ay^^f^*'^* jxi>tpa >.t6ou TugTconofiiEva, IX 27,4(5)), 
Copieen oder Nachbildungen des damals längst entführten 
praxitelischen Werkes. Alsdann würde es nicht nötig sein, den 
Massstab der mantineischen Reliefs für einen verkleinerten 
zu halten. 

Athen, Sept. 1892. 

MAXIMILIAN MAYER. 



-►-oNses*«»-^ 



AMPHIKTYON IM KERAMEIKOS 

Auf dem Wege zum Kerameikos beschreibt Pausanias (I 
2, 4 (5)) folgendes Bildwerk: (jlstx Se to toO Aiovuctou tejisvo; 

xTucdv aXXou^ T€ 6eou; lexTiöv xat Atovudov. Ob ein Relief oder 
eine statuarische Gruppe gemeint sei, dafür bietet der sprach- 
liche Ausdruck keinen Anhalt. Eine so grosse Anzahl Figu- 
ren denkt man sich von vornherein eher im Relief darge- 
stellt. Doch lasse man auch der antiken Freiheit der Gruppen- 
bildung* den grossesten Spielraum: je mehr man den ver- 
schiedenen, selbst im Rahmen des Reliefs zu suchenden Mög- 
lichkeiten nachdenkt, um so weniger will Einem der ganze 
Gegenstand in den Sinn. Eine Bewirtung, wo die Gäste etwa 
wie in einer cena sacra um einen Tisch herumsitzen, würde 
nicht antik sein und zudem Wirt und Gäste nicht genügend 
unterscheiden lassen. Der letztere Mangel würde überhaupt 
jeder Darstellung anhaften, wo beispielweise auf einer Reihe 
von Klinen (Polsterlagern) bereits getafelt wird. Wie will der 
Erklärer selbst mit Hülfe von Beischriften bestimmen, wer 
der Wirt, wer der Bewirtete sei ? Man würde eher eine Apo- 
theose des Sterblichen als eine Einkehr der Götter zu erblicken 
meinen^. Das entscheidende Wort ist mir bereits entschlüpft. 
Das idTidlv ist daran kenntlich, dass Götter bei einem am 
Tische sitzenden (d. h. auf griechisch: liegenden) Heroen 

« Vgl. AtheQ. Millh. XVI S. 248. Ein Gelage, freilich eine dramalisch 
erregte Scene (die Peirithoos-IIochzeil), scheint wirklich als freie Gruppe 
gebildet worden zu sein: Polemon Fr. 63 Preller. 

3 Darstellungen wie die Arch. Zeitung XXIX abgebildeten und erwähnten 
(Taf. 49 und 8. 82, b), welche auf fortlaufendem Polster vergötterte oder 
heroisirte Menschen unter Göttern zeigen, liefern die Probe hierzu und 
hätten nie (von F. Deneken, De ^tlieoxeniis 8. 32) zur Illustration unserer 
Pausanias - Stelle herangezogen werden sollen. 



266 AMPHIKTYON IM KERAMEIKOS 

einkehren und von ihm begrüsst werden, etwa wie Priamos 
und Gefolge im Zelte des Achill oder Dionysos und sein 
Schwärm im Hause des ikarios. *Sie nahen, sie kommen, 
die Himmlischen alle, mit Göttern erfüllt sich die irdische 
Halle'. Kommen sie auch wirklich alle? Oder auch nur ein 
erheblicher Teil derselben? Pausanias scheint es zu sagen. 
Seltsam nur, dass er keinen der Olympier namhaft macht, 
bloss den Dionysos Das heisst doch für Jeden, der Pausanias' 
Künstelei und noch unwiderlegte Manier, das Schwierige zu 
vertuschen, kennt und anerkennt: Dionysos ist unzweifelhaft 
dargestellt, die anderen Figuren entziehen sich genauerer Be- 
nennung oder erscheinen untergeordnet. Mit anderen Worten, 
wir haben den wolbekannten Reliefs-Typus vor uns, Diony- 
sos' Einkehr bei Ikarios ^ Dass das Relief von Terracolta war, 
also gewiss in dem kleinen d. i. weit unter lebensgrossen 
Massstab, in welchem sich die Repliken halten, giebt eine 
Art Bestätigung, ohne für oder gegen die Möglichkeit zu spre- 
chen es sei grade dieses die Originalschöpfung gewesen. 
Thon-Repliken sind mehrfach auf uns gekommen, aber alle 
römisch nach Epoche und Fundort. Und wie die ganze Com- 
position, die üppige Weiterbildung eines einfachen aus weni- 
gen Personen bestehenden Weihrelief- Typus, der hellenisti- 
schen Zeit angehört, so dürfte man in die Wand eingelassene 
Thonreliefs figürlichen Inhalts in der klassischen Epoche 
Athens selten oder gar nicht finden. 

Wie kommt aber Pausanias dazu, grade den Amphiktyon 
an dieser ungewöhnlichen Stelle einzusetzen? Im Volksmunde 
lebte nur der Weinbauer von Ikaria, der Orts- Patron dio- 
nysischer Künste, nicht der phokisch-böotische Heros bundes- 
staatlicher Verträge. Amphiktyon war kein attischer Heros 
und ist in die Reihe der dortigen Könige erst ziemlich spät 



^ An ein derartiges Schema hal auch schon Reisch.Weihgeschenke S. 30 
vorübergehend gedacht aber ohne den Amphiktyon anzuzweifeln. Er denkt 
an Dionysos und die Koren, was auf Pausanias' Ausdruck wenig zu passen 
scheint. 



AMPHIKTYON IM KERAMEIKOS 267 

eingedrungen. Bei Hellanikos kam er noch nicht vor; erst in 
den Atthiden, welche Pausanias im nächst Folgenden (g 5) 
wie auch sonst benutzt. T-nv Se ßaatXsiav 'AfjL^txTucov eoj^cv ou- 
TCt>(, und nun folgt der ausführliche, genealogische Bericht. 
Grade diese Quellen aber sind es, speciell Philochoros (bei 
Athen. II 38 G), wo Amphiktyon, eben der attische, in der 
ungewöhnlichen Verbindung mit Dionysos erscheint : der Gott, 
heisst es, habe ihn die Mischung des Weines (oivou xpäcxtv) ge- 
lehrt*. So erklärt es sich, dass wir jenes Bildwerk, welches 
sich nahe oder gegenüber dem "Axparo; befand, auf Amphi- 
ktyon und die auch für diesen vorausgesetzte Einkehr des 
Gottes bezogen finden. Die Erklärung trägt den Stempel all- 
zugrosser Gelehrsamkeit an der Stirne, und die Periegese 
würde, wenn sie dieselbe wirklich schon vor Pausanias adop- 
tirt hatte, denselben Fehlgriff begangen und das Nächste, 
Volkstümliche, d. i. das für die Kunst Massgebende über- 
sprungen haben. Vielleicht ist aber kein Anderer als Pau- 
sanias selbst für die falsche Interpretation verantwortlich Auch 
die neuesten und reumütigsten Verteidiger seiner Gelehrsam- 
keit werden nicht behaupten wollen, dass Pausanias im Stan- 
de war, eine beliebige Darstellung archäologisch zu interpre- 
tiren und werden zugeben, dass er selbst bekannteren Gegen- 
ständen gegenüber sich erstaunlich abhängig zeigt von dem, 
was die Bücher oder seine Gewährsmänner sagten. 

Der vorliegende Fall scheint sich noch dadurch zu compli- 
ciren, dass in demselben Atem mit jener Beschreibung die 
Einkehr bei Ikarios selber vorkommt. 'EvTaööa xal Uriyxco^ 

EffTiv *E>.6'j65p£ug, 0^ 'Aörivatoi? tov öeov iaiiyoLyt' auvETreXÄSeTO Se 
ol t6 6v Ae^cpoi^ (jLavT6tov avafJLvyjffav ty;v It^I 'Ixaptou ttote imSyi- 

[xiav Tou OsoO. Es kann dieses Zusammentreffen ein zufalliges 
sein. Doch werden in manchem Leser allerhand düstere Ver- 
mutungen aufsteigen über die Art, wie hier wieder einnial 
Monumentales und Literarisches durcheinander gehen und das 
Gelesene das Gesehene überwuchern mag. Ich will jenen Ge- 



Vgl. Wellmann, De Istro Callimacheo S. 66 Anm. 66. 



AMPHIKTVON I 



danken nicht weiter nachhiingen und für heute nur noch ei- 
nen andern Hinweis geben, der sich mit dem Obigen ergänzt. 
Er betpifil den schon berührten Akratos. 

Dieses unmittelbar zuvor beschriebene Stück, ein halber 
Kopf oder blosses Gesicht war in der Mauer befestigt, sei es 
des heiligen Bezirkes oder des dem Dionysos geweihten Hau- 
ses selbst. Da der Gott hier Melpomenos hiess, so könnte man, 
wie es die Musengesellsehaft um ihn herum (Paus, g 4 (5)) 
nahe legt, jene Maske einfach als eine tragische, das Attribut 
der Melpomene. aufzufassen versucht sein. Es ist aber be- 
kanntlich eine spät attische Vase', ein Krater aus Lipari, er- 
halten, auf welchem ein bärtiges Gesicht mit der Beischrift 
Akratos gross aufgemalt ist, was doch wol eine flüchtige 
Nachahmung jener sein wird, ausgefülirt mit derjenigen Frei- 
heit die sich in der bequemen Profilstellung ergab. Bei der 
Angabe nun, Akratos sei ein Sxiaüiv rtSv iy.'^i Ai6vu<jov dürfen 
wir nicht gedankenlos stehen bleiben. Entweder ist es ein al- 
ter Dionysos oder er ist es nicht, und dann muss es ein Silen 
oder Satyr sein ; andre Dämonen giebt es nicht in diesem 
Kreise. Ua der Name als der eines von Athena besiegten Gi- 
ganten auf einer elruskischen Spiegelzeichnung vorkommt 
{' Akralhe'), so mag er eine alte Hypostase des Dionysos be- 
deuten, etwa wie dessen alter Gegner Rhoitos sich als Orts- 
Eponym dionysischer Nymphen, (der Oinotropen) entpuppt''. 
Was aber jene Maske betrifft, so vermag ich auch bierin nichts 
weiter als ein altes Dionysos-Gesicht zu erblicken. Es kom- 
men Satyrgesiebter wol auf Vasen häufig als Schildzeichen 
vor — und was käme da nicht vor? — , später auch wol als 
Firstziegel , Wasserspeier und sonstige architektonische Zier- 
formen. Allein ein einzelnes Antlitz, an auffallender Stelle an- 
gebracht, kann ich mir nur als Überbleibset eines alten Hei- 



' J. Harrison, Mylhology and monumenti of Athens S. 12 ; der ersle Her- 
ausgeber der Vase hal sich de& aUischeo Parallel-Monumenls nicht erinDerl, 
dies ihal erst Lolling in Iw. Müllers llandbucb III &. 313, 7. 

' Giganten und Titanen S. 301. De Euripidis mylhopoeia 8. 57 f. 



AMPUIKTYON IM KEHAMEIKOS 269 

ligtums denken, wo der Gott als bekleideter <itöXo; (Eurip. Fr. 
203 Nauck^) mit einem Gesicht darauf oder auch als blosse 
Kult-Maske an der Wand verehrt wurde. Ein solches Atovudou 
TrpöeywTcov, dessen Gesichtsausdruck ßapo; war, muss sich Ath. 
XII 533 c zufolge in Athen an einer bekannten Stelle befun- 
den haben. Eine steinerne, archaische Bakchos-Maske, d. h. 
ein massives, hinten glatt abschneidendes Gesicht, ist in Ikaria 
zum Vorschein gekommen ^ ein andres, ebenfalls hinten mit 
Vorrichtung zum Befestigen, in Marathon (Berliner Skulpt. 
Nr. 100), weitere in Ephesos, Spata (Athen. Mitth. II 1877 
S. 33'? Nr, 54 ) -, und zahlreiche Vasenbilder ( besonders Bötti- 
cher, Baumkultus Fig. i3 a, Annali iS&iTdit. C) bezeugen die- 
sen Brauch, der sich ausserhalb Attikas auch an anderen Gott- 
heiten ^, bei Demeter, Persephone, Praxidike, Artemis — immer 
in ernstem, altertümlichem Sinne — beobachten lässt. Wo die 
Maske an einem Pfahl sass oder eine ähnlich starre Idolform 
herrschte, nahm leicht die Gottheit selber den Beinamen *Op66;, 
'Op6ia an. Aber niemals hat man dazu eine so matte Erklä- 
rung aufgetischt, wie die, welche sich an der vorerwähnten 
Philochoros- Stelle findet* Amphiktyon habe einen Altar des 
op96c At6vü<yog im Heiligtume der Hören errichtet zum Dank 
dafür, dass ihn jener die Weinmischung gelehrt ; denn nun 
seien die Trinker opSot geblieben, während früher der axpaTo; 
sie gebeugt (zu Deutsch: umgeworfen; hätte. 



* Abgeb. American Journal of archaeology V 1889 S. 463. Vgl. Wolters, 
Alben. Mitlb. XII 1887 S. 390. 

3 Vgl. Matz-Dubn 318. Sowol von Duhn wie Conze (im illustrirten ber- 
liner Calalog), der die vorgenannten anfuhrt, beben hervor, wie sehr sieb 
diese bärtigen Dionysos-Gesichter, obwol einige nur Copien sind, im Cha- 
rakter von den meisten bakchischen Köpfen archaisirenden Durchschnitts- 
Stils unterscheiden. In Megara sah Pausanias ( I 43) ein ^davov des Dionysos 
&7cox£xpu[jL[jL^vov 7cX7)v Tou Tzpodi^Kou xtX., in Slkyon (II 11,3) die allein sicht- 
baren icpdawTta der Dionysos- Persephone- und Demeter-Bilder im Tempel 
der beiden Göttinnen. Zwei hölzerne Kultmasken des Dionysos in Naitos: 
Ath. III 78c. Die Methymnäer ^aXXflvoc xifiaai AtcoviSaoio xap7)vov, s. Lo- 
beck, Aglaoph. S. 1085 f. und Paus. X 19. 

3 Vgl. meine 'Mykenischen Beiträge' II im Jahrbuch des Arcb. Insti« 
tuts 1892. 

ATHEN. MITTHEILUNGEN XVit. 19 



270 AtfPHIKTYON IM KBRAMBIKOS 

Man erkennt nun wol, dass zwischen der Akratos-Maske 
und der Erwähnung des Amphiktyon ein innerer, legendari- 
scher Zusammenhang bestand ; sei es dass die behauptete Ein- 
kehr des Bakchos, bez. die zu ergänzende Fabel von der 
Weinmischung, an den Akratos anknüpfte oder, was minder 
wahrscheinlich, dessen Benennung an jene etwas schwache Fa- 
bel. Jedenfalls muss ganz in der Nähe das Hören - Heiligtum 
gelegen haben und, wenn unsere sonstige Darlegung richtig 
ist, die Maske von diesem herrühren. 

Philochoros erwähnt (an derselben Stelle) noch einen Altar 
der Nymphen, den tcXyktiov auToö derselbe Amphiktyon erbaut 
haben soll. Auch dessen Lage ist hiermit gegeben. 

Athen, Sept. 1892. 

MAXIMILIAN MAYER. 



GRABMÄLER AUS ATHEN 

Die beiden nachstehend veröffentlichten Inschriften sind in 
diesem Jahre auf dem Grundstück des Seidenfabrikanten Ka- 
rastamatis in der neu angelegten *OSo<; Bekou * gefunden Nvor- 
den. Sie waren vermauert in die antike Stadtmauer, welche 
die Rückseite dieses Grundstückes bildet und wurden hervor- 
gezogen, als man zum Bau eines neuen Fabrikraums die Steine 
der Mauer ausbrach. Der leitende Ingenieur Herr Albert 
Brandt hat mich auf die Steine aufmerksam gemacht, welche 
jetzt in das Nationalmuseum geschafft worden sind. 

1 . S. die Abschrift auf der folgenden Seite. 

Weisser Marmor. Die Höhe des Steines beträgt 105'", die 
Länge lOS"", die Dicke 23'"°. Die Buchstaben der Inschrift 
zur Linken sind 2"°, der zur Rechten 4 7?"" hoch. Die Buch- 
staben ATAT über der Inschrift sind spätere Zuthat, fluch 
tig eingehauen und bedeutungslos. Das Aller der Inschrift 
lässt sich aus den Formen der sehr sorgfältig eingehauenen 
Buchstaben nicht ohne Weiteres bestimmen. Charaicteristisch 
ist nur. dass die Enden der Hasten bei N(t>ZTE u. s. w. einen 
besonderen Abschluss durch die Anfügung eines kleinen Quei- 
strichs erhalten, sowie dass der untere Querstrich des Keine 
geschwungene Form zeigt. Diese Eigentümlichkeiten, mehr 
aber der Gesamteindruck des Steines stimmen sehr genau mit 
einigen- der Inschriften überein, welche den Hadrian als (ko- 
TY;p xal xTicrmg ty)^ oixoufjLevY)^ bezeichnen. Etwas weiter herab 
führt die Beobachtung Dittenberger's (Hermes VI S. 301), 
nach welcher die Schreibweise Kutvro; aus sicher datirbaren 
Inschriften frühestens für das Ende des zweiten Jahrhunderts 
erwiesen wird. Wir werden danach unseren Stein in die zweite 



^ Sudlich von der, Karlen von AUika I und Curtius, Sieben Karten 
Taf. 3 verzeichneten anliken Säule ösllich vom Philopappos. 























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GIUB1UBL8A AU9 ATII^N 973 

Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. setzen. Zu dem Inhalt 
der Inschrift zur Linken ist wenig zu bemerken. Das bisher 
nicht nachgewiesene t6^i; wird erläutert durch eine Glosse des 
Hesychius s.v. tu^iv tsO^iv ?7apoc<TX£uif)v, und bedeutet hier etwa 
die Mittel oder Kunstgriffe. 'Atpatf pct>v wie aspmvoo; ist gleich- 
falls neu. Das Begräbniss und das Denkmal ist besorgt wor- 
den von den depdcTrovTe; des Gottes, also Schauspielern, den 
CoUegen des Verstorbenen. Wahrscheinlich gehörte derselbe 
einem Vereine dionysischer Künstler an. Die Bestattung der 
Mitglieder auf Kosten des Vereins ist für nichtdionysische 
Thiasoi besonders dieser Zeit nachgewiesen und für diony- 
sische durchaus anzunehmen (Lüders, Die dionysischen Künst- 
ler S. 41). Bpojxtci) na(ptYiT6 ist gesagt mit besonderer Bezie- 
hung auf die zahlreichen Komödien erotischen Inhaltes, deren 
Interpret Straton war. Zum Vergleich eignet sich vortrefflich 
das Epigramm auf den Menander CJ.G, 6083. Kaibel, Epigr, 
1085: 

'Ej^pYJv (iiiv ariiaai auv "'EpwTi ^iXcp <xs MevavSps, 
(p 9uv2[d)v CTeXei^ opyia Tcpirvoc Oeou . . und 
5 ^atSpov draipov ''Epci)TO( 6p^<, 9€ipYiva OsicTpci)v 
TOvSe MevavSpov dcsl xpara 7ruxaC6[xevov 
ouvsx' (xp* dcv8pcl>770u;, IXapov ßiov s^eSiSa^a, 
7)SuvQC^ axiQVYiv $pa[i.a9i TTOCat Ya(X(i>V. 

Am Schlüsse der ersten Inschrift unter dem vierten Penta- 
meter ist in den Stein gehauen ein wie die Diple der Hand- 
schriften oder wie ein liegendes T später runder Form gestal- 
tetes Zeichen, welches hier offenbar den Sinn hat, den Vers, 
welcher die Antwort auf die in den Distichen ausgesprochene 
Aufforderung giebt, von eben diesen zu trennen. Genau die 
gleiche Interpunction ist von Inschriften bisher nicht bekannt; 
die von Larfeld in J. Müller's Handbuch ^ I S. 551 gegebe- 
nen Beispiele entsprechen weder in Grösse noch in der Form 
dem hier verwendeten Zeichen. Der Vers, der den Namen des 
Straton enthält, ist ein iambischer Trimeter. Der in daktyli- 
schem Metrum nicht bequem verwendbare Name ^ab, wie 



274 OHABMAKLBR AUS ATHEN 

H. G. LoUing mir richtig bemerkt, den Anlass^das Versmass zu 
wechseln. 

Auffällig ist die Anordnung der beiden Inschriften auf dem 
Steine. Man würde die grosse Inschrift über oder unter der 
kleinen angeordnet erwarten. Ebenso auftäliig ist, dass in dem 
metrischen Teile nur von einem Toten die Rede ist und dass 
dem entsprechend in der Unterschrift nur Straton erwähnt ist, 
während Titianus übergangen wird. Beides führt darauf, dass 
auf dem Grabmonument noch eine weitere Inschrift vorhan- 
den war, welche sich auf den letzteren bezog und welche rechts 
von den grossen Buchstaben auf einem besonderen Steine 
stand. Einen sicheren Beweis hierfür, der zugleich über die 
Grösse des Denkmals genügenden Aulschluss giebt, bietet fol- 
gende Betrachtung. Nehmen wir als Mitte der vorderen Seite 
etwa das M von MAPKIOZ der obersten Reihe an, so er- 
giebt sich für die ganze Seite als Länge 2,90". Der Inschrift- 
stein hat für den rechtwinklig anstossenden Stein auf der 
Rückseite (links) die Anschlussfläche und dasselbe ist auch 
für den zu ergänzenden zweiten Inschriftstein anzunehmen. 
Nun befindet sich an demselben Fundort eine Marmorplatte, 
welche die gleiche Höhe und die gleiche Dicke hat wie die 
Platte mit der Inschrift und also zu dem gleichen Monument 
und zwar zu dessen Rückseite gehört. Diese hat eine Länge 
von 2,45" und an den beiden Seiten Anschlussfläche; also 
kommen hier zu iien 2,45" Länge noch je 23"" d. h. die 
Dicke des anschliessenden Steines. Das ergiebt aber für die 
Rückseite 291*" oder genau soviel als wir für die Vorderseite 
aus der Inschrift selbst geschlossen hatten. Beistehende Skizze 




erläutert das Gesagte. Die Länge des Monumentes ist also voll- 
kommen gesichert. Wie gross die Breitseiten waren ist nicht 
mehr festzustellen. Vermutlich hatte das Ganze die Form eines 



6RABMAELER AUS ATHEN 275 

Rechteckes. Unten hat der Stein zwei Dübellöcher sowie An- 
schlussfläche, also war noch eine besondere wol einstufige 
Basis vorhanden, auf welcher das Denkmal stand. Auch oben 
sind Dübellöcher für Deckplatten vorhanden ; im Übrigen ist 
der Abschluss hier nicht sicher. 

2. Auf einem gewaltigen Marmorblock, von 1,90™ vorderer 
Länge, 56^" Höhe, 60"" Breite ist mit schönen 10-» hohen Buch- 
staben an der Vorderseite eingehauen : 

EPMOTENHZ •EpfxoYevYi; 

EPMOTENOYZ •Epixoyevou; 

TAPTHTTIOZ rapy7)TTioc, 

Der Grundriss des Grabmales ergiebt sich aus der Art, wieder 
Stein geschnitten ist. Seine Grundfläche bildet ein regelmäs- 
siges Trapez mit Winkeln von 45 und 135^. An den beiden 
Schmalseiten befinden sich grosse Klammern von der Form 
des doppelten T sowie Anschlussfläche. Hier stiessen also genau 
gleichartige Steine an, wie der Inschriftstein, so dass sich für 
das Ganze eine quadratische Form ergiebt. Die vordere Seite 
war die mit der Inschrift. Hermogenes, Sohn des Hermogenes 
aus Gargettos erscheint in der Ephebenliste vom Jahre 1 6 S/e 
n. Chr. (C /. i4. III ll28). Es ist nicht unwahrscheinlich, 
dass es derselbe ist, dessen Grabstein wir vor uns haben. 

Beide Inschriften sind an einem Punkte der alten Stadt- 
mauer gefunden worden, an welchem man das itonische Thor 
anzusetzen pflegt. Da sich von dem einen Monument zwei 
gewaltige Blöcke gefunden haben, von dem anderen einer in 
geringer Entfernung von jenen eingemauert, da ferner die 
Steine der gleichen Monumentengattung angehören, so ist mit 
Sicherheit anzunehmen, dass sie nicht weit von ihrem ur- 
sprünglichen Standorte verschleppt worden sind. Sie werden 
daher an der grossen Strasse gestanden haben, welche zum 
Phaleron führte und wahrscheinlich ist es gerade das itonische 
Thor, an weichem diese Strasse ihren Anfang nahm. An wel- 
cher Stelle des alten Mauerrings hier das Thor gelegen hat, 



8711 HHAäMAÜLBH AUS ATHBN 

lässtaichvielleichldurcli folgende Beobachtunj^en erweisen. Die 
Bütesligiingälinie, welche vom Museion herab zum Hadriaos- 
ttiore i'ührt ist in ihrer Richtung zunächst an der Bodenerhe- 
bung kenntlich, unter welcher die Fundamente der allen 
Mauer liegen. Weiterhin führt diese, wie aul Karle o der 
' Sieben Karten zur Topographie von Athen ' und Curtiua, Stadt- 
geschichle Taf. IV ersichtlich ist, etwas weiter südlich. Dort 
muss also an einem Punkte die Mauer einen Knick gemacht 
haben, wol da, wo ihn auch die genannten Karten verzeichnen. 
Nun sind aber am Anlange dieser südlicheren Mauer zwei 
Türme in dem geringen Abstände von 42™ festzustellen, so 
daas sich diese Mauerlinie in beistehender Weise gestaltet. Der 



westliche Turm ragt aus der Mauerlinie 4.60'" hervor und 
hat eine Breite von 5,70"". Der östliche, welcher erst vor kur- 
zem erkannt werden konnte, ist 6-6 '/,'" tief und mindestens 
6,10'" breit. Nichts ist wahrscheinlicher, als dass gerade diese 
dicht an einander liegenden Türme mit einer grosseren Thor- 
anlage in Zusammenhang stehen, welche man am liebsten in 
der kurzen Strecke annehmen würde, welche die nördliche 
und südliche Mauer mit einander verbindet. 

Athen. 

lüKICH PBIINICE. 




HEROENÜPFER AUS MAGNESIA AM HAIANDR08 



Das nach einer Photographie Karl Humann's hier wieder- 
gegebene Relief befindet sieb seit einigen Jahren auf dem 
Platze vor der Polizeiwache der Eisenbahnstation Baladjik. 
Nach Angabe der Leute ist es aus Teke, einem armseligen 
Tscherkessendorf, das heute einen kleinen Teil des Stadtge- 
bietes von Magnesia am Maiandros einnimmt, dahin gebracht 
worden. Das Relief ist unvollendet, besteht aus grobkörnigem 
weissem Marmor und ist breit 1,22°, hoch 0,63, dick 0,34. 
Links ist es gebrochen, seine Hinterßäche ist raub; auf der 
Oberkante finden sich zwei Dübellöcher. 

Auf der linken Haltte des Reliefs stehen zwei Männer, von 
denen der am meisten links stehende einen kurzen Chiton 
mit Kurzärmeln und darüber gehängter Chlamys trägt. Der 
Andere, in langem Gewände, hält in der Linken ein Kästchen. 
Die Mitte nimmt ein in ganz flachem Relief angedeuteter 
brennender Altar ein, dem sich von rechts ein grosser Buckel- 
ochse (Zebu) zuwendet. Ganz rechts steht ein Baum, an dem 
sich eine Schlange emporringelt. 

Dies Relief schien mir trotz seiner schlechten Ausführung 
wert zu sein, dass es im Bilde festgehalten wird. Schlange 
und Altar weisen auf ein Heroenopfer, das ein Mann mit sei- 
nem Diener darbringt. Der Zebu als Opfertier erscheint ebenso 
z. B. auf dem Relief des aus unserer Nachbarstadt Priene 
stammenden Archelaos; vgl. auch K- Graf Lanckoronski, Städte 



278 LITTKRATDB 

PamphylienB und Pisidiens II S. 49 sowip die Zusammen- 
stellung bei O. Keller, Thiere des claasischen Alteplhuma S. 
G8. Auf Münzen von Magnesia ist der Buckeloclis nicht selten: 
Imhoof- Blumer, Monnaies grecques S. 990. B. V. Head, 
Greek coins of lotiia S. 159 ff. 

Magnesia a. M. 

OTTO KERN. 



LITTERATUR 

M. r. AnMiTE\s, Oepi Toü Tiyou toO "ApwTOTtXouc [Neu- 
druck eines in der Hellas erschienenen Aufsatzes, io welchem 
die Annahme VValdsleJn's von der Entdeckung des Grabes des 
Aristoteles bekämpft wird]. Met* SOo itpouapmfiiTwv. 1. riipl 
xöv ipj(a((ijv MaKESövüiv. 2. ÜEpi tqO yiiEllTjvififAoC xöv ■Pw[^.ai(uv. 

n. KaDBA&IA , riuTc-ri TOÖ 'EOviÄOö MüijoEiou. KaTiloyoi; Tctpi- 
Yptipiitö;. I. Athen 1890-9'^ Der vorliegende erste Band des 
neuen vollständigen Katalogea des Nationalmuseums, welcher 
den vor einigen Jahren begonnenen, aber längst vergriffenen, 
ersetzt, umfasst die Beschreibung von I0'i4 verschiedenen 
Werken der Skulptur, nebst Angabe der Litteratur, kunstge- 
schichtlicher Würdigung usf. Ein beigefügtes Begister erhöht 
die Brauchbarkeit dieses nützlichen Werkes, dessen baldige 
Vollendung dringend zu wünschen ist, 

A. TP. KAMnorpurAor, 'loropia T(i.v "AOYivatiwv II Heft 6. 7, 
Athen 18"?. 

A. Tp. KAMnorPOrAOr, MvnjiEia -rii; liTOploc; tüv 'AGiivaiwv. 
111 Heft 1-4. Athen 1892. 

I. K. Ko*INIüTOr, 'luTOpia toO "Apyoui (iet' tixovuv. Heft 7. 
8. [Darin u. a. Mauerproben der Festung bei Katsingri ]. 

G. Webkr , Dinair (Gueikler), Celönes, Apamee Cibotos. 
Avec un plan et deux cartes. Besanfon 189?. 

Aeatiün APXAiüAuriKüN 1892, Januar-Mai. 

EuAüMAi, 1892 Nr. 17-27 Darin u. a. Nr. 25 Ausgrahun- 



LITTERATüR 279 

gen im Piräus, in der Nähe des kürzlich entdeckten Medusa- 
mosaiks (oben S. 89. 90). Die Zeitschrift hat mit Nr. 27 vor- 
läufig zu erscheinen aufgehört. 

EAAHNiKoi: ^lAOAoriKOS Si'AAoros. Band 19, 7rxp<fepT7)[jLa 
( *Apj^xtoXoyi)C7) fiTTiTpoTTY)). ?0-?2 uud TcapxpTYijjLÄ dazu ( 'Apj^aio- 
Xoyt>cy) iniTpoTzr]). Zwypxcpeio; iywv YjTOt (JLVY)jA6ia ttj? iXk. ipj^ato- 

T7)T0? ^övTa dv Tö vGv eXXTjvixcp Xa<j). I. Konstantinopel 1891-92. 
EsTiA, 189-2 Nr. 17-40. Darin u. a. S. 289. A. N. Tou- 

X7)5, 'AXe^avSpo; T. 'PayxaßTj;. — S. 334. I. X. ApayÄTaYic, 

Aaup6(i)Ti)ca jjLdcpfxapa [Notiz über einige im Besitz der griechi- 
schen Bergwerksgesellschaft in Laurion befindliche Antiken : 
Amazonentorso mit zugehörigem aber abgebrochenem Kopf, 
kleiner Grabstein des Ascox^yi;, Oberteil des Grabsteines des 
Ka».ixSY)(; KxXkiQ\j, desgleichen mit der Inschrift 'ApTejjLtSwpo; 
und einem weiblichen nach links gewendeten Ropf, kleiner 
Grabstein der Sivwt^y), Grabstein der Theokrate, Athen. Mitth. 
XII S. 299, 271]. — S. 366. M. I. MapjtoTcoX..?, •E7riypa9al U 
N&$ou [*Apt<jT0)cpxT7i(; I 'ApxeatXou; | ^^aipe im Dorfe Angidia, *0 
A|i6vu<j(o; auf einer kleinen Platte aus Polichni]. — S. 394. 

n. N. naTuayfiwpytou, Qs^aoiko^iyLr,^ Tupödcparov apj(^aioXoyi)c6v 6u- 
py)p,a [Grabstein mit der Inschrift 'EvTaöOx xetrat rpYiyöpio; ip- 
yjL\iT:iax.OTzoq 06(j<TaXo[vi]|>cYi; ö Ko^jT^kinq \ ev {A7)vi AexgjjLßpttp dvv&TYj 

TVi S' I lvSl>CTl(OVl [t]oO 7(0[;.[S]'| TilLifOf, 7']. — S. 411. N. S. Nl- 

xoT^aiSn;, 'ETuiypacpai i/, Kapü<jTOj [ Bei der Reinigung des Ha- 
fens sind vielerlei antike Steine gefunden worden, darunter 
auch Reliefs und Inschriften, von denen einige mitgeteilt wer- 
den, besonders hervorzuheben: $püvi; Ilpa^ayopou | yuvyj Se Eu- 
puTiSou I Upsia TYJ; *ApT£ULtSo5 I xal Toö *A7c6>.X(i)vo; t6 ayjaXjxa ttj? 
*ApT£}xtSo^ I inL Töv i8i<x)v aveOrJxEv 6uj^t)v] ^ — II S. 13. 11. N. 



* Nicht erwähnt ist dort die folgende laschrift, die sich an einer roh zu- 
gehauenen Säule befindet : 

LAELIOCAESARENMC 

EX RAT 

C A EC I L I . M ARCIAN I 
NX VII 

Vgl. hierzu Annali 1870 8. 172 IT. Eine andere lateinische Inschrift, die an 



LITTBRATUB 



viKTi. — S. 31. Bemerkung von Sp, Lambros zu der byzan- 
tinischen GrabachrifL auf S.39i. — S. 32. Aufdeckung my- 
keniscber Gräber am Palaraidi Fund eines Sarkophages in 
Athen. — S. 94. fl. N. naTKxyEupyiou, Tq Jl'j^xvTiviv spnffX'j«!- 
Tripsov iv esuoaiovtK^. — S. 160. In Clialkis sind versebiedene 
antike Reste, darunter zwei verstümmelte Statuen gefunden. 
— S. 223. Kurze Notiz über Ausgrabungen in Mykene, Ko- 
rinth und Delos. 

E*HMEPiE 1892 Nr. 227 (Athen 14. Aug. 1892): 'Ei-pt 
TT,! XaXxiSo^ xxi xantL -ciii 9io« MTriiiiTti^-nri ive'jptörn TtTpÄytivo; 
^iöoc fJiiXx; (pipwv -riiv cTttypot^Tiv ■ 'AxTipato; 4>aioc%o{, ■t'fiSiinco; 
'Aflrivaitn frcoivifffv. 

Nea E*HMEPir. ETo; lA' ipiO. 230. 232 (Athen. 11. 19. 
Aug. 1892). r. Ä. ZfiKiifK, "ApystioioyiÄi. Inschriften aus Kato- 
Achaia, welches der Herausgeber für Fliipai erklärt, ohne sieb 
mit den von Duhn (Athen. Mitth. III S. 75) für die Gleich- 
setzung mit Dyrae vorgetragenen Gründen abzuGnden. Die 
Inschriften selbst sind meist schon bekannt (Athen. Mitth. 1)1 
S. 73. Bull, de corr. hell. W 95 ff. IV 520 f. Kaibel Eptgr. 
790. C. I. l. III S, 7256. C. I. G. I 154',), neu scheinen 

folgende : 2. *iloxpiTn[(] | *af«i6Ü;. 3 v M'yo^^atxJWos x*^P*- 

4. npcicouaa ;t«ipe. 5. 'Ap-ftkut SwuiurpÄToy | X**P'- 6. *ila 
Atuvo; yocvpi. 7. At'iiva Tpwilou. 9. ^iXioT« OImo( x*'?'- 

XPli:TIANIKH APX. EtaIPEIA. lieiTio-* Ao" iKpu^ov t«; ^py«- 
oiot; tii; iTaiptia? ireo -rii; topuaici»; aü-ri^^ [^^X.r' '^•i 3' At*. 1891 . 
Athen 1892. [Darin ausser Berichten usw. zwei Tafeln mit 
Gegenständen christlicher Kunst und deren Eteschreibung S. 
129-142]. 



oben |j;eDaDnler Stelle schon mit einigen Versehen mi^etetlt isl. laulet 
vielmehr: t. Marciui Xer | locvpubl j crematus. .. \ Arjiii; Mäpxi 

\ ioUSi TÖre<|. I SoSivtt u | '.',i»i 



FUNDE 

Die Ausgrabungen, welche im letzten Winter in Athen 
zwischen Areopag und Pnyx von Seiten des deutschen ar- 
chäologischen Instituts unternommen und im Frühjahre vor- 
läufig eingestellt worden waren, haben seit dem 1. November 
wieder begonnen. Zunächst wird die antike Strasse, welche 
neben der heutigen Chaussee zur Akropolis hinaufiführte, wei- 
ter nach Südosten, also nach oben verfolgt. Da sie beiderseits 
mit alten Bauwerken eingefasst ist, von denen einige noch 
ihre alten Grenzsteine besitzen, darf man hoffen durch Auffin- 
dung irgend eines anderweitig bekannten Gebäudes einen si- 
cheren topographischen Fixpunkt zu gewinnen. Ausserdem 
muss die Enneakrunos, wenn sie überhaupt in dieser Gegend 
vorhanden war, an der Strasse oder wenigstens in ihrer un- 
mittelbaren Nähe liegen (vergl. oben S. 90). 

Die Ausgrabungen an der heiligen Strasse nach Eleu- 
sis, über welche oben S. 93 kurz berichtet ist, sind unter 
Leitung des Herrn Kamburoglu auf Kosten der griechischen 
archäologischen Gesellschaft fortgesetzt worden ; vornehmlich 
wurde bei dem Kloster von Daphni und in dem Klosterhofe 
gegraben. Der Zug der Strasse ist an sehr vielen Stellen und 
zwar auch in unmittelbarer Nähe des Klosters aufgefunden 
worden. Die Hoffnung in dem Klosterhofe selbst ein antikes 
Heiligtum, nämlich das von Pausanias I, 37,6 erwähnte Hie- 
ron des Apollo zu finden, hat sich bisher nicht verwirklicht. 

In Eleusis hat Herr Philios seine Ausgrabungen fortge* 
setzt. Einerseits hat er innerhalb des heiligen Bezirks Tief« 
grabungen vorgenommen, wobei unterhalb der grossen Pro- 
pyläen eine geräumige Cisterne zum Vorschein gekommen ist, 
andrerseits hat er nach der Umfassungsmauer der Akropolis 
gesucht und mehrere Stücke derselben aufgefunden. 

An einem Orte, wo bisher kaum der Spaten angesetzt wor- 
den ist, nämlich in Kor int h, hat die griechische archäO'* 



logische Gesellschaft unter der Leit.un}j des Herrn Skias Aus- 
grabungen vorgenommen. Es bandelte sieh dabei zunächst 
um die Bestimmung der Lage der allen Agora. Diese selbst 
ist freilich nicht gefunden worden, aber die Grabungen ha- 
ben das erfreuliche lürgebniss gehabt, dass sich die antiken 
Bauwerke und die über ihnen errichteten byzantinischen Ge- 
bäude als viel besser erhalten herausgestellt haben, als nach 
den früheren Erfahrungen erwartet werden durfte. So wurde 
z. B. der wolerbaltene Fussboden uud Stylobat des Hofes ei- 
nes aus der besten griechischen Zeit stammenden Wohnhau- 
ses aufgedeckt, dessen Bauglieder teilweise zu einem darüber 
erbauten byzantinischen Hause verwendet waren. Beide An- 
lagen waren so vollständig von Erde überdeckt, dass vor der 
Grabung auch nicht der geringste Best einer iMauer sicbthar 
war. Nach diesen Erfahrungen darf man mit Bestimmtheit 
voraussetzen, dass die meisten Gebäude des allen Korinlh 
noch in ihren Fundamenten und unleren Teilen erhallen sind. 
Die vollständige Aufdeckung der Stadt oder wenigstens ihres 
wichtigsten Teiles kann deshalb nur eine Frage der Zeit sein. 
■Herr Tsundas hat den Sommer hindurch in Mykenae 
seine Grabungen, durch die schon so viele wertvolle Funde zu 
Tage gefördert sind, mit demselben Erfolge fortgesetzt. Ein 
weiterer Teil des Burginnern ist freigelegt worden und hat 
eine grössere Bauanlage der mykenischen Periode geliefert, 
welche jedenfalls zu dem früher aufgedeckten Königspalast 
gehört. Auch eine grosse in den Felsen gehauene Cisterne ist 
zum Vorschein gekommen. Nachdem der Dromos des zweiten 
Kuppelgrabes ganz ausgeräumt und ein drittes, nordwestlich 
vom Löwenthor gelegenes Kuppelgrab ausgegraben war, ist 
es Herrn Tsundas gelungen, eine neue Gruppe bisher unbe- 
kannter Felsgräl)er aufzuiinden. Seinem Berichte über die in 
den Gräbern gemachten Funde und über die Beobachtungen, 
welche er in Betrefl' des Verschlusses der Gräber gemacht hat, 
darf man mit Spannung entgegen sehen. Mit seiner Genehmi- 
gung haben wir eines der noch ungeöffneten Felsgräber, des- 
sen Eingang mit einer Bruchsteinmauer verschlossen war, pho- 



FUNDE 283 

tographirt, und können Abzüge der Platte Tom Institute be- 
zogen werden. 

Auch in Epidauros sind unter der persönlichen Leitung 
von Herrn Kavvadias während des Sommers Ausgrabungen 
veranstaltet worden. Das grosse Gymnasion, in dessen Hofe 
ein bedecktes römisches Theater eingebaut ist (vergi. oben 
S. 96), ist fast ganz freigelegt. Das Theater hat sich als grös- 
ser herausgestellt als bisher angenommen werden konnte; 
denn mehrere Räume, welche sich an den Zuschauerraum 
anschliessen , lassen sich jetzt als unterhalb der Sitzreihen 
angelegte Hohlräume erkennen. Das Theater nahm daher 
nicht, wie ich früher angegeben habe, nur eine Ecke des Ho- 
fes ein, sondern füllte etwa zwei Drittel desselben. Von dem 
zwischen dem Gymnasion und dem Artemis-Tempel gelegenen 
grossen Gebäude war bisher nur die Umfassungsmauer und 
die Vorhalle aufgedeckt. Augenblicklich lässt Herr Kavvadias 
das ganze Innere ausräumen. Dabei ist ein grosser als Atrium 
hergerichteter Hof mit mehreren steinernen Sitzbänken, ein 
zweischifBger Saal, mehrere Zimmer und eine kleine Badean- 
lage zu Tage gekommen. Schliesslich sind in dem nordöst- 
lichen Teile des heiligen Bezirks noch mehrere Exedren, Ba- 
sen für Statuen und Weihgeschenke und die Fundamente 
einiger Bauwerke aufgefunden worden, deren Bestimmung 
unbekannt ist. In einem der Bauwerke darf man vielleicht 
einen Tempel erkennen. 

Bei einem Besuche des Theaters von Sikyon ist es uns 
gelungen, unter der aus römischer Zeit stammenden Vorder- 
wand des Proskenion die Schwelle eines älteren hölzernen 
Prosken ion zu erkennen. Sie besteht aus Porosquadern und 
zeigt auf ihrer Oberfläche in regelmässigen Abständen grös- 
sere und kleinere Löcher, welche zur Befestigung von hölzer- 
nen Pfosten und hölzernen Pinakes gedient haben müssen. 
Die Abstände der Pfosten betragen 1,46°; nur die mittelste 
Öffnung scheint etwas grösser gewesen zu sein. Dass diese 
provisorische hölzerne Wand, den Angaben Vitruvs entspre- 
chend, etwa 10 bis 12 Fuss hoch war, ist durch zwei aus dem 



284 FUNDE 

Felsen gehauene seitliche Rampen, welche unzweifelhaft «m 
der ältesten Zeit des Theaters stammen, vollkommen gesichert. 
In späterer Zeit ist die hölzerne Wand durch eine massive 
Mauer aus opus incertum ersetzt worden. Diese neue Proske^ 
nionwand enthielt drei Thüren und war mit einer marmor- 
nen Schwelle versehen, deren Platten einem älteren Säulen«* 
bau entnommen sind. Ein römisclies Logeion hat das Thea« 
ter in Sikyon niemals gehabt (vergl. American Journal of 
archaeology 1889 S. 272 und Tafel IX). 

Schliesslich mag nicht unerwähnt bleiben, dass das grossar« 
tige Werk der Ausgrabung von Delphi unter der persön- 
lichen Leitung des Herrn Homolle, des Directors der hiesi- 
gen französischen Schule, in Angriff genommen worden ist. 
Vorläufig werden die Grabungen nur in kleinem Masstabe be- 
trieben, sollen aber im Frühjahre mit grossen Mitteln fortge^ 
setzt werden. Die Augen der archäologischen Welt werden 
daher im nächsten Jahre erwartungsvoll auf Delphi gerichtet 

sein. 

[W. D.] 






November 1892. 



URER DIE SCHIFFSBILDER AUF DEN DIPYLONVASEN 

Die von der griechischen Generalephorie der Altertümer in 
Athen jüngst angestellten Ausgrabungen in der Piräusstrasse ', 
haben die Kenntniss derjenigen Epoche, welche durch die sog. 
Dipylonvasen repräsentirt wird, in überraschender Weise ge- 
fördert. Ausser den grossen monumentalen Amphoren ^, welche 
in grosser Anzahl ganz oder nur wenig zerstört gefunden wur- 
den, kamen massenhaft Scherben von Vasen des geometrischen 
Stiles zum Vorschein. Besonders vermehrte sich durch diese die 
Anzahl der Schiffsbilder. Während wir bisher nur zehn solcher 
zählen konnten^, ist ihre Reihe mit Einschluss einiger Scher- 
ben von der Akropolis auf fast das Dreifache gestiegen. Einö 
erneute Betrachtung dieser Bilder, welche den bisherigen Auf- 
stellungen in manchen Punkten wird widersprechen müssen, 
ist daher berechtigt. 

Ich gebe im Folgenden zunächst ein Verzeichniss sämtlicher 
erhaltenen Darstellungen von Schiffen der genannten Art. 

1) Seeschlacht, abg. Monumenti IX Taf. 40, 3. Annali 
1872 S. 152, Nr. 77; ein weiteres Fragment Monuments 
grecs II S. 4 i, Fig. 1 und vollständiger: Historische und phi- 
lologische Aufsätze E. Curtius gewidmet S. 355, vgl. S. 364. 
Kroker, Jahrbuch 1886 S. 96, L, Im Louvre. 

2) Seeschlacht, abg. Monumenti IX Taf. 40, 4. Annali 
Nr. 78. Kroker M, Baumeister, Denkmäler S. 1579, Fig. 
1658. Dazu Assmann, Jahrbuch 1886 S. 315. 

3) Schiffs Vorderteil, abg. Annali 1872 Taf. /,4 S. 153, 



< AsXt^ov 1891 S. 20. Athen. Millheiiungen XVI S. 253. 

2 Athen. Miltheilungen XVI S. 253. Berliner phii. Wochenschrift 1892 
S. 415. 

3 Kroker, Jahrbuch 1886 S. 96,97 und Carlault, Monuments grecs II S. 

33-58. 

ATHEN. MITTHEILÜNGEN XVII. 20 



286 UEBER DIB SGHIFFSBILDER AUF DEN DIPYLONVASEN 

Nr. 79. Kroker N vielleicht zu M gehörig. Aufbewahrungsort 
von 2 und 3 unbekannt. 

4) Schiffskampf, abg. Arch. Zeitung 1885 Taf. 8, 1 S. 131 
(Furtwängler). Kroker 0. In Kopenhagen. 

5) Grosses Ruderschifif, vollständig erhalten, abg. Monu- 
ments grecs II Taf. 4,1 S. 45. Im Louvre. 

6) Hinterteil eines Ruderbootes, abg. Monuments grecs II 
S. 51, Fig. 3. Im Louvre. 

7) Ebenso, daselbst Taf. 4,3 S. 52. Im Louvre. 

8) Mittlerer Teil eines Ruderbootes, daselbst Taf. 4,2 S. 52. 
Baumeister, Denkmäler S. 1398 Fig. 1659. Im Louvre. 

9) Mittlerer Teil eines Ruderbootes, abg. weiter unten Fig. 5. 
Akropolismuseum. 

10) Mittlerer Teil eines Ruderbootes, abg. unten Fig. 6. 
.Akropolismuseum . 

11) Teil eines Ruderbootes, abg. unten Fig. 4. Athen, Na- 
tionalmuseum. 

12) Unterer Teileines Ruderbootes. Athen, Nationalmuseum. 

13) Unterer Teil eines Ruderbootes, Akropolismuseum*. 

14) Teil eines Ruderbootes. Athen, Nationalmuseum. 

, , 15) Mittlerer Teil eines Ruderbootes, abg. unten Fig. 9. 
Akropolismuseum. 

16) Mittlerer Teil eines Ruderbootes, abg. Fig. 10. Akropo- 
lismuseum. 

17) Teil eines Ruderbootes. Athen, Nationalmuseum. 

1 8) Grosses Segelschiff, etwas fragmentirt, abg. unten Fig. 1 . 
Athen, Nationalmuseum. 

19) Hinterteil eines Segelschiffes, abg. Fig. 2. Athen, Na- 
tionalmuseum. 

20) Hinterteileines Segelschiffes, abg. Fig. 3. Athen, Natio- 
nalmuseum. 

21) Vorderteil eines Segelschiffes, abg. Monuments grecs 
II S. 57, Fig. 4. Im Louvre. 



< Nr. 12. 13. 14. 17. 25. 26 kommen nur statistisch in Betracht. Nr. 14 
stell! ein Boot dar. in dessen unlerem Teile gerudert wird, während auf dem 
Verdeck Tute liegen, also ein Boot im Kampfe. 



UBBER DIE SGHIFFSBILDER AUF DEN DIPYLONVASEN 287 

22) Vorderteil eines grossen Schiffes, abg. ebenda S. 47, 
Fig. 2. Im Louvre. 

23) Vorderteil eines grossen Schiffes, abg. unten Fig. 7. 
Athen, Nationalmuseum. 

24) Vorderteil eines grossen Schiffes, abg. unten Fig. 8. 
Athen, Nationalmuseum. Das Mäanderband ist sehr sauber mit 
weisser Farbe aufgesetzt, eine Technik, die angesichts der 
neuen Funde nichts Überraschendes hat. 

25) Teil eines Schiffsverdeckes. Athen, Nationalmuseum. 

26) Schiffsrumpf. Athen, Nationalmuseum. 
Hinzuzufügen, weil eng mit damit zusammengehörend, ist 

das auf einer Spange eingeritzte Schiff, welches *EtpY)y.spU i?- 
j^atoXoyDCY) 1892 Taf. 11,1 abgebildet ist ; vgl. auch Annali 
1880 Taf. G. Zeitschrift für Ethnologie 1889 S. 223. 

Für die Kenntniss des Segels war bisher das einzig in Be- 
tracht kommende Stück die Scherbe Nr. 2. Denn das kleine 
Fragment bei Cartault (Nr. 21) bot nichts Neues. Auf Grund 
der ersten Scherbe nun stellt sich Assmann, welcher allein 
genauer mit der Takelung sich beschäftigt*, die Segeleinrich- 
tung folgendermassen vor: an der Spitze des Mastes sitze das 
kelchförmige xapyY)«Tiov, dicht darunter die Raa, an welcher 
das Segel angebracht sei. Der untere Rand des Segels werde 
gleichfalls von einer Raa gebildet; das folge daraus, dass der 
rechte Strick (Schoot) nicht an der Segelecke angebracht sei, 
sondern ein gutes Stück einwärts von derselben. Wäre diese 
untere Raa nicht da, so müsste der rechte Zipfel des Segels 
herunterhängen. Ausserdem rage diese Raa über den rechten 
Segelrand deutlich hinaus und endlich sei in der Zeichnung 
der untere Segelrand gradlinig, nicht wie sonst üblich nach 
oben gebogen. Da diese Einrichtung ausschliesslich ägyptisch 
sei, so sei damit ein neuer Beweis für die Abhängigkeit der 
Dipylonvasen von ägyptischen Vorbildern erbracht 2. 

Aber an ein directes Vorbild ist gar nicht zu denken ; denn 



^ Jahrbuch 1886 S. 315. Baumeister, Denkmäler S. 1597. 
a Vgl. Jahrbuch 1886 S. 117-119. 1892 S. 44. 



IIEBEH DIE HCHIFFSBILDER *UF DEN DTPYLONVASEN 

es ist uDmöglich, dass der Maler bei der DarstelluDg des Schif- 
fes nur eine Einzelheit von seinem Vorbilde übernahm, wäh- 
rend er die Hauptsache, das eigentliche Schiff, nicht beachte- 
te, sondera dafür die in seiner Heimal gebräuchliche Form 
wählte. War anderseits diese Segeleinrichtung vorübergehend 
aiich in Hellas eingeführt', so tüllt damit der Beweis für die 
Abhängigkeit der Dipylonschiffe von ägyptischen Vorbildern 
hin. Aber die Segeleinrichtung ist gar nicht die ägyptische 
mit der doppelten Haa. Ein viereckiges Segel wird ein Maler 
der Dipylonzeit stets als Hechleck wiedergeben; vom Winde 
geblähte und deswegen unten durch eine gebogene Linie be- 
grenzte Segel zu malen versteht man damals noch nicht. Die 
von Assmann angenommene untere Raa ragt wol über den 
Segelrand rechts hinaus; das ist aber entweder Nachlässigkeit 
in der Zeichnung, wie ja auch weiter oben einer der Parallel- 
striche zu weit nach rechts durchgeführt ist, oder, was das 
Wahrscheinlichere ist, die Scherbe ist unvollständig, zeigt also 
überhaupt das rechte Ende des Segels nicht mehr^. Es bleibt 
Bomit nur der Strick einwärts vom rechten Segelrand. Wir 
vergleichen jetzt die drei neu hinzugekommenen Stücke Nr. 1 8- 
20 (S. 289, Fig.1-3). 

Das Mittelstück eines Segelschiffes nebst dessen vorderem 
Teil zeigt die erste dieser Scherben. Das nap^^riaiov hat nicht 
die ausgesprochene Kelchform, wie dasjenige des bereits be- 
kannten Segelschiffes, aber es scheint, als habe doch der Ma- 
ler diese Form angestrebt. Die beiden anderen Scherben ent- 
halten nun zwei rechte Segelecken, und sie lassen die Frage 
nach der Befestigung des Segels mit voller Sicherheit ent- 
scheiden. Ganz deutlich ist die rechte School an der äussersten 
Ecke des Segels befestigt, der Strick einwärts vom Segelrande 
fehlt iiier; die Stücke sind weit genug erhallen, und wäre je- 
ner Strick vorhanden, müssle er auf den beiden Darstellungen 
sichtbar sein. Wir erkennen weiter, dass die einzelnen Felder 

' Baumeister, Denkmäler 8. 1597 unlen. 

* Leider ist in diesem Falle eine genaue NacliprüfuDg der Scherbe un- 
möglich, da ihr AufbewahrmiKsort unheknnnl i>l. 



DBBER DIB SCHIFFSBILDER AUF DEN DIPTLONVASBN 




290 UEBER DIE SGHIFFSBILDER AUF DEN DIPYLONVASEN 

der kreuzweis übernähten Segel * nicht alle regelmässig qua- 
dratisch gebildet sind, sondern eben an der Ecke unregelmäs- 
sig länglich werden, was besonders bei Fig. 3 deutlich zu er- 
kennen ist. Der Schluss, der sich aus der Beobachtung die- 
ser Eigentümlichkeiten ergiebt, ist sehr einfach. Der Maler 
drückte auf diese Weise aus, wie sich die einzelnen Felder un- 
ter d§m Zuge des straff gespannten und an der eigentlichen 
Ecke des Segels befestigten Taues verschoben. Damit ist aber 
erwiesen, dass es keine untere zweite Raa war, an welcher die 
Befestigungstaue angeknüpft wurden sondern das Segeltuch 
selbst. Daher wird jener Strick einwärts vom Segelrande, von 
welchem Assmann ausging, nur ein Hilfstau sein, welches 
man zuweilen der gewöhnlichen Ausrüstung hinzufügte, und 
so bestätigt sich die bereits ausgesprochene Vermutung, dass 
das Segel auf dem zuerst besprochenen Schiff überhaupt nicht 
vollständig erhalten ist. Merkwürdig bleibt, dass auch die 
obere Raa, an der nicht zu zweifeln ist, in den Darstellun- 
gen nirgends hervorgehoben ist. Eine angemessene Verstär- 
kung des dbersten Striches würde genügt haben, um ihr Vor- 
handensein auszudrücken. 

Über die Frage nach dem Verdeck der Dipylonschiffe ge- 
hen die Ansichten der Renner der antikep Nautik sehr erheb- 
lich auseinander. Graser in seinem Anhange zu Ilirschfeld's 
Ausführungen 2. nahm auf Grund der wenigen ihm vorliegen- 
den Beispiele an, dass unter dem breiten Streifen, welcher auf 
Nr. 2 beinahe in ganzer Länge sichtbar wird, eine Wand mit 
darüber angebrachtem Pallisadengeländer zu verstehen sei, 
w^elches die Ruderer von der Seite schütze; dahinter sei viel- 
leicht ein oberes Verdeck zu denken, das Wahrscheinlichste 
sei jedoch, dass das Schiff ein verdeckloses sei. Nachdem durch 
Cartault's Publikation erwiesen worden war, dass in manchen 
Fällen wirklich zwei Reihen Ruderer über einander sassen, 
konnte an einer Art von oberem Stockwerk nicht mehr gezwei- 



< Atinali 1872 S. IHl (Graser). 
2 Annali 1872 S. 178-181. 



UEBER DIE SCHIFFSBILDBR AUF DEN DIP7L0NVASEN 291 

feit werden. Wie dasselbe aber konstruirt war, darüber bleibt 
auch Cartault die genaue Antwort schuldig. Er denkt es sich 
als eine Längsbrücke, lässt es aber unentschieden ^ ob dieselbe 
das Boot in seiner ganzen Breite deckte, oder ob sie nur eine 
Verbindung zwischen Vorder- und Hinterteil des Schiffes bil- 
dete, breit genug, um Ruderer arbeiten zu lassen Am einge- 
hendsten sprach sich Assmann ^ über die Verdeckseinrichtung 
aus und kam zu folgendem Resultat: Der über das Mittelschiff 
hinweg verlaufende Balkenzug, auf welchem Tote liegen, 
Rojer sitzen, Kämpfer schreiten, kann kein eigentliches Verdeck 
von Schiffsbreite sein, da es, so hoch und frei gelegen, wenig 
Nutzen, wol aber Nachteil für die Stabilität bringen würde. 
Der legbare Mast duldet hinter sich kein geschlossenes Deck; 
mehrfach werden Steuerleute und Matrosen mit halber Kör- 
perhöhe hinter bez. zwischen diesem Gebälk sichtbar und 
endlich bezeugt Thukydides 1, 14 das Fehlen des durchgehen- 
den Verdecks noch bei den Trieren der Schlacht von Sala- 
mis. Es handelt sich vielmehr um zwei parallele, schmale 
Längsbrücken rechts und links vom Mast, um eine Art ge- 
spaltenen Sturmdecks ( SideSadi; ) . 

Wir wollen von den schriftlichen Überlieferungen für diese 
Zeiten einstweilen absehen und prüfen, was wir aus den Dar- 
stellungen selbst für die Bauart der Schiffe schliessen können. 
Deutlich haben wir zu scheiden zwischen solchen Schiffen, 
welche einen Oberbau zeigen, und solchen, bei welchen dies 
nichtderFall ist. Zu letzteren gehörenNr.l undH(S.292,Fig.4). 
In Nr.t sind zwei Männer, mit Schwert bewaffnet, beschäftigt, 
den Mast aufzurichten, oder wie Graser meint, die Segel zu 
streichen; das Schiff liegt voller Toten. Nr. 11 giebt zwei Ru- 
derer im gewöhnlichen Dienst. Die Deutungdes zweiten Schiffes 
von Nr. 1 ist schwieriger; Assmann erkennt darin eine Art 
Flottenparade, das a^jTr&^sdOxt x^ttäi^, eine Erklärung, welche 



< Monuments grecs II S. 48. 

3 Baumeister^s Denkmäler S. 1596. Jahrbuch 1886 S. 316. 



392 UBBER DIE SCHIKFSBILDER AUF DEN DIPVLONVASEN 

bei dem Mangel an weiter führenden Analogien bisher aU die 
einzig mögliche hezeichneL werden muss'. 

Für die grosse Reihe der anderen Schiffe, deren spezielle 
Einteilung und Beschreibung weiter unten folgen wird, haben 
wir uns eine Frage vorzulegen. Ist ein Balkenzug \on der 
Stärke, wie er auf den Darstellungen gegeben wird, überhaupt 
niöglich ? Vergleichen wir beispielsweise die Dicke des Haupt- 




Fig. 4. 

mastes in Nr. 2 und Nr. 18, die doch für Schiffe von solcher 
Ausdehnung eine beträchtliche gewesen sein muss, so erhalten 
wir für diese Querbalkenlage eine Grösse und Schwere, wel- 
che jede Bewegungstähigkeit ausschliesst. Wie Yielmehr diese 
Einrichtung zu verstehen und zu erklären ist, lehrt eine allge- 
meine Betrachtung gewisser malerischer Gewohnheiten, wel- 
che zum Grundcharakter der Dipylonvasen gehören. 

Auf der grossen Beslattungsvase Monumenü iX Taf. 39 
ist die Bahre in eigentümlicher Weise dargestellt. Sie ruht 
mit ihren vier Füssen, welche in gewisser Perspective wie- 
derzugeben der Maler sich bereits bemüht hat, auf einem 
schachbrettartig gemusterten Brett, welches auf den Wagen 
als Unterlage gelegt ist. Dies Brett wird in seiner ganzen Grösse 
und Ausdehnung gezeichnet, als wenn es nach dem Beschauer 
zu aufgeklappt wäre; hier fehlt die Fähigkeit, die Perspective 

' Anders Carlault S. 45. 



UEBER DIE SGHIFFSBILDEH AUF DEN DIPYLONVASEN 293 

innezuhalten, gänzlich. Etwas besser, aber nicht viel, steht es 
mit dem rautenförmig gemusterten Lager darüber. Auch die- 
ses ist auf die untere Kante gestellt und der Tote, welcher 
darauf liegen sollte, scheint auf der oberen Kante zu liegen. 
Den Baldachin hat man sich demgemäss nicht herunterhän- 
gend, sondern horizontal, von vier Stützen getragen zu den- 
ken. So wie mit dieser Bahre verhält es sich auch mit der un- 
ten auf derselben Tafel abgebildeten. Und dasselbe Prinzip 
erkennen wir wieder bei den Wagen. Das rautenförmig ge- 
musterte Rechteck ist nach vorne aufgeklappt ; es macht den 
Eindruck eines Wagenkorbes, ist aber thatsächlich nichts an- 
deres, als das Trittbrett, auf welchem der Lenker steht. Richtig 
hat das bereits Heibig, Hom. Epos '^ S. 139 hervorgehoben 
und besonders belehrend ist ebenda die Gegenüberstellung 
von Fig. 32 und 33, indem bei letzterer der Wagen bereits 
richtig ins Profil gestellt worden ist, wogegen Fig. 32 noch 
im alten Schematismus beharrt. Dieses Darstellungsprinzip, 
welches sich auf Schritt und Tritt in der Dipylon maierei ver- 
folgen lässt, braucht nicht an weiteren Beispielen erläutert zu 
werden. Die Maler der Dipylonvasen sind noch nicht im 
Stande, grosse Flächen perspectivisch oder von der Seite wie- 
derzugeben. Was sie sehen, muss auch so gemalt werden, dass 
der Beschauer den betreffenden Gegenstand ganz nnd in voller 
Ausdehnung zu sehen bekommt ; ob das auf Kosten der Wahr- 
scheinlichkeit geschieht, empfinden ihre Augen noch nicht. 
Derjenige Maler, welcher das Verdeck eines Schiffes darstellen 
wollte, auf welchem alles Mögliche geschieht, Kämpfer lau- 
fen, Tote liegen u. s. w. musste es nach seiner Gewohnheit 
nach vorne aufgeklappt geben, so dass die auf dem Verdeck 
sich Bewegenden eigentlich auf der schmalen Kante desselben 
schweben. Es ist daher nicht der geringste Zweifel vorhan- 
den, dass der mächtige * Balkenzug' ein einziges Verdeck von 
Schiffsbreite darstellt, für welches eine einfache Linie, die es 
von der Seite zeigte, nicht ausreichende Deutlichkeit bot. 

Diese Erwägung genügt vollkommen, um Assmann *s^Theo- 
rie über die beiden Längsbrücken zurückzuweisen. Ein Va- 



^4 ÜBBER DIB SCHIFFSBILDER AC7 DEN DIPTLONYaSEIC 

senmaler, welcher sein Schiff kannte und wusste, dass rechts 
und links vom Mast eine solche Brücke lief, würde sicherlich 
zwei solche angedeutet haben, wo wir jetzt nur eine einzige 
sehen. Die beiden schmalen Längsbrücken sind aber auch 
deswegen undenkbar, weil die Schiffskämpfe sich besonders 
auf ihnen abspielen. Man könnte sich keinen ungeeigneteren 
Platz zum Kämpfen aussuchen, als gerade diese Brücken, wo 
man stets Gefahr läuft, in den unteren Schiffsraum hinabzu- 
fallen; da. wo die Kämpfer stritten, war sicherlich Platz genug 
vorhanden. Und nun sehen wir weiter, dass Tote in grosser 
Zahl nebeneinander auf den 'Brücken' liegen; denn was die 
Maler übereinander darstellen, ist als nebeneinander befind- 
lich zu denken. Alles das wird verständlich bei der Annahme 
eines einzigen Verdeckes. Der Grund, dass der legbare Mast 
kein geschlossenes Verdeck hinter sich dulde, ist nicht stich- 
haltig. Denn wir wissen gar nicht, ob der Mast legbar war. 
Das einzige Beispiel, welches dafür sprechen könnte. Nr. 1, 
ist zu fragmentirt, um sichere Schlüsse zu ziehen. Die ge- 
waltige Grösse des Mastes spricht dafür, dass er, einmal ein- 
gesetzt, nicht wieder aus seiner Lage gerückt wurde. 

Unter diesen Gesichtspunl^ten, welche den Vasendarstellun- 
gen selbst entnommen sind, und daher vor der Betrachtung 
der Schiffe vom modernen nautischen Standpunkt aus den 
Vorzug haben müssen, werden wir jetzt die Reihe der Ver- 
deckschiffe betrachten. Unter ihnen heben sich leicht zwei 
Klassen heraus. Die eine kleinere wird gebildet durch Nr. 6. 
7. 8. 14. Es sind Ruderboote. Einen Mast scheinen sie nicht 
gehabt zu haben. Zweimal sind im Schiffsraum sowie auf 
dem Verdeck Ruderer — also sind dies Dieren — zweimal ist 
das Verdeck ganz mit Toten bedeckt. Dieses Verdeck nun setzt 
gegen das Hinterteil des Schiffes, also auch wol gegen das 
Vorderteil, nicht besonders ab, sondern es verläuft die ganze 
obere Fläche des Schiffes anscheinend in einer einzigen gera- 
den Linie. Zur Stütze des Verdeckes sind im Innenraume kei- 
nerlei, wenigstens keine sichtbaren, Vorrichtungen angebracht, 
wie wir es sogleich bei der zweiten Klasse finden werden ; 



UEBER DIE 8CHIFFSBIL0ER AUF DEN DIPYLONVASEN 295 

also haben wir anzunehmen, dass das Verdeck mit seinem 
vorderen und hinteren Ende auf dem Vorder- und Hinterka- 
steli des Schiffes aufliegt und hauptsächlich so getragen wurde. 
Auch dieser Umstand scheint für ein einziges Verdeck fest 
ineinander gefügter Planken zu sprechen. Zwei schmale Brü- 
cken von solcher Länge ohne mittlere Unterstützung kann 
man sich schwerlich als haltbar vorstellen. 

Verwickelter ist die Deckkonstruction der zweiten Klasse, 
welcher mit einigen wenigen Ausnahmen die übrigen Darstel- 
lungen angehören. Fast sämtliche sind Segler, und Fragmente 
wie Nr. 22 und 24 werden sicherlich als solche zu ergänzen 
sein. Das Ruderboot ist nur in zwei sicheren Beispielen, näm- 
lich Nr. 5 und Nr. 17 vertreten. Das Verdeck ist bei dieser 
Klasse ganz anders angebracht. Es ist nicht eine einfache 
Fortsetzung des Vorder und Ilinterkastelles, wie auf den an- 
dern Booten, sondern liegt sehr viel tiefer, was besonders 
deutlich wird, wenn man es sich an seiner richtigen Stelle, 
nicht auf die Kante gestellt denkt. Da es also vora und hin- 
ten kein Auflager hat, muss es anderweitig getragen werden 
und diesem Zwecke dienen die zahlreichen senkrechten Stüt- 
zen. Sie ragen ein geringes über das Verdeck heraus und bil- 
den so zu gleicher Zeit ein Bordgeländer, indem sie unterein- 
ander durch horizontale Leisten verbunden werden. Auch im 
inneren Schiffsraum ist diese horizontale Verbindung herge- 
stellt, so dass die Festigkeit des ganzen Apparates nichts zu 
wünschen übrig liess. Wie das Verdeck von diesen Stützen 
gehalten wurde und ob unter dem Verdeck in der Längsrich- 
tung noch starke Balken verliefen, die im Vorder- und Hinter- 
teil auflagen, verraten uns die Bilder freilich nicht; ihre Be- 
stimmung bleibt trotzdem zweifellos. 

Zwischen den Hauptstützen erscheinen auf einigen Darstel- 
lungen im unteren Schiffsräume kleinere, welche in den mei- 
sten Fällen (Nr. 17. 22. 25) mit deutlichen Widerhaken ver- 
sehen sind; über ihre Bestimmung kann kein Zweifel sein. 
Sie dienten als Unterstützung für das Ruder; dieses war 
an geeigneter Stelle mit einem Ring oder Strick versehen, 



296 UEBBR DIE SCHIFFSBILDER AUF DEN DIPYLONVASEN 

welcher über die Stütze geschoben wurde. Um ein Auswei- 
chen desselben nach oben unmöglich zu machen, war der Wi- 
derhaken da. Wie das Ruder der oben auf dem Verdeck sitz- 
enden Ruderer gehalten wurde, ist nicht aus den Darstel- 
lungen ersichtlich. Nach Nr. 5 scheint es, als ob die Ruder 
unterhalb der Querleisten hindurchgeführt wären. Aber das 
giebt dem Ruder natürlich nicht den genügenden Halt, wie 
Hirschfeld und Graser annehmend Wir können diese Ein- 
zelheit nicht mehr feststellen. 

Von dem tief liegendem Verdeck dieser Schiffe hebt sich 
vorn und hinten das eigentliche Kastell deutlich ab; über die 
Einrichtung derselben lassen sich auf Grund der Bilder ge- 
nauere Angaben nicht machen. Vorn scheint das Kastell in 
der Regel höher gewesen zu sein als hinten. In den meisten 
Fällen sind hier zwei Abschnitte erkennbar, welche wie Stu- 
fen aussehen, aber natürlich sehr viel höher sind; am Hin- 
terteil begnügt man sich mit einer solchen Stufe. Auf Nr. 19 
und 20 ist hier eine Vorrichtung von senkrechten und wage- 
rechten Stützen, deren Zweck undeutlich ist ; das obere rechte 
Tau scheint auf Nr. 20 daran befestigt. Da aber auf dem Ru- 
derboot Nr. 5 dieselbe Einrichtung vorn ist^, scheint sie nicht 
für das Segel bestimmt gewesen zu sein ; vorn befindet sich 
dieselbe auch auf Nr. 23. Dies Schiff ist offenbar das eigent- 
liche Segelschiff jener Zeiten ; es macht einen mächtigeren und 
tüchtigeren Eindruck als die weniger wehrhaften aber viel- 
leicht beweglicheren Ruderschiffe. Es war zwar, wie wir sa- 
hen, in seinem unteren Räume auch zum Rudern eingerichtet, 
aber thatsächlich finden wir mit Ausnahme zweier weiter un- 
ten zu besprechenden Scherben von der Burg, welche auch 
sonst aus der Reihe der Darstellungen heraustreten, nie Rude- 
rer darinnen. Die beiden Schiffe Nr. 5 und Nr. H sind eine 
Verschmelzung der Typen des Ruder- und des Segelschiffes. 

Einen lehrreichen Vergleich bietet in diesem Zusammen- 



< Hislor. und phil. Aufsätze E. Curlius gewidmet S. 364. Annali\S12 S.178. 
2 Auch auf Nr. 3 scheint diese Vorrichtung vorhanden gewesen zu sein. 



UEBER DIE SCHIFFSBILDEH AUF DEN DIPYLONVASEN 297 

hange die Aristonotbosvase ^ Beide sich bekämpfende Schiffe 
haben ein oberes Stockwerk. Das Verdeck des Schiffes zur 
Rechten wird von den senkrechten Stützen getragen, die über 
dasselbe allerdings nicht herausragen; es ist, wie die Dipy- 
lonschiffe dieser Construction zumeist, ein Segler. In dem 
unteren Räume konnten zur Verstärkung der Geschwindig- 
keit Ruderer sitzen. Das Schiff der Gegner dagegen hat keinen 
Mast. Das Verdeck schwebt frei und liegt offenbar nur vorn 
und hinten auf dem Schiffe auf. Es repräsentirt somit den 
ersten Typus der Dipylonschiffe. Wie dort sitzen die Rude- 
rer unten und lassen während des Kampfes das obere Ver- 
deck frei. Die entwickeltere Stufe dieser Schiffe der Aristono- 
thosvase aber zeigt sich zunächst in der Andeutung der Lö- 
cher in der deutlich hervorgehobenen unteren Bordwand, 
durch welche die Ruder gesteckt werden. Besonders bemer- 
kenswert ist aber weiter der Umstand, dass das Verdeck bei- 
der Schiffe nicht mehr in seiner ganzen Breite gegeben wird, 
sondern nur die Seitenansicht der dünnen Bretterlage, aus 
welcher es besteht. Das ist der beste Beweis für die Richtig- 
keit unserer Interpretation. Wenn die Schiffe der Aristono- 
thosvase in der Grundform von den Schiffen der Dipylonva- 
sen verschieden sind, so kann das gegenüber den vielen Ge- 
meinsamkeiten nicht in Frage kommen. 

Auffällig bleibt nun in der That, dass man bei den Schif- 
fen keine eigentliche Bordwand, weder oben noch unten, her- 
stellte. Die Ruderer sitzen, wenn sie in Thätigkeit sind auf 
dem platten Verdeck oben sowol wie unten mit weit vorge- 
streckten, in den Knieen gebogenen Beinen. Ruderbänke gab 
es also damals noch nicht. Von der Seite sind sie durch kei- 
nerlei Vorrichtung geschützt. Der Mangel einer solchen schüt- 
zenden Bordwand musste bald empfunden werden und man 
hat denn auch noch innerhalb des Zeitraums der Dipylonma- 
lerei Abhilfe geschaffen. Diesen wesentlichen Fortschritt zeigen 
uns nämlich die beiden wichtigen Scherben Nr. 9 und 10 



Monumenti IX Taf. 4. Wiener Vorlegebläller 1888 Taf. I, 8. 



298 HEBER DIE SCfllFFSBlLDER AUF DEN DIPYLONVASBN 

von der Akropolis (Fig. 5. 6). Es sind zwei Mittelstücke von 
Schiffen ; Nr. 9 scheint ein SegetschifT zu sein, wenigstens ist 
der Strich zwischen dem zweiten und dritten Ruderer wol nur 
als Mast zu verstehen. Oben und unten sitzen hier Ruderer; 





Fig. 5. 



Fig. 6 



aber nur ihr Oberkörper ist sichtbar. In Nr. 10 ist die Bord- 
wand mit einem Rautenmuster verziert; Nr. 9 scheint etwas 
älter zu sein, da die Bordwand noch nicht mit der Deutlich- 
keit hervorgehoben ist, wie auf Nr. 10. Die Bordwand des 
unteren Teiles ist besonders hoch und auch in 1 etwas reicher 
gegeben als in 9. Der Boden des Schiffes muss, wenn die 
Ruderer auch in diesen Beispielen so sitzen, wie in den an- 
deren, sehr hoch liegen. Wahrscheinlicher ist es mir jedoch, 
dass zugleich mit Einführung dieser Bordwand auch die der 
Ruderbänke stattgefunden hat. Aber noch eine wichtige Neue- 
rung zeigen diese beiden Beispiele den andern Darstellungen 
gegenüber. Die unteren Ruderer sind nicht nur unten, son- 
dern auch seitlich zum Teil verdeckt. In Nr. 9 sind nur die 
das Ruder führenden Arme sichtbar'. Wodurch sie verdeckt 
werden, ist ohne Weiteres klar. Es sind die Stützen, welche 
das Verdeck tragen. Die grosse Anzahl schwächerer senk- 



! an der rechten Seile der Öirnungen regelmassig wiederkehrenden 
, welche mil dünnerem Firniss aufgeseilt sind, kann ich bisher nicht 



UEBEH DIE SGHIFFSBILOCR AUF DEN DIPTLONVASBN 299 

rechter Stützen ist hier ersetzt worden durch eine geringere 
starker Träger. Das ist vielleicht der wichtigste Schritt in der 
Entwickelung der Schiffsbaukunst. Allmählich strebte man 
danach, die unteren Rudererreihen ganz zu verdecken. Man 
schuf so einen einzigen grossen geräumigen Schiffsraum. So- 
bald man sich vorstellt, dass die Stützen, welche die Akro- 
polisscherben zeigen, noch verstärkt werden, ist der Punkt 
erreicht, den die späteren Darstellungen zeigen, auf welchen 
nur die Ruderstangen aus dem Innern des Schiffes hervorra- 
gen, während der sie führende Ruderer selbst den Augen ver- 
borgen bleibt. Es ist höchst bezeichnend, dass dieser Schritt 
in einer Zeit gethan wurde, für welche wir von der Regsam- 
keit der Athener auf nautischem Gebiet keine rechte Vorstel- 
lung haben. Die kolossalen Amphoren, welche in der Darstel- 
lung der prächtigen Leichenbegängnisse Zeugniss ablegen soll- 
ten von der Macht und dem Reichtum des Verstorbenen, 
lassen sich gut mit jener Erscheinung zusammenstellen. 

Dass die Kiellinie eine gleichmässig gekrümmte Form hat, 
d. h. dass der untere Teil der Schiffe im Wasser befindlich 
und deswegen nicht sichtbar ist, nimmt Cartault wenigstens 
für das Schiff mit der 'Flottenparade' an ^ In demselben 
Sinne urteilt Assmann 2, wenn er sagt, dass, *das massige, 
von ansehnlichem Vorderkastell überragte Vorschiff innerhalb 
oder unter der Wasserlinie in einen stumpfen Sporn über- 
geht'. Nach dem, was wir über die Darstellungsmanier der 
Dipylonmalerei aus den Vasen selbst lernen, müssen wir an- 
ders urteilen, nämlich dass die untere Linie des Schiffes die 
Kiellinie selbst, nicht die Wasserlinie ist; der Maler stellte 
das Schiff so dar, wie es aussah, wenn es ans Land gezogen 
war. Eine Andeutung des Wassers kennt man noch nicht. 
Alles was im Wasser vorgeht, ist so deutlich, als wenn das 
Wasser nicht vorhanden wäre. Wir sehen, dass die Ruder- 
schaufeln, welche sich doch im Wasser befinden müssen. 



< A. a. 0. S. 44. 

3 Baumeisler's Denkmäler S. 1596. 



300 UBBER DIE SCHIFFSBILDBR AUF DEN DIPYL0NVA3EN 

durchgängig angegeben sind; wir sehen die im Wasser sich 
tummelnden Fische; die Toten, weiche vom Schiffe herab- 
gestürzt sind, ja in zwei Fällen Nr. 6 und Nr. 12 einen von 
einer Lanze durchbohrten, der als auf dem Grunde des Mee- 
res liegend oder im Wasser treibend gedacht ist. Auch auf der 
Aristonothosvase fehlt noch die Wiedergabe des Wassers. Da- 
her ist die untere Linie, welche die Schiffe abschliesst, die 
Kiellinie selbst. Es scheint, dass sie bei den Ruderscbiffen 
etwas mehr gekrümmt ist, als bei den Seglern. Der Ramm- 
sporn stellt sich dann dar als ein nach vorn ganz spitz verlau- 
fender Stachel. Ob derselbe ein Teil des Hauptschiffskörpers 
ist, oder selbständig angefertigt und dann an das Schiff an- 
gesetzt wurde, ist nicht zu entscheiden. 

Ohne Analogie waren bisher die drei Pfähle an der Vorder- 
seite des Schiffes auf der kopenhagener Vase Nr. 4. für wel- 
che auch Furtwängler keine Deutung halte'. Wir begegnen 
derselben Einrichtung jetzt auf drei der neu hinzugekomme- 
nen Darstellungen. Zweimal flnden wir die Plähle am Vor- 
derteile des Schiffes, nämlich auf Nr. 23 (Fig. 7) und 18, wo 




Fig. T. 

sogar vier angegeben sind, einmal am Hinterteile Nr. 19. Die 
Form dieser Plähle giebt ihre Deutung nicht ohne Weiteres 
an die Hand, aber da ihr Platz auf dem Schiffe nicht stets 

• Arch. Zeitung läSS 3. 133. Ich glautie, wir haben den vorderen Teil des 
Schiires vor uns. Die auf dem Verileck silzenüe, von Furtwängler als Steu- 
ermann erklürle Fi^ur macht ileullich die Bewegung des ßuHerns. 



UEBER DIE SCHIFFSBILDGR AUF DEN DIPTLONVaSEN 3öt 

derselbe ist, sondern wechselt, dürfen wir schliessen, dass sie 
nicht zura eigentlichen Schiffe gehören, sondern nur zu des- 
sen Ausrüstung. Ihre Bestimmung und Bedeutung ergeben 
aber mit Sicherheit folgende zwei Stellen aus der llias 

XV 384 fg. ci; Tpdis; [Li^xkri laj^y) xari tcij^o^ eßaivov 

und von Aias heisst es 676 

vü)jjLa Se C'-'<>'J'0^ (xeya vaOuLayov iv 77a^a|/.y;<jtv 
xo^^Y)TOv ß^y)Tpoi(ii, SucöxaisixodtTurj^u. 

Wir haben demnach in den Pfählen grosse erzbeschlagene 
Speere zu erkennen, welche zuweilen gebraucht wurden, um 
vom Schiffe herab gegen den Feind zu kämpfen, haupt- 
sächlich aber wol, um das Schiff vom Lande abzustossen. Die- 
selbe Einrichtung finden wir nun auch auf der Aristonothos- 
vase. Auf dem Schiffe zur Linken sehen wir nämlich links 
von dem Steuermann, der seinen Rundschild neben sich lie- 
gen hat, wieder die drei Plähle, diesmal aber oben deutlich 
lanzenartig zugespitzt, wie eine von R. Heberdey hergestellte 
Zeichnung besser zeigt, als die bisherigen Abbildungen. 
Der Steuermann lenkt sein Ruder mit der Linken, mit der 
Rechten greift er nach einem dieser grossen Speere, offenbar, 
um sich am allgemeinen Kampf zu beteiligen. Später scheint 
diese Einrichtung abgekommen zu sein. Nur einmal findet sie 
sich noch auf dem Rande eines schwarzfigurigen Tellers von 
der Akropolis. 

Die Formen des a^p^aiTov sowie des ixpodToXtov erfahren 
durch die neuen Funde keine wesentliche Bereicherung. Neu 
dagegen ist eine Einrichtung am Vorderteil des Schiffes, die 
sich allerdings in gewisser Beziehung schon an den bekannten 
Darstellungen wahrnehmen Hess. Sie findet sich auf Nr. 18, 
23, 24 (Fig. 8), 27. Parallel zur Kiellinie ragen aus dem 

ATHEN. MITTHEILUNGEN XVII. 21 



30Z UE&EK DIE BCUIFPSBILDBH AUF DEN DIPYLONVaSBN 

Vorderteil des Schiffes vier bis fünf Stäbe von geringer Län- 
ge heraus. Ein solcher findet sich bereits auf Nr. 1 und so zu 
erklären hat man wol auch den spornartigen Gegenstand von 
der kopenhagener Vase Nr. 4. An der Hinteraeite findet sich 
ein solcher Stab nur einmal auf Nr. 19. Das häufige Vorkom- 
men beweist, dass diese Einrichtung eine durchgängige war. 
Auf den Darstellungen, wo sie sich nicht findet, ist das Feh- 
len der Flüchtigkeit der Maler in der Angabe der Cinzelbei- 




Fig. 8. 

ten zuzuschreiben. Nr. 34 legt den Gedanken nahe, als steige 
der Bewaffnete auf den Stäben, wie auf einer Stiege vom Schiff 
herunter. Die einzige Analogie, die wir anführen können, 
bietet auch hier wieder die Aristonothosvase. Auf dem Kör- 
per des Mastschiffes erkennen wir mehrere um das Schiff 
laufende Bänder. Sie ragen über das Schiff vorn heraus und 
sind wo! als durchgehende Balken zu erklären, welche das 
Zusammenhalten des Plankcngefüges bewirken. Eine bessere 
Erklärung kann ich auch für unsere Schiffe nicht geben. Dass 
sie die richtige ist, scheint mir nicht unanfechtbar. 

Unerklärlich weil unvollständig erhalten sind die zwei Di- 
py Ion Scherben von der Burg Nr. 15 und 16 (Fig. 9. 10); da 
die Darstellungen verschiedene Grösse haben, gehören sie wol 
nicht derselben Vase, sicher nicht einem Streifen einer Vase 
an. Dass sie in den Kreis der Schiffsbilder gehören, geht mit 
Sicherheit aus dem Ruder hervor, das die Männer in der 
Hand führen. Diese tragen den ausgeschnittenen Schild, sind 
also bewaffnet, eine Eigentümlichkeit, die wir sonst nicht 



UEBER DIE SCHIFFSBILDEK AUF DEN DIPYLONVASEN 303 

wiederfinden. Ein Jeder befindet sich in einer länglichen Um- 
rahmung, vielleicht der Schiffsöffnung im unteren Teile des 
Schiffskörpers, es wäre dies dann eine weitere Entwickelung 
der Neuerung, welche wir vorher an den beiden anderen 
Akropolisscherben (oben S. 298) konstatirt haben. Zur Deu- 
tung des dargestellten Vorgangs kann man vielleicht das Bild 
mit der * Flottenparade * heranziehen, obwol auch hier man- 
che Bedenken vorliegen. 

Wir haben noch dem Einwand zu begegnen, dass *da mehr- 
fach Steuerleute und Matrosen hinter bez. zwischen dem Ge- 
bälk sichtbar werden ' ein richtiges Verdeck nicht angenom- 
men werden könne, sondern ein geteiltes zu konstatiren sei. 
Diese Beispiele, weiche sich bisher auf vier beliefen, können 
wir jetzt um zwei vermehren. Von diesen fallen zwei, näm- 





Fig. 9- Fig. 10. 

lieh Nr. G und 7 ohne Weiteres weg; denn es ist ja klar, 
dass der Maler durch den geringen Raum, welcher ihm we- 
gen des gekrümmten Schiffshinterteiles zu Gebote stand, ge- 
zwungen nur einen Teil des Steuermannes wiedergab, um es 
nicht an Deutlichkeit fehlen zu lassen ; hätte er ihn ganz ge- 
geben, so wäre er so klein ausgefallen, dass man ihn nie er- 
kannt hätte, und über das icp^a^Tov herüber konnte er iha 
doch nicht ragen lassen. Ahnlich wird es sich auch mit dem 
Steuermann von Nr. 19 und 20 verhalten, von welchem nicht 
recht abzusehen ist, wo er seine Beine hat; ich glaube nicht, 
dass man aus diesem Beispiel Schlüsse auf die Bauart des 
Schiffes zu ziehen berechtigt ist. Der Maler musste einen gros- 
sen Menschen malen, welcher im Stande war das mächtige 





DIE KCUIFFSBILDEB AtF Dt^ DIPTLOWASE!« 

Segel an dea twiden Tauen zu regiren. Dabei wurde die 
obere Partie zu gross ; hätte er den Mann ganz dargpsiellt. 
Würde er zu klein geworden sein, um mit den ^rraen sein 
Manöver zu verrichten. Aus dieser Schwierigkeil half er sich 
Iienius. indem er den unteren Teil als irgendwie verdeckt 
darBtellte, Wenn endlich bei den andern Beispielen Nr. 2'ä 
und 25 der Etogenschütze keine Füsse hat, und ebenso die 
Lanzen kämpfer. so sind das Fluchtigkeiten in der Zeichnung. 
Aber angenommen es wäre das nicht, so müssten wir schlies- 
Ben, daas zwischen den beiden Liingsbrücken. al>er linmiltelbar 
darunter eine Vorrichtung vorhanden gewesen wäi-e. auf wel- 
cher sich die Kiimpfer bewegen konnten, also noch eine Arl 
Brücke, ein Scliluss, der wenig Wahrscheinlichkeit hat. 

Da die ScIiitTähilder von Kroker ' zum Ausgangspunkt für 
die Uatirung der Dip^lonvasen gemacht worden sind, muss 
in Kürze noch auf diese Frage eingegangen werden. Kroker's 
SchluBs ist folgender: die wirklichen KriegschifTe, die itiivx 
fiKitfi sehen wir zum ersten Male auf den Dipylonvasen. Wir 
wissen nun aus Thiikjdidea, dasa die Korinther kurz vor 704 
die ersten RriegschitVe. nämlich Pentekontoren. gebaut ha- 
ben. Damit haben wir einen terminus post quem. Ein ge- 
naueres Datum ergiebl sich durch das Jahr 664 v. Chr. in 
welchem die grosse Seeschlacht zwischen Korkyra und Ko- 
rinth stattfand, welche mit Pentekontoren ausgefochten wurde. 
Unter dem Bindruck dieses Ereignisses stehen die Maler der 
Dipjlonvasen. 

Aber aus Thukydides folgt nicht, dass kurz vor 704 die er- 
sten Pentekontoren von den Korinthern gebaut sind. IlpüToi 
Si KopivÖioi Jtyovtai {•^•(dtxti toü vüv TpÖTou pKTx^tipiaai ta. itspi 
tä; vaC;, xcti Tfivjptii icpwTOv i'v KopivÖti) ty]? 'EMAS'j« vauTtv^yTiöf, - 
v«f (paivETai §£ zai SajAiO'.? 'A[/.Eivoxlii; KoptvOio; vav-Yiyo; vaC; 
nOiYisa; Ttaaapai, ettj 8' istl (aüiutix Tpiaitöcvct i^ triv tjäiuttiv 
TOöSi TOÜ xoXe'fto'j, ÖTs 'AitEivoiciTi; Sa[Aioi( ^X^i '- Ist unter vai>( 



t Jahrbuch 1886 S. 106-113. 
a Tbuk. I, 1J,2. 



UEBER DIE SGHIFFSBILDEH AUF DEN DIPTL0NVA8BN 305 

die Pentekontore zu verstehen, so muss der Satz xal rpiiopiK- 
vauTry^YrjOyivat, wie Classen richtig bemerkt, eine gelegentliche 
Bemerkung sein *die aus einer viel späteren Zeit auch in 
Beziehung auf die Trieren die Priorität für Korinth vindicirt '. 
Dann wird aber der Zusammenhang zerrissen : xpöTot Ss und 
xpöTov nehmen einander auf. Erst wird die Übermacht der 
Korinther auf nautischem Gebiet hervorgehoben und dann, 
wodurch diese bedingt war. Wir müssen das Ganze so inter- 
pretiren : 'als erste haben die Korinther, wie es heisst, der 
jetzigen Gewohnheit am nächsten dasSchiffswesen gehandhabt' 
und diese Gewohnheit war doch die, dass man mit Trieren 
kämpfte. ' Und Trieren wurden zuerst in Griechenland von 
den Korinthern gebaut'. Dass das so ist, wissen wir auch 
daraus — denn xal gehört nicht zu Sajxioi; — dass der Korin- 
ther Ameinokles kommen musste, um für die Samier vier 
Kriegschiffe zu bauen. Richtig bemerkt Assmann ^ dass der 
Bau der Pentekontoren nicht eine so wichtige Neuerung der 
Schiffsbaukunst gewesen sei, dass sich ihretwegen die seetüch- 
tigen Samier an die Korinther hätten wenden müssen. 

Diese Annahme, dass Ameinokles bereits Trieren baute, 
kann durch den Umstand nicht widerlegt werden, dass in der- 
selben Zeit die Phöniker noch mit dem plumpen mit Stachel 
versehenen Transportschiffe, wie es die Reliefs von Kujun- 
dschik zeigen, ausgerüstet sind. Nehmen wir die kfoker'sche 
Ansicht als richtig an und setzen die Pentekontoren um 704 
an, so wären auch dann die Griechen den Phönikern voraus, 
welche nm 700 noch Transportschiffe mit Stachel haben. 
Zwang wirklich jede Neuerung von Wichtigkeit auf nauti- 
schem Gebiet das eine Volk, dem anderen binnen kurzer Zeit 
nachzufolgen, so ist die Thatsache nicht zu verstehen, die 
Thukydides berichtet, dass im sechsten Jahrhundert noch die 
seemächtigen Ägineten sich der Pentekontoren bedienten, ja 
dass die Korkyräer und die sicilischen Tyranrfen Trieren in 
grösserer Anzahl erst am Ende des sechsten und Anfang des 



< Jahrbuch 1886 S. 316. 



306 UEBER DIE SCHIFFSBILDER AUF DEN DIPVL0NVA8EN 

fünftea Jahrhunderts bauten. Aber den besten Beweis, dass 
die kroker'schen Ausführunfjen das Richtige verfehlen, geben 
die Monumente sflbst an die Hand. Auf den Dipylonvasen 
sind gar keine Pentekontoren dapgeslellt. Ständen jene Maler 
so unter dem Einfluss jener berühmten nur mit Pentekonto- 
ren geschlagenen Seeschlacht, wogegen jetzt auch noch die 
grosse Anzahl der neu hinzugekommenen ScIitlTsbilder spriclit, 
so würden sie sich ohne Zweifel bemüht haben, auch Pente- 
kontoren darzustellen. Aber das Dip^'lonscliiff ist die Diere, 
die entwickeltere Form ; wir würden dann mit unseren Vasen 
in eine beträchtlich spätere Zeit als 664 herab kommen, woran 
nicht zu denken ist. Nach alledem werden wir an der That- 
sache Festhalten, dass Ameinokles um 704 die ersten 'frieren 
baute. 

Leider fällt damit diese Möglichkeit für eine genauere Da- 
tirung der Dipjlonvasen dahin. Denn wir sind nicht berech- 
tigt zu schtiessen : da die Trieren um 70'» in Korinth erfun- 
den wurden, liegen unsere Vasen, indem sie eine Vorstufe 
derselben zeigen, vor 704; das folgt aus der Nachricht desThu- 
kydides über die Ägineten und die siciliscben Tyrannen. Was 
in Korinlh um 704 geschah, brauchte nicht zu gleicher Zeil 
in Athen zu geschehen. 

Athen, April 1892. 

ERICH FÜRNICE. 



MODERNE UND ANTIKE ORTSNAMEN AUF RHODOS 

Ludwig Ross bemerkt zu einem Verzeichnisse rhodischer 
Ortsnamen am Schluss: 'Die Namen sind, um nicht zu \iel 
zu sagen, wenigstens zu drei Vierteilen rein Griechisch ; es sind 
darunter wenigstens vier, vielleicht fünf Namen, die von alten 
Göttern hergeleitet sind (Damatria, ApoUona, Artamiteis, 
Asklepion und Laerma); andere sind altrhodische Namen (Em- 
bonas, Atabyros, Lindos); andere wie Siana, Istrios, Lartos, 
Mallon[a], Koskinu weisen unverkennbar auf Zusammenhang 
mit alten Orten benachbarter und verwandter Länder hin ' 
(Reisen auf den griech. Inseln III, 112 f.). In der That steckt 
in den heutigen Ortsnamen der Insel ein gutes Stück echter 
antiker Überlieferung; es handelt sich hier nicht, wie in an- 
deren griechischen Landschaften, deren Bevölkerung sich we- 
niger rein erhalten hat, um gelehrte Wiedereinsetzung längsit 
verschollener klassischer Namen per fas et nefas. Diejenir 
gen, welche den alten Göttern entlehnt sind, werden meist so 
zu erklären sein, wie der heulige attische Ortsname At6vu<jo: 
der alte Demos Ikaria war vergessen, der Gott in der Erinne- 
rung geblieben. Das Kloster Artamiti hat den Namen der 
*'ApT6(xt; i 8v Ksxoia oder "A. Ksx.oia bewahrt, der alte Ort Kcr 
3coia hat sich daneben auch in der Benennung 'EpY)(jiox8)coia 
zwischen Artamiti und Agios Isidoros erhalten (Selivanöv in 
dieser Zeitschrift XVI, 107 )^ Nur von [Ajlaerma ist abzu- 
sehen ; das auf Grabinschriften um die Stadt Rhodos gefun^ 
dene Ethnikon AaSippo;, das offenbar dazu gehört, verbietet 
an Hermes zu denken (vgl. Biliotti, L'ile de Rhodes, 483). 



* Die Ausspraclio ist nehenbei, soviel ich gehört habe, eher Erlraokjekjia 
als Eriinulächelscliia, ebenso wie indem Orlsnanien Ksaxivio; im W vqn 
Lartos — mit antiken Giäbern — Kjeskjindos nicht Tscbestschindo^* . ./. 



308 MODERNE UND ANTIKE ORTSNAMEN AUF RHODOS 

Von der zweiten Gattung, den altrhodisehen Namen, sind 
ausser den bei Ross genannten bereits erwähnt 'EpY)u.o)c6xoia = 
ant. Kexoia und 'AX(fc6pu.a = ant. * AaSxp(jLx. Einen anderen hat 
ebenfalls Biliotti ermittelt (a.a.O. 4ö6): Menassiri=ant. Mvx- 
(Tupiov. In der Nähe dieses letztgenannten Ortes liegt ein Hügel 
Kymissälla (Biliotti, 442), von dessen Namen man früher 
nicht wusste, dass er antik war — ein Lokalforscher brachte 
ihn im Gespräch mit xoifjLTQTvjptov in Verbindung und erwähnte 
die dortigen Gräberfunde. Da fand ich durch Zufall in Ma- 
kristeno, im Bereiche der Nekropole der Stadt Rhodos, einen 
Gräbaltar mit der Aufschrift*: 

A P I Z T O K PATEYZ 'ApidTOxpaTsu; 

APIZTnNOZ 'ApidTwvoc 

KY MIZAAEnZ Ku(jLi<TaWü);. 

und so wird man für das Altertum einen Ort * KujjLidaXa an- 
nehmen müssen ^, dessen Namen allerdings wenig griechisch 
klingt (karische Endung aXa z. B. in SwSaXa, TXXooaXa, auch 
im rhodischen KiTaXa). Biliotti bemerkt in seiner Periegese 
der ihm besonders gut bekannten Ruinen am Westfusse des 
Berges 'A)tpx|jLUTr<^ : ce parcours est trop petit pourque 
nous admettions, quil y ait eu lä plusieurs bourgades. 
Demnach wird man geneigt sein, den Geltungsbereich des ei- 
nen als antik erwiesenen Namens auch auf die zahlreichen be- 
nachbarten Ruinen auszudehnen, soweit nicht das in der Be- 
schreibung des Strabon \\W 2,12 S. 655 genannte Mnasyrion 
in Frage kommt. Die nähere Entscheidung würde erst eine 
genaue kartographische Aufnahme dieser in vieler Beziehung 
interessanten Gegend gewähren, welche von anderen Forschern 
in kurzer Zeit zu erhoffen ist. 

Aus Inschriften ist ein Demos von Lindos bekannt, dessen 



^ Diese selbst ist schon rnitgeleilt von ZspX^viT); in dieser Zeitschrift X S.74. 

2 In der NIa 2|xupvT) 1891 ap. U69 hat Selivanov dieselbe Ansicht aus- 
gesprochen. Auf diesen Artikel wurde ich nachträglich durch R. Löper 
freundlichst hingewiesen. 



MODERNE UND ANTIKE ORTSNAMEN AUF RHODOS 309 

Ethnikon 'Apylo; oder 'Apycio; (Foucart, Revue arch. XIII 
i866, 360, 30 WO 'Apy^'o; steht; XV, 1867, 204 ff., 60; Jour- 
nal of Hellenic studies IV, li^S f., 3 ; Bull, de corr, hell. 
IX, 99 ff., 3) lautete. Ein fleissiger rhodiselier Forscher, der 
Arzt Saridakis, hat hei dem Dorfe Archipolis einen moder- 
nen Ortsnamen to "Apyo; gefunden, der sich als Seitenstück 
stellt zu den gleichen Namen auf den Inseln Kasos (Ross a. a. 
0. 47) und Saria (nach Mitteilung von E. Manolakakis, die 
ich an Ort und Stelle bestätigt fand). Es ist zu hoffen, dass 
der glückliche Beobachter diese und andere Resultate seiner 
topographischen Studien über Rhodos demnächst selbst ver- 
öffentlicht. 

Auch der Ortsname Lartos (Lardos) ist, entsprechend der 
Vermutung von Ross. als antik erwiesen : Schumacher im 
Rhein. Mus. XLI, 1886, 628 f. erinnert an den Xtöo? X&pTio(;, 
der zur Anfertigung von Inschriftstelen nicht nur in lalysos 
(Alektrona- Inschrift: Newton, Inscriptions in the British 
Mus, II, cccxLix), sondern selbst in Karpathos verwendet 
wurde (Beaudouin, Bull, de corr, hell. VIII, 355 ff.). In 
der That sieht man, von Lindos über die Kirche des "Ayio; 
'IwivvTo; MgpoyXY;; (^'H;7.6po-6tyXri?; nicht ganz richtig Holleaux 
Bull, de corr, hell. X, 339,5 Omeroglis) kommend, an den 
zum Meere abfallenden Bergen allenthalben die Spulten der al- 
ten Steinbrüche, und eine Höhle im SO. des ^'Ayio; Tetopyio^ 
bei Lartos mag eine Art Verwaltungsraum gewesen sein, in 
dem die Mengen der abgesandten Steine mit Strichen bezeich- 
net wurden; rechts am Eingange ist ein Hekatebild in flachem 
Relief mit der Unterschrift 'ApTe(jLiSt SwTgtpai angebracht. Von 
demselben Gestein sind überhaupt die meisten Inschriften auf 
der Akropolis von Lindos. 

Bei einem letzten Beispiele, das noch nicht bekannt sein 
dürfte, muss ich etwas länger verweilen. Als ich im April 
1892 auf dem Ritte nach Lindos in Massari übernachtete, er- 
bot sich ein Mann,*Ia)xvvY); Atxjco;, mir am Orte AwpuuLa einige 
Inschriften zu zeigen. Er führte mich durch schöne Obstgär- 
ten, die das Dorf umgeben, und fruchtbare Getreidefelder, die 



MODEIINE tl.XD A>T1KE OHTS.-^AKE« I 



n 

ll in Zwiscbenräumen von altea Ölbäumen bestanden sind, nach 

■ einem fast S*" SW. von Massari gelegenen niedrigen Ruineo- 
I hügel. Derselbe ist im N. mit grösseren Bergen verbunden, 
I auf den anderen Seiten umgeben ihn Felder mit Ölbäumen, 
I naeh Osten ist der Blick frei über die Thalebene, mit der 
W Fernsicht auf den Archangelosherg, das KicTpo von Massari 
B und ganz im SO. den Burgberg von Lindos, am Horizonte das 

■ Meer; im Westen schliesst ein Ki-anz von Bergen das Thal, 
I in welchem 3-400 Meter südlich hart am jenseitigen Bergfusae 




das breite Bell das Gaduras liegt. Damals fast wasserlos, zeigt 
er im \Vinter oft Launen, wenn ihn HegengOsse pliitzlich an- 
schwellen und für Menschen wie Tiere beim Überschreiten 
gefährlich machen ; daher hiess er schon zu Bondelmonte's 



MODERNE UND ANTIKE ORTSNAMEN AUF RHODOS 3t 1 

Zeit der^Eselsfluss' {Liber insularamJS: Gadora), während 
mein Führer als 'hellenischen' Namen für denselben *u<ixo; 
angab. Ein rechter Platz für ein ländliches Heiligtum einer 
Ackerbau und Baumzucht treibenden Bevölkerung. 

Der versprochenen Inschriften (s. S. 312) waren vier. Zwei 
sind von allen Seiten gebrochen, passen aber, wie sich nach- 
träglich ergab, gerade in einem kleinen Stück der Schriflfläche 
zusammen. An den rechten Stein fügt sich unten noch ein 
kleineres drittes Fragment an. Die grösste Dicke beträgt beim 
linken Steine noch 0,43". Diese drei Steine sind Teile einer 
Thüreinrahmung, die aus drei Fascien nach Art der ionischen 
Architrave besteht und darüber ein reicheres Profil trägt. Der 
rechte, grössere Stein enthält auch noch einen Rest der zum 
rechten Thürpfosten überleitenden Ecke, indem dort die Fa- 
scien nach unten umbiegen; dies ermöglicht die Bestimmung 
als Thür. Die Höhe der drei Fascien betrug wenigstens 0,19, 
die des Profils darüber über 0,375™. Die ehemalige Gesamt- 
länge lässt sich nicht mehr genau feststellen. Aneinanderge- 
legt ergeben die Steine 1,26, wovon auf die lichte Weite 0,96" 
kommen. Eine etwas genauere Bestimmung gestattet die Be- 
trachtung der Aufschriften. Der rechte Stein enthält auf den 
drei Fascien 5 Verse, ursprünglich 3 Distichen, mit der Hälfte 
des Blattes, das sie von dem links anstossenden Texte trennt, 
0,58 1. (davon etwa 0,40 Lichtweite) , dazu die Enden von drei 
Hexametern auf der obersten Fascie. Der linke Stein hat den 
grössten übrigen Teil dieser Hexameter bis auf die Anfänge, 
aber ausserdem noch im obersten Profilstreifen die Inschrift 
96 = 060^ am linken Rande, vielleicht vorn noch zu er- 
gänzen, deren Anbringung an offenbar hervorragender Stelle 
wahrscheinlich macht, dass sie ungefähr über der Mitte stand. 
Dann bleibt links auf dem verlorenen Stück Platz für ein drit- 
tes Epigramm, und wir würden bei völliger Symmetrie eine 
Länge der drei Epigramme, von Ecke zu Ecke der obersten 
Fascie, von 3x0,58 = 1,74, eine Lichtweite der Thür von 
i, 74— (2x0,18)=!, 38°" haben. Es ist nicht nötig, daraufhin- 
zuweisen, dass die Symmetrie schwerlich so genau durchge- 



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MODEBNE UND ANTIKE OBTSNAMEN AUF RHODOS 3i3 

führt war und daher diese Berechnung nur ungefähr zutreffen 
kann. Ein vierter Stein mit anscheinend gleichartigem Profil, 
der auf einer Fascie die Buchstabenreste AOI H \, Schrift ge- 
gen 0,03 hoch, trägt, grösste Länge 0,79, gehört wol an eine 
andere Stelle, vielleicht über eine andere Thür. 

M. Epigr. 1 eaai ist thessalisch und kleinasiatisch-äolisch 
(Prellwitz, De dialecto Thessalica 4, Nr. X; 42, Meister, 
Griech. Dialekte I, 139); daher zunächst episch. Man wird es 
auch in dem rechten Epigramm 5 einsetzen müssen. 

R. Epkir. 3 Man kann die zuletzt in dieser Zeitschrift XVII, 
33 abgedruckte Sibylleninschrift von Erythrae vergleichen, die 
vielleicht noch später als unsere ist : Nuu.(pxt:; Natx^riv iyaXXotxs- 
vo;. Ende des Verses ist wol y6Xa)(7[at] zu lesen. 

Die Schrift iässt sich im Typendruck nicht genau wieder- 
geben. Die meisten Buchstaben sind schmal und hoch, so 
eCO©; Uü abgerundet, A (neben einem A) hat jene Form, in 
der sich das VII. vorchristliche mit dem III. und folgenden 
nachchristlichen Jahrhunderten begegnet. Der Gesamtein- 
druck ist der einer späten, flüchtigen, ohne jede Kunst aus- 
geführten Arbeit. Die Zeilenhöhe beträgt im Durchschnitt 

etwa 1 74""- 

Das Material war ein harter dunkelgrauer Stein, den man 
bald [iLapuLapoTTETpa, bald xaKOTrsTpa, bald aTv^dcixi nannte, wäh- 
rend sonst auf Rhodos die Neigung besteht, jeden Inschrift- 
block oder bearbeiteten Stein als (/.apjjiapo zu bezeichnen. 

Am wichtigsten ist für uns das rechte Epigramm, worin 
Heliodoros oder wie er sonst nach dem leuchtenden Sonnen- 
gotte hiess verkündigt, wie er hier am hochheiligen Orte der 
Fluren von Loryma geboren (oder angekommen? iTuj^Gyjv) sich 
darüber freue wie die Quellen der Nymphen lachen und durch 
nie versiegende Kanäle [die Felder] bewässert haben. Als ver- 
ständiger Mann hat er — man wird hinzudenken den freund- 
lichen Göttinnen seinen Dank durjch Erbauung oder Verschö- 
nerung des Quellheiligtums oder wenigstens durch Anbringung 
seiner trefflichen Dichtungen dargebracht. Davon hatte mehr 
das mittlere Epigramm enthalten, wo Tcepiüxriov epyov, das gewal- 



311 MODEHNE UND ANT[KE ORTSNAMEN AUF RHODOS 

tige Werk,wol die Erbauung des Heiligtums und Quellhauses, 
vielleicIiL auch einer Leitung, die das Wasser dorlliin brachte, 
Vers 3 die Weibepigpamme bezeichnet. Hier spriclit das Ge- 
hiiude in erster Person, wie sonst oft das Grabmal ; im rechten 
Epigramm redet der Erbauer und Dichter von sich selbst in er- 
ster Person. 

Dass aber die künstliche Bewässerung durch weitgeführte 
Kanäle auT Rhodos die beste Wirkung erzielt, kann der Rei- 
sende noch heute an den herrlichen Obstgärten von Aphandu 
und Mallona sehen. Massari wechselt die Herechtigung, die 
gemeinsamen Wasseradern zu benutzen, Tag um Tag mit 
Mallona. Doch klagt man jetzt über \\'assermangel, und als 
ich zum zweiten Male durchreiste, bat man mich, für ein ganz 
unmögliches Wasserleilungsprojekt eine Unterstützung zu ge- 
währen. Die Nymphen haben den Ort verlassen. 

Ich befand mich in der Feldmark von Loryma. Dass mein 
Führer diesen Namen nicht aus der Inschrift halte, bewies 
mir einmal die Schwierigkeit, die mir selbst die Entzifferung 
der schlechten und stark zerstörten Schrift auch noch auf dem 
Abklatsch bereitete, sodann die Erzählung meines lindischen 
Wirtes, dass man allgemein die Einnahmen von den dortigen 
Ölbäumen unter der Bezeichnung Loryraa buchte. Der Demos, 
d. h. das alte Dorf Loryma kann in der Nähe, z. B. näher 
am Meere gelegen haben. 

Hierauf fülirt die bisher unverstandene Stelle des Stepha- 
nos von Byzanz Aufjjxa" tcöIi; Kapia;. 'ExataEoi 'Acix. | turi 
;tai XiuiTiv 'PöSov, ä; [AupufAaJtOi;] A(i>pu[Aa \iyft<ti. lo iöviftöv Aw- 
pyfAaio;. Meineke hat mit Recht AiupufActiEo; als Dittographie 
gestrichen. Das Ethnikon von ri Aüpuw« würde siclierlich 
richtiger, so wie auf unserer Inschrift, Awoiiuio; als AüipujJLaio; 
heissen ; doch darauf kommt es hier nicht an, Meineke be- 
merkt, Stephanos hätte ricl)tiger statt ).t[*7;v 'PöSoy gesagt : 
^iü.T,v 'PoSiuv ; beide seien identisch, nämlich der bekannte 
Hafen der rhodischen i^eraea, und nur irrtümlich auf zwei 
verteilt. Ross äussert sich über diese Frage nicht ( Reisen nach 
Kos ü. s. w. 4ti f.). Es ist aber eine willkürliche Annahme 



MODERNE UND ANTIKE ORTSNAMEN AUF RHODOS 



3i5 



Meineke's, die ohne weiteren Beweis fällt, sobald ein Loryma 
auf Rhodos mit einem Hafen gefunden ist. 

Diesen Hafen habe ich namentlich bei einem zweiten Auf- 
enthalt in Massari zwei Monate später festgestellt : er liegt im 
S. des Kacrpo. Eine Ansicht des Hafens von der halben Hohe 
des Burghügels mit der Fernsicht auf Lindos giebt die nach- 
stehende Skizze (nach einer Photographie), die ich der Freund- 
lichkeit von Franz Winter verdanke. Über das Kastell haben 
Hamilton, Researches in Asia Minor 11, 57 f. und namentlich 
Guerin, Voyage dans Vile de Rhodes, 187 ff. nach eigener 
Anschauung gehandelt. Die Burg selbst stammt von den Johan- 
niterrittern , welche an diesem Platze der Insel zuerst festen 
Fuss fassten, an der Stelle befand sich bereits eine byzanti- 
nische Festung (Torr, Rhodes in modern times, 4 4, dessen 
Darstellung ich hier nicht nachprüfen kann); als Name wird 
Pheraklos (Feraclo, Ferado, Ferando; Faradum oppidum bei 




CA?. AOL 
A9MIUANO«; 






Bondelmonte a. a. 0. 73) angegeben. Das Vorhandensein ei- 
ner antiken Burg an derselben Stelle lässt sich wenigstens 
aus den Resten nicht erweisen. Am S.W. Fusse liegen Trüm- 
mer einer Kirche und andere, mit byzantinischen Marmor- 
kapitellen, welche zeigen, dass dort schon vor der Ritterzeit 
eine Niederlassung bestand. Den Hafen beschreibt Guerin 
treffend : une petite baie qui autrefois servait de port et 
qui est protegee contre les i^ents du S. par un banc de 



316 modbrne und antike Ortsnamen auf Rhodos 

rochers demi-circulaire et constituant une sorte de möle 
natureL Das von ihm in der Nähe gesehene, aber meines 
Wissens nie veröffentlichte Verzeichniss der Priester des Ilo- 
(TfiSiv *'I:r7cio<;* fand ich nicht njehr, wol aber andere Inschrift- 
reste, die indessen nichts ergaben. Anderes ist von da nach 
deai Dorfe Massari verschleppt worden. Im N. W. des K&<jTfo 
nach Mallona zu liegen numerous ancient tombs^ cut in the 
form of sarcophagi in the solid rock*^ (Hamilton a. a. O. 
58). Der Ort war also vom Altertum bis in die Türkenzeit 
hinein bewohnt; die Felsburg hatte, wir wissen nicht seit 
wann, den Namen Pheraklos, Dorf und Hafen dürfen wir für 
die alte Zeit Loryma benennen. Jetzt steht nur noch ein trau- 
riges Bakali auf den Ruinen, im alten Hafen aber schaukelten 
noch als ich dort war zwei Kaiks. 

Nun hat freilich Heinrich Kiepert in der Karte des west- 
lichen Kleinasiens diesen Hafen bereits anderweitig, mit dem 
Namen Thermydron bezeichnet, und wenn auch die neue In- 
schrift ein wesentliches Gewicht für Loryma in die Wagschale 
wirft, muss doch der Versuch gemacht werden, ob nicht auch 
für Thermydron ein anderer, womöglich besserer Platz ge- 
funden werden könnte. Die alte Deutung auf Kamiros, zu der 
Hamilton durch ein Missverständniss bewogen zu sein scheint, 
haben schon Ross uud Guerin abgewiesen, lange bevor die 
Ausgrabungen von Salzmann und Biliotti die wirkliche Lage 
von Kamiros lehrten. Auch von Astyra(Torr a.a.O.) kann man 
absehen; eine Münze, die nicht einmal genau hier, sondern zw i- 
sehen Mallona und Archangelos gefunden ist ( Biliotti, Uile de 



^ Diesen GoU nennt auch die lindische Basis des Phyles von Halikarnab.s 
bei Löwy, Inschriften griech. Bildhauer, 143, Nr. 180 und die foucarl'seli« 
Inschrift, die ich auf Lindos wiederfand, Revue arch. XV, 1867, 219 ff. \r 
62 die auch in nicht recht erklärbarer Weise unser A(«Spu{ia zu nennen 
scheint: KXEuoO^vrjC Aafxatp^ou | [Up€u$ no9]EiB[a/o]( 'iTcntou | [E]uiaY]dp[a( llo- 
Xju^ivou I [icpEu; 'A7cdXJX(ovo$ Kapve^ou | [10-11 Buchstaben] A(upu(jLa. Wen 
unser Loryma gemeint ist und Iloa. 17:^0; daselbst verehrt wurde, nuissf 
dasselbe auch für den dazwischengeschobenen Apollon KapvEto? gellen. 

2 Von hier stammen möglicherweise, nach den unbestimmten Angal 
der Leute, einige mykenische Vasen, die ich in Massari sab. 



-<•, 



■ - - • 1 



- *"■ 



MODEBNE UND ANTIKE ORTSNAMEN AUF RHODOS 317 

Rhodes, 427) beweist doch nichts für den Namen des Fundor- 
tes, geschweige denn für den unserer Ruinen. Die richtige An- 
setzung von Astyra in derPeraea giebt Head, Historia numo» 
rum, 521, vergl. Leake, Catal. of Greek coins , SuppL 26. 

Thermydron (oder Thermydros)]wird von Lykophron zu- 
sammen mit den Bergen von Karpathos als Heimat lindischer 
Kolonisten bezeichnet (Alex. 924); das hilft nicht viel. Ste- 
phanos von Byzanz hat: 0ep(AuXpa- Xijxyjv ty!; uliä? töv Iv *P6S(p 
TuoXewv. Dazu nehme man die Erzählung bei ApoUodor II 5, 1 1, 
8, über deren Herkunft Hermes XXHI, 140 ff. zu vergleichen 
ist. Darnach landet Herakles, von Asien kommend, in06p[x.u- 
Spatc AivSiwv ^tjjLevt, um sein Abenteuer mit dem Pflüger, dessen 
beide Stiere er verzehrt, zu bestehen und seinen eigenartigen 
Kult zu gründen. Schon Heffter, Die Götterdienste auf Rhodos 
1, 15 hat die Beziehung des Namens zu den warmen Quellen 
erkannt, mit denen auch gerade Herakles überall in besonders 
enger Verbindung steht. Man kann davon absehen, dass Ross, 
Inselreisen Hl, 82,14 diesen Hafen in eine Gegend der West- 
küste verlegte, die sicher nie lindisch war. Guerin, 193,1 setzte 
ihn dem grossen Hafen von Lindos selbst gleich, was mit dem 
Wortlaut des Stephanos wenigstens recht gut übereinstimmt. 
Kiepert seinerseits kann unter anderem durch zwei Gründe 
zu seiner Benennung gekommen sein: durch die auf der eng- 
lischen Seekarte in grösster Nähe der Bucht beim K&<7Tpo von 
Massari angegebenen salt Springs und dann durch die Un- 
fruchtbarkeit des felsigen Gebietes in nächster Nähe von Lin- 
dos, welche die Vorstellung von einem pflügenden Ackers- 
mann nicht recht aufkommen lässt. Immerhin muss man 
zugeben, dass die Entfernung von Massari bis nach Lindos 
etwas gross ist. Auch eine mythische Erzählung verlangt für 
gewisse Dinge innere Wahrscheinlichkeit ; gesetzt also, es Hesse 
sich ein Hafen näher von Lindos nachweisen, der warme 
Quellen hat, so würde man diesen wol als Landungsplatz des 
Herakles, als Thermydron vorziehen. 

In Lindos erzählte man mir von einigen warmen Quellen 
auf der N-Seite des Kranagebirges, wegen ihres Salzgehaltes 

ATHEN. MITTHEILUNaEN XVH. 22 



318 MODERNE UND ANTIKE ORTSNAMEN AUF RHODOS 

BXt)^« genannt. Sie liegen an einer nach N. 0. offenen Bucht, 
die durch ein kleines Inselchen geschützt wird; in der See- 
mannssprache heisst dieselbe porto Paradiso, Ich mass 
dort zwei Quellen dicht am Meere, welche bei einer Luftwär- 
me von 1672* ^^^ einer Meereswärme von ^O** jede eine Tem- 
peratur von 27" C. hatten. An einer Stelle, wo ich im Meere 
selbst nahe am Rande 27 ** fand, kommt ersichtlich eine 
dritte Quelle zum Vorschein. Diese Temperatur genügt für die 
Annahme von Thermen; in dem übersichtlichen Verzeichniss 
bei LoUing in Iw. Müller's Handbuch 111, 114 erscheinen un- 
ter den griechischen Thermen als niedrigste: Vromolimni auf 
Methana mit 30,7, Kyllene mit 25,3" G, und es wird dort 
hinzugefügt, dass die ausdauernden Quellen in den Ebenen, 
besonders die grossen Kephalaria, nur 18-19" C. haben. 

Auch die Erzählung des Mythographen lässt sich mit die- 
ser Ansetzung vereinigen. Wenn Herakles nach Lindos gehen 
wollte, konnte ihm wol daran liegen einen geschützten und 
der Stadt nahen Ankerplatz zu finden, wo er von den Stadt- 
bewohnern ungesehen landen konnte. Hier gab es auch schö- 
nes Ackerland — noch jetzt liegt nahe der Bucht eine grössere 
Farm. Vom Hafen von Massari aus hätte Herakles die ganze 
Ebene — das lindische tcsSiov der attischen Tributlisten ? — längs 
dem Meere durchwandern müssen ; und wenn der Mythograph 
andererseits den grossen Hafen von Lindos hätte bezeichnen 
wollen, würde er wol einfach AivSy Tupodid^^ei statt des unbe- 
kannten 0£pu.u$paU gesagt haben. 

Die Ansetzung von Loryma aber ruht auch dann, wenn 
diese Bestimmung von Thermydron angefochten wird, auf dem 
gesicherten Boden einmal der inschriftlichen Überlieferung, 
die sich wechselseitig mit einem klassischen Zeugnisse stützt, 
sodann auf der seit dem Altertum ununterbrochenen Volkstra- 
dition. 

Alben, November 4892. F. HILLER von GAERTRINGEN. 



^^^^tt^ 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 
(Hierzu Tafel XII). 

Die neu entdeckte Schrift über den Staat der Athener, 
welche in die verschiedensten Fragen der athenischen Ver- 
fassung und Verfassungsgeschichte gewaltig eingreift, um hier 
für's Erste nur Verwirrung zu stiften, dort unerhoffte Ent- 
scheidung zu bringen, enthält auch einige wenige, aber Licht 
bringende Zeilen über die kleisthenische Einteilung Attikas, 
welche nicht nur für die ganze auf der Phyleneinteilung be- 
ruhende Staatseinrichtung Athens, sondern auch für die To- 
pographie von Attika von hoher Bedeutung sind. Denn wäh- 
rend man bis jetzt angenommen hat, die Demen aller Phylen 
wären ohne Ordnung über das ganze Gebiet von Attika zer- 
streut gewesen, und hätten nur hier und da zufällig oder aus- 
nahmsweise einige Gruppen gebildet, und im Allgemeinen die 
Karte der Phylenbezirke Attikas mit den vielfachen Enclaven 
einer Phyle im Gebiete der anderen mit der Karte von Thü- 
ringen verglichen hat*, erzählt jetzt Aristoteles 2, dass das 
ganze Land und alle Demen in 30 Bezirke eingeteilt wurde, 
deren zehn im Stadtgebiete, zehn im Küstengebiete, zehn im 
Binnenland Attikas lagen ; je drei solcher Bezirke, Trittyen 
genannt, je einer aus jedem Gebiete, bildeten eine Phyle. Die 
Demen jeder Phyle bildeten also nach der Reform des Klei- 
sthenes in jedem der drei genannten Hauptteile Attikas eine 

^ Vgl. Hug, Studien aus dem class. Alterthum IS. 19. Busolt in Iwan 
Müllers Handbuch IV, 1 § 134 (^ § 136). 

2 */iÖ7)va{a)v lIoXiT. Cap. 21; die Stelle wird allgemein richtig verstanden, 
trotzdem die Worte öievEifxc Tf,v /^aSpav xaxi ötjjioj? tptaxovTa jiipT) nicht den 
Sinn haben können, welchen man ihnen gibt, worauf schon Kühl (Rhein. 
Mus. 1891 S. 452) richtig hingewiesen hat. Ich habe daher vorgeschlagen, 
xaTÖc d7j{iou; in x' (=:xat) tou; ^\Lo\ii ZU corrigiren ( in dem Russischen Jour- 
nal des Ministeriums der Volksaufklärung.1891, Classische Abteilung S. CO). 



320 DIB TRITTYEN UND DEMRN ATTIKAS 

geschlossene compacte Gruppe, welche somit als eine locale 
Einheit erscheint: was für ein Unterschied gegen die Karte von 
Attika, wie wir sie uns bisher vorgestellt haben ! Zwar be- 
sassen wir schon früher ein ähnliches Zeugniss bei Psellos^ 
einem späten byzantinischen Gelehrten, und K. Fr. Hermann^ 
hat schon, darauf fussend, den Sinn der kleisthenischen Ein- 
teilung und der Trittyen richtig erkannt, doch drückt sich 
Psellos so unklar und ungeschickt aus, dass selbst Hermann 
ihm nicht ganz traut, und allmälig wurde Hermann's richtige 
Ansicht und das allein stehende Zeugniss des Byzantiners ganz 
vergessen. Die unabhängig davon sich entwickelnden topogra. 
phischen Untersuchungen über die Lage der verschiedenen 
Demen schienen mit der Annahme solcher Trittyen unverein- 
bar zu sein. Jetzt müssen wir aber entweder unsere topogra- 
phischen Ansetzungen und Schlüsse mit der klaren und ein- 
fachen Aussage des Aristoteles in Übereinstimmung bringen, 
oder annehmen und beweisen, dass das kleisthenische System 
der politischen Einteilung Attikas in der folgenden Zeit so 
umgestaltet wurde und in Verwirrung geriet, dass seine ur- 
sprünglichen Teile nicht mehr erkennbar sind. 

In seinem neuen Aufsatze ' Untersuchungen über die De- 
menordnung des Kleisthenes ' ^ tritt nun Milchhöfer dafür ein, 
dass im Grossen und Ganzen die kleisthenische Ordnung bis 
zur Neuschafi'ung der zwei weiteren Phylen zu Ende des vier- 
ten Jahrhunderts v. Chr. beibehalten worden sei, und stellt 
sich das Ziel, die bisherigen Annahmen von der Lage der De- 
men Attikas auf Grund der aristotelischen Aussage nachzu- 
prüfen und ihr zu unterwerfen. Der Verfasser hat sich schon 
durch seinen Text zu den Karten von Attika * und seinen voll- 
ständigen Antikenbericht aus Attika^ um die topographische 



4 M. WikXoi ed. Boissonade (1838) S. 103. 
3 Lehrbuch der griech. Antiquitälen ' I § 111 und dazu Anm. 5. 
3 Aus dem Anhang zu den Abhandlungen der Berliner Akademie 1892. 
* Karten von Anika herausg. von E. Curtius u. J. A. Kaupert. Erläutern- 
der Text I (1881). II (1883). III-VI (1889). 
» Athen. Mitth. XII S. 81-104. 277-330. XIII S. 337-362. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 321 

Erforschung dieses Landes verdient gemacht, viele Demen 
sind von ihm neu angesetzt worden, die Lage anderer besser 
und sicherer, als es vor ihm geschehen ist, bestimmt, für die 
meisten wichtiges Material gesammelt und überall vorgear- 
beitet. Sein nicht geringes Verdienst war auch, zuerst zu er- 
kennen und darauf aufmerksam zu machen, dass die meisten 
Demen einer und derselben Phyle local zusammenhingen und 
grössere Gruppen bildeten ^ Zwar hat er es nur als Vermu- 
tung ausgesprochen ohne es schon damals eingehend beweisen 
zu können, auch war er noch weit von der vollkommen rich- 
tigen Erkenntniss der wahren Sachlage entfernt, doch ist seine 
Vermutung interessant und wichtig als Vorstufe zu der rich- 
tigen Erkenntniss dessen, was uns jetzt Aristoteles berichtet. 
So vorbereitet wie kein anderer, mit vollkommenster Kennt- 
niss Attikas und des ganzen jeden Demos betrePTenden Mate- 
rials ausgerüstet, tritt jetzt Milchhöfer an die Arbeit, die drei 
Demengruppen jeder Phyle, welche laut Aristoteles Trittyen 
heissen, nachzuweisen und zu bestimmen. Da er sich auf si- 
cherem Boden fühlt, geht er fest und entschieden vor, bricht 
mutig mit traditionellen Ansetzungen eines oder des anderen 
Demos, welchen er früher oft selbst beipflichtete, und ver- 
wirft oft auch Vermutungen, welche er selbst unlängst vor- 
getragen hat, wo sie mit der neu zu schaffenden Ordnung 
nicht übereinstimmen, wo es gilt einen scheinbar isolirt lie- 
genden Demos zu beseitigen oder die bis jetzt durch irgend- 
welchen fremden Demos getrennten Demen einer Phyle zu ei- 
ner Gruppe zu vereinigen. Sehr scharfsinnig hat er ferner 
die gewonnenen Gruppen für weitere topographische Folge- 
rungen ausgenützt, so dass es ihm gelingt fast alle De- 
men jeder Phyle, auch solche, welche bis jetzt topographisch 
ganz unbestimmbar waren oder nur im Allgemeinen loca- 
lisirt wurden , um das eine oder andere der Trittyencen- 
tren zu sammeln. Als Resultat erscheint, dass wirklich fast 



* * Über Standpunkt und Methode der altischen Deineüfurschung' in den 
Sitzungsberichten der Berliner Akademie 1887 S. 41. 



322 DIE TRITTYEN UND DEMEN ATT1KA8 

alle uns bekannten Demen in den Grenzen der von Milchhöfer 
mehr oder weniger richtig angesetzten Trittyen ihren Platz 
gefunden haben ; doch nicht ohne Ausnahmen. Denn Milchhö- 
fer sieht sich genötigt, in wenigstens fünf Fällen Enclaven an- 
zuerkennen, die er teils dem Rleisthenes selbst, teils den spä- 
teren Umgestaltungen zuzuschreiben geneigt ist. 

im Ganzen hat somit der erste Versuch, die Angabe des 
Aristoteles bei den topographischen Untersuchungen anzuwen- 
den, die Probe ausgehalten. Die Topographie von Attika ist auf 
eine neue sichere Grundlage gestellt, auf welcher sie sich wei- 
ter entwickeln wird. Doch kann man nicht sagen, dass die 
uns vorliegende Arbeit alle neu auftauchenden Fragen glück- 
lich gelöst hat und uns ein wirkliches Bild der politischen 
Einteilung von Attika, wenn auch nur für das vierte Jahr- 
hundert V. Chr., gegeben habe. Es scheint mir, dass der Ver- 
fasser doch noch mehr als nötig war, an den früheren An- 
nahmen und Vermutungen, seinen eigenen und denen Anderer, 
hängt, die jetzt alle erst einer Nachprüfung bedürfen. Deswe- 
gen erscheinen seine Trittyen noch in sehr nebelhafter, wenig 
greifbarer, oft sehr zerrissener Gestalt, auch steht die Grösse 
und Ausdehnung einzelner Trittyen in gar keinem Verhältniss 
zu dem der anderen Trittyen auch desselben Gebiets, die 
Grenzen der Trittyen, so wie diejenigen der drei Hauptteile 
Attikas sind undeutlich und widersprechen oft den natürlich- 
sten Grenzen, welche ein Gebiet vom anderen scheiden, so 
dass der Zusammenhang zwischen den Demen einer Trittys 
nur ganz lose ist*, und die Einteilung Attikas in drei Haupt- 
teile wenig durchgreifend und charakteristisch erscheint. 

Seit mehr als einem Jahre beschäftige ich mich mit dersel- 
ben Aufgabe der Umgestaltung der Topographie Attikas auf 
Grund des aristotelischen Zeugnisses, habe aber versucht die 



^ Milchhöfer hat es unterlassen, auf seiner Karte die Tritlyen des Stadt- 
bezirks zu begrenzen. Im Übrigen wäre es wünschenswert, dass die Berge 
irgendwie angedeutet wären, man könnte dann den Zusammenhang der 
Teile einer Trilt.ys und das Verhältniss der Trittyen zu den drei Hauptge- 
bieten besser beurteilen. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 323 

Frage unabhängiger von den bisherigen Ergebnissen der De- 
mentopographie zu behandeln. Ein Teil meiner Arbeit darü- 
ber (allgemeine Bemerkungen, Feststellung der drei Hauptge- 
biete und Behandlung der zehn Trittyen des Stadtgebiets) ist 
im November- und Decemberheft des Russischen Journals des 
Ministeriums der Volksaufklärung 1891 (Classische Abteilung) 
publicirt worden, auch der zweite Teil und die erste Hälfte 
des dritten Teiles (Küsten- und Binnenlandgebiete) mit der 
Karte waren bereits an die Redaction abgeschickt und der 
Schluss beinahe fertig gestellt*, als ich durch die Liebenswür- 
digkeit des Herrn Prof. W. Dörpfeld den eben erst erschie- 
nenen Aufsatz von Milchhöfer zu Gesicht bekam. Bei der gros- 
sen Zahl von Einzelheiten, auf deren Entscheidung die Auffin- 
dung der 30 Trittyen beruht, ist es kein Wunder, dass wir, 
trotz unserer Übereinstimmung im Grundgedanken im Ein- 
zelnen mehrfach zu verschiedenen Resultaten gekommen sind. 
In der Hoffnung, dass einige von meinen Ergebnissen zur 
Förderung der Frage etwas beitragen werden, bringe ich hier 
in strengem Anschluss anMilchhöfer's Arbeit diejenigen Punk- 
te vor, in denen ich eine andere, wie es mir scheint bessere, 
Lösung gefunden habe. Bevor ich aber zu den Einzelheiten 
übergehe, möchte ich drei Prinzipienfragen besprechen, deren 
Entscheidung meiner Ansicht nach wesentlich zur richtige- 
ren Anordnung und Benutzung des gesamten Materials bei- 
tragen muss. 

Eine unbegründete und doch beinahe zur festen Überzeugung 
gewordene Annahme hat Milchhöfer meiner Meinung nach 
oft im Wege gestanden. Er hält nämlich alle gleichnamigen 
Demen, welche zweifellos in zwei (einmal drei) verschie- 
denen Phylen vorkommen, für Teile je eines und desselben 
Demos: es sind dies die Demen mit den Namen KoXcovoc (in 
der Aigeis, Leontis, Antiochis), ^r^yoLix (in der Aigeis und 
Pandionis), EiTe'a (in der Akamantis und Antiochis), 'Epoi- 



* Wegen der Anhäufung des Materials in der Redaction v/ivd die Fortset- 
zung voraussichtlich erst im Februar- oder Märzhefl 1893 erscheinen. 



324 DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 

(fcSat (in der Hippothoontis und Antiochis)*; nur die Demen 
mit den Namen OIov, OtvÖYi, 'AXat, bei denen die verschie- 
dene Lage der zwei einen Namen tragenden Ortschaften aus- 
drücklich überliefert ist, können nicht zu je eipem Demos 
vereinigt werden 2. Für die erstgenannten Demen nimmt 
Milchhöfer an, dass sie erst bei der Abgrenzung der Trittyen 
in zwei (KoXcovo; sogar in drei) Teile zerschnitten worden 
seien, welche auf diese Weise als selbständige Gemeinden 
den verschiedenen Phylen zugeteilt wurden ; oder, es sei bei 
einer späteren Berichtigung der Trittyen grenzen zur Wie- 
derherstellung des Gleichgewichts der ungleich gewordenen 
Trittyen, ein Teil des Demos einer Trittys zu der anderen, 
ihr angrenzenden , geschlagen worden . Jedenfalls schafft 
sich Milchhöfer die Schwierigkeit, jeden solchen Demos dort 
ansetzen zu müssen, wo irgendwelche zwei (bez. drei) Trit- 
tyen der bezüglichen Phylen an einander grenzen konnten. 
In den meisten Fällen muss er dazu erst die in Frage stehen- 
den Trittyen so weit an einander schieben, dass sie zusam- 
menstossen. So werden gerade diese, ihrer Lage nach uns oft 
gar nicht bekannten Demen, für Milchhöfer ein wichtiger 
Grund zur genaueren Bestimmung der Trittyen, während wir 
doch durch nichts genötigt sind, diese gleichnamigen Demen 
immer als Teile eines Demos anzusehen. Denn ich sehe kei- 
nen Grund, warum es nicht zwei (oder drei) ganz verschie- 



' S. 14, 17, 26, 36, 37, 39 und besonders 43. Bei Gelegenheit der Bespre- 
chung der Kolonosdemen (S. 14) cilirt Milchhöfer Wachsrnuth, Athen II 
S. 233 f. und seine eigene Recension des Werks (Wochenschrift für klass. 
Philologie 1890 S. 1202), in welcher er Wachsrauth's Annahme über Kolo- 
nos billigt. Dieser meint, es seien zwei Demen gewesen KoXwvd? und KoXwvt) 
oder KoXwvai, von denen der erstere unter die Aigeis und Leonlis geleilt 
war. Man versteht aber nicht, worauf er sich gründet, wenn er sagt: *es 
fehlt doch auch nicht an Beispielen, dass ein und derselbe Demos in zwei 
Phylen zerschlagen wurde (wol aus politischen Motiven), wie *Epoia8ai oder 
EiWa'. 

2 Andere Fälle der * Versetzung' verschiedener Demen aus einer Phyle 
in die andere, deren eine ganze Masse sich in Gelzer's Verzeichniss iiudet, 
erkennt Milchhöfer mit Recht nicht an, so wie auch ich mich bemüht habe, 
sie zu beseitigen. Nur über Ki'xuwa s. weiter unten. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 325 

dene, vielleicht weit von einander gelegene Dörfer geben konn- 
te, welche denselben Namen getragen haben, wie es doch für 
die Demen mit den Namen Otov, Ocvot), und *AXat feststeht. 
Die Namen aller dieser Demen (ausser 'EpoiaSat) sind dazu 
von den natürlichen Eigenschaften der Ortschaften entnom- 
men, welche in verschiedenen Gegenden Attikas vorkommen 
konnten ^ Welches Land kennt nicht ähnliche Wiederholun- 
gen derselben Namen an verschiedenen Stätten auch auf ver- 
hältnissmässig engem Räume? Im neueren Attika kennen wir 
, drei Dörfer mit dem Namen Aiöaia, zwei mit dem Namen 
STUÄTa, zwei mit dem Namen MxaXa, zwei mit dem Namen 
MTupaj^&fiLi u. a. m. Mir scheint die Annahme, dass es auch 
im alten Attika einige Dörfer (Demen) gegeben hat, welche 
gleiche Namen führten, weit einfacher zu sein, als die Voraus- 
setzung eines so ungeschickten Verfahrens seitens des Gesetz- 
gebers, wie es ihm Milchhöfer zumutet, der selbst die von ihm 
angenommene Zerteilung der Demen unter zwei Trittyen als 
eine 'seltene Einrichtung' bezeichnet (S. 43). Denn was für 
wichtige Gründe könnten einen Staatsmann dazu bewogen 
haben, bei der Abgrenzung seiner administrativen Bezirke ei- 
nige (und dabei gar nicht die grösseren oder die politisch 
wichtigeren) Dörfer in zwei oder sogar drei Teile zu zer- 
schneiden, oder vielleicht einen Teil der Dorfbevölkerung 
von dem anderen abzusondern und auf demselben Gebiete aus 
einem zwei Dörfer zu bilden, welche beide denselben Namen 
beibehalten hätten? W^enigstens dürfen wir derartiges nicht 
über die uns nicht näher bekannten Demen von vornherein 
behaupten und darauf weiter bauen. Auf die Ansetzung der 
Trittyen dürfen diese Demen keinen Einfluss haben; umgekehrt, 
erst nach der gelungenen Einteilung Attikas in Trittyen werden 



< Die Existenz von zwei üemen mit dem Namen 'Epoia^at, welcher wol 
eigentlich ein Geschlechtsname ist, kann man vielleicht dadurch erklären, 
dass man annimmt, ein Teil des Geschlechts sei noch in der Zeit vor Klei- 
slhenes aus dem ursprünglichen Wohnorte (wahrscheinlich bei IlaXXrivT)) in 
die athenische Ebene (zwischen KoiXy) und Ilcipauus) übergesiedelt, wie die 
Ke^aX^Sai von Thorikos nach Daphni, die 4»uaf$ai von Brauron nach Acu(t«Sai. 



^y 



326 DIE TRITTYEN UND DBMEN ATTIKA8 

sie, wie auch einige andere sonst unbestimmbare, ihren Platz 
finden und man wird erkennen können, ob sie immer oder 
manchmal zusammenliegen oder nicht. 

Wäre Milchhöfer nicht durch die Folgen jener Annahme 
gebunden, so würde er nicht die Stadttrittys der Antiochis, 
welche den Demos 'A^cotccxio zum Mittelpunkt hat, mit der 
Binnenlandtrittys der Akamantis wegen Eitea's am Kephisos 
zusammen stossen lassen, noch am Ko>a>v6c "Itcttioc mit den 
Stadttrittyen der Aigeis und der Leontis (wegen des Demos 
KoX(ov6;). Das letztere hat für die Leontis die Folge gehabt, 
dass ihr Demos *A>t(jLoQc von allen drei Trittyen seiner Phyle 
ganz getrennt blieb, und so bei Milchhöfer eine der fünf En- 
claven bildet. Milchhöfer würde aber auch nicht ^hoyaia der 
Aigeis an der Grenze einer der Trittyen der Pandionis anset- 
zen müssen, wo ihre Lage zu der von Stephanos von Byzanz 
gegebenen Bestimmung in geradem Widerspruche steht. Und 
endlich würde er auf keinen Fall die 'EpoiaSai der Hippo- 
thoontis und Antiochis in einer Gegend ansetzen, wo sonst 
keine Demen der Antiochis nachzuweisen sind, und wo also 
von ihm nur wegen dieses Demos eine Hälfte der Binnenland- 
trittys der Antiochis getrennt von der anderen Hälfte ange- 
nommen wird. 

Das Demenverzeichniss desStrabo (IX, 1 1 p. 395-24, p. 400) 
hat für Milchhöfer eine andere Reihe von Hindernissen gebo- 
ten, welche er nicht immer glücklich überwunden hat. Dies 
Verzeichniss, wie man es allgemein verstanden hat, ist wol 
ein Hauptgrund gewesen, weshalb man bis jetzt die Gruppen 
der Demen einer Phyle nicht anerkannt, ja nicht einmal eine 
solche Gruppirung versucht hat*. Denn man nimmt allgemein 
an, Strabo habe in diesem Verzeichnisse nur diejenigen De- 
men genannt, welche an der Küste selbst lagen , deren Gebiete 
die Küste von Attika bildeten. Bei dieser Ansicht musste man, 
wie es auch geschehen ist, alle von Strabo genannten Demen 
in einer Linie hinter einander ansetzen. Dann geraten aber 



« S. z. B. Ditlenberger, Hermes 1881 S. 188. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 327 

fünf Demen zwischen die Demen einer anderen Phyle, ge- 
trennt von denen ihrer eigenen. Milchhöfer war der erste, so 
viel ich weiss, welcher* die Frage aufgeworfen hat. wie man 
die von Strabo verzeichneten Demen anzusehen habe, ohne sie 
damals zu beantworten. Desto mehr wundert es mich, dass er 
auch jetzt die Frage noch nicht richtig entschieden, sondern 
die allgemeine Ansicht angenommen hat, welche für seine 
Aufgabe sehr ungünstig ist, aber auch überhaupt bei genaue- 
rer Betrachtung ganz willkürlich erscheint. Um aber doch ir- 
gendwie die Zahl der Ausnahmen von dem Prinzip der Grup- 
pirung der Demen nach Trittyen zu verringern, nimmt er in 
zwei Fällen eine Änderung im Texte vor, nämlich dort, wo 
auch sonst bei der bisherigen Erklärung die Angaben Stra- 
bo's der schon bekannten Lage der betreffenden Demen nicht 
entsprechen. Von den beiden Änderungen ist die eine, Muppt- 
voÜTTY) statt Muppivou; (g 22, p. 399), schon lange vorgeschla- 
gen und von einem Teile der Topographen Attikas angenom- 
men worden 2; die andere, die Umstellung AafjLTUTpeti; 0op6t; 
statt 0op6i(; Aa(;.7:Tp6i; (§ 22, p. 398), ist der einzige Ausweg, 
um in der topographischen Ansetzung der Demen, die hier 
genannt werden, und der Vorgebirge einem offenbaren Wi- 
derspruche mit Strabo zu entgehen, und ist auch von allen 
(ausser Kastromenos^, welcher eine verwickelte und unglück- 
liehe Umsetzung aller schon festgesetzten Punkte und eine Än- 
derung im Text vorgeschlagen hat) angenommen worden, wenn 
auch stillschweigend. Trotz dieser beiden Änderungen im 
Texte des Strabo hat gerade sein Verzeichniss drei von den 
fünf Ausnahmen geliefert, welche Milchhöfer glaubt anneh- 
men zu müssen. 

Und doch ist die herrschende Ansicht über das Demenver- 
zeichniss bei Strabo weder erwiesen, noch allein möglich, und 
durchaus nicht unanfechtbar. Die Annahme, Strabo habe nicht 



^ SitzuDgsberichle der Berliner Akademie 1887 S. 42. 

2 Milchhöfer S.15 (oben). Kiepert, Neuer Atlas von Hellas und den hellen. 
Colonien S. 3. Kaslromenos, Die Demen von AUika (1886) S. 61. 

3 A. a. O. S. 47 ff. 



DiE TRiTTVEK UND DEM 




allein diejenigen Demen genannt, 'welche an der Küste lie- 
gen oder docli vom Meere aus in's Auge fallen ', sondern auch 
einige der weiter in's Land hinein liegenden, hebt alle Schwie- 
rigkeiten auf, und befreit uns von der Notwendigkeit irgend- 
welchen Demos als lünclave anzusehen. Und warum sollte 
Strabo nur die hart an der Küste liegenden Demeo genannt 
haben? Kann man ihm etwa die sonderbare Absicht beilegen, 
nur die Seeküate von Attika zu beschreiben, wie Kaalromenos 
S. /i6. 50 scheinbar geneigt ist anzunehmen? Dann würden 
wir doch wenigstens erwarten, dass das Verzeichniss der De- 
men, welche die Küste einnahmen, ganz vollständig wäre; 
Unterbrechungen und Lücken nimmt aber auch Milchhöfer 
(S. 12) an. Und Strabo selbst äussert nirgends eine solche 
Absicht. Zwar sind unter den genannten Plätzen mehrere 
nachweisbar Küstendemen; aucli gehören sie alle, wie man 
aber erat jetzt bestimmt nachweisen kann, zu dem Küstenge- 
biete (Oapalia) im weiteren Sinne, welches ausser der Para- 
11a des Kleisthenes auch die Küstenstrecke des Stadtgebiets 
mit der Stadt selbst in sich einschliesst. Es werden aber in 
diesem Küstengebiete auch solche Platze genannt, welche bis zu 
7-8 Kilometer in gerader Richtung vom Meere entfernt lagen, 
und durch andere Demengebiete von der Küste abgeschnitten 
waren. Stralio beschränkt sich auf diese Demen nicht aus ei- 
nem Prinzip, nicht aus einem einseitig gesteckten Ziele, son- 
dern weil er nichts besonders Nennenswertes im Inneren von 
Attika fand , und keinen Anhalt hatte, um alle oder doch 
viele Demen der Mesogaia aufzu^hlen. Die Küste ist für ihn 
die natürliche Richtschnur, an diese hält er sich überhaupt, 
um'bei der Aufzälilung verschiedener Gegenden nicht die Hei- 
henfolge zu verlieren. Er vermeidet es aber nicht auch hie 
und da einen Sprung von der Küste aus ins Innere zu machen, 
wenn er dort etwas Nennenswertes zu verzeichnen hat, und 
dann wieder an die Küste zurückzukehren. Im Abschnitt über 
Attika (IX, 1} macht er einen solchen S|)rung auf Anlass von 
Athen (Ja 16-20), welches er zwischen Peiraieus (fi 1 i-l 5) und 
Phaleron (^ ?1) nennt. Wir müssen uns dessen erinnern, was 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 329 

der Geograph selbst beim Anfang der Beschreibung desiln- 
neren von Böotien sagt* (IX, n, 21)[AuTai S'al] Xtf^vai t7)v tä- 
^iv Twv iffi^Ti^ t67U(i)[v <nr)(JLY)vatvT' av, wäre t(J)] Xoyw 7cepiXY)^07iv3tt 
oa^ (ü>;, OTi 6 [tcoiyity); ätäx-to); XP^*^*'] '^^^^ oso^Lxai töv totcwv twv 

T6 a^[l(i)V (JLVTOJJLY); Xat TCOV (XY)]* J^*^^^^"^ [^']^^ TOUTOi; Xal Ct(T7)|/.0i; 

TOI? TuXsidTOt? «ore «V neaoyaia^ j4yda(iov zrj zd^ei dtajtsffecr, if Ttapa- 
Ma rf' ijjrei n jrMorextt^fia npoQ zovzo ' xal yycopi^Kozspoi ol zojzoi xal 
?) MJazza t6 ye i^r\(: vjtayopevei ßeJzior' SiOTuep xal Y)(X6t; ix-eiOev 

TC8tpü)(JL[66a Tot; ipx*« Xaßstv]. Der Gang der Beschreibung Böo- 
tiens ist lehrreich für uns. Strabo fängt mit der Nordostküste 
Böotiens an der Grenze Attikas an^: er nennt und beschreibt 
zuerst nur die nacheinander an der Rüste selbst liegenden Ort- 
schaften (§ 6-8): 'QpwTuo;, A6X(ptviov, Ay)Xiov — Tavaypaiwv tuoXi- 
Xvtov, BaOu; XtjjLYjv, AuXt; — x-couly) Tavaypatwv, SaXyaveü;, kehrt 

von diesem letzteren Orte zurück, um im Inneren die Ortschaf- 
ten der Gegend von Oropos und des hinter ihr liegenden ta- 
nagräischen Landes aufzuzählen (§ 10): xal in Tpata S'deiTl t6- 
Tco; 'QpcoTuoö 7cXY)aiov x.al t6 lepov toö 'A{ii(ptapaou, dann folgt (§ 
11) Mu3caXy)a<j6; xcofXY) zr^q Tavaypat3c>i;, "ApjjLa, (§ 12)T4:vaypa, 
Tpia, 'EXecov ; dann kehrt er wieder zu der bei SaXyavsu; ver- 
lassenen Küste zurück (§13): (xeToc 8l SaXyave'a 'AvBiqSwv, wei- 
ter A&pupa,*AXai, MeejadtTuiov opo;, (§ 14) ''lao;. Hier erst geht 
er zu der Mesogaia über, welche er wieder in der Richtung 
von Ost nach West durchnimmt (§ 15): toc S'e^Yi; ev r/i (jLeao- 
yatcjc TueSta deiTlv xolXa TcavToOev. Daraus entnehmen wir, dass 
alles vorher Genannte wie auch Tanagra und ihr Gebiet der 
Paralia im strabonischen Sinne angehört. 

In Attika lässt Strabo die Mesogaia aus^, in der Beschrei- 
bung der Paralia aber wiederholt er mehrmals dasselbe Ver- 
fahren, welches wir bei Tanagra bemerkten: er schliesst in 
die Aufzählung der Küstendemen auch einige weiter von der 



< Nach der Ausgabe von G. Kramer. 1844-52. 

^ IX, 2,6: 'ESfjs 81 ttjv TCgpirJYijaiv t^; X.^P*? «oir,T^ov apfa[xivou{ ano Tf[{ 7cp6{ 

3 IX, 22 p. 399 : tou; 6* ev [xeaoYa^a 8r[[xoü{ Tfjj 'Attixtjs [xaxpov eiÄcTv 8i« lö 



) DBMEN ATTiKAS 



Kößle liegende Demen so ein, dass er die Küste in der Haupt- 
richlung, an den zu nennenden binnenländischen Orten vor- 
bei verfolgt;, und dann zurückkelirt, um diese hinter dem 
durchgenommenen Teil der Küste gelegenen Ortschaften zu 
nennen. So kommt es, dass diese mit einem uder mehreren 
schon genannten Demen der Kiiste zusammenhängenden De- 
men in der Aufzählung durch einen oder zwei weiter an der 
Küste liegende getrennt werden (wie Graia und das Am- 
phiaraosheiligtum von Oropos durch die Küstenorte von Del- 
phinion his Salganeus getrennt sind). Auf diese Weise erklä- 
ren sich ganz einfacli und ungezwungen alle die Fälle, in de- 
nen Milchböfer entweder eine Enclave anzunehmen sich ge- 
nötigt fühlt oder eine Änderung im Texte vorschlägt'. Wir 
nehmen jetzt kurz diese Fülle durch, indem wir aus dem Ver- 
zeichnisse vonStrabodieÜemennamen ausschreiben und durch 
die römischen Ziffern die Pliyle, welcher der Demos angehört, 
bezeiclinen. i 

Nach Peiraieus nennt Strabo (IX, 1,21): ^xXr.piXi (IX),' 
•AXi|ioüoioi (IV), Ai^wveic (Vll). 'AXaw:; ot A[;wvi»i'.i (VlI), 
'Avayupioioi (1), ©op»i! (X), Aa(*;rTp£i? (1), Atyiiiii; (X), 'Ava- 
f^ooTioi (X). Ich habe schon gesagt, dass hier ausser der uns 
auf den ersten Blick befremdenden Thatsaclie, dass ein Demos 
der Erechtheis AaftTCTpEi; zwischen die der Antiochis gekom- 
men ist, noch eine andere Schwierigkeit vorliegt, weshalb 
Milchböfer sich auch für berechtigt hielt ©opEi; und AaiJ-TTTpsi; 
ihre Plätze wechseln zu lassen. Nämlich ausser den Demen 
nennt Strabo an dieser Küste die Vorgebirge und die ihr ge- 
genüberliegenden Inseln, deren Lage er nach den Demen be- 
zeiclmet. Dadurch wird die Lage einiger Demen genau be- 
stimmt. Da nun die westlichste von den auf dieser Strecke 
genannten Inseln die Aisoneis gegenüber liegende 'VSpoCffsot 
nur das gleicli westlich vom llymel tosen de gelegene KapraiiLo- 
iTtni. sein kann, so ist das nach Strabo [istx tou; Ai^tüvta; gele 

' Wenn wir die Metliudc Strabo's richtig erkannt haben, wird man viel- 
leiclit ilui'cli t;leiclie Ueurtoiiun^ der Desclji'cibuu(; anderer Gegcaiien auch 
rür diese neue Itc^ullule ^uwiuueu küunen. 



iDt- I 



DIB TRITTYEN UND DElfEN ATTIKAS 331 

gene Vorgebirge Zgxjtyip ohne Zweifel das Südende des Hymet- 
tos* und die davorliegende Insel $a6pa das jetzige 4>X«6a. Wir 
müssen aber gleich jetzt bemerken, dass wenn Strabo das 
Gap Zoster hinter Aixoneis nennt, er unter Aixoneis auch 
dass Gebiet von *AXat At^wvtjcai mitversteht, desjenigen De- 
mos, welcher durch den Namen wie durch die Angehörig- 
keit zu derselben Phyle und Trittys mit Aixone eng verbun- 
den war und die Lücke zwischen der durch Inschriftenfunde 
bekannten Lage von Aixone in Pirnari und dem Hymettosende 
ausfüllen muss. Alle übrigen Demen, wenn sie längs der Kü- 
ste anzusetzen sind, müssen östlich vom Hy mettos gesucht 
werden, wo auch der erste von ihnen, Anagyrus, gleich am 
Ostabhang des Hymettos bei Bxpt längst wiedergefunden wor- 
den ist. Wenn man dagegen Anagyrus mit H. Kiepert^ und 
G. Müller^ noch westlich vom Hymettos ansetzt, so kann man 
nicht verstehen, wie bei Strabo Zoster nach Aixoneis folgt. 
Auch die Ansicht von Kastromenos, der Hymettosvorsprung 
sei nicht der alte Zoster, sondern die bei Strabo weiter östlich 
genannte 'AaruTcdXaia, Zoster aber sei mit dem westlich vom 
Hymettos gelegenen flachen Vorsprung von Punta zu identi^ 
ficiren, scheitert hauptsächlich daran, dass wir dann weder 
die strabonische ^xSpx, noch besonders die TSpoC^aa wieder- 
finden können, da westlich von der Punta keine Insel existirt, 
sondern nur eine Klippe neben ihr. Somit bleibt für *A(jtu- 
TcicXaia mit der davorliegenden Insal 'EXaioG^ax nur der Vor- 
sprung von *'EXu|jLTo, Gap 'Ay. NtxoXao;, dem die Insel Aayo- 
vyicji gegenüber liegt. Gleich westlich von diesem Berge ist 
'Ava(pXu<iTo; ganz sicher angesetzt. Also bleibt für die Demen 



< Doch nichl die mittlere der drei Spitzen, mit welchen der Hymetlos im 
Süden endijj;l, die flache Sandbank Oupa, wie man bis jelzt allgoraein ange- 
nommen hat, sondern gewiss die compaclere östliche, die Spitze von Vari, 
auf deren Weslseile der kleine See BoüXiaYp.lvT) liegt, welcher auch in der 
Erzählung von der Geburt des Apollo erwähnt wird. Sleph. Byz. s. v. Ztücrciip. 

2 Neuer Alias von Griechenland (1877) Taf. V. 

3 In der Karle, welche der didol'schen Ausgabe des Strabo (Paris 1853, 
57) beigelegt ist; woi nach Hanriot, Becherches sur la topograpliie des dd* 
mes de l'AUique (1853) Ö. 12, 



330 ^^ -e«r r-K..* 

*■'*■'" i iri~;s. c.c. VI* Sn:i' 

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-.^▼« _*i»7r ebeosi'j vf-rsiO??«: i:r- 

-Mmr-' ^ -■ C A 2 jl-tt: z: und A r-/* :a 

^.^ ?i ULI wrai2*lerjs *-irj^n Drra-»?. 

s^iiÄxOL- s- ^-ntfern^n. hat Ilanriot 

»ts*^- .'^"iiii '-- das Thal nördiioh vön 



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DIB TRITTTBN UNO Dllflir ATTIKAS 333 

Demen an der Küste zwischen Zoster und Astypalaia genannt, 
Anagyrus und Thorai, dabei AajjLTCTpei; uTcevspöev wie so man- 
che andere kleinere Demen nicht berücksichtigt ; dann will er 
einen grossen Demos im Inneren des Paraliagebiets hinter der 
bebandelten Küste nennen und greift etwas zurück zu Ao(|a* 
TCTpst; xaOÜTspOsv in Lambrika. Weiter nennt er wieder einen 
Demos, welcher weit von der Küste zwischen Thorai und 
Anaphlystos lag, und kommt erst bei Anaphlystos an die Kü- 
ste zurück. 

Einen anderen ganz analogen Fall bildet der Demos Ho- 
TafAo;. Hinter dem Vorgebirge Sunion nennt Slrabo (§ 22): 
Soiiviov (IV), 06pixo; (V), lloTa(jL6; (IV), dann folgen Ilpa^ 
(jtdc (III), Sreipiic (HI) u. s. w. Die Lage der Demen Sunion, 
Thorikos, Prasia, Steiria, alle am Meere, ist mehr oder we- 
niger bekannt. Es bleibt nur die Lage von Potamos zu bestim- 
men. Wenn es auch ein Küstendemos war, so muss er zwi- 
schen Thorikos und Prasia gelegen haben, und wir müssen 
entweder annehmen, dass er durch das Gebiet von Thorikos 
und seine Trittys von Sunion abgeschnitten war, oder, falls 
wir mit Milchhöfer (S. 22) Sunion mit dem nördlich von 
Thorikos an der Küste angesetzten Potamos zu einem einheit- 
lichen Bezirk verbinden, dass Thorikos durch die Küstentrittys 
der Leontis von allen Seiten umgeben und von den übri- 
gen Demen seiner Trittys isolirt war. Doch ist Potamos 
nördlich von Thorikos an der Küste durch nichts gesichert. 
Bei seiner Ansetzung sind wir an den Bach, welcher von 
Norden her kommend bei Thorikos mündet, gar nicht ge- 
bunden. Der Umstand, dass der Bach * noch heute schlecht- 
weg Potami genannt wird', was Milchhöfer (S. 22) auch als 
Beweis, dass hier die Potamier wohnten, anzusehen scheint, 
ist ohne Bedeutung Denn die jetzigen Einwohner von Attika 
haben überhaupt keine Namen für ihre dürftigen Flüsschen 
und Bäche ; selbst der Kephisos heisst bei ihnen einfach t:o^ 
TdcfjLt oder piOfjLa. Es giebt noch ein anderes Flüsschen im Süden 
Atlikas, welches das Thal von Asypav* durchfliesst und etwa« 
westlich von Sunion mündet. An diesem, mitten in den Uu- 

ATHEN. MITTHEILUNGEN ZVII. 23 



'S!! DIB TKirrysit vno deubh attikas 

riscben Bergen, etwa nordweslücb von Sunion uod südwest- 
lich VOQ Thurikoä muss der Uemos Polamos gelegen liaben. 
Strabo nennt auch hier erst an einer gewissen Slrecke der 
Küste zwei bemerkenswertere Demen. Sunion und Tliorikos, 
uod erwähnt dann einen hinter diesem Teile der Küste im In- 
neren liegenden, indem er \oa Thoritos zurückgreif!. 

Dasselbe geschieht weiter, wenn bei ihm die beiden Oemeu i 
MvfptvoO; (III) und [lpo€i>i\öo; (III) von den zwei Demen 
derselben Pbyle Ilcxaix und Sriipii durch Bpwjpwv, welcher aus 
einem oder mehreren Demen der Aigeis besteht, und ['Aiil 
'Apct^vijviSf;, ebenfalls einem Demos der Aigeis, getrennt wer- 
den. Ebenso wie Mjppivov;. welcher in dem Verzeichnisse des I 
Strabo ganz am Platze und nicht durch MuppivoÜTTYi zu erset- 
ze» ist, im Inneren des Paraliagebiets hinter Prasia und Stei- | 
ria (westlich) lag, ist ohne Zweifel der gleich neben Mjppivoüc 1 
genannte IIpo?ÄXivÖo? nicht an der Küste nördlich von '.Wul i 
'ApaifiT.viSi; anzusetzen, sondern mehr im Inneren des Landes i 
nördlich von Mjppiv&ö; und westlich von der Strecke der Kü- 
ste, weiche durch *AJai 'Apa^nviSt? und wol noch andere De- 
men der Aigeis besetzt war. Zwar koramtso der Demos Proha- ' 
linthofi der bis jetzt üblichen Annahme entgegen ziemlich weit 
weg von Marathon und anderen Demen der Tetrapolis. Doch 
steht dem nichts im Wege, da wir nicht wissen, wie weit die 
Grenzen dieses alten Verbandes zu ziehen sind. 

So sehen wir, dass die Verwerfung der unmotivirten und 
unbegründeten bisherigen Annahme, Strabo habe nur die hin- 
ter einander an der Küste liegenden Demen verzeichnet, ge- 
nügt, um alle bei ihm genannten Demen in einheitliclie Trit- 
tyen vereinigen zu können. Es bleibt nur ein einziger Fall, 
wo wir scheinbar auf Grund des Strabo eine Enclave aimehmen 
müssen und MilchhÖfer (S. 32) sie auch annimmt. Doch fin- 
det sich an der betreffenden Stelle in den Handschriften des 
Strabo wirklich ein Schreibfehler, für welchen aber eine fal- 
sche Änderung vorgeschlagen und von allen angenommen wor- 
den ist. 

Nach 'AvafXüuTtoi liest man bei Strabo (IX, 1, 21) 'A^vKi;, 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 335 

den Namen eines Demos der Hippothoontis (VIII), welcher 
hier zwischen einer ganzen Gruppe von Demen der Antiochis 
(X) im Westen und den zwei üemen der Leontis im Nordosten 
ganz isolirt erscheint, für welchen man auch an der felsigen 
unwirtsamen Küste zwischen Anaphlystos und Sunion keinen 
rechten Platz finden kann^ Was soll hier dieser kleine und 
unbedeutende Demos einer Phyle, deren drei grosse Bezirke, 
darunter auch der Küstenbezirk (rieipaigwv rpiTTÜ;, öptaeitwv 
TpiTTu^ und die Demengruppe bei AexAeia) wir weit von hier 
constatiren können? Dieser Demos ist aber hierher gekommea 
nur durch eine Conjectur des Casaubonus, welche Kramer 
certissinia nannte und welche seitdem als solche von allen 
angenommen wurde, auch von Milchhöfer. In den Handschrif- 
ten steht aber nur 'A^rvet;*, was nicht in 'PJ^r\^iii<^, sondern 
zweifellos in 'Attvci; zu corrigiren ist^. Wir erhalten dadurch 
den Namen noch eines der Demen der Antiochis, von welcher 
schon bei Strabo drei andere Demen unmittelbar vorher ge- 
nannt worden sind und noch zwei andere, Bviaa und 'Aj;.(pt- 
TpoTCY) ganz ungezwungen in denselben Bezirk eingeschlossen 
werden können. 'ATTivei; also ist an dieser Stelle des Verzeich- 
nisses ganz am Platze und man kann sich nur wundern, dass 
Milchhöfer nicht auf diese einfache Correctur gekommen ist, 
da er doch den Demos 'Atyivy) auf Grund der inschriftlichen 
Kataloge zu derselben Trittys wie Anaphlystos, Aigilia,Tho- 
rai, Besä und Amphitrope rechnet^. Hätte er aber diese En- 
clave beseitigt, so würde er wahrscheinlich auch Mittel ge- 



• Siehe Hanriot S. 209. Kaslromenos S. 51. 

2 S Kramer a. a. O. 8. 227, '2.' C. Müller in der didol'schen Ausgabe 
gibt 'AfTjvgT? an. . 

3 Diese Verbesserung wird dadurch noch erleichtert, dass, wie Kramer 
(Vorwort S. LXXXV) nachgewiesen hat, die »eisten Fehler des Archety- 
pus aus der Majuskelschrift zu erklären sind, in welcher T rnit I oder i 
leicht zu verwechseln sind. 

-* Auch özanto in Feinem Artikel * Die kleistheniscben Trillyen' (Herr 
raes XXVII S. 312-315) hat diese Schwierigkeit nicht überwunden und 
nimmt an, däss 'Azenia, westlich vom Cap Sunion gelegen, mit E}leusis 
zusammen eine Trittys gebildet haben muss-. 



336 DIB TRITTTBN UNO OBMBN ATTIKAS 

funden haben, die beiden anderen Enclaven, welche ihm jetzt 
durch dass Verzeichniss des Strabo begründet zu sein scheinen, 
zu beseitigen, und er würde nicht geneigt gewesen sein selbst 
deren Zahl noch durch solche, wie Halimus und Eroiadai zu 
vermehren. Wir haben jetzt alle fünf Fälle, in denen Milch- 
höfer Enclaven zulassen muss, durchgenommen und erkannt, 
dass kein Grund vorhanden ist, irgend welche Ausnahme 
von der Regel anzunehmen, dass die Demen jeder Phyle in 
drei jedesmal zusammenhängende Bezirke verteilt waren. We- 
nigstens darf, wer solche Ausnahmen annehmen will, sich 
nicht mehr auf Strabo und sein Verzeichniss berufen. 

Wir müssen noch einen dritten Punkt genauerer Erwägung 
unterziehen, bevor wir zu der Einzelbesprechung der Trittyen 
tibergehen. Zur Bestimmung der Demengruppen zieht Milch- 
höfer als eins der Hülfsmittel eine inschriftlich erhaltene De- 
menliste und diejenigen Inschriften heran, in denen aus irgend 
einem Anlass Personen einer oder mehrerer Phylen demen- 
weise verzeichnet werden: Prytanen-, Diäteten-und sonstige 
Kataloge. Soviel ich weiss, ist Milchhöfer der erste gewesen, 
welcher seine Aufmerksamkeit auf diese Urkunden richtete. 
In der letzten Arbeit spricht er sich nicht mehr über den all- 
gemeinen Wert ihrer Zeugnisse aus, sondern braucht sie ohne 
weitere Besprechung, wo ihm dazu Gelegenheit geboten wird; 
dagegen hat er diese Frage, wenn auch kurz, in dem Artikel 
* Über Standpunkt und Methode der attischen Demenforschung' 
S. 3 behandelt. Ich bin aber der Meinung, dass eine etwas 
genauere Prüfung und Sichtung dieses Inschriftenmaterials, 
eine möglichst genaue Auswahl des wirklich brauchbaren, 
zur Erzielung besserer Resultate bei Ansetzung der Demen 
und ihrer Gruppirung in Trittyen sehr von Nutzen sein 
würde. 

Bei der Bedeutung, welche die Trittyen, die drei geschlos- 
senen Gruppen von Demen einer Phyle, als natürliche Unter- 
abteilungen der Phylen, gerade auch bei der Wahl einer gros- 
sen Zahl der Phylenrepräsentanten gehabt haben müssen, ist 
es zu erwarten, dass man diese Unterabteilungen in den Ver- 



DIE TRITTYEN UNO DEICEN ATTIKAi 3S7 

zeichniMen berücksichtigte und die Repräsentanten der Phyle, 
welche aus einem Teile Attikas stammten, zusammen nannte. 
Und in den Verzeichnissen der Mitglieder des Rats, in wel- 
chem die Trittyen auch, nach 'AOyivatwv FIoXit. 44, ihre Be- 
deutung bewahrten, muss es zu irgend welcher Zeit Regel ge- 
wesen sein, die Vertreter der Trittyen in je einer Columne zu 
verzeichnen. Denn der Umstand, dass in allen solchen Ver- 
zeichnissen des vierten Jahrhunderts, wie auch in dem einzi- 
gen des fünften regelmässig drei Columnen wiederkehren*, 
spricht sehr für diese Annahme. Dazu sind noch in einem 
Falle (C. /. i4. II, 871) die Bezeichnungen der Trittyen am 
Anfange der Columnen angebracht worden 2. Bei den drei an- 
deren Prytanenverzeichnissen derselben Phyle, der Pandionis 
{C.LA, II, 865. 873 und AeXtiov 1889 S. 18), kann man 
auch mit grösster Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Trit- 
tyen berücksichtigt worden sind. Dasselbe können wir ver- 
muten von dem einzigen Prytanen Verzeichnisse der Kekropis 
(C. /. A. 11, 866), von dem wir leider nur ein zu kleines 
Fragment besitzen ; in der ersten Zeile der dritten Columne 
desselben ist gewiss zu lesen MeXi[TY)(;], der Name des Haupt- 
demos der Stadttrittys, nicht ein Name irgend eines Pryta- 
nen, wie Köhler annimmt. Weiter kann man fine solche Be- 
rücksichtigung der Trittyen nachweisen in der Prytanenliste 
der Leontis C. I. A. W, 864 und dem Fragmente einer solchen 
Athen. Mittheilungen X S. iü6, dann in der Prytanenliste 
der Antiochis C, I, A. \l, 869 und vielleicht in einem noch 
unedirten Fragmente einer Prytanenliste der Oineis. 

Da aber die Trittyen wenigstens einiger Phylen mit der 
Zeit sehr ungleich an Grösse geworden sind und deshalb auch 

* Eine Ausnahme scheint nur CI.A. II, 873 zu sein, doch ist die Inschrift 
sicher unvollständig und nur aus der Cupie von Spon bekannt; mit Recht 
erhebt deshalb Köhler Zweifel an der richtigen Wiedergabe der auf dem 
Stein vorhandenen Verteilung. 

2 Man wird jetzt nicht nriehr in Betreff der Bezeichnung der Trittyen seine 
Zuflucht zur Annahme Köhler's (Athen. Millh. VII, 110) zu nehmen brau- 
chen, dass die Prytanen in diesem Falle um eines mit der Trittyenteilung 
zusammenbAngenden GescbAfts willen bekränzt worden seien. 



338 BIE TRITTYK-V t!NP DEMEN ATTIKA& 

die Zahl ihrer Repräsentanten im Rate verschieden wurde, so 
war man f^enötigt die Art der Einschreibung der Ratsmit- 
glieder, bei welcher in jeder Columne die Namen dei* Pryta- 
nen nur einer Trittys verzeichnet wurden, aulzugeben, da sonst 
die Coluranen sehr unjileich an Lange geworden waren, was 
man schou der Raumersparniss wegen vermeiden niusste. IJie 
traditionellen drei Coluninen behielt man bei. griff aber ent- 
wciler zu einer künstlichen Anordnung der Demen der ver- 
schiedenen Tritlyen, was wir in den Inschriften C. I.A. Ilf j 
b69. 865, vielleicht 87b, AiItiiv 1889 S. 18 und mügliclier- ; 
weise auch C. f. A. I, 338 bemerken, oder sali von der Ein- t 
teilung in die Trittyen ganz ab. wobei manchmal vielleicht i 
Nachlässigkeit bei Zusammenstellung des Verzeiehnisses mit- 
wirkte, manchmal aber der Wunsch, durcli besondere Stellung > 
itn Verzeichnisse einige Demen hervorzulteben. Aus diesem 
Grunde sind ausser denzu kleinen Fragmenten auch einige ganz 
oder doch ziemlich gut erhaltene Prylaneninschriften des vierten 
Jahrhunderts v. Chr. für unsere Zwecke unbrauchbar, so lange 
man wenigstens die Art der Zusammenstellung der Demen 
in jeder einzelnen dieser Inschriften nicht erschlossen hat. Ks 
sind dies die vollBtändige Prylanenlisfe der Oineis C. I. A. II 
868 und alle drei der Aigeis C. I. A. II 32'.. 870. 872. Die 
Prytaneninscbriften aus der Zeit der XII und XIII Phylen 
können, da die Triltyen damals schon sehr zerschnitten waren 
und jede Redeutung verloren hallen, kaum irgend weiche Re- 
deulung für uns hüben; doch kommen auch in diesen späten 
Verzeichnissen einiger Phylen (so der Ereclitheis und Pandio- 
nis) scheinbar Gruppirungen der unter einander örtlich ver- 
bundenen Demen vor. 

Aus der Zahl der übrigen Verzeichnisse, die zum Teil auch 
mehrere Phylen enthielten, sind, soviel mir bekannt ist, mit 
Rerücksichligung der Gruppirung der Deinen nach Trittyen 
zusammengestellt: das für die vier letzten Pliylon erhaltene 
Diäletenverzeichniss (?. /. A. II, 944 und das \'erzpiclmiss ir- 
gend welchen Co!legiums(?} von Personen der ErechlheisC/./l. 
II 945, vielleicht die schlecht erhaltene Ephebenliste Athen. 



bm TRltTYEN UND DEMEN ATTiKAS 339' 

Mitth:lV S. 324 f. ^ und von den Catalogi generis incerti viel- 
leicht C././4. 11 1001.1006.10?8.1049. Die Demenliste C./.i4. 
11, 991 ist für uns von grosser Wichtigkeit. Leider lässt uns 
die schlechte Erhaltung der Inschrift ganz im Dunkeln wie 
über den Zweck ihrer Abfassung, so auch über die Zahl und 
Auswahl der Demen jeder Phyle, welche in dem Verzeichnisse 
Platz fanden. Urteilen wir aber über die Art der Zusammen- 
stellung der Demen in dieser Inschrift nur nach dem, was in 
ihr jetzt noch zu lesen ist, so spricht nichts gegen den Schluss, 
dass die Gruppirung nach den Trittyen, wie auch übrigens zu 
erwarten ist, hier überall beobachtet worden sei, und ich 
glaube, wir können an diesem Schlüsse fest halten, obgleich 
wir dadurch genötigt sind anzunehmen, dass bei einigen Phy- 
len sehr viele Demen, welche ihnen sonst angehörten, in der 
Liste nicht verzeichnet waren. Wir wissen aber nun einmal 
nicht, zu welchem Zwecke die Liste hergestellt worden ist. 

Alle übrigen demen weise geordneten Personen Verzeichnisse 
sind, so viel ich sehe, für die Auffindung der territoriellen 
Demengruppen ohne Wert, entweder weil sie zu wenig De- 
men von einer Phyle enthalten, um die Art ihrer Zusammen- 
stellung erkennen zu lassen, oder aber weil deutlich ist, dass 
die Demen durcheinander ohne Bewahrung des topographi- 
schen Zusammenhangs aufgezählt, die Trittyen gar nicht be- 
rücksichtigt sind. 

Milchhöfer begnügt sich, einzelne kleinere Gruppen von De- 
men aus der Mitte der Verzeichnisse ohne Rücksicht auf die 
Art ihrer Zusammenstellung herauszugreifen und, wenn unge- 
fähr dieselben Gruppen in mehreren Inschriften vorkommen, 
sie als Beweis eines topographischen Zusammenhangs zwi- 
schen den betreffenden Demen heranzuziehen. Ich meine aber, 
dass solche einzelne Gruppen inmitten durcheinander gewor- 
fener Demen von keiner grossen Bedeutung für uns sein kön- 



^ Es ist die einzige Epbebenlisle, so viel mir bekannt. welche demenweise 
geordnet isl; in den übrigen werden Personen verschiedener Demen einer 
Phyle durcheinander verzeichnet, weshalb diese Verzeichnisse für unsere 
Zwecke ohne Werl sind. 



Mfl lUB TBtTTTBM ü^b DBHBN AtTIKA* 

Qta. bewndera da doch solche Gruppen selten auf eine geoQ- 
gende Zahl von Demen sici] erstrecken und in einer ^eiiU* 
^eaden Anzahl von Insehriden wiederkehren; es ist aUo dabei 
immer die Möglichkeit vorhanden, das ZusaniRientreQeQ der 
in Frage stehenden Demen aU blossen Zufall anzusehen uad 
sie nicht mit einander, sondern getrennt mit den verscliicds- 
nen vorangelienden oder folgenden Demen zu einer Gruppe xd 
vereinigen. Man kann sieh auf die Angaben der Inscbriflen 
dieser Art, meiner Ansicht nach, nur dann verlassen, wenn 
man sie in ihrer Gesamtheit unlergucdt und sich dabei über- 
zeugt hat, duss das ganze Verzeichntss mit ßerUcksichtigung 
der Trittyeneinteilung zusammengestellt ist ; für uns genügt 
dafür, zu erkennen, dass sich im ganzen Verzeichnisse einer 
Phyle gegen dies Prinzip kein Fehler (welcher nicht irgend] 
welche genügende Erklärung finden könnte} nachweisen lässt. 
Nach solcher Prüfung aber gewinnen wir. glaube ich, so zun] 
Verteilung der Demen einer Phyle in die drei Trittyen eitt 
Hülfsmittel ersten Ranges, besonders wenn wir für eine Phyli 
zwei oder mehr solcher Verzeichnisse zusammenstellen kön- 
nen. Diejenigen Inschriften aber, in denen man auch nur ei- 
nen Fel)ler gegen die Grupplrunp nach Triltyen nachweisen 
kann, erregen Verdacht auch für die übrigen Teile des Ver- 
zeichnisses, und wir ziehen es vor, ihre Angaben zu verwer- 
fen, selbst wenn sie zu den Angaben der erstgenannten In- 
schriften nicht in direktem Widerspruche stehen. 

Ich werde am Ende der Besprechung der Trittyen jeder 
Phyle die Angaben, welche wir den Inschriften entnehmen 
können, zusammenstellen. 

Somit gehe ich zur Betrachtung der einzelnen Phylen über. 



1 



DU TfiiTTmm wm demin attikas 34! 

Erechthe» (Milohhöfar S. 11*13). 

In dieser Phyle beschränkt sich der Unterschied in den Re- 
sultaten, zu welchen ieh im Vergleich zu Miichhöfer gekom- 
men bin, auf einige Einzelheiten. Denn von den 11 Demen 
dieser Phyle sind 4 schon lange in drei verschiedenen Gegen- 
den Attikas angesetzt, und da 4 andere sich mit Leichtigkeit 
an diese anknüpfen lassen, bilden sich drei deutliche Grup- 
pen. Die des Stadtgebiets besteht aus 'AypuXT) und wahrschein- 
lich SyiiL0L<6<;. Dass dieser letzte Demos in der Nähe der Stadt 
lag, hat schon Hanriot {Recherches sur la topographie des 
demes de VAttique S. 69) aus Andokides 1,17 geschlossen 
(seine weiteren Ausführungen zur näheren Bestimmung der 
Lage des Demos haben indess keine Bedeutung); Themakos 
rauss also in der Nähe von Agryle im Osten oder Südosten 
der Stadt gelegen haben. Die Demen 'AvayupoC;; und AapLWTpai, 
zu denen auf Grund der stattlichen Zahl der in der Nähe 
von 'AvayupoC? gefundenen Grabinschriften Euwvu[/.ov hinzu- 
tritt, dann auf Grund des einstimmigen Zeugnisses mehrerer 
inschriftlicher Kataloge und zweier aus der Gegend von Aafx- 
Tcrpai und Umgebung stammenden Grabinschriften Kr.Soi, end- 
lich die mit diesen 4 Demen in den Katalogen verbundenen 
na(ji6«»Tdi$ai, bildeten die Küstentrittys. Krjfttrix am Südwest- 
fusse des Pentelikon und am oberen Laufe des Kyi^ktöi; be- 
zeichnet die Lage der Binnenlandtrittys. 

Von diesen 8 Demen sind Omjxa^o;, Ila(ji6ü>T^Sdct, Ky)Soi und 
auch Euü>vu;xov nach ihrer Lage nicht genauer zu bestimmen ; 
denn auch die Stelle, wo Miichhöfer diesen letzten Demos 
ansetzt, kann ich nicht als zutreffend anerkennen. Wie er jetzt, 
so habe auch ich mich durch die 6 Grabinschriften der Euo- 
nymeer, welche auf der Strecke zwischen Tpa^^ovg; und B&pi 
zum Vorschein kamen ^ dazu bewegen lassen, diesen Demos 



« Michhöfer Antikenbericht 735 (=(7. /. A. II. 2050). 745. 747 ( = t7. 7. A. 
II, 2057). 772. CJ.A. II, 2064.— (7./. i4. II, 2069 braucht nicht aus dieser Ge- 
gend zu sein, dagegen habe ich im Dec. 1891 vor der Kapelle 'Ay. Nix<{Xao9 



aiE Ta i rr m nm deiib^ attikas 




gaaz bestimmt in die Trittys von Aoa^yrus und Lamptrai zu 
verle^D. Dotrh »laute ifh nicht, dase die AufTindung von 
fünf dieser Ittschrillen «ctllith Tom Hymeltos (nur Nr. 778 i 
des ADlikeoberichts stammt aas der Ges;end nördlich voik 
Bzsi I auch die Läse des Demos verlieh >om H}'meltos voraus- 
setzt. [)er llvmetiosrücken wird wol die Grenze zwischen den 
Röstenlriltyen'der Ererhlheis im Osten und Rekropts im We- 
sten gebildet haben. Die deutlichen Spuren eines Demos bei 
'AJLuu. hl «eichen Milchhöfer Euonvmon erkennt, gehören 
meiner Ansicht nach dem Demos 'AVx- Ai;w.zai. welchen 
Hilcbhüfer zu weil nach Weslen wtzt, ebenso wie Ai^ww!. 
Wenipsters muss das Gebiet von 'AXzi sich tansE der Küste 
bis an das Cap Zoider erstreckt haben, da nach Stephanos von 
Braoz (s- V. Z«*sTTp) die 'Aizut; dort das Heiligtum des 
'AT:iilfwip ZwiTT»:;«! hatten. Es kann sein, dass der Demo« 
E-Jwvja-i» im Passe *on Vari selbst oder unmittelbar bei sei- 
nem we^lichen Ausgange* Rainen bei Käst^^und ni>aiiyüpt, 
beschrieben von Milchliöfer, Te\t zu den Karten von Atlika 
Ill-Vi S. 17) srcb befand', da er sich aber in keinem Falle 
bis an die See erstrecken konnte, so bleibt hier zu wenig Platt 
für ihn und man muss eher annehmen, da&s er el>enso«ie die 
übrigen Demen derselben Trittvs östlich \nm Hymetlos gele- 
gen hat. Ich habe für diesen Demos die Gegend nördlich von 
Bifi und dem Passe voraeschlasen, wo i nach .Milchhöfer bei 



n Grabcippu* ilic sehr ■ 



E Y J 



ras ücmotikon EJw]-.v{:j]ei; i-t sicher, der Mann kann lielloielii \:oTxo\jy:- 
Br,;--T|:oj I D-ier --i(oj oiier auch --^•.['l\■>J^i' \ Ci-hei--'ii li.il.eii. Ein --o; 
A:nna.,:J.'.o\.,] El-.^-^'i-iJi komml in .Irr Iriiclirift Aihen. Mjllh.lVS ;i3|1 vor; 
simsl, neun ich il.is A rn <ler er-len ZimIc richliir ckaniil h^ilic «irJ >oin 
Nan»e vielleirhl ^]ij::[5]7„-, T]i-?;[?!r,; uiler ahnlich üelauicl h.ih.-n. 

• lien Schiu>s Miciihüfer's, welchen er aus liom Namen ■li'> Demos her- 
eilcl. er habe * links von dem grossen Wejie nach Vari ' gelegen, kann man 
Ikaum ernst nehmen. 



DIE TBITTYEN UNO DEMBN ATTIKA8 343 

Chlroma nordwestlich Vari: die Gegend ist mir nicht be- 
kannt) eine der Grabinschriften der Euonymeer gefunden wor- 
den ist, die einzige aus dem Osten des Hymettos (Antikenbe- 
richt Nr. 772). 

Es bleiben noch drei Demen der Erechtheis, denen man 
ihre Stelle iii einer der uns schon bekannten Trittyen anwei- 
sen muss : nspyaiT), SuSpiSxt, 4>r)yo0;. Ich setze alle drei in die 
Binnenlandtrittys und zwar zuerst nipyoLfjii, dessen Lage jetzt 
ziemlich genau aus Aristophanes Rittern V. 321 bestimmt wer- 
den kann. Demosthenes klagt dort über die Betrügereien des 
Kleon, welcher faules Leder stellt: 

)cifjL£ toCt' iSpa^re TauTOv vy) Ai' wfjTe xxT&yeXwv 
Trpiv yap etvat HgpyaGYidiv fveov iv Tai? ifxßiitv. 

Man hat gewöhnlich aus dieser Stelle geschlossen, dass Per- 
gase nahe bei Athen gelegen haben müsse, wenn Demosthenes 
behauptet, seine Schuhe hielten nicht einmal bis Pergase aus. 
Darum setzt Milchhöfer diesen Demos in die Stadttrittys in 
die Nähe von Agryle. Doch ist die Nähe von Pergase bei Athen 
nach dieser Stelle keine absolute, sondern eine relative, im 
Vergleiche nämlich zu dem Ziele des Weges, welchen Demo- 
sthenes in seinen neuen Schuhen zurücklegen sollte. Er ging 
aber in seinen eigenen Demos; dahin gelangte er in zerrisse- 
nen Schuhen da er anders nicht * seinen Gaugenossen zum 
Gelächter dienen' konnte. Als Demos des Feldherrn Demo- 
sthenes ist jetzt aus C. 1, A, I, 273 Aphidna bekannt. Pergase 
lag also am Wege von Athen nach Aphidna, der Stadt viel 
näher, als dieser letztere Demos, sagen wir halbwegs. Wir 
werden so gerade in die Gegend von Kephisia geführt, an der 
vorbei, längs dem nördlichen grossen Zuflüsse des Kephisos 
der Weg nach Kapandriti- Aphidna führt. Hier in der Bin- 
nenlandtrittys der Erechtheis noch vor dem Eintritt des We- 
ges in die Berggegend muss der zweiteilige Demos Pergase 
gelegen haben. Was die beiden Grabinschriften anbetrifft, 
welche Milchhöfer als Stütze seiner Ansetzung von Pergase in 
der Nähe von Agryle anfuhrt, so passt die ungenaue Angabe 



r 




DIB miTTTEN UND DEMKK ATTIK*« 



der FundBleUe der einen (C /. A. H 9467) nicht panz zu der 
Gegend, wo wir die Stadltrrtlys der Erechlheis ansetzen müs- 
sen (mehr östlich ak südlich von Athen)'. Bei der anderen 
(C. f. A. II. 4329), wenn auch die Identität der zwei von den 
drei darin ohne Demotikon genannten Personen mit den aus 
anderen Inscliriften bekannten Per^aseern desselhen Namens 
wegen der Seltenheit des Namens öocliafyo? (ein Öa^iap^o? 
vielleicht derselben Familie kommt auch in der Inschrill j 
C. I. A. I, 433 im Verzeichnisse der Ereehtheis vor) wahr-1 
scheinlich ist, muss doch Milchhöfer eine etwas weite Ver- 
Bchleppunit annehmen ; dagegen sind einzelne Fälle der Be- 
stattung anch mehrerer Personen derselben Familie in einem 
fremden Demos gar keine Seltenheil. J 

Mit der Einsetzung von Pergase in die Binnenlandtrittys ] 
bekommen wir aber auch weiter einen wichtigen Anhaltspunkt 
für die Benutzung des die Erechtheis betreffenden Teiles der 
Inschrift C. f. A. II 991 und für die Beurteilung der Lage 
der Demen Sj€piSai und 1>t)yoüc. Dieser letztere Demos scheint 
auch Milchhöfer nach den Katalogen (C. f. A. II 943. 470. 
471. III 1019) und mir auch seinem Namen nach, welcher 
eine baiimreirhe Gegend erfordert, mit Kephisia verbunden 
werden zu müssen; über Sybridai weiss Milchhöfer nichts zu 
sagen . 

Das Verzeichniss der Demen der Erechtheis in der ersten 
Columne der Inschrift C. I. A. II, 991 schliesst mit den vier 
Demen Wia-^a-irr; xaSüitipÖ., nspyaTv; CxEVEpö.. SuSpiSat, ^nyoC?. 
Vor ihnen stehen fünf Demen, welche wir mit Milchhöfer der 
Küstentrittys zuteilten (Aay.xTpai xaQ'jjrip. und ü-tvipö. Kr.fiot, 
najißuTiSai, E'!.uvufAcv) und den sechsten, 'Avayvpoü?, dürfen 
wir mit Sicherheit (s. unten) in der ihnen vorangclienden 
Zeile annehmen. Vor diesen waren die beiden Demen 'Ayp'A'yi 
xaöOxepö. und 'jTiEvtpO. genannt. Vor 'A-j-piA-fi KaOü^EpOtv sind 
noch höchstens drei Zeilen ganz verwischt, eine von ihnen 



■ Auch hat die Insctirift, als gerunden in der Nahe der Sladi, kauoi topo- 
graphische Bedeutung. 



OIB TRITTTBN UNO OEMBN ATTIKA» 345 

muss durch den Namen der Phyle eingenommen gewesen sein. 
Von den uns sonst bekannten Namen der Erechtheis fehlen 
noch 0T)uxx6? und Kvicptdia. Doch gehörte ersterer Demos zur Zeit 
der Abfassung der Inschrift zur Ptolemais. Vom zweiten könn- 
te man annehmen, er habe an der ersten Stelle zwischen den 
Demen der Erechtheis gestanden. Aber in allen Verzeichnis- 
sen auch anderer Phylen in dieser Inschrift, deren Anfang 
noch erhalten ist, stehen die Demen der Stadttrittys an erster 
Stelle und werden die Gruppen der Demen einer Trittys durch 
andere Demen nicht unterbrochen. Nehmen wir also an, dass 
auch das Verzeichniss der Demen der Erechtheis erst mit 
'Aypu^y; xaöÜTcepöev anfing und dass Kr)(pi(ita also im Verzeich- 
nisse gar nicht genannt war (wir wissen nicht aus welchem 
Grunde), so ist sehr wahrscheinlich, dass auch hier die De- 
men trittyenweise gruppirt waren: erst die der Stadttrittys 
\^ 'Aypu^Y) )ca9. und uTigv.), dann der Küstentrittys von 'Avayupoö; 
bis Eub)vu[xov, zuletzt der Binnenlandtrittys IhpyaoY), 2]u6pi$ai, 

Wenn so auch der Demos SußptSai in die Nähe von Kephi- 
sia kommt, so dürfen wir zur genaueren Bestimmung seiner 
Lage noch einige Schritte machen. Mit Recht hat schon Han- 
riot (S. 218) mit dem Demos Sybridai den nur einmal gele- 
gentlich bei Plinius genannten (N. H. XXXVII, 35) Siberus 
(oder Syverus) Atticas flumen in Zusammenhang gebracht. 
Die weiteren Auseinandersetzungen Hanriot's haben keine Be-^ 
deutung : wir dürfen den Fluss über ganz Attika suchen. Wenn 
wir nun für Sybridai die Trittys von Kephisia gefunden ha- 
ben, welche durch die uns besser bekannten Demen der an- 
grenzenden Trittyen ziemlich genau als das Gebiet nordwest- 
lich von Kephisia bestimmt wird, so ist es ganz natürlich, den 
Sy beruh in einem der Zuflüsse des Kephisos, vielleicht in dem 
nördlichen Hauptzuflusse zu suchen, welcher gewiss die Nord- 
westgrenze der Trittys bildete. Denn Sybridai wie auch Per- 
gase und Phegus müssen zwischen diesem Bache, dem Ober- 
laufe des Kephisos selbst (des Baches von Kephisia), dem 
Westende des Penteiikon und der Hügelkette von M7;ouyiaTi| 




DIB TBITTl'EN DSD DEMEX ATT1KA3 

wpiclie Penteltkon und Parnes verbindet. ge!e}ien haben. Dazu 
komml noch der Unastand. dass die Gegend am Oberläufe 
dieses Baches nach Leake ' den Namen Fasidero führt, wel- 
cher möglicher Weise aus X'j€tfi{t;) entstanden ist. Es liegt 
nalie, den Demos Svbridai an den Quellen dieses Baches also 
etwa bei Bugiati anzusetzen. 

Auf diese Weise lassen sich alle Demen der Erechlheis we- 
nigstens unter die drei Trittyen ziemlich sicher verteilen. 

Die Inschriften, auf welche wir bei der Verteilung der De- 
men der Erechlheis unter die Triltjen uns gestüzl haben und 
stützen dürfen, erweisen sich als brauchbar für unsere Zwecke 
wie durch die gleichartige mit einander und mit dem Dcmen- 
verzeiiihnisse C./.A. II. Ö91 stimmende Gruppirung der De- 
men. so auch durch den Umstand, dass in keiner von ihnen 
diese Gruppen durch einen Demos unterbrochen werden, wel- 
cher aus irgend einem Grunde zu einer anderen Gruppe gehö- 
ren niuss. Es sind ausser dem Demenverzeichnisse ausnahms- 
weise der diese Phjle betreffende Teil der Dialetenliste C.I.A. 
11, 9'tH, eine nur zum Teil erhaltene Liste eines unbekannten 
Collegiums C.I.A. II, 945, ein kleines Fragment der einzigen 
nach Demen geordneten Ephebenlisle Athen. Mitth. I\' S. 330 
Fr. g., eine unvollstündige Prytanen liste aus der Kaiserzeit 
C. l. A. 111, 1020. Aus Zusammenstellung und Vergleichung 
mit diesen Inschriften können wir auch in den Prytanenin- 
Bchriften C. I. A. III. 1019 und 1, 338 dieselben Demengrup- 
pen erkennen, obgleich in der ersten zwei Abweichungen von 
der streng durchgeführten Anordnung der Demen nach Trit- 
tjen zu constatiren sind, in der zweiten die Demen, wie es 
scheint, zwar nach den Tritlyen gruppirl. aber in unge- 
wohnter Weise auf die drei Columnen verteilt waren. Denn 
da die Küsten tritlys der Ereclitheis schon zu dieser Zeit 
(408 V, Clir.) bei weitem die grüsste war und also die grösste 
Zahl von Prylanen sleüte, die Stadttrittys dagegen am we- 



• Leake, Deutsche Ütterseliung S. 127 (vergl. die Karle); aueli Milclihö- 
fer kejinl Jen Namen ( Deinenonlnung des Kleivlhones S. 30 )- 



DIE TRJTTYBN UND DEMEN ATTIKAS 347 

nigslen vertreten war, so überliess man für die Angehörigen 
der Küstentrittys, so viel man aus dem Erhaltenen ersehen 
kann, nicht nur die ganze erste Columne sondern auch den 
grössten Teil der zweiten, setzte aber in den Anfang der zwei- 
ten Columne einen Teil der Prytanen der Stadttrittys ( Demos 
'AypuXy) xaOüTTgpögv), deren anderer Teil nicht unter ihnen, 
sondern neben ihnen im Anfange der dritten Columne stand 
( 'AypuXy; u7r£V6pÖ£v), SO dass die Demen der Binnenlandtrittys 
die dritte Columne nicht von Anfang an besetzten. 

Milchhöfer nennt noch zum Beweise, dass die in ihnen ne- 
ben einander aufgeführten Demen zu einer Trittys gehörten, 
einige Ephebenlisten : CI.A, II 324. 467. 470. 471. Ich 
halte sie aber für ganz unbrauchbar für diesen Zweck, da 
darin die Angehörigen einer Phyle nicht demenweise gruppirt 
werden nnd so zwischen den Angehörigen eines Demos sehr 
oft Personen von verschiedenen anderen Demen genannt sind. 
Wenn man es also in diesen Listen für unnütz oder unbequem 
hielt, die Angehörigen eines Demos zusammen zu nennen, wie 
viel weniger können wir erwarten, die Angehörigen nachbar- 
licher Demen absichtlich neben einander genannt zu finden? 
Und wirklich steht in der Liste C. L A, II, 867 z. B.ein Ephe- 
be d)c Kt,Sü)v zwischen den Aa(X7wTp6C;, der andere zwischen 
zwei KTri<pi(ii6i?, und so öfter. 

Wir stellen nun die Demen der Erechtheis, wie sie in den 
sieben oben genannten Inschriften aufeinanderfolgen, zusam- 
men. Besserer Übersicht wegen erlaube ich mir geschlossene 
Gruppen von Demen, welche meiner Ansicht nach den ein- 
zelnen Trittyen entsprechen, in näherem Anschluss an C.LA. 
II 991 gelegentlich auch umzustellen. Durch die Ziffern, wel- 
che in Klammern neben den Demennamen stehen, wird die 
Zahl der Personen aus dem betreffenden Demos bezeichnet. 



348 DIB TBITTTBN UNO DBMBN ATTIKAt 

C. /. A. II. 991 0. 1. A. II, 943 C. l. d. II, 945 Athen. Mitth. IV 8. 830 g. 



1, 3. ['EpixettSo^l I, 3.'E[p]ix0i»«<K Jill. i. ['BpixetiSo«) 

[•AypuXii wfhin.] 3. ['ATP«^^eiyx«adic.?]»(2| 

5 .['A7puXJ)&ic<]vi.< 6. ['AtIp^M^I^^ ^»^^^ ] H) 

['AvaYu]p[oGc] > 5. Ix Ki)So&v 

[Aa(i]rT]pal xaOiSicfp. 4. AajAirrpitc (3) 7. Aa(Dr;pt[6{] 

[Aa|i9rrpal &9civtp. 9. Aa(urrpt[t^c] 

[Kti^o^ 8. Ix Ki)So&v (!) 
10. [na{A]6(i>t(£Sai 

[Eu](ivu(M>v 10. Eufi>vu(iifc (4) 41. Eufi>vu(i[fuc] 8. [EuHu|a[t€] (il) 

15.'Av«Yuprf«ioi(l) 13. 'AvfltyfüpiwK] ?0. ['AvarJwpflJflnoilS) 



[II]cpY«9)) xaOt&9Cfp. 
ntpya^)) Gn^vipO. 
[2]u6p{8«t 



15.^iiY0Ö[c] 



17. [Kiilfiaitt« (2) 1. Kii\[fvn»i^] 

3. Ki)ftauö[c] 
20. ♦ijYotJatoi (2j 



^^Köhler und Ross (Demen S. 1) geben 10 an und ergfinzen in dieser Zeile xaOuicip]- 
0(cv); ich glaube am Steine nur N E (am Ende der Zeile) gesehen zu haben. Die Ergän- 
zung x«0<Sicfp]0(fv| passt hier schon deswegen nicht, weil in der nächsten Zeile kein Gxtf- 
vspOcv folgen konnte, da hier am Ende der Zeile die Oberfläche des Steines noch ziemlich 
gut erhalten ist, aber keine Reste von BuchHtahen aufweist. 

3 Die Spuren des Oberteiles eines p p an der Stelle des sechsten Buchstabens glaube ich 
noch am Steine erkennen zu können. 

> Die Ergänzung des Demotikon ist nicht sicher, da in diesem Verzeichnisse überhaupt 
nur einer aus dem doppelten Demos Agryle vorkommen konnte; man kann auch, ohne 
die Annahme einer Gruppirung der Demen nach Trittyen aufzugeben, [07)(Aax£r(] vermu- 
ten, oder einen der Demen der Binnenlandtrittys (etwa KTjftaictc), welcher dann hier der 



DIB TRITTYBN UND DEMEN ATTIKAS 



349 



C. r. A. III, 1020 



C.I.Ä. 111,1019 



C. F.A. I, 338 



II, 9. Aa[i7:Tp6i5 (8) 11, 3. AapLirTpgt« (13) 



19. Euü)VU[l(£)t; (2) 

22.'AvaYüpaa[ioi] (1) 



17. na|x6ü>Ta8ai (6) 



24. 'Avayupaaioi (5) 
30. Sü6pC8Tj5*(l) 



II, 3.'ATpüXi^«xa9ü:c:(2) 
III, 3.'ATpuX7i{ 67c^[v:] (1) 

I, 3. [AapLJCTp^?] x[a6]ü7c: 
? [AapLTCTpii« Orclvsp:] 
? [na(x6b)T(£8ai] 
II, 6. Kti8oJ 

9.*Av]aYü[pdta]ioi 

14. E]ub)VU(A^$ 



I, 9. KTi^iaisT« (13) 



I, 3. Euü)Vü[i6Ts » (3) 

7. [KTioiai]«!« (19) III, 5. Kij^iaifj« 

9. nepYaafj? xa6[\5 : ] 
27. 4>TjYo6aio« (1) 11. XIspYaaff)« Ojc^v :] • 



einzige in dieser Inschrift vorkommende sein müsste. In der zweiten Zeile 
ist, wie auch in den Verzeichnissen anderer Phylen dieser Inschrift, ein 
Ephebe mit seinem Demotikon besonders, ausserhalb der demenweise ein- 
geschriebenen Ephcben, genannt gewesen. 

* Hier isl der SySpiÖTj; nicht an seiner Stelle hinler der Gruppe der Kü- 
stentriltys genannt. 

^ Die E'j(i3Vj(j.Ei( sind getrennt von den übrigen Demen der Kustentrittys 
genannt worden, weil aus ihrer Mitte der xi\i.iai ist und sie deshalb die er- 
ste Slelie im Verzeichnisse einnehmen solllen. 

* Das Verzeichniss ist nicht vollständig; vielleicht fehlen nicht nur einige 
Personennamen sondern auch Demennamen. 

ATHEN. MITTHEILUNGEN XVII. 24 




AiüKis (Milclihüfer S. l^i-lß). 
Schwerer ist esdieDemen der Aigeis auf die Trittyen zu ver- 
teilen, erstens weil diese Pliyle so viele kleine Deinen besitzt 
(die Zahl ihrer Demen ist 20), von denen mehrere scliwer 
oder gar nicht topographisch zu bestimmen sind, und zwei- 
tens weil uns bei dieser Phyle die Kalaloginsehiiften, welche 
in genügender Zaiil vorhanden sind, im Sliehe lassen. Trotz- 
dem stimmen Milchhöf'er's Triltyen der Äi<{eis mit den mei- 
nigen in der Hauptsache überein. In der Verteilung der De- 
inen unter die Trittyen gibt es zwischen uns keine Meinungs- 
verschiedenheit, ausser duss ich bei drei Demen: KvSavTiSxi, 
Mupp'.voörTo., TiiOpÄniot die Trittys zu bestimmen nicht im 
Stande zu sein glaube, Milchliöt'er aber nach früher ausge- 
sprochenen Bestimmungen der Lage von M'Jipiv[;'J7TÄ( hesser als 
MuppivoiJTTn ) und TtiÖpi-iioi diesen Deinen ihren Platz an- 
weist, dem einen in der Küstentrittys, dem anderen in der 
Binnenlandtritlys. Auch KvSxvriSxi sucht MilcbliÜfer in dieser 
letzteren. In derselben vermutet er auch den Demos "Epixtu, 
welcliep nacli dem, meiner Ansicht nach sicheren, Zeugnisse ' 
der Inschrift C- I. A. M, !t9I entweder zur Stadtlriltys oder, 
was auch mehr seinem Namen entspricht, zur KüslenLrittys 
gehören muss. 

Meiir zu bemeiken liabe icli über die Lage einiger Demen 
und die davon abhängende Gestalt der Trittyen. 

Die Stadtlriltys wird gebildet von den vier sicheren Demen 
Koiwvö; (°l):5tio;), Ka>'JTO;, AiöfAii«, 'AyxöXr, (itafJO-ipOiv und 
ÜTCEvtpOev), neben denen vermutlich noeli zwei Demen lagen 
'EijTiai* und \W~.'r,. Die Demen Koiwvi;, KoiXjTi; und A'.oaaät 
nehmen aueli bei Milclihüfer den Norden und Xoi'dosleii der 
Stadt und das hier angrenzende Gebiet ein, Kollytos bildet das 
Centruni. Nach Lrulustlienes (bei Slraho I. p. fiö) muss sieb 
Kollytos mit Melite irgendwo berührt haben : dazu hrauchl 
er aber nicht im Süden der AkropoMs gelegen ku baheu, son- 
dern die Gienze zwischen den beiden Demen kann eiwa liings 
dem Nordrande des Areopag gezogen werden, wenn dieser 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 351 

nicht auch schon zu Kollytos gehörte. Nord-nord-westlich von 
KoUytos erstreckte sich KoXwvö; "Itcttio;, welcher ganz zur Ai- 
geis gehörte ^ und östlich von Kollytos die auch mythisch mit 
ihm verbundene Diomeia am Südwest- und Südfusse des Ly- 
kabettos bis an den Ilissos. Da die Lage dieser drei Deraen im 
Norden der Stadt als ziemlich sicher angesehen werden darf, 
wird man sehr überrascht, den vierten Demos, Ankyle, im 
Süden der Stadt zu finden : die beiden Teile der Trittys sind 
in Folge dessen nur sehr lose verbunden, da der sie verbindende 
Strich zwischen den Demen KuSaSvivaiov und 'AypuXy) einge- 
engt wird, sie aber dann im Süden wieder eine grosse Aus- 
dehnung zum Hymettos hin bekommen muss. Milchhöfer 
überschätzt aber die Bedeutung der Worte des Alkiphron III, 
43, wenn er daraus, dass sich einige Herrn aus dem im Pei- 
raieus gelegenen STopayyiov ßaXavetov zu Wagen ei; to 'Ayxu- 
'kr^m TrpoadTciov begaben, folgert, 'AyÄÜX?) sei *eine Vorstadt 
nach dem Peiraieus zu* gewesen. Ich entnehme daraus nur, 
dass 'AyjcoXy) eine Vorstadt von Athen war, und da wir ande^ 
rerseits nur wissen, dass 'Ay^oX?) an 'AypuXy) grenzte und sich 
bis nahe zum Hymettos erstreckte, so fühle ich mich berech- 
tigt sie, entsprechend der Lage anderer Demen derselben Trit- 
tys, nördlich von Agryle anzusetzen, etwa längs dem Bache, 
welcher von Kaiaaptavy) herabfliesst (dem sogenannten Eri- 
danos). Durch'AyxuXY) führte der Weg von Athen nach'EdTiaia, 
w^enn wir die von Ross vorgeschlagene Textänderung bei Sui- 
das (s. V. Tptx69x>.o;), welche jetzt an Wahrscheinlichkeit nur 
gewinnt, annehmen. Dann muss 'EiTiaia östlich oder nord- 
östlich von Ankyle, also auch nach dem Hymettos hin, gele- 
gen haben. 

BaTY) hat man auch schon früher im Norden der Stadt ge- 
sucht, sei es auf Grund der Inschrift der Mesogeioi {C. LA. 



* Schon H. Sauppe, De demis urbanis (1845) S. 19 hal aus Androt. Fr.44a 
geschlossen dass KoXcovdc "Iirmo; der Aigeis angehörte; seine Vermutung 
ist gesichert durch die Inschriften CLA. II, 643. 644 (v. addenda) und 
dadurch, dass trotz Milchhöfer's Annahme weder der KoXcovdc der Leontis 
noch derjenige der Anliochis im Stadtgebiete gelegen haben können.. S.u. 



352 DIE TBITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 

II, 602), welche * nicht weit vom acharnischen Thore' ge- 
funden, zwei Namen von Angehörigen dieses Demos aufweist, 
sei es auf Grund der Zusammenstellung des jetzigen Namens 
IlaTYi^jta mit dem antiken Bar/iTi. Ich habe die letztere Ansicht, 
welche Dragumis ausgesprochen hat, angenommen; denn, 
wenn sie auch nicht vollkommen überzeugend ist, so kann 
man sie doch im Hinblick auf die Trittyen-Einteilung wol 
annehmen. Die Gegend von Patissia kann meiner Ansicht nach 
nur zur Stadttrittys der Aigeis gehört haben und ein beson- 
derer Demos wird hier wol anzunehmen sein, etwa oberhalb 
Patissia*s bei TaXar^i mit einer ziemlich reichen Quelle. Der De- 
mos Ilöptot, welchen Milchhöfer in Patissia ansetzt, kann auch 
in dem Sinne, welchen dieser selbst seinem Namen gibt, 
höchstens unten am Kephisos gelegen haben und dann nur 
am rechten Ufer, denn das Gebiet der Stadttrittys (nicht Bin- 
nenlandtrittys ; s. u.) der Akamantis, zu welcher dann die- 
ser Demos gehört haben müsste, kann kaum auch die Gegend 
zwischen Kephisos und Turkovuni eingenommen haben. Übri- 
gens setzt auch Milchhöfer, wie schon gesagt, den Demos 
Bäte in die Stadttrittys und zwar auf Grund der Kataloge. Von 
diesen nun hat zwar nur das Demenverzeichniss C. /. A. II, 
991 einen wirklichen Wert für uns, und in diesem stehen ge- 
rade die beiden zweifelhaften Demen der Stadttrittys *EcTtaia 
und BaTT) am Ende der Stadtgruppe der Demen, so dass sie 
mit den folgenden Demen der Küstentrittys verbunden werden 
können ; doch bewahren gerade in diesem Falle auch die mei- 
sten der übrigen Kataloge, welche für unsere Zwecke sonst 
wertlos sind, so einstimmig die Verbindung dieser beiden De- 
men oder eines von ihnen mit KoXwvö?, AtöjAeia oder KoXXuto?, 
dass auch ich sie mit Berufung auf dieselben Stellen, welche 
Milchhöfer anführt, berücksichtigt habe*. 

In die Binnenlandtrittys der Aigeis setzt Milchhöfer die De- 
men rapyr^TTÖ;, 'Epj^ix, 'I/.apia und llXwOcta als ganz sicher, 



' loh nehme nur die Inschrift 'I^vtju.. aoy t886 S. 13 f. aus, welche die 
Personen nicht demenweise gruppirt und deshalb keine Bedeutung für die 
Frage nach der Gruppirung der Demen haben kann. 



DIE THITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 353 

Tft6pi(Tiot und 'I(i)vtS«t auf Gr*und von Vermutungen und 'Epü 
xsta, KuSofVTtXai 'da die Paralia besetzt und die Zahl der städ- 
tischen Demen der Aigeis bereits sehr hoch ist'. Ich halte 
zunächst die Ansetzung der Demen 'Ixapta und FlXoOsta in 
dem hohen Thale am Nordostabhang des Pentelikon und Pap- 
yviTTo; am Südfusse desselben für sicher. Dadurch erscheint 
schon gleich die Binnenlandtrittys der Aigeis als ein Com- 
plex der Demen, welche beide Abhänge des mittleren Pente* 
likon und wahrscheinlich auch die Ebene an seinem Südfusse 
einnahmen. Die beiden scheinbar getrennten Teile wurden 
verbunden durch das Thal von Ka^iTta-Apa'pi, welches zu der 
Einsenkung des Berggrats zwischen ritpvx und Ma'jooßouvt hin- 
aufsteigt und so einen bequemen Weg in das nördliche Gebiet 
des Pentelikon bildet. Hier also auf dem Wege von FapyTiT- 
Toc nach 'Uapta müssen wenigstens noch zwei andere Demen 
derselben Trittys gelegen haben. Den Demos 'Epyta setzt Milch- 
höfer in -TuiiTa zu weit nach Süden als dass er mit den nörd- 
licheren Demen Plotheia und Ikaria zu einer Trittys leicht 
verbunden werden könnte. Er würde vielleicht noch dahin 
passen, wenn wir, wie es Milchhöfer bei der Ansetzung die- 
ses Demos dachte (Sitzungsberichte der Berliner Akademie 
18s7 S. r)5 f.), sehr grosse nicht niiher bestimmbare Com- 
plexe von fast nllen Demen einer Phyle anzunehmen hätten : 
für die Aigeis hat Michhöfer damals einen solchen Bezirk aus 
der Vereinigung der Gebiete geschaffen, welche sich jetzt als 
zum Teil angrenzende Trittyen des Binnenlandes und der Kü- 
ste erweisen. Die Demen aber, welche eine Trittys bildeten, 
müssen wir uns als en^er zusammenhängend vorstellen. Ich 
nahm daher an, dass teils im Altertum die Erchieer, welche 
in den bei Spata gefundenen Grabschriften, einer Hauptstütze 
für Milchhöfer's Ansetzung, genannt werden, hierher aus der 
nördlicher gelegenen Gegend kamen, teils vielleicht erst in der 
neueren Zeit die Steine selbst aus dem eigentlichen Demosge- 
biet verschleppt wurden*. In dieser Bichtung 4'/»'"" nörd- 



' Vun den drei Grabiaschrifteii und zwei Richleriafelclien ( Anlikcnhcricht 



354 DIB TRITTYEN UND DE&CEN ATTIKA.S 

lieh von Spata sind deutliche Spuren eines Demos vorhan- 
den ^ Diese Stelle, 4*"" östlich von rapyiQTTo; gelegen, dem 
südlichen Ausgange des Thaies von Kalisia gegenüber, ebenso 
wie Gargettos am Fusse des Pentelikon und an dem ihm ent- 
gegengesetzten Ende der kleinen fruchtbaren Ebene, und am 
linken Ufer desselben Flüsschens, welches bei TaptTo (=rap- 
yY)TT6<) vom Pentelikon herabfliessend, hier wahrscheinlich 
erst die westliche, dann südliche Grenze der Trittys der Aigeis 
gebildet hat^, passt ganz gut für Erchia, den grössten und 
wahrscheinlich auch den wolhabendsten der Demen der Ai- 
geis 3, nach welchem dann Gargettos die zweite Stelle ein- 
nimmt. * 

Nur 600™ nördlich von dem Punkte, wo ich Erchia ansetze, 
etwa 2*"" von dem genannten Bache entfernt und an einem 
seiner linken Zuflüsse sind wieder deutliche Spuren einer an- 
tiken VVohnstätte erhalten, trotz der geringen Entfernung von 
dem vorher genannten Orte wahrscheinlich einem weiteren 
Demos angehörend ^. Ich vermute, dass hier der Demos 'Iwv^ 
Sai lag. Denn dieser Demos muss in der Nachbarschaft von 
FapyTiTTÖ; und Kuöiopo; gesucht werden, wie schon Ross rich- 
tig daraus geschlossen hat, dass auch in Elis, nach Pausanias 
VI, 22, 7, diese drei Namen eng verbunden erscheinen^. Den 
Demos Koöripo?, welcher zur Phyle Pandionis gehört, setze 
ich auf den Höhen oberhalb des südlichen Ufers des von Fap- 
yYiTTÖ; kommenden Baches, eben in Spata an. 



Nr. 36-40), welche sich in Spata befindea oder von dort nach Athen gebracht 
worden sind, ist nur bei Nr. 36 Miichhöfer im Stande, den Fundort (* süd- 
lich Spata') zu bezeichnen. 

• Gegend BXi/6, s. Karten von AUika III-VI S. 3. 

2 Bei Ilanriot S. 192 heisst dieser ganze Fluss Baiana und ebenso (Ba- 
ianas) auf der Generalstabskarle von Griechenland. 

3 Nach der Statistik von Miichhöfer (Demenordnung des Kleisthenes S« 
9) nimmt Erchia unter allen Demen die vierzehnte Stelle ein, ihr folgt von 
den Demen der Aigeis Gargeltos an siebenundzwanzigsler. Vgl. Berliner 
Sitzungsberichte 1887 S. 54 f. 

* Gegend MaiptYYou, Karten von Attika III-VI S. 37. 
^ Ross, Die Demen von Attika S. 74. 



DFB TRITTTEN UND DEIfBN ATTIKA8 355 

Dagegen haben wir für den Demos Tctöpacioi keine rechten 
Anhaltspunkte, weder zur Bestimmung der Trittys, welcher 
er angehörte, noch zur lokalen Ansetzung. Denn aus dem 
rauhen Charakter seiner Einwohner und der Berühmtheit sei- 
ner Feigen folgt noch durchaus nicht mit Notwendigkeit, dass 
er in der Gegend von TaTccvTOda in der Nähe von 'Ixapta im 
hohen Bergthale gelegen haben muss, wie Milchhöfer an- 
nimmt, und vor ihm schon Hanriot (S. 168). In den ver- 
mutlichen Grenzen der Trittys von 'Ixacta und 'Epyia sind 
noch andere Stellen vorhanden, wo wir wahrscheinlich auch 
selbständige kleine Demen anzunehmen haben : so Swpiavi 
nördlich von Plotheia, Ka^wia oder Apa9t zwischen 'Ixapia 
und 'Iü)vtSat^ Der Demos TeiOpaGiot kann aber auch ebenso 
gut auf dem der Rüste zugewendeten östlichen Abhänge des 
Pentelikon gelegen haben, etwa bei NTaoO, r«poTJ^a)touXy) oder 
auch S'Aoxcpica*, also in der Küstentrittys der Aigeis, in de- 
ren nördlichem Teile wir nicht mit Sicherheit die Demen be- 
stimmen können. Aber da uns, wie gesagt, für die Binnen- 
landtritfys der Aigeis wirklich noch einige Demen fehlen, ist 
es wahrscheinlich, dass von den drei Demen der Aigeis, für 
deren Ansetzung wir keine Anhaltspunkte haben, wenn nicht 
alle drei, so doch ein Teil zur Binnenlandtrittys gehören; es 
sind ausser TgiOpactoi noch KjSavTtSat und M'jcc'.vo'jTxa. 

Dass diese Trittys die uns aus der Inschrift C. I. A, 11,1053 
bis jetzt nur dem Namen nach bekannt gewesene 'ETcaxpewv 
TpiTTo^ ist^, halte ich für sicher. Zwar haben wir nur wenige 



< Über diese Ortschaflen s. Karlen von AUika III-VI S. 59. 37. Dagegen 
braucht die Gegend Kouxouvapti (s. ebenda S. 57), wo Milchhörer jelzl 'ExaXij 
ansetzt (welche aber gewiss noch zu derselben Trittys wie nXciSOeia gehört 
haben wird) ebenso wenig einen besonderen Demos enthalten zu haben, wie 
'}'*aģvToaa. 

2 Über die OrtschaHen s. Karlen von AUika III-VI S. 38 f., 40. 

3 Denselben Namen hat auf dem Trillyengrenzstein aus Peiraieus Dit- 
lenberi^er (Hermes 1881 S. 188) hergestellt und seine Vermutung scheint 
durch die Copie von Milchhöfer (6'. /. A. iV, h\l b) bestätigt zu werden. Ich 
kann niicli aber mit d<ir Lcsung^der Z. 1-2: A]€[üp'] 'E;r[ax|p]£a)v Tpi[T]|Tt55 
nicht einverstanden erklären, weil der erste Buchslabe von Z. 2., wie auf 



356 DIE TRITTYEN UND DEIfEN ATTlKAg 

Nachrichten über die 'ETraxpci;, und von denen, welche wir 
besitzen, wissen wir nicht, ob wir sie auf die Trittys der Epa- 
kreer beziehen dürfen, oder darin die alte *Exa/.pia, eine der 
zwölf vortheseischen ttöXei;, f^emeint ist. Ich glaube aber, wir 
können voraussetzen, dass die Triltys ihren Namen von dem 
alten Verbände bekommen hatte, dass also bei der Bildung 
der Trittys dieser letztere, wenn auch vielleicht nicht in sei- 
nem vollen Bestände, doch wenigstens in seinem Kern, ihre 
Grundlage ausmachten*. Bei dieser Voraussetzung dürfen wir 
alle Nachrichten, welche wir über 'ETraxpct; und ETuaxpix be- 
sitzen, zur topographischen Bestimmung der beiden combini- 
ren und kommen dadurch zu einem sicheren Schlüsse^. In Bek- 
ker's Anecdota (1 S. 259) finden wir die Definition der 'Et:«- 
xpia als yj^poL tuXtjCiov T6Tpa7:6X6(i); x6i[i.6V7). Eine Berggegend 
in der Nähe der marathonischen TCTpdcTcoV.^, in welcher ein 
Bezirk mit dem Namen 'Ewaxpia liegen konnte, ist das Gebiet 



dem Steine deullich zu sehen isl, kein P gewesen sein kann. Die Oberfläche 
rechts oben von der Hasta ist recht gut erhalten und der unlere Teil der 
Rundung von P müsste noch sichtbar sein; es kann kein anderer Buchsla- 
ben gewesen sein als I oder vielleicht T. In Z. 1. konnte ich keinen Rest 
von dem Buchstaben nach P erkennen; Milchhöfer glaubt A oder E oder P 
zu erkennen. Sodann hat Z. I. vielleicht einen Buchslaben mehr ge- 
habt als die übrigen, da die beiden letzlen sichtbaren Buchstaben dieser Z. 
gegen die der übrigen etwas zurücktreten. So haben wir einen weilen Spiel- 
raum zur Wiederherstellung des Namens der unbekannten Triltys. Nach 
Analogie der gleichen Inschriften C. LA. I, 517 und IV, 517« nehme ich 
an, dass in Nr. 517 6 auch neben einander zwei Tritlyen derselben Phyle 
(Oineis) genannt waren und zwar zuerst die des Binnenlandes, dann die der 
Küste. Dann fehlt uns der Name der Trittys von *A/,apva(; diese lag am 
Parnes,und so habeich vorgeschlagen n[APN] |IEONTPI [TJ|TY^ zu lesen; 
der Name wäre gebildet von dem Stamme IIAPN, wie IlapvT)?, IlapvojVjIlap- 

va99d(. 

* Von den anderen ältesten Verbänden sind die xpiJcoXgl; in einer Triltys 
(IV b) beibehalten worden, die TcipaTioXsT; auf zwei Trittyen (IXc und III c) 
verteilt und die xeTpaxwjxot sogar auf drei (Vlla, Villa, IX a). 

2 Milchhöfer (S.16.47) zweifelt noch daran ebenso wie Ditlenberger und 
neuerdings auch E. Szanto (Hermes XXV S. 312-315); der Ictzlcre nimmt 
aus denselben Gründen, wie ich (s.S. 355AiJin.3) an, dass die im C. I.A. IV, 
517 6 genannte Triltys (welche er aber auch für die *E7iaxp£tüv xp. nimmt) 
die Binnenlandlrittys der Oineis sei. 



DIE TRITTYEN UND DEMBN ATTIKAS 357 

des Pentelikon und das daran nördlich anschliessende der 
östlichen Ausläufer des Parnes. Diese ganze Gegend ist, mei- 
ner Ansicht nach, unter die drei Trittyen des Binnenlandes 
verteilt gewesen (s. unten und die Karte): die der Aiantis,der 
Hippothontis und der Aigeis. Üie beiden ersteren, welche im 
nördlichen Teile des Gebietes lagen, enthielten schon als Kern je 
einen der alten zwölf Staaten, Aphidna undDekeleia. Es scheint 
mir nicht ratsam, ausser ihnen noch einen anderen jener Staa- 
ten oder den Hauptteil eines solchen in einer dieser Trittyen 
zu suchen, und da die Gebiete aller anderen Trittyen, ausge- 
nommen die Binnenlandtrittys der Aigeis, ausserhalb der Ge- 
gend, welche mit den angeführlen Worten gemeint sein kann, 
nachzuweisen sind, und wir keinen Grund haben noch einen 
Bruchteil von ihnen hier anzusetzen* (welcher auch zu klein 
und unbedeutend sein würde, die ganze Trittys nach ihm zu 
benennen), so bleibt nichts anderes übrig, als in der Trittys der 
Epakreer eben die Binnenlandtrittys der Aigeis zu erkennen. 
Es kommt hinzu, dass,wie wir aus der Inschrift C, L A. II, 
570 wissen, einer der Demen dieser Trittys, IlXcoOet;, in irgend 
welchem Verhältnisse zu den 'E-a^tpe-:; stand und ihrer bei 
den Opfern gedachte. Ob es die Angehörigen der Trittys 
sind, welche in der genannten Inschrift erwähnt werden, oder 
der Schatten des uralten politischen Verbandes, können wir 
jetzt nicht mehr entscheiden, aber auch im letzteren Falle ha- 
ben wir in der durch diese Inschrift gesicherten Thatsache 
eine weitere Stütze für unsere Voraussetzung. Endlich passt 
auch zu dem Begriffe 'E:ra>cpia so gut wie nur möglich die 
geographische Lage der Demen, welche die Binnenlandtrittys 
der Aigeis bildeten. In hohen Bergthälern bis 400" über dem 
nahen Meere lagen die Demen Plotheia, Ikaria und diejenigen 
unbekannten, welche die Stelle von KaXiata, vielleicht auch 
'PaTcevTO'ja und Apa(pt einnahmen. Dabei lagen sie auf beiden 



^ Milclihöfer keilt noch zwischen diese drei Trinken einen Teil der Bin- 
ncnlandliilt^s der Leuntis ein und versetzl hierher auch den Haupleii der 
Binnenlandlritlys der Anliochis; aher beides aus nicht genügenden Grün- 
den und meiner Ansicht nach falsch. 



358 DIB TRITTYEN UND DEIfEN A.TTIKA8 

Abhängen des Berges und unterhielten die Verbindung unter 
einander auf dem Wege, welcher über den Berggrat führte, 
so dass sie den Gipfel des Berges zu umkränzen schienen und 
seine beiden Abhänge beherrschten. Auch die drei zugehörigen 
Demen der Ebene lagen hart am F'usse desselben Berges * am 
Ende der Wege, welche von dem hohen Passe herabführten, 
und bildeten so die natürlichste Erweiterung des hoch gele- 
genen Bezirkes. Gewiss können wir jetzt nicht mehr unter- 
scheiden, welche Demen die urspüngliche 'Ewaxpix bildeten, 
welche später auf ihrem Gebiete neu entstanden oder erst 
künstlich durch die Hand des Reformators zu ihnen zuge- 
schlagen wurden*. 

Stephanos von Byzanz (s v. ST,j/.aj^iSai) nennt uns nach 
PhilochoroÄ einen Demos, der zur Epakria geliört haben soll, 
Sy)(AayiSat, den Demos der Antiochis. Hier ist aber unter Epa- 
kria durchaus nicht die Trittys zu verstehen, da die Binnen- 
landtrittys der Antiochis, zu welcher dieser Demos allein ge- 
hört haben kann und welche wir ziemlich genau zu bestim- 
men im Stande sind (s. unten), den Bedingungen nicht ent- 
spricht, welche der Namen 'ETuay-pta voraussetzen lässt. Ent- 
weder hat Philochoros hier den alten Verband gemeint, von 
dessen Hauptteile also der Demos SnfjiaytSai bei der Bildung 
der Trittyen abgerissen sein würde, oder es wurde mit dem 
Namen *E-axpta im weiteren Sinne auch das ganze Gebiet 
genannt, dessen Centrum die alte 'ETray-ptx bildete und des- 
sen Grenzen nicht ganz mit denen der Trittys zusammenfie- 
len. Die Sy)u.xytSai lagen, wie wir wol annehmen dürfen, eben- 



* Diese Demen (d. h. hauplsächlich VaLo^x-zoi und 'Ep/^Ja.) lassen auch 
Milchhöfer noch daran zweifeln, ob man den Namen *E7:axp(a der ganzen 
Trittys beilegen dürfte; es kann auch nicht anders sein bei seiner Ansetzung 
der 'l''px.-* in STcaxa weit von den Bergen, wobei ihr Gebiet in der grossen 
Ebene zu liegen kommt. 

2 Zu der Angabe bei Suidas und im Elym. Magnura ('ETwaxpiös? oder 'ETca- 
xTpiSe? TzoXeis) über die Dreizahl der xoXeis der 'E:caxp''a verhalle ich mich mit 
G. Gilbert (Allattische Komenvcrfassung, Jahrbücher für Philulugic Su[)|)le- 
menlband VII S. 204 f.) skeptisch, da meiner Ansicht nach die Verwirrung 
bei den beiden Lexikographen hier augenscheinlich ist. 



DIE TRITTYEN UNO DBMEN ATTIKAS 359 

falls am südlichen Abhänge des Penlelikon, westlich von Pap- 

Sechs Demen, welche Milchhöfer wie auch ich der Kü- 
stentrittys zuweisen, gehören |ihr ganz unzweifelhaft, nämlich 

^iXaiSat, 'AXal 'ApacprivtSe;, ^r,yoLioL, *Apa(py)v und 'Orpüvri. Nur 

MuppivouTTa, welche iMilchhöfer auch zu dieser Trittys rechnet, 
braucht ihr nicht anzugehören; sie erscheint bei Milchhöfer 
an der Küste und also in dieser Trittys nur deswegen, weil 
er im Verzeichnisse des Strabo MupotvoO;, mit welchem er 
nichts anzufangen weiss, durch MupptvoÜTTV) (besser wol Mup- 
pivo'jTTa) ersetzt. Ich halte Mipptvou<; bei Strabo für richtig, 
und habe daher gar keine Anhaltspunkte für die Ansetzung 
von MuppivouTTa*. Dagegen rechne ich bestimmt zur Küsten- 
trittys den Demos 'Epixeta, welchen Milchhöfer eher geneigt 
ist, in die Binnenlandtrittys zu versetzen. Ich stütze mich da- 
bei auf das Zeugniss^der Inschrift C. /. A. II, 991 , nach wel- 
cher er entweder zur Stadt- oder zur Küstentrittys gehört, sei- 
nem Namen nach aber und auch deswegen, weil die Stadt- 
trittys genug besetzt ist, eher in die Küstentrittys passt. 

Schwieriger als die Zuteilung zu der Trittys ist die genaue 
Bestimmung der Lage jedes einzelnen dieser Demen, und zwar 
trotzdem die Demenstätten selbst gerade in dieser Gegend dank 
den sorgfältigen Untersuchungen Milchhöfer's^ wol alle aufge- 
funden sind, und eigentlich in einer grösseren Zahl vorhan- 
den sind als die Demen, über welche wir für diese Trittys 
verfügen. So lassen sich etwa drei von diesen Spuren antiker 



* In nieiaeui russischea Aufsalze habe ich angenommen, Muppivoutta 
könnte wegen der Ähnlichkeit des Namens und also der Natur der Ortschaft 
mit der von MuppivoCf; in der nächsten Nachbarschaft von diesem gesucht 
werden, und habe sie daher in das kleine Thal zwischen Bpac&va und dem 
Gebiete von Sxeipia, wo auch viele antike Mauerresle vorhanden sind, an- 
gesetzt. Ich erkenne aber, dass die Gründe dazu sehr ungenügend waren. 
Die Mauerrestc brauchen nicht einem besonderen Demos angehört zu ha- 
ben (S. Karlen von Anika III- VI S. 8); dagegen gibt es im Gebiete der 
Binnenland- und Küstentrittys der Aigeis noch mehrere Deraenstätten, 
welche eines Namens entbehren. 

3 Karten von Attika III- VI S. 5 (unten). 8, 38-40. 



360 DIE TRITTYBN UND DEMEN A.TTIKA8 

Wohnstätten nicht als zu einer selbständigen Ansiedlung 
gehörig verstehen * . Die Frage nach der genaueren Ansetzung 
der Demen berührt Milchhöfer mit keinem Worte, aus seiner 
Karte ersehen wir aber, wie er sich dieselbe denkt. Darnach 
scheint er sich dabei hauptsächlich durch die Übereinstim- 
mung der antiken und modernen Ortsnamen beeinflussen zu 
lassen. So setzt er Bpaupwv bei Bpaöva. 'Apa^r.v bei *Pa^7;va, 
und ^nyoiix bei BcXaviSsC» (ö«Xav.Sii neugr. = <pr.Y6<) an. Aber 
dies Bpacäva heisst xarü) oder xatvoupta Bpawva und auch aus- 
ser der genannten Ortschaft BsXxv.ScJ^x kennt Milchhöfer selbst 
in einer Entfernung \on über 5^" südlich eine andere mit 
dem Namen TcaXaii Be^aviSti^a. Wir sehen also deutlich, dass 
hier die neuen Ansiedlungen mit dem Namen, in welchem 
derjenige des antiken Demos anklingt, nur ganz zufällig sich 
an Stellen mit Resten antiker Ansiedlunsen befinden. Dass 
aber die xa^aik Bpad^vx und wxXxii Be^zviSi^x nicht an der 
Stelle der gleichnamigen antiken Ortschaften liegen, wird von 
Keinem bezweifelt. Die Namen, welche sich Jahrhunderte 
lang erhalten haben, verschieben sich so manchmal um ziem- 
lich weite Strecken. Das, was für Bcxwvx und BsXxv.S^^x un- 
zweifelhaft ist, nehme ich auch für 'Pxor.vx an. 

Die Stadt Bcx'jcwv und der Demos ^-.ax-I^x:. in welchem sie 
oder eher ein Teil von ihr las', setze ich mehr nach Osten an 
die Mündunn des Baches von xiTw Bcacivx. des alten *Ecx- 
<r:vo;. Hier in dem rechts von der Mündunt: sich einzeln erhe- 
benden Ilüirel *Ar. Fswc^to;, welcher noch Spuren aller Be- 
festiiiunir erhalten hat. schien mir auch Milchhöfer im Text 
zu den Karten von Attika ( III-VI S. 7 die Akropolis von 



' D.^< ivin-l vielleiebt die I*ain«^QNlfU!ei von FlaAz-i BiXa»'.i£^x. Ki:t'?Q %"ou 
AUtWa Ill-VI S- 6» M£:xoi-r, etjenla an l vielleicb: Nt^o^ S- ?> f. . 

- l\i>> i!er Demos «^-xif^xt in B^x-a-^j-^ sr^letK'n bat. atoimt min aH^vcneia 
c;ini riobli« au auf Grunf von F^lotareb. S^»I».»q !»>. Sob<.vL ävI Ari>:'>: b A*e> 
STi.v >utt{a> i:xT*:c': «»> mini aber w ibr<ohe:n'teh Dt.i»cb we!ii.>'en> eiaaalt?- 



DIE TRITTYEN UND DEIfEN ATTIKAS 36 t 

Brauron zu erkennen ^ . Am linken Ufer des Baches sind noch 
ziemlich ausgedehnte Spuren einer antiken Ansiedlung zu se- 
hen, wol eben der Unterstadt angehörend, welche jetzt durch 
das dazwischen liegende sumpfige Gebiet von der Akropolis 
getrennt zu sein scheint, was wol im Altertum nicht so war. 
Wenn aber Brauron hier lag (und was für eine andere An- 
siedlung sollte hier sonst gelegen haben?), so dürfen wir die 
westliche Grenze der Trittys von dem westlichen Ende des 
Perati-Gebirges an den Hügeln östlich von K<5ct<.) und 'ETcavo) 
Bpacüva zu dem südlichen Teile der Hügelreihe ziehen, welche 
zwischen dem Bache von Raphina und dem von Vraona von 
Nord nach Süd sich hinzieht und die jetzige Mesogaiaebene 
von der Rüste trennt. Die Grenze der Rüstentrittys der Aigeis 
geht etwa an dem Gipfel dieser Hügelreihe (Kamaresa) auf ih- 
ren Rücken über und folgt ihm bis an das piZ^oL von Raphi- 
na, an dessen linkem Ufer sie wol den Abhang der östlichsten 
Spitze des Pentelikon, des Maupoßouvt, hinaufstieg. Auf der gan- 
zen Strecke von dem Bache von Raphina oder eigentlich sei- 
nem Zuflüsse, dem von Pikermi, bis zu dem Bache von Vraona 
stiess, wie wir sehen werden, die Küstentrittys der Pandio- 
nis westlich an die Rüstentrittys der Aigeis: ihr musste die 
Gegend von dTcdevo) und xxtq) Bpacova angehören, die diesen 
nördlichen Teil der Trittys mit dem südlich von Brauron an 
die Rüste herantretenden südlichen Teile verband. 

Ausserdem gibt die Ansetzung von Brauron an der Rüste 
den Worten des Stephanos von Byzanz besseren Sinn, mit 
welchen er die Lage von 'AXai (s. v.) definirt: (xsTa^u 4>r,Y6<i>; 
ToO Tcpo; Mapaöövt xai Bpaupwvoc. Denn da *AXai nahe an der 
Rüste gelegen haben muss, so ist auch zu erwarten, dass die 
beiden anderen Ortschaften, nach denen seine Lage bestimmt 



* S. auch L. Ross, Arch. Aufsätze I S. 224 f., welcher hier aber 'AXa 
*Apa97)viö£; ansetzt, was wol mit der Definition der Lage dieses Demos bei 
Sleph. Byz (s. u ) nicht vereinbar ist. Milchhöfer setzt *AXai nördlicher, 
nach 'AX'xt. lehnt sich aber im übrigen ganz an Ross an ; es bleibt bei ihm 
aber die Ruinenställe bei 'Ay. rcnSpYio; unbesetzt, und die Ubereinstim» 
mung mit Stepb. Byz. wird' ganz zerstört. 



363 i)IB TRITTYBN UND DBICBN ATTIKAB 

wird, ebenfalls an der Küste lagen. MilchbSfer führt auch im 
Text die Stelle des Stcph. Byz. an, setzt aber auf der Karte 
merkwürdiger Weise im geradem Gegensatze zu Stephanos 
nicht 'AXai zwischen ^y%l% und Bpxupt^v, sondern ^yaCflc 
zwischen 'AXolI und Bpaupcüv. Ihn bat dazu wol noch mehr als 
die Identität der Namen von ^yaix und BfXaviSiJ^ot der Wunsch 
bewogen, ^yaU an der Grenze mit ii^end einer Tritt js der 
Pandionis zusammenstossen zu lassen, zu der, Milcbhöfer's 
allgemeiner Ansicht gemäss, 'ein Teil desselben Demos, we- 
nigstens zeitweilig, gehörte' (S. 17 unten). Aber auch dage- 
gen zeugen dieselben Worte des Steph. Byz.; denn er spricht 

von dem $r,yiu^ (wol gleich ^riyatiO; J!Y5}A0? = ^Yaia) 6 wpo? 

Mapa9(&vi, was doch sicher annehmen lässt, dass es noch eine 
andere Ortschaft desselben Namens gab. Nach Steph. Byz. 
muss eine ^loyaCa (und dies kann nur die der Aigeis gewesen 
sein) nördlich von 'AXa{, dessen Ansetzung bei 'AX{xi wol als 
sicher anzusehen ist, an der Küste und nahe bei Marathon 
gelegen haben. Dazu passt nur die Lage der Demenstätte bei 
rcpoT^xxouXv) oder die noch mehr nach Norden liegende von 
SuXoxeptaa ; denn die Küstentrittys der Aigeis dehnte sich nach 
Norden sicher bis an das Gebiet von Marathon aus, von wel- 
chem es wahrscheinlich durch den nach Osten vorspringen- 
den Bergrücken von ^'Aypioi >6%oi getrennt wurde. Zwar kommt 
so^yata etwas weit von der Gegend, die noch jetzt nach der 
Knoppereiche (9Y)yö;) genannt wird, nämlich ausser der aus- 
gedehnten Gegend von BeXaviSe2[x auch am linken Ufer des 
Baches von Raphina die Stätte BsXaviS^de, wo Milchhöfer ver- 
einzelte Knoppereichen gesehen und gemessen hat (Karten 
von Attika Ill-Vl S. 39 unten); im Altertume wird das Ge- 
biet der 9'nyo( sich noch mehr nach Norden erstreckt haben. 
Welcher Demos lag aber dann in der günstigen, die gan- 
ze Küstenstrecke beherrschenden Lage bei BeXaviSe^a? Die 
hervorragende Stellung, welche der Demos •Apa9iQv, wie es 
scheint, unter den Demen der Trittys einnahm \ nach vvel- 



* Der Heros 'Apa^Tiv ist nach Herod. n, (lov. Xs^. A. 17, 8 (LeaU II 3 



DIE TRITTYEN UND DEMBN ATTIKAS 363 

chem auch die am Fusse der Hügel von Be^avtSeJ^a liegenden 
*AXat als *Apa(pYiviS6; bezeichnet wurden, macht es für mich 
wahrscheinlich, dass über 'AXat bei BsXaviSe^a eben 'Apacpyjv 
gelegen hat. 

Gewöhnlich setzt man *Apa(pY;v bei Tacpviva an, wo einen 
Kilometer westlicher am linken Ufer des bei Raphina mün- 
denden Baches Reste antiker Ansiedlung sich befinden ; auch 
Milchhöfer setzt hier 'Apa97;v an. Mir scheint diese Stelle bes- 
ser für 'OTpuvY) zu passen. In einem Fragment, welches Athe- 
naios aus dem Komiker Antiphanes bewahrt hat (Athen. VII 
p. 309 E.), rühmt sich der Koch einen echt phalerischen 
Fisch (xcoSto?) verschafft zu haben: meistens bekommt man 
nur diejenigen aus Otryne. Als ein Demos der Aigeis kann 
Otryne nur in der Küstentrittys an's Meer stossen, nämlich 
an das euböische. Im alten Athen stand es mit der Fischver- 
sorgung im Allgemeinen wahrscheinlich ebenso wie im neuen. 
Man hört auch jetzt z. B. in Athen nurywTuati; ( wol = jccoßtot ) 
Tou $a>7)po'j ausrufen, die meisten von ihnen werden aber 
täglich aus Raphina gebracht; die phalerischen schätzt man 
mehr, weil sie nicht den grossen Landweg gemacht zu haben 
brauchen. Was Ta<priva jetzt ist, das war wol im Altertum 
für den Fischmarkt Athens 'Orpovy), der Hauptsammeiort der 
ganzen Fischbeute des euböischen Meeres, welche von hier 
auf dem Landwege nach der Stadt gebracht wurde. Die Wahl 
eines solchen Sammelorts kann nicht zufällig sein: ein beque- 
mer Landungsplatz! für kleine Fischerbarken und leichte Ver- 
bindung mit der Hauptstadt bei der kleinsten Entfernung von 
ihr— diesen Bedingungen entspricht die Lage des jetzigen 
Weilers Tacpova, dessen kleine Bucht wol dieselbe Bedeutung 
im Altertume hatte und also dem Demos 'Otp'Jvti angehört 
haben muss. [Forlseizung auf S. 366]. 



923, 11) sT; Twv IxttTov f)p(i5(ov, d. b. nach meiner Ansicht der IjpdStüv apYjiyri' 
Tü^, aus denen die 10 eTCdivu^ioi tcov fuXcov durch das pythische Orakel ge- 
wählt wurden ('AOtjv. tsoXit. 21). 'Apa^rfv wird also zur Zeit des Kleisthenes 
kein unbedeutender Ort gewesen sein 



r 

4 



361 



bIB TRITTTBN ONO DBHBN ATT1KA8 



(;./.if. 11,991 


(7. /. i. II, 872 


O.LA, II, 870» 


1, 16. A]rrct$[oc] 






Ko]XXu[t<{< 


I. 4.r 'Epxul« (6) 
M.L r«[pY]ilTTioi (4) 


I. 


'A')fxiSX[v) xaOiSiccpO.] 


1. «tX]af8[«i? (3) 


•Ayxi5[Xij 6itfv€p6.J 




5. 'Icalvffqai ? (2) 


?0. AidfAfcia 


i6. «aafSai (3) 






20. K]vB«vT^i (2) 


8.rA]Xatlt( (5) 
14. L^JYoit^K (4) 








23. r 'IcovCdot (ii 
II, 4. L 'iMtputc (5) 




1^ 


n, 






1. 'ATlxuXRetv] ? (2) 


K[oX(ov<(c] 4 


10.p'EaTicu€(t)« (i) 


4. KuSavxC^t (1) 


'E]a[T(]a{ra 


12. BttTfiU (i) 


• 


Baxfl 


14. ix KoXa>voS (2) 


6. r Ix KoXii>[v]o0 (2) 
9. L B«Tii« (2) 




i7.L KoXXuTttic (3) 




21. nX»6tTc (1) 


12. 'Apo^Hlvioi (2) 


'Ep^xei[a 


23.r'OTpuv€{t)c (1) 




25. 'OtpH 


25. "Epixtitc (1) 


III. 


rapxi)TT[d« 


III, 4.L'AXai€t« (5) 


1. rapYiI]TTio[t] ? (4) 


• 




6. KoXX[ü]t<(c (3) 




10. T(i6p(£<jiot (4) 


10. nxoOsfic (1) 




15. r ^yatttc (3) 
19*L 'Apafiivioi (2) 










• 22. Iy MuppivoörcT)« (1) 






24.r'AYxuXiieiv (1) 






26. Aio(icuT( (1) 






28.L'A-rxuX^etv (1) 





* KoXa)V({( vermutet auch Milchhofer an dieser Stelle; ich glaube auf dem Steine 
noch deutlich Y lesen zu können. 

^ Die Inschrift ist nur aus einer schlechlen fourmont'schen Copie bekannt : 
oben muss ein Teil des Verzeichnisses fehlen (ob in allen drei Columnen gleich- 
viel, ist mir zweifelhaft) ; sicher fin^'en die Columnen nicht mit den jelzigen er- 
sten Zeilen an, und man darf also nicht in ihren Resten durchaus Demennamen 
suchen: daher habe ich die Er;iJlnzuiigen der I. Zeile, welche Köhler auinmmt, 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA.8 



365 



C.LA. II, 943 



C.r.A, II, 329 3 



C,r,Ä. III, 1023 



1,22. 


AiYTjfSo; 






23. 


KoWuxhi 


1,19. 'AYxu[X]£t« (1) 


I, 8. r rap-plTTioi (4) 
II, 3.L'Epxui;(19) 


27. 


KuSavT^oat 


21. T£iOp<iaio[i] (4) 


30. 


'Ep7.l6£f 


2b. 'EpyuXi (10) 




II, 3. 


'AXailE( 




1II,U. 'EpixaiEt? (2) 


6. 


FapYiixTioi 


37. rOtpuvEl« (1) 
11,19. L'AXaiEt; (8) 


IV, 3. £X MüplVOUVTT)? (6) 


8. 


*IxaplEt£{ 


10. ^iXihoLi (3j 



1 1 . r AlO[l£l£( 

13. L'EaxtaiEi? 



15. nX(oe^£« 



23. Ko]XXüT£T; (4) 

33.r^[7iY]a[i]£T«(3) 
37 L <I>iXa[f]6at (3) 

111,19. r'Itüvt'Sai (I) 
21. L nXw9et« (2) 



0. L 



V, 2.f-'EaTiaioe£v (2) 
AiojjLaist; (2) 



8 'ApacpTjvioi (2) 



24 . r Ix KoXwvoü (2 ?) 
27.L'E(iTia^oe£v (1) 



29. Kü]8avT([8ail (1) 

31.rEpix£Et5 (2) 
34. L'Apa^TJvioi (4) 



mit Frajrezeichen versehen: es können hier oder da auch Reste eines Prytanen- 
namens sein. 

3 Die Inschrift gehört in die Zeit des Bestehens derAnli^onis und Deraetrias; 
es fehlen in dem Verzeichnisse fünf Demen : BaTTJ. Tapyrixzoi, AiojxEia, 'Ixop^a, 
MuppivoüTTa, von denen wenigstens zwei in die neugeschaffenen Phylen übertra- 
gen worden waren. 



ATHEN. MITTHEILUNGEN XVII. 



25 



366 DIB TRITTYBN UND DBMEN ATT1KA8 

Es bleibt der Demos 'Ep{xcia, welcher eine der noch un- 
besetzten Stätten mit Spuren antiker Ansiedlung einnehmen 
muss, vielleicht die von Xylokerisa oder Gerotzakuli, je nach- 
dem, welche von diesen beiden durch *Y)yata besetzt wird. 

Von den Inschriften, in denen wir die nach Trittyen zu- 
sammengestellten Gruppen von Demen suchen könnten, ist 
keine ausser dem leider nur 9 Demennamen enthaltenden De- 
men verzeichniss C, L A. 11, 991 mit Berücksichtigung der 
Trittyen zusammengestellt. Alle übrigen zeigen nicht nur 
deutliche Zerreissungen der natürlichen Demengruppen, son- 
dern mischen geradezu an einigen Steilen Demen aller drei 
Trittyen unter einander. Trotzdem habe ich, ebenso wie Milch - 
höfer, in einem Falle, nämlich in Bezug auf die Demen Barv) 
und *E(jTiata, die ständige Verbindung mit anderen Demen 
derselben Trittys verwertet. Im Allgemeinen scheinen mir alle 
diese Inschriften, zwischen denen sich auch drei Prytanenli- 
sten des vierten Jahrhunderts befinden, für unsere Zwecke 
unbrauchbar*. Doch mag der Leser selbst aus der Zusam- 
menstellung auf S. 364. 365 über ihren Wert in dieser Hin- 
sicht urteilen 2. 



Pandioivis (Milchhöfer S. 17-19). 
Die Stadttrittys der Pandionis lässt sich leicht erkennen : sie 
bestand wahrscheinlich nur aus einem Demos, dem Central- 
demos der Stadt, K'jSaOrivatov. Alle übrigen Demen der Phyle 
verteilt Milchhöfer auch im Allgemeinen richtig (ausser was 
KüOnpo; und ^oyaia betrifft) zwischen die Trittyen der Rüste 



^ Auch Milchhöfer beruft sich auf diese Inschriflen weiter nicht und be- 
merkt richlij? (S 15): *diese Lislen sind in der Wahrung der lokalen Folge 
allerdings ungleich'. Doch der Inschrift 6'. /. A. II, 991 kann man trauen, was 
in Bezug auf 'Epixeia wichtig ist. 

2 Aus der Zahl «1er Inschriflen, welche Milchhöfer für die Frage nach der 
Zuteilung der Demen Bairj und 'Eaxiaia anführt, schliesse ich die Inschrift 
'E^Tjfx. apy. 4886 8. 13 f. aus, da in dieser das Personenverzeichniss nicht 
einmal demenweise geordnet ist. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 367 

und des Binnenlandes. Aber die topographische Ansetzung 
einiger dieser Demen und die dadurch bedingte Gestalt die- 
ser beiden Trittyen befriedigt nicht. Betrachten wir zuerst 
die Küstentrittys, da wir für die Ansetzung der ihr gehören- 
den Demen mehr Anhaltspunkte besitzen, und wir erst nach 
der richtigen Verwertung dessen, was uns hier zu Gebote 
steht, die an die Küstentrittys zum Teil angrenzende Binnen- 
landtrittys richtig bestimmen können. 

Die Lage der Demen Ilpactai, STsipta und Mupptvoo; ist schon 
lange festgestellt. Auch den Demos 'AyyeVo hat Milchhöfer 
(Karten von Attika III-VI S. 11), wie es scheint, glücklich 
wiedergefunden in der Der.ienstätte 270*"" nördlich von der 
von Mgp£vSa (M'jcpivoO;), welche auch ihren antiken Namen 
'AyYgVrjit noch behalten hat. Diese vier Demen bilden einen 
einheitlichen Bezirk, welcher mit den beiden ersten Demen 
die Seeküste berührt. Das ist aber nur der südliche Teil der 
Trittys. Nördlicher lag der Demos FlpoSiXivOoc, der zu dersel- 
ben Trittys gehören rauss. Diesen letzteren setzt Milchhöfer 
ebenfalls an der Küste unmittelbar südlich von Mapaöwv an, 
in Xylokerisa*, durch die lange Beihe der Demen der Aigeis 
von ripaitai und STeipia getrennt. Wir sahen aber, dass die 
Ansetzung von Probalinthos an der Küste zw ischen 'AXai 'Apa- 
(py)vtS6^ und Mapa6ü)v auf der falschen Auffassung des strabo- 
nischen Demenverzeichnisses beruht. Denn der Umstand, dass 
Probalinthos zur marathon ischen Tetrapolis gehörte, hat weder 
die Lage in oder bei der marathonischen Ebene noch die un- 
mittelbare Nachbarschaft mit den Demen, welche ebenfalls 
zu dem Verbände gehörten, zur Voraussetzung. Denn wir wis- 
sen nicht, wie weit sich das Gebiet dieses uralten Staates aus- ^ 
dehnte, und können es nur ungefähr durch die Gebiete der 
Nachbarstaaten "A^tSva, 'E:iraxpia, KoOripo;, Bpxjpcöv, begren- 
zen. Zwischen den zwei von den Hauptorten der Tetrapolis 
können sich in viel späterer Zeit andere selbständige Demen 
gebildet haben, welche entweder schon vor Kleisthenes als 



< Karlen von Allika III-VI, 8. 40. 



368 DIB TRITTTEN UND DBMEN ATTIKAS 

solche existirten, oder erst von diesem zu Demen gemacht 
wurden, Probalinihos von Marathon trennten und einer Trit- 
tys zugeteilt wurden, welche zwischen die beiden eingescho- 
ben war. Bei der Ansetzung des Demos Probalinthos in Xy- 
lokerisa stützt sich Milchhöfer noch auf zwei in dieser Gebend 
gefundene Grabinschriften, von denen eine die Namen meh- 
rerer Probalisier enthält ^ Doch wenn auch Probalinthos 
weit von hier gelegen hätte, würde uns die Auffindung der 
Grabinschriften der Probalisier hier am Wege zu dem Hei- 
ligtum der Tetrapoleis nicht wundern. Wenn Probalinthos 
in Xylokerisa oder noch mehr nach Norden gelegen hätte oder 
auch südlicher, aber immerhin an der Rüste nördlich von 
*AXai, so würde er ganz isolirt sein von den anderen Demen 
derselben Trittys, würde eine Enclave bilden, was Milchhö- 
fer auch annimmt. Wir sehen keine zwingenden Gründe zu 
solcher Annahme und müssen Probalinthos näher bei der 
vorhergenannten Gruppe der Demen der Pandionis suchen 
und mit ihr zu einem Bezirk verbinden. In den Zeiten der 
zwölf Staaten kann das Gebiet der zETfoiTzokü<i ganz gut noch 
bis zu dem südlichsten Ende des östlichen Abhangs des Pen- 
telikon und bis zu dem peö(jLa von Raphina gereicht haben. 
Hier am rechten Ufer des letzten von den Bergen dem grossen 
peöjjLoc zuströmenden Baches bei dem jetzigen riutcpixi sind Re- 
ste eines Demos erhalten 2, in welchem ich Probalinthos zu er- 
kennen wage. Die Lage ist für einen in prähistorischen Zeiten 
wichtigen Punkt sehr geeignet. Gelegen im Nordostwinkel der 
fruchtbaren inneren Ebene Südattikas, den einzigen beque- 
men Weg zur marathonischen Ebene und den Eingang zum 
euböischen Meere beherrschend, musste dieser Ort gerade für 
die ziTpxTzoli; von grosser Wichtigkeit sein. 



^ Anlikenbericht Nr. 321, 322; die beiden können auch identisch sein. 

2 S. Karten von Altika III-VI S. 38. Finlay und Leake scheinen noch 
viel ausgedehnlere Resle hier gesehen zu fiaben : s. Finlay's Historisch-to- 
pographische Abhandlungen über Altika herausg. von S. J. W. noU'rnann 
(1842) S.35 und Leake, Demi^ S. 29 f.; der letztere setzt hier den * Demos' 
'Er.anpiX; an. 



DIB TRITTTBN UND DEMEN ATTIKA8 369 

Die Verbindung dieser beiden Teile der Trittys, der vier 
Demen im Süden und Probalintbos im Norden, wird herge- 
stellt durch den Streifen der Mesogaia-Ebene, welcher sich an 
die Hügelreihe von Velanidesa und das Gebiet von Vraona 
anlehnt und östlich von der Hügelkette, an deren südlichem 
Ende Sz&ra liegt, und etwa von der Linie S7:y.Ta-Mapx67rouXo 
begrenzt wird. Hier müssen zwei Demen angesetzt werden, 
Ko6y,po^, dessen Namen Foucart ganz richtig zwischen denen 
der anderen Demen der Küstentrittys in der Prytanenliste der 
Pandionis {BiilL XUI (1889) S. 347 f.=A6XTiov 1889 S.18) 
hergestellt hat, und 4>7)yata, welche nach meiner Vermutung 
zwischen den Demen derselben Trittys in C. /. -4. II, 991 ge- 
nannt wird. KoOiQpo; muss, wie wir sahen, wegen der Ver- 
bindung mit rapyiQTToc und 'IwvtSai nahe an das von FapiTo 
nach *Pa(pyivx fliessende grosse '^i\>\l% gesetzt werden. Das 
nimmt auch Milchhöfer an, rechnet ihn aber deshalb zur 
Binnenland trittys, welche bei ihm auch einen Teil des von 
uns der Küstentrittys zugeschlagenen Gebiets einnimmt, wäh- 
rend diese letztere bei ihm nicnt so weit nach Norden reicht. 
Er kann auch keinen geeigneten Platz für diese alte Stadt 
linden, ich meine, weil er den geeignetsten in dieser Gegend, 
Stuxtoc, dem Demos 'Epj^ia abgegeben hat. Da aber dieser Ort, 
wie wir gesehen haben, wol nicht mehr zu der Trittys der 
Aigeis gehört haben kann, sondern 'Epyioc nördlicher anzu- 
setzen ist, so bleibt für uns die antike Demenstätte bei Spata, 
etwa 3""" südhch von dem grossen peGa-a, an welchem auch 
rapyxTTÖ; und 'IwvtSai lagen, noch unbesetzt. Auch scheint 
mir die geschützte Lage von ^-x-zt. auf einer Anhöhe, welche 
die umliegende weite Ebene beherrscht, und die hier ent- 
deckten Gräber der mykenischen Epoche vollkommen dazu zu 
stimmen, dass hier eine der ältesten Städte Attikas gelegen hat. 

Was 4>yiyaia anbetrifift*, so ist man geneigt diesen Demos 



^ Ich glaube nicht, dass dieser Demos nur 'zeilweilig' der Pandionis an- 
gehörle (s. oben S. 362); Foucart hal entschieden Unrecht (a a. O. S. 350) 
wenn er die Zugehörigkeit von Phegaia zur Pandionis leugnet, trotzdem sie 
nach Steph. B.yz. und G.L A, II 991 dazu gehört. 



370 DIE TRITTYEN UND DBIIRN ATTiKAg 

80 nahe wie möglich bei der noch jetzt den Namen BiXavi- 
Xi^a führenden Gegend anzusetzen, etwa am östlichen Ab- 
hänge oder am Fusse derselben Hügelreihe. Das führt uns ent- 
weder auf AaTTwapi zwischen STricra und BeXaviSe^a oder BaOu 
n7)Yi:Xi, wenn die antiken Mauerreste dieser oder jener Ge- 
gend wirklich einem selbständigen Demos zuzuschreiben sind*. 
Es bleiben von der Pandionis drei Demen übrig, llociavta 
(xaOuTcepO. und uTutvepO.), ^Q% und KovOüXt). Alle drei erkennt 
auch Milchhöfer richtig auf Grund der hier ganz übereinstim- 
menden drei Prytaneninschriften als Demen der Binnenland- 
trittys. Von diesen Demen hat Paiania schon lange seine Stelle 
gefunden am Ostfusse des nördlichen Hymettos, bei AioTrect. 
Die beiden anderen Demen setzt Milchhöfer in die Gegend 
südlich und südöstlich von Spata, weil hier das Grabrelief 
einer Ka^XidTO) KovOjXviOev (Antikenbericht Nr. 43) gefun- 
den worden ist, und aus der Umgegend von Spata eine Grab- 
inschrift von zwei Personen aus 'üa stammt (Karten von At- 
tika III-VI S. 6), während drei andere Grabinschriften einer 
Familie aus *üa angeblich in Velanidesa gefunden worden 
sind. Das sind keine schwer wiegenden Gründe. Wir haben 
die Gegend, in welcher bei Milchhöfer *üa und KovöüXt) lie- 
gen, der Rüstentrittys der Pandionis zugeteilt; die beiden De- 
men habe ich im nördlichen Teile der Trittys angenommen, 
welche ich nördlich bis zum Hügel von KxvT^a und dem peöjjLx 
von Garito erweitere. Hier zwischen dem rechten Ufer des letz- 
teren, den Höhen von KavrZ^a und Mxoupxvi und denen von 
Sttätoc müssen diese ;f\vei Demen gelegen haben, da der süd- 
liche Teil der Trittys, welcher zwischen den beiden Ansied- 
lungen der Paianieis und der östlichen Grenze der Trittys in 
der Ebene lag, wol nur die Felder des j grossen Demos ein- 
nahm. Aus HaTcayyeXdjct, welches in der Gegend liegt, wo wir 
ungefähr die Demen *üa und KovOuXy) annehmen, stammt auch 
eine Grablekythos mit den Namen von zwei Personen aus 'üa, 



* Über diese s. Karlen von Attika III-VI S. 5. 



DIB TRITTTEN UND DElfEN ATTIKA8 371 

Vater und Sohn, welche A. Brückner in Ai6mm gesehen hat^ 
Ausser diesen 11 Demen, welche sich ganz gut unter die 
drei Trittyen verteilen lassen, nimmt man gewöhnlich noch 
zwei Demen der Pandionis an : Ka>6T6eT(; und Fpaüi;. Milch- 
höfer glaubt, dass sie beide erst in späteren Zeiten entstanden 
sind (nicht vor dem dritten Jahrhundert v. Chr.), als das 
Trittyensystem bei der Bildung neuer Phylen schon in Ver- 
wirrung geriet, und schliesst sie deshalb von der Betrachtung 
aus. Ich glaube, dass beide nie existirt haben ^, KaXsTeeui; hat 
Pococke in dem Prytanenverzeichnisse der Pandionis C.LA. 
in 10 {=C. L G, 353) gelesen (Col. II Z. 20), sonst kommt 
der Name nirgends vor. Böckh schreibt Ka>8T66[i]<;, setzt aber 
dabei ein Fragezeichen und bemerkt: nomen corruptum vi^ 
detiir, Dittenberger nimmt die böckh'sche Lesung schon ohne 
Fragezeichen auf. Die pococke'sche Lesung ist aber gewiss 
nicht darnach angethan, dass man, auf ihr allein fussend, 
einen ganz neuen Namen in die Reihe der Demen hineinbringt, 
welche uns sonst alle hinreichend bekannt sind. Ausserdem 
kommen die beiden Personen, welche gleich unter dem an- 
geblichen Demennamen genannt sind, in einer anderen In- 
schrift derselben Zeit {C.LA. 111, 1056 a) vor, welche auch 
noch mehrere andere Namen mit C.LA. III 10 gemein hat, 
in dieser aber heisst der eine Tuyixo; OC[T](6tpi6U(;), der andere 
*0vr)<ji(xo5 Oo^uSeuxou; naiavi8(Ü5). TujrtJtocO STetpteu; reiht sich 
in C.LA. III 10 so gut wie nur möglieh an die vor der Z. 
20 genannten [STetpJiei? (Z. 17, vgl. 18 und C. L A. 111,1121 
Z. 42) an ; es ist also C.L A.WXAQ bei dem Namen des Ty- 
chikos statt KY ganz ohne Zweifel CT zu lesen '^, und in 
Zeile 20 stand wahrscheinlich noch der Name eines Prytanen 
(aus dem Demos Steiria), wenn nicht eine Bezeichnung des 
Titels oder des Amtes der in der vorhergehenden oder folgen- 



^ Handschriftlicher Zusatz zu Milchhöfer's Antikenhericht (MiUh. XII 
S. 96) in dem Handexemplar der Bihliothek des Instituts in Athen. 
« Vgl. Foucart a. a. O. S. 350. 
3 Ebenso ist in Z. 22 statt des unsinnigen MM gewis nAI(aviEU() zu lesen. 



37? DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 

den Zeile genannten Person. Auch giebt Poeocke allein die Le- 
sung KAAGTeeVC, während Fourmont nur KAA....eYC 
hat; ich nehme an, dass die Zahl der Buchstaben, welche 
Fourmont zwischen A und 6 nicht mehr lesen konnte, grösser 
war, als er angiebt, und dass auch Poeocke nicht alle gelesen 
hat. Auch kann es sein, dass die Zeile mit GYC noch nicht 
zu Ende war: so wird man etwa herstellen dürfen KAA[AI]- 
CT[0]CeYC[6giou] oder etwas Ähnliches. 

Was die rpaYi; betrifft, so kommt auch dieser Name nur 
in einer einzigen Inschrift vor. In diesem Falle ist aber die 
Lesung richtig: auf dem Steine (C /. .4. II, 991 Col. II, Z.7) 
steht ganz deutlich TPAHS. Da dieser Demos aber weder 
von den Schriftstellern, noch von den Lexikographen genannt 
wird, noch sonst in irgend einer Inschrift vorkommt, was doch 
besonders bei der grossen Masse von Grabinschriften zu er- 
warten wäre, so glaube ich eher das rätselhafte Wort aus 
einem doppelten Schreibfehler des Steinmetzen erklären zu 
müssen: TP AH 2 anstatt PPASIH^^ dieser letztere Name 
ist neben den vorhergehenden 2T6ipi[yi<;] und ^/lyaiei; ganz am 
Platze. Wenn es sich aber erweisen lassen sollte, dass es wirk- 
lich einen Demos Namens Fpavi; oder Fpata gegeben hat, so 
stimme ich mit Milchhöfer darin überein, dass er nicht not- 
wendig mit der VfoLUr, x^pa im Gebiete von Oropos identisch 
sein müsste, wie Ross (Demen S. 3) angenommen hat, sondern 
auch anderswo in Attika gelegen haben könnte (nach Mass- 
gabe der Inschrift C. L A. II, 991 entweder bei *nyaia und 
den vorhergeuannten Demen in derKüstentrittys, oder mit den 
folgenden *Oayi^ in der Binnenlandtrittys). 

Von den Inschriften, welche uns bei der Verteilung der De- 
men der Pandionis nützlich waren, haben besonderen Wert 
zwei sich gegenseitig ergänzende Prytanen Verzeichnisse aus 



« r statt n ist geschrieben auch C. /. A. II, 8G4 Col. III, Z. 22 im Worte 
PAiONIAAl. wie man j^anz deutlich auf dcni Steine sehen kann, obgleich 
die IIerausgeb(M (Kumanudis und Kühler) ohne weiteres PAiONIAAl ge- 
ben; die Auslassung der Sylbe ^1 zwischen A und H^ kann durch das fol- 
gende OAH^ veranlasst worden sein. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 373 

dem vierten Jahrhundert: AeXtiov 1889 S. 18* und C. LA. II, 
865. Mit diesen stimmt im Allgemeinen die nur aus der un- 
zuverlässigen Copie von Chandler bekannte unvollständige 
Prytanenliste C.I.A. II, 873; von der vierten Prytanenin- 
sehrift des vierten Jahrhunderts C. /. A. II, 871, in welcher 
auch die Trittyen bezeichnet waren, ist leider nur ein kleines 
Bruchstück erhalten. Eingehalten ist die Gruppirung der De- 
men nach Trittyen auch in einer der späteren Prytanenin- 
schriften aus der Kaiserzeit C. I. A. III, 1032. In der wichti- 
gen Inschrift C /. ^4. II, 991 haben sich von den Demen der 
Pandionis nur fünf Namen am Anfange der II. Columne er- 
halten; ob das Verzeichniss der Pandionis noch einen Teil der 

I. Columne einnahm, oder erst mit der 11. anfing, ist nicht 
mehr zu entscheiden. Im letzteren Falle waren überhaupt nur 
fünf Demen dieser Phyle genannt, da in der einzigen (s. oben 
S. 345) noch frei bleibenden Zeile der Columne der Name 
der Phyle stehen muss; jedenfalls aber ist von den Demen der 
Binnenlandtrittys nur 'üx genannt gewesen. In dem betreffen- 
den Teile der Ephebeninschrift Mitth. IV S. 324 k sind leider 
auch nur Reste von zwei Demennamen erhalten, und CI.A, 

II, y43 enthielt überhaupt nicht mehr als zwei. 

Ich lasse wieder eine übersichtliche Zusammenstellung der 
wichtigeren Inschriften folgen. 



' Die Inschrift ist gleichzeitig von Lolling im AsXtiov und von Foucart 
im Bull. Xlli S. 347 f. publicirt worden; die oberen Zeilen sind schlecht 
oder gar nicht erhallen. Lolling nimmt in der II Col. 17, in der I IG und in 
der HI 15 Prytanennamen an, im Ganzen nur 48. und ergänzt über der ober- 
sten erhallenen Zeile nur eine Zeile mit dem Namen des ersten Demos je- 
der Columne. Richtiger hat Foucart in der Col. II, Z. 10, wo Lollii«g auch 
einen Prytanennamen annimmt, den Namen des Demos K]u[6rJppioi] erkannt 
und noch eine jetzt verschwundene Zeile mit drei Prytanennamen ange- 
nommen, wodurch die Zahl der Prytanen auf 50 kommt. Die Ergänzung 
Foucart's ist dadurch gesichert, dass man ausser dem Y auch noch einen Teil 
des K (v) erkennen kann, und dieser Buchstabe wie auch bei den anderen 
Demennamen aus der Linie der übrigen Anfangsbuchstaben der Columne 
nach links heraustritt; dagegen ist am Ende der Zeile freier Platz, so dass 
der Nan^e uad Yatersaame des Prytanen nicht Platz finden wiirdea. 



374 



DIB TRITTYBN UNP DBICEN ATTIK4Ö 



C./.A. II 991 



II, 4. np]o6aX[iveo;] 
7. [n]pa(ai)^{ < 



AeXt^ov 1889 8. 18 



CLA. II, 865 



III, 1. [KüSaOTivaifi;] (11) II, 1. KüBaOTivaiets (12?) 



13. npo6aX^9ioi (5) 



II, 1. [Muppivouaioi] (6) 
8. 'Ar(iXBir\i (3) 
12. K]u[07lppioi]a(2) 
15. npaai^; (3) 

19. STEipi^? (3) 



14. np]o[6]a[X/a]io[i] (6?. 



I, 1 . Müppiv]o[üaioi] * (7) 
9.'ATT]^Wii;» (3) 

13. [Dpaaifi];?« (3) 
17. [ST6ipi^{?]«(3) 



8/Oafl? 



I, 1. [HaiaviTj?] 



14.'Qaifi{3 (4) 
19. KovOuX{8ai (1) 



III, 1. naiavifi? (11) 
13. n]aiav^{xae. (1) 
15. K]oveüX^8[ai] (1) 
17.'Q[a]i^; (4) 



< Auf dein Steine rPAH^, s. aber oben S. 372. 

2 S. oben S. 373 Anm.1. 

3 [''oueart a. a. 0. las OAIH^, welche Form er auch C. I, A. II, 865 und 
998 annimmt und wunderlicher Weise der Form OAIH^ vorzieht. 

'* Kuraanudis (die Inschrift ist nur aus seiner Gopie bekannt) gieht nur 

I O . . . an, doch ist die von mir vorgeschlagene Ergänzung durch die 

anderen Verzeichnisse gesichert. 

5 Kumanudis . . . . E . H ^. 

^ Nach der Zeile 12 ist auch die Stelle der folgenden Demotika nicht mit 
Sicherheit zu erkennen: die Ergänzung ist nach der Analogie der anderen 
Inschriften vorgeschlagen. 



PIB TftlTTYEN UND DEIfEN ATTIKi^S 



375 



Ü\/.A. 11, 871 
II, 6. K[ü8a07)vaiöv xpiTTu;] 



Cl.A, II, 873 



Ü.l.A. III, 1032 
I, 3Ü. Kü5a07i(v)ai£t{ (10) 



III, 6. [Müppivoua^wv Tp.] 



1.37. npaaiEi; (2) 

II, 3. Anesst? (3) 
10. Muppivouaioi (5) 

25. ST£ipi£i; (3) 

33. [npo6aX(oioi?] (4) 

I, 6. IlaiavietDv xpiiTu; 

7. naiavi6(T)5xaöu7cepOe.(I) I, 3. Ilaiavteis (10) 
9. naiavi]e(i){67:[e]v£p0£(6....) 

29. KJov0a/8a[i](1) 
• 32. 'OaOev (3) 



III, 9. StsioieI; (i) 

16. HpaaiEt; (1) 

2O.'Att£X^0£v (2) 
24. Müppivouiioi (2) 



I, 9. Ilaiavist? (20) 



376 DIB TRITTYEN UND DBlfBN ATTIKAS 

Leo:ntis (Milchhöfer S. 19-23). 

Hinsichtlich der Trittyen der Leontis haben wir mit Milch- 
höfer wol die grösste Meinungsverschiedenheit. Seiner Ver- 
teilung der Demen dieser Phyle unter die Trittyen kann ich 
nicht beistimmen und finde sie im Widerspruche zu der Grup- 
pirung der Demen in den massgebenden Inschriften. DieStadt- 
trittys ist bei ihm so angelegt, dass sie keine topographische 
Einheit bildet: ich verlege sie an eine ganz entgegengesetzte 
Stelle des Stadtgebiets. Die Binnenlandtrittys ist zu lang ge- 
streckt: sie reicht bei Milchhöfer über die Bergmassen des 
Aigaleos, des Parnes und zum Teil auch des Pentelikon bei- 
nahe von dem eleusinischen Meerbusen bis zum euböischen 
Meere. Vor allem aber setzt Milchhöfer die Küstentrittys aus 
zwei verschiedenen Teilen zusammen und zerschneidet durch 
den einen von ihnen die benachbarte Tiittys der Akamantis 
in zwei gesonderte Bezirke. 

Zur Stadttrittys rechnet Milchhöfer die Demen KoX<i>v6;. 
Oiov KgpocfjLsixov und SjcajjLßwviSai und legt sie südwestlich, 
westlich und nördlich von KspajjLeixoi;. KoXwvoi; wird dieser Trit- 
tys nur wegen der von uns schon besprochenen ganz unbeweis- 
baren Voraussetzung zugerechnet, dass alle drei Ko>.(i)vo( ei- 
gentlich nur Teile einer Gemeinde, des KoXü)v6<;''l7U7:iO(;, seien ^ 
Der Ko>.a)vö<; der Leontis braucht weder bein Ko>.(i)v6; "Itctcio; 
gelegen zu haben, noch überhaupt ein Demos des Stadtbezirks 
gewesen zu sein, und, wie wir sehen werden, folgt aus den 
beiden massgebenden, vollkommen unter einander überein- 
stimmenden Inschriften mit Sicherheit, dass es ein Demos der 
Binnenlandtrittys gewesen ist. Der andere von den drei ge- 
nannten Demen, S>cau6a)v(Sat, welcher besonders wegen seiner 
grossen Arbeiterbevölkerung von Metöken ganz sicher nicht 
nur in den Stadtbezirk, sondern sogar in die Stadt selbst oder 
ihre nächste Umgebung zu setzen ist ^, braucht doch auch we- 

' S. oben S. 324. 

2 S. VVilamowitz im Hermes XXII (1887) S. 120 f. und Wachsmuth, Die 
Stadt Athen II, i ö. 263 Anm. 4. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN AT'TlKAd 37? 

der wegen der Beziehungen zur thriasischen Ebene bei der 
heiligen Strasse gelegen zu haben, noch wegen des beim • The- 
seion' gefundenen Skambonidendekrets C. L A I, 2 auf oder 
bei dem ^TheseionhügeF, zumal dieser letztere der KoXwvoi; 
aYopaio; sein muss* und also zu MeXitt) gehört^. Ausserdem 
kommen gerade im Westen der Stadt so viele Demen zusam- 
men, welche dazu vier verschiedenen Trittyen angehören (der 
Akamantis, Kekropis, Hippothontis und Oineis), dass es nicht 
geraten scheint hier ohne genügende Gründe noch das Gebiet 
einer ganzen Trittys hineinzudrängen. Dagegen ist der ganze 
südöstliche Teil des Stadtgebiets bei Milchhöfer nur durch 
den sicher nicht dahin passenden Demos 'AyxoXy) eingenom- 
men. Statt dessen wird vielmehr dort (etwas näher zur Stadt) 
2xa|x6(»)viSat anzusetzen sein. Südlich von der Akropolis sucht 
diesen Demos auch Lolling^ indem er ihm *den allein noch 
übrigen Teil des Stadtterrains, den Distrikt vom Uissos zur 
Akropolis' zuweist. Es ist aber nicht notwendig, dass er in 
der Stadt selbst, das heisst innerhalb des Mauerrings gelegen 
hat. Da das Gebiet von KuSaOrivaiov (welches allein eine ganze 
Trittys bildete) wol bis zum llissos hinunterreichte*, so würde 
ich annehmen, dass Skambonidai ihm gegenüber am linken 
Ufer gelegen habe, etwa um den Hügel mit der Kapelle 'Ay. 
Maptva herum. Bei dieser Ansetzung des Demos Skambonidai 
ist die Lage der ganzen Trittys und ihre Begrenzung auf der 
entgegengesetzten Seite deutlich zu erkennen. Denn es kann 
keinem Zzeifel mehr unterliegen, dass der am Meere gelegene 
'AXi(xoC? auch zu dieser Trittys gehört, und das Gebiet der 
Trittys erstreckte sich dem entsprechend von Skambonidai 
nach Süden bis zu der Meeresküste östlich von Phaleron und 
nach Osten wol bis an den Hymettos. Die Grenze zwischen 
Hymettos und der Küste, welche das Gebiet dieser Trittys von 



< S. Wachsmuth I S. 177. Lolling in Iw. Müllers Handbuch III S. 306 
Anm. 3. 
a.S. Wachsmuth I S. 349, 355 und II, 1 S. 233 f. 
3 A. a. 0. S. 308 Anm. 3. 
^ Wilamowitz a. a. 0. Ö. 118. 



378 DIB TRITTTEN UND DEMEN ATT1KA8 

dem der At^oveii; trennte und zugleich die Grenze zwischen 
Stadtgebiet und Rüstengebiet bildete, lief wol von dem Berg- 
rücken, welcher den Pass von Pirnari nördlich abgrenzt, 
hinab und musste die Küste etwa südlich von 'Ay. Koajia^ 
und XacxM trefifen. Die Stadttrittys der Leontis nahm also 
die Südostecke des Stadtgebiets in ganz analoger Weise ein, 
wie die peiraiische Trittys (VII a) die Südwestecke. Die Frage 
nach der Ansetzung von 'AXipLoö; in Verbindung mit derjeni- 
gen der Nachbardemen 4>&Xr,pov und Ai^covy; und mit der Be- 
stimmung des Cap Kw^ia;, welches zum Gebiete der 'AXifxou- 
(jioi gehört haben muss, hat Milchhöfer im Text zu den Kar- 
ten von Attika (II S. 1-4, vgl. S. 29) von neuem aufgeworfen 
und ausführlich behandelt. Er tritt für die ältere Ansetzung 
ein, nach der At^wvv) in Tpaj^ove;, K(i)>ia; in Tpelc Tcopyot^ und 
'AXijiLOü; etwas östlich davon in Ka>aw.axi lag, während Han- 
riot^ At^cDVY) in der Demenstätte weiter südlich vermutet und 
'A^tjjLoOi; in Tpipvt; ansetzt, und Bursian^ auch KcdXix; nach 
'Ay. Ko<j(xa? übertragen hat gemäss der ulrichs'schen Anset- 
zung von Phaleron in Trispyrgi. Von den Gründen, welche 
Milchhöfer für diese ältere Ansetzung geltend macht, scheint 
mir nur derjenige beweiskräftig zu sein, welcher bei ihm viel- 
mehr als Folgerung aus der ganzen Behandlung der Frage er- 
scheint, nämlich die ansprechende Ansetzung von Phale- 
ron zwischen der Bucht und der Stadt, bei dem Hügel Sco- 
Tvipo;*. Wenn diese Ansetzung richtig ist (sie hängt zum Teil 
von der Entscheidung der Frage ab, wie viel weiter in anti- 
ken Zeiten die Bucht ins Land einschnitt und die jetzige mo- 



* Das Cap, welches die phalerisclic Biichl von Osten abschliessl. 

2 Reclierclies sur la topugraplne den Deines de l\4ltique S. 70 f. 

3 Geoj?raphie von Griechciiland 1 (1862) S. 361. 

* Noch mehr als dieser Hüjjel eignet sich der nordöstlich von ihra gele- 
gene, jetzt stark durch die Steinbrüche beschädigte flache Hügel für das Cen- 
trum einer Küste und Ebene beherrschenden Ansiediung. Östlich von die- 
sem, am linken Ufer des dort vorbeifliessenden kleinen peüjjia, habe ich in 
einem Graben mehrere neben einander in einer Reihe von West nach Ost 
aufrecht stehende, zum Teil umgewälzte, gut bearbeitete grosse Stein- 
blöcke gesehen. 



DIB TRITTYEN UND DEMBN ATTIKAS 379 

rastige Gegend einnahm), so muss man auch die von Milch- 
höfer verteidigte Ansetzung von KwXi&i; und 'AXtpioöi; anneh- 
men'. Tpa^ovEi; und Xaoävi aber werden trotzdem eher zu der- 
selben Trittys mit 'AXijxoGi;, als zu der von At;<«)vy) gehören, da 
erstens die natürlichere Grenze zwischen dem Stadtgebiete und 
dem Küstengebiete südlich von Xaaiivi durchgehen würde, 
und zweitens das Centrum von Ai^wvr) selbst sicher viel süd- 
licher liegt und wir für das Gebiet von Xaaavi bis Kapa in 
der Kekropis keinen Demos haben (wenn nicht etwa 'ETtietxi- 
Sxt oder AaiSx^iSai), in der Stadttritlys der Leontis aber noch 
mehrere Demen Platz finden müssen. Die Namen dieser De- 
men können wir nach Aussonderung der sicheren Demen 
der beiden anderen Trittyen der Leontis auf Grund der In- 
schriften ganz genau bestimmen, leider aber nicht die Lage 
jedes einzelnen von ihnen. Unter ihnen befindet sich aber 
nicht der Demos Otov, welcher Milchhöfer veranlasst hat, 
die ganze Stadttrittys der Leontis in den Westen der Stadt 
zu verlegen, wobei er sich auf die litterarische Überliefe- 
rung stützte, die zwar aus einer guten Quelle stammt, aber, 
wie ich nach dem Gesagten behaupten muss, einen entschie- 
denen Fehler enthält. Wir kennen nämlich zwei Demen mit 
dem Namen Oiov, einen in der Phyle Leontis, den anderen 
in der Hippothontis ; Harpokration und nach ihm Suidas 
geben die Namen der beiden Demen: Oiov K£pap.6ix6v und 
Olov AexsXcixov und sagen ausdrücklich auf Grund der An- 
gabe von Diodoros (cix; AiöS(i>po(;), welcher, wie man an- 
nimmt, noch im vierten Jahrhundert v. Chr. sein Werk Trepl 
T(dv Sy)(j(,(i>v schrieb , dass Oiov Kepaasocöv zur Leontis ge- 
hörte, Oiov AsxfiXstxov aber zu der Hippothontis. Damit scheint 
übereinzustimmen, dass AexeXsta selbst auch ein Demos der 
Hippothontis war. Doch konnte ein Demos der Binnenland- 
trittys der Leontis ebenso gut bei Dekeleia liegen, als ein 
Demos der Stadttrittys der Hippothontis südlich von Kspa- 



< Doch hätte dann Milchhöfer nicht in seiner Karle das Vorgebirge von 
der Tritlys *AXt(iou( trennen und zu der des ^aXTjpov schlagen dürfen. 



380 DIB TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 

(jLctxo;, dagegen ist für einen Demos der Leontis neben Kera- 
meikos kein Platz. Und ich glaube, dass in der Angabe, 
welche uns das Lexikon des Harpokration erhalten hat : tan 

Xe To piev K6pa[/.6tx6v Olov tyj^ A6ovt{So; (f'jkriq, t6 Sc AsxeXsixov 
T>i(; 'iTCTroöwvTiSo; eine Verwechselung eingetreten ist, die wahr- 
scheinlich nicht auf Diodoros zu schieben ist, sondern wol 
am leichtesten sich paläographisch erklären lässt. Es brauchte 
nur in den Worten I<jti lU t6 (jlsv JfjteXeixov das A« hinter pev 
ausgefallen und irgendein Fehler in dem Buchstaben J ent- 
standen , oder in t6 cU Kepaixetjcöv das Sl doppelt und die 
Buchstaben P AM. fehlerhaft geschrieben zu sein und die Ver- 
wirrung war da, die dann ein gelehrter Leser ohne sich ge- 
nauer zu erkundigen zu verbessern versucht hat. Ich lese also 
im ersten Teile des Satzes TO M E N [A E] K E<P A A > A E I K O N, 
in zweiten TOAE<AE>KE[PA^]AEIKON.Suidas hat schon 
den interpolirten Text abgeschrieben. Der Fehler ist so leicht 
zu erklären, dass ich es für unrichtig halte zu Gunsten der An- 
gabe des Harpokration und Suidas entweder die ganze Trittys 
im Westen einzudrängen und 'AXijjloö; für eine Enclave zu er- 
klären, oder etwa Olov Kepafx. als Enclave zu betrachten, be- 
sonders da auch die Inschriften, wie man aus der folgenden 
Zusammenstellung (S. 390 f.) sehen kann, dagegen sprechen. 
Für die Küstentrittys bleibt nun nach Abziehung von *AXi- 
y-ou; die auch von Milchhöfer richtig aus den Inschriften er- 
kannte Gruppe von vierDemen: Soüvtov, rioTaaoc, AeipaSiwTai 
und ^peippioi. Doch gehörten nicht alle DoTajjLioi zu dieser 
Trittys, sondern nur diejenigen, welche in der Inschrift Athen. 
Mitth. X S. 106 noTÄjjLioi AetpaSiwTai genannt sind. Denn ich 
glaube mit Notwendigkeit aus den Inschriften folgern zu müs- 
sen nicht, wie Köhler^ annahm, dass der Demos Potamos 
dreiteilig war, sondern dass es zwei ganz verschiedene, weit 
von einander gelegene und verschiedenen Trittyen derselben 
Phyle angehörende Demen mit dem Namen Uotxu.o; waren ^, 



^ Alhen. Mitlh. X S. 106 f. 
2 S. unten. 



DIE THITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 381 

von denen einer noch in UorxiLOt; jcaö'jwepöev und uwevEpOev zer- 
fiel, während die Angehörigen des anderen zum Unterschiede 
von dem ersteren auch noTipLtot As'caSiwTai hiessen, entweder 
nach dem Demos AeipaStöTai, an welchen sie wol grenzten, 
oder, wie diese letzteren, nach der Natur der Gegend. Was 
nun die Ansetzung dieser Demen der Küstentrittys betrifft, so 
haben wir schon gesehen (oben S. 333), dass der Demos Ilo- 
TaejLoc bei Milchhöfer zu weit nach Norden und an der Küste 
angesetzt ist und auch den übrigen Teil der Küstentrittys 
nach Norden zwischen die dadurch auseinander gerissenen 
Teile der benachbarten Küstentrittys der Akamantis mit sich 
gezogen hat. Ich habe gezeigt, dass für den Demos IloTOfixo; 
kein anderer *Fluss' übrig bleibt als derjenige, welcher in 
fast nord-südlicher Richtung die Südspitze von Attika von 
Kaa&pEca ab durchschneidet und dessen schmales Thal jetzt 
wenigstens im ganzen Distrikte der laurischen Berge die einzige 
bebaute Gegend ist. Aber weder die Karten von Attika, noch 
die früheren Reisenden und Topographen verzeichnen hier 
irgend welche Reste antiker Wohnstätten. Überzeugt, dass der 
Demos Potamos längs dieses Flusses gelegen haben müsse, 
habe ich im Dez. 1891 sein Gebiet von Anfang bis zu Ende 
darauf hin untersucht. Zu meinem Erstaunen entdeckte ich 
am linken Ufer des Flüsschens etwa in der Mitte seines Lau- 
fes, wo sich die beiderseits begleitenden Bergzüge etw^as wei- 
ter von einander entfernen und ihre Abhänge ganz sanft zu 
dem Flusse herabsteigen* nicht etwa geringe Spuren einer 
kleinen Ansiedlung, sondern ausgedehnte, zum Teil recht gut 
erhaltene Reste eines grossen befestigten Dorfes. Die Befesti- 
gungsmauer ist längs dem linken Ufer des peOjJia und seines 
von Kamaresa kommenden Nebenarmes etwa auf der Strecke 
von 300 Schritten in einer krummen Linie über Manneshöhe 
erhalten und lässt sich noch nach beiden Richtungen hin weit 
verfolgen an den hier und da aus dem jetzigen erhöhten Bo- 
den heraustretenden Steinen der oberen Schichten. Sie ist mit 



' Die Gegend lieissl McyacXa xrcuxa. 

ATHEN. MITTHEILUNGEN XVII. 26 



382 DIE TRITTYEN UND DE&IEN ATTIKA8 

dem Sireben nach regelmässiger Schichtung, mitunter noch 
polygonal, sorgfältig aus grossen und kleinen Steinen zusam- 
mengefügt: die Bauart und das Material (ein heller Kalkstein) 
gleichen sehr dem des Thurmes bei Thorikos (Athen. Mitth. 
XV S. 146). Am südlichen Ende liegt eine gut erhaltene 
Thoranlage. Eine Anzahl kleiner Mauern derselben Bauart, 
aber aus kleineren Steinen, sehr schön mit Steinen ausgemauer- 
te Brunnen, einige grosse Cisternen und wol erhaltene Reste 
vieler Wäschereien hinter der Befestigungsmauer und vor ihr, 
endlich mehrere aufgewühlte Gräber vervollständigen das Bild 
dieser, wie man mir an der Stelle erzählte, vor vier Jahren 
bei Erdarbeiten der griechischen Bergwerksgesellschaft auf- 
gedeckten Demosstätte. 

Wenn dies der Demos ist, welchen ich hier vermutet habe, 
so wundert man sich, dass die so ausgedehnte Ruinenstätte 
eines doch wol befestigten Ortes einem Demos gehören soll, 
von welchem wir fast nichts wissen, und welcher nach der 
Statistik der Inschriften zu urleilen, einer der kleinsten und 
unbedeutendsten gewesen sein muss* . Wahrscheinlich war er 
aber wichtig für den Bergbau und war vielleicht nicht sowol 
von den Potamiern selbst bewohnt, als von den verschiedenen 
fremden Elementen, welche an dem Bergbau beteiligt waren. 

Von den drei anderen Uemen derselben Trittys lag der De- 
mos i^ouviov bei dem Cap dieses Namens; doch muss sein Cen- 
trum, laut Strabo^, nicht an der Bucht westlich vom Cap, 
sondern schon an der östlichen Küste von Attika, also nörd- 



< Nach der statistischen Tabelle Kirchner's bei Milchhöfer, Kleisthe- 
nische Demenordnung S. 7, 9 nimmt Polamos mit seinen 4ü-|-15 in den vor- 
römischen Inschriften vurkomnienden Mitgliedern die 58. ötelle ein, doch 
sind ja darin die beiden lloia^jLoi zusammengefasst. Nach dem Verhältnisse 
von 2 noTflcfj.. AeipaS. zu 3 XloTot^ji. xaOuj;. und 6nlv. im Prytanenverzeichnisse 
(\LA. 11. 864 müssen wir für die ersteren etwa 2/5 der Gesamtzahl in 
Anspruch nehmen, also etwa i6-|-b und dann nimmt dieser Demos erst die 
1Ü3. Stelle ein. 

*^ Strab. IX, 1, 22 : xocjjnJ^avTi 62 ttjv xaii tö üouviov axpav a?idXoYo? 5^[ao? Sou- 
v:ov, JiaÖopixo; .... Strabu geht aber bis zum Cap Sunion von N.W. nach 
S. O. vor, von dort nach Norden. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 383 

Iich von dem Vorgebirge gesucht werden. Der Demos Astpa- 
SiüiTat wird vielleicht südöstlich von noraaoc gelegen haben, 
denn die Gegend, in welcher iMilchhöfer *A^y,vta ansetzt, ge- 
hörte gewiss auch zu der Rüstentrittys der Leontis. Den gröss- 
ten endlich von den vier Demen dieser Trittys, *p64:ppiot, 
kann man vielleicht etwa südwestlich vom jetzigen Aaupiov 
ansetzen : die meisten antiken Schachte, Cisternen und Me- 
tallwäschereien, so wie die zerstreuten Hausruinen und Mauer- 
spuren, welche die Gegend von Soüpe^a und Nopia* anfüllen, 
mögen diesem Demos angehören. 

Von den zehn übrigen Demen, welche Milchhöfer alle der 
Binnenlandtrittys zuteilt, wodurch diese bei ihm unverhält- 
nissmässig gross wird, gehören ihr ganz sicher zuerst die De- 
men KpwrtSa»., EiTT'jptSat. nrAv5>t6c. FlatoviSai und *E)t&\Y). Der 
Demos Kpw-tXai ist, wie jetzt auch Milchhöfer anerkennt, we- 
gen der Erzählung bei Thukydides (H, 19) am Wege von 
Teitoi nach 'A/apvat, westlich oder nordwestlich vom Aiya- 
>6a); anzusetzen. Dass aber dieser ganze Weg durch das Gebiet 
der KptoTTiSxt und der mit ihnen zur Tp'xwaia verbundenen De- 
men gegangen sei, oder dass der Demos KpcoTrtSat am Anfange 
dieses Weges, also bei der Dorfruine ^-ztrf^.^t, oder AgjjLEpSJ^Y) 
gelegen hätte, geht doch nicht aus der Thukydidesstelle her- 
vor. Mir scheint es nicht wahrscheinlich, dass das Gebiet des 
Binnenlandes hier so nahe ans Meer reichte und so zwischen 
das Küstengebiet und das Stadtgebiet einschnitt, da doch der 
A'vi^ttw: die natürlichste Grenze zwischen den beiden letzte- 
ren wäre. Ich setze daher KpwTriSat mehr an das Nordende 
des AiyÄ^eü); in die Nähe der grossen Mauer, welche vielleicht 
Thukydides gerade im Auge hatte, als er KpwTix nannte. Der 
ganze untere Teil des Thaies zwischen Aiyif>6Ci)<; und der west- 
lichen ihm parallelen niedrigen llügelreihe, so wie die ganze 
Gegend westlich von dieser letzteren bleiben für die Demen 
der thriasischen Trittys frei. 

Bei Kp(i>?7iSat müssen die mit ihnen zur Tpi3c(i>[iLi(x verbünde- 



« S. Karlen von Altika III-VI S. ^8 (unten). 



384 DIE TRITTYEN UND DEMEN aTTIKAS 

nen Demen EuTtupiSat und nrfky\M(; angesetzt werden ; doch 
wissen wir nicht, in welcher Richtung wir sie zu suchen ha- 
ben. Nordöstlich von KpwmSai im Gebiete des jetzigen McviSt 
müssen die flaioviSai angesetzt werden, welche ich ebenso 
wie Milchhöfer etwas nördlicher, über MevtSi, angenommen 
habe. Noch mehr nach Osten, augenscheinlich zu derselben 
Trittys gehörend, lag der Demos 'ExxXy). Doch ist dieser Demos 
bei Milchhöfer unnötigerweise zu weit nach Osten angesetzt. 
Der einzige Anhalt zur Bestimmung seiner Lage ist der My- 
thos von der Hekale (Plutarch, Thes. c. 14), von welcher 
Theseus bei seinem Zuge gegen den marathonischen Stier 
gastlich aufgenommen wurde, und zu deren Ehren der Heros 
bei seiner Rückkehr ein Fest 'Ex.xk(^ Au angesetzt haben soll, 
bei welchem die benachbarten Demen beteiligt waren. Aus 
allem dem folgt aber weder, dass der Demos in der nächsten 
Nähe von Marathon lag, noch dass hier *ein für Epakria cen- 
traler Cult und Festort des Zeus Hekalesios' war, ja nicht 
einmal, dass Hekale am geraden Wege von Athen nach Ma- 
rathon lag, wie man allgemein annimmt. Die Sage hat hier 
wol weniger eine wichtige Verbindungsstrasse, als vielmehr 
einen wichtigen Wegepunkt ausgeschmückt: es würde aber 
einer lokalen Sage gewiss nicht schwer fallen, einen auch von 
dem eigentlichen Wege, welchen der Heros nach der end- 
giltigen Ausgestaltung des Mythos nelimen sollte, entfern- 
ten Punkt in die Erzählung hineinzutlechten. Ich meine also 
nach dem Wenigen, was wir über 'ExicXv) wissen, können 
wir nur behaupten, dass dieser Demos irgendwo an einem 
wichtigen Wegepunkte gelegen haben wird, von dem aus 
man auf geradem Wege nach Marathon gelangen konnte. Wir 
haben aber keine Veranlassung bei der Ansetzung des Demos 
nach Nordosten, gegen Marathon hin, über die natürlichen 
Grenzen der Trittys IV e hinauszugehen. Als solche sind an- 
zusehen : im Norden der Rücken des nordöstlichen Zweiges 
des Parnes, im Osten (oder eher im Südosten) der nördliche 
Hauptzufluss des Kephisos, dann dieser selbst; zwischen den 
beiden wird das Gebiet der Trittvs IVc* über den östlichsten 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 385 

der vom Parnes zum Kephisos herabfliessenden Bäche nicht 
hinausgereicht haben. Innerhalb dieser Grenzen wird man 
den Demos Hekale im nordöstlichen Teile der Trittys anset- 
zen müssen, also etwa bei KepaixtSi, wo Milchhöfer OIov an- 
nimmt, oder näher an dem Hauptzuflusse des Kephisos (Su- 
ßcpo;?). Der Demos Olov AexE^eixov aber, welcher auch in 
dieser Gegend, im Südwesten oder Südosten von AexeXeia, an- 
zusetzen ist (s. Milchhöfer S. 32), gehört, wie wir sahen,, 
auch zu der Trittys IV c. 

Wir haben jetzt zwei Teile dieser Trittys ermittelt, den 
südwestlichen, bestehend aus Kp(i>7riSai,Eu7r'jptSat, Uyi\nx.s(;, und 
den nordöstlichen aus riatovtSai, Olov, ^EjcxXy): wie soll man 
die beiden Teile zu einem Gebiete verbinden ? Die Frage ist 
nicht leicht zu entscheiden, weil sich das Gebiet des grössten 
Demos 'Aj^apvai und somit der Trittys \lc zwischen die bei- 
den Teile der Trittys von der einen oder von der anderen Seile 
einschiebt Das bewohnte Centrum von'Aj^apvai ist in der süd- 
östlichen Umgegend von MeviSi anzusetzen', und die Verbin- 
dung zwischen der Tpixcoata und [laiovtSat muss entweder öst- 
lich von hier am rechten Ufer des Kephisos gewonnen wer- 
den, oder westlich an dem Bergrücken des Parnes. Milchhö- 
fer schlägt den letzteren Weg ein und teilt dem Gebiete von 
'Ayapvat die Ebene zwischen Kephisos und dem Fusse des 
Parnes mit den jetzigen Dörfern MeviSi, 67rav(i> Aiodia, KaixaTgpo 
und dem Gute Il'jpyo; zu. Doch ist dies in doppelter Hinsicht 
unbequem. Erstens werden auf diese Weise die Acharner ab- 
geschnitten von der Waldgegend des Parnes, welche sie als 
Kohlenbrenner doch gewiss besassen, und für solche hat man 
sie bis jetzt auf Grund von Aristoph/A^apv. V. 34. 332fif. und 
Schol. zu V. 34 mit Recht gehalten. Zweitens bleibt so als 
Verbindungszone zwischen den beiden Teilen der Trittys IVc 
eine Berggegend, welche viel eher zur Trennung als zur Ver- 



* Ausführlich handelt darüber Milchhöfer, Karlen von Allika II S. 42 f., 
doch auch er ist damals nicht zu einem entschiedenen Resultate gekom- 
men ; erst jetzt durch die Vereinigung der Demen zu Trittyen wird man das 
Gebiet von 'Ax^apvat genauer begrenzen können. 



386 DIE TRITTTEN UNO OBIfBN ATTIRAS 

Bindung dienen könnte, da es hier nicht einmal einen rechten 
Verbindungsweg geben konnte. Die beiden Demen, welche 
Milchhöfer in diesen Verbindungsstrich setzt, EuwupiXat und 
AiSaXiSat, sind an das Thal von Xxaidc durch nichts gebunden, 
der Berggrat *'Ap(iLa braucht nicht deshalb im Gebiete der At- 
OaXiSai zu liegen, weil er in die Sage von Amphiaraos hin- 
eingezogen wurde, dessen Heiligtum sich auch in dem Denaos 
AieaXiXai befand (C. /. ^. III, 61 ^ I, 13), und die südöst- 
lich von MeviXt (Kapelle 'Ay. NixoXao;) gefundene Inschrift 
C. /. i4. 111, 25, in welcher 'AiA-ptApao; erwähnt wird, kann 
sehr gut aus dem erwähnten Heiligtume stammen, wenn wir 
AiSaXiSai Südöstlich von 'A^apvat zwischen Tpi>t<i)(iLia und Ilato- 
vtSat ansetzen. Ich lasse also dem Demos 'Aj^^apvat von dem 
Gebiete, welches ihm Milchhöfer zugeteilt hat, nur den nord- 
westlichen Teil. Ein peöfiia, welches an dem nördlichen Fusse 
des AtydXsG);, von Xadtx kommend, vorbeifliesst und ein ande- 
res, welches westlich von McviSi, vom Parnes herabfliessend, 
in dasselbe mündet, bildeten ungefähr die südliche und öst- 
liche Grenze des Gebiets von 'A5^apvai. Sein Centrum lag in 
der Ecke zwischen den beiden peufiiaTa ( bei dem Hügel Sa- 
pavTa (xapTupe?) also am Rande des Gebietes des Demos, des- 
sen Hauptteil von hier nach Nordwesten über das Berggebiet 
des südlichen Parnes mit dem Thale von Xaatx sich erstreckte. 
Das niedrige Nordostende des Aigaleos, die Gegend zwischen 
diesem und dem Kephisos mit MevtSi, der südliche Abhang 
des Parnes nördlich von MevtSi und weiter nach Osten gehör- 
ten der Trittys IV c. Der Demos KpwTutSat lag am nördlichen 
Abhang des Nordendes des Aty&^eü);. Einer der beiden ande- 
ren Demen E'jTU'jpiSxt oder llri'kny.i<; wird vielleicht an seinem 
südlichen Ende bei Ka{xaTgp6 gelegen haben und der andere 
etwa zwisclien diesem und dem Kephisos; nördlich von die- 
sem, ebenfalls am rechten Ufer des Kephisos AtOaXtSai und 
noch weiter nach Norden llaiovtSai*. 



* Ich habe früher geglaubt das Gebiet der Bergwerksdemen Kpto;ii8ai, 
EüTwupiÖai, nTJXTjxes, vielleicht auch AlOaXtöai, wegen der modernen Ortschaft 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 387 

Noch einen Demos, Acuxovoyi, meint Milchhöfer in der Nähe 
des Aiy&Xcwc (voraussichtlich bei Daphni) im Gebiete der- 
selben Trittys (IVc) ansetzen zu können, wozu er sie aber 
erst bedeutend nach Süden erweitern muss. Aber die Grün- 
de, welche er anführt, sind meiner Ansicht nach nicht stich- 
haltig, vielmehr ist die Ausdehnung der Binnenlandtrittys so 
weit nach Süden unmöglich, und jiie Zugehörigkeit dieses 
Demos zur Stadttrittys aus den Kataloginschriften ganz sicher. 
Mit den Grabinschriften der Aejxovogt;, deren eine in Xa>&v- 
Spt sich befindet, eine andere aus MevtSt und auch eine aus 
'EXeu^i? stammt, ist nichts zu machen, ebenso wenig wie mit 
den drei aus SaXa(At(;. Die Votivinschrift eines Aeuxovoeu; an 
Apollo C. L A, II, 1568 aus der Nähe von nepidTcpi* wird 
wahrscheinlich aus dem nahen Pythion bei Aacpvi stammen, 
aber dieses letztere wird doch wol nicht nur ein Demenhei- 
ligtum gewesen sein, so dass wir uns über ein hier aufge- 
stelltes Weihgeschenk eines Angehörigen auch eines weit ent- 
fernt gelegenen Demos durchaus nicht zu wundern haben. 
Ebenso wenig kann man über die Lage des Demos Aeuxovov) 
aus den Sagen entnehmen. Denn 'dass gerade die Heroine 
Leukonoe in die eben hier anknüpfende Kephalidensage wie 
in die (phokische?) des verwandten, apollinischen Philam- 
mon enge einbezogen ist', schliesst Milchhöfer wol daraus, 
dass AeuxovoY) bei Hygin. Fab. 161 Mutter des Philammon und 
Tochter des Lucifer (*E<i)c(p6po?) genannt ist; dieser wird aber 
gewöhnlich Sohn des Kephalos und der Heos genannt. Doch 
findet sich gerade in jener Version der Sage, welche Aeuxovoy) 
dem Philammon zur Mutter giebt, gar keine Andeutung auf 
seine oder seiner Mutter Verwandtschaft mit Kephalos, denn 



XaXxtüjiaraBc? bis an das Nordweslende des Toupxo6ouvt längs der nördlichen 
Grenze des Sladibezirks ziehen zu miissen ; es wird aber besser sein, das 
Gebiet der Tritlys IV c mil](hMii Kephisos zu begrenzen, welcher auch wei- 
ter die Grenze bildet. 

* Die Annahme Velsen's, der Name dej; Gegend, in welcher er die In- 
schrift abgeschrieben hat, ''Aa;ipa yaSjxara, entspreche dem allen Acuxovdr), 
wird doch kaum als Beweis ihrer Identität angeführt werden können. 



388 DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 

Heosphoros wird auch für einen Sohn des 'A^rpaio; gehalten '. 
Ich sehe also keine Notwendigkeit, Acjovöt) in irgend welche 
Beziehungen zu dem Pythion am Aigaleos zu bringen, und 
man müsste ganz darauf verzichten die Lage dieses Demos 
wie auch die von vier anderen XoX^giSat, KrjTTioi, Ko>.ü>v6?, 
TßiSai, auch nur ungefähr zu bestimmen, wenn wir nicht mit 
Sicherheit die Trittys eines jeden von ihnen nennen und de- 
ren Gebiet aus der Lage ihrer anderen Üemen bestimmen 
könnten. 

Nach Milchhöfer folgt aus den Beamtenlisten und der Üe- 
menliste die Zugehörigkeit aller dieser üemen (ausser Ko- 
X<i)v6;) zum Landbezirke. Diese Ansicht beruht aber darauf, 
dass er schon Leukonoe für einen ganz sicheren Demos der 
Binnenlandttrittys hält, sodann ist sie eine Folge seiner we- 
nig kritischen Anwendung der Inschriften, indem er bei 
Verzeichnissen, aus denen er einige Teile als Beweise an- 
führt, die Widersprüche gegen seine Gruppirung nicht in Be- 
tracht zieht^. Für mich ist aus denselben Verzeichnissen sicher, 
dass AeuxovoY), XoXXEiSai und Kyjttioi mit S)cau.6wviSxt, *A>.t[xoO^ 
und dem doppelten Uotxilo^ zu der Stadttrittys gehören (also 
in der Gegend etwa zwischen dem jetzigen Südwesten der 
Stadt, KapÄ, Xadxvi und IlaXa-ov 4>ic>.Y)pov lagen), TßxSai und 
KoX<i)v6; dagegen mit KpwTiSxi, EuzupiSai, Mr;>.Y))C£;, IlatovtSxt, 
*Exi:>.y) und Oiov die Binnenlandtriltys ausmachten. Es sind 
hauptsächlich drei Inschriften C.I.A. II, 864, Athen. Mitlh. 
X S. 106 und C. I. A. II, 991, welche wegen der fast voll- 
kommenen Übereinstimmung unter einander sich besonders 



< Hesiod. Theog. 381. 

^ Welchen Beweis können solche Demenreihen liefern: C. /. A. II, 864 
'Leukonoe, Cholleidai, später Pelekes, llyhadai', wenn dies * Später' 
die Unterbrechung durch eine ganze Colunine liedeulel und weder Leuko- 
noe nach Milchhöfer an die Domen derselben Trillys anschliessl, noch die- 
selben den flybadai folgen? Oder C, I. .1. II, 'jjI KoUioi ( Lücke i, Faioni- 
dai, Ilybadai, Pelekes,wenn diese Lücke (von \icr Dcinennanicn) nicht durch 
die im Verzeichnisse fehlenden Denien derselben Trill^s gefüllt werden 
kann? 



DIE TRITTVBN UND DEMEN ATTIKA8 389 

gut für unsere Zwecke eignen; bei der letzteren können wir 
die Genauigkeit in Bezug auf die Gruppipung der Demen nach 
Trittyen nicht nur vermuten, sondern auch beweisen. In den 
Athen. Milth. X S. 105 hat Köhler ein Fragment der Pryta- 
nenliste der Leontis herausgegeben und soviel es geht richtig 
ergänzt. Genügend erhallen ist nur eine Columnc, man kann 
nicht bestimmen, ob die zweite, oder die dritte* ; in den Na- 
men der Demen, aus denen die hier genannten Prytanen stam- 
men, in der Zahl der Prytanen aus jedem dieser Demen, im 
Wesentlichen auch in der Reihenfolge der Demen stimmte 
wol, wie auch Köhler annimmt, dieser Teil der Inschrift mit 
der zweiten Columne der Prytanenlisle C.I.A. 11, 864 über- 
ein. Bei dieser Übereinstimmung ist ein Punkt für uns von 
Wichtigkeit, den Köhler nicht bemerkt hat: wir können näm- 
lich mit Gewissheit behaupten, dass in der Inschrift Athen. 
Mitth. X S. 106, ebenso wie im C. /. A. 11, 864, die Pota- 
mier an zwei verschiedenen Stellen des Verzeichnisses genannt 
waren. Denn obgleich der Name noTiy.tot in dem erhaltenen 
Teile der Inschrift nur einmal vorkommt, sind sie hier, wol 
in nicht oflicieller Weise, als IIoTa(i.ioi AstpxSiwTat näher be- 
zeichnet, gewiss zum Unterschiede von anderen UoTaa-iot (xaOo- 
TTgpdev und uTTcvepögv), die an einer anderen Stelle der Inschrift 
genannt waren. Der Umstand, dass in beiden Inschriften die 
Potamier an zwei getrennten Stellen verzeichnet waren, kann 
nicht zufällig sein. h]s waren eben nicht Teile eines dreiteili- 
gen Demos, wie Köhler angenommen hat, welche etwa aus 
Nachlässigkeit an verschiedenen Stellen des Verzeichnisses 
genannt waren ^, sondern umgekehrt haben wir hier eine be- 

[ Fortsetzung s. S. 392]. 



< Von der vorhergehenden Columne sind nur Reste der Vatersnamen der 
Pry tauen erhallen; nach den Sielleu. wo man Demolika vernmlen darf, 
zu urteilen, wird diese Columne der drillen Coluniue der Inschrift 6'. /. A. 
II, 86i vollkounuen enlsprocheu haben. 

^ Sonsl kennen wir keine dreiteilige Demen und bei den zweiteiligen 
werden immer (ausser Ü,/.A. II, 87ti, III, 24, 28, so viel ich weiss) die 
beiden Teile neben einander genannt. 



390 



DIB TRITTTBN UND DEMBN ATTIKA8 



t 
i 



C.I.A. II, 991 

lU 9. Aiü)vt(8o[«] 

Sxot(x6b>vi[Sat] 
Aeuxov({[7)] 

rioTafjLOf 
15. [*AXi]jx[oü«]« 



Cf.A. II, 864 



I. 3. K]TiTTlOl (3/ 

10. ['AXi]jioatoi (3) 
17. Tloxd[Lioi xaOu. (2) 
22. n]oxi[Lioi Gtccv. (1) 
25. S]xni(A6a>viSai (3) 
32. AeuxovoitJc (3) 
39. XoXJXrjföai (2) 



C.l.A. II, iOOl 



4. KtJttioi 



8. Aeuxovo[i]£t{ 
14. XoXXstSai 
20. Sxa[i6w[v/]8fai] 



Athen. Millb. X S. 106. 



— 


II, 3. ^pUppioi (9) 


II, — [4>p6appioi 


(2]+7) 


— 


22. Sovifj« (4) 


8. Soüvifj« (4] 


1 


— 


31. AEtpaSibitai (2) 


13. noTaiiio[t 


AJEipaSt&Tai (2 


- 


38. Floiafitoi (2) 


16. [Acipa8i(&]i 


r«. ([2]) 


riatov^Sai 


III, 3. nTJXTjxs? (2) 


I,- [ - 


(«)] 


20. T6(£8fa]i 


8.T6d[8(xi (2) 


[ - 


](2) 


IItJXtjxec 


13. If Oroü(1) 
le.'ExaXei^« (1) 


3. — 


(2) 


KpcoTcidai 


19. KpcüTc/Sat (1) 
22. [n]aiov^$ai3 (3) 






EuTüüpiöai 


29. Eü^roptSai (2| 


6. — 


(?) 




34. Ai6aX/8ai (2, 


9. — 


(?) 


KoXwvcp?] 


39. KoXu)v^{ (2) 


1-^. — 


(2) 


25. 0]Io[v2 




• . • . 


. * 



' Ross (Die Demen von Atlika S. 1 ) hat auf dem Steine OAYM zu lesen g< 
glaubt, in der Transcriplion giebt er ['A]Xi[x[oCf5?]; Köhler giebl keine Buchslj 
benrestc in dieser Zeile an, mir schien es, dass die Reste von M auf der vierte 
Stelle noch zu erkennen sind. 

2 Ross MA, Köhler Ol/^, worin er aber nur eine Bezeichnung von Olov ei 
kennt ; über den ersten Buchslaben kann man jetzt nichts sagen, da der Marnic 
an dieser Stelle ab?;esplittert ist. An dritter Stelle steht entschieden der rechl 
obere Teil der Rundung von O; das. was Köhler und Ross für ein Teil des 
nahmen, ist entschieden nur ein zufälliger Strich. 

3 Auf dem Steine TAIONIAAI. 



DIB TRITTTEN UND DEMBN ATTIKAS 



391 



C,/.A. 11,1028 



C.I.A. II, 1049 



Ü.I.Ä. II, 943 

II, 23. A6a>v[T{8Jog 



I, 7. noTa{jL[ioi] 



10. XoX]X6l8a[i 
16.*AXi[xoua[i]o[i 



A. 116. XoXX£l8ai(— I 

B. 1. Acüxovosls ( — ) 



24. Aeoxovoet; (1) 
26. XoXX£t8ai|4) 



A. 3. ef Oroü (35) 
38. ]oLi* (12) 

51. AneaX/8ai (17) 
69. EuTcupiSai (46) 



III, 3. Acipa8io&tat (3) 
7. <t>psappioi (2| 
10. 2:oü[v]i£T? (1) 

12. SxajJiCtüviSat 5 (1) 



* Köhler und FIixTaxT); ('E^rjjji. Nr. 516) jreben vor AI den unleren Teil 
3incr H.ista an (Ussin;: hat ihn nichl) und Kühler ergänzt [AetpaBib>T]ai. Ich 
konnte den Stein nichl sehen ; wenn der Strich vor A nur von zufillliger 
Natur i^t, so könnte man einen Deraosnanien auf AAI vermulen und so 
eine ununterbrochene Reihe der Trillys IV c haben. 

^ Dieser Demos ist hier nichl an seinem Platze. 
Im (J, I.A. II, 960 endlich haben wir: C. II, 3. [A6ü)]v[ti§o?], 4. Sxajji- 
[6ü)vi8ai] (1), 6. Asuxovofifj«] (I), 8. AieaX/8[ai] (1), 10. Kiixnot (3)i 

14. [15] Oro(u)? 



r 
# 

i 

i 

39? DIE TRITTYEN UND DEIfEN ATT1KA8 

I sondere Regelmässigkeit in der Verteilung der Demen auf die 

^ Columnen anzuerkennen und die besonders genannten IloTa- 

1 (y.tot werden zwei verschiedene Demen gewesen sein, welche 

^ verschiedenen Demengruppen, das heisst doch wo! verschie- 

i denen Trittyen, angehörten. Wie die in beiden Inschriften 

eine ganze Columne einnehmenden Demen 4>pEapptoi, So'jvir,;, 
\ noT(i(xioi ( A6ipaSia>Tat ) und Actpa^KüTai die Rüstentrittys ge- 

t bildet haben, so gehörten wol die in der Inschrift C\ L A. II, 

; i564 in der ersten Columne zwischen den 'AXiaoüdioi und Sxxjjl- 

^ 6(i>viSai genannten IloTxixtot jtaB'jTcepOcv und urevepOev mit diesen 

; beiden der Stadttrittys an*. Dasselbe kann man aber weiter 

, auch von den drei anderen in derselben Columne genannten 

Demen behaupten, für welche wir sonst keine Anhaltspunkte 
besitzen : Ktittioi, ÄEuxovotYi; und XoXkrti^oLi, Denn alle uns 
bekannten Demen der dritten Trittys, der des Binnenlands, 
finden wir beisammen in der dritten Columne der Inschrift 

r 

C. /. A. II, 864; die unter ihnen genannten TßaSai und Ko- 
>.(i)VYi; werden auch zu dieser Trittys gehört haben. Mit dieser 
Zuweisung aller Demen je einer Columne der Inschrift C.I.A. 
II, 864 zu je einer Trittys stimmt auch sehr schön die Rei- 
henfolge der Demen in der Inschrift C/.^. II, 991 und in ei- 
nigen unbedeutenderen Fragmenten von Verzeichnissen unge- 
wisser Bestimmung, wie C /. .1. II, 1Ü0l. 1028, vielleicht 
1Ü49. Dagegen ist in den Inschriften C I. A. II, 943. 960. 
1040 und in der Prytaneninschrift C. /. .4. III, 1066, welche 
alle Milcbhöfer auch anführt, das Zusammentreffen von zwei 
oder drei Demen einer Trittys vielleicht nur zufällig. 

Eine Zusammenstellung der wichtigeren Inschriften s. S. 
390. 391. 



1 
f 



r. 



' Die beiden Teile dieses Dcinos werden an dem Flüssclien gelegen ha- 
ben, welches vom Hyniellos lierab bei Mrrpayajxi vorbeifliesst und zwischen 
IlaXaiov »l>aXr)pov und Xaaavi niündel. 



DIE TRITTVEN UND DEMEN ATTIKAS 393 

Aramantis (Miichhöfer S. 23-27). 

Von den 14 Demen dieser Phyle sind sieben ganz sicher 
schon früher, endgültig zum Teil erst vor Kurzem durch 
Miichhöfer, angesetzt ^ und für drei andere haben wir Anhalts- 
punkte, welche eine Verschiebung nur innerhalb enger Gren- 
zen erlauben^. Da ausser den durch diese Demen eingenom- 
menen Gegenden von den übrigen vier kein anderer Teil At- 
tikas in Anspruch genommen wird, so wäre zu erwarten, dass 
über die Bestimmung der drei Tritlyen dieser Phyle völlige 
Übereinstimmung herrschte; dem ist aber nicht so. Die De- 
men, welche Miichhöfer unter die Trittyen des Stadtbezirks 
und des Binnenlandes verteilt, habe ich alle, ausser den mei- 
ner Ansicht nach unbestimmbaren IIöp.oi und K^pTiÄSat, der 
Stadttrittys zugeteilt. Dagegen betrachte ich das ausgedehnte 
Gebiet, welches Miichhöfer der Küstentrittys giebt und wel- 
ches bei mir noch grösser wird, da ich nicht aus der Mitte 
davon ein Stück für die Trittys IVA herausschneide, als zwei 
mit einer schmalen Seite zusammenstossende Gebiete der Trit- 
tyen der Küste und des Binnenlandes. 

Zu der Stadttrittys gehört bei Miichhöfer nur ein Demos, 
KfipajjLctxo;. Doch , wenn der Demos "Epp; nach Plutarch 
(Phok. 22) und auf Grund der drei in der Nähe von Daphni 
gefundenen Grabinschriften von Hermeern, wirklich bei dem 
Eintritt der heiligen Strasse in den Daphnipass anzusetzen ist, 
und ein zweiter Demos, XoXapyo;, allem Anschein nach in 
der Nähe von *Ep[Ao? zu suchen ist ( zwischen Rephisos und 
Aigaleos nördlich von der heiligen Strasse), so werden wir 
diese beiden Demen ebenfalls dem Stadtbezirk zuteilen, das 
heisst also, sie mit Kepaixeijco? zu der K6paLf.6wv -rpiTTu;^ verei- 
nigen. Wenn Miichhöfer dies nicht thut, so kommt das da- 



^ Es sind 'A"]fvoü5,''Ep|JLog, ©opixtJ«, KepafxeixcJg, KEfaXi|, IlpdoitaXtot, SfrjtTcic. 

3 Eip£a(Sat, *Ifi9Tic(8ai, XoXapYO^. 

3 Der Name der Trittys ist bezeugt durch C. I. A, I, 500: Kcplafiloiv 

[Tp]ltTU$. 









f^ 



, 394 DIE TRITTYEN UND DEMRN ATTiKAS 

f 

l her, dass ihm ein Strich zwischen dem Kerameikos und den 

i beiden letzteren Demen längs dem linken Ufer des Kephisos 

^'ß für die Verbindung des Ko>a)v6(; mit S^taj^.ßwviSx». (durch Oiov 

' KgpatA.) in der Trittys IV« nötig ist, und weil er wegen Aeu- 

j xovor, schon das Binnenlandgebiet bis nach Daphni herunler- 

C' gezogen hat. Doch ist, wie wir gesehen haben (oben S. 379. 387) 

dieses beides weder notwendig, noch wahrscheinlich. Die Ge- 
gend am Kephisos zwischen IIaT7;<;ia und x&tü) At6'7'.a darf 
auf keinen Fall von der übrigen Ebene des unteren Kephisos 
getrennt werden : es ist to weSiov, der Sitz der tteSieI; oder ttc- 
Stajtoi, welcher wol in seinem ganzen Umfange in Ta Trspi to 
l Siaz\> des Kleisthenes aufgenommen wurde, im Norden endlet 

dieses TTsSiov dort, wo die steinige hügelige Gegend, welche an 
die nördlichen Enden des Aigaleos und des Tourkovuni an- 
setzt, von beiden Seiten bis hart an den Fluss herantritt; das 
I ist etwa die Linie südlich von KajxaTgpo über Ilopyo? bis nörd- 

'? lieh von riaTTiGia, welche ich als Grenze zwischen dem Stadt- 

•; gebiete und dem Binnenlande ansehe*. Für die Trittys der 

; Kerameer (Va) aber bekommen wir ein Gebiet, welches in 

; natürlichster Weise sich an den Demos Kerameikos im Nord- 

Westen anlehnt und über den Kephisos bis zum Aigaleos und 
der nördlichen Grenze des Stadtbezirks (auf der Strecke zwi- 
schen Aigaleos und Kephisos) reicht. Hierher rücke ich nun 
auch die Demen ElptGi^yi und 'loi'jTi^.Sa'., für deren Anselzung 
wir einige Anhaltspunkte (doch durchaus nicht so entschei- 
dende, wie es bis jetzt, auch von Milchhöfer, angenommen 
worden ist) in dem Testamente Piatos bei Diog. Laert. 111, 
1,41 besitzen. Daraus wissen wir nämlich, dass ein Grund- 
stück im Demos EtpeoiSai westlich an den Kephisos stiess und 
ein anderes in 'l9i'7Tix8at südlich von dem *Hpa)c^6tov t6 Iv 
l^t«jTiaXü>v, nördlich von dem Wege ix, toö K7j(pi(jia(jtv iepoö be- 



^ Man wird von der bis jetzt allgemein giiligen Annahme, dass 'die Ebe- 
ne' von Atlika den ganzen Teil bis zu dem Fusse des Parnes und Penle- 
iikon herauf einnahm, absehen müssen. Schon Thukydides (II, 20,1 und 
23,1), schliesst das Gebiet von 'A^a^va/ ebenso wie das ganze Land zwi- 
schen *A-/apvai und Bpt)v7)aao{ (=nevT£Xixdv) von to 7:£8tov aus. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 395 

grenzt wurde. Man hat aus diesen Angaben ganz willkürlich 
geschlossen, dass die beiden Üemen in der Nachbarschaft von 
Rephisia lagen, und das genannte *Hpic<)v6iov in dem jetzigen 
'ApxjcAi 6^°* südwestlich von Rephisia gesucht. Denn wenn 
sich auch wirklich im dem Namen *Apx5c>.i die Erinnerung an 
ein *JIpaxXEtov erhalten hat, so braucht es doch durchaus nicht 
das 'HpajcXetov t6 ev l^idTiaScüv zu sein ; es kann doch in 
Attika noch mehrere Heiligtümer des Herakles gegeben ha- 
ben, von welchen wir keine Nachricht besitzen*. Für die De- 
men der Akamantis ist in der Ebene des oberen Rephisos, 
welche zum Binnenland gehören muss, kein Platz. EipgdiSai 
und 'IcpiGTiaSai müssen beide westlich oder nordwestlich von 
Kepaptetito; gesucht werden und lagen vielleicht beide einer hin- 
ter dem anderen am Kephisos etwa in der Gegend der jetzi- 
gen KoXojt'jveoG; und SeTröXta oder noch höher und näher an 
der Nordgrenze des Stadtbezirks. So lagen die beiden Grund- 
stücke des Piaton in diesen beiden Dcmen in der Nähe der 
Akademie (im Demos Kepa(JL6iJcö; bei KoXcüvo; *'lwmo?j, in der 
Gegend, welche auch jetzt einen bäum- und blumenreichen 
Garten bildet. Gewiss konnte auch in dem hier gelegenen De- 
mos *I(pi<m&Sai, ebenso gut wie dort, wo ihn Milchhöfer und 
andere ansetzen, ein Weg zu dem Heiligtume in Kvicpidta ge- 
führt haben. Doch scheint mir die Bezeichnung eines Weges, 
welcher doch noch mehrere andere wichtige Ortschaften ver- 
bunden hat, nach einem sonst unbekannten Heiligtum in Re- 
phisia als seinem Endpunkt etwas sonderbar. Vielleicht ist hier 
ein Fehler im Texte anzunehmen, U toö Ky)(pt(jiaciv Upoö kann 
etwa aus U toö Kyicptaoo (oder 'I(pi<jTtou) Upoö entstanden sein. 
Von den übrigen Demen wird noch Eirea wegen der aus 
dem Namen erkennbaren Natur des Ortes mit Milchhöfer am 
wahrscheinlichsten am Rephisos anzusetzen sein, also auch in 



1 *Ifi<7Tia8ai mit dem Heros 'l9i97to( haben wol nichls mil "H^aiato^ und 
der Melallinduslrie zu tbun, mit weichen man sie (so auch Milchhöfer) in 
Verbindung setzt: der Name 'HfaiaTiaSai erscheint erst in der nachchrisl- 
liehen Zeit in Folge der phonetischen und vielleicht auch dadurch bedingten 
m^lhischen Verwechselung. 



t 

> 3Ö6 Diß TKITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 

der Stadttrittys*. Was den Demos Ilopiot betrifift, so wage ich 

nicht der allein auf der Bedeutung seines Namens beruhenden 

•^rf Annahme Milclihöfer's beizutreten, welcher sie an der Furt 

des Kephisos zwiscthen Levi und Patissia sucht. Dagejjen 
scheint mir der Demos Kwjwa am besten ebenfalls in die 
Stadttriltys zu passen. Der Name wird mit Recht mit Kuv\i- 
8ai, dem Namen eines attischen Geschlechts, und KOwy);, 'A-6X- 
r >^<«)v K0VV610; in Zusammenhang gebracht^. Die Ortschaften, 

;3l welche in den Mythus und den Cult des Kovvr,(; oder 'A-6X- 

^ >.G)v K'jvvgio; hineingezogen waren, sind nipvr<(;, T|A7)tt6; und 

,^ die bei dem Südende des Hymettos am Meere gelegenen 'A>at^; 



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- in beiden letzteren Fällen kann eine und dieselbe Gej^end ^e 









■r . 



meint sein. Da es aber weder am Parnes noch bei 'AXat Platz 
für irgend einen Demos der Akamantis geben kann, so wird 
wol die Vereinigung beider Ortschaften in den Sagen eines 
Demos anzunehmen sein, welcher zwischen den beiden, also 
im Stadtgebiete gelegen hat^; das ursprüngliche Heiligtum der 
KuvviSat mag etwa bei *A>.ai am Südende des Hymettos gele- 
gen haben, später siedelte vielleicht der Hauptteil des Ge- 
schlechts in die Kephisosebene über, wie etwa K6(paXiSat von 
Thorikos, 4>rAatSat von Brauron, SjtaaßwvtSai von der thria- 
sischen Ebene vielleicht auch 'EpoiiSxi aus der Nähe von FlaX- 
^•yiVY). Die Anselzung von Kt^tuweic zwischen den Demen der 
Stadltrittys (V«) hat auch das für sich, dass wir dann in den 
beiden inschriftlicben Verzeichnissen, in denen Kixjjwei; vor- 



< Sonsl könnte man vielleicht noch an das Fiüsschen von Kecaiea den- 
ken, welches die Küslentrittys der Akamantis durchfliessl. Mit dem f?leich- 
namigen Demos der Anliochis kann dieser Demos nirgends zusammenstos- 
sen und braucht es auch nicht. 

- G. Kirchner, Atlica ei pelopunnesiaca (1890) S. 5! f. 

3 Als Mutter des Kuwt)? wird IlapvTjOia vu(jL9r) genannt (Photios und Suidas 
s. V. Kuvveio;). Der Apollo wurde nach dem Grammatiker Sokrates (ebenda) 
KjvvEto; genannt auf dem Hymettos und ihm wurden Opfer dargebracht von 
dem Thuntisclifang in 'AXai. Ausführlicher darüber s. Kirchner a.a.O. und 
J. TöpIVer, Allische Genealogie S. 301 tf. Allicn. Mitth. XVI S. 424. 

* Aus Aristophanes' Wolken 206 il". ist für die Lage des Demos nichts zu 
entnehmen. 



DIB TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA9 397 

kommen (Athen. Mitth. X S. 324 h, i. und CIA. 111,1030) 
eine Reihenfolge der üemen bekommen, welche der Eintei- 
lung in Trittyen vollkommen entspricht ^ Sonst könnte K{- 
x'jvva auch bei 2(p7)TT6<; an der Ostseite des Hymettos gelegen 
haben, wo auch Milchhöfer sie ansetzt. 2<py)tt6; wird in ural* 
ten Zeiten auch den südlich von seinem späteren Demosgebiet 
gelegenen Teil der südöstlichen Rüste Attikas besessen haben, 
nach Süden wol bis an das Gebiet von 'AvicpXuGToc oder auch 
dieses mit eingerechnet^. Denn, wie S^pyiTTo; und 'Av&cpXudTo; 
Brüder genannt werden, welche aus Troizen einwanderten, so 
werden es wol auch zwei benachbarte Küstenorle gewesen 
sein, welche zur Zeit der SwSey-a T:ö>.gt; vielleicht unter dem 
Namen ScpiQTTÖ; verbunden waren. Dann kann vielleicht die 
Weihung von dem Thunfischfange in 'A>.ai an 'A7:6^>.<i)v Kuv- 
v6io;, etwa den Gott der Spheltier, eine Erinnerung aus den- 
jenigen Zeiten sein, wo dieser Rüstenstrich zu Sphettos ge- 
hörte. Doch ist die Lage von *A>.at nicht gerade ganz passend 
dazu, da dieser Demos durch den wenn auch hier ganz nie- 
drigen Hymettos von Sphettos getrennt ist. Dann bleibt bei 
dieser Ansetzung von Kwjwa im Osten des Hymettos die Ein- 
führung der parnethischen Nymphe in die Sage über Kuwy)? 
unerklärt^. 



* Allerdings können wir wegen des frajrmentirlenZustandes der ersten die- 
ser Inschriften und des spaten Ursprungs der zweiten nicht behaupten, dass 
die Verteilung nach Trittyen wirklich eingehalten sein muss. 

2 Auch jelzl gehört die ganze Küste von Bapi bis 'AvdiSuao dem grossen 
Dorfe Kopü)7:i, welches die Stelle von Sfr)Tx(Jc eingenommen hat. 

3 TöptFer a. a. O. S. 305 und Milchhöfer stellen zwar damit zusammen, 
dass ^krAXktayt napvijaaio« in der Inschrift der EixaBct? C, I. A. II, 609 genannt 
wird, welche angeblich in MapxojcouXo in der jetzigen Mearfygia gefunden 
worden ist. Doch ist die Provenienz der Inschrift aus diesem Markopulo 
— ein anderes liegt im Norden Attikas etwa 8^ von üropos entfernt — 
mehr als zweifelhaft. Dass sie von dort stamme, geben an Wordsworlh, 
Athens and Atlira a (1837) S. 225. 3 (1855) S. 189. Rhangabö. Antiguü^s 
helUniques Nr. 418, II S. 89. Ross, Die Demen von Altika 8. IV, die bei- 
den letzteren wol nach Wordsworlh. Dagegen berichten die beiden ersten 
Herausgeber der Inschrift, Pittakis (Lancienne Athenes 1835 8.474) und 

ATHEN. MITTHBILUNGBN XYII. 37 



'SQ6 DIE TRITTYBN UND OBItBN ATTIKA8 

Der Küsteotrittys der Akamantis gehören, meiner Ansicht 
nach, von den fünf übrigen Demen (ausser Kixuwa), die ihr 
Milchhöfer zuweist und die er wol richtig ansetzt, nur zwei, 
6opixöc und Kif ocX^. Beide Demen sind eng mit einander i^er- 
bunden gleichviel ob der Name des letzteren mit Ke^aXoc dem 
mythischen König von Thorikos in Zusammenhang gebracht 
v^erden darf^ oder, was mir wahrscheinlicher ist, daraus 
erklärt werden kann, dass dieser Demos an den Quellen des 
Flüsschens lag^, welches bei Thorikos in das Meer mündet. 
Wie wir schon gesehen haben (oben S. 333 f.), brauchen wir 
auch durchaus nicht den Zusammenhang zwischen KtfaXri 
(=j. Kipocrea) und 6opix6; (=j. 6ipiKÖ) zu Gunsten der Trittys 
lYb zu unterbrechen :* das ganze Thal des Flüsschens von Ki- 
fCLxioL bis Bsptxö nebst dem östlich davon liegenden Teile der 
Meeresküste gehörte zu der Trittys V b. Ausser den beiden ge- 
nannten Demen kann in dieser Trittys, etwa nördlich von Tbo« 
rikos der Demos KupTsiSat oder KupriiSat angesetzt werden ; 
denn wenn sein Name richtig von xupTo; (Fischerreuse) ab- 



Franz {Bullettino i835 8. 209), dass sich der Stein schon damals im Hanse 
des H. Paparigopulos befand, und nach dem einen fut IransporUe du cöti 
de Tanagra^ nach dem andern fü irovaio in Oropo, Der Slein beGndet sich 
noch im Hause der Tochter des H. Paparigopulos, Frau OtxovdjjLou ('03dc ^i- 
I XsXXy{v(ov 36), von welcher ich erfahren habe, dass ihr Vater grosse Besit- 

I Zungen bei Oropos hatte, zu weichen auch Maricopulo gehörte. Deswegen 

I und wegen des in der Inschrift genannten 'ÄTcdXXcov napvi{<j9io{ bin ich ge- 

\ neigt zu glauben, dass der Stein aus dem Markopulo bei Oropos stammt. 

j Wordsworlh, welcher die Verwirrung verschuldet hat, wird die Inschrift 

] nicht wahrend seiner Reise i83?/33 selbst in Markopulo abgeschrieben, 

• sondern sie erst später in seine Erzählung eingefügt haben. Denn er sagt 
; zwar in seiner 2. Ausgabe — die 1. konnte ich leider nicht einsehen — ganz 

• bestimmt: This fact I infer from the foUowing inscriptioriy wk'ich I copy 
I here ai Marcopulo^ verbessert sich aber in der 3. Ausgabe in copied 

at Marcopulo. Wenn aber der 'AtcöXXcov napvYJvvioc auch wirklich in der 
Gegend von Markopulo in der Mesogeia verehrt wurde, so besagt das noch 
nichts für IJfTjTxds und *AXa(, von denen der erstere Ort über 10, der zweite 
über IS*'™ von Markopulo entfernt sü|d. 

< Richtig Töpirer a. a. O. S. 255. 

2 Vgl. z. B. Hei od. IV. 91. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 399 

geleitet wird, so passt er doch viel eher an die Meeresküste, 
als an den Kephisos, wo ihn Miichhöfer ansetzt. 

Nördlich von KepaTea zwischen diesem und Koußapoc, oder 
zwischen Koußapa und KaXüßia geht die Grenze zwischen dem 
Rüstengebiete und dem Binnenlande über das enge Thal zwi- 
schen den hier nahe an einander tretenden Bergen Mepev- 
Sai<; und Ilavi von dem einen auf den anderen über. Sie 
trennt auch das Gebiet von K69aX7i und 0opt)c6<; (Trittys Y b) 
von den nördlich gelegenen Demen derselben Phyle, wel- 
che aber schon ihre Binnenlandtrittys (Vc) bilden. Es sind 
'Ayvoöi; bei ^icy'koL südlich von MapxÖTcouXo', IlpödTcaXTa bei 
'Evvea Tuupyoi westlich von KaXußia^ und S^yittö; bei dem Hü- 
gel mit der Ghristoskapelle westlich von KopoTci am östlichen 
Ausgange des Hymettospasses, durch welchen die S(pYiTTia oSo? 
ging^. Dass das ausgedehnte Gebiet dieser drei Demen eine 
besondere Trittys (Vc) bildete, geht ausser allem vorherge- 
henden auch schon daraus hervor, dass das in derselben Me- 
sogaiaebene nördlich von diesem gelegene Gebiet der Demen 
Ilaiacvia, nebst ^üa und KovOuXy) ebenfalls zu dem Binnenlande 
gehörte ; dagegen ist das Gebiet, welches wir der Trittys V c 
anweisen mit dem von Ke^aX-jQ-öopixö; nur, wie gesagt, durch 
das schmale Thal zwischen den schroffen, kahlen Bergmas- 
sen verbunden, und ebenso ist es im Südwesten durch eine 
ununterbrochene Hügelreihe, welche sich vom Hymettos ab- 
zweigt, von dem Küstenstrich abgeschnitten. 



* Über die Huineastätte s. Kartea von Atlika III-VI S. 11 unten; dass 
es 'Ayvoüc gewesen sein muss, folgt aus den in der nächsten Nähe zerstreu- 
ten Grabinschriften von vier Magnusiern und einer Weibinscbrift (A. 
Brückner, Athen. Mitth. XVI S. 217). Auf Grund einer der Inschriften hat 
schon Rhangab6, Antiq. HelUn. II S. 89 'Ayvouc bei Mapxd;ceuXo vermutet. 

a S. Karten von Altika III-VI S. 12. 

3 Miichhöfer, Berliner phil. Wochenschrift 1892 S. 1,2 (vgl. Hanriot, 
Reckerches S. 203). Ich bin unabhängig von Miichhöfer zu genau denselben 
Resultaten Qber J1^7\xx6i gekommen und habe mich durch den Besuch der 
bezeichneten Demosstätte im Dez. 1891, wobei ich den genannten Pass über 
den Hymrttos benutzte und dort sichere Spuren eines antiken Fahrweges 
bemerkt zu haben glaube, von deren Richtigkeit vollkommen überzeugt. 



400 DIB TRITTVBPf UNO DEllEN ATTlKAS 

Auf diese Weise habe ich in meinem russischen Aufsatze 
die Demen der Akamantis ausser Kixuwa, KupTclSai und flopiot 
auf die drei Trittyen verteilt, und glaube dieselbe Verteilung 
mit Hinzufügung der Demen Kixuwa und KupTeiSai auch jetzt 
noch gegenüber der von Milchhöfer aufgestellten festhalten zu 
müssen. Von Inschriften (vgl. die Zusammenstellung S. 401), 
aufweiche man sich dabei berufen könnte, giebt es leider ausser 
einem Teil des Demenverzeichnisses C. L A. II, 991 nur noch 
drei Verzeichnisse, deren Wert aber für unsere Zwecke nicht 
bestimmt werden kann. Es sind der kümmerlich erhaltene 
Rest der Ephebeniiste Athen. Mitth. IV S. 324 h. i, und zwei 
Prytanenverzeichnisse aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. 
Alle vier Verzeichnisse werden wol bei unserer Verteilung 
der Demen unter die Trittyen wie mit dieser so auch unter 
einander in Übereinstimmung gebracht ; doch erlaubt der frag- 
mentirte Zustand der beiden ersteren Inschriften und die späte 
Abfassungszeit der beiden letzteren nicht, diese Übereinstim- 
mung als einen sicheren Beweis zu betrachten. Die Reihen- 
folge der Demen in der Inschrift C, L A. II, 943* ist auch 
in dem die Akamantis betreffenden Teile mit der Verteilung 
der Demen in Trittyen, und zwar bei jeder Combination, 
unvereinbar. 



^ Cül. in Z. 14. *Axa(jLavxi8o?, Z. 15. U^ofsrAUiOi (4), Z. 20. Xo- 

XapY^s (l), Z. 22. eopt'xioi (2), Z. 25. 'Ayvoiiaioi (1), Z. 27. Od- 

pioi (\), 



DIE TRITTTEN UND DEICEN ATTIKAS 



401 



C./.A. 11,991 Athen. Millh. IV, 324 /i.t. Cf.A. III, 1030 r.I.A. III, 1031 



III, 14. 'AxafxavJT^So? 

K]6pa[(x]gr{ 
'I[fi<j]Tia8ai 

Eip£at8ai 
"Epfxos 

XoAapYCtg 

20. EiT^a 



K --< 



4. *Axa|xavT]/8o5 ^ 
6. --]i(l)3 



8. XoXapY]et5 (2) * 
11. Kcpa]iJi£t{ (3) 
15. Kixüvve[t]s (2j 



18. ©op^xioi 
20. K£9aX£T[s] 



I, 28. XoXapYfiTs (7) 

36. KtxüvvsTs j2) 
39. 'HpEaiSai (4) 
44.''EpuL£toi (4) 

II, 10. Kt^aXtX; (3) 
15. ©opixioi (1) 

17. £X K£pa{JL^(üv(l)'^ 
I, 10. S(pT{TTlOl (17) 



II, 2l.''Ep{X£ioi (2) 
25. XoXapYEls (3) 



31.'Hp£<j(8ai(l) 



II, 12. SopUwi (3) 

1 7. KopT£t8ai (2 ) 
I, 9. S^tIttioi (28) 



* Es kann also K^xuwa, KEfaXif oder KuptiaBai ergänzt werden; wenn der Erste dieser 
Demen hier genannt war, so gehörte er zu der Tritlys Vc, sonst war hier nur ein Demos 
dieser Trittys genannt, denn mit KE^aXTJ oder KupitaSai musste die Trittys Y b anfangen. 

2 Bei dem ersten Namen Z. 5 sieht das Demotikon S9t[x(tio{), wie in ähnlicher Weise 
auch in den übrigen erhaltenen Phylen. Ich glaube nicht, dass es nur der Raumersparniss 
wegen geschehen ist, wie Köhler annimmt, sondern wahrscheinlich war ein Ephebe bei 
jeder Phyle ausserhalb der Demenordnung als eine Art Vorsteher genannt. 

3 Wenn ich richtig annehme, dass am Anfange des Verzeichnisses die Epheben aus der 
Stadttrittys genannt waren, so werden wir hier 'IftcmaSai, ''Ep[jL£ioi oder mehr der Grösse 
der Lücke entsprechend Eip£<jtBai vermuten. 

* Ausser Xokap^£X<; könnte hier nur noch [KffaXJEic gestanden haben, welche Form selte- 
ner als K£9aX7jO£v vorkommt, der Lücke nicht ganz entspricht und gegen unsere Annahme 
verstösst, nach der wir hier einen Demos der Stadttrittys erwarten. 

^ Dieser Demos ist hier nicht am Platze. 



402 DIE TRITTYEN UND DEMBN ATT1KA8 

OiNEis (Milchhöfer S. 27-29). 
In der Stadttrittys dieser Phyle ist uns zunächst die Lage 
des Demos AaxixSat, von welchem auch die ganze Trittys 
ihren Namen (AaxtaSwv TpiTTO(;. C. I. A, I, 502) erhielt, an 
der heiligen Strasse noch auf dem linken Ufer des Kephisos 
aus Pausanias 1, 37,2 genau bekannt. Um diesen Demos herum 
setzt Milchhöfer noch die Demen 'Etuikyi^i^tioi, BouraSai und 
riepiOoiSai. Davon habe ich nur 'E7cixyi(pi<Tioi und llcpiOoiSat der 
Trittys VI a zuerkennen können und auch diese beiden verbin- 
det Milchhöfer fester mit AajcidSat, als ich es gethan habe, 
indem ich mich bei den ersteren nur auf den Namen stützte 
und bei den zweiten auf den Fundort der Grabinschrift von 
zwei tlepiöoiSat C. I. A, II, 2471. Milchhöfer dagegen zieht 
noch für den ersteren Demos ein in der Nähe (beim Dipylon) 
gefundenes Dekret desselben ( 'Aerjvaiov VIII S. 234) heran, 
sowie die Vermutung, dass die dort eingeschriebene AYiumTpia 
xiBapcpSo; {C.LAA\, 7 /3, 26) wol nicht weit von ihrem Er- 
werbscentrum ('EtuI S)cip(j> und Dipylongegend) gewohnt ha- 
ben wird; für neptOoiSat macht er noch mit Recht die Ver- 
flechtung des ricipiöoo«;, als dessen Mutter Aia die Schwester des 
K6<pa>.0(; galt, in die am Pythion bei Daphni localisirten My- 
then der Kephaliden geltend. Ebenso stützt er sich mit Recht 
zu Gunsten der Ansetzung des Demos BouT4:Sai auf die Betei- 
ligung der 'ExeoSouTaSai bei der Festprocession an den Ski- 
rophorien nach dem Orte Sxipov und auf die mythische Ver 
wandtschaft des Bouty)? einerseits mit 'HptSav6;S anderseits 
mit n6ipieoo(;, was ich nicht beachtet hatte. Dagegen habe ich 
noch einen anderen Demos vermutungsweise derselben Trit- 
tys (Via) zugeteilt, was ich jetzt, nach genauerer Erwägung 
und Erforschung der Gegend, trotz der abweichenden Mei- 



* Damit erkennt auch Milchhöfer die entschieden richtige Annahme 
Dörpfeld's (Athen. Mitlh. XIII S. 2M f.) an, dass der Eridanos die Stadt 
durchflüss und durch das südlich vom Dipylun belhidliche 'Thor' aus der 
Sladl hinaustrat. Curlius in der Stadigeschichte von Athen S. 3 und 201 f 
ignorirt diese Ansetzung ganz, 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 403 

nung Milchhöfer's, noch entschiedener behaupten zu müssen 
glaube. 

Diejenigen, welche sich mit der Topographie Attikas be- 
schäftigt haben, wie auch die Erklärer von Sophokles haben 
schon vielmals Versuche gemacht, die Lage des Demos Oiy) 
aus Oedip. Col.V 1061 f. zu bestimmen. Diese Versuche sind 
verschieden ausgefallen, je nachdem man sich zu der hand- 
schriftlichen Tradition verhielt und die Erklärungen des 
Scholiasten annahm oder nicht. Ohne hier auf eine genauere 
Besprechung dieser Frage einzugehen ^ will ich nur kurz vor- 
tragen, wie ich mir die Situation denke, aufweiche die be- 
zeichneten vom Chore ausge^sprochenen Worte deuten. Ich 
schliesse mich so nahe wie möglich an den überlieferten Text 
des Sophokles und die Erklärung der Scholien an und benutze 
auch die übrigen, allerdings sehr geringen Judicien für die 
Lage von Oüy). Rütteln wir an der Überlieferung, wozu in 
diesem Falle kein sicherer Grund vorhanden ist, so wird die 
Ansetzung von OIy^ vollkommen von der vorgenommenen Her- 
stellung des Textes abhängen. 

Nachdem Theseus mit Kreon abgegangen ist, um die von 
den Thebanern entführten Töchter des Oidipus zurückzubrin- 
gen, folgt ihm der Chor mit seinen Gedanken und vergegen- 
wärtigt sich verschiedene Möglichkeiten des Zusammentreffens 
und des Kampfes zwischen den fliehenden Thebanern und den 
ihnen nacheilenden Truppen des Theseus: [Strophe] EIy)v, o6i 

Sat(s)v (1045) ivSpwv Ta)(^* eTCiTTpo^pal tov j^a>.)to66av "Apy) [/.i$ou- 
<Ttv, 71 Tupo^ riuöiat^, fi >.au.7cdc<jtv ixTat; (1050) ou ÜÖTviai (T6(xva 
TtöyjvoövTai Tikri .... [Antistrophe] t) ttou tov 6<p6(T7C6pov (1060) 
xerpa; vt^aSo^ TreXwd' OtdcTtSo? iy. vojaoö tuwXoktiv, ri pi(X(pap(x&TOi^ 
(peüyovTßc ajAiXXai^ ; (1065) a^axTexat. 

In der Strophe beschäftigt den Chor die Frage, wo werden 
die Athener die Entführer einholen und die Schlacht liefern? 
Es wird auf der eleusinischen Strasse geschehen an der Küste 
des eleusinischen Meerbusens entweder gleich bei der Mün- 

* Einiges darüber ist zusammeiigeslelll in Jebb's Ausgabe des Sophokles 
(Cambridge 1885) zu der Blelle und im Appendix. 



4M DIB TRITTYBN UNO DBIISN ATTIBA8 

dung des Daphnipasses mit seinem IIuOiov, also noch Tor der 
Um Biegung des letzten Bergvorsprunges des AiyiXt^i südlich 
Yon den Tetroi (xppoc IIuOlaK i%xcLU), oder an der Rüste wei- 
ter westlich nach Eleusis zu. Mit den Worten Touc^t oLva x^' 
pou( (V.1058) endigt die Strophe. Die Antistrophe wendet die 
Frage nach der Stelle des Kampfes ab mit den Worten : ge- 
wiss nähern sie sich irgendwo von den Weiden der OIt) ^ her 
der Gegend, welche vom Aigaleos nach Westen liegt ^, fliehend 
auf Rossen und Wagen; sie eilen und sind schon weit voraus, 
man wird sie aber noch ereilen und dann ist der Sieg auf Sei- 
ten der Athener gewiss ^. Bei dieser AufiTassung ( und ich sehe 



* Scbol. 07a, Sfi{iO€ -die 'Axxixfj^, SOcv xal xo O7i)0tv; gemeint ist gewiss der 
Demos der Oiaeis, nicht Pandionis, dessen Demotikon *O«0sv oder "CMvt 
war. 

' Bcbol.: . . . nixpai ti vi^dcdoc Sv efi) Xiyuv x^v oSxco Xsyopiviiv Xt{av x^pav 
^ xov A(Yd(Xcfiiv Xdfov. 

' Man liest jetzt nach Hermann's Gonjeclur V. 1059 H nou und meint, hier 
deute der Cbor noch auf eine dritte Statte als möglichen Kampfplatz hin; 
tbeistens denkt man, dass der Chor einen anderen Weg im Aage habe» den 
die Entführer der Madeben einschlagen könnten. Je nachdem nun, ob man 
diese andere Strasse von der heiligen westlich vom Aigaleos abzweigen Iflsst, 
oder zwischen dem Aigaleos und Parnes und von hier nach OM^ (so Mileh- 
hÖfer) oder nach ^^\ti fuhrt, wechselt der Demos seinen Platz (dazu nimmt 
man noch gewöhnlich die Gonjectur Hartung's für V. i061 : OiixiSoc elc ro- 
IaSt an, wodurch Oii) selbst westlich vom Aigaleos kommt). Doch ist diese 
Annahme durchaus nicht stichhaltig: die Koloneis mussten ganz gut wis- 
sen, welchen Weg die Entführer vom Kolonos genommen haben, ob zun 
Daphnipass oder zum Durchgange zwischen Aigaleos und Parnes. Die Tei- 
lung der Wege konnte erst an einem viel weiter gelegenen Punkte dei 
heiligen Strasse stattfinden, d. h. nach dem Ausgange der Strasse aus den 
Daphnipasse indiethriasische Ebene hinter den Teito^: bei diesem Punkt« 
aber,den die Thebaner auf alle Falle passiren mussten (V. 900 ff. IvOa 8t<jxo- 
|ioi (^id^XiTra au(ji6aXXou9tv c(ji;cdp(i>v 68o{, &{ (jlt) TcapAOcov' ai xdpai), sollten schoi 
die von Theseus Vorausgeschickten (V. 896 iL) sie einholen oder womöglicl 
ihnen zuvorkommen, da jene sich voraussichtlich für's erste in irgend einen 
Schlupfwinkel im Passe verstecken würden, wo sie ja noch auf Kreon mi 
dem Oidipus warten sollten. So ist auch Theseus darüber durchaus nicht in 
Zweifel, auf welchem Wege er Kreon's Hinterhalt suchen soll ( V. i0l9 68o 

xaTap)(^£iv Tf){ £X£l- -, iv* El (xev Iv xoTioiai xoi{8' e^ei^ xi^ :raT8a; 7)[xc5v, aux6$ Iv 
8e^(7)$ l\Loi); er hält nur noch für möglich, dass Kreon's Leute scbuu dei 
Hinterhalt verlassen haben: dann werden sie eben den Vorausgeeilten um 
sie bei der Wegelrennung Erwartenden nicht entgehen (V. 4022 11.). 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 405 

nicht, was ernstlich dagegen gesagt werden könnte), liegt Oiy) 
noch diesseits des Aigaleos ( von Athen aus) ^ am wahrschein- 
lichsten im Passe selbst, wo die entfliehenden Thebaner vor 
den Blicken der Koloneis schon verborgen sind. Dann liegt 
das riüöiov an der heiligen Strasse am wahrscheinlichsten auch 
im Demos Oty) und dazu passt vorzüglich, dass Oivi Tochter 
des KitfoCko^ ist^, des Ahnherrn des Geschlechts, welchem die 
mythischen Gründer dieses Pythion und wol auch die Prie- 
ster der geschichtlichen Zeit angehörten ^. 

Wenn nun Oln und neotöotSai in der nächsten Nähe des Ke- 
phalidenheiligtums im Daphnipasse richtig angesetzt sind, so 
wird man auch den dritten Demos der Oineis, deren vipox; iTtw- 
vufjLo? ebenfalls in die Sage vom Kephalos verflochten ist, den 
Demos der nztkexaioi^, nicht von ihnen trennen wollen. Er 
wird etwa in der Nähe des östlichen Einganges des Daphni- 
passes gelegen haben, des Baumes wegen, welcher ihm den 
Namen gegeben hatte, eher in der Kephisosebene, als in der 
nackten thriasischen. In der Inschrift C. LA. II, 834^, II Z. 
59 ff. sind mehrere Sorten von Erde verzeichnet, welche für 
das 'E>.6urjivtov To 6v affTEi angeschafft waren. Ich glaube, man 
kann annehmen, dass sie alle ausser der yyi 'Ajctitk; und -fn 
FIuxvitk; ( Z. 63) aus der nächsten erdreichen Gegend bei Athen 
gebracht waren, nämlich aus der des unteren Kephisos^. Un- 
ter ihnen ist jcovia (xeXaiva genannt (Z. 62), welche von einem 
Pteleasier gekauft war. Nehmen wir an, dass dieser rwTcoXt? 
IIts. sein Grundstück in seinem heimatlichen Demos besass, 
so haben wir noch eine Stütze für die Ansetzung von lUtkioL 
in der Kephisosebene und in der Trittys VI a. Dasselbe gilt 



* Vgl. Schol.: Tov AtfaXetov orjaiv xai yäp ToCfio im la/^attüv lori ToCf 87[[xou 

TOUTOÜ. 

2 Pbiloch. bei Harp. s. v. 

3 S. Töpfler, Atl. Genealogie S. 255 ff. 

* Apollod. III, 15,1. 

^ Ohne Zweifel slammt [daher die y^ Sxipa^ (Z. 60; zu lesen isl yf); Sxi- 
pa8o{ aytuYal TpiXq, tijjlt) xai xo(xt8r] 'AppeveiO£i nai(avi£t) Ahhlll, nicht naia(vi£l) 

hHII, wie Köhler will; Z. 59— AAAA isl augenscheinlich nur aus Verse- 
hen stau AAA geschrieben j. 



1! 



» 



406 DIB TRITTTBN UND DBMRN ATTIXA8 

Yon dem Demos Aouda, von welchem die yfi AoucndU Btammt 
(Z. 59; gekauft von einem Xapiac aus dem Nachbardemos 
'Ep[iioc). Eine Grabinschrift eines Aou^uuc findet sich nicht weit 
davon nördlich in der Kirche 'Ay, BcöScopoc (Antikenbericht 
Nr. 565). Wir haben auf diese Weise schon 7 mehr oder we- 
niger sichere, meistens ganz kleine Demen der Stadttrittys. 

Für die Binnenland- und für die Küstentrittys besitzen wir 
je einen sicheren Demos : 'AyapvaC und 6piai. Da wir das Ge- 
biet von'A^apvai auf den südlichen Teil des n&pvnc erstrecken^ 
und die thriasische Ebene im Norden von dem sQdwestlichen 
langen Ausläufer des Parnes begrenzt wird, so müssen sich 
bei uns diese beiden Trittyen irgendwo in der Gebii^sgegend 
des Parnes berühren. Dadurch fällt es schwer zu entscheiden, 
welcher Trittys der Demos ^uXv), dessen Lage genau bekannt 
ist, angehört. Milchhöfer zählt $u\y) zu der thriasischen Trit- 
tys, was für ihn notwendig war; ich habe gezweifelt, welcher 
Trittys dieser Demos zukommt, obgleich es vom topographi- 
schen Standpunkte aus einfacher sein würde, ihn mit dem 
Gebiete von 'A^apvaC zu vereinigen. Dagegen spricht aber, dass 
dann die übrigbleibenden Demen für die Küstentrittys nicht 
ausreichen. Auf die ^A^apvsic entfallen nach Milchböfer's Sta- 
tistik schon allein über ein Dreissigstel aller gezählten Namen 
(226-1-68), auf die öpt&dioi dagegen mit den zwei anderen, 
vielleicht derselben Trittys gehörenden Demen weniger als der 
siebenzigste Teil (82-|-13). Deshalb neige ich jetzt in Be- 
treff des Demos ^uXt) mehr auf Seiten der Küstentrittys : wir 
bekommen dann für diese 136-|-46, etwa 745 der Gesamtzahl. 
Bei dieser Zählung habe ich von den drei übrig bleibenden 
Demen zwei, KoBoxiSai und 'Iw7coTa(xaSat, zu der thriasischen 
Trittys gerechnet, obgleich uns sichere Gründe dazu fehlen. 
Für den ersieren dieser Demen konnte Milchhöfer wenigstens 
auf einen Grabstein verweisen, welcher in der thriasischen 
Ebene gefunden worden ist. Aus der Inschrift C, I.A. 11, 785 
kann man vielleicht schliessen, dass das Geschlecht der 'A(p6i'- 



< S. oben ö. 386. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 407 

SavTiSai seinen Sitz in oder nahe bei dem Demos KoO(i)x{Sat 
hatte. Und da wir aus der Verwandtschaft des 'A(p6iSa(; mit 
Kp6)t(x)v ^ auf die Verwandtschaft der 'A^eiSavxtSai mit den Kpo- 
xwviSxi schliessen können, so bekommen wir für KoöwjctSai eine 
sehr geeignete Stelle in der ßa(7tX6ia Kp6)tG)vo;2 bei den TeiToi 
(Paus. I, ö8,l), etwa bei der Dorfruine Srecpivi oder AejAspT^Yi. 
Dass der ganz unbedeutende Demos ^Itztzotohl&^oh vielleicht in 
der Nachbarschaft von KoOwxiSat lag, da sie zusammen später 
in die Demetrias übertragen wurden, darin stimme ich gern 
Milchhöfer bei -K 

Der Demos Tupf/^gtSat, welchen Köhler, und jetzt auch Milch- 
höfer, mit Unrecht für einen jüngeren Datums hält*, der aber 
auch wieder sehr klein war, gehörte wie es scheint eben- 
falls zur Stadttrittys. Das schliesse ich aus einem noch une- 
dirten Fragmente einer Prytanenliste, welche etwa in die Mit- 
te des vierten Jahrhunders gehört; vgl. die Zusammenstel- 
lung der Inschriften auf S. 409. Der Marmor ist von allen 
Seiten abgebrochen und enthält grössere oder kleinere Reste 
von 23 Zeilen die der II oder III Golumne angehörten; von 
der vorhergehenden sind nur einige Zeilenenden vorhanden. 
Die 16 Prytanen, welche darin genannt waren (es kann also 
vielleicht noch ein Name am oberen oder unteren abgebroche- 
nen Ende gestanden haben) gehörten acht Demen, von de- 



• S. Töpffer a. a. O. S. 102 f. 

2 Der Krokonide - -{ 'ApiaTo87[(xou im C. /. A. II, 596,3 kann ein Bruder 
oder sonstiger Verwandter des 'Apiaxo^öiv 'AptaTo8T({xou KoO(ü)c({o7)s) C. I.A. II, 
885 sein. 

3 Über die Demen, welche in die Anligonis und Demetrias überlragen 
wurden, hat kürzlich Kirchner im Rhein. Mus. XLVII (1892) S. 550-7 ge- 
handelt; seine Darlegung bielet zwar keine weitere Bestätigung für Milch- 
höfer's Annahme über KoOtoxt'Bat und 'I^jcoTajxaBai, da die anderen, wie er 
zu beweisen sucht, paarweise aus jeder Phyle (ausser IX) entnommenen De- 
men meistens verschiedenen Trittyen angehören. Doch ist seine Ausführung 
mehr anziehend durch die scheinbar gewonnenen Resultate, als in allen ih- 
ren Teilen auf sichere und unwiderlegliche Gründe gestützt. 

* Der Name kommt vor in dem im Text erwähnten unedirlen Fragmente 
und C. L A. II {add.) 834 b U, Z. 54. Ältere Erwähnungen lassen sich doch 
auch für sehr viele aadere Pemen nietet vorführen. 



408 DIB TRITTYEN UNO DEIfEN ATTIKA8 

nen sieben noch sicher zu lesen sind. Da wieder sechs der- 
selben von uns mit grösserer oder geringerer Sicherheit der 
Stadttrittys zuerkannt waren, und auch der fehlende Name 
des ersten Demos wegen der Zahl der Prytanen (5 oder 6) mit 
grosser Wahrscheinlichkeit als der des grössten von den De- 
men der Stadttrittys (OtüOev) anzunehmen ist*, so ist es mir 
sehr wahrscheinlich, dass die Liste, von welcher wir leider 
nur ein kleines Fragment besitzen, mit Berücksichtigung der 
Trittyeneinteilung zusammengestellt war und die vorhandene 
Columne nur die Namen aus den Demen der Stadttrittys ent- 
hielt, also der Demos Tup(X6iSai, welcher darunter genannt ist, 
auch der Stadttrittys angehörte. Dagegen findet sich in dem voll- 
ständigen Prytanenverzeichnisse des Jahres 35^5 C.LA, II, 
868, wenigstens ein ganz sicherer Widerspruch gegen die 
Einteilung in Trittyen, nämlich der, dass die *uXa<riot zwischen 
den 'E7ci)CY)(pt(jtot und den übrigen Demen der Stadttrittys ge- 
nannt sind, getrennt von den 9pi&(Ttoi und 'Aj^apve^; ich glaube 
also auch im Übrigen durch die Reihenfolge der Demen in 
dieser Inschrift nicht gebunden zu sein und teile sie auf S. 409 
nur mit, um eine bequeme Vergleichung der Anzahl der Pry- 
tanen aus jedem Demos zu, ermöglichen. Von den übrigen 
wenigen Verzeichnissen der OivEi; fügt sich dasjenige der In- 
schrift C. L A, II, 960 leicht unserer Verteilung der Demen 
unter die Trittyen ; wollte man sich dagegen auf die sehr spä- 
ten Prytanenverzeichnisse C,I,A. III, 1032 und 1042 ver- 
lassen (welche übrigens auch unvollständig erhalten sind), so 
müsste man noch die 'l7C7wOTa[;.aSai zu der Stadttrittys zählen ^. 



< Die Zahl der Pr.ytanea aus diesem Demos C. I. A. 11, SöS isl 6; soQsl 
kÖQnle man nur noch an ©pioiaioi denken: 7 in C. /. .4. 11, 868. Eine Stütze 
für unsere Annahme, dass die fünf ersten Prytanen unserer Columne aus 
dem Demos Oit) seien, wäre es, wenn wir einige von ihnen mit den sonst 
bekannten Personen aus diesem Demos idenliüciren könnten. Bis jetzt 
habe ich nur einen Namen wie es scheint wiedergefunden : EYB - -= Ej[6]oio5 
'Of,[ecv] CLA. 11, 1114,4. 

2 Sollte das wirklich der Fall sein, so könnte man vermuten, dass in der 
uuedirlen Prytanenlisle am unteren Ende der Columne mit den Demen 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 



409 



Unedirles Fragment 



II, _ [OJiiöcv] (b?) 
6. n£ptö[oT8ai] (3) 



iO. Boü[T(i8aiJ (i) 
12. Aaxi[a8ai] (3) 

16. Aouai[7i?] (1) 
18. nT£X6a[aioi] (1) 
20. Tup(x£!8ai (1) 
22. [*Eizi]xriffh[ioi (1)] 



C.f.A, II, 868 

I, 3. EjcixT)cp(aiot (2) 
6. 4>uXaatoi (2) 



9. riTsXsaaioi (1) 
ll.*I]7iTCOTa{xa8ai (1) 

13. AaxiaSai (2) 
16. Boüxa8ai (1) 
18. Aouat^s (1) 
20. nspiöotSai (3) 



II, 3. Koöwx/oai (2) 
6. 0piaaioi (7) 

14. OlTjÖEV (6) 

IM.'AxapvTls (2) 
lil ^ (20) 



C. 7.^.11,960 6 C.I.A. III, 1037 



2. OivTi](8o; 

3. ['AxapvKs (12) 



16. 'Erix7)9ia[ioi] (1) 
18. Aaxia8[ai] (1) 



20. 4>ü[X(i]a[tot] 



[<I>uXa<jtoi ?] 
28. ['AxapvsT]??(4) 
33.'OfiO£v (6) 
39. *I;:Ä0X0[JLa8ai 
42- rixEXEaaioi < 



Kekropis (Milchhöfer S. 29-31). 
Die Verteilung der Demen dieser Phyle unter die Trittyen 
findet keine Schwierigkeiten und ich habe nur Weniges über 
die Lage einiger Demen zu bemerken. Von den 11 Demen 
der Kekropis ^ waren schon früher 6 mehr oder weniger ge- 
nau angesetzt, davon zwei, SuTcaXviTTÖi; und $Xüa, erst durch 
Milchhöfer, einer ('ETcieixiSai) ist überhaupt nicht sicher an- 



der StadUriltys noch zwei Zeilen standen, von denen die eine den Namen 
*l7nuoTa[jL(i8ai, die andere den des belreOenden Prylanen enthielt. 

^ Ebenso C. I. A. III, 1042 Z. 12. •Axapv£rs (5), 

Z. 16. 'Ofjöiv (3), Z. 21. *l7C7:]0Ta(xa8ai (9). 

3 Den 12. KikuweI; glaube ich entschieden aus der Liste der Demen 
dieser Phyle streichen zu müssen (Milchhöfer zweifelt noch). Er wird ange- 
nommen nur auf Grund von C. LA, II, 944, wo Chandler K. . . . NEI^ ge- 
lesen und dies zu K[ixuv]v£Ts ergänzt hat (fnscr, ant, II Nr. 107); aber nicht 
nur bei der Ergänzung, sondern auch bei der Lesung des ersten Buchstabens 
war Chandler durch die ihm früher bekannte Inschrift C. L A, III, 1030 (bei 
ihm Nr. 55) beeinflussl, wo aber die Kixuwsr^ an ihrem Platze sind. 



410 DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 

zusetzen ^ und von den übrigen lassen sich 3 oder auch alle 
4 mit Leichtigkeit dem einen oder dem anderen von den fest 
angesetzten anreihen. So bekommen wir für die Stadttrittys 
MeXiTYi und E'jw6ty); der letztere Demos muss südlich von MeXity), 
zwischen dem MouTstov und 4>dc>Y)pov gesucht werden, also etwa 
bei dem Hügel, welcher gewöhnlich für die Stxe^ia gehalten 
wird. 

In der Küstentrittys sind auch nur 2 Demen sicher. Ai- 
^G)VY) und*A>at.Wie ich schon bemerkt habe (S. 378 f.), ver- 
schiebt sie Milchhöfer zu weit nach Norden, wodurch bei ihm 
zwischen dem südlicheren dieser Demen, *AXai, und dem Hy- 
mettos freier Platz bleibt mit sicheren Spuren eines weiteren 
Demoscentrum. Er weist dies der südöstlich benachbarten 
Trittys (Demos E'jwvujaov) zu, was mit der von Steph. Byz. 
berichteten Thatsache nicht in Einklang zu bringen ist, dass 
den 'AXaieti; das Heiligtum am Zoster gehörte. Umgekehrt ist 
die Stelle, welche Milchhöfer dem Demos ECwvuaov zuweist 
bei einer Salzlache, die geeignetste für 'A^at. Es ist dies die 
Gegend von KaxoTomdc mit der südlich davon gelegenen V Ta 
T^KpXixia, während die etwas östlich von ihnen bei dem Ein- 
gange in den Pass gelegenen Ruinen von HaXatoj^öpt einem 
besonderen Demos derselben Trittys (etwa'ETrieixtSat) oder 
vielleicht der ihr östlich angrenzenden Ib angehören können. 
Ai^wvY) gehören dann die weit ausgedehnten Ruinen bei dem 
Kirchlein 'Ay. Nixö^ao? 'c to xaTw Oipvapt, und von hier so 
wie auch aus dem Gebiet des Demos nördlich bis an den Ein- 
gang zum langen und schwierigen Durchgang durch den Hy- 
mettos nach KopwTut zu (2(pY)TTia oSo;) stammen wol die In- 
schriften der Aixoneer. Von einer besonderen Hauptanlage 
des Demos Aixone bei dem Eingange in die Schlucht von Ilip- 
vapt und den Ruinen des Theaters konnte ich ebenso wenig 
Reste finden wie LoUing (Athen. Mitth. IV S. 193 f.) und 
Milchhöfer (Karten von Attika Hl-Vl S. 18). Wenn man bis 
jetzt das Centrum dieses Demos westlich von der Schlucht 

' Milchhöfer seUl diesen Demos vermutungsweise in die Binnenlandtril- 
t)s, doch haben wir keine irgendwie genügenden Gründe dazu. 



DIE TRITTYEN UND DEMBN ATTIKAS 411 

nach TpJcpve; und nicht, wie natürlich, südlich gesucht hat, 
so that man es lediglich deswegen, weil man keine Lücke in 
der Aufzählung des Strabo zwischen 'A>i|;.o'j«jioi und Ai^wvei? 
annehmen wollte: jetzt können wir nicht mehr darüber zwei- 
feln, dass Strabo durchaus nicht alle Demen der Küste aufge- 
zählt hat. 

Für die Binnenlandtrittys der Kekropis endlich sind sicher- 
gestellt in dem mittleren Teile der Ebene des oberen Kephi- 
sos: "AöjAovov bei Mapouai, ^Xua etwa 3 Y?^" südlicher bei Xa- 
XxvSpt, nnd Z'jTuaXr.TTO? etwa 4 Yj'"" ^vestlich von'Aöixovov, süd- 
lich von Ko'jxouSaove; am linken Ufer des Rephisos^ Das ei- 
gentliche Gebiet dieses Demos ist bei Milchhöfer abgeschnitten 
für die Demen 'IffiGxrk^xi und Etp£<TiSai und dadurch die Trit- 
tys VII c von dieser Seite unnatürlich stark eingeengt; wir 
haben aber gezeigt (S. 395), dass die beiden Demen der Aka- 
mantis viel mehr nach Südwesten unterhalb der nördlichen 
Grenze des Stadtbezirks gelegen haben müssen und die Trit- 
tys VII c bekommt dadurch an dieser Seite ihre natürlichen 
Grenzen in dem Kephisos und der Grenze zwischen dem Bin- 
nenlande und dem Stadtgebiete. Dann können wir an dem 
Nordwestabhange des Toüp)to6oijvt in der Gegend Xa^xw^aarÄ- 
S6<; den Demos derselben Phyle AaiSaXiSai ansetzen, wenn man 
richtig diesen Demos auf Grund seines Namens der Gruppe 
der ' Handwerkerdemen' KpwTciSai, EuTcupiSai, nyjXyiJcei;, Aiöa- 
XiSat anreiht, welche alle wie wir gesehen haben wahrschein- 
lich an der Grenze zwischen Stadtgebiet und Binnenland rechts 
vom Kephisos anzusetzen sind^, und wenn gerade in dem 
Namen Xa^xcofiariiSe; wirklich eine Errinnerung an hier einst 
betriebene Metallindustrie sich erhalten haben sollte. 



* Für die beiden letzleren Demen habe ich die sicheren Ansetzungen 
Miichhöfer's hauptsächlich auf Grund der Inschriften angenommen ; über 
diese s. jetzt Demenordnung des Kleisthenes S. 30. 

3 Am ausführlichsten hat über diese Demen wieder Milchhöfer (Karten 
von Attika II 8. 38 f.) gehandelt. Doch bleibt jetzt nur Weniges von der von 
ihm und schon vor ihm von Leake und Hanriot zusammengebrachten Grup- 
pe von Demen. 



412 DIE TRITTYEN ÜND DEMEN ATTIKAS 

Dagegen erweitert Milchhöfer entschieden das Gebiet der 
Trittys VIIc zu sehr nach Nordwesten auf Kosten der Trittys 
Ic. Er setzt nämlich den Demos Tpiv£[;.6ta ganz unrichtig an. 
Nach ihm lag Tpivcueta, aus welchem laut Strabo (IX p. 400) 
der Kephisos ra; ipyi; lyei, oberhalb Kouxou6&ov6;,wo aus dem 
Zusammenflusse der drei Quellen ' sich der eigentliche Kephi- 
sos bildete * * ; und doch sucht er das Centrum des kleinen De- 
mos viel höher von diesem Punkte, an dem mittleren dieser 
drei Bäche. Bis jetzt hat man ihn gewöhnlich an den Quellen 
dieses Baches angesetzt. Auch mir scheint es allein möglich 
die Stelle des Strabo so zu verstehen, dass in Trinemeia die 
Quellen des Kephisos selbst gelegen haben. Man kann aber 
dabei nicht den nordöstlichen Zufluss des Kephisos (peOjAa'A- 
8i:jj!.Yi) für seinen Hauptarm nehmen, sondern darf als solchen 
allein den von Osten kommenden Bach ansehen, denjenigen, 
an welchem K7)<pt<jta lag und noch jetzt liegt. Denn aus dem 
Namen dieser uralten Ortschaft müssen wir schliessen, dass 
der Bach, welcher hier vorbeifliest, Kephisos hiess und diesen 
Namen dem ganzen Flusse gegeben hat ; es können aber dann 
nicht andere Bäche, welche 4^" und weiter unterhalb von Ke- 
phisia in jenen münden, auch KYKpicoi geheissen haben. Wenn 
aber der Bach von Kephisia jetzt nicht als der Hauptarm er- 
scheint, so wird das mit den veränderten Verhältnissen der 
Bewässerung des jetzigen Attika zusammenhängen^, da erstens 
der Südabhang des westlichen Pentelikon wol erst in verhält- 
nissmässig junger Zeit (vielleicht im Zusammenhang mit der 
Erweiterung der Steinbrüche und Kalköfen) stark entwaldet 
worden ist, und zweitens die Hauptquelle dieses Baches die 
Quelle Tou S(t)TYipo? bei Kephisia, welche übrigens hierher viel- 
leicht erst durch eine Wasserleitung von Osten aus den Ber- 



* Milchhöfer wiederholt darin die von Surmelis, 'Atiixa ^ (1862) S. 92 
ausgesprochene Ansicht, welche er auch durch die Etymologie des Wortes 
von Tpet; und vo{jLrj ( = :rpoa8iwpia{jLivov Tioaov Goaio;) zu bekräftigen suchte. 

2 ^0 kennt ihn noch Dodwell (Classische und topographische Reise durch 
Griechenland, II 2 S. 365), auch im Sommer klar und reissend, obgleich 
nur einige Fuss breit, vgl. S. 297. 



Die raiTTYsv und dbicisn attikas US 

gen geführt worden ist, sein Wasser nicht mehr iq den Ke^ 
phisos sendet, sondern nach Süden in die Felder abgeleitet 
wird. Der Bach von Kephisia fängt aber noch viel östlicher 
von Kephisia an, nämlich im Thale Koxxtvapa^, an dessen Ausr- 
gange bei der Kirche *Ay. Fe^pyio? er noch eine ziemlich reiche 
Quelle hat*. Hier also am Westende des Pentelikon, östlich 
von KyjcpwiÄ und nordöstlich von "AOjaovov muss das Gebiet der 
Tpiv6{jL6i; gelegen haben. Ob auch ihre Ortschaft bei den Quel- 
len des KY)(pi^ö< lag. kann man nicht behaupten ; dass man 
aber hier im Gebirgsthale oder am Fusse des Berges bis jetzt 
keine Spuren von einem Demos gefunden hat, kann nicht als 
Gegengrund gelten. Der Demos ist einer der kleinsten gewe- 
sen (bei Milchhöfer der hundertzehnte), und seine Ruinen, 
welche nicht bedeutend gewesen sein können, sind wahr- 
scheinlich, besonders wenn er in einem Bergthale lag, durch 
die vom Berge herabgestürzten Erd- und Steinmassen ver- 
schüttet. 

Im östlichen Teile der auf diese Weise viel einheitlicher ge- 
wordenen Trittys VII c nehme ich noch, ebenso wie Milch- 
höfer, den Demos lliOo? an, wegen dessen wahrscheinlichen 
Beziehungen zu dem Heiligtume d^l IIaXXY)viSi*^. 

Inschriften, in welchen wir die Einteilung der Demen in 
Trittyen erkennen könnten, vermag ich für die Kekropis nur 
zwei zu nennen ; von beiden Verzeichnissen ist aber sehr we- 
nig erhalten. Es smd ein Fragment des Prytanen Verzeichnis- 
ses C /. -4. II, 866, welches in jeder Columne nur den Na- 
men des ersten Demos enthält, welcher jedesmal einer ande- 
ren Trittys angehört, und die erste Columne der leider nur 
aus derCopie von Chandler bekannten Diäteteninschrift C/.i4. 
II, 944, welche für uns in Bezug auf die 4 letzten Trittyen 
denselben Wert hat, wie C. I, A. II, 991 in Bezug auf die 
5 ersten. Ausserdem haben wir in C. 7. i4. II, 1007 ein aus 



« Karlen von Attika II 8. 34; diese Quelle ist auch wahrscheinlich ge- 
meint bei Stuart, Die Alterthömer von Alhen II S. 263 und 299, wo auch 
die TpivifAEt« *nahe bei Cepbisia' richtig angesetzt werden. 

a Athen. VI. 26 S. 234 f. 

ATHBN. MITTHBILUNGEN XYU. 28 



iü 



blE tniTTVEN UND bEUBN ÄttiKAH 



■unbekanntem Anlasszusümmengeslelltes Verzeichniss vun vie- 
len Personen, wie es scheint, nur der Rekropis; von den De- 
mennamen sind nur einige im unteren Teile der dritten Coluin- 
ne und einer in der vierten erhalten, und man kann aus dem 
Erhaltenen nicht schliessen, ob die Einteilung in Tritt^cn 
beobachtet war oder nicht. Wäre das erstere der Fall, so müss- 
ten auch die'ETritixiSai zu der Binnenlandtriltjs geboren, wenn 
dies für die AaiSaXiSai zutrifTt. Sonst haben wir in C. I. A. 
II, 943 wieder eine augenacheinliebe Vermischung der Deinen 
verschiedener Trittyen vor uns, ebenso in dem Prytanenver- 
zeichnisse aus der Kaiserzeit C. I. A. III, 1035, während ein 
anderes solches C. LA. III, 1046 überliaupl nur drei Üemen- 
namen auTweist. 



C.I.A. 11, 911 

I, 2. KExpo;[(£o: 
3. MfXiTitj (2) 

8. Sanitaidvi! (6) 

21. njiOfit (3) 
27. *l]«t4 (4) 
i-i. ['AI)iio?]vtr!' (21 



C.I.A. II, 866 



C.I.A. 11,1007 



42. ' 



44. 



47. A[!Ewv<lt]>|3) 
54.'A[Xali£l( |2) 



III, 1. MiM^iidM*?) 

ni, 22. d]ii<EaX[L'S]ai (i) 
I, 1. *Xi-ii( (2) 

27. -Emi^xiät»,] it) 

29. Tp[.]«[(..i4] (2?, 

IV, II. UtUi 

n, l.'AJaiiit (4) 



' Chandicr K[IKYN]NEIS, es wird enlweder |AGMO] NEU oder [TP|- 
NE]MEI£ da geslandeii liabcn; vgl. ubeu f^. 408 Aniii. 2. 

> Den Namen hat IJöckli riclili;; ticrgeslelll, erstens weil die 'AXauT; ful- 
gen, zweitens weil walirsclicinlich der Valer des darunter (Z. 52) genann- 
ten Ar,|ioxpaTr,i EüjiliJTO'j mit dem bei Detnusthciies (c. Neaer. p. 1353) vor- 
kommenden li^uf iXijTOf 'S.i^iävot Ai^bjviu! identisch ist. 



biÜ TRitfTSN UNb DBMäN AT^IKA^ i\^ 

HippOTHo:sTis (Milchhöfer !§. 31-34). 

Bei der Hippothontis müssen wir besonders in Betracht 
ziehen, dass wir für wenigstens 5 von ihren 19 Demen: 'A?[yi- 
via, *AjJLa$avT6ta, 'ApjjjLwvYi, 'Aj^^epSoö^, AupiSat, keine Anhalts- 
punkte zur Zuweisung an die eine oder die andere Trittys 
besitzen. Da aber diese üemen anderseits auch keine beson- 
deren Ansprüche auf irgendwelche Gegend Attikas haben, so 
stören sie uns bei der Bestimmung der Trittyen weiter nicht, 
und nach der Abweisung der Annahme Milchhöfer's, dass 
'AJinvia am Südende Attikas gelegen einen vierten selbständi- 
gen Bezirk der Hippothontis, eine Enclave der Küstentrittys 
gebildet habe, treten uns die drei Trittyen nicht nur in ihren 
Mittelpunkten FlgipateO?, 'E>.6u^i;^ AexAeta, sondern auch in 
ihren fast genau zu ziehenden Grenzen deutlich entgegen. 

Eine grössere, aber vielleicht doch nicht vollständige Zahl 
von Demen kennen wir nur für die Stadttrittys : es sind aus- 
ser Koikri und Keipt&Sai im Südwesten der Stadt und rietpaißu;, 
0u[jLaiT&Sai, KopuS3c>.>.ö; an der westlichen Hälfte der zum Stadt- 
gebiet gehörenden Küste, meiner Ansicht nach auch noch Olov 
und 'EpotaSai. Diese beiden rechnet Milchhöfer zu der Bin- 
nenlandtrittys. Was Olov anbetrifft, so stützt er sich ^ auf die 
Angabe, welche Harpokration (und aus ihm Suidas) bewahrt 
hat, dass zu der Hippothontis Olov AexeXetxov gehörte; da aber 
Olov KepafAEDcöv nicht zu der Akamantis gehört haben kann, 
so erklärten wir die Nachricht des Harpokration für fehlerhaft 
und bestimmten das Olov K6pa(A6ix6v als dasjenige der Hippo- 
thontis, welches aber nur in ihrer Stadttrittys gelegen haben 
kann. Es muss also am Nordende derselben angesetzt werden, 
nördlich von KetpiaSat, südwestlich von Kepafxeixo;, im Osten 
durch das Nordende von M6>.iTY) begrenzt, im Westen etwa 
durch BouT4:8at; es ist die Gegend ungefähr vom Nordabhang 
des Nymphenhügels bis zum Eridanos, bei dem 'Ay. 'Aöa- 



' n6(i)pa[i]wv xpixx^i und [ *EX€]uaiv(ü)v [Tp]iTtu« C* LA, I, 517. 
a Oben S. 379 f. 



vifflio? oder bei der Gasfabrik. 'EpoiiSai setzt Milchhrjfer in die 
Binnenlandli'ittys nur. um sie hier, im lüinklun^ mit seiner 
illgemeinen Ansicht über solche Dempti. mit den 'EpotiSai 
der Anliocltis zu einem Demos zu verbinden : übrigens sieht er 
selbst in diesem Falle die Unsicherheit seiner Annahme ein. 
Da ^vi^ aber seine principielle Annahme abgelehnt haben 
(oben S. 32'i f.) und da wir keinen anderen Demos der Anlio- 
chis in die Nachbarschaft von TriltjB VIII c zu setzen für nii- 
tig Onden, so hätten wir ftir die Ansetzung von 'EpotiXxi der 
Hippolhontis keinen Anhalt, wenn «ir nicht der Inschrift 
C. i. A. II, 944 trauen könnten. Diese nennt 'EpoiiSai zwi- 
schen den sicheren Demen der Tiittys VIII rt und ich sehe 
nichts, was dagegen sprechen könnte, durch diesen Demos 
etwa den freien Platz in der Kephisosebene zwischen KoiXi] 
und lUtpxKu; auszufüllen. 

Für die Binnenlandtrittys bleiben uns somit als sieliere De- 
inen nur ÄtKE>Eta bei TaTÖi; und iltpfvSalr, etwa bei Mx).Kx&ffa 
nördlich daron. Von den sonstigen Demen rechnet Milchhofer 
noch zu der Binnenlandtrittjs (^ausser Üiov und "EpoiaSai) 
'AytpSoös und 'ElaioC^ weil ■ die Demennamen auf -oüi; west- 
lich des Aigaleos (wie auch im eigentlichen IlfSiov von Athen) 
bisher niclit nachweisbar gewesen'. Doch sehe ich nicht ein, 
warum Demen mit solchen Namen nicht dort gelegen haben 
könnten; in der Gegend von AekeXei» und in der ganzen dix- 
npi« sind sie ja bis jetzt auch nicht nachgewiesen, denn 'Pa- 
fi-roj« gehört nicht zur Diakria, In Bezug auf ■EXaioO; meine 
ich, dass die durch seinen Namen cbarakterisirtc Gegend bes- 
ser zum Gebiete von Elt^oi; passl, als zu der Berggegend des 
Parnes in der Trittys \'III v. Aus der Insciirift C. I.A. II, 944 
kann man nur sehen, dass der Demos EXaioü; einer von die- 
sen beiden Trittjen gebort haben iniiss, da die "EXutiouTvoi hier 
zwischen den Demen der hüstentritlys und den AtKt^Et; ge- 
nannt worden sind. Ebenso kann es in C. I. A. II, 1006 ge- 
wesen sein, nur ist hier die Trittys der auf die 'EXaioucioi 
folgenden Demen und überhaupt der Wert dieses X'erzeichnis- 
sos für unsere Zwecke nicht zu bestimmen. Über ■A;(£p^oü( 



DIE TRITTTEN UND DEMBN ATT|KAS 4f7 

kann man nichts sagen. Dagegen hs^be ich über den Den^OA 
'Avixai« die Vermutung ausgesprochen, dass er in der Biq-f 
nenlandtrittys gelegen habe, während Milchhöfer ihn wegen 
einer in Salamis gefundenen Grabschrift der nachchristlichen 
Zeit eher in der Küstentrittys anzusetzen geneigt ist. Der Name 
kommt sicher von ''Avance, dem Beinamen der Dioskuren, her 
und mit diesen verbündeten sich (nach Herod. IX, 73) äi}i,{ko(; 
und Mapaöo; im Kriege gegen "A^tSvo?, bei welchem Thößeu^ 
die Helena verborgen haben sollte. 

In der Küstentrittys kennen wir genau 'EXcuti?, nach weU 
chem die Trittys genannt war [C, L A. I, 517) und Oiyo^j. 
Der Demos 'AJ^Tivta, welchen Milchhöfer als einen besonderen 
Teil dieser Trittys ansieht, muss seinen lange behaupteter^ 
Platz zwischen 'Avi9Vj<7To; und 2oüviov dem Demos 'ÄTYivr) 
(Trittys Xb) abgeben und tritt selbst in die Reihe der unbe-» 
stimmbaren Demen (oben S. 335). Mit ihm muss auch d^r 
Demos KÖTupoc, welchen Milchhöfer seiner Azenia gegenüber 
auf der Insel raiSapovriai ansetzt, von dei* Südspitze AttU 
kas weichen. Nach C, I. A. II, 944 muss Köwpo? zu der Kü- 
stentrittys gehören. Wenn er wirklich nach dem Schol. zu 
Aristophanes 'l7C7irgi(; V. 899 auf einer Insel anzusetzen ist, so 
kann es nur eine der ganz kleinen Inseln zwischen Salamis und 
der Küste Attikas, etwa die grössere der noch im eleusini- 
schen Meerbusen gelegenen, das heutige Aepö^ gewesen pein. 
Hier habe ich auch den Demos Ko^po; vermutungsweise ange-» 
setzt, obgleich diese Insel nicht das ganze Gebiet des Demos 
gebildet haben kann und auch für die Ansiedlung wegen des 
gänzlichen Mangels an trinkbarem Wasser gar nicht geeignet 
erscheint*. Durchaus nicht überzeugend sind Milchhöfer'g Ver^ 
suche die Demen 'Ava)tata und Aupi^xt noch in der Gegend von 
'E>.6u(ji? anzusetzen. Über den ersteren haben wir schon ge- 
sprochen, ich möchte ihn eher bei Aexe^eia suchen. Den zwei- 
ten belassen wir besser bei den unbestimmbaren Deipen, dd 



^ Es könnte auch in den Worten des Scbolidsten (vfjao? ttj? 'Attix^?) vij- 
ao( einfach Fehler sein statt 6^fio( oder vielleicbt bat auch die Insel Kd^po; 
mit 46W glßi^bj)amigea Demos niobls zu (fauPr 



I 



ii8 DIB TillTTYEV VSU DEUEN ATT1KA8 

man auf die einzige spate Grabinschrift eines AüpiSr,; aus 
'Eiiu«! nicht bauen kann, und die beiden Grabinschriften 
au3 dem Botanischen Garten und aus Af6i(C /. .4. 11, 1889. 
1890) ebenso gut auf die Stadttrittys deuten wie auf Gleusis. 
Dagegen habe ich, wie gesagt, den Demos 'Eiaioü': eher in 
dieser Trittys vermutet. 

Von den Inschriften, welche Verzeichnisse der Hippothon- 
tis enthalten, bietet C. I. A. II, 944 nur 9 Demcn. Das Ver- 
zeichniss ungewisser Bestimmung C. I. A. II, 1006 aus der 
Mitte des vierten Jahrhunderts ist unten abgebrochen und 
enthält nur G Demennamen. Da die Tritlys nur bei einem von 
diesen genau bekannt ist, können wir den Wert der Inschrift 
für unsere Zwecke niclit bestimmen ; falls aber das Verzeich- 
niss mit Berücksichtigung der Trittyen zusammengestellt war, 
■was bei einer sorglältigen Inschrift dieser Zeit immerhin 
2u erwarten ist, und falls wir die Trittys von zwei anderen 
Demen, 'AviÄata und 'Elaioü!, richtig erraten haben, kom- 
men wir bei den drei übrigen Demen zu dem Schlüsse, daas 
wenn 'A(;7)vla mit den beiden ihr folgenden Demen zu der 
Binnenlandtrittys gehört, die Demen '\)Lj.\i'i-ci<.7. und 'Ayip- 
SoC; ( welclie auf 'ElaioC; folgen) entweder zu der Küstentril- 
tys oder zu der Stadttrittys gezählt werden können, oder nur 
'A|i(it$!c-jTEi!x zu der Küslin tritlys, "A/epSoa? zu der Stadttrit- 
tys; falls aber 'AS^TiMia in der Stadttrittys lag, müssen die De- 
men 'A[io;^ivT£t!x und 'A/^epSoCi; in der Küstentrittys gelegen 
haben. Das Verzeichniss der Diäteleninschrift C. I. A. II, 943 
ist unbrauchbar und von der Ephebeninschrift Alben. Milth. 
IV S. 324 ist nur ein zu kleines Fragment, /, mit den Kesten 
von zwei Demennamen erhalten '. 



• Ein für unsere Zwecke gleichgülliRes Fragment eines Venciclinisses 
der Hippothoniis ist auchC. /. ,4. 11,996, 1, wo heriu^lellen ist (die Inschrift 
ist CTToiynäöv geschrieben): Z. t. 'I:;-o0(iivt:3]o! 

Z. C. Ki!?.«5]«i 

Z. iO. Kür:p]!ioi 

Z. 14. 'AviIml^; 
auf dem Steine ist deullich zu sehen, dass Her erste erhaltene Bucbstatie ia 



DIE TRITTYBN UND DEMBN ATTIKA8 419 

Die beiden berücksichtigten Verzeichnisse sind also : 

CI.A. II, 944 C.LÄ. II, 1006 ß 

II, 2. 'l7:no8ü)VTi8o{ 1. •I1j:7co8(ovt^[8o{] 

3. n£ipai£t{ (1) ?. 'ACtivitIc (2) 

6. 'EpoiaSai (1) 5. 'A]vaxai7){ (3) 

9. KopuSaXXfitc (2) 9. AslxsXefi; (4) 

14. 'EXeuaivioi (3) 14. 'EXai]oüaioi (I) 

21. K67:[p]eioi {\) 16. 'A(xaf]avT£ut[«] (1) 

24. Oivatoi (4) 18. •Ax6pBo]üaio[i 
33. 'EX[ai]ouaio[i] (1) 

36. AexsXeTf (4) 

45. S]<p[6v]8[aX€t«] ? (2) « 



AiANTis (Milchhöfer S. 34-36). 
Bei dieser Phyle herrscht in keinem einzigen Punkt Mein- 
ungsverschiedenheit. Von ihren 1 1 Demen sind 7 der Lage 
nach schon längst mehr oder weniger bekannt, drei andere 
kleine gruppiren sich um einen von diesen und es blieb nur 
ein ganz kleiner Demos KuxaXa, welcher jetzt erst durch Milch- 
höfer angesetzt ist und zwar sehr glücklich. Was die zehn De- 
men (ausser KuxaXa) anbetrifft, so hat man ebenfalls schon 
längst erkannt, dass sie — wie man annahm ausnahmsweise — 
zwei geschlossene Gebiete bildeten, von denen das eine von 
einem, zur kleisthenischen Zeit jedoch sehr wichtigen Demos, 
*xXrpov, gebildet war, das andere die übrigen 9 Demen um- 



der Z. 10 E war, nicht T wie Köiiler annahm, weshalb er hier S9t[t]tioi er- 
gänzt, das ganze Verzcichniss für dasjenige der Akamantis ansieht und in 
Bezug auf 'AvajxaiTj; oder *Ept]xaif]c (Z. 14) annehmen muss, dass einer die- 
ser Demen in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts zweiteilig gewesen 
sei und ein Teil davon der Akamantis angehört habe. 

* Chandler giebl . . ^ I A . . an, doch ist hier ein Demotikon herzustellen 
(vielleicht aber Aup](8[at]?) ausser wenn Chandler eine oder mehr Zeilen 
ausgelassen hat. Gewöhnlich liest man das Demotikon in Z. 47. 1]^ 0[?o]u, 
wo Chandler . i O I N O Y giebt,was ich eher für den Valornamen eines Pry- 
lanen halte, etwa Eu]6[u]vou oder EuOjo^vou; Otov ist ja hier durchaus nicht 
am Platte (s. oben 8. 4i5)r 



I 



«9 Dia TniTTVEff USD UEMRN ATTIK*B 

fasBte. Jetzt ist es klar, dass dieser letztere grosse Bezirk aus 
zwei Trittyen bestellt, welche zwei verschiedenen Gebieten 
angehören (M(nö'j'«ia = iixxpiai und riapaiii) und nur zutällig 
bei der Verlosung der Bezirke unter die Pliylen in derselben 
Phyle sich zusammen {gefunden liabcn. Die Küstenlrittys be- 
steht aus den 3 Städten der Tetrapolis: Motpaöijv (die ich mit 
MilchhÖfer und Leake in Bpavi ansetze ' ), Oivö», Tpixopuflo;, zu 
denen nördlich noch 'PaiAvo';: und dann (wahrscheinlich erst 
in römischer Zeit) H'"a9i; hinzukommen, (n dieser Trittys und 
zwar bei OivÖT] hat Milchhöfer auch Kiinai« angesetzt, wobei 
er auf der Inschrift Hermes XXIII S, 393 f. fusst; aus ihr ist 
nämlich zu er&ehen, dass Kü««>a bei einem IlOöiov und in der 
Nähe eines 'Hpi^lEiov lag: beides kennen wir nur in einem 
von den drei Bezirken der Aiantis, nämlich in dem der Ku- 
stentrittys, wo ein nofliov hei Oivovi lag (Scliol. zu Soph. Oi-i. 
KoX&jv. V. 10''i7) und bei MapaOuv ein 'HpÄ)t>6iov (Herod. VI, 
108). 

"AipiSvoL mit den Demen IlsaptSaci. TitaxiSai und wahrschein- 
lich auch Ö'jpywviSai bildete die im Nordwesten der vorher 
genannten gelegene Binnenlandtrittys der Aiantis. Für die 
Stadttriltys bleibt nur 'tac^vipov. 

Verzeichnisse der Aiantis mit einer genügenden Zahl von 
Demennamen giebt es nicht ausser C. I. A. II, 944, Coi. III '. 
Und diese letztere hat mehr Bedeutung für die Stärkung unseres 
Vertrauens zu den Verzeichnissen anderer Phylen, welche in 



< Eine &usrührlicbe Behandlung der Frage nacb der Lage des Demos Ma- 
paSuSv bei Hilchhörer, Karlen von AttJka III-Vl S. 51-54. 

* Bs lohnt sich die Reih^nTolKe der Deinen Inder Inscbrifl C.I.A. 11.943 
aniutüfaren zum Beweis, das in dieser Inschrift die TriUyeneinleilung wirk- 
lich in den Veneichnissen einiger Phylen gani unbe rück s ich ligt ttlieb.Wir 
haben hier G. V, 25. AiavTieot 

26. Otnatoi (1) 
28. 'Pajivoii«»! (4) 
C. VI, 5. 'ATiBvcitoi (1} 
7. *a)..ipiE( (I) 
9. MapaOtiviDi (() 
n. Tp.xopi<,.(., (1) 



DIE TRITTTBN UND DEME^I ATTIKA8 iU 

dieser IdBchrift erhalten sind, als für die Verteilung der De« 
men der Aiantis unter die Trittyen, welche auch ohne sie ganz 
klar ist. 

In der Inschrift C. L A. II, 944 Col. III stehen also: 

Z. 2. AiavTi8o5 
3. <I)aX7)p6T{ (5) 



14. 'AcpiBvatoi (7) 

?9. Oivatoi (2) 
34. MapaOtüvioi (2) 
39. Tpuopuaioi (2) 
44. *Pa|xvouatoi (6) 



Antiochis (Milchhöfer S. 36-39) 
Hier glaube ich wieder Mehreres an der Bestimmung der 
Trittyen, wie sie Milchhöfer vornimmt, bessern zu müssen. 
Die Wurzel aller hier von ihm begangenen P'ehler ist schon 
angegeben worden : es ist die irrige Annahme, dass alle in 
zwei oder mehr Phylen mit demselben Namen vorkommen- 
den Demen ursprünglich Teile eines Demos waren, und die 
nicht genügende Berücksichtigung der massgebenden In- 
schriften. Der Einfluss der genannten Grundanschauung ist 
bei den Trittyen dieser Phyle besonders fühlbar, da zu ihr 
drei Demen gehören, von denen nach Milchhöfer Teile abge- 
schnitten und anderen Phylen zugeteilt waren, und derentwe- 
gen er also die betreffenden Trittyen in Gegenden erstrecken 
oder verlegen muss, wo er sie sonst nicht vermuten würde. 

Einverstanden bin ich mit Milchhöfer nur in Betreff der 
Rüstentrittys. Hierhin gehören die Demen 06pai, welcher bei 
Strabo auch ohne Textcorrectur an die folgenden Demen der- 
selben Trittys anschliesst *, in *tvtxsx am Nordwestfusse des 
*'EX'ju.7:o(; ; AtytXia östlich oder weiter südöstlich davon in Tpa- 
TCoupix oder 4>6pt<ia ; 'Av(fc(pXu<jTo? weiter südlich am Ostfusse des 
"'EXufiTro? bei BcXxToupi^ und 'Attqvyi, welches nach meiner 



* S. oben S. 330 f. 

3 Über die antiken Spuren an den vier geaannten Stellen s. besondef^ 
Karlen von Attika III-VI, S, 19-21. 



4tS DiK thittven ohd i 

Correclur im Texte des Strabo' weiter ÖslIicJi oder südlich zu 
liegen kommt, vielleicht an die Nordostecke der Bucht voo 
'Aviguno als Hafen von 'Avi^Xj^Toi; ; weiter ins Land hinein 
'A[i(piTpo-7) bei MsTpoKwi' und ßma. eher nördlicli von Kaui- 
ptfra, welclie schon zu der Trittys IVA gehört haben muss, 
etwa bei BapSxliixi oder niaxa'. Die kleinen erst späten ü«- 
men 'EpyaStt; und ^'jppivYjTioi darf man vielleicht auch in die- 
ser Trittys vermuten: für 'EpYaSEii; spricht der Name, nach 
■welchem man diesen Demos In den Bergwerksd ist riet (also 
etwa bei 'AayiTposri und ßT.ix) versetzen möchte*. Der Name 
4>upvn, $upvT,o'.D! hat sich vielleich noch im jetzigen "tip'-oct er- 
halten. 

Die Stadttrittys bildete meiner Ansicht nach, ein einziger 
Demos 'AIwttsxti gelegen bei 'AitTcAQXTiiroi ; wenn Milchhöfer 
noch KoXwvö? und Khia. zu ihr rechnet und sie aus dem ganz 
abgeschlossenen Winkel zwischen Turkovunl. Lykabeltos und 
Hymettos nach Westen bis an den Kephisos heraustreten lUsst, 
BO geschieht es eben nur wegen der besprochenen Vorausset- 
zung, dasB Koiwvo; ein Teil des KoJ.<uvö( "Inxio; war, und von 
EiTi'a ein Teil für die am kephiBos gelegene Trittys der Aka- 
mantis abgeschnitten worden ist. 

Die Lage der Binnenlandtrittys, welche bei Milchhöfer ganz 
kümmerlich ausgefallen ist, kann man ziemlich genau be- 
stimmen durch die Demen Ilai>.>r,vT] und Sr;j.5i/iSat. Den erste 
ren hat kürzlich Milchhöfer wieder'' an den Nordfuss des Hy- 
mettos zuriick versetzt, wo Hin schon I^eake annahm". Auch 
in Betreff der genaueren Bestimnmng der Lage der Ansied- 
lung, welche ziemlich gross gewesen sein muss, hat, glaube 
ich, Leake, welchem auch (lanriot [Herherches S. 191) bei- 
getreten ist, das Richtige getroffen. Sie wird nämlich zwischen 

I S. ol>en Ö. 335 

s S. Karlen vuii Allika Tll-VI S. 1h. 
3 Ebenda S. Ih. f. 

' Ebenso lieissl jclzl ili'rnnu|)t(>rt der Brrsuvcrk^iinliistrie in AUik.i ( Aii- 
piov) — 'Epyajtilpia. 
» UeiliTiLT i.liil. Woclieii^cliria XI] (ISllil «. ? IV 33 II. bcsumlcrs S. 36- 
6 Demi ' S. ii IT. 



DIE TRITTrEN UND DEMEN ATTIKAS 453 

dem Nordfusse des Hymettos und dem nördlich von ihm iso- 
lirt liegenden Hügel und von hier nach Osten bis an den Bach, 
welcher riaXXTQvyi von FapyriTToc getrennt haben mag, gelegen 
haben : die Ruinen, welche hier die genannten Gelehrten beob- 
achteten, werden zu ihrer Zeit ausgedehnter und besser er- 
halten gewesen sein. Milchhöfer scheint in den Karten von 
Attika III-VI S. 35 diese Ansetzung gegen Ross und Bursian 
gebilligt zu haben, welche IlaX^rivYi mehr nach Osten auf Xap- 
6xTi zu rücken wollten ; auch passen darauf vorzüglich seine 
ausführlichen Auseinandersetzungen in der Berliner phil. 
Wochenschrift 1892. Desto mehr wundert man sich, dass er 
hier am Schlüsse (S. 36) zuletzt doch unentschlossen nur wei- 
tere Grenzen für Pallene angiebt: * von der Linie Stavro-Char- 
vati bis Rantza-Papangelaki', und jetzt auf seiner Karte der 
Trittyen ria».y}vyi gerade bei Xapßirt ansetzt*. Die Fragenach 
der genaueren Ansetzung von FlaX^YivTi im Verhältnisse zu dem 
Nachbardemos rapYY)TT6(; ist jetzt wichtig für die Bestimmung 
des Gebietes der ganzen Trittys. So wie lloiXkri^in jetzt bei 
Milchhöfer angesetzt ist, schneidet ihr Gebiet ganz unnütz tief 
in die Trittys II c ein und es bleibt kein Platz für die übrigen 
Demen dieser Trittys (ausser rievTeXr; bei Milchhöfer) 2, wes- 
halb Milchhöfer auch nicht zögert, aus einigen Demen ei- 
nen besonderen Bezirk weit von hier als Enclave zu bilden. 
Dagegen konnte sich das Gebiet der Trittys X c von dem süd- 
lichen Abhang des Pentelikon (wo er, wie auch andere, den 
Demos FlevTe^y) ansetzt) herunterziehen längs dem rechten Ufer 
des Baches, welcher bei PapiTo vorbeifliesst, westlich sich bis 
über den Kephisoszufluss, an welchem XaXavSpt liegt, erwei- 
tern und im Süden noch einen guten Teil der beiden Ab- 
hänge des nördlichen Hymettos einnehmen. In das quellen- 
reiche geschützte kleine Bergthal des Klosters MevreXi setze 

* Wie ich bore, soll dies nur eine Ungenauigkeit der Karle sein, wah- 
rend er den Demos am Ostfusse des HjrmeUos zwischen ^xa\)p6 und KavT^a 
ansetzt. 

2 Doch nennt er (S. 36) üevTeXi} auch eine (zweite) Enclave dieser Trit- 
tys; wahrscheinlich hängt das mit der in der vorhergeheudeu Ann^erkuDg 
beröcksichtigtea Ansetzung von üaXXiJvT) zusammen, 



424 DIB TRITTTEN UND DEICBN ATTIKA8 

ich Statt des wahrscheinlich erst verhältnissmässig spät ent« 
standenen und sicherlich ganz unbedeutenden Demos flcv«« 
tcXyj den alten Demos SmjiLxytSat : denn dieser war nach Phi- 
loch, bei Steph. Byz. s. v. ein Demos der Epakria. Ob Phi- 
lochoros darunter den uralten Verband verstand, einen von 
den zwölf Staaten, oder ein weiteres Gebiet um dieses herum, 
kann man nicht bestimmen; jedenfalls muss ^niLxji^an in der 
nächsten Nachbarschaft der 'ETuaxpewv TpiTxu; gelegen haben 
und einen geeigneteren Platz könnte man nicht finden. Wes- 
halb es Milchhöfer * heute nicht zweifelhaft ist', dass für Se* 
machidai 'nur eine Örtlichkeit der Epakria in Betracht kommt', 
die von KaXevx^i bei ''AfpiSva, sehe ich nicht ein. Möglich ist es 
ihm, Semachidai so weit von allen übrigen sicheren Demen 
derselben Phyle zu setzen, weil er es für wahrscheinlich hält, 
dass die Epakria sich über die Gebiete mehrerer Trittyen er- 
weiterte, und weil er keinen Anstand nimmt Enclaven anzu- 
nehmen und zu bilden ; nötig ist für ihn diese Ansetzung von 
SmfiLaj^iSat, um einen anderen Demos der Antiochis, 'EpoidSoti, 
an 'EpoiaSat der Hippothontis stossen zu lassen. 

Was den Demos IhvTs^y) betrifft, welchen wir aus der bis- 
herigen Lage an der Stelle des jetzigen Klosters dieses Namens 
verdrängt haben, so kommt er allerdings nicht allein auf den 
Inschriften römischer Zeit vor, wie Milchhöfer sagt, sondern 
bereits in der Inschrift *E9ri[jLgpU ipx- 1883 S. 3-4 (Z. 38 Mxvt) 
n6VT6>.7i<jtv oiJcoövTi) noch aus der Zeit der 10 Phylen; aber 
Personen, welche diesem Demos angehören, begegnen uns 
erst in römischer Zeit und zwar nur drei im ganzen C. L A, 
111. Man kann vermuten, dass die Ansiedlung, welche in ver- 
hältnissmässig später Zeit sich zu einer selbständigen Ge- 
meinde entwickelte, etwa erst in Folge der gewachsenen Be- 
deutung der pentelischen Marmorbrüche, sich irgendwo bei 
diesen gebildet hatte und gewiss ihren Namen von dem Berge 
üevTeXy} bekam, nicht, wie man gewöhnt ist anzunehmen, die- 
sem seinen Namen gegeben hat*. 



< In dea Bezeichnungen wie XiOoi IIevteXeixoi 6\ /. ^4 . I, 321 oder XiOou; 



DIB TRITTTSN UND DBIfBfV ATTlKAd tih 

Als eme Stütze für die Annahme, dass auch 'EpoiirSat in 
der Trittys Xc bei IlaXXYjvYi (etwa südlich davon am Ost- 
abhang des Hymettos) gelegen habe, kann die archaische In- 
schrift zu Ehren des Tva^io; 'EpoidcSr,^ (aus dem Geschlechte 
der 'Epot&Sat, da die Inschrift wol vorkleisthenisch ist) C.I.A. 
I, 492 (vgl. IV, 1 S. 118 und Lolling in Athen. Mitth. V S. 
244 ) gelten. Diese Inschrift ist in Kxk^j&ix Ko^j&xp±<; im Süden 
der Mesogaiaebene gefunden worden, doch hat Lolling die 
Vermutung ausgesprochen, dass sie mit der von Fourmont in 
KorjfdCL'kx ( = Kopc«)7ci) abgeschriebenen C. L A. I. 522 iden- 
tisch sei und also nach Ka>u6ia erst in neuerer Zeit gekom- 
men ist. KopwTui ist auch ein verhältnissmässig neues Dorf und 
hat, wie Milchhöfer wol richtig annimmt*, mehrere antike 
Steine mit seinen ersten Bewohnern aus deren früherem Sitz 
in der Gegend von llaXXY)vY) erhalten ; von dort könnte also 
auch die Inschrift des Eroiaden Gnathios stammen. Dass der 
Demos Kpic^x ebenfalls bei IIa>.>.7)VY] lag, kann man mit eini- 
ger Wahrscheinlichkeit aus der Verwandtschaft von Kpiö^ und 
rixXXa; (Hesiod. Theog. V. 37* flf.) schliessen, so wie daraus, 
dass auch in 'A^aia neXX-nvr, und Kptö? örtlich verbunden 
waren (Pausam. VII, 27,11). 

So haben wir für die Trittys Xc um IIaXX7)V7) noch vier 
Demen zusammengebracht: Syipia^^iSat, FlevTeXy), EpoticSai und 
Kpio)«. Jetzt gewinnt für uns auch der Umstand Bedeutung, 
dass alle diese Demen (ausser IUvteXy)) oder ein Teil von ih- 
nen in drei Verzeichnissen der Antiochis zusammen und ge« 
sondert von den sicheren Demen der beiden anderen Trittyen 
genannt werden; die zwischen ihnen genannten Demen EiTea 
und KoXwvo; zögere ich auch nicht derselben Trittys zuzuschrei- 
ben. EiTe'a könnte ganz gut an dem von MevteXt herunter- 
kommenden Zuflüsse des Kephisos gelegen haben oder an dem 



ncvnXiidcv afaTstv ( *E<pii{i.6pi{ oip)^. 1886 8. 185 f.) ist gewiss der Berg navTsXr}, 
nicht der Deoios geaieiol (vgl. X^Oou^ a^aYEiv e( *Axt^( in derselben Inschrift 
Z. 47). Ein Berg Ilcvi^Xcta ist auch für Arkadien bezeugt Hesych und 
Photius 6. V. 
1 Berliner pbil. Wochenschria 1892 S. d Anm. f. 



426 DIE tRITTYEN ÜNÖ DEMEN At^lkAÖ 

Flüsschen, welches zwischen IlaXXYivYi und TapyTOTToc fliesst; 
für KoXa>v6; ist eine seinem Namen entsprechende antike Stelle 
auf dem Hügel Gur-i-karakut am westlichen Abhang des nörd- 
lichen Hymettos (bei dem Kloster 'Ay. 'Iwawou öeo^öyou) frei *. 
Die Inschriften, auf welche wir uns stützen, sind CI.A, 11, 
944, diesmal auch der betreffende Teil der Inschrift CI.A. II, 
943 und die Prytanenliste aus der Mitte des vierten Jahrhun- 
derts C. I. A. 11, 869; in dieser letzteren ist die Gruppirung 
der Üemen nach Trittyen auf besondere Weise hergestellt, 
wodurch bewiesen wird, dass sie hier nicht zufällig, sondern 
absichtlich ist. Zuerst sind nämlich die Prytanen der Küslen- 
trittys genannt, der grössten in dieser Phyle, im ganzen 27. 
Da sie nicht in der ersten Columne Platz finden konnten, 
nehmen 10 von ihnen (aus 2 Demen) noch den oberen Teil 
der zweiten ein. Den Rest der zweiten Columne füllen 7 von 
den Prytanen der Binnenlandtrittys, die übrigen 6 sind in der 
folgenden, dritten Columne genannt, aber so, dass ihre Reihe 
hier in derselben Zeile (13.) anfängt, wie in der zweiten Co- 
lumne. Den oberen Teil der dritten Columne nehmen die 10 
Prytanen der Stadttrittys ein, und um die eine Gruppe von 
der anderen zu trennen und die beiden Teile der Binnenland- 
trittys sichtbar zu einer Gruppe zu vereinigen, folgen die Na- 
men derPrytanen der Binnenlandtrittys nicht unmittelbar nach 
denen der Stadttrittys, sondern, wie gesagt, erst von der Zeile 
ab, mit welcher auch in der vorhergehenden Columne ihre 
Reihe anfing, so dass zwischen den beiden Teilen der Colum- 

* Über die Ortschaft s. Karten von Attika II S. 22. — Es bleiben noch 
von den Demen, welche zur Antiochis gezählt werden: Aixxov (nur von 
Hesych genannt), MeXaivai (kommt in den Inschriften nur als ein De- 
mos der Ptolemais vor, passt zu keiner Triltys der Antiochis und man 
kann deshalb annehmen, dass Steph. Byz. sich geirrt hat, wenn er ihn 
ö^fxo? T7)5 'AvTio)(^t6o5 9«^^? nennt), Aeuxoriüpa (ist ebenfalls von Hesych ge- 
nannt, kommt auf den Inschriften aus der nachchristlichen Zeit vor: CI.A, 
III, 1121 (Asuxot:.), 1147 (Aeuxo) und 1163 (Aeüx); ich meine man hat auch 
in den beiden letzten Fällen A£üxo(7rupEu?) zu lesen, und versiehe nicht, wes- 
halb sich Dittenberger hier wie dort für Aeuxofvoisu^) entscheidet, denn seine 
Ergänzung -- A£u[xoJv(o£u$) in Nr. 1034 Z. 33 ist ganz unsicher und sonst 
kennen wir AeuxovoTj nur als Demos der Leonlis). 



Ölfi f Ritl'YBN ÜNb DBMEN ATTIKA8 



kil 



ne IIT eine Zeile frei bleibt. Anders lässt sich diese Auslas- 
sung einer Zeile noch dazu bei der Columne, welche so wie 
so länger als die beiden übrigen ist, gar nicht erklären: es 
kann hier nicht etwa der Name eines Prytanen fehlen, da sie 
vollzählig (50) sind. Unbrauchbar für uns ist die Prytanenin- 
schrift aus der Kaiserzeit C. I. A. III, 1036, auf welche sich 
Milchhöfer wegen der üemen 'EpyaSet^ und *opptvY)<jioi beruft, 
da man anerkennen muss, dass in ihr die Demen aller drei 
Trittyen durcheinander genannt werden, wenn man nicht etwa 

'AXo>w6)c[Yie6v] (Z. 39), SYjjxaxiSai (Z. 44), 'EpyaSei; (Z. 47), 

*uppivri<jioi (Z. 49) und Kpiwst; (Z. 51) zu einer Gruppe ver- 
einigen will ; vor AXwTüsxYiOev sind genannt [II]a>.>[y)V6Ji; (Z.7) 
und 'Ava[9]Xü[<iTtot] (Z. 37). Dasselbe gilt von der Prytanen- 
inschrift C. I. A. III, 1050, in welcher übrigens nur drei De- 
mennamen zu erkennen sind. 

Die Reihenfolge der Demen in den drei massgebenden In- 
schriften ist folgende : 



C.LA. II, 944 



CI.A. II, 869 



C.LA. fl, 943 



IV, 2.'AvTiox^o« 
3. 'AXcoTcexfieev (4) 

12. 0opa[i]£t{ (2) 
17. Aft]TNX[t]€T5 < (2) 
22. •A[x]Tiv£[t]{ 2 (2) 
27. 'Ava^Xuaxioi (4) 
36. BTiggtet; (I) 

39. naXXijvEt« (4) 

48. KoXwvit« (2) 

53.'Epoidi8[ai] (1) 
56. EiT€ato[i] (1) 



III, i. 'AX(O7C£X7ic(i0 ) 

I, 1 . ' Ava^XüoTioi (10) 
12. 'Afi^iTpoTcai^; (2) 
15. BT)aaiTJ{ (3) 
IS.'ATr.vfj; (3) 
II, 1. Ai^fiXifj? (6) 
8. ©opaifjs (4) 

11,13. naXXr)vfi; (7) 
111,13. Kpiwfi? (I) 
15. KoXwvfj; (2) 
17. EiTcaloi (1) 
19.'Epoia8ai (1) 
21. Srifiax^Sai (1) 



IV,13.'AvTioxC8o« 

24.'A[X(o];:£[xfie6v] (1) 



21. A(tiX[i]£M(2) 



18. naXXijva« (2) 



16.'Epoiiaat (1) 
14. 27)(jLax^(§ai (1) 



< Cbaadler ArrYAHGEI^. 
3 ChaQdler AIHNE[I]^. 



4S8 Die TaiirtilM und dbWbn a1^i&a0 

So haben wir den sachlichen Teil der milcbhöfep'ftcheo Ar«* 
beit, auf dem ihr Hauptgewicht liegt, nachgeprüft und die 
von ihm gewonnenen Resultate zu bessern und zu ergänzen 
versucht. Auf die Betrachtungen und Schlüsse, welche Milch- 
höfer an diese Resultate anknüpft, gehen wir nicht ein. Wenn 
wir in unseren Ansetzungen hier und dort der Wahrheit nä*- 
her gekommen sind, so werden auch jene Schlüsse mehrfach 
neue (Jestalt annehmen müssen, auch werden einige Erörte- 
rungen jetzt überflüssig, besonders die Versuche, die bei sei- 
ner Ansetzung der Trittyen sich ergebenden Enclaven zu er- 
klären und zu rechtfertigen. Kurz will ich nur noch Einiges 
zu dem allgemeinen Bilde bemerken, welches wir nun für At- 
tika gewinnen. 

Dass dies Bild, welches wir genau genommen erst für die 
zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts beweisen können, auch 
schon für die Zeit des Rleisthenes gelten darf, wird höchst 
wahrscheinlich gemacht erstens dadurch, dass es ganz der 
Angabe der 'AOnvatwv TroXtTsta über die bezügliche Reform des 
Kleisthenes entspricht, und zweitens dadurch, dass wir im 
Laufe der ganzen zwei Jahrhunderte bis zur Bildung der bei- 
den neuen Phylen keine Änderung in dem System der Ver- 
teilung Attikas in Trittyen nachweisen oder nur irgendwie 
vermuten können. So weit unsere Nachrichten über jeden ein- 
zelnen Demos reichen, gehört er immer bis in die spätesten 
Zeiten, wenn er nicht in eine der neugeschaffenen Phylen 
übertragen war, zu derselben Phyle und auch wol zu dersel- 
ben Trittys. 

Die Einteilung des ganzen Landes in drei Teile, in denen 
jeder Phyle je ein geschlossenes Gebiet gehörte, muss doch 
entschieden mit den drei territoriellen vorkleisthenischen Par- 
teien in Zusammenhang stehen, deren Bedeutung und Macht 
Rleisthenes brechen wollte, ich meine, dass die kleisthenischen 
Tx TTipl t6 (X(jtu, TrapaXta, (Xfidöyata so vollkommen wie nur 
möglich, den Gebieten der TueSisl;, TuaprfcXtoi und Stajtpiot ent- 
sprachen, und nach den jetzt aus streng topographischer For- 
schung geflossenen Resultaten müssen wir unsere bisherige 



DIE TRITTTEN UND DEMEN ATTIRA8 429 

Vorstellung über die territorielle Verteilung dieser drei Par- 
teien umgestalten. Diese beruhte eigentlich nur auf der poeti- 
schen Schilderung der Anteile des Aiye^^;» nx^Xa(; und Aüxo; 
in einem Fragmente des Sophokles (bei Strabo IX, 6 p. 392 
= Fragm. 872 bei Nauck), welche der Scholiast zu Aristo- 
phanes (Wespen 1223 und Lysistr. 58) mit den Gebieten der 
TC6Si6T(;, wap&^ioi und Stixptoi zu identificiren scheint. Jetzt wer- 
den wir vielmehr schliessen, dass den :r6SiEt(; nur das Gebiet 
des unteren Kephisos zwischen Aigaleos und Turkovuni und 
der Meeresküste gehörte nebst den nächsten Umgebungen der 
Stadt zum Hymettos hin. Die Ebene des oberen Kephisos da- 
gegen mit 'Ayapvat, Kr^^KTia, 4>X'ja u. s. w., wie auch die jet- 
zige Mesogaiaebene von Ila^^rvT) bis 'AyvoGc gehörte zum Ge- 
biete der Diakrier, von welchem die eigentliche Berggegend 
des Parnes und Pentelikon nur einen kleinen Teil bildete. 
Die T6TpxxoXt; aber machte nur einen Teil des Gebietes der 
TzoLpxkioi aus, welches die ganze Küste einnahm, soweit sie nicht 
zum Stadtgebiet gehörte. 

Was die Trittyen des Stadtgebiets betrifft, so kann die An- 
sicht, welcher Milchhöfer auch jetzt noch beitritt, dass näm- 
lich *die Trittyen des Stadtbezirkes sich nach der officiell ge- 
wordenen Reihenfolge der Phylen um das Burgcentrum gela- 
gert hätten' in dieser Form nicht richtig sein. Wir wissen 
jetzt aus der 'AOvivatGiv -rzolireix c. 21 , dass die Bezirke unter die 
Phylen durch das Loos verteilt wurden. Es kann aber sein, 
dass die Reihenfolge der Phylen nach derjenigen ihrer Trit- 
tyen im Stadtbezirke bestimmt war: auch für diese Annahme 
scheint unsere Ansetzung der Trittyen besser zu passen. 

Alles Übrige wird man bequemer aus den beiliegenden Kar- 
ten des ganzen Attika und des Stadtbezirks (Taf. 12) ersehen. 
Derersteren ist eine Verkleinerung der österreichischen Gene- 
ralstabskarte von Griechenland zu Grunde gelegt : der Maasstab 
ist dadurch Yn der grossen Karten von Attika, d. h. 1:425000 
der natürlichen Grösse geworden. Die zweite ist nach Kaupert's 
Karte 1 in Curtius' Stadtgeschichte Athens gezeichnet; ihr 
Maasstab ist 7io d^** Karten von Attika, d. h. I:2500u0 der 

ATHEN. MITTHEILUNGEN XVH. 29 



430 DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKAS 

natürlichen Grösse. Ich habe alle Demen, deren Tritty» für 
mich sicher ist oder sich mit einiger Wahrscheinlichkeit ver- 
muten lässt, in die Karten eingetragen. Wo möglich, habe 
ich für die Ansetzung der Demen Stellen gewählt, wo noch 
antike Reste erhalten sind , sonst aufs Geratewol innerhalb 
der Grenzen der Trittys irgend einen freien Platz ausgesucht. 
Wo ausser der Möglichkeit die Trittys zu bestimmen oder zu 
vermuten keine Anhaltspunkte zur genaueren Ansetzung eines 
Demos waren, steht bei seinem Namen ein Fragezeichen. Bei 
der Bezeichnung der Grenzen der Gebiete wie auch der Trit- 
tyen habe ich mich so genau wie möglich an die natürlichen 
Grenzen gehalten : an Bergrücken, Hügelketten, in den Ebe- 
nen an Flüsse und Bäche. 

Es ist überflüssig zu betonen, dass wie die Grenzlinien so 
auch die Stellen vieler Demen, auch derjenigen, welche ohne 
Fragezeichen stehen, nichts weniger als absolut genau sein 
können. Es wird wol noch der Arbeit vieler Kräfte bedürfen, 
um die attische Topographie auf der neugelegten Grund- 
lage auszubauen; in vielen Fällen wird man erst weiteren 
Zuwachs von Material abwarten müssen, bis man auch im 
Einzelnen, wie jetzt im Grossen und Ganzen, zu einem klaren 
und etwas genaueren Bilde Atlikas gelangt. Jede neue Anset- 
zung von Demen und Trittyen, die dem besser geprüften und 
neu hinzukommenden Material oder auch nur den natürlichen 
Bodenverhältnissen besser entspricht, muss man mit Freude 
begrüssen. Da ich glaubte meinerseits in Bezug auf Milchhö- 
fers ersten Versuch, die Topographie Attikas umzugestalten, 
solche bieten zu können, habe ich hier die von mir meistens 
unabhängig von ihm gewonnenen Resultate vorzulegen ge- 
wünscht. Inwiefern sie einen Schritt vorwärts bedeuten, wird 
am Besten der hochgeehrte Fachgenosse selbst entscheiden. 

Athen. 

R. LÖPER. 



DIE TRITTYEN UND DEMfiN ATTIKAS 



431 



Der bedeutende Umfang dieses Aufsatzes und die grosse Zahl von Ein- 
zelfragcn, welche darin zur Sprache kommen, wurden eine rasche Orienli- 
rung im einzelnen Fall vielleicht erschweren. Wir haben deshalb ein al- 
phabetisches Verzeichniss s/lmtlicher Demen mit Angabe der Seiten, wo sie 
besprochen sind, beigefügt und ein zweites, welches die brhandellen geo- 
graphischen Namen zusammeiifasst. In erslerem ist hinter dem Namen jedes 
Demos die Phyle und, wo sie bekannt ist, die Trillys, wie im Text, durch 
eine römische Zahl und Buchstaben (I Krcchlheis. II Aigeis, III Pandionis, 
IV Lconlis, V Akamantis, Vi Oineis, VII Kekropis, VIII Hippothonlis, IX 
Aianlis, X Antiochis — a Stadltriltys, b Küstentriltys, c Binnenlandtrillys) 
angegeben. 



'ArreMIII &. — 367. 374 f. 

'AyxuXTj (xa9ü;c und 67:^v6p.) II a. — 

350 f. 364 f. 
•Ayvou« V c. — 3y9. 
*AypuXt[ (xaöü^c. und 6;rlv.) I a. — 341. 

348 f. 
'A^Tjv^aVIII (cod.a?).-335f. 4l^f. 

415. 417. 
"AÖjiovov VII c — 411. 414. 
AifiXia X6.— 421. 332.427. 
AiOaXiSai IV c, — 386. 390 f. 4 1! . 
AJfojvTi VII ft. — 410f. 330 f. 378 f. 

414. 
'AxuaieT( Ptolemais. 
'AXal AifwviÖs« VII 6.— 4l0. 324. 

331. 342. 396 f. 414. 
•AXal 'Apa^Tjv^Se? II b, —361 f. 324. 

334. 364 f. 
•AXiaoös IV a. — 377-379. 326. 390 f. 
•AXw;:6xtI Xa.— 422. 427. 
•Afiafavieia VIII (b od. a?). — 418f. 

415. 
'AfiüfiüivTi VIII. — 415. 
'AfKpiTponTi X ft. — 422. 427. 
•Avappoüs I ft. — 341. 331. 348 f. 
'Avaxaia VIII c — 417. 419. 
'Ava^XüOTo? X ft. — 421. 331 f. 397. 

427. 
'AvtivoeTc Hadrianis. 
'A7coXXü)vtetc Atlalis. 
'Apa9T{v II ^ — 362f. 360. 364 f. 
'ATiivTj X ft. — 335. 421 f. 427. 



AupiBai VIII (c?). — 415. 419,1. 

417 f. 
''A9i8vaIXc.— i20. 343. 421. 
'Ax.apva/ VI c. — 385 f. 406. 409. 
'AxepBou« VllI (b, od. a?).— 415. 

418 f. 416. 

BaiTi IIa. — 351 f. 364. 
BspevixtSat Ptolemais. 
B^aa X 6. — 422. 427. 
BouTdcSai Via. —40V. 409. 

rapYTjTTo'« II c. — 353 f. 364 f. 369. 
[rpaf]«] — 372. 371. 

A«i8aX/$ai VII (c?).— 411. 379. 414. 
AeipaSiöiai IV b —383. 381. 390 f. 

392. 
Aexasia VIII c — 416. 415. 419. 
Aiöjxeia IIa —350 f. 364 f. 

E'pcai'Sai V a. — 394f. 401. 411. 

EiT^a Va.— 395. 323 f. 401. 

EiT^a Xc — 425. 323 f. 326. 422. 

427. 
'ExaXij IV c. — 384 f. 390. 
•EXaioO? VIII (^»?). — 416. 419. 
'EXfü<j/5 VIII ^».— 417. 415. 419. 
'Emsix/8ai VII. — 414. 379. 409. 410. 
'E7:ix7)^bioi VI a. — 402. 409. 
•EpYa8£t5X(ft?). — 422. 4n. 

Ep^xeia II ^ — 359. 366. 350. 364 f. 



432 



DIB TRITTTEN UND DEMBN ATTIKA9 



"Epfioc Va. — 393. 401. 

'EpoiiSai VHIa. — 416. 323 f. 325. 

326.419. 
'Epoi<£8ai X c. — 425. 323 f. 325. 326. 

427. 
'Epx^a II c. — 353 f. 364 f. 369. 
•Eariflt^a IIa. — 351 f. 364 f. 
Euvoax^dai Plolemais. 
Eu7:up(8ai IV c. — 386. 384. 390 f. 

411. 
EucSvufiov I &. — 341f. 348 f. 

0Ti(xaxd5 I a. — 341. 

0dpai X 6. — 421. 327. 330. 332 f. 

427. 
0opixd; V 6.-39 S. 333 f. 401. 
0pta VI 6. — 406. 409. 
0üfiaiia8ai VIII a. — 415. 
0upYwvi'8ai IX c. — 420. 

'Ixap(a II c —353. 357. 364 f. 
'iTCjroiafiaBai VI 6 ( od. a? ). 407. 408. 

409. 
'I«piaxii8ai V a. — 394 f. 401. 411. 
'IwviSai II c. — 354. 364 f. 369. 

[KaXsiset;]- 371 f. 
KeipiaSai VHIa. — 415. 
KspaHLfit? V a. — 393. 401. 
KeyaXri V ö. - 398. 401. 
Kri8o^ I &. — 341. 348 f. 
Krixxdi IVa. — 392. 388. 390 f. 
Kijfiaia I c — 341. 348 f. 
K^xüvva V a. — 396 f. 401. 409, 2. 
KoOwxi'Sai VI &. — 406f. 409 
Koar; VIII a. — 415. 
KoXXüxds II a. — 350. 364 f. 
KoXwvd; Cir.Kioi) II a.— 350 f. 323 f. 

326. 364 f. 
KoXtüvo's IV c. — 392. 323 f. 326. 376. 

388. 390. 
KoXtovo's X c— 425 f. 323 f. 326. 422. 

427. 
KovOuXt) nie — 370. 374 f. 
KoXooj VIII ^>. — 417. 419. 
KopuSaXXd« VIII a.— 415. 419. 
KpiüSa X c. — 425. 427. 



Kpa>7c{8ai IV c. — 383. 386. 390. 411. 
Kü8a9T[vaiov III a. — 366. 374 f. 377. 
Ku8avTt8ai II (6?). — 350. 360, 2. 

355. 364 f. 
K69t]po{ III 6.-369. 354. 373.1. 374. 
KüxaXa IX 6. — 420. 419. 
KupiiaSai V 6.-398. 393. 401. 

AaxiiSai Via. — 402. 409. 
AcL\kKxpaLi (xaOun. und GTcivep.) I b, — 

341. 327. 330. 332 f. 348 f. 
[A^xovX] — 426, 1. 
Aeüxovot) IV a. — 392. 387 f. 390 f. 

426, 1. 
Aeüxojiupa X. — 426, 1 . 
Aouaii Via— 406. 409. 

MapaOoSv IX 6. — 420 421. 
MfiXaivai Plolemais — 426, 1. 
McX^TT, VII a. — 410. 377. 414. 
Muppivoüc III 6.— 367. 327. 33 i. 374 f. 
MuppivoCfTTa II (c?).— 350. 3ü.i. 327. 
334. 359. 364 f. 

Sü7C6tt[ Vlla. — 410. 414. 

OXri Via. — 403-405. 408 f. 
OivoT) VIII 6. — 417. 324. 4 19. 
Oivdr; 1X6 —420. 324. 421. 
Olov (AexeXcixdv) IV c. — 379 f. 385. 

324. 390 f. 
Olov ( KcpaiJie.xo'v ) VIII a. — 379 f. 

415. 324. 
'Oipuvri II 6.-363. 359. 36 i f. 

riaiavia (xaSu;:. und ujclv.) III c. — 

370. 374 f. 
naiov/$ai IV c — 384. 386. 390. 
naXXrlvr; X c — 422 f. 425. 427. 
na{jL6ü3Ta8ai I 6. — 341. 348 f. 
rhipaisos VIII a. — 415. 419. 
IIevteXtI X r. — 424.423. 
rispYaarl (xaOu;;.und u;:^v.) I c— 343 f. 

345. 348 f. 
IIept0oi5at Via.— 402. 409. 
EeppiSai IX c. — 420. 



DIE TRITTYEN UND DEMEN ATTIKA8 



433 



ITeTaXia Ptolemais. 
DtIXtixc; IVc. — 38i. 386 390. 4M. 
n(0o{ VIIc — 413. 414. 
nXoSesia II c. — 353. 357. 364 f. 
nopo5 V (a?). — 396. 352. 
noTa[jLos (xaöüJT. und 6nlv.) IV a. — 

392. 380 f. 389. 390 f. 
noTa[jLioi (AEipaBiöiai) IV &. — 380- 

382. 333 f. 389. 390. 392. 
npaaiaHIU —367. 372. 374 f. 
npoSaXivOos III 6.-367 f. 334. 374. 
üpdcj^iaXia Vc — 399. 
DTfiXIa VI a. — 405. 409. 

TafjLvoü« IXft — 420. 421. 

SrifiaxiSai X c — 424. 358. 427. 
2xa|jL6ü>v{8ai IV a. — 376 f. 390 f. 396. 
2iouviov IV 6.-382. 390 f. 392. 
2T£ip(a III 6.-367. 372. 374 f. 
Sü6pt'8ai I c. — 344 f. 348 f. 
SüTcaXTiitds VII c. —411. 409. 
SycvSaXri VIII c — 416. 419. 
S9TlTTd« Vc — 399. 397. 401. 



Titax^Sai IX c. - 
Tpix(^pu8o5 IX 6. 
TpivejxEia VII c, 
TupfiEtSat VI a. 



-420. 

— 420.421. 

— 412 f. 414. 

— 407 f. 409, 



T6i8ai IV c — 392. 388. 390. 
'Trwpeia Ptolemais. 

OaXripov IX a. — 419f. 378. 421. 
^riya/a II b, — 362. 323 f. 326. 360. 

364 f. 
Oriya-'a III 6.-369. 323 f. 326. 374. 
Oriyoüsl c — 344. 345. 348 f. 
OiXafSai II 6. — 360. 364 f. 
^Xua VII c — 411. 414. 
^psappioi IV 6. — 383. 380. 390 f. 

392. 
^uXtI VI 6.-406. 409. 
^upvTjX (6?). — 422. 427. 

XoXapY^« Vö. — 393. 401. 
XoXXetÖai IV a. — 392. 388. 390 f. 

U^a?/? IX 6. — 420. 



TeiOpaaioi II (c?). — 355. 350. 364 f. "^Qa III c — 370. 374 f. 



'AoTunaXaia — 331 f. 

BpaupbSv — 334. 360. 

Biaxp-a- 420. 429. 
'Enaxpia, 'Enaxp^wv TpiTT. — 355-358. 
426. 

ZüxjtTip — 331. 342. 

'Hpi8av<J{ — 402. 



Kijipiad? — 345. 412. 413. 

KtoXii« — 378 f. 

TuapaXt'a — 328. 329 f. 429. 

riapVl^WV (?) TplTT. 355, 3. 

TccBiov, 7:c8i£t5 — 394. 429. 
Sü66po{ — 345 f. 



^Bi«^M- 



LEKYTHEN AUS ATHEN 



(Hierzu Tafel I) 



Die Vasen, deren Bilder aufTaf. 1. zusammengestellt sind, 
wurden im Herbst 189Ö hier in Athen nahe beim deutschen 
archäologischen Institut in einem Grabe des vierten Jahrhun- 
derts zusammen mit einer Anzahl nur ornamentirter Lekythen 
gefunden ^ Allerdings kann nur die eine der Darstellungen 
an sich Interesse beanspruchen, aber es schien mir richtig, 
auch die unbedeutenderen Stücke, eben der Fundumstände 
wegen, nicht von der Wiedergabe auszuschliessen ^. Gefunden 
wurden in dem Grab, welches aus Marraorplatten zusammen- 
gesetzt war, fast nur Lekythen der gewöhnlichen schlanken 
Form ; nur zwei zeigen die kugelige Form etwa wie Nr. ?40 
in Furtwängler's Übersicht^. Von diesen letzteren ist die er- 
ste sehr gering und plump gearbeitete noch nicht ganz 6 7^:'"* 
hoch; sie zeigt in flüchtiger rotfiguriger Malerei die unter 
Nr. 2 wiedergegebene Darstellung, sonst ist sie mit Ausnahme 
des oberen Randes ganz schwarz gefirnisst. Die zweite etwas 
feinere ist 10^"" hoch und bis auf drei ausgesparte Streifen auf 
der Schulter ganz schwarz gefirnisst. 

Unter den schlanken Lekythen ist an sich eigentlich nur 
die bemerkenswert, welche das unter Nr. 1 wiedergegebe- 
ne Bild trägt. Sie ist 23*'"' hoch, etwa von der Form 176 in 
Furtwängler's Tabelle ; Schulter und Hals sowie der unten 

< Vgl. Athen. Mittheilungen XV S. 347. Berliner Sitzungsberichte 189! 
II S. 819. 

2 Die Tafel ist an Stelle einer seit langer Zeit fertigen getreten, welche 
ursprünglich den vorliegenden Band eröflnen sollte, aus äusseren Gründen 
aber nun an anderer Stelle herausgegeben werden wird. 

3 Auch diese darf man wol Lekythen nennen, vgl. die inschriftlich be- 
zeichnete Lekythos des Dionysios Annali 1831 Taf. D, 2. Harvard sludies 
II S. 97 (Rolfe). 



LEKYTHEN AU8 ATHEN 435 

etwas eingezogene dicke Wulst des Fusses sind in ihrer Thon- 
farbe belassen, der Bauch ist mit hellem gelblichen Überzug 
versehen. Die Mündung ist bis auf den oberen Rand schwarz 
gefirnisst, ebenso die Aussenseite des Henkels. Auf der Schul- 
ter befindet sich die übliche Verzierung aus einer Reihe kür- 
zerer, einer Reihe längerer Stäbchen. Der unterste Teil des 
Bauches und die Oberseite des Fusses sind schwarz gefirnisst, 
crsterer mit ausgesparten roten Ringen belebt. Auf dem hellen 
Thongrund steht oben zunächst ein einfacher Mäander zwi- 
schen zwei Linien, darunter befindet sich eine dritte, alle mit 
gewöhnlichem, jetzt bräunlichem Firniss gemalt. Der Firniss 
des Bildes selbst ist ziemlich dünn und sieht jetzt gelblich 
aus. Von der menschlichen Gestalt ist nur wenig erhalten, die 
vorgeritzten Umrisse lassen sich aber noch teilweise erkennen 
und sind deshalb in der Abbildung wiedergegeben. Einiger- 
massen erhalten in seiner ursprünglichen Erscheinung ist ei- 
gentlich nur das Tier, dessen zottiges Fell durch die breiten 
Firnissstriche vortrefflich ausgedrückt wird; es ist ein zwei- 
hökeriges, also baktrisches Kamel ^ auf dessen breitem Sattel 
ein wol bärtiger Orientale nach F'rauenart sitzt. Seine Tracht 
ist die von dem Alexandermosaik, dem Sarkophag aus Sidon, 
der Perservase, auch aus persischen Denkmälern^ zur Genüge 
bekannte persische; da sie aber auf griechischen Denkmälern 
nicht auf die Perser beschränkt ist, sondern z. B. auch bei 
Phrygern und Thrakern erscheint^, so ist die Nationalität des 
Dargestellten nicht ohne Weiteres klar, wenn man nicht etwa 
das Kamel als Kennzeichen des Persers gelten lassen will ^. 
Links von dem fiist ganz zerstörten Kopf des Reiters, den eine 
persische Mütze bedeckt haben wird, steht eine Inschrift, de- 
ren erste Zeile, xa^o?, ohne Weiteres klar ist. Da die Nähe des 
Bildes nicht gestattet, der zweiten eine grössere Ausdehnung 



^ O. Keller, Thiere des clnssischen AUerlhurns S. 20 fl. 

2 Rawlinson, Five great monarcliies ^ III S. 172 IT. 

3 Dareraberg und Saglio, Dictionnaire des antiquiUs I, 1 S. 673 (Saglio). 
O. Jahn, Vasensammlung König Ludwigs S. CCIX. 

* Aristopbanes* Vögel 278 : eixa ndif £veu xafiijXou M^So( J^v aa^TCTsxo ; 



436 LBKTTHBN AUB ATHEN 

als etwa fünf Buchstaben zu geben, wird man xaXo; Mixcov zu 
lesen haben K 

Die Darstellung entspricht der Hauptfigur eines lange be- 
kannten Vasen bildes, welches Orientalen in einem orgiastischen 
Aufzuge darstellt und sich ursprünglich in der Sammlung 
Durand, später im Besitz des Herzogs von Hamilton befand^. 
Trotz der zahlreichen Besprechungen, die ihm zu Teil ge- 
worden sind \ ist eine bestimmte Erklärung bisher nicht 
gefunden. Panofka's Deutung auf die Kriegslist des Midas hat 
mit Recht keinen Anklang gefunden*, aber auch die Auffas- 
sung des Reiters als Dionysos, sei es im indischen Triumph ^, 
sei es als Besieger des Orients im Allgeii*einen scheitert an 
der Thatsache, dass er eben offenbar ein Barbar ist, so gut 
wie seine Umgebung. Deshalb kann er auch nicht als Gefan- 
gener gelten, wozu seine ganze Erscheinung möglichst wenig 
passt. Der festliche Aufzug aus einem orgiastischen orienta- 
lischen Kult ^ ist es auch kaum, da der Reiter doch offenbar 
die Hauptperson ist, und der ihm vorangetragene Wedel, sein 
kurzes mit goldenem Knopf versehenes Scepter und die auf- 
rechte mit einer goldenen Kugel gezierte spitze Tiara ihn zur 

* Vgl. W. Klein, Lieblingsinschriften S. 88. — Es sei hier gleich be- 
merkt, dass die Lesung MtSa; unmöglich ist, da die Reste an vierter Stelle 
nicht von einem A herrühren können und auch die an dritter nicht auf A 
fuhren. 

2 S. Birch, Hisiory of ancienl pottery 2 S. 437 f. 

3 Monumenti I Taf. 50, A. Annaii \S'S6 S. 98 (F. Lajard). Arch. Zeitung 
1844 Taf. 24 S. 395 (Panofka). Müller-Wieseler II Taf. 38,447. O. Müller, 
Handbuch § 384, 6. O. Jahn, Bemalle Vasen mit Ooldschrauck S. 9. Da- 
remberg und Saglio, Üiclionnaire des antiquitös I, i S. 599 ( P\ Lenormanl). 
I, 2 S. 857 (Sagliü). Compte-rendu 1863 S. 231, i. 1865 S. 58. 1875 S. 96, 4 
(Stephani). O. Keller, Thiere des classischen Allerthums S. 24. Zeitschrift 
der deutschen morgenländischen Gesellschaft XL S. 558 (E. Kuhnert). 

* Nur Welcker war geneigt, ihr zuzustimmen : Annali 1847 S. 301 = Alte 
Denkmäler III S. 360. Vgl. auch Jahn, Vasensammlung König Ludwigs 
S. CCVI, 1352. 

^ Vgl. dazu Graef, De ßacchi expediiione Indica monumcniis expressa 

s. iir. 

^ Bei Sabaziüs, an den Lajard dachte, dürfte die Schlange nicht felilou. 
Die Darstellung des Sabazios bei Conze, Reisen auf den Inseln des Ihraki- 
schen Meeres ö. ^9 Taf. 17,7 stimmt auch nicht. 



LEKYTHEN AUS ATHEN 437 

Genüge als Herrscher kennzeichnen. So scheint Jahn der 
Wahrheit am nächsten zu kommen, wenn er das Ganze als 
Aufzug eines orientalischen Königs, etwa des Sardanapallos 
fasst. Für das orgiastische Gebahren des Gefolges hat er schon 
mit Recht auf Monumenti IV Taf. 43 hingewiesen, um so 
mehr, als Welcker's Deutung dieses Bildes auf den Hofstaat 
der Antiope* nicht das Richtige trifft : es ist vielmehr auch 
hier ein orientalischer König durch Scepter und aufrechte 
Tiara zur Genüge charakterisirt^. An welchen Herrscher der 
Sage oder Geschichte in diesem Fall der Maler gedacht hat, ist 
wol ebensowenig zu sagen wie bei jenem orgiastischen Aufzuge. 

Auf der athenischen Lekythos kehrt die Hauptperson, der 
auf dem Kamel reitende König, fast genau so wieder wie in 
jenem Bild, nur schreitet das Reittier nach der entgegenge- 
setzten Seite und die Armhaltung des Reiters ist etwas verän- 
dert, auch scheint das kurze Scepter in seiner Hand zu feh- 
len. Die Bedeutung wird trotzdem dieselbe sein, und wir dür- 
fen uns also das Haupt mit der aufrechten, königlichen Tiara 
bedeckt ergänzen. 

Die gleichzeitig mit diesem Gefässe gefundenen Lekythen 
bieten inhaltlich kaum Interesse. Es wird deshalb eine kurze 
Aufzählung genügen. Nach Technik, Form und Dekoration 
entspricht zunächst der besprochenen völlig eine 21 72"° hohe 
Lekythos. Die Gestalt, mit schwarzem Firniss auf den gelb- 
lichen Grund gemalt, ist ziemlich gut erhalten. In der Abbil- 
dung Nr. 5 ist nur das zum Teil abgesprungene Haar nach 
sicheren Spuren ergänzt. 

Fast dieselbe Darstellung ist auf einer 16^°* hohen flüchti- 
gen rotfigurigen Lekythos wiederholt; s. Nr. 3. Form und 
Dekoration ist im Grossen und Ganzen wiederum dieselbe; 



< Annali 1847 S. 294 = Alle Denkmäler III S. 353. Vgl. Sacken und Ken- 
ner, Die Sammlungen des K. K. Münz- und Anliken-Cabineles S. 163, 69. 

2 Vgl. R. von Schneider in der Übersicht der kunsthistorischen Samm- 
lungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (1891) S. 65,683. Wie er mir freund- 
lichst mitteilt ist der Kopf der thronenden Figur, wie sich nach Entfernung 
der Übermalung zeigte, bärtig. 



438 LBKYTHEN AUS ATHEN 

der Wulst des Fusses ist unten ein wenig eingezogen. Die 
Oberseite des Fusses, der Bauch des Gefässes, die Aussenseite 
des Henkels und die Mündung mit Ausnahme des oberen Ran- 
des sind schwarz gefirnisst; auf der Schulter liegen wieder 
die beiden Streifen kürzerer und längerer Stäbchen. Oberhalb 
des Bildes zieht sich ein breiter roter Streifen hin, der an der 
Vorderseite mit einem einfachen Mäander gefüllt ist ; die Dar- 
stellung selbst steht auf einem roten um das ganze Gefäss 
herum laufenden ausgesparten Streifen. 

Eine weitere flüchtige rotfigurige Lekythos ist die, deren 
Darstellung unter Nr. 4 wiedergegeben ist. Sie hat eine Höhe 
von SS''" und entspricht in Form und Dekoration vollständig 
der soeben beschriebenen. Die äusserst nachlässig gemalte 
Jünglingsfigur ist bis auf das ausgesprungene Gesicht wol er- 
halten . 

Die übrigen Lekythen zeigen alle nur ornamentalen Schmuck, 
und zwar mit schwarzem Firniss auf den gelblich überzogenen 
Bauch des Gefässes aufgesetzt (vgl. Furtwängler, Vasensamm- 
lung I S. 433). Ich beschreibe sie möglichst kurz, wobei ich 
die verschiedenen Streifen in der Reihenfolge von unten nach 
oben nenne. 

1. Lekythos, 20^" hoch, Gitterwerk, schöne Paimettenran- 
ke, Gitterwerk, Mäander. 

2. Lekythos, 22'" hoch, Gitterwerk, Epheublätter und Dol- 
den von einer graden, wagerechten Linie (Ranke) ausgehend, 
Gitterwerk, Mäander. 

3. Lekythos, 22"° hoch, Gitterwerk, freiere Epheuranke, 
Gitterwerk, Mäander. 

4. Lekythos, 14 72'''" hoch, Epheuranke, Gitterwerk. 

5. 6. Zwei Lekythen 17 Y^'" hoch, doppelte Palmettenran- 
ke, Mäander. 

Ausserdem fanden sich noch Reste von mindestens sechs 
ähnlich dekorirten Lekythen. 

PAUL WOLTERS. 
-*>-l$«^r-<*- 



An» d«a Blittheilongai des K. Dratsoheii Areh. Inctitnts, AUmb 1899. XTlt. 



DIE AUSGRABUNGEN AN DER ENNEAKRUN08 

Nachdem die Grabungen, welche das deutsche archäologi- 
sche Institut im letzten Jahre in Athen zwischen Areopag und 
Pnyx veranstaltet hat (vgl. oben S. 90 und 281), durch die 
Auffindung der gesuchten Brunnenanlage zu einem vorläufi- 
gen Abschlüsse gelangt sind, veröffentliche ich hier eine 
kurze Mitteilung über die erzielten Resultate. Ein ausführ- 
licher Bericht wird nach Fertigstellung der notwendigen Pläne 
und Zeichnungen in einem der nächsten Hefte dieser Zeit- 
schrift erscheinen. 

Die alte Fahrstrasse, welche von der Agora westlich 
um den Aieopag herum zur Akropolis hinaufführte, ist jetzt 
in einer Länge von etwa 2.^0" festgestellt. Von ihr zweigen 
mehrere Fusswege ab, welche teils zum Volksversammlungs- 
platz auf der Pnyx, teils zum Haupteingangsthore der Akro- 
polis führten; sie waren wegen ihrer Steigungsverhältnisse 
für Wagen nicht benutzbar. 

Auf der westlichen Seite der Strasse, also zwischen ihr und 
dem Pnyxfelsen, sind ausser dem früher schon beschriebenen 
Heiligtume mit Terapelchen und Altar, mehrere griechi- 
sche Privathäuser entdeckt worden, von denen zwei nach 
den erhaltenen Inschriften mit Hypotheken belastet waren. 
Ihnen gegenüber zwischen der Strasse einerseits und dem Areo- 
pag und der Akropolis andrerseits scheinen keine Wohnhäu- 
ser gelegen zu haben, sondern nur heilige Bezirke, weil die 
dort aufgedeckten Mauern einen anderen Charakter haben als 
auf der entgegengesetzten Seite; es sind Umfassungs- und Stütz- 
mauern, aber keine Hauswände. In dem nördlichsten, an den 
Areopag anstossenden Bezirk, der im Altertume tiefer lag als 
die Strasse, vermute ich das Dionysion in den Sümpfen; 
einen mittleren dürfen wir nach den darin gemachten Funden 
als Asklepieion bezeichnen; der südlichste, am westlichen 
Fusse der Akropolis gelegene Bezirk, weicher von der anti- 



440 DIE AUSGRABUNGEN AN DER ENNBAKRUNOB 

ken Strasse auf drei Seiten im Bogen umfasst wird, kann 
kaum etwas anderes als das Eleusinion sein. 

Nur von dem Asklepieion ist ein grösseres Stück ausgegra- 
ben, wobei ausser der Umfassungsmauer und dem Eingangs- 
thor die Reste eines in einer kleinen Kapelle stehenden Mar- 
mortisches, mehrere Weihreliefs und eine grössere Anzahl 
von Fundamentsteinen für Stelen und andere Weihgeschenke 
zum Vorschein kamen. Die Reliefs sind Weihegaben der ver- 
schiedensten Form für erfolgte Heilung; eines von ihnen, auf 
welchem eine weibliche Brust dargestellt ist, trägt eineWeihin- 
schrift an Asklepios. Da die meisten der Fundamentsteine und 
auch der Unterteil des mit zwei Schlangen verzierten Mar- 
mortisches an ihrer ursprünglichen Stelle gefunden wurden, 
ist die Annahme, dass die Reliefs sämtlich von dem grossen 
neben dem Theater gelegenen Asklepieion hierher verschleppt 
worden seien, vollständig unzulässig. Neben der kleinen Ka- 
pelle ist eine Brunnenmündung zum Vorschein gekommen, 
welche vermutlich zu demjenigen Brunnen gehört, der den 
Mittelpunkt des Cultus bildete und das heilkräftige Wasser 
enthielt. Da der Bezirk älter zu sein scheint als die Einfüh- 
rung des Asklepioscultes in Athen, wird in ihm ursprünglich 
eine andere Heilgottheit verehrt worden sein. 

Gerade gegenüber dem Asklepieion und in der Axe der 
Propyläen der Akropolis ist am Fusse des Pnyxfelsens eine 
grosse Brunnenanlage zu Tage getreten, in welcher wir die 
Enneakrunos, den Stadtbrunnen Athens erkennen dürfen. 

Genau unterhalb des Volksversammlungsplatzes kamen, wie 
die Ausgrabungen gelehrt haben, mehrere natürliche Quellen 
aus dem Pnyxfelsen hervor. Um ihr Wasser zu vermehren 
und für den täglichen Gebrauch auszunützen, ist man den 
Wasseradern durch Stollen bis tief in den Felsen nachgegan- 
gen und hat mehrere Felskammern hergestellt und als Was- 
serbehälter eingerichtet. Sieben solcher Felscanäle und sechs 
Wasserbehälter von verschiedener Form sind bis jetzt aufge- 
funden worden. Heute liefern diese Stollen zwar kein Wasser 
mehr; dass solches aber im Altertume vorhanden war, be- 



DI6 AUSGRABUNGEN AN DER ENNEAKRUNOS 441 

weisen die Wasserrinnen aus Thon, welche noch jetzt in und 
vor einigen von ihnen liegen. Die brunnenartigen Behälter 
enthalten dagegen noch jetzt einiges Wasser. Bei dem heuti- 
gen Zustande der Oberfläche des Pnyx-und Museionhügels 
darf man auch keine reichen Quellen mehr an ihrem Fusse 
erwarten, da das Regen wasser nach allen Seiten bequem ab- 
fliesst und daher nicht in den Boden eindringt. 

Dass auch im Altertume das Wasser der Pnyxquellen zu- 
weilen knapp gewesen ist, zeigen einerseits die mühevollen 
Felsarbeiten und andrerseits mehrere Tiefbrunnen, welche auf 
dem Platze vor der F'elswand, wo wir uns das älteste Brun- 
nenhaus zu denken haben, zum Vorschein gekommen sind 
und zum Teil noch jetzt Wasser liefern. Selbst wenn die Quel- 
len im Hochsommer fast ganz versiegt waren, konnte diesen 
Brunnen noch Wasser entnommen werden. 

Die wahrscheinlich oft wiederkehrende Wassernot musste 
sich steigern, je mehr die Stadt anwuchs. Mit neuen Stollen 
und Bassins Hess sich nun nichts mehr ausrichten. Eine gründ- 
liche Abhülfe war nötig. Sie ist Peisistratos zu verdanken, der 
im 6. Jahrhundert vermittelst einer grossartigen Felsleitung 
reichliches Wasser aus dem oberen llissosthale an den alten 
Brunnenplatz leitete. Dieser Aquaeduct, welcher tief unter dem 
Hofgarten und unter dem Südabhang der Akropolis hindurch- 
führt, ist schon im vorigen Jahrgange dieser Mittheilungen 
(S. 444) beschrieben worden. Sein nördliches Ende, das als 
Ausgangspunkt für unsere Ausgrabungen diente, hat sich als 
eine aus römischer Zeit stammende Verlängerung der griechi- 
schen Leitung herausgestellt. Das wirkliche Ende der Leitung 
bestand in einem mächtigen Wasserbehälter, welcher unmit- 
telbar oberhalb des alten Brunnenplatzes angelegt war. Seine 
ursprüngliche Grösse lässt sich nicht mehr genau feststellen, 
in späterer Zeit nach einem Umbau umfasste er eine Fläche 
von etwa 250 'i", war also ebenso gross als das Bassin der statt- 
lichen hadrianischen Wasserleitung am Fusse des Lykabettos. 

Die Stelle, wo die Leitung aus dem Akropolisfelsen heraus- 
tritt, ist noch nicht bestimmt: es wird das eine der Aufgaben 



442 DIE AUSGRABUNGEN AN DER ENNSAKKUNOS 

für die beabsichtigte Fortsetzung der Grabungen sein. Das 
zwischen der Akropolis und dem grossen Bassin aufgefundene 
Stück der Leitung besteht aus grossen Porosquadern, die ei- 
nen begehbaren unter dem Erdboden liegenden Canal bilde- 
ten. Von dem letzteren gehen zwei alte Thonrohrleitungen aus, 
welche für die Datirung der ganzen Anlage von besonderem 
Werte sind. Die eine, welche einen inneren Durchmesser von 
0,19 — 0,22"* hat, leitete das Wasser unterirdisch zum grossen 
Bassin; die andere, nur 0,12 — 0,14 starke, deren Ende noch 
nicht aufgedeckt ist, scheint Wasser zum Asklepieion gebracht 
zu haben. Die einzelnen Rohrstücke sind 0,60 bis 0,61 lang 
(ohne den Ansatz zum Ineinandergreifen) und bestehen aus 
einem feingeschlemmten gelblichen Thon. Im Inneren sind sie 
mit rotem Firniss überzogen, im Ausseren haben sie keinen 
Überzug, sondern nur an beiden Enden und in der Mitte je 
zwei Streifen von demselben Firniss. Durch einen Bleiverguss 
mit einander verbunden, bildeten die Rohre eine sehr dichte 
Leitung, deren Reinigung dadurch ermöglicht war, dass jedes 
Rohr eine mit einem besonderen Deckelchen geschlossene el- 
liptische Öffnung besass. Diese Rohre stimmen in auffallen- 
der Weise überein mit den Thonrohren der berühmten Was- 
serleitung, welche Polykrates von Samos im 6. Jahrhundert 
durch Eupalinos von Megara herstellen liess. Soweit man nach 
der von E. Fabricius (Athen. Mittheilungen IX S. 175) gege- 
benen Beschreibung und Abbildung urteilen kann, scheinen 
die Rohre fast identisch zu sein. Eine unmittelbare Vergleich- 
ung hoffe ich bald vornehmen zu können. Schon jetzt braucht 
man kein Bedenken zu tragen, die Thonrohrleitungen (und 
damit auch die ganze Anlage) wegen ihres Firnisses, wegen 
der Art des Ineinandergreifens der einzelnen Rohre und we- 
gen der Dichtung mit Blei für ein altgriechisches Erzeugniss 
zu halten. 

Um das alte Brunnenhaus aufzufinden, haben wir den Raum 
zwischen dem Bassin und der alten Strasse freigelegt. Das 
Brunnenhaus selbst ist dabei nicht zu Tage gekommen, wol 
aber mehrere Steine, welche nachweisbar dem Brunnenhause 



DIB AUSGRABUNGEN AN DER ENNEAKRUNOS 443 

des Peisistratos angehört haben. Wie die Terrain Verhältnisse 
lehren, muss dieses selbst nördlich von dem grossen Bassin 
unmittelbar am Pnyx-Felsen, also an derselben Stelle ange- 
setzt werden, wo auch das älteste Brunnenhaus mit den na- 
türlichen Quellen lag. Da der Platz gerade unter der heutigen 
mit Bäumen bepflanzten Fahrstrasse liegt, konnten nur klei- 
nere Nachgrabungen vorgenommen werden, die noch kein 
sicheres Resultat ergeben haben. Es wird später neben der 
heutigen Strasse gegraben und der ganze Platz bis zum anti- 
ken Fahrwege freigelegt werden müssen. Viel von dem alten 
Brunnen hause erhalten zu finden, dürfen wir allerdings nicht 
erwarten, nachdem durch die in ein römisches Haus verbau- 
ten Steine des Brunnenhauses festgestellt ist, dass mindestens 
ein Teil der Anlage in späterer Zeit zerstört worden ist. Aber 
wir dürfen auf weitere bestätigende Funde hoffen, die bei der 
Wichtigkeit der Frage, um deren Entscheidung es sich hier 
handelt, Jedem erwünscht sein werden. 

Die Steine des Brunnenhauses sind teils grosse Porosqua- 
dern, von denen eine Wasserrinnen mit zwei Mündungen ent- 
hält und mit Kalksinter überzogen ist, wie er sich in den athe- 
nischen Wasserleitungen noch heute bildet, teils aus Quadern 
eines am Fusse des Hymettos bei dem Dorfe Rarä gewonne- 
nen Kalksteines, welcher zu den Stylobaten und den unteren 
Teilen der Bauten des 6. Jahrhunderts regelmässig benutzt 
ist. Eine der letzteren Quadern scheint zu dem Fussboden der 
Brunnenhalle gehört zu haben, während die andere wegen 
ihrer Gestalt und ihrer Auswaschungen vermutlich zu dem als 
Wasserrinne dienenden Aufbau gehört hat, der sich auf anti- 
ken Abbildungen des Brunnenhauses unterhalb der Mündun- 
gen befindet. An diesem Steine kommt überdies gerade dieje- 
nige Klammerform (h) vor, welche bei den ältesten atheni- 
schen Bauten beobachtet ist. 

Noch ein weiterer Fund passte sehr gut zu dieser Zeitbe- 
stimmung der grossen Wasserleitung. Zwischen den Bassina 
im Pnyxfelsen und der antiken Strasse wurden zwei Schacht- 
brunnen gefunden, welche spätestens im 6. Jahrhundert vor 



444 DIE AUSGRABUNGEN AN DER ENNEAKRUNOS 

Chr. zugeschüttet worden sind. Sie waren bis obenan mit 
Schutt gefüllt, der Hunderte von Vasenscherben enthielt, und 
zwar lediglich Topfware des geometrischen und anderer ver- 
wandten Stile. Schwarzfigurige, rotfigurige oder andere Scher- 
ben jüngerer Zeit kamen nicht vor. Ist demnach die Zuschüt- 
tung spätestens im 6. Jahrhundert erfolgt, so darf sie in Ver- 
bindung gebracht werden mit der Veränderung der Wasser- 
verhältnisse , welche durch die Anlage der peisistratischen 
Wasserleitung hervorgerufen wurde. Nachdem gutes und reich- 
liches Trinkwasser vom Hymettos oder Pentelikon zur Agora 
geleitet war, konnten die alten unbequemen Tiefbrunnen zu- 
geschüttet werden. 

Vereinigen sich so Funde der verschiedensten Art zu dem 
wichtigen Resultat, dass es in ältester Zeit an dem Fahrwege 
zwischen Agora und Akropolis und zwar am Fusse der Pnyx 
einen aus mehreren Quellen und Tiefbrunnen bestehenden 
Stadtbrunnen gab und dass dieser im 6. Jahrhundert durch 
Anlage einer grossen aus dem oberen Ilissosthale kommen- 
den Wasserleitung vergrössert und wegen seiner Wasserfülle 
zu einer Sehenswürdigkeit Athens wurde, so müssen wir auf 
Grund der Nachrichten der alten Schriftsteller in dieser Brun- 
nenanlage die berühmte Enneakrunos erkennen. 

Es ist hier nicht der Ort, auf diese litterarischen Nachrich- 
ten einzugehen; in einem der nächsten Hefte der Mittheilun- 
gen soll das geschehen. Es mag hier nur für diejenigen, wel- 
che ein besonderes Interesse für die Frage haben, angedeutet 
werden, dass Thukydides meines Erachtens nur deshalb als 
Zeuge für die Lage der Enneakrunos am Ilissos aufgerufen 
werden konnte, weil seine Angabe (II, 15) unrichtig aufge- 
fasst worden ist. Mit toCto t6 (>L£po<; tt.c 7:6>6(o^ bezeichnet er 
nicht den am südlichen Fuss der Akropolis gelegenen Teil der 
Altstadt, sondern denjenigen Teil der Stadt seiner Zeit, wel- 
cher die älteste Stadt war und auch damals amtlich ttöX'.; ge- 
nannt wurde, also die ganze, aus der oberen Akropolis und 
einem Stück an ihrem südlichen (und südwestlichen) Fusse 
bestehende Altstadt. Nach dieser Altstadt hin, d. h. vor ihrem 



Jblfi AUSGRABUNGEN AN bEti ENNEAKRUNÖS 445 

dem Areopag gegenüber gelegenen Thore, lagen nicht nur die 
\on Thukydides besonders genannten alten Heiligtümer, son- 
dern auch der früher Kalirroe, später Enneakrunos genannte 
Stadtbrunnen. 

Von Einzelfunden müssen noch einige alte Gräber erwähnt 
werden, welche gegenüber dem Stadtbrunnen am west- 
lichen Abhänge der Akropolis entdeckt worden sind. Ein 
kleines in den Felsen gehauenes Grab enthielt ausser den Ge- 
beinen zwei Vasen mit mykenischen Verzierungen, während 
zwei andere grössere Felsgräber viele Holzasche, einige ver- 
brannte Knochen und einzelne Vasenscherben etwa des 6. 
Jahrhunderts enthielten. Diese letzteren sind also Brandgrä- 
ber, wie sie auch in anderen Teilen Attikas schon gefunden 
sind. 

Bei der in Aussicht genommenen Fortsetzung der Ausgra« 
bungen kann leicht die Probe auf die Richtigkeit der Benen- 
nung unserer Brunnenanlage als Enneakrunos gemacht wer- 
den. Oberhalb der Enneakrunos sah Pausanias das Eleusinion 
und nach dem Markte zu, also unterhalb, ein Odeion genann- 
tes Theater. Beide Anlagen müssen sich auffinden lassen. Das 
Eleusinion muss am westlichen Abhänge der Akropolis, süd- 
lich von dem entdeckten kleinen Asklepieion und an der Stelle 
gelegen haben, wo die drei Gräber gefunden sind. Das Odeion 
dagegen muss an der Westseite des Areopags liegen. Seine Auf- 
suchung ist ohne Weiteres möglich und muss bald zum Ziele 
führen, da die Auffindung einer runden Mauer oder Stufe ge* 
nügt, um den Bau als Theater zu erkennen. 

Je weniger die Lage des aufgefundenen Brunnens zu dem 
Bilde passt, welches sich die meisten Fachgenossen von dem 
alten Athen gemacht haben, um so mehr ist es Pflicht, die 
Ausgrabungen fortzusetzen. Sichere Resultate werden nicht 
ausbleiben. 

WILHELM DÖRPFELD. 



ATÜBN. MITTHEILUNOEN IVU, 30 



NACHTRÄGE 

1. Zum Akra tos. Es ist oben S. 267 dargelegt worden« 
weshalb das sogenannte Akratos-Gesicht am Pulytion-Hause 
vielmehr ein Überrest von dem alten aröXo^ des in jenem Be- 
zirk verehrten Dionysos 6p96; gewesen zu sein scheine. Ich 
hätte hinzufügen können, dass aus der Natur des Gottes ent- 
wickelte Wesen wie Akratos, Staphylos, Akratopotes erst ver- 
hältnissmässig spät auftreten können und jedenfalls nicht un- 
ter der archaischen Cultform einer Maske. Vor allem hätte 
der alte Dionysos axpaT096po? von Phigalia nicht vergessen 
werden sollen, dessen Bild uns zum Beweise, dass es sich nicht 
etwa um eine Gruppe sondern wirklich nur um den * wein- 
tragenden', fruchttreibenden Naturgott handelt in folgender 
Weise beschrieben wird : xi xocto) Xe oux 6<jTt (tuvotttä tou iy&X- 

|x.ocTO( UTCO ^afVY)( T£ f üXX(i>v xxi xiaad^v* OTTÖaov hi ocutoü x%6opav 
ianv, 87caXY)Xi7CTat . . . xtvv«6api sx^scjatusiv, Paus. VIII 39,4(6). 

Es sah also, ähnlich wie bei der alten Herme auf der Akro- 
polis (Paus. 1, 27, 1) nur der Kopf heraus, ja eigentlich nur 
das rot angestrichene Gesicht*. 

Ich werde noch auf eine neuerdings im Philologus L S. 499 
erschienene kleine Abhandlung aufmerksam gemacht : * über 
Göttermasken' vonW. Nestle. Dieselbe bringt nützliches Material 
bei für den Gebrauch von Votivmasken in Tempeln, sowie für 
die Bemalung des Gesichts an altertümlichen Götterbildern. 
Nur grade zu dem Punkte ist sie nicht durchgedrungen, von 
welchem ich ausging: dem uralten Gebrauche der Götter- 
maske als Cultgegenstand für sich allein; daher auch die 



^ Unter den archaischen Terrakotten der Akropolis ist ein kleines, hoch- 
rot bemalles Dionysos-Gesicht bemerkenswert, aus viel späteren Zeiten ein 
kleiner Altar in Athen 6?. /. i4 . III, 1,139 mit Weihung an Dionysos und 
unbärtiger epheubekränzter Maske, dort alb Meduse bezeichnet. 



NACHTRAE6E 447 

meisten der oben und Jahrbuch Vll S. ?00flf. angeführten 
Belege dort fehlen. Andrerseits ist es eine selbstverständliche 
Vorsicht, dass man nicht jedes halbarchaische Göttergesicht — 
es handelt sich immer um Dionysos und verschiedene weib- 
liche Gottheiten — für eine Cultmaske in Anspruch nehme. 

Übrigens ersehe ich aus dem angeführten Aufsatz, dass 
schon Schweighäuser — was ich nur anzudeuten wagte — den 
Akratos mit dem für Peisistratos gehaltenen Dionysos-Gesicht 
Athen. XII S. 533 c zu identificiren suchte. 

2. Die Überschrift *Zu Myron's Perseus' im vorigen 
Jahrgang S. 246 ist nicht die ursprünglich von mir gewählte; 
sie sollte vielmehr lauten : * Zu Myron's Perseus et pristae\ 
Denn wie allbekannt hatte der Künstler auch einen Perseus 
mit der Meduse gemacht, den Pausanias auf der Burg von 
Athen sah. Um also keinen Zweifel an meiner Meinung zu 
lassen, bemerke ich, dass ich in der Annahme zw^eier ver- 
schiedenen Werke keine Schwierigkeit finde. Des Plinius Re- 
gister machen keinen Anspruch auf Vollständigkeit und zu- 
dem stellte sich hier eine Verwechselung um so leichter ein, 
wenn das erstere Werk, welches wir heut eine Danae-Gruppe 
nennen würden, vielmehr wie auf der Vase nach dem Kinde 
bezeichnet war. 

Athen im Jan. 1893. 

M. MAYER. 



■--C'HSeS^^o-i- 



LITTERATUR 

N. r. ZhsIOS, 23u[X(i.i)C7X ( nsXoTTOVvYiaou tTCtypa^xl j^pterrtavt- 
xöv j^povwv. XpudößouXXa MuarpÄ. ''Epcuvai Tccpl ty)^ woXiopxta^ 
xai aX(i>9£(i)c tyj^ 'AxpoTco^so)^ Otto twv Bevstöv. Ka7uvi3capea-Ka- 
(jLouxapea) Athen 1892. Abdruck aus der 'AOnvä. 

I. KO*INIÜTHS, 'laTOpioc toO "Apyou^ (xst' «ixovcov. Heft 9-12. 

Athen 1892. 93. 

I. ÜANTAZIAHS, riept Td^v 6v 'A6Y)vai^ woXiTixöv iraipiöv Athen 

1892. 

I. SakkeaiüN, KaTÄXoyo^ töv j^etpoypicpwv tyS? 'E6vix7)< ßi- 
ßXtoerjxT); vfid 'EUaSoi;. Athen 1892. 

0. So*OTAH2, Tot 6v 'AxpoTcoXet iya^^pLaTa xopü>v ap^%lx-yi^ 
Tcxvr,<;. Athen 1892. 

T. ^lAHMüN , '0 Sri(i.ap3^o; xara ttv 'E>.Xt)vix'})v vo(xo66<Jtav 

Athen 1893 [Modernes Recht, in der Einleitung sind die 
Verhältnisse des Altertums und Mittelalters berücksichtigt]. 

A0HNA, Suyypa[i.(xa TrspioSixov ttj^ {v 'AOiQvaig eTutcrmpLOvtxyic 
eTatpeia(; IV, 3. 4. Darin u. a. S. 476. Stc Bscotq;, 'Ewiypa- 
^ixY) (n)(i.6ia)Gi; [zu C. I. L. I 290]. — S. 623. F. A. FlaTraSa- 
ctXeiou, *E7rtypacpai ex XaXxtSo;. — V, 1 . Darin u. a. S. 1 . F. Zo- 
XwTa^, 'E7uiypa<pai Xtou ivexSoTOi. 

Aeation APXAioAorjKON 1892 Juni-August. 

AeatION TTJ; iffToptxyi; xai d9vo\oyt)CYi; eraipta; ttj; *EXXaSo^ 
IV, 1. Darin u. a. S. 51. T. A. NepooTao;, XptGTiavtxal 'AOrivai. 

EiTiA 1892 Nr. 41-52. Darin u. a. S. 271. Fund einiger 
Grabmäler im Piräus (Jüngling in Chiton und Mantel, bis 
zur Brust erhalten ; stehende Frau mit Kind ; Säule mit der 
Inschrift EGxXeia ZcoTuupou ©eaTa^ovixeox; OuyÄTiop ; Oberteil einer 
grossen Grabstele mit dem Kopf einer Frau und der Inschrift 
ZwditjLY) Z(i)Y)Xo'j "OtqOsv <I>iX(i)vo;''OY)06v yovr)). — S. 287. Funde 
in Zante (Marmorner Frauenkopf, Gesicht eines Kindes u. a.) 
die in der dortigen Bibliothek niedergelegt wurden. — S.318. 



FUKDB 449 

330. 381 . 408. F. S<i>TY)pi4ÄY)?,A{ T^api ty)v Ilvuxa iva^rxa^oci.-— S. 
351. Fund einiger Grabmäler bei Athen (BaTpaxovYidt) (Relief 
mit stehender Frau und der Inschrift Nixtq IIoXuxpiTou MtXiQai« 
rva(ou 'Oxxatou yuvy); Grabsäule eines Q. Crassus mit latei- 
nischer Inschrift)*. — S.367. Fund eines Grabes mit verschie- 
denen Gefässen und einer Terrakotte (Kopf eines Äthiopen) in 
Psara. — S. 398. AI jcopai tu; 'AxpoTuoXso); [Besprechung der 
Schrift Ton Sophulis über denselben Gegenstand]. 

nAPNA£SO£, nspioSocov auYypa(i.(i.a tou ev 'A6r)vxi; opiovupLOu 
duXXoyou. XV, 1-4, Darin u. a. S. 17. 81. A. BixeXa<;, *H ßu* 
J^avTivY) ^iXoXoyia. — S. 161. A. N. Sxia;, Ilepi ttI; <r)ri^u.aaia; ttS; 
ap^aiocc eXXY)vixYi; yXdxicTi; cI); opydcvou xocOoXixy); TcaiSeuaeü)?. — 
N. r. noXiTY);, riaXaioypafix'y) axaj^uoXoyia «x twv (jiaytxwv ßi- 
SXi(t>v. — S. 231.$. AY)[i.Y)TpixST);, Ilö; av6x«Xu^67i T) 'A^poSina 
T>5c MtqXou. — S. 180. H. A. TaiTaeXT)?, "EOiixa dv KsfocX^Yivicjc. — 
S. 297. A. XpY)aTi$Y)(, Ai Tvepi iocTpä>v xai iocTpiXYi; So^ocaiai roü 
'iTTTTOxpocTOu;. — S. 302. A. K. BapSouvt(i>Tio(, NicoTaTai avaaxa- 
fai jv MvxiQvai<. 



FUNDE 



1. Athen. Vom deutschen archäologischen Institute sind 
in der Zeit vom November 1892 bis zum Februar 1893 die 
Ausgrabungen zwischen Areopag und Pnyx fortgesetzt wor- 
den und haben zur Auffindung der Enneakrunos geführt. 
Ein kurzer Bericht über die Ergebnisse dieser Arbeit ist oben 
S. 439 gegeben. 

Ein Stück der alten Stadtmauer ist zufällig bei einem 
Hausbau an der Ecke der Sophokles -und Aristides - Strasse 



* Die iQscbriflea, die bereits ins Nationalmuseum gebracht sind, lauten 
richtiger: NCxi) IIoXuxp^Tou MiXijatajrva^ou 'OxxaCou 'AXe^avSpou | fuv7|. — Quin^ 
tio Krassi\Frugi sumptuarius\Koiyxlti}v Kpiavou | «^pouyi 9ou(A;rcou | apto( ; diese 
letztere, ebenso wie eine dritte zugleich gefundene ( 'E7ciTux,Ca | Ko^vtou | Ou- 
Y^TT^p I Ai)(Ai)Tp(ou I At^(üv^u>( I Yuvi{) steht auf einer d^r ^ewQhQlicbea runden 
Grabsaulen, 



450 FUKi>ft 

aufgedeckt worden. Es gehört zu dem schon durch andere 
Funde festgestellten Zuge der Stadtmauer östlich vom alten 
acharnischen Thore und ist von NW nach SO gerichtet. Das 
Material, aus welchem die Mauer besteht, sind grosse Qua- 
dern aus Kieselconglomerat (Breecia), woraus man scbliessen 
darf; dass wir es nicht mit einem Stück der alten, aus Kalk-*- 
^inen und Lehmziegeln hergestellten themistokleischen Mauer, 
sondern mit einem Neubau aus dem 4. Jahrhundert v.Chr. oder 
aus noch jüngerer Zeit zu thun haben. Bemerkenswert ist die 
grosse Stärke der Mauer, welche im Fundament 5° etwas 
übersteigt und daher oben wahrscheinlich 4,90" oder 10 Ellen 
betrug. Vor der Mauer wurde in einem Abstände von etwa 
7" eine zweite dünne Mauer aus demselben Materiale besteh- 
end aufgefunden, welche man vermutlich für die Stützmauer 
eines vor der Stadtmauer liegenden Grabens oder Baches hal- 
ten darf. Photographien des aufgedeckten Stückes der Stadt- 
mauer sind vom athenischen Institute zu beziehen. 

Noch an einer dritten Stelle sind in Athen bemerkenswerte 
Baureste zu Tage getreten, nämlich südlich von der Akropolis 
neben der Seidenfabrik der Frau Karastamatis. Es ist dies das- 
selbe Grundstück,auf welchem die Grabinschriften und Stadt- 
mauer-Reste gefunden wurden, über welche E. Pernice oben 
S. 271 berichtet hat. Es sind dort jetzt eine ganze Reihe von 
marmornen Säulentrommeln zum Vorschein gekommen, wel- 
che zur Verstärkung der alten Stadtmauer hier verbaut zu sein 
scheinen. Die Trommeln bestehen aus pentelischem Marmor 
und gleichen in ihrer Form und ihren Abmessungen den äus- 
seren dorischen Säulen der Attalos-Stoa. Wenn man nun be- 
denkt, dass das Grundstück, auf welchem sie gefunden sind, 
sich gerade unterhalb der Eumenes-Stoa und in geringer Ent- 
fernung von ihr befindet, so liegt die Vermutung nahe, dass 
die Säulen zu diesem Gebäude gehören, von dem bisher noch 
keine Bauglieder vorhanden waren. Es war für diejenigen, 
welche im Mittelalter oder in spätrömischer Zeit die südliche 
Stadtmauer ausbessern oder verstärken wollten, sehr bequem, 
die Säulentrommeln der nahe gelegenen Stoa des Eumenes 



SITZUN(}SPROTOK.OLLfi 45l 

dazu zu verwenden. Die Trommeln brauchten nur umgewor- 
fen zu werden, um fast von selbst den Berg hinab bis zur 
Baustelle zu rollen. Die griechische Regierung beabsichtigt, 
die Säulen wieder zur Eumenes-Stoa schaffen zu lassen. 

2. Eleusis. Bei der Fortsetzung der Ausgrabungen in 
Eleusis hat Herr Philios noch weitere Stücke der alten Burg- 
mauer aufgefunden, so dass ihr Zug jetzt im Allgemeinen 
festgestellt ist. Wichtiger noch ist die Auffindung eines alten 
Brunnens neben den grossen Propyläen, in welchem der Ent- 
decker, wol mit Recht, das berühmte xaXt^opov cppeap (Paus. 
1, 38, 6) gefunden zu haben glaubt. [W. D.] 



SITZUNGSPROTOKOLLE 

7. Dez. 1892. Festsitzung zur Feier von Winckelmann's 
Geburtstag. W. Doerpfeld, Über einige Fragen der ältesten 
Stadtgeschichte Athens. — P. Wolters, Über die bronzene 
Statue des leierspielenden ApoUon aus Pompei. 

21. Dez. 1892. W. Doerpfeld berichtet über die Auffin- 
dung der Enneakrunos. — M. Mayer, Giebelskulpturen in 
Eleusis. — P. Wolters, Zum Heiligtum des Zeus Milichios 
{Bull de corr. hell 1892 S. 411). 



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Marz 1893« 



Athen.' Dnick von QEBRUEDER PERRIS.— UniYenilMU-SlnM«, 51 



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AELTERER UND JUE^ 



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MITTHEILUNGEN 

DES KAISERLICH DEUTSCHEN 



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ATHENISCHE ABTHEILUNG 



ByiND XVU 

VlRRTBS HbET 
MIT TAPKL I. SU. 




ATHEN 

S?&RLAa VOM &\Rl, WlLnE^KQ 

1898 



VERÖPPENTUCIIUNGEN 

KAlSKrtLlCIl ÜEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN 
INSTITUTS 



II lu BBULIN ersehcin^n im VerkK von 'l-'-in.- Rrim 

ANTIKE DKNKM.lLEll. KwIibtiu iji Ilisfluu vuii etwa 12 TaTfilo In 

Polio. Prui« iltw IMti« \0 Mni'k. 
JAHHtinoiI iln* Kitt«>rlit!li Ui^l«<!liflu a roll anlxgl »che a laMiluts. JSlir- 

linh ein »i>ml ta I Ilerti'ii. [VüI» ilei lim\ia^ 16 Mark, 
ECilKMUIUa EPIURAI'HIOA. «Jila iussu lusliUitl arntmnuluiiici Ro- 

mnni. Rrschcinl Id Bamlon /n 4 Ilufloo. ProU rfiis &iDdca 8 Mark. 

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I p^Auny. AtliBQ 187S (Aiikiuj; aus <1un Mi Uli ml nagen 11). Mit Tkfoln. 

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n lUT Bontim. Atbon 1879 (Ausug aus 
Tar.:tn. 4 Mark. 
:a, Jnlirosbc riebt der arcli. Oeselhcliafl tn Alben, 
r diu Jobrc 1^73— 18S0 je M. U35 
>. 1891 — 188» je M. 3.— 
liliLRQnnBrBA, Die Museen Atlien« (Kalalug) ß&rl. H. t.60. 

) MnsocB Athen« in [jichlilniokcn v. 0«hr. RhoinntilT«, 4c,jcSTareln m. 
[ Teil. Hod I und t ontfa <)ie Fund« auf der Akropulj«, ja M. 6, 
^Mltel/n d« rorreipmidanet fulUni'iu« I-XVl je M. SO nctlo- 
kcJkTtov d^x'^to^Y'^^ I berausi^^obcD vqd dct ariuutii^nbsD Bpiiarie) 
' jeder Jafarg.in^ M. 6. 

jE4rnitEp^ ^j^ioJ^V^KH { beraiUKageboti voa d^r artih,iiiIo|;i.iebeu Ocsell- 
I «hüfti )H8.1-189ijeaorJ(ilirgangM. 20. 

tbui'liM ifiUttnii 1683-1887. Mit einem neußti I'lniin von I?lt)uiiU. U. I. 



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KATAAOroS nBPiri'A«IKOS 
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