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MITTEILUNGEN
DES KAIS I{ K LI C H HEUTSCI I K N
ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS
ATHENISCHE ABTEH.UNG
BAND XXX
1 905
Mir IS TAFELN UNÜ 5 BEILAGEN.
ATHEN
BECK UND BARTH
1905
5^. ^
A t h e n — Buchdruckerei .Hestia» C. MEISSNER & N. KARGADURIS. — Ö041.
C i
INHALT
Seite
L. CuRTius, Relieffras^iiieiit in Theben (Taf. XIII) . . 375
W. DÖRPFELD, Kretische, mykenische iiiul homerische
Paläste (Taf. X) 257
C. Fredrich, Demetrias (Taf. IX) 221
» Zwei Inschriften aus Bith\nien .... 412
Fr. Gräber, Die Enneakrunos (Taf. I — III) 1
E. Herkenrath, Eine Statuengruppe der Antoninen-
zeit 245
R. Herzog, Ein Brief des Königs Ziaelas von Bithy-
nien an die Koer (Taf. VII) 173
F. V. Hiller, Inschriften von Alitylene, s. Wil.\mowitz 141
G. Kawerau, Bericht über den Wiederaufbau zweier
Säulen des Heraions von Olympia
(Taf. V. VI) 157
» Die Pandemos-Weiliung auf der Akro-
polis, s. Weilbach 298
W. Kolbe, Die attischen Archonten von 293/2 — 271/0 73
E. Nachmanson, Zum kononischen ]\Iauerbau (T. XIV) 391
E. Pfuhl, Zur Geschichte des Kurvenbaus 331
A. (I>IAI0E, T6 er 'E^.ei'Gn'i Aa^pareLÖiov ävuykvipov ... 1 83
A. RuTGERSVAN DER LoEFF, Grabinschriften aus Rhodos 1 47
H. SCHRADER, Der Cellafries des alten Athenatempels
(Taf. XL XII) 305
B. Schröder, Nachtrag zu Athen. Mitteil. 1904 vS. 21ff. 408
G. SoTiRiADis, Untersuchungen in Boiotien und Phokis 1 1 3
Fr. Studniczka, Des Arkaders Phauleas Weihgeschenk
an Pan (Taf. IV) ö5
G. Weicker, Timonidas (Taf. VIII) 199
» Hähne auf Grabstelen 207
F. Weilbach u. G. Kawerau, Die Pandemos-Weihung
auf der Akropolis 298
Th. Wiegand, Inschriften aus Kleinasien ...... 323
l\' INHALT
Seite
U. V. WiLAMOWITZ - MÖLLENDORFF und F. HiLLER
V. GÄRTRINGEX, Inschriften von ]\Iitylene .... 141
A. Wilhelm, Siegerlisten aus Athen 213
> '0 Ilcn-Kovios 219
P. Wolters, vSandalokratie (Taf. XV) 399
E. ZiEBARTH, XoO; 14.=>
Funde 151.414
Ernennungen -. . . 416
Sitzuno-s- Protokolle 155.416
TAFEL N.
Seite
I. Die Ausgrabungen bei der Enneakrunos .... 1
II. Die Enneakrunos, Rekonstruktionsversuch . . 1
III. Wasserleitung der Enneakrunos 1
IV'. Broncefigürchen geweiht von Phauleas .... 65
V. Die wiederaufgerichteten »Säulen des Heraions
in Olympia von Ost 157
VI. Die wiederaufgerichteten Scäulen des Heraions
in Olympia von Südost 157
\'n. P2in Brief des Königs Ziaelas an die Koer, ge-
funden im Asklepiaion in Kos 173
VIII. A. Das Bildfeld der Timonidas-Vase im Central-
museum in Athen.- BC. Korinthische ¥\a.-
im Akademischen Kunstmuseum in Bonn . 1 99
IX. Demetrias 221
X. Der ältere und der jüngere Palast von Phaistos 257
XL Friesplatte im Akropolis-Museum 305
XIL Reste von Friesplatten im Akropolis-Museum . 305
XIII. Giebel-Relief in Theben 375
XIV. Inschrift vom Mauerbau Konons 361
XV. Va.senbild in Würzburg 399
KiOES MiTTHlDKCENlBOS.
DIE AUSGRABUNGEN BEI DER ENNEAKRUNOS
TAFRL II.
DIE ENNEAKRUNOS . REKONSTRUKTIONSVERSUCH.
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ENNEAKRUNOS
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DIE ENNEAKRUNOS
(Hierzu Tafel I-III).
I. Technische Untersuchung.
Durch die Ausgrabungen des Deutschen Archäologischen
Instituts ist in den Jahren 1891- — 1898 am Westabhange der
Akropolis von Athen ein vielverzweigtes Netz von Wasserlei-
tungen, Kanälen, Brunnen, Cisternen und langen, in den Fels
getriebenen Stollen aufgedeckt worden. Bei der grossen Bedeu-
tung, welche diese verschiedenartigen Wasseranlagen für die
Stadtgeschichte Athens und insbesondere für eine der wich-
tigsten Fragen der athenischen Topographie, für die Ennea-
krunos- Frage, beanspruchen dürfen, schien neben der allge-
meinen technischen Untersuchung, wie sie während der Aus-
grabung stattgefunden hatte, noch eine Nachprüfung des Tat-
bestandes durch einen Spezialtechniker dringend wünschens-
wert. Vom Archäologischen Institut mit dieser Aufgabe be-
traut, habe ich mich vom Januar bis März 1 902 in Griechen-
land aufgehalten und ausser den Wasseranlagen des alten
Athen auch die antiken Wasserleitungen von Megara und
Aigina untersucht. Die technischen Vorarbeiten für meine
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX.
2 FR. GRÄBER
Arbeit in Athen waren von W. Dörpfeld schon ausgeführt.
Es lagen genaue Aufmessungen und Nivellements des ganzen
Ausgrabungsgebietes und besonders aller Wasserleitungen
vor ; auch waren sorgfältige Lagepläne ausgearbeitet, die zum
Teil mit einem kurzen Texte bereits auf den Tafeln 37 und 38
der Antiken Denkmäler II veröffentlicht sind. Es wurden mir
ferner vom Institut die erforderlichen Arbeitskräfte zur Ver-
fügung gestellt, um den Wasserleitungen und Kanälen, wo es
erforderlich war, noch weiter nachzuspüren. Die Ergebnisse
dieser Arbeiten sind in den grossen Lageplan aufgenommen
worden, sollen aber auch in einzelnen Zeichnungen darge-
stellt werden. Der weitaus grösste Teil der nachfolgenden
Mitteilungen stimmt mit den Beobachtungen und Schlüssen
überein, die W. Dörpfeld früher während der Ausgrabung ge-
macht und zum Teil schon in dieser Zeitschrift veröffentlicht
hat {Athen. Mitteil. 1892, 439 ff. 1894, 143 ff.). Nur in einigen
Punkten habe ich durch neues Material seine Ergebnisse ver-
vollständigen oder berichtigen können. Meine Arbeit bestand
in erster Linie in der Untersuchung der grossartigen Wasser-
anlage, durch die Peisistratos die Stadt Athen mit Wasser
versorgt hat. Ihre einzelnen Teile: das Quellgebiet, die Lei-
tung und das Brunnenhaus wurden eingehend erforscht. Um
ferner ein Bild zu gewinnen von der allmählichen Entwick-
lung der Wasserversorgung des alten Athen, musste ich dane-
ben auch die übrigen zahlreichen Leitungen, Brunnen und
Kanäle, die innerhalb und ausserhalb der Stadt und besonders
am Westabhange der Akropolis aufgedeckt sind, aufzuklären
suchen. Auch die geologische Gestaltung der Landschaft
durfte dabei nicht unberücksichtigt bleiben, weil von ihr
naturgemäss die Aufnahme und Wiedergabe des Regenwas-
sers in Quellen und Brunnen abhängig ist.
Bezogen sich demnach meine Untersuchungen zunächst
auf das Gebiet zwischen Akropolis, Areopag und Pnyx, so
mussten sie sich weiterhin auch auf die ganze Stadt und die
Umgebung Athens ausdehnen. Ich hatte zu untersuchen, wo-
her Athen sein Trinkwasser bezogen hat, und namentlich
hatte ich festzustellen, woher die grosse unterirdische Wasser-
leitung des Peisistratos kommt, die an dem Pnyx-Hügel ihren
DIE ENNEAKRUNOS 3
Endpunkt findet. Hat sie dem Hymettos oder dem Pentelikon
oder einem zwischen diesen Berten lie<^enden Quell o;cbiete
ihr Wasser entnommen ? Dieser letzte Teil meiner Arbeit war
besonders scliwierij^;, weil fast keine Vorarbeiten für die V>e-
stimmung des Anfanges der grossen Leitun<^ \orla<^en, und
weil die Verfolgung und Ausräumung der zahlreichen unter-
irdischen Gänge, die in der Nähe Athens erhalten sind, grös-
sere Kosten und eine längere Arbeitszeit erfordert hätte, als
mir zur Verfügung standen. Die sehr verdienstvolle Arbeit
von Ernst Ziller über die Wasserleitungen Athens {Athen.
Mitteü. 1877, 107 ff.) und die Untersuchung von Andreas Kor-
dellas (Ai 'AOfjvai eHeraConevai vjto {lögavÄixiiA' £n:oi|'iv, 1 879) sind
zwar wertvolle Vorarbeiten für die allgemeine Geschichte der
Wasserversorgung Athens, enthalten aber nur sehr wenige An-
gaben über das damals noch fast unbekannte älteste Wasser-
werk der Stadt, die grosse Leitung des Peisistratos.
1. Bodenbeschaffenheit und Wasserversorgung
Athens.
Die geologische Gestaltung der attischen Landschaft, so
weit sie für die Wasserversorgung Athens wichtig ist, lässt
sich in wenigen W^orten schildern (vgl. Lepsius Geologie von
Attikd). Aus der zwischen Farnes, Pentelikon und Hymettos
liegenden attischen Ebene ragen die Kalksteinfelsen des Ly-
kabettos, der Akropolis und des Museion mit ihren Ausläu-
fern empor. Schon Piaton hat vollkommen richtig erkannt,
dass diese Hügel in der Urzeit ein einziges zusammenhän-
gendes Plateau, eine Ur-Akropolis, gebildet haben {Kritias 5).
Unter diesen Kalksteinfelsen zieht sich ein Lager von was-
serundurchlässigem Mergelschiefer hin, das in seinen unterir-
dischen Mulden einen Teil des Regenwassers zurückhält und
den anderen Teil nach den Flussläufen und dem Meere ober-
irdisch und unterirdisch ablaufen lässt. Die Muldenbildung
des Mergelschiefer- Lagers muss zum Teil recht bedeutend
sein, weil zahlreiche wasserhaltende Brunnen nicht nur im
Ausgrabungsgebiet, sondern auch in der ganzen Stadt und
in der weiteren attischen Ebene vorhanden sind und in rey-en-
4 FR. GRÄBER
reicher Zeit oft hohe Wasserstände aufweisen ; so hat z. B.
Herr Deffner in seinem hochgelegenen Brunnen am Lyka-
bettos zuweilen einen Wasserstand von 1 5 m Tiefe constatiert.
Die Mulden sind vermutlich dadurch entstanden, dass das auf
dem Tonschiefer auflagernde Kalksteingebirge den Unter-
grund zusammenpresste. Sie x^'erden nicht nur durch das je-
weilig niedergehende Regenwasser gespeist, sondern es sam-
melt sich in ihnen auch das von dem höher liegenden Unter-
grunde abfliessende Grundwasser. Daher der ständige reich-
liche Wasservorrat, so lange die Mulden nicht über Gebühr
und unrichtig angezapft wurden. Der Mergelschiefer erstreckt
sich von der Stadt in aufsteigender Linie bis an den Fuss
des Pentelikon und Hymettos, erreicht an jenem eine Höhe
von 300 m über dem Meere, am Hymettos dagegen nur eine
Höhe von 175 m. Da der Sattel zwischen Akropolis und Lyka-
bettos nicht ganz 90 m über dem Meere liegt, ist die Bodenge-
staltung für den natürlichen Abfluss der unterirdischen Was-
seradern von der oberen Ebene nach Athen hin sehr günstig.
Den alten Athenern war diese Beschaffenheit ihres Stadt-
bodens nicht unbekannt. Sie hatten bemerkt, dass der Unter-
grund der Stadt in dem regenarmen Attika auf die Dauer
kein ausreichendes Wasser liefern konnte. Auch war ihnen
nicht entgangen, dass das Stadtgebiet, weil es nach Süden
zum Ilissos und nach Norden zum Kephissos abfällt und aus-
serdem vom Eridanos mitten durchschnitten wird, das Grund-
wasser nur zum Teil aufhält und zum Teil in die Flusstäler
ablaufen lässt. Sie sind daher bei zunehmender Bevölkerungs-
zahl bestrebt gewesen, die weiter nach dem Gebirge zu sich
erstreckenden unterirdischen Quellgebiete für die Wasserver-
sorgung der Stadt zu erschliessen, und auch die am Hyinettos,
Pentelikon und Farnes hervorsprudelnden Quellen nach der
Stadt zu führen. Der erste, welcher Wasseranlagen dieser Art
in Athen in grossem Maasstabe ausgeführt hat, ist Peisistra-
tos gewesen. Er leitete, wie wir zeigen werden, gutes Trink-
wasser vom oberen Ilissos-Tale zur Stadt und erbaute am
Ende der langen Leitung den berühmten Brunnen der Ennea-
krunos. Später haben in noch umfangreicherer Weise die römi-
schen Kaiser, namentlich Hadrian, grosse Wasserleitungen
DIE ENNEAKRl'NOS 5
vom Pentelikon und Parnes nach Athen geführt. Daneben
gab es zu allen Zeiten noch mehrere kleinere Leitungen, die,
von geringeren Höhenlagen ausgehend, die tiefer gelegenen
Stadtteile mit Wasser versorgten.
Es ist verständlich, dass man in der ältesten Zeit, solange
die im Stadtgebiete gelegenen Quellen, Brunnen und Cister-
nen einer kleinen Bevölkerung genügendes Wasser lieferten,
an die Durchführung solcher grossen Anlagen noch nicht ge-
dacht hat. Das alte Athen besass innerhalb des Stadtgebietes
mehrere natürliche Quellen : zwei an der Akropolis in ziem-
lich bedeutender Höhe, und zwar die eine im Asklepieion
neben dem Theater, die andere an der Nordwest-Ecke der
Burg, die Klepsydra; ferner gab es an der Pnyx die beste
Quelle in der Nähe der Burg, die alte Kallirrhoe, und am
Fusse des Lykabettos die Quellen des Eridanos. Andere Quel-
len lagen etwas weiter von der ältesten Stadt entfernt, so die
spätere Kallirrhoe im Bette des Ilissos. Wenn wir erwägen,
dass das Mergelschiefer-Lager sich aus einer Höhe von 300 m
langsam zum Meere hin senkt, und dass die Kalksteinfelsen
des Lykabettos, der Akropolis und der Pnyx den Mergel-
schiefer nicht durchbrechen, sondern auf ihm lagern, so er-
scheinen alle diese Quellbildungen trotz ihrer Höhenlage als
ganz natürliche Ausflüsse des in und unter den Kalkfelsen
sich ansammelnden oder abziehenden Regenwassers.
Das Stadtgebiet zwischen der Akropolis, Pnyx und Mu-
seion hat für die Zurückhaltung des Regenwassers eine be-
sonders günstige Lage und war daher zu allen Zeiten so
wasserreich, dass es geradezu zur Ansiedelung aufforderte. Es
zieht sich zwischen der Akropolis und dem Areopag einerseits
und dem Museion und der Pnyx andrerseits eine Talmulde
hin, in welcher sich das Meteorwasser ansammelt. Die von
vielfachen Spalten zerklüfteten Kalksteinfelsen dieser Höhen
nehmen das Wasser auf und lassen es bis auf die undurch-
lässige Mergelschicht durchsickern. Da diese nach Norden
und Westen abfällt, kann das Wasser nicht etwa nach dem
Ilissos abfliessen, sondern muss nach Norden, nach dem Eri-
danos hin, seinen Abzug suchen. Nun treten der Areopag und
die Pnyx hier so nahe aneinander, dass das Wasser nur lang-
6 FR. GRÄBER
sam abfliessen kann und zum Teil dauernd in der Talmulde
zurückgehalten wird. So ergibt sich hier ein natürliches Was-
serreservoir, das in seinem tiefliegenden Teile, wo Areopag
und Pnyx zusammenstossen, sogar sumpfig werden konnte,
obwohl es noch hoch über dem Flussbette des Eridanos liegt.
Die ungemein grosse Anzahl von Brunnen, die in dem
Ausgrabungsgebiet am Westabhange der Burg gefunden sind
(über 100), zeigt deutlich, dass man hier an jeder Stelle und
zu jeder Zeit bei der Abteufung von Brunnen Wasser gefun-
den hat. Neben diesen Brunnen kommen aber auch viele
Cisternen vor, in denen Regenwasser von der Erdoberfläche
gesammelt wurde. Sie liegen namentlich an der Pnyx und an
der Akropolis in solchen Schichten, die wegen ihrer hohen
Lage selbst kein Wasser führten oder wenigstens in trocke-
nen Sommern wasserleer waren. Ferner sind in dieser Gegend
noch besondere Höhlungen und Gänge als Wassersammler
gebaut, interessante Anlagen, die einer sehr alten Zeit ange-
hören müssen. Man trieb einen senkrechten Schacht hinunter
bis auf die wasserführende Schicht, erbreiterte ihn zu einer
Art Cisterne und baute von hier aus horizontale, in mehr-
fachen Windungen verlaufende Stollen, in welchen sich das
Wasser ansammelte. Ursprünglich als Brunnen gebaut, sind
sie vermutlich erst im Laufe der Zeit durch Überziehen der
Wände mit wasserdichtem Stuck zu Cisternen für Reo-enwas-
ser umgeändert worden. Die grösste Anlage dieser Art ist der
lange Stollen (T auf unserer Tafel I), welcher westlich vom
Herodes -Theater beginnt, sich in der Richtung nach dem
Museion erstreckt und in dem Sattel zwischen Akropolis,
Museion und Pnyx zu einem Complexe von Cisternen und
Gängen (T 1 bis T 8) ausgebaut ist.
Obwohl auf diese Weise alles Wasser, das der Unter-
grund und der Regen in diesem Stadtgebiete hergab, in Brun-
nen und Cisternen gesammelt wurde, konnte doch, als die
Bevölkerung Athens immer mehr wuchs, das gesteigerte Be-
dürfnis nach Wasser nicht mehr befriedigt werden. Daher
entschloss sich Peisistratos, durch Zuleitung von gutem und
reichlichem Trinkwasser aus der Ferne dem Wassermangel
gründlich abzuhelfen und der Stadt dadurch eine Wohltat zu
DIE ENNRAKRITNOvS 7
erweisen, die sein Ansehen nn^emein lieben und festigen
musste. Als Vorbild haben ihm dabei offenbar die grossen
Wasserwerke gedient, die in anderen Städten, wie Megara,
Korinth, Aigina und Samos, ausgeführt waren. Er erbaute
die grosse Wasserleitung, welche der Stadt viele Jährhunderte
hindurch Trinkwasser geliefert hat und auch neben den spä-
teren Wasserleitungen nachweisbar noch bis 7Aini 1 7. Jahr-
hvindert in Tätigkeit geblieben ist. Bevor wir dieses grosse
Wasserwerk näher beschreiben, empfiehlt es sich, die älteren
Wasseranlagen Athens genauer kennen zu lernen.
2. Wasserkammern am Pnyxhügel.
Zur Veranschaulichung der folgenden Beschreibung dient
in erster Linie Tafel I, welche die Resultate der Ausgrabun-
gen zwischen Akropolis, Areopag und Pnyx nach Tafel 38
der Antiken Denkmäler Band II mit einigen Zusätzen wie-
dergibt. Die sämmtlichen Wasseranlagen, sowohl die Leitun-
gen, als die Cisternen, Wassersammler und Brunnen, sind
hier durch blaue Farbe bezeichnet, während alle Abflusslei-
tungen und Strassenkanäle weiss geblieben und nur durch
eine Strich -Punkt- Linie kenntlich gemacht sind. Von den
Mauern haben diejenigen, welche sicher noch aus griechi-
scher Zeit stammen, einen schwarzen Ton erhalten, alle jün-
geren sind ohne Färbung geblieben. Auf Tafel II, welche die
nähere Umgebung der Enneakrunos in etwas grösserem
Maasstabe wiedergibt, sind hauptsächlich nur die griechi-
schen Mauern gezeichnet, und zwar ist hier von W. Dörpfeld
der Versuch gemacht worden, die sehr zerstörten Reste zu
ergänzen und das vermutliche Bild der Enneakrunos und
ihrer nächsten Umgebung wiederherzustellen. Tafel III end-
lich stellt Grundrisse und Durchschnitte der Wasserleitung
des Peisistratos vom Herodes-Theater bis zu dem alten Quell-
hause an der Pnyx dar. In der oberen Hälfte ist die Leitung
von einem Punkte westlich vom Herodes-Theater bis zu der
Stelle gezeichnet, wo sie aus dem gewachsenen Felsen her-
austritt. Darunter sieht man die Fortsetzung von dieser Stelle
bis zum Brunnenhause. Unmittelbar über dem Grundrisse ist
B FR. GRÄBER
jedesmal der Durchschnitt gezeichnet. Rechts unten ist ein
Querschnitt durch den Pnyxfelsen mit der alten Brunnenkam-
mer und einer Ergänzung des Bassins und des Brunnenhau-
ses der Enneakrunos hinzugefügt. Die in den Grundrissen
und Längenschnitten eingetragenen Zahlen geben die Höhen-
maasse der durch einen kleinen Kreis bezeichneten Punkte
über dem Meere in Metern an.
Geht man vom sogenanten Theseion die moderne Fahr-
strasse zur Akropolis hinan, so zeigen sich am Fusse des
Pnyxhügels rechts vom Wege eine Anzahl Felskammern und
Stollen, welche sich bei näherer Besichtigung als alte Wasser-
behälter und Wassersammler herausstellen. Auf Tafel I sind
diese Anlagen zwischen der heutigen Fahrstrasse und dem
oberen Rande der Zeichnung zu sehen. Einige haben als Fuss-
boden einen Estrichbelag und an den Seiten bis zu einer ge-
wissen Höhe noch Putz, der bei einigen an der Fussboden-
kante abgeschrägt ist, ein charakteristisches Zeichen der jün-
geren Wasserbehälter. Andere haben einen Belag aus Ziegel-
platten oder Marmor. Ursprünglich lagen diese Behälter meist
ganz im Felsen und waren nicht sichtbar, erst durch Einsturz
ihrer Vorderwand und besonders durch das Absprengen des
Felsens beim Bau der modernen Fahrstrasse zur Akropolis
sind sie freigelegt worden. Ihre grosse Anzahl zeigt, dass am
Fusse der Pnyx zu allen Zeiten mit Erfolg Wasser gesammelt
werden konnte. Die Kammern selbst liegen in dem harten
Kalkstein, aber ihr Fussboden greift mehr oder weniger in
die nach Norden schräg abfallende Mergelschicht hinunter.
In den über dem Mergel lagernden Kalkstein drang das
Regenwasser ein, sickerte durch die Spalten des Felsens liinab
und sammelte sich in den Kammern. Die Zugänge zu den
Behältern sind meist zerstört. Nur die hervorragendste An-
lage, die beiden Felskammern Y und r 6, besitzen noch ihren
alten Zugang. Ungefähr in der Mitte der verschiedenen Bas-
sins gelegen, waren sie tiefer in den Felsen eingearbeitet und
sind deshalb jetzt vollständiger erhalten als die anderen.
Die Höhenlage der verschiedenen Wasseranlagen ergibt
sich aus den in die Grundrisse auf Tafel I und II eing-e-
schriebenen Zahlen und zum Teil auch aus den Längenschnit-
DIE ENNRAKRUNOS 9
ten auf Tafel III. Wie die moderne Strasse dem natürlichen
Gefälle der Kalkscliicht des Pnyxhüg-els entsprechend sich
allnicählich nach Norden senkt, so lässt sich aus jenen Zahlen
auch bei der Sohlenhöhe der einzelnen Kammern und I>assins
dieselbe Senkung beobachten. Je mehr eine Kammer nach
Norden liegt, um so niedriger ist ihre Höhenzahl. Ein ganz
entsprechendes Gefälle nach Norden haben auch die vor den
Felsenkammern liegenden Abflusskanäle.
Von den zahlreichen Wasserbehältern liegt zuunterst ein
kleines Bassin (r 1 auf Tafel I), das der römischen Zeit an-
gehört ; dann folgen nach links zwei zusammenhängende
Bassins von rechteckiger Form, ein älteres r 2 und ein jünge-
res r 3, von denen auf Tafel II nur das ältere gezeichnet ist;
weiter sehen wir ein rundliches r 5 und endlich ein noch ganz
im Felsen liegendes Bassin r 6. Bei dem letzteren müssen wir
wegen seiner Bedeutung und seiner guten Erhaltung etwas
länger verweilen. Zu seiner Veranschaulichung dienen der
umstehende grössere Grundriss (i\bb. 1) und zwei Durch-
schnitte (Abb. 2 und 3). Auch auf Tafel III ist sein Durch-
schnitt zu sehen.
Auf einer schmalen Treppe a-b steigen wir zu der im
Inneren des Felsens liegenden Brunnenanlage hinab und ge-
langen zunächst in einen grossen Raum Y von etwa 4 m im
Quadrat, dessen Felsdecke sich gewölbartig abrundet. Dem
Eingang gegenüber ist an der westlichen Hinterwand und ge-
nau in der Achse des schräg zur Kammer gerichteten Ganges
eine Nische c von 1 ,80 m Tiefe ausgearbeitet, deren schräge
Richtung offenbar dadurch veranlasst ist, dass Eingang a und
Nische c ursprünglich einen geradlinigen Stollen bildeten, der
erst später in seiner Mitte zu der Kammer Y erweitert wurde.
In der Nische befindet sich im Boden ein Brunnenschacht
von etwa 2 m Tiefe und im oberen Teile der Rückwand eine
kleinere nischenartige Vertiefung, etwa 0,80 m über dem Fuss-
boden. Vor dem Brunnen war eine Schranke angebracht, da-
mit man beim W^asserschöpfen gefahrlos dicht an den Brun-
nen herantreten konnte. Vom Eingang a führt in der Höhe
von 1,30 m über dem Fussboden eine in den Felsen eingear-
beitete Rille n-p an der südlichen Wand entlang mit gerin-
10
FR. GRABER
gern Gefälle bis zur Nische c. Ursprünglich dazu bestimmt,
das von dem Felsgewölbe herabsickernde Wasser aufzuneh-
men und zum Brunnen in der Felskammer Y zu leiten, diente
sie später, als dies Quellwasser allmählich knapper geworden
war, auch zur Zuleitung von Wasser aus der Leitung des
Peisistratos.
Dies geschah durch ein Bleirohr und eine Tonrinne, von
denen bei m noch Reste gefunden wurden. Die Felsrinne n-p
— A
0,73
Abb. 1. Grundriss der älteren Wasseranlage.
Felskamnier an der Pnyx.
musste an der südlichen Seite der Kammer liegen, weil nur
dort der nach Norden zu abfallende Fels das Sickerwasser
abgab. Die Verringerung des Quellwassers der Pnyx war eine
Folge der stärkeren Bebauung des Museion und des Pnyx-
hügels, durch die das Regenwasser vom Einsinken in den
Untergrund abgehalten wurde. Heute ist die Quelle ganz ver-
siegt und liefert nur im Winter noch einige Tropfen Wasser.
DIE ENNEAKRUNOS
11
Erst als das Leitungswasser der Enneakrunos in das uralte
Brunnenhaus hineingeleitet war, werden die Decke und die
Wände der Felskanimer verputzt worden sein. In noch spä-
terer Zeit wurde der Stucküberzug noch einmal erneuert.
Dass das Brunnenhaus sehr lans^e im Gebrauch blieb und
^,A:..
Abb. 2. Durchschnitt nach A-B und C-D des Grundrisses Abb. 1.
noch in römischer Zeit trotz seiner Altertümlichkeit eine
grosse Bedeutung hatte, beweist der reiche, dem 2. Jahr-
hundert nach Chr. angehörige Mosaik- Fussboden der Kam-
mer. Die Rankenmuster und sonstigen Ornamente dieses
i#i^--~
Abb. 3. Durchschnitt nach E-F des Grundrisses Abb. 1.
Mosaiks gleichen ähnlichen athenischen Anlagen der hadria-
nischen Zeit.
Rechts vom Eingang beginnt in der Ecke ein nach Nor-
den gerichteter Seiteneingang e und führt, in fast rechtem
Winkel umbiegend, auf einer Treppe f von jetzt 4 Stufen in
eine elliptische Felskammer r 6 hinab. Diese besitzt Reste
12 FR. GRÄBER
eines Bodenbelages aus Marmor, der gewiss derselben Zeit
wie das Mosaik der grösseren Kammer angehört; darunter
befindet sich aber, 0,60 m tiefer, ein älterer, aus Estrich herge-
stellter Fussboden, der sicher aus altgriechischer Zeit stammt.
Diese zweite Felskammer war offenbar ein Wasserbehälter
oder Reservoir und einst ganz mit Wasser gefüllt ; darum lie-
gen ihre beiden Fussboden bis zu 2 m tiefer als der Boden
der ersten Kammer. An ihrer Ostseite sind 3 Gänge gefunden,
die jetzt alsbald ins Freie führen, früher aber auf eine längere
Strecke verdeckt im Felsen lagen: ein grösserer Kanal (i),
1 m breit und 2 m hoch, mit demselben Wandputz, wie er
in der Kammer g und auch sonst in Cisternen vorkommt, und
zwei kleinere Canäle h und k zu beiden Seiten von i. Der
mittlere Gang läuft, wie durch Grabungen unter der moder-
nen Fahrstrasse konstatiert wurde, bis etwa zur Mitte dieser
Strasse und trat dort einst aus dem Felsen heraus. Vermut-
lich war er an seinem Ende mit einer Mauer abgeschlossen,
in welcher ein Abflussrohr zur Wasserentnahme gewesen sein
wird. Auf dem ergänzten Plane (Tafel II) haben w'ir hier ein
besonderes kleines Brunnenhaus angenommen. Es ist aber
nicht unmöglich, dass sich auch das grosse Brunnenhaus des
Peisistratos bis hierhin erstreckte. In römischer Zeit wurde
der Anfang des Kanals i zugemauert und dafür eine bedeckte
viereckige Tonrinne von 0,10 m Breite auf seine Sohle gelegt.
Von den beiden seitlichen Kanälen geht der südliche h als
Felsstollen bis unter die Fahrstrasse und endet daselbst; eine
Öffnung in seiner Decke gibt die Stelle an, wo wahrschein-
lich ein Zuleitungsrohr aus der Peisistratosleitung hineinge-
führt war. Während dieser Stollen 1 m über dem jüngeren
Marmorboden des Bassins liegt, geht der Kanal k in der Höhe
dieses Fussbodens ab und lässt sich weiter nach Norden ver-
folgen. Er wird an dem nächsten Bassin (r 5 auf Tafel I) vor-
beigeführt haben, tritt dann vielleicht wieder in den Fels hin-
ein, umkreist als Stollen die zwei zusammenhängenden Bas-
sins r 3 und r 2 und endet jetzt neben dem letzteren. Im
Gegensatze zu dem Stollen h, der wegen seiner hohen Lage
nur als Zuleitung.skanal gedient haben kann, wird er ein Ab-
leitungskanal zur Entleerung des Bassins gewesen sein.
DIE ENNRAKRUNOS 1 .^
In diesen beiden Kammern und ihren Gänt^en lieg-t, darü-
ber kann kein Zweifel sein, eine sehr bemerkenswerte Quel-
len- und Bassinanlage vor. Sie stammt aus sehr alter Zeit und
lieferte ursprünglich eigenes Ouellwasser; neben der Leitung
des Peisistratos blieb sie bestehen und erhielt von ihr neues
reichlicheres Wasser; in römischer Zeit war sie nicht nur wei-
ter im Gebrauch, sondern wurde sogar mit Marmor und Mo-
saik neu geschmückt. Es wird daher W. Dörpfcld Recht
haben, wenn er in diesen Felsanlagen die berühmte alte
Quelle Kallirrhoe gefunden zu haben glaubt, die vor dem
Eingang der alten Polis lag, den Athenern in ältester Zeit
das beste Trinkwasser lieferte und von den Peisistratiden zur
Enneakrunos umgebaut worden ist. Wir sehen an den Rui-
nen deutlich, wie das uralte Quellhaus, nachdem es durch
einen frommen Betrug mit neuem reichlichem Wasser verse-
hen war, noch Jahrhunderte hindurch als scheinbar natür-
liche Felsquelle hinter oder neben dem Brunnenhause der
Enneakrunos bestehen blieb. Aus dem Brunnen in der Fels-
nische oder auch aus dem Bassin r 6, zu dem man auf der
Felstreppe hinabstieg, konnte man noch immer Wasser schöp-
fen, weil unterirdisch hingeführte imd daher unsichtbare Zu-
flusskanäle beide Behälter niemals versiegen Hessen. Wie auf
dem Platze vor dieser altertümlichen Wasseranlage das Brun-
nenhaus der Enneakrunos erbaut worden ist, werden wir spä-
ter zu bestimmen suchen.
Wandern wir von der alten Kallirrhoe (so wollen wir im
Folgenden mit W. Dörpfeld die alte Wasseranlage im Felsen
kurz nennen) die heutige Fahrstrasse weiter hinauf, so sehen
wir zuerst unmittelbar vor dem Eingange ins alte Quellhaus
noch ein kleines fast ganz zerstörtes halbrundes Reservoir
(r 8 auf Tafel I) und dann zwei merkwürdige Brunnen (r 9
und r 1 0), die etwa 4 m von einander entfernt liegen und bei
gleichen Maassen dieselbe Konstruktion zeigen. Als Quadrate
von fast 2 m sind sie in den Felsen eingeschnitten, haben
aber in einer Tiefe von 3 m, wo der Fels sehr weich wird,
eine bis zur Sohle reichende Verkleidung aus grossen runden
Tonplatten erhalten. Je 5 solcher Platten bilden einen Brun-
nenring. Der nördliche der beiden Brunnen ist bis zu einer
14 FR. GRÄBER
Tiefe von 25 m ausgeräumt worden. Er lieferte dabei so viel
Wasser, dass der Zufluss nur durch gleichzeitige Verwendung
von Pumpe und Schöpfeimer bewältigt werden konnte. In der
bedeutenden Tiefe von 22 m fand sich eine nach Osten ab-
biegende Leitung, die wegen ihrer geringen Abmessungen
leider nicht verfolgt werden konnte, aber kaum etwas ande-
res als ein zu einer Wasserleitung gehöriges Abflussrohr ge-
wesen sein wird. Sie liegt so tief (etwa 60 m über dem Meere),
dass ihre Mündung erst nördlich vom Areopag auf der Agora
gelegen haben kann. Dort konnte also ein kleiner Laufbrun-
nen (Kqi]vti) aus unserem Tiefbrunnen gespeist werden. Der
zweite Brunnen ist nur wenige Meter tief ausgeräumt worden,
weil seine Felswände so morsch waren, dass sie bei der Aus-
grabung zusammenstürzten. Es ist aber festgestellt worden,
dass aus ihm in östlicher Richtung ein Gang, ähnlich wie der
Kanal i des Wasserbehälters der Kallirrhoe, unter die moderne
Fahrstrasse führt. In der Mitte der Strasse tritt er, wie durch
Schürfungen ermittelt werden konnte, aus dem Felsen her-
aus, enthält aber vorher eine sich über die Sohle erhebende
Felsbarre. Der Umstand, dass in seiner geraden Fortsetzung
ein alter wichtiger Entwässerungskanal liegt, den wir später
noch kennen lernen werden, führt auf die Vermutung, dass zwi-
schen dem Endpunkt dieses Zuganges und dem Anfange des
Entwässerungskanales das grosse Brunnenhaus gelegen hat.
Kleine Reste alter Mauern (bei r 1 7) geben vielleicht die Stelle
dieser später zu besprechenden grossen Anlage an. Die beiden
ungewöhnlich breiten und tiefen Brunnen r 9 und r 1 0 sind
wegen ihrer Abmessengen keinenfalls gewöhnliche Schöpf-
brunnen, sondern müssen zu einer öffentlichen Wasseranlage
gehören. W. Dörpfeld glaubt, dass sie in Verbindung gebracht
werden dürfen mit den Wasseranlagen des Meton, jenes durch
Aristophanes bekannten Ingenieurs, der an mehreren Stellen
der Stadt Laufbrunnen angelegt hatte. Buchstaben, die sich
an den Tonplatten der Brunnen befinden, passen zeitlich zu
dieser Ansetzung.
Verfolgen wir die Strasse noch weiter nach Süden, so
erkennen wir nur 8 m von den beiden Brunnen entfernt zwi-
schen den mit r 1 1 und r 1 2 bezeichneten Punkten den Rest
DIE ENNEAKRUNOS 15
eines 10 m langen Bassins, das aus dem Felsen gearbeitet und
mit Stuck überzogen ist. Es kann keine unterirdische Fels-
kammer gewesen sein, wie die früher besprochenen Behälter,
denn an seiner Hinterwand liegt noch jetzt die Stützmauer
für einen zur Pn)x führenden alten Weg. Es gehört vielmehr,
wie wir noch sehen werden, zu einem vor der Erbauung der
Peisistratos-Leitung bestehenden einfacheren Was.serwerk und
kann erst im Zusammenhange mit dieser älteren Anlage näher
besprochen werden. Weiter hinauf ist wieder ein unterirdi-
scher Wassersammler gefunden, eine runde Kammer (r 1 3)
mit Einsteigeschacht (r 14) und zwei Seitenstollen. Auch die-
ser alte Behälter hat in späterer Zeit durch ein Bleirohr fri-
sches Wasser aus der Peisistratos-Leitung erhalten. Zwischen
r 1 3 und r 1 4 tritt ferner ein Stollen aus dem Berge, der sich
mit einem der beiden Seitenstollen kreuzt (aber nicht im Ni-
veau), unter der heutigen Chaussee fortgeht und auf der ande-
ren Seite derselben, wo er den Felsen verlässt, als ein mit
gebogenen Tonplatten halbkreisförmig abgedeckter Kanal er-
scheint; er war vermutlich auch ein alter Wassersammler.
Noch 5 m weiter nach Süden ist endlich ein Stollen gefunden,
der ebenfalls aus dem Berge heraustritt, aber keine Wasser-
leitung, sondern der Entwässerungs- Kanal einer zur Pnyx
hinaufführenden Strasse gewesen ist, denn er nimmt mehrere
Strassen- und Haus- Entwässerungsrinnen auf; für die Was-
serversorgung kommt er also nicht in Betracht.
Wir haben somit am Fusse der Pnyx gerade der Akro-
polis gegenüber eine ganze Reihe von Felskammern, Brunnen
und offenen Bassins sehr verschiedener Art kennen gelernt,
welche deutlich zeigen, dass seit sehr alten Zeiten in dieser
Gegend viele Wasseranlagen waren, und dass die Athener
das in den Hügeln ihrer Stadt enthaltene Wasser schon früh
in vielfacher Weise aufzusuchen verstanden. Wie über ihnen
weiter am Pnyxfelsen hinauf noch eine Anzahl Cisternen und
Brunnen gefunden sind, so werden auch an den anderen Ab-
hängen der umliegenden Höhen, an der Akropolis und am
Museion, noch viele alte Wasseranlagen vorhanden sein, die
bei weiteren Grabungen zu Tage treten würden.
1 6 FR. GRÄBER
3. Der alte Felsstollen und die Brunnen an läge
\'or Peisistratos.
Dass die Athener schon in alter Zeit in noch umfang-
reicherer Weise, als wir bisher gesehen haben, das Wasser
aufgesucht und gesammelt haben, zeigt ein unterirdischer
Felskanal und ein Cisternensystem, die sich weiter südlich
in der Nähe der Stelle befinden, wo die Peisistratos- Leitung
aus dem Felsen heraustritt. In den Quadraten B, C 11-12
(auf Tafel I) ist das vielfach verzweigte Netz dieser unterir-
dischen Gänge gezeichnet. Sie gruppieren sich um eine grosse
runde Cisterne (T 5) und haben W^asser nicht nur vom Mu-
seion, sondern auch vom Akropolishügel gesammelt. Eine
Anzahl Schächte (T 1-6) sind in die Tiefe abgeteuft und zum
Teil nach unten cisternenartig erweitert. Dadurch dass sie
auf ihrer Sohle durch Querstollen mit einander verbunden
sind, ist ein ganzes System von zusammenhängenden Wasser-
behältern entstanden. Sowohl die Cisternen wie die Gänge
sind jetzt ringsum verputzt und erweisen sich dadurch als
Behälter für Regenwasser, gegenüber den nicht mit Putz ver-
sehenen, Quellwasser sammelnden Brunnen und Stollen. Die
grosse Cisterne T 5 (Abb. 4) ist im Grundriss kreisförmig, hat
im Durchschnitt eine gewölbartige Decke und endet oben in
einer Höhe von etwa 3 1/2 "^ i^^it einer brunnenartigen Mün-
dung. Die vier sich anschliessenden Gänge a, b, c, d haben eine
Höhe von 1,65-1,80 m und 'eine Breite von 0,50-0,60 m; ihr
Profil ist unregelmässig, an einer Stelle habe ich die in der
Abbildung links oben gezeichneten Dimensionen gemessen.
Wohin diese vier Arme führen, zeigt Tafel I : der eine (a)
erstreckt sich in nördlicher Richtung bis nach Z 3 zu dem
Peisistratos- Stollen und brachte einst das Wasser des alten
Behälters, wie wir sehen werden, zu dem an der Pnyx befind-
lichen Brunnenhause, zur alten Kallirrhoe; in späterer Zeit
ist er geschlossen und nur ein Stück mit Kalkputz überzo-
gen worden. Zwei andere Arme (b und c) bilden die erwähn-
ten Seitenstollen, durch welche T 5 mit den anderen Behältern
verbunden ist. Ein vierter Arm (d) läuft in einer Länge von
DIE ENNEAKRUNOS
17
150 m nach Osten auf die Akropolis zu. Auf den Tafeln I
und III ist er neben und etwa 1,50 m über der später erbau-
ten Wasserleitung des Peisistratos zu erkennen und hat fast
dieselbe Richtung mit ihr. Unseres Erachtens war er be-
stimmt, Quelhvasser aus dem Burghügel zu dem grossen B^e-
hälter und weiter zu dem ältesten Laufbrunnen zu bringen.
Er steigt bis zu seinem Ende, das westlich vom Herodes-
Theater liegt, um etwa 2 m an und endigt in mannigfachen
Abb. 4. Grundriss und Durchschnitt des alten Brunnens T 5.
Verästelungen, die noch jetzt Stalaktiten und auch etwas
Wasser enthalten. Da die Steigung keine regelmässige ist
und besonders in der Nähe des östlichen Endes auch stellen-
weise ein Gegengefälle vorkommt, musste sich der hintere
Teil des Stollens ganz mit Wasser füllen, bevor dieses ab-
fliessen konnte. Die Höhe des etwa 0,50 m breiten Stollens
beträgt durchschnittlich 2 m, so dass man bequem darin ge-
hen kann, verringert sich aber in der Nähe unserer Cisterne
T 5 auf eine kurze Strecke so sehr, dass man nur kriechend
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX.
18 FR. GRÄBER
vorwärts kommt. Hier ist der Stollen später sogar ganz ge-
schlossen und ebenso wie a mit Stuck überzogen worden. Die
grossen Unterschiede in der Breite und Höhe des Stollens
sind durch die Art des Gesteins veranlasst, das nur stellen-
weise hart, meist aber so locker war, dass es während der Ar-
beit oder später nachstürzte. Die Unregelmässigkeiten in der
Linienführung sind dagegen wohl eine Folge der Herstel-
lungsart. Da gleichzeitig mehrere Schächte in die Tiefe ge-
trieben und von ihren Sohlen zugleich vorwärts und rück-
wärts gearbeitet wurde, haben sich die einander entgegenar-
beitenden Werkleute nicht immer genau getroffen. Dadurch
entstanden Windungen und Unregelmässigkeiten der Stollen-
linie, die sich bei anderen durch harten Felsen gehenden Stol-
len, z. B. bei dem zum Stadtteil Koile führenden, noch besser
erkennen lassen.
Während die grosse Cisternenanlage T 5 mit ihren Ver-
ästelungen jetzt sauber mit wasserdichtem Mörtel verputzt
ist, hat der lange Stollen zur Akropolis keinen Putz erhalten.
Das aus seiner Decke und seinen Wänden heraussickernde
Wasser sammelte sich daher auf seiner Sohle und wurde ver-
mutlich in einer Rinne aus gebranntem Ton zur Cisterne ge-
führt. Dass von einer solchen Rinne nichts gefunden ist, darf
uns nicht Wunder nehmen, weil der später erbaute tiefer lie-
gende Peisistratos-Kanal in diese Leitung von unten mehrfach
einschnitt, eine Unterbrechung der Sohle bewirkte und so
den Wasserabfluss störte. Wie in dem Grundriss auf Tafel HI
zu sehen ist, geht bei Z 6 von dem langen Stollen ein Neben-
gang nach oben (nach Süden) ab, welcher etwa 50 m lang ist
und auch wieder kleinere Abzweigungen besitzt. Er scheint
einen südwestlich von der Akropolis gelegenen öffentlichen
Brunnen gespeist zu haben.
Es ist beachtenswert, dass die grosse Cisterne T 5, wie
schon erwähnt wurde, später gegen den langen Stollen durch
eine Quermauer abgeschlossen worden ist. Dies wird mit dem
Bau der Peisistratos-Leitung zusammenhängen. Als diese den
alten Stollen überflüssig machte, wurde die Cisterne mit ihren
Seitenkanälen und Kammern als gesonderter Wasserbehälter
beibehalten und zu diesem Zwecke ihre Verbindung mit dem
DIR RNNEAKRUNOS 19
langen Stollen aufgehoben. Auch der andere Strang, welcher
von der Cisterne nach Norden führt und das Wasser zum
Brunnenhause leitete, ist zai derselben Zeit durch eine Mauer
abgeschlossen worden. Es ist sicher, dass damals auch erst der
jetzige Verputz der Cisterne und der Gänge hergestellt wurde.
Zu derselben vorpeisistratischen Wasseranlage dürfen wir
wohl auch das oben erwähnte grosse Wasserbassin (r11-rl2
in dem Quadrate A 7 auf Tafel I und II) rechnen, welches
an dem Pnyxfelsen neben der Fahrstrasse aufgedeckt worden
ist. Es war in den Berg eingearbeitet und hatte eine Stuck-
verkleidung, die unmittelbar den Fels bedeckte. Seine Länge
betrug etwa 10 m; seine ehemalige Breite ist nicht zu messen,
weil nur ein schmaler Streifen des Bassins erhalten ist, doch
lässt sie sich auch auf ungefähr 1 0 m schätzen, weil bei den
Ausgrabungen noch beobachtet werden konnte, dass der Pnyx-
felsen einst bis in die Mitte der modernen Fahrstrasse vor-
sprang und weil dieses Maass wahrscheinlich zugleich die
Breite des Bassins angibt. Zerstört wurde das alte Bassin, als
Peisistratos sein noch grösseres und um etwa 1,5 m tieferes
Wasserreservoir fast an derselben Stelle erbaute. Da der neue
Laufbrunnen des Peisistratos neben der alten Kallirrhoe lie-
gen sollte, musste für das neue Reservoir derselbe Platz und
für die neue Leitung ungefähr dieselbe Linie gewählt wer-
den, die Terrainverhältnisse und die antike Strasse gestatte-
ten keine andere Wahl.
Ganz unabhängig von dem alten unterirdischen Cister-
nennetz, das wir vorher beschrieben haben, besteht eine an-
dere interessante Wasseranlage, welche bei dem Schachte Z 1 4
(vgl. Tafel III) zur Seite des alten Stollens liegt, ohne jedoch
irgend eine Verbindung mit ihm zu haben. Sie wurde aufge-
funden, als eine Zweigleitung des Peisistratos-Stollens von
Z 1 1 bis Z 1 4 verfolgt wurde. Es handelt sich um zwei runde
Cisternen (vgl. Abb. 5 und 6), eine grosse a und eine kleinere
b, welche durch einen 1 4 m langen, in dem Grundrisse ver-
kürzt gezeichneten Stollen mit einander verbunden sind. Auch
dieser Gang bildet wieder keine gerade Linie, sondern besteht
aus zwei unter rechtem Winkel zusammenstossenden Armen,
die offenbar dadurch entstanden sind, dass man bei der Her-
20
FR. GRÄBER
Stellung des Ganges, der von der Cisterne b aus begonnen
wurde, die Cisterne a zuerst verfehlte und erst von der Seite
erreichte. Die ganze Anlage ist im Innern mit Putz überzo-
gen und sauber geglättet. Im Scheitel beider Cisternen befin-
den sich runde Brunnenmündungen, durch die einst das Was-
ser geschöpft wurde. Der grössere Behälter hat in der Mitte
seiner Sohle eine 2 m tiefe brunnenartige Vertiefung, die
wahrscheinlich erst bei der Herstelluno- des Verbindungska-
a6.A5 )
Abb. 5.
Grundriss einer aus zwei Cisternen
bestehenden Was.seranlage.
Abb. 6.
Durchschnitt durch die Cisterne
a von Abb. 5.
nals der beiden Cisternen angelegt wurde. Zu welchem Zwecke
die Mitte dieses Verbindungskanals mit der Leitung des Pei-
sistratos durch einen Kanal verbunden ist, lässt sich schwer
sagen, weil die Leitung tiefer liegt als die Sohle der Cisternen.
Anlagen ähnlicher Art, bei denen Cisternen oder Brun-
nen unterirdisch durch Stollen verbunden sind, kommen im
Ausgrabungs-Gebiet noch vielfach vor. Man hat augenschein-
lich Brunnen abgeteuft, bis man Wasser fand, ist dann den
DIE ENNEAKRUNOS 21
Wasseradern durch Stollen nachgegangen und hat so Wasser
liefernde Brunnen geschaffen, die erst später, als frisches
Quellwasser aus der Ferne zur Stadt geleitet war, in Cister-
nen umgewandelt worden sind.
Alle diese Anlagen zur Sammlung von Wasser sind un-
zweifelhaft älter als die Zeit des Peisistratos. Sie vergegen-
wärtigen uns die Bestrebungen der alten Athener, alles Was-
ser zu finden, das der F'els des Stadtgebietes in seinen ver-
borgenen Adern und Kammern enthielt. Liefern die vielen
Cisternen, Stollen und Brunnen den deutlichsten Beweis da-
für, dass die Hügel im Westen der Akropolis einst viel Trink-
wasser spendeten, so wird andrerseits doch auch durch die
ausgedehnte Unterminierung des Untergrundes klar, dass man
mit diesen Arbeiten bis an die Grenzen der Wassergewinnung
gekommen war, und dass bei zunehmender Vergrösserung
der Stadt der Wassergehalt des Stadtbodens selbst nicht mehr
ausreichen konnte. Für diesen Fall gab es nur noch ein Mit-
tel, die grosse Stadt mit reichlichem Wasser zu versorgen,
nämlich die Anlage einer grossen, von aussen kommenden
Wasserleitung. Diesen Weg beschritt Peisistratos, indem er
aus dem quellen- und wasserreichen oberen Ilissostale gutes
und reichliches Wasser zur Stadt leitete und so den Brunnen
Enneakrunos schuf, der für alle Zeiten mit seinem Namen
verbunden blieb.
4. Die Wasserleitung des Peisistratos.
Es ist eine charakteristische Eigentümlichkeit der alten
griechischen Wasserleitungen, im Gegensatze zu den meisten
römischen, dass das Wasser in unterirdischen Stollen geleitet
wird, während die Römer meist die oberirdische Führung auf
Aquädukten bevorzugten. Offenbar wollten die Griechen ihre
Wasserleitungen für kriegerische Zeiten verstecken und vor
leichter Zerstörung sichern, was in römischer Zeit nicht mehr
so notwendig war. Die unterirdische Führung bot ausserdem
den Vorteil, dass das Wasser besser gegen die Erwärmung
durch die Sonne geschützt war. Für uns hat sie noch den
weiteren Vorteil gehabt, dass die griechischen Wasserleitungen
22 FR. GRÄBER
noch fast alle unter dem Boden erhalten sind; man braucht
sie nur aufzusuchen und zu reinigen, um sie nicht nur genau
studieren, sondern auch wieder benutzen zu können. Die heu-
tige Stadt Athen erhält ihr Trinkwasser meist aus solchen
alten, wieder in Stand gesetzten Wasseranlagen. Viele alte
Leitungen liegen aber noch vmbekannt unter dem Boden ver-
steckt. Durch ihre Aufsuchung und Ausräumung würde der
jetzt in Athen herrschende Wassermangel wenigstens zum
Teil beseitigt werden können.
Als Peisistratos Wasser aus der Umgebung Athens unter-
irdisch in die Stadt bringen und mit dieser Leitung die Sen-
kung zwischen Akropolis und Pnyx, wo seit uralten Zeiten
der Stadtbrunnen lag, erreichen wollte, musste die Höhenlage
des Sattels zwischen Akropolis und Lykabettos maassgebend
sein für die Höhe der Leitung innerhalb der Stadt. Für den
bauleitenden Ingenieur ergaben die Nivellements, dass der
Brunnenplatz am Pnyxhügel dann am besten unter Benutzung
dieses Sattels erreicht werden konnte, wenn das den Brunnen
speisende Reservoir und auch die ganze Leitung etwas tiefer
gelegt wurden als die entsprechenden Teile der älteren Was-
seranlagen. Dabei musste der unterirdische Stollen von jenem
Sattel bis zur Pnyx an der ganzen Südseite der Burg entlang
mit sehr geringem Gefälle gelegt werden. Nach der jetzigen
Höhe des Sattels zu schliessen (die antike Höhe ist nicht ge-
nau bekannt), hat die Leitung an dieser Stelle noch etwas
über dem Terrain gelegen und muss entweder einen kurzen
Aquädukt oder eine Dükeranlage enthalten haben. Um beides
ganz zu vermeiden, hätte der neue Stadtbrunnen beträchtlich
tiefer angelegt werden müssen als der ältere; das scheinen
aber die Terrainverhältnisse oder andere Umstände nicht er-
laubt zu haben. Der Ausfluss der Leitung beim grossen Bas-
sin am Pnyxhügel ist tatsächlich in einer Höhe von 83,85 m
über dem Meere angelegt worden. Der Sattel östlich von der
Akropolis zeigt jetzt an der Kreuzung der Hadrianstrasse und
Kydathenstrasse nach der Kaupertschen Karte die Höhe 83,2.
Nehmen wir den antiken Boden hier nur um 2 m tiefer an, so
muss die Leitung auf diesem Sattel mindestens 4 m über dem
antiken Boden gelegen haben. Der ältere, oben beschriebene
DIE ENNEAKRUNOS 23
Stollen, der vom Herodestheater bis an die Pnyx führte, lag-
etwa 2 m höher und konnte daher nicht benutzt werden. Da
beide Stollen, damit ihre Brunnen zugäno-lich waren, unter
der antiken Strasse liegen, laufen sie meist dicht übereinan-
der her und haben im Allgemeinen dieselbe Richtung.
Der grosse Felsstollen, den Peisistratos herstellen Hess,
ist durch die Ausgrabungen des Deutschen Instituts gefunden
und teilweise ausgeräumt worden. Er ist sorgfältiger und
regelmässiger gebaut als der ältere, hat aber eine geringere
Höhe, nur 1,35 — 1,50 m im Lichten. Die Abmessungen des
mehrere Kilometer langen unterirdischen Stollens wurden be-
greiflicher Weise auf ein Minimum eingeschränkt. Es musste
nur genug Höhe verbanden sein, um den Stollen anlegen und
die hineingelegte Wasserleitung später nachsehen und reini-
gen zu können. Das Höhenmaass hat sich dadurch an eini-
gen Stellen vermindert, dass die Tonrohrleitung etwas höher
gelegt wurde als die Sohle des Stollens.
Wir beginnen die Beschreibung des Stollens beim Dio-
nysostheater am südöstlichen Fusse der Akropolis und be-
gleiten ihn bis zum Brunnenhause an der Pnyx. Später wer-
den wir den oberen Teil des Stollens von der Stadt bis zu
den Quellen besprechen.
Innerhalb des Dionysos-Bezirks scheinen mehrere Um-
änderungen des ursprünglich wohl in ziemlich gerader Linie
verlaufenden Kanales vorzuliegen, die vermutlich durch den
Bau der Tempel und des Theaters veranlasst waren, aber
vielleicht auch später aus unbekannten Gründen erfolgt sind.
Westlich vom Theater läuft die Leitung in einem unterirdi-
schen Stollen unter einer antiken Strasse, die südlich von der
Eumenes-Stoa aufgedeckt ist. In der Nähe des Herodes-Thea-
ters konnte der Stollen leider nicht ausgeräumt werden, weil
er ganz zusammengestürzt und von sehr hohen Schuttmassen
überdeckt ist. Erst westlich von diesem Theater ist er bis zu
seinem Ende am Brunnenhause ganz ausgegraben und auf
Tafel III im Grundriss und Längenschnitt gezeichnet. Er zer-
fällt hier in zwei ganz verschiedene Teile, die auch auf der
Tafel getrennt untereinander dargestellt sind. Im ersten Ab-
schnitt ist er als unterirdischer Felsstollen gebildet und zwar
24
FR. GRABER
reicht dieser bis zum Punkte Z 3 (siehe auch auf Tafel I im
Quadrate Cl1), wo das Terrain stark nach Norden abfällt
und die Leitung deshalb aus dem Felsen heraustritt. Von
hier bis zum Reservoir und Brunnenhause reicht der zweite
Abschnitt, in welchem die Leitung aus grossen Porosquadern
erbaut und mit Erde überschüttet ist. Vom Punkte Z 3 ab
läuft sie zuerst in nördlicher Richtung etwa 40 m lang unter
der antiken, zur Akropolis führenden Fahrstrasse; nim'mt
dann, indem sie die Strasse verlässt, wieder eine mehr west-
liche Richtung an und endigte schliesslich vor dem Felsen
des Pnyxhügels in einem grossen Bassin, das neben dem Brun-
nenhause angelegt war.
Auf der Sohle des Stollens lag einst überall eine runde
Tonrohr-Leitung von durchschnittlich 0,20 m lichter Weite.
Das in Abb. 7 in Ansicht und Durchschnitt abgebildete Rohr
Abb. 7. Tonrohr von der Wasserleitung des Peisistratos.
Ansicht nnd Durchschnitt.
zeigt eine sehr sorgfältige Ausführung. Es ist aus fein ge-
schlemmtem rotem Ton gearbeitet, innen mit rotem Firnis
überzogen und aussen mit einer Streifenverzierung von dem-
selben Firnis ausgestattet. Auf eine gute Muffendichtung ist
besondere Sorgfalt verwendet. Jedes Rohr besitzt ferner an
seiner Oberfläche ein eingeschnittenes elliptisches Loch, dass
mit einem einpassenden Deckel verschlossen war, eine Vor-
richtung, die zur Reinigung der Rohre von dem in grosser
DIE ENNEAKRUXO.S
25
Menge sich absetzenden Kalksinter nötif^ war. Da in den
alten Wasserleitungen des Theagenes und Polykrates in Me-
gara und Samos Tonrohre von gleichen Maassen, gleicher
Muffenbildung und ähnlicher Ausstattung gefunden sind,
kann man kein Bedenken tragen, die athenischen Leitungs-
rohre und damit auch die ganze Wasserleitung der Zeit des
Peisistratos zuzuschreiben. Man ist dazu um so mehr berech-
tigt, als die literarische Überlieferung einstimmig Peisistratos
und seine Familie als Erbauer des athenischen Stadtbrun-
nens, der Enneakrunos, nennt.
Eben solche Rohre, nur kleineren Maasstabes, finden wir
in einigen Zweigleitungen des Hauptkanals. Die eine geht
bei Z 6 (auf Tafel III und im Quadrat D 9 auf Tafel 37 der
Ani. Denkmäler II) als Seitenstollen nach Süden zum Ilissos-
tale hinab und ist in einer Länge von etwa 60 m abwärts ver-
folgt worden ; sie wird einst Wasser zu einem dort gelegenen
öffentlichen Laufbrunnen oder zu einem Heiligtume geführt
haben. Die hier verwendeten Tonrohre haben einen Durch-
messer von etwa 0,13 m und sind in Abb. 8 abgebildet. Eine
Abb. 8. Tonrohre von einer Zweigleitung der Peisistratos-
Wasserleitung. Ansicht und Durchschnitt.
andere kleine Tonrohrleitung zweigt im Ausgrabungsgebiet
selbst (bei a^ auf Tafel I) an der letzten Biegung der Peisi-
stratos-Leitung von dieser ab und führte durch die Quadrate
C 9 und C 8 (Tafel I) zum Amyneion, um dem Tiefl^runnen
dieses Heilbezirkes frisches Wasser zuzuführen. Auch diese
26 FR. GRÄBER
Nebenleitungen dürfen der Epoche des Peisistratos zuge-
schrieben werden.
Eine auffallende Beobachtung machen wir am Schlüsse
der Hauptleitung, deren letztes in B 8 auf Tafel I liegendes
Stück auf Tafel II in grösserem Maasstabe wiedergegeben ist.
Der aus Porosquadern gebaute Kanal a^-a^, in welchem die
Tonrohrleitung liegt, endet bei a^ am Pnyxfelsen. Aber schon
1 0 m vor dem Ende biegt bei a 3 eine Tonrohrleitung seitlich'
vom Kanäle ab und läuft parallel zum Pnyxfelsen, frei in der
Erde liegend, in fast gerader Linie nach a 5 zum grossen
Bassin, in das ihr Wasser ausströmte. Sie besteht aus alten
und auch einigen späteren rvmden Tonrohren, die mit Blei
gedichtet sind. Erst in späterer Zeit ist, wie wir noch sehen
werden, die viereckige Tonrinne gelegt worden, die jetzt im
Poroskanal bis zu seinem Ende a 4 liegt und dann umbie-
gend nach Z 2 zum grossen Reservoir führt. Eine ähnliche
Erscheinung ist in Samos beobachtet worden (vgl. E. Fabri-
cius, Athen. Mitteil. 1884, 163 ff.); auch dort verlässt die Was-
serleitung des Polykrates den grossen Felsstollen vor seinem
Ende. Ich weiss keinen anderen Zweck für diese Einrichtung
anzugeben als den, welcher für Samos vorgeschlagen wird,
nämlich die absichtliche Versteckung des Stollenanfangs, da-
mit der Stollen selbst von Unbefugten nicht leicht gefunden
werden konnte.
Von dem aus Porosquadern hergestellten Teile der Peisi-
stratos-Leitung zeichne ich in Abbildung 9 im Grundriss,
Querschnitt und Längenschnitt die am. besten erhaltene Stelle
bei a 3, wo das alte runde Rohr den Kanal verlässt und zum
Bassin hinläuft. In der Seitenwand des aus grossen Quadern
erbauten Kanals befindet sich eine viereckige Öffnung a, durch
die das Rohr b hinaustritt. Dass dieses Loch nicht erst nach-
träglich hergestellt ist, sondern von Anfang an beabsichtigt
war, zeigen die im Längenschnitt angegebenen Maasse der
unteren Quadern auf's Deutlichste. Keine von ihnen ist durch
das Loch verkürzt worden. Die ebenfalls aus Porös bestehende
Deckplatte des Kanals ist von unten gewölbartig ausgerundet
und enthielt gerade über jenem Loch eine ehemalige Öffnung d.
Im Grundrisse und Längenschnitte ist anstatt des alten run-
FR. GRÄBER
27
den Tonrohrs, welches ursprüng-lich dort lag-, eine offene
viereckig-e Rinne e gezeichnet, welche jetzt dort liegt und
aus später, vielleicht erst römischer Zeit stammt.
Weiter südlich in den Oadraten B 9 und C 1 0 sind fast
die sämtlichen Porosquadern des Kanales verschwunden und
teilweise durch Tonplatten ersetzt worden. Diese Zerstörung
des alten Poroskanales kann nur in byzantinischer Zeit erfolgt
sein, als die Leitung zeitweise ausser Tätigkeit gesetzt war.
Dass zu derselben Zeit wahrscheinlich auch die sämtlichen
Quadern des grossen Peisistratos- Bassins entfernt worden
Grundriss Querschnitt
Abb. 9. Gemauerter Kanal der Wasserleitung des Peisistratos.
sind, werden wir später sehen. Nur einem glücklichen Zufall
verdanken wir es, dass das Endstück der Leitung in B 8
der Vernichtung entgangen ist. Für uns ist es ein unschätz-
barer Zeuge für die solide Bauart der altgriechischen Was-
serleitung.
Das aufgedeckte Stück der Peisistratos -Leitung (vom
Herodes-Theater bis zur Pnyx) hat im Laufe der vielen Jahr-
hunderte seines Bestehens mannigfache Änderungen erfahren,
die sowohl in Verlegungen und Erweiterungen der Leitung,
als auch in Änderungen des Ausbaus bestanden. Eine Verle-
28 FR. GRÄBER
gung- des Felsstollens ist auf eine Länge von 32 m zwischen
den Punkten Z 5 und Z 4 (Tafel I) vorgekommen. Entweder
weil der Fels weich und brüchig war und daher einzustürzen
drohte, oder weil die Leitung nicht mehr unter der Ecke des
vermutungsweise als Eleusinion bezeichneten Bezirks, son-
dern unter der öffentlichen Strasse liegen sollte, ist ein neuer
Stollen gebaut worden, der im Bogen von Z 5 über Z 1 0 und
Z 8 nach Z 4 läuft. Auf seiner Sohle finden wir statt der run-
den Tonrohrleitung, wie sie noch jetzt in dem alten, ausser
Tätigkeit gesetzten Teile des Stollens liegt, eine offene vier-
eckige Rinne. Da diese jetzt auch in dem ganzen Schluss-
stück der Leitung bis zum grossen Reservoir liegt, dürfen
wir annehmen, dass mit der Verlegung des Stollens zugleich
eine Beseitigung der alten runden Tonrohre auf der ganzen
Strecke bis zum Endpunkt der Leitung und ein Ersatz durch
die jüngere viereckige Rinne vorgenommen wurde.
Mit derselben Verlegung war wahrscheinlich eine weitere
Ausdehnung des Kanalnetzes nach Westen verbunden. Von
der neugebauten Strecke zweigt nämlich bei Z 8 ein Stollen
in westlicher Richtung ab, welcher den Sattel zwischen Mu-
seion und Pnyxhügel in grosser Tiefe durchschneidet und zum
Stadtquartier Koile führt. Die Ausräumung dieses durch den
harten Kalkfelsen getriebenen vind daher vorzüglich erhalte-
nen Stollens konnte wegen Einspruches des Grundstückbe-
sitzers nur in einer Länge von etwa 250 m erfolgen, ohne
dass das Ende erreicht war.
Eine zweite Verlegung scheint südwestlich vom Herodes-
Theater (bei T auf unserer Tafel III und auf Tafel 37 der
Antiken Dcnkuiälcr II) erfolgt zu sein, doch haben wir die
zweite Vereinigungsstelle der Stollen noch nicht gefunden
und können daher auch noch keine bestimmte Ansicht über
Art und Zweck der Verlegung äussern.
Nicht zum ursprünglichen Kanäle des Peisistratos gehö-
ren ferner mehrere kurze Stichkanäle, die von der Hauptlinie
seitlich abführen und gewöhnlich in einem Brunnenschacht
endigen. Man hat es hier mit Anzapfungen der Wasserleitung
zu tun, die in verschiedenen Jahrhunderten, sei es mit, sei es
ohne Genehmigung der Stadtbehörde, hergestellt sind. In
DIE ENNEAKRUNOS 2Q
einigen Grundstücken, die in der Nähe der Kanallinie lagen,
sind nämlich Brunnen, die unter der vSohle der Wasserleitung
lagen, durch Stollen mit ihr verbunden worden und waren
nun stets bis zur Höhe der Leitung mit Wasser gefüllt.
Eine weitere Verzweigung oder richtiger Verlängerung
des Kanalnetzes hat in römischer Zeit nach Norden über das
Brunnenhaus hinaus stattgefunden. Am Pnyxfelsen ist näm-
lich ein Stollen sichtbar, welcher in der Höhenlage der alten
Peisistratos- Leitung liegt, mit dieser durch eine viereckige
Tonrinne verbunden ist und Wasser in schwachem Gefälle
über die vielen Felskammern hinweg nach Norden leitete
(auf unseren Tafeln I und H durch eine Strich- Punkt- Linie,
auf Tafel 38 der Denkmäler deutlicher durch eine rote und
blaue Linie bezeichnet). Da dieser Stollen— jetzt als offene in
in den Fels gehauene Rinne endigend — nicht dem stark ab-
fallenden Terrain folgt, sondern seine Höhenlage beizubehal-
ten sucht, dürfen wir vermuten, dass er entweder einen hoch-
gelegenen Stadtteil am Nymphenhügel mit Wasser versorgen,
oder aber, was wahrscheinlicher ist, mittels Aquädukts die
Strasse zwischen Pnyx und Areopag überschreiten sollte, um
ein am Areopag oberhalb der Agora gelegenes Hochreservoir
zu speisen. Diese Verlängerung der alten Leitung fällt in die
spätrömische oder byzantinische Zeit, wie sich aus ihrer Kon-
struktion und aus dem später noch zu besprechenden An-
schluss an die alte Leitung mit Sicherheit ergibt. Sie kann
auch erst angelegt sein, als der Lauflorunnen an der Pnyx, die
Enneakrunos, nicht mehr als Stadtbrunnen diente.
Bevor wir uns zu dem Ende der Wasserleitung wenden
und die Reste der dort befindlichen Reservoire und des Brun-
nenhauses selbst besprechen, müssen noch die einzelnen Pro-
file des Felsstollens mitgeteilt und seine verschiedenen Repa-
raturen erläutert werden.
Die allgemeine Führung des vStollens und seine Lage im
Verhältnis zum jetzigen Terrain sind aus den Grundrissen
und den Längenschnitten auf Tafel IH zu ersehen. Wie das
Profil des Stollens ursprünglich gestaltet war, zeigen die bei-
den Abbildungen 10 und 11, von denen die eine das Tonrohr
in der Mitte, die andere an der Seite des Stollens darstellt.
30
FR. GRÄBER
Naturgemäss sind die Abmessungen des Felsstollens nicht
überall dieselben, halten sich aber meist innerhalb der in den
Abbildungen angegebenen Grenzen. W. Dörpfeld vermutet,
dass die vorgeschriebenen Minimalmasse des Stollens 0,65 m =
2 altgriechische Fuss für die Breite und 1,30 m = 4 Fuss für die
Abb. 10.
Felsstollen der Enneakrunos
mit dem alten Tonrohr.
Abb. 11.
FeLsstollen der Enneakrunos init
dem alten Tonrohr an der Seite.
Höhe gewesen sind; die wirklichen Maasse sind meist etwas
grösser. Wo sie jetzt bedeutend grösser sind, lässt sich ein
Abwittern oder Abblättern des Schiefers konstatieren. Als die
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Abb. 12.
FeLsstollen der Enneakrunos
mit späterer Tonrinne.
Abb. 13.
Viereckige Tonrinne aus der Leitung
der Enneakrunos
runden Tonrohre in römischer Zeit zum Teil durch viereckige
Rinnen aus Ton ersetzt wurden, hatte der Durchschnitt die
in Abbildung 1 2 gezeichnete Gestalt. Die Abmessungen der
DIE ENNEAKRÜNOS
31
13 zu
einzelnen Stücke dieser Tonrinne sind der A1)l)il<lun
entnehmen.
Da der Fels fast überall aus leicht verwitterndem Ton-
schiefer besteht, ist die Decke des Stollens an einit^en vStcllen
schon im Altertum eingestürzt. Um solche Einstürze zu ver-
hindern, ist der Stollen im Laufe der vielen Jahrhunderte sei-
0,6b-
Abb. 14. Felsstollen der Enneakrunos, mit Tonplatten ausgebaut.
nes Bestehens auf längere Strecken mit Einbauten versehen
worden. Eine gefährliche Stelle dieser Art, welche wahrschein-
lich wegen der Brüchigkeit des Gesteins schon früh sogar
ganz ausgeschaltet und umgangen werden musste, haben wir
Abb. 1 5. Felsstollen der Enneakrunos mit elliptischen Tonrohren.
bereits oben kennen gelernt. An einer anderen Stelle, wo
durch Reparaturbauten geholfen werden konnte, wurde der
Stollen mit segmentförmigen Brunnenplatten ausgekleidet, so
gleich am Anfange des Felsstollens im Quadrat C 1 1 (Abb. 1 4).
Die viereckige Rinne, welche hier lag, fehlt jetzt und ist da-
32 PR. GRÄBER
her in der Zeichnung nur punktiert. Für grössere Strecken,
die auf Tafel III zu erkennen sind, hat man 0,20-0,24 m lange
Tonplatten von eiförmiger Form genommen, wie sie bei alten
Entwässerungskanälen vorkommen (Abb. 15). Die Platten
scheinen mir aber wegen ihrer Abmessungen besonders für
unseren Stollen angefertigt worden zu sein. Am östlichen (lin-
ken) Ende des auf Tafel III gezeichneten Teiles der Leitung
ist der Stollen mit Quadern ausgemauert, sein Profil gebe ich
in Abbildung 16.
Abb. 1 6. Felsstollen der Enneakrunos,
mit Quadern ausgemauert
Wie der Stollen auf diese Weise durch mannigfache
Schutzmaassregeln in gutem Zustande erhalten worden ist, so
mussten in gleicher Weise auch seine senkrechten Einsteige-
schachte durch Sicherungen verschiedener Art gegen Ein-
sturz geschützt werden. Wir finden Verkleidungen dieser
Schachte mit tönernen Brunnenplatten und mit Bruchstein-
mauern. Einige, in harten Kalkfelsen eingearbeitete zeigen
noch jetzt ihre ursprüngliche viereckige Form ohne jede Ver-
kleidung. Andere, die durch weiches Gestein oder durch Erde
gehen, haben, um stets besteigbar zu sein, wahrscheinlich
schon bei ihrer Anlage eine Verkleidung der Wände aus Stein
oder Ton erhalten. Die verschiedenen Formen der Einsteig-
schachte sieht man am besten in dem Längenschnitt auf
Tafel III, wo die Schachte als vertikale Brunnen und die bei-
den Stollen (der des Peisistratos und der ältere) als horizontale
Gänge übereinander erkennbar sind. Dass wir es bei den man-
nigfachen Formen des Stollens und der Einsteigeschachte
DIE ENNEAKRUNOS 33
fast durchweg mit späteren Reparaturen zu tun haben, be-
weist schon die grosse Verschiedenheit der verwendeten Mate-
riaHen und der Ausführungsarten. Über die Zeiten, in denen
diese Erneuerungen vorgenommen wurden, können wir keine
bestimmten Angaben machen, weil die Technik der Brunnen-
schachte und Kanal wände sich im Laufe der Jahrhunderte
wenig geändert hat. Von den verschiedenen Ausmauerungen
des Stollens scheint uns die mit Quadern die älteste zu sein,
während die mit Tonplatten und Tonringen wohl jüngerer
Zeit angehört.
5. Die Wasserbehälter des Peisistratos.
Nachdem wir die Leitung des Peisistratos als Felsstollen
und gemauerten Kanal kennen gelernt haben, wenden wir
uns zu dem Endpunkt der Leitung, zu der Stelle, wo das
Brunnenhaus gestanden haben muss und die Wasserentnahme
stattfand. Die Untersuchungen an dieser Stelle sind dadurch
erheblich erschwert, dass die der Zerstörung entgangenen
geringen Reste gerade unter der modernen Fahrstrasse liegen.
Bei dem vor etwa 40 Jahren erfolgten Bau dieser Strasse hat
man Teile des Pnyxfelsens abgesprengt und manches Erhal-
tene vollkommen zerstört. Leider sind damals keine Aufnah-
men der antiken Reste gemacht worden. Uns war es jetzt
nicht erlaubt, die Strasse zeitweise zu sperren oder zu verle-
gen, um den ganzen Platz ausgraben und untersuchen zu
können. Wir waren vielmehr darauf beschränkt, die Strasse
bald von der rechten, bald von der linken Seite her anzugra-
ben und stückweise, so weit es anging, zu unterhöhlen. Alle
Stellen, wo Alleebäume stehen, mussten ganz ununtersucht
bleiben. Die Erforschung war weiter dadurch erschwert, dass
das Brunnenhaus und seine Umgebung durch vielerlei Vm-
bauten mehrere vollständige Umgestaltungen erlitten hat.
Endlich ist im Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein das
Trümmerfeld aufs gründlichste ausgeraubt worden, um Bau-
material für die Wohnhäuser und die Festungsbauten der
Stadt zu gewinnen. Wenn man jetzt die kahlen, aller antiken
Bauten beraubten Felsen des Areopags und der Pnyx sieht,
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. 3
34 FR. GRÄBER
erscheint es fast wunderbar, dass überhaupt noch so viele
Mauern und andere antiken Reste zwischen diesen Hügeln
erhalten geblieben sind.
Obwohl von der ursprünglichen Anlage des Brunnen-
hauses nur noch geringe Trümmer vorhanden sind, haben die
Ausgrabungen doch so viele Anhaltspunkte ergeben, dass die
Stelle des Brunnenhauses und der Bassins mit Sicherheit an-
gegeben und auch mehrere Einzelheiten dieser Anlagen be-
stimmt werden können. Die Beobachtungen, welche W. Dörp-
feld und seine Mitarbeiter während der Grabungen über die
Brunnenanlage gemacht hatten, habe ich bei meinen Nach-
forschungen in allen wesentlichen Punkten bestätigt gefun-
den ; auch die Schlüsse, die sich mir aus dem Tatbestande er-
geben, weichen nur wenig von den früheren Mitteilungen ab.
Wenn man den Lageplan unserer Tafeln I und II oder
auch der Tafeln 37 und 38 der Antiken Denkmäler II betrach-
tet, fällt der grosse freie Platz in die Augen, der sich vor dem
alten, vorher beschriebenen Quellhause der Kallirrhoe in grie-
chischer Zeit ausdehnte. Die antike Hauptstrasse zur Burg
macht hier einen Bogen und lässt zwischen sich und dem
Pnyxf eisen einen Raum von etwa 30 m Tiefe und noch grös-
serer Breite frei, auf den mehrere antike Strassen strahlen-
förmig- grerichtet sind. Hier war also seit den ältesten Zeiten
ein Centrum des öffentlichen Lebens. Erst in der römischen
Zeit, als das Wasser der Enneakrunos zum Areopag und zum
neuen Markte geleitet war, sind einige jener Strassen verengt
oder sogar ganz zugebaut worden. Auf diesem Platze und in
seiner Nähe sind ausser kleinen Stützmauern, "welche einst
die horizontalen Terrassen begrenzten, keine griechischen
Gebäude gefunden. Römische oder byzantinische Mauern, die
aus alten Bausteinen verschiedener Art zusammengefügt sind,
nehmen den ganzen Platz ein und bildeten augenscheinlich
ein oder mehrere Wohnhäuser. Dass in ihnen mehrere Steine
eines alten griechischen Brunnenhauses verbaut waren, wer-
den wir später sehen. Trotz der totalen Zerstörung des alten
Brunnenhauses sind unter dem Fussboden des späten Wohn-
hauses noch einige Reste als wichtige Zeugen der alten Was-
seranlage erhalten, nämlich drei grosse unterirdische Kanäle,
DIE ENNEAKRUNOS 35
die weg'en ihrer Lage keine Strassenkanäle und wegen ilirer
Grösse und Tiefe keine Hauskanäle gewesen sein können.
Sie haben auch nicht nur zur Entwässerung des Platzes und
einer südlich anstossenden, etwas höheren Terrasse gedient,
denn sie reichen bis in die Nähe des Pnyxfelsens, während das
Regenwasser von beiden Plätzen ohne Stichkanäle unmittel-
bar nach dem Hauptstrassenkanal hätte abfliessen können. Ihr
Zweck kann nur darin bestanden haben, den Wasserabfluss der
grossen Leitung, der Bassins und des Laufbrunnens aufzuneh-
men und in den Hauptkanal der Fahrstrasse zu leiten. Der
südliche Kanal (K 1 bis K 5 auf Tafel I und H) liegt auf der
Terrasse östlich von dem alten uns schon bekannten Bassin
r11-r12 und sein Anfang reicht ganz nahe an das Ende der
grossen Wasserleitung des Peisistratos bei Z 2 und an das
kleine Bassin r 1 6 heran. Die beiden anderen Kanäle begin-
nen bei K 2 und K 3, also auf dem grossen Platze, der un-
mittelbar vor dem alten Felsbrunnen der Kallirrhoe und unter-
halb des grossen Wasserbassins liegt. Der eine mündet bei K 4
in den Strassenkanal ; der Lauf und die Mündung des ande-
ren sind noch nicht bekannt. An jenem Platze, und zwar zwi-
schen den Enden der beiden Kanäle, muss das Brunnenhaus
des Peisistratos gelegen haben. Dort haben sich bei r 1 7 einige
spärliche Mauerreste erhalten, die wir schon oben vernmtungs-
weise mit dem Brunnenhause in Verbindung brachten. Südlich
davon sind bei r 1 1 und r 1 2 zwei Ecken des alten, in den
Felsen gehauenen Wasserbehälters von 1 0 m Länge erhalten,
den wir schon öfters erwähnten. Seine einfache Konstruktion
(er ist auf dem Boden und an den Wänden nur mit dünnem
Stuck versehen) und seine Höhe (sein Boden liegt nur 0,40 m
unter der Wasserleitung des Peisistratos) verbieten uns, ihn
mit dem grossen Wasserwerk des VL Jahrhunderts in Ver-
bindung zu bringen. Er ist, wie wir schon oben annahmen,
das Reservoir der älteren etwas höher gelegenen Leitung ge-
wesen, die den Stadtbrunnen Kallirrhoe vor seiner Umände-
rung zur Enneakrunos speiste. Wo lag aber das grosse Reser-
voir zu der Leitung des Peisistratos?
Die aufgedeckten Ruinen zeigen, dass der ältere Wasser-
behälter bis auf einen schmalen Streifen zerstört wurde, als
36 FR. GRÄBER
Östlich davon ein grösseres und tieferes Bassin entstand. Letz-
teres muss das Reservoir für die Leitung des Peisistratos ge-
wesen sein. Der schmale Streifen des älteren Behälters ist
jetzt von der späten Wasserleitung eingenommen, durch die
das Wasser der Enneakrunos unter Umgehung des neuen
Bassins in spätrömischer Zeit nach Norden zur Agora geleitet
wurde. Ob schon früher eine ältere Leitung hier gelegen hat,
die etwa Wasser zur alten Kallirrhoe im Pnyxfelsen leitete,
lässt sich nicht sagen ; möglich ist es jedenfalls. Das neue
grosse Bassin ist leider ausserordentlich zerstört, seine Ab-
messungen und seine Höhenlage sind nur an den Einarbei-
tungen in den Felsen noch einigermassen zu bestimmen.
Während seine westliche Grenze gegen die des älteren Bas-
sins etwas zurückgezogen ist, waren die drei anderen Gren-
zen weiter hinausgeschoben. Die Grundfläche scheint ein Tra-
pez von etwa 17:13 m mit einem schmalen Vorbassin gewe-
sen zu sein, war , also mindestens doppelt so gross als das
ältere Reservoir.
Lässt uns ein Vergleich mit den in Meg'ara und Samos
aufgefundenen alten Wasserbehältern auch in Athen für die
Enneakrunos ein von Quadern eingefasstes Bassin mit einer
von Säulen getragenen Decke erwarten, so werden wir in die-
ser Annahme durch die Tatsache bestärkt, dass der letzte Teil
der Leitung des Peisistratos tatsächlich aus grossen Porosqua-
dern besteht. Das gleiche Material (Kalkstein vom Peiraieus)
dürfen wir daher auch für die Wände des grossen Behälters
voraussetzen. Leider scheint aber auch nicht eine einzige Qua-
der davon erhalten zu sein. Mit Bestimmtheit hierüber zu
sprechen, ist freilich nicht möglich, weil eine gründliche Unter-
suchung des Bodens leider durch die moderne, mit Bäumen
bepflanzte Fahrstrasse verhindert wird. Dass die Wände des
Bassins aber einst aus Quadern bestanden haben, wird durch
den Zustand der Felswände bestätigt. Sie zeigen keinerlei
Reste eines ehemaligen Stucküberzuges und können auch
keine Verkleidung aus Ziegeln oder Gusswerk, wie sie in
römischer Zeit für Bassins üblich war, gehabt haben, weil sich
wenigstens kleine Reste davon erhalten haben müssten. Das
Verschwinden der gut benutzbaren Porosquadern ist dagegen
DIE ENNEAKRUNOS
37
wohl verständlich. Wenn schon der aus Ouadern erbaute Teil
der Peisistratos-Leitung, obwohl er mehrere Meter tief unter
dem Boden lag, in byzantinischer Zeit auf eine grosse »Strecke
hin seiner Steine beraubt worden ist, wie viel weniger konnte
Abb. 1 7. Mündung der Enneakriinos-Leitung. Griindriss.
da die stets sichtbare Quaderverkleidung des grossen Reser-
voirs den nach Baumaterial suchenden Byzantinern entge-
hen? Die Sohle des grossen Bassins zeigt jetzt die Höhen-
zahl 82,10 m und wird einst, als der Fussbodenbelag noch vor-
handen war, etwa 0,20 m höher gewesen sein, lag also um
38 FR. GRÄBER
etwa 1,50 m tiefer als die Sohle des älteren Wasserbehälters.
Das stimmt vorzüglich zu der uns schon bekannten Tatsache,
dass auch die ganze Leitung des Peisistratos um dieses Maass
tiefer angelegt ist als der ältere Felsstollen. Die Höhenmaasse
der beiden Leitungen mögen als besonders wichtige Zahlen
hier zum Vergleich nochmals zusammengestellt werden : Die
Sohle des älteren Bassins lag 83,47 m über dem Meere, sein
Zufluss etwas über 85 m ; die entsprechenden Zahlen des grös-
seren peisistratischen Bassins sind 82,30 m für den jetzt feh-
lenden Fussboden und 83,85 m für die alte Einmündung der
Wasserleitung.
Diejenigen Seiten des Peisistratos-Bassins, welche ihren
ehemaligen Zustand trotz des Fehlens der Quaderverkleidung
8A 50
82 10
Abb. 18. Mündung der Enneakrunos- Leitung. Durchschnitt.
noch einigermaassen an den Felseinschnitten erkennen lassen,
nämlich die westliche und südliche, sind in den Abbildungen
17-19 dargestellt. Der Grundriss (Abb. 1 7) zeigt die ganze
Südseite des Hauptbassins und das nach einer Einarbeitung
im Felsen ergänzte Vorbassin, ferner die Mündung der Ennea-
krunos-Leitung in älterer und jüngerer Zeit (L 1 und L 2)
und endlich eine Ecke des älteren vorpeisistratischen Bassins
(r 1 2). Während das letztere durch eine starke Linie hervor-
gehoben ist, sind die ergänzten Mauern der Enneakrunos-
Bassins durch Kreuzschraffur kenntlich gemacht. Gezeichnet
sind ferner die späteren Wasserleitungen, welche nach der
Zerstörung des griechischen Brunnenhauses das Wasser zur
Agora ' und an einige andere Stellen geleitet haben (L 4 - 7)
DIE RNNKAKRUN08
39
und das späte, noch jetzt erhaltene Bassin r 16. Die Höhenlaj^e
der verschiedenen Leitungen im Verhältnis zu dem Haupt-
bassin der Enneakrunos wird am besten verständlich durch
den Durchschnitt (Abb. 1 8), der nach der gebrochenen Linie
A-B-C-D des Grundrisses gelegt ist. Hier sehen wir links die
beiden Enden der Hauptleitung, von denen die ältere (L I)
einst in das grosse Vorbassin mündete, während die jüngere
(L 2) noch jetzt ihre Mündung bei dem kleineren römischen
Vorbassin hat. Als beide Vorbassins zerstört vmd mit Schutt
gefüllt waren, sind die jüngeren, höher liegenden Leitungen
angelegt worden. Aus dieser späten Zeit stammen auch die
aus unregelmässigen Steinen errichteten Mauern, welche im
S1 ülz mauer
des Wegeb iup Pnyx
,.,,^,.,„.,,^,, vjri.^^v."' Alfss Bassin
Estrich
Bassin des
Peisistratos.
Abb. 19. Querschnitt durch die westUche Begrenzung
des Bassins der Enneakrunos.
Grundriss und Durchschnitt gezeichnet sind. Der Bauzeit des
grossen Bassins gehört dagegen der wichtige, tiefliegende
Felskanal W an, der namentlich im Durchschnitt gut zu er-
kennen ist: er bildet die Fortsetzung des grossen Abfluss-
kanals K 1 , den wir noch näher kennen lernen werden.
Zur Veranschaulichung der gegenseitigen Lage des Haupt-
bassins und des älteren vorpeisistratischen Bassins dient der
Durchschnitt (Abb. 19), der in der Linie E-F des Grundrisses
gezeichnet ist. Links oben sieht man die Stützmauer des anti-
ken Fussweges zur Pnyx, daneben den Rest des älteren in
den Felsen eingeschnittenen Bassins, wiederum kenntlich an
der starken schwarzen Linie, die den Stucküberzug auf dem
40 FR. GRÄBER
Boden und an der seitlichen Bergwand andeuten soll. Über
dem Estrich liegt die spätrömische, zur Agora führende Was-
serleitung L 7, eine viereckige Tonrinne, die durch elliptische
Tonplatten überdeckt und seitlich durch eine Mauer gestützt
wird. Endlich ist rechts die grosse, aus dem Felsen heraus-
gearbeitete Vertiefung für den Hauptbehälter der Enneakru-
nos zu sehen ; das fehlende Quaderwerk seiner Wände und
der Fussbodenbelag sind auch hier in Kreuzschraffur ergänzt.
Dass diese Ergänzung im Einzelnen nicht ganz gesichert ist,
sondern nur auf Einarbeitungen im Felsen beruht, mag hier
zur Vermeidung von Missverständnissen nochmals ausdrück-
lich hervorgehoben werden.
Ein kleines Bassin, das w^ahrscheinlich aus der Zeit des
Peisistratos stammt, wurde schon während der Ausgrabung
als Wasserbehälter erkannt. Es liegt auf der höheren Terrasse
in den Quadraten B 8 und C 8 und ist mit r 1 5 oder auch V
bezeichnet. Bei der Ausgrabung war der Behälter an den Ein-
arbeitungen des Felsens und an feinem Sande, der den Boden
bedeckte, gut zu erkennen, und seine Maasse konnten auf rund
10 m für die Länge und 1,50 m für die Breite festgestellt wer-
den. Jetzt ist der weiche Fels sehr verwittert und die Grund-
rissform kaum noch zu erkennen. Zu diesem Bassin, das seiner
Höhenlage nach nicht zu einem Laufbrunnen passt, rechnet
W. Dörpfeld den Stein eines alten Schöpfbrunnens, den wir
weiter unten besprechen werden. Solche Schöpfbehälter haben
sich in Megara und Pergamon an den alten Brunnenhäusern
gefunden und müssen auch in Athen vorausgesetzt werden.
Während das überschüssige Wasser des grossen Bassins in
den Laufbrunnen durch Löwenköpfe und andere Ausgüsse
ablief, musste es in den Schöpfbrunnen aus dem Bassin selbst
oder aus einem Nebenhälter geschöpft werden.
Im Gegensatze zu den sehr zerstörten altgriechischen
Wasserbehältern ist ein kleines, aus spätrömischer oder by-
zantinischer Zeit stammendes Bassin, das schon mehrmals
erwähnt wurde, noch sehr gut erhalten. Es liegt zwischen
den beiden soeben beschriebenen alten Behältern und ist auf
Tafel I und in Abb. 1 7 mit r 1 6 bezeichnet. Seine aus alten
Bausteinen errichteten Mauern sind mit Putz überzogen und
DIE ENNEAKRUNOS
41
stehen noch bis 1,25 ni H()he ül)cr dctn Fussboden aufrecht.
Gespeist wurde es durch ein viereckin^es Tonrohr a-b, das
mit der Hauptleitun«^ in Verbindun«; stand. An zwei seiner
Seiten sind bei c und d noch Abflussröhren aus Blei vorhan-
den. Seine Sohle lieg-t 83,08 m über dem Meere. Als es ge-
baut wurde, waren die griechischen Wasserbehälter gewiss
schon ausser Tätigkeit und das Brunnenhaus des Peisistratos
schon zerstört.
Da das Wasser aus der Peisistrato.s-Leitung zu allen Zei-
ten in der Höhe von 83,80 - 83,90 m ausfloss, kennen wir den
maximalen Wasserstand in allen Bassins. In dem grossen
Behälter betrug er etwa 1,55 m, in den Schöpfbassins 0,90 m
und in dem späten kleinen Behälter 0,80 m. Falls die Löwen-
Abb. 20.
Durchschnitt.
Abb. 21.
Grundriss.
Abflusskanal des Enneakrunos- Bassins.
köpfe des Laufbrunnens, wie es wahrscheinlich ist, etwas tie-
fer angebracht waren als die Mündung der Leitung, so ver-
mindert sich der wirkliche Wasserstand in allen alten Bassins
um das entsprechende Maass. In dem ergänzten Durchschnitt
auf Tafel III unten rechts ist dies Maass von Dörpfeld zu
0,30 m und demnach der Wasserstand des Hauptbehälters zu
etwa 1,25 m angenommen worden.
Die Entwässerungs-Leitung für alle Bassins bildete der
oben erwähnte tief liegende Kanal K 1-K 5, der aus Tonstük-
ken von eiförmigem Profil zusammengesetzt ist. In den Abbil-
dungen 20 und 21 habe ich ihn im Durchschnitt und Grund-
riss gezeichnet. Aus dem Grundriss (Abb. 21) ist zu ersehen,
dass die einzelnen Stücke, weil sie am einen Ende um 0,10 m
42
FR. GRABER
breiter sind als am anderen, in einander gesteckt werden soll-
ten. Bei einer Wasserleitung würde das auch wohl geschehen
sein. Hier, wo es sich nur um einen Abflusskanal handelt, der
nicht sehr dicht zu sein brauchte, sind die Stücke mit den
schmalen und breiten Enden an einander gestossen. Vom
Hauptkanal der Strasse (bei K 5 auf Tafel I und H) läuft un-
ser Kanal in einem Bogen an dem länglichen Schöpfbassin
r 1 5 vorbei und war früher nur bis K 1 neben dem kleinen
späten Bassin bekannt. Ich habe ihn unter dem letzteren Bas-
sin und noch weiter neben dem Hauptbassin bis an den Pnyx-
felsen verfolgt. Als eiförmiger Kanal ist er nur bis zum spä-
ten Bassin r 1 6 erhalten. Als dies gebaut w^urde, setzte man
den Kanal bei K 1 mit einem grossen Dachziegel zu. Die in
Abbildung 1 7 angedeutete Fortsetzung besteht, wie Abbil-
dung 22 im Durchschnitt zeigt, aus einer viereckigen Ton-
i^if;;^.-^-.,
Abb. 22.
Späterer Abflusskanal
des Enneakrunos-Bassins.
--•0,19—*-
Abb. 23.
Viereckige Tonrinne des Abfluss-
kanals.
rinne, die mit einigen Backsteinen erhöht und dann mit run-
den Tonplatten überdeckt ist. Die Abmessungen der Rinnen-
stücke sind aus Abb. 23 zu entnehmen. Noch weiter westlich
läuft die Rinne in einem Felsstollen W, dessen Profil aus
Abbildung 1 8 zu ersehen ist. Der Endpunkt des Stollens hat
die Höhenzahl 81,50 m. Da das grosse Bassin eine Sohlen-
höhe von 82,30 m hat, konnte es offenbar durch unseren Ent-
wässerungs-Kanal ganz entleert werden. Getrennt war das
Bassin vom Stollen durch eine dünne noch erhaltene Felswand
von nur 0,30 m Dicke und die jetzt fehlende Quaderwand.
Wo und wie fand die Einmündung des Leitungswassers
in das Bassin statt ? Das alte peisistratische Tonrohr, das den
Poroskanal der Hauptleitung bei a 3 (s. Tafel H) verlässt.
DIE ENNEAKRUNOS 43
läuft jetzt noch bis a 5 (LI in Abb. 1 7) in die Nähe des spä-
ten Bassins r 1 6. Dort ist es durch eine sich an das Bassin
anschliessende späte Mauer zerstört, reichte aber ehemals g-e-
wiss bis an das Vorbassin I, zu dessen Speisung es bestimmt
war. Von der Einmündung selbst ist leider nichts mehr erhal-
ten. Nachdem sich das Wasser in den Bassins gesammelt und
abgeklärt hatte, gelangte es, ohne dass wir bestimmen können
wie, zu dem Laufbrunnen, der eigentlichen Enncakrunos. Ob
auch der alte, neben dem neuen Brunnenhause erhalten geblie-
bene Felsbrunnen der Kallirrhoe schon damals frisches Wasser
aus dem Bassin oder der Leitung erhielt, oder ob dies erst spä-
ter geschah, ist nicht zu entscheiden. Das jetzige Zuleitungs-
rohr der Felskammer Y stammt sicher erst aus römischer Zeit.
Das ursprüngliche Ende des alten Tonrohres der Peisi-
stratos-Leitung ist zwar vernichtet, dafür ist aber eine etwas
jüngere Mündung erhalten geblieben, die wahrscheinlich aus
römischer Zeit stammt. Aus uns nicht bekannten Gründen
wurde das alte runde Tonrohr ausser Tätigkeit gesetzt, und
dafür, wie ich schon oben darlegte, eine viereckige Tonrinne
gelegt, die den grossen Poroskanal nicht mehr bei a 3 verliess,
sondern in ihm bis zu seinem Ende bei a 4 weiterlief. Diese
noch unverletzt erhaltene Rinne biegt bei a 4 nach Norden
um und endete einst bei Z 2 (vgl. Abb. 1 7). Die noch vor-
handene weitere Fortsetzung, die eine scharfe Biegung nach
Westen macht, um das grosse Bassin zu umgehen, und die
dann in mehreren kleinen Windungen nach Norden läuft,
stammt erst aus spätrömischer Zeit, denn sie kann erst her-
gestellt sein, als die Enneakrunos nicht mehr bestand und als
selbst das römische Vorbassin schon zugeschüttet war.
Vorher hatte die Wasserleitung bei Z 2 ihr Ende erreicht.
Dort ist auch der Rest eines aus Ziegeln gemauerten, also
römischen Einfallschachtes oder kleinen Vorbassins erhalten,
in welches das Wasser der Leitung einfloss. In Abbildung 24
ist diese auf den Tafeln I und II gezeichnete wichtige Stelle
in grösserem Maasstabe im Grundriss dargestellt. AB ist die
viereckige Tonrinne, das Ende der grossen Enneakrunos-Lei-
tung, C das kleine aus Ziegeln erbaute Vorbassin ; bei B
wurde später die viereckige Rinne DE angefügt und zu die-
44
FR. GRABER
seni Zwecke das kleine Bassin mit Erde gefüllt und ausser
Tätigkeit gesetzt. Das Ende der Rinne AB wurde zugleich
bei B durch Mörtel etwas eingeengt, damit ein Teil des Was-
sers durch die schmale Rinne FG zu dem Bassin r 1 6 abflies-
sen konnte. Die schlechte und unsolide Ausführung der ver-
änderten Anlage stellt ihre sehr späte Entstehung ausser
Zweifel. Aber auch das kleine, aus Ziegeln erbaute Vorbassin
C kann wegen seines Materials nicht zur griechischen Brun-
nenanlage, sondern frühestens zu einem römischen Umbau
gehören; vielleicht ist es erst angelegt, als das grosse griechi-
sche Bassin mit seinem Vorbassin schon zerstört war. Hierfür
spricht auch der Umstand, dass 50 cm tiefer als die Sohle des
kleinen Bassins eine zu diesem gehörige Tonrinne (L 5 in den
Abb. 24. Die Mündung der Enneakrunos-Leitung.
Figuren 1 7 und 1 8) in nördlicher Richtung quer durch den
Platz des grossen Bassins hinlief, die offenbar erst nach dem
Fortfall des ganzen Bassins angelegt werden konnte. Der ur-
sprüngliche Zustand an der Mündung der Wasserleitung in
das grosse Bassin ist leider nicht mehr zu ermitteln.
6. Das Brunnenhaus der Enneakrunos.
Während die obere Terrasse mit dem Schöpfbassin r 1 5
in griechischer Zeit eine Höhe von fast 83 m über dem Meere
DIE ENNEAKRÜNOS 45
hatte, lag die untere Terrasse, welche den grossen Platz vor
der alten Kallirrhoe bildete, nur etwa 80-81 m üljer dem
Meere. Zwischen beiden bestand also ein Höhenunterschied
von 2-3 m, der zwar dem vorhandenen Gefälle des Terrains
entsprach, aber erst künstlich durch Anlage horizontaler Ter-
rassen kenntlich gemacht war. Schmale Zwischenbauten oder
Stützmauern haben den Übergang von der höheren zur nie-
deren Terrasse gebildet.
Für die Anlage eines Brunnenhauses, in dem das Wasser
aus hochgelegenen Mündungen ausströmen sollte, war ein
solcher Höhenunterschied notwendig. Das in einer Höhe von
etwa 83,80 m aus der Leitung fliessende Wasser fiel, wie wir
sahen, in ein grosses Bassin mit der Sohle 82,30 m. Sollte es
von hier in ein Brunnenhaus gelangen und aus hohen Was-
serspeiern ausfliessen, so musste der Platz dieses Brunnens
mindestens 2 m tiefer liegen als der Wasserstand des Bassins.
Dass die Höhe des grossen Platzes, auf den die Hauptstrasse
und mehrere Nebenstrassen radial hinliefen, und über dem
am Pnyxfelsen der Eingang zur alten Felskammer der Kal-
lirrhoe lag, gerade dieser Bedingung entspricht, ist eine gute
Bestätigung für die Richtigkeit der Theorie Dörpfelds, dass
im Hintergrunde dieses Platzes dicht an dem Felsen der Pnyx
und neben dem grossen Reservoir das Brunnenhaus des Pei-
sistratos gelegen hat.
Auf dem Platze, der eine Strassenfront von 40 m und
eine Tiefe bis zum Pnyxfelsen von etwa 30 m hatte, haben
sich die Reste von Bauwerken zweier verschiedenen Perioden
gefunden, die auf dem Plane 38 der Antiken Denkmäler H
durch rote Farbe für die jüngeren und durch schwarze Schraf-
fur für die älteren Mauern kenntlich gemacht sind. Auf unse-
rer Tafel I sind beide Mauerarten, um sie von dem dunkel an-
gelegten griechischen Mauerwerk zu unterscheiden, weiss ge-
blieben. Der jüngere Bau, zu dem ein peristyler Säulenhof
mit vier Säulen auf jeder Seite gehört, kann erst aus spät-
römischer oder byzantinischer Zeit stammen, weil seine Säu-
lenbasen, soweit sie erhalten sind, von ganz verschiedenen
antiken Bauwerken genommen und hier zum zweiten Male
verwendet sind. Auch die Wände der um den Hof angeord-
46 FR. GRÄBER
neten Zimmer zeigen eine sehr schlechte Bauart. Der andere
Bau, zu dem in erster Linie ein grosser, aus Marmorsplittern
hergestellter Fussboden gehört, ist zwar sicher älter, weil der
Estrich unter dem Stylobat des Hofes hindurchgeht, kann
aber kaum vorrömisch sein, denn jene Estrichart ist in Athen
bisher nur für römische Bauten gesichert. Eine Zeit lang hat
W. Dörpfeld die Vorderwand des zweiten Baues für altgrie-
chisch gehalten, weil an der Strassenmauer ein Eckstein ver-
baut ist, der eine griechische Hypotheken-Inschrift trägt {oqoc.
OLxiai; KEKQa\iEvy]c, 8Jti Xvoei X[X] "Aqiöto8i]|.io) 'A(pi8va[io)], vgl.
Ziebarth, Sitzu7igsber. der Berl. Akad. 1897 S. 667). Allein er
hat später selbst gesehen, dass der Stein dort nicht an seiner
ursprünglichen Stelle stehen kann. Das Haus des Aristodemos
muss irgendwo anders gestanden haben, aber seine Steine wa-
ren abgebrochen und hier zum zweiten Male verwendet wor-
den. Die Inschrift und die Form der Steine dürfen daher nicht
zur Datierung jenes Baues benutzt werden. In der vorrömi-
schen Zeit hat also, soweit wir wissen, kein anderes Bauwerk
auf dem grossen Platze gestanden als das Brunnenhaus selbst.
Dazu passt auch der Umstand, dass 1 3 zum Teil sehr alte
Tiefbrunnen dicht nebeneinander auf dem Platze gefunden
sind. Und gewiss liegen noch weitere Brunnen unter dem
späteren Estrich versteckt. Wo aber so viele Brunnen liegen,
kann natürlich kein Wohnhaus gestanden haben, sondern
muss sich ein Wasserplatz ausgedehnt haben, der von der
Strasse bis zu dem am Pnyxfelsen anzusetzenden Brunnen-
hause des Peisistratos reichte.
Um die Lage des Brunnenhauses genauer zu bestim-
men, dienen uns in erster Linie zwei grosse Entwässerungs-
kanäle, die wir schon kurz besprachen und wegen ihrer Ab-
messungen und ihrer tiefen Lage mit Bestimmtheit zur alten
Brunnenanlage rechnen durften. Der eine Kanal beginnt in
der Hauptstrasse bei K 4 (Tafel I und II), läuft eine kurze
Strecke nach Süden neben dem Strassenkanal her, wendet
sich dann nach Westen zum Brunnenplatz und endet jetzt bei
K 2. Die zunächst auffallende Führung (man wundert sich
darüber, dass der Kanal nicht von K 2 in gerader Linie nach
Osten zum Hauptkanal der Strasse geführt ist) erklärt sich
DIE ENNEAKRUNOS
47
aus den Höhenverhältnissen. Der Stichkanal la<^ tiefer als der
Hauptkanal und musste daher neben diesem, aber mit gerin-
gerem Gefälle bis zu dem Punkte geleitet werden, wo er
dieselbe Tiefe wie der Hauptkanal erreicht hatte. Das Was-
ser des Hauptkanals wäre sonst in den Stichkanal geflos.sen,
während natürlich das Umgekehrte stattfinden sollte. Inner-
halb der Strasse zeigt unser Kanal westlich vom Amyneion
ein eiförmiges Profil von der Grösse des gewöhnlichen Stras-
senkanales (vgl. Abb. 25); wo er nach Westen umliegt, geht
er in einen unregelmässigen Felskanal über, der an einer
Stelle einen aus rohen Bruchsteinen erbauten runden Einstei-
geschacht enthält. Bis K 2 läuft er zwar auch noch durch den
Fels, ist aber mit aufrecht gestellten Platten eines Tonringes,
Abb. 25. Abb. 2b.
Abzugskanal des Brunnenhauses nach Osten.
wie sie bei Tonbrunnen verwendet wurden, ausgekleidet (s.
Abb. 26). Weiter nach Westen folgt ein in den Fels eingear-
beiteter und mit kleinen Steinen ausgemauerter Behälter von
6,50 m Länge und 2,50 m Breite, der vermutlich zur Ablage-
rung der Sinkstoffe gedient hat (ABC in Abbildung 27). Jen-
seits dieser Grube ist die untere Hälfte des Kanals als eine
in den Felsen eingearbeitete Rinne bei F noch vorhanden.
Seine Felswandungen sind hier ganz schwarz und mürbe von
dem Durchfluss des verbrauchten, vielfach schmutzigen Was-
sers. Kanal und Grube wurden in späterer Zeit durch das
Mauerwerk KLMO unterbrochen, das aus verschiedenen Stei-
nen (zum Teil alten Steinrinnen) zusammengesetzt ist und
erst aus spätrömischer oder gar byzantinischer Zeit stammen
kann. Es hängt aber noch mit den Wasseranlagen zusannnen,
48
FR. GRÄBER
weil es bei N ein kleines, aus Tonringen bestehendes Becken
enthält, von dessen Fussboden eine viereckige Rinne abgeht.
Die grosse Grube ABC wurde durch diesen Einbau zerstört
und der dadurch unterbrochene Kanal FD im Bogen um KO
herumgeführt. In diesem, sicher aus jüngerer Zeit stammen-
den Stücke besteht der Kanal aus einer viereckigen Tonrinne
FUNDAMENT
DES
BRUNN ENMAUSES
tTE
eiTu"-
Abb. 27. Entwässerung des Brunnenhauses zum Strassenkanal.
von 0,10 m Breite, die teils mit Ziegelplatten, teils mit dach-
förmigen Deckziegeln eines Hauses überdeckt ist (Abb. 28).
Von dem zweiten alten Entwässerungskanal ist nur der
Anfang bekannt. Es ist der bei K 3 im Quadrate B 6 auf Ta-
fel I und II beginnende, sehr tief liegende Felskanal, der in
nördlicher Richtung am Pnyxhügel entlang läuft. An seinem
Anfang hat er die Höhe 78,32 m, liegt also noch um mehr
als 1 m tiefer als der erste Kanal. Die untere Hälfte seines
DIE ENNEAKRUNOS
49
eiförmigen Profils (vgl. Abb. 29) besteht aus dem Felsen selbst,
während die obere Hälfte aus runden Tonplatten und zum
Teil auch aus dem Felsen gebildet ist. Leider konnte die Fort-
setzung dieses Kanals noch Norden nicht aufgedeckt werden,
weil er tief unter der heutigen Fahrstrasse verläuft. Wir dür-
fen aber annehmen, dass er nach Aufnahme einiger Zweig-
kanäle weiter nördlich in der Gegend des Dionysion in den
Hauptkanal der Fahrstrasse mündete.
Diese beiden grossen Entwässervmg.s-Kanäle sind für uns
von besonderer Wichtigkeit, weil wir zwischen ihren End-
punkten das alte Brunnenhaus annehmen dürfen. Alle über
der Erde befindlichen Teile dieses Brunnenhauses sind bei
Abb. 28. Abb. 29.
Abzugskanäle des Brunnenhauses.
Errichtung des spätrömischen oder byzantinischen Wohnhau-
ses, dessen Reste noch jetzt den alten Brunnenplatz einneh-
men, völlig zerstört worden. Nur die unter dem Boden liegen-
den Abflusskanäle sind der Vernichtung entgangen und lie-
fern uns jetzt sehr willkommene Fixpunkte für die Bestim-
mung der Lage des Brunnenhauses. Da das Wasser in dem
letzteren dauernd aus neun Mündungen floss, musste es für
die Zeit, wo es nicht in Krügen aufgefangen wurde, unterir-
disch abgeführt werden, zu welchem Zweck ein oder mehrere
tiefe Abzugskanäle nicht gefehlt haben können. Bei der Er-
mittelung der Stelle des Brunnenhauses dürfen wir daher jetzt
von den beiden gefundenen unterirdischen Abzugskanälen
ausgehen und zwischen beiden die Enneakrunos ansetzen.
Bevor wir hiernach und nach den sonstigen uns zu (^ebote
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX.
50 FR. GRÄBER
stehenden Anhaltspunkten eine Rekonstruktion des Brunnen-
hauses und seiner Umgebung versuchen, müssen wir noch
die Bausteine des alten Brunnenhauses besprechen, die bei
den Ausgrabungen innerhalb des byzantinischen Wohnhauses
gefunden wurden. Diese überaus wichtigen Steine sind schon
von W. Dörpfeld kurz beschrieben worden {Athen. Miiteil.
1 892, 443) ; bei der grossen Wichtigkeit aber, welche sie als
einzige bauliche Überbleibsel des peisistratischen Brunnen-
hauses für die Bestimmung der Lage, des Aussehens und
des Alters der Enneakrunos haben, verdienen sie durch Wort
und Bild hier genauer bekannt gemacht zu werden.
Es handelt sich besonders um einige charakteristische
Bausteine, die aus den Mauern und Fussböden der in später
Zeit auf dem Brunnenplatz errichteten Häuser herausgezogen
wurden. Drei von ihnen sind in den Abbildungen 30-32 ge-
zeichnet. Schon das Material der Steine ist beachtenswert.
Zwei (darunter Abb. 31) stammen aus den Kalksteinbrüchen
von Kara am Fusse des Hymettos, also aus denjenigen Brü-
chen, deren Material bei den Unterbauten mehrerer atheni-
scher Bauwerke des VI. Jahrhunderts verwendet worden ist;
so bei dem grossen Tempel des olympischen Zeus, bei der
Ringhalle des alten x\thena-Tempels auf der Akropolis und
beim alten Dionysos-Tempel am Theater, alles Bauten, die der
Zeit des Peisistratos zugeschrieben werden dürfen. Eine an-
dere Quader (Abb. 30) besteht aus dem harten Kalkstein der
Akropolis, der bei allen ältesten polygonalen Stützmauern vor-
kommt. Und ein vierter Stein (Abb. 32) zeigt ganz denselben
gelblichen, mit dunkleren Schichten durchsetzten Porös, der
bei dem Wasserleitungs-Kanal des Peisistratos benutzt ist und
wahrscheinlich aus den Steinbrüchen des Peiraieus stammt.
Der in Abbildung 30 im Durchschnitt und in der Ansicht
wiedergegebene Stein gehört zur Hinterwand eines altgriechi-
schen Brunnenhauses und enthält die Durchbohrung a-c für
einen Ausguss, deren die Enneakrunos neun besass. An der
Vorderseite erweitert sich die Durchbohrung zu einer grösse-
ren Aushöhlung a für den Wasserspeier, der nach der Um-
risslinie des Loches kaum etwas anderes als ein Löwenkopf
gewesen sein kann. Die zur Aufnahme eines Wasserrohres
DIE ENNEAKRUNOS
51
dienende Durchbohrung scheint später durch einen kleinen
Stein und Kalkmörtel b verengt worden zu sein. Von einer
aus den gleichen Kalksteinen bestehenden polygonalen Mauer
hat sich an der Südgrenze des Brunnenplatzes noch jetzt ein
kleiner Rest erhalten. Das Brunnenhaus, zu dem unser Stein
gehörte, hat daher vermutlich als Halle vor der südlichen
oder westlichen Stützmauer des Platzes gestanden.
Noch charakteristischer für ein altgriechisches, lange be-
nutztes Brunnenhaus ist der Stein in Abb. 31, der unzweifel-
haft zur vorderen Brüstung eines grossen Schöpfbassins ge-
hört hat. Oben ist seine zum Bassin gerichtete Innenseite und
darunter sein Grundriss gezeichnet. An der hochkantio; auf-
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Abb. 30. Harter Kalkstein mit Wasserausfluss und Loch für einen
Löwenkopf. Ansicht und Durchschnitt.
gestellten Platte fallen zunächst zwei tiefe Ausschleifungen
oder Aushöhlungen a auf, welche durch das häufige Auf-
ziehen der gefüllten Wasserkrüge entstanden sind. Steine
von ganz ähnlicher Form und mit gleichen Aushöhlungen
haben sich in den letzten Jahren in mehreren griechischen
Brunnenhäusern, so in Megara, Korinth, Milet und Pergamon,
als Brüstungssteine von Schöpfbassins gefunden. Die Tiefe
der Aushöhlungen an unserem Steine zeigt, dass der Brunnen
Jahrhunderte lang benutzt wurde, bis er abgebrochen und
unser Stein in einem spätrömischen Hause als Fussboden-
platte verwendet wurde. Auf der Oberseite des Steines er-
kennt man ferner noch vier kleine runde Löcher c, in welche
die Amphoren mit ihren spitzen unteren Enden eingesetzt
52
FR. GRÄBER
wurden, um auf den Kopf oder die Schulter g-ehoben zu wer-
den. An der Innenfläche des Steines ist nicht nur der Sinter
zu sehen, welchen das Wasser an der Wand des Bassins ab-
gesetzt hat, sondern auch älterer und jüngerer Stuck, mit
dem das Bassin im Inneren überzogen war.
Aber dieser wertvolle Stein lehrt uns noch mehr. An der
einen Ecke ist auf der Oberfläche die Einlassspur einer | '
förmigen Eisenklammer c vorhanden. Da Klammern dieser
Form in Athen nur an den ältesten Bauten, z. B. am alten,
wahrscheinlich von Peisistratos erbauten Tempel des Diony-
sos Eleuthereus vorkommen, so ist schon allein hierdurch das
Abb. 31. Grundri.ss und Aiifriss eines Steines des Schöpfbrunnens
der Enneakrunos.
hohe Alter der Brunnenanlage gesichert. Durch die Klammer
war der Stein mit seinem Nachbar verbunden, der nach der
guten Erhaltung des alten Stuckes am Ende unseres Steines
(bei b) zu schliessen, mit ihm einen rechten Winkel gebildet
haben muss; daraus folgt weiter, dass unser Stein am Ende
des Bassins stand und den ersten Brüstungsstein bildete. Da
ferner am anderen Ende des Steines bei e eine runde Ausar-
beitung für eine Säule vorhanden ist, so müssen wir an der
Vorderwand des Schöpfbassins eine oder mehrere runde Säu-
len, welche in die Brüstung eingriffen, und an der Ecke einen
viereckigen Pfeiler annehmen. Wir sind hiernach im Stande,
DIE RNNRAKRITNOS
53
die Ecke des Schöpfbassins aus der Form des einen Steines
so zu ergänzen, wie es auf Tafel II o^eschehen ist. Die vSäulen
hatten nach den Maassen der runden Ausarbeitung- unseres
Steines einen Durchmesser von etwa 0,50 m und sind wegen
des Fehlens einer Basis dorisch gewesen. Ihre Axweite lässt
sich durch Hinzurechnung der halben Säulendicke (0,25 m)
zur Länge des Brüstungssteines (1,64 m) auf 1,89 m berech-
nen. Da der Brüstungsstein, weil er an einen Eckpfeiler stiess,
das letzte Joch der Halle bildete und dieses beim dorischen
Stile bekanntlich kleiner ist als die übrigen, so werden wir
die anderen Axweiten zu rund 2 m annehmen dürfen. Auf
Grund dieses Maasses ist der Schöpfbrunnen von W. Dörpfeld
auf Tafel II ergänzt worden. Wenn er an allen drei Seiten
Abb. 32. Poros-Stein mit Wasserrinne, von der Enneakrunos.
des Platzes Schöpfbassins gezeichnet hat, so ist das nur eine
Vermutung. Durch Reste einigermaassen gesichert ist nur
das südliche Bassin V; das westliche VI, neben dem Hauptbe-
hälter gelegen, ist nach Analogie von Megara [Athen. Mitteil.
1900 Taf. VIII) angenommen und das nördliche VII nur der
Svmmetrie halber hinzugefügt.
Die Abbildung 32 gibt noch einen dritten Stein des Brun-
nenhauses, eine aus Peiraieuskalk bestehende Wandquader.
An seiner Vorderseite zeigt er, ähnlich wie der vorher be-
schriebene Brüstungsstein, noch Reste von glattem Kalkputz
mit einem Überzug von Kalksinter (bei d) ; auf seiner Ober-
fläche ist eine mit Stuck versehene Rinne a-b-c für Wasser
erhalten. Eine seitliche Einarbeitung mit Anschlussfläche
zeigt ferner, dass der Stein an irgend einer Ecke des Brun-
54 FR. GRÄBER
nenliaiises angebracht gewesen sein muss. Genaueres über
seine Benutzung haben wir nicht ermitteln können.
Auf die Wiedergabe einiger anderer, vermutlich auch
zum Brunnenhause gehöriger Steine dürfen wir hier ver-
zichten, weil sie doch keine weiteren Anhaltspunkte für die
Ergänzung der Anlage liefern. Die mitgeteilten Steine ge-
nügen aber vollkommen, um auch den geringsten Zweifel
daran zu zerstreuen, dass am Ende der langen unterirdischen
Wasserleitung in der Tat ein altgriechisches Brunnenhaus
bestanden hat.
Von der Architektur dieses Brunnenhauses selbst sind
keine sicheren Reste gefunden worden. Wir haben anzuneh-
men, dass die Bauglieder nach dem Abbruch des Brunnens
zum Bau der Wohnhäuser benutzt worden sind, die auf dem
alten Brunnenplatze errichtet wurden. Da wir nur noch kleine
Reste dieser Wohnhäuser gefunden haben und diese Mauer-
reste nicht zerstören durften, konnten von dem alten Bauma-
terial der Brunnens nur wenige Steine gefunden werden.
Möglicher Weise besitzen wir aber das Stück einer Triglyphe
des Brunnenhauses. Als Fundamentstein einer Mauer südlich
vom grossem Bassin fand sich nämlich eine halbe Triglyphe
aus Porös, aus der sich die frühere Triglyphenbreite zu 0,57 m
berechnen Hess. Nehmen wir dazu nach den üblichen Propor-
tionen eine Metope von etwa 0,83 m an, so erhalten wir als
Axweite der Triglyphen 1 ,40 und der Säulen 2,80 m bei zwei-
triglyphigem, oder 4,20 m bei dreitriglyphigem System. Für
einen Tempel würden diese Maasse passen, für ein Brunnen-
haus scheinen sie mir etwas zu gross zu sein. Da wir jedoch
für die Bauglieder der Enneakrunos gerade das Material der
Triglyphe, nämlich den weichen Peiraieuskalk (Porös) erwar-
ten müssen, weil Peisistratos dieses Material zu dem Oberbau
aller seiner uns bekannten Bauwerke verwendet hat, so ist die
Zugehörigkeit der Triglyphe zum Brunnenhause immerhin
möglich. Der auf Tafel III rechts unten gezeichnete Aufriss
des Brunnenhauses ist in seinen Formen und Proportionen
ganz willkürlich und ohne Brücksichtigung der Triglyphe
gezeichnet und soll nur dazu dienen, die Lage und allgemeine
Gestalt des Baues in dem Durchschnitt anzudeuten,
DIE ENNRAKRUNOS 55
Bei dem Mangel sicher zug^ehöriger Architekturstücke
und in situ befindlicher Bausteine würden wir über den
Grundriss des Brunnenhauses nichts Bestinnntes ermitteln
können, wenn uns nicht ein athenisches Vasenbild etwa aus
der Zeit des Peisistratos erhalten wäre, das wahrscheinlich
die Enneakrunos darstellt. Die Vase ist von Th. Wiegand in
den Antiken DcnJ?niälcrn II Taf. 19 veröffentlicht und wird
als Kopfleiste auf S. 1 wiederholt. Schon der Herausgeber
hat die Darstellung mit den stattlichen Brunnenanlagen der
Tyrannenzeit in Verbindung gebracht.
Wir sehen ein mit dorischen Säulen ausgestattetes Brun-
nenhaus, an dessen Rückwand drei, und an dessen Seiten-
wänden je eine Mündung angebracht sind. Es scheinen also
in dem dargestellten Brunnenhause fünf Ausflüsse vorhanden
gewesen zu sein. Wenn wir aber überlegen, dass die neun
Mündungen der Enneakrunos vielleicht nicht in einer Linie
neben einander, sondern ähnlich wie hier an drei Seiten des
Brunnenhauses angebracht waren, so scheint bei neun Aus-
güssen eine Teilung in drei Gruppen von je drei als die
natürlichste. Wie wird nun wohl ein Vasenmaler des VI. Jahr-
hunderts ein Brunnenhaus, an dessen drei Seiten je drei
Mündungen angebracht waren, dargestellt haben? Kaum an-
ders, als auf unserem Bilde geschehen ist. Jeder der beiden
seitlichen Wasserspeier des Bildes kann also sehr wohl je
drei Mündungen entsprechen. Auf Grund dieser Überlegungen
und unter Benutzung der Anhaltspunkte, welche die oben
beschriebenen tiefen Abflusskanäle bieten, hat W. Dörpfeld
das alte Brunnenhaus vermutungsweise in den ergänzten Plan
auf Tafel II eingetragen. Dass diese Ergänzung durchaus un-
sicher ist, versteht sich zwar nach dem vorher Gesagten von
selbst, mag aber doch nochmals ausdrücklich hervorgehoben
werden. Die allgemeine Lage des Brunnenhauses und einige
Einzelheiten seiner Gestalt sind durch die Ausgrabungen be-
stimmt, der in den Plan eingezeichnete Grundriss beruht da-
gegen nur auf Vermutung.
56 FR. GRÄBER
7. Das Quellgebiet der Peisistratos-Leitung.
Nachdem wir die grosse Wasserleitung der Enneakrunos,
ihre Reservoire und die Reste des von Peisistratos errichteten
Brunnenhauses kennen gelernt haben, bleibt uns noch übrig,
nach dem Ursprung der Leitung zu forschen. Wir müssen zu
bestimmen suchen, woher Peisistratos das Wasser nahm, das
er der Stadt zuführte und zur Umänderung der Kallirrhoe in
eine Enneakrunos benutzte. Diese Aufgabe ist schwierig, aber
dankenswert. Schwierig, weil es sich um die Untersuchung
langer unterirdischer Gänge handelt, die sich dem Auge ent-
ziehen und jetzt nur schwer aufzufinden und nur mit grossen
Kosten auszuräumen sind ; dankenswert, weil durch die Auf-
findung und Instandsetzung der alten Leitungen nicht nur
die vollständige Lösung der Enneakrunosfrage erzielt, son-
dern zugleich auch dem grossen Wassermangel der heutigen
Stadt Athen wenigstens teilweise abgeholfen werden kann.
Die Leitung des Peisistratos, welche Jahrhunderte lang ganz
Athen mit Wasser versorgt hat, würde voraussichtlich selbst
bei dem grösseren Wasserbedürfnis der Gegenwart ausreichen,
um mindestens den tief gelegenen Teil der Stadt mit gutem
Wasser zu versehen.
Das Quellgebiet der Leitung des Peisistratos können wir
zunächst im Allgemeinen dadurch ermitteln, dass wir die Her-
kunft der jüngeren, besser bekannten Wasserleitungen Athens,
die meist noch jetzt im Betriebe sind, feststellen. Denn es ist
anzunehmen, dass das Quellgebiet der Enneakrunos bei An-
lage dieser jüngeren Wasserleitungen nicht in Anspruch ge-
nommen, sondern andere wasserführende Gegenden Attikas
aufgesucht worden sind.
In römischer Zeit war die Hauptwasserleitung der Stadt
der bekannte Aquädukt des Kaisers Hadrian, welcher noch
heute der Stadt das meiste Wasser liefert. Die einzelnen unter-
irdischen Zweige dieser Leitung werden seit Jahren von den
Wassertechnikern Athens aufgesucht, gereinigt und, soweit
es die Umstände zulassen, wieder benutzt. Die Hauptleitung
geht von dem Hochreservoir am Lykabettos über Ambelokipi
DIE ENNEAKRUNOS 57
nach Chalandri und Kephissia bis an den Fuss des Penteli-
kon. Vor Chalandri teilt sie sich in zwei Arme. Während der
eine direkt auf das Pentelikon gerichtet ist, geht der andere
hinter den Turkowuni hin nach Kukuwaones und Kephissia.
Obwohl die Ausläufer beider Leitungen noch nicht vollstän-
dig erforscht sind, lässt sich schon erkennen, dass für die
Wasserleitung des Hadrian das ganze Gebiet zwischen den
Turkowuni, dem Pentelikon und dem Parnes verwertet ist.
In dieser Gegend wird also das Quellgebiet für die Wasser-
leitung des Peisistratos nicht zu suchen sein. Ebenso darf als
sicher gelten, dass der nordwestliche Teil der attischen Ebene,
dem die Leitung von Patissia wahrscheinlich ihr Wasser ent-
nimmt, für die Enneakrunos nicht in Betracht kommen kann.
So bleibt denn nur noch das ganze Gebiet des Ilissos übrig,
also das Plateau zwischen Athen, dem Hymettos und dem
Pentelikon und die zum Ilissos gerichteten Abhänge dieser
beiden Berge. Tatsächlich ist nun auch die Leitung der
Enneakrunos, soweit sie bekannt ist, nach diesem Teile der
attischen Ebene gerichtet. Dass diese Gegend reichliches
Wasser liefern konnte, ist nicht nur durch mehrere noch jetzt
fliessende Quellen, sondern auch durch verschiedene Reste
alter Wasserleitungen vollkommen gesichert.
Eine antike Leitung läuft in dem Bette eines östlichen,
unmittelbar hinter dem Stadion gelegenen Nebenbachs des
Ilissos auf den Hymettos zu in der Richtung auf die Quelle
Zoodochos Pigi. Bisher sind nur wenige ihrer Schächte be-
kannt. Obwohl auf deren Sohle noch jetzt Wasser fliesst, ist
der Lauf dieser Leitung weder nach der Stadt, noch nach dem
Hymettos hin untersucht worden. Sie erreicht das Ilissosbett
schon so weit flussabwärts, dass trotz der noch ausreichenden
Höhenlage ihre Zusammengehörigkeit mit der Enneakrunos-
leitung nicht wahrscheinlich ist. Ich vermute, dass sie den
südlichen unteren Stadtteil mit Wasser versorgte, wenn sie
nicht lediglich für die spätere Kallirrhoe am Ilissos ange-
legt ist.
Geht man in dem Ilissosbett etwas weiter hinauf, so er-
kennt man an der Stelle, wo der früher Eridanos genannte
Bach in den Ilissos mündet, einen antiken Stollen als Rest
58 FR. GRÄBER
einer anderen Leitung. Es schien mir möglich, dass er am
Pseudo-Eridanos entlang zum Kloster des Hag. Markos und
zu dem quellenreichen Käsariani geht. Vielleicht gehören zu
zu ihm zwei Schächte mit unterirdischer Stollenverbindung,
welche sich in dieser Richtung befinden.
Als dritte Leitung im Ilissostal kennen wir die Hofgar-
tenleitung, welche E. Ziller schon früher genauer untersucht
und mit der Leitung an der Pnyx in Verbindung gebracht
hat (vgl. Athen. Alitteil. 1877, 107 ff.). Mit grösster Wahrschein-
lichkeit dürfen wir sie als die Hauptleitung der Enneakrunos
ansprechen. Im ersten Teil dieser Untersuchung hatten wir
die Peisistratosleitung von der Pnyx bis zum Dionysos-Thea-
ter verfolgt und uns klar gemacht, dass sie über den Sattel
zwischen Akropolis und Lykabettos hinweg führen musste.
In der Nähe dieses Sattels ist bei der russischen Kirche ein
Einsteigeschacht zu einem Stollengang vorhanden und grös-
sere Bassins sollen unter der Kirche liegen. Nicht weit da-
von befindet sich sodann im königlichen Hofgarten ein von
E. Ziller untersuchter und noch jetzt reichliches Wasser füh-
render alter Kanal, aus welchem der Hofgarten bewässert wird.
Diese Leitung geht weiter neben der Kephissia-Strasse her,
wo einzelne Einsteigeschächte zu dem unterirdischen Stollen
liegen und noch jetzt als Brunnen benutzt werden. Nicht weit
vom Kloster Asomaton kreuzt sie den einzigen grösseren
nördlichen Nebenarm des Ilissus und nimmt nun die Rich-
tung auf die Kapelle des Hag. Thomas. In der LTmgebung
dieser Kirche ist sie von der Hofgarten-Verwaltung vor eini-
gen Jahren genauer untersucht und gereinigt worden. Es hat
sich dabei herausgestellt, dass sie sich hier unterirdisch in
drei Arme teilt. Der eine Stollen geht auf den Ilissos selbst zu.
Da er kein Wasser mehr führt, hat man ihn nur bis in die
Nähe des Ilissos verfolgt. Er scheint auf dem nördlichen Ufer
dem Flusse parallel weiter zu gehen. Ein zweiter Felsstollen
zieht sich an der Südseite der Kapelle des Hag. Thomas vor-
bei und folgt der Strasse, welche nach dem Kloster des Johan-
nes Theologos am Hymettos führt. An der Kapelle macht er
eine Zickzack-Linie und steigt plötzlich um etwa 3 m. Ver-
mutlich erkannte man, dass die wasserführende Schicht hier
DIE ENNEAKRUNOvS 59
beträchtlich höher lag als der Felsstollen. Über die Kapelle
hinaus ist dieser Kanal nicht weiter ausgeräumt worden. Einen
dritten Stollen, der vor der Kapelle nach Norden abbiegt, hat
man noch gar nicht untersucht. Es scheint, dass er dem vor-
hin erwähnten nördlichen Seitenbach des Ilissos folgt, und er
dürfte sich bei vollständiger Reinigung vielleicht als die er-
giebigste Wasserader herausstellen, weil die Talsenkung des
Baches noch jetzt wasserreicher ist als das Ilissosbett selbst.
Die bisher beschriebene Strecke von der Pnyx bis zur
Kapelle des Hag. Thomas halte ich für den Hauptkanal der
Peisistratos-Leitung, der demnach eine Länge von etwa 4 Ki-
lometern hat. Seine Sohle liegt bis zu 1 1 m unter der Erdober-
fläche. Das Gestein über der Leitung, das vermittelst senk-
rechter Schachte durchteuft werden musste, ist in der Nähe
der Kirche Breccia oder Kieselkonglomerat. Darunter befin-
det sich das Tonschieferlager, in welchem der Kanal selbst
sich hinzieht.
Ungemein fördernd für die richtige Erkenntnis und Beur-
teilung des Tatbestandes war ein Vergleich mit der ebenfalls
von uns untersuchten Wasserleitung des Theagenes in Me-
gara, welche zweifellos für das Wasserwerk des Peisistratos
als Vorbild gedient hat. Sie entnimmt noch jetzt Wasser der
oberen megarischen Ebene, indem sie sich in einer Tiefe bis
zu 8 m unter einer Brecciaschicht hinzieht. Ein Hauptkanal
geht von der Stadt zuerst mehrere Kilometer weit in die obere
langsam zum Gebirge ansteigende Ebene hinein. Dann teilt
er sich in mehrere Arme, die sich in gebrochenen Linien, wie
die Finger einer Hand, ausstrecken und das im LTntergrunde
vorhandene Wasser aufsaugen und sammeln. Gerade wie die
athenische nimmt auch die megarische Wasserleitung keine
Rücksicht auf die Flussläufe in den Ebenen. Es ist das ver-
ständlich, weil die Stollen kein Flusswasser aufnehmen, son-
dern nur das Grundwasser sammeln sollten, für dessen Höhe
die Flussläufe fast ohne Bedeutung sind. Diese sind vielmehr
fast das ganze Jahr hindurch ohne Wasser und bilden nur
Abflussrinnen bei starken und längeren Regengüssen. Da
die megarische Wasserleitung noch nicht vollständig aufge-
deckt und untersucht ist, muss es ungewiss bleiben, ob sie,
60 FR. GRÄBER
wie es den Anschein hat, ausschliesslich das Grundwasser
der Ebene oberhalb der Stadt sammelt, oder ob der eine oder
andere Strang weiter bis zum Gebirge reicht und dort Quel-
len aufnimmt.
Ähnlich wie in Megara liegen die Verhältnisse auch in
Aegina, dessen antike unterirdische Wasserleitung vor kur-
zem ausgeräumt und von mir untersucht worden ist. Der
Hauptstollen läuft von der Stadt nach Osten unter dem lang-
sam ansteigenden Plateau entlang und zieht sich dann eine
lange Strecke unter einem Flusslaufe hin, etwa 8 m unter
dessen Sohle. Er sammelt das Wasser des zerklüfteten Kalk-
steines, der über ihm liegt, und nimmt wahrscheinlich auch
noch das Wasser einiger Querstollen auf, deren Ursprung noch
unbekannt ist.
Auch in Athen kann die Leitung des Peisistratos entwe-
der nur das über dem Tonschiefer sich sammelnde Grund-
wasser aus dem ganzen Gebiete zwischen den Turkowuni, dem
Hymettos und dem Pentelikon aufgefangen, oder aber auch
einige am Fusse dieser Berge zu Tage tretende Quellen auf-
genommen haben. Um hierüber in's Klare zu kommen, habe
ich das ganze in Betracht kommende Gebiet nach Brunnen
und Stollen abgesucht. Dabei wurden verschiedene antike
Brunnen oder Einsteigschächte gefunden, welche auf ihrer
Sohle Quergänge haben, doch kann ich ihre Zugehörigkeit
zur Peisistratos-Leitung nicht mit Bestimmtheit behaupten.
Für diese Untersuchungen gaben die byzantinischen Kapel-
len und Klöster, welche sich in dieser Gegend befinden, wich-
tige Anhaltspunkte, da sie wahrscheinlich alle in der Nähe
der damals noch in Tätigkeit befindlichen Wasserleitungen
gebaut worden sind. So wurde ein Brunnen bei der Kapelle
der Panagia, ein anderer nicht weit von Hag. Nikolaos, ein
dritter beim Kloster des Johannes Theologos und eine grös-
sere Wasseranlage beim Kloster Käsariani gefunden. Die letz-
tere mag als besonders charakteristisch hier näher beschrie-
ben werden.
Von der jetzigen berühmten Qvielle am Kloster, wo ein alt-
griechischer marmorner Widderkopf als Wasserspeier einge-
mauert ist (vgl. Wiegand Die archaische Porosarchitektur der
DIE ENNEAKRUNOS 61
AkropoUs S.128), o^eht ein unterirdischer Stollen das Tal hin-
auf. Schon in der Nähe des Klosters g-ehen zwei Oucrarnie ab,
welche das unterirdisch abziehende Wasser auffanj^en und
dem Hauptstollen zuführen. Dieser selbst jreht weiter das
Tal hinauf. An seinem Ende ist wieder ein ebensolcher Quer-
arm zu sehen. Durfte dieser Stollen schon wegen seiner Ähn-
lichkeit mit den früher beschriebenen Felsstollen als antiker
Kanal angesehen werden, so wurde dies zur Gewissheit, als
ich einen verschütteten Stollen gang aufdecken lie.s.s, in wel-
chem noch dieselben antiken halbrunden Tonringe sich be-
finden, welche in den Kanälen am Westabhange der Akro-
polis vorkommen (vgl. Abb. 14). Die späteren Wasseranla-
gen aus der Zeit des Klosters sind deutlich von den antiken
zu unterscheiden. Bei Käsariani gibt es zwei grosse, vom Ge-
birge umschlossene Talkessel, und in beiden sind W^asser-
stollen vorhanden. Ob diese in ihrem weiteren Verlaufe zu-
sammengeführt sind, konnte ich nicht mehr feststellen und
musste es späteren Untersuchungen überlassen. Es ist wohl
möglich, dass sowohl die Stollen von Käsariani, wie auch
eine ähnliche Anlage beim Kloster Johannes Theologos mit
der Leitung des Peisistratos in Verbindung stehen.
Noch ein anderer Stollen verdient Beachtung, welcher
weiter nach Nordosten und zwar westlich vom Hügel Tschako
(vgl. Karten von Attika Bl. IV) Hegt und an mehreren Ein-
steigeschachten zu erkenen ist. Er befindet sich schon jen-
seits der Wasserscheide des Ilissos im Gebiet des Kephissos.
Sollte er nach Chalandri zur Wasserleitung des Hadrian füh-
ren, so wäre östlich vom ihm die Grenze des für die Peisi-
stratos-Leitung in Anspruch zu nehmenden Quellgebietes an-
zusetzen. Da er aber noch in der Nähe der Wasserscheide
liegt, ist es nicht unmöglich, dass er ein letzter Ausläufer der
Enneakrunos-Leitung ist.
Das Quellgebiet für die Wasserleitung des Peisistratos
wird hiernach wahrscheinlich begrenzt im Nordwesten von
dem Lykabettos, den Turkowuni und der Strasse nach Mara-
thon, im Osten vom Hymettos und im Süden von dem frü-
her Eridanos genannten Bache von Käsariani. Zur vollstän-
digen Klarlegung des Ursprunges der Peisistratos- Leitung
62 FR. GRÄBER
ist die Verfolgung der drei Haiiptstränge notwendig, in wel-
che sich der Hauptstollen bei der Kirche des Hag. Thomas
teilt. Es wird sich erst bei Ausführung dieser allerdings lang-
wierigen Arbeit mit Sicherheit zeigen, ob die Stollen nur das
Grundwasser der Hochebene sammeln oder aber bis zu den
Quellen am Fuss der Berge reichen. Es wird sich dann auch
ergeben, ob die zahlreichen antiken Brunnen, welche in die-
sem Gebiet gefunden sind, zu der Wasserleitung des Peisistra-
tos gehören, oder nur Brunnen einzelner Ansiedelungen in
der attischen Landschaft waren.
Ich übergehe einige Einzelfragen, welche sich mir bei
den Untersuchungen aufdrängten, so die Frage, ob in den
Flussläufen schon Stauanlagen existirt haben, und die andere,
ob auch schon im Altertum im Ilissos und in seinen Neben-
bächen das Wasser in seitlichen Rinnen gesammelt wurde,
wie es im Mittelalter in umfangreicher Weise geschehen ist.
Die Hauptfrage, deren Lösung meine Untersuchungen in der
Umgebung Athens anstrebten, die Frage nach dem Ursprung
der Peisistratos- Leitung, glaube ich mit Bestimmtheit kurz
dahin beantworten zu dürfen, dass das obere Quellgebiet des
Ilissos auch das Quellgebiet der Enneakrunos war.
Vergegenwärtigen wir uns zum Schluss nach einmal kurz
das Ergebnis der technischen Untersuchung der erhaltenen
Reste der Enneakrunos und der Bodenverhältnisse.
Die Ausgrabungen am Westabhang der Akropolis haben
ergeben, dass in der von der Akropolis, dem Areopag und
dem Museion eingeschlossenen Talsenkung schon in sehr
früher Zeit kleine natürliche Quellen und künstliche Wasser-
anlagen vorhanden waren. Ihr Wasser entstammte den Nie-
derschlägen dieses Gebietes, welche wegen des undurchlässi-
gen Untergrundes in den Kalkfelsen zurückgehalten wurden.
Eine jener Quellen, deren Wasser durch die Zusammenfas-
sung mehreren Wasseradern vermehrt war, bildete die Haupt-
quelle für die uralte Stadt, die auf und an der Akropolis lag.
Für sie glaubt W. Dörpfeld den Namen Kallirrhoe nachwei-
sen zu können.
DIE ENNEAKRUNOvS 63
Daneben bestanden sowohl zahlreiche Tiefl^runnen, die
meist in geringer Tiefe das Grundwasser erreichten, als auch
grosse, durch Stollen verbundene Cisternen, in denen das
Regenwasser gesammelt wurde. Unter diesen Anlagen ist eine
von besonderer Bedeutung durch ihre weite Verzweigung,
und weil ihr Wasser, durch einen Stollen an die Oberfläche
befördert, wahrscheinlich zur Vermehrung des Wassers der
Kallirrhoe benutzt wurde. Wir dürfen sie als die erste unter-
irdische Wasserleitung Athens bezeichnen. Ihre Erbauungs-
zeit kennen wir nicht.
Als bei der Erweiterung der Stadt der Wasserreichtum
des kleinen Quellgebietes in Folge der stärkeren Bebauung
immer geringer wurde, und als andrerseits die bedeutend ver-
mehrte Bevölkerung reichlicheres Wasser verlangte, wurde
etwa im VI. Jahrhundert vor Chr. der Plan gefasst, Wasser
aus der Ferne herbeizuführen. Dass Peisistratos der Schöpfer
dieses Wasserwerkes war, kann nach der literarischen Über-
lieferung nicht zweifelhaft sein. Die Wasserleitungen in Me-
gara und Aigina dienten gewiss als Vorbild für die neue
Anlage. Vielleicht lieferte Megara auch den Wassertechni-
ker, wie der Megarenser Eupalinos nach Samos berufen wor-
den war zur Herstellung der berühmten Leitung des Poly-
krates. Der Typus des Wasserwerks von Megara wurde auf
Athen übertragen, da die geologischen und geographischen
Verhältnisse Attikas mit denen Megaras viel Ähnlichkeit hat-
ten. Als Quellgebiet für seine Leitung wählte Peisistratos
das obere Ilissostal. Durch Stollen sammelte er das Grund-
wasser und führte vielleicht auch einige der am Fusse des
Hymettos entspringenden Quellen in seine Leitung. Als End-
punkt des langen unterirdischen Stollens diente der alte
Stadtbrunnen an der Pnyx, die Kallirrhoe, welche so mit fri-
schem und reichlicherem Wasser versehen wurde. Das ältere
schon vorhandene Bassin wurde vergrössert und vertieft, und
neben ihm ein neues Brunnenhaus erbaut, dessen neun Mün-
dungen dem Brunnen den Namen Enneakrunos verschafften.
Schon vor der alten Quelle Kallirrhoe hatte am Ostfusse
des Pnyxfelsens ein grosser freier Platz gelegen, an dem die
Hauptstrasse zur Akropolis vorbeiführte und auf den meh-
64 FR. GRÄBER: DIE ENNEAKRUNOS
rere andere Strassen mündeten. Neben und auf diesem alten
Brunnenplatze erbaute Peisistratos sein neues Wasserwerk, in-
dem er den alten Felsbrunnen hinter der neuen Anlage selbst
bestehen Hess. Das neue Brunnenhaus nahm die hintere Ecke
des Platzes ein. Eine kleine Zweigleitung wurde zum Brun-
nen des Amyneion hingeleitet, eine andere war schon vorher
in südlicher Richtung abgezweigt worden. Grosse unterirdi-
sche .Abflusskanäle dienten dazu, das Wasserreservoir zu ent-
leeren und auch das von dem Brunnenhaus und den älteren
Wasserkammern am Pnyxhügel abfliessende Wasser aufzu-
nehmen und den städtischen Strassenkanälen zuzuführen.
Die Wasserleitung des Peisistratos blieb, wie die erhalte-
nen Reste zeigen, viele Jahrhunderte lang in Tätigkeit und
liefert noch jetzt in beschränktem Maasse den königlichen
Gärten das zur Berieselung nörtige Wasser. Mancherlei Um-
bauten und Reparaturen der Leitung zeugen von der andau-
ernden Benutzung und von den vielen Beschädigungen, die
die Leitung im Laufe der Zeit erfahren hat. Wie lange das
Brunnenhaus selbst bestanden hat, ist aus den Ruinen nicht
mit Bestimmtheit zu erschliessen. Nur das Eine steht fest,
dass es in römischer Zeit abgebrochen und sein Wasser zur
Unterstadt geleitet wurde. Der Brunnenplatz wurde zur Er-
bauung eines Wohnhauses benutzt.
Wie diese Ergebnisse der Ausgrabungen und der techni-
schen Untersuchung zu der literarischen Überlieferung stim-
men, wird W. Dörpfeld in einem zweitem Aufsatze darlegen.
Friedrich Gräber
Beilage : bei S. 65 einzuheften.
Die Plinthe der Bronzefi,^ur auf Tafel IV nach Gipsab-
o-uss ung-efähr auf ^'1- verkleinert.
<I>ai)?isas dv]89Doe|Tq) Ilavi.
Das in der Photographie nicht ganz klare zweite Sigma
ist ein nach rechts schwach convexer, bis an den Rand hin-
abeeführter Strich.
65
DES ARKADERS PHAULEAS WEIHGESCHENK
AN PAN
(Hierzu Tafel IV)
Das auf Tafel IV abgebildete Figürchen, genau 10 cm
hoch, gelangte vor kurzem aus Griechenland in eine Privat-
sammlung im Süden von England. Dank der gewohnten
Liberalität des Eigentümers konnte ich es mit aller erdenk-
lichen Müsse prüfen und photographieren lassen. Für die
trefflichen Aufnahmen bin ich wieder ein Mal Herrn stud.
phil. Ludwig Schnorr von Carolsfeld in Leipzig verpflichtet.
Den weiter unten abgebildeten Gipsabguss der Plinthe hat
Herr John. R. Fothergill herzustellen die Güte gehabt.
Die schöne, fast durchweg glatte und glänzende Patina
ist nahezu schwarz, stellenweise bräunlich, mit einigen dunkel-
grünen Flecken. Im Nacken ist das Relief des Kleides und
des Halses an einer scharf abgegrenzten Stelle streng eben
abgefeilt; ist hier vielleicht ein Gusszapfen entfernt worden?
An der schwachen rechteckigen Plinthe ist eine Vorderecke
abgebrochen. Die zwei Bohrlöcher dienten zur I^efestigung.
Die untere Seite ist unregelmässig rauh, bis auf einen 1 \'., cm
langen, annähernd ovalen Fleck in der Mitte, der zwar nicht
eben, aber auffallend blank ist ; er sieht wie der treue Abguss
von mit dem Nagel frisch zurechtgestrichenem Wachs aus.
Doch entspricht er nicht etwa den Ansätzen der Füsse, die
fest an der mitgegossenen Plinthe haften '.
Die auf der Plinthe eingeschnittene
Inschrift lautet ohne allen Zweifel :
^avkeag av\edvoe j t(ü Havi.
Das Verbum dveOnGE statt ä\e^r\yie ist eine Freude für mich,
da ich es, in der Form itveiK'öe, vor Jahren mit Thurneysens
Hilfe auf dem Kymbalon der Kamo erkannte, was freilich
' Furtwängler Sitz^ingsbcr. der bayer. AkaJcmif 1899 II S. 572 ''.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. S
66 FR. STUDNICZKA
Epigraphiker von Fach nicht abhielt, allen einschlägigen
Analogien zum Trotze die Verlegenheitslesung vv E\)voe vor-
zuziehen ^ Die auch kyprische Trübung von dv- zu vv- ver-
weist das Kymbalon, wie schon R. Meister ausgesprochen
hat '-, nach i\rkadien statt nach Messenien, welch beide Land-
schaften die von mir mitgeteilten Fundnotizen zur Wahl stel-
len. Und aus Arkadien stammt so gut wie sicher auch unser
Anathem.
Zwar die sonstigen Formen der Inschrift, die sprachlichen
wie die graphischen, dürften keinen Anhaltspunkt für die
Lokalisierung bieten. Dass zu der neuen Kurzform OauXeag
das Namenbuch von Fick und Bechtel nur einen Vollnamen,
f^avliJiKoc,, aus Rhodos bietet •', wird nicht mehr als Zufall
sein. Unter den Buchstaben fällt mir das schräge, ungemein
matt gebogene ^ auf, doch ist mir keine genaue Analogie
dafür gegenwärtig.
Aber der göttliche Empfänger der Weihung lenkt in
archaischer Zeit schon an sich den Gedanken auf sein Hei-
matland. Und dort, am Westabhange des auch dem Pan ge-
heiligten Lykaions, an den Quellen der Neda, bei dem Dorfe
MjtepexXa, fand sich kürzlich ein Heiligtum des Gottes, be-
zeugt durch Weihinschriften, wie die etymologisch wichtige
TW Huovi ^, reich an tönernen und bronzenen Votivfigürchen
archaischer Kunst, von denen einige der hier publicierten
ähnlich sind. Das war schon aus den kurzen Beschreibungen
des Ausgrabungsleiters Kuruniotis ■'' zu entnehmen und wird
durch Lichtbilder, die er mir mit dankenswerter Gefälligkeit
' Meiner in diesen Mittcilungim 1 896 S. 240 f. begründeten Lesung trat
im Interesse der andern, von Chatzidakis mitgeteilten sogleich M. Fränkel
entgegen, ebenda S. 440 ff. Ihm schloss sich an Dittenberger Sylloge - II
Nr. 625 und, wie mir R. Meister freundlich nachweist, v. Wilamowitz T/mo-
theos Perser S. 65 ''.
' Ber. der sächs. Ges. ph. CI. XLVIII 1896 S. 264; vgl. auch R. Meister
Gr. Dia/. II S. 220 und zu Collitz Nr. 4601. Persönlich verweist er noch auf
xttTdOtJTOi; =r lEQog, Olympia.
•' /. Gr. ms. m. Aeg. I Nr. 764 Z. 42. 43 ; Nr. 925.
" Kuruniotis in den riQaxTixä 1 902 S.74. Vgl. Roschers Lexikon III S.1 406.
" A. a. O. und "Etpun. dyx- 1 W3 S. 169.
DKS ARKADERvS PHAULEAS WEIHGESCHENK AN PAN 67
zuschickte, vollauf bestätigt. Die Annahme, dass unser gleich-
zeitig; aufgetauchtes Stück aus demselben Funde herrührt, lei-
det kaum einen Zweifel. Sind doch bei den Haugrabungen
der Bereklioten, welche zu der amtlichen Aufdeckung des
Heiligtums führten, sicher drei andere Kleinbronzen zu Tage
und in das nahe Andritsena gekommen, woher sie gewiss
auch in den Kunsthandel verschlagen worden wären, hätte sie
die Regierung nicht mit Beschlag belegt und dem atheni-
schen Nationalmuseum einverleibt. Diese drei Figuren hat
soeben Perdrizet veröffentlicht '. Die eine (Tafel IX), ein hüb-
scher nackter Bursche, fällt aus der Reihe. Die zweite (Taf.
VIII), ein plumper Bauer von schwerfälligen Proportionen, in
kurzem gegürtetem Chiton und rundem Hut, ist das roheste
Exemplar eines der beiden vorherrschenden Typen, in dem
Kuruniotis, nach der Aktion zweier vollständig erhaltener
Figuren — eines Moschophoren und eines aus der vSchale spen-
denden Beters — mit Recht arkadische Dedikanten sieht. An
diesen Typus schliesst sich in der Tracht und der neben fei-
nerer Ausführung bestehenden Derbheit der Gestalt die dritte
von Perdrizet mitgeteilte Bronze (Tafel VH), welche der Wid-
der unter ihrem linken Arme, der seltene Federhut und die
grossen Flügel an den Halbstiefeln doch wohl sicher als Her-
mes kennzeichnen, obgleich sogar das letztere Attribut bei
Sterblichen nicht unerhört ist -. Das Loch in der rechten
Faust wird also den Heroldstab enthalten haben.
Denselben mit Pan wesensverwandten Herdengott, der
an verschiedenen Orten Arkadiens jenem zum Vater gegeben
ward ^, möchte man unbedenklich auch in unserem Figürchen
erkennen. Das dünne Stabende in der Rechten, das, an ihrer
obern Öffnung abgebrochen, über die untere schräg auswärts
etwa eine Handbreit hinabragt, passt völlig zu der kurzen
Form des Kerykeion.s. Allein die linke Faust trug offenbar
ein gleichartiges Attribut in ähnlicher Richtung, nach Aus-
* BCH \90l Taf. VII-IX S. 300. Zu ihrer Herkunft vgl. auch IlQaxTixä
1902 S. 73.
'' Jahrbuch des InstÜuts 1 890 S. 1 44.
■' Roschers Lexikon III S. 1 380.
68 FR. STUDNICZKA
weis des ganze 5 mm tiefen Bohrlochs, das hier nur nicht hin-
durchgeht, weil diese Hand mit dem kleinen Finger zu dicht
am Schenkel ruht.
Ungewöhnlich in sonstiger archaischer Kunst ist die
Kleidung, der blosse, um den Hals festgeheftete Mantel, un-
ter dem, in echt helladischer, namentlich peloponnesischer
Weise ^, die Nacktheit desto augenfälliger hervortritt. Es ist
noch nicht die krumm geschnittene thessalische Chlamys, son-
dern ein massig grosses rechteckiges Himation, die homeri-
sche xXaiva unloic, l Die zwei einander rechts und links ge-
genüber liegenden Säume des schweren Gewebes scheinen mit
kurzen dicken Fransen besetzt, wie auch der Chiton der er-
wähnten plumpen Bronzefigur bei Perdrizet Taf. VHI. Die
Ecken sind mit Bommeln belastet. Zwei liegen, von beiden
Schultern eng um den Hals gezogen, auf der Brust überein-
ander, zusammengesteckt mit einer langen Nadel (jteQÖvr]), de-
ren grosser runder Kopf und spitzes Ende beiderseits einer
Falte sichtbar ist, eine merkwürdige Einzelheit, auf die mich
die sachkundigen Verwalter der Sammlung sofort hinwiesen.
Es ist für mich, nach einer kretischen Tonfigur ■^, das erste
ausdrückliche Zeugnis der Verwendung solch einfacher Steck-
nadeln in der Männerkleidung, während ihren Gebrauch am
alten homerischen Frauenpeplos die Fran9oisvase und andere
Bildwerke reichlicher bezeugen. Tatsächlich erhalten sind
Nadeln dieser Art sehr häufig, von den alttroianischen Fun-
den angefangen, aber doch ganz besonders aus dem hier zu-
nächst in Betracht kommenden, im weitern Sinne dorischen
Kulturbereiche, wie aus Olympia und Lusoi ^.
' S. darüber vorerst/ak>-b7ech des /f?sf2/7/fs 1903 8.14"^. Das wichtige Thema
wird bald in einer Leipziger Doktorschrift ausführUcher behandelt werden.
"^ S. meine Beiträge znr Geschichte der altgriechischen Tracht S. 73 ff.
=> Americ. Journ. of Archaeol. V 1901 S. 381 Fig. 7.
•* Dörpfeld Troja und Ilion I S. 354 ff. (Götze). Murray, A. Smith, Wal-
ters Excavations in Cyprus Taf. 8 S. 19 f. Olympia IV Taf. 25 S. ob ff. (Furt-
wängler). Lu.soi : Jahreshefte 1901 S. 54 (Reichel) vgl. ebenda 1902 S. 212
(Hadaczek). Böotien : Jahrbuch des Instituts 1 888 S. 363 (Böhlau). Megara
Hybläa: Momim. dei Lineeil 1889 S. 809 ; 81b (Orsi). Syrakus : Notizie degli
scavi'\^9l S.115 (derselbe). Herausgebern solcher Funde konnte es natürlich
DES ARKADERS PHAULEAS WEIHGE:SCHENK AN PAN 69
Ob diese Tracht zur Deutuno- unserer Bronze auf Hermes
berechtigt, wird mindestens zweifelhaft durch ihre Wiederkehr
an dreien von den erwähnten Fig-ürchen, deren Photographien
mir Herr Kuruniotis mitzuteilen die Güte hatte. Sie unter-
scheiden sich von jener bloss dadurch, dass ihre vorne mit
den Säumen dicht zusammenschliessenden Chlainai auch die
beiden Hände verhüllen. Diese werden von den zwei altertüm-
licheren Püppchen, mit auf die Füsse reichenden Mänteln —
sie erinnern fast an Telesphoros — ähnlich wie von dem un-
sern gehalten, \'on dem weit freier gestalteten, trefflich gear-
beiteten dritten unter kürzerer Chlaina vor der Brust. Auch
das werden, wie im Allgemeinen schon Kuruniotis gesagt hat,
Bilder von Andächtigen sein, von solchen vielleicht, die den
Gott daran erinnern wollten, wie sie in rauher Jahreszeit,
dicht eingehüllt in ihre x?ialA'a c'JeHavefioc [k'Om KVKvr\, zu dem
hochgelegenen Pansheiligtum gewallfahrtet waren. An Her-
mes zu denken geben sie nicht den mindesten Grund. Den
in Arkadien besonders landesüblichen Pilos trägt ja auch der
hesiodische Bauer im Winter {Erga 546), und unter den Bron-
zen dieses Fundes auch jene sicheren Dedicanten (S. 67), der
Kalbträger fast genau in derselben Gestalt, w4e unser Mann.
Auch in ihm wird also vielmehr der Stifter des Anathems,
Phauleas, zu erkennen sein.
Wie die Tracht, so ist der Stil dieser arkadischen Mantel-
figuren gut epichorisch. Er war bisher repräsentiert durch die
kleine Gruppe meist weiblicher Kleinbronzen aus der zweiten
Hälfte des sechsten und dem Anfang des fünften Jahrhun-
derts, die Furtwängler bei Gelegenheit der österreichischen
Ausgrabung in Lusoi zusammengestellt hat ^
Zwar das Gesamtmotiv mit dem ganz frontalen Oberkör-
per, den wesentlich symmetrisch herabhängenden Armen, de-
ren Attribute führende Hände nur wenig vorgenommen sind,
dem massig vortretenden linken Fusse, schliesst sich noch an
den archaischen «Apollontypus» an. Aber in der Haltung fehlt
nicht entgehen, dass ich Beiträge zur altgr. Tracht S. 98 ff. im Irrtum war,
die von mir bemerkten Abbildungen ähnlicher Nadeln auf der Klitiasvase
für Fibeln zu halten.
' Sitzungsber. der bayer. Akademie 1899 II S. 5öb ff.
70 FR. STUDNICZKA
g'anz die gespannte Straffheit etwa der Statue von Tenea ',
ebenso wie die dazu gehörige Präcision in der anatomischen
GHederung, die doch auch an so kleinen Bronzen wenigstens
andeutungsweise zu finden ist; sogar die Kniee entbehren
jeder Spur davon. Dennoch verraten die Körperformen eine
jüngere Kunststufe, namentHch die ziemlich unbeengte Ent-
faltung des Bauches. In einigen Punkten lässt sich hier die
epidaurische Bronze des Hybrisstas vergleichen -. Und wie
diese Kämpfergestalt in ihrem Schrittmotive, so weist auch
unser Phauleas schon einen Anklang von belebendem Ryth-
mus auf: sein rechter Ellenbogen tritt, weil etwas stärker
gebogen, hinten aus dem Gewände hervor. Ein viel ober-
flächlicherer Versuch in derselben Richtung wäre es, wenn
an der nach Paris gelangten Frauenfigur von Lusoi die wie
zufällig aussehende Schwellung wirklich das linke Knie be-
deuten sollte ■''.
Gleich dem Schultertuche dieses Figürchens haftet der
lange Mantel des unsern im Ganzen noch ängstlich am Kör-
per. Allein wieder ist es nicht das überstraffe Ankleben, das
bei ähnlichem Gewandmotive z. B. der attische Kalbträger
zeigt, man spürt vielmehr überall die Masse des wärmenden
Stoffes über den nur mit ihren äussersten Vorsprüngen be-
stimmter hervortretenden Gliedern. Die Gewandbehandlung
lehnt eben die künstlichen ionischen Schemata insgesamt
ab, um den Preis fast vollkommenen Verzichtes auf Falten,
die einzige vorhandene aber, wo die Nadel durchgesteckt ist.
'■ Gut charakterisiert von Furtwängler Besckreibtm^ der Glyptothek Nr. 47.
"^ Rom. Mitten. 1889 vS. 168 (Wernicke); Fröhner Coli Tyszkiewicz Taf. 21;
derselbe Coli, d'antiq. du Cte Tyszk. (Auktionskatalog) Taf. 1 4 ; danach Per-
rot Hist. de l'art VIII S. 471 und Gaz. des beaux-arts 1903 XXX vS. 121 (Col-
lignon), mit der Nachricht, dass die Bronze in die Sammlung Dutuit und
mit ihr ins Pariser Musee Carnavalet gelangt ist. Furtwäiigler a.a.O. S. 579 '"
scheint mir zu irren, wenn er sie, gegen Wernicke, noch in die erste Hälfte
des sechsten Jahrh. setzt; vgl. Gott. gel. Anz. 1895 S. 313, wo ich sie schon
mit der damals allein bekannten Frauenfigur von Kalawryta verglichen
habe, s. unten S. 71 '.
3 So Reichel Jahreshefte 1901 S. 3b zu der Abb. 20-22 auf S. 34, gegen
deren ersten Herausgeber Furtwängler a.a.O. S. 517 ''"' Taf. 1; abgeb. auch
Perrot a. a. O. VIII S. 453.
DEvS ARKADERS PHAULEAS WICI HCICSCII ICNK AN I'AN 71
erscheint überraschend natürlich. Eine Vorstufe dieses ()c-
wandstiles, nur in künstlerisch höher stehender Arbeit, schei-
nen mir die Reliefs vom Sikyonierschatzhanse zu zeij^en ',
seine Weiterbildung unter Anderem die beiden Kleinbronzen
aus Kalawryta, das heisst wohl auch aus Lusoi, die eine in
Berlin, die andere nur in Photoj^raphien bekannt, tnjtz ihrer
provinziellen Roheit zwei der wichtigsten Anhalts|)uiikte für
die Lokalisierung von Typen wie die Hestia (liustiniani und
die Frauen des ohnipischen Zeustempels -.
Auch der grosse Kopf unserer Figur erinnert mehrfach
an die eben verglichenen Bronzen. Die Pariser und die Ber-
liner Frauenfigur haben das Haar ähnlich in die Stirne ge-
strichen, grad abgeschnitten und schlicht geriefelt, die ver-
schollene von Kalawryta zeigt im Nacken dieselbe con\-exe
Biegung der Haarenden. Nur ist das Frauenhaar hinten etwas
länger und bedeckt die Ohren, welche bei Phauleas offen lie-
gen, zwar hoch, aber sonst nicht übel angesetzt und gut um-
rissen, weit besser als an dem Werke des Hybrisstas. Auch
das Gesicht ist an jenem sorgsamer durchgeführt, aber die
Verwandtschaft bleibt trotzdem augenfällig, am meisten in
der steilen dünnen, fast flügellosen Nase, dem graden, kanti-
gen, mild ernsten Munde, den schräg nach hinten zurücktre-
tenden Augen.
Alles in allem haben wir eine originelle, in ihrer biedern
Schlichtheit liebenswürdige Probe jener arkadischen Klein-
plastik vor uns. Sie wird an Interesse noch gewinnen, wenn
sie an der Hand von Abbildungen mit ihren oben für gegen-
ständliche Motive mehrfach herangezogenen Genossen aus
1 Homolle FotaV/rs de Delpht's IV 1 Taf. 1-4 ; JK'II XX 1 SOo Taf. 10. 11;
Perrot a. a. O. VIII S. 457 ff.
- Die im Berliner Antiquarium Jn/i. Zeitung XXXIX 1881 Taf. 2, 2 und
Furtwängler a.a. O. S. 57b f., die andere ebenda vS. 578. Ich kenne sie noch
aus zwei anderen Photographien, die bei besserer Gelegenheit veröffentlicht
werden sollen. Der Zusammenhang dieser und ähnlicher peloponnesischer
Figürchen mit den Frauentypen des olympischen Zeustempels ist natürlich
auch Furtwängler (vS. 583f.) nicht entgangen, aber er hält ihn für nur
kostümgeschichtlich, während er meiner alten Überzeugung nach auch kunst-
geschichthch ist ; vgl. Collignon Histoire Je la sculpttire Grecque I S. 4bO f.
12 STUDNICZKA: DEvS PHAULEAS WEIHGESCHENK AN PAN
dem Pansheiligtum am Lykaion auch stilistisch durchvergli-
chen werden kann. Die Eigenart dieses innerpeloponnesischen
Stiles lässt sich in Kürze so bezeichnen, dass er, unmittelbar
an die «geometrische > Tradition anknüpfend, vermöge einer
gewissen Rückständigkeit sich mehr oder minder frei erhielt
von den künstlichen Formeln des reifern, in lonien und auf
den griechischen Inseln ausgebildeten Archaismus und so
geeignet war zum vornehmsten Ausgangspunkte der Über-
windung dieser Formeln am Übergang zur freien Kunst zu
werden. Dieser schlicht natürliche Charakter ist in der Bronze
des Phauleas klar und erfreulich ausgeprägt.
Leipzig.
Franz Studniczka.
73
DIE ATTISCHEN ARCHONTEN VON 293/2 -271 0
Wer heute zur Datierung der attischen Arclionten das
Wort ergreift, hat in erster Linie die Methode darzulegen,
nach der er bei seiner Untersuchung verfahren will. In neuerer
Zeit hat man zwei Systeme als chronologische Hilfsmittel her-
angezogen und geglaubt gerade dadurch, dass man den histori-
schen Nachrichten nur subsidiären Wert beilegte, um so siche-
rere Resultate zu gewinnen. Ferguson ^ ging von dem soge-
nannten Schreibercyklus aus, d. h. von der Tatsache, dass die
Ratsschreiber einander in der offiziellen Reihenfolge der Phy-
len ablösten. Diesem einen Kriterium ordnete er alle ande-
ren unter. Dagegen hat Beloch in seinen kritischen Aufsätzen
den kalendarischen Schal tcyklus wieder zu Ehren gebracht,
indem er die auf anderem Wege gefundenen Daten nach ihm
modificierte {C. F. Lehmanns Beiträge z. alien Gesch. I 417 ff.,
jetzt Gricch. Gesch. III, 2 S. 50 ff.). Es hat sich hierbei gezeigt,
dass die beiden schematischen Prinzipien nicht zu überein-
stimmenden Ergebnissen führten. Nun kann es allerdings
keinem Zweifel unterliegen, dass Ferguson die Bedeutung
der Schreiberfolge für die chronologische Forschung über-
schätzt hat. Das hatte bereits Kirchner in seiner vortrefflichen
Recension {Gott. Gel. ^ws. 1 900, 400 ff., später Hermes 1902,
475 ff.) hervorgehoben. Dann haben de Sanctis und vor allem
Beloch {a.a.O^ immer wieder nachgewiesen, dass in einer poli-
tisch so unruhigen Zeit, wie es die erste Hälfte des III. Jahr-
hunderts für Athen gewesen ist, Stcrungen in der regelmäs-
sigen Ämterbesetzung nicht ausbleiben konnten. Für den
Forscher ergibt sich daraus die Konsequenz, dass mit der
Möglichkeit von Störungen in der Phylenfolge zu rechnen
ist. Ist erst einmal eine Unregelmäs.sigkeit der Schreiber-
folge festgelegt, so muss ein schematisches Festhalten am
The athenian archom of the third and second centuries bcforc Christ. I 899.
74 W. KOLBE
Cykliis Fehler hervorrufen. Überhaupt sei hier ausgesprochen,
das dieses Kriterium immer erst dann zur Anwendung kom-
men sollte, wenn die Epoche eines Archonten bereits durch
andere Judicien ungefähr festgestellt ist. Dann freilich — aber
nur innerhalb dieser engeren Grenzen — wird es uns zu festen
Ergebnissen verhelfen.
Wie steht es nun mit der kalendarischen Schaltung als
chronologischem Hilfsmittel ? An der Richtigkeit der von
Unger, Usener und A. Schmidt aufgestellten Theorie einer
19 jährigen Schaltperiode zu zweifeln,- sehe ich keinen Grund;
danach sollten sich Gemeinjahre (G) und Schaltjahre (S) in fol-
gender Weise ablösen: SGG|SGGISGG|SG|SG|SGG|SGG.
Was ich bestreite, ist die genaue Innehaltung des Systems in
der Praxis. Und hier sind die Störungen, an denen es nach-
weis lieh nicht fehlt, viel unberechenbarer. Das hat am besten
Beloch selbst durch die Prüfung der Kalenderdaten für die
Zeit von 338/7 — 262/1 bewiesen [Griech. Gesch. III, 2 § 14).
Die erste 19 jährige Periode von 338/7 — 320/19, in der wir die
grosse Mehrzahl der Jahre nach ihrer kalendarischen Qualität
kennen, enthält einen Verstoss gegen das oben gegebene
Schema, insofern 324/3 als Gemeinjahr gesichert ist, obwohl
der Cyklus hier ein Schaltjahr verlangt. Man wäre also mit
einem groben Kalenderfehler in die neue Periode eingetre-
ten, vorausgesetzt, dass Beloch deren Anfang und Ende rich-
tig angenommen hat. Es kommen nämlich auf 1 3 Gemein-
nur'6 Schaltjahre. Grenzt man aber die Jahre 333/2 — 315/4
nach Unger-Useners Schema als eine Periode ab, so erhält
man zwar die richtige Zahl von 7 Schaltjahren : doch wird
der Fehler von 324/3 (G) nur durch einen zweiten aufgewogen,
da 318/7 gegen die Regel als Schaltjahr erwiesen ist. Ebenso
steht es mit der Periode von 314/3 — 296/5, in der die Auf-
einanderfolge von zwei Schaltjahren (314/3, 313/2) und vier
Gemeinjahren (307/6 — 304/3) gesichert ist. Man sieht deut-
lich, dass der Kalender nicht in Ordnung war. Für unsere
Epoche von 295/4 — 277/6 hat Beloch wieder ein Schaltjahr
zu viel, da er gegen den Cyklus 291/0 dem Philippos (S) gibt.
Nimmt man hinzu, dass wir im III. Jhdt nur bei einer ver-
hältnismässig geringen Anzahl von Jahren die kalendarische
DIR ATTKSCHHN ARCH0NTP:N VON 293/2 — 2; l/o 75
Qualität bestimmen können, so wird der Schaltcyklus zu einem
zerbrechlichen Instrument. Das erkennt jetzt Heloch selbst an
a.a.O. 54: «Der Cyklus "ibt also kein unbedino;t sicheres Kri-
terium für die Anordnuntr der Archonten — - . Es steht dem-
nach von dieser vSeite nichts im Wes^e, Phili])])C)s (S) in 2'>1/()
zu setzen, obgleich dieses Jahr nach dem Cyklus ein (reniein-
jahr hätte sein sollen >. Diese Freiheit dürfte man Heloch im
Princip wohl zugestehen. Aber in dem selben Augenblick hört
der Cyklus auf, ein Mittel zu sein, das der «subjektiven Will-
kür Schranken» setzt. Infolgedessen glaube ich von der ge-
nauen Beobachtung des Schalts)-stems, das die Theorie \'er-
langt, absehen zu sollen und stelle nur die Forderung, dass
auf je 12 Gemeinjahre je 7 Schaltjahre kommen. Aber gerade
hier versagt Belochs Tabelle (s. S. 53): in den vier Schalt-
perioden von 338/7—263/2 haben wir bei ihm 6-i-8 + 8-f 7=29
Schaltjahre und 13-1-11+11+12 = 47 Gemeinjahre.
Zur Grundlage meiner Untersuchung nehme ich also ge-
rade die Bausteine, die man verwerfen zu können geglaubt
hat, die historischen Nachrichten. Erst wenn auf diesem Wege
die ungefähre Zeit eines Archonten festgestellt ist, werde ich
den Schreibercyklus heranziehen, um mit seiner Hilfe das
genaue Jahr zu bestimmen.
Wenn ich die vorliegende Studie auf die Jahre 293/2 —
271/0 beschränkt habe, so war die obere Grenze durch das Auf-
hören der Liste bei Dionysios von Halikarnass gegeben. An-
dererseits besitzen wdr im Archontat des Pytharatos 271/0, in
dem Epikur starb (Apollodoros bei Diogenes Laert. X 1 4), einen
sicheren terniinus ante quem für die Archonten, welche in den
Briefen des Philosophen erwähnt werden. Es sind die Epon>-
men Charinos, Diotimos, Isaios, Urios, Aristonymos, Telokles
und kuos (Usener Epicurea S.133 f. dazu Kirchner Rhein.
Mus. 53,386 und Crönert Rhein. Mus. 56,612 ff.). Durch Dion.
Hai. in vita Diu. c. IX kennen wir Philippos, der inschriftlich
IG XIV 1 1 84 belegt ist. Sicher datiert sind Gorgias durch Plut-
vita X oratoriDii 847, sowie Anaxikrates und Demokies durch
Pausanias X 23,14. Die Inschriften dieser Epoche fügen die
Namen Kimon, Xenophon, Diokles, Euthios, Menekles, Ni-
kias, Eubulos, Polyeuktos und Hieron hinzu {IG II 309—331).
76
W. KOLBE
Das sind einschliesslich Pytharatos 21 Namen; von den 23
Archonten des Zeitraums 293/2 — 271/0 fehlen uns also nur
zwei. Beloch hat aus IG II v ö}4 6 den Archonten Lysias in
unsere Reihe aufnehmen wollen. Aber ich glaube nach sorg-
fältiger Prüfung aller Möglichkeiten dabei verharren zu sol-
len, dass jene Urkunde und mit ihr der Archon Lysias in die
Zeit Demetrios' IL gehört (vgl. Festschrift für Otto Hirschfeld
312 ff., zustimmend Niese in den Nachträgen zu Bd. II 227
seiner Gesch. d. griech. u. maked. Staaten III S. 378; dagegen
Beloch in C. F. Lehmanns Beiträgen z. a. Gesch. III 321 ff. und
Griech. Gesch. III, 2, 37). Wenn Beloch meinem Ansatz den
festen Boden entziehen will, indem er nachzuweisen sucht,
dass die Prinzessin Oi>ia die Thronbesteigung des Demetrios
überhaupt nicht mehr erlebt habe, da sie bald nach der um
250 erfolgten Vermählung gestorben ^ sei, so verlässt er den
Boden der Überlieferung.
Auch Antimachos, der Archon von IG II 303, 304 gehört
nicht in den Anfang des III. Jahrhunderts, wohin ihn Köhler,
durch den Schriftcharakter verleitet, gesetzt hatte. In dem
Ehrendekret für KaUiai)evi]5 Kkoßo'uAoD IlpoöJüd^iTiQg, das Herr
Stais in den IlQaxTixd xfii; aQ/a^oX. etaiQ. 1 891 S.l 6 aus Rhamnus
veröffentlicht hatte, erscheint Antimachos neben den Archon-
ten Philostratos und Phanostratos, die kurz vor oder kurz nach
ihm amtiert haben müssen : für drei Archonten ist aber vor
271/0 kein Raum. Die Inschrift zeigt folgende Anordnung:
Ka?tÄia88vr]g KkoßovA,ov IlQooJtdXrLO«; x^^QO^ovr^iVis 8Jtl ttiv
jtaQaAiav 1 oT8cpavcoi9eii; xsnh tfjg ßoDX% xai Toi3 8t][iod AioviJcfü)
[A]T)vai(p dve^Tixsv.
OL iJTjreig
f| ßou^Ti
f) ßoiJ?tT) 6
f| ßo^Xri 6
Ol ijrjtEis
ffuÄaQxi]-
6 5fi|j,oi; (pit-
ÖYJuog atQa-
8fi[,iog iJtJtaQ-
L:n;jtaQX'n-
öavta
Xa^xil^av-
niYi^oavTa
XiiaavTtt
Gavta
EJtl $iXo-
Ttt 8Jtl Ol-
e:rti 4>avo-
ejiL 'AvTi-
8Jtl 'AvTi-
aTJQaTOX)
}tO[ö]TßdTOU
aTQfXTOV
[idxoD
\KWfpV.
1 Griech. Gesch. III 2, 95 : «Von Phthia hat Demetrios, soviel wir sehern
keine Nachkommenschaft gehabt; diese seine zweite Gemahlin scheint
also schon nach kurzer Ehe gestorben zu sein, etwa bei der Geburt ihres er-
sten Kindes, höchst wahrscheinlich vor 245, um welche Zeit Demetrios sich
mit Nikaia vermählte;. Dazu die Anmerkung.
DIE ATTISCHEN ARCHONTEN VON 293/2 — 27 l/o 77
Danach hat Kirchner in der Prosopographia Attica II 6,SK die
Reihenfolge Antimachos, Philostratos, Plianostratos auf crc-
stellt. Das scheint mir aus inneren Gründen nicht möglich.
Aus der Anordnung der subscriptio ist vielmehr zu folgern,
dass Philostratos dem Antimachos im Amte voraufging. Unter
jenem war er noch Phylarch, unter diesem bereits Hipparch,
und im folgenden Jahre des Phanostratos sehen wir ihn zum
Strategen aufsteigen. Auch mit der Datierung auf die Jahre
257/6 — 255/4 kann ich mich nicht einverstanden erklären.
Für Antimachos haben wir zwei weitere Inschriften IG II
1349 und 'Ecp. dpx- 1899 S. 1 93 Nr. 14. Letztere stammt aus
Eleusis; sie gilt dem Feldherrn Demetrios, der ot()«t)iy65 Ijii
Tr]v fijiQoy tip 8Ji"EXei'ölA'og gewesen war und sich schon vor-
her unter Antimachos Verdienste erworben hatte. Zur Datie-
rung bemerkt A. Skias: wg ex twv YQa!-»'M^ccT(ov f| ejtiYQaq)T| cpai-
VEtai dv7]xouaa et? tg^s vatepoiK; [.laxeSoviy.oi'Q /qovoik;, vewteQfx
jtidavwg xatd ti toij ■ujcsü 0eoq)(3daTOi) i|>»]q)ia|.iaT05 ('Ecpi]^i. dp-/.
1897, 43 Nr. 13). Hat Skias mit seiner im einzelnen noch spe-
cialisierten Bemerkung über den Schriftcharakter Recht, wo-
ran nicht zu zweifeln ist, so muss Antimachos im letzten
Viertel des III. Jahrhunderts Archon gewesen sein. Der oben
erwähnte Theophrast war nämlich unter ""AvTif^ji^vOs 224/3
Gymnasiarch, und unter Kd]}Ja[iGXQO(; 22Ü/19 oTgaTriyo? ejti
TTjv xwQttv T7]v 8Jt' 'E^ievoLvoi;. Jetzt gewinnt die Erwähnung der
Rhodier in dem Beschluss II 304 einiges Licht. Diese sind
nachweislich 209 mit den Athenern in Unterhandlungen ge-
treten, um durch eine Intervention der neutralen Mächte den
Krieg zwischen Philippos und den Ätolern zu beendigen (Liv.
XXVII 30, 4 ff., dazu Niese Gesch. d. gr. u. mak. Staaten II 485),
und auch in den folgenden Jahren bestanden freundschaft-
liche Beziehungen. Nachdem wir so aus historischen Indicien
für Antimachos das letzte Jahrzehnt des III. Jhdts. erschlossen
haben, können wir Fergusons Schreibercyklus heranziehen.
Antimachos' Schreiber war nämlich Xait>[i]YEV)ic; [X«i]t)iYEvov?
Mdqqivovoios aus der V. Phyle Pandionis. Da wir von 215/4—
210/09 (Kirchner Pros. Att. II 640) die Archonten mit ihren
Ratsschreibern kennen, gewinnen wir für Antimachos das
Jahr 208/7. Folglich war 209/8 Philostratos im Amte und
78 W. KOLBE
207/6 Phanostratos ; 206/5 ist bereits durch Kallistratos be-
setzt. Es bleibt noch ein Einwand zu erledigen, den Kirchner
GGA 1900, 455 gegen Ferguson, der zu einem ähnlichen Er-
gebnis 203/2 gekommen war, erhoben hatte. Er betrifft die Zeit
der dreizehn Phylen. Köhler hatte zu IG II 303 bemerkt, dass
Antimachos' Jahr ein Gemeinjahr sei : der 20. Boedromion ist
= 21. Tag III. Fryt. (II 303) und der 25. Fyanopsion = 26. IV.
Fryt. Es besteht aber die Möglichkeit, dass unter Antima-
chos ein dreizehnter Monat eingeschaltet wurde. Unter die-
ser Voraussetzung fallen auch in der Zeit der dreizehn Fhylen
Monats- und Frytaniedatum ungefähr auf den gleichen Tag.
Ebensowenig wie Antimachos gehören Glaukippos, den Kirch-
ner GGA 1900,445 um ein Jahrzehnt zu hoch ansetzt, und
Sosistratos und Fhiloneos in unsere Epoche.
Die Archontenliste in der historischen Bibliothek Dio-
dors bricht mit dem Jahre des Nikokles (302/1) ab, doch ge-
währt Dionysios von Halikarnass für die nächste Folgezeit
einen Ersatz : es ist die bekannte Aufzählung der Archonten
von Nikophemos (361/0) bis auf Fhilippos in der vifa Dinarchi
c. IX. Dionysios verspricht siebzig Namen zu geben, aber uns
sind nur deren achtundsechzig in seinem Text überliefert. Nun
steht fest, dass der Eponyme Hegesias 324/3 ausgelassen ist,
und der Streit der Gelehrten dreht sich darum, ob auch zwi-
schen Nikokles (302/1) und Fhilippos der Ausfall eines Na-
mens anzunehmen ist, oder ob etwa Dionysios selbst eine fal-
sche Zahl gesetzt habe. In neuester Zeit ist Beloch zum Vor-
kämpfer der ersten Ansicht geworden (s. C. F. Leluuanus Beitr.
z. a. Gesch. I 401 ff. und Gricch. Geschichte III, 2 S. 34 ff.),
während Kirchner im Hermes XXXVII 438, wie mir scheint,
mit Erfolg die These vertrat, dass die Liste bei Dionysios bis
auf die Auslassung des Hegesias intakt sei. Die Konsequenz
dieser Ansicht ist, dass Fhilippos ins Jahr 293/2 gehört. In-
dem ich mir Kirchners Beweisführung im wesentlichen zu
eigen mache, verzichte ich auf ihre ausführliche Wiederho-
lung. Nur das eine muss ich hervorheben, dass noch eine
zweite Angabe bei Dion. Hai. für Fhilippos auf 293/2 führt:
ejti öe 'Ava'^ixQdtoug (307/6) — — — e^e?i9ü)v rf)? Jt6?te(0i; xal
8Ai*)ü)v EIS XaXxiöu TTjv Ev Eußoia, tov qjC 'AvalixpctTov? XQ'^^ov
DIE ATTISCHEN ARCHONTEN VON 293/2 —27 l/o 79
8(0? 4>iAiJtJtoi' JtevTExaiÖExaeTfi yevof^ievov exei öietQnj'ev (wV.
/J/;/. c. IX = 2, p. 633, 16). Beloch liat hier die exklusive Zäh-
lung, nach der sich das Jahr 292/1 ergeben würde, früher für
möglich gehalten. Aber offenbar hat der vSchriftsteller sie
nicht angewandt, da er auch bei der ersten fünfzehnjrdirigen
Periode, die von der Unterwerfung Athens durch Antipatros
(Archon Philokles 322/1) bis zur Befreiung Athens von Kas-
sanders Herrschaft (Archon Kairimos 308/7) die inklusive Zähl-
weise bevorzugt hat. Neuerdings hat Beloch aber den Ein-
wand erhoben, dass diese Angaben nach keiner Seite entschei-
dend sein können, da «Dionysios nach seiner eigenen Liste
gezählt habe» {Gr. Gesch. III, 2, 34). Darin liegt das Zugeständ-
nis, dass der Schriftsteller die Liste in der Weise niederge-
schrieben hat, wie sie uns vorliegt. Trifft dies zu, so ist zu-
nächst festgestellt, dass wir nach Dion. Hai. oder seiner Quelle
den Archon Philippos dem Jahre 293/2 zuweisen müssen.
Doch Beloch geht von einer ganz anderen Grundlage
aus. Er erkennt einzig und allein der Menander-Inschrift be-
weisende Kraft zu IG XIV 1 1 84 : MevavÖQog Aiojreifloi's Kerpi-
OLEvg eyevvrid)] ejti uq^owxoc, Scooiyevovi;, ete^ievn^oev Itwv v xui (^
8;ti ctQxovTog ^iXiimov xatu t6 ß xai X etog xr\c, nTO^e^aioi' tov
ScoTfiQog ßaöiXeiag. Kirchner hatte dieses Zeugnis gänzlich bei-
seite gelassen, weil es, wie wir gleich sehen werden, in sich
einen Widerspruch enthält. Diese Inkongruenz gibt auch Be-
loch zu: «52 Jahre von Sosigenes 342/1 an gezählt, führen bei
inklusiver Rechnung auf 291/0, und wenn dies Jahr das 32.
der nTok[iaioi) ßaodEia ist, so würde ihr 1. Jahr 322/1 (Archon
Philokles) sein, während Ptolemaeos in Wirklichkeit bereits
im Jahre vorher 323/2 (Archon Kephisodoros) die Herrschaft
über Ägypten gewonnen hat» (C. F. Lehnianns Beiträge III
318). Doch er gleitet gewandt darüber hinweg. Denn einmal
könnten wir nicht wissen, in welches Jahr der Verfasser un-
serer Inschrift, bezüglich seine Vorlage, den Anfang der Herr-
schaft Soters gesetzt habe; sodann sei aber einfach ein chro-
nologischer Irrtum in der Reduktion der Regierungsjahre des
Ptolemaios auf attische Jahre möglich. Das Ergebnis seiner
Ausführungen ist, dass Menander 291/0 gestorben sei, Philip-
pos also in dieses Jahr gehöre. Die Richtigkeit dieses Datums
80 W. KOLBE
vorausgesetzt, müssten wir nicht nur einen Irrtum in der In-
schrift, sondern auch bei Dionys. Hai. annehmen, denn von
Nikophemos 361/0 bis auf [Philippos 291/0] müssten 71 Na-
men aufgezählt werden, wie denn Beloch auch Lysias und
Kimon hinter Olympiodoros 294/3 einschaltet. Diese Schwie-
rigkeiten müssen uns stutzig machen ; denn a priori sollen wir
an unsere Quellen mit der Anschauung herantreten, dass sie
die Wahrheit enthalten.
Nun glaube ich, dass Beloch an der entscheidenden Frage
vorüberging: wenn er nämlich Philippos 291/0 ansetzt und
danach das erste Jahr des Ptolemaios auf den Archonten Phi-
lokles 322/1 bestimmt, so übertrug er den attischen Jahres-
beginn ohne weiteres auf den ägyptischen Kalender. Bekannt-
lich fiel aber in jener Zeit der ägyptische in den November,
und das bedeutet gegen Athen eine Differenz von mehr als
drei Monaten. Diese Verschiedenheit der Jahresanfänge darf
aber, wie besonders E. Meyer in den ForscJmngeu II 452 be-
tont hat, bei chronologischen Untersuchungen nie ausser
Acht gelassen werden. Es gilt also den Anfang der in der In-
schrift angewandten Ära durch Erwägungen festzustellen, die
von der Archontenliste unabhängig sind.
Welches Jahr entspricht dem 12. der Herrschaft des Lagi-
den? Der Verfasser der Inschrift oder seine Quelle hat im
Gegensatz zum «astronomischen Kanon der Regierungen ^>,
in welchem das erste Jahr des Ptolemaios erst nach Annahme
des Königstitels am 1. Toth = 7. November 305 beginnt, auch
die Zeit der Statthalterschaft für die Dauer der Regierung in
Ansatz gebracht. Wer so rechnete, musste die Regierungszeit
Philipps III. Arrhidaios und Alexanders II. dem Lagiden zu-
schlagen. Er schuf auf diese Weise eine fiktive Ära, in der
Ptolemaios der unmittelbare Nachfolger Alexanders des
Grossen war. Nun galt in Ägypten das griechische Prinzip
der Antedatierung, d. h. das Jahr 325/4 war das letzte der
Alexanderherrschaft. Folglich musste unser Chronograph mit
dem 12. November 324, an dem nach dem Königskanon die
Regierung des Philipp Arrhidaios ihren Anfang nahm, das
erste Jahr des Ptolemaios beginnen lassen. Um die Angabe
der Inschrift, Menander sei im lil. Jahre der Königsherrschaft
DIE ATTISCHEN ARCHONTEN VON 293/2 — 271/0 81
gestorben, zu verstehen, gewinnen wir folgende Gleichung :
7 Jahre (Regierung Philipps III.)+12 Jahre (Regierung Ale-
xanders II.) + x Jahre (Regierung Ptoleuiaios' I.) = 32 oder
x = 13. Mithin entspricht das i2. Jahr der fiktiven Ära dem
13. Jahre des ptolemäischen Kanons, d. h. dem Jahre Nov. 293 —
Nov. 292.
Man wende nicht ein, dass eine solche Ära, die das Jahr
324/3 bereits dem Ptolemaios /Airechnet, ausser dem Bereich
der Wahrscheinlichkeit liege. Wir finden sie bei Euscbios in
der armenischen Übersetzung wie im neuen Bruchstück des
Marmor Parium {B. ep. 8): PA 'Hyticria? (324/3)- 'A^tf'^dvÖpon
f-iera^Javi)" nToXg|.iaTo(; AiyijjtTOi) Exi'Qievaev. Dazu bemerkt Jacoby
[Alarffior Parium S. 195): «in das gleiche Jahr (wie den Tod
Alexanders) setzt der Chronist die Übernahme Ägyptens durch
Ptolemaios. Ganz ebenso rechnet Euseb im Kanon zu ol. 1 14,1;
in Wahrheit gehört das erst in das nächste Archontenjahr»
(so Porphyrios bei Eus. chron. I p. 162, 1. Chron. OxyrJt. col. V
33 und Diod. XVIII 3,1). Das ist gewiss zutreffend, wenn wir
um das geschichtliche Datum zu finden, die Angaben der
Chronographen auf unsere Zeitrechnung übertragen. Hier
kommt es aber nur darauf an zu zeigen, dass jene Zählungs-
art damals gebräuchlich war.
Das il. Jahr des Ptolemaios, dem Philippos' Archontat
entspricht, ist also für unsere Inschrift das Jahr Nov. 293 —
Nov. 292. Der scheinbare Widerspruch zwischen der Inschrift
und Dionysios Hai. ist jetzt nicht mehr vorhanden. Da die
beiden Daten aber nicht völlig identisch sind, so ermöglichen
sie uns vielleicht, Menanders Tod genauer zu bestimmen: er
muss in den Zeitraum fallen, der dem 32. Jahr der (^aaiAeut
Y[x<Az\m\.Qvs wie dem Archontat des Philippos angehört, d. h.
der Zeit Nov. 293— Juli 292.
Ehe wir weitergehen, müssen wir das Ergebnis gegen
etwaige Einwände schützen. Die Inschrift besagt nämlich,
dass Menander, geboren unter Sosigenes (342/1), gestorben
unter PhiHppos (293/2) ein Alter von 52 Jahren erreicht habe.
Hier muss ein Irrtum vorliegen, und wir haben zu unter-
suchen, welche der drei Angaben falsch ist. Dass Menander
tatsächlich 52 Jahre alt geworden ist, bezeugt auch Apollo-
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. 6
82 W. KOLBE
dor, bei dem die Zahl durch das Metrum gesichert ist (bei
Gellms XVII 4, 4 f. und dazu Kaibel im Kommentar zu IG
XIV 1 1 84). So bleibt nur die Alternative, den Fehler in der
Bestimmung des Geburts- oder des Todesjahres zu suchen. Ja-
coby, der zuletzt in seinem Buche Apollodors Chronik (S. 360)
hierzu hat Stellung nehmen müssen, sieht das Geburtsdatum
für gesichert an. Doch auch er gibt zu, dass es auf einer Be-
rechnung alexandrinischer Gelehrter beruht, was zuerst Kai-
bel ausgesprochen hatte. Nur war dieser der Ansicht gewe-
sen, dass die Überlieferung eines Todesjahres mehr Glaub-
würdigkeit verdiene als die Kombinationen über das Geburts-
jahr. Die entscheidende Stelle findet sich bei Strabo XIV p.
638 C, wo von der Synephebie Epikurs, der sicher 342/1 gebo-
ren ist, und Menanders die Rede ist (yeveoOai 6' atttco ('Ejti-
xovQü)) am'eq)T]ßov MevavÖQov töv x(i)j.uxöv). Dieselbe Rechnung
haben wir im Anonymos Jisgl xoof^icoöiag 1 6 : eÖtöa^e öe jtqwtov
eq^Tjßoi; wv 8jti ($)i(X)oxX80ii5 a^jOMXQo, (322/1) xai evixa. Auf ihr
beruhen, wie Kaibel mit Recht hervorgehoben hat, die Be-
rechnungen der alten Litterarhistoriker. Nur ist es sehr frag-
lich, ob 8cpi]ßos tov hier in dem engen Sinne zu fassen ist, als
habe Menander damals dem Korps noch angehört. Auch be-
zweifle ich die Annahme Jacobys, dass die Nachricht von
der Synephebie Menanders und Epikurs in letzter Quelle
auf die urkundlichen Kataloge zurückgeht. Aber mögen sie
immerhin im gleichen Jahre Epheben gewesen sein, so ist
noch nicht sicher, dass beide 342/1 geboren sind. Die Ephe-
bie hat nämlich im letzten Viertel des IV. Jahrhunderts eine
durchgreifende Änderung erfahren, insofern der Eintritt in
das Korps fakultativ wurde und nicht mehr an ein bestimm-
tes Alter gebunden war. (Das Jahr dieser Reform kennen wir
leider nicht; vgl. über die Ephebie: Köhler Athen. AliiteilA ^19
324 ff.). Um die Summe zu ziehen, Menander hat ein Alter
von 52 Jahren erreicht; da die Angabe seines Geburtsjahres
nur auf Berechnungen beruht, die nicht als zwingend aner-
kannt werden können, steht nichts im Wege, das Datum sei-
nes Todes für die richtige Überlieferung anzusehen. Wir wer-
den also den unter Philippos erfolgten Tod dem Jahre 293/2
zuweisen =^dem 32. Jahre der Herrschaft Ptolemaios' I. Dem-
DIE ATl^ISCHEN ARCIIONTEN VON 293/2 — 271/0 83
gemäss erhalten wir als Datum der (ieburt das Archontat des
Lykiskos 344/3.
Jacoby war gezwungen, den Tod des Komikers mit lieloch
ins Jahr 291/0, d. i. das 34. Jahr des Ptolemaios zu setzen, weil
er an dem Sosigen es -Datum festhielt. Wenn er das ägypti-
sche Datum auf unserem Stein durch eine Verwechslung
von 6uo mit dem Zahlzeichen erklären wollte, so übersah er,
dass auf dem Stein steht xrxru xo B KAI A gtog — — — .
Eine Verschreibung ist also nicht wahrscheinlich. Auch ent-
schliesst man sich schwer zu glauben, dass der Verfasser der
Inschrift den falschen Archonten nannte, weil er ein falsches
Königsdatum angab. Denn es ist sehr wohl möglich, dass die
Überlieferung des Archontendatums von der nach König.s-
jahren unabhängig war. Darin hat Beloch gewi.ss Recht, da.ss
Jacoby den Archonten Philippos 291/0 hätte ansetzen müssen,
nachdem er Menanders Tod diesem Jahr zugesprochen hatte.
Für dieses Ereignis stehen uns glücklicher Weise zwei
andere Angaben zur Verfügung, die gleichfalls auf das Jahr
293/2 führen. Bei Gellius. XVII 21,42 lesen wir: co)isulibus
Claudio Centhofie — et M. Sempronio Tnditano (240) primus
omnium L. Livius poeta fabulas docere Roniae cocpit post — —
mortem — — Metiaiidri afuiis circiter i]ni)iquaginta duobits.
Wenn wir hier die exklusive Zählung anwenden, erhalten wir
das julianische Jahr 292, und wir erinnern uns, dass oben für
Menanders Tod die Zeit von November 293 — Juli 292 be-
rechnet war. Dasselbe Jahr liegt auch bei Eusebios im Ka-
non vor: ol. 122, 1 Älenander comicus moritur. Diese Notiz hat
Jacoby verworfen, weil in Hieronymos' Bearbeitung ol. 1 22^ 1
dem 33. Jahr des Ptolemaios gleichgesetzt wird, was «weder
mit der Inschrift noch mit Apollodor stimmt». Hieronymos
hat aber eine andere Reduktion der Olympiaden auf Jahre
Abrahams — also auch auf ägyptische Königsjahre -- als die
armenische Übersetzung (vgl. Ed. Meyer Forschioia^eu II 44()
A 4). Denn ol. 1,1 der Armenia ist = 1 240 Abraham.s, wäh-
rend Hieronymos ol. 1, 1 = 1241 Abr. setzt. Ferner ist ol. 1, 1
der Armenia das Jahr Herbst 777 — Herbst 776, folglich
ol. 122, 1 = 1724 Abr. = 32. Jahr des Ptolemaios = Herbst
293/2. Hieronymos dagegen gleicht ol. 122,1 mit dem Jahre
84 W. KOLBE
1725 Abr. = 33. Jahre des Ptolemaios = Aug. 292/1. Wo liegt
hier der Fehler? Offenbar hat die armenische Übersetzung
hier wie an so vielen anderen Stellen den unverfälschten Eu-
sebios bewahrt: im Kanon stand Menanders Tod zum Jahre
I 724 Abr.=32. Ptol. vermerkt. Das war nach der Umrechnung
der Armenia ol. 122, 1 = Herbst 293/2. Hieronymos oder seine
Abschreiber begingen nun den Fehler, das Ereignis unter das
gleiche Olympiadenjahr zu setzen, wodurch in Wirklich-
keit eine Abweichung gegen die Vorlage entstand : denn bei
Hieronymos bedeutet ol. 122,1 erst das Jahr 1725 Abr. = 33.
Ptol. = 292/1.
Während wir den Kombinationen über Menanders Geburt
den Wert historischer Überlieferung haben absprechen müs-
sen, gelangen wir jetzt zu dem Ergebnis, dass die verschie-
denen Quellen in der Ansetzung seines Todes auf das juliani-
sclie Jahr 292 übereinstimmen. Damit ist, glaube ich, gleich-
zeitig bewiesen, dass Philippos für 293/2 zum Archonten ge-
wählt war.
Hier lasse ich die Besprechung von Gorgias' Archontat
folgen, das nach [Plut] vita X oratorioii 847 D in das zehnte
Jahr vor Pytharatos gehört : fjt;i nuDagaToi) otQxovtog Sexatto
[[8']] etei •uatepov (sc. ^letu Togy^'^^v). Nun will freilich Beloch Gr.
Gesch. II 38 das unverständliche Ö des codex Parisinus \t)12.,
das man gewöhnlich streicht, als Zahlzeichen deuten: er liest
i8'- e'tei voTSQov und setzt dementsprechend Gorgias 284/3.
Wenngleich die Möglichkeit eines derartigen Schreibfehlers
zuzugeben ist, so kann ihr doch nach dem Stande unserer
Überlieferung keine Wahrscheinlichkeit zugesprochen werden.
Nunmehr wird es unsere Aufgabe sein, die in sich ge-
schlossene Archonten gruppe Diotimos, Isaios, Euthios i^IG
II 576 und 314) chronologisch festzulegen, um danach die
Ansätze zu prüfen, die für Diokles in Vorschlag gebracht wor-
den sind. Man darf wohl unbestritten die Behauptung aus-
sprechen, dass die historischen Anspielungen die drei erstge-
nannten Epon)'men in die Zeit nach Demetrios' Sturz
verweisen. Dieser Ansatz wäre aus sachlichen Gründen nie-
mals angefochten worden, aber Ferguson musste an ihm An-
stoss nehmen, weil sein Schreibercyklus dadurch gestört wur-
DIE ATTIvSCHEN ARCIIONTEN VON 293/2 — 27 l/o 85
de. Da sein System für Diotinios das Jalir 2.s'^'s, für F^uUiios
287/6 verlang-ie, so versuclite er den Nacluvcis, dass die für
diese Archonten überlieferten Nachricliten auf die Zeit der
makedonischen Herrschaft zu beziehen seien. Dadurch klaubte
er System und Geschichte wieder in EinkLant;; zu brin<^en.
Freilich ist seine Interpretation so «-ekünstelt, dass I^eloch
sie keiner ausdrücklichen Widerlej^uno^ würdi.^^t. Da aber
Kirchner {G. G.A. 1900, 436 ff.) für Ferguson eino^etreten ist,
so scheint mir eine erneute Prüfun«^ der Arj^umente <i;-ebo-
ten zu sein.
Zum Ausgangspunkt nahm Ferguson das Ehrendekret
für Herodoros ans dem Jahre des Nikostratos 295/4, IG II 11,
300, wo in Rücksicht auf Herodors Tcätigkeit nach Lacha-
res' Flucht gesagt wird : djro]fp«ivoi!oiv 8' avrov (sc. "HoocVo-
pov) — — o[vvaY(i)vi0«aOa]i, to) 6i'i|.(<;) oku^c, äv 6 ftr)|.io[g äna'khL-
yeli; x6\v 7toki\iov xr\v xw/[csx\\\\' xai xo^ua(jt|(f]voc to aaxv fti]jioxn(/-
T[iav öiaxeÄeT e/Jon'. Es ist selbstverständlich richtig, dass im
Jahre 295/4 nicht vom Sturze der makedonischen Herrschaft
die Rede sein kann. Deshalb bezieht Ferguson das xo[u'Ceoi)(^L
TO d'aTD auf die Vertreibung des Lachares. Selbst wenn man
einräumen wollte, dass seine Deutung für diese Urkunde zu-
treffend wäre, so bliebe doch in jedem weiteren Fall zu unter-
suchen, ob nicht in späteren Urkunden dieselbe Redensart im
Hinblick auf ein anderes Ereignis gebraucht sei. Doch schon
die Prämisse ist falsch, wie ich zu erweisen hoffe. Konnte
denn nach Lachares' Flucht gesagt werden, dass «das \'olk
die Stadt wieder in seine Gewalt bekommen» habe? War das
möglich in demselben Augenblick, wo zum ersten Male in
der Geschichte Athens eine Zwingburg auf dem IMuseion er-
richtet wurde, wo eine makedonische Garnison durch die Tore
der Stadt einzog? Zu solchen Unwahrheiten hat sich der
Demos auch in jenen Tagen nicht hinreissen lassen, wo er
politisch keine Achtung verdiente. Aber es steht in der l^r-
kunde? Keineswegs! Herodoros ward nicht belobt ori 6 h\\\iOQ
exo^ioaTO to ciötv, sondern weil er mit dem Aufgebot seines
ganzen Einflusses bei Demetrios dafür gekämpft hat, ö jt (o 5
av 6 Öfi^oc; anakXayzyq xov :jto?i8}^ioi) ttjv xaywx^\\' xui xo|Aiod|(EVo;
TO aoxv öiifxoxQaTiav öiaxeki e'xwv. Auch wenn es ihm nicht ge-
86 W. KOLBE
hingen ist, alle Wünsche der Athener durchzusetzen, so hatte
er sich doch mit Fug- und Recht den Dank des Volkes für
seine Haltung verdient. Denn die Lage war damals ernst ge-
nug gewesen. Als Lachares den aussichtslosen Kampf gegen
die makedonische Übermacht aufgegeben hatte und geflohen
war, schickten die Athener eine Gesandtschaft an König De-
metrios, um über den Frieden zu verhandeln. Demetrios war
nicht abgeneigt, der abtrünnigen Stadt Verzeihung zu ge-
währen, aber er stellte die Bedingung, dass eine makedoni-
sche Besatzung in Athen bliebe. Vergeblich haben die Ge-
sandten dagegen Einspruch erhoben, vergeblich hat Herodor
ihre Bitten nach besten Kräften unterstützt. In diesem Punkte
war kein Zugeständnis zu erlangen. So mussten sich denn die
Athener in das Unvermeidliche fügen und zusehen, wie auf
dem Hügel, der die Verbindung der Stadt mit den Häfen
beherrscht, ein makedonisches Kastell erbaut wurde. ^ Aber
sie haben es dem Herodor nicht vergessen, dass er bei Deme-
trios für die Wiederherstellung der vollen Unabhängigkeit
eingetreten war {■>iO[uod[iEvog xb aoni), und obwohl diese Bemü-
hungen erfolglos gewesen waren, konnte ihrer doch in dem
Ehrenbeschluss Erwähnung geschehen. Wilamowitz hat zu-
erst gesehen, dass die Stelle in diesem Sinne zu deuten ist,
wenn er {Antigonos v. Kar. 238) schreibt: «der Wunsch, das
Museion möchte geräumt werden, der hier ausgesprochen
wird, ist von Demetrios nicht erfüllt worden». Eine schla-
gende Parallele zu dieser Ehrung für Bemühungen, die im
wesentlichen erfolglos blieben, findet sich im Beschluss für
Philippides aus Euthios' Jahr: IG H 314 xai xo|.uoa|_i8voii xov
hy\\iov TTjv eXe\n^8Qiav SiatETeXexe — — — — iiaQav.a'kGiv tov
ßaaiXea (sc. A\)ai|iaxov) ßoiiÖEiv x«l -/Qi'][.iaaiv xal aitw, ojrcog
av 8ia|ievei 6 Sfjiios e?i£vn')fQ0<5 wv xal tov Heipaia xo|i-i(TT]Tai
x«i td qjQOiJQia rfjv xw/{.qx\\\'. Dieser Beschluss wurde zu einer
' In der Überlieferung bei Plntarch Demetr. 34 (vgl. !Paus. I 25, 7) ist
der Vorgang anekdotenhaft ausgeschmückt. In Wahrheit hatte Demetrios
das Besatzungsrecht in Munichia und Piraeus gefordert, und Dromo-
kleides ist in der Volksversammlung für die Annahme der Bedingungen ein-
getreten.
DIE ATTIvSCHEN ARCIIONTEN VON 293/2 — 27 l/o 87
Zeit gefasst, als der Piraeus und die Kastelle noch in make-
donischen Händen waren. Aber trotz ihrer Erfoljj-losijykeit
werden Philippides' Versuche, den König- Lysimachos für die
Vertreibung der makedonischen Garnisonen zu interessieren,
ausdrücklich hervorgehoben.
Die unbefangene Interpretation zeigt also, dass die Wen-
dung tö äoxv xotu"CeoOru in der Herodoros-Urkunde nicht auf
das Ende der Lacharesherschaft zu beziehen ist, sondern auf
die damals erstrebte Wiedergewinnung der militärischen Cie-
walt über Athen selbst. Nicht anders steht es mit dem sonsti-
gen Gebrauch 1 der Redensart in den Inschriften jener Jahre
IG II 311, 312, 314. Aus dem Archontat des Diotimos haben
wir die Ehrendekrete für die Könige Spartokos {/G II 311)
und Audoleon (II 312). Wenn es in letzterem heisst, — — xai
xopiaa|.i£vov xov br\[iov x6 äoxv n.v\)6\iZVoq ov\n\nih] xolg yeyfvi]-
l-ieroii; £vxv/r\iiaoi — ejtavyeÄetai 8e xai ei^ iü Aoiirov nag-
e^eodai X(?£i«S aiiveQywv e'i? xe xr\v xov IlgiQaiefog xo[u8i]"\' xai ttjv
Tf)5 jtoÄeoog eAei^iJggi'fiCv, so ergibt sich mit voller Klarheit, dass
die Athener Herren ihrer Stadt sind, aber den Piraeus noch
nicht in ihrer Gewalt haben. Diese Situation trat erst nach
Demetrios' Sturz ein. Wollte man Fergusons Datierung
gelten lassen, so käme man, von allem übrigen abgesehen,
zu der unmöglichen Annahme, dass die Könige Spartokos und
Audoleon bereits im Jahre 294 dem athenischen Volk Geld-
und Getreidespenden zukommen lassen, wofür ihnen erst nach
Verlauf von etwa fünf Jahren unter Diotimos der offizielle
1 Nach de Sanctis Studi di storia antka II 27,4 will Beloch (III, 1,225
mit Anm.) aus dem Passus in Dekret II 300 herauslesen, dass der Demos
bei seinen Verhandlungen mit Demetrios nach Lachares' Sturz < nicht im
Besitz von Athen, folglich im Piraeus gewesen sei. Das steht im offenen
Gegensatz zu Plutarchs Bericht Dem. 34 yvoSfiriv e'YQatl'e Aripitpicp tcö ßaoiXel
Tov rieiQaiä :;TaQa8o^vai xai tt^v Mowixiav, und hat in unserer Überlie-
ferung auch sonst keine Stütze. Wenn er ferner zwischen xo^iiteo&ai tö aoru
und xojii'^eGOai tö MouoEiov einen Unterschied machen will, so bemerke
ich, dass in unseren Urkunden nie von tö MouöeIov xo}ut;eoi>ai die Rede
ist, dass es vielmehr im Hinblick auf die Vertreibung der makedonischen
Besatzung aus dem Kastell auf dem Museion heisst öti 6 811^0? exo|.uöato
TÖ döTU II 31 1, 312, triv kXzv^zqw.y II 314.
88 W. KOLBE
Dank votiert wird. Es kann also keinem Zweifel unterliegen,
dass Demetrios' Herrschaft gestürzt war, als jene Beschlüsse
gefasst wurden.
Auch auf anderem Wege lässt sich nachweisen, dass
Athen im Jahre des Isaios, der auf Diotimos folgte, nicht
mehr in makedonischen Händen war. Der Komödiendichter
Philippides, des Philokles Sohn, hatte etwa im Jahre 304/3
in die Verbannung gehen müssen, weil seine Freimütigkeit
und sein stolzer Unabhängigkeitssinn dem Demetrios lästig
geworden waren (vgl. Plut. Dem. 12. 26 und IG H 414). Über
die Zeit seiner Rückkehr ist nichts bekannt. Aber wir erfah-
ren aus dem unter Euthios Archontat gefassten Ehrendekret
n 314, dass er x8iQOtov[i|i)gi]<; dyooA'oflETT]; gm 'loaion ap/ovroi;
— [8Jti]fl£tov dywva xaTEöxevaoev — — [jtqJwto«; xin6\iyr^\m.
TT)? Toü 8»]|.iov [e?i8Di)eQia5]. Wir müssten das Bild, das wir aus
früheren Tagen von Philippides gewonnen haben, in sein
Gegenteil verkehren, wenn wir glauben wollten, dass dieser
dytüA' in Erinnervmg an die «Befreiung» von Lachares' Tyran-
nis errichtet worden sei, zu einer Zeit als eine makedonische
Besatzung auf dem Museion stand. Nein, für einen glühenden
Patrioten wie Philippides war die Diktatur des Lachares nur
eine Episode, die im Vergleich zur makedonischen Fremd-
herrschaft bedeutungslos war. Der Schluss ist zwingend, dass
Athen eine freie Stadt war, als unter Isaios' Archontat zum
ersten Mal ein «ycov als vm6\p!y\\m. xf\c, toii Öt^^iov eÄevOepiag ge-
feiert wurde.
Athen ist im Frühsommer 287 von Demetrios abgefallen
(vgl. weiter unten). Da nun nach dem Schreibercyklus Dioti-
mos (V) 1, Isaios (6), Euthios (VII) in den Jahren 289/8—287/6
amtiert haben müssten, so gelangen wir zu dem Ergebnis,
dass in dieser Zeit eine Störung der regelmässigen Abfolge
eingetreten war.
Wir wenden uns nunmehr dem Archontat des Diokles zu.
Ferguson und Kirchner haben es nach Ungers Vorgang in
das Jahr 290/89 gesetzt. Da der Cyklus für dieses Jahr einen
^ Die römischen Ziffern besagen, dass die Prj'tanie des Schreibers be-
zeugt ist; wo dieselbe erschlossen wird, setze ich mit Beloch arabische Ziffern.
DIE ATTISCHEN ARCHONTEN VON 293/2 271/0 89
Schreiber aus der IV. Phyle Aigeis forderte, und der Y(."M'l**t-
Tfvg unter Diokles ebendieser Phyle anj^^ehörtc, so scliicn jeder
Zweifel an der Richtij^keit der Un^^erschen Ansicht bcseitij^t
zu sein. Nachdem wir aber soeben eine Unterbrccluni}^ der
gewöhnlichen Phylenfolge festgestellt haben, können wir die
Beweiskraft dieses Argumentes nicht mehr anerkennen. Auch
hier müssen wir also von den Urkunden ausgehen.
Im Ehrendekret IG II 309 lesen wir, da.ss Aischron in
Diokles' Archontat die athenischen Interessen in Delphi \cr-
treten hat. Man hat wohl vermutet, da.ss die.se Parteinahme
in die Zeit des Aitolerkrieges fallen müsse, wo Demetrios'
Anhänger von den pythischen Spielen des Jahres 290 ausge-
schlossen waren. Doch mit ebensoviel Berechtigung lässt sich
Köhlers Ansicht verteidigen, als habe sich Aischron nach
erfoloftem Abfall der Athener offen für die Aufnahme ihrer
Hieromnemonen erklärt (vgl. dazu H. Voxwtow Jahrb. f. Philol.
1894,498 1). Eine Entscheidung wird man bei diesem Für
und Wider der Gründe nicht fällen können. Etwas festeren
Boden gewinnen wir durch Ladies' Antrag für seinen Vater
Demochares in ^^r vita dcccni oraforui/i 851 E. Hier wird über-
liefert, dass die Rückkehr des verbannten ' Demokraten fjri
AioxÄeoD? ä^yovxoc, erfolgte. Wenn auch nicht ausdrücklich ge-
sagt wird, dass Demetrios' Herrschaft damals bereits gestürzt
war, so gewinnt man doch aus dem Zusammenhang den Ein-
druck, dass Demochares sich bald nach seiner Rückkehr
am politischen Leben beteiligt hat. Da nun von ihm gerühmt
wird cpiiyovTi \kh' xmkQ h^\\WKQaxiaQ, [^lEteoxiixoTi 6e oi'ftenia; o/ay-
aQfiac, ovhh aQ'fr^v ovhz[iia\' ^]Q'/öx\ xrtTaXe^a'xoTO;; toi~ fiiiuor, .so
ist eine politische Wirksamkeit unter Demetrios' Regierung
für ihn ausgeschlossen.
Die Entscheidung, die auch IG II, v 309 r+II 282 nicht
bringen kann, muss auf das Ehrendekret für Zenon basiert
werden {IG II, v 309 b) : Zr\va)v xa»)eoTi]X(üs i'j^o foi^' |3aoi?ia);
EJil x(JL)v dcpQdxTCOv ejTijit-AtTTai öe xai tfjc: xo|ii6r]; tov oitoi'
T(p br\\i(ß, ÖKwg av uofpaUoxuxa 6iaxo[u"0]tai, ouvaycovi^öixevos xr\
'- Mit der Zeit seiner Verbannung werden wir uns unten zu beschäfti-
gen haben.
90 W. KOLBE
roi) ftiifxov öooniQia. Aus diesen Worten hat Ferguson a.a.O. }4
einen «ungeschützten Getreidetransport» (///<? tinprotected
transport ships) unter Zenons Leitung herausgelesen, und
er behauptet, dass eine solche Sendung nur mit Demetrios'
Zustimmung in den Hafen Athens habe einlaufen können-
Darauf ist zu erwidern, dass Zenon als xafleotTixwi; 8jri tcöv
dqppdxTtov 1 einen militärischen Posten bekleidet und vermöge
der maritimen Übermacht die Getreidezufuhr nach Athen
sichert. Zenon wird nicht etwa belobt, weil er Getreide
nach Athen einführte wie ein Privatmann (vgl. IG II 195),
sondern weil er für die Sicherung der Transporte sorgte. Eine
Gefährdung durch Seeräuber lag damals nicht im Bereich der
Wahrscheinlichkeit. Dann handelt es sich eben um den Schutz
gegen Demetrios selbst. Dieser Sachverhalt, der aus den Wor-
ten des Beschlusses klar genug hervortritt, macht es unmög-
lich an die Zeit zu denken, in der Demetrios noch Herr von
Athen war. Vielmehr hat Köhler das Richtige gesehen, als er
die Mission des Zenon mit dem Seezug des Ptolemaios in
Verbindung brachte. Nachdem Demetrios im Anfang der SO^""
Jahre von neuem Rüstungen zu Lande und zur See begon-
nen hatte, um das Reich des Antigonos wiederaufzurichten,
kam zwischen Ptolemaios, Seleukos, Lysimachos und Pyrrhos
eine Koalition gegen ihn zustande. Infolgedessen erschien zur
gleichen Zeit, als Lysimachos und Pyrrhos in Makedonien
einfielen, eine ägyptische Flotte im ägeischen Meere, Plut.
Dein. 44. Naturgemäss wird sie sich alsbald nach dem saro-
nischen Meerbusen gewandt haben, um Athen zum Abfall zu
bewegen. Dies geschah, und im Beschluss für Zenon, der im
Hekatombaion unter Diokles gefasst wurde, spricht das Volk
seinen Dank für die Unterstützung aus. — Nach diesen Darle-
gungen ist das Jahr 290 für Diokles' Archontat ausgeschlossen:
für dieses ist der Sturz des Demetrios ter minus post quem. Des-
halb müssen wir zunächst der Frage nähertreten, wann die
Herrschaft des Poliorketes in Makedonien ihr Ende erreichte.
Köhler hat darauf hingewiesen, dass die Ereignisse, die
^ Td aqpQttxra oder ai aq)Qa5tT0i vf]Ei; stellen einen besonderen Typ von
Kriegsschiffen dar. [IG XII I 701, 5 ; 43, 22 \ 41, 3).
DIE ATTIvSCHEN ARCHONTEN VON 293/2 — 271/0 Ql
sich von dem Feld/Ai^c in Aetolicn bis zum Abfall der Makc-
donen alspielten — hierhin sind auch die Verhandlung-en zwi-
schen den Verbündeten zu rechnen — nicht in die Zeit von Früh-
jahr 289 bis Sommer 288 zusammengedrängt werden können.
Man hat auch früher ganz allgemein Demctrios' Sturz in das
Jahr 287 gesetzt, das die makedonische Königslistc zu for-
dern schien. Neuerdings hat Beloch eine andere Datierung
vorgeschlagen, indem er für den Sommer 288 eintrat. Schon
die einfache Überlegung, dass er die Ereignisse nach dem
Abfall Athens in die Länge ziehen muss, spricht dagegen.
Denn es liegt in der Natur der Sache, dass sie schnell einan-
der folgten.
Doch prüfen wir die Quellen ! In der makedonischen
Königsliste bei Eusebios CJiron. I S. 230 ff., die auf Porphyrios
zurückgeht, wird als Regierungszeit des Demetrios ol. 121,4 ^
— 123,1=293/2 — 288/7 angegeben. Um dieses Datum zu ver-
stehen, müssen wir die Frage aufwerfen, ob der Chronograph
Ante- oder Postdatierung bevorzugt hat. Nun steht fest, dass
Demetrios im Laufe des Jahres 294/3 den makedonischen
Thron eingenommen hat. Da Athen im Frühjahr 294 gefallen
ist, und der Sommer mit dem Feldzug im Peloponnes ver-
ging, wodurch Demetrios verhindert wurde, sofort dem Rufe
Alexanders Folge zu leisten, so kann er frühestens im
Herbst 294 nach Makedonien gekommen sein {Dem. }it\}>l\
Niese rückt dieses Ereignis sogar in das Frühjahr 293 herab
(I 365); aber auch so würde es noch ins Jahr 294/3 fallen.
Wenn also Porphyrios oder seine Quelle 293/2 als erstes Jahr
des Demetrios rechnete, so hat er Postdatierung ange-
wandt, d. h. er hat das volle Jahr 294/3 für Kassandros'
Söhne in Ansatz gebracht, obwohl sie nur noch während der
ersten Monate die Herrschaft inne gehabt hatten.
Dasselbe Resultat erhalten wir, wenn wir die Regierung
Philippos' HL ins Auge fassen. Porphyrios lässt sie I2l\2 be-
ginnen und rechnet folgerichtig 31 7/6 als letztes, d. h. 7. Jahr.
Der ptolemäische Königskanon, der dagegen bekanntlich
1 Dass das vierte Jahr der Olympiade gerneint ist, ergibt der Zusam-
menhang.
92 W. KOLBE
antedatiert, gibt in voller Übereinstimmung hiermit dem Phi-
lippos 324/3 — 318/7. Wenn in dieser sorgfältig aufgestellten
Liste, die nur rein chronographischen Zwecken dienen sollte,
318/7 noch für Arrhidaios in Ansatz gebracht wird, so kann
dessen Ermordung erst nach dem 9. November 317, also im
Anfang von 317/6, stattgefunden haben; denn in diesem Ka-
non wird nach aegyptischen Jahren gerechnet, die für die
Könige von Alexander abwärts unmittelbar als Daten zu ver-
werten sind (s. Ed. Meyer Forschungen II 454). Vergeblich
sucht Beloch {Gr. Gesch. III, 2, 63) sich dieser Folgerung, die
sein ganzes System zu Falle bringen muss, zu entziehen. Frei-
lich hat Philippos nach Diod. XIX, 11,5 den makedonischen
Thron nur sechs Jahre und vier Monate innegehabt. Aber Be-
loch macht mit Recht darauf aufmerksam, dass diese Angabe
dadurch entstanden sein kann, dass «die 8 Monate, die Ale-
xander von dem Jahr 324/3 regiert hat, von den 7 Jahren, die
Arrhidaios regiert hat, abgezogen» wurden {a.a.O. III, 2,63).
Ptolemaios konnte in seiner antedatierten Liste das Jahr 318/7
aber nur dann dem Arrhidaios geben, wenn dessen Regie-
rung bis in das neue Jahr hineindanerte. Es kommt hinzu,
dass für Porphyrios Tabelle makedonische Jahre vorauszu-
setzen sind, die etwa im Oktober begannen. Selbst wenn man
zugeben wollte, dass Arrhidaios' Ermordung kurz vor dem
ägyptischen Neujahr Nov. 317 erfolgte — wozu keine sach-
liche Nötigung vorliegt — , so bliebe immer noch bestehen,
dass sie dem makedonischen Jahre Herbst 317 — Herbst 316
angehört.
Auch Diodor bestätigt, dass Kassandros sich erst im
Laufe des Winters 31 7/6 des makedonischen Thrones bemäch-
tigt hat. Er berichtet von ihm, dass er auf die Nachricht von
Philippos' Tod sogleich aus dem Peloponnes aufbricht, sich
aber 8id xovq it\.\\,(hyac, gezwungen sieht, von einer regelrechten
Belagerung der Stadt Pydna Abstand zu nehmen (Diod. XIX
35,1 und 49,1). Diese Angabe lässt sich frühestens auf den
November 317 deuten; eher ist aber eine spätere Zeit zu ver-
stehen, denn yjii\iu)\^c, sind «Winterregen». Kassander begnügte
sich mit einer Einschliessung der Stadt und hungerte sie aus.
Die Not stieg schnell (taxu 8e twv ejtiTiiSeicov E^ava^tW-OevTCOv),
DIE ATTIvSCHRN ARCHONTKN VON 293/2 — 27 l/o 93
und als das Frühjahr 316 herangekommen war (mpoc; uo/ofiF-
vov Diod. XIX 50), musste Olympias sich zu Verliandhmgen
entschliessen. Dieser Bericht lässt dcutHch erkennen, dass
Kassander seine Operationen in Makedonien erst im Winter
begonnen hat. Die Antedatierung des Königskanons und die
Postdatierung in Porphyrios' Liste führen also übereinstim-
mend darauf, dass Philippos' Ermordung erst im Jahre 317/6
erfolgt ist; doch muss sie nach Diodors Bericht gleich in den
Anfang des Winters 31 7 fallen. Zu demselben Ergebnis konnnt
Ed. Meyer in den ForscJiiiiiofii TI 457, wo er auch die sog.
18 jährige Liste und die babylonische Tafel Sp. II 71 berück-
sichtigt. Hier handelt es sich um babylonische Jahre, die un-
gefähr von April bis März laufen. Nun gibt die 1 8 jährige
Liste das Jahr April 31 7 — März 316 als 7. Jahr dem Arrhi-
daios; das ist Postdatierung. Wenn aber die Tafel Sp. II 71
dasselbe Jahr als erstes dem Antigonos zurechnet, also ante-
datiert, so muss Philipps Tod in das babylonische Jahr 317/6
gesetzt werden.
Wir können mithin Beloch nicht zustimmen, wenn er im
Hinblick auf Porphyrios' makedonische Liste schreibt {a.a. O.
S. 77): «da sie gleichwohl für Arrhidaios die siebenjährige
Regierungsdauer beibehält, so kommt das Ende von dessen
Regierung um 1 Jahr zu tief herunter, was dann weiter be-
wirkt hat, dass auch die folgenden Regierungen um 1 Jahr zu
spät gesetzt werden». Dies ist nicht der Fall, wie sich mit
aller Deutlichkeit an der von ihm selbst aufgestellten Liste
beweisen lässt (s. S. 80 oben). Diese beruht auf dem Princip
der Antedatierung: das Ende eines Herrschers fällt in das
erste Jahr seines Nachfolgers oder, was dasselbe bedeutet,
das Jahr eines Regierungsanfanges gehört in Wahr-
heit zum Teil noch dem Vorgänger. Porphyrios dagegen
hat in seiner Tabelle die Postdatierung angewandt — nur da-
rum handelt es sich. Bei dieser Zählungsweise wird allerdings,
wie Beloch richtig hervorhebt, der Anfang einer Herrschaft
um ein Jahr zu tief herabgerückt, dagegen erhalten wir für
ihr Ende das geschichtliche Datum. Wir müssen uns diese
Verschiedenheit der beiden Rechnungsarten stets vor Augen
halten, sobald wir chronographische Angaben auf unsere Zeit-
94 W. KOLBE
rechnung übertragen. Wenn wir das aber tun, dann erge-
ben sich dieselben Daten, ob wir nun nach Porphyrios' post-
datierter Liste (bei Beloch S. 76) oder nach der antedatierten
(S. 80) rechnen. Zum Beweise führe ich an, dass Beloch Kas-
sandros' Tod ganz richtig 298/7 setzt, übereinstimmend mit
Porphyrios, wie auch nach seiner eigenen andedatierten Liste
299/8 das letzte volle Jahr seiner Regierung gewesen war.
Ziehen wir nunmehr die Summe ! Alexander ist im Laufe
von 324/3 gestorben i (323); 298/7 ist Kassandros' Todesjahr
(297) und 294/3 das seines Sohnes Alexandros (294). 289/8 ist
nach der antedatierten Liste das letzte volle Jahr des Deme-
trios, im ersten Jahr des Lysimachos 288/7 hat er den make-
donischen Thron verlassen müssen. Es ist bekannt, dass dies
im Frühsommer eintrat; folglich kommt nur der Sommer 287
in Frage.
Mit diesem Datum stimmt auch Plutarchs Angabe von
der siebenjährigen Herrschaft des Demetrios überein: Maxe-
boviac, — — — eitraETiav tijco Atipit^iod ßeßaiü)? agyi^eiöi];.
{Dem. 44). Freilich Demetrios hat den Thron nicht sieben
volle Jahre innegehabt, aber der Schriftsteller hat eben die
6 Jahre und 6 Monate, die uns die thessalische Liste als Regie-
rungsdauer angibt, abgerundet. Wenn andererseits Porphy-
rios bei Bus. Chron. I 234 ihm nur 6 Herrscherjahre gibt, so
war das die notwendige Konsequenz seiner postdatierenden
Zählweise, nach der 294/3 ganz für Kassanders Söhne in An-
satz gebracht war. Beloch kommt durch Plutarchs Angabe
mit seiner Chronologie in Schwierigkeiten. Er muss Deme-
trios' Thronbesteigung bereits in den Sommer 294 verlegen
im Widerspruch mit Diodor. Aber auch so erhält er eine sie-
benjährige Regierungsdauer nur wenn er von 295/4 — 289/8
rechnet und das Anfangs- und Endjahr einschliesst («. a. O.
ni, 2,65). In Wirklichkeit hätte Demetrios nach dieser Chro-
nologie den Thron aber nur genau sechs Jahre innegehabt.
Es kommt hinzu, dass das Jahr 295/4 in der antedatierten
Liste den Söhnen Kassanders gehört, deren Herrschaft also
' Die genauen Daten jiilianischer Rechnung setze ich in Klammern,
soweit sie gesichert sind.
DIE ATTISCHEN ARCHONTEN VON 293/2 — 27 l/o 95
erst Anfang 294/3 ihr Ende erreicht haben kann. Man sieht,
in welche Verlegenheiten Beloch dadurch geraten war, dass
er Diokles' Archontat, in dessen Anfang Athen als freie Stadt
erscheint, auf 288/7 festgelegt hatte. Nach den hier vorgetra-
genen Erwägungen kann Diokles erst im folgenden Jahre
(287/6) Archon gewesen sein.
Nunmehr haben wir das Fundament gelegt, auf dem
wir unser chronologisches Gerüst aufbauen können. Philippos
gehört nach unserer Darlegung ins Jahr 293/2, Diokles, des-
sen Schreiber aus der IV. Phyle war, ist unmittelbar nach
Demetrios' Sturz Archon gewesen, also 287/6; folglich rücken
Diotimos (V), Isaios (6), Euthios (VII) in die Jahre 286/5 —
284/3 herab. Gorgias' Archontat fällt 280/79, ihm folgte Ana-
xikrates 279/8 und Demokies 278/7. Leider ist für keinen die-
ser drei Eponymen überliefert, welcher Phyle der Ratssekre-
tär angehörte, so dass wir, um für die Anwendung dieses
Hilfsmittels einen Anhaltspunkt zu gewinnen, auf Kombina-
tionen angewiesen sind. Nun ist für Eubulos durch Belochs
scharfsinnige Überlegungen {C. F. Lchnian^is Beiträge I 405)
das 1. Jahr einer Olympiade festgestellt; da ferner nur die
Zeit von 279 — 271 in Frage kommt, muss Eubulos 276/5 oder
272/1 im Amte gewesen sein. Polyeuktos ist von Dittenber-
ger auf das Jahr 275/4 fixiert {Sylloge'- Nr. 205 i), und die
Gründe, die Beloch dagegen ins Feld geführt hat, haben den
Ansatz nicht zu erschüttern vermocht. Diese Daten halte
ich für die festen Stützpunkte in dem schwanken Ge-
bäude der Chronologie jener Zeit: sie dürfen weder mit Rück-
sicht auf den Kalender noch auf den Schaltcyklus verscho-
ben werden.
Wir haben gesehen, dass im Beginn der 80'''' Jahre die
regelmässige Folge der Schreiber unterbrochen war, und es
wird sich weiterhin zeigen, dass dies nicht die einzige Stö-
rung geblieben ist. Wenn wir jetzt das Fergusonsche Princip
zur Feststellung der Archonten heranziehen, müssen wir von
unten nach oben fortschreiten und das Jahr des Polyeuktos,
275/4, dessen Schreiber aus der VII. Phyle Akamantis war, als
Basis nehmen. Dann ergeben sich folgende Möglichkeiten für
die Archonten, deren Ratssekretäre bekannt sind.
96
W. KOLBE
Archonten
Phyle
Bemerkungen
Menekles
XI.
283/2,
271/0
Athen im Kriegszustand
II 316
Nikias
XII.
282/1,
270/69
unmittelbarer Nachfolger
des Nikias II 316. 317
Aristonymos
I.
293/2,
281/0
vor 271/0; Nachfolger des
Nikias II 614
Pol)-euktos
VII.
275/4
2. Jahr einer Olympiade
Dittenb. Sylloge 2^ 205, 1
Hieron
VIII.
274/3
unmittelbarer Nachfolger
des Polyeuktos II 323
Urios
IX.
285/4,
273/2
vor 271/0 Kirchner, Rh.
Mns. 53, 386.
Für Menekles kommt nur das Jahr 283/2 in Betracht, da
271/0 bereits sicher besetzt ist; sein Nachfolger Nikias am-
tierte also 282/1. Auch für Aristonymos bekommen wir ein
festes Datum, denn 293/2 ist für ihn ausgeschlossen. Er wird
mithin in 281/0 verwiesen und folgte auf Nikias. Dann muss
sein Name im Orgeonendekret II 614 eingesetzt werden. Be-
loch gibt zu {a.a. O. II 47), dass dem keinerlei Bedenken
entgegenstellen, weil die Überschrift auf einer rechts und
links über den Text vorspringenden Profilleiste stand (nach
Köhler im Corp2is zu IG II 614). Eine genaue Zeichnung nach
dem Stein bestätigte die Richtigkeit dieser Behauptung. Du-
monts Ergänzung [roQyiJoD entspricht dagegen nicht den
Raumverhältnissen. Es folgen 280/79 Gorgias, 279/8 Anaxi-
krates, 278/7 Demokies. 277/6 ist noch frei. Bei Eubulos müs-
sen wir zwischen 276/5 und 272/1 wählen; Beloch entschied
sich aus Wahrscheinlichkeitsgründen für 276/5. Das folgende
Jahr 275/4 gehört nach Dittenbergers Ausführungen Polyeu-
ktos. Sein unmittelbarer Nachfolger Hieron war also 274/3 im
Amte. Urios ist von Kirchner (s. oben) in die 80'''' Jahre ge-
setzt, doch ohne zwingende Gründe. Denn wenn Epikur ihn
auch in einen Briefe neben Isaios nennt, so ist das kein fester
Anhalt. Nach den obigen Darlegungen ist aber 285/4 durch
Isaios besetzt, und deshalb müssen wir, wenn wir nicht eine
neue Störung des Cyklus annehmen wollen, mit Urios ins
Jahr 273/2 herabgehen. Sein Nachfolger ist unbekannt. P)'-
tharatos 271/0 schliesst die Reihe ab.
DIR ATTIvSCHRN ARCHONTRN VON 293/2 — 27 l/o 97
Es bleiben mithin sieben Lücken, nämlich die Jahre 292
288/7, 277/6 und 272/1, für die uns als Kandidaten Kimon und
Xenophon aus dem Ehrendekret für Phaidros {/G II 331),
ferner C h a r i n o s, T e 1 o k 1 e s und Ä a i o g aus Epikurs
Briefen zur Verfügung stehen. Nur zwei Namen fehlen'und icli
möchte den Versuch wagen sie hier einzureihen : K a 1 1 i m e-
des und Thersilochos. Doch um zu beweisen, dass sie über-
haupt in unsere Epoche gehören, muss ich weiter ausholen.
Zu den Kriterien, die uns für die Archonten der Jahre
290-270 zu Gebote stehen, tritt noch eines hinzu. Die Finanz-
behörde OL £Jti tfi 8loixt]ö£l wird nur in diesen beiden Jahr-
zehnten erwähnt. Vorübergehend lebt der Titel gegen Ende
des III. Jhdts noch einmal auf, zuerst IG II v 385 d aus dem
Jahr 217/6, aber für die Zwischenzeit ist er niemals überlie-
fert. Da es nun nicht angeht, mit Homolle {BCHXW 364) zu
behaupten, dass das Amt stets kollegialisch gewesen sei, dass
aber in den Inschriften bald der Vorsitzende, bald das Kol-
legium genannt wird, so muss man anerkennen, dass eine
Umgestaltung der ursprünglich als Einzelmagistrat errichte-
ten Behörde stattgefunden hat. Aristoteles kennt das Amt
überhaupt noch nicht. Den Finanzminister mit dem Titel 6
8Jti tfii ÖLOixTjaEi finden wir zum ersten Male in der Urkunde
IG II 251, die von Köhler innerhalb der Jahre 307 — 300 an-
gesetzt wird ; seine letzte sichere Erwähnung ^ vor der Ände-
rung der Organisation haben wir im Ehrendekret für Hero-
doros aus 295/4 [IG II 300). Wann diese stattgefunden hat,
lässt sich nicht aufs Jahr bestimmen, wir finden tou; ej-ti xr\
8ioixi')08i in den Inschriften unter Diotimos 286/5 [IG II 311,
312), Euthios 284/3 (II 314), Menekles 283/2 (II v614 c), Ni-
kias 282/1 (II 316) und in II v 318 b aus demselben oder
dem folgenden Jahre, im Beschluss für Aischron II 309, der
nicht lange nach Diokles fällt, im Ehrendekret für Korneas
II V 318 c (bald nach 380) und für die Tenier unter Urios
273/2 (II V 345 c). Nicht datiert .sind II 325 — 328, II v 373 //,
374 /5, 513 b. Kurz nach Eubulos' Archontat finden wir wieder
* Vgl. die Zu.sammen.stellung bei Larfeld Jiamibuch Ji-r <^r/tr/i/sr/ir/i Epi-
graphik II* 721.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. 7
98 W. KOLBE
einen Beamten {IG II 331 für Phaidros) ; vgl. II v 371 b, wo
der Titel ergänzt ist. Köhler fasste seine Meinung im Kom-
mentar zu II 325 dahin zusammen: Atque ol. 128 (268/7) id
collegüim Twv ejii ttj 8ioixi]oei non iam exstitisse, scd sunimam
adniinistrationis denuo penes unum fuisse constat, videtur autem
aliquot annis ante ol. 128 factum esse, ut fnunus illud denuo
ttni deferretur.
Wir dürfen demnach die Urkunden, in denen ol lii\ xx\
Sioixrjaei vorkommen, mit Sicherheit der Zeit 290 — etwa 270
zuweisen, soweit nicht innere Gründe für das letzte Viertel
des Jahrhunderts geltend gemacht werden können. Hierdurch
gewinnen wir den Archonten des Ehrendekretes ^ II 325, von
dessen Namen nur HAi^^ erhalten ist. Wir haben in der frag-
lichen Periode nur einen Archonten, dessen Namen im Geni-
tiv die Buchstabenfolge HAO enthält [KaA,?a(x]ii8o[D. Nun ist
die Zeilenlänge von 38 Buchstaben gesichert; es fehlen also
vom Namen sechs Zeichen : diese Lücke wird wieder durch die
Ergänzung [KaUi[,i]ri8o[ii genau ausgefüllt. Das wird schwer-
lich zufällig sein. Also lese ich :
'E jr IKa ?t ^ i ji HAC udQxovToqejt'iTfjq
. .eJtQVTavEIAZ""! . Ktt>.?tiaqKaA,Xid8oD .nA-co-O^e
ii(;eYQa|.i|xdTEYEN. .
. . . i T f) 5 :t Q Y TA NeiagE>cxA,Tiö laxDQ latcöv^iQoeö
QtoveÄeajJTiqjIZIENT
. X a l ö u |x n P OE A P O I E 8 o '§ e v x fj i ß o v ?t f) i x a l x oj i 8 V]
Koehler lehnte die Ergänzung ab, weil der Name des Schrei-
bers in Kallimedes' Jahr dem Raum Z. 3/4 nicht entspricht.
Ich habe angenommen, dass in unserer Urkunde vor und hin-
ter dem Namen des Sekretärs je eine Stelle frei gelassen war,
und damit ist den Raumverhältnissen genügt.
Wenn ich die Urkunde II 325 mit Recht dem KaUiii^iörig
zugewiesen habe, so muss auch in den anderen Inschriften
^ Die Urkunde ist von anderer Hand geschrieben als II 306 und 307 ;
aber sie zeigt in der Schrift grosse Ähnlichkeit mit II v 307 b.
' Vgl. die Tari'a leclio im Corpus. Nach sorgfältiger Prüfung des von
Köhler nicht gesehenen Fragmentes habe ich mich für die im Texte gege-
bene Lesung entschieden. In b 21 ist das Y von ro]i)(;|e;ii rfj 8ioiXT'|oei] noch
jetzt erhalten.
DIE ATTISCHEN ARCHONTEN VON 293/2 — 27 l/o 99
seines Archontates die Finanzbeliörde den Titel 01 ettI tTi (^loi-
x>')08i führen. Ob dies in I(} II .^07 der Fall war, lässt sich
nicht mit Gewissheit feststellen.
Die normale Zeilenlänge beträgt hier bis zur 25. Zeile 56
Buchstaben, weiterhin 57; Ausnahmen machen Z. 1, 2 und
Z. 24. Hier ist [toug] oder [tov e:ni ttj 8]ioix[r|]a£L möglich. Es
soll weiterhin der Versuch gemacht werden, auf anderem
Weg zum Ziel zu gelangen.
Solange die Meinung gegolten hatte, dass die Namen
der Antigonidenfamilie auf attischen Urkunden im chremoni-
deischen Kriege ausradiert seien, war es einleuchtend gewe-
sen, dass Kallimedes und Thersilochos noch während der Re-
gierung des ersten Demetrios amtiert haben müssten, weil in
der Inschrift II 306 aus Kallimedes' Jahr in Z. 9 eines ßaöi-
Xeo)? Ati|,i[iitqlov] Erwähnung geschieht (vgl. Dittenberger Her-
mes II 295 und Köhler zu IG II 307). Nun hat sich die Vor-
aussetzung als irrig erwiesen, aber müssen wir deshalb die.
These fallen lassen ? Dittenberger tat es und rückte beide
Archonten in die Zeit Demetrios' II. auf Grund der oben
angezogenen Urkunde II 307 \SyUoge'^ 221 ^ : Qiiare iion
modo aequo iure illos duos annos alteri tertii a. Chr. n. sacetili
parti adscribere licet ac priori, sed illud adeo praeferendum est
). Aber hier hilft uns Fergusons Schreibercyklus weiter.
Kallimedes' Schreiber KaWaag KaUidöoi' IlXcoOevc; gehörte der
IV. Phyle Aigeis an, und unter Thersilochos haben wir einen
Schreiber aus der VI. Phyle Leontis. Nun ist im Jahrzehnt
der Regierung Demetrios' IL die Stelle der Leontis bereits
durch OoQuaxiöiii; 'ApiaTO^iievou A[£i'xovoeuq], den Sekretär unter
Diomedon 232/1, besetzt, und wir haben fürs erste keinen
Grund, für dies Jahrzehnt eine Störung des Cyklus anzuneh-
men. Daher hat schon Ferguson äen Schluss gezogen, dass
Thersilochos und Kallimedes nicht in den 30®'' Jahren im
Amte gewesen seien. Aber seine Liste erlaubte ihm nicht, zu
der früheren Ansicht zurückzukehren, denn er hatte die Jahre
unter Demetrios Poliorketes bereits mit Diokles und Isaios
besetzt. So musste er zu einer gekünstelten Interpretation der
Reste in II 306 seine Zuflucht nehmen, um die Erwähnung
des «Königs Demetrios» gegenstandslos zu machen. Kirch-
100 W. KOLBE
ner, der ihm darin gefolgt ist, schreibt G. G. A. 1900,443:
«Fassen wir mit Ferguson in II 306 oTJQaTog 6 jran][Q?]
— — ßaodso)? Aii|.i[i^tQi,o\i so auf, dass der Vater des Geehrten
den Athenern unter der Regierungszeit des Demetrios Polior-
ketes Dienste erwiesen hat, so versetzt uns II 306 in die Re-
gierungszeit des Antigonos Gonatas». Man kann sich beim
Lesen dieser Worte des Gefühls nicht erwehren, dass der Ver-
fasser sich nur ungern zu einer solchen Verlegenheitsauskunft
entschlossen hat. Nachdem wir aber gesehen haben, dass ge-
rade zwischen den Jahren 292-287 noch eine grosse Lücke ist,
dass ferner unter Kallimedes das Amt twv ejri rfi Öioixt^gel be-
stand, brauchen wir jene gekünstelte Auffassung der Inschrift
nicht zu der unsrigen zu machen. Wir werden vielmehr be-
haupten, dass um der Erwähnung des Königs Demetrios wil-
len die Urkunde II 306 in die Zeit des Poliorketes gehört.
Wenn wir jetzt den Schreibercyklus zu Rate ziehen, so er-
halten wir, von Nikostratos 295/4 ausgehend, dessen Schrei-
ber aus der XL Phyle Aiantis war, für Kallimedes (IV) das
Jahr 290/89 und für Thersilochos (VI) 288/7.
Wir haben weiter die Frage aufzuwerfen, ob sich die aus
Kallimedes' und Thersilochos' Jahr überlieferten geschicht-
lichen Tatsachen mit dieser Datierung vertragen. Nach dem
Inhalt des Dekretes für den Agonotheten unter Kallimedes
II 307 bestanden damals freundschaftliche Beziehungen zum
makedonischen Hof. Dasselbe wird man mit Wilamowitz Anti-
gonos 244 aus den Resten des darunter stehenden Beschlusses
für Thersilochos' Jahr schliessen dürfen. Von grösster Wichtig-
keit ist jedoch die Beurteilung des athenisch-boiotischen Streit-
falles {IG II 308, II V 308 (5, II V 373 h). Diese Urkunden be-
sagen, dass Athen und das xon'ov köv Boiü)to)v durch einen
Vertrag die Stadt Lamia zur Schiedsrichterin bestellt haben
Der Streit wurde beigelegt und die lamischen Schiedsrichter
sowie ihre Stadt erhielten Ehrenkränze. Es ist allgemein aner-
kannt, dass ein solcher Vertrag sehr wohl zur Zeit der Herr-
schaft Demetrios' I abgeschlossen sein kann (Dittenberger
Hern t es II 297). Denn der König begnügte sich auch nach dem
zweiten Abfall Boiotiens mit der militärischen Besetzung der
Städte, während er die politische Autonomie des xoivov unan-
DIE ATTISCHEN ARCHONTEN VON 293/2 — 27 l/o 101
getastet Hess. Nur Theben, das die Seele des Aufstandcs Ge-
wesen war, blieb unter der Verwaltung des HieronNinos von
Kardia und erhielt erst 2S7 seine nolmia zurück (IMut. /)r///.
39. 46; Diod. XXI 14). Allerdings ist voraus/cusetzen, dass kei-
ner der beiden Paciscenten zur Zeit des Vertragsschlu.sses
sich im offenen Kampfe mit Demetrios befand. Dadurch wer-
den die Jahre vor 291 und nach 287 ausgeschlo.ssen. Also
auch nach diesen Erwägungen würden die Jahre 290/89 und
288/7 für Kallimedes und Tliersilochos sehr gut passen.
Auf ein Schiedsgericht der Lamier beziehen sich drei
ITrkunden : /G II 308 aus der II. Prytanie des Tliersilochos
enthält einen Volksbeschluss, der auf Kalai'des' Antrag gefasst
wurde und das vSchiedsgericht zum Gegenstande hat. /G II
V 308 d ist ein Ratsbeschluss. Wieder ist Kalaides Antragstel-
ler: der Rat soll in der nächsten Volksversammlung die Be-
kränzung der Lamier, die xac, biYMg — — xäq |tev hiilvauv, xac,
be exQivav Sixaiooi; auf die Tagesordung setzen. Im P)eschluss
war weder Archon noch Tagesdatum angegeben. vSchliesslich
besitzen wir den Volksbeschluss II v 373 // aus der I. Pryta-
nie eines unbekannten Jahres, durch den die Stadt Lamia
und die von ihr gesandten Schiedsrichter belobt werden; die
Verkündigung des Kranzes soll bei den neuen tragischen
Spielen der Dionysien erfolgen. Lolling setzte diese Urkunde
nach dem Schriftcharakter in das letzte Viertel des III. Jahr-
hunderts. Da es aber nicht angeht, den Archon Tliersilochos
so weit herabzurücken, so musste er annehmen, dass z w e i-
in a 1 durch lamische Richter ein athenisch-boiotischer Streit
geschlichtet worden sei (vgl. ÄeXtiov dpx- 1 ^09, 95 und danach
Köhler zu IG II v 373 /i). Leider ist es mir nicht gelungen,
den fraglichen Stein aufzufinden. Aber ich glaube auch ohne
Autopsie aussprechen zu dürfen, dass das Kriterium der
Schrift allein nicht hinreichend ist, um im III. Jhdt eine
Inschrift zu datieren. Als Beispiele führe ich das Dekret für
den Feldherrn Bith}-s IG II 320 an, das Köhler um 280 an-
setzte, während Wilhelm G.G.A. 1903, 788 f. es sicher richtig
in die Zeit des zweiten Demetrios verwies. Ferner nenne
ich die An timachos - Urkunden II 303/4; auch bei ihnen
glaubte Köhler das erste Viertel des III. Jahrhunderts an-
102 W. KOLBE
nehmen zu sollen, während sich jetzt zeigt, dass wir bis ins
letzte Jahrzehnt herabgehen müssen. Köhler führte denn auch
für die späte Datierung des Volksbeschlusses für Lamia einen
zweiten Grund an : gravius est, qiiod fragmenttim decreti in
honorem iudicum Lamtensium anno Thersilochi missorum ex-
stat (II V 308 B). Aber handelt es sich wirklich um zwei ver-
schiedene Fälle? Die von Köhler angezogene Urkunde enthält
einen Rat sbeschluss, und das Dekret des Volkes (373 Ji)
nimmt auf ein .Tooßou/^evjia Bezug. Im Ratsbeschluss werden
zum mindesten fünf Richter aus Lamia genannt; im Volks-
beschluss dürften sechs Namen gestanden haben. Um es kurz
zu sagen: die Übereinstimmung scheint mir hinreichend zu
sein, um .-rQoßou/.ei'iia und Volksbeschluss auf denselben Ge-
genstand zu beziehen. Durch den Xamen des Antragstellers
Kalaides wird das jrooßoi'Xevjia — und durch dieses wiederum
der Volksbeschluss — in die Zeit des Thersilochos verwiesen.
Dieser Ansatz wird dadurch bestätigt, dass II v 373 h nach
Köhlers Ergänzung^ oi en:i xr\ 6Loizi]aei die Kosten der Stele
übernehmen. Der Titel ist gerade in den SC'' und 70^" Jah-
ren des Jahrhunderts üblich gewesen. In ihm ist also kein
Argument gegen unsere Datierung zu erblicken ; er scheint
mir vielmehr ihre Richtigkeit zu stützen.
Doch bleibt noch eine Schwierigkeit zu beheben. In der
II. Prytanie unter Thersilochos wird über irgendwelche Wün-
sche der Lamischen Schiedsrichter verhandelt, und in der
I. Prytanie eines unbekannten Archonten erhalten sie den
Ehrenlohn für ihre Bemühungen. Wenn die von Lolling in
II V 373 h Z. 1 gegebene Lesung "iTHS (sc. TconTarsiag) richtig
ist, so müsste man annehmen, dass die Bekränzung im ersten
Monat unter Thersilochos' Nachfolger — das ist nach unse-
ren Ausführungen Diokles — erfolgt ist. Die Grösse der Lücke
ermöglicht keine Schlüsse für den Namen des Archonten, da,
wie Köhler bemerkt hat, die Präskripte in weitläufiger Schrift
geschrieben sind.
Es erübrigt nunmehr, die Jahre 292/1, 291/0, 289/8, 277/6
und 272/1 nach Möglichkeit ihren Archonten zuzuweisen. Aus
' Die Zeilenlänge spricht für die Richtigkeit dieser Vermutung.
DIE ATTIvSCHEN ARCHONTEN VOX 293/2-- 27 l/o 1 O.i
dem Ehrendekret für Phaidros II 331 kennen wir Kinion und
seinen Nachfolger Xenophon, die nach dem Zusammcnliang
zwischen 296/5 und 281/0 im Amte gewesen sind. Dass erste-
rer noch unter Demetrios' Regierung anzusetzen ist, dürfte all-
gemein anerkannt werden. Dabei hat es sein Bewenden, auch
wenn das Ehrendekret für den Strategen Aristophancs II
V 614 /;, in dem Lysias, Kimon [IL] und dessen Nachfolger ge-
nannt sind, in die 30"^'' Jahre herabgerückt wird. Nun hat Athen
im Jahr des Kimon schwere Zeiten durchgemacht IG II 331
Z. 30 ff.: xetpoTOviiiVig 8e vnh xoü h\\^ov ejil t« öjtXa aipfaiiyo; tov
eviauTOv tov Ej-ii Kijküa-o; oc'qxovtos ftiEtEleaev aytoviiZciiievoc; i'jrfp tfi;
xoivfic a(ott]piac xui :JiEQiaT«VT(i)v rei ttoXei xaipcöv (ii'oxoÄojv
8iE(pt3XaHev np' ei(;)i]V)iv \\\\ //opfu Diese Worte hat man
früher auf die Aitolergefahr bezogen. Wenn ich Beloch^.^.O.
III 1,233; III 2,199. 374 ff. recht verstehe, denkt er an den
boiotischen Aufstand, und ich stimme ihm vollkommen bei. Der
erste Aufstand war 293 niedergeschlagen; damals kann Kimon
noch nicht im Amte gewesen sein, da bis 293/2 die Archonten
bekannt sind. Also müssen wir in den Worten eine Beziehung
auf die zweite Erhebung Boiotiens sehen, die 292/1 fällt. Da
dieses Jahr noch frei ist, so spricht grosse Wahrscheinlichkeit
dafür, dass Kimon eben damals Archon gewesen ist.
Xenophon, der bald nach ihm im Amte war, müsste 291/0
oder 289/8 angesetzt werden. Ausser ihm ist nur noch Chari-
nos für diese Jahre in Betracht zu ziehen, der nach Epikurs
Briefen (yr. 100) vor' Diotimos amtiert hat. Ohne zwingende
Gründe anführen zu können, möchte ich Xenophon vor Cha-
rinos annehmen, so dass ersterer das Jahr 291/0, letzterer
289/8 erhält.
Beloch rückt das Archontat des Xenophon ins Jahr 282/1
herunter (111,2 S. 44). Denn «die Her^'orhebung der Wahl des
Phaidros zum atpariiyos e^rl ta ÖJtXa) vjto toü 8i]|.ioi' schliesst
die Zeit der Oligarchie aus». Nun darf man aber die Worte
Z. 42 ff. /eiQ0T0vi]{)ei5 e.Ti la o.TÄa .tqwtoc ö ji 6 toi" 5ii[.tov
* Als A. Wilhelm in den Jahresheften 1 902, 1 3b " eine andere Ansicht
vertrat, ging er von der Voraussetzung aus, dass die Jahre vor Diotimos
bereits sämtlich besetzt seien.
104 W. KOLBE
nToaTijyoi; tov fviai'xov tov sitx EEviHpCovxog ägx^vxoc, — — —
keinesfalls so aiitfassen, als ob in ihnen eine Anspielung
auf eine vorhergegangene oligarchische Herrschaft läge. Die
Wahl ujiö Toii 8i][.ioi) wird im Jahr Xenophons nicht beson-
ders hervorgehoben, da sie auch unter Nikias' L, Kimons,
Nikias' II. Archontat erwähnt wird. Freilich hatte Ditten-
berger Syllogc'^ 213^'' den Passus :rtQ(TjTO<; vnh roO 8i]f^io\)
mit Vorbehalt auf eine Verfassungsänderung bezogen, und
Beloch glaubt jetzt nachweisen zu können, dass die Demo-
kratie in den letzten Jahren der Demetriosherrschaft gestürzt
war (III 1,234; III 2,375 ff.). «An der Tatsache der Verfas-
sungsänderung selbst lassen die ausdrücklichen, mehrfach
wiederholten xAngaben des Ehrendekretes (für Demochares)
nicht den geringsten Zweifel» elejteoev itjto tojv -^axukv-
odvTCüv TOV Öf]|.iov — xal rpvyovTi f.iEV imfQ ÖTifioxpatiag.
Wir haben zunächst zu untersuchen, wann Demochares
in die Verbannung gegangen ist. Daran knüpft sich die Frage,
ob überhaupt damals eine oligarchische Revolution statt-
gefunden hat. Nach Plutarchs Bericht Dem. 24 geschah es
während Demetrios zweiter Anwesenheit in Athen im Winter
304/3, dass die Demokraten sich der Intervention des Königs
in ihre inneren Angelegenheiten zu widersetzen suchten und
gerade dadurch eine Reaktion hervorriefen. Beloch verlegt
die Verbannung etwa ein Jahrzehnt später und bringt sie mit
der von ihm angenommenen Verfassungsänderung in einen
kausalen Zusammenhang. Er muss also mit de Sanctis {Studi
di storia aniica II 30) annehmen, dass Plutarch die Geschichte
verwirrt und Demochares' Verbannung an falscher Stelle be-
richtet. Es ist aber klar, dass die Gegensätze zwischen den
Anhängern einer radikalen Demokratie und der Partei des
Demetrios gerade in den ersten Jahren aufeinanderstossen
mussten. Ein innerer Grund, den Bericht Plutarchs anzu-
zweifeln, liegt demnach nicht vor.
Nun hat freilich König Demetrios im Jahre des Philippos ^
' Bei der Untersuchung sehe ich /.unächst von dem Jahre des Archon-
tates ab ; war Phihppos wirkHch 293 '2, also vor Kimon, im Amte, dann ist
Belochs These unhaltbar, weil unter Kimon Demokratie bestand IG II 331,
DIE ATTISCHEN ARCH()NTI<:n VON 293/2 271/0 1(),S
den 307/6 vertriebenen Olio-archen die Rückkehr jrestattcL :
Dion. Hai. vita Dinnrclti c. IX p. f)51 Itti toutov wxOoftog ih(n\\\
TOI? 18 aUoig q)VYdai xai Aeivayxq) vno ßaadecog ÄrifU)TQioi'. Aber
darf man daraus auf eine Staatsumwcälzunjj;- im vSinne der
Oligarchen schliessen? Das Pliiloclioros-Praj^inent 1 U) {hl IG
I 408) setzt uns hier in den Stand, die Wahrheit zu finden.
Im Hinblick auf diese yj^Ooho.; twv <()i'Ya(So)v sajj^t der Chronist:
xai Tai)Ti|v ouH Iv. [.igraßo^qc; jT(_)fo/|iaT(i)v eo()[ievii\', CdX fv ti) x(tTF.-
aTwaT] jioÄiTEi'a' x«l t i] \' y.^'\qv\ e jt i t eXf o 0 f| a' (t i o d v e ß i).
Dieser Zusatz beweist, dass die Wiederaufnahme der verbann-
ten Oligarchen eine Verfassungsänderung nicht zur Folge
gehabt hat. Philochoros hätte als gewissenhafter Historiker
nicht sagen dürfen, dass die Prophezeiung sich bewahrheitete,
wenn ein oder zwei Jahre später doch die Demokratie gestürzt
worden wäre (vgl. Beloch a.a.O. III 2, 376).
Was bleibt nun noch als Stütze für Belochs Hypothese,
dass Athen damals eine oligarchische Regierung gehabt hat?
Lediglich die Stelle im Eh^^endekret für Phaidros xfiqotoa'I]-
Oei? OTpaTiiyog röv Eviaviov tov ejtI KifKovog oq/ovtoc; - -
XCtl TTIV JTOÄlV E^tEufiEQaV Xrtl, Öl|[,lOXQaTOV|^lEA')]A' aftTUX'üftOV JtaQEf^O)-
XEV xai TOI)? vofiovc; xiipioii? toT? |ie9' hivx()\. Aus diesen Worten
tönt der Gegensatz hervor, dass Athen in Gefahr gewesen ist
durch eine leichtsinnige Politik Freiheit und Autonomie zu
verlieren. Nicht Demokratie und Oligarchie sind die Gegen-
sätze, sondern Freiheit oder Demokratie und Abhängigkeit.
Aus dem Dekret wissen wir, dass unter Kimon xfx'Qoi öuoxo^.oi
für die Stadt angebrochen waren, in denen Phaidros' Geschick-
lichkeit und Besonnenheit den Frieden zu erhalten wusste.
Es ist oben dargelegt worden, dass in diesen W^orten eine
Anspielung auf den zweiten boiotischen Abfall zu erblicken
ist. Gewiss hat es damals nicht an Heisspornen gefehlt, die
Athen in diese Bewegung liineinreissen wollten. Phaidros ist
einer solchen Abenteuerpolitik entgegengetreten. Dadurch
hat er der Stadt den Frieden, die Freiheit und die demokra-
tische Verfassung erhalten, während Theben — und dies ist
der Gegensatz, der im Beschluss mitklingt, — durch den Krieg
die Unabhängigkeit verlor.
Aber auf welche Zeit sollen wir den Passus im Antrag
106 W. KOLBE
für Demochares beziehen : \iexeo)(r\'x-6xi bk ovbe\iiäc, ohyagiiac,
ovb' äQyy]v ovb&\dav tiq^oti yiaxakeXvKoxoq xov bY\\iovl Die Ant-
wort kann, glaube ich, nicht zweifelhaft sein : Antipatros
hatte nach dem Siege bei Krannon eine oligarchische Regie-
rung eingesetzt, die durch Polyperchons Edikt nur für kurze
Zeit beseitigt wurde. Denn schon 317 sehen wir die Verfas-
sung des Antipatros in den wesentlichen Punkten wiederher-
gestellt. Durch ein volles Jahrzehnt ist sie unter der Herr-
schaft des Demetrios von Phaleron in Geltung geblieben.
Erst als dieser durch den Sohn des Antigonos gestürzt wurde,
erhielt Athen die Demokratie wieder. Damals (im Jahre 307)
trat Demochares neben Stratokies an die Spitze des Staates.
Der Schluss liegt nahe, dass er sich unter dem oligarchischen
Regiment nicht in amtlicher Stellung am politischen Leben
beteiligt hat. So findet das Ehrendekret inhaltlich seine volle
Erklärung, auch wenn wir von einer Oligarchie in den letzten
Jahren des Königs Demetrios absehen.
Da Philochoros' Worte unmöglich machen, die Rückkehr
der Oligarchen unter Philippos als den Anfang einer oligarchi-
schen Reaktion anzusehen, werden wir Plutarchs Bericht nach
wie vor auf die Zeit beziehen, zu der er gestellt ist. Demochares
ist 304/3 für die demokratischen Prinzipien in die Verbannung
gegangen, und sein unentwegter Radikalismus konnte mit
vollem Recht hervorgehoben werden, auch wenn Demetrios
damals die äusseren Formen der Demokratie unangetastet
Hess. Mit Schubert {Hermes X 1 1 1 ff.), v. Wilamowitz [Aiitigonos
V. Karystos 191 A.) u. a. bin ich der Meinung, dass unter den
xataXvaavTe? röv 6fj|.iov des Ehrendekretes Demetrios und seine
Anhänger zu verstehen sind. Man darf schliesslich nicht ver-
gessen, dass der Antrag erst im Jahre des Pytharatos ein ge-
bracht wurde, also zu einer Zeit, wo das Verhältnis zwischen
Athen und dem Antigonidenhause bereits ein feindseliges war.
Unsere Archontenreihe ist jetzt vollständig bis auf die
beiden Jahre 277/6 und 272/1, für die als Kandidaten nur
Telokles und Xaio? in Betracht kommen, ohne dass es
möglich wäre eine Entscheidung zwischen beiden zu treffen.
Ich stelle nunmehr die Ergebnisse in einer Tabelle zusam-
men, in der ich die Phyle des Ratsschreibers, soweit sie ge-
DIE ATl^ISCHRN ARCIIONTRN VON 293/2-271/0 10?
sichert Ist, mit römischen Ziffern ^^el)e; sonst sind arabi-
sche Ziffen gesetzt. Die überlieferte kalendarische Qualität
ist durch S ( = Schaltjahr), G ( = Gemeinjahr) angegeben; wo
sie nicht überliefert ist, schreibe ich s und g.
Jahr
Archon
Phyle
Philippos
Kimon
Xenophon
Kallimedes
Charinos
Thersilochos
Diokles
Diotimos
Isaios
Euthios
Menekles
Nikias
Aristonymos
Gorgias
Anaxikrates
Demokies
Telokles oder -
Eubulos
Polyeuktos
Hieron
Urios
Telokles oder -
Pytharatos
In einem kurzen historischen Abriss möchte ich nun-
mehr zeigen, wie sich uns die Geschichte Athens auf Grund
dieser Liste gestaltet. Im Frühjahr 294 hatte Demetrios den
Widerstand des Lachares gebrochen. Athen fiel in seine Hand,
und makedonische Besatzungen zogen auf dem Museion, in
Munichia und Piraeus ein. Auch Eleusis - und die Grenz-
293/2
292/1
291/0
290/89
289/8
288/7
287/6
286/5
285/4
284/3
283/2
282/1
281/0
280/79
279/8
278/7
277/6
276/5
275/4
274/3
273/2
272/1
271/0
haoc,
Xaioq,
1
s
2
3
IV
vS
5
VI
G
IV
G
V
G
6
s
VII
G
XI
? 1
XII
G
I
G
2
s
3
4
s
5
6
S
s
VII
G
VIII
S
IX
G
10
11
s
' Ob das Datum in II 315 unter Menekles wirklich die Annahme eines
Gemeinjahres fordert, erscheint mir fraglich.
^ Wenn Demetrios das Kommando in Athen und dem Piraeus dem
athenischen Strategen nicht anvertraute, was wir mit Bestimmtheit wissen,
wird er in Eleusis ebenso verfahren sein.
108 W. KOLBE
festungen blieben in seiner Gewalt. Er sah sich durch die
politische Unzuverlässigkeit der Athener zu dieser energi-
schen Handhabung seiner Macht genötigt, um so mehr als
er fürchten musste, dass das Feuer des boiotischen Aufstan-
des auch einmal nach Attika übergreifen möchte. Wirklich
blieb Athen nicht nur 293, sondern auch bei der zweiten
Erhebung Boiotiens dem Könige treu (unter Archon Kimon
292/1), und der Friede war ungestörte Auch von Demetrios'
Krieg mit den Aitolern ist Athen nicht wesentlich berührt
worden. Der Terrorismus, den die Vorkämpfer des helleni-
schen Freiheitsgedankens ausübten, war gewiss lästig. Aber
man wusste sich zu trösten, als die Aitoler 290 den Anhän-
gern des Demetrios die Teilnahme an den delphischen Spie-
len nicht gestatteten, und feierte auf des Königs Wunsch
die Pythien in Athen. Im folgenden Jahre hat dann die Straf-
expedition nach Aitolien stattgefunden, an die sich der Feld-
zug in Epirus anschloss -, nachdem Pantauchos mit einem
Teil des Heeres zurückgelassen war. Noch im Herbst 289
ist es zwischen Pyrrhos und Pantauchos zur Schlacht gekom-
men, in der der jugendliche, heldenhafte Epirotenkönig die
Oberhand gewann. Den Sieg verdankte er nicht zum wenig-
sten seiner persönlichen Tapferkeit, und es ist verständlich,
wie sein Verhältnis zum Heere und Volke mit einem Schlag
ein anderes geworden war (Plut. Dem. 41. Pyrrh. 7 f.). Auch
unter den Makedonen besass er Anhänger, und als Demetrios
(etwa 288) in Pella lebensgefährlich erkrankte, benutzte Pyrr-
' Die Tatsache, von der das Ehrendekret für Phaidros IG 1\ 331 mit
den Worten berichtet x^'-QOTOVTi'Oeli; öe (inö toü Siiiiou en:l xd oji^a OTQaTT)-
yöi; töv eviavTÖv xov eotl Kificavog agj^ovTo? xal jteQiaTavTcov ttj nokzv
xaiQcöv övoxo^cov 8 i e cp ij ?i. a ^ e v x i] v e l q i'i v t] v x f] x ^ q a scheint mir
den ganzen Gegensatz zwischen unserer Zeit und der im Beschluss II v
614 * geschilderten zu offenbaren : unter Lj'sias bricht der Krieg aus (Z. 57),
der unter Kimon II und dessen Nachfolger fortdauert (Z. 69). Es ist der
demetrische oder aratische Krieg, von dem hier die Rede ist.
- In diese Zeit setze ich auch den Zug nach Kerk^'ra und die Verbin-
dung mit Lanassa, die Plutarch nur beiläufig erwähnt (Pyrrh. 10). Beloch
tritt für das Jahr 291 ein (III 2 vS. 200). Aber damals musste Demetrios den
zweiten boiotischen Aufstand niederwerfen. Eine solche Zeit war doch für
eine Brautfahrt schlecht geeignet.
DIE ATTISCHEN ARCHONTEN VON 293/2 — 27 l/o 109
hos die Gelegenheit 7A\ einem Verstoss nacli Makedonien.
Er drang rasch bis Edessa vor; als aber Denietrios so weit
wiederhergestellt war, dass er ins Feld rücken konnte, ver-
trieb er ohne grosse Mühe den Eindringling. Doch bewilligte
er ihm günstige Friedensbedingungen, um sich ungestört den
Vorbereitungen zu den grossen Unternehmungen in Asien
widmen zu können, die darauf hinausliefen, das Reich des
Antigonos wiederzuerobern {Drni. 43 f.).
Diese Pläne bedeuteten eine Gefahr für den Frieden der
östlichen Reiche, und sobald die Kunde von den gewaltigen
Rüstungen an die Höfe des Lysimachos, Ptolemaios und Se-
leukos gelangt war, begannen zwischen ihnen Unterhand-
lungen über ein Bündnis gegen den Ruhestörer. Es muss
einige Zeit vergangen sein, bis man zum Abschluss gelangte.
Man beschloss dem König durch einen kombinierten Angriff
zu Lande und zu Wasser zuvorzukommen, und. gewann auch
Pyrrhos für dieses gemeinsame Vorgehen. Während im P'rüli-
sommer 287 Ptolemaios mit einer stattlichen Flotte im Aigei-
schen Meere erschien, um die Griechenstädte, vor allem
Athen, zum Abfall zu bringen, fielen gleichzeitig Lysimachos
von Osten und Pyrrhos von Westen in Makedonien ein. Ehe
es zu einer entscheidenden Schlacht gekommen war, verlies-
sen die Makedonen die Sache ihres Herrn und gingen zu
Pyrrhos über, den sie zum Könige ausriefen. Daraufhin gab
Demetrios den makedonischen Thron verloren und wandte
sich nach Griechenland (Sommer 287).
Inzwischen war Ptolemaios' Flotte nicht müssig geblie-
ben : unter dem Eindruck der Nachrichten aus Makedonien
und im Vertrauen auf die ägyptische Hilfe vertrieben die
Athener die Besatzung aus dem Kastell auf dem Museion und
erklärten sich für frei. Bald darauf, im August 287 (""ExaTOi-i-
ßaicbv AioxÄeoiig), fasste man für den ägyptischen Admiral
Zenon einen Ehrenbeschluss. Aber nun erschien Demetrios
mit ansehnlicher Heeresmacht vor Athen. Der Jubel ver-
stummte und ängstlich sah das kleinmütig gewordene Volk
nach einem Retter aus. An Pyrrhos wird eine Gesandtschaft
geschickt. Der aber war nicht gewillt, für die Athener sein
Glück zu wagen, zumal ihm in dem makedonischen Reich
110 W. KOLBE
lohnendere Aufgaben winkten. So blieb der Demos bei der
nun beginnenden Belagerung ohne fremde Hilfe, und infol-
gedessen entschloss man sich, den erzürnten König durch eine
Gesandtschaft um Milde zu bitten. Wider Erwarten zeigte
sich Demetrios den Vorstellungen des Philosophen Krates
zugänglich, und hob die Belagerung auf.
Inzwischen hatte Pyrrhos nach mehrmonatlicher Allein-
herrschaft in Makedonien das Reich mit Lysimachos teilen
müssen. Er wird vermutlich während dieser Zeit den Norden
nicht verlassen haben. Erst nachdem das Abkommen mit dem
Könige von Thrakien getroffen war, gewann er grössere Be-
wegungsfreiheit und kam nach Griechenland (um die Wende
287/6. Mit Jubel begrüssten die Athener den Retter: hofften
sie doch, er werde ihnen Piraeus und Munichia erobern (Plut.
Pyrrh. 1 2 8ßoi]{)8i toI? "EAb]oi). Aber er dachte nicht daran ;
vielmehr schloss er mit Demetrios einen Vertrag ab, in wel-
chem er ihm seine griechischen Besitzungen garantierte und
dafür die Anerkennung als König in Makedonien erhielt. Da-
raus geht hervor, dass Demetrios jetzt vor allem seine asiati-
schen Pläne am Herzen lagen, für die er die Rüstungen unun-
terbrochen fortgesetzt hatte. Kurz nach dem Abschluss des
Garantievertrages mit Pyrrhos (fiet' öXiyov xi?ovov sagt Plu-
tarch Pyrrh. 12) schiffte er sich im Frühjahr 286 mit gewalti-
ger Heeresmacht von Korinth nach Asien ein. Seinen Sohn
Antigonos Hess er als Statthalter in Griechenland zurück.
In Athen atmete man auf. Waren auch der Piraeus, Mu-
nichia und zahlreiche Kastelle noch in den Händen makedo-
nischer Besatzungen, so war doch die grosse Gefahr des Au-
genblicks vorüber. Als von den kleinen Dynasten, an die
man gleich nach dem ersten Erfolg Gesandtschaften geschickt
hatte, Getreidesendungen und Glückwünsche einliefen, wur-
den ihnen neue Ehren beschlossen (unter Diotimos 286/5, im
Januar und Juli 285).
Schnell genug hatte sich Demetrios' Geschick in Asien
erfüllt. Der Anfang des Unternehmens war freilich sehr glück-
lich gewesen. Nachdem er in Milet mit der ägyptischen Köni-
gin Eurydike zusammengetroffen war, deren Tochter Ptole-
mais er jetzt heiratete, war er alsbald im Frühsommer 286
DIE ATTISCHEN ARCHONTEN VON 293/2 — 271/0 11]
nach Osten aufgebrochen (xrxl [lExä tov yd\ioy e v {) v c. gjti xuq
:it6Aei5 TQeJtetai Plut. Dem. 46). Fast ganz Lydien fiel ihm zu,
auch Sardes nahm ihn auf. Aber vor Agathokles' überlege-
nem Heer weicht er vorsichtig nach Kappadokien zurück. Er
will sich nach Armenien werfen, als eine Meuterei im Heere
ihn zwingt, nach Kilikien zu gehen. Im südlichen Kataonien
bezog er die Winterquartiere 286/5. Die Tage des (rlückes
waren vorüber: im kommenden Frühjahr unterwarf er sich
dem Seleukos.
Noch während Demetrios in Lydien stand, hatte eine
Anzahl verwegener Patrioten unter Mnesidemos' Führung
versucht, das Kastell im Piraeus durch einen Handstreich zu
gewinnen (vgl. Polyaen V 1 7 : Atjp'itqioi; keqI ttjv Adöuxv \]v).
Aber der karische Offizier Hierokles, den sie bestachen, blieb
seinem Herrn treu und teilte den Anschlag seinem Ober-
sten mit. So wurden die eindringenden kühnen Männer um-
zingelt und niedergemacht (286). Mehr Glück hatte Demo-
chares gehabt, der etwa um dieselbe Zeit Eleusis durch Be-
stechung den Makedonen entriss. Im übrigen machte die
Sache Athens keine Fortschritte. Noch 284/3 finden wir den
Piraeus und die Kastelle in Feindeshand (II 314 unter Eu-
tliios' Archontat). Aber bald darauf scheint Olympiodoros die
Vertreibung der feindlichen Garnison aus dem Piraeus und
Munichia gelungen zu sein (Paus. I 26, 3 ^). Die Folge war,
dass Antigonos heranrückte, um seine sonstigen Besitzungen
zu sichern und womöglich den Hafen wiederzugewinnen. Un-
ter Menekles' Archontat 283/2 begann der Krieg {/G II 316
ejti MeveHÄeoD«; ägiovroc, jtoÄe^xoi) xatexovTOi; tt]v iioXiv) und dau-
erte unter Nikias 282/1 fort; denn IG II 31 7 Z.18 wird mit den
Worten toö noXi^iov yevo[iivov auf den laufenden Krieg ange-
* Den Bericht des Pausanias hat de Sanctis studi di storia II 32 f. ver-
dächtigt, obwohl es a. a. O. heisst '0^uti7tio8o)Q(p 8e toiito jüv ev 'AÖi'ivaig
elolv EV TE dxQOJt6A.Ei xai ev ^tQDTavEito Ti^iai, toüto 8e ev 'EA.euölvi yQUCpri.
In letzter Linie gehen diese Nachrichten also auf epigraphische Quellen zu-
rück. Infolgedessen kann ich mich Belochs Ansicht nicht anschliessen, son-
dern halte mit Wilamowitz {Antigonos v. K. 257) und Niese a. a. O. 231 "
daran fest, dass die fortgesetzten Bemühungen der Athener, in den Besitz des
Piräus zu kommen, von Erfolg gekrönt worden sind.
112 W. KOLBE
Spielt. Die militärische Leitung der Dinge lag in Olympio-
doros' Hand. Wir wissen nur von einem Angriff der Makedo-
nen auf Eleusis, der unter seiner Führung siegreich abge-
schlagen wird (Paus. I 26, 3). Andere Einzelheiten sind nicht
bekannt, und auch über den Ausgang des Krieges schweigen
unsere Quellen. Man darf vielleicht vermuten, dass Antigo-
nos auf die Fortsetzung der Feindseligkeiten verzichtete, als
sich ihm nach Lysimachos' und Seleukos' Tode die Aussicht
eröffnete, den väterlichen Thron wiederzugewinnen. In dem
x\ugenblick, als Ptolemaios Keraunos sich zum Könige von
Thrakien und Makedonien gemacht hatte, musste Antigonos
den Frieden mit Athen wünschen, um sich mit voller Kraft
gegen den Rivalen wenden zu können. Noch im Jahre 280 ist
er gegen Keraunos zu Felde gezogen \ aber er wurde geschla-
gen und zog sich nach Boiotien zurück (Memnon 1 3). Bald da-
rauf schiffte er sich nach Kleinasien ein, wo er sein Glück ge-
gen Antiochos' Strategen Patrokles versuchte, während sein
Bruder Krateros als Statthalter in Griechenland zurückblieb.
So standen die Dinge, als 279 die Keltengefahr herein-
brach : Aitoler, Phoker, Boioter und Athener haben neben
Antigonos' und Antiochos' Söldnern bei den Thermopylen ge-
fochten. Athen blieb während der folgenden Jahre in freund-
schaftlichen Beziehungen zum Hause der Antigoniden. Das
beweist das Dekret H v 323 d aus Hierons Jahr. Aber noch
einmal hat es den Versuch unternommen, die Macht des ma-
kedonischen Königs in Griechenland zu brechen. In Peithi-
demos' Jahr 266/5 hat es mit Sparta das verhängnisvolle Bünd-
nis geschlossen, das den Chremonideischen Krieg einleitete.
Nach Antigonos' Sieg stand die makedonische Macht fester
denn je in Griechenland, und wieder lag eine fremde Garni-
son auf dem Museion.
Athen.
Walter Kolbe.
' Ungefähr zur gleichen Zeit erhoben sich unter Führung Spartas eini-
ge Staaten im Peloponnes, aber die Bewegung wurde durch einen raschen
Sieg der Aitoler niedergeschlagen. (Justin XXIV 1, 1 — b). Die Erhebung
fällt vor den Galliereinfall, zu dessen Zeit Antigonos bereits in Asien war.
113
UNTERSUCHUNGEN IN KOIOTIEN UND PHOKIS.
Die Ergebnisse, die ich im Herbst 1902 und im Frühjahr
1 903 bei der Aufdeckung des Grabhügels der Makedonen und
bei einer vorläufigen Untersuchung der prähistorischen Erd-
anschüttung am Kephisos bei Chaironeia erzielte ', sodann
einige sich daran anschliessende Beobachtungen über die in
der boiotisch-phokischen Ebene zerstreuten Tumuli und prä-
historischen Ansiedlungen gaben mir die Veranlassung zu
den Ausgrabungen, über die ich im Folgenden berichte. Die
im Auftrage der griechischen archäologischen Gesellschaft
veranstalteten Arbeiten begannen am 1 3. Juli vorigen Jahres
und haben bis zum 21. Oktober pfedauert.
1. Topographisches über Chaironeia.
Das Stadt flüsschen Haimon und das Herakleion.
Ein Stadtflüsschen Haimon — jtotdfxiov [xixqov ev XaiQco-
veia et? tov Ki](piö6v e[ißu}lov — und ein nahe daran gelegenes
Heraklesheiligtum werden von Plutarch in der ViYa Deniosthe-
nis XIX ausdrücklich bezeugt. iA.uch abgesehen von der Be-
deutung, welche er der Erwähnung beider in seiner legenda-
rischen Erzählung über den Verlauf der Schlacht beimisst,
würde es wohl von Interesse sein, die sonst unbekannten
Punkte festzustellen, da wir, trotz Plutarchs Nachrichten über
seine Vaterstadt, weder über die Topographie derselben, die
doch eine so wichtige Rolle in der antiken Kriegsgeschichte
spielt, noch über ihre Heiligtümer, welche vielfach in chairo-
neischen Inschriften erwähnt werden, genügend unterrich-
tet sind.
* Vgl. Athen. Mitteil. 1903 S. 301 ff. (dazu die topographische Skizze
auf S. 305), 310 '.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX 8
114 G. SOTIRIADIS
Was das Flüsschen anbelangt, so ist nach dem Vorgange
Kromayer's ^ von der Betrachtung das Wasser auszuschlies-
sen, welches heute den Dorfbrunnen speist. Dasselbe wird
von der Quelle, die unter dem felsigen Zuschauerraum des
Theaters entspringt, durch eine antike Leitung ein paar
Meter weiter zum Brunnen geführt, welcher ohne Zweifel an
derselben Stelle auch in alter Zeit gestanden haben muss.
Wasser ist also hier nie in einem Bett frei geflossen. Aber
auch das vom Brunnen abfliessende Wasser kann nie ein
Rinnsal gebildet haben, das den Namen Flüsschen (jtotu^uov,
Qgiijia nach Plutarch) verdient hätte, weil es bei dem sonstigen
Mangel an laufendem Wasser in dem Stadtgebiet sicher schon
zuvor für die verschiedenen Bedürfnisse der immerhin zahl-
reichen antiken Bevölkerung aufgebraucht wurde. Heute ver-
läuft es gleich nach seinem Ausfluss aus dem Brunnen im
daneben liegenden Garten. Im Altertum wird das überflüssige
Wasser eine bessere Benutzung gefunden haben.
Eher würde vielleicht dem Wildbach, welcher durch den
Talgrund östlich von der Burg in die Ebene sich ergiesst,
der Name Flüsschen im Sinne Plutarchs zukommen -. Er
führt allerdings nur bei starkem Regen Wasser, doch ist sein
Bett tief und zieht sich ziemlich weit in die Ebene hinein.
Aber an seinen Ufern ist kein Platz für das Heraklesheilig-
tum. Die Terrainverhältnisse verbieten es, das Flussbett nach
der Richtung hin zu verlegen, wohin es Kromayer verfolgen
zu können glaubte, nämlich nach Nordwesten, die Landstrasse
entlang. Der Wildbach wird von jeher ziemlich in der Rich-
tung des heutigen Bettes geflossen sein, und in dieser Gegend
durchzieht er die alte Nekropole. Hier wird also das Heilig-
tum nicht zu suchen sein. Sodann wäre die Angabe Plutarchs,
dass das Flüsschen an dem Heiligtum vorbeifliesse, sonderbar
gewesen, wenn er an den Wildbach gedacht hätte. Derselbe
floss in der Zeit Plutarchs teils durch die Stadt, teils dicht an
ihren Mauern vorbei. Es hätte also viel näher für ihn gele-
' Antike Schlachtfelder in Griechenland S. 161 ff.
- Nur andeutungsweise habe ich auf der erwähnten topographischen
Skizze den Namen Haimon mit Fragezeichen für ihn angewendet.
l^NTRRvSUCHUNGEN IN R0I0TIF;N UNI) PHOKIS 115
gen zu sagen, dass das fragliche Flüsschen eben das Stadt-
flüsschen sei, welches rtiv JtoXiv ftiappä oder n:a(_)(tt)OfT, aber
nicht naQu xö 'Hgwx/.Kiov jcaoaoQt-T, welches er keinen be-
sonderen (irund hatte hier zu erwähnen und welches aus den
angegebenen Gründen sicher nicht unmittelbar bei der vStadt
gelegen haben kann.
Nur zwei Flüsschen, die auch wirklich diesen Xanien
verdienen, können in Betracht konnnen.
Das eine fliesst durch den bei dem Löwendenkmal sich
öffnenden Talgrund des kleinen Klosters Lyküressi. Auch in
der trockensten Jahreszeit führt es Wasser, welches reichlich
genug ist, um die grünen Flächen oberhalb des Löwen und
selbst die Felder um ihn herum zu bewässern. Das andere
fliesst bedeutend östlicher, etwa 2 Kilometer weit von der
Stadt, durch das Tal Karamet an dem westlichen Vorsprung
des felsigen Grundstockes des Thurionberges bei dem Kera-
tapass vorbei. Auch dieses führt dauernd Wasser genug um
die Felder zu bewässern. Seinen alten Namen überliefert uns
aber Plutarch in der V/Va Siillaf XVIL Er hiess Molos.
Somit dürfen wir schliessen, dass der plutarchische Hai-
mon der Bach von Lyküressi ist. Kromayer legt ihm dem
Namen Morios bei \ doch sicherlich ohne Grund. Denn die-
ser Name kommt nur in älteren Ausgaben des Plutarch vor
als fehlerhafte Schreibart anstatt der richtigen Molos, und der
Zusammenhang lehrt, dass Plutarch in der Schilderung der
Kämpfe Sullas bei Chaironeia an beiden Stellen nur den öst-
lichsten Bach Molos gemeint haben kann -. Irrtümlich hat
Lolling^ den Namen Morios dem Bach gegeben, welcher bei
der Stadt Panopeus (heute Hagios Wlassis) die Grenzlinie
1 Antike Schlachtfelder vS. 1 bO '.
* Sulla XVII heist es: öyog ö xa?vof)nev 'OQOoTiayov (die steile Fels-
wand der heutigen Kegata), ujio 88 avxb t ö q e 0 |.i a ton M 6 ?l o v xal
©ODQioi) vecog 'An;6?i>tcovo(; ; c. XIX heist es ebenfalls : aWa toOto fiev tö
TQOJtaiov £GTT|xe Tfjg jt 8 8 i d 8 o 5 (i d x ^1 ? 11 ^rtQtöxov 8Vfx?avav oi JteQi
'AQxe^aov jiaQÜ xö Mo?, ou QelÖQOv, etEQov 8e eotl toii 0 o u q i o v
xatd xoQDcpriv ßeßrixcoq.
^ Hellenische Landeskunde undTopographie {\\\an Müller //audöinh III) S.l 28.
116 G. SOTIRIADIS
zwischen dem boiotischen und phokischen Gebiet bildete. Wie
dieser im Altertum hiess, wissen wir nicht.
Im Tale von Lyküressi, dem schönsten und breitesten
bei Chaironeia, habe ich den Spaten angesetzt, um das Hei-
ligtum des Herakles aufzusuchen. Dass es dort nicht blos ein
einziges, sondern mehrere Heiligtümer gegeben hat, ist un-
zweifelhaft. An drei Stellen, wo eine Kapelle und zwei Rui-
nen von Kapellen liegen, bemerkt man viele bearbeitete antike
Steine auf dem Boden zerstreut oder eingemauert. Auch das
Kloster selbst, welches in dem schönsten obersten (südlichen)
Teil des Grundes liegt und ausgezeichnetes Quellwasser hat,
liegt sicher auf dem Platz eines alten Heiligtums. Allein so
hoch auf den Hügeln in einem tiefen Kessel, wo das Kloster
liegt, glaubte ich das Heiligtum nicht suchen zu dürfen, bei
welchem die verbündeten Griechen ihr Lager zuerst aufschlu-
gen, als sie ihre Kontingente aus der aufgegebenen Verteidi-
gungslinie bei Parapotamioi nach Chaironeia zurückzuziehen
begannen i. Auch bei den beiden anderen Ruinenstätten Hag.
Apöstoli und Hag. Anargyri ist der Platz zum Aufschlagen
eines Lagers ungeeignet und unzureichend, da hier das Tal
ganz schmal und felsig ist. Hingegen ist das Plateau, auf
welchem die Kapelle Hagia Paraskewi steht, ziemlich gross
und es liegt nur ein wenig höher als der schon breite Tal-
grund, welcher von hier an zum Löwendenkmal sich öffnet.
Dicht bei der Kapelle unten fliesst noch jetzt durch die fel-
sige Schlucht reichlich das Wasser des Baches. Etwas weiter
nördlich gegen den Löwen hin verläuft es sich im Kieselbo-
den des sich verflachenden Tales.
Die Grabung begann mit der Aufdeckung der Fundamente
der kleinen Kapelle, da ich dort antike Inschriftensteine ver-
mutete, die auch tatsächlich bald zum Vorschein kamen. Rings-
herum war der Boden mit modernen Gräbern besät, unter wel-
chen eine Schicht von viel älteren, wahrscheinlich byzantini-
schen Gräbern lag. Bald zeigte sich, dass die jetzige Kapelle auf
den Resten einer ähnlichen älteren erbaut war, die wiederum
auf dem östlichen Teil der Ruinen einer grossen byzantini-
» Athen. Mitteil. 1903 S. 320 ff.
UNTERvSüCHUNGEN IN HOIOTIF.N TN!) PIIOKIS 117
sehen Kirche errichtet worden ist. Zum P>au dieser Kirche aber
wurde das Material eines griechischen Tempels verwendet.
Triglyphen, Stücke von vSäulenkapitellen und Architraven
aus Porös zeigen, dass der Tempel dorischen Stiles war. Eine
Masse von Porosstücken war in den .äusseren Mauern der by-
zantinischen Kirche verbaut. Der vStylobat der Kirche, die
dreischiffig ist und eine Länge von etwa 35 m zu einer Breite
von etwa 14 m hat, bestellt aus grossen Kalksteinquadern mit
Klammer- und Dübellöchern. Diese Steine gehören offenbar
dem griechischen Gebäude an. Nur die monolithen Granit-
säulen, von denen einige intakt gefunden sind, und ihre skul-
pierten Kapitelle sind byzantinischen Ursprungs. Andererseits
verraten mehrere ganz grosse Porosquadern mit Randbe-
schlag und sorgfältig bearbeiteten Aussenflächen, welche auf
einer dicken Schicht von byzantinischen Dachziegeln im Pro-
naos der Kirche übereinander lagen, ihre Provenienz aus den
Mauern des antiken Tempels. Zerstückelte oder auch voll-
ständige Basen sind verbaut in der erhaltenen Kapelle; Kalk-
steinblöcke mit alten Inschriften fanden sich in den Resten
einer Mauer der älteren christlichen Kapelle und einer Treppe,
die vom Pronaos der ältesten Kirche wahrscheinlich zu ihrer
oberen Gallerie führte. In dieser Treppe waren auch zwei
Pilasterkapitelle korinthischer Ordnung verbaut. Kalkstein-
platten, die, wie eine Inschrift zeigt, von einem antiken Ge-
bäude stammen, sind zum Bau eines Grabes aus römischer
Zeit neben der Kirche verwendet worden ; grosse Kalkstein-
quadern des antiken Baus lagen als Deckplatten auf christ-
lichen Gräbern hinter der Apsis der Kirche, während andere
ganz zerstückelte für ältere Gräber verwendet worden sind,
welche den ganzen Raum der tief verschütteten byzantini-
schen Kirche und einen bedeutenden Teil ausserhalb dersel-
ben besetzten. Den Boden des Pronaos der byzantinischen
Kirche sowie ihres Mittelschiffes bildet ein interessantes, mei-
stens gut erhaltenes Mosaik mit Ornamenten, wie Flechtbän-
dern, Palmetten, Kreisen aus weissen, blauen und gelben Stein-
chen. Nur vor dem Altar ist der Boden mit kleinen polychro-
men Marmorplättchen geschmückt. Sonst ist nichts von der
byzantinischen Kirche erhalten.
118 G. SOTIRIADIvS
Darnach zeigt die Riiinenstätte der Hagia Paraskewi
eine Aufeinanderfolge von Anlagen, die von gut klassischer
Epoche bis zum Ausgang des Byzantinismus reichen. Denn
es ist sehr wahrscheinlich, dass dort einst ein bedeutender
griechischer Tempel gestanden hat. Die Inschriften, die auf
Basen und auf anderen Steinen angebracht waren, gehören
dem III. oder II. Jahrhundert v. Chr. an. Sie sind Proxenie-
dekrete, leider sehr verstümmelt, und vollständige Befrei-
ungsakte oder Militärlisten der dienstpflichtigen Jugend von
Chaironeia. Die Form der Befreiungsakte, in der xolvt] oder
im boiotischen Dialekt abgefasst, ist folgende: "Aqiovxoq (z. B.
ndtQcovog, MvaaiOD, KaUiTifiü), OiAo^evü), ^avoScoQco) oder lapeiaö-
öovTog (z. B. <I)i?voHev(o Sevcovoi;) [^n^vog Sela'o? 6 ftelva ävaiii)~i]oi
TT]v Ibiav äiielsv^EQOV {\)eQdm]vav oder öoii^aiv) hgav t(ö ÜE^dj-rei
oder Toü Saodutiöog oder xw 'AoxXajriü) oder tu "AoxXujuv xal
xr\ Ouyii). Die Militärlisten zählen mit der Formel xv\ dire-
YQdq3ev eE, Icp^ßcov ev id idyi-iata bis 34 oder 35 Militärpflichtige
auf ; andere nur 5 oder 1 9 (zweimal).
Dieser Tempel aber ist zu einer nicht näher bestimmba-
ren Zeit zerstört worden und zwar, wie es scheint, so voll-
ständig, dass sein Material nur zu einem kleinen Teil in sei-
ner ursprünglichen Form zum Bau der byzantinischen Kirche
Verwendung finden konnte ^ Diesen christlichen Bau nun
dürfen wir etwa in die Zeit nach dem X. Jahrhundert setzen.
Denn das Lyküressikloster, welches eine Filiale des Jerusalems-
klosters bei Dawlia am Parnass ist, gehört wie es scheint sei-
ner Gründung nach der Bautätigkeit an, die als eine Reak-
tion gegen die Präponderanz des Hosios Lukas zu bezeichnen
ist; und die drei byzantinischen Bauten der Hagia Paraskewi,
Hagii Apostoli und Hagii Anargyri dürfen wir mit Recht in
eine gewisse Beziehung zur Gründung des Klosters Lykü-
ressi setzen.
Auch die byzantinische Kirche ist einer gänzlichen Zer-
störung anheimgefallen. Ihre zahlreichen Granitsäulen müs-
' Einige Steine vom griechischen Tempel fand ich in einem neben der
Kapelle liegenden gewölbten römischen Grabe verbaut. Vielleicht ist also
der Tempel schon in frührömischer Zeit in Folge eines der das Land häufig
heimsuchenden Erdbeben zerstört worden.
rNTERSUCHITNGEN IN ROIOTIRX T-NI) PIIOKIS 119
sen verschleppt worden sein. Jalirlninderte lan^' nnd /.war in
zwei weit von einander liegenden Perioden, diente der Platz
als Be<^räbnisstätte eines noch jetzt an den Rninen erkenn-
baren byzantinisch -türkischen Dorfes bei Ha<^ia Paraskewi
und zuletzt des heutig^en unter der Bur«- von Chaironeia lie-
genden Dorfes Käpräna.
Einen direkten Hinweis auf das gesuchte Heiligtum des
Herakles haben uns die aufgefundenen Reste nicht geboten.
Die Befreiungsakte erwähnen, vielleicht zufällig, andere Gott-
heiten, Sarapis, Asklepios oder Asklepios und H)gieia, was
seinen Grund darin haben mag, dass diese Götter, wie auch
Dionysos, der ebenfalls in einem Befreiungsakt erwähnt wird,
entweder ou[i(5a)[,ioi mit Herakles waren oder irgendwo in der
Nähe ihre besonderen Kultstätten besassen. Namentlich für
ein Heiligtum des Heilgottes w^äre die überaus gesunde und,
wie bereits erwähnt, durch gutes Quellwasser ausgezeichnete
Lage des Klosters Lyküressi sehr geeignet, wenn man dafür
nicht etwa den grünen Hang ein w^enig oberhalb der Hagia
Paraskewi in Anspruch nehmen will, auf welchem vermutlich
ein in die christliche Kapelle Hagii Anargyri verwandeltes
Tempelchen gestanden hat. Allein wie für das Lager, welches
die verbündeten Griechen am Vorabend der Schlacht bezogen
haben sollen, kein passenderer Ort zu finden ist, als das Tal
des Flüsschens von Lyküressi, so ist auch das Herakleion
von dem Plateau der Hagia Paraskewi schwerlich zu trennen.
An den Berg angelehnt, bot das Lager hier eine Sicherheit,
die es auch nur ein wenig weiter in der offenen Ebene nicht
gehabt hätte. Die Fülle des Wassers, welches sonst bei Chai-
roneia nirgends zu finden ist, ausser an dem innerhalb der
Stadt gelegenen Brunnen, oder an dem etwa 2 Kilometer
weit entfernten Flüsschen Molos, bot einen weiteren für die
Errichtung eines Lagers schwerwiegenden Vorteil. Dieselben
Vorzüge des Platzes müssen wir aber für ein Heiligtum vor-
aussetzen, wie das Herakleion, w^elches wir uns nicht allein
als einen einfachen Tempel, sondern als eine mit einem an-
sehnlichen Bezirk verbundene Kultstätte zu denken haben,
gross genug, um ein Feldlager zu beherbergen. Vielleicht
war mit dem Heiligtum verbunden ein Gymnasion, wie wir
120 G. vSOTIRIADIS
auch z. B. in Athen eines von den drei bedeutenden Gymna-
sien ausserhalb der Stadt, das Gymnasien Kynosarges, mit
einem Herakleion verbunden finden. Ebenso wie das chairo-
nei'sche hat aber auch dieses athenische Herakleion einmal
als Lagerplatz gedient, nämlich für das siegreiche Heer des
Miltiades ^ und zu den beiden Fällen bietet eine interessante
Parallele der Bericht des Xenophon {FIrUcnika I 3,7) über die
Zernierung der Stadt KaX/iiÖMv an der Propontis durch Alki-
biades: der persische Satrap Pharnabazos ixnz-iy^^\\Qzy etc t6
^HQ«xXeiov Tu TCÜA' Ka^/jiftoA'icoA', qv fiv au TCO t6 axpaTO Jieöov.
Alle Vorbedingungen für ein geräumiges Tefxevog und für einen
guten Lagerplatz treffen zu auf die Stätte der Hagia Para-
skewi. Wir werden darum nicht fehlgehen, wenn wir hier das
Herakleion ansetzen und die zahlreichen Reste des Altertums,
welche hier zu Tage traten, als Zeugnis dafür ansehen, wenn
auch bisher eine den Namen verbürgende Inschrift fehlt.
2. Die prähistorische Erdanschüttung am Kephisos
bei Chaironeia.
Die Anschüttung erhebt sich bis zu einer Höhe von etwa
3,50 m über dem Niveau der umliegenden Felder und bedeckt
einen Raum von etwa 1 20 m Länge und Breite. In römischer
Zeit stand oben in der Mitte ein Haus; auch römische Grä-
ber fanden sich dicht dabei. In dem Schutt der römischen An-
lage fanden sich auch hellenistische und byzantinische Vasen-
scherben. Nach Entfernung des römisch-byzantinischen Schut-
tes zeigte sich die prähistorische Anschüttung intakt. Neben
den römischen Mauerresten, die ich umberührt Hess, habe ich
bis zu 5 m Tiefe einen breiten viereckigen Raum, welcher
mit einer wahrscheinlich prähistorischen Mauer umgeben ist,
ausgegraben; am genauesten habe ich hinter der Mauer des
römischen Hauses (nördlicher Teil) den Boden im Ganzen bis
gegen 3 m und teilweise bis gegen 5,50 m tief untersucht.
^ Herodot VI 116: xal 80TQaTon:e8eiiöavTO ('A^iivaloi) djtiyfievoi e| 'Hqu-
rNTRRvSlX'HITNGRN IN ROIOTIRN T'ND PlIOKIS
121
Hier in der Mitte stellte sich nun der Tatbestand heraus,
welchen beistehender scheniatischer Durchschnitt mit starker
Übertreibung der Höhen verdeutlicht (Abb. 1). Zuucächst un-
ter dem römischen Schutt und sodann ausserhalb des Bereichs
desselben unter einer etwa (),.S() m dicken, mit zahlreichen
prähistorischen Vasenscherben durchsetzten kultivierten Erd-
schicht (1 in Abb. 1), welche die ganze Anhöhe bedeckt, fand
sich eine nach allen Seiten schräg abfallende dicke Schicht
rotgebrannter Erde von rund 10m Durchmesser (2).
Dieselbe ist am dicksten in der Mitte und wird nach der
Peripherie zu dünner, bis sie sich gänzlich, verliert.
ir^^^- ^1^ -•:.-_- ^~ .A~
Abb. 1,
Unter dieser rotgebrannten Erde folgen sich dann vier
von einander durch eine ganz dünne Kolilenlage getrennte
Lehmerdschichten, jede etwa 0,80 m dick (3-6). Unter der
vierten, also der untersten dieser Lehmerdschichten, ziemlich
auf dem Niveau der umliegenden Felder, dehnt sich wieder
eine dünne Kolilenlage aus und in dieser Tiefe fanden sich
zwei menschliche Skelette in der Stellung liegender Hocker,
das eines erwachsenen Mannes und dae einer sehr jungen Per-
son. Sie waren in Lehmerde gebettet, ohne Beigaben, rings
herum lagen in Menge Kohlen und Asche. An einer anderen
höheren Stelle, fast unter der Schicht der rotgebrannten Erde,
fanden sich mit vieler Asche und Kohlen, einen ganz kleinen
Haufen bildend, die Knochen eines dritten Skeletts.
Rings um diesen Mittelpunkt der Anschüttung herum,
in welchem die erwähnten Schichten sich klar unterscheiden
lassen, liegt eine in beträchtlicher Höhe aufgehäufte, mit
Kohlenstücken und mit Erde vermengte Aschenschicht, die
sich bis gegen 40 m weit vom Zentrum der rotgebrannten
122 G. SOTIRIADIS
Schicht erstreckt und sich aHmählig- abflacht. Über diese
Strecke hinaus bis zum äussersten Rand der Anschüttung
findet sich keine Asche mehr. Übrigens inuss sich, wie es
scheint, dieser ganz niedrige Teil des flachen, unmerklich
ansteigenden Hügelchens erst allmählig durch Abschwem-
mung des höheren, ursprünglich kegelförmigen Kernes der
Anschüttung und durch Einebnung des Bodens in Folge der
Kultivierung gebildet haben.
Wie in der obersten kultivierten Erdschicht bis zum äus-
sersten in die Felder übergehenden Rand der Anschüttung,
so finden sich auch in allen anderen Schichten des Mittel-
punktes derselben und in dem diesen umgebenden Aschen-
haufen sehr zahlreiche prähistorische Vasenscherben, Obsi-
dianmesser, einige Steinbeile und viele durch das Feuer ge-
schwärzte Tierknochen. In der Schicht der rotgebrannten
Erde fanden sich ausserdem mehrere Stein- und Thonidole.
Diese Schicht der rotgebrannten Erde repräsentiert ohne
Zweifel die Reste einer durch Feuer zerstörten Einfriedigung
oder Hürde. Die aus Schilfrohr geflochtenen und mit Ton-
erde beworfenen Wände, durch das Feuer rotgebrannt, haben
sich in ziegelartige Klumpen verwandelt. Nicht bloss die
zylindrischen Abdrücke der Schilfrohre, sondern auch die
Reste des mit dem Wandbewurf vermengten Häcksels sind
in allen diesen Klumpen erkennbar.
Die Mitte der Einfriedigung nahm ein Feuerherd ein,
wie eine Grube voll weisser, feiner Asche beweist. Daneben
hat. sich auch die einzige vollständige Vase (Abb. 2 b.) sowie
die Idole Abb. 4 — 6 und eine steinerne Schüssel gefunden.
Auch an zwei anderen Stellen innerhalb der Einfriedigung
sehen zwei kesselartige Vertiefungen wie Feuerherde aus; sie
enthielten aber keine Asche, sondern etwas Kohlen an den
Wänden der Grube und sonst nur hart gebrannte rote Erde,
also Stücke von dem hineingefallenen, ziegelartig geworde-
nen Wandbewurf der Hürde.
Alle Funde weisen darauf hin, da.ss diese Anschüttung
dem neolithischen Zeitalter angehört. Die verschiedenen Vasen-
gattungen, die alle handgemacht sind, finden sich in allen
Schichten und Tiefen mit einander vermengt.
UNTERSUCHUNGEN IN ROIOTIEN UNI) TIIOKIS
123
Die Vasenscherbeii verteilen sich unter drei Kategorien;
die eine umfasst die monochromen, mechanisch polierten
Vasen, die zweite die mit dickflüssiger, glänzend -ziegelroter
Farbe verzierten, die dritte die gravierten.
Die I. Kategorie der monochromen, mechanisch polierten
zerfällt in folgende Unterabteilungen :
a) gelblicher Ton mit roter Oberfläche,
ß) brauner Ton mit schwarzer Oberfläche,
y) gelblicher Ton, von aussen gelblich poliert, von innen
dunkelbraun (selten rot) poliert.
Abb. 2.
Die IL Kategorie zeigt gelblichen Ton und einen gel-
blich-weissen oder auch ganz weissen Überzug. Darauf sind
die geometrischen Verzierungen linearen Systems gemalt; es
sind Winkelmuster, Gittermuster in verschiedenen Abständen,
grosse Dreiecke mit Schachbrettfüllung, mit Gitterwerk ge-
füllte ^ oder vollgedeckte Dreiecke (x\bb. 2 a, b. Abb. 3).
Die III. Kategorie ist durch nur wenige Scherben ver-
treten ; sie sind teils poliert teils unpoliert. Die eingeritzten
Linien sind mit einer weissen Masse ausgefüllt (Abb. 2 c).
'■ Einige Scherben, aber sehr wenige, von Vasen dieser Gattung haben
sich auch in Orchomenos bei den bayrischen Ausgrabungen gefunden. Die
thessahschen, die eine entfernte Analogie zu diesen zeigen, haben nicht blos
ein anderes Dekorationssystein, sondern auch eine verdünnte, nicht glän-
zende rote Farbe. Somit bilden die chaironeischen eine Gattung für sich,
die wir nur in der prähistorischen Anschüttung der phokischen Ebene bei
Elatea (s. unten Abschnitt 6) wiederfinden.
24
G. SOTIRIADIS
Ausser eingeritzten Linien werden mit Stäbchen eingedrückte,
kreisförmige Vertiefungen verwandt.
Der Form nach sind diese Vasen 1) bauchige mit weiter
Mündung und hohem, kragenförmigem Hals (vgl. Abb. 2 b) ;
Abb. ?,.
2) Becher oder Tassen mit steiler Wandung; 3) Schalen.
Nur ein Becher zeigt Henkel, sonst kommen nur Schnur-
löcher vor.
Stein gerate sind wenige gefunden und zwar nur
Beile ohne Durchbohrung, ein ziemlich grosses und mehrere
kleine, einige sogar ganz winzige.
Eine besondere Erwähnung verdient ein Fragment aus
Steatit mit zwei Gusskanälchen.
Abb. 4.
Abb. 5.
Von den Idolen ist eins aus weissem, ein anderes aus
dunklem Stein, mehrere sind aus Ton. Das aus weissem Stein
gefertigte (Abb. 4 rechts) stellt eine Frau dar; Kopf abge-
brochen. Arme und Beine nur als stumpfartige Auswüchse
gebildet, die Hüften breit, der untere Rand des Bauches
UNTERSUCHUNGEN IN BOIOTIEN UND I'HOKIS
125
durch Ritzlinien angedeutet. Das Idol aus dunklem vStein
stellt einen Mann dar (Abb. 4 links); das Ganze hat die Form
eines flachen Dreiecks; Kopf kaum kenntlich; die Schultern
sind breit und mit Löchern zum Aufhängen versehen. Von
den Tonidolen ist meistens nur der stielförmige Hals mit dem
Kopf erhalten, welcher eine vorpringende Nase zeigt; Augen
Abb. ()
und Mund sind angedeutet (Abb. 6 oben). Zwei Idole offen-
bar weiblichen Geschlechts hocken auf den Knieen (Abb. 5).
Das interessanteste Stück ist der Rumpf einer weiblichen
Person mit übermässig entwickelten Brüsten, unter welchen
die Hände an den Leib gepresst sind ; auf dem Rücken ist
ein Rest der hinten herabfallenden Haarmasse; der Körper ist
126 G. SOTIRIADIS
mit kleinen Winkeln auf hellgelbem Überzug mit der glän-
zenden roten Farbe, welche auf den Gefässen der IL Kate-
gorie üblich ist, bemalt (Abb. 6 unten).
Die erwähnten Ergebnisse sind teils bei der ersten Schür-
fung im Herbst 1 902, teils bei der im vorigen Sommer ver-
anstalteten Ausgrabung gewonnen. Die Untersuchung in den
tiefer als etwa 3,50 m, also unter dem Niveau der Felder lie-
genden Schichten ging nicht leicht von Statten, da hier schon
das Grundwasser hervorquillt. Aber immerhin habe ich kon-
statieren können, dass das ursprüngliche Niveau der
Ebene hier am Kephisos — die Anschüttung erhebt sich un-
weit von seinem rechten Ufer — bedeutend tiefer lag
als das jetzige. Denn in der sumpfigen Schicht, welche
unmittelbar unter dem jetzigen Niveau der Ebene liegt, be-
gegnete ich noch einigen winzigen schwarzen Scherben und
Tierknochen. Durch diese Sondierungen und andere Beo-
bachtungen in dem benachbarten Terrain Hess sich feststel-
len, dass die Anschüttung im prähistorischen Zeitalter dicht
am Flussufer und in einem sicher morastigen Boden sich er-
hob. Denn das uralte Flussbett liegt tief unter dem jetzigen
Ackerboden dicht an der Anschüttung, und der ganze nörd-
liche Teil der Ebene, den Kephisos entlang, hatte in jener
Zeit in höherem Grade als jetzt den Charakter eines un-
durchdringlichen Sumpfes. Das Niveau des Wassers des Ko-
pai'ssees stand eben damals viel höher als in den historischen
Zeiten, wie man an den prähistorischen Abflusspalten am
Fuss der vorgelagerten Berge, z. B. in der Nähe von Kopai
sieht. Der ganze niedrige Teil der chaironeischen Ebene stand
also damals unter Wasser und glich vermutllich einer tief
nach Nordwesten einschneidenden Bucht des grossen Sees,
wie denn auch jetzt noch nach vollständiger Austrocknung
der Kopais das Land hier zur Winterzeit in einen förmlichen
See sich verwandelt.
Wie sollen wir uns nun Charakter und Entstehung die-
ser Anschüttung denken, in welcher wir unzweifelhafte Spu-
ren uralter menschlicher Ansiedlung am Rande eines Sumpf-
landes finden?
Ein genaueres Bild von der ursprünglichen Form der-
UNTERSUCHUNGEN IN BOIOTIEX UND I'IIOKIS 127
selben können wir uns machen, wenn wir beachten, dass aus-
serhalb des Bereiches der oben auf dem (xipfel des Plügel-
chens liegenden Hürde keine Spur menschlicher Wohnung
gefunden ist. Ich erinnere daran, dass die Hürde nur Asche
in beträchtlicher Dicke und Ausdehnung umgibt, worauf dann
die kultivierte Erdschicht liegt, die allmcählig in das Niveau
der Felder übergeht. Wir bekonmien also den Eindruck, dass
wir hier mit einer einzigen auf beträchtlicher
künstlicher Anschüttung stehenden Hürde
zu tun haben, welche der grosse Haufen des
A s c h e n s c h u 1 1 e s umgibt. Wir finden nun allerdings
ausserhalb des Bereiches der Hürde zwei Gemäuer, von de-
nen das eine, wie bereits erwähnt, einen ziemlich grossen
viereckigen Raum umgibt, während das andere keine Form
eines Gebäudes zeigt. Beide dürfen wohl als prähistorisch
gelten, weil wir keine Anzeichen dafür haben, dass sie etwa
römisch oder griechisch sind. Allein sie erheben sich ober-
halb des xA.schenhaufens, sie stecken in der obersten kultivier-
ten Erdschicht, und wenn sie wirklich prähistorische Bauten
darstellen, so würden sie nur als letzte und unbedeutende
Spuren menschlicher Bautätigkeit auf dieser x^nschüttung
in Betracht kommen können. Kein Feuerherd und kein ein-
ziges Hausgerät ist in ihnen gefunden.
Andrerseits ist zu bemerken, dass auch unterhalb der
Reste der Hürde in den von unten nach oben aufeinander-
folgenden Lehmerdschichten kein Stein, keine Spur von mor-
schem oder gebrannten Holz, kein Klumpen rotgebrannter
Erde, kein Aschenhaufen sich zeigte. Wo wir Asche gefun-
den haben, umgab sie die Skelette und bildete hier mit etwas
Kohlen nur die Zwischenlage zweier aufeinanderfolgender
Lehmerdschichten. Menschliche W^ohnungen aber irgend wel-
cher Art, welche zeitlich der obersten Hürde vorangegangen
wären, hätten uns irgend eine Spur hinterlassen, mochten sie
auch aus vergänglichem Material bestanden haben. Und was
die geringen Spuren von kleinen Feuerherden anbelangt,
die sich hie und da finden, so deuten sie gerade durch ihre
Kleinheit und die geringe Menge der Asche darauf hin, dass
sie nicht als zu Wohnungen gehörig gedacht werden kön-
128 G. SOTiklADlS
nen. Ihre Entstehung verdanken sie, wie es scheint, dem
Zufall, wie ähnliche auch heute von Landleuten oder Arbei-
tern auf dem Felde zu momentanen Zwecken häufig ange-
legt werden.
Danach kann es als sicher gelten, dass die Anlage kei-
nesfalls auf eine primitive Wohnstätte zurückzuführen ist.
Die Anhöhe, auf welcher die Hürde gebaut wurde, ist auch
nicht auf einmal entstanden, da wir keine einheitliche Erd-
aufschichtung bis zu dieser Höhe, sondern ganz deutlich
durch gleichmässig ausgebreitete Kohlenlagen von einander
ofctrennte Erdschichten vor uns haben. Es muss also nach
jedesmaliger Bildung einer solchen Schicht irgend etwas
eingetreten sein, was den Anlass zu jener Ausbreitung der
Kohlenlage gab.
Wir glauben diesen Eigentümlichkeiten unserer prähi-
storischen Erdanschüttung am besten gerecht werden zu kön-
nen, wenn wir annehmen, dass nicht blos den ersten Anlass
zu derselben eine sakrale Anlage gegeben hat, sondern
auch, dass die Errichtung der Hürde in der letzten Periode
der Anschüttung demselben Zweck diente.
Dicht am Ufer des Flusses wurde auf künstlicher An-
schüttung der Altar errichtet, auf welchem vielleicht dem
Flussgott geopfert wurde. Von dem häufig brennenden Herd
breitete sich nach allen Seiten hin die Aschen- und Kohlen-
masse aus, die sich auf demselben bildete. Sakrale Bedürfnisse
oder einfach die durch die Überschwemmungen oder durch
die Senkungen im morastigen Ufer bewirkten Bodenverän-
derungen veranlassten von Zeit zu Zeit eine Erneuerung
der Anschüttung und Anlegung eines neuen Opferherdes. So
entstanden die verschiedenen mit Kohlen bedeckten Erd-
schichten während einer vielleicht langen, ununterbrochenen
Aufeinanderfolge von Jahren. Zuletzt kam man auf den Ge-
danken, den Opferherd mit einer Flechtwand zu umzäunen,
und so ist die Hürde entstanden, deren Zerstörung das Ende
einer uralten Zeit bezeichnet, welcher die Anlage angehört.
Die innerhalb der Hürde gefundene, mit einem Haufen
weisser Asche angefüllte Grube, die daneben zerstreuten klei-
nen Stein- und Tonidole, die, wie erwähnt, ebenfalls hier ge-
UNTERSUCHUNGEN IN BOIOTIEN UND PHOKIS 129
fundene Schale aus weissem Stein, können die Annalmie von
dem Vorhandensein einer Opferstätte an dieser Stelle nur
bestätigen. Beachtenswert ist auch, dass die Tierknochen
alle durch Feuer geschwärzt sind. Wir haben darin den Be-
weis dafür, dass die Fleischstücke nicht zum Essen gebraten,
sondern vom Feuer auf einer Art Altar verzehrt wurden. P'ür
eine menschliche Ansiedlung, in welcher doch wenigstens
einige Hütten zu einer Gruppe vereinigt sein mussten, sind
auch die drei aufgefundenen Skelette zu wenig, da der Platz
eine beträchtliche Ausdehnung hat. Und wie ist die gewaltige
Aschenschicht um die Hürde herum anders zu erklären denn
als eine Anhäufung von Resten einer Opferstätte, die Jahr-
hunderte lang als solche benutzt wmrde?
An der einzigen Stelle, wo eine Überbrückung des Ke-
phisos möglich ist, an dem einzigen Knotenpunkt der Wege,
die von verschiedenen Seiten hier zusammenlaufen, um durch
den einzigen Bergpass in die Gegend der uralten Völker-
schaften der Abanten und Hyanten zu führen, haben viel-
leicht die Ureinwohner der chaironeischen Ebene eine Stätte
ihres gemeinsamen Kults errichtet. Dass sie auch sonst in
der Ebene zerstreut wohnten, dafür haben wir einen sicheren
Anhalt in den zahlreichen Spuren prähistorischer Ansiedlun-
gen in der phokischen Ebene, auf die wir später zurück-
kommen werden. Dass w4r aber in der chaironeischen Ebene
am Kephisos nur hier die Spuren ihrer ehemaligen Anwesen-
heit finden, die doch zahlreicher sein würden, wenn sie auf
Wohnstätten zu deuten wären, das spricht auch für die Er-
klärung dieser Spuren als Reste einer gemeinsamen Kult-
und Opferstätte.
3. Ein mykenischer Tumulus bei Orchomenos.
Auf einen kegelförmigen grossen Tumulus unweit von
Orchomenos und südlich von ihm mitten in den Weinbergen
hatte schon Schliemann sein Augenmerk gerichtet. Er hat
auch eine Versuchsgrabung dort veranstaltet, die er aber un-
vollendet Hess. Diese Arbeit habe ich im März 1903 wieder-
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. 9
130 G. SOTIRIADIS
aufgenommen, indem ich den von Scliliemann in der Mitte des
Tumulus begonnenen Schacht vertiefte. In der Tiefe von 5 m
bemerkte ich grosse Steine und war schon im Begriff, die
Untersuchung weiter zu führen, als anhaltende Regengüsse
den Schacht mit Wasser füllten und die Arbeit vereitelten.
Mit Aussicht auf besseren Erfolg begann ich sie wieder im
Juli vorigen Jahres und setzte sie fort, bis ich zum natürli-
chen Boden gelangte. Es stellte sich dabei folgender Tatbe-
stand heraus.
Die zur Errichtung des Tumulus aufgeworfene Erde ist
von den umliegenden Feldern entnommen. Die Aufschichtung
ist einheitlich. Vasenscherben begegnete ich selten und diese
waren, ausser einigen mechanisch polierten monochromen,
Füsse oder Scherben boiotisch-mykenischer Becher. In der
Tiefe von etwa 5 m in dem aufs vierfache von mir erweiterten
Mittelschacht, da wo Scliliemann gar nicht gegraben hat, fand
ich als liegenden Hocker das Skelett einer nach den Zähnen
zu schliessen jungen Person ; der Kopf neigte sich auf einen
kleinen Stein. Daneben fand sich ein grosser Topf. Als ich
ein wenig tiefer grub, zeigte sich, dass grade in der Mitte des
Tumulus grosse Bruchsteine zu einem gewaltigen Kegel auf
dem ursprünglichen Boden aufgeschichtet waren. Der Kegel
war etwa 2 m hoch bei einem Durchmesser von etwa 6 m.
Die Steine waren zum Teil ganz grosse Blöcke, namentlich
diejenigen, welche zuunterst mit offenkundiger Sorgfalt im
Kreise gelegt worden sind. Dieselben bildeten eine Art von
Sockel und äusserer Stütze für den Innenraum, den man dann
mit grossen und kleinen Steinen ausfüllte. Zwischen diesen
Steinen fand ich ausser Tierknochen den Hals und mehrere
Scherben einer mykenischen Bügelkanne, sowie Scherben von
mykenischen Bechern aus weissem Ton ; dazu eine kleine
Pfeilspitze aus Obsidian. Auf den kegelförmigen Steinhaufen
warf man die Erde und so bildete sich der grosse Tumulus.
Rings um den Steinkegel herum befindet man sich auf
dem ursj^rünglichen Boden der Ebene. Hier Hess sich konsta-
tieren, dass derselbe um 3 m tiefer liegt als das Niveau der
jetzigen Ebene. Diesen Zuwachs haben in den drei Jahrtau-
senden die Ablagerungen des Kephisos und seiner Zuflüsse
UNTERSUCHUNGEN IN ROIOTIEN UND PHOKLS 131
bewirkt. Die ursprüngliche Höhe des Tunuilus niuss also
auf etwa 8 m geschätzt werden.
Der Lehmboden der Kopaisebene enthält keine Steine,
ja nicht einmal von Kieseln ist eine vSpur in ihm zu finden.
Darum ist nicht daran zu zweifeln, dass die in der Mitte des
Tunuilus kegelförmig aufgeschichteten Steine von weit her
und zwar, wie das Material zeigt, vom Akontionberg zu die-
sem besonderen Zweck herbeigeschleppt worden sind.
Die Steine Hess ich von dem grössten Teil des Kegels
entfernen, in der Hoffnung, unter denselben im ursprünglichen
Boden ein Grab zu finden, welches sie bedeckten. In der auf
dem Boden ruhenden Schicht fand ich an einer Seite eine
Art von Eingang, insofern die Steine rechts und links sich
wie die Front einer kleinen Wand ausnahmen. Der Boden
war hier mit kleinen Steinchen gepflastert, worauf Asche und
Kohlen nebst einigen Tierknochen lagerten. Es war eine Art
von provisorischem Herd.
Weiter bemerkte ich, dass den Boden unter dem Stein-
kegel eine tiefe Schicht von reinem Flussand bildete. Ich
vermutete, dass hier eine Grube ausgehoben w^orden sei, die
man dann mit Sand ausfüllte. Allein als ich den Sand zu
entfernen begann, sprang wie aus einer Quelle das Wasser
heraus und die Arbeit musste sofort eingestellt werden. In
den Brunnen, die man heute in der Ebene gräbt, quillt ge-
wöhnlich das Wasser schon in der Tiefe von 3 m, welche
gerade dem Niveau der prähistorischen Ebene entspricht
Ausserdem sickert viel Wasser durch den Boden aus den was-
serreichen Bewässerungskanälen, die die Ebene durchkreuzen.
Auf diese Weise kann in beträchtlicher Tiefe in der Ebene
nur dann gegraben werden, wenn das Wasser aus den Kanä-
len im Herbst in das tiefe Flussbett geleitet wird und der
Herbst selbst besonders regenlos ist. Voriges Jahr begannen
aber die Regengüsse schon im September und so musste die
beabsichtigte Fortsetzung der Arbeit auf ein anderes Jahr
verschoben werden.
Die gemachten Beobachtungen machen es klar, dass der
Tumulus in mykenischer Zeit errichtet w^orden ist. Das Ske-
lett ist wahrscheinlich so zu erklären, dass einer von den Ar-
132 G. SOTIRIADIS
heitern bei der Errichtung des Tumulus starb und dort hei-
gesetzt wurde. Dass der gewaltige Steinhaufen in der Mitte
eine Grabanlage bedeckt, ist, glaube ich, die einzig mögliche
Vermutung für seine Entstehung. Eine solche Bestattung
würde einem minyschen Machthaber gut anstehen. Ohne
Zweifel war die Grabanlage in dieser Form gegen jede Pro-
fanierung viel besser gesichert als in einem Kuppel- oder
Kammergrab ^.
4. Grabhügel geometrischer Epoche bei Wranözi
in der Kopa'is.
In der Ebene südlich von Orchomenos, welche vor der
Austrocknung des Sees grossenteils von seinen Fluten über-
deckt war, sind mehrere grössere und kleinere Erderhöhun-
gen zu bemerken, von denen die einen alte Dorfansiedlungen,
die anderen Grabhügel oder Friedhöfe sind. Diese letzteren
sind in griechisch-römischer Zeit sicher als Grabstätten be-
nutzt worden, wie die auf der Oberfläche zerstreuten Vasen-
scherben zeigen. In wie weit sie in tieferen Schichten auch
prähistorische Reste verbergen, lässt sich ohne eine einge-
hende Untersuchung nicht nachweisen. Prähistorische Ansied-
lungen, (ob auch Pfahlbauten?) am Rande des früheren Sees
wird man aber von vornherein annehmen müssen, da Reste
derselben fast überall am Fuss der vorgelagerten Berge zum
Vorschein kommen. Unter dieser Voraussetzung habe ich
einen kleinen, kaum 3 m über dem Niveau der Ebene sich
erhebenden Tumulus einige 6 Kilometer weit von Orchome-
nos nach Süden bei dem Dorfe Wranezi untersucht. Prähisto-
risches habe ich nun hier nichts gefunden, allein das Ganze
erwies sich als eine antike Nekropole, welche viele Graeber
• Die Ähnlichkeit dieser Grabanlage mit einigen transkaukasischen der
Bronzezeit springt, glaube ich, in die Augen ; vgl. Zeitschrift für Ethnologie
1901 S.129 Fig. 48, Fig. 49 {Forschungen und Ausgrabungen in Transkaukasien,
Herbst des J. 1899 (Emil Rösler)); auch 1 898 S. 322 Fig. 40; 1896 S. 81 Fig. 6.
Bei mündlicher Besprechung der Sache machte mich Herr Prof. Montelius
auf ähnliche Grabtumuli in Schweden aufmerksam.
UNTERSUCHUNGEN IN ROIOTIEN T'ND PIIOKIS 133
geometrischer Epoche enthält. Einige habe ich geöffnet und
fand verschiedene kleine und grosse geometrische Vasen
nebst einigen Bronze- und (joldschmucksachen. Die Toten
waren beigesetzt oder verbrannt. Die (iräber sind vSchachte,
mit Steinen umfasst und mit Steinplatten bedeckt.
Bemerkenswert ist, da.ss auch hier in der Mitte ein Stein-
haufen vorhanden war, welcher auf Sandboden lagerte. Lei-
der quillt darunter ebenfalls das (yrundwasser hervor. vSchon
die tiefer liegenden geometrischen Gräber stehen unter Was-
ser, da die umliegenden Felder von dem austretenden Kanal-
wasser im Sommer fast innner überschwemmt sind.
5. Zwei Tumuli hellenischer Zeit bei Drachmani.
In der trockenen phokischen Ebene ist im Gegensatz zu
der chaironei'schen und zur Kopai'sniederung die Arbeit alle-
zeit möglich. Das im Sommer trockene Kephisosbett liegt
mehrere Meter tiefer als das Niveau des nordöstlichen Teiles
der Ebene. In dieser Gegend nahe bei Drachmani und Elatea
haben sich grosse Kieselmassen durch die Wildbäche abge-
lagert. Gegen die Mitte hin, bei dem Dorfe Mänessi, hat der
fette steinlose Boden keine Veränderung durch die Jahrhun-
derte und Jahrtausende erlitten. Hier sieht man auf den fla-
chen Feldern an vielen Stellen prähistorische Vasenscherben
und Obsidianmesser. Besonders werden als solche prähistori-
sche Plätze durch ausgedehnte Erdanschüttungen zwei Punkte
bei Manessi kenntlich. Hingegen zeichnen sich durch ihre
kegelförmige Gestalt als gewöhnliche Tumuli zwei Hügel-
clien aus, welche in der Nähe von Drachmani beim Kirchhof
des Dorfes rechts und links vom Wege liegen.
Auf dem einen bemerkte ich nebst griechischen Scherben
auch Obsidianmesser, die mit dem zur Errichtung des Tumu-
lus aufofeworfenen antiken Boden auf die Oberfläche dessel-
ben gekommen sind. Der Tumulus aber als Ganzes erwies
sich durch die Grabung als ein Werk des vierten vorchrist-
lichen Jahrhunderts. Ausser den Vasenscherben, die dieser
Zeit angehören, fanden sich auch mehrere eiserne Lanzenspit-
134 G. SOTIRIADIvS
zen, verrostete griechische Kupfermünzen und kleine Bronze-
fragmente. Obgleich ich den Tumulus nicht anders denn als
einen Grabhügel ansehen kann, so fand ich doch weder in
seiner Mitte noch in der Peripherie eine Grabanlage. Den
zweiten ganz ähnlichen Erdhügel links von der Strasse habe
ich nicht näher untersucht. Immerhin neige ich zu der An-
nahme, dass sie beide in Beziehung zu den Ereignissen des
Jahres 339/8 stehen, als Philipp von Elatea aus und die ver-
bündeten Griechen von der Stadt Parapotamioi aus sich be-
kriegten. Demosthenes (irepi xov oxefpdvov § 216) spricht von
zwei auf diesem Kriegsschauplatz gelieferten Schlachten, von
der EJii Toij jroTa|.ioij und einer anderen, die er xriv xsit^sQi^vrjv
nennt. Möglicherweise sind es also die Gräber gefallener
makedonischer Krieger. Eine genauere Untersuchung wird
vielleicht diese Fraee aufklären.
6. Eine prähistorische Ansiedlung bei Elatea.
Ich habe bereits zwei ausgedehnte Erdanschüttungen bei
dein Dorfe Manessi erwähnt, welche sich gleich beim ersten
Anblick als prähistorische x'\nsiedlungen zu erkennen geben.
Sie liegen in einer Linie unweit von einander auf dem Wege,
welcher sich von der Landstrasse an der Kephisosbrücke ab-
zweigt und direkt durch die Felder nach Drachmani führt. Die
Vasenscherben, die ich auf dem Boden aufgelesen habe, sind
fast alle mechanisch polierte und zwar gelbliche, rötliche oder
schwarze, unter den letzteren auch eingeritzte. Einige wenige
erinnern an die IL Gattung von Chaironeia (die mit ziegelro-
ter, glänzender Farbe dekorierte). Ein einziges Schüssel-Frag-
ment, schwarz mit eingeritzter Ornamentierung, zeigt Henkel
und breiten horizontalen Rand. In Chaironeia hat sich kein
derartiges Fragment gefunden. Von Steinwerkzengen habe
ich nur Obsidianmesser gefunden, als ich auf dem einen Hü-
gel einen tiefen Graben zog; die Erde war mit viel Asche und
Kohlen vermengt. Wahrscheinlich standen hier ganz ärmliche
Hüttengruppen. Interessant ist zu sehen, dass das Feld um
diese Anschüttungen ausgetieft und zum Teil tief ausgehöhlt
UNTERSUCHUNGEN IN BOIOTIEN T'XI) l'iroKIS 135
erscheint; von diesen Stellen hat man offenljar die Erde /.nr
Erhöhung eines Teiles des Plateaus sich verschafft, auf wel-
chem man die Hütten baute. Dass diese Plätze Jahrhunderte
lang bewohnt gewesen sind, zeigt die Menge des aufgeschich-
teten Hauswegwurfs.
Die vielen Reste von prähistorischen Dorfansiedlungen
in der Mitte der phokischen Eigene setzen eine dichte, wohl
Ackerbau und Viehzucht treibende I^rbev(")lkeruug - voraus.
Ihre Spuren dürften deshalb an allen Punkten dieser reichen
Gegend zu suchen sein, wo die Bedingungen für geeignete
Wohnsitze dieses Stammes sich am ehesten erfüllen. Die fla-
che Ebene ist wasserlos. Reichliches Wasser führt dairegren
der Bach, welcher vielleicht schon das alte Elatea mit Was-
ser versorgte und heute die Brunnen des grossen Ortes Drach-
mäni speist. Grüne Triften bilden sich in diesem Tal, dessen
P'lanken sicher einmal bewaldet waren. Wenn somit ein, wie
seine Artefacte zeigen, bedeutender Volksstamm sich in ural-
ter Zeit über die chaironeische und phokische Ebene ausge-
breitet hat, so wird er nicht allein in der Mitte der Ebene
sich in einigen kleinen Hütten-Gruppen angesiedelt haben.
Seine Wohnsitze werden sich über die ganze Gegend ausge-
dehnt und die besten Punkte derselben besetzt haben. Es ist
sehr wahrscheinlich, dass in der neolithischen Epoche und
noch später ein und derselbe Volksstamm, oder Abteilungen
desselben, die in jeder Beziehung einander ähnlichen und mit
einander aufs engste verknüpften thessalisch-phokisch-boio-
tischen Ebenen inne hatten. Wir dürfen deshalb für unsere
Beobachtungen ein breiteres Fundament auch in ethnologi-
scher und kultureller Beziehung suchen, wozu nur die Auf-
findung wichtigerer Wohnplätze jenes Volkes uns verhel-
fen kann.
Von diesem Gedanken ausgehend habe ich nach solchen
Stellen zunächst im Nordosten am Fuss der Berge gesucht.
Und hier begegnete ich unweit des Baches einer gegen 200 m
langen Bodenerhöhung, die sich schon nach den auf der Ober-
fläche zerstreuten Resten als eine überaus interessante prä-
historische Ansiedlung erwies. Denn durch ihre Keramik
nimmt sie unter allen von mir beobachteten Fundstätten einen
136
G. SOTIRIADIS
besonderen Platz ein, insofern sie grossen Reichtum an kera-
mischen Produkten, der bei jenen fehlt, und eine Kontinuität
in der Kunstübung aufweist, die einerseits bis zur älteren neo-
lithischen Epoche hinaufreicht, andrerseits bis zur vormyke-
nischen Zeit hinuntersteigt.
Eine durchgreifende Ausgrabung der Ansiedlung war
diesmal nicht möglich. Ich begnügte mich deshalb mit einer
Versuchsgrabung, indem ich einen Graben durch die Mitte
zog und die Anschüttung bis zum natürlichen Boden, etwa
bis 4 m tief, untersuchte. In diesem Graben fand ich ausser
Abb. 7.
massenhaften Scherben einen liegenden Hocker ohne Beiga-
ben, sowie ein kleines Gemäuer.
Die monochrome, mechanisch polierte Ware ist die ge-
wöhnliche. Ausserdem traten in grosser Menge die Vasen-
scherben auf, die wir in der chaironeischen Erdanschüttung als
II. Gattung bezeichnet haben. Sie zeigen denselben schlecht
geschlemmten und gebrannten weiss-gelblichen Ton, densel-
ben feineren, weiss-gelblichen polierten Überzug, worauf die
mit ziegelroter, dickflüssiger, glänzender Farbe gemalten Mus-
ter angebracht sind. Etwas reicher ist hier die Bemalung, ob-
gleich die Muster im Allgemeinen dieselben bleiben (Abb. 7).
UNTERSUCHUNGEN IN ROIOTIEN UNI) I'HOKIS
3 7
Durch diese Gattung sowie durch die schwarzeu, mit Warzen
bedeckten tiefen Becher (Abb. 8) knüpft sich die Keramik der
Ansiedlung bei Elatea unmittelbar an diejenige der Erdan-
schüttung bei Chaironeia. Auch die eingeritzten, mit weisser
Abb. 8.
Masse ausgefüllten Muster kommen in beiden vor, obgleich
nur in einer einzigen eigentümlichen Form ; sie sind wohl als
Füsse von flachen Becken zu erklären (Abb. 9). Ausserdem
w
l^^w
Wm ^
Abb. 9.
kommen zwei Vasengattungen vor, welche in Chaironeia völ-
lig fehlen.
Die eine umfasst Gefässe, welche sich als eine weitere
Entwickelung der mit ziegelroter Farbe bemalten erweisen
138
G. vSOTIRIADIS
(Abb. 1 0). Die Form ist die gleiche, der Ton weit feiner und
besser geschlemmt, die Bemalung aber durchweg mit matter
Farbe und viel flüchtiger ausgeführt als dort. Die strengen,
feinen Dreieckmuster weichen flüchtig gemalten, schrauben-
artio^ sich kräuselnden Linien.
Abb. 10.
Die andere Gattung zerfällt in zwei Gruppen :
a) Gefässe, welche den auf Aigina, in Orchomenos und
sonst an vielen Orten gefundenen vorm}'kenisch — geome-
trischen, mattfarbigen parallel laufen (eine durch den Henkel
interessante Probe, Abb.l 1), b) Gefässe, an denen die zwei Matt-
farben, schwärzliche und braunrote, angewendet sind (Abb.l 2),
oder die einen feinen braunroten oder glänzend -blutroten
Überzug mit matter Bemalung tragen. Die Scherben sind lei-
der zu klein, um einen sicheren Schluss über die Form der
Vasen und ihre Ornamentierung zu gestatten. Vorderhand
UNTERSrCHrNCiEN IN ROIOTIEN VW) I'HOKIS
139
können wir aber folo;endes konstatieren, ohne uns auf wei-
tergehende Vermutungen einzulassen: die Anwendung der
dunklen und braunroten Farbe in demselben Ornament fin-
det sich ebenso, bei sonst völlig verschiedenem Dekorations-
system, an einigen Vasen von Pln'lakopi auf Melos, wie an
mykenischen Schnabelkannen des ersten Stils, der braunrote
feine Überzug an den letztgenannten \'ascn.
Bei dieser bunten Zahl der keramischen Funde, die sich
offenbar auf \'erschiedene Perioden des prähistorischen Zeit-
alters verteilen, würde man zunächst auch an verschiedene
Ansiedlungsepochen des Platzes denken. Verschiedene Schich-
ten habe ich aber nicht konstatieren können und die Geräte
Abb.
Abb. 12.
sind sämtlich Steinwerkzeuge. Wir bekommen also den
Eindruck, dass wir noch tief im neolithischen Zeitalter stek-
ken, und doch müssen wir anerkennen, dass uns dabei eine
durch sehr verschiedene Stufen sich bewegende Entwicke-
lung entgegentritt. Wie sich das erklären lässt, ist vorder-
hand schwer zu sagen. Denn dass dieselben Alenschen fort-
fuhren, noch die offenbar älteren und unvollkommneren, mit
ziegelroter Farbe bemalten Vasen zu fabrizieren, auch nach-
dem die Kunst so bedeutende F'ortschritte gemacht hatte, wie
die jüngeren Gattungen zeigen, ist unannehmbar. Andrer-
seits bilden diejenigen aus der Reihe der mit matter Farbe
gemalten, welche dieselbe Form wie die älteren bewahren
und doch einen viel besser geschlemmten Ton als jene zei-
140 SOTIRIADIS: UNTERSUCHUNGEN IN BOIOTIEN U. PHOKIS
gen, ein wichtiges Bindeglied zwischen der ältesten Gattung
und den jüngsten Produkten. Denn in diesen vollzieht sich
der folgenreiche Übergang von der glänzenden ziegelroten
zu der dunklen matten Farbe und vom linearen geometri-
schen Ornament zu dem wellenförmigen. Sicher ist also, dass
wir eine Kontinuität der Entwicklung in einer und dersel-
ben Periode haben, obgleich in derselben ein überaus wich-
tiger Übergang plötzlich sich vollzogen zu haben scheint.
Die weitere Entwickelung, nachdem einmal die matte Farbe,
das wellenförmige und sonstige neue Ornament eingeführt
wurde, Hesse sich dann leichter erklären. Immerhin bleibt
eine Schwierigkeit einmal darin, dass die älteste Gattung un-
getrennt von der jüngsten an demselben Platz vorkommt,
und sodann in dem Umstand, dass wir nur die alten Stein-
werkzeuge finden, während doch die jüngsten Gattungen
schon die Bronzezeit ankündigen.
Grade darin wird vielleicht später eine gründlichere Er-
forschung dieser Ansiedlung sowie auch anderer noch zu fin-
dender ähnlicher Plätze Aufschluss bringen. In dieser Hinsicht
betrachten wir unsere Versuche nur als den ersten Anstoss
zu weiteren fruchtbareren Forschungen auf diesem Gebiete.
Athen.
Georcrios Sotiriadis
141
INSCHRIFTEN VON MYTILENE.
Bei einer kurzen Anwesenheit in Mytilene, im März 1905,
ergab sich die Gelegenheit, unter Theodor Wiegands Führung
im türkischen Kastell, der alten Burg, einige Inschriftsteine
und vermutlich auch Architekturblöcke vom Denkmal des
Potamon zu sehen, für dessen Wiederherstellung auch jetzt
noch, selbst nach den Arbeiten von Cichorius und Paton viel
getan und namentlich viel hinzugefunden werden müsste. Der
treffliche Kenner seiner heimatlichen Altertümer, Herr Xeno-
phon Gortziotis, zeigte Hiller zwei Steine und sandte nach-
träglich von einem dritten gute Abklatsche und Notizen. Zu
den Texten, deren Umschrift keine Schwierigkeiten bot, hat
U. V. Wilamowitz einige sachliche Anmerkungen gefügt. So
gibt sich das Ganze als eine anspruchslose Frucht der Reise,
die im athenischen Archäologenkongress ihr Ziel hatte. Möch-
ten andere dadurch zu reicheren Funden angeregt werden!
1. Mytilene im Laden des Mjiivog. Abkl. und Abschrift
von X. K. Gortziotis mir nachgeschickt. L. 0,197. H. 0,38.
T. 0,16. Schrift des IL Jahrh. v. Chr. BH. 0,009 (0)- 0,01 5.
O E O K P I T A ©goxßua
A H M H T P lOY Aiii^tiiteiou
r E I E P I Q T I Z neiEQuÖTi?.
Vgl. Suid. Kqitcov niEQicoTTjg (tcÖÄk; Öe MaxeöOA'ia? eaiiv r| Ilie-
Qia) LoroQixos EyQa^e Ilalh]via->id, SupaxovGwv xtioiv, YIeqoiku,
2ix8Äixd, SvQaxouöüJV Jcepir^Y^löiv, xal toqi xf\q d^x^l? twv Maxeöo-
vcDv (Müller FNG IV 373 f.). Steph. Byz. Hie^ia, noXiq ev 6|.ia)-
«Ob jener Kriton der Verfasser der Ferixa i'St, dessen Zeit
(nicht früher als Traian) gar nicht feststeht, ist fraglich. Also
wird die Existenz einer Stadt Pieria hier für das II. Jahrh.
V. Chr. fixiert Es ist wider die ältere Sitte, dass sich Maxe-
142 U. V. WILAMOWITZ, F. v. HILLER
boveq nur nach ihren Städten nennen ; korrekt Ist MaxeSwv
ex BeQoiag. Es gab eben im eigentlichen Makedonien eigent-
Hch keine Städte. Wenn an den Vorort der Landschaft Pie-
rien Stadtrecht gegeben ist (vergleichbar mit der römischen
Politik in Gallien), so früh, und wenn der Landesname unter-
drückt ist, so wird der Stein in die Zeit der vier Bezirke ge-
hören, in die Rom Makedonien zerschlug».
2. M y t i 1 e n e im Hause des Xat^f) Movaxacpä 'EcpEvtr].
Quader aus blauem Kalkstein, rechts gebrochen, sonst Rand,
BH wechselnd, rund 0,015—0,018.
A B
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1 M lA NETTlTTA N
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. . TAMENAÜO M Y2IA2
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. . MyAMENÜZvacEÜPIATO
f) X A A
. XIATEKAIPQMAK AITE
APY (j)
. N ON K AITTA E O N A M E
opini
. ~ V KAI M ETAT A YT A
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.. 1 A A E TT A PAM IZ0O 10 B^NAKT
..NTaBIQAYNAMIN.
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KAI K ATOP0«
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Ta TTP02TANI
. A A B ETOTAÜTTOAIOS:
TQ NE TH4)1AA
. .^ o . . . ^^ h^\'^^ \ Lö TA'^'PPATM^
^10 — Aeo] ' ßcovfxxT — zeigt, dass es sich um ein Stück
von dem Denkmal des Potamon, Sohnes des Lesbonax, han-
delt. Es kommt zu den von Paton IG XII 2,23 ff. veröffent-
lichten als ein neues Fragment hinzu. Und zwar gehört es
zu den aiolischen, vgl. Nr. 23 — 34. Von diesen hat Nr. 21i^ das
INSCHRIFTEN VON MYTILENR 143
auch Reste zweier Kolumnen gibt, grössere Buchstaben (0.022),
sodass es nicht wahrscheinlich ist, dass der Block, der es ent-
hielt, unmittelbar über unserem sass.
Eine Wiederstellung des Zusammenhanges gelingt nicht)
auch nicht eine sichere Zusammenfügung mit anderen Bruch-
stücken von derselben Zeilenzahl.
A «Es handelt sich zunächst um Spiele: 2 ~i £|.icpai|-
vcov — (piAoT]i,uifxv km jtavfrog (oder ähnlich). Er lässt sich ver-
mutlich wilde Bestien aus Moesien kommen*: 4 — 6 tu fxev
djro Mvoiaq\[ — ^letajte] (.u['a|j,evoi;- EJtQiaToiföe xul ev — — ]
X(?)ia T8 xai Tw^ia (vgl. /G XII 2^25-^) x«l te- 7 — vov xal
jiÄeova |.iej- 8 — xal f(8Tu xuvxa\ 9 — — ai xvvayiav xav -
[xav7 10 . . la Ö8 jraQa[.uaO(0|[od|i8vos — ? 12 — {»jreQ rdv tw
ßico 8vvaf.uvi«d. h. über sein Vermögen» 12/3 im- dycm'oJOe-
Giav ejtiöeöeyf^ielfvog (so wegen des Zusammenhanges; die vono-
-&8aia kommt später, s. B). 1 3 — ai tw [leyältö jiuqe- (A\ nicht
deutlich: am Steine las ich N) 14 — dveAaß8 tö (oder äveld-
ßeto) xuq Jtö^aog | — 15 Wiederherstellung unsicher, die Reste
habe ich vor dem Steine nicht bezweifelt.
B 2 o)v, Rest unsicher 3 t8 xa[l — 4 x«l yl 5 /aA-
[xfiv eixoA'cx? 6 8giKp[axt — vgl. Inschr. von Thera IG XII 3,
326.25; wohl Ort der Statue. 6/7 ejiI Ts]j9piJi[jTov — also Statue
auf einem Viergespanne. 7. 8 ötdaai öe xuv]|8ixöva [ev x(h
i8Qcp xm] I 'Aöx?ia[m(JL) eniyQd.\pavxa oti 6 8d|xo5 n.oxd[ia)Yu
A8o]|ßc6vaxT[o5 — vof^ioJOeTav {/G XII 2, 2555) '^^'^A'^ ^^-
oßuov (?) — — ]i^^'^'^ xaTOoO(o[aavTa — 13 unsicher und mehr-
deutig. 14 Ttüv (muss Masculinum sein!) 'Er)](piAia[g {.ivat)]-
Qicov? (gewöhnlich 'Ex^ypÜM oder 'ETi](piÄai, nur noch IG XII
2,239(j — V 'EiiifpiAia . in unsicherem Zusammenhang. An einen
Agon ''Ex'\](piha zu denken, widerrät Paton. Nach Nr. 222 war
AdÖa All), Mutter des Potamon, Priesterin der Etephila, die
Hesych 'ETaLcpiAT) schreibt und der Persephone gleichsetzt,
während Nr. 255.3 von den Deal 'EnitpiÄai xal Kugiooai und
ihren Mysterien die Rede ist, deren Priestertum eine dj-toyovo;
Iloxd\xoivoc, T(Jö vo^ortiiTa xal AEößojvaxTGi; xw q^iAooocpo im III.
Jahrh. n. Chr. hat. Also ein erbliches Priestertum. 1 4/5 etwa
— xöv djTa\']|Ta G8ßao[.i6[v — . Auf aiolische Accentuation ist
hier verzichtet.
144 U.v.WiLAMOWITZ, F.v. HILLER: INSCHRIFTEN v. MITYLENE
Anknüpfung an andere Fragmente ist vergeblich ver-
sucht worden. Im einzelnen wäre noch manches zu berichti-
gen. Nr. 337 scheint — 'IjoüXuo A£u[xlü) vlG) — herzustellen.
3. M y t i 1 e n e, im Garten des Georgiadis, ebendort ge-
funden. Säule aus blauem Marmor. H. 1,23. Dm. 0,30. BH
0,02 — 0,027, <t> etwas grösser. Die Inschriften a, b, c unter
einander innerhalb von Kränzen, d ohne Kranz.
<l)
OIAEKO Y
a)
Ol 08X01)-
PI^NEZ
QlOOA'gi;.
b)
H0AMI AIÄ
b)
f| (pam?iia.
c)
ÄI2YNO
c)
ai oiJvo-
AOI
801.
d)
nOMnHIEETAIPIQN
d)
no[i:7rrjie "EtaiQLCOv
XPH2"rE XAIPE
XQiloTE xo'iße.
«Der Geehrte, der das Bürgerrecht von Pompeius hat,
ist ein angesehenes Mitglied des coiiventiis civiiim Roiiiano-
runi in der Freistadt Mytilene, was nicht ausschliesst, dass er
ein Freigelassener sein kann. Die decurioncs sind die des con-
venius : die xaTOwowTeg "Pcof-iaioi, für das griechische Recht
ursprünglich eine n-uvofiog, haben sich in den römischen For-
men konstituiert. Neben ihnen stehen die Gin'oftoijwie die^Epi^iai-
otal und IlooeiÖtoA'iaoTai von Delos, dessen Inschriften die be-
ste Analogie bilden. Die familia ist das eigene Gesinde des
Hetaerio, die ihn ganz gegen griechische Sitte ehrt, wie L.
Caecilius Jucundus sich von seinem Gesinde im eigenen
Atrium sein Porträt mit der Weihung genio Lucii nostri dedi-
cieren lässt. Die Kränze imitieren die griechische Sitte — wie
es Parvenüs tun. Schwerlich ist der Stein jünger als das
I. Jahrh. v. Chr». .
Berlin, Juni 1905.
U. V. Wilamowitz-Möllendorff
F. Hiller v. Gärtringen
145
X O Y 2
Unter den fünf mysischen Vereinsreliefs, deren Zusam-
mengehörigkeit P. Perdrizet erkannt hat \ ist eins, jetzt im
Britischen Museum Nr. 813, welches besonders anschaulich
das Vereinsleben mit seinem Schmausen und Trinken bei
fröhlicher Tischmusik und mimischen Aufführungen dar-
stellt. Eine Abbildung gibt Perdrizet im BC/7 XXIII (1899)
Taf. IV 1. Der Fundort dieses wie der anderen Reliefs steht
nicht fest, doch ist es zuerst 1887 von Radet und Lechat in
Panderma (Panormos) dicht bei Kyzikos gesehen worden.
Nach Perdrizet stammen alle fünf Reliefs von ein und dem-
selben Kultverein, als dessen Heimat er nach dem Fundort
des dritten Reliefs den Ort Triglia an der mysischen Küste
der Propontis annimmt. Nun war aber der Verein, von dem
die drei ersten Reliefs herrühren, ein diaooq, denn seine Mit-
glieder nennen sich O^iaoiTai und DiaoiTiöeg. Das Relief aus Pan-
derma dagegen trägt die Inschrift: Ali -uIiIhotwi x(ai) | TQXQ
@dlXoc,\EK(jdvv^ioc, Tüv|T8?ia[.uTjva djrgöcoxa, was Perdrizet wie schon
Murray {Rev. archeol. 1891 I S.lü), umschreibt Ai'i in|'iaT{OL x(ai)
Tü)i /co(q(di), indem er angibt: «PQ cn surcharge daiis ^wpcoi».
Dann wäre also das Relief dem Gotte und der Ortschaft, wo
der Kultverein bestand, geweiht, und nicht, wie es gewöhn-
lich geschieht, dem Kultgott und dem Kultverein, in dessen
Vereinsheiligtum das Weihgeschenk aufgestellt werden sollte.
Auch fehlte dann auf dem Steine jede Andeutung, dass das
Relief von einem Verein stammt. Die Lesung Perdrizets unter-
liegt daher sachlich nicht geringen Bedenken. Da nun auch
die Photographie des Steines nur soviel erkennen lässt, dass
1 BCH XXIII (1 899) 592. Es sind die Vereine in meinem Griechischen
Vereinsivesen S. 50 Kalchedon Nr. 2. 3, dazu S. 66 Nr. 33 und der von mir
übersehene Rev. arche'ol. 1 891 I S. 1 1 , von dem nur eine Liste erhalten ist
mit Beiträgen der Mitglieder in Geld oder Naturalien wie TipigQOJTOöiov (Frei-
wein für einen Tag?) und eQKpoi;
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. lO
146 E. ZIEBARTH: X0Y2
der Stein an der Stelle gelitten hat, andrerseits aber die frühe-
ren Herausgeber im BCH XVII (1 883) 520 erklären, dass zwi-
schen Xn und ödUoc nichts fehlt, ist die Lesung x(ai) tw xw
festzuhalten. Und sie gibt in Wahrheit den Namen des Ver-
eins, wie schon Th. Reinach Rev. des ehides gr. 1894,391,
vermutet hat. Diese Entscheidung hat soeben ein Stein ge-
bracht, den Th. Wiegand bei Nuserat, eine Stunde südlich
von Kebsud in Mysien, gefunden und in diesen Alitteilutigen
1904 S. 316 veröffentlicht hat. Die Inschrift beginnt:
Tov Bqo^ioij [iiJGTr|v
iJeqööv, aQ^avta yfiv,
TOV xai SV jtaTQiSi jrd(v)-
tJcOV OVTtt JtQÖÖTOV, <I>[AaoiJ-
5 i]ov ^ 'Av8qcovslx[ov
'0]vriaL[xov ....
Der Grabstein unterscheidet also in wünschenswerter
Deutlichkeit die Verdienste des Fl. Andronikus Onesimos in
seiner Eigenschaft als Vorsitzender des yovc,, der die yMoxax.
des Dionysos - vereinte, und seine Verdienste als Bürger sei-
ner Vaterstadt. An der Spitze eines ebensolchen yovc,, dessen
Mitglieder wahrscheinlich die Kanne Wein für die Vereins-
brüder, das f|ji.£90JT6aiov, abwechselnd zu liefern hatten, stand
also der Thallos, der das Amt des £jr(üvii[.iO!; bekleidete, wie
in Attika der Aristobulos des Vereins: gl jieqi tov 8:rr(jovi)[xov
'Aqlotü(3odXov (vgl. zuletzt Wilhelm in diesen Mitteihmgen 1 896,
438). Damit fällt natürlich die Vermutung Perdrizets, dass
die fünf Reliefs grade von ein uud demselben Verein gestiftet
seien. Sie wurden eben fabrikmässig angefertigt für den Be-
darf der zahlreichen mysischen Kultvereine.
Hamburg.
Erich Ziebarth.
' So möclite ich lesen statt des (p[LJXlov Wiegands.
* Die Liste solcher [.ixioxai -Vereine in meinem Griechischen Vereinswesen
(1 896) bedarf natürlich längst der Ergänzung. Vgl. für diese Gegend beson-
ders BCH XXIV (1 900) 366 ff.
147
GRABINSCHRIFTEN AUS RHODOS.
Am letzten Tage eines kurzen Aufenthaltes in der Stadt
Rhodos im September 1903 führte man uns, F. Staehlin und
mich, zu Hadji Hussein Effendi im \"ororte "Ayioi 'AvdQyiiQoi,
der viele Steine mit Buchstaben, haben sollte. Wir fanden
sein Feld und das seines Nachbarn gänzlich aufgewühlt und
einige noch offene Gräber zeigten sofort, dass hier ein Teil
der grossen Nekropole aufgedeckt war, die schon hunderte
von Grabschriften geliefert hat. An einer Stelle war ein vier-
eckiges Loch im Brecciafelsen ausgehauen, mindestens 1 m
breit und 2 m lang, in einer Tiefe von etwa 0,80 m unregel-
mässig verbreitert. An anderer Stelle zeigte sich ein rundes
durch Quadern eingefasstes Loch, etwa 0,80 m im Durch-
messer, das sich in einer Tiefe von 1,50 m zu einer Art Kam-
mer zu erweitern schien. Theils in den beiden Häusern, theils
durch die Türken im Felde wieder vergraben, finden sich min-
destens fünfzig Grabstelen und kleine Steinkisten mit kurzen
Grabinschriften. Beschränkte Zeit und die unverschämten For-
derungen der Leute sind Ursache, dass wir nur zwölf abklat-
schen und von der dreizehnten Abschrift und IMaasse nehmen
konnten. Möge der Rest nicht ungelesen der Zerstörung an-
heimfallen! Ich kann nur dieses Wenige geben:
1. Marmorquader, L. 0,48m. H. 0,47 m, rechts An-
schlussfläche, links abgearbeitet wie zu einem halben aexo)\ia.
Viertel eines Altars? Die Buchstaben sind 0,018 hoch, schön
und einfach, aber nur schwach eingeschnitten. Zwischen er-
ster und zweiter Zeile anderthalb, zwischen den anderen eine
Buchstabenhöhe. Das O ist etwas niedriger als die anderen
Buchstaben.
MHNA MHNOAQPOY
AINAOnOAlTA
KAITA2 ZYMBIOY
KAAAIZTAS Z AMIAZ
M^vä Mi]vo8a)QOD| Aiv8ojto?.iTalxai xäg au[.ißLOv|xaUioTa(; 2a[j,ia(;.
148 A. RUTGERS VAN DER LOEFF
2. Runder Altar verziert mit Bukranien und Krän-
zen. Durchmesser 0,35 m. H. 0,48 m. Gute Buchstaben aus
dem III. Jahrh., 0,01 2 m hoch, das O aber nur 0,008 m. Die
Buchstabenenden sind meistens etwas verdickt, haben aber
keine eigentlichen Apices. Die mittlere Haste des E ist ver-
kürzt. Ziemlich enge Schrift.
noA^KAH^ PAY^iANIA
A IN AOPOAIT A lEKATAFENE^ IN
K ATAYOPOIANAE XAPM I P POY
N EOPOAITAS:
IloX{\i)%'kf\c, riavGavia | AivboKoXixctQ nnrä yeveGiv | xaxä uojtoiav bk
XapfXLJtJto'i) Neojto^irag.
Der hier genannte Pausanias könnte leicht einer der bei-
den Lindopoliten derselben Namens sein die uns aus der wohl
etwas älteren Inschrift IG I 764 bekannt sind. ''Yojioia für uo-
öeaia ist zwar ganz richtig gebildet wie das übliche {JiiyaTQO-
jToia, kommt aber sonst nicht vor. Bei ganz späten Schrift-
stellern findet sich einige Male uojtoi-vioig im selben Sinne.
3. Runder Altar mit Bukranien und Kränzen. H.
0,56 m. Durchmesser 0,52 m. Die Buchstaben, 0,015 m hoch,
sind schwer leserlich auf dem abgeschliffenen Steine. Wohl
aus dem IL Jahrh. v. Chr.
N I K O M A X A
E IPH N OPOAIO Z
YrAZISrVN AAE
A A M O . . . . OZ
Nixofxctxa I EiQTivojtoXiog | 'YYaai? yuva 8e | Aa[xo[{)^ejii]os.
Für den Mannesnamen Fäqk^votcoXic, finden wir keine Belege.
4. Kalksteinkiste. L. 0,40 m. B. 0,33 m. H. 0,16 m.
Auf der Schmalseite mit 0,02 hohen schönen Buchstaben:
E Y A A M O Y
(iRAHINSCIIRII'TICN ATS RHODOS 149
5. Ka 1 ks tei iik i stc. L. 0,40 in. F.. (),,vS m. II. 0,22 in.
Auf einer Schmalseite und einer Längsseite mit <)l)c-rflächlich
eingeschnittenen 0,01 7 ni liohen Ihichstaben :
I K A N H Z
'IxctvTig
6. Kalk Steinkiste. L. 0,39 m. R. 0,32 m. H. 0,1 7 m. HH.
durchschnittlich 0,017 m. In etwas unregelmässiger Schrift:
(j) I A I N N A 2
HA El ZT APXoY
KAZAPIAOZ
'^ikivvac. I IViEiaxdQypv | Kaoagiboq.
7. K alk Steinkiste von ähnlichenMaassen. Dieschwach
eingeritzten Buchstaben sind im Durchschnitt 0,01 7 m hoch.
"Z und untere Hälfte des B übermässig in die Länge gezogen.
B A K X I A O S
Bax/LÖog.
8. K a 1 k s t e i n k i s t e. B. 0,34 m. H. 0,22 m. BH 0,0 1 5 m.
A Y Z A N I A
HPAKAEITOY
YTAZZEnS
Avaavia | 'HQaxA.fiLTOV | 'YyaooEH)q.
9. Kalksteinkiste von ähnlichen Maassen. BH. 0,0 1 9 m.
TIMAPXIAOZ
TifXttQxiöog.
Für die weibliche Form TifiaQ/k fehlen uns Belege.
150 A. RUTGERS V. D. LOEFF: GRABINSCHRIFTEN AUS RHODOS
10. Ähnliches K i s t c h e n. Gute, 0,02 m hohe Buch-
staben.
A P I 2 T E I A A
'AgiaxEiba.
11. Marmorstele. B. 0,22 m. H. 0,51m. D. 0,08 m.
Oben Leiste, unten Zapfen. Die scharfgeschnittenen Buchsta-
ben sind im Durchschnitt 0,015 m hoch.
Z nsiFEN H Z
XPHZTOZ XAIPE
ScüoiyEviig I xpilöTog x^Iqe.
12. Marmorstele, oben und rechts abgebrochen. Er-
haltene Höhe 0,24 m. B. 0,21 m. BH. 0,018 m.
E Y n O A I O .
E-ujcö^ifo].
13. Marmorstele mit Sj^uren roter Farbe. H. 0,90 m.
B. 0,29 m bis 0,26 m. D. 0,075 m. Oben Giebel mit Palmette
(Abklatsch fehlt).
M O Z X O Y
M O 2 X O Y
P O r K I AA
Moaxon I Moa/ou | "Poyxiöa.
Leiden.
A. Rutgers van der Loeff.
151
FUNDE
Unser Institut hat Ende Januar und Anfanj^ Februar
eine Versuchsgrabung in T i r y n s unternoninien, welche die
Aufklärung der unter dem jetzt sichtbaren Palaste liegenden
älteren Schichten zAim Ziele hatte. Das Vorhandensein älte-
rer Schichten war schon im Jahre 1 884 durch einige bis auf
den Fels geführte Tastlöcher festgestellt worden (auf dem
Plan Tiryns Abb. 1 25 mit S bezeichnet). Es schien nötig, seit-
dem unsere Kenntnis der ältesten Keramik so ungeheuer be-
reichert worden ist, die Untersuchung von neuem und ein-
gehender durchzuführen. Herr L. Curtius, der im Verein mit
Herrn H. Hepding nach W. Dörpfelds Disj^ositionen die Ar-
beit leitete, berichtet darüber folgendes.
«Die Grabung hat in mancher Hinsicht bemerkenswerte
Resultate ergeben. In einer Reihe von Räumen vornehmlich
der Ober- und Mittelburg bis auf den Fels geführte vSchächte
ergaben interessante Einzelheiten für die Kenntnis eines dem
Schliemannschen unmittelbar vorhergehenden Palastes glei-
chen Stils und der unter diesem liegenden älteren Schichten-
Der Schliemannsche Palast ist in seiner Plananlage durch
den älteren nicht unwesentlich bestimmt worden. Das alte
Propylon lag unmittelbar unter dem des späteren Palasts;
seine noch erhaltenen Mauern sind einfach durch die Schwel-
len des neuen überbrückt worden. In einzelnen Zimmern fand
sich kaum Y2 "^^^ unter dem Kalkestrich des jüngeren Baus
der Kalkfussboden der Zinnner des älteren ; an einer Stelle
war nicht mehr in situ eine runde Steinbasis für eine Holz-
säule, ganz ähnlich jener des späteren Baus.
«Das Hauptproblem der Untersuchung war die Keramik
der älteren Schichten. Unter dem älteren Palast lagen an
allen angeschnittenen Stellen in gewissen Abständen Ton-
Estriche, an einigen Stellen bis zu vier. Die Keramik der ein-
zelnen Abschnitte ist sorgfältig gesammelt worden und soll
152 FUNDE
in einem der nächsten Hefte der Mitteilungen besprochen
werden».
«Zuletzt ist infolge einer Beobachtung Dörpfelds die
viereckige «Opfergrube» im grossen Hof, die zu so viel
merkwürdigen Vermutungen Anlass gab, gereinigt worden.
Es stellte sich heraus, dass das Viereck nur spätere schlechte
Zutat zu einem sehr schön erhaltenen, aus Quadern erbauten
und mit feinem Stuck verkleideten Altarrund ist. Der für
eine Opfergrube gehaltene Hohlraum war der aus Erde be-
stehende Kern dieses Rundaltars. Die ehemalige Höhe des
Altars ist unbekannt, sein Durchmesser beträgt rund 1 ,80 m.
Dörpfeld glaubt in dem Rundaltar die homerische Tholos
(Od. XXII 442) erkennen zu dürfen und hält ihn für das
Urbild der späteren, reich ausgebildeten Altargebäude, wie
sie uns in den Tholen von Epidauros und Delphi und in dem
Vestatempel von Rom erhalten und in der Skias von Athen
bekannt sind».
Im Mai unternahmen die beiden Sekretare des Instituts
begleitet von den Herrn A. Köster und W. Altmann eine
Orientierungsreise in die spartanische Ebene und
begannen eine Untersuchung der verfallenen Kirche der
Hagia Sophia im Dorfe Kalywia Sochiotika am Fuss
des Taygetos. Bei einer Durchwühlung der Ruine durch die
Bauern waren hier viele Inschriftsteine gefunden worden, auf
Grund deren H. v. Prott an dieser Stelle das Eleusinion an-
setzte {Athen. Mitteil. 1904 S. 8). Die Freilegung der Kirche
und Tiefgrabungen in ihrem Innern, welche Herr Köster vor-
nahm, ergaben, dass das alte Heiligtum schwerlich unter der
Kirche selbst gelegen hat. Herr Köster macht darüber fol-
gende Angaben.
«Die Fundamente der ziemlich genau von O. nach W.
orientierten Kirche wurden freigelegt und ergaben einen
Grundriss, wie ihn die meisten byzantinischen Kirchen auf-
weisen, allerdings von bedeutender Ausdehnung. Die Länge
des Mittelschiffes beträgt 26,50 m; die Breite 8,10 m; die bei-
den Seitenhallen sind 3,95 m bezw. 4,22 m breit, die Vorhalle
4,40 m. Von den Mauern war nur wenig erhalten, sie zeigten
bei einer Stärke von 0,66 m die Technik, wie sie für die by-
FUN DK 1S,>
zantinisclie Epoclie t\])iscli ist, und wie sie sich in dem nahen
Mistra bei fast allen byzantinischen AnlajL^en wiederfindet:
Schichten ans unreoehnässioen Kalksteinen <^-erino-er Crosse
wechseln ab mit Zieo-elschichtcn. Verkleidet waren die Wände
mit einer Stnckschicht, die an mehreren Stellen noch erhalten
und ziemlich sorgfältig- aufgetragen war. In spfiterer Zeit,
wahrscheinlich als die Kirche für den kleinen Ort zu gross
wurde, haben Umbauten stattgefunden ; mehrere Türen waren
zugemauert und in der Apsis fanden sich Einbauten».
«In diesen späteren, wenig sorgfältig aufgeführten Mauern
staken einige späte Inschriften römischer Zeit, meist Teile
von Ehren - Dekreten. Ausserdem waren überall die Tür-
schwellen aus antikem Material hergestellt. Auch die Inschrift
mit der Weihung an Demeter und Kora, die v. Prott bereits
erwähnt, hat als Schwelle gedient. Ausser einigen schlecht
gearbeiteten jonischen Kapitellen und Basen, die im vSchutt
verstreut lagen, wurden Architekturteile nicht gefunden, und
von ]\Iauern, die einem älteren Bauwerke angehören könnten,
w^ar weder unter den Fundamenten noch im Innern der
Kirche eine Spur vorhanden .
Da es schwier glaublich ist, dass man zum Bau der Kir-
che, für den hier, am Fuss des Gebirges, das Material be-
quem zur Hand war, die schweren Inschriftblöcke von weit-
her geholt hätte, so bleibt es höchst w^ahrscheinlich, dass das
alte Heiligtum in unmittelbarer Nähe lag. Nach der Ernte, im
Herbst, wird daher die Untersuchung der Umgebung fortge-
setzt werden.
Über den vielversprechenden Beginn der Ausgrabung
eines thessalischen Kuppelgrabes hat Herr Ephoros Kuru-
niotis die Freundlichkeit folgendes zu berichten.
«Im Juni dieses Jahres unternahm ich im Auftrage des
Kultusministeriums die Untersuchung eines K u p p e 1 g r a-
bes, welches in K a p a k 1 y, einem Vororte von Volo, unweit
der zerstörten türkisclien Festung auf der anderen Seite des
Krausindon, bei einer Grabung von Privatleuten zu Tage
getreten ist. Im Gegensatz zu allen bisher entdeckten grösse-
ren Kuppelgräbern, welche gewöhnlich an Hügelabhängen an-
gelegt sind, liegt das Kuppelgrab von Kapakly in der Ebene
1.S4 FUNDE
und ist zum grösseren Teil unterirdisch g-ebaut. Nur der obere
Teil der Tholos ragte aus der Erde hervor und war wahr-
scheinlich durch einen aufgeschütteten Tuniulus überdeckt.
Dieser Teil der Tholos war eingestürzt und mit ihm ist
auch die Erde des aufgeschütteten Tunuilus grösstenteils in
das Innere des Grabes hineingeraten. Der Rest des Tumulus
wurde wahrscheinlich durch die Feldarbeiten mit dem umlie-
genden Erdboden ausgeglichen, so dass keine Spur mehr
sichtbar war».
«Das Grab ist in der bekannten Art der Kuppelgräber
von Menidi und Dimini (diese letzteren liegen nur eine habe
Stunde weit von unserem (xrabe) durch plattenförmige ganz
rohe Steine von verschiedener Grösse gebaut. Die Tür liegt
an der Südseite und ist an der Innenseite bis oben hin zuge-
mauert. Wie man von innen sehen kann, ist die Ober-
schwelle ganz wie bei dem einen Grabe von Dimini aus
drei (?) sehr grossen und verhältnismässig nicht sehr dicken
Platten gebildet .
«Ausgegraben wurde nur im Inneren des Grabes, welches
durch die Steine der eingestürzten Tholos und die Erde des
Tumulus ganz gefüllt war. Diese letztere bestand aus mittel-
grossen Flusskieseln und unterschied sich von der Erde der
umliegenden Felder. Die Grabung ist bis zu einer Tiefe von
2,50 von der Oberschwelle der Tür, oder ungefähr 4 m von
dem obersten erhaltenen Teile der Tholos und der heutigen
Erdoberfläche geführt worden. Die weitere (jrabung musste
ich' auf die trockenere Jahreszeit verschieben, da ich jetzt auf
sehr viel Wasser gestossen bin, welches sowohl die Grabung
als auch die Fundbeobachtung im höchsten Grade erschwe-
ren würde. Wie man aus der bisherigen Beobachtung der
Erdmassen, welche das Grab füllten, ersehen konnte, ist nach
dem Sturze der Tholos keine Grabung darin unternommen
worden, und da auch die Tür noch zugemauert ist, lässt sich
sehr hoffen, dass das Grab unberaubt ist. Auf die Fundschicht
kam ich noch nicht; nur an einer Stelle grub ich ein tiefes
Loch in das Wasser hinein, und brachte in einer Tiefe von
ungefähr einem Meter von der jetzigen Erdoberfläche im
(irabe einige Stücke von vSchädelknochen, zwei runde durch-
FUNDE 155
l(")clicrte mykeiiisclie Perlen rius tiefblauem (;iase und ein
kleines Stück Goldes heraus. In der Auffülhinj^- des Gr.abes
wurden einige kleine Stücke vorniykenischer Wisenseherlx-n
und einige mykenische, sowie ein Knopf aus liernstein (?)
gefunden).
Der Durchmesser des Grabes ist bis jetzt ungeLähr 1 Im.
Die Tür ist sehr breit und wird nach oben allmählich enger.
Der Dromos wurde ebenfalls noch nicht aufgedeckt .
Die Wiederherstellungsarbeiten an antiken
Denkmälern sind rüstig gefördert worden. Die griechische
archäologische Gesellschaft hat durch ausserordentliche Auf-
wendungen dafür das Beispiel gegeben, Herr Generalephoros
Kavvadias die vielen .sich in der Weg stellenden vSchwierig-
keiten mit gewolmter Heharrlichkeit überwunden. Der Löwe
von Chaironeia ist aufgerichtet ; am Tempel von P h i-
galeia wurde der Aufbau der Cellawand aus den alten
Quadern weit gefördert, die schmerzliche Lücke, welche am
Erechtheion zwischen Nordstoa und Korenhalle klaffte,
ist durch den Wiederaufbau der Westwand unter der überaus
sorgsamen und geschickten Leitung des Herrn Balanos aufs
glücklichste ausgefüllt. In Delphi ist der Aufbau des
Athenerschatzhauses, für den der Demos von Athen auf An-
regung des Herrn Homolle die Mittel bewilligte, der Vollen-
dung nahe. Auch die Altis von Olympia hat dank der
Liberalität eines Bremer Kunstfreundes, des Herrn C. Schütte,
einen wirksamen vSchmuck erhalten durch die xAufrichtung
zweier Säulen des Heraion. Die beiden der südöstlichen
Ecksäule benachbarten Säulen haben sich mit ganz gering-
fügigen Einflickungen wiederherstellen lassen. Herr G. Ka-
werau, der die Arbeit geleitet und in kurzer Zeit glücklich
zu Ende geführt hat, wird im nächsten Hefte der Mii/cilu/i-
gen ausführlich darüber berichten.
fH. S.l
56
SITZUNGSPROTOKOLLE.
4. Januar 1905. M. Kies.sling: Alte Burgen und Städte
in Epirus. — W. D ö r p f e 1 d : Das Theater in Pergamon.
18. Januar 1905. W. Kolbe: Über einen Grenzstreit zwi-
schen Messenien und Lakonien. — P h. N e g r i s : Vesti-
ges antiques submerges.
1 . Februar 1 905. W. D ö r p f e 1 d : Zur Ithaka - Frage. —
K. K 0 1' p o 1' V 1 (0 T 1) c : rifol x(bv £v Tcö Ai'xaio) d\'aoxaq)o)v.
15. Februar 1905. R. Heberde y: Neue Ausgrabungen in
Ephesos. — r. S 0) T 1] Q i d 8 r) 5 ; T6 "H^axÄeiov rqg Xai-
QcoveiaQ.
1. März 1905. L. Curtius: Neue Ausgrabungen in Tiryns. —
W. Dörpfeld: Die Tholos bei Homer und in klassi-
scher Zeit.
15. März 1905. A. Kost er: Über eine Bronze -Statuette des
Horus im Nationalmuseum. — A. Wilhelm: Athen und
Makedonien im Jahre 410 v. Chr.
Geschlossen 1 7. Juli.
aiiii:n. Ml 11 i;ii r\(;i;\ liiof).
i.\ii;i. \
DIE WIEDERAUFGERICIITETEN SÄULEN DES I IllkAlOXS
TN OLYMPIA VON OST
BERICHT ÜBER DEN WIEDERAUFBAU
ZWEIER SÄULEN DES HERAIONS IN OLYMPIA.
(Hierzu Taf. V-VI).
Schon manchem Besucher Olympias ist beim Anblick
der von der Südseite des Zeustempels herabgestürzten und
nun dort auf dem Erdboden lang hingestreckten Säulen-
schäfte der Gedanke aufgestiegen, ob man nicht eine oder
die andere dieser Säulen wieder aufrichten und so von dem
alten Bild des Tempels wenigstens ein kleines Stück wieder-
herstellen könnte. Dieser Gedanke war nahe daran, zur Tat
zu werden, als ihm im vorigen Jahre ein Bremer Kunst-
freund, Herr Carl Schütte, besonderes Interesse zuwendete.
Herr Schütte erklärte sich freundlichst bereit, für dies Werk,
wenn es sich als durchführbar erwiese, Geldmittel darzubie-
ten und betraute H. Schrader mit den erforderlichen Vorun-
tersuchungen. Zu diesen fand sich erst im Frühjahr 1905
die nötige Müsse. Anfang Mai gingen Schrader und der
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX.
1 1
158 <^^- KAWERAr
Unterzeichnete nach Olympia, um an Ort und Stelle über
die Ausführbarkeit des Projektes zu beraten. Bei dieser ge-
naueren Betrachtung- fanden wir nun bald, dass der Wieder-
aufrichtung einer der Säulen des Zeus-Tempels erheblichere
Schwierigkeiten entgegenstehen, als es beim ersten Anblick
scheinen mag. Zunächst gibt die Betrachtung des Trümmer-
feldes der Südseite den Eindruck, als ob manche der reinlich
aufgereihten Säulenschäfte so lückenlos erhalten wären, dass
man Trommel für Trommel wieder aufheben und die ganze
Säule wieder aufbauen könnte. Der Erhaltungszustand ist
aber viel ungünstiger, als es zuerst scheint. Am ehesten
würde ein Wiederaufbau bei der 5. Säule der Südseite — von
Westen gerechnet — möglich sein. Aber auch bei dieser Säule
zeigt die Einzeluntersuchung, dass von den 14 Trommeln,
aus denen der Schaft besteht, nur eine einzige ohne die An-
brino^une von Flickstücken verwendet werden kann. Alle
übrigen verlangen die Einfügung neuer Stücke von z. T.
sehr erheblicher Ausdehnung. In dem Verhältnis zwischen
Alt und Neu würde das Neue einen so grossen Raum ein-
nehmen, dass die gewünschte Wirkung — ein Teilbild des
Alten wiederherzustellen — nicht rein erreicht werden könnte.
Wir sind nach diesen Untersuchungen zu der Überzeugung
gekommen, dass die Wiederaufrichtung einer dieser Säulen
nicht empfohlen werden kann.
Der erste, an den Zeus -Tempel anknüpfende Gedanke
schien uns somit undurchführbar. Nicht in technischer Bezie-
hung — auch da gab es grosse, aber nicht unüberwindliche
Schwierigkeiten — , wohl aber in Bezug auf das, was auf dem
viel umstrittenen Gebiet der Rekonstruktionen uns wün-
schenswert und erlaubt erscheint. Wir kamen deshalb auf den
von Dörpfeld angeregten Gedanken zurück, zu untersuchen,
ob etwa beim Heraion die Wiederaufrichtung einiger Säulen
möglich und empfehlenswert sei. Hier liegen die Verhältnisse
wesentlich günstiger.
Aus dem Olympia-Werk {Die Baudnikmäkr von Olympia
S. 27) ist es bekannt, dass einige der Säulen des Heraions
fast vollständig erhalten sind (siehe die Zusammenstellung
auf Taf. XXI). Hier handelte es sich nur um geringe Aus-
WIEDERAUFBAU ZWEIER SÄULEK DES HERAIONS 150
besserungeii durch Einfü(^iint>- eini«-er Flickstücke. Diese
konnten nach unserer Meinung- keine wesentHche Schädii^^ung
sein gegenüber dem (icwinn, den es bedeutet, wenn man
durch Wiederaufbau dieser Säulen dem Beschauer den Ein-
druck der Gesamtwirkung wieder vor Augen stellt, den
Höhe, Massenverteilung und Einzelformen dieser Träger der
Ringhalle des altertümlichsten unter den erhaltenen griechi-
schen Tempeln einst hervorriefen. Wir konnten in diesem Fall
den Versuch eines Wiederaufbaus aus voller Überzeugung
empfehlen. Herr Schütte hat aufs freundlichste diesem Pro-
grammwechsel zugestimmt und auch dieser Arbeit seine tat-
kräftige Unterstützung zugewendet. So konnte denn der
Unterzeichnete, der mit der weiteren Führung der Arbeit
betraut wurde, Anfang Juni mit einer kleinen, aber ausge-
suchten Mannschaft von Steinmetzen und Arbeitern den Wie-
deraufbau von zwei Säulen des Heraions beginnen. Wir hatten
inzwischen durch Vermittlung des Herrn Kavvadias auch das
Interesse der griechischen archäologischen Gesellschaft für
unsere Arbeit gewonnen und hatten uns weitgehender Unter-
stützung zu erfreuen, indem uns aus dem Besitz der Gesell-
schaft das Hebezeug — ein Flaschenzug für 4 Tons Arbeits-
leistung — sowie anderes W^erkzeug in liberalster Weise zur
Verfügung gestellt wurde. x\uch Herrn Balanos, dem hochver-
dienten Leiter der Rekonstruktionsarbeiten am Erechtheion,
sind wir zu besonderem Dank verpflichtet. Er hat uns nicht
nur aus seiner reichen Erfahrung mit gutem Rat unterstützt,
sondern uns auch die für diesen Fall besonders notwendige
Kraft eines umsichtigen und sachverständigen Vorarbeiters
in der Person des Steinmetzen Nikolaos Pungis nachgewie-
sen, der die grössten an ihn gestellten Ansprüche zu erfüllen
wusste und der ausgezeichneten Steinmetzenschule, die sich
seit einem Jahrzehnt an den Arbeiten der Akropolis ent-
wickelt hat, die höchste Ehre macht.
Mit diesem Vorarbeiter, 2 weiteren Steinmetzen und 2
Arbeitern, lauter auf der Akropolis erprobten Leuten, begann
ich am 5. Juni die Arbeit und konnte sie in weniger als 4
Wochen zu Ende führen.
Zum Wiederaufbau hatten wir uns die zwei der Südost-
160
G. KAWERAU
Säule benachbarten Säulen gewählt, eine an der Ostseite,
die andere an der Südseite (erstere Nr. 2, letztere Nr. 3 der
Tafel XXI). Es konnte sonst nur noch eine andere vSäule der
Südseite, die zweite von Westen (Nr. 1 auf Taf. XXI) in Frage
,5^.
Abb. 1 . Ostsätile von Norden nnd .Süden.
kommen. Wir trafen jene Wahl, weil sich hierbei eine grosse
Vereinfachung des Gerüstbaus ergab. Für jede Säule brauch-
ten wir ein Gerüst, dessen Hauptträger vier rund 7 m hohe
Stützen sein mussten. Bei dieser Wahl konnte das zwischen
den beiden Säulen befindliche Stützenpaar für beide ohne Um-
wiHDKkAri-'HAr z\vi':n':k sÄrucx i)i.:s iiivraioxs
H,
bau verwendet werden. Nur das cäussere vStützenpaar brauclite
man, nachdem es für die Ostsäule gedient hatte, abzubauen
und an der Südseite wieder aufzurichten.
Auf den beistehenden vSkizzen hal)e ich jede der beiden
Al)b.
Ostsäule von Osten und Westen.
Säulen in ihren oeometrischen Ansichten von den 4 Himmels-
richtungen aus dargestellt, so wie sich jetzt nach fertiger Auf-
stellung das Bild ergibt. Die älteren Teile, soweit sie aufrecht
standen, habe ich durch Andeutung von Schattierung in den
Kanelluren herausgehoben, die wiederaufgesetzten Teile sind
mit einfachen Linien gezeichnet, die neu angefertigten Flick-
stücke durch schräge Schraffierung betont.
162
G. KAWERAU
Bei der Ostsäule konnte über die Zusammengehörigkeit
der einzelnen Stücke kein Zweifel herrschen. Die Säule wurde
genau so aufgebaut, wie Dörpfeld sie auf der angeführten
Tafel gezeichnet hat. Willkommenen Anhalt dafür, wie die
5^\
Abb. 3. Südsäule von Norden und Süden.
einzelnen Trommeln um ihre senkrechte Axe zu drehen wa-
ren, boten die erhaltenen Vergitterungslöcher, bei denen man
annehmen musste, dass sie der Nachbarsäule zugewendet wa-
ren, also in einer Axe lagen, welche mit der Stufenrichtung
parallel läuft. Mit Zuhülfenahme der übrigen Merkzeichen,
WIEDHRAUFHAl- ZWICIER SÄILEX DlCS HICRAIOXS 163
Anscliluss der Kanelliireii, Fiiorenschluss in den Auflager-
flachen u. dg-1. Hess sich bei den meisten Troninieln mit
Sicherheit die ehemalige Lage bestimmen. Erleichtert wurde
das Versetzen der Trommeln auch durch den Ihnstand, dass
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Abb. 4. Südsäule von Osten und Westen.
der Schaft ohne Entasis in gerader Linie aufsteigt. Auch bei
der Südsäule fehlt die Entasis. Es konnte also durch Anlegen
einer über mehrere Trommeln hinwegreichenden Latte das
Aufpassen einer Trommel auf die andere genau nachge-
prüft werden.
Bei der nur aus 4 Trommeln bestehenden Südsäule er-
gab sich die Stelluno- der zweiten und dritten Trommel \on
1 64 G. KAWERAU
unten aus den für die Aufnahme der Anatheme hergestellten
Einarbeitung-en. Für die oberste Trommel bin ich von der
Rekonstruktion abgewichen, welche Dörpfeld auf Taf. XXI
für diese Säule gezeichnet hat. Er gibt als oberstes Stück
eine bis zu 41 cm Höhe erhaltene, im Oberteil abgebrochene
Trommel, deren fehlendes Oberstück in seiner Zeichnung er-
gänzt ist. Eine solche, seinen Maassangaben genau entspre-
chende Trommel, die auch nach Material imd Arbeit wohl
passen könnte, liegt jetzt auf dem römischen Bassin der Süd-
seite. Ich glaube jedoch nach wiederholter Untersuchung
noch die Reste der Bearbeitung der oberen Auflagerfläche
auf dieser Trommel zu sehen. Sie könnte danach überhaupt
nur 41 cm hoch gewesen sein, und, um auf die richtige Ge-
samthöhe der Säule zu kommen, müsste als oberstes Stück
noch eine flache Scheibe von etwa 1 7 cm Höhe ergänzt wer-
den. Das geht aber nicht mit den unteren hohen Trommeln
zusammen. Ich sah mich deshalb nach einer anderen Lösung
um und fand vor der Ostseite des Tempels, etwa 1 2 m ent-
fernt, bei den Resten des Altars eine andere in jeder Bezie-
hung passende Trommel von 62,2 cm Höhe. Aus älteren
Notizen Dörpfelds, welche dieser mir freundlichst zur Ver-
fügung stellte, ersah ich, dass auch er schon die Zugehörig-
keis dieses Stückes in Erwägung gezogen hatte. Freilich er-
gab sich, wenn man diese Trommel als oberste des Schaftes
annahm, eine Schwierigkeit: die Gesamthöhe dieser Säule
stellte sich, wenn man die an den einzelnen Trommeln gemes-
senen Höhen addierte, auf 5,26 m, während die Ostsäule nur
5,20 m Höhe ergab. Dieser Höhenunterschied von 6 cm hat
wohl hauptsächlich Dörpfeld veranlasst, von dem ursprüng-
lichen Gedanken abzugehen und die Trommel von 41 cm
erhaltener Höhe als oberste anzusetzen. Aber nach fertiger
x\ufstellung der Säulen ergibt die Aufmessung, dass dieser
bei den Einzelmaassen hervortretende Höhenunterschied sich
im Gesamtmaass auf 3,5 bis 4 cm vermindert : die Ostsäule
ergibt 5,205, die Südsäule, deren Kapitell -Oberfläche nicht
genau in der Wage liegt, 5,24 — 5,245 m Höhe. Vielleicht
verringert sich diese Differenz noch mehr. Es ist nicht un-
wahrscheinlich, dass auch die Ostsäule auf der Kapitell-Ober-
\vii':i)i':RArFi!Ar z\vI':i]":r sailicx dics iiilraions K)5
fläche einen kleinen sraifu7//is crehabt hat, so wie es das Kapi-
tell der Südseite zeio;t. Jetzt ist die Haut der Oberfläche des
Kapitells stark zerstört, sodass sich das nicht mehr entschei-
den lässt. Jedenfalls trage ich trotz dieser Differenz kein
Bedenken, diese Trommel für die vSüdsänle zu verwenden.
Auch die andere vorher erwähnte vSänle der vSüdseite, Nr. 1
auf Taf. XXI, bei welcher die Höhe .sich berechnen lässt, ist
höher als das ermittelte Maass der Ostsäulc, nämlich 5,22 ni.
Man weiss ja, dass diese Steinsäulen unter das seit Jahrhun-
derten bestehende Holzgebälk untergeschoben sind : bei die-
sem Sachverhalt können geringe Unterschiede in der Höhe
der Säulen nicht befremden. Für die Zugehörigkeit dieser
Trommel spricht noch ein weiterer Umstand. Sie muss wegen
ihrer Höhe der Gruppe von Säulen zugerechnet werden, die
aus wenigen, aber hohen Tronnneln bestanden. \'on dieser
Gattung sind nur 3 Säulen vorhanden, eine an der Westfront,
eine im Norden, und zwar nahe der Westfront, und unsere
Südsäule. Es ist also wahrscheinlich, dass die im Osten lie-
gende Trommel nicht den weit entfernten erstgenannten Säu-
len, sondern der sehr viel näher stehenden Südsäule angehörte.
In jedem Fall passt die Trommel so gut, dass mir ihre Ver-
wendung gerechtfertigt erscheinen würde, auch wenn meine
Ansicht über den Zustand der Oberfläche der 41 cm hohen
Trommel sich als irrig erweisen sollte. Diese Möglichkeit gebe
ich zu — der olympische Muschelkalk bricht manchmal in so
glatten horizontalen Schichten, dass es sehr schwer ist, zu
entscheiden, ob die betreffende Fläche künstlich geglättet
war oder Bruchfläche ist. Aber an dieser Trommel hätte un-
mittelbar unter dem Kapitellansatz eine ganz niedrige neue
Trommelscheibe eingefügt werden müssen, welche den Ein-
druck der Säule stark beeinträchtigt haben würde.
Wir konnten nicht erwarten, dass unsere Wiederherstel-
lungsarbeit zu den gründlichen Untersuchungen, die Dörpfeld
am Heraion angestellt und im Olympia-Werk niedergelegt
hat, irgendwie Neues hinzubringen werde. Als ein beschei-
dener Gewinn mag höchstens betrachtet werden, dass man
jetzt — bei zwei Säulen wenigstens — die Art der Vergitte-
rung besser erkennen kann. Man sieht, wie unregelmässig
166 (i. KAWERAU
die Löcher gesetzt sind und sieht bei der Südsäule — Ansicht
von Osten — , dass ein anscheinend dem gleichen Zweck die-
nendes Loch roh in die vSäule hineingeschlagen ist an einer
Stelle, wo früher ein Anathem angebracht war. Welcher Zeit
diese Vergitterungen angehören, lässt sich nicht bestimmen ;
dass sie eine recht späte Zutat sind, lehrt der Augenschein.
Interessant ist die Südsäule besonders durch die Menge von
Einarbeitungen für Anatheme. Wir sehen an dieser Säule
allein 10 Eintiefungen für Weihetafeln, ausserdem an der
untersten Trommel noch zweimal ein System von je 4 zu-
sammengehörigen Löchern, die jedenfalls auch der Befesti-
gung von Pinakes dienen sollten. Nur bei wenigen Trommeln
zeigen die erhaltenen Löcher so deutlich ihre Bestimmung.
Manchmal ist überhaupt nicht festzustellen, ob an der betref-
fenden Stelle ein Nagelloch vorhanden war, oder ob nur eine
zufällige Beschädigung des Steins vorliegt.
Unsere Kopfvignette und Taf. VI geben den Blick auf
die Südostecke des Heraions von aussen her, einmal vor und
einmal nach der Wiederaufrichtung der Säulen. Eine weitere
Darstellung des jetzigen Zustandes zeigt Abb. 5, den Blick
auf die beiden Säulen vom Kronoshügel aus, und Taf. V, die
beiden Säulen aus grösserer Nähe von Osten her gesehen.
Der Zufall hat es gefügt, dass diese beiden besterhaltenen
Säulen zugleich Vertreterinnen ganz verschiedener Typen
sind: die Ostsäule aus 10 niedrigen Trommeln bestehend,
mit wenig ausladendem, nüchtern gezeichnetem Kapitell mit
geradlinigem Echinos, der vSchaft mit Kanelluren versehen,
die nach der Kreislinie ausgetieft sind ; die Südsäule aus
4 hohen Trommeln gebildet, deren Kanelluren ganz flach
geschwungen, fast geradlinig sind, mit altertümlich geform-
tem wuchtigem Kapitell, das weit ausladet und durch die
stark geschwungene Echinoslinie ein lebendiges Spiel von
Licht und Schatten erzeuot.
Bei der Eigenart dieser Arbeit mag es gerechtfertigt er-
scheinen, auch über den rein technischen Arbeitsbetrieb noch
einige Bemerkungen zu machen.
wiEi)i':RArFKAr zvviciicr s.mlkx 1)I<:s in^raions
67
Die grössten zu liebenden Stücke hatten niclit mehr als
1 Y^ cbm Rauminhalt. Indem ich schätzvmgsweise das Gewicht
des olympischen Steinmaterials mit 2000 Kilo für den cbm an-
setzte, erhielt ich als höchste in Betracht kommende Last rund
2 Y2 Tons. Hiernach war der Flaschenzug zu wählen und das
Gerüst zu konstruieren. Für letzteres hatte ich versucht, in
den nächstbenachbarten grösseren Orten Pyrgos oder Patras
einen Unternehmer zu finden, der zu festem Preise das Gerüst
Abb. 5. Blick auf die östliche Hälfte des Heraions vom Kronoshügel her.
liefern, auf- und umbauen und nach Gebrauch das Holz wie-
der zurücknehmen sollte. Der Versuch scheiterte an der
Schwerfälligkeit der betreffenden Leute. Wir mussten selbst
das Holz in Pyrgos einkaufen. Wir beschränkten uns hierbei
natürlich auf das Notwendigste und suchten auf die einfach-
ste Weise das Gerüst aufzubauen. Als LTnterlage wurden vier
sich an den Ecken überkreuzende 8 cm starke Bohlen gelegt,
die teils auf der Peristasis auflagen, teils nach aussen über
den Stufenbau übergriffen, wo sie durch einen Unterbau von
grossen Steinen gestützt w'urden. Auf die 4 Kreuzungspunkte
168 Cr. KAWßRAU
der Bohlen, wo doppelte Holzstärke vorhanden war, wurden
die 4 Hauptständer des Gerüstes gestellt, 7 ni hohe Balken
von nur 18:20 cm Querschnitt. Die Stützenpaare an den kur-
zen Seiten dieses Rechtecks wurden durch kräftige Querrie-
gel verbunden, auf diesen wieder wurden zwei Balken glei-
cher Dimension dicht nebeneinander gelagert, welche zur
Aufhängung und horizontalen Bewegung des Flasclienzuges
dienen sollten. Gegen Verschiebungen nach aussen wurden
die 4 Hauptständer jeder nach zwei Richtungen hin abge-
strebt, gegen Umkippen nach innen wurden nur in drei ver-
schiedenen Höhen horizontale Verbindungen mittelst angena-
gelter schwächerer Hölzer verwendet. Überhaupt haben wir,
um den Holzwert des später wieder zu verkaufenden Mate-
rials nicht zu beeinträchtigen, auf alle eigentlichen Holzver-
bindungen des Zimmermanns -Handwerks, wie Überblattun-
gen und Versatzungen, Verzicht geleistet, auch keine Schrau-
benbolzen angewendet, sondern alle Zusammenfügung der
Hölzer nur mit starken Nägeln und Krampen bewerkstelligt.
Das Gerüst hat sich vollkommen bewährt und wir hatten
durch Schonung des Materials den Vorteil, dass wir am
Schluss der Arbeit bei Wiederverkauf der Hölzer den halben
Einkaufspreis wieder zurückerhielten. Die nötige bildliche
Erläuterung zu diesen Bemerkungen gibt Abb. 6, welche das
Aufziehen der ersten Trommel, der sechsten von unten, an
der Ostsäule darstellt.
Für die in Betracht kommende Last von 2 \!., Tons war
der uns zur Verfügung gestellte Flaschenzug von 4 Tons Ar-
beitsleistung reichlich stark. Diese hier gebräuchlichen Fla-
schenzüge für kleinere Lasten sind mit einer für primitive
Verhältnisse sehr praktischen Vorrichtung versehen, welche
die Anwendung eiserner Träger oder Laufschienen und auf
Rädern gehender Laufkatzen erspart. Der Flaschenzug wird
an einem starken eisernen Bügel aufgehängt, der um den
Haupt-Tragebalken herumgelegt wird, sodass die obere hori-
zontale Axe dieses vierseitigen eisernen Rahmens auf dem
Tragebalken aufliegt, während die an den Flaschenzug an-
gehängte Last frei unter dem Balken schwebt. Diese obere
Axe ist aus Rundeisen herg-estellt und kann mittelst seitlich
\vii<:])i<:uArFi!Ar z\vi:ikr s.mMvX dks iiivkAioxs
f.O
aiio'ebracliter Kurbeln oedrelit werden. I'^in einziger Mann
kann von oben her die .stanze Lasl in liorizontaleni Sinne liin-
nnd lierbewegen.
Von allo^emeinerem Interesse sind \ielleieht ein paar
Bemerkungen über die eioentliche vSteinnietzarbeit und die
Art, wie die Ausflickungen der bescliädio-ten Säulentrom-
niehi bewerkstelligt wurden. Es war von vornherein klar, dass
man das Material für die neu herzustellenden Stüeke an Ort
Abb. b. Das Gerüst um die Ostsäule.
und Stelle suchen müsse, d. h. unter den im Ausgrabungs-
bezirk umherliegenden Steinen der alten Bauten. Man wäre
sonst in Verlegenheit, irgendwo dieses für die olympischen
Bauten so charakteristische Muschelkonglomerat zu beschaf-
fen. Für die verhältnismässig kleinen hier in Betracht kom-
menden Dimensionen war es auch möglich, die nötigen Er-
satzstücke in alten Bausteinen, die nach keiner Richtung hin
von irgendwelchem Werte waren, zu finden. Freilich nicht
ohne Mühe. Es sind unter der grossen Masse der umherlie-
genden Stücke doch nur sehr wenige, die nicht - auf Grund
1 70 G. KAW'ßRAU
eines Klammer- oder Dübelloclies oder eines Restes von
Fläclienbearbeitung — einmal für wertvoll angesehen werden
könnten. Wir haben eine sorgfältige Auswahl getroffen und
nicht verfehlt, alle grösseren Stücke, bevor wir sie in Arbeit
nahmen, auch dem Epistaten des olympischen Museums vor-
zuweisen. Trotzdem gelang es nicht, in jedem Fall genau die-
selbe Nuance des Materials zu finden, wie sie gerade die be-
treffende Säule zeigt. Ich hielt dies auch nicht für nötig, da
es ja nicht die Absicht war, in den neuen Teilen Altertum
vorzutäuschen, sondern nur, die Unterschiede zwischen Alt
und Neu nicht allzu hart erscheinen zu lassen. Dass vorläufig
eine Täuschung nicht möglich ist, dafür sorgen die zu An-
fang mehr oder weniger weiss erscheinenden neu bearbeite-
ten Stücke gegenüber dem vom Gelb bis zum Schwarz rei-
chenden, immer aber dunkleren Farbenton der alten Teile.
Ich hielt es nicht für richtig, dem Ausgleichungsverfahren,
das die Natur zu besorgen pflegt, durch künstliche Mittel
nachzuhelfen. Die Unterschiede in der Färbung des Steins
hielten wir nicht für eine wesentliche Störung des Eindrucks,
dagegen legten wir Wert darauf, die Umrisslinien der Säulen-
schäfte nicht durch die Flickstücke zu unterbrechen. Wir ha-
ben deshalb an den neuen Stücken sowohl die Kanelluren
durchgeführt als auch die Eintiefungen für Weihgeschenke,
soweit die Grenzen bestimmbar waren, ausgearbeitet.
Die Steinmetzarbeit begann mit der Abarbeitung der
alten Trommeln, soweit sie Ersatzstücke nötig hatten. Alle
Bruchflächen des alten Steins wurden soweit weggearbeitet,
dass neue glatte möglichst rechtwinklig zu einander stehende
Flächen geschaffen wurden. Eine Anschauung davon gibt
Abb. 7, wo die zwei auszuflickenden Trommeln der Ostsäule
in diesem Zustand der Vorrichtung dargestellt sind. Die vorn
liegende Trommel ist die zweite, von oben gerechnet. Sie
soll ein Einsatzstück in Form eines Kreissegments erhalten.
Die dahinter liegende ist die fünfte von oben ; ihre Unter-
fläche ist nach oben gekehrt. Hier ist nach der Unterseite
hin nur der mittlere Kern stehen geblieben, an den sich nach
allen Seiten neue Aussenstücke anlehnen sollen. Nachdem
diese Vorarbeit getan war, w^irden genaue Schablonen der
wiKDKRArFHAr ZWEIER sAtlex I)I<:s IIK.RAIOXS
171
herzustellenden Einsatzstücke ang-efertio^t. Die neuen vStücke
— mit der nötio^en Maasszugabe für die äussere Ansicht gear-
beitet— wurden dann genau eingepasst und mit dem ]\Ie\ er-
sehen Steinkitt an die alten Flächen angeheftet. Entsprechend
der Weichheit des olympischen Porös wurde diesem Kitt
die zwei- bis dreifache Meng-e von zu Pulver geriebenem Stein
des olympischen Muschelkonglomerats beigemengt. Härteres
Material verlangt nur geringere Beimischung von vSteinpul-
Abb. ". Vorrichtung der Trommeln
für die Ansflickuno-.
ver. Die einzelnen F'lickstücke wurden sodann an ihrer Aufla-
gerfläche sowohl unter einander wie mit dem erhaltenen alten
Kern durch eingelassene I I fcrmige Eisenklammern ver-
bunden, worauf das Versetzen des betreffenden Stückes erfol-
gen konnte. Alle diese Maassnahmen wurden in der gleichen
Art vorgenommen, wie es bei den Arbeiten am Parthenon
und Erechtheion erprobt worden ist. Die Steine wurden nach
antiken Vorbild mit dem Wolf hochgezogen, dem Instrument,
das der griechische vSteinmetz heute als xaujidvd. bezeichnet.
172 KAWERAI': WIEDERAUFBAU ZWEIER SÄULEN DES HERAIONS
Bei schwereren Stücken wnrde der Wolf möglichst tief in den
Stein eingesetzt, um den Druck auf eine grössere Fläche zu
übertragen und der bei weichem Material nicht ausgeschlos-
senen Gefahr zu begegnen, dass die Kanten des Wolflochs ab-
gesprengt werden. Zu weiterer Sicherheit wurden die schwer-
sten Stücke ausserdem noch mit Tauen gebunden. Ein fester
Anschluss des Wolfs an die Kanten des W'olflochs wurde
durch Einschieben schmaler Eisenstücke erzielt, ausserdem
wurde feiner Sand mit Wasser in das Wolfloch eingeschlemmt,
um durchweg gleichmässige Berührung zwischen Eisen und
Stein zu erreichen.
Der olympische «Porös- lässt sich ungemein leicht bear-
beiten. Beispielsweise erwähne ich, dass die Herstellung eines
Wolfloches, für die bei pentelischem Marmor etwa ein halber
Arbeitstag zu rechnen ist, hier nur eine Viertelstunde er-
forderte.
Unserem freundlichen Gönner und Bauherrn wird nicht
nur der kunstfrohe Reisende dankbar sein für die Belebung,
die dem Bilde der grossen Trümmerstätte zuteil geworden
ist, auch die archäologische Wissenschaft wird es dankbar
anerkennen, dass von jener bunten Versammlung von Säulen-
Individuen, die sich um das alte Heiligtum scharte, zwei
lebendige Vertreter in ihrer Ganzheit wiedererstanden sind.
Möge der Geber selbst Freude am Werke haben !
Athen.
Georo- Kawerau
APIIFN. MiTTKILUNCiEN 1905.
TAFEI, \'II.
EIN BRIEF DES KÖNIGS ZIAELAS AN DIE KOER.
(iEFUNDEN IM ASKLEPIEI(3N IN KOS.
173
EIN BRIEF DES KÖNICxS ZIAELAS
VON RITHYNIEN AN DIE KOER
(Hierzu Taf. VII).
Im Asklepieion von Kos waren wie in Mag-nesia am Maian-
dros, Teos und anderen Orten Urkunden in Stein verewig-t,
die man kurz als Asyliedekrete zu bezeichnen pflegt, d. h. die
Antworten von Staaten, Völkern und Königen auf die Ein-
ladung zu neugegründeten Festen, mit der die Bitte um Aner-
kennung der Asylie des Heiligtums verbunden war. Sie wa-
ren in Kos nicht wie in Magnesia und Teos als zusammen-
hängende Masse auf Wänden im Heiligtum eingegraben,
sondern teils einzeln, teils in Gruppen auf besonderen Stelen
verschiedener Gestalt aufgezeichnet. So sind sie an mehre-
ren Stellen des Heiligtums teils in kleinen Bruchstücken,
teils in der Hauptsache oder vollständig erhalten, zu Tage
getreten. Die Aufzeichnungen rühren gruppenweise von ver-
schiedenen Steinmetzen her, gehören aber dem Schriftcharak-
ter nach alle in dieselbe Zeit, wie auch die Urkunden durch
die Namen der Gesandten als gleichzeitig erwiesen sind.
So sind auf einer Stele zusammengestellt die Antworten
von fünf peloponnesischen Staaten : Lakedaimon, Messene,
Thelphusa, Elis, Aigeira, auf einer andern die von Pella, Nea-
pel, Elea, eine dritte enthält die von Kamarina, das die Koer
als seine awcixiorai bezeichnet.
Ein allgemeineres Interesse bietet unter diesen Antwor-
ten der Brief des Königs Ziaelas von Bithynien. Er stand mit
andern Königsbriefen auf einer dreiseitigen, prismatischen
Stele mit abgeschnittenen Ecken. Die von Rillen eingefassten
Seiten sind 31 cm breit, die Kantenabschnitte zwischen den
Rillen 4 cm. Der obere Teil und das unterste Ende der Stele
sind abgebrochen. Unten ist (abgesehen vom rechten Rand)
dadurch kein Schaden für den Text entstanden, aber es ist
nicht mehr nachzuweisen, ob das Prisma in eine Axe einge-
lassen war, um die es gedreht werden konnte. Dies ist jedoch
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. 1 2
1 74 R. HERZOG
vorauszusetzen, denn wir haben ohne Zweifel die uralte Form
der xi'Qßii; vor uns, für die wir nur eine Analogie haben in
dem Fragment IG IV 559 S.125 (vgl. Szanto, Artikel dtoA-g;
bei Pauly-Wissowa). H. Schrader vermutet daher wohl richtig,
dass die Kantenabschnitte zM'ischen den Rillen eine Nachah-
mung der Holzlatten darstellen sollen, zwischen denen ur-
sprünglich die hölzernen Tafeln der xuQßei; eingesetzt wur-
den. Die erhaltene Höhe des Steins beträgt 1 1 5 cm, die Buch-
stabenhöhe 8 mm. Das Material ist bläulich weisser Marmor.
Der Stein fand sich in der Ausgrabungskampagne 1903 am
Nordosteck der Säulenhallen der untersten Terrasse des Askle-
pieion (vgl. den Plan Archäol Anzeign' 1903, S.187;1905, S. 3)
und ist jetzt im Museum am Ausgrabungsplatz aufgestellt. Da
er als Schwelle wieder verwendet war, so ist eine Seite bis
auf geringe Buchstabenspuren ganz abgetreten. Auf der an-
dern Seite ist die zweite Hälfte eines nicht näher zu bestim-
menden Königsbriefes in der Asyliesache erhalten, auf der drit-
ten unter dem Schluss eines ebensolchen Briefes das vollstän-
dige Schreiben, das ich im .[rcJiäol. Anzeiger 1903, S. 197 er-
wähnt habe und jetzt im Wortlaut folgen lasse (vgl. Taf. \'n).
Baoi7ieuc; Biftuvdjv Ziai]Xac;
Kojiürv rfji ßoi'?tf]i xa) twi 8)]|x-
\\.fss\ xMipELV AioyEiTOi; 'Aqioto-
^vo/oi; ©ei'iöOTOi; oi jtaQ^ i'j.ttöv
5 jTaQaY8A'6|.i8voi fi^iow' t6 leQOV
TOii 'Aax?a]:n;LOii x6 lÖQUfievoA' jt«-
q' v\C\y d:n;o88|aa0ai douXov xal
TCt ?ioijrd cpduv{)^oa)jreTA' \v\\ jco-
Aei xa{)ö:7rsQ xal Nixüiirjöiic 6
10 jtaTr]Q fipiwv zvyö^c, öiexei-
xo T(üi 8t][j,ü)i' fiiieig öe :n;dv-
TCOV ^8V TWV d(piXVOD[18VC0[v
|.i8v Tf]v 8m|ieA8iav Jioioufis-
1 5 voi, jt8Jt8ia|i.8voi JtQOi; 8ö|av oi)
[.iixQov ou[ißd?i.Ä8oflai To fX8Q0i;
TOUTo" Jio?.{) h\\ ud?jaTa twa'
EIN BRIEF DES KÖNIGS ZIAELAS AN DIE KOER 175
jcfaQixöJv (piAoov ftiate^tOi!-
[.lev jroA.ii(OQoijVTeg xai v\i(x)V
20 8ia TTjv jtQog T6|i. Tcariga v^iwv
f)jrdßxoiJoav jcqo? tov L)|j,eTe-
Qov öfj^ov yvodoiv xal 8id t6
t6|.i ßaöiAea IlTüXefxaiov
oixeiwi; 8iaxELa{)ai xä kqoc, v\iäq,
25 ovra f|^^eTeQOv (piXov xal ov\i-
!J,axov ETI 8e xal xovq jiuq" v\imv
ä7XEaxaX[ievovq cpdoTijxote-
Qov d:7roXoYi0aGi}ai Tr)v eij'voiav
r\v exete eig '^|j,d<;" sv xe xdiq Äoi-
30 jtolg xa{)' o av fmdi; d|iü)T8, neigaoo-
^i8\)a xal löiai Ixotato^L xal xoi-
vfji näai cpOMvdQcoKelv xai^OGOA'
f)[,iei5 öuvaroi ea|,iev, xal to)v
:n:ÄeiövTO)v Ti]V ddXaaoav
35 oooi UV nty/dvcooLV twv ^[xe-
teQcov TZQOoßdXXovxzq xolc,
TOrtoig (x)v fif.1815 xQaTOÜjiev,
cpQovTi^en' ojtoj? f] docpdÄei[a
avxolc, ujtdQx»] • xatd Taitxd [8e
40 xal Ol? dv ai'^(3fi jiTat^aTOi; [tl-
voq YEVofXEVOi) xaxd nkovv
JtQOOTlEOelv JIQOC, TT]V f|[.l£tE[QaV,
jiäoav ajiouÖTjv jtoi£lG{)^ai iv[a
[xr)8' vqp' evbc, döixtövTar ano^eyp-
45 (XEi*}a 88 xal t6 ieqov davA,ov x[a{}6-
jiEQ ojieo{)e 8eiv, xal äioyeitwi [xal
'AQiato^oxtoi xal 08v8ötcoi äe[qI
TÖöv TOVTOOV xal XMV ä}\.X(X)[v ä oder ü)v
fißoDXö[iE{)^a, EVTEtaX^Aai dv[aY-
YEiAai ufxEiv. "Eqqcoo{)e.
Die Schrift ist sorgfältig, aber nicht geziert elegant. Die
meisten Sinnabschnitte sind durch Zwischenräume gekenn-
zeichnet, Z. 3. 11. 1 7. 26. 33. 50. In Z. 39 YPAPXH • KATA
scheint sogar eine Interpunktion zu stehen.
176 R. HERZOG
Orthographische Eigenheiten wie jtXeiovTWv Z. 34 (Littera-
tur und Belege zuletzt bei Nachmanson Laute U7td Formen der
)iiag}i. Iiischr. S. 21,3), itfieTv Z. 50 (wohl eines der frühesten
Beispiele, die aber gerade bei diesen Pronomina einzusetzen
scheinen, vgl. Nachmanson S. 35), vi\6.q'ix\ Z. 39, GV(.ißri Z. 40 (in
Kos schon früh beim Konjunktiv und als dorische Eigentüm-
lichkeit erklärt, Barth de Coorum tihilonini dialecto S.IOSf.), so-
wie die Silbentrennung 8i][i-^(.coi Z. 2/3 (vgl. Schweizer Grannu.
der perg. IiiscJir. S. 132 f.) sind nicht auffällig und dürfen auf
Rechnung des koischen Steinmetzen gesetzt werden.
Nicht so sicher ist, wer die Verantwortung hat für andere
Eigentümlichkeiten oder Fehler wie Jitcu[ia, das griechisch
neben jtT(uo[^ia nicht zu belegen ist, aber doch Analogien hat
(Kühner-Blass I -' S. 131 f.). fpdavOQoojtelv ist Z. 8. 32 mit dem
Dativ konstruiert, bei Polybius III 76, 2; Pap. Oxyr. III 532, 20
allerdings mit dem Akkusativ, aber in der Rosetta- Inschrift
Or. Gr. Jnscr. I 90 ^''- intransitiv gebraucht. Auch hier hat
das Schwanken zwischen Dativ und x^kkusativ Analogien
(Kühner-Gerth 11- S. 324''). Statt des Komparativs q)iÄ0Tifx6-
TgQov Z. 27/28 erwarten wir den Superlativ. Die bei Kühner II-
S. 305 f. ' gesammelten Fälle passen hierauf nicht, wir müs-
sen darin also entweder einen Vorboten des schon im Neuen
Testament entwickelten Schwunds des Superlativs (Blass
Graiiiiiiafik des iieiitestaiiietitliche)! GrieehiscJi S. 138f.) oder
barbarische Unsicherheit sehen.
Deutlicher zeigt sich die letztere Erscheinung im Ge-
brauch des Artikels. Wie im römisch-griechischen Kanzleistil
ein häufiges Fehlen des Artikels zu beobachten ist, weil er
der lateinischen Sprache fehlt (Viereck Servio graecus S. 60 f.),
so kann dies auch zum pleonastischen Gebrauch führen. Zwar
TT1\' 8jn|ieAeiav jioiou(ievo\' Z. 14 ist gut griechisch, auch f) aocpd-
Äsia {'j^dg/ii Z. 38 ist nicht anstössig. Aber der Satz Z. 1 5 ff.
jiQog ftö'^uv QU [ux(_)ov oij|ißdXÄ£0i)«i t6 [.leQOi; xouto, in welchem
nach der zunächst liegenden grammatikalischen Beziehung
tö jxeQog TOÜTO als Subjekt die sonderbare Bedeutung «dieser
Punkt, dieses Stück, d. h. dieses Verhalten) hätte (etwa wie
Polyb. I, 20,8. 10; II 37,10), wird viel klarer und bestes Grie-
chisch, wenn toüxo allein als Subjekt und ou [.iixym' [.igpoi; als
EIN BRIEF DES KONKiS ZIAHLAS A.\ Dil': KOICk 177
Akkusativ zusaninien«;en<)niiiien wird (ni^I. Plato /w.v/). I p. ,i,il
B ^leya [.lepog nq toTito f) t(Ö\' •/()i|ii(tT(o\' XTf|oic C)V[i\id}J<.Eia\; Andoki-
des I 143 xai yuQ uvkov xun' r)Y(o\', ^ru.Tt-ü f| koXic, fo(i')i)ii, oux fÄu-
/iGTO\' uEQoc. Ol ffioi ji^oYOA'oi oi'VKJ^xtAovTo). — Z. 47''4(S crlaubt der
Raum schlechterdings nicht die Ergänzung .TK[ni .-rttv] T(t)v tov-
T(ov, es steht also der Solöcismus 7Te.Q[i] torv ToriT(o\' fest.
An zwei Stellen endlich ist die Konstruktion ganz ver-
wirrt: Z. 1 7 ff. jxoliv Öi) \uD.\ax(i. t(Öv n:aTpiX(T)V ({'Ojdv (vgl. .SV/Zc^,.?^'
343,8. 19) ftHjCTt-AoruFA' .To/.mopor'VTfc xui v[((T)\' h((t n'p' ttooc toji
iraxigu u[u7)v vmiQyovodiv tiqüc, tov vfie.TFpoA' hriiiov YV(T)on'. Dabei
ist v[iCi)v falsch für f|[io)\', und eines der beiden jtqo; muss
durch den Dativ ersetzt werden, am besten das erste: (Siaifc-
Aoüfiev jro?a'o)Qorn'Tes v\wn' fti« t\]v t(7)i jt(xtoi r|(i(7)\' vnd.Q'/^ova(i.v
jTQoc. TOV LMI8T8QOA' 5f|^iov yv(7)giv. So ist CS gutcs Griecliiscli wie
in der Zeugenaussage bei x\ischines r. Tim. 50 xal xaia tt]v
yvcooiv jioi x\\\' .TQoc «i'tov .-ro/a'0)g(7)v pic; ti'|v vvv oi' (>i8?jjtov (von
Rlass in seiner Ausgabe durch Konjekturen entstellt). Ähnlich,
mit umgedrehtem Verhältnis steht Y^'<~'f7i? = '^^''^''xjt'I^) '(Ri-ite)
Beziehungen» Sylloge b^b{=/nsc/n'. von O/y/i/p/n ?iA)^'S: 8iu riyv
jTQOs TOi'g 2eß«aT0i'c; yvwöia' xvypvxn xx\c, 8iu Ysvoi'g luota^xi«?- —
Z. 48 f. ist der Pluralis iiuücstatis in 8VTf.Ta?4iai jäh verlassen.
Es ist hier eine stehende Schlussphrase der Königsbriefe
fehlerhaft und vielleicht unvollständig wiedergegeben, wie
die Vergleichung mit dem Brief Philipps V. an die Nisyrier
zeigt, .S^v/Zc/'^v 263,7 evTgTaAj^iai (tOTtui uvuYytTlui uuTv « f]ßoi'A6iuiv
iifiäi; eiÖfiacxi. Ahnlich wird auf mündliche Aufträge Bezug
genommen im Brief des Antiochos I. an die Erythraier Or.
Gr. Inscr. 223,35 ff t(7)v u7t/iO)v wv oi'?i?t8?irt?:ri[xa|.(s\' i^ieiq Tf
xal Ol i'|.iET8Qoi] jrgeaßevTai.
Diese Fehler als Verwirrung eines grammatisch richtigen
Originals bei der Übertragung auf Stein aufzufassen, geht
nicht an. Wir haben es jedenfalls zum Teil mit Barbarismen
und Solöcismen zu thun, welche den Ursprung kennzeichnen.
Dazu kommt ein mehr fühlbares als nachzuweisendes un-
griechisches Gepräge in manchen Wendungen und Satzbil-
dungen, eine gewisse über die Grenzen des hellenistischen
Kanzleistils hinausgehende Unbeholfenheit. Doch im Ganzen
herrscht in dem Brief der gangbare diplomatische Stil vor,
178 R, HERZOG
und so dürfen wir in ihm nicht das Exercitium eines barba-
rischen Fürsten, sondern ein Erzeugnis seiner Kanzlei für die
griechische Korrespondenz sehen. Nur war sein Kabinetsse-
kretär, ejciaxoXoyQwpoQ oder 6 ejti twv "E^Jijvixcoa' ujtox()i|uxt(ov,
in der griechischen Sprache nicht so ganz zuhause, um die
ihm geläufigen Phrasen des königlichen Briefstils auch im-
mer sinngemäss zu gebrauchen.
Interessanter noch als diese Einblicke in die Kanzlei
eines philhellenischen Barbaren- oder Halbbarbarenfürsten
ist der Inhalt des Briefes, der uns die Person dieses bisher
nur durch vereinzelte Notizen bekannten Königs lebendig
macht. Für die Regierungszeit des Ziaelas sind feste /rrmin/
post <]unii und ante (jiinii die Jahre 264/3 (Gründungsjahr von
Nikomedeia, letztes Datum der Regierung seines Vaters Niko-
medes) und 227/6 (Todesjahr des Königs vSeleukos IL, in des-
sen Lebzeiten Ziaelas' Sohn Prusias noch auf den Thron kam,
und Erdbeben von Rhodos, nach welchem Prusias die Rho-
dier unterstützte). Innerhalb dieser Grenzen haben eine nähere
Bestimmung versucht Ed. Meyer (Art. BitJiyiiicii bei Pauly-
Wissowa III 517): um 260 — um 235, Th. Reinach {Trois royau-
mcs de l'Asic inineu re S.101 f.): um 250 — 228, nach ihm Beloch
[Griechische Geschichte III 2, S.162 f.): um 250—229. Eine Um-
grenzung für die Abfassungszeit des Briefes bietet der Syn-
chronismus mit zwei Königen, welche in den gleichzeitigen
koischen Asylieurkunden erscheinen. Das unedierte Bruch-
stück eines Briefs gibt durch die Worte tfi; d8eÄ(pfig 'Ayfoi-
A'OTjg] Ptolemaios II (285 — 247) als Verfasser zu erkennen, das
erwähnte Dekret von Pella nimmt Bezug auf den Landesherrn
Antigonos, der demnach Gonatas sein muss (276 — 239). So
bleibt etwa der Spielraum zwischen 260 und 250, also die
Anfangszeit der Regierung. In diese passt es, dass Ziaelas
wie die Koer das Festhalten an den Grundsätzen und Be-
ziehungen seines Vaters betont (Z. 9. 18.20), und dass nur
auf den in Kos geborenen Ptolemaios II. das Z. 22 ff. in den
Worten ftia t6 t6|.i ßfxai?iea rito^iejuxlov oixeuüi; fiiaxeiaOai toc hqoc,
v\.mc„ övra v|fxeT8Qov cpiXov xai Qv\i\iayo\ hervorgehobene fami-
liäre Verhältnis zu Kos bezogen werden kann.
Freilich scheint beiden zu widersprechen der Bericht des
EIX BRIEF DES KÖXKiS ZIAÜLAS AX DIE KOEK 179
Memnon {FIfG III p. S,U, c. 22, \<^\. Niese II 1 -V) f.), da er
ihn im Gegensatz /uin Testament des Vaters und zu Ptole-
maios II. zeigt: of' n^oÄAoi' ()e .t(xvi' oi'fvtoc; y()ovov 6 t(7»v Bii)uv(T)v
ßaoiÄevg Nix()|.ii'|ft)ic, K.^el 6 \\k\< fx jTqotf(_)0)v uviÖ) yafxfov Yeyovojg
jraig Zi]iXaq (lies Zia)'iAac) (prya? 7]A' jtqoc; tov 'Aß|ievi(ov ßaaJvEa,
Ka« Tfig ^u]T()vt«c 'ETf/CETac; (lies 'EjiTaCeiag) |ii|x«vcxT(; eÄaileig, oi öf
EX lauTi)? ai'T(ü yEyovoTEq Evii^ri'aCov, jt^o? to) te^vEiitcxv yEyovwg
xh]yov6[.ioi'(; J.IEV Toi's EX x^\z, fteviFpac; yuvaixoi; ygatpEi Tialfta?, £;ri-
TQOTtovc; 8e nToX£j.i«Tov x(u 'AvTiyovov xal tov öfij^iov t(~)A' Bi''C«v-
Tuov x«i h\\ xal ^Hoax/.£(OTO)v xai tov twv Kiavo)v £(( i'otiioiv. ^O
j^iFVTOi Zjiiä«; fiETa 8vvd[^i£0i)q, i]v avTO) to)v raÄ«to)v oi ToÄioToßo-
yioi 0(tQoouq eji?i1]QOW, ejti Tip' ßaaiAEiav xaTr]Ei. BiOw'oi Öe ttjv
CtQX^V' "wi^ELA' TOig A'1)JTI0IC OJtOuftd^OVTEq T»]V [,l£V T01'T(i)A' j,U]TEy(/.
dÖEÄqxT) m'voixi'Coi'oi tco Nixo^u]8oi)q, ai)TOi hz aTQciTEi'fxa itapa twv
EißT| [.i£vo)v fJtiTQ(')JT(OA' Aa(36vT£C {tjrE(.iEvov TOV Z)]i?iav. m'/valq 8e
[id/aig xal }iETa(3oX«ii; ExdTEßoi djtoxQi]od|,iEvoi, t6 teäevk/Tov h\k-
OTiioav Eic öiaAijaEiq, "HoarJ^EfOTon' ev T(üq [.idyaiq d9iaT£v6vTO)v xaA-
TUiq OV|.lßdo£Ol TO Ol'flfpEQOV xaTttJtQaTTOVTWV.
Aber da sich schliesslich der rechtmässige Erbe kraft\'oll
durchzusetzen wusste, löste sich der Erbfolgestreit allerseits
in Wohlgefallen auf, und so legt im Jahrhundert der feinsten
Entwicklung des diplomatischen Verkehrs und der Konso-
lidierung des dynastischen Legitimitätsprinzips der Barba-
renfürst nur eine Probe seines Hellenismus ab, wenn er unter
Ignorierung des Streits sich als Fortsetzer der Politik seines
Vaters proklamiert und nach der Auseinandersetzung mit
dem Vormund seiner unterlegenen Halbbrüder Freundschaft
und Bündnis schliesst. Ptolemaios II. hatte noch keine direk-
ten Besitzinteressen am Hellespont, daher waren keine Rei-
bungen zu befürchten, aber freundschaftliche Beziehungen zu
einem der Schlüsselverwahrer des Bosporus waren ihm wert-
voll und für Ziaelas ehrenvoll.
Um diese Zeit hat Ziaelas zum Zeugnis .seines vSieges die
Münzen schlagen lassen, deren erstes aufgefundenes Exem-
plar uns erst die richtige F^'orm des Namens kennen gelehrt
hat. Die Bronzemünze, jetzt in der Sammlung Waddington,
ist beschrieben und abgebildet von P. Lambros Zritschriff
für Numismatik IH 220 f., besser bei Th. Rcinach Trois
180 R. HERZOG
RoyauDics S.101 f. Tafel V 4. Unbärtiger Kopf des Königs mit
Diadem nach rechts, kluge und energische Züge etwas bar-
barischen Charakters, sehr ähnlich denen seines Vaters Niko-
medes. Rv. B A2I AEa[Z] — II AH AA. Trophäe, im Feld
links eine dreifache Lanzenspitze. — Ein schlechteres Exem-
plar der Sammlung Hunter ist beschrieben und abgebildet bei
Macdonald Grcck coins in the Hitntcrian Collcctiou II S. 258,
Taf. XLVI 24. Auf der Höhe seiner Macht stand Ziaelas nach
dem Jahr 240, als König Antiochos IL sein Bündnis mit ihm
durch die Heirat seiner Tochter befestigte (Niese II 155).
Gewaltsam, wie der Antritt seiner Regierung, war auch das
Ende, das er durch die galatischen Söldner fand, die ihm
einst zum Thron verholfen hatten (Niese II 158 f.).
Das Verhältnis der Koer zu Nikomedes, dem Vater des
Ziaelas, wird auch durch das Fragment eines Opferkalenders
aus Kos bezeugt, Paton-Hicks Iiiscr. of Cos 35 (^ Dubois
BCHV 221, Nr. 9) Z. 6 xäi uinCu] d^iepai xal (3aaiX8i Nixo[^n]-
[bei]. Leider haben weder Paton noch ich den Stein wieder-
gefunden. Aber wenn nicht alle charakteristischen Buchsta-
benformen falsch wiedergegeben sind, so kann für dieses
Opfer oder diese jto|XJiTi nicht, wie Ed. Meyer (Art. Bithynicn
Pauly-Wiss. III 520) meint, Nikomedes IL oder gar der von
Th. Reinach {L'histoire par les nionnaies S. 166 ff. 1 75) erschlos-
sene Nikomedes III. Euergetes aus dem Ende des IL Jahrh.
in Betracht kommen, sondern nur Nikomedes I. Dass die Koer
königliche Wohltaten schon im III. Jahrhundert mit über-
schwenglichen Ehren lohnten, dafür fehlt es nicht an Belegen.
Die Bitte, welche den xA.nlass zu der Gesandtschaft an
Ziaelas gab und den König zugleich ehrenvoll den griechi-
schen Staaten und grossen Königen gleichstellte, die Garan-
tie der daii?aa des Heiligtums, gewährt er als selbstverständ-
lich (Z. 44 ff.) nach den Wünschen der Koer. Dass aus den
Worten Z. 5 f. t6 ieqov totj 'AaxXi]Jtioö tu lÖQVfievov jtap' v\\b!
wenigstens ein Wahrscheinlichkeitsschluss darauf gezogen
werden kann, dass gerade in dieser Zeit die grosse Erweite-
rung des bescheidenen alten Heiligtums durch die Zufügung
der oberen Terrasse mit dem neuen Tempel für die neuge-
stifteten 'AoxAajtieXa stattfand, habe ich schon früher erwähnt
EIN BRIE;F DliS K(")XI(;S ZIAKLAS AN Dlli K01:R 181
{Arciläol. Aiizrigrr 19(),i, vS. \^)1\ l')(),S, S. s). Die (iar.-intie der
Asylie durch Ziaelas hatte für die Koer kaum eine prakti-
sche Bedeutuno-, wie etwa durcli Kreter, Aitoler und andere
Seeräuber oder durch (irosstaaten, die im ägäischen Meer
Kriege führen konnten.
Sehr viel wichtiger war das weitere vom König gewährte
AnHegen der koischen (iesandten (Z. 8) : erstens (Z. 3.Wf.)
Garantie des Schutzes für koische Handelsschiffe, welche
Häfen im Machtgebiet des Ziaelas, sei es als Station oder
zum Betrieb des Handels, anlaufen. Zweitens (Z. 39 ff.) Schutz
vor Ausübung des vStrandrechts bei unfreiwilligem Anlaufen
an der bithynischen Küste infolge von Unglücksfällen. Er
verspricht den Koern also nicht nur die Erfüllung der Gebote
der M e n s c h e n freundlichkeit, sondern auch Fremden-
freundlichkeit (vgl. auch Z. 9 ff.). Eine ethnographische Notiz
bei Nikolaos von Damaskus (/7/6^ HI p. 461, tr. 1 27) weiss
von den 0uvoi, deren Gebräuche denen der Bithyner gleich
gesetzt werden dürfen, zu berichten : öi^voi tovi; vavayo'uc;
q)iXava)Qc6jra)i; 8e)(ö[i8A'Oi (pi^om; jtoiovvtcxi, xwv h\. '%i\'w\' toiiq |i8V
dxoi^aicoc; §7i06vTf(c: arpohp« iij^iwgi, toug ö'exovouo? xoXa-
^ODoi (die Handschriften haben ex. und dx. sinnlos vertauscht).
Bis in welche Zeiten und mit welcher Gewähr dies gilt, lässt
sich natürlich nicht ausmachen. Jedenfalls war der Ruf der
Bithyner um 400 noch ungünstiger, indem er ihnen auch die
Menschenfreundlichkeit absprach : Xenophon Anab. VI 4,2
ev 8e T(p i-ieaq) (zwischen Byzanz und Herakleia) oXls.\\ \vh! jro/jc
O'uSei.ua ovie q)i?a'a ovte 'E?Jü|Vic;, ^\.(i ©Qdxeq Bifluvoi. xal oi'? civ
Xctßcooi TtÖA' '^EA^^'|^'0)V, 8x:rtLjrT0VTai; f) dÄ?i03; jT(og, öeivd uj^ii^Eiv
A,8Y0\'TOi TOiti; "E?t^i]VfXi;.
Da ist es freilich eine Ironie des Schicksals, wenn vierzig
Jahre nachher und wieder nach dreissig Jahren die Athener
sich über Vergewaltigung von Handelsschiffen, die unter
ihrem Schutze standen, durch die befreundete Griechenstadt
Herakleia zu beschweren liatten (361/60: IG II 87 nacli der
ausgezeichneten Ergänzung von Ad. Wilhelm, ArcJiäoI. rpigr.
Mitt. aus Ösf. XV S. 4 f. — 330: Syllogr 152, Z. 29 ff., mit dem
Kommentar von v. Wilamowitz Coiiimciit. gi'a)iiiii. W S. 24).
Diese Verhältnisse zu ordnen, verspricht Ziaelas nach dem
182 R. herzog: ein brief des kqnigs ziaelas an die KOER
\'orbild seines Vaters für sein Gebiet. Wir lernen dadurch
zwei Paragraphen des antiken Seerechts kennen, das natür-
lich ebensowenig wie das moderne Völkerrecht an sich in
Wirkung stand, sondern nur durch Verträge oder Freund-
schaftsverhältnisse zwischen einzelnen vStaaten garantiert
wurde. Die Erfüllung der Versprechungen war natürlich vom
jeweiligen guten W^illen und von der Macht, Überschreitun-
gen zu verhindern, abhängig.
Der Handelsverkehr der Koer mit dem Pontos ist aus
verschiedenen Zeiten bekannt und hat auch sonst zu politi-
tischen Verbindungen geführt. Vgl. Demosthenes c. Lacrituni
933. 936 bei Paton-Hicks, luscr. of Cos S. XLV., Meleager
Anih. Pal. XII 53 cbei/da S. XXXIV für den Schiffsverkehr,
das Proxeniedekret für Protomachos von Kios ebenda Nr. 2,
S. 2 und für zwei Byzantier Herzog KoiscJir Forschungen S.14.
Ein kölsches Proxeniedekret für einen Olbiopoliten ist ferner
in Olbia gefunden worden (Latischev Inscr. Pont. Eux. I 49
= Collitz, DialektinscJir. III 3617). Ein Dekret von Sinope aus
dem Jahr 220, ebenfalls 1 9U3 im Asklepieion gefunden, belobt
koische Gesandte für ihre tatkräftige Hilfe im Krieg gegen
König Mithradates vom kappadokischen Pontos {Archäol.
Anzeiger 1903, S. 198). Wir sehen dabei die Koer in Interes-
sengemeinschaft mit den Rhodiern (Niese II S. 387), welche
die Hegemonie der Ptolemaier im ägäischen Meer ablösten,
aber ebensowenig wie von diesen in ihrer selbständigen Poli-
tik verkürzt.
Dass die bithynischen Könige der Politik des Nikomedes
und Ziaelas treu geblieben sind, ist bekannt, und wird am be-
sten illustriert durch die Inschriften Or. Gr. Inscr. 340 — 346.
Der historische Wert unserer Urkunde kann zusammen-
gefasst werden in die Worte : Wir lernen aus ihr in instrukti-
ver Weise die praktische Bedeutung kennen, welche die den
Hellenismus erstrebenden Barbarenkönige an der Peripherie
der griechischen Welt in dem grossen Haushalt des helleni-
stischen Staatengetriebes hatten, und was für sie der Ein-
trittspreis zu den nationalen Festspielen war.
Tübingen. Rudolf Herzog.
Beilage zu S. 183 ff.
r.T P.K'C
USIS.
Beilage zu S. 1S3 fF.
DAS LAKRATEIDES -RELIEF IN ELE^SIS.
3
183
TO EN KAKY2INI AAKIWTEIAEIüN ANAr\\'«l>()X
"Ev T(ov OTToiuViioTaTCOV evQi]^iuTO)v TWY e,v 'E?.F,uaivi dvaox(x-
tpwv gh'ai dvavTiy^i]T(o; tö ev to) Moi'oeuo uvt\\c, eIc, tov toT/oa'
Eva)xo8o^^ii](j,gA'ov ' xai Eig tÖv FJtiariii^iovixov xoofiov yvcooToraTOv
A (itxy «T8 i8e 10 V dvctyAucpov, t6 ovxu) xh\dkv djio xov ava.-
Oevrog avxb AaxQOLXEibov xov xrxrd tov Iov jt. X. aiwvu 'C,Y\aavxog.
riey i TOV ävay'kv^jov noXvc, jiagd icoXXwv eyEvsTO Aoyoi;, ejr' ioyjl-
xMv 8e 8;n;Qay|iaTei''i)i] rxuTO xcu o f|[i8TEQ0(; SßoQwvog - xai jtaQ'avtcö
ei'()i]Tai xai jräoa )\ jteqi fxvTOV j-ie/Qi TOvSe ßiß^tioypaqn'a.
T6 dv(iiyAi)cpov, 0)5 yvcoaTOv, djreTeXeöOi) ex äo^A,(Öa' (jie(j1 tcx
E^i]xovTa) xEiiaiimv, tovto 8e vjifJQHE ■undoXov EQyov hvo yEQ|.iav(T)v
ägiaio'koyMv, xov iio'kvyd.avoxov Reichel, toij ToaovTOA' jiqoo)Q(i)c,
d(p' fii^Küv [lETOcaTdvTOi;, xai loi) Heberdey.
Tö EQyoA' eI,/£\' fjSi] owTEÄEaflf) xaTa to 1 893ov exoq, akXä \i6hg
xaTtt TO 18980V £8r][xoai£ivOi] \] jizqi aiiTOiJ jrpayiiaTEia xov Heber-
dey •^. rio^L^oi Se XMV dg/aio^toyoiiVTcov dTTESE/Otioav xr\v JtEoi avTOÜ
yvcü[U]v xai £Q^ii]V£Lav xov jroXii(.ia9or'(; ovA'aÖE^.cpoi". '"A\' 8£ {'Jtfjpyox'
TD^ÖV xai TlA'Eg [.li] djtoSEXOfXEVOl TUUTas, 8T][.lOöia, OOOV T0U?^dyiOT0\'
yV(OQl^O), 8EV dvTE?tEHaA'. npCÖTO«; ÄOIJIOV 6 f\\iEXEQOC, 2ß0QWV0i; dvTE-
^lE^E xai VEa\' £7tQ(5TElA'£ TOij dvay?iUfpOIt EQ[U]VEiaV.
Nd jr£QLyg«\|KO xai Eyob EVTaüOa tu dvdyXiupoA' to {)e(ü()0) öhoc
jtEQiTTOv. ÜEQiEyQaipEv T]8i] ttiJTO 6 Hcberdcv wg dpioTa ev Tfj 8ia-
TQißfi TOV, Tai5Ti]v S^r/cov i^'jr'oij'Ei o dA'ayA'(5aTi|<; t(T)v ygap [^uoa' tov-
T(ov xai TOV jcaQaTiOE|.iEA'ov :n;u'axa ^, ÖVA-aTai vd oi'A?tdß|] £A'voia\'
^ 'EjteiÖJ] td cJüTfXQTioavTa amb xf[iäyja Ötv om'Qovtai dxeyaia, d?v?.ä
xttl Ttavv xoA,oßä tü jtXeiOTa, elvai Öe ouyXQovcoc noWä toutcov ÖYXioht).
äXXoq öev un;fJQ5(e xQÖnoq 'iva naQäayuiai ti'|v eixova rofi o^^oi', ov th'ai
fiegri, r\ evoixoÖo^ioi')|iEva eig xöv toT^ov.
- IlaQ. AieOv. "E(f))]|.i. Tfi(; NopiofiaTixrjq "AQy/xioÄOYift; l'^OI oe/w. 4S" x. f'£.
•^ Festschrift für Otto ßrnndorf 1 SOS az\. I I I xal e|fjg.
* Die Beilage ist hergestellt nach einer von R. Heberdey freundlichst
vervollständigten Zeichnung W. Reicheis, welche schon einmal, 1893, ver-
vielfältigt und den Archäologen der XLII. Versammlung deutscher Philo-
184 A. a)IAI02:
uuTOV'. riepi Ö£ Tivo>v d[upiaßj|ro\'uev(i)\' f)i|j.i8io)v Od yi'v)) "/.axoneQm
6 jtQoai)xa)v Xoyog Jia()aTe»)ti|i!:'\'(o\' xai kov dvayxdiLOOV TCiyxoYQaq)!]-
(.tdicov. 'EÄimig jcepittov oXoic, vd xdf^uo syc) evtafiOa Aoyov keqX
Toö dvay^ivcpoit i' jt 6 te/vixtjv ejtoijnv, Öioti xal jieQi TOiJtov
8XQiv8\' cbg d'jJiaT(t 6 Heberdey xai ovbh' e'/a) vd jtQooOeaco sl<; xä
vk' ai'TOi) siQ)]f.ieva.
T6 JTQCOTOA' oneQ näc, xiq ei/e vd JTQd'§r] sjtixeipwv vd E^i-UiveiiGi]
tÖ dvdyXiicpoA' f)TO vd ou[^iJrXr]Qtoo(i xi]v xoXoßi]^' ejtiyQacpip' (xuxov.
'EvteüOev öe xal iJQHaTO xov e'pyou xai 6 Heberdey xal TOiita) fixo-
Aoü{)i]ag, ijjq jiQOQ TOÜTO, (oq flxog, xal 6 SßoQwvog. Kai 6 |i£V
Heberdey ov\'enh]QOiae xr\\' gjiiyQatpfjv coöe'
1) AaxQaT8i8ii5 ScoaTQdroi' 'IxaQiJei'q 18QEuc; 08ol' xal 0805 ^wi
Ei)ßoDA.8(o[5 xal Aioyevouq] xal tcov [oi^fjßcofxjtov xov
2) 'AOiivauov Äi]|_ioif 8U8Q]y8T(~)\', i'JifQ eaiiTOi' xal xibv von' 2to-
GT()dT[ou xal Aiovi)oio]d x(a xr[C, [ywuiKojc, Aiovitai-
3) uc, (Vatersname, Demotikon) xal xfjg flDjyatQog, "/(/QiaTi'iQiov
A)]|.ir)TQi xal K6qii[i xal ©ejdi xal 0s[o3i xal Ei)] ßoi'?v8T.
4) dA'8flTlX8V.
"0 Ö8 2ßoQa)vos ovv8Jt?vT)ytoa8 xfpv 8JTiyQa(pT)v ü)88'
1) AaxQatsiÖT]«; Hoioxgdxov 'Ixoqi]8i''c;, i8Q8it5 08oi) xal ©ed? xal
EußoxjÄecofg xal Aiip^rooi;] xal xwv [äJiXiov 6|ioßc6[^i]cDV ^ tou-
2) TOiq Oeäv tojv eauroil 8U8()]y£T(T)v ujteq savTOU xal to)A' imv
2(ooTQdT[ou xal Aiovl'oio]»' xal xf\q [Ibiac, yuvaixüjc Aiovvai-
3) ai; xal Käeovc xr\q eaurcoA' {JujyatQog x^Q^cft/jQiOA' Ar]fxi]Tpi xal
K6()V][i xal 0s]cT)i xal 08[di xal "Ai6i]i Eit]ßoi'/.Ei
4) . dv89r]X8\'.
jtQoaOETOJv Ott s\' TU) TETapTW oTi/o) f]öuvaTO A'd i):jtfjQ)(£A' dvayE-
YQaji^evov ev ttj dQxÜ '^ « 1 T y ijt t o ?v s |.i «.
logen vtnd vSchiilmänner in Wien zur Begrüssung gewidmet worden ist. vSie
gehört dem archäologisch -epigraphischen Seminar in Wien, von dem sie
uns zu erneuter Reproduktion durch gütige Vermittlung O. Benndorfs mit
dankenswerter Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt worden ist. Es schien
uns, dass die Zeichnung den Thatbestand und vor allem die Verteilung
der Inschriften deutlicher gibt als eine photographische Aufnahme [Red.].
' 'O TVKoq tlvui Enioi]c, b6xi[ioq, dbiavTüJv £v ejtiyQacpalg tofi 401^ ai'wvoc
n;. X., ömnq xal 6 itagä ©ouxuÖiöi] (3,59) ofioßconiog. Tavitt nQoq pjtuvoq-
i)(i)oiv TO)v ev Toic 'EA,8uaiviuxoT<; MeX8xi'i|.iaoi (AieOv. 'Eq)iin. No^. 'AQyaio-
Xoyiaq 1904 ce/i. 45 oiift. 2) Yeyya^inevojv.
TO EN EAEY2INI Ay\KPATEIAEION ANArAY<I)ON 1 8.S
'Ex T(7)V XaT(i)T8Q0J ß1]0l]OO|.l8V(i)V {)u ftllAd)!)!] Ol'A'T6|lO)g (IKV äuSi.
yjii aucpöiq, oüc, fÄjti^o), koToi oi Äöyoi, £(p^ o)v otiiqiCohevoi, oiivejT?wT|-
Q(ooav, oKMq avvfJih^QMOEv exuteyos, ttja- ejnY()a(pT|v oi avvuhehpoi.
"Ojtou 8e jv/pv 6 ävuYVO)ox)\q ä\.icpi{idXhi, öpa-utui vu jiQoacfüyTi kic
OGtt ai'TOi 01)101 8v Talg ÖiatQißuigTCOV e'xoiiai yEyQan[]ie.va.''Aimj6xEQm
hk ai aujA^TÄTiQcaaei? ocpdXkovxai xatd tt|v xqi'oia' iioi' h' xol? eHt]?'
"H xfXT« Tov ftei^TEQOv GTixov 8v «Qxf) av[.ijTXi'|(^)(i)oic; Tof) Heber-
dey "A0i]vai'(ov Ai]^ioi' Ei' e^yf to) v Öfv <V'V(a«i xal xat^ f|.if
vu f)vai oqOi] xi'()i(i)c, ojid»; x(ti 6 ^ßoQcovoc; jtaQatJiyFT ', hitWi to
euegysTWV öea' fivvatttL tA'Taüfl« i) vä r/i] xr[v e Jt 1 0 e t i x i) v
auToi) 0i]|.iaoifxv xal vd\'(«p8QT]Tai Eig tou? Oeouc, ovg Ti|ia xal y8-
QaiQZi 8ia TOI) /a p i ai )) q lo v dva{)i]|.iaT6g toi' 6 Aax()aT8iÖT|c;.
"^H [i6vy\ äga 6q\))] üV[iiiXr\QO)oig xat^ 8X8U'o tu [xigog 8ivai f| i'jto
TOiJ 2ßoß(OA'oi) yEvojisvi) TtÖA' eaDTOÜ 8{)8Qy8Ta)V. "Av 5e Tai3Ta
ftsv äoxoypvoi xov oq^ov, xa\ f\ av[i7t)i)\Qoyoic, ev tw 1« ax'v/(o xal
Aioyevovg öeA- 5ijvaTai vd fivai oqOt). 'A[,irp6T8Qai Öe, al oi'i(jr/j|-
^0)0815 xaTot Tip' aQx^v Toi3 tqi'tov axiyov ßeßauoq daxoyovni xov
oQ^oij xal TO ido[ia xov kii)ov JTQejr8t A'd ai)[ijrXiiQ(oi)r| exn ftid tcöv
— a 5 xr\<; {xov belv oc,)'- d v y ax Qog. — wq f]8i] o t8 Heber-
dey xal 6 SßoQWA'oc; djt858"/\^i]oav. 'EjteiÖT] fts 8x TavTi)? Tfjc; nv((-
jtAi)Qü)08a)g jn]ydC8i 6)c, dvayxalov oi)[,ijreQao^ia oti ^) vy axe qu htv
slj(ev o AaxQaT8ifti|i; xal wa" dxoAoi)A)i'av xe^sov, cog 6 Sß()oo)voc;
vjte?taß8v, oi)88V eleXiJte kqoocotxov xal oti to dA'dy^axpoA- hlv eT/e
[.lerCov }if]xo5 f\ öffov 6 Heberde}' xal Reiche! eöfoxav 81? ai'To, xal
ai oi'|.iJtXi]QCüö8ii; äga xov 2ßoQ03A'oi) uXXiov, Ihiac,, "A i 8 ij i •^,
' rXo)oöix<»g (jtapdß. xal Aii,u. IleQi toö otecf). {^ 72) xal ootcog txei 8ev
elvai :7TA.Ti(X|.ieW](; f) ou^uc^i]Qa)oi(;, aXV OQdotEQOv vojiil^d) üä fito riv 6 Heber-
dey EyQa(pe xov \^'\[iov xov 'A ^ i] v a i co v, oneo xal ymXXiov iVä enXi')-
Qov xb xevöv toxi ?ä^ov xax' exelvo xö (legoc.
- riaQdß. xal Athen. Mitteil. 1895 ozk. 2b2 (^^\\\.. 2. 'W oiiftÄÄ('|()(i)Oic
TOT) 2ßoQ0)vou xal K ^ 8 o 11 q T fi 5 8 a XI T o) V 0 i' Y « 1^ 0 o c 8/81 xat' eue
xal TOÖTO TO Jtapdlevov öri #ä rjöiivaTO 8i'ix6?ui)c vä jtagajT^.avi'iöii tivä eic tö
vtt voniGT) OTI 6 ScoöTQaTog xal 6 Aiovuoioc fjoav xexva toü AaxQaxsiSon
k\ (iX\-\\c, (djToOavoi'iöiic) ywaiHÖc xal xaÖTa 8vü) f| 0 i' y d x i] y ev xfi YQa-
cfiix») dvajraQaöTdo8i xoO sQyoi', 8ixovit,8Tai |.i8it^(ov xt'iv fj^Lixiav djjcfort'oov
xo)v mcöv. "Eji8ixa 8 a n x tö v xal d v 8 0 \\ x 8 v doDfißi'ßaoxa.
' 'H ou^iJi^a'iQtoöii; xal "A i 8 t) Ei'ißoit/v8T öä Tixo xal CüXmz cLTagd-
ftexxoi; öioxi ovxco xaxä xov SßoQtovov 6 ai''T«)c: üeö^ fie XQia öä d)vondl^8xo
(')V()(iaxa (I8e xä xaxcoxfQO)).
186 A. $IAIÖ2
xaid Tov lov^ 2ov xai 3ov axixov elvai oXoic, jteQiTTai xai d'xQTiöTOi ^
Kar« 08 tavta r| £;riYQafpT) e'jtQejtg vu IqpflfyYEto coöe'
1 ) AaxQaTei.8ii$ StonrTQaTOi' "IxaQieiig lEQeug 0£Oii xal Qeäq xai Ev-
ßoi)AetO(; xai tcöv oit[ißü)}((jov ton -
2) .... {)eü)v TCÖV gttDTOÜ Et'£QYET(T)\' viikg kivxov xai twv iuTja'
2cL)OTQdTOi' xai Aiovi'Gioi) xai Tr\c, yuvaixog Äiovuai -
3) ac, xr\c, KXeixov 'IxaQiecoi; ^ i^JyatQog x^Q^^'^^Q^o^ Atjixtjtqi xai
KoQTji xai 080)1 xai öeäi xai Eiißoit?i8T
4) ävEdr\yie\'.
"Av elc, Trjv dpx^^ tov 2ov oxi^/pv nginEi vd YQaq)fi t o ig r\
xaid öiüxöv TOiv f] äiiXCoc, t(o i Od ^^X^Ji xatcoTSQCo, örav iVt yiVY\
Xoyoc. xai 6id tivoc öv6|iaTog jtqsjtei vd oD^iJtXijQcoOfi t6 xct(T[^ia toü
ÄiOoi) 8V TÖJ 1<P fTTi5((p t6 [.letd triv Äe^iv EvßovÄewg.
Süf^upcova fis TTjv aD^jrXiiQcaaiv, r\v sxa|X8v 8xdT8Qog tü)v avva-
Mhpcov xf\q EJTiYQaq^fig, 'i)jTriQH8 xai f) e^jii^veia xov dvaYAvcpov. '0
Heberdey rpQ0V8i öxi 6 Aaxgateiöiig f]TO [lev Ieqevc, xov Qeov Tf]g
08dg xai TOÜ EvßoDÄswg xai akXmv tivwv 9e(ov s'H«) Tfjg 'E^^Evaivog
XaTQeuoj.i8Vü)v, dv£i)i|X8v 6\iO)c, xb dvdOijfxd toi», öjrojg to a(p^6[,i8vov
iit-poi; xr\q 8rtiYpafpf]g dofpaXwg jiaQTVQeT, 8ig tt]v Ai'ipiTQa, ttjv K6qi)v,
tov 086a', ttja' 08dv xai tov Ei'ßoi»?L8a, Tif^ifjg '/aQiv JTQOTd^ag Tdg bvo
\%dg. 'Ejt8i8»| 08 ai bvo {isai, 8i xai ai Jiapd tdg xecpaXdg aiiTwv
SKiyQacpal djtcD/i8afl)]oav, ovSea' ("^ttov aacpwg 8ij?iovvTai 8V ttö dva-
yXxHfKo, (hg ejTiaT]g aaqxög öii^oüvTai xai 6 086g xai f) 08d, dpa
E V ß o V X 8 V g Eivai 6 xaxd t6 dxQov 88|id öaöoii/og vea^'iag'
oitTog 08 sxQdT8i xai xXd8ov yiXrwxaxoc, d[.iJt8?iOi», twv cpuA^ojv tov
OTioiOD otp^ovTai Xei\\mva sjil TOii yi^'l^i^voi) ßpa^iovog toü Jiap' avx(ö
noxe laxafxevov AaxpaTeiSoD. Ol d7Joi 8i1o i^eoi, 6 YlXovx(ßv xai
6 TQiJTTÖ?i8(.iog, oi'88v xoivoA' el/ov jTQog TTJV ävddeoiv xai tÖv dva-
OeTijv. '0 T()iJTT6?i8[xog djreixovioi)'») 8V xCö ävaykvcpcx), wg 8| avTfjg
Tf^g q)uo80)g xfjg :7taQaoTdo8ü)g, 6 Se ü^toiiTCOv ü)g •ö^8aTi]g. 08oi S'ejti-
or]g, ü)g OeaTal jrapiaTd[X8voi, {)8aTal o^icjog [18t' 8v8ia(p890VTog xd xe-
Aoi3f4,8va jtaQaxoXovi}oi5vT£g, tt)v ?a"]i|^iv h]k. xcov oTax^tov jrapd toO
* 'H ouptXriQcooK; xov SßoQcovoii xai x f) g i 8 i a g y ^' v a i x ö q {^d elxe
6qÖ0)c, dv ujtfiQxov ^oyoi ejrißa^t^iOVTE^ axixi'iv, öxi 6nco(; f)xo xai dvayxaia, (hq
6 SßoQojvoi; Xeyei, ngbq djrocpnYTiv Jt a q e ^ t] Y i) ö e to c, ftev "ftd d;ie8ex6|.iT)V
üq oqOov xai äv ulXn^q elyov xä Jigayi-iaxa.
■ 'Evvoelxai öxi xoijxo exe^i) a n X o) q öioxi jt^riQoi xö xevov xoö Xi^ov.
IloTov fiTo x(> (»vofia toü n^axQO^ xr]q Aunvaiaq xai x6 fiii|.ioTixöv auxoü, döi)?iOV.
TO EN EAEY2INI AAKPATEIAEION ANArAV<I>()X
187
TT]v A/|!iiiTQ« [io()rpai, f| [lev ywaiKEia, f) jiQOfTcajtOKOuioK; tf); 'EAei'-
oivo?, 6 8e Jialg, 6 nXovTOg. \A.A.A.u ;i£Qi tovtoi' 6^io?tOYfL xai oiiitü;
oTi, av övTOoq ftpay^iaia' |ivqtoi' (iftp ttjv eIxüv(x 1) xai ö-/!
aiuxi'? -' xpatei, nAofiTOs bh hivvca«! \'u iiA'fxi. Kai teXoc; vofAi'CEi oti
Elx. I.
' ToÜTO JtQCÖTO? 6 "ZKiäq naQ^x^Q^aF ('E(()ii((. 'Aq%. 1901 aeX. 34). 'A?L?.ä
Jtooov orfdX?ieTai 6 ovvdöe^tcpoq (fpovcöv öxi toi'itod ye fvexu 6 rtaig fixovi^ei
TÖv "lax^ov !
'^ Kai syto (oq a t d x ii <; slxov exJtdßei tö xßaToi'inEA'ov ('Ecpi](i. 'Apx- ^ ^^^
o. 261). 'A?i?id xai oräyyg dv fx^dTei 6 nalq, yiäXXiaTii. i)Ö('vaTO v</. fivai 6 eteqoc
TO)v xiio)v Toii AaxQaTEiftoii. E'ic fii'inTiiv xai ordxi'fc fifv Od fjoav dvdQfiooToi.
188 A. $IA102
EX TWY Da'I^TWA' ^lOVO? 6 AaXQaTELÖl^g 8LX0A'l^£T0 ^l8Ta|l) TWY {)eG)V
0)A' I8Q8IJ1; f]TO, b\]h TOI) 0 8 0 V, X\]C, 0 8 CX q X(tl TOr» E l' ("5 O 1' A 8 (0 q,
älX' 8X a8ßaai.ioü xai jxetQiocpQoavA'ijg oXwg JiQoanmog xai oiovei
815 tÖ ßctfloi; xfjs bKr]c, eixovog xai:i8Q Laoi3i|jTig jTQog toijg öeovg
8ixovi^6|i8vog.
"0 8s 2ßoQü)vog öTj^Kpcava ngbc, x]]v avnnXr\Q(ooiv rfjg EjriyQa-
cpf]g vo[.iiCsi OTi 8V t(p avay^^iJcptü 8lxovi'^ovto oAoi oi 8v ifj ejtiyQacpfj
[,iv)]jiov8uö[.i8Voi 1^801 xai öXoi Ol flviiTOi, vneg (hv xb ävdd^][iu, xrxi
dvTiaTQOcpco; öxi oi 8v tw dvayXucpq) 8lxovi^6[18voi i)80i ef^ivii^io-
A'8vovTO 8V xr\ 8JtiyQa(pfj jidyxeq xai 8t] ö'^i [.lövov ev x(o 1« ai'tfig
[.ISQ81, evda 6 Xoyog JtEßi xov tlvwv Uewv f]TO ieqei)? 6 AaxQatEiÖT]?,
äkh\ xai 8V TÖ) 2fp tco dvaflij^ianxa). Kaid bk Tai'Ta 6 E v ß o n Ä 8 v g
xrig 8jnyQaq)f]c xai 6 Yllovx oiv xov ävayhjcpov slvai ev xai x6
auTO JtQÖöü):fiov, slg xai 6 aiitog fleog. ÜQog Jioiav eyd) djroxAivco
yvwfxiiv, [lavxevEi 6 d^'ayva)OTT]g e| oocov d\'0)TeQOL) 8ijrov ji8qi xov
jrcög sjtQ8Jt8 vd cpfleyyTitai f| einiygacp)'). '0 8e xöj^ißog toij ö^iOi' C^]x^]-
iiatog 8Lvai dvavtig^rJTfog outog xai |.i6vov oi'iog, dv b\]L vkuq'/^ovoi
Aoyoi 8i'V()t^i£voi vd [.idg jiEiacoon' oti övtwg nXoikoov xai EijßoitAEiig
Eivai Eig xai o ai'tög i^eög. '"Aa' toiito dTtoöeixöfj, vo|i,i^to oii xai 6
Heberdey 88\' -^0. de}\.r\oi(] vd E[i[iEivr\ eig ttjv eppivsiav tov.
"Oti 6 nXoiiTOv exaÄElTO xai EußoiiÄEvg eivai ßEßaiov,
dfpov xo [xaQTi'(_)or)oiv ai m^yal {iKugaß. 2. oeX. 496) ^ 'AÄXd t6t8 8iaTi,
dv JT8Q1 ToD aiiTOÖ Oeoü jTQüxeixai, M^'0[^do^)^] ouTog jie öi'io övouaTa;
AiaTi 8V [.18V xf\ ejriypatpf] övo^id'^eTai Ev ß oi' ?i8 u g, jragd 88 Ti|V
8ix6va TOI' eyQdfpn IJlovxiov; 'OpOov 8ivai ßeßaiojg t6 jiaQd
Toi3 SßoQoavou ?u8y6[X8vov oti, dv 88v imfJQxs jtapd xi\v sixöva t6
ovd\ia IIXovT03v, o{i88ig ■^d e8i0Ta^8 vd xavxior\ toütov jiQog tov
Tfjg ejTiyQacpfjg Ei)ßov?i8a. ^AX)' dcpov vTidgiei; - 'GqOov eh'ai sjtl-
oi]g xai OTI 6 AaxQaT£i8T]g üdv6\iaae xov Oeov oiStw xaT'8{)cpT][i.iofx6v
xai djTo8i'o:jt8Ti|aLV (Sßopwvog s. d.). 'AyJid toüto &ev dQX8L vo[iil,ü)
vd d\)i] jrdöav Suoxo^aav. Tö oti Se Jtapd xi]v Eixova Ey^dcpi] n?u)v-
TO)v jTQog djiOfpL'yi|v jtaQE^T)yi'|OE(og dato tov darjfxoi' yoipoßoaxov
' HaQdß. xai Daremberg et Sajjlio Dictionnairc drs anttquitcs ev ?te£Ei
Evßoi)?i.8iji;.
"^ MriJtfoc auTO toüto ftev t'ivdYxaoe t6v Kern {Afheti. Mitteil. 1891 ozk.d)
vd Tai'iTiar) tÖv Etißo\)?>.ea toü ijUETepou dvayJiiJCpov n:Q6q tov Aia Evßoii-
?!. e fx ; üapaß. xai Furtwängler Mcistcr'n'rrkc aeX. 562. 'A?.A.ä xai Ruhensohn
Mystcrietilieiligtilmcr oeX. 1 98.
TO EN EAEY:i:iNr AAKPATEIAEION ANArAY«I)ON 189
El' ßo T Af (I) g (^. e. d.) ftev fiv«i xat' FfiF. (■ictoiuoq (^ixato^.oyia,
fiiOTi, A'Oj-u'tco oTi, oaov ÖTiKOTe xrxl av bex fjouv nT<ti)Fy(ti xni dfifT«-
xivi|Tni jTa()u TOI«; "E?iXi]oi cd i^epi OfxTjA' x(a fK^m'xDv fvvoiui fvfxu
Tov fi»! (^OYf^KaixoD /at)axTfi(^)<)s xT\(; {iQi^ny.nag kov, Toiui'Tai tivfi;
jr«QEHilY)'|oei<; Öfa' i)u fia(tv bi'AMtial xal [.idkioxa ev ttj ?.«Tp8ia xal
ToTi; y.Qyoic, x\\c. tfx\'1|c; toT^ Fig aiiTijv uvfxcpeQOfievoK;. 'Ev tovtok;
uftin'cxTov x«T^ FjiF \'u oin'E/eFTO 6 ExjßovAeix; nA.oiJTO)v kqoc,
Tov oi'ßooTiiv Ei)ßoii?i£a. "A?Jos AoiJiov jTQgjrei vd fiv(xi o loyoc,
xat' E^8 5i' ov 6 auTOC Oeoi; o)vo[.i(ioi)ii [ie bvo övoj^iata. 'AW.u Jtyiv
T) E^ifiwiAEv elc, TTjA' 8^6X001 V TOUTOi' Toü QiiTt') [lUTOi; dvdtyxi] V(x fHetu-
ocDUEV av ujrdpxoi'oi Aoyoi dN'ayxfx'CovTE; /|fi«5 vd 8ex0<~)(,iev oti
O n?iOVT(OV T0l'Ad}(tOT0V ((SlOTl JTEyl TOU TqijttoA£[.iov »)d fi^ii-
v(a6 Tic; vä ftE/i^fl f\' dx'fxyxv) t)']v yva)[.iiiv xov Heberdey) Ukqeke
va |(vii[iov£U7]TaL EV tfi EJtiypacpfi xcxl bi\ ö/i [lövov ev t« a^'(^\)^\[^a-
Tixcp avTfjg [^lEQEi, d?iA,d xrxl ev xih [ieqei evOcx dvayQacpovtai oi i)eoi,
cbv lEQEUi; f]TO 6 Aax^jrxTEiöiig.
n(h'TEg ÖE'/ovrcxi öxi t6 dvdyÄL'cpo\' f]v i8qv(X£vov ev xCo ieqw,
Evfla xal EiiQFfliioav 'ujr' qioD jtaA'Ta ayEfto\' xä te^kx^kx ai'toü xcxl
OTl TO lEQOV TOIITO elvai TO nAOl'TtOVElOV, TO XOV IT ?. O ü T 0) V O 5
1] T O l E p Ö V TOV YIXOVX COV OQ TOJV ?j'i)cov ( JiaQfxß. Ditteii-
b erger .Sj>'//(9^r - d()iO. 587 xal 651) ^ Elvai ?ioi:n:öv jtiaTEi'Tov oti
o AaxQaTEifti]?, oaTig xaTd Heberdey {aek. 1 1 3) xal n:QoiaTaTO toO
EV ?t6ycp lEQOi^, lÖQiJEi \ikv EV x(ö nÄovTfovEicp TO dvdd-))[.id tov xal
eixovitEi EV avxö) tov YlkovxMVd, (Y/la xal 8ev yEQaiQEi xov Oeov
8id TOÜ dva9T'][iaT(5i; tov; 'Ev toj dvaf)i||.iaTix(p Xoikov yiegei xr\g ejti
yQacpfji; ejtqejie Jidvxoic, vd f)TO dvayEyQa[,i^i£V05 xal 6 llÄoikcDV.
Td vjto Toü [lUKUQixov von Prott X£y6[iEva {^ithoi. Mitteil. 1899
geA. 265) öev |iol xpaivovTai :rT£ioTixd. '"Av, öjTcaq ?i£yEi 6 von Prott,
EV TW n?l01)TtOVEl(p 6 n ?v O Ü T 0) V aUN'ETttVTl'^ETO Xai^' ÖÄoxXl|(3l(X\'
JTQÖc tov OeOV, xal f| 0Ed OVVETaVXl^ETO JTQOg TTjV KoQlJV, tt?vXd
ToC'TO ÖEV fi[iJt68ia£ TOA' AaxQaTEi8i]v vdvaf^EaT) to d\'di)>ind tov xal
Eig n\v 0£dv xal Eig rrjv K 6 q i] v. Nof^ii^o) [^kxAiotcx TouvavTiov öxi
Td A.£yü[^i£va vjto tov von Prott GVvnyoQortaiv im£Q rfi^ yvto^ii|c; |.ioi'
OJTfOq aVT)) XaTÜ)T£Q(0 £XTU')£T(XI. '() n?iOl')TÜ)V 8l]?v. EV T(p AaXQaTEl-
ÖEicp dvayAvcpü) EyivE Evßov^vEvq, ojtoj«; ökog ftidxpoQOi; dnoßf)
' 'O Heberdey (oe?u 1 1 I xal 1 1 5) YQ«(pet so.tjenannten Plutonion , u)X ö-
ficDg, MC, jtQO(pOQixo)i; (.lol 8l;n;e, 8t:5(,et(XL oti övtOi; tö it-QÖv Kxtiv« elvai xo
n ?>. o u T o') V e i O A'.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX 1 3
190 A. $IAI02
Toü öeoü, xaiV ov TQ6:ncov xal f| 0ea eyive K6qi] ^ 'AÄ?.d xal er
Tfö KQonoy [lEQEi TT]; €.:iivyQa(pr\z e[.iv)][^iov£i^£TO xat' e^ie 6 n?.oi'T03v.
E!Jto^' av(f)TeQ03 oti xal xara tt]v sutjv yvcofxiiv tÖ xevov xov
ÄiOoii 8A' TCp 1 V öTi/ü) t6 iiera tija' /.e'^ia' E v ß o v a e co ; n:oen:eL va
OL'[.in;/vi)Q(o{Hi Öid TOiJ övouaiog e/.evaiviaxf); tivoc iSeÖtiito;. Tovto
8e ävayyiaidig \ik iiyaygv et; xi]v axe^'u' [^iiiJtcog {)d f|8\ivd[i8Öa vd
»^EöWfxev EXEi o'xi Hoti Ai]nriTQog, CO? 6 2. Edif/Ev, ullä äji'kGiq
Ilkovx cov og, OJTOTE ^ä EAEiJtE xcxi 1] ^-lEydb] EXELV»! bvoKoXia, sig
r\v mixxec, jTQOoEXQOvaaiiev, xrxi vd ov\iK/i)\Qd)oo)[iev xb teXo? xov lo^'
ox'v/pv xal x}]v äQ'/j]y xov 2ov coÖe :zo)c, : x a l E v ß o v '/. e co g 11 Ä o v-
r CO V o 5 xal t (Ö v o v [i ß c6 |.i co a' t o v t oj i d e w a' t co a' ea v x o v
£ l) £ Q y E T CO A', UJTOOeTOVTEs Ol'TCOi; Otl G U [^l ß ÜJ f^l O l TOIJ E V ß o v-
/. £ 0) 5 n A o i' T CO A' 0 g OeoI EA'A'OOVA'Tai »"] A 1] II r\ X )]o y.id f) dji' au-
xr\g u'/Logioxog K6 yi) -. ^AkV ofxo/ioyd) oti jipoaExooi'oa Eig 8\J0 jtqo
n-dvTCOv Övaxo/iac. IIqcotoa' oti Iv tco Api]cpiG|^iaTi tööv änagy^MV
(Dittenb. Sylloge - ägid. 20), tceqI ou EOTai f\[ilv 6 loyoc, xal xaTO)-
TEQOO, d\'ay£yQa[X[X£vov cpeQExm djr/xö; : xal 0eo) xal 0£a xal Kv-
ßou?vCp (=Evßou?tET) xal 6£vt£Q0A' oti f| ai'^in:/j]Qcooi; tou ydo\.ia-
TOS Toi3 lidov yMxä xov lovoTiyov \.iexä x\]\' Ae|ia' Ei> ß o d ae oj $,
XüafAttTOi;, ÖjTeq 6 liev Heberdey auvEjrXi'ioooGE biä öcoÖExa yQa[.i-
^idtojv 6 Se SßoQcÖA'Os 6i' EA'ÖExa, Öi'EvvEtt nÖA'ov yoaj.mdTCOv,
Ögcx bx\k. l'xEt y\ yEA'ixT) riÄoiWcovog, Sev Eivai xal tcolv nidaw],
UV xal )] £jTiyQa(pi] bev Eivai gtoixiiSov y£yQa^i|iEv»], Td bk y^d^i-
fifXTCt TT xctl Q xuTaXafißdvoi'oi g/etixcoc [.lEiLova i] Td Äourcx yjhgov.
T6 OTi xaxd Tai)TT]v ttja' GV|.in:AT]Q03oiv ouÖETEQa tcT)A' bvo Oecov öd
' nagaö^ETOi Evxaööa yäQiv ew.ouac to)v dvayvtooTcov aiHä tu KÖyM toü
von Prott : Wenn endlich Lakrateides, der Priester ©eoö xai 0eä<; xai Ev-
^ovXeo^q, sein den ganzen eleusinischen Götterkreis wiedergebendes Weih-
relief im Plutonion aufstellt, so kann er es, a b g e s e h e n v o n T r i p t o-
1 e m o s, nur weihen Ai'i[xtitqi, Koqtii, öewi, Qeäu Ei)ßou?w8l. Pluton muss
in der Weihung fehlen, obwohl er auf dem Relief dargestellt ist. Denn
man konnte wohl die verschiedenen Seiten des Unterweltsgottes, die in
einzelnen Fällen sogar der Ritus getrennt hielt, neben einander darstellen,
aber weihen konnte man ihm nur an der Stätte seiner Verehrung und an
der Stätte seiner Verehrung ist Pluton — 0eöc ein unteilbares gött-
liches Wesen> . (IlaQttß. xai Furtwängler Meisterwerke oe?v. 5b3 oii(a.).
'^ "0x1 VI Ai|_ui'|xiiy xa'i r) Koqi) ely^ov xivag xoivdi; -^DOiag \xz xov n?kOu-
xcova |.iaQTi.iQor)öiv ol ÄiOoi (naydß. IG II 834 '', II 4h xai von Prott, e. d.
253. 254. 'Ev dvcxYx.ij Öe Oä i'i&i'ivaxo vd {ij-TOxeOf) toc oi3^ißo)|.ioc xovxov xai
6 TQL-TXüÄe|.i05 xal xö 6vo|.id xou vdvaYQacffi Ej-ti'oii^ ev xw TExaQxco öxi'/co.
TO EN EAEY2INI AAKPATEIAEION ANArAY«I>ON 191
IfivimovevfTO 6vo|i«OTi 8v TOj 1w H8QEI TT); E:nYoaf(yfi;, 6e\' \)(). J\xo
Xöyog vd.TOQ^ii|'o)|^i£v auTi^v, '/.ai)ö)c, en:ia7]g xal t6 oti, evw ev xfi e-ii-
YQa(pfi {)a e(p£Q£TO Y8YQa|i|xeA'0v E i' ß o v ?. e fn ; II Ä o v t oj v o g, '
JTUQU TVjA' eiXOVU EVOUfpl] (Lt/.(T); 11 ä o V t o> V o'/i eS'Exa E?v/.8irpE0jg
yojgov. Xd)Qo; ßE^aioj; vjTfio/E xal 1x81 va yQWiJ(\ Ev {^ov'Kev c,
II/lOvtojv, aiJ.ä xai dvaYxuIov Öev f|TO xatu tt)v Yvo.)jii]v ^ov.
"Av ÄoL-rov öid Tov; dvo)TeQO) ^.OYOvg y\ tiuq^ e|xoü jiqoteivoh£vi|
aL'|x:t/.7'|Qcoai!; ftgv yi"*']! «-toÖexti], dn^o|i£VEi ^lovov f| vno xov 2ßo-
QCDvoi' YE^'^lte^'i] £.i(n'0)of)o)|iEvii xatd tu dvo)T£Q(» (oeÄ. 1 86) . . . xal
A 1] [l 1| T 0 O C X (/. l T ÖJ V 6 |X O ß OJ H (I) A' T O U T 0 l V - i) £ O» V T OJ A'
I a V T o ij £ V £ Q Y £ T d) V •^. Kaid rd n:ooeioi||A£va OL'Ö€|.iia oJ.h] Eivai
Öuvairj, 6 bk /.OYog, ÖT öv xat' £|X£, dv ÖEy_i)dj|.i£v tt|v ov[i:i'/.r\QO)niv
xov 2., 6 avTOi; Deog xa/wEitai jxe ovo öv6|xaTa, xal Jia^d Tf|V Eixöva
EYC)d(f 1] YIlovx CO V xal ö/i Evßov^iEvg, Elvai 6 £^5'
Tö övona ToD {)eov y\xo YI},<)vxo)\ xal xo ie^ov aittoü
xa?^iTai EV xfi '/.oyoboaia xöJv En:iaxaxwv 'EaevoivoiJea' xoü exov;
329/8 TT. X. x6 xov n /. o i'x 0) A' o 5 (jiagdß. xal dvojxEQOj oeä. 1 89)
xaOoj; e7iioi]c, ev xfi auxfi /.OYOÖooia /iY8xai x o v ß co [x 6 v xov
n Ä o V T (0 V o g jt £ ^ i a /. 8 T >p (/. i XU l X o V i d 0 a i xxÄ. '() /ugd-
■ 'E\'\'oeiTai otzoöev oxi ciotig d:iüÖKxOr| tt|v dvojTtgoi oufinÄi'ißoJOiv
E u ß o u Ä t 0» 5 n /u o u T 0) V o c iiä ngoo^iow xcxl e'i; tijv d{)'/j\v xov 4ou öxi-
XOU TTIV Ö0TIXT|V 11 /. O U T 0> V l.
^ NofAi'i^ü) UTi ;i()ü(; (bro(fUYi1v :taQe|r)YT|öe(»; t o u t o i v -/.uX oy.i t o u-
T o i 5 iiä f|TO YEYüannevov.
^ Ai öuoxo/.itti, tlg cig 6 Heberdej- 7i{jooi/.QOvmv, <5>ate xain^gy 0X£<f Oeig,
öev auvenc/.r|Q(ooev ofiog Öid toö ovofjiaTog novov Tfjg Ar\[it]XQO(; xö xevöv
Toü 'UQov, Öev eivtti a\'v:iiQfih]xoi xal xovto, eljuii ßeßaiog, •Od ö^oXoyi'iöij
xttl airrog, dt>-/'.£i vu :TEioOf| oti E vi ß o u /v e ü g xal 11 /. o u x oj v elvui elg
xal 6 autog i) e 6 g. Aiuti outog slvai, wg xal dvojxeyoj eLxov, 6 x 6 n ß o g
xoü :iQoß/.j'i[taxog. Kai dÄiifJöJg öev ß/.En;oj Ötaxi i)ä J]Xo uövivaTOv r\ xal dn;/.(7tg
Övoxo?i.ov vtt wtOTeü-g oxi 6 AaxQaxeLÖT]g fjxo f\br\ ietjeüg xoü 0 e o v xal xfjg
0 e tt g xttl xoü Evßov?. eojg xal el/.ev fjÖT] xoüxov xov xixÄov oxe ey^^'^^o
xal X o l v 0£ o l V lEQeüg ovxe Öiaxi Üä f|xo döijvaxov vu ovy/.e\'XQÖ)a\\
xttx' Exeivovg [xd/.ioxa xovg /yövoDg x6 d'^ioj|.ia xoü lEQeojg oyEÖov Jiaoojv
xöJv 'E/^uoiviojv iJEoxr|xojv. "Oxi öe vtieq txdöag yeQaiQui xög ö ü o 0 e <i g
djtoöei^ig xö dvaörinaxixöv |xeoog xfjg e;iiYea(ff|g. "A'/J.x] xig öuoxo/.ia ex :i(jü»-
XT|g xov/.dyioxov oT|)eüjg da 7]xo on;ovöaioxeQa, xö öxi Öt|/.. ev xolg /.idoig Ötv
fi\T|HOVEV'Exai lEQeüg xoiv Oeolv (ör|?t. xfjg AT'ifATiTQog xal K6Qr\c,) xal
onüjg vofii'l^oj öxi (nuQtt xd ev xolg 'EÄEUoiviaxoig (aov Me/.eTT|naöi yQWi^ivxa
Aiedv. 'E(fr)^i. xf|: Nofi. 'Apy. 1904 oe?.. 44) ev xqj U\)o) (/6t V, I, 1 c)
ögÖöig 6 Böckh elye (xv\Jüi'/:r\Q(j)nn röv tcßt'a zöv Oeoiv.
192 A. $IAl02
xn^g ÄoiJTOA' 6 /uya^ag Kugä xäq ^Ixövag xä 6v6\iaT(iL ?jiq?ke vä h]-
Xioar] \ik To xaO' avxb 6vo[ut xbv fieov, o\' f) £ix(o\' eixoA'i'Cev, dcpi'vcoA'
8iq Tov AaxQaTeifiiir vä h^Xoior\ vnb Jtoiav lb{6xy]xa )\deXe ftia xov
äva{)r\\mx6c, xov vä x\\.ir\ar\ xov 8lxovr^6[^iEvov DeoA' xai locoi; xai
<^ia TOÜTOV dxofx») tov XöyoA' o AaxgaTCiÖT]!; xa?t£T eavxbv lepecx
Tof) EiißoDÄeco? xai tw Eiißoi'AeT dvaOeTti t6 dvd{)i]|id toit '. ""Av
öe [idhoxa oaa [^leA^ao a-u ei'jto) xaTcoxeQco Jtegl toö ©eoü x(ti xf\c.
Seüc, bkv Cioxo^ovoi xov ()Q\)ov, dvayxaia f| 8idx(^)ioi(; avx)].
Kai reo ö'vTi 0e6i; xcu öed öev öüvovrai \'d d)oiv, ü)c 6 S.
A'Of.u'^ei, xil-irtiQ«? [.iivfloXoYixdg djroxaAwv oaa oi jcqo avtoC jieqI avxGn'
y.yQa\\Hiv, 6 " Aay.h\mbc, xai f) Gv'^i'yog {f\ f| xoQii aurou) 'VyLeia.
"Oti 6 'A OK A.}]jriö<; oi'VEÖfD»! mog Jigbg tag 'EÄEiiaiviai; T^edg xai ttjv
XaxQeiav avxwv djto tou xiXovc, xov 5ov jt. X. atwvog xai ecpe'^fjg,
oLiftelg 6 dQvoi3[^i8vos. MapTi'Qoriai xö jtQdyna aucpwc, uvxä xä 'Ejti-
() av Qia', Iva etq Taüta xai [lovov jiegioQiafla), jtaQaÄEiJtcov ciXXa
TEX|„if]Qia. 'AÄÄ'ex TOi'iTOii ftev oxn'dyexcu, jig^v^lOÜ y£ xai toij navxbc, bei,
bxi o'UTog xai r\ "YyiEia EA,aTQEvovTO ev 'EXeiioIvi xai 6t| ev tw 11 kov-
TOJVEiq) \,idl\axa viib xb uooioxov xai [iDaTrjQiwÖEi; övo(j,a ©Eog
xai 0 £ d. "H AatQEia toD 'Aoxäiijtiou £io)]xOi] Eig xi]v 'Attixt^v, Eivai
JtQdyf-ia |„i£[AaQTi)QTi|i£A'ov tatOQixcTx; xai yvcootov ■\ okeq ou8' 6 oi^vdi-
ftE^cpoc dyA'oeT, xatd t6 etoc; 421ov jc. X. "Oxi E^iatQEVETO xai txqo-
TEQOv, Eatü) xai dv£:rTioiij.uog, oi)8E|.u'aA', ooov yivcoaxo), e'/ojiea' [.laptv-
Qiav äkXä xai d\' EÄatpEUETO, EÄatQEVETO ax; tjqcü?, dq)oi) xatd toa'
nauaavi'av (II 24,7), ov ouTog 6 2. jraQaA^ETEi, xai •Oeov
djt' EXEivov rpaalv 'A öx^ij jt; i 6 v acpiGi a- o (x i a{)^f) A' a i,
hr[}i. djTü TOiJ xQOA'oi» Trjg EjrioTJfxoD Eiaaycoyf]? xr]Q XaxQsiac, xov. Katd
TOV aufxßdvTa xard xo öevteqov eto^ xov IlEAojrovA'i^aiaxoij KoXe\iov
}iO[\x6v, xafl' ov Ol EyxwQioi fJQWE? laTQOi duEÖEixi^iioav dvi-
xavoi xai dAvoiTEAElg, öwarov, jri0av6\' [idXioxa, Öioti xai jteqI tou-
TOi' ovbE\iiu :n;Q0odyETai ^aQTiiQia, oi 'AO^iivaloi vd £aTQ8A|;av Tr)A'
:xQoooyi|v aitrcov xai ngbq xbv ev 'EjtiÖaiiQqj a^eov, xai tol'to l'acoc;
vd i)mi(.)H£A' f) dcpOQ(.ii| xf\c, ^ETax^^rjaECüg cwxov elc. 'Ai)i'|A'ac, äX}C, cog
8{>^ri{hi, f| (.iErdxÄi]oii; Ey£V8T0 xaxd xö exog 421°^ Jt. X., djt' sxsivoi»
88 xoü /Qovon fj^'^axo xai \] kaxgeia (tuxou f) |jtioT]^AOc; ev 'Ai'h'|vaic:
' IlaQttß. xai Furtwängler Meistenvcrkr neh 5b3.
- ria^dß. xai Foucart Lcs Strands Myxtcr<'x iVKIriisis r(f?u 1 1 5 xai eHrjc:, xai
Atlun. Mitlril. 1885 ozk. 3b5 xai e|i"iq.
^ riaQaß. xai "Ay/. 'P^cf-t||i. 1901 of?i. 97 xai ^%^\c,.
TO EN EAEYSINl AAKPATKl \K1()N AXATAV'lX )X 1 Q3
(og rtpoü, fJTic; y.al (i.vt\\ hyy (| (/.i'\'!-rui vu \]to tu xftt' ui.)"/*^; >'-«) mky<</.i|,
wpov Tu if(>()v, r\' (|> hyKHTfax(a)\\ o kjT)]?iiic; ilFoq c^tv Tito tmm]\n')v ti
lepoA', TO (V fijto Ti]v 'Ax(_)(')jr()Xi\', x(/.Ta tijv iie.oii|i(\)iviiv (dnf\c, xXi-
TiM', 'Aox?oiJTieTov exTiatti] (»pahi'TFoov. 'AX?jt tu o\'0[i«tu Qeoq
x(u 0eu ujravT(T)(Tn' i]8i] fv to) xui uvcdtfqo) uvi||i()\'8i'i)evTi i(»T)(pi-
afuxTi JT8^)1 T0)\' än(i.Qy(~y\' (of/.. 1 90) ö:n:eo xfaü toa' Foiicart {B('//
1880 oeX. 254 X. fH. ) 5i^ oi'aiaaTixoi'c; xfxl KuhjuoyQmpixovQ Äoyoi'i;
8ev SuvaTtti va i\v<i.\ A-FfOTeyov Tfic; fjti Nixiov Flpip')]^ »l, l'vfx to
XaTCOTMTOA' O^)IO(i) noi(»\', Tf\q FjtI T|'|V ^IXF/tUtA' FXOTßaTeiag, b\]X. TOÜ
FTOi'c; 415°^ JT. X. Kai A,oiJt6v Fyo)T(I), elvai (^^waTOv va JTioTeivfir) x(/.l
aKOvbauoc. vKOox)\Q\y^\)\\ oti fvtoc; fH xul ^i()\'0\' etcüv Ejri togoütoa-
i]X[.iaoE x(xi £[.i£YFiVivi))l )\ AaT(^)Eia Tofi EJtrj?aiÖ05 Oeoü xov \x6lic,
dir' FXEivoi' xov iQovov {)eov voiuGilevTOc:, (oote O'&x'i ev tfj xoivfi
?iaÄioi T 0 ) V dvi) Q (0 :iT 0) V, dAX' ev F7ri.oi||.iOTdT(0 Hn]cpia[iaTi toü
A%un) x(tt ftf) i|'riq.u'ofiaTi il>ii(pia9FVTi xwTa xt^il^^^iOA' xov h' AeÄq^oig
OfoT) xal oxojiovvxi va FJTa\'a(pF9)| Fiq £\'£QYFi,aA' /(x ?ia q co i) e i o a g
)] d [i e/vI] i) £ i a ag dp5(aiac; OQijnxFi'Tixdg m'vr|{)ELag ^ vd xaÄr|Tai
ouTog xal f| Yi'vf] aiiTOV "YyiEia ö/i ftid tcöv Y^'f'JOTcöv auTWA' ö\'()-
}.uxT03v, dX?:' dji^uoi; 0 e ö s xal Ö e d ; ^H oj-IOiotiic, )|v eu^ioxei 6 ^.
Tov 0EOV x(u Tfic ©Edg Toö Aax()(XT£iÖEioi' ävay)iV(pov, izQoq xov
'A ax?. 1) JT I ö V xal x)]v "YYtEiaA' xmv YA'0)aT(T)\' ex xov "AaxX^Jtwiov
xal eH äXXoiv [lEQtoA' [(,vii^i.£io)\', xal vjidQypvao. Ti'yov, o{'5fv djtoÖEi-
xvuei, (b? EJtiotii; ovÖEv djrohEixvL'ODoi xal jrdvTa Ta JtaQaÖEiyfiaTa, ooa
o ipiXoc, üvvdbehpoz eneacoQfivaev, Iva xcxTaÖEit»] oti Oeoc x(xt' eHo-
iy\v ExaÄEiTO 6 'AoxXi]jtioi; xal öi| xal e'^ejtitiiÖEi; ei'Otjc; (.lEid t»iv ejti-
ai)}iov £iaaYO)Yiiv "^'Is ActTQEiag aiiToD eIc, xy]v 'Attixtia' x(xl jtEyiTTOA'
Oeco^Ö) [„laxQOv A'(x xaTaTEivco tov keqI ai'Twv ^lOyoA'. 'AAÄd xal oa(x
ÄEyEi JtEQl T(ov xaXoii[^(£A'(ov A'Expo8Ei:n;vü)v xal tov AT'0i^iaj(i8Eio\) d\'a-
yA'UcpOD bev avvi]yoQOVoi :Ta\'Td.Tcaoiv -ujceq xf\c, yvcüpic tou -.
0EO5 xal 0£d AoiJTOV Sev fivcxi, 6 'Aox?i)]jri65 xal \\ "VyiEia.
'A?Jid xal TLA'Eg v|oav ?.oijr6v oi Aeoi outoi, ovc, xal A'd ovopctatDoi
6id TOU Ibiov övö[(aTog öev eto^i^uov ;
rio^iÄol •' TÜJV Ta JTQ(OTa (pEQOA'TfOV EV TOI? YG"[H^'''^l ^^^^ ^11 ^^"^^l"
' 2tix- 4 — 5. «ojiaQxeöOaL toiv öeoiv xoTi xcxyjroO xcjltü tä jiäxQiii. x.al
TTjji [lavTEiav TT)v ey Ae?afcöv (jtaydß. xal Foucart e. d. ofk. 2i2).
^ ITaQdß. 'Aq-/. 'Ecf)i)j(. 1886 osX. 19 xal e^fji; xal Furtwängler S/tzuiigs-
hcnchlc der Bayer. Akademie 1897 az\. 40() xai eS,.
■' Ilaydß. löia Foucart BCH, 1883 oe?^. 403 x. eS. xal ReeliereJus stir /'or/-
gine et la iiaticre des Mysteres d'Eleusis oe?i. 23 x. e|. Furtwäiigler Colleetion
194 A. MAI02
aTi]|i,r) r\ay^oXr\^-\]oav negi to ^rJTTif^ia, äXlä vä 8Jta\'a?^dßo) eyo) EATavOcx
jtctA'TOOV xovxtöv xäc, yA'cüjiag xal vu deXY\a(D vä xäc, i'JtoßdAco elg xfjv
ßooavov TT]? XQiTixfjg 8ev Aecgqu) dvayxcüov. "Oti f]0av /{^ovioi Oeoi
oiiÖEig 6 uQvoi'[xevog. 'Ex Öe toij AaxQatEiSeioi) dvayKKpoi) Ev^ioycog
öiJvaTai vd Eix(xm')f) otl sÄarQEiJOVTO ev tu) avTM ieqü), Ev{)a xal 6
n?i,oi)Ta)v ^ 'EjteiÖt) öe f) AaTQEia avTcov (paivExai oi»oa dQxaiOTdTT)
EV 'EAedoIvi 2, ou8ö?vO)(; djtii)avov vd ^avOdvT) vjto toijtoi»? f\ dQ/aio-
TaTT] ^iDaTixf) ÄaTQEia twv jipoyoA'oov ^ exeivod toij 'EAEvoivtaxoT'
yEvoi'i;, ov f\ (.inaTixT) AaTQEia, f| oi)v tÖ) XQOVfo djtoßdaa na\'EXkr\vioc,
xal xaTOJtiv Jtayxoof^uog fiTO t6 xut' dg/d? d:n:oxXEioTixov XTfjjia. "Ote
xaTOJtiv, öid Tf]g Eiaaycoyfjg xf\q XaxQEiag xr\c, Ai]f,ii]TQog eHco^^ev (ex
KQT]Ti]g xaxd tÖv ''Op]Qixov vp'ov) xcd xf\q mgcuxego) eIeÄiIecd?
xov f,ii')i)oit 8id TTJg [^iivOoXoyoDi-iEvr]? dg:T;ayfj(; xf\c, K6qi]c;, ev tco "j^Öt)
xDQittQxoi xal ßaadEig Eyxa{)i8QiJv)i]aav 6 TlXovxcov xal i^ 'E JtaiVT]
n £ Q 0 E cp 6 V E i a, Ol dQ/EyovoL exeTvoi {}eoI anv£TavTLofli]aav xaTa
Tiva TQOJtov jiQog xovq xataÄaßoA'Tai; Ti]A' iIeoiv twv, äXX' ev ttj Xa-
TQEia, T]Tig Eivai Td [idXa ödvttiqtitlxti, E|iEivav ÄEUTpEDO^Evoi ü)g ©Eog
xal 0Ed xal xovxov jtQCOTioTa jtdvTCOV ovoj^id^Ei EauTOV lEQEa 6 Aa-
xQttTEiÖT]?. 'AXX"" f| oDVTaiJTiaK; ai)Tü)v exeivt] tzqoc, xov HXovxoiva
xal TTjv nEQOE(pövi]v Eiq xä JtvEv^mTa twv dvttQoojtoav £'xa[,iEV oSöte
6 UXovxuyv jtapd tov 0e6v xal xr\v 0£dv tiv}£[xevoi vd [li] ovo^xd-
^TjTai [iE TO xa{}' a-UTO ovo|id tod, äXXä jxe t6 ejiu^tov E{)ßoi)A,Ei3(; ^.
AiOTi dv 6 EiißonXEix; toij AaxQaTEiÖEiov dvayÄiJcpov ovSeIi; äXXog
ELvai, xttTd Td jtQO£iQTi|i£va, f] 6 £v aiiTcp Eixovi^ö^Evoi; UXovxwv,
ovÖE^iia dficptßo^aa Öti aiiTO«; ovxoc, ea^voi^teoi; xal ev to) A|)T]q)La[i,aTi
ToJv äjiaQiMV. Kai Ibov biaxi Eljtov dvcoTEQO) oti TOiauTi] Tig 8id-
xpidig fjTO dvayxaia {oeXA92). "Yjtö tt]v 0Ti)yvT]v ai>Toi5 l8i6Ti]Ta, o)?
XAjQLOi; TOiJ "Aöou, dvTEJtQOöcojtEi^ETO ^\bi"[ 8id TOL' 0 E 0 iJ, onog xal
f| KoQi] 8id xf\q 0£dg, äXX" EJtQEJiE vd TipiOfj xal XaTpEiiOfi xal vno
Sabouroff 08^. 20 x. e|. von Prott Athen. Mitteil. 1899, otk. 254 v..k\. Rohde
Psyche I * oe?t. 1 96 öTl pi.
' 'Agd 78 ex TOiJTov 8ev ^d TjÖTJvato vot eixaoOfj xal xoöe dx6}iT|, oti
öl' avto 8v TÖ) iitTicpLo^iaTi Tcöv ojiaQx^öv (I8e dvwx. oeL 190) 6 ETißoA)A,og
d;t0T8?i.8L (i8T' a-UTÖJv TQidSa ; Aioti hy^K. xal 8X81 6 Eiißox)?iO(; oiiöev dA-^^o
elvai >! 6 n^oiJTWv ;
"^ Ilapaß. xal Foucart xal von Prott evda dvcoTegco.
^ üagaß. xal Furtwängler Sitzungsberichte e. d.
* "Ojioa) djravT^ ^exd xfjq Ati^ii^tqoi; xal Koqi]^ xaA,8ixai nA,ovTü)v (löe
dvwx. oeX. 190, oii|x. 2).
TO EN EAEY2INI AAKPATEIAEION ANArAY<I'()N 195
Tt|V älh]\' (nvxov ((SiOTtira ti|\' (r;(<i))'|\', ti|A' scj^enbrinj^ciulcn -/.uxu
Furtwängler eijteIv, xui evit-uOev to) E^lJoiiÄei uvitOeTti xo uvu-
\h]\id TOD 6 Aax(.)(jiT8i(Si|c; yjd xov Ev(:5()i)Af.o)c yrnkn kwxbv lEQea,
akXu JtuQu x\\\' eixova toi» yyfupgi t6 xa9' ai'xo ovouu nÄo\)To)v.
'A?Ji' ¥yßx(i)n(i.\' XU xiaa xov i) e 6 v x(d ti|\' I) e a v o.Td.); xfxi äv
E/war JT^oc xox ki'i(_)I()A' axojroA- xov Äoyoi' |,ioi' elvcxi i,x(a'()v, oti acu^xoc,
Ebr\)Moa OTI (Sev (Se/oj^uu [ij-tu Tof» 2. oti Oeoq x«! ileu eivai
6 'AoxÄiiJTio;; X(/.i fj "\'Yiei«. W/.Xa tiia' yviopiv toc oti IIäoutcoa-
xai Evßoi'Aei'c; jtQejrei vii. i'i\'(/.i fi(; xca 6 auTog deoc, uo^TaCo^iai xal
8i' oo(x ävMxeQco eljtov xal Öiu xä elfjg axofii). 'EjiQeoßeuov ' öi)/..
xal eyci) xal irtQeGßevco oti ev tco dray^^npo) elxovi'^eTO xal ö^ti r\ olxo-
YF,veia TOI' AaxQaTeiÖov. 'A^iAu x(ti (^e/of-ifvoi oti f| oKiodev xr\<; Ai^fH)-
xQog Y''^'<''"^t"i''' f'OQcpi) (-ixm'i'Ce tija' yuvalxc/. tou AaxpaTEi^oi' Aiov»'-
aiav xal 6 ttoq' auTijv jrcxiq, 6 x^xaojv Ta ÖQ(xy|.iaTa Tiig [uiqtov,
Tov exEQoy xiov i'iiov (ti'TOv, TTor ujtu{.)/ei TOJToq A'u TO;roO8Tr)0a)|.iev
Tov älKov i'iov, üA' JtQEJTgi xttl vu. T»Jco()eo(i)[iev TeÄ£0\' fxXi:TÖvTa, av
6 babov'/^oq veaviac, eiA-ai 6 EußoiW^gv^ xal ö/i 6 [xeya^eiTEQOs
i'ioi; xov AaxQttTEiöoi' ScooTpaTOc ; Kai av E u (3 oi' ^iEij ? eu'ai
6 b abov yoc, v eolv lag Öev Elvai JtaQdöolo? f| Oeok; tou AaxQa-
telÖod QTQEqpovTOs JTQüs avTOv xä v(hxa ;
KaTCc bk TaÜTa 6 bqbovyoq. VEaviac, oaTiq ExpctTEi xy\ öe'^ux x^lu-
8ov ä\iKi)iOv xuxä xov Heberdey, tcov cpvXkmv -^ (eIxojv 2) Toi5 ojtoiov
aq)'CovTai ÄEUj'ava xaTa t6 a(p'C6|.iEvov j^ieqoc tov dpioTEgoü ßpa/io-
vog xov AaxQaTEiÖou, eIve 6 (lEyaÄEiTEQog vlbg xov AaxyaTEiöov 2o')-
öTQttTog. "Exo|.iEv }.oijt6v oi5tco ev [lEocp xovq deovc, jtctVTag, Aiii-U^Toa
KÖQ11V, nXoi)T(l)V(X- EußoDÄEa, TQlJtTÖÄE[,lOV 0e6v xal 0Edv xal EX(t-
TEpcoi^EV xaTa toc bvo äxga tzqoc. xä b?hä [iev tÖ\' AaxQaTEiÖTiv xcxl
' Kai ixQO xf\Q öUf.ijr/JiQOJöEOK Tüö dvaY?cü(füü (i'Öe "Aqx- 'EcpTi|.i. 1886
oeÄ.. 27) xal y.ax6niv, ötb tö dvdy^^ucjpov nuv8jT:?ii]QCt)iöii, en.iixs\'OV sie xi]\' yv()mr\\
jiov, aUi ejteiÖT] eixov üotoÖexö»! ovyxQÖvcoc, oti E u ß o u ?t e ü c ^xo 6 ö (^ ö o i'-
Xog veavia? dÖuvatov fioi fito vd dvojiaQaöTi'ioo) xö öko\ xov ävayKvcfov
- 'O 2. vonr(;ei OTL eivai oekivov (pvXXa xal eii; e^ie TOiaüxa E;tioi)c
ecfdvTioav d?J.' i'ococ xal bEvxiga xiq elexaoig elvai dvayxaia naQÖ^Toq xal ßo-
xavixoö dvÖQÖc. Uqöq 8e rouToig 6 2. vojxit^ei oxi 8ev sivai eiixo^og oti8' evvoti-
Toc; f| dvajraydoTaoic toii fivi|ueiou 8id xoö 8 a 8 o i3 x o i' v e a v i o v x q a-
TofM'xoi; y.X(tb ov ^\ äXXo dvxixEL^evov ev tu ensieQiEiyovio xal
x>.d8oi aeXivov, ov xä Xei\^a\'a xcöv q)u?J.(uv. 'Ema-\]q euvöiixov 8ev eivai auxo)
xal KÜq 6 AaxQaxei8T](; üd fi8uvaxo vd XQaxfj x6v x7.d8ov r\ xö y.äviazQ o v
ÖKEQ avxöq ecpavxdöÖTj. 'A^^' dcpoö ukXo jtqöocojxov 8ev ujtfjQx^ i
196
A. $IAIOS
Tov iHOv auTOV ScoaxpctTO^', TiQoc, xägiaxEgä bh t)\v Aiovi'aiav [.leia
Toü vioij Aiovvaioi' KQoc, avTOi'i; (tov^ i)eoi)q) Jigoo^kEKOvicuQ, ok oe-
ßi^ovta?, xai taig /egalv td KQOoY\y.ovTU xQuxovvxac, öV(j,ßoAa ^
OvTCo 08 a'iQETai, vof.ii^(o, jiäoa bvoxoXia xai näoa dtojiia xai t6
ävdyXvcpov jtQ0GXa[.iß«v8i lö^- eviaiOA' exei\'OV yaQaxxf\Qa, ov ymI
EJiQEKE xax' E\XE vä E'/Y]. Ae\' oi^ioifxuei ßeßauoc hqoc, xä uDm top
Elx. 2.
aiiroi) el'öovg äva^r\\iaxa, üx; fjöi) xal 6 Heberdey Jcageti^piioE,
"KainEQ (pQovwv öti ev avxcö ek twv Avi^tcov [lovoi; 6 AaxoatEi-
8iig 8Lxovi^8TO, älJiä xaxä xi]v i^ef.ieÄicoö'»] svvoiav xai öev öux-
^ Ti 6 AaxQaT8i8T]g xal f) Aiovvioia exydrouv eic xdc '/EigaQ, äby]Xo\'.
"lotOQ xal ouÖEV expatouv s'xovTeg jiovov Tt]\' öttiav {ii|>o)[.igvi]v xata to ot'ivi]-
des oxfi^a TCüv oeßi^ovTcov.
TO EX EAEYVIXI AAKPATEIAEION AXArAV<I>OX 1^7
(ppoei ai'Tof'. "Oti b? x«! d)o(tt()TF(iov elvcti kov a/.ÄcDv uv(o'li|H(tTi-
XO)V T r .t OJ V T(0\' 8lxOVl^6vT(i)A' X(a(\ OFIOaV Ffl.TOOOllf.V T<ö\' >)kT»v
eic luxyoTeoov [.lEye^og nuvxac, top; of|"}i"Covt(/.:, voiii'C«) oti Ou oi'vo-
iioAoYi]o(ooi (.101 .lavTE;.
"^H 8[Ui aitf-ißoWj fi.; t6 foy^'^' t(I)v .-rooxcao/cDV nn\\ eIc; tö Foyov
i8l(ü<; xov Heberde}' üotic, iitta tof' Reicliel, dvcxi 6 yevvj'iKDt),
ovTWi; sijrelv, xov dvay^LUcpoi', xai öotig Öui tT);; 6iaT()ißiis xoi' h'Iiixf
TUs ßf-toei? JTQO^ lijA' jreQ«iT£Q(o eQem'w, öev en'ui jieydli). 'A/Jw(x
xai |itx^)d oi''o« jTiOavov va bo)n\\ u({'OQ\t\\v va eHeTfxaOf) xai af'Oii;
ävev ji Q OK ux a k r\ i|' e (o v tu öiu tip' u7T()(^)1(xv 1% {)oi)oxsi'(xc
xai TT)A' LU'floXoyiav tojv ägyniun' 'K'Lh\\'u)\' o.TOi'öc/iOTaTOv A(xxo(t-
TEiÖEtov «A'dy?aK('o\'.
'Ev \\ili'iv(u^, yjLxu Oe(\)ov(X(_)iov 1903.
A. OiXiog.
Y. r. Tb •/ei()6y()ucp()\' tT]; (tvtoteyco ^iiitoait-:i'()[(i-'\'i|; hicnoi-
(")f]; jtEQi ToO A a X Q a T f i ft £ i o i' a y u y /^ v cp o i' eix^v ^b^ ."T«o<t-
bo{)fi, ojicog TVJto3{)fi, elq xov ejtI ifig ExööaEwg tojv Afhciiisclicii
Alitteihingeu x. H. Schrader, ote jtEQifi?.Oe\' ei^ "/^^Q"? F^ov f] ejti
öiftaxTOQia £vaioi[i,o; öiaTgißr) xov x. H. G. Priiigsheim <; Archäo-
logische Beiträge zur Geschichte des Eleiisiiiischcn Kults ^.
"Oaa O[ico5 ev tt] öiaTQißfj toü VEapoD 8i8dxTOQOs XEyovTai jteqi
Tov A a X Q a T £ 1 8 f i o i' d \' u y k v cp o v {ael. 79 x. eH. x«i ael. 11 2)
8EV fXol JtaQ£O/0V dq)00uf)V ru (lETußd^JD TI xibv dvWTEpd) ElQllflEVCOV
[loi, ä}Skä vä Jiooodiou) [^lovov tu dxoXovOa.
"On 6 n^ouTOJv (Eitßoi'AEU?) eIxe x(d lEQEiav (Pringslieini
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aEÄ. 195) A'd Jjoi die aufgefransten Mantelzipfel des Lakra-
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.-ra()(iJt/.avi]9£ii; dva(ifpiß(')?.(oc ex tT); oyi y.(i}S]C, (p (ox ox v :j laz xy\z
Kagä Tu) Heberdey. 'Av((yxti lauxbv i] A'djTo8ExOw}i£A' xi\y yx'ionijv
TOVTOi', r\, Euv övTCOi; djto8Eixi)f| oti TOiavri) x\g xov EQyov ov((;tA)|-
(jcooig Elvai d8i'A'aT05, A'd 8Eyi)(~)[.iEV (jraodß. dvwT. aeh 195 oi)i-i. 2)
198 A. $IAIOS: TO EN EAEYSINI. AAKPATEIAEION ANAFAY^ON
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TSiörig. "AÄAi] eHT]yi]ai5, xat« Ti\v yvib[i^]v fiov tovAci/iotov, Ösv x^Q^S
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Myexai, 8ev f]To 8in'aTÖA' va vjxdQi]] |ieT«Hi' toü AaxQaT8i8o\) xal
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TSiSeioit avayXvcpov £XEy{h]oav elc; V7iooxr\QiE,iv xr\c, yvco^irii; oti eivai
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i'jroTeOcöai & 8 o l i] f] g (o 8 q xal ovyl d v \) q co :rt o i. M>]jiroq jioUol
TWY ijtjtecov Tf]q ^(oocpoQOv xov TLaQdevan'OQ bev cpoQOvoiv 8|ißd8aq
!] 8v8QO|.ii8aq ; Kai 88v ecpöpouv ägd ye 8|_ißd8aq i] 8v8Qoui8aq
Ol ecprißoi Ol rriv T^uiTixrp' cpQonQdv xciöv ieqwv djTOT8?iOi'VTEq ;
'Ev 'Ai^h^vaiq, xard 'louviov 1905.
A. 0).
' 'A?ti)0(T)c; öev evvoco Jtcoc 6 Sxiäi; f|?td8v ei;; TaiJT>]V triv oy.i^nv, dqjoi)
xat' autöv ToiJTov, önov h' [ivTijteioit; eftgi^Tai u.miKovia[iivog 6 "lax^oq,
eixoviterai jtdvTote v e a v i a g i") xovXä'/iOTov 8 cp ii ß o c y\ [i e ?v ?*. e cp ri ß o q*
öioTi ßeßauoq :rt a l g öev elvai ovÖ' 6 toü Jtivaxoi; Tfjg Ni(i)vviou babov^oq.
Kai 8JTei8i] 6 Xöyoq n£Qi tot'itod xov Jtivaxog aq oTi^ieuooco evTaiJöa ev jraQÖScj)
Ta E^fig-
Mi] djtüÖexonevoq oi>8e^iiav xmv eig aoTÖv SoüeioÄv eQpiveicöv, JiQeoßeuwv
ö' dvexaOev oti, OTtoog 6 'AgioTocpavTig (BaTQu^. oti^. 315 xai elfjg, ex8. Koch)
xal 6 fii^ieTeQog rtivaxo7QU(pog (i) 6 eH oi' ouTog dvTeyQavlie) evejtvev-
ad)] {ijtö Tfjg no[mr\c xov 'Idxxon (jraydß. xal n?tOUTaQ. 'A?txiß. tj i2), dxQißcög
eig Tr)v ^leXeTTiv xai 8()|it]\'eiav aitToö xaT8Yiv(SnT]v ejtl TauTi^g Tfjg ßdoecog
öTijQi'Qonevog OTE 7i8Qif|^Ö8v Eig yeiQäq ^lou f| dv(o |.ivi] [.lovevi^e loa öiaTQißii
Toö Pringsheim, tv ij xal jieqi xov :;Tivaxog Tiig Ni(i)v\aou ixavög yiveTai ^^oyog
(oeX. 64 xal 8|.). XaiQOi ßKe.Ktnv oti ev Jto^XoTg eE, opioicav OQpy&evTEg naQa-
TiiQi'joeov xare^irVSafiev d^upoTepoi eig Td auTd oüf(.JteQdonaTa. Aiacfieyo^ev
öncog xal ev oxi öJj'yoig. 'A?.?id Sev elvai evTaßOa 6 xaTdX^)i?iog TOvtog vd
Yivi) 3Tec>i TOUTfov iiaxyoTeyog ^^.oyog. Aio, cog xal 8^ o.Qyri\q ioKonovv, ■&d
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ATHEN. MITTEILUNGEN IDOf).
TAI-ICL \'III.
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T I M O N I I) A S.
(Hierzu Taf. \'III).
Eine mir durch die Liebenswürdigkeit des Herrn vStais
ermöglichte Untersuchung der bekannten Troi'los-Vase des
Timonidas im Athener Nationahnuseum (Collignon-Couve
Cataloguc des vascs pciuts du Mn-
see d'Athenes Nr. 620) zeigte, dass
nicht nur die erste Publikation in
der ArcJiäol. Zeitung 1863 Taf. 175,
auf welche alle andern bisher vor-
handenen Abbildungen ' zurückge-
hen, stilistisch ganz ungenügend
ist, sondern auch, dass sich, zumal
für die Technik, am Original doch
wesentlich mehr erkennen lässt als
jene Zeichnung und auch die neu-
este, ziemlich flüchtige Beschreibung
bei Collignon-Couve angeben. So
schien eine neue Abbildung dieses
Hauptwerkes altkorinthischer Kera-
mik wünschenswert. Tafel VHI A
Abb.l. DieTimonidas-Vaseim gibt den Bildstreifen nach einer von
athenischen Nationalmuseum, mir in allen Einzelheiten geprüften
Zeichnung von E. Gillieron; die bei-
stehende Skizze vergegenwärtigt die Form und Dekoration.
Technik: Der feingeschlämmte, gelbgrüne Ton ist
glänzend poliert; Die Malerei ist bis auf ganz geringe Firnis-
reste völlig verschwunden, doch aus der Beschaffenheit des
an allen früher mit Firnis bedeckten Stellen glanzlos «-ewor-
1 Uu-ncr Vorlegeblätter 1888 Taf. 1; Baumeister Denkmäler III Fig. 2100
S. 1963 ; Brunn Kjmstgeschichte S. 151, Fig. 125.
200 G. WElCivER
denen Tones fast überall mit voller vSicherheit zu ergänzen.
Auf dem dunkelbraunen Firnis war z. T. Rotviolett aufge-
setzt. Die geringen vSj^uren davon, die sich bei günstigem
Lichte an einer leichten Schattierung der stumpfen Ober-
fläche erkennen lassen, genügen jedoch nicht, um eine auch
nur einigermaassen sichere Rekonstruktion zu gestatten, wir
haben uns daher mit einer gleichmässigen Färbung aller ur-
sprünglich gefirnisten Partien begnügt. Spuren von aufge-
setztem Weiss sind nicht vorhanden.
Einzelne Teile des Bildes waren nur in Umrisszeich-
nung gegeben, der gelbgrüne Tongrund trat gleichwertig
als dritte Farbe zu Braun und Violett. Die sorgfältige Gra-
vierung erleichtert die Scheidung ursprünglich gefirnissten
und tongrundiger Partien, sie findet sich nur bei den einst
flächenhaft mit Firnis abgedeckten Teilen; Umriss und In-
nenzeichnung aller tongrundigen Partien — es sind die Unter-
gewänder, das vordere Pferd, Fleischteile und Haarbänder
beider Frauen, die Hydria, die Brunnenmauer und das Gor-
goneion auf Achills Schild — sind mit verdünntem Firnis ge-
geben, ebenso alle Inschriften.
Dekoration: Der in der Mitte leicht eingedrückte
Boden der Flasche ist in abwechselnd braunen und tongrun-
digen Halbmonden mit dem Ornament des laufenden Rades
bedeckt. Auf der Schulter hängendes Blattornament — Firnis-
malerei in tongrundig ausgesparter breiter Umrahmung — ,
an der Lippe ein Kranz tongrundiger spitzer Blätter, dazwi-
schen am Hals, durch drei Firnislinien getrennt, Netzmuster
und vertikale Zickzacklinien.
Der Bildstreifen läuft nicht ohne LTnterbrechung um
den Gefässkörper : zwischen Anfang und Ende der Komposi-
tion ist ein Ornamentstreif gesetzt, der auf Taf. VIII A rechts
neben Achill -erscheint. Er wäre richtiger links neben Pria-
mos angegeben worden, denn es scheint, dass darin eine
Erinnerung an die Stadtmauer zu erkennen ist, vor die der
König getreten ist, um den Auszug des Tro'ilos zu beobach-
ten. Die auch sonst naheliegende Vermutung, dass Timoni-
das eine grössere Komposition wiedergebe, erhält dadurch
eine wesentliche Stütze.
TIMONIDAS 201
Die nach rechts oerichtete Darstelluiio;- beginnt links mit
Priamos. Die Inschrift ist dcntlicli zn lesen, das Signia
etwas missraten. Die Finoer der \or<^estreckten 1. Hand sind
geschlossen, doch ist keine Spnr eines vStabes zu erkennen.
Violett auf dem Himation ist wahrscheinlicli, doch niclit mit
Sicherheit zu erweisen.
Die zweite bärtige Figur, wieder in tongrundigem Chiton
und farbigem Himation, hält im Cxespräch mit der hinter
den Pferden stehenden Dienerin beide Arme mit lang ausge-
streckten Händen halb erhoben. Vor ihr sind deutlich die
Buchstaben 5^® zu erkennen, hinter den bisher allein gelese-
nen und auf die Figur hinter den Pferden bezogenen Buch-
staben BO ein deutliches M. davor ein ©: der freibleibende,
ganz verscheuerte Raum genügt nur für einen breiten Buch-
staben, S. so dass 2®2!©BOM zu lesen sein wird, ein aller-
dings wohl noch nicht bezeugter Männername. Die Beischrift
gehört also zur zweiten Figur und macht deren Deutung auf
Antenor ebenso hinfällig, wie die der hinter den Pferden nach
1. schreitenden Gestalt auf Kreusa.
Die Fleischteile dieser Figur sind tongrundig, sie ist also
weiblich. Ihr ärmelloser, bis zu den ganz verblichenen Füssen
reichender Chiton ist deutlich unter den Pferdeleibern, auch
links von den linken Hinterbeinen sichtbar. Die linke Hand,
hoch gehoben, hält einen flachen Gegenstand, eine Schüssel
oder eher einen Korb, auf dem Kopf fest. Der Unterarm ist zu
lang^ und dünn g-eraten. Die r. Hand ist niclit zu sehen. Lan-
ges, breites Haar fällt bis auf die Schulter herab, die Binde ist
tongrundig ausgespart. Die zugehörige Namensbeischrift muss
rechts vom Unterkörper zwischen den Pferdebeinen gestan-
den haben, wo auf dem ganz verscheuerten Grunde vielleicht
noch ein Tj zu erkennen ist.
Das vordere Pferd ist tongrundig; Auge, Zaumzeug und
sonstige Innenzeichnung sind mit verdünntem Firnis gegeben,
vom Rotviolett der Mähne sind noch ziemlich grosse Reste
erhalten. Das hintere Pferd war ganz mit Firnis abgedeckt,
die Füsse sind verschwunden. Die Inschriften iAN©OM und
AMOTjAM sind richtig gelesen, die Querstriche oben und unten
am 3E deutlich erkennbar; es liegt also, wie schon Löschcke
202 G. WEICKER
Arch. Zeitung 1876 S. 116, 22 vermutete, keine Verwendung-
von + im Werte von Xi vor.
Troi'los, bärtig, mit ziemlich kurzem Haar — die in
der ersten Publikation gezeichnete Locke ist nicht vorhanden
— trug, wie zwei gravierte Linien am Halse und an beiden
Achseln beweisen, ein kurzes, eng anliegendes Gewand ohne
Ärmel, dessen unterer Abschluss nicht angegeben ist. Lhiiriss
und Innenzeichnung sind graviert. In der gesenkten R. hält er
einen langen Stab und die Zügel beider Pferde, die teils — auf
seinem Körper — graviert, teils mit verdünntem Firnis gemalt
sind. Die L. ist halb vorgestreckt, die auf dem Körper des
Mädchens gravierten sehr langen Finger sind deutlich zu er-
kennen. Die Beischrift ist leider stark verscheuert, interessant
jedoch ein deutlich erkennbares h vor dem S!.
Gesicht, Arme und Haarbinde der Polyxena sind ton-
grundig;^ sie trägt einen ärmellosen Chiton (unten stark zer-
stört). Die R. ist verschwunden, mit dem sehr langen 1. Arm
taucht sie die Hydria ins Becken direkt unter den Wasser-
strahl, der aus dem sorgfältig gravierten Löwenmaul hervor-
springt. Dies ist an einer tongrundigen Mauer angebracht,
welche sich hinter dem Baum bis in den oberen Abschluss-
streifen des Bildes erhebt. Rechts wird sie in fünf deutlichen
Absätzen auf die halbe Breite reduziert. Die Quaderschichten
sind mit dünnen Firnisstreifen angegeben.
Der Bau m war mit braunem Firnis gemalt, graviert
sind jedoch nur der Hauptstamm, die Ansätze der Äste, soweit
sie die Mauer decken, und die Astlöcher am Stamm. Reste
brauner Farbe erhalten.
Achill ist die am besten erhaltene Figur. Sein Knie
berührt den Erdboden nicht, er springt also bereits hervor.
Tongrundig ist nur das Gorgoneion. Am Schild sind gra-
viert der innere Kreis, der äussere, soweit er auf Firnis steht,
Haare, Bart, Ohren und Zunge des Cxorgoneion. Alles andere
ist Zeichnung. Tongrundig ist auch die halbe Palmette hinter
Achilleus — ein letztes Rudiment des Füllornaments. Beischrift
und Künstlersignatur sind richtig wiederofegfeben.
Anders von Rhoden in Baumeisters Denkmälern III S. 1964.
TIMONIDAS 203
Die auf Tai. VIII I>, C in zwei Ansicliten /.um ersten Mal
veröffentlichte Vase (H. (),2(); I)ni. (),14ö) befindet sich im
Akademischen Kunstmuseum zu Bonn. Photographien und
Beschreibung- habe ich Löschckes nie versagender Liebens-
würdigkeit zu danken. Sie wurde aus Münchner Privatbesitz
erworben und ist nach glaubwürdiger Angabe bei Korinth
gefunden. In der P'orm ahmt sie, wie die Troi'losvase des
Timonidas, einen Flaschenkürbis nach; wo am Kürbis die
Blüte sitzt, ist der Boden der Flasche leicht eingezogen.
Dicht unter der Lippe ist auch bei ihr der Hals durchlocht,
um eine Schnur durchziehen zu können.
Technik: feingeschlämmter hellgelber Ton ; die Ober-
fläche ist so sorgfältig geglättet, dass sie glänzt. Die Malerei
war mit nahezu schwarzem Firnis ausgeführt, auf den an
zahlreichen Stellen Rot aufgesetzt war. Beide Farben sind
bis auf geringe Spuren abgesprungen, doch lässt der in den
Ton eingezogene Firnis die Malerei in matter bräunlicher
Silhouette erkennen, die ursprünglich rot gemalten Partien
sind meist etwas dunkler als die nur gefirnissten. Nur beim
Ornament ist der hellgelbe Tongrund im Werte weisser "Farbe
verwendet. Die roten und die schwarzen Flächen sind in der
Regel durch Ritzlinien getrennt, der Aussenkontur ist, mit
einer Ausnahme, bei allen menschlichen Gesichtern graviert.
Dekoration: an Hals und Schulter wechselnde Rei-
hen von Punkt- und Stabornament. Die Blättchen des letzte-
ren scheinen im obersten Streifen alle rot gewesen zu sein,
im Mittelstreifen rot und schwarz, im Schulterstreifen Hess
der Maler in unregelmässigem Abstand zwischen den roten
und schwarzen Blättchen mehrere tongrundig.
Den Boden der Flasche ziert, wie an dem von Timo-
nidas signierten Exemplar, das Ornament des laufenden
Rads, aus schwarzen, roten und tongrundigen Halbmonden
gebildet. Streifen verschiedener Breite, die ursprünglich
gleichfalls den beliebten Wechsel von Schwarz, Rot und
Tongrund zeigten, schlössen das Ornament nach oben ab.
Der Bauch ist mit zwei umlaufenden Tierstreifen verziert,
die durch eine sorgfältig zwischen zwei Firnislinien gesetzte
Doppelreihe roter Punkte getrennt sind. Den oberen Strei-
204 G. WEI-CKER
f e n füllen, drei Ansichtspunkten der Vase entsprechend, drei
antithetische Gruppen : zwischen zwei sitzenden Sphingen
(Flügel aufgebogen, Gesicht, Brust, Muskel am Hinterschen-
kel, einzelne Federn rot), stehen zwei Menschen einander ge-
genüber, die Hände vorgestreckt. Unbärtigkeit und Tracht
— langer Chiton, langes Haar, rotes Haarband — sprechen
dafür, dass es Frauen sein sollen ; der schwarze Fleischton
und die Kreisform der gravierten Augen beweisen bekannt-
lich auf dieser Stufe der korinthischen Keramik nichts dage-
gen (Longperier Miisec Xapolcon HI pl. LXV; Lau Griccli.
Vasen Taf. HI). Die Frau links ist grösser als die andere.
R. ein Hahn zwischen zwei Sirenen mit erhobenen Flügeln
(rot beim Hahn : Punkte an Hals und Brust, einzelne Federn,
bei den Sirenen Gesicht, Brust, Mittelstreif der Flügel, ein-
zelne Schwung- und Schwanzfedern). Die dritte Gruppe wird
von einer Sirene mit ausgebreiteten Flügeln zwischen zwei
Sphingen gebildet. Unterer Streifen: Drei antithetische
Gruppen und eine Einzelfigur. Unter den Frauen eine Sirene
mit ausgebreiteten Flügeln zwischen zwei Sphingen, links
eine umblickende Sirene mit halberhobenen Flügeln, gleich-
falls zwischen zwei Sphingen, es folgen zwei sitzende Sphin-
gen im Wappenschema um ein Geschlinge mit Doppelpal-
mette gruppiert, schliesslich eine einzelne Sirene mit ausge-
breiteten Flügeln. Auch in diesem Streifen war Rot ausgiebig
verwendet. Der Bildgrund ist in beiden Streifen mit grossen
und kleinen Rosetten gefüllt.
' Also dieselben Tierstreifen wie auf hunderten von alt-
korinthischen Gefässen. Die Flasche trägt keine Signatur,
aber Form und Ornament, die denen der Troilosflasche so auf-
fallend entsprechen, machen ihre Zugehörigkeit zum Kreise
des Timonidas sicher, zu seiner Werkstatt höchst wahrschein-
lich. Ich möchte in ihr eine Jugendarbeit des Meisters sehen,
entstanden noch ganz unter dem Banne der traditionellen
korinthischen Vasenmalerei mit Tierstreifen-Dekoration. Nur
die in der korinthischen Keramik seltene Form und die rein
ornamentalen Elemente am Hals, der Schulter und am Boden
lassen die erwachende Selbständigkeit erkennen. Beides bleibt
auch fernerhin, wie die Troilosvase zeigt, für Timonidas cha-
TIMONIDAS 205
rakteristisch ; entschlossen aber wirft er die veralteten Tier-
streifen und die unmoderne Rosettenfüllung über Bord- nur
ein letzter Rest findet sich noch auf der Troilosvase in der
halben tongrundio^en Palmette hinter Achill — und schliesst
sich eng an die neue Richtung an, die unter stark chalkidi-
schem Einfluss die jüngere korinthische Keramik beherrscht '.
Fortan signiert er mit dem Selbstbewusstsein des Meisters
seine Gefässe.
Charakteristisch für die neue Richtung ist neben dem
Aufgeben der Tierstreifen und des Füllornaments die ton-
grundige Umrisszeichnung für die Fleischteile der Frauen.
Zu den vielen schon beobachteten Beispielen der Art - kommt
als neues die Athener Timonidasflasche hinzu. Die Sitte ist
von Osten her eingedrungen, wo man, wie u. a. die rho-
disch - geometrischen Vasen und die neugefundenen Ton-
sarkophage aus Klazomenai beweisen, neben Tierköpfen ur-
sprünglich auch bärtige Männerköpfe tongrundig aussparte.
Auf weibliche Figuren ist es beschränkt wohl zuerst bei den
grossen milesischen Amphoren und dem protokorinthischen
Prachtgefäss der Sammlung Chigi, A)ifikr Dnikniälrr II
Taf. 45 2.
Timonidas geht aber noch einen wichtigen Schritt wei-
ter, indem er auf der Troilosvase auch für die Gewänder den
Tongrund als Farbe zu bewusst malerischer Wirkung ver-
wendet, und er schreitet konsequent auf der einmal betretenen
Bahn fort. Der Berliner Pinax zeigt ihn als vollendeten Zeich-
ner, der sich bei schärfster Naturbeobachtung eng an seine
chalkidischen Vorbilder anschliesst '^ liebevoll auf die klein-
sten Details eingeht und die grösste Sorgfalt auf gravierte
Innenzeichnung verwendet, dabei aber von der tongrundigen
Umrisszeichnung auch für die Fleischteile des Mannes um
' Löschcke Bonner Studien S. 258.
* Z. B. Athen, Nat. Mus. 621, 4'58, Louvre E 629, 632, 634, 635 etc.
^ Tongrundig ist auch, wie auf der Timonidasvase und dem rhodi-
schen» Teller IHSt 1885 Taf. 59, das Gorgoneion der Londoner Lekythos
IHSt 1 890 Taf. 1 .
* Löschcke Athen. Mitteü. 1894 S. 250.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. 1 4
206 G. WEICKER : TIMONIDAS
der bunten Farbenwirkung" willen Cxebrauch macht ^ und da-
mit der neuen auf attischem Roden erblühenden Technik zur
Seite geht. Seine künstlerische Entwicklung spiegelt getreu-
lich die Wandlungen des Zeitgeschmackes wieder.
Leipzig.
Georg Weicker.
* In der korinthischen Keramik sonst j^janz vereinzelt, z. B. der bärtige
Männerkopf auf der Athener Deckelbüchse Colli^non-Couve 529, BCH \ 898
S. 206 Fig. ö), einige Reiter auf dem späten Krater Louvre 522, Pottier Vasrs
antiqiies II Taf. 44. Ausserdem bemerkenswert der aus dem Rücken der
Chimaira wachsende bärtige Männerkopf auf der protokorinthischen Leky-
thos in Roston American Jimrual of Archaeol. 1 900 Taf. 5.
Abb. 1. Von einer Lekythos im Nationalmuseum zu Athen.
HÄHNE AUF GRABSTELEN.
Die hier mit der liebenswürdigen Erlaubnis des Herrn
V. Stais zum ersten Mal abgebildete weissgrundige Lekythos
des Nationalmuseums zu Athen (Collignon-Couve
Nr. 1002, alte Nr. 1158) stammt aus Eretria. Ihre
Gesamthöhe beträgt 0,24 m. Fuss und Hals sind
schwarz gefirnisst, auf der Schulter schwarze Pal-
metten auf rotbraunem Grund.
Auf einem beiten einstufigen Postament, das
mit einer dicken Platte abgedeckt ist, steht nach
rechts ein Hahn. Rechts und links stehen, den
Hahn aufmerksam betrachtend, zwei sich genau
entsprechende bärtige Männer, den knorrigen Stab
unter die linke vom Himation bedeckte Schulter gestützt,
die R. in unwillkürlicher Bewegung staunend halb erhoben.
Je zwei lange Zweige scheinen von der L. gehalten zu wer-
den; kürzere Zweige stehen von der Stirn nach vorn; Binden
im Haar. L. schliesst eine dorische Säule das Bild ab. Ein auf
der anderen Seite nach r. sitzender Hund wendet, sichtlich
durch die unerwartete Erscheinung überascht, seinen Kopf
um und sieht mit gespannter Erwartung zum Hahn empor.
Dieser ist also sichtbar gegenwärtig gedacht.
208 G. WEICKER
Die Deutung des Bildes ergibt ein Vergleich mit der
fast identischen Darstellung einer ziemlich gleichzeitigen
weiss grundigen Lekythos mit Umrisszeichnung im britischen
Museum B 651 (G. Weicker Der Sedciivogcl S. 51
Fig. 19), auf der statt des Hahnes eine leierspielende
Sirene auf dem Grabmal sitzt. In beiden Fällen han-
delt es .sich um die Darstellung einer leibhaftigen
Geistererscheinung auf dem attischen Friedhof, von deren
Realität der Maler ebenso überzeugt war, wie seine Zeitge-
no.ssen, die auf dem Bilde mit ihren geistersichtigen Hunden
aufmerksam den geheimnisvollen Tönen lauschen '.
Die dorische Säule 1. auf der athenischen Lekythos ist
als Bezeichnung des (rrabmales von einer Gruppe kleiner
Abb. 2. \'on einem .\ryballos im Nationalmu.seiim zu Athen.
rfg. Lek)then und Aryballen bekannt, auf welchen neben der
vSäule auf einer niedrigen Erhöhung, dem Tumuhus, eine stets
armlose Sirene sitzt {Scclrjivogi'l S.\bA Fig. 84, Nr. 1 — 14. Die
Reihe lässt sich noch erweitern). Es ist interessant und wich-
tig, dass auf einem kleinen rfg. Aryballos derselben Gattung
im athenischen Museum (Collignon-Couve 1522, alte Nr.1536)
an Stelle der vSirene gleichfalls ein Hahn neben dem Grab-
pfeiler erscheint (Abb. 2). Die beiden athenischen Gefässe
bilden eine wichtige Ergänzung der anderen und zugleich
einen weiteren Beweis für die von mir a. a. O. nicht scharf
' Wahrscheinlich ji;ehört auch da.s Bild der weissgrundigen Lekythos
Neapel 2438 Heydemann ein bärtiger Mann, unterwärts bemäntelt, um
den Kopf eine Tänie (mit Spitze) stemmt die R. in die Seite, lehnt sich mit
gekreuzten Beinen auf einen Knotenstock und schaut auf den vor ihm ste-
henden Hahn herab. Vor ihm hängt eine Leier, hinter ihm ein Ring mit
I'alästragerätschaften» rlemselben \'orstellungskreis an.
HÄHNE AUF CrKAHSTIiLKX 209
genug betonte, dem N'olksglauben und den litterarisclien Ii)r-
wähnungen genau entsprechende bildliche Darstellung
der Menschenseele in reiner \'ogelgestalt ', wenn durch an-
dere Umstände der dämonische Charakter des \'ogels unver-
kennbar ist.
Neben andern meist nicht näher bestimmbaren \'ögeln
scheint der Hahn, der nach dem Zeugnis altkorinthischer
Gefässe schon im VIII. Jahrhundert in Grieclienland bekannt
und verbreitet gewesen sein muss, vermutlich gerade seines
fremdländischen Ursprungs wegen mit besonderer Vorliebe als
Seelenvogel verwendet worden zu sein, wie die von vSam Wide
mit Recht herangezogene Antiphanesstele, zahlreiche Terra-
kotten namentlich aus boiotischen Gräbern - und die vielen
Hähne, oft in Verbindung mit der chthonischen Schlange,
auf korinthischen Aryballen bezeugen ^. Vielleicht sah man
in ihm gelegentlich einen Ersatz für den bärtigen Mensclien\o-
gel — menschenköpfige Hähne sind sehr selten ' seine streit-
bare Natur, die Sporen, der an den Helmbusch erinnernde
' Vf^l. Sain Wide J///rfi. Mitlnl. IMUl S. 153 und lifrlnur philol. llW/irii-
schrift 1903 Sp. 783.
- Auch die vielen Goldplättchen in Gestalt eines Hahnes aus Gräbern
der Krim gehören hierher, Stephani C'.A'. 1876 vS.122, 33; 14b; 1877 S. 23b, 17.
•^ Glaube und Gebrauch lebt in römischer Zeit wieder auf. Hermes mit
dem Hahn findet sich als P.SNchopompos auf rheinischen Denkmälern, /.. K.
Hettner Die römischen Steiudcnkmäler des Provinzialniuseiiiiis zu Trier Nr. 25 c,
27 b, 41 b; ein Hahn mit Kerykeion im Schnabel neben der Büste des
L. Mussius Pinus auf einem Grabstein in Turin, üütschke Antike Bildwerke
in Oberitalien IV 4b; vgl. Seelenvogel S. 206. In anderen ist der ursprüngliche
Zusammenhang zwischen Hermes und Hahnensäule wohl kaum noch klar
empfunden z. B. auf der Silberschale von Bernay, lllSt 1882 Taf. 12.
■* Zwei im Tierstreif der sogen, korinthisch-attischen Amphora Berlin
1 707 imd eine etru.skische, nach ostgriechischen Vorbildern gearbeitete
Bronzestatuette des Sammlung Castellani {Seelenvogel vS. 1 5b ; 28, 1 ; 1 92),
letztere mit Menschenschädel zwischen den Krallen. Vielleicht siiul auch
die späten Gemmen mit dem Bilde eines leierspielenden Hahnes mit männ-
lichem Oberkörjjer (Stephani C. R. 1865 S. 86) hier heranzuziehen; für die
Verbindung des Hahnes mit dem Hermeskopf, das Kerykeion unter dem
Flügel, war neben uralten theriomorphen Göttervorstellungen [Seelenvogel
S. 35) der Gedanke an Hermes Psychopompos maassgebend (Berliner Gem-
men 7084, Furtwängler Gemmen Taf. 46, 29).
210 G. WEICKER
Kamm (Lucian Galhis 3) mochten ihn als e'öo«; für die Seelen
kriegerischer Männer besonders geeignet erscheinen lassen.
Hierfür spricht auch das Epigramm Anthol. Pal. VII, 428, 5 :
f| Qcc ye viKctEvta [xdxT] axa:n;toi3xov avaxta | xßv jitsk; ;
Die dem Hahn zugeschriebenen Eigenschaften ^ weisen
deutlich auf seine überirdische Natur hin — wusste man doch
auch eine besondere Verwandlungssage zu erzählen (Lucian
Gallus 3; Eustath. zu Od. VIII 271 S.1598) — vor allem seine
durch die allzeit streng homöopathischen Grundsätze des
Geisterglaubens gerechtfertigte Verwendung als wirksames
Apotropaion gegen die bösen Geister der Nacht, die er mit
seiner durchdringenden Stimme verscheucht '^, und gegen
den geheimnisvollen Basilisken •'. Als Seelenvogel ist der
Hahn der Zukunft kundig^, ein passendes chthonisches Opfer-
tier für die Ahnenseelen ^ wie für Kora "^ und Asklepios ^. Die
' Im allgemeinen s. Hehn Kultttrpflajizen Jittd Haustiere S. 321 f. ; Bäth-
gen : De vi ac significatione galli, Diss. Gotting. 1887; Lorenz Kulturgeschicht-
liche Beiträge zur Tierkunde des Altertums, Programm Würzen 1 904).
* Auch nach persischem Glauben, Hehn Kulturpflanzen S. 322, cf. Lucrez
IV 710 Gallum noctem explaudentibus alis. Wichtig eine Stelle des Prudentius
Clemens Hymnus I ad galli cantum 37 :
Ferunt vagantes daemoties
laetos tenebris noctiuni
gallo canente exterritos
sparsint timere et cedere.
Boissonade Anecd. Gr. III 445, 4 avitoij 8e cpcovVjöavTOi; ix.ä.Q, hiü\\.^^^\ (peuyei ;
vgl. Gruppe Griech. Mythologie S. 795. 5.
■' Aelian h. a. 148, 28 dA-exTQDOva cpoßeiTai ^ecov xai (3aöi^ioxo<; 8e xöv
auTov OQviv, (5<; q)T]oiv, o^Qcoöel xal xatiScov TQ8|jei xal dxoikov aöovTOi; ojtä-
tai T8 xai djto{)vriGxei. Ähnlich Lucrez IV, 712 f. Zu Grunde liegt wohl die
ostgriechische Vorstellung vom Löwen als Todesdämon.
* Lucian Dea Syria 48 ; Aelian h. a. VII 7 vgl. Lorenz a. a. O. S. 1 1 f.
* Bereits auf den altspartanischen Reliefs und dem sogen. Harpyien-
monument ; häufig, wie auch andere Vögel, in den Händen der Verstorbe-
nen; hierzu Seelenvogel S. 27, 5; Löschcke Aus der Unterwelt S. 5; Furtwäng-
1er Sammlung Sahotiroff \ S. 7, 25, 43 ; Athe?i. Mitteil. 1882 S.167, 1883 Taf. 3;
Rohde Psyche * I 242 Anm.
** Bäthgen a.a.O. p. 29; Furtwängler, Sa77imhing .Sahotiroff a. a. O. Daher
auch das in Eleusis bestehendeVerbot, Hähne zu essen (Porphyr, rf^ abstin.^,\(>).
' Phaedon p. 118 A; Herondas IV 12 etc.
HÄHXK Al'F (;RAIiSTIvLi:X 211
richtige Krklärun^' fiir dies \ic'll)es])r< »diene .\skle])io.sopfer
<^ibt auch hier, wie auf so \ieleu dunklen (icbieten des
Volksolaubens, Artemidors Traumbuch. Hier heisst es V 9
S. 254 (Hercher) : i|i''5aT6 ti; to) Wc)y.h\iiiG), A h\i). ftov; «vo-
(70? 8/9oi, ilrofiv (tVTO) äXextQvova " FJteiTU ftia/.ijtwv fijiKOfxv i|iiH(tTO
jTOtXiv TÖ) ^AGy,h]K[ö), ei [.it) ö(p9aX|iiaoei8v, eieonv uaextqvov« i)v-
(TEiv • xai bi\ eig vi'<XTa efto'tt ^.fy^'^' «1'tö> tov 'AnvJj)jTiov «fiq }io\'
fUexTyiHOv dpxel». avoaoc fiev oi'v e'fifivev, ('xcOa/.iiutoK fte '"X^'-
0(oc ■ xai Y<'uj iiiü i:vy\] o Okoc (toxoi'fit-A'o; t6 ftpooa' i'iox'rto. Nun
berichtet Cäsar />. ^: \l 16: f/af/o est oiiniiuin (hillondii admo-
diDii dcdita religionibiis atquc ob eaiii raiisafii ijui sioif adficfi
gravioribus iiiorbis qiiiijii,' i'i/ proc/iis pcriculisquc versa ittur auf
pro victiuiis hoiiiints inunolaiif (iitf sr iiiiniolaturos vo^nrit
qitod pro vita Jio)ninis uisi lioininis vita reddatiir, )wn posse
deoruui inuiiortaUmu ///nun/ placnri arbitranh/r. Was hier als
keltischer Glaube erzählt wird, «^ilt gleicher Weise für die
griechische Frühzeit, es bildet (xrundlage und Erklärung blu-
tiger Bitt- und Dankopfer überhaupt. Der schwer erkrankte
Gallier bringt dem Crotte, der sein Leben fordert, ein anderes
^Menschenleben dar, der Grieche opfert, um zu genesen oder
gesund zu bleiben, dem Asklepios als Entgelt für seine ihm
verfallene Seele deren Abbild, einen Hahn. vSokrates fasst
seinen Tod als Genesung auf und fühlt sich deshalb zum
üblichen Dankopfer an A.sklepios verpflichtet. Eine Hindeu-
tung auf die lichtverkündende Eigenschaft des \'ogels, auf
das Erwachen zu einem glückseligen Leben nach dem Tode
ist nicht darin zu sehen.
Da in den Winden Seelenwesen wirksam sind, die ihren
verderblichen Einfluss auf das Blühen und Gedeihen der
Pflanzen geltend machen, können auch sie durch ein Hahn-
opfer besänftigt werden. In Methana rissen bei ausdorrendem
Südwestwind zwei Männer einen weissen Hahn — als beson-
ders gekennzeichnetes Seelentier durfte der weisse Hahn
nicht gegessen werden, Aristophanes bei Meinecke H 1070
Laert. Diog. VHI 1,34 ' — auseinander, liefen mit den Stücken
' Das Blut des weissen Hahnes spielt auch im Zauber eine wichtige
Rolle, vgl. L. Deubner De tncubatione S. 46 f. Auch in Britannien war der
Genuss von Hühnern aus religiösen Gründen verboten, Cäsar b. g. \ 1 2.
212 G. WEICKER : HÄHNE AUF GRABSTELEN
um den Weinberg herum und vergruben sie an der Stelle,
wo sie wiederzusammentrafen (Paus. II 34, 2). Man mag sich
wohl auch eine abschreckende Wirkung auf die Windgeister
davon versprochen haben.
Nicht alle Hahnensäulen sind Grabmäler. Ihre bekannte
Verwendung auf panathenäischen Preisamphoren und anderen
Vasen, z. B. Brit. Mus. B 190, 198, Neapel 922 (rfg; Oinochoe,
Wettschiessen, abgebildet z. B. bei Schreiber Kulturhistor.
Bilderatlas 80, 7) lässt auf verhältnismässig grosse Verbreitung
schliessen. Sie müssen häufig als Votive errichtet worden
sein ; der ursprünglich sepulkrale Charakter der Figur bildet
kein Hindernis, wie die auf hohen Säulen stehenden Spliinx-
figuren von der Akropolis und in Delphi beweisen. Wurden
doch selbst Sirenen geweiht, so eine silberne Statuette im
Schatzhaus der Byzantier in Olympia (Athen. XI, 480 A). Auch
bei den Sirenen aus Delos und Gordion ist der Gedanke an
Votivstatuen nicht ausgeschlossen [Seclenvogcl S. 1 06).
Dem Hahn auf dem Grabmal ist es freilich später so er-
gangen wie der Grabsirene: seine Bedeutung war vergessen,
man suchte ihn schon im Altertum auf symbolische Weise zu
deuten i. Der Hahn auf dem Grabstein des Antipatros von
Sidon [Anthol. Pal. VII 428) mit einem Lorbeerzweig in den
Krallen und einem Stab unter dem Flügel ^ muss sich die
Erklärung gefallen lassen :
OQVig h OTTi Yeyon'oc; avy\Q xai Jtoi) :Jt8Qi Kvjcqiv
jtQÖcTog >tf)v Movaaig jtolxiXoc; i'fivoflerac:
und VII 424,7 heisst es vom Hahn auf dem Grabe einer Frau :
tÜa' \yz\ dv8Y()0|ievaA' ^8 Jiot' flgi« vvxreQoc 6\n'ic .... aiiöctaei.
Leipzig. Georg Weicher.
' Ähnlich auch Gurlitt Histor. tind philo/oi;: Aufsätze für E. Ciirtiiis S.159,
und Fränkel, Archäol. Zeitioiff 1 884 S. 1 39 f.
2 Weisshäupl: Grabgedichte der griechischen Anthologie S. 70,72. Das Motiv
kommt auch sonst vor ; ein Grabstein in Sniyrna, Evang. Schule Inv. 40,
Arndit Einzelaufnahmen 738 «ein feines griechisches Original guter Zeit , zeigt
einen Hahn n. 1., unter dem 1. Flügel ein Palmzweig mit Tänie eingeklemmt.
^
Benage 2u S. 313 £
"WtsT'
^t^Sii
w^
213
SIEGERLISTEN AUS ATHEN
1. Zu der IG II 447 abgedruckten Siegerliste der The-
seien habe ich in der Inschriftensamnilung des Nationahnu-
seunis zu Athen zwei Bruchstücke hinzugefunden ; vereint
sind alle drei auf der Beilage abgebildet. Das eine, a, war
schon im 'AOt'ivaiov VIII 399 von St. A. Kunianudis ver-
öffentlicht, aber in U. Köhlers Supplemente nicht aufgenom-
men worden. Allseits, auch rückwärts gebrochen, 0,32 m hoch,
0,1 7 m breit, noch 0,07.'i m dick, enthält es zunächst oben in
kleinerer Schrift (Höhe der Buchstaben 0,007 m, Abstand der
Zeilen 0,013 m) zwei Zeilen, die einem Beschlüsse zu Ehren
des Agonotheten, gleich IG II 444, 445, 446, 451; II 5, 446 b
angehören, wenngleich sich entsprechende Redewendungen
in diesen am Schlüsse nicht finden; es folgen, nach 0,155 m
freien Raumes, zwei grösser geschriebene Zeilen, die Über-
schrift der Siegerliste (Höhe der Buchstaben 0,01, Abstand
der Zeilen 0,018), und wieder in kleinerer Schrift (Höhe der
Buchstaben 0,007, Abstand der Zeilen 0,012 bis 0,013) sieben
Zeilen ihrer zweiten Spalte. Ich lese und ergänze:
JTiQovoiav 7to[i-
JtQ]0(XIQ0l'^l8V01'(
['Ejti T()i3 öelva ap/ovroc; ol'öe Ivi'xwv tÖ]v dycöva x()y\' 0>]ae[io)Yj
[dYCOVOi')8Torn'T05 'A;n;oX7]|i8o(; xoi) Ai'ödPJvÖQoi' neiQaieojfg]
5 [jtalöas jrjvyf^iTiA' x\\c, jryooriis f|Ai[xiac"
[6 ÖEiva -]eoi) KexQOJTiöo? qji^Afr]?.]
[jtai8as jti'JYfxriv xfii; 8E\)T8Qa? [rjXixiai;;
[6 Öeiva -]x?ieoi'q AiyetÖOs fpii[^il?]
[jtalöai; jii'Y[U]v T]f]c; tqitt]? f)?ax[ia(;']
10 [6 Öeiva xov Öeiva -jA'tiöog cpi!X[fi5.]
[jralöag Ix jiccvtcov Jtuyjp'iv
-14 A. WILHEI.:\I
Sicherlich ist der Ag-onothet, wie die übrij^^en uns be-
kannten Athener, die dasselbe Ehrenamt bekleidet haben:
NixoY8V)|s Nixtovoc <I>iAaifti|c II 444, 0eo - II 445, UO.Tidb"t]c, Zun-
}mv MaQ(xf)to\'iOs n 446 und Aeojv Kixiiaioi' Ai'^coA'ei'q II 448, einer
der hervorragendsten und reichsten Männer seiner Zeit. Unter
den Ano-ehöritren des Demos Peiraieus, die einen auf -vÖQog
ausgehenden Namen geführt haben, verzeichnet J. Kirchner
nur einen Mevav^Qog, der in der von W. Crönert Sitzimgsbe-
richte der Berliner Akad. 1904 S. 471 in ihrer Bedeutung er-
kannten und dem Jahre 152/1 v. Chr. zugewiesenen Liste II
953 als igpojioiog am Feste der nToXeiuua genannt ist, und
mehrere AuaavÖQoc;, in deren Haus die Namen Auoca'ÖQo? und
'Ajr6?.r]|iL; wechseln. Der älteste Vertreter dieser ansehnlichen.
Familie ist für uns AuaavÖpoc; I, der Vater des 'Ajiö^iiiHic Adouv-
ÖQoi' rieiQaieiig, der als Ephebe in der Liste II 465 aus dem
Jahre 105/4 v. Chr. erscheint, denn in Z. 96 dieser Inschrift hat
J. Kirchner Prosop. Att. 1363 unzweifelhaft richtig [Auam'jö^oi'
statt [MevaJvÖQov ergänzt. Ich bin geneigt, mit allem Vorbe-
halte, wie es bei solchen Vermutungen selbstverständlich ist, in
dem Agonotheten der Theseien seinen gleichnamigen Gross-
vater zu erkennen. Denn wie die übrigen gehört die Liste
in die Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr.; ganz ähnliche
Schrift zeigen der Beschluss zu Ehren des Miltiades aus Mara-
thon II und II 5, 421, dem auch II 412 und ein unmittelbar
anpassendes unveröffentlichtes Bruchstück angehört, vielleicht
noch aus dem Jahre des /Vrchon Theaitetos 1 49/8 v. Chr., fer-
ner die Listen der ln\\xzh\xm II 952 und II 5, 952 b und die
auf die Jahre von 169/8 an bezüglichen Teile des Verzeich-
nisses der komischen x\ufführungen an den Dionysien II 975.
Geordnet war die Siegerliste dem Anscheine nach wie
in der Inschrift II 448, in der die zweite Spalte ebenfalls mit
den Siegen jiaiöa^ jruY[xfiv \\\(^ jTQtor))^ i^axLaq beginnt.
Das zweite viel grössere Bruchstück, b, mit Rand zur
Linken, 0,60 hoch, 0,145 breit, 0,16 dick, ist mit II 447 (auf
der Beilage c), zu verbinden und erlaubt, da zwischen beiden
nur einige wenige Buchstaben fehlen, die Lesung dieser in
ihrem oberen Teile sehr zerstörten und schwer lesbaren In-
schrift ganz erheblich zu vervollständiefen.
SIEGERLISTEN AUS ATHEN 215
[xcäv ETci'kixTOiv Euuv8()iar]
(pi'ÄT) [evixa nav8]io[viig]
Ta^io()xor)VTo[i; ] od.
Ttov 8n:[iXexT(ov ev]oKXiav
cpvh] £v[ixa 'ATra]A.i(;
5 [xa]liaQiovvxo[Q ];(?)
Tcov £v [T]oI[g e^veöiv] evarbgiuc
[xdy\i]a Evixa (4 Stellen frei) [t6 'laiÖjd^xiv.
Tü)v ev TOii; e[0v8Giv] evonXiav
[xdy\i]a evLxa (4 Stellen frei) t[6 — . ]
10 Tcöv iJtjreoiv [evavJftQiai'
[cpidji] svixa Oivei? i,[jtJta]9yoi»[v]TO(;
[Eux]^eoDg tov 'AQiGto[xAs]ovc: [ITeQijOoiöoi'. X
[q)DX]r| evixa Oivslg cp[vÄa]pxo^MT05 Tifi-
15 ['Ayal^oyliovg xov [ZcojiXov.
t8[l] Aa^ijrd[8i tco]v JtaiÖcov 'Aayi[X-
sx xf[c, Ti[,i[e]oD"
[''H]Ye}iaj(05 'Av8q8o[i) AsJcüvtiSo? cpi'A.fjg.
T8[T ?:]a|.uta[8i x[mv ecp^ißcov]' N?
20 8[x t](o[v 8[cpi]ßa)]v
<I>iA.oxßd[T]Ti5 <l>do[ ] Olv8l8o(; (pi)A.fjg.
T8T Xa[^i[jtd8i x](hv v8aviaxoL)v
twv ey [Ai'X8i]oic 2
"AQiatoi; 'AQxid8o[D AL]avTi8oi; (pv'kf[q.
25 181 Xa[^iJi[d8i t]ü)v TaQaviivoov
"Av8qü)v Za)i7.oa) n[av8iov]i8o(; (pvXf\c,. X
Kulbaq b[6Xiy]ov xr\q tqitt]? y]X[niag'
[Me][biaq 08o8(joq[od ALjavTi8og q)DXfjg.
Kolbuc, [ex jtdv]T03v 86?axov H
30 'AoxbiJtioScoQog [ • • • ]ooxquxov 'AOiivaTog.
ävbgac, [86A.]ixov
@e[iioxo'Kkf\g '0[A,ßio]D 'A^iivalo?.
Jtal8ai; [oTd8]tov ttj? jt^coTi]? fi^axiag" I
Sevcov 'Idaovog [Aly- oder Oiv- e]lboc, cpvXf\q.
35 Jtai8ag [aTd]8iov ifji; bEvxigaq r\hy<.iaq' A
Äiovvöioi; n8[TQa?]iov A8(ovti8o(; (pvlf\q.
jrai8a5 [oTd]8iov xf\g xQix^q ^^.ixiag' E
216 A. WILHELM
'A-örjvoöcoQO? A[t)}x»]t]qiov 'EpexfielÖog cpnÄf)?.
jTaT8a[(; Ix] jrctvTWv oxdbiov E.
40 Avxofppwv XaQ[iodv]8Qov 'Afli^vaioc.
av8Q[aq o]Td8iov A
Aiovvaiog Aio[vvo]iov XaXxiÖevi;.
jrai8[as 8im'?w]ov xf\c, 7iQ(i)x)]q »^Xixiaq" O
Hevcov 'IdGo[vo5 Aly- oder Olvei8]o5 q?i'A,fig.
45 mti[baq biav'kov x]f\Q Seittepag iqXixiaq" A
[ 1801;] (pvXf\q.
Über die Agone an den Theseien handeln A. Martin
Les cavaliers atheniens 211 ff.; Revue de philol. 1886 S. 1 7 ;
A. Mommsen Feste der Stadt Athen S. 291 ff. Die erste erhal-
tene Zeile wird die sechste der ganzen Liste sein, denn der
Nennung der siegreichen Phyle im Wettkampfe ttov ejtdexTMv
euavSQiai werden, wie in den Inschriften II 444 aus dem Jahre
des Archon Aristolas (161/ü v. Chr.), II 446 aus dem des Phai-
drias (153/2 oder 152/1) und II 448, zwei Posten: toi)? öaXiti-
xTct? und TOi'i; xfjpvxac vorhergegangen sein. Die Liste II 445
aus dem Jahre des Anthesterios (bald nach 161/0) beginnt
allerdings mit to)\' e:JtdexTO)v £uav8QLai, aber die beiden Posten
Toug aa^jtixTag und tou? xi^Qvxa; folgen in Z. 1 8 und 20 vor den
Siegen in der hxymiio,. Die Ergänzung des Namens in Z. 7 ist
der Liste II 446 Z. 51 entlehnt.
Für den Hipparchen EvxÄfjc; 'AgiotoxAeonc IleßiOoiÖi]; Z.12
hatte sein Vater im Jahre des Archon Hermogenes 1 83/2
V. Chr. nach x\usweis der Liste IG II 983 Sp. II Z. 50 einen
Beitrag gezeichnet {Prosop. Att. 5730).
'AgiGTog 'AQxi'd8ou AiavtiSog (pi'Afjq {Prosop. Att. 2052) be-
gegnet in der Siegerliste II 448 Z. 12. 22 zweimal unter den
Jtai88<; Tfjq Tpix))? f|Xixia5, hier Z. 24 unter den \'eavioxoi ty Au-
xEiov. Unsere Liste ist also jünger als II 448.
©EfxiaTOxXfj? 'OXßiov 'AOi)vaToc;, in Z. ^2 als Sieger uvSpaq
86?axo\' genannt, beantragt den Beschluss II 5, 446 b zu Ehren
eines unbekannten Agonotheten der Theseien und erscheint
mit dem Demotikon Ki]((noiei)g in der Liste II 1047 vSp. II Z.13
{Prosop. Att. bbbl).
"Hyef^iaX**? 'AvSqeoi' At(üvti8os «piti'ific; Z. 18 dürfte ein Enkel
SIEGERLTSTEN AUS ATHKN 217
oder Neffe des "Hyf [layoc; ^«ntpOD Aei'xovoev<; sein, der ebenfalls
in der Liste aus dem Jahre des Herniog'enes 183 2 v. Chr.
II 983 Sp. I Z. 38 genannt ist {Prosop. Äff. 6281).
2. Ein Splitter, wie die eben besprochenen Bruchstücke
hymettischen Marmors, 0,1 1 5 m breit, 0,08 hoch, mit der Inschrift
dxdn[jtiov
hiav'koy ex i
cpvÄfjc;
5 dxdfiniov ex jT[dvTCO\'
drp' TjtJiov dxov[TiC(ov
. . 'rz\^'
gehört, wie ich erkannte, der Siegerliste II 445 an und ver-
vollständigt die Zeilen 54 bis öO der zweiten Spalte folgen-
dermassen :
dxdfi.[jtiov ex xC^^\ iJt.TeJojv 'Aax?ti]7rid8T|(; 'AQiOToßovAoi' Aia[vTi6oc;]
55 qpi'^^In?].
fii'avAov ex [ji(tvT(i)A'' Joe Mevi'axoi' "IjtJtoiltovTic^fog]
<pVAf)5.
dxdjiJTiov ex Jt[dA'TO)v ~ ]oi» AiyElöo? (pvÄ[f|5]
dq)' TjTJim' dxov[TrC(irv i8]o; (pi'Xfjc:.
60 [^eujyei e[xßi|3d'Qco\'" lÖog (piiA]r|i;.
[exßdti]?' ]oi; A[io]Titioii AiYei8oc ^v\r\c,.
[aQ\iax\. jro?.e|^iiOT]T|Qi(0i ftiavAov AToc; 'A/aioü KexQOjriÖoc;
[(publc.]
[^et^yei Öioi'/.jov Aio; 'Axaioi» KexQon;i8cc; (pi'Xfjg.
65 [dpi^iati öia]vXov Aioq 'AxaioiJ KexQOJtiöog tpi'Xfjc.
[dQficxTi] dxd}ijriov Aiog 'Ay/iiov KexQOJiiftoc rpi'Äf]c:.
Den Zeilen 60.61 entsprechen in der Liste II 446 die
Zeilen 81. 82:
'Ceuyei E' ''A]QxeTOt' riavftioviöoi; (pufXfig.]
H^A. _ . . _ ^lAüii Taitvoufaioi;.]
218 A. WILHELM
Die Lücke nach ^evyei hatte U. Köhler unergänzt gelas-
sen. Auch A. Martin Lcs cavnliers athc'niens p. 221 fand keine
passende Lesung und zweifelte nach längerer Erörterung
selbst an Cevyei. Den Sachverhalt hat erst A. Mommsen Feste
der Stadt Athen 296 erraten, aber auf Köhlers Abdruck ange-
wiesen, die richtige Herstellung nicht finden können. Er
vermutet, da der Wagen ^sCycs genannt werde und aus dem
Wettkampfe nicht wie sonst einer, sondern zwei als Sieger
hervorgehen, so sei von diesen der eine vermutlich Apobates,
der andere Heniochos, f|VLOxo5 ^ei^ei sxßißd^cov, wie es in den
Siegerlisten der Panathenaien IG II 966 A 36, B 12; 968 Z.16,
969 B Z. 1 heisst. Mit Unrecht glaubte er aber für die Ergän-
zung 8[Yß«Tr|(;], der Weihinschrift II 1316 örioeia eyßaTiiv nach,
und einen Namen die Lücke zu klein und hielt daher E' für
den Anfang des Namens des ersten Siegers. Als Name dieses
Siegers ist unzweifelhaft 'ExeÖii^iog 'A^xeroi^ herzustellen {Pro-
sop. Att. 6166), und davor fehlen in der Lücke nach E' noch
etwa sieben Buchstaben. Ich lese also:
[^ejijyei 8[xßißd^cov 'ExeÖTifxo? 'AJqxetod Ilavöioviöo? cpnÄrj«;.
[IxßcxTTig- HZA . _ . . _ ^lAoi) Tafxvoijfoio?.
Leider will es nicht gelingen, in der zweiten Zeile die Namen
ausfindig zu machen; vor Exßdnig oder djtoßaTiis könnte auch
^E'uyei wiederholt gewesen sein. Auch ist das Demotikon sehr
auffällig.
Wichtig ist nun zur Bestätigung dieser Auffassung und
Ergänzung, dass auch in der Liste II 445 an entsprechender
Stelle zwei Sieger genannt sind, nicht nur einer, wie es nach
Köhlers Abdruck scheint. Denn die Reste zu Ende der Zeile 60
' 'Z können der ersten Zeile des Bruchstücks o : — og A[io]-
Tifxou Aiyeiöog q^vAfjg deshalb nicht angehören, weil zu Ende
dieser Zeile das Wort (t>YAHZ vollständiger als Köhler glaub-
te erhalten ist und die erste Zeile des Bruchstücks o mit Z. 6Ü
nicht vereinigt werden kann, also die 61. Zeile der Liste ist.
Somit waren auch in dieser Liste vor dem Sieger [dpiiati jtoXe-
[.uot]t|qlo)i (so war zu ergänzen, nicht rjt:n;o)i, weil es dann jioÄe-
^uoirn heissen müsste) zwei Sieger genannt, nämlich, wie ich
SIEGERLISTRN ATS ATHEN 219
in der Umschrift hcrj^cstellt habe, der eine [CKujyn t[x(-)i(-i(('Co)v],
der andere Fx(i(ai|;. Für die letzten drei Posten der Liste II 445
hatte A. Martin S. 21^ vorofeschlagen :
[^sv''Yei ftifaiX]oA'
[Hi'A'WQ I <S i] uxd [in u)v .
Die Ergänzungen entsprechen aber nicht den Lücken.
Ich versuclie:
['^ei^yei 8iaitA]ov
[aQ|.iati ÖiajvXov
[d'Q|.i(ai] «xd|.ijrioA'
und verweise auf die Siegerlisten des Festes der Panathe-
naien IG II 966 A Z. 40 ff., 968 Z. 60, 969 B Z. 4 ff. 14, von
denen diese Agone augenscheinlich auf die Theseien über-
gegangen sind.
Athen. Adolf Wilhelm.
O nANIQNIOS
Unter den reichen inschriftlichen Funden der jüngsten
Ausgrabungen auf Delos, deren rasche, ebenso kundige wie
sorgsame Veröffentlichung den Beteiligten allerseits Dank
und Anerkennung sichert, wird soeben BCH 1905 448 eine
Rechnung mitgeteilt, die Z. 35 verzeichnet: to^i Flavicoviov
oteyvcooavTi xal xk'ocxA'Ti 'HQax?iEi8T]i l-hlll. Der Herausgeber ist
geneigt 01x05 zu ergänzen und nimmt xo\\. Ilaviooviov für ein
durch seinen Namen merkwürdiges Gebäude, dessen Erwäh-
nung er in anderen delischen Urkunden vergeblich sucht;
Gegenstand der Arbeit sei «/« posc d'une couverhirc et d'iiii
cnäiiit» (p. 456). Mit solchen Aufgaben, wenn es .sich wirklich
um sie handelte, hat jener Herakleides sich .sonst nicht abge-
geben. Die Rechnung erwähnt ihn noch öfter: Z. 19 f|fUT£(av
(über die I>edeutung des Wortes s. F. Dürrbach p. 454) Invcty^fvä-
220 A. WILHELM : O IIANIQNIOE
oavTi 'Hoax?L8i8i]i — ; Z. 20 oKarpeTov "H^ax^xiSi]! xaxaomvdaavn
Pf-hhlll ; Z. 34 'HQaxÄ8i8i]i tov xQatf]pa xal t6 ovc, xov xtoDcovog ejti-
axeiictoavTi Fhl-Ill' cpidXia H ; Z. 37 "HpaxXeiöi]!. ou'oxowv ejiioxeui)
hll. Dass dies ein anderer Herakleides sei, ist auch deshalb
nicht gerade wahrscheinlich, weil der letzterwähnte Satz von
dem auf den navuovioq bezüglichen nur durch die Posten xi]-
Qog nagä Avbov h • maau hll getrennt ist, die Dinge nennen,
deren Herakleides für das oTeYvoi'v bedurfte. Er ist demnach
sonst mit der Herstellung und x\usbesserung von Gefässen
beschäftigt; also ist zu röfi Havicüviov hinzuzudenken xparfiQfx
oder allenfalls df^upoQioxoA'. Des rifxvuovioi; xQaTTjp in Delos
hatte H}pereides (frg. 69 Blass '^) nach Athen. X 424 e in sei-
nem A.i^Kia-Koq mit den Worten gedacht: xrxi tov xQatfJQa xöv
navuoviov xoivri oi "F]A.?ii]V85 xeQoivviiovaiv. Ähnlich heisst es von
einem Hieromnemon aus Chios in dem Beschluss der Del-
pher BC// I 896, 625 Z. 4 : [xal tov xQUTfiga (nach Th. Homolles
Ergänzung) ejxepaoe tov aQyuQeov roTi; ©eo^evioig; wie E. Bour-
guet BCH 1897, 484 gezeigt hat, ist dies der silberne Kra-
ter des Kroisos; das Fest, bei dem die Delpher nach Hero-
dot I 51 dieses Weihgeschenk verwenden (IjtixiQvarai yäg imb
Aekcpüiv ©eorpcxvioiai), wird ebenfalls das der ©eoHevia und der
Name unter dem Einflüsse des cpaai, mit dem der nächste
Satz beginnt, zu Georpavia entstellt sein. Ein d[.i(poQioxos Hav-
KoviQi; wird in zwei Verzeichnissen des delischen Schatzes
76^ n 81 8 aus Athen Z.1 9 und BCN 1 886, 466 aus Delos Z.1 29
unter den yjthiä aufgeführt; auf den novitüvio; xparriQ zu ver-
weisen hatte U. Köhler nicht versäumt. In beiden Verzeich-
nissen folgt dem djicpoQLöxog naviojvioc ein xQariiQ iiirööraTOv
E/tov ai8T]Qow ; das Wort xparrip ist, nunmehr durch die voll-
ständig erhaltene delische Liste gesichert, auch auf dem athe-
nischen Steine leicht zu erkennen ; Köhler hatte nur . Y . . . .
verzeichnet. In der neuen Rechnung ist wahrscheinlich von
dem xQaTi]9, nicht dem d|.i(poQLoxog die Rede. Der berühmte
Mischkrug war schadhaft und durchlässig geworden ; Hera-
kleides hat ihn mit Wachs und Pech wieder dicht gemacht
und dann, wie es sich gehörte, ausgespült.
Athen. Adolf Wilhelm.
TAl'l'L IX.
'/"/"'///,
lll,
iiWil^l^ii
^/
Gez. von P. Siirsos.
Aufaen. von C, Frc.lricli,
n E M E T R T A 3
n
Abb. 1. Blick auf Denietrias von Volo her.
D E M E T R I A S.
(Hierzu Taf. IX).
Die vier Städte, die nach einander den besten und schön-
sten Golf Nordgriechenlands, den die Halbinsel Magnesia
von Osten umfasst, beherrscht haben, verraten schon durch
ihre Lage Zeit und Zweck ihrer Gründung: lolkos, die uralte
kleine Herrenburg, liegt dem Meere fern; Pagasai, die grosse
thessalische Handelsstadt, bedeckt das an Ankerplätzen reiche
Gebiet westlich von der Einfahrt in den innersten Winkel
des Meerbusens und einen nach Osten im Halbrund geöffne-
ten Hügel; Demetrias, die Festung eines fremden Eroberers,
der sich durch sie die Herrschaft über eine Landschaft und
ihren besten Hafen sichert, erhebt sich östlich gegenüber von
Pagasai auf einer Höhe von bedeutender natürlicher Festig-
keit; Volo, die offene Hafenstadt am sicheren Meere, dehnt
sich zwischen diesen beiden am flachen Strande: lolkos ist
an das Meer gerückt.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX
1 s
222 C. FREDRICH
Wer sich dem Hafen dieser Stadt nähert, dem fällt zur
Rechten ein Felshügel auf, der sich von der Masse des Pelion
her nach SW bis in das Meer hineinschiebt und nach der
englischen Seekarte (Nr. 1 1 96), deren Terraindarstellung dem
Plane auf Tafel IX zu Grunde liegt, etwa 215 m erreicht. Erst
in neuerer Zeit ist sein Südwestabhang von Steinbrüchen
zerrissen und ein Weg geebnet worden, auf dem eine Stras-
senbahn in die grösste und fruchtbarste Ebene der Magne-
sia, die Ebene von Lechonia, läuft. Klettert man zwischen
diesen Steinbrüchen, die das Wachstum des kaum 1/2 Stunde
entfernten Volo bezeugen, hinauf, so befindet man sich auf
einem rundlichen Vorhügel, der nach O mit dem Haupthü-
gel zusammenhängt, und ein Pfad führt rasch an die gerin-
gen Reste einer antiken Stadtbefestigung und zw^ar an die
eines Tores. Die Stadt war Demetrias '.
Ein Ruhetag auf einer Reise zu den Inseln von Magne-
-sia gab mir im Juli 1Q04 Zeit, den Lauf der Mauer mit Mess-
band und Kompass rasch aufzunehmen. In diesem Jahre hat
dann Herr A. J. B. Wace die Befestigungen genauer unter-
sucht und die Liebenswürdigkeit gehabt, zu meinem Manu-
scripte wertvolle Zusätze zu machen, die in der Form von
Anmerkimgen erscheinen, und auch den Plan (Taf. IX) durch
mehrere Zusätze zu bereichern, welche in punktierten Linien
wiedergegeben sind ; nur einige von Herrn Wace festgestellte
Türme sind schwarz angelegt worden -.
J Die ältere Tyitteratur : Leake Travels in Northern Greece IV S. 363, 375;
Dodwell A Classical and Topographka.l Tour through Greece (London 1819) II
S. 90; A. Mezieres Memoire siir le Pelion et l'Ossa {Archives des Missions. Paris
1854) vS. 4; Ussing, Griech. Reisen tmd Studien {]8S7) S. 96 ; Bursian Geogra-
phie von GriecJwnland (1862) I S. 102; N. Georgiades ©eoöaJtia (Athen 1880)
vS.185 C^Athen 1894 .S.120 war mir nicht zugänglich); Tozer Highlands of Tur-
key II S. 1 29 ; Kent American Jottrnal of Arch. 1 905 S. 1 66 ; Baedekers Grie-
chenland^ S. 204. — Kretschmann Rerum Magnes. spec. (Berlin 1847) vS.10; Kuhn
Entstehung der Städte der Alten (Leipzig 1878) vS. 324; Pauly-Wissowa (A. Phi-
lippson) s.v.— Münzen: Head hist. mim. S. 250; Catalogiie of gr. coins, Thessaly
S. 18.— Inschriften: Athen. Mitteil. 1890 vS. 285 (A. Wilhelm); vgl. CVG" 1 590.
- Thanks to the generosity of Dr. Fredrich, and of Dr. Schrader the
editor of the Athenische Mitteilungen. I have been allowed to read Dr. Fre-
drich's MS and to incorporate various additions and obsen^ations of my
DEMETRIAS
223
Die Stätte ist für Rauten in Volo allmählich abg-eräumt
und in den letzten Jahren für den Neubau einer Kirche an
altgeheiligter Stelle auf der Akropolis von Demetrias leider
noch einmal arg mit genommen worden ; im Sommer 1 904
war dieser Zerstörung, die eine völlige hätte werden können,
von der Regierung schon Einhalt getan worden, aber man sah
noch an verschiedenen Orten die Spuren des Raubbaues ^
Abb. 2. Der Felsgrat mit Blick auf die Ebene von Volo.
Der Hügel, den Demetrios Poliorketes mit trefflichem
militärischem Blick für seine Stadt aussuchte, hat seine höch-
own. These observations etc. are drawn from rough plans and notes made
during the course of a journey undertaken this spring in Company with
Mr. A. W. van Buren of the American School at Rome to study the topo-
graphy of the Pelion district of Magnesia. A paper on which will, I hope,
shortly be published in the Journal of Hellenic Studies. To enable my obser-
vations to be readily distinguished I have written them thronghout in
English. A. J. B. W.
' Dringend zu wünschen ist auch die Aufnahme der Reste von Paga-
sai, die viel bedeutender, interessanter und bei der Nähe von Volo eben-
falls dauernd bedroht sind.
224
C. FREDRICH
ste Erhebun«^ im X und XW. Ein scharfer bis zu 215 m ho-
her (Trat Läuft dort von XO nach S\V und fällt zuerst teil-
weise senkrecht dann in lano^em Hantre zur Ebene von
\'olo hinunter, die nur weni^r über Meereshöhe lieg-t. Xach
der anderen Seite (nach O und vSO) hat er zwei kleine fast
ebene Flächen vor sich, und in der Mitte zwischen ihnen
auch hier steilen Abfall. Und jene beiden Flächen und die-
ser Abfall senken sich auf ein Plateau, das selbst noch leise
o-enei<j-t, sich nach O, SO, S und SW dehnt bis zu einem
Abb. j. Blick vom \or\verk nach U.
Rande, unterhalb dessen der Hütrel mehr oder weniger steil
zum Meere hinunterfällt. Auf diesem Plateau wurde die
Stadt angeleü-t, auf die grössere Fläche im XO am Grat
die Akropolis gesetzt (Al)b. 5). Die Befestigung hatte überall
trefflichen natürlichen Schutz, nur nach XO machte das (tC-
lände Schwierigkeiten. Auch dorthin senkt sich das Plateau
und wird überragt von dem wieder ansteigenden Höhen-
zuge, durch den es mit dem Pelionma.ssiv zusammenhängt.
Die erste Höhe dieses Zuges (Abb. 4) musste also mit in
DEMF.TKIAS JJ"»
die Hefesti.yiiiii^' <^c/.oi;en werden; sie l)elien'selit den ni)rd-
östlichen nnd östlichen Teil der Stadt nnd damit zwei Tore,
wie wir so,y;leicli sehen werden ; das zei^^en auch die Abb. 5
nnd 3, die von ihr ans naeh W nnd O anfi^enoninien sind.
Wahrscheinlich wnrde die H()he erst \-on dem /iemlich
o;leichmässij4 hoch \erlanfenden '/a\^ künstlich dnrch einen
Einschnitt abjj;^etrennt nnd dann als \'orwerk stark be-
festigt. Hier an der einzii^en vStelle im vStadtgebiet, wo noch,
Erde lieot nnd die SteinoTcäber besonders bei der Arbeit
Abb. 4. Blick auf dn^ \'orwerk-.
g-ewesen waren, versagten denn anch meine einfachen Mit-
tel ; für eine genaue Aufnahme wäre eine kleine Xachgra-
bunjj- erforderlich '.
' Howewer it does not seeni probable that the hill on whicli this l'of-
urrk Stands was artificially separated from the higher hill to the Northeast.
This point is the weakest part of the tnceitite, and an explanation of its
various peculiarities is given below (p. 230') : the earth has been produced
by the decomposition of the unbaked brick of which the upper parts of
the Vor'werk consisted.
226
C. FREDRICH
Die Stellen für die Öffnung des Mauerringes waren im
Terrain gegeben und entsprachen aufs beste den Bedürfnis-
sen der Bewohner, indem sie sich in das Verhältnis von Stadt
und umgebender Landschaft genau einfügten.
Ein Nordtor in der Senkung zwischen Akropolis
und Vorwerk nahm den Weg auf, der in die reiche Ebene
unter dem Westhang des Pelion, auf diesen heute mit Dör-
fern, im Altertum wohl mehr mit Wald bedeckten Hang,
und nach Thessalien hinein führte ; man könnte es das
Abb. 5. Blick vom «Vorwerk» auf Nordtor und Akropolis.
Tor von lolkos nennen. Ein Nebentor im Osten
(Abb. 3) Hess in die olivenbedeckte Ebene von Lechonia
und die Halbinsel Magnesia gelangen. Ein S ü d t o r er-
kannte Wace (S. 2291). Von einem Westtor endlich lief
der Weg zum Golf, um seinen innersten Winkel und dann
gen Westen und Norden.
Dieses Westtor, bei dem wir Demetrias erreichten und
die genaue Beschreibung beginnen wollen, ist, weil es Volo
zugewendet ist, besonders schlecht erhalten. Selbst die unter-
ste Steinschicht liegt nur noch stellenweise; vielfach verra-
DEMETRIAS 227
teil nur noch die für sie in den gewachsenen Fels gearbeiteten
Bettungen ihren Lauf. Auch sonst ist die Zerstörung des
Mauerringes öfter soweit gegangen, aber der ganze Plan Hess
sich noch mit völliger Sicherheit herstellen. Das Westtor
stand am Südende eines 84,50 iii langen, etwa von N. nach S.
herablaufenden Mauerstücks, das das Plateau der Stadt ge-
gen den Vorhügel abschloss. Rechter Hand für den Eintre-
tenden springt eine Mauer (9,S0 m lang, 3,1 Um breit) in die
Stadt hinein und biegt rechtwinklig um (1,50 m lang mess-
bar; 2 m breit). Der Grundriss war also der beliebte, den z. B.
das grosse Eumenische Tor in Pergamon in weiterer Aus-
führung zeigt. An der Ecke vorn rechts ist an dem untersten
noch i'ji situ liegenden Steine die Abarbeitung für den Holz-
belag des Tores erkennbar. Seine Breite aber und die des
deckenden Turmes wäre nur nach der Abräumung des Schut-
tes und der Vegetation vielleicht noch festzustellen. Der Turm,
der, da das Gelände nach rechts fällt, auf die linke Seite ge-
setzt wurde, springt 3,50 m vor und war vielleicht nach Ana-
logie des Turmes am Nordtor — für das Osttor lagen beson-
dere Verhältnisse vor — etwa 10 m breit (davon 3,70 m mess-
bar) ; es bleiben also etwa 4,90 m für das Tor, da die Entfer-
nung von der linken Ecke des Turmes bis zur rechten des
Tores 1 4,90 m beträgt '.
Der Lauf des Weges zum Golf hinunter ist durch das
Terrain gegeben, durch Spuren gesichert und auf dem Plan
skizziert : er zog sich unter der Mauer nach NW hin, schlang
sich um den Ost- und Nordosthang des Vorberges und muss
dann den Bach, der wohl mit Recht dem Anauros gleichge-
setzt wird und sich tief eingerissen hat, auf einer Brücke
überschritten haben.
' So far, howewer as tbe plan of tbis west gate is clear it seems to
resemble ratber tbe lower Nortbwest and tbe East gates of tbe wall of
Eumenes II at Pergamon {Athen. Müt,'il.\902 pp. 41,42; Fig. 8,9). Apparcntly
wbere tbe gate itself was set tbe wall was made to bend in sbarply and
tben spring ont again. An enemy approacbing tbe gate by tbe ancient
roadway woiild be first exposed to tbe long tower-defended stretcb of
wall on bis left, and tben before be could reacb tbe actual gate bis right
or shieldless side would be exposed to tbe strong tower on tbe otber side.
228 C. FREDRICH
Während die Mauer 1. (nördlich) vom Westtore sofort an-
steigt, zieht sie sich rechts ziemlich horizontal in zwei Knicken
um einen tiefen Spalt mit steilen Rändern herum (48,30 m
+ 47,70 m + 71,70 m) 1. Im letzten Abschnitt steht ein Turm
(Br. 6,40 m ; Vorsprung 2,60 m), der von rechts her diese vStelle
deckt, zu der der Angreifer, ohne immer gesehen zu werden,
heraufklimmen konnte. Diese Lage ist typisch für die Türme
der Südwest-, Süd- und Südostfront Die Stärke der Mauer
betrug hier und sonst an den verschiedensten Stellen — mit
Ausnahme der S. 230 und S. 232 genannten — 2,50 m. 40 m
jenseits des Turmes biegt die Mauer scharf nach ONO um,
enthält nach 97,15 m einen Turm (Br. 5,90 m; Vorsprung
2,40 m) und hatte dann (260 m), trotzdem sie sich leise senkt,
treffliche natürliche Deckung, so dass nur noch ein Turm
(Br. 6,10 m; Vorsprung 2,40 m) für nötig gehalten wurde. Die
Richtung ändert sich fast zu NO; Steigung; nach 53,50 m
Turm (Br. 6,10m; Vorsprung 2,40m) hinter einem Risse;
starke Senkung mit steilem Vorgelände (240 m). Auf dieser
Strecke standen noch zwei Türme (Br. 6,10 m, Vorsprung
1,80 m, und 6,10 m zu 2,40 m)-. Die Südostecke wird von
einem Turm (Br. 6,15 m; Vorsprung 2,50 m) gebildet, wie es
z. B. auch in Priene vorkommt. Die Mauer zieht sich nach
N (93,30 m) und ist nahe dem Knick über einem tiefen Risse
' Between the West gate and this gully the original course of the wall
seemä to have been different. It seems, to judge by obvious traces further
down the slope outside the city, to have run almost due Southeast froni
the West gate and then on reaching the gully to have turned sharply to the
Northeast up its right bank (v. plan DDD). As this original wall was pro-
bably destroyed by the inhabitants themselves to reduce the length of the
enceinte or by the Romans after Pydna (S. 242), its scanty remains render
accurate measurements ver}' difficult.
^ About 100 metres down the hill outside the city are again reniains
of the original wall : very little of it remains and only its conjectural course
can be indicated (v. plan CCCC). It was probably destroyed for the same
reasons as the piece by the West gate. Then when the existing wall was
built it was particularly strongly guarded by towers. Probably the stones of
the old wall were used to build the existing wall, and this would account
for the few existing remains.
DEMETRIAS
229
besser erhalten (Abb. 6). Etwa .M) vSchritt unter ilir öffnet
sich auf der Südostseite des Risses unter einem vortreten-
den Felsen eine Höhle, in der ich antike Spuren nicht
entdecken konnte '. 47 ni nach NNO schützt ein Turm
(Br. 6,30 m; Vorsprung 2,50 m) die gefährliche Stelle (Abb. 8);
vielleicht befand sich 1 0,80 m rückwärts (südsüdwestlich) von
ihm eine 1,20 m breite Pforte. Die nächsten 223,20 m ver-
laufen ziemlich horizontal und sind teilweise völlig- zerstört.
Abb. b. Mauerprobe (nahe dem Südtor).
Nicht weit von der Ecke stand noch ein Turm (Br. 9,3()m;
Vorsprung 4,50 m).
* Just above this point on the right bank of the small ravine is the
Southgate. So far as its plan is clear, it seems to have consisted of a court
(cf. the great Southgate at Pergamum [Athen. Mitteil. 1902, p. 11] and the
Dipylon gate at Athens) guarded by towers placed at a setback in the
wall. Inside the gate in the ravine are traces of zigzags by which the road
frotn the North gate descended to this gate. This gate gave access not only
to the Magnesian peninsula but probably also to a landing place and .small
harbour (S. 241 ').
230 C. FREDRICH
Ein reichlich 1 0 m senkrecht abfallendes Felsriff (Abb. ?>)
wurde sehr geschickt zur Deckung des unter ihm angelegten
Osttores und des in die Ebene von Lechonia führenden
Weges benutzt. Der Turm auf dem Riff (etwa 7,70 m X 6 m) war
von der Mauer aus erreichbar, die von der Ecke nach NNW
steil zum Tore hinunterfällt (19,50 m) und auf 3,10 m ver-
stärkt ist. Der Weg bog hier durch ein auf der linken (süd-
lichen) Seite rechtwinklig ausspringendes Mauerstück (3,60 m
-h2,10 m) in die Stadt ein und war auch von rechtsher durch
die wieder ansteigende Mauer geschützt.
Nach innen ist der Weg nur ein Stückchen weit zu ver-
folgen, nach aussen senkt er sich zuerst geradeaus, dann in
Windungen unter dem Turm hin (Abb. 3) ziemlich steil zur
Ebene und war natürlich nur für Menschen und Maultiere
brauchbar, wenn er auch 2,30 m breit ist. Das trefflich erhal-
tene Pflaster ist nicht alt. An den Seiten liegen grössere, in
der Mitte kleinere Steine. Starke Abnutzung spricht für lan-
gen Gebrauch; vielfach sind Rillen in die Steine gegraben,
um den Hufen Halt zu gewähren.
Die Mauer läuft zum «Vorwerk (auf dem Plan B) hinauf
(65,50 m), dicht unterhalb seiner höchsten Erhebung hin, auf
die sich ein um 1,50 m nach innen springender Tortum
(Br. 5,80) öffnete, nach WNW (1 7,70 m) und senkt sich nach
W (62,70 m) und SW (50 m) zum Nordtore '.
' The existence of this East gate seenis exceedingly doubtful, although
Kent (American Journal of Arch. loc. ci't.j also believes it. The zigzag roadwa)-
within and withoiit with its pavement is clearly modern dating from the
Turkish period : it is built with blocks from the walls. There may howewer
have been a small postern at this point. The roadway oiitside the gate is at
one point clearly supported by an antique wall. This liowever is the remains
of the original outer wall (v. plan AAAAA) and botli continnes further north
and also joined to the outer wall visible by the tower at the corner. This
outer wall ran North to the hill northeast of the Vor-M'rk hill which is the
lower of the two: it included this outlying hill and then ran vSouthwest back
to the north gate wliere it joined the outer wall noticed there (v. p. 231).
The Vorzverk is clearly late: the construction of its upper part with unbaked
brick (p. 225') recalls the acropolis wall of Pagasae which dates from the
Roman period : the stone courses too are more regulär than the rest of the
walls. Probably the outer wall and the existing inner wall enclosed these
two hüls as a kind of subsidiary acropolis. This view is supported by the
DEMETRIAS 231
Das Vorwerk scheint aus zwei Rechtecken bestanden zu
haben, deren inneres so breit wie das höchste Mauerstück
(23,50 m) und 14,40 m tiefer war. In ihm ragte ein kleiner
Turm auf, wie der Turm des Astyages in der Westecke der
Befestigung von Ephesos ; seine Ostecke ist von der Mauer-
ecke 2,20 m entfernt. Ebensowenig wie dieses Vorwerk konnte
ich einen Mauerzug aufklären, der zwischen ihm und dem
Nordtor der Mauer vorgelegt ist und am Tore nur wenig, an
seinem letzten erkennbaren Stück beträchtlich tiefer als die
Hauptmauer liegt. 6 m vor dem Tore springt diese Vormauer
um 2,30 m aus — das war also ihre Breite gewesen — und zieht
nach NO. Bei der ersten Ecke der Hauptmauer steht ihre
Aussenkante von der Aussenkante der Hauptmauer erst 3,20 m
ab, sodass 0,90 m Zwischenraum bleibt, der geneigt ist. Dann
vergrössert er sich rasch und beträgt am letzten messbaren
Punkte schon 21,20 m (23,50 m — 2,30 m Mauerstärke). Jeden-
falls endete der Mauerzug am Vorwerk und stellt sich als eine
wahrscheinlich spätere Verstärkung dieser schwächsten Stelle
dar, denn der Hang ist hier leicht geneigt und kurz (Abb. 4).
In gleicher Weise wurde z. B. die Befestigung von Aigai in
guter pergamenischer Zeit an einer Stelle verstärkt.
Die Breite des Nordtores ist nicht genau anzugeben;
von einer Mauerspur zur anderen mass ich 5,60 m. Ein mäch-
tiger Turm (Br. 10,10 m; Vorsprung 6,70m) deckte hier in
normaler Weise von rechts her den Eingang des bequem-
sten, vielleicht fahrbaren Weges (Abb. 4) i.
fact tliat the one tower on the inner wall faces inwards, and that this is the
weakest part of the enceinte. Later the outer wall was destroyed for the same
reasons as the sections on the west and south (v. p. 228 ', -) and then the
Vorwerk was built to defend this much weakened point. Perhaps however
the outer wall is an earlier wall, and the inner a later wall, and that there
was no second Acropolis here.
* The North gate also like the South gate seems to have been built
on the court System. But it has been so destroyed by the modern road that
it is impossible to decide its plan without excavation. This modern road
was, tili the buikling of the carriage road round the hill against the sea,
the main road from Volo to Lechonia and descended the hill at the < East
gate». A Short cut now curves round between the Vorwerk hill and the
outlying hill.
232
C. FREDRICH
Abb. 5 zeigt, wie die Mauer nach W (120 iii ; Turm von
5,80 m Br. und 1 ,80 ; Vorsprung) und WSW (80 m) steil zur
Akropolis hinaufsteigt. Ein besser erhaltenes Stück mit den
Felsen, au.s denen das Baumaterial gebrochen wurde, gibt
Abb. 7 wieder.
Die Akropolis. Ein 9,10m breiter und 10,70m tiefer
Turm bildete die Nordostecke der Burg und ragte hoch über
die Stadtmauer empor. Die natürliche Festigkeit der Höhe
ist ringsherum so gross, dass nur auf der Aussenseite drei
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Ablj. 7. IVIauerprobe (in der Nähe des X(jrdtores).
Türme für nötig gehalten wurden : der erste 46 m westnord-
westlich (Br. 6,10 m; Vorsprung 2,50 m), der zweite 21,80 m
weiter nach WSW (Br. 7,20 m; Vorsprung 3,50 m), der dritte
über steilerem Hange 54,10 m nach SW (Br. 4,20 ni ; Vor-
sprung 2,90 m) ^ Das kleine Plateau wird ganz schmal, so
dass Aussenmauer (77,1 0 m + 26,40 m) und Innenmauer, die
schon tiefer liegt, nur eine 3,90 m breite Fläche zwischen sich
' These three towers, as shown by the mortar in their foundations,
were restored in Byzantine times, perhaps by Justinian (p. 242).
m-.NrKTRiAS 233
haben, obwohl sie etwns schwächer als sonst sind (_\2() in).
Das äiisserste vSüdwestende ist nur wenit^c Meter l)reit und
trägt die auch \on Leake notierten Reste eines aus kleinen
Steinen bebauten Rundturnies aus dem Mittelalter '. Aber
darunter lieoen die h^undaniente eines \ierecki<»-en antiken
Turmes, von dem aus das foloende anstei tuende vStück der
\hiuer bequem zu überschauen war. Die lunenmauer der Hur<j;^
verläuft in mehreren _^raden Linien Nom Xordostturm : nach
W (25,40 m), WvSW (7-S,h(im), W (41„S()m) und vSvSW (77,4()m).
Das Burgtor ist nicht mehr zu erkennen, aber mit Sicherlieit
im Terrain zu bestimmen ; im vSW zieht sich auch der mo-
derne Pfad hinunter. Die Erbauer der neuen Kirche der
Panagia und des anschliessenden grossen (iebäudes (Abb. 5)
haben da oben gehörig aufgeräumt und von Innenbauten
nur die unter der Erde gelegenen übrig gelassen. Es sind 5
Wasserbehälter: - eine grosse 7 m im Quadrat messende und
über 6 m tiefe Cisterne und zwei mit ihr im Zusammenhang
stehende, im Juli noch mit Wasser gefüllte flaschenförmige
Behälter westlich \on ihr; und in dem nach SW ausge-
streckten Arme noch zwei birnenförmige Behälter, die im
Abstände \"on (> m dicht imter der nördlichen Burgmauer in
das ( Testein geschnitten und innen mit Mörtel bekleidet sind.
Auf der Öffnung, deren Durclimesser 1 m beträgt, lag einst
ein marmorner (?) Rand; die Einarbeitung für ihn ist erhal-
ten; Wasser fand ich nicht. Der Boden der Akropolis senkt
.sich in mehreren Absätzen \on N nach S und SW ; von Ter-
ras.sierung ist nichts zu sehen. Die einzige Fläche, die für
ein grösseres Bauwerk in P'rage kommt, ist die Gegend west-
lich und nördlich von der Cisterne. Dort fand Dodwell "^ zu
Beginn des vorigen Jahrhunderts denn auch zwischen den
beiden Wasserbehältern eine zerstörte Kapelle der Panagia
und ein antikes Fundament von etwa 1 4 m Länge und 1 0 m
' Leake a. a. O. S. 37b. Meziere.s a. a. O. S. 7.
- Flüchtiger Erwähnung tun dieser Behälter und des Volksglaubens,
in der Cisterne stiege am Freitag nach Ostern das Wa.sser, Leake <■/. </. O.
S. 37b; Ussing a. a. O. S. 9b (mit unrichtigen Maassen) ; Mezieres a. u. O.
S. 5 f. ; Georgiades a. a. O. S. 187.
' Dodwell ff. «. O. S. 91. Mezieres ff. ff. O. 8.5. Georgiades i/. </.(). S. 187.
234 C. FREDRICH
Breite (46 Fuss 8 Zoll und 33 Fuss 5 Zoll), das von ihm für
die Cella eines Tempels erklärt wird. Heute ist nichts mehr
davon zu sehen ; die Stelle und die beiden Behälter liegen
innerhalb des unvollendeten Neubaues der Kirche.
Jenseits der Burg folgt die wildeste Partie (146 m nach
SSW) der Enceinte. Der Grat wird ganz schmal und fällt
nach beiden Seiten so steil ab, dass man nur an der Innen-
seite mühsam entlangklettern kann. Und doch scheint mir
die Mauer auch an den sichersten Stellen nicht gefehlt zu
haben ', wie z. B. in Priene und Ephesos ; immer wieder fin-
den sich die Einarbeitungen für die jetzt abgestürzten Stein-
lagen ; der senkrechte Abfall darunter ist ja auch nur kurz.
66 m von der Ecke der Burg ist der Grat gespalten ; die
Öffnung (3 m) war einst durch eine Mauer geschlossen, von
der Reste noch darin stecken. Die Befestigung steigt (77 m)
zum höchsten Punkte (215 m) empor- und senkt sich von
dort an allmählicher oder schneller zum Westtore. Auf der
Abb. 2, die von dem grossen Turme weiterhin aufgenom-
men wurde, ist daher von der Akropolis nichts zu sehen.
Das Stück der Mauer, das man auf dieser Abb. 2 über-
blickt, verläuft im Ganzen nach WSW und enthält nach
80 m auf einem kleinen Fels vorsprunge einen Turm (Br.
6,45 m; Vorsprung 2 m). 60,50 m weiter ragte an einer Stelle,
wo der Abfall weniger steil ist und die stark ansteigende
Mauer etwa die Höhe gewonnen hat, jener mächtigste Turm
der Festung (Br. 12 m, Tiefe 14,40 m und 18 m). In sei-
nem Schutze öffnete sich in der Entfernung von 20,40 m
eine 1,10 m breite Pforte in dem nach SSW gerichteten
nächsten Abschnitt (49,70 m; Turm von 6,10 m Br. und
2,10 m Vorsprung). Der folgende (140 m) gehört in seinen
letzten 40 m zu den besterhaltenen Partien und enthielt
nach etwa 60 m noch einen Turm (Br. 6,10 m; Vorsprung
2,70 m). Hoch über jähem Hang ragte die Westecke mit
' Anders Dodwell a.a.O. 91; Mezieres a.a.O. S. 6; Georgiades f/. ff. O.
S. 187.
- About the middle of this section de.scending from the Akropolis are
cuttings in the rock which seem to indicate the" existence of a tower.
DEMETRIAS
235
einem Turm; ' dann lassen sich die o^erin<^cn Reste <^en SSO
zum Westtore verfolg-en (69,60 m).
Der Plan der Festung und die Bauart machen bis auf
wenige Stellen einen durchaus einheitliclien Eindruck. Es
ist im Ganzen das Werk des Demetrios Poliorketes, dessen
Reste beschrieben werden. Die Struktur der Befestigung ist
die übliche : zwei Schalen von ohne Mörteln und Klammern
gefügten Quadern, die aus dem krystallinischen Kalk des
Hügels geschnitten wurden, und ein Füllwerk von kleineren
Abb. 8. Mauerprobe nach Photographie von A. J. B. Wace.
und grösseren Bruchstücken und Erde. Die Quadern sind
nirgends überraschend g-ross; die Höchstmaasse sind wohl:
Br. 1,50 m, H. 1 m, T. 0,50 m und Br. 2,20 m, H. 0,86 m, T. 1 m ;
auf der Innenseite bleiben sie im Allgemeinen weiter dahin-
ter zurück. Die vertikalen Fugen verlaufen vielfach schräg
(Abb. 6) ; ein Stein greift in den anderen ; dreieckige Einsatz-
stücke finden sich nicht selten (Abb. 8 nach Photographie von
' The Corner is defended by a tower measuring 4,50 X -^.SO m. and
projecting 1,60 m. from west wall and 2,40 from north wall.
236 C. FREDRICH
A. J. B. Wace); einmal beobachtete ich (zwischen Nordtor und
Burg-, Abb. 7) eine echt polygonale Fügung: | ) ^j^^^-^ \
Man darf hierbei nicht vergessen, dass nur die unterste oder
die beiden untersten Schichten noch /// s/V?/ liegen und dass
diese natürlich besonders dem Terrain angepasst werden
mussten; daher waren sie später auch weniger gut zu ge-
brauchen und sind zurückgelassen worden. So macht das Er-
haltene einen garnicht viel jüngeren Eindruck als die Mauer
von Priene, aber doch einen sehr viel jüngeren als der Stein-
sockel von Mantineia. Die Auflager sind sorgfältig herge-
richtet; die Aussenseiten natürlich flüchtig behandelt. Ein
Wechsel von Läufern und Bindern ist in diesen Schichten
nicht nachzuweisen; manchmal greift ein Stein tiefer ein '•
Die Breite des Mauergürtels übertrifft die von Magnesia a.M.
(2,30 m), Messene (2,35 m), Priene (2 m), gleicht der von Neu-
lasos (2,50 m) und der Unterstadt von Troja (2,50 m) und
bleibt hinter der von Ephesos (3 m im Durchschnitt) ein we-
nig, hinter der des Sockels von Mantineia (4,20 m — 4,70 m)
natürlich weit zurück. Die natürliche Festigkeit ist so bedeu-
tend, dass man jener sägeartigen Vorsprünge und zahlreicher
Türme entbehren konnte; wo aber ein Turm nötig war, da
steht er auch. Sie sind wie die Mauer immer auf den Fels
fundamentiert, mit der Mauer gewöhnlich nicht verbunden -,
springen in der Regel etwa um die Mauerbreite vor und mes-
sen zwischen 5,80 m und 6,45 m an Breite ■^. Besondere Wich-
tigkeit oder die Terrainbildung führte zu grösseren oder
auch kleineren Dimensionen. Die Weite der Tore ist nicht
genau zu bestimmen; das Osttor entspricht (2,30 m) dem
Nebentore in Priene (2,40 m). Technisch enthält das Werk
des Demetrios Poliorketes nichts Aussergewöhnliches, weil
die q)iJoi5 die xexvn] entbehrlich machte; von Interesse könnte
' Now and again internal binding conrses are laid to unite the two
faces of the wall.
- Vgl. Wiegand-Schrader /"/vf-w S. 41.
•' Das benutzte Längenniaass scheint das makedonische zu sein (1 Fuss
= 275 mm). Die Mauer misst so in den drei Abstufungen S Fuss (2,20 m
vS. 232), 9 Fuss (2,50 m S. 228), 1 I Fuss (3,10 m S. 230). — Diese Breite der
Türme scheint beliebt gewesen zu sein: Mantineia ().50 m, Messene 6-7 m.
DEMETRIAS 237
ein Vergleich mit der Mauer des fast genau gl eich alterigen
Ephesos des Lysimachos sein, aber mir fehlt es hier völlig
an Material dafür.
Der Gürtel, der die Stadt umschliesst, ist (die Turmvor-
sprünge nicht eingerechnet) rund 2480 m lang; davon entfal-
len rund 81 m auf die Türme und rund 145 m auf die Tore.
Die innere und äussere Burgmauer zusanmien messen rund
493 m. Die Akropolis bleibt nach Umfang und noch um vie-
les mehr an Inhalt hinter der Burg von Athen z. B. und dem
Troja der VI. Schicht (Umfang rund 540 m) zurück. Sie ist
als letzter Zufluchtsort der Besatzung gedacht, und daher
ist reichlich für Wasserbehälter gesorgt. Ein Heiligtum wird
an der von Dodwell (s. obe7i S. 233) bezeichneten Stelle ge-
standen haben ; die Panagia hat dort eine andere Gott-
heit verdrängt, aber Artemis, deren Kopf die Münzen aus
der Zeit der Gründung tragen, ist es nicht (s. unten S. 238).
Auch den Königspalast, in dem besonders Philipp V. häu-
figer weilte, wird man sich dort auf stolzer, sicherer Höhe
denken ^
Die Stadt steht an Umfang den Gründungen des Epa-
meinondas weit nach; an Flächeninhalt auch Städten wie Pom-
peji (Umfang 3 km) und Nikaia (Umfang 2839 m). Neu-Iasos
gleicht ihr an Umfang und Form (2400 m) und wahrschein-
lith auch an Inhalt, während in Priene bei gleichem Um-
fange (2 Y2 km) sehr viel weniger bewohnbarer Raum vor-
handen war. Man darf also für Demetrias auf eine höhere Be-
wohnerzahl als dort (etwa 4000) schliessen '-. Das Strassennetz
wird natürlich ebenso orientiert und ähnlich regelmässig ge-
wesen sein wie das von Priene. Eine Ost-Weststrasse wird
rechtwinklig von den Nord -Südstrassen geschnitten worden
sein. Reste solcher Nord -Südstrassen wollen frühere Rei-
' Strabon VIII 436,15: ßaöi^eiov ^texQi nokXQV TOig ßaoiXeÜGi twv Maxe-
86v(ji)V. Livius 35, 31, 9: ibi enim non praesidium modo Macedonuni ftcisse, sed
regiani exaedificatam, 7it praesens seinper in ocuUs habendns essel domimis.
'■' Perhaps the destroyed outer walls on the west, south and east indi-
cate a reduction of the enceinte for convenience of defence, and from lack
of Population. In this the inhabitants wäre wiser than those of Messene
and Megalopolis.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX 1 6
238 C. FREDRI-CH
sende gesehen haben \ und zweifellos würde eine genaue Auf-
nahme und sorgfältiges Studium der noch immer zahlreichen
niedrigen Mauerreste innerhalb der Enceinte und der Fels-
bearbeitungen und Felsglättungen das Strassennetz mit mehr
oder w^eniger Sicherheit wieder erstehen lassen. An der Linie
jener Hauptstrasse glaubt man etwa in der Mitte der Stadt
einen grösseren Platz zu erkennen; vielleicht ist es die Ago-
ra '-, an der z. B. das Heiligtum der Artemis sich erhob, auf der
einst die Steine mit den Beschlüssen des Bundes der Magne-
ten (s. 2inte7i S. 342) standen •^; über diese Stelle zog Diokles
im Jahre 192 mit seinen Reitern, als er die Festung den Aito-
lern in die Hände spielte (Liv. XXXV, 34): ihi tina ex tur-
)ins ad portani relicta, ur rxcliidi subseqiiens equitahcs possct,
media urbe ac per fonii/i niatni Eii^ylocJittm tcnens nniltis occur-
rentibtis gratulantibusqiw doiiiitin deduxit. rnox equitum plena
urbs erat, et loca opportioia occupnbantiir. fitni in domos inissi
qiii principes adversae factionis interfieereut. Ita Deineti'ias
Aetoloru in facta est. Wenn ein Theater vorhanden war, muss
es an dem Abfall unterhalb der Burg oder wahrscheinlicher
weiter westlich gelegen haben. Ein Gebäude ist in de-^ Ost-
ecke zwischen der Strasse und der Mauer zu erkennen (1 U m
X 7,30 m); andere Mauerzüge weisen auf recht stattliche Bau-
werke. Reste einer Wasserleitung, die nicht gefehlt haben
kann und am Pelion ihren Ursprung hatte, wollen Leake und
nach ihm Andere gresehen haben ^. Heute rasft in dem ofan-
' Leake {a.n. O. S. 37b) will den Abstand zweier vStrassen mit 15 engl.
Fuss gemessen haben, das ergibt eine sowenig tiefe Insula, dass ein Irrtum
oder eine Besonderheit vorliegt. Von 2 Nord-Südstrassen sprechen: Mezieres
a.a.O. S. 6 und Georgiades a.a.O. S. 187. — The line of a street running from
the North to the South gate is clearly visible. It is cut at right angles a
little north of the South gate l)y the main street from the West gate. On each
side of this street towards the West gate remains of houses are plentiful.
* Inscriptions also mention a sacred agora {Athen. Mitteil, 1882 S. 75).
■' Die Lage der Heiligtümer der übrigen nach den Inschriften in Deme-
trias verehrten Gottheiten, z. B. des Sarapis, lässt sich nicht angeben.
^ Leake a.a.O. S. 376; Mezieres a.a.O. S. 6; Georgiades a.a.O. S.187. —
The aqueduct still exists on the north side of the Space which is probably
the Agora and where the rock has been cut away. The aqueduct is a rock-
cut Channel locally known as the Lagnini and supposed to be connected as
DEMETRIAS
239
zen mit Steinen übersäten und mit niedrigen Phrygana be-
deckten Stadtgebiet nur der auf Abb. 2 sichtbare Baum auf.
In der Südostecke aber erkennt man noch moderne Geschütz-
stcände. Aus welcher Zeit sie stammen, weiss ich nicht i; aber
sie sprechen eine deutliche Sprache und weisen uns noch ein-
mal auf die Bedeutung und die Geschichte der Stcätte.
Als im Jahre 1 69 die Römer und Eumenes einen Angriff
Abb. 9. Die Wasserleitung nach Photographie
von A. J. B. Wace.
auf Demetrias beabsichtigten, da, so erzählt Livius (XLIV 1 3)
circumvecti tarnen moenia sunt praetor et rex, situm urbis
contemplantes, si qua parte tcmptare ant opere aut vi pos-
Leake says with a cave by the sea. It was cut in the rock and then roofed
over with big Hmestone slabs. The Channel is about .65 m. wide and at
least 1.30 m. deep : it runs in a general direction from Northwest to South-
east (Abb. 9).
^ This battery dates froni the Greco-Tnrkish troubles of 1 886.
240 C. FREDRICH
sriit. Die Recoo-noscieruno^ scheint weni«^ ermutigend ausge-
fallen zu sein; jedenfalls kam es weder zu einem Sturm, der
bei einiger Wachsamkeit der Besatzung [rrplrfa ]iioruia ar-
iiiatis Liv. XLIV 12) hier kaum je li^rfolg versprach, noch zu
einer I^)elagerung, bei der man wohl nur gegen das Nordtor
hätte vorgehen können. Demetrias ist in der Tat im Alter-
tume nie erstürmt, ja nie ernstlich belagert worden. Es lag
eben so, dass es selbst schwer anzugreifen war und dass ihm
auch die natürliclien Hilfsquellen schwer abzuschneiden wa-
ren; die Ceruierungstruppen, deren Bewegungen man von
der Stadt aus übersah, mussten immer eines Überfalls gewär-
tig sein ' und konnten ihre Linien \ on der Ebene von Volo
zur Ebene von Lechonia zu Lande nur dann hinüberziehen,
wenn das (tcbirge in ihrer Hand war; von dort aus warf sich
denn auch im Jalirc 169 Euphranor mit frischen Truppen in
die vStadt. Sie war wirklich 7'aliiic( rf dd iiiociiia opporfmia
(Liv. XXXIX 2,^); wie ein Adler aus seinem Horst, so konnte
der Herr der vStadt über den Golf, der sich von hier aus als
ein weiter See darstellt, über den besten Hafen dieses Golfes,
über die fruchtbaren Ebenen und den Hang des Gebirges
spähen und tun und geschehen lassen, was er wollte -. Deme-
trias sollte in erster Linie Festung sein: ein Hafen war
nicht in den Mauerring gezogen, und ein guter Ankerplatz
in der Nähe auch nicht vorhanden. Und doch machte Phi-
lipp V die vStadt auf Kosten vor allem von Thebai Phthio-
tides auch zum ersten Hafen])latze Thessaliens ■'. Lande-
' ^i'ii Gi^ros ctiain ronfidcniul sc a popiildlionihiis tuen' passe ;
el eniplioiies in Tinros popiildlores iioii s/'/ii' 'vitliierihiis /los/iiiiii faeiite sunt
(I>iv. (I. II. ().).
-' vStra1)on n. u. (). : titexydrei hk xai xo)\' Te(iJt(o\' y.a'i T(Öv oo(Öv äjirpoTA',
MaKtQ eiQTjTai (VIII 42S, 15), ton tk Ilii^aOn xai j^\c. "()ooi|c-
■' Liv. XXXIX 25 : '/Vietias /'/it/i/as iiinnn uiiirit iniiiiu eiiiporiiim fiiisse
(/iii'iiitiiiii V'/irssi/t/s qiiiiestiiosiini et fntjf/feniiii : itii luiriliiis oiieninis rniiipiiriitis
r(-i;iiii, i/iiiir praeter Tlietiiis Deniet rkii/eni ciirsiiin itirigereiit, negotiatioiieiii iiinri-
tiniani niiineiii eo inurtisse (so klagen die Thessaler im Jahre 185). Wenn auch
der alte Hafenort l'a,i;asai vom Deinclrios siclu-rlii-li nicht völlig entvölkert
worden war (.Stral)()n u. a. ().), so lag er docli /,u sehr im Herwcli der make-
donisclicn I'\-stung, und <lie Thessaler hatten sich daher offenbar weiter
südwestlicli in 'l"iicl)ai (Hursian (/. n. (>. S. 7'') einen lunien vSeehandel.s])latz
DICMI'TRIAS 241
platze, die antiken Bedürfnissen entspr.ulien, hoten sich ja
westlich nnd (Kstlich von dem vSteilhanj^' nnniittelbar nnter
der Stadt: im W dort, wo der Ananros mündet und jetzt
die Badeanstalt von \'olo steht, nnd besser im vSO, wo man
gegen den Wind nnd einen Angriff nnter dcw Mauern der
Stadt mehr vSchutz hatte. Dort mag das \(/.r'oT((i)|i()v »Stra-
bons zu suchen sein, dort die make(U)nisehe Flotte mehr als
einmal gelegen haben, denn die alte vSkala \on lolkos beim
heutigen Volo kann man als Hafen \-on Demetrias nicht in
Anspruch nehmen '.
Demetrios Poliorketes hat Dauerhafteres geschaffen als
so mancher Kriegsheld vor und nach ihm. Jeder Herrscher
Makedoniens wird den Besitz Thessaliens erstreben, und
wenn er es besitzt, muss es für ihn von unschätzbarem Werte
sein, die Höhe von Demetrias in seiner Hand zu haben, denn
von ihr schaut er nacli Norden und Süden ; Korinth und
Chalkis waren nur Festungen, nicht Residenzen. Sicherlich
hat Demetrios den Plan zu seiner Gründung unmittelbar nach
der Eroberung von Thessalien im Jahre 293 (Niese (icsrii. der
mak. lind i^ricch. Städten I »S. .U)0 ff.) gefasst und ausführen
lassen; Im Jahre 2Sf)/5 konnte sein vSohn die Festung schon
gegen Lwsimachos halten. Wenige Jalire später (2S,-i) sahen
die Bürger der jungen vStadt wieder eine stattliche F'lotte
heransegehi, aber sie nahte in Frieden; unter ganz einzigen
F'^eierlichkeiten sollte ihr ruheloser Eponymos in ihr seine
Ruhestätte finden (Plut. Diiii. 53) -'. In den nächsten Jahr-
j^eschaffen; Philipp vernichtete ihn. Die Manern von l'aj^asai können also
mit denen von Demetrias nnmcij^lich j^leiehen .\lters sein (Raedeeker [Lol-
linj^?] II. (I. ().)\ sie sind älter oder j untrer.
' vStrabon n. a. (). x(i?^eTTai hv xul nii\'fc)rt|c al^^nÜMC. 'Xv^ImÖc,. Ivivins
XLIV, 12 ... . Dcmciriadtui fn/ini/. Ihi ruin (ip[)roj)inqiici)itcs repleta nioenia
(trmoti's vü//ss<'ii/, practcrvccii ml lolkon ilassi'iii a ppiilrruiil , iiufc auTo vasfafo
Dciiu'lriiidcDi i///i)(/itf <i(/i;r(-ssiir/. l'eriiajjs a harhoui' or at least a landing
])laee is to he looked for on tlic ollier side of llie liill, helovv the Sonth gate
and in tlie marshy j^round helow llie soutlieasl eorner to tlie left of the
modern carriage road to I^echonia.
■ Das vor wenigen Jahren zwischen Volo und Larissa aufgetleckte Grab
konnte natürlich nicht das des Demetrios sein. Wir müssen an einen Bau
innerhalb der Stadt (etwa auf der Hurg? vgl. S. 233) denken, einen Bau in
242 C. FREDRIGH
zehnten spielt sie, wenigstens soviel wir wissen, eine ge-
ringe Rolle; aber sobald die kriegerischen Verwicklungen
zwischen Rom und dem Osten beginnen, taucht ihr Name
auf. Philipp V. fördert sie voll Verständnis für ihre strategi-
sche Bedeutung in jeder Weise und benutzt sie als Stütz-
punkt für Landheer und Flotte; der römische Senat trägt
nach dem Siege durchaus mit Recht Bedenken, die römischen
Truppen wieder herauszuziehen ; T. Quinctius Flamininus
übergibt die Festung den befreiten Magneten als festen Mit-
telpunkt. Der Fehler rächt sich ; sie fallt in die Hände der
Aitoler und wird zum Stützpunkt des Antiochos. Im Frie-
den darf Philipp V. für treue Dienste auch Demetrias be-
halten ; er und Perseus werden die Feste gut im Stande
gehalten haben. Nach dem Tage von Pydna ergibt sie sich
unbezwungen wieder den Römern und wird geschleift (Dio-
dor XXXI 8,6). Aber die Zerstörung wird nur Teile der Mauer
getroffen haben ; das Erhaltene lässt weder das Zerstören
noch das Ausbessern erkennen ^ Im mithradatischen Kriege
erscheint Demetrias wieder als wertvoller Waffenplatz, nun-
mehr der Römer, den Metrophanes vergeblich bedroht, und
dieselbe Bedeutung hat es während der Bürgerkriege. Stra-
bon urteilt : "viJv Se oin'80TaA,Tai [iiv, xwv 8' ev tyj Mayvi]ai'rt jt«o(üv
öf-icüs öiarpeQei. Es gedeiht bescheiden weiter und gehört auch
im byzantinischen Reich zum Thema Makedonien. Unter
Justinian wird es wie andere thessalische Orte neu befestigt '^.
Dieses ndaxQov AijpiTQuts verfällt im Jahre 902 einer furcht-
baren Plünderung durch die Sarazenen 'l Aber die Stätte war
zu fest, als dass die Bewohner sich trotz solcher Erfahrungen
wie anderwärts von ihr in die Berge oder das Innere zurück-
der Art wie das hellenistische Heroengrab in Milet und die anderen von
Wiegand {Sitzungsberichte der Kgl. Akademie der Wissenschaf teil zu Berlin 1 905,
vS. 538 ff.) citierten.
' Possibly we should recognize as signs of this disniantling of the city
tlie destroyed oiiter walls by the West gate, on the south side and by the
Vorwerk (cf. pp. 228 \ ^ 230 ').
* Hieroclis Synecdemos (ed. Burchhardt) S. 6; 53. Prokop de aedif. IV, 3.
vgl. vS. 232».
^ Finlay Hist. Greece II vS. 265,
DEMETKIAS 243
gezogen hätten. Der arabische Geograph Edrisi verzeichnet
(1154): Drnictriaiia pctite ville bicn pcuplrc^. Bei der Reichs-
teihing im Jahre 1204 wird es genannt-'; zu 1 2<s3 berichtet
Georgios Pachymeres von einer neuen Befestigung, und 1 299
taucht sein Name wieder auf-'. Piri Reis (um 1524) gibt lei-
der— wenigstens in der BerHner Handschrift (fol. 42 d) — im
Text und auf der Karte am (jolf von Volo keinerlei Ortsna-
men, wne mir Herr Professor O. Mann gütigst mitteilt. Der
Ort bestand damals noch ' ; er wird noch lange nach Beginn
der türkischen Herrschaft (um 1390) mehrfach als Sitz eines
Bischofs und später, nach Lequien Oriciis christiaiuts \\\ S. 983,
eines Erzbischofs jjenannt. 1564 wird ein Bischof von Deme-
' Geographie (/'Äj'rw par Jaubert (Paris 1880) II vS. 29h. vgl. Tafel Con-
staiitiniis Porpliyr. de prov. reg. hyz. (Tübingen 1 847) S. 36.
- Ersch lind Gruber 85 vS. 207 ; vgl. 232. — It wa.s a.s.signed to Boniface
of Montferrat and is nientioned as liaving previously formed part of tlie
e.states of tlie ex-Einpres.s Euphros^ne (Tafel-Thomas h'ontrs rcnim Aitstria-
carum II. Bk XII p. 464 sqq.). And after 1222 when Theodore of Epirus
conquered Salonika it belonged to that despotat. In 1271 on the division of
the despotat it passed to the bastard John I, Duke of Neo Patras. It was
temporarily occupied by the troops of Michael VIII Palaiologos in 1275,
and in that year took place the great naval battle of Demetrias between
the Byzantine fleet and the Lom1)ards of Euboea (Pachymeres 1307, 322;
Nikephoros Gregoras I 109; Saniido (Hoff, Cliron. Grcco-rom.) p. 102-122).
[These and other notes on the mediaeval history of Demetrias are due to
the kindne.ss of M. William Miller].
^ Georgios Pachymeros ed. Bekker II S. 68 f.: xui h\\ JiQOoßaJicov Aiifirj-
TQiäöi exei öuvexaTre tAc; 8Dvd[i£iq ovo, [lev jte[.iJia)v eli; öxijA,a xal d()n:aYdi;,
olg 8e 8;rl dvoixo8o|.iTiv xcov cxei XQ^Ht^^^'o? Jto^aojidxwv xai Jiyojtov aiiTÖ)
TüJv e'QYCJV -^u()YOLi; ^u^tivoi^ auOinteyöv eli; el'xooi xul xeöoaQaig :TOöou[ievoii;
jteQi(3a^8o0ai ATi[ii]TQLdÖa, Öi^rj te, jteQixacpQeöoai xal liöWQ sx da?idoo)](;
sveXvai xoii; xdq)QOi(; xai oiixcog dve^i^v xax' 6Xiyo\ xxitovxa dveyeiQEiv ?adoi(;
to TcöXioyia. vgl. S. 284. Die Nachricht sieht zuverlässig aus, aber es ist
unmöglich, dass der alte Stadtberg gemeint sei ; vielleicht handelt es sich
um eine Befestigung der Skala, da der byzantinische Feldherr einen Stütz-
punkt für die Flotte gewinnen will. — And in 1 284 it was besieged by Tar-
chaneiotes and Alexius Raoul the Byzantine generals in the war between
Andronicus II and the bastard John I (Pachymeres II 69-71).
* Later in 1380 near the end of the Catalan period a .comte de Mitra»
(Demetrias) is mentioned. (Rubio y Lliich Los Navarros cn Grccia y el Dncado
Catalan de Atenos pp. 220, 262).
244 c. fredrich: qemetrias
trias erwähnt und wieder 1721 {a.a.O. II S. 111), und Lequien
gibt an, Dimitriada bestehe noch (1 740) und verzeichnet es
auf seiner Karte an der richtigen Stelle. Es ist wahrschein-
lich, dass die letzten Bewohner sich um das Kirchlein auf der
Burg drängten. Erst im Laufe des XVIII. Jahrh. hat Alt-Volo
dem Berge die Bewohner entzogen, ist der Name verloren
gegangen, so dass Dodwell (1819) Demetrias an der Stelle
von Pagasai ansetzen konnte.
Ein viereckiger mittelalterlicher Turm stand früher nahe
dem Westtore ^, Reste eines zweiten wurden bei der Beschrei-
bung der Akropolis erwähnt. Heute heisst die Höhe nach
einem auch wieder verschwundenen Dorfe «Goritza».
Posen
C. Fredrich
^ Mezieres a. a. O. S. 7 ; Georgiades a. a. O. S. 187.
245
EINE vSTATUENGRUPPE DER ANTONINENZEIT.
Eine Anzalil antiker \veil)liclier vStatueii /.eichnet sich
durch eine besondere Traclit ans. vSie tra<;'en den (inrtel nicht
wie gewöhnlich unter der Brust, sondern er hängt ganz locker
auf den Hüften. Die bis jetzt bekannten Figuren dieser Art
sind im Folgenden zusammen eestel lt.
Abb.
Torso aus Milet.
a. Weibliche Statue, veröffentlicht von Winckelmann
( IVerkc herausgegeb. von H. IMeyer und J. Schulze \' Taf. I D);
jetziger Aufbewahrungsort nicht zu erkunden. Über die Grösse
gibt Winckelmann nichts an, da er die Figur nur der Gürtung
wegen erwähnt. Zwei Torsen von Repliken sind neuerdings
in Milet gefunden w^orden, einer lebensgross, der andere etwas
kleiner (Abb. 1 und 2). Die Übereinstimmung ist fast voUstän-
246
E. HERKENRATH
dig; nur sind bei der Winckelmannschen Figur die Gürtelen-
den sichtbar, sorgsam geordnet, die bei den milesischen fehlen,
und auf dem rechten Oberschenkel zeigt sie einige Falten, die
bei den milesischen nicht vorhanden sind. Die Gesamterschei-
nung ist die der sog. Venus Genetrix, der man den lockeren
Gürtel umgelegt hat. Interessant ist der Kopf der Winckel-
mannschen Replik, der ja wohl zugehörig sein wird; denn da
Abb. 2. Torso aus Milet.
die linke Hand nicht ersetzt worden ist, so wird auch sonst
nichts erofänzt sein. Er weicht mindestens in der Haartracht
durchaus von dem der Venus Genetrix ab (vgl. die Abbil-
dung bei Winter, 50. Berliner Winckelmannsprogramm S.118),
und scheint, danach beurteilt, freierer Art gewesen zu sein.
Vor das Ohr ist ein einzelnes flaches Löckchen gelegt.
b. Die von Arndt im Texte zu E. V. 1153 zusammenge-
EINE STATÜENORUPPE DER ANTONINENZEIT
247
stellten Statuen ^ und eine neuerdings in Milet gefundene, ge-
nau entsprechende Wiederholung (Abb. 3 und 4). E. V. 1 153 ist
1,75 ni hoch, Cl. 1449 B nach Michaelis 1,71 m, der milesische
Torso hat zu einer Figur von etwa 1,75 m gehört. Für die
jetzt in der Ermitage befindliche Figur aus Museo Naniano
gibt Kieseritzy Skulpturoi der Ermitage Nr. 1 60 die Höhe zu
1,764 ni an; zu Clarac 1108 steht 10 pal. 10 on. verzeichnet.
Abb. 3. Statue im Palazzo Colonna
in Rom (nach Arndt E. V. 1153).
Abi). 4. Torso aus Milel.
was wohl auch ungefähr Lebensgrösse ist. Somit sind diese
Repliken alle etwa gleich hoch. Von den unter a angeführten
Figuren unterscheiden sich diese eigentlich nur dadurch, dass
sie den rechten Arm anders halten. Infolgedessen liegt auf der
rechten Schulter das Mantelende etwas unmotiviert auf. Der
^ Bei Clarac 1 449 B = Michaelis Äncioit marbles p. 503 Nr. 6 ist der
Gürtel nach Clarac modern ; Michaelis behandelt ihn als antik.
248
E. HERKENRATH
Gürtel hängt lockerer. Die vSclniltern sind auffällig schmal.
Der Kopf, der bei E. J\ 113,3 erhalten ist, hat mit dem der
vorigen Gruppe eine gewisse Ähnlichkeit in der Frisur, der
Abb. 5. CiruppL' in Xeai)d (nach l?ruiin-I?riu'kniann Taf. 300).
allerdings die Binden ein viel reicheres Au.ssehen geben ; in
den einzelnen Löckchen vor dem Ohr und auf der Stirn zeigt
.sich ein ähnlicher Geschmack. Die Stirnschleife ist in der
Antoninenzeit beliebt. Arndt will wegen der grossen Schlank-
EINR STATimNCRUPPR DER AKTONINRNZRIT 249
lieit und des Kopftypus auf ein hellenistisches Original schlies-
sen; mir scheinen dazu die Hewef^unj^ und die Linien des
Gewandes zu einfach ; man darf wohl sagen, dass dieses ohne
weiteres von der Venus Genetrix übernommen ist.
Diesen Statuen nachg-ebildet ist das Gewand der Elektra
in der Neapeler Gruppe (Brunn -Bruckmann 306, Abb. 5)/ wie
auch Arndt a.a.O. annimmt. Die.se Figur ist weiter nichts, als
eine Umsetzung des .sog. Pylades in der Fari.ser Gruppe (Br.
Br. 307) ins Weibliche: Kopf, Frisur, Haltung und Proportio-
nen sind beiden gemeinsam, wie .sie auch mit der gleichen
Figur zusammengestellt sind. Es scheint mir sicher, dass die
Neapeler Gruppe eine Umarbeitung der Pariser ist.
Diesen ruhig stehenden vStatuen schliessen sich andere
an, welche die gleiche Tracht haben, aber .sich in einem
schwebenden Tanzschritt bewegen. Und zwar wird die Bewe-
gung durch das Gewand in einer sehr charakteristischen
Weise begleitet und verstärkt.
c. E. V. 286 (im Giardino Boboli in Florenz, Abb. 6) und
die von Arndt zu E. V. 350 erwähnte Münchener Figur (Furt-
wängler Glyptothek 449). Auch Reinach Repertoire II S. 302, 3
scheint hierhin zu gehören, und die ganze Figur gibt ein
Sarkophag (Robert Die an tilgen Sarl^opliagreliefs II 190^) der
leider nur in einer Renai.ssancezeichnung erhalten ist. Hier
stellt sie Medea dar, und vielleicht wäre die Alünchener Sta-
tue danach als ]\Iedea zu ergänzen, wozu ihr schwarzes Kleid
nicht übel passen würde. Der Sarkophag war nach Robert
wahrscheinlich ein Werk der Antoninenzeit.
d. E. V. 350 (Nike in den Uffizien), offenbar identisch
mit Clarac 637,1447, da Dütschke nur eine Nikestatue in
den Uffizien anführt. Die Zeichnung bei Clarac gibt ein
Spiegelbild. Arndt erklärt diese Figur für eine Replik von
E. V. 286. Da Dütschke aber angibt, der rechte Arm scheine
nach den Resten auch früher erhoben gewesen zu sein, so
scheint mir das nicht richtig. Auch die Flora Blattei, eine
Replik im Gegensinne, spricht wider Arndt.
Hierhin gehört noch E. U. 788, ein sehr schlechtes Stück,
und die Antiope aus der Gruppe des farne.sischen Stiers. Diese
letztere ist zwar nur wenig bewegt, aber trotzdem weht das
250
E. HERKE-NRATH
Gewand in denselben starken Falten um ihre Glieder zurück,
wie bei den anderen Figuren. Die Haartracht ist die gleiche
wie die der unter a genannten Statuen, auch die Löckchen
vor den Ohren sind vorhanden. Dass die Antiope nicht ur-
sprünglich zu der Gruppe gehört hat, sondern eine römische
Zutat ist, scheint mir nach Studniczkas Aufsatz [Zritschr.
für bild. Kunst, N, F. XIV S. 171 ff.) keines Beweises mehr
zu bedürfen ^
Abb. 6. Statiie im Giardino Boboli in Florenz
(nach Arndt E. V. 286).
Auch eine Figur im Museum von Kairo muss hier er-
wähnt werden (Edgar Grcek Sciilptnre Pl.VIII 27625 S.16). Das
Gewand ist ums rechte Bein herumgenommen, wie bei E. V.
286, aber nicht wie dort durch die haltende Hand verständ-
' Man könnte vielleicht gegen die Originalität der Gruppe noch anfüh-
ren, dass alle Figuren, die bis jetzt aus Tralleis l)ekannt sind, in der viel
weicheren Behandlung übereinstimmen.
EINE STATUENGRUPPE DER ANTONINENZEIT
251
lieh. Die Rechte ist vielmehr erholten gewesen. Der (xürtel
hält an der linken Seite auch den Mantel, ein bisher neues
Motiv. Die Schultern waren, wie es scheint, beide vom Chi-
ton bedeckt.
e. E. r. 5,S1 (im Museo Nazionale in Palermo, Abb. 7), eine
herabschwebende Selene, in der Gewandbehandluno- völlig
den vorigen gleich. Die Bewegung ist anders, wie auch die
Al)b. 7. Statue im Museo Nazionale in Palermo
(nach Arndt E. V. 551).
Anordnung des Mantels, der jedoch in dieser Art für Selene zu
einer gewissen Zeit fast den Wert eines Attributes hat. Die
Figur findet sich — ohne Gürtel — wieder auf Endymion- und
Achilleus-Sarkophagen (z. B. Robert III 1,40 und 48, II 25
und 26; 25 «gehört nach den Porträtköpfen in die ersten
Jahrzehnte des III. Jahrhunderts»), ferner im Gegensinne mit
barbarischem Kopf auf der Marcussäule (Petersen 1113 A, 13)
und dieser Figur genau entsprechend auf einem Endymion-
252 E. HERKKNRATH
Sarkophag (Robert III 1,72). Es ist deutlich, dass auf der
Säule ein bekannter Statuentypus wiederholt wird; der Tanz-
schritt und der wehende Mantel passen durchaus nicht in die
Situation. Petersen nennt das Gebahren theatralisch.
f. Es mag hier der Torso in Dresden angeschlossen wer-
den, der bei Clarac PI. 440, 797 abgebildet ist; nach Clarac
«r> Vexception du torsc rie/i nc paratt a}itiqur->. Nach einer per-
sönlichen Mitteilung ist der Gürtel alt, soweit er sichtbar
ist. Seine Enden sind symmetrisch gelegt.
Auf alle unter c — f gesammelten Statuen passt die Be-
schreibung, die Altmann Architcchir und Ornamentik der
auf. Sarkophage S. 109 von den weiblichen Figuren einer
ganzen Sarkophagklasse gibt: «Charakteristisch ist die Tei-
lung des Gewandes in drei grosse Faltenmassen, eine zwi-
schen den Beinen, je eine auf jeder Seite .... Dies ist der
Typus, den die Töchter des Lykomedes zeigen ; auch die
von starkem Windzuge rückwärts getriebene Kleidung ist
beiden gemeinsam». Man kann hinzufügen, dass alle be-
wegten Frauenfiguren der Marcussäule die gleiche Ge-
wandbehandlung zeigen, was zu Altmanns Ansetzung die-
ser Sarkophagklasse zwischen Antoninus Pius und Ela-
gabal, also rund 150 — 220 n. Chr., sehr gut stimmt. Es ist
deutlich, dass die Gruppe c — f gewissermaassen die unter a
und b angeführten Figuren in Bewegung wiedergibt. Die
langen, vom Gürtel senkrecht herabhängenden Falten ändern
sich in keiner anderen Weise, als dass sie sich, der Bewe-
gung folgend, etwas biegen und in grossen Krümmen zurück-
wehen. Im schroffen Gegensatz hierzu steht die Flora Far-
nese, wohl die bekannteste der tiefgegürteten Figuren. Hier
bilden sich unter dem Gürtel Dreiecke von Falten und wei-
terhin begleitet das Gewand die Umrisse der Beine nicht,
sondern es überschneidet sie. Motiviert wird das dadurch,
dass die Rechte das Gewand in archaischer Weise hebt. Die
Beine treten aber ebenso deutlich heraus, wie bei den ande-
ren, indem sich zwischen und neben ihnen und den Falten-
graten tiefe Höhlungen bilden. Durch diese Anordnung er-
hält jedoch die Flora im Gegensatz zu jenen leicht schreiten-
den Figuren etwas Schweres, was vielleicht einen feierlichen
EINE STATUEN CxRUPPE DER ANTOMNENZEIT 2.S3
Eindruck machen soll. Denn offenbar soll das Heben des
(rewandes, von archaischen Figuren übernoniuien, der be-
messene polykletische vSchritt, die schweren Proportionen, der
Abb. 8. Die Flora Farnese (nach Rrunn-Bruckmann Taf. 3()0).
streng geordnete Saum des Mantelendes, das über den linken
Arm fällt, die zu beiden Seiten der Körpermitte symmetrisch
gelegten Falten des Chitons auf dem Oberkörper — all das
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX 1 7
254 E. HERKENRATH
soll an alte Kunst erinnern. Das ist aber schliesslich etwas
Ähnliches, als wenn die anderen das Gewand der Venus
Genetrix einfach übernehmen oder fortbilden, und im Ein-
zelnen sind die trichterförmigen Öffnungen am Ende der
herabhängenden Falten nichts anderes als die rüschenarti-
gen Säume, wie sie am deutlichsten bei den Selenefiguren
sich zeigen, nur in den Zustand der Ruhe übersetzt. Auch
die sorgliche Ordnung der Gürtelenden fanden wir schon;
die Dreiecke unter dem Gürtel kehren wieder bei der Selene
des Sarkophages Robert III 1,77, die auch mit der Rechten
einen Gewandzipfel hebt. Nach der Haarbehandlung darf
man den Sarkophag mit Sicherheit der Zeit nach Antoninus
Pius zuweisen, vielleicht sogar noch genauer unter Septimius
Severus ansetzen. Die Flora kann also zeitlich nicht weit von
den anderen Figuren derselben Tracht entfernt werden ; sie
macht den Eindruck, als ob sie eine Weiterbildung dieser ein-
facheren Typen sei, indem sie mit ihrer Tracht selbständig
experimentiert. Gefunden ist sie in den Thermen des Cara-
calla. Es sind noch einige Statuen zu erwähnen, welche die
Übertragung des lockeren Gürtels auf T3'pen zeigen, die ihn
ursprünglich nicht haben.
g. Phaidra auf einem Sarkophag aus Girgenti (Robert
III 2, 152 b), der in die Antoninenzeit gehört (Altmann a.a. O.
S.1Ü8). Die Gürtelenden sind sorglich gelegt. Auf dem etwas
älteren Hippolytos-Sarkophag aus Arles (Robert III 2, 160;
Altmann a. a. O. Taf. II, S. 1 07 f.) ist die tiefe Gürtung noch
nicht zu erkennen ; der Gürtel liegt fest um die Taille und
fällt nicht locker in den Schooss. Auf dem ungefähr gleich-
zeitigen Sarkophag im Louvre (Robert III 2, 154 b; Altmann
S. 1 08) trägt die gleiche Phaidrafigur gar keinen Gürtel. Der
Kopf zeigt auf 152 und 154 die kleinen Löckchen vor den
Ohren, die bei dem älteren Sarkophag noch fehlen.
h. Drei Umbildungen der Aphrodite von Melos, unter
einander gleich (Ravaisson La Venus de Milo PL VI 1 — 4
und PI. VII 2). Die Göttin ist einmal als Hygieia mit einem
Asklepios zusammengestellt. Sie trägt ein Untergewand, das
den ganzen Rumpf bekleidet, und zwei Gürtel darüber, einen
unter der Brust, den anderen in der Art der bisher bespro-
EINE STATlTENORrpPE DER ANTONINENZEIT 255
chenen Figuren. Die Enden des oberen sind symmetrisch an-
geordnet, ebenso die Faltenzüge zwischen den (Wirtehi: Von
jeder Krnst läuft ein langer Zug herab bis zum unteren Gür-
tel und fällt in einem kleinen Bausch über ihn; das (xleiche
wiederholt sich von der Achsel zur Hüfte abwärts bei VI 1
und VII 2. Die Anordnung ist fast genau so, wie bei der
Flora Farnese.
i. Kolossales Hochrelief einer Nike in Carthago {Muse'e
de Carthage PI. I). Wegen der vollen Bekleidung und der glei-
chen Teilung des Rumpfes darf man sie den Aphroditestatuen
anschliessen. Deren oberer Gürtel ist hier ersetzt durch den
Saum des kurzen Überschlags, und zwischen diesem und dem
Gürtel ist die Anordnung der Falten der eben geschilderten
völlig gleich. Die Gürtelenden sind sehr künstlich gelegt.
Versucht man hiernach die Figuren mit tiefer Gürtung
zu datieren, so lässt sich Folgendes feststellen :
1. Unter den Terrakotten, die doch eine ausserordent-
liche Menge von Trachten bieten, findet sich keine mit tiefer
Gürtung, ebenso wenig auf den Wandmalereien, deren Abbil-
dungen mir zugänglich waren.
2. Man sieht diese Tracht auf Figuren übergehen, denen
sie ursprünglich fremd ist, wie die Phaidra, und an denen
zum Teil, damit der Gürtel angebracht werden kann, ziemlich
starke Änderungen noch ausserdem vorgenommen werden,
wie bei der Aphrodite von Melos. Das macht den Eindruck,
als handle es sich um eine Mode, die plötzlich aufkommt und
auf bisher beliebte Figuren einfach übertragen wird.
3. Datiert sind von diesen Statuen nur Medea und Phai-
dra auf antoninischen Sarkophagen und von den milesischen
die unter b und die grössere der unter a erwähnten. Diese
beiden gehörten zum figürlichen Schmuck eines Nymphäums
{A. Anz. 1902, 150 ff.), das nach einer mit Sicherheit zu ergän-
zenden Inschrift im Auftrage Gordianus III. (238-244 n. Chr.)
mit Statuen ausgestattet wurde. Aber alle finden ihre Ana-
logien auf Sarkophagen der 2. Hälfte des II. Jahrhunderts
n. Chr. und späteren, ferner auf der Marcussäule. Daraus darf
man schliessen, dass die Tracht der tiefen Gürtung nicht
hellenistisch ist; sonst hätten die Terrakotten sie gewiss;
256 herkenrath: eine statuengruppe der antoninenzeit
und auch für das I. Jahrhundert n. Chr. ist ihr Bestehen nicht
wahrscheinlich, da man ihr sonst wohl auf den Wandgemäl-
den begegnen würde. Es erscheint vielmehr sicher, das sie
erst in der 2. Hälfte des II. Jahrhunderts n. Chr. aufkommt-
Daraus ergibt sich für die Flora Farnese ein noch ge-
nauerer Ansatz : da sie in den Caracallathermen gefunden
und nicht vor 150 n. Chr. entstanden ist, so ist sie natürlich
für jenen Bau geschaffen. So erklärt sich auch ihre Sonder-
stellung : Ein Künstler, den Caracalla gewiss nicht unter den
unbekanntesten seiner Zeit wählte, hat einen damals belieb-
ten Statuentypus selbständig umgebildet.
In der Gruppe des farnesischen Stieres zeigt die < Anti-
ope», dass diese Kopie des Werkes der Künstler von Tralleis
in antoninischer Zeit entstanden ist; dazu stimmt sehr gut
Studniczkas Bemerkung [a.a.O. S. 175): «Felspartien nach
Art unserer Plinthe mit allem, was darauf wächst und lebt,
bis zu den kleinen Ortsgottheiten, sowie dieselben Staffage-
stücke finden sich ganz ähnlich .... in .spät-
antoninischcn Sarkophagreliefs wieder*.
Interessant ist es, wie verschiedene Stile in dieser Zeit
gefielen. Neben der archaischen Elektra stehen die Figuren,
deren hellenistische Schlankheit Arndt mit Recht hervorhebt
[E. V. 1 153) und die Flora Farnese, die Polykletisches in Stel-
lung und Proportionen mit einem archaischen Gewandmotiv
vereinigt. Und die gefällige neue Bekleidungsart, gewiss in
Rom erfunden, dringt teils in genauen Kopieen der haupt-
städtischen Dekorationsfiguren teils in freieren Nach- und
selbst Neubildungen bis in die Provinzen, nach Asien, Ägy-
pten, Afrika. Freilich, ernsthafte plastische Probleme suchen
diese Werke nicht mehr zu lösen, natürlich nicht; sie ver-
schwanden ja doch in den Tabernakeln bunter Schmuck-
fronten, in den Nischen riesiger Hallen. Man begnügte sich,
den flüchtigen Beschauer durch eine gerade beliebte Mode
der intimeren Gemächer zu erfreuen ; wenn es hoch kam, so
versuchte man sich an einer neuen Anordnung des Gewan-
des, wie bei der Flora.
Athen. E. Herkenrath
TAFEL X.
GERE PALAST VOX FHAISTOS.
Feile sind rot anj^eleg't.
DER ALTERE UND DER JUNliERE PALAST \"(iN PHAISTO.S.
Die sicher jüngeren Teüe sind rot .ingelegt.
C)
257
DIE KRETIvSCHEN, MYKENKSCHEN
UND HOMERISCHEN PALÄSTE.
(Hierzu Taf. X).
Über die grossartigen in Kreta ansgegrabenen Paläste
sind wir von den glücklichen Entdeckern und ihren ^litar-
beitern in dankenswert schneller Weise unterrichtet worden.
Durch vorläufige Publikationen sind Grundrisse und Ansich-
ten sowohl der grossen Königspaläste von Knossos, Phaistos
und Hagia Triada, als auch der kleineren Herrensitze und
einfacheren Häuser von Gurnia und Heleia [Palaikastro] be-
kannt geworden. Wer sich mit der Baugeschichte des Alter-
tums beschäftigt, wird die neu entdeckten x^nlagen mit gro.s-
seni Interesse studieren. Er wird sie vergleichen mit den be-
kannten Königspalästen Ägyptens und Mesopotamiens einer-
seits und den mykenischen und homerischen Herrensitzen
andrerseits, um festzustellen, welchen Platz sie in der Ent-
wicklungsgeschichte der Baukunst einnehmen.
Eine dankenswerte Studie dieser Art hat Ferdinand
Noack, nachdem er Kreta selbst besucht hatte, schon vor
zwei Jahren in einer besonderen Schrift veröffentlicht: Home-
rische Paläste, eine Studie zu den Denkmälern itnd znni Epos.
Seine Vergleichung der verschiedenen Palastanlagen konnte
aber, wie er selbst in einem Zusätze (S. 89) schon andeutet,
aus dem Grunde nicht zu einem ganz richtigen Resultate
führen, weil ihm die Veränderungen, welche die kretischen
Paläste im Laufe ihres Bestehens erfahren haben, damals
noch nicht genügend bekannt waren. Er wusste noch nicht,
dass die Grundrisse von Knossos, Phaistos und Hagia Triada,
wie sie in den bisherigen Publikationen vorliegen, keine
einheitlichen Anlagen sind, sondern aus Teilen ganz ver-
schiedener Epochen bestehen. An allen drei Orten haben
ältere Paläste bestanden, die total zerstört und dann nach
258 W. DORPFELD
einem anderen Plane wieder aufgebaut worden sind. Bei der
Ausgrabung wurden Reste beider Epochen aufgedeckt und
meist zunächst als einheitliche Anlagen aufgefasst und ver-
öffentlicht.
Eigene Beobachtungen über die Verschiedenheit einzel-
ner Teile der kretischen Paläste und mündliche Mitteilungen
der Ausgräber haben mich schon vor zwei Jahren zu der
Überzeugung gebracht, dass in den kretischen Palästen nicht
nur vielfache Umbauten, sondern wirklich zwei verschiedene
Palastarten zu erkennen sind. Beide unterscheiden sich so
sehr von einander durch ihre Grundrisse, ihre Bauweise und
ihren Inhalt, dass kein einfacher Umbau, sondern Eroberung
und Zerstörung des älteren Palastes und Neubau durch Her-
ren eines anderen Stammes vorzuliegen scheinen. In einer
Sitzung des deutschen Instituts in Athen (im Februar 1904)
habe ich auf diese zwei verschiedenen Arten der kretischen
Paläste hingewiesen und bin bei ihrer Vergleichung mit den
mykenischen Palästen des griechischen Festlandes und mit
den homerischen Herrensitzen zu dem Resultate gekommen,
dass die älteren kretischen Paläste mit den mykenischen und
homerischen Anlagen nichts zu tun haben; sie sind nicht
griechisch, sondern karisch-lykisch. Erst die jüngeren Palä-
ste Kretas sind von den Achäern erbaut, welche Kreta ero-
bert und die karisch-lykischen Stämme zum Teil aus der
Insel vertrieben hatten. Die homerischen Paläste dagegen,
so suchte ich weiter zu zeigen, haben mit den altkretischen
Anlagen keinerlei Ähnlichkeit, sondern stimmen mit den
achäischen Burgen von Tiryns und Mykenae überein, wie
überhaupt die in den homerischen Gedichten geschilderte
Cultur mit derjenigen der letzten mykenischen Zeit, der Zeit
vor der dorischen Wanderung, am meisten übereinstimmt.
Nachdem ich im Mai 1904 Gelegenheit hatte, die Aus-
grabungsplätze Kretas nochmals zu besuchen und die Rui-
nen von neuem zu studieren, habe ich meine Beobachtungen
und Schlüsse auf dem Internationalen Archäologen-Congresse
in Athen (April 1 905) einem grösseren Kreise von Fachge-
nossen zur Prüfung vorgelegt. In etwas erweiterter Gestalt
mögen sie hier der Öffentlichkeit übergeben werden.
KRETISCHE, :\IVKEXISCHE V. IIOMI' RISCIIE PALÄSTE. 259
I. Die kretischen Paläste.
Die Pläne und Bilder der kretischen Paläste und Wohn-
häuser sind schon so oft veröffentlicht und beschrieben wor-
den, dass hier eine eingehende Beschreibuno^ untcrblcil)en
darf. Ich setze die Paläste als bekannt voraus und <^cbe als
Tafel und Textillustrationen nur kleine (irundrisse der drei
wichtigsten Anlagen. Nach einigen allgemeinen Benierkun-
ofen über die Planbildung der Paläste werde ich zunächst die
Beobachtungen mitteilen, welche das Vorhandensein von je
zwei verschiedenartigen übereinander liegenden Palästen in
Knossos, Phaistos und Hagia Triada beweisen.
Der grösste und in seiner Gesamtheit am besten erhal-
tene Palast Kretas ist der von Knossos, dessen Aufdeckung
wir A. Evans verdanken. Die ersten Mauern des Palastes wa-
ren schon im Jahre 1877 von dem Griechen Minos Kalokai-
rinos aussfegraben worden, und sind schon damals von ver-
schiedenen Seiten als Reste des Palastes des Minos oder auch
als Labyrinth des Daidalos erkannt worden (vgl. E. Fabricius
in diesen Mittcihmgen XI 1 886, S. 1 35 ff.). Ich habe selbst
diese Reste im Jahre 1886 mit Heinrich Schliemann gese-
hen, als wir Kreta besuchten und die Ausgrabung des Minos-
Palastes planten. Zuerst haben äussere Umstände und die
Wiederaufnahme der Grabungen in Troja und schliesslich der
Tod des einzigartigen Forschers den beabsichtigten Ankauf
des ganzen Hügels und die geplante Aufdeckung des Pala-
stes vereitelt. Nachdem auch ein französischer Plan der Aus-
grabung gescheitert war, haben k. Evans und seine Mitar-
beiter die Aufdeckung in die Hand genommen und mit un-
geahntem Erfolge durchgeführt.
Zur Veranschaulichung der nachfolgenden Darlegun-
gen soll ein kleiner Grundriss von Knossos dienen, der nach
dem Plane im Ann. of B. S. 1900-01 wiederholt ist und den
Zustand der Ausgrabung nach der Campagne von 1901 wie-
dergibt (Abb. 1 ).
Den Mittelpunkt des Palastes von Knossos bildet ein
grosser rechteckiger Hof von rund 25 m zu 50 m Seitenlänge,
260
W. DORPFELD
der ringsherum von zahllosen grossen und kleinen Zimmern,
Gängen und Treppen umgeben ist. Der Hauptzugang zu die-
sem centralen Hofe scheint an der Südseite gelegen zu haben,
doch gestattet die Zerstörung der Mauern an dieser Stelle
Abb. 1. Der Palast von Kno.ssos.
keine sichere Ergänzung. Gegenüber in der Mitte der Nord-
seite des Hofes, wo man nach den Grundrissen von Tiryns
und Mykenai den grossen Hauptsaal des Palastes, das Mega-
ron, erwarten sollte, befindet sich ein Tor mit langem Cor-
ridor, der zu einem oder mehreren Nebenhöfen mit ihren
KRETISCHE, :\rVKEXISCHI-: U. HOMERISCHE PALÄSTE 261
Zimmern führt. An der Westseite des Mittelhofes bilden zahl-
reiche Zimmer, Kammern und Gäng-e zunächst einen vStrei-
fen von fast 25 m Breite, an den sich als weiterer paralleler
Streifen die lange Reihe der Magazine anschliesst, die mit
ihren grossen Pithoi und merkwürdigen Hohlräumen im
Fussboden noch jetzt die Bewunderung aller Besucher erre-
gen. Die westliche Abschlussmauer der Magazine, mit gros-
sen Steinplatten (Orthostaten) verkleidet und mit mehreren
Vorsprüngen versehen, bildet die westliche Aussenmauer des
Palastes. An sie stösst ein geräumiger, in seinen Abmessun-
gen und seiner Bedeutung noch nicht ganz aufgeklärter West-
hof, der durch ein einsäuliges Torgebäude an seiner Süd-
seite und durch einen sich anschliessenden Gang mit dem
Palaste und seinem Centralhofe verbunden war. Auf der Ost-
seite des Mittelhofes sind mehrere Zimmer, Hallen, Treppen
und Lichthöfe aufgedeckt, die um mehrere Meter tiefer lie-
gen als der Fussboden der grossen Höfe. Dass hierüber einst
obere Stockwerke lagen, die zum Teil vom mittleren Hofe
aus direct zugänglich waren, ist an den erhaltenen Treppen
und Mauern noch deutlich zu erkennen'.
Unter den vielen Räumen des Palastes befinden sich
mehrere Säle von bescheidenen Abmessungen, aber kein ein-
ziger grosser geräumiger Hauptsaal, wie man ihn in einem
so grossartigen Palaste hätte erwarten sollen. Man möchte
ihn daher in einem der zerstörten Obergeschosse suchen, und
in der Tat hat A. Evans neben der S. W.-Ecke des INIittel-
hofes Reste eines grossen Saales entdeckt, die er nach Ana-
logie eines entsprechenden Saales in Phaistos als Hauptsaal
des Palastes, als Megaron ergänzt. Dass dort wirklich ein
solcher Saal gelegen hat, scheint auch mir höchst wahr-
scheinlich, doch muss hervorgehoben werden, dass weder
seine Abmessungen noch seine Gestalt vollkommen gesichert
sind. Ohne das Vorbild von Phaistos würde auch A. Evans
kaum die von ihm vorgeschlagene Ergänzung {Aiuinal of B.
S. 1902-03 S. 25) zu veröffentlichen gewagt haben. Ich muss
das betonen, weil der sehr fragliche Plan schon als gesicher-
ter Grundriss des Megaron von Knossos in die Handbücher
der Kunstgeschichte aufgenonnnen worden ist (vgl. Springer-
262 W. DÖRPFELÜ
Michaelis Fig. 1 83). Es hätte in einem solchen Falle minde-
stens hinzugefügt werden müssen, dass es sich um einen
nicht sicheren Ergänzungsversuch handelt.
Es bestehen weiter, wie wir später sehen werden, berech-
tigte Zweifel über die Zugehörigkeit dieses ergänzten Mega-
ron zu demselben alten Palaste, dem der centrale Hof, der
Thronsaal, die tief liegenden östlichen Zimmer und das ein-
säulige Propylon des Westhofes angehören. Im Palast von
Phaistos ist das entsprechende Megaron, das als Vorbild für
die Ergänzung des Megaron von Knossos gedient hat, sicher
ein später Zusatz und wurde, wie später bewiesen werden
soll, erst nach der gründlichen Zerstörung des älteren Pala-
stes über den verschütteten Trümmern erbaut.
Schon ein flüchtiger Blick auf den auf Tafel X wieder-
gegebenen Grundriss des von F. Halbherr und seinen Mitar-
beitern entdeckten und ausgegrabenen Palastes von Phaistos
genügt, um jeden von der grossen allgemeinen Übereinstim-
mung mit dem Palaste von Knossos zu überzeugen. Nicht
nur die gleiche Planbildung, sondern auch ganz ähnliche Ab-
messungen der Höfe vmd Zimmer liegen vor. Wir finden in
Phaistos denselben grossen länglichen Centralhof und um
ihn herum wiederum zahlreiche Zimmer, zum Teil von genau
derselben Gestalt und auch von derselben Bauweise. In der
Mitte der Nordseite des Hofes mündet ein Corridor wie in
Knossos, dessen Thür hier noch seine Einrahmung von Halb-
säulen erkennen lässt. An der Südseite kann auch hier der
Haüpteingang zum Hofe gelegen haben, doch ist eine sichere
Entscheidung hierüber wegen der starken Zerstörung der
Mauern ebenso wenig möglich wie in Knossos. Westlich vom
Centralhofe erkennen wir auch in Phaistos in einem Ab-
stände von etwa 40 m einen gepflasterten Aussenhof, der
wiederum durch ein einsäuliges Torgebäude mit dem Inne-
ren des Palastes in Verbindung steht. In ihm glaubt L. Per-
nier neuerdings {Mon. a/if. 1905 S. 362) den Haupteingang
zum Palaste erkennen zu müssen. Ich möchte darin lieber
ein Nebentor sehen und denke mir den Haupteingang etwas
stattlicher. Endlich bemerkt man unter den zahlreichen Zim-
mern namentlich an der Nordseite des Hofes einigte beson-
KRirnSCIIE, MYKENISCIIF, V. HOMERISCHI': I'ALÄSTF. 263
ders charakteristische Räume, wie die später nocli zu l)espre-
cheuden peripteralen Säle und uierkwürdigen Badezimmer,
die beide fast in gleicher Cxcstalt in allen altkretischen Palä-
sten wiederkehren.
Neben diesen Übereinstimmunj^en fallen uns aber bald
auch einige nicht unbedeutende Unterschiede auf. So ist der
IMittelhof in Phaistos auf zwei Seiten von Säulenhallen ein-
gefasst, die in Knossos nicht vorkommen. Aber dieser Unter-
schied scheint ursprünglich nicht bestanden zu haben, weil
auch in Knossos an der Westseite des Hofes Reste vorhan-
den sind, die auf das ehemalige Vorhandensein solcher Hal-
len hinweisen (vgl. Aninial of B. .S'.l 903-04 X Tafel I); auch an
der Ostseite des Hofes scheinen parallele Mauern bestanden
zu haben, deren Fundamente trotz der grossen Zerstörung
vermutlich durch weitere Grabungen noch aufzufinden sind.
Ein wirklicher und wichtiger Unterschied ist aber in dem
zwischen den beiden Höfen liegenden Teile der Paläste zu
erkennen. In Phaistos haben wir an der Ostseite des west-
lichen Hofes, wo in Knossos die vielen langen Magazine lie-
gen, zunächst eine 1 m hohe Terrasse (5 in unserem Plane
auf Tafel X) und daran anstossend im nördlichen Teile eine
Freitreppe (66), die zu einem grossen Megaron (69) führt, und
im südlichen Teile zwei Reihen von Magazinen mit einem
mittleren Corridor (26). An der Nordseite des Hofes sehen
wir weiter neben der Terrasse eine grossartige 30 m breite
Freitreppe (4), die oben mit einer Mauer abgeschlossen ist,
und an ihrem östlichen Ende eine schmälere, von der Ter-
rasse ausgehende Treppe (6), die zu einem höheren Hofe hin-
aufführt. Von all diesen Anlagen ist in Knossos unmittelbar
an dem Westhofe nicht das Geringste zu bemerken.
Die Bedeutung dieses Unterschiedes wird uns klar wer-
den, sobald wir den Zweck der erhöhten Terrasse (5) und der
an sie angebauten kleinen Kammern (2) zu ermitteln suchen.
Bisher hielt man den ganzen Westhof mit den anstossendcn
Treppen und Terrassen für eine einheitliche x\nlage, für ein
Theater oder Telesterion, und glaubte in den Kammern (2)
einen Altar erkennen zu dürfen, der den Mittelpunkt dieses
grossen Festplatzes gebildet habe. Von der erhöhten Ter-
264 W. DÖRPFELD
rasse («S) und von den Freitreppen herab sollte eine grosse
Festversammlung der Opferhandlung zugeschaut haben. Bei
dieser Erklärung hatte man aber weder die ungünstige Lage
noch die schlechte Bauart des vermeinlichen Altars genügend
beachtet; auch scheint man sich die Frage nicht vorgelegt
zu haben, wie die Zuschauer von dem unteren Boden des
Hofes auf die Terrasse gelangen konnten, und wie überhaupt
die Freitreppe des Megaron vom Hofe aus zu erreichen war.
Beim Studium der Ruinen selbst konnte ich mich und
andere leicht davon überzeugen, dass die erhaltenen Reste
nicht richtig erklärt wurden. Als Teile eines einzigen Pala-
stes und als gleichzeitige Anlagen wurden hier Bauteile an-
gesehen, die nichts mit einander zu tun haben und gar nicht
einmal gleichzeitig sichtbar gewesen sind. Es liegen hier zwei
verschiedene alte Bauanlagen vor, die auf unserer Tafel X
durch rote und schwarze Farbe geschieden sind. Die grosse
Freitreppe (4) an der Nordseite des Hofes und die erhöhte
Terrasse (5) an seiner Ostseite gehören einschliesslich des
vermeintlichen Altars (2) und des einsäuligen Propylon (3) zu
einem älteren Palaste, der zerstört und mit Schutt und einer
harten Mörtelschicht überdeckt war, bevor der neuere Palast
erbaut wurde. Zu dieser neueren Anlage gehören in erster
Linie die zum Megaron führende Freitreppe (66), das Mega-
ron selbst (69) mit seiner Vorhalle (68), die südlich anstossen-
den Magazine (27-37), der breite Durchgang (7) und die hohe
Treppe (6). Die harte Betonschicht, welche die älteren Bau-
reste überdeckte und ganz unsichtbar machte, bildete den
P\issboden des neuen grossen Hofes, der sich von dem jün-
geren Megaron über die vermeintliche Terrasse und den ver-
meintlichen Altar hinweg nach Westen ausdehnte und den
ganzen älteren Westhof (1) und seine grosse Treppe (4) ein-
nahm. Heute sind von dieser Schicht, die von den Italienern
als ein «strato ditrissiii/o di calcc c di sassi bezeichnet wird,
noch grössere Stücke als Fussboden der Terrasse > und
kleine Reste über dem «Altare erhalten. Ihre Fortsetzung
über dem älteren Westhofe (1) ist bei der Ausgrabung ganz
entfernt worden, damit das Pflaster dieses Hofes und die
ältere Freitreppe (4) ganz aufgedeckt werden könnten.
KRETISCHE, ^rVKEXISCHE V. IIO:yiER ISCHI' I'ALÄSTE 265
Vor der Herstelkin.^- dieser Schicht und Nor der Zerstö-
rung des alten Palastes bildete die jetzt nur 1 ni liohc West-
wand der Terrasse: den Sockel der hohen Aussenwand des
älteren Palastes. Ihre hochkantigen Platten aus (ripsstein
zeigen auch wirklich dieselbe vorzügliche Technik und das-
selbe Material wie der Sockel der entsprechenden Aussen-
wand des Palastes von Knossos; auch die gleichen rechtwink-
ligen Vorsprünge kommen hier wie dort vor. Eine nur I ni
hohe Terrasse hat also niemals hier existiert. Wie zu erwar-
ten war, hat F. Halbherr bei neueren Grabungen innerhalb
der Terrasse die Unterteile mehrerer IMagazine entdeckt, die
einst, ebenso wie in Knossos, den westlichsten Teil des alten
Palastes einnahmen (vgl. Mriiiorie del R. Istifuto Loiiilxirdo
XXI S. 252). Auch der vermeintliche Altar hat in Wirklich-
keit als solcher nicht existiert, sondern seine Mauern sind die
unteren Reste von ein paar kleinen Kammern, die nach We-
sten an die Magazine des älteren Palastes angebaut waren.
Sie sind ebenso wie diese Magazine selbst bis auf den 1 m
hohen Unterteil ihrer Mauern, der unter dem neuen Pu.ssbo-
den verschwand, gänzlich zerstört worden. In seiner neuesten
Publikation über Phaistos {Moii. auf. 1 Qü5 S. 339) hat L. Pernier
den Sachverhalt genau dargestellt und auch die richtigen
Schlüsse daraus gezogen. Nur darin kann ich ihm nicht zu-
stimmen, dass er den oberen Teil der Treppe 4 auch in der
jüngeren Periode sichtbar sein lässt. Ich denke mir die ganze
Treppe überdeckt.
Ergibt sich schon hieraus, dass wir es in Phaistos mit
zwei verschiedenen übereinander liegenden Palästen zu tun
haben, so wird diese Erkenntnis bestätigt durch eine sorg-
fältige Untersuchung und Sonderung aller jüngeren und älte-
ren Bauteile des ganzen Palastes. Bei dieser Arbeit stossen
wir auf einige Tatsachen, aus denen die italienischen Archäo-
logen schon früher das Vorhandensein der zwei verschiede-
nen Paläste richtig erschlossen hatten, ohne ihre Scheidung
ganz durchzuführen (vgl. z. B. L. Pernier Rriidic. 1902, 551 ff.).
Zu dem älteren Palaste gehören zunächst der ganze mit
unregelmässigen Platten gepflasterte Westhof ( 1 ) und der
aus grossen rechteckigen Steinen bestehende Weg, der den
266 W, DORPFELD
Hof diagonal durchschneidet und wohl nach Analogie des
Palastes von El Amarna als Königsweg bezeichnet werden
darf; ferner die grosse Freitreppe (4), durch die der etwas er-
höhte Königsweg mit besonderen Stufen hindurchführt. Da
diese Treppe in ihrer ganzen Länge oben mit einer Mauer
abschliesst, die niemals, soweit es jetzt noch zu erkennen ist,
eine Türöffnung enthalten hat, so müssen die niedrigen und
breiten Stufen der Treppe als Sitzstufen eines Zuschauerrau-
mes gelten, wie solche in späterer Zeit zum Beispiel im Tele-
sterion von Eleusis vorkommen. Die italienischen Archäo-
logen haben also die Treppe 4 schon früher mit Recht als
Theatron bezeichnet. Meine Vermutung, dass es sich um den
Hauptaufgang zum Palast handeln könne, ist durch die wei-
tere Grabung widerlegt worden.
Nach S. O. führt der Königsweg zu dem schon erwähn-
ten einsäuligen Propylon (3), das mithin auch zum älteren
Bau gehören muss. Dies wird bestätigt durch die Tatsache,
dass der nach Osten umbiegende und zum Centralhof anstei-
gende Plattenweg jetzt östlich vom Propylon unter den jün-
geren Mauern verschwindet und daher zur Zeit des jüngeren
Palastes nicht mehr sichtbar gewesen sein kann. Zum älteren
Bau gehören ferner die Magazine und sonstigen Räume, die
unter dem Fussboden der «Terrasse» liegen und nur zum
Teil von den Italienern aufgedeckt sind. Auch der grosse
mittlere Säulenhof selbst und mehrere der Räume im Norden,
Osten und Westen dieses Hofes werden wohl dem älteren
Palaste zugeteilt werden müssen, doch wage ich hier nicht
mit Bestimmtheit zwischen den beiden Perioden zu unter-
scheiden, weil ich selbst den ganzen Palast an Ort und Stelle
nicht genügend untersucht habe. Bei der Säulenhalle des
mittleren Hofes scheint mir namentlich der an der Ostseite
vorkommende regelmässige Wechsel von starken viereckigen
Pfeilern und dünneren runden Säulen gut zur älteren Anlage
zu passen, weil derselbe Wechsel auch in anderen altkreti-
schen Bauwerken vorkommt, so z. B. in Gurnia {lyansactions
Univ. ofPensylv. 1 9Ü4 PI. 1) und Heleia-Palaikastro i^BSA IX
PI. VI). An der Westseite wird dann der jetzige Zustand aus
der jüngeren Zeit stammen.
KRETISCHE, MYKENISCHE U. ITOME.RrSCiri': l'ALÄSTIC 2()1
Zum jünoeren Palaste dürfen wir mit vSiclierlieit rechnen
das Megaron (69), seine Vorhalle (68) und seine Freitreppe (66),
ferner den Corridor (26) mit den beiderseits anstossenden
Magazinen. Auch der spätere Hauptzugang (7) zum Central-
hofe und der Raum 25 stanmien aus der jüngeren Epoclie
(vgl. ÄIoiL auf. 1905, S. 356). Sicher gehören ferner zum jün-
geren Palaste die Treppe (6) und die nach Westen sich an-
schliessende jüngere Stützmauer, die jetzt von den Italienern
wiederaufgebaut ist.
Haben wir einmal die verschiedenen alten Bauteile geson-
dert, so bemerken wir bald, dass auch ihre Bauweise bemer-
kenswerte Unterschiede aufweist und somit auch als Merk-
mal für die Zuteilung der einzelnen Mauern zum älteren und
jüngeren Palast verwendet werden kann. So bestehen die
älteren Aussenmauern aus grossen hochkantigen Platten
(Orthostaten) von Gipsstein, die sehr sorgfältig an einander
gefügt und mit kleinen Steinen hintermauert sind. Die jün-
geren Aussenmauern dagegen, wie diejenigen des grossen
Megaron und der Magazine, enthalten keine Orthostaten, son-
dern nur gewöhnliche rechteckige Quadern aus Porös, deren
Lagerfugen vielfach zur Ausgleichung der verschiedenen
vSchichthöhen mit sehr kleinen plattenförmigen Steinchen
ausgefüllt sind. Die grossen Quadern der jüngeren Mauern
sclieinen meist älteren zerstörten Mauern entnommen zu sein,
an einigen Steinen ist das schon von den Italienern an den
Steinmetz-Zeichen erkannt worden. Bei den Innenmauern ist
dagegen der Unterschied der Bauweise nicht so augenfällig.
In beiden Palästen bestehen die meisten Zimmerwände aus
kleinen unregelmässigen Steinen mit Erdmörtel, nur die Mau-
ern der grösseren und kleineren Höfe sind aus Quadern er-
baut, doch scheinen auch diese Quadern des jüngeren Pala-
stes meist zum zweiten Male verwendet zu sein und aus dem
älteren Palaste zu stammen. Soviel ich gesehen habe, kommt
die Verkleidung der Wände mit dünnen Gipsplatten nur im
älteren Palaste vor. Die Zugehörigkeit der Innenmauern zum
älteren oder jüngeren Palaste kann jedoch nicht ohne genau-
eres Studium, als es mir möglich war, entschieden werden.
In unserem Plane habe ich nur diejenigen Mauern mit roter
268 W. DÖRPFELD
Farbe bezeichnet, die sicher aus der jüngeren Epoche stam-
men. Nur im westlichen Teile ist die Trennung durchgeführt.
Die weissen Mauern im südwestlichen Teile des Palastes ge-
hören 7Ai einem Bau aus klassischer Zeit.
Dass endlich auch die Kleinfunde, die innerhalb der ein-
zelnen Räume zum Vorschein kamen, und namentlich die
Topfware, eine Scheidung zwischen einem älteren und einem
jüngeren Palast von Phaistos ermöglichen und so unser Re-
sultat bestätigen, haben die italienischen Archäologen schon
öfter dargelegt (zuletzt F. Halbherr in den Mni/on'e dcl R.
Istituto Lornbardo 1905 S. 252 und L. Pernier in den Moti. auf.
19U5 S. 342 und 446). In dem älteren Palast wurden unter
dem jüngeren Fussboden nur solche V^asen gefunden, die von
den Italienern als Kamares -Ware oder als vormykenisch be-
zeichnet wurden, während sie von Evans seiner mittleren
minoischen Periode zugeteilt werden. Es scheinen aber auch
noch Vasen der spät-minoischen Periode unter dem jüngeren
Fussboden gefunden zu sein {Alan. aiit. 1 905 S. 460 f.). Da die
Bestimmung der genauen Grenze zwischen der Topfware der
beiden Paläste von grosser Wichtigkeit ist, wird es jeder mit
Freude begrüssen, dass die Italiener, wie sie öffentlich erklärt
haben, noch vor der definitiven Publikation die ganze Ter-
rasse» und auch noch mehrere andere Räume des alten Pala-
stes ausgraben wollen.
Während hiernach die Scheidung der beiden Paläste in
Phaistos keine ernstlichen Schwierigkeiten bereitet und sich
mit der Zeit gewiss genau durchführen lassen wird, ist sie in
Knossos nicht so leicht vorzunehmen. Dass aber auch hier
die den beiden Epochen von Phaistos entsprechenden Palast-
formen nachgewiesen sind, wurde oben schon dargelegt.
Der jüngere, höher gelegene Palast ist in Knossos nur in
geringen Resten erhalten und daher nicht mehr gut zu er-
kennen. Dazu kommt, dass der ältere Palast von Knossos
während seines Bestehens schon mehrere Veränderungen und
Umbauten erfahren zu haben scheint, von denen wir in Phai-
stos nichts bemerken. Erst wenn die Engländer einen Plan
veröffentlichen, in dem die verschieden gebauten Mauern
durch Farben oder andere Mittel deutlich unterschieden sind,
KRETISCHE, MYKENISCHE U. HOMERISCHE PALÄSTE 269
wird auch demjenigen, der Knossos nur wenige vStunden oder
gar nicht besucht hat, ein genaueres Studium der Entwick-
kuig des Palastes möglich sein. Aus den bisher veröffent-
lichten Plänen und Berichten von A. Evans {A)iuual of. B. S.
1902-03 IX 25 ff.) und von D. Mackenzie {JUS 1903, 157 ff.)
ist schon zu entnehmen, dass eine gründliche Zerstfirung des
Palastes während der spät-minoischen Zeit erfolgt ist, und
dass dann unter teilweiser Benutzung der alten Mauern ein
Wiederaufbau stattgefunden hat. Zu dem älteren Palaste
rechne ich den Westhof, mit seinem einsäuligen Propylon,
die zahlreichen Magazine mit ihrem gemeinsamen Gang, fer-
ner den grossen Mittelhof mit den meisten der ihn umge-
benden Räume, namentlich mit den Sälen, Treppen und
Lichthöfen an seiner Ostseite. Dem jüngeren Palaste glaube
ich von den fast ganz zerstörten Räumen des westlichen
Obergeschosses namentlich die neben der S. W. Ecke des
Centralhofes gelegenen Anlagen zuteilen zu dürfen, nämlich
das «Süd- Propylon», den «Altar-Hof > und das ergänzte «Me-
garon». Hierzu berechtigt mich einerseits die abweichende
Höhenlage dieser Bauteile und andrerseits der Umstand, dass
die grosse Regelmässigkeit des älteren Palastes gerade an
dieser Stelle offenbar durch die späteren Mauern gestört ist.
Man wird annehmen dürfen, dass der Westhof und sein Pro-
pylon ursprünglich mit dem Haupthofe eine directe, hori-
zontale Verbindung hatten, die jetzt durch das höher gele-
gene Süd -Propylon und das Megaron gestört ist. Auch wird
der lange Gang neben den Magazinen ursprünglich, bevor
die Westwand des Megaron bestand, wohl in derselben Breite
weiter nach Süden gereicht haben. Welche Teile des älteren
Palastes in der jüngeren Periode wieder benutzt worden sind,
wage ich ohne genaues Studium an Ort und Stelle nicht zu
entscheiden. So scheint es mir fraglich, ob das westliche Pro-
pylon in der jüngeren Periode benutzt wurde, oder, wie in
Phaistos, schon verschüttet war. Dass solche Wiederbenutzun-
gen vorgekommen sind, zeigen schon jetzt die von A. Evans
veröffentlichten Durchschnitte {Annual of B. S. 1 902-03 S. 26 f.).
Genauere Angaben hierüber dürfen wir gewiss später von
den englischen Archäologen erwarten. Dass das von Evans
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX 1 8
270
W. DORPFELD
ergänzte «Megaron» mit den ihm benachbarten Anlagen ohne
Bedenken dem jüngeren Palaste zugeteilt werden darf, lehren
aufs Bestimmteste die Beobachtungen in Phaistos, wo das
ganz ähnliche Megaron mit Sicherheit dem Neubau nach der
Zerstörung des älteren Palastes zugewiesen werden musste.
Eine Bestätigung unseres Resultates bietet endlich auch
der dritte grosse Palast in Kreta, der von Hagia Triada, des-
Abb. 2. Der Palast von Hagia Triada.
sen Plan jetzt von F. Halbherr in den Menwric dcl R. Istituto
LoDihardo 1905 Tafel I veröffentlicht ist. Darnach ist unsere
Abb. 2 wiederholt. Die ältere Anlage zeigt hier ganz die-
selben Einzelräume wie in den beiden anderen Palästen, es
fehlt aber der centrale Hof, der vermutlich ganz zerstört ist
und nach dem Urteile der italienischen Archäologen auf dem
etwas höheren Niveau gelegen hat, wo jetzt die kleine Kir-
che steht. Auch hier ist über den zerstörten, aber zum Teil
KRETlSCin:, MVKENISCHE V. HOMERISCHE PALÄSTE 271
noch gut erhaltenen Räumen des älteren Palastes eine jün-
gere Anlage gebaut, die allerdings nicht einheitlich zu sein
scheint. Denn unter den jüngeren Mauern gibt es nicht nur
solche (z. B. 29-31 und 3.5-37), die in ihrer guten Ouadercon-
struction mit dem Megaron von Phaistos übereinstimmen und
mit diesem gleichzeitig sein werden, sondern auch Mauern
aus unregelmässigen Steinen (12-19), die wegen ihres Grund-
risses möglicherweise die Fundamente eines grossen griechi-
schen Tempels (Amphiprostylos) sein können. Doch rechnet
F. Halbherr wegen der Einzelfunde auch diese starken Fun-
damentmauern zum jüngeren mykenischen Palaste. Wie dem
aber auch sein mag, an dem Vorhandensein eines älteren
Palastes und an der Errichtung eines jüngeren Palastes über
den verbrannten Trümmern des älteren lassen die Reste von
Hagia Triada auch nicht den geringsten Zweifel. Auch der
Zeitpunkt der Zerstörung des älteren Baues ist durch die
zahlreichen Funde genügend fixiert. In den unteren ver-
brannten Trümmern finden sich die Vasen der Kamares -Art
und die älteren mykenischen, während in den jüngeren Anla-
gen nur die spätere mykenische Topfware vorkommt (F. Halb-
herr a. a. O. S. 244). Auch A. Evans rechnet den älteren Palast
von H. Triada zu seiner Periode «spät-minoisch I».
Fassen wir unsere bisherigen Beobachtungen über die
Paläste Kretas zusammen, so ergibt sich, dass an allen drei
Orten in der älteren Zeit grosse gleichmässig gebaute Palä-
ste bestanden haben, deren Grundrisse von den Palastplänen
von Tiryns und Mykenai weit abweichen. Sie enthalten keine
grossen Säle, sondern zahllose Zimmer, Hallen, Corridore und
Treppen, die sich um einen grossen centralen Hof gruppie-
ren. Nachdem sie eine gründliche Zerstörung erfahren hat-
ten, sind oben über den Trümmern der verbrannten und
samt ihrem Inhalte verschütteten Paläste neue Herrensitze
erbaut worden. Im Grundriss und in der Technik weichen
diese neuen Anlagen von den älteren ab. Ihr Mittelpunkt
scheint ein grosses Megaron, ein geräumiger Saal mit Vor-
halle, gewesen zu sein, das in Phaistos besonders gut erhalten
ist und sich dort gegen den alten Westhof öffnet. Auch die-
272 \V. DÖRPFELD
ser jüngere Palast wurde wieder zerstört. Einige Bauten aus
klassisch griechischer Zeit sind darüber oder daneben errich-
tet worden. Bevor wir nun diese älteren und jüngeren kreti-
schen Palastanlagen mit den niykenischen und den homeri-
schen Palästen vergleichen, verdienen noch diejenigen Räume
der kretischen Paläste etwas näher betrachtet zu werden, die
für jede der beiden Perioden besonders charakteristisch sind,
nämlich der sogenannte Pfeiler-Saal, das Badezimmer und
das einsäulige Propylon des älteren Palastes und das grosse
Megaron der jüngeren Anlage.
Der sogenannte Pfeilersaal kommt in allen kretischen
Palästen vor und ist ein Raum, dessen Wände auf mehreren
Seiten nur aus Türen und dünnen Zwischenpfeilern beste-
hen und der mit Säulenhallen umgeben ist. Er wird zuweilen
als Atrium oder Hof, also als ein nur wenig oder gar nicht
bedeckter Raum aufgefasst, und die anstossende Halle wird
dann als Saal mit Innensäulen bezeichnet. Diese Auffa.ssung
des Saales und seiner Nachbarräume halte ich nicht für rich-
tig. Hölzerne Türen dürfen im Orient nicht so angebracht
werden, dass sie den zerstörenden Wechselwirkungen der
vSonne und des Regens direkt ausgesetzt sind. Liegen sie in
der Aussenwand des Hauses oder Hofes, so müssen sie durch
vorstehende Dächer oder vorgelegte Hallen geschützt wer-
den. So sind die ursprünglich einfachen Hoftüren mit Vor-
dächern und Vorhallen ausgestattet worden und zu Torge-
bäuden (Propylaien) geworden. So haben auch die Megara
der Paläste und die Tempel ihre Vorhallen erhalten. Wenn
wir nun sehen, dass die ganz aus Türen bestehenden Wände
unserer Pfeilersäle nach der einen Seite regelmässig durch
eine Halle geschützt sind, so müssen wir schliessen, dass die
andere Seite keines solchen Schutzes bedurfte, weil sie nach
innen gerichtet ist. Der mittlere Pfeilersaal war also bedeckt.
In den Abbildungen 3 und 4 sind zwei Pfeilersäle aus Knos-
sos und Phaistos abgebildet, jener mit 3, dieser mit 2 Tür-
wänden. Auch in Hag. Triada ist ein Saal (8) mit zwei Tür-
wänden. Bei allen dreien finden wir vor den Türen des mitt-
leren Saales (A) jedesmal Vorhallen (B) und müssen des-
halb die anstossenden Räume (C) als offene Höfe annehmen,
KRETISCHE, M VKI-:XISCIIIC T. I K )M IvR ISC IlIC l'AEÄSTE 21 ?>
durch die den Vorhallen und so auch dem Innensaal Luft
und Licht zugeführt wurden. Wäre A ein Atrium oder ein
offener Hof gewesen, wie vielfach angenonnnen wird, so hät-
20 M.
Abb. 3. Pfeilersaal in Knossos.
ten die Vorhallen auf der inneren Seite der Türwände, also
im Innern von A sein müssen. In unseren Zeichnungen ist
der überdeckte Innenraum (A) weiss geblieben und durch ein
5
Abb. 4
10 15 20 M.
Pfeilersaal in Phaistos.
Kreuz hervorgehoben, die Vorhallen (B) sind einfach schraf-
fiert imd die offenen Höfe (C) haben eine kreuzweise Schraf-
fur erhalten.
274 W. DÖRPFELD
Eine Bestätigung für diese Auffassung der Pfeilersäle als
bedeckter, von Hallen umgebener, also peripteraler Säle lie-
fert die reiche Ausstattung ihrer Wände und Fussböden im
Verhältnis zu denen der Hallen und Höfe; der Saal A hat
in Phaistos als wichtigster centraler Raum eine Wandverklei-
dung und einen besonders reichen Fussböden (vgl. L. Pernier
Rcndic. 1903, S. 517 und Mon. ant. 1905, S. 380).
Den Ursprung dieser peripteralen Säle glaube ich in
dem einfachen Zelte erkennen zu dürfen, dessen einzelne
Wände aufgeklappt werden konnten, um als schattengebende
Vordächer zu dienen. So wurde die Sonne vom Innern des
Zeltes abgehalten und nur der kühlende Wind zugelassen.
Beim festen Hause erreichte man dasselbe, wenn die Zimmer-
wände ganz in Türen aufgelöst und vor ihnen bedeckte
Hallen angelegt wurden. Ausserhalb Kretas ist mir nur ein
Beispiel einer ganz durchbrochenen Türwand bekannt, näm-
lich die vordere Wand des Vorsaales des Megaron von Tiryns;
sie besteht aus drei Türen und vier schmalen Pfeilern, und
vor ihr fehlt auch die schützende Vorhalle nicht. Nachdem
jetzt in allen altkretischen Palästen Beispiele solcher Pfeiler-
säle vorkommen, wissen wir, woher der Erbauer von Tiryns
diese Anordnung genommen hat. In den jüngeren Palästen
Kretas kommen sie bisher noch nicht vor, denn die vorhan-
denen Säle dieser Art scheinen überall den älteren Palästen
anzugehören.
Aus dem Zelt oder festen Hause, das auf allen Seiten
mit Hallen umgeben war, konnte sich, wie hier nur nebenbei
angedeutet werden mag, leicht der peripterale Tempel ent-
wickeln, doch sind Reste eines solchen unter den vielen kre-
tischen Bauten bisher noch nicht gefunden worden.
Welchen Zweck die peripteralen Pfeilersäle gehabt ha-
ben, lässt sich meines Wissens noch nicht mit Sicherheit
sagen, vermutlich waren es Wohnräume oder Megara. Ob die
von uns abgebildeten vSäle von Knossos und Phaistos wirk-
lich zur Frauenwohnung gehörten, wie die Engländer und
Italiener annehmen, wage ich nicht zu sagen. Da sich auch
im Obergeschoss solche Säle befanden — wenigstens sind in
Knossos Reste von ihnen nachzuweisen — , möchte man lieber
KRETISCHE, :MYKEN1SCIIF. V. I lOM ICR ISCI HC RAI-ÄSTIC 27 S
in diesen Hyperoa die Wolm- und Schlafnhmie für Frauen
und Kinder erkennen. Doch niögen auch die unteren Räume
zur Frauenwohnung- o;ehört haben.
Ebenso charakteristisch wie die peripteralen Pfeilersäle
sind für die kretischen Paläste die Badezimmer, deren es in
Knossos und Phaistos mehrere gibt. Sie scheinen sämtlich
der älteren Periode anzugehören, .sind aber vielleicht in den
jüngeren Palästen zum Teil noch benutzt worden. Abb. 5
zeigt den Grundriss des Badezinnners neben dem Pfeilersaale
von Phaistos. x\us einem grösseren Zimmer steigt man auf
einigen Stufen zu einem mit grossen Gipsplatten verkleide-
ten bassinartigen Räume hinab, der gewöhnlich durch eine
oder mehrere Säulen vom Hauptraum getrennt ist und fast
0 5 10M.
Abb. 5. Badezimmer in Phaistos.
stets dieselben Dimensionen hat, nämlich 2,20 m X 2,20 m.
Man hat mit Recht lange geschwankt, ob in diesen Anlagen
wirklich Baderäume erkannt werden dürften, weil in den als
Wasserbehälter gedeuteten tief liegenden Räumen Vorrich-
tungen für den Zufluss und den Abfluss von Wasser fehlen
und weil in Knossos in dem einen derartigen Zimmer der
schöne Alabasterthron steht, nach welchem der Raum ge-
wöhnlich Thronsaal genannt wird. Aber alle anderen Erklä-
rungen, wie z. B. als unbedeckter Lichtschacht mit Vorrich-
tung zum Sammeln des Regenwassers, oder als Wasserbe-
hälter mit Fischen (vgl. dazu das gemalte Bassin auf dem
Boden im Palaste Amenophis' IV in El Amarna) oder auch
als Behälter für Blumen, scheinen mir noch weniger annehm-
bar. Da im Palaste von Tir}ns ein stattliches Badezimmer
276 W. DÖRPFELD
gefunden ist, dürfen solche Räume in den noch reicheren
Palästen Kretas keinesfalls fehlen. Aber Badeanlagen wie die
tirynthische sind bisher in Kreta nicht gefunden worden.
Daher spricht manches dafür, dass die mit grossen Platten
verkleideten Bassins wirklich grosse Badewannen gewesen
sind. Dem Bedenken, ob die ohne Kalkmörtel gebauten Mau-
ern auch das Wasser festzuhalten vermögen, kann dadurch
leicht entgegengetreten werden, dass man sich nicht den
ganzen vertieften Raum mit Wasser gefüllt denkt, sondern
innerhalb des Raumes eine besondere Badewanne aus Terra-
kotta annimmt, wie sie in Kreta, als Sarkophage verwendet,
vielfach vorkommen und in Fragmenten auch in den Palä-
sten gefunden sind. Aber diesem Auskunftsmittel lässt sich
wiederum mit der Gegenfrage begegnen, warum denn bei
Verwendung einer besonderen Badewanne die grosse bassin-
artige Vertiefung notwendig sei. Bei dieser Sachlage scheint
es mir am besten, die Räume zwar als Badezimmer zu be-
zeichnen, . aber sich gegenwärtig zu halten, dass die Benen-
nung nicht vollkommen gesichert ist.
Als dritter Raum, der für den älteren kretischen Palast
charakteristisch ist, muss das einsäulige Propylon genannt
werden, das in gleicher Form in Knossos und Phaistos auf-
gedeckt ist. Die Vorhalle des Tores hat hier nicht, wie wir
es in den Torgebäuden von Tiryns und den späteren grie-
chischen Propyläen finden, eine gerade Anzahl von Stützen?
sondern eine ungerade: eine einzelne Säule steht zwischen
zwei Parastaden. Auf die Bedeutung dieses Unterschiedes hat
schon F. Noack {Homer. Paläste S. 9) hingewiesen. In Kreta
war für die Fassadenbildung die Aufstellung einer Säule in
der Mitte üblich, im Gegensatze zu Griechenland, wo ge-
wöhnlich in der Mitte eine von zwei Säulen eingefasste Öff-
nung angeordnet ist. Die einzige Ausnahme, welche Noack
für Kreta kennt, das «Südpropylon > von Knossos, ist für uns
insofern besonders wichtig, als es nicht dem älteren, sondern
dem jüngeren Palaste angehört. In den älteren Palästen Kre-
tas hätten wir also bei den Torgebäuden die ungriechische,
in den jüngeren dagegen die griechische Anordnung. Doch
darf ich nicht unterlassen darauf hinzuweisen, dass die Erklä"
KRETISCHE, M VKl'LMSCI I !•: V. H()^r^.RISCH Ii: I'AEASTl': 277
rung jenes jünj^ercn Baues in Knossos als Torg-ebäude e])enso
wenitr über jeden Zweifel erhaben ist, wie seine Erg^än/.nng.
Mit dem Propylon sind wir schon zu den charakteristi-
schen Räumen der jüngeren Paläste gekommen und haben
hier besonders ihren wichtigsten Raum, das Megaron zu be-
sprechen. Seine Gestalt kennen wir fast nur aus Phaistos,
weil das jüngere Megaron von Knossos zu sehr zerstört und
erst von A. Evans nach jenem Vorbilde ergänzt ist. Auch in
Hagia Triada ist der Cyrundriss des jüngeren Megaron nicht
gesichert.
Auf einer grossen Freitreppe, die am westlichen Hofe
beginnt, steigt man in Phaistos zu einem geräumigen Vor-
platze hinauf, an dem sich die Fassade des INIegaron erhebt,
(s. Tafel X). Eine starke Säule zwischen zwei breiten Pfei-
lern bildet die Fassade der wenig tiefen Vorhalle. In der
Rückwand der Halle liegen zwei Türen, die den Interkolum-
nien der Vorhalle entsprechen. Sie führen in den Hauptsaal,
der weniger tief als breit ist und durch eine quer liegende
Säulenreihe in zwei Schiffe von verschiedener Breite geteilt
ist. Der hintere breitere Teil war in seinem Aufbau vermut-
lich höher als der vordere, sodass über den Säulen zwischen
den beiden Dächern Fenster angelegt werden konnten, durch
die reichlich Licht und Luft in den Saal gelangten. Den Aus-
führungen von F. Noack {^Ho)iierischc Paläste S. 1 3 ff.) über den
Grundriss und Aufriss dieses Megaron stimme ich im Wesent-
lichen bei. In der Raumbildung und Fassadengestaltung sind
hier offenbar Elemente vorhanden, die der altkretischen Bau-
kunst verwandt sind und im Gegensatze stehen zu den For-
men der Megara von Tiryns und Mykenai. Andrerseits steht
aber das jüngere Megaron auch im Gegensatz zu der älteren
kretischen Bauart, denn diese kennt überhaujDt kein Megaron
dieser Art als beherrschenden Hauptraum des ganzen Palastes.
Ein grosser centraler Innenhof, um den sich zahllose
Zimmer, Corridore und Höfe gruppieren, und unter diesen
Pfeilersäle, Baderäume und einsäulige Propyläen, — das ist
das Wesentliche der altkretischen Palastanlage, während der
jüngere Palast als Hauptraum ein geräumiges, nach aussen
gerichtetes Megaron aufweist.
278 . \V. DÖRPFELD
II. Die mykenischen und homerischen Paläste.
Um die kretischen Paläste besser mit den mykenischen
und homerischen vergleichen und ihre gegenseitigen Bezie-
hungen feststellen zu können, empfiehlt es sich, vorher das
Verhältnis der beiden letzteren zu einander zu untersuchen.
Seitdem die Königsburgen von Tiryns und Mykenai
bekannt geworden sind, hat sich in weiten Kreisen die Über-
zeugung Bahn gebrochen, dass wir in ihnen Paläste besit-
zen, wie sie in den homerischen Epen beschrieben sind. Na-
türlich denkt niemand daran, dass gerade einer der Herren-
sitze von Tir)ns und Mykenai von Homer geschildert sei,
aber Viele sind überzeugt, dass ähnliche Paläste der mykeni-
schen Zeit die Vorbilder für die Schilderungen des Dichters
geliefert haben. Bei mir persönlich bildete sich diese Über-
zeugung schon, als der Palast in Tiryns zu Tage kam und
immer neue Übereinstimmungen mit Homer lieferte. Die
Überzeugung wurde besonders befestigt an dem Tage, als in
Tiryns der Kyanosfries gefunden wurde, und sich dadurch
eine der merkwürdigsten Angaben Homers, die schon so oft
für dichterische Erfindung erklärt worden war, als wirklich
existierende Besonderheit eines m^-kenischen Palastes heraus-
stellte. Weitere Funde und neue Studien haben mich in die-
ser Überzeugung nur bestärkt.
Neuerdings wird aber die Übereinstimmung zwischen
den- homerischen und m\kenischen Palästen wieder geleug-
net. Ferdinand Noack sucht in dem oben citierten Buche in
einem besonderen Abschnitte (S. 39 ff.) nachzuweisen, dass das
Bild der mykenischen Paläste, das uns die in der Argolis
ausgegrabenen Ruinen geben, sich nicht vertrage mit der
Vorstellung, die wir aus Homer vom Anaktenhause gewinnen.
Die mykenischen Paläste sollen zu viele und zu \ielerlei
Räume enthalten. Das homerische Herrenhaus hält er für
viel einfacher als die Paläste von Tiryns und Mykenai. Es
soll einen alten vormykenischen T)pus darstellen, den der
Dichter aber erst in den jonischen Häusern Kleinasiens
mehrere Jahrhunderte nach der mykenischen Zeit kennen
KRETISCH]':, MVKICXISCIIE I'. IIOMKRlSCHlv PALÄSTI': 27Q
gelernt haben soll. Wäre diese Behauptung richtig, so würde,
wie Noack selbst zum vSchlusse erklärt, ein tiefer vSchnitt zu
machen sein in den Zusammenhang homerischer und myke-
nischer Kultur.
Hier ist meines Erachtens zunächst der Fehler gemacht,
dass die mykenischc und die kretische Kultur als eine Ein-
heit zusammengefasst werden. Wir werden später ihre Unter-
schiede besprechen und die kretische Kultur als eine ältere,
nicht-griechische, karisch-lykische, die mykenischc dagegen
als eine jüngere, auf jener fussende achäisch-griechische Kul-
tur kennen lernen. Dass Homer nicht die altkretische Kultur
schildert, unterliegt keinem Zweifel; es fragt sich aber, ob
Noack Recht hat, wenn er auch zwischen der mykenischen
und der homerischen Kultur einen tiefen Einschnitt machen
will. Die Entscheidung dieser Frage ist von der grössten Be-
deutung für die ganze homerische Frage im weitesten Sinne.
Denn Noacks Ergebnis wird in der Tat schon von anderer
Seite als ein Beweis für die Entstehung der homerischen Ge-
dichte in der nachmykenischen oder jonischen Zeit verwen-
det. Offenbar mit Rücksicht auf dieses wichtige Resultat hat
Noack seine Beweisführung möglichst eingehend geführt.
Aus demselben Grunde müssen auch wir etwas länger
bei ihr verweilen. Noack sucht zunächst nachzuweisen, dass
die Vorstellung vom homerischen Hause in den einzelnen
Teilen des Epos verschieden sei; noch während der Bildung
der uns erhaltenen Epen sollen bedeutende Veränderungen
der Hausanlage sich vollzogen haben. Weiter glaubt er zeigen
zu können, dass auch schon der ältere homerische Palast auf
Grund genereller Unterschiede von dem mykenischen Palaste
zu trennen sei. Beide Beweise halte ich für verfehlt.
Rechnen wirklich, wie Noack behauptet, die jüngeren
Teile des Epos mit Bauteilen, welche das ältere Epos nicht
kennt? Ist etwa das besondere Schlafgemach des Königspaa-
res und der Oberstock, in dem Penelope wohnt, erst eine spä-
tere Erfindung und in den älteren Teilen des Epos noch un-
bekannt? Wer solche Behauptung aufstellt und zu beweisen
sucht, vergisst zunächst, dass die Entstehung und Entwicke-
lung des Hausplanes sehr viel älter ist als unser Epos. Gewiss
280 ■ W. DÖRPFELD
hat es eine Zeit gegeben, wo die Eltern und die Kinder ge-
meinsam in einem Gemache, in dem einzigen des Hauses, zu
schlafen pflegten, und bei ärmlichen oder bäuerlichen Ver-
hältnissen geschah das nicht nur in der ganzen klassisch
griechischen Zeit, sondern geschieht selbst heute noch. Aber
bei reichen Leuten und namentlich in Königspalästen hat
man sicherlich schon Jahrtausende vor Homer besondere
Schlafräume und namentlich einen besonderen Ehethalamos
gehabt. Das versteht sich doch von selbst. Nun kommt in
dem einfachsten Königshause, das uns Homer schildert, in
dem Hause des Odysseus, ein solcher Thalamos vor, dessen
Bett bei der Erkennung der Ehegatten eine besondere Rolle
spielt. In dem prächtigen Palaste des Menelaos, bei dessen
Anblick der an einfache Verhältnisse gewöhnte Telemachos
aus dem Staunen nicht herauskommt, ebenso wie in dem
märchenhaften Palaste des Alkinoos müssten wir demnach
mit noch grösserem Recht ein solches besonderes Ehege-
mach annehmen, auch wenn der Dichter es für Sparta nicht
ausdrücklich erwähnt hätte (8 121 und 310). Diese Stellen
sucht aber Noack nach einer früher sehr beliebten Methode
fortzuschaffen, indem er nachweist, dass die Erwähnung des
Thalamos hier nicht original, sondern von einer anderen
vS teile entlehnt sei. Aber diese ganze Methode ist höchst be-
denklich, wie P. Cauer Grundfragen der Hoiiierkrifik S. 267 ff,
nach dem Vorgange Anderer mit Recht betont hat. Unsere
erhaltenen Epen bilden einen so geringen Bruchteil der gan-
zen epischen Dichtung vieler Jahrhunderte, dass es von vorn-
herein gänzlich ausgeschlossen ist, die originale Verwendung
irgend eines Formelverses ermitteln zu können.
Noack macht ausserdem noch den Fehler, dass er den
\av'^oc, des Megaron nicht von dem \wfhc, des ganzen Palastes
unterscheidet. In dem Zelte des Achilleus oder in der Grotte
der Kirke kann sehr wohl in einer Ecke ein offenes oder
halb verdecktes Lager hergerichtet gewesen sein ; aber in
den grossen Königspalästen Homers das Lager des Königs
in dem Hauptsaale anzunehmen, widerspricht in gleicher
Weise der Überlieferung, wie dem allgemeinen menschlichen
Gebrauche.
KRETISCHE, ?krVKEXISClIE V. HOMERISCHE PALÄSTE 281
Sodann wird es nicht nur in lionicrischer Zeit, sondern
im w-anzen Altertum ebenso wie noch heute übHch <;evvesen
sein, Fremde in den Hallen der Höfe oder in der Vorhalle
des Megaron schlafen zu lassen. Solche Sitten ändern sich
nicht in kurzer Zeit. Es ist ein ganz l)esonderer Fall, wenn
der greise König Priamos im Zelte des Achilleus übernachtet.
Da hätte Achill dem ehrwürdigen Greise eigentlich sein eige-
nes Lager anbieten, oder ein anderes im Zelte selbst herrich-
ten lassen können. Wenn er ihn statt dessen draussen in der
dunklen \'orhalle schlafen lässt und dies mit der Ik'fürchtung
motiviert, dass drinnen einer der zur Beratung konnnenden
Achäer ihn erkennen und so die Auslieferung der Leiche des
Hektor verhindern könne, so vermag ich diese Entschuldi-
gung des Dichters durchaus nicht ungeschickt) zu finden.
Die Erklärung Noacks, der hier in dem Dichter einen Epi-
gonen sieht, der eine ältere Sitte nicht mehr gekannt und
deshalb jene ungeschickte Entschuldigung erfunden habe,
ist sehr gezwungen und entbehrt auch der geringsten Über-
zeugungskraft.
Ich betrachte es ferner mit Noack als natürlich, dass im
Königspalaste die grösseren Kinder und namentlich die ver-
heirateten ihre besonderen Gemächer hatten. Je nach der
Form des Palastes konnten diese entweder mit dem Haupt-
bau verbunden oder als besondere Gebäude innerhalb des
Hofes errichtet sein. Für die unverheirateten Töchter scheint
ein besonderer Raum im Obergeschosse gelegen zu haben
(vgl. B514 und n 184). Ist es da nicht sehr verständlich,
wenn der Dichter im Palaste von Itliaka die Penelope für
die Zeit der Abwesenheit ihres Gatten, zumal die Freier bei
Tage im Palaste hausen, den Ehethalamos meiden und sich
ins Hyperoon, in die Räume des Oberstocks zurückziehen
lässt? Die Art und Weise, wie Noack in einer volle zwölf
Seiten langen Abhandlung alle die zahlreichen Stellen der
Dichtung, wo das Hyperoon des Odysseus-Palastes erwähnt
wird, entweder ganz fortzuschaffen oder als späteren Zusatz
nachzuweisen sucht, scheint mir mehr als bedenklich. Dass
Obergeschosse in den altkretischen Häusern und Palästen
schon lange vor Homer üblich waren, zeigen uns die in
282 W. DÖRPFELD
Knossos g-efundenen interessanten kleinen Nachbildungen
von Wohnhäusern in Porzellan und zAigleich die Treppen in
den Ruinen der kretischen Paläste. Auch in den Palastan-
lagen von Tiryns und Mykenai werden wir wegen des Vor-
handenseins von Treppen nicht nur horizontale, begehbare
Dächer, sondern auch ähnliche obere Räume annehmen dür-
fen. Für die klassische Zeit sind Obergeschosse vielfach nach-
weisbar und sind als Frauenwohnungen und als Schlafge-
mächer benutzt worden. Was berechtigt uns nun, allein für
die ältere homerische Dichtung das Hyperoon künstlich zu
entfernen oder für einen späteren Zusatz zu erklären?
Wenn ich an alle die verschiedenen Räume denke,
welche das Epos in den Palästen und sogar in dem einfachen
Königshause von Ithaka nennt, — an das Torgebäude mit
seinen Vorhallen, an den Hof mit dem Altar, der Tholos und
den Hallen, an das Megaron mit seiner Vorhalle, an die ver-
schiedenen Thalamoi zum Schlafen und zur Aufbewahrung
von Geräten und Waffen, an das Badezimmer und die Vor-
ratskammer, an das Hyperoon und die Wirtschaftsräume,—
und wenn ich dann bedenke, dass der Dichter alle diese
vielen Räume nur gelegentlich erwähnt und daher gewiss
manche nicht genannt hat, so kann ich nicht zugeben, dass
die homerischen Paläste irgendwie einfacher gewesen seien
als die Herrensitze von Tiryns und Mykenai oder von Arne
und Orchomenos. Gerade auf dieses vermeintliche Ergebnis
stützt sich aber die Behauptung Noacks, dass ein wesentlicher
Unterschied zwischen dem homerischen und mykenischen
Hause bestehe. In Bezug auf die künstlerische Ausstattung
der Paläste vermag auch Noack, soviel ich weiss, keinen Un-
terschied zwischen ihnen zu erkennen. Hier spricht schon
allein der Kyanosfries in Tiryns und im Palaste des Alkinoos
eine zu deutliche Sprache.
Unverständlich ist mir endlich, wodurch sich Noack für
berechtigt hält, das Vorbild für den älteren einfachen Königs-
palast des Epos in den jonischen Häusern etwa des 9. oder
8. Jahrhunderts zu sehen. Denn einerseits haben wir von der
Gestalt und Ausstattung dieser Häuser absolut keine Kunde
und anderseits ist die Entstehungszeit der homerischen Epen
KRETISCHE, ^rVKENISCHE V. HOMER ISCIip: PALÄSTI-: 2S3
noch strittio-, und daher ist grosse \'or.siclit und vSor^falt ])ei
der zeitliclien I>e.stininnino' der (Tnindlaocn des Hi)os unsere
Pflicht. Mit Recht hat sclion P. Cauer {Xr?fr /(jhrhiichcr 1';>(),S,
S. 7) auf die «seltsame Willkür hinoewiesen, mit der Ferd.
Noack aus dem einfachen vormykenischen HaustNpus einen
nachmykenischen macht, der die o^an/.e mvkenische Zeit
überdauert haben soll. Es hätte in der Tat nciher telegen, das
Vorbild für die homerische Schilderuno- eines älteren ein-
fachen Hauses, wenn man diese überhaupt anerkennen will,
in der vormykenischen oder frühmykenischen Zeit zu suchen,
also in einer Epoche, als die Bauweise der Achäer noch we-
niger von der höheren kretischen Kultur beeinflusst war. Auf
keinen Fall kann ich demnach zugeben, dass Noack die Über-
einstimmung der homerischen und nachnn-kenischen Gebäude
erwiesen habe, und dass dann dies Resultat, wie es wirklich
geschehen ist, dazu benutzt werden darf, um die Entstehung
der homerischen Gedichte in die nachmykenische Zeit zu
verweisen.
Für mich unterliegt es keinem Zweifel, dass die mykeni-
schen und die homerischen Paläste in allem "Wesentlichen
übereinstimmen; weder in der Zahl, Anordnung und Bestim-
mung der Räume, noch in ihrer technischen und künstleri-
schen Ausstattung kann ich irgendwelche wesentlichen Un-
terschiede entdecken. Jahrelange Studien über die mykeni-
sche und homerische Baukunst haben mich in dieser Über-
zeugung immer mehr befestigt. Und wird dies Resultat nicht
durch Beobachtungen auf allen anderen Gebieten der home-
rischen Kultur bestätigt? Auf dem geschichtlichen Gebiete
sieht jedermann, dass im Epos nur die Zeit der Heroen, also
die mykenische Zeit, geschildert wird und dass die Epen, wie
Ed. Meyer {Gesch. d. Alf. W S. 69) sehr richtig sagt, mit
vollem Bewusstsein alles aus ihrer Schilderung der Völker-
verhältnisse fernzuhalten suchen, was jünger ist als die
Epoche der Heroenkämpfe, so vor allem die Besiedelung der
kleinasiatischen Küsten und die Eroberung des Peloponnes
durch die Dorer, ferner die Herrschaft der Thessaler in Thes-
salien; mit keinem Worte ist von diesen Ereignis.sen die
Rede*. Mir scheint es ein schlechtes Auskunftsmittel zu sein,
284 W. DÖRPFLD
wenn man diese wichtige Tatsache durch ein «geflissentliches
Ignorieren» der Gegenwart und nicht durch Entstehung der
homerischen Gedichte vor der dorischen Wanderung zu
erklären sucht. Und dies Resultat wird jetzt bestätigt durch
Beobachtungen auf dem Gebiete der homerischen Geographie,
wo sich dieselbe Erscheinung aufdrängt. Der Dichter kennt
und beschreibt nur den geographischen Zustand der mykeni-
schen Epoche; die durch die dorische Wanderung herbeige-
führten Veränderungen sind erst in den notorisch späten Zu-
sätzen des Epos erwähnt. Soll das auch durch absichtliche
Schilderung einer älteren Geographie erklärt werden? Auf
dem Gebiete der Bewaffnung hat W. Reichel die Übereinstim-
mung- der homerischen Angfaben mit den mvkenischen Waf-
fen erwiesen. Allerdings hat er den Fehler gemacht, dass er
nur die frühmykenischen Waffen zum Vergleich heranzog,
während Homers Angaben viel besser zu der Bewaffnung der
spätmykenischen Zeit passen, in der tatsächlich, wie allein
schon das Stuckgemälde von Mykenai mit den kleinen Krie-
gerschilden beweist, die jüngere Bewaffnung neben der älte-
ren vorkommt. Auf die anderen Gebiete einzugehen, muss
ich mir hier versagen; nur eines sei noch erwähnt. Auf dem
Gebiete der Totenbestattung soll der Dichter nach der bishe-
rigen Ansicht ausnahmsweise einmal nicht absichtlich archai-
siert, sondern gerade die Sitten seiner eigenen Zeit und nicht
der heroischen Epoche geschildert haben! Auch hier hat sich
jetzt die Übereinstimmung mykenischer und homerischer Sitte
herausgestellt: alle Leichname wurden mehr oder weniger
gebrannt und dann bestattet (vgl. meinen Vortrag über die
Brennung und Bestattung auf dem internationalen Archäo-
logen-Congress in Athen). Ich kenne überhaupt keinen ein-
zigen stichhaltigen Beweis für die bisherige Datierung der
homerischen Epen.
Bei dieser Sachlage betrachte ich die homerischen und
die mykenischen Paläste und auch die ganze homerische und
die mykenische Kultur als identisch, soweit man bei solchen
Dingen überhaupt von Identität sprechen kann. Das Haus
des Odys.seus in Ithaka und das des Menelaos in Sparta hat-
ten nach meiner Ansicht einen ähnlichen Grundriss wie die
KRETISCHE, MYKENISCHE U. HOMERISCHE PALÄSTE 285
Paläste von Tiryns und Mykenai, unterschieden sich von die-
sen aber vermutlich dadurch, dass das ithakesische Königs-
haus in seiner Ausstattung bedeutend einfacher, der sparta-
nische Palast dagegen vielleicht noch reicher war als jene
uns in Ruinen erhaltenen mykenischen Paläste.
Noch eine nicht unwichtige Folgerung dürfen wir aus
der Identität der mykenischen und homerischen Kultur zie-
hen : sie ist die Kultur der Achäer. Das achäische Volk war
es, dessen gemeinsamer Zug gegen Troja und dessen Land
und Sitten vom Epos geschildert werden. Und es waren die-
selben Achäer, die am Ende des IL Jahrtausends vor Chr.,
vor der dorischen Wanderung, in Tiryns und Mykenai, in
Sparta und Pylos, auf den jonischen Inseln und auf dem grie-
chischen Festlande die «mykenischen» Häuser und Paläste
bewohnten. Wir dürfen daher die hohe Kultur, die wir nach
ihrem ersten Fundort die mykenische zu nennen uns gewöhnt
haben, mit vollem Recht als achäische bezeichnen. Woher
diese Kultur stammt, ist damit noch nicht gesagt; die Achäer
können sie möglicherweise von einem anderen Volke über-
nommen haben. Aber in der Zeit vor der dorischen Wande-
rung, in der Zeit des homerischen Epos, sind sie die Träger
dieser Kultur gewesen.
in. Vergleich der kretischen und der mykenisch-homerischen
Paläste.
Nachdem wir die beiden verschiedenen Arten von Palä-
sten auf Kreta kennen gelernt und die mykenischen Paläste
des griechischen Festlandes als identisch mit den homeri-
schen erkannt haben, müssen wir beide Gruppen mit einan-
der vergleichen und festzustellen suchen, ob der homerisch-
mykenische oder, wie wir kürzer sagen können, der achäische
Palast mit den beiden kretischen Palastarten, oder auch nur
mit einer von ihnen verwandt ist.
Da ist zunächst zu betonen, dass die technische und
künstlerische Ausstattung beider Gruppen von Palästen fast
übereinstimmt. Die Art des Mauerwerks, die technischen Re-
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. 1 9
286 W. DORPFELD
Sonderheiten der Steinbeliandlung, die Gestalt der Säulen
und sonstigen Bauglieder, die Art und Ornamentierung des
Wandputzes und die ganze künstlerische Ausstattung sind
bei allen diesen Palästen so gleichartig, dass es dieselben
Bauleute gewesen sein müssen, die in Kreta, im Peloponnes
und in Nordgriechenland die jetzt ausgegrabenen Paläste und
Grabbauten errichtet haben. Gewiss gibt es kleinere Unter-
schiede zwischen den verschiedenen Bauwerken, sowohl in
der Architektur wie in der Bauweise, aber sie sind nur ge-
ring und scheinen mehr zeitlich als völkerschaftlich zu sein.
In den Grundrissen stimmen dagegen die kretischen und
mykenischen Paläste durchaus nicht überein. Das grosse
Megaron mit seiner Vorhalle, das den Mittelpunkt und das
Kennzeichen des mykenisch - homerischen oder achäischen
Palastes bildet, kommt in den altkretischen Palästen über-
haupt nicht vor. Ein gewaltiger mit einem Labyrinth von
Gemächern und Gängen aller Art umgebener Hof bildet ihr
Centrum und ihr charakteristisches Merkmal. In den jünge-
ren kretischen Palästen, die über den Trümmern der zerstör-
ten älteren Bauwerke errichtet sind, fanden wir dagegen, ähn-
lich wie in den achäischen Herrenhäusern, ein grosses Mega-
ron mit Vorhalle, das allerdings in seiner Gestalt von dem
achäischen Megaron abweicht und sich mehr an die altkreti-
sche Bauweise anschlies.st. Wir dürfen darnach diese jünge-
ren kretischen Paläste als eine Zwischenstufe zwischen den
altkretischen und den achäischen Palästen bezeichnen ; mit
diesen haben sie das Vorhandensein eines Megaron, mit jenen
die künstlerische Ausgestaltung dieses Megaron und seiner
Vorhalle gemein. Dass auch eine Einzelheit ihres Grund-
risses für diese vStellung des jüngeren kretischen Palastes
spricht, haben wir oben bei Besprechung des Südprop^don
von Knossos schon gesehen.
Beobachtungen anderer Art bestätigen dieses Ergebnis.
Der Inhalt der jüngeren kretischen Paläste an Topfwaren
und anderen Kleinfunden stimmt viel besser zu den Funden
der achäischen Paläste des Festlandes, als zu dem Inhalt der
zerstörten altkretischen Anlagen. Dieselbe mykenische Topf-
ware, die wir aus Tiryns, Mykenai vmd vielen anderen Orten
KRETISCHE, MYKENISCHK U. HOMERISCHE PALÄSTE 287
Griechenlands kennen, findet sich in den jüngeren Palästen
Kretas, während in den älteren Palästen unterhalb der jün-
geren Fussböden hauptsächlich die Kaniares-Vasen und die
ältere mykenische Ware vorkommen.
Ähnlich liegt das Verhältnis bei den Grabbauten und
ihrem Inhalt. In der jüngeren Zeit kommen in Kreta ähnli-
che Kuppelgräber vor, wie sie uns aus den nnkenischen Cen-
tren des übrigen Griechenlands bekannt sind, und auch ihr
Inhalt stimmt überein mit den Funden der entsprechenden
Gräber auf dem Festlande (vgl. A. Evans Ami. of B. S. X
S. 4-6). Wie die Bestattung und die Grabformen zur Zeit der
älteren kretischen Kultur waren, ist noch nicht endgültig
festgestellt; die bisher gefundenen Gräber weichen von den
achäischen Gräbern sehr ab.
Nun ist es eine bekannte Erscheinung, dass ein Volk,
wenn es sich eine fremde höhere Kultur aneignet, zwar die
Technik des Bauens und die künstlerische Ausstattung sei-
ner Wohnungen, seines Hausgerätes und auch seiner Klei-
dung von den Fremden zu übernehmen pflegt, aber dabei
seinen alten, von den Vätern überkommenen Hausplan viel-
fach treu bewahrt. Fremde Künstler statten die nach dem
älteren Plane gebauten Häuser mit neuen P'ormen aus und
fremde Händler importieren neues Hausgerät, neue Waffen
und neuen Schmuck. So haben z. B. die Deutschen zwar den
gothischen Stil aus Frankreich und später den Renaissance-
Stil aus Italien durch fremde Bauleute erhalten, aber dabei
ihre alten Hausgrundrisse vielfach beibehalten.
Wenden wir diesen Grundsatz auf die drei Palastarten
an, die wir in Kreta und Griechenland gefunden haben, so
kann es kaum fraglich sein, dass die in Griechenland wohnen-
den Achäer die ganze künstlerische Ausstattung ihrer Häu-
ser von dem Volke übernommen haben, das in Kreta schon
Jahrhunderte früher eine hohe Kultur besass und Paläste wie
die älteren von Knossos und Phaistos mit ganz anderem
Grundrisse, aber mit fast derselben künstlerischen Ausstat-
tung erbaute. Denn dass das Abhängigkeitsverhältnis etwa
das umgekehrte sei, wird angesichts der grossartigen Paläste
Kretas mit ihrem überaus reichen Inhalt und angesichts der
288 W. DÖRPFELD
langen Entwickelung, welche die kretische Kultur durchge-
macht hat, wohl niemand zu behaupten wagen. Überdies
weist auch eine einzelne Tatsache, nämlich die Verwendung
der Platten aus Alabaster in Tiryns und Mykenai direkt auf
Kreta als Ursprungsort hin, weil dort der Gipsstein nicht nur
in den Palästen viel reichlicher verwendet ist, sondern auch
in Steinbrüchen ansteht. Aber weiter werden wir auch ver-
muten dürfen, dass die Zerstörer der altkretischen Paläste,
die über deren Ruinen ihre neuen Paläste mit dem früher
unbekannten Megaron errichteten, dieselben Achäer sind,
welche früher die Kultur von den Kretern empfangen hatten.
In das eroberte Land nehmen sie ihren alten Hausplan mit
und lassen von den einheimischen Bauleuten ihre Paläste mit
einigen den altkretischen Palästen entlehnten Eigentümlich-
keiten errichten.
Soweit können wir in der Erklärung der aufgedeckten
Ruinen ohne Heranziehung der litterarischen Überlieferung
kommen und sind damit an die letzte Frage gelangt, die wir
zu beantworten haben : welches Volk war der Träger der ho-
hen Kultur, die nach dem Ergebnis der jüngsten Ausgrabun-
gen im ganzen H. Jahrtausend in Kreta blühte, und die von
dort auf die Achäer und damit in langer Wanderung auch
auf uns übergegangen ist? Die Bauwerke und ihr Inhalt selbst
gestatten uns noch nicht diese Frage zu beantworten, die
zahlreichen in Kreta gefundenen Tontafeln, welche die Ant-
wort geben könnten, sind leider noch nicht entziffert. Aber
die .übrige litterarische Überlieferung liefert eine wie mir
scheint untrügliche Antwort.
IV. Die Träger der altkretischen Kultur.
Es ist das grosse Verdienst von Ulrich Köhler, die my-
kenische Kultur sofort nach der Entdeckung der Königsgrä-
ber in Mykenai durch Heinrich Schliemann mit der karischen
Seeherrschaft in Verbindung gebracht, sie als die karische
Kultur erkannt zu haben.
In der Winckelmanns-Sitzung des Deutschen Instituts in
KRETISCHE, MVKEMSCIII' V. I H )M ICR ISC 1 1 !• I'AI.ÄSTIC 2HQ
Athen behandelte er im Jahre 1S77 die Zeit und den Ur-
sprnng der Grabanlagen von Mykenai und vSpata ^ {.l///r//.
Miff. 1878, S. 1). Nachdem er darauf hingewiesen hatte, dass
die fabelhaft reichen Funde von Mykenai in ihrer Gesamtheit
ein ungriechisches orientalisches Gepräge tragen, erinnert er
daran, dass die Untersuchungen eines Brunn und Friederichs
uns schon früher darüber aufgekLärt hatten, dass die griechi-
sche Kunst sich in ihren Anfängen an orientalische Vorbil-
der angeschlossen hat. Er weist sodann nach, dass der reiche
Inhalt der Gräber von Mykenai und vSpata seine nächsten
Berührungspunkte unter den Funden der ägäischen Inseln
hat, und dass es ein Seevolk gewiesen sein nmss, welches «die
Vorbilder für die Ornamente seiner Kleidung und Gerät-
schaften mit Vorliebe dem ]Meere entnahm •, ein Volk, «des-
sen Blicke alltäglich dem Spiele der Wellen folgten und mit
kindlichem Behagen die seltsamen Geschöpfe des Meeres
beobachteten). Dann fährt er fort: «Die Inseln des ägäischen
Meeres sind, wie bekannt, in relativ später Zeit hellenisiert
worden. Die grössten Historiker und Forscher des Altertums
stimmen darin überein, dass die Inseln vorher von einem
nichthellenischen Völkerstamme bewohnt wurden, der von
der kleinasiatischen Küste vorgedrungen und dem Volke der
Karer nahe verwandt w^ar. Von den Inseln aus hatten diese
von Osten hergekommenen Elemente weiter auch an den
Küsten der griechischen Halbinsel festen Fuss gefasst. Dies
war namentlich in den Umgebungen des saronischen Meer-
busens der Fall gewesen; nach Aristoteles waren die Städte
Hermione, Epidauros und Megara ursprünglich karische
Gründungen gewesen*. Auch auf Attika und Argos hatte
sich, wde er weiter darlegt, die Einwanderung oder Herrschaft
dieser nichtgriechischen Völkerschaften ausgedehnt, zu denen
die Karer, Leleger, Lyker, Lyder, M}ser und andere verwandte
Stämme gehörten. Sie alle wairden schon von den Alten unter
dem Begriff der grossen karischen Seeherrschaft zusammen-
gefasst.
Diese Darlegungen Köhlers gelten noch heute. Wenn er
aber damals hinzufügte: «Ich bin der Meinung, dass die Grab-
anlagen von ]\Iykenai und Spata von karischen Einwände-
290 W. DORPFELD
rern herrühren, welche sich an der argivischen und attischen
Küste niedergelassen hatten », so können wir ihm nicht fol-
gen. Die Könige, welche in Mykenai geherrscht haben und
dort bestattet worden sind, waren unmöglich Karer, sondern
sicher Achäer, also Griechen. Hätte Köhler die reichen
Schätze der altkretischen Kultur gekannt, die uns jetzt in
Kreta und an anderen Orten vor Augen liegen, und hätte er
namentlich von dem Unterschiede zwischen den altkretischen
und achäischen Palästen und ihren Kunstschätzen gewusst,
so würde er gewiss nicht die Bewohner von Mykenai und
die Inhaber der mykenischen Gräber für Karer gehalten
haben. Für uns, die wir über ein viel reicheres Beobachtungs-
material verfügen, kann es nicht mehr zweifelhaft sein, dass
die altkretische Kultur, die in den reichen Palästen Kretas
vor uns liegt und die ihren Einfluss einst über fast alle In-
seln und Küstenländer des ägäischen Meeres ausgedehnt hat,
die Kultur jener karischen Seeherrschaft oder kurz die kari-
sche Kultur ist. Die Paläste von Tiryns und Mykenai und
auch die jüngeren Paläste von Kreta sind dagegen mit ihrem
ganzen Inhalt zwar unter dem Einfluss der karischen Kunst
entstanden, aber Achäer und keine Karer sind ihre Bewohner
gewesen.
Dieses Ergebnis wird durch die litterarische Überliefe-
rung direkt bestätigt. Die lykischen Kyklopen hatte Proitos
kommen lassen, um die Burg Tiryns zu erbauen (Apollodor
II 2, 1 ; Paus. II 16, 4; Strabon VIII 372). Und dass die Lyker
ursprünglich neben Karern und Lelegern in Kreta wohnten
und erst von Minos vertrieben wurden, berichtet Herodot I
173 und VII 92. Also kretische Bauleute haben auch nach
der Überlieferung die mykenischen Paläste erbaut, wie wir
es jetzt an den Ruinen der Paläste selbst mit eigenen Augen
erkennen können. Die achäischen Herren Hessen sich aber
im Peloponnes nicht etwa einen kretischen Palast, wie den
von Knossos errichten, sondern behielten ihren eigenen, von
den Vätern überkommenen Hausplan bei, Hessen ihn aber
von den fremden Bauleuten in ihrer vollkommeneren Technik
imd mit ihrer reicheren Kunst zur Ausführung bringen.
Aber nicht nvir die Bauweise und die Bauformen ihrer
KRETISCH!':, :\[ vKicxisciii': r. homi^risciiI': i-alästic 201
Häuser übernalinicn die AcliTier x-on den Kretern, allniälilieh
eio^neten sie sich auch ihre f^anze Kultur an. Das Hausgeräte
und die Waffen, den Schmuck der Kleider und die sonstij^^en
Kostbarkeiten haben sie, wie die Funde in den achäischen
Palästen und Gräbern lehren, sehr bald von den karisch-Kki-
schen Stämmen Kretas angenommen. Auch hierüber schweigt
die Überlieferung nicht, indem sie bei den Waffen und Klei-
dern ausdrücklich Entlehnung von den Karern berichtet
(Herodot I 171 und V 88).
Nachdem die Achäer sich die kretische Kultur zu eigen
gemacht hatten, ist ein Ereignis eingetreten, das sich im
Leben der Völker schon so oft wiederholt hat. Das seit langer
Zeit auf hoher Kulturstufe stehende kretische Volk ist dem
jüngeren und noch kräftigeren Volke der Achäer unterlegen
und aus seinen Sitzen vertrieben worden. Unter Minos, so
lehrt die Überlieferung, wurden die Achäer Herren der Insel
Kreta. An Stelle der karischen Seeherrschaft trat die mäch-
tige Herrschaft des Minos. Nur ein Teil der alten karischen
Bevölkerung verblieb als Eteokreter im Osten und als K)do-
nier im Westen der Insel und hat dort noch in der klassi-
schen Zeit als ungriechischer Stamm gewohnt. Die fremd-
sprachlichen, mit griechischen Buchstaben geschriebenen
Inschriften, die im Osten der Insel in Praisos gefunden sind,
ofehören unzweifelhaft den Eteokretern an und werden daher
in karisch-lykischer Sprache abgefasst sein. Hoffentlich ge-
lingt es bald sie zu entziffern, damit sie dann auch den
vSchlüssel bilden können zur Entzifferung der zahllosen alt-
kretischen Toninschriften, die in den Palästen Kretas überall
gefunden werden und gewiss auch in karischer oder lykischer
Sprache abgefasst sind.
Die Besiegung der altkretischen Bevölkerung durch die
Zerstörung ihrer grossartigen Paläste und die Errichtung
neuer und anders gestalteter Paläste, die denen von Tiryns
und Mykenai verwandt sind, das waren die Tatsachen, die wir
schon als Ergebnis unseres Studiums der Ruinen mitteilen
konnten. Stimmt so die litterarische Überlieferung sehr gut
zu den Lehren der Ruinen, so werden wir kein Bedenken
tragen, die Zerstörung der alten und die Errichtung der
292 W. DORPFELD
neuen Paläste den Achäern unter Minos zuzuschreiben. Und
da die Überlieferung den Minos drei Generationen vor dem
trojanischen Kriege ansetzt, so glaube ich in runden Zahlen
1300 V. Chr. als Zeit der Zerstörung der alten Paläste anneh-
men zu können, indem ich den trojanischen Krieg rund um
1 200 und die dorische Wanderung rund um 1 1 00 ansetze. Die
Datierungen, welche A. Evans vorschlägt, stimmen zu diesen
Zahlen allerdings nicht. Er lässt den Palast von Knossos
schon um 1500 zerstört werden {Ai/n. of. B.S. X S. 2). Dass
aber die hohen Zahlen von Evans nicht haltbar sind, scheint
mir E. Reisch {Miit. der Anthropol. Gesellschaft in Wien 1904,
S. 15) erwiesen zu haben. Ich will und kann auf diese Datie-
rungen nicht näher eingehen, sehe aber meinerseits unter den
bisher beigebrachten Argumenten keines, das mich veranlas-
sen könnte, von den uns aus dem Altertum überlieferten
Zahlen wesentlich abzugehen.
Die alte karische Bevölkerung wurde von Kreta und
vielleicht auch von anderen Inseln vertrieben und zog haupt-
sächlich nach Kleinasien hinüber, wo wir sie in späterer Zeit
als Karer und Lyker finden. Ein Teil der Bevölkerung hat
sich vielleicht schon damals nach dem Westen gewendet und
sich als Etrusker in Italien niedergelassen. Denn dass die
etruskische Kultur und Sprache der altkretischen verwandt
ist, scheint nicht mehr zweifelhaft zu sein. Auch hat die
Auswanderung eines ganzen Volksstammes am wahrschein-
lichsten zu der Zeit stattgefunden, als dies ganze Volk aus
seiner kretischen Heimat vertrieben wurde.
Durch die Eroberung Kretas hatten die Achäer ihre
Herrschaft von dem eigentlichen achäischen Lande (der
'Axal'i? oder 'Axau? y«^" Homers) nach Osten ausgedehnt über
einen grossen Teil des ägäischen Meers. Die karische See-
herrschaft war gebrochen. Die Achäer hatten nun die Herrschaft
und waren damit auch die Träger der hohen Kultur gewor-
den, die sie früher als eine fremde von den Karern übernom-
men hatten. Sie selbst waren Krieger und keine Künstler
oder Händler. So bezogen sie ihre Kunstgegenstände viel-
fach von den Phönikiern, die damals die Händler des Mittel-
meeres geworden waren.
KKKTISCHi:, MVKKNISCni'. V. HO^ri' K ISCII F. rALÄSTl-: 2Q.^
Das ist der politische und kulturelle Zustand des achäi-
sclien Landes, den das homerische Epos schildert. An allen
achäischen Fürstenhöfen wird die epische Kunst <;eübt und
gepflegt worden sein. Man besang anfangs die l'\ahrt der
Argo, den Zug gegen Theben und die Taten des Minos, des
Herakles und andrer Helden. Nachdem aber der gemeinsame
Zug aller Achäer gegen Troja unternommen und glücklich
beendet war, sang man hauptsächlich \'on diesem grossen
Kriege und seinen traurigen Folgen.
Die achäische Herrschaft und auch die althomerische
Poesie fanden ihr Ende durch die dorische Wanderung. Die
Königssitze im Peloponnes, in Ithaka und in Kreta wurden
von den Dorern zerstört. Die Achäer wurden ebenso besiegt
und vertrieben, wie früher die karischen Stämme; sie mussten
vor den kriegerischeren und weniger verweichlichten Dorern
fliehen. Die Einen wandten sich nach Osten, eroberten die
Küsten Kleinasiens und drängten die Karer und Lyker wei-
ter ins Innere; die Anderen fanden auf den ägäischen und
jonischen Inseln oder auch in denjenigen Provinzen der
Achaiis, die von den Dorern nicht besetzt waren, eine neue
Heimat; noch Andere sind vermutlich schon damals nach
dem Westen gezogen und haben den Grundstock gebildet
für die achäischen Kolonien in Italien und Sizilien. Die home-
rischen Gedichte wurden von den Auswanderern in die neue
Heimat mitgenommen und als Erinnerung an die grossen
Taten der Väter und an die goldene Zeit des achäischen
Reiches treu bewahrt.
Die Dorer kamen ohne hohe eigene Kultur von Norden
nach dem achäischen Lande, besetzten Ithaka und das be-
nachbarte Festland, die reichen Ebenen des Peloponnes und
Kretas und zogen sogar hinüber zur südwestlichen Spitze
von Kleinasien. Mit ihrer Herrschaft beginnt das griechische
Mittelalter. Die früheren Kulturcentren, die achäischen Für-
stenhöfe im Peloponnes und in Kreta waren zerstört, und
über ihren Trümmern keine neuen Paläste errichtet. Neue
Kulturcentren entstanden erst allmählich in einigen der
neuen dorischen Städte und besonders auch an den Orten,
wo die Achäer sich niedergelassen hatten, vor allem in Klein-
294 W. DÖRPFELl)
asien, wo die Achäer als zwei sich bekämj)fende Bruder-
stämme neben einander wohnten und sich nicht mehr mit
dem gemeinsamen Namen als Achäer, sondern mit ihren
besonderen Stannnesnamen als Jonier und Äolier bezeichne-
ten. Hier haben namentlich die Jonier, die früher die west-
liche und nördliche Küste des Peloponnes innegehabt hat-
ten, als der begabtere und am meisten vorgeschrittene Stamm
viel zu der neuen Entwickelung der griechischen Kultur
beigetragen. In Jonien ist auch das alte Epos besonders
gepflegt und so für die späteren Griechen und auch für uns
erhalten worden.
Sind diese Beobachtungen und Schlüsse richtig, so ist
die altkretische Kultur nicht griechisch oder achäisch, son-
dern karisch. Die stattlichen altkretischen Bauwerke und ihr
Inhalt, das Hausgerät, die Schmucksachen, die Götterbilder
und die Inschriften gehören einer hohen vorgriechischen Kul-
tur an, die ihrerseits wiederum auf orientalischer und ägypti-
scher Unterlage ruht. Diese Kultur hatten die Achäer ken-
nen gelernt, allmählich angenonmien und bald zu der eige-
nen gemacht. Nach Besiegung und Vertreibung der Karer
werden sie die hauptsächlichen Träger dieser Kultur. Das
achäische Land, dessen Centren die Herrensitze in Kreta, im
Peloponnes, auf den jonischen Inseln und in Nordgriechen-
land waren, erreicht seine grösste Blüte in der Zeit von Minos
bis zum trojanischen Kriege und dann weiter bis zur dori-
schen Wanderung. Aus der letzten Periode dieser Blüte stam-
men unsere homerischen Epen, deren Kern uns den ganzen
Kulturzustand des achäischen Landes und Volkes in der spät-
mykenischen Zeit schildert.
Zusatz.
Da über die Benennung der altkretischen Kultur und
ihrer Perioden noch keine Übereinstimnumg unter den Fach-
genossen besteht, darf ich die Untersuchung über die beiden
Palastarten Kretas nicht ohne einige Sätze über die Benen-
nung- der zwei oben besprochen Periodenen abschliessen.
KRETISCHE, MVKENISCHI': T. HOM ICR ISCH !•: I'ALÄSTlv 205
Die italienischen Archäologien bezeichnen in ihren Ver-
öffentlichungen die jüngere Epoche der kretischen Kultur
in der allgemein üblichen Weise als <niykenisch und be-
nutzen für die ältere Epoche die Ausdrücke «vormykenisch -
oder primitiv > oder Zeit der Kamares-Vasen . A. Evans
hat dagegen eine ganz neue Bezeichnung eingeführt, die von
den englichen Archäologen angenommen ist. Er nennt die
vordorische kretische Kultur, soweit sie nicht <neolithisch
ist, «minoisch> und unterscheidet bei der Topfware früh-,
«mittel-» und «spät-minoisch» mit je 3 Unterabteilungen, also
im Ganzen neun verschiedene minoische Perioden, Die Zeit
der jüngeren Paläste von Knossos und Phaistos rechnet er
zur Periode < spät-minoisch III v oder zur Zeit der teilweisen
Wiederbenutzung des Palastes». Unsere älteren Paläste .setzt
er in seine Perioden niittel-minoisch II», bis «spät-minoisch
II >. Für die älteren Perioden nimmt er für Knossos ältere,
noch nicht ausgegrabene Paläste an.
Andere Benennungen sind von deutscher Seite vorge-
schlagen und angewendet worden. So hat sich E. Reisch im
Wesentlichen der italienischen Bezeichnung angeschlossen,
aber in der mykenischen Epoche 3 Unterabteilungen unter-
schieden {Mitt. der anthrop. Ges. in Wien 1904, S.13). G. Karo
gibt dagegen der ganzen Kultur des 2. Jahrtausends, also
unseren beiden Perioden, die gemeinsame Bezeichnung «alt-
achäisch» {Aj'cJüv für Rclig.-Wiss. 1904, S.117). F. Noack wen-
det in seinem Buche Homerische Paläste» besonders die bei-
den Worte ^mykenischv und «kretisch» an, um die beiden
Palastarten zu unterscheiden. Dass es sehr wünschenswert
wäre, wenn eine übereinstimmende Bezeichnung der Perioden
eingeführt und allgemein angenommen werden könnte, wird
niemand leugnen. Aber ist das jetzt noch möglich? Ich glau-
be, dass diese Möglichkeit in der Tat noch vorliegt, wenn wir
uns möglichst wenig von dem bisher üblichen Gebrauche
entfernen.
Nachdem sich für die jüngere Periode der Name «myke-
nische Kultur ^ bei allen Nationen eingebürgert hat, dürfte
es sich empfehlen, ihn beizubehalten. Der Ausdruck ist auch
durchaus passend. Denn Mykenai ist nicht nur der Ort, wo
296 W. DÖRPFELD
die reichen Schätze dieser Kultur zum ersten Male gefunden
wurden, sondern hat auch nach der Überlieferung und nach
den Funden einen der Mittelpunkte dieser Kultur gebildet.
Neben dieser geographischen Bezeichnung empfehle ich als
gleichwertigen Namen < achäisch >, weil die Achäer nach der
Überlieferung die Vertreter der mykenischen Kultur gewe-
sen sind. Da die Achäer in der klassischen Zeit keine selb-
ständige Rolle mehr gespielt haben, und keine jüngere achäi-
sche Kunst existiert, so ist es überflüssig zur Unterscheidung
von einer jüngeren Epoche < altachäisch » zu sagen.
Für die ältere Periode der kretischen Kultur kann die dem
Worte «my kenisch» entsprechende geographische Bezeich-
nung «kretisch i^ oder auch v altkretisch- angewendet werden.
Denn Kreta ist nicht nur der erste Fundort, sondern auch das
Centrum der «Kamares-Kultur > gewesen. Der kurze Ausdruck
< kretisch: scheint mir zu genügen, weil Kreta in der späte-
ren Zeit nie wieder eine führende Rolle in der Geschichte
oder in der Kultur gespielt hat. Will man diese «kretische»
Kultur daneben auch noch nach demjenigen Volksstamme
bezeichnen, der ihr Schöpfer und Träger war, so ist dafür
der kurze Name «karisch sehr zweckmässig und besonders
deshalb empfehlenswert, weil schon die Alten diesen Namen
als gemeinsame Bezeichnung für die verschiedenen Volks-
stämme der vorhellenischen Kulturperiode benutzt haben.
Der von den Engländern für die kretische Kultur ge-
brauchte Name «minoisch» scheint mir schon aus dem Grunde
nicht gut, weil eine mehr als tausendjährige Kultur nicht
nach einer einzigen Person bezeichnet werden sollte. Die Aus-
drücke früh-minoisch, mittel-minoisch und spät-minoisch sind
auch widersinnig für Perioden, die zum Teil viele Jahrhun-
derte vor Minos liegen. Ausserdem ist, falls meine obigen
Darlegungen auch nur im Wesentlichen richtig sind, die Be-
zeichnung «minoisch» für die ältere Epoche der kretischen
Kultur sogar falsch, weil Minos gar nicht der älteren kari-
schen Epoche angehört, sondern wahrscheinlich gerade der
Begründer der jüngeren achäischen oder mykenischen Epo-
che gewesen ist.
Nach meinem Vorschlage würden also für die ältere Epo-
KRETISCHE, MYKENTSCTTE U. HOMERISCHE PALÄSTE 297
che die Ausdrücke <'kretisch» und <karisch» und für die
jüngere «mykenisch und < achäisch > nebeneinander benutzt
werden können. Zunächst aber, so lange noch keine volle
Übereinstimmung der Ansichten über die Träger der beiden
Kulturen erreicht ist, würden in erster Linie die beiden geo-
graphischen Ausdrücke «kretisch > für die ältere, und myke-
nisch» für die jüngere Epoche zu benutzen sein. Unterab-
teilungen, wie sie Evans und Reisch vorgeschlagen haben,
würden sich für beide Epochen besonders auf dem Gebiete
der Vasenkunde leicht einführen las.sen. Für die Geschichte
dürften die beiden Hauptepochen genügen. Auf Kreta selbst
haben wir also zuerst die karische Periode, darauf die myke-
nische oder achäische Zeit und schliesslich nach der Erobe-
rung durch die Dorer die klassisch griechische Periode.
Leukas-Ithaka, August 190.S.
Wilhelm Dörpfeld.
298
^€t-
M '^y-
9- <
^^
DIE PANDEMOvS -WEIHUNG
AUF DER AKROPOLIS.
Die Inschrift, welche nebenste-
hend abgebildet und jetzt rechts vom
Aufgang zu den Propyläen aufge-
stellt ist, wurde im Jahre 1889 süd-
lich vom Beule'schen Thore gefun-
den und von Lolling im AeXxIov 'Aqx-
1889, S. 127-29 herausgegeben.
Lolling nennt die Steine ejcionj-
Xiu ; doch macht er darauf aufmerk-
sam, dass das Gebäude, zu dem sie
gehörten, kein Tempel war, weil die
Steine, nach Kawerau's Beobachtung,
nicht auf Säulen, sondern auf einer
Mauer gelegen hätten. Lolling nimmt
ferner an, dass zwischen den erhalte-
nen noch zwei ebenso grosse Steine
fehlen, wodurch die Fassade des Ge-
bäudes eine Länge von 7,20 m er-
hält oder ungefähr anderthalb mal so
viel wie die Fassade des Niketempels.
Er gibt demnach den Text der In-
schrift, wie folgt:
Obere Zeile.
Tovfis aoi 03 [^LEydh] ofuvi) n«v8ii|.ie
'A(pQ[o8m)
8r]]^A0i) ^EV öooQOi?, ELxoaiv f|p,ETe^ai(;.
DIE PANDEMOS-WEIIirNG ATE DER AKROl'OLIS 299
Untere Zeile.
'Aq/Ivoc; 'AXitjTi]TOv 2x«fiß(oviötii;, MevfixoaTFia Af£ixQ((Tn\ic;
'Ixaoiewq Di'YdT)]^, ieq8i« xi\c, ['AcpQoöinic;
. . . ÄjeHixQdToi'c 'IxaQiEwg ■ft-i'Y«ti]Q, ""Aqxi'voi' K- |ii'iti|o.
Man kann sich indessen an Ort und vStellc leiclit davon
überzeugen, dass die zwei Steine sehr wohl an einander ge-
stossen haben können. Die Ergänzung Lollings, [Öi'iJuov [.itv,
muss aber auch aus sprachlichen Gründen Bedenken erregen,
da das ^lev hier gar keinen Sinn hat. Nininit man dagegen
an, dass die beiden Steine zusammengehören, dann muss man
in [-][^ioi'[.iev eine Verbalform suchen und dann liegt xoojjoüufv
auf der Hand, also :
Tövöe ooi, (!) (.i£Ytt?j| afjivT] IIdv8T]|.i8 ""Acppfcömi],
[hoo][.ioOj.i£A' 8(6qoi5 eixööiv f]|.i£T8ßaii;.
In der unteren Zeile fehlt nur der Name der Mutter des
Archinos. Es waren drei Personen genannt, die das unbe-
kannte Gebäude (tovöe, vielleicht ßo3^6v in der Bedeutung
von Unterbau oder dergleichen) mit ihren Bildnissen ge-
schmückt hatten, nämlich die Priesterin Menekrateia, ihre
Schwester und deren Sohn Archinos. Der letztere scheint der
olxelo? Tr\g is^eiag zu sein, der uns aus einer anderen Inschrift
als Vertreter der Priesterin dem Rat und Volk gegenüber
bekannt ist. Diese Inschrift wurde in derselben Gegend ge-
funden und zuerst im AeXiiov 'Ao/. 1888, S. 187-88 ebenfalls
von Lolling veröffentlicht.
Die oben vorgeschlagene Lesung war schon 1 890 aus
einem Briefwechsel zwischen mir und meinem Freund Dr.
Chr. Blinkenberg hervorgegangen. Blinkenberg hatte nämlich
schon damals die Zusammenhörigkeit der beiden Inschrift-
blöcke so wie den rechtwinkligen Anschluss der Seitenblöcke
(siehe unten) richtig erkannt. Die Sache wurde damals nicht
weiter verfolgt. Später hat Dr. Wilhelm nach mündlicher
Mitteilung von Blinkenberg die Inschrift mit der richtigen
Ergänzung erwähnt, in der 'Ecpin-i. 'Agyaiol. 1902, S.139 Anm.
und nochmals Z?6W1905, S. 407. Durch Herrn Kawerau's
nachstehende Untersuchung scheint mir die Sache endgültig
erledio-t zu sein. Fr- Weilbach.
300 G. KAWERAU
Die auf Grund der vorgeschlagenen Ergänzung von
H. Schrader veranlasste Nachprüfung und Zusammenfügung
der vier erhaltenen Steine führte zu folgendem Resultat: Bei
Annahme der neuen Lesung ergeben sich zwischen dem letzt
erhaltenen q auf der linken und dem ersten Buchstaben [i auf
der rechten Seite der obersten Zeile der Inschrift 9 Zwischen-
räume zwischen je zwei Buchstaben. Wenn man diese Länge
nach der sonst ermittelten Durchschittsentfernung zwischen
2 Buchstaben ansetzt und hiernach die beiden Inschriftsteine
zusammenfügt, wie es in Abb. 1. (Aufsicht auf die Epistyl-
blöcke) gezeichnet ist, so ergibt sich, dass die beiden grossen
Stücke des mit Inschrift versehenen Epistyls fast ganz genau
aneinander passen. Direkte Berührungsflächen sind nicht
vorhanden, aber es fehlt an beiden Blöcken nur ein Geringes,
um den unmittelbaren Anschluss zu ermöglichen. Die Steine
sind also der Ergänzung durchaus günstig und sprechen kei-
nesfalls dagegen. Für die unmittelbare Zusammengehörigkeit
der Inschriftblöcke spricht auch die Anordnung des Tauben-
frieses. Wie Abbild. 1 zeigt, schreiten die Tauben von den
beiden äussersten Ecken der Mitte zu, sodass sich eine Mit-
telaxe des Frieses ergibt. Diese Mittelaxe fällt auch unge-
fähr mit der Mitte der Inschrift — nach ihrer neuen Ergän-
zung — zusammen. Die Symmetrie in der Anordnung ist übri-
gens nicht ängstlich eingehalten. Die letzte Taube auf der
rechten Seite des Frieses ist der Ecke des Blocks ganz nahe
gerückt, auf der linken Seite ist diese Entfernung beträcht-
lich, grösser. Dementsprechend verschiebt sich auch die Mit-
telaxe etwas nach rechts. Dies lässt wieder darauf schliessen,
dass über dem Inschriftblock kein Giebel gestanden haben
kann — man würde sonst Wert darauf gelegt haben, Giebel-
und Friesmitte in die gleiche senkrechte Axe zu legen. Nach
dieser Zusammenfügung der Inschriftblöcke berechnet sich
das äussere Mass der Hauptansichtsseite auf ca. 3, 1 65 m. Es
kann hier nur ein angenähertes Mass angegeben werden, da
die Buchstabenentfernungen, auf welche diese Berechnung
gegründet ist, nicht genau gleichmässig gross sind. Doch
könnte es sich höchstens um einen Spielraum von 1 bis 2 cm
in der Länge handeln.
DIE PANDE:M0S -WEIHUNG AUF DER AKROI'OLIS
301
Eine völlige Sicherheit ergab die Zusaiiiiiienlegung der
Blöcke in Bezug auf den Anschluss der seitlichen Teile an
die Inschriftblöcke; die beiden Seitenblöcke passen genau an
die auf Anschluss gearbeiteten Ecken der Inschriftblöcke an.
(vgl. Abb. 2). Die Taubendarstellung ist auch an den beiden
seitlichen Blöcken noch herumgeführt, bemerkenswert ist
hierbei, dass an der linken vSeite die Tauben von der Vorder-
front ab, an der rechten Seite dieser Front zugewendet sind.
Wird es also nach diesen Versuchen höchst wahrschein-
lich, dass die vorgeschlagene Ergänzung in Bezug auf die
ÖcioniU ß
cn 2,535
T
Abb. 2.
Anzahl der einzufügenden Buchstaben das Richtige trifft, so
ergibt sich weiter, dass der mit Inschrift versehene Architrav
der Hauptseite ein durchgehender Block war. Wir haben
also ein Epistyl der Vorderseite und 2 anschliessende Blöcke
der beiden Seitenfronten. Beide setzten sich, wie die am Ende
des Blocks erhaltene halbe T- Klammer lehrt, noch weiter
fort. Wie das Auflager dieser Epistylien beschaffen war, lässt
sich nach dem Zustand der Unterflächen der Steine kaum
entscheiden. Ich war früher der Meinung, dass die Epistylien
nicht frei auf Säulen, sondern auf einer vollen Wand aufge-
legen haben. Ich würde das heute nicht mehr für völlig be-
wiesen halten. Freilich zeigt die Unterfläche einen deutlichen
19*
302 G. KAWERAU
Unterschied in der Bearbeitung gegen die Ansichtsflächen,
sowohl gegen die äussere wie die innere. Letztere sind glat-
ter gearbeitet als die Unterfläche. Immerhin aber ist es mög-
lich, dass auch die Unterfläche trotz ihrer rauheren Bearbei-
tung sichtbar gewesen ist. Eine irgendwie abgegrenzte, noch
etwas rauher sich abhebende Fläche für den Abakus eines
Säulen- oder Pfeilerkapitells ist an der Unterseite nirgend zu
erkennen. Andererseits wäre es auffallend, wenn man den
Inschriftblock so lang und ungeteilt gemacht hätte, wenn er
auf einer Wand aufliegen sollte. Für die seitlichen Blöcke
halte ich es für wahrscheinlich, dass sie auf einer Wand auf-
lagen. Hierfür spricht die Art des Fugenschnittes an den
Ecken. Wäre eine Eckstütze vorhanden gewesen, so hätten
diese Blöcke auf ihr nur ein sehr mangelhaftes Auflager, mit
der Hälfte ihrer Steinstärke, gehabt. Der vordere Block war
besser aufgelagert. Ich könnte mir daher wohl denken, dass
die Seitenblöcke auf einer vollen Wand auflagen, der Inschrift-
block aber frei lag. Dass noch Zwischenstützen vorhanden
waren, dafür sind keine Merkmale erhalten. Das Gebäude
könnte also im Wesentlichen die Form eines teniphiiii in
anfis gehabt haben. Eine volle Sicherheit hierüber lässt sich
aber aus der Bearbeitung der Unterflächen nicht gewinnen.
Auch die Oberflächen-Bearbeitung erlaubt keinen ganz siche-
ren Schluss auf die Gestaltung der oberen Bekrönung des
Gebäudes. Die Arbeit ist viel rauher als an der Unterfläche;
man sieht deutlich die Spuren der einzelnen Zähne des
Zahnmeissels, mit dem die Oberfläche behandelt ist. i\ber wie
ein Auflager sieht die Fläche nicht aus. Es fehlt der etwas
glattere Rand der Kanten, der sonst die rauhere Bearbeitung
des Inneren zu umsäumen pflegt, es fehlen Stemmlöcher,
Dübellöcher und alles, was auf ein Auflager weiterer Stein-
glieder deuten könnte. Auch ist der Taubenfries im Verhält-
nis zur Höhe des eigentlichen Architravs sehr niedrig, ein
über den Fries vorgreifendes Gesims würde dieses Verhält-
nis noch ungünstiger machen. Es scheint aber, dass unsere
Blöcke die oberste Krönung des Gebäudes darstellen, dass
wenigstens nicht mehr ein eigentliches Hauptgesims darüber
folgte. Aber wie wollen wir uns den oberen Abschluss vor-
DIE PANDEMOS -WEIHUNO AUF DER AKKOPOLIS 303
stellen und wie sah die Decke aus? An der Innenseite der
Epistylblöcke ist ein rin.ii^snni laufender Falz anj^earbeitet,
der wohl nur die Bestinnnuno- haben kann, Deckenplatten, und
zwar steinerne, aufzunehmen. Für eine Balken- oder Hretter-
abdeckung wäre das Auflager sehr knapp bemessen. Nun fin-
det sich bei A und an dem gegenüberliegenden Block an ent-
sprechender Stelle im Falz ein Klannnerloch. Es scheint also
hier eine Querwand oder ein Querbalken parallel zur X'order-
front gewesen zu sein, trotzdem an der vertikalen Fläche der
Epistyle unterhalb der Klannnerlöcher nichts von Anschluss
eines Steines sichtbar ist. Die Entfernung der Klammer-
löcher von der Vorderfront ist bei beiden Blöcken verschie-
den gross. Man muss also annehmen, dass diese Querwand
ziemlich breit war, sodass beide Klammern, trotzdem sie sich
nicht genau gegenüber liegen, die Querwand fassten. Alan
müsste sonst vermuten, dass die Wand in etwas schiefer
Richtung lief. Durch diese Querwand nun wäre ein weiteres
Auflager füf Steinplatten geschaffen, diese konnten auf der
Wand und ringsum in den Falzen des Epistyls ruhen. Diese
Steinplatten konnten nun sehr wohl auch auf die Oberfläche
des Epistyls übergreifen und dort ein Abschlussprofil oder
— was mir wahrscheinlicher ist — etwa eine Unterstufe für
eine Basis zur Aufstellung der in der Inschrift erwähnten
8ix6v8c; bilden. In diesem Falle ist es erklärlich, dass die Ober-
fläche keine Merkmale für eine weitere darüber liegende
Steinschicht zeigt. War diese Schicht an die Deckenplatten
angearbeitet, so konnten auf dem Epistyl Stemmlöcher und
Dübellöcher entbehrt werden.
Die inneren Ansichten der Steine unterhalb des Falzes
sind ebenso glatt gearbeitet, wie die äussere Fassade, sie soll-
ten also sichtbar sein. Wie auch das Auflager der Blöcke be-
schaffen war, ob sie auf Wänden oder einzelnen Stützen auf-
ruhten, sie umschlossen jedenfalls einen betretbaren Raum,
der leidlich erhellt sein musste, ob er nun nach der \^order-
seite durch eine Tür oder eine Stützenstellung geöffnet war.
Wir würden uns also den vorderen Teil des Grundrisses
als eine Vorhalle von ca. 1 m Tiefe vorstellen können. Was
dahinter folgte, wissen wir nicht. Vielleicht war damit der
304 G. KAWERAU
Bau zu Ende und nur die Seitenfassaden waren noch weiter
geführt und hinten an den Felsen angestossen. Es würde
sich so ein Monument ergeben, das in seiner Anlage dem
Thrasyllos-Denkmal ähnlich ist, nur dass bei unserem Bau
auch die beiden Seitenfronten bis zu einer gewissen Tiefe
sichtbar waren. Eine derartige Rekonstruktion hätte wenig-
stens mehr Wahrscheinlichkeit für sich als die Deutung auf
einen Altar. Freilich reichen die Anhaltspunkte nicht aus,
um eine völlige Sicherheit zu geben.
Georsf Kawerau.
II ■■ t ■! II
Geschlossen 28. September.
ATIII'LN. .Mll TIULTNCICX IDÜö.
TAI'l'lL XI.
FRIESPLATTE Ul AKROPOLIS-:\[rSEr:M.
ATHEN. MITTRILUNCtEN 11)05.
TAFEL Xri.
B.
C.
RESTE VON FRIESPLATTEX IM AKROI'OLIS-:\irSEU:.I.
305
DER CRLLAFRIEvS DES ALTEN ATHENATEMPELS
AUF DER AKROPOLIS.
(Hierzu Taf. XI, XII).
Das schöne Relief des Akropolis- Museums, das gewöhn-
lich als das- der wagenbesteigenden Frau bezeichnet wird,
durch lange Jahre berühmt und immer wieder besprochen
als das einzige grössere Denkmal altattischer Skulptur, ist
seit den reichen Funden der abschliessenden Ausgrabungen
auf der Akropolis in der Beachtung und Schätzung ein wenig
zurückgetreten, und zumal die früher viel erörterte Frage
nach dem grösseren Ganzen, zu dem die Platte gehörte, ist
kaum wieder berührt worden. Und doch scheint es mir sicher,
dass die neueren Funde die Bedeutung des Reliefs für unsere
Vorstellung von der archaischen attischen Plastik nicht wirk-
lich herabgesetzt haben, und dass andererseits die vermehrte
Kenntnis des vorpersischen Zustandes der Burg uns ein Ur-
teil über den baulichen Zusammenhang, in den das Relief
einzuordnen ist, ermöglicht. Man muss nur das Relief selbst
und die zugehörigen Bruchstücke recht befragen.
Ich stelle zunächst diese sämtlich im Akropolis -Museum
aufbewahrten Stücke zusammen.
A. Das Relief «der wagenbesteigenden Frau». Nr. 1342
(vgl, Taf. XI). Die Platte, senkrecht durchgebrochen, ist voll-
ständig bis auf die rechte obere Ecke. Höhe 1,21m, Breite
1,08 m. Die Litteratur bei Le Bas-Reinach Momiments ßgu-
res S. 50f. ; dazu Lechat La sciilptiire attique avant Phidias
S. 408 ^ Das grössere, die Figur und den Wagen enthaltende
Bruchstück ist nach einer Notiz bei Prokesch von Osten
Deiiknmrdigkeiteji und Eriiineriingcn mis dem Orioit II S. 395
«bei Gelegenheit, da Odysseus das neue Bollwerk bauen Hess»
gefunden — also doch wohl unweit der Klepsydra, zu deren
Schutz die Schanze dienen sollte. Damit vereinioft sich sehr
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. 20
306 H. SCHRADER
wohl die Angabe Pervanoglus {Bullctfi)w dclV Iiistitufo 1 860
S. 53), wonach die Platte o-efunden ist 'iin quel sito dirupato
trn il prribolo deW Ereftco r la grotfn d' Ägranlos». Man wird
damals (1822) in der ganzen Gegend nach Steinen für den
Schanzenbau gesucht und gegraben haben. Das kleinere Stück
mit den Hinterbeinen und Schwänzen der Pferde ist an weit
abliegender Stelle, i'rrso il luiiro orirutale delV yicropoli» bei
den offenbar nicht sehr tiefgehenden Aufräumungsarbeiten
des Jahres 1860 zu Tage getreten (Pervanoglu a.a. O.).
B. Linke obere Ecke einer Platte mit dem Oberkörper
einer gewöhnlich Hermes genannten Figur. Nr. 1343 (vgl.
Taf. XH). Der Reliefgrund ist nach unten hin zu etwa recht-
eckiger Porm mit Gips ergänzt. Grösste Höhe noch rund 0,43,
grösste Breite rund 0,66m. Litteratur bei Lechat a.a.O. S. 41 2"^.
Fundort nach Pervanoglu (i5;/7/^///>/fl dr/I' Iiistituto 1859 S.197)
<i.accanto al vmro ))ieridionale dclV Acropoli».
C. Rechte obere Ecke einer Platte mit dem Kopf eines
einzelnen Pferdes. Nr. 1340 (Vgl. Taf. XH). Nach unten hin wie
B in Gips ergänzt. Oben ist der Plattenrand nicht erhalten,
aber die auf der höchsten Stelle des Bruches sichtbaren Spu-
ren eines Klammerloches zeigen, dass nur wenig fehlt. Grösste
Höhe noch rund 0,56, grösste Breite rund 0,47 m. Litteratur
bei Lechat a.a.O. S. 412'1 Gefunden bei der von L. Ross1835
südlich vom Parthenon veranstalteten Ausgrabung, zwischen
türkischen Fundamenten (Ross Archäol. Aufsätze I S. 93).
D. Fragment vom unteren Rande einer Platte mit dem
zurückgesetzten rechten F'uss einer nach rechts schreitenden
Figur in langem Chiton. Inv. Nr. 356 (Abb. 1). Grösste Höhe
noch 0,245, grösste Breite 0,36 m. Zuerst erwähnt von Benn-
dorf, der das Stück unter den Propyläen in eine Mauer \&[-
h?i\xt ?,2\\ {Gütti)igischc gelehrte Anzeige )i 1870 S. 1563). Benn-
dorf hielt es für möglich, dass der Fuss der fehlende rechte
des Wagenlenkers auf A sei; wenn man das Stück anfügt,
erkennt man, dass das nicht angeht — der Fu.ss gehört einer
ruhig schreitenden Figur.
E. Bruchstück vom rechten Rande einer Platte mit dem
Rest eines P'altstuhls und einigen Falten vom Gewände einer
darauf nach links hin sitzenden Figur. Nr. 1 344 (Abb. 2).
DER CELLAFRIKS DES ALT1':N ATIIENATEMPELS 307
Grösste Höhe noch 0,40, grösste Breite noch 0,.U iii. Littera-
tur: V. S^'bel Katalog der Sculphtren zu Athen 5042; Milch-
höfer ^ircliäol. Zritniig 1883 S. 181. Fundort unbekannt.
Abb. 1. Frasiinent D.
Lechat a. a. O. nennt von diesen Stücken nur ABC und
füg-t irrtümlich die auf Photogr. des Instituts Akropolis Nr. 165
vereinigten Bruchstücke hinzu, welche von zwei kleinen Vo-
tivreliefs stammen.
Abb. 2. Fragment E.
Dass die aufgezählten Fragmente demselben Friese zu-
gehören, wird wohl für alle bis auf C allgemein zugestanden.
Für B hatte es schon Brunn auf Grund einer Zeichnung ver-
mutet; Benndorf fügte D hinzu; in Sybels Katalog sind an
308 H. SCHRADER
A (5039) und B (5040) die Bruchstücke D (5041) und E (5042)
angeschlossen und Milchhöfer hat deren Zugehörigkeit aus-
drücklich ausgesprochen. In der Tat ist die Übereinstimmung
des Materials, der Grössenverhaltnisse, der technischen Her-
richtung, der Reliefbehandlung, endlich der Formensprache
so augenfällig, dass bei den vStücken A B D E ein Zweifel
nicht bestehen kann. Der Pferdekopf C steht mehr für sich;
bei völliger Gleichheit der Reliefbehandlung spürt man an
ihm eine leichtere und freiere Hand, z. B. in der natürlicheren
Durchbildung des in die Stirn fallenden Schopfes, die sich
merklich abhebt von der ornamentalen Haarbehandlung am
Wagenlenker, den Pferdeschwänzen, dem «Hermes». Aber
gewiss übertreibt Friederichs {^Bausteine Nr. 14) diesen Ein-
druck, wenn er an C den Charakter der Formen dem des
Parthenonfrieses gleichsetzt und auch die Einzelheit, die er
anführt, um das Stück dem V. Jahrhundert zuzuteilen, die
plastische Angabe der Adern, hat nicht diese Beweiskraft,
wenn sie auch an den vielen Pferdebildern, welche die Akro-
polis-Ausgrabungen ergeben haben, nicht vorkommt. Dass
dem reifen Archaismus das Interesse an diesem Detail nicht
fernlag, lehrt ein Blick auf die Pferde im Friese des Knidier-
schatzhauses, an denen, zwar nicht am Kopfe, soweit ich nach
den Abbildungen urteilen kann, wohl aber an den Beinen die
Adern angegeben sind [Fouillcs de Delphes IV Taf. VII, VIII
(Westfries); Taf. IX, X (Südfries). Ross hat richtig gesehen,
wenn er in seiner kurzen Fundnotiz den alten strengen Stil»
des Reliefs hervorhebt, und an einem umfangreichen Werk,
wie der Fries ohne Zweifel es war, verschiedene Entwicke-
lungsstufen des gleichen Stils zu finden, müssen wir nach
allen Analogien voraussetzen. Alle übrigen Anzeichen der
Zugehörigkeit: gleiches Material, gleiche Grössenverhaltnisse,
gleiche technische Herrichtung, teilt C mit A B D E.
Das Material bezeichnet Lepsius Grircliische Marmor-
studicv S. 75, Nr. 78 und 81 (A und C) als unteren weissen pen-
telischen Marmor Nr. I , die übrigen Stücke erwähnt er nicht;
Milchhöfer a.a. O. hatte den Marmor als unzweifelhaft parisch
angegeben, wenn er auch bei A etwas quarzig erscheine und
in Streifen breche. Mir scheint das Material aller P'ragmente
DER CELLAFRIES 1)I':S ALTEX ATIIEXATI-::\ri'EI>S 309
genau übereinzustimmen mit dem des Gigantengiebels vom
alten Athenatempel, das Lepsius als Inselmannor bezeichnet
(S. 70 Nr. 22: Oberkörper der Athena): ein grobkörniger, viel-
fach grau getönter Marmor, an dessen HruchfLächen man Kry-
stalle von 2-3 mm Durchmesser dicht neben einander orelasfert
sieht, in geradem Gegensatz zu Lepsius' Beschreibung des pen-
telischen Marmors (vS. IS), wonach für diesen besonders cliarak-
teristisch ist, dass die mit blossem Auge sichtbaren Kr}--
stalle durchschnittlich 0,5-1 mm, selten bis zu 2 mm Durchmes-
ser, aber nicht über 2 mm gross werden, und dass diese glän-
zenden Kr)stallkörner von einander getrennt bleiben durch
eine sehr feinkörnige bis dichte, matt durchscheinende, milch-
weisse Grundmasse . Jedenfalls kann über die Gleichheit des
Materials aller Bruchstücke kein Zweifel bestehen.
Die Gleichheit der (j rossen verhäl tni sse hat eine be-
sondere Beweiskraft, weil die Maasse ungewöhnlich stattliche
sind. Die Höhe des Frieses — an A messbar — übersteigt die
des Parthenonfrieses um 20 cm (1, 31 gegen 1, 015 m). Auf
die gleiche Plattenhöhe führt nun ein Versuch, den Pferde-
kopf zu vervollständigen. Der Hals ist gerade da abgebrochen,
wo er in den Rücken übergeht; diese Stelle liegt 0,43 m unter
der Oberkante des Reliefs, ein wenig tiefer, 0,47 ni, auf Platte
A der höchste Punkt des Schwanzes am vordersten Pferde.
Daraus ergiebt sich gleiche Grösse der Pferde auf A und C,
also auch gleiche Plattenhöhe.
Die äussere Herrichtung der Platten lässt sich an A
vollständig überblicken. Die Figuren stehen auf einer Fuss-
leiste von 0,035-0,04 m Höhe, 0,03-0,035 m Ausladung (bei D
Höhe 0,04, Ausladung 0,025-0,03); den oberen Abschluss muss
ein besonderes Werkstück gebildet haben. Die Reliefhöhe
beträgt bei A 0,04, bei B und E 0,03, bei D 0,05 m; die Plat-
tendicke ohne die Relieferhebung bei A und B 0,28, bei E
0,25, bei D (hinten gebrochen) mehr als 0,17 m. Die Rück-
seite ist bei allen Stücken grob gepickt; die Oberseite, bei A
und B erhalten, ist als Auflagerfläche gut geebnet, doch ohne
Randbeschlag ; die Seitenflächen haben einen vertieften
vSpiegel und längs der Vorderkante einen rund 0,04 m breiten
Randbeschlao^. Dieser ist an beiden Seitenflächen von A mit
310 H. SCH RADER
schräg geführten Meisselhieben hergestellt; nur am äusser-
sten Rande ist ein schmaler Saum, etwa 0,01 m breit, glatt
geschliffen: er allein stellte den genauen Fugenschluss her.
Wo das Relief stärker vortritt, z. B. an den Glutäen des Wa-
genlenkers und am Hinterteil der Pferde, ist dieser vor Aus-
arbeitung des Reliefs hergestellte Saum entsprechend breiter.
Bei E ist der ganze 0,025-0,03 m breite Randbeschlag ge-
glättet. Zur Verbindung der Platten unter einander dienten
zierliche schwalbenschwanzförmige Klammern (A und B).
Bei aller Verstümmelung der Platte C ist doch gerade
genug erhalten, um die völlige Übereinstimmung im Äusser-
lichen der Herrichtung erkennen zu lassen: auch hier fehlt
ein oberer Abschluss, die Nachbarplatte war durch eine
schwalbenschwanzförmige Klammer festgehalten; die Relief-
höhe ist nur ein wenig grösser: 0,06 gegen 0,03-0,05. Beson-
ders wichtig ist, dass an der rechten Seitenfläche, am Rand-
beschlage, genau die gleiche schräge Meisselführung zu er-
kennen ist wie an beiden Anschlussflächen von A. Daneben
bedeutet wenig die geringere Plattenstärke (0,13); diese
brauchte ein festes Maass nicht einzuhalten, da die Platten,
alle im Verhältnis zu ihrer Höhe viel zu schwach, um für
sich allein als tragende Glieder dienen zu können, offenbar
nur die Verkleidung eines wohl aus weniger kostbarem Mate-
rial hergestellten Mauerkerns gebildet haben. Nach alle dem
halte ich die Zugehörigkeit des Pferdekopfes zu den übrigen
Resten des Frieses für gesichert.
Ehe ich daran gehe, die Schicksale des Frieses, soweit
sie sich aus dem Erhaltungszustande und dem Fundorte der
Bruchstücke erschliessen lassen, für die Frage seiner ur-
sprünglichen Verwendung zu verwerten, muss ich mit einem
Worte auf die Datierung eingehen. Es ist klar, dass der Fries
derselben Epoche und Stilrichtung angehört wie die Frauen-
figuren der chiotischen Art von der Akropolis. Die ornamen-
tale Behandlung des Gewandes und der Frisuren, das Raffi-
nement in der Modellierung des Nackten, z. B. an Armen und
Beinen, bei mangelnder Beherrschung des Gesamtorganismus,
ja bis ins Einzelne hinein die zur Manier gewordenen Aus-
drucksformen für anliegendes, für durchscheinendes und frei-
DER CELLAFRIES DIvS ALTl-A' ATHENATE?iIPEL.S 311
hänji^endes Gewand, all das ist so übereinstimmend, dass z. B.
der Wagenlenker fast in jedem Zuge eine ins Flachrelief
übersetzte Köre ist, dass sogar, wie Benndorf fein ])emerkt
hat, die bei stehenden und schreitenden Rundfiguren übliche
breite Mittelfalte des Rockes mit den sich fächerförmig aus-
breitenden Nebenfalten und damit auch das t\pische Durch-
scheinen des Unterschenkels durch das (iewaud für die ganz
anders bewegte Relieffigur einfach übernonnnen ist. Kleine
Fortschritte über das in den chiotischen Koren Erreichte, wie
sie Lechat kürzlich hervorgehoben hat {(i.a.O S. 41 Off.) geben
uns nicht das Recht, den Fries für jünger zu erklären, sie wei-
sen nur darauf hin, dass dies grosse monumentale Werk als
künstlerische Leistung höher steht als die lauge Reihe der z.T-
handwerksmässigen Weihgeschenke, etwa im selben Alaasse
wie sich der Gigantengiebel über sie erhebt. Wie man aber
auch darüber urteilen mag, ein völlig sicherer fcrminiis a>itc
quem ist für den Fries der Persereinfall von 480. Denn die
Funde aus dem Perserschutt lassen keinen Zweifel darüber,
dass zur Zeit des Persereinfalls die Stufe jener Frauenfiguren
und des F'rieses längst überwunden war. Es ist wichtig, sich
hierüber ganz klar zu werden. Denn es ist eine für die Ge-
schichte des Frieses grundlegende Tatsache, dass kein Stück
davon, auch nicht das kleinste Fragment, bei den abschlies-
senden Ausgrabungen auf der Akropolis in den von der Perser-
zerstörung herrührenden, gut beobachteten Schuttmassen ge-
funden worden ist. Alle Bruchstücke sind Gelegenheitsfunde
früherer Zeit. Eine genaue Angabe besitzen wir nur für den
Pferdekopf C: er ist südlich vom Parthenon zwischen türki-
schen Fundamenten zu Tage getreten. Das grössere Stück von
A ist am Nordabhang gefunden, das kleinere Stück von A
und B bei oberflächlichen Aufräumungsarbeiten auf der Burg,
also wahrscheinlich in mittelalterlichen oder türkischen Schich-
ten, so wie D in einer Mauer unter den Propyläen verbaut
war. W^ir können also mit Zuversicht behaupten: die Bruch-
stücke des Frieses stammen aus der obersten,
jüngsten Fundschicht der Akropolis. Ein Blick
auf den Erhaltungszustand der Fragmente wird das bestäti-
gen und uns weiter führen.
312 H. SCHRADER
Jedem Besucher des Akropolis-Museums ist die wunder-
volle Erhaltung der archaischen Skulpturen aufgefallen. Nur
in verschwindend seltenen Fällen ist die Oberfläche angegriffen;
meist spürt man wie frisch die schöne Politur der Flächen,
fast immer haften Farbreste am Marmor. Man sieht, dass die
Skulpturen nur kurze Zeit im Freien gestanden haben, um
dann im sicheren Grabe der Anschüttungen gegen alle Wit-
terungseinflüsse geschützt ihrer Auferstehung zu harren.
Ganz anders die Fragmente des Frieses. Alle zeigen in ver-
schiedenen Abstufungen eine Korrosion, wie sie nur bei Mar-
morwerken gefunden wird, welche Jahrhunderte lang der
Witterung ausgesetzt waren. Die beiden Bestandteile der
Platte A sind von verschiedener Erhaltung, wie sie auch an
verschiedenen Stellen gefunden sind. Das kleinere Stück hat
die von der Nordseite des Parthenon wohlbekannte schwärz-
liche Patina, welche Marmor sehr rasch annimmt, wenn man
ihn auf feuchtem, pflanzenreichem Grunde liegen lässt. Diese
Patina überzieht hier auch die Brüche und die rechte Seiten-
fläche. Das grössere Stück hat nur Spuren davon; aber die
ganze Vorderfläche ist korrodiert, bald mit zarter Körnelung
der Haut, bald mit tief eingefressenen Löchern, die oft reihen-
weis auftreten, ähnlich, aber infolge der Verschiedenheit des
Marmors doch wieder anders als an manchen Platten des
Parthenonfrieses, wo sie mehr wie Risse mit löcherig einge-
fressenen Rändern aussehen. Beiden Stücken gemeinsam ist
eine Eigentümlichkeit der Verwitterung, welche bisher nicht
beachtet worden ist: die Korrosion hat am stärksten gewirkt,
wo in den Marmor mit schmalen Rinnen, aus denen die Feuch-
tigkeit schwer abzog, hineingearbeitet war, besonders aber
da, wo bei senkrechter Stellung der Platte das Ablaufen
des Regenwassers durch wagrechte Vorsprünge verhindert
wurde. Dies ist ganz besonders auffällig und auch auf Taf. XI
zu erkennen am oberen Umriss des vorgestreckten Armes, am
obersten Rande des Wagens, endlich über der Fussleiste. Die
feine Körnelung der Haut findet sich an allen übrigen Bruch-
stücken wieder, am schwächsten an dem besterhaltenen Stück,
dem Pferdekopf C, aber auch hier, wenn auch nur zart, über
die ganze Oberfläche verbreitet, am stärksten wohl an B, wo
DER CELT.AFRIES DES ALTEN ATHEKATEMI'KI,S
,^1.^
der Marmor z. T. tief angegriffen, die Formen des Auges
kaum noch kenntlich sind. Die besprochene Verwitterungs-
marke sieht man hier sehr deutlich über der rechten vSchulter
und dem rechten Oberarm, am oberen Umriss des Petasos,
am Gesichtskontur entlang. Mehr dem Pferdekopf cähneln in
der feinkörnigen Korrosion die kleinen Stücke D und E; bei
E ist die Verwitterungsmarke über der Fussleiste und über
dem Spann des Fusses unverkennbar.
Halten wir diesen Erhaltungszustand der Bruchstücke
mit den Fundumständen zusammen, so ergibt sich als zwin-
gender Schluss, dass der Fries, im letzten Viertel des VI. Jahr-
hunderts geschaffen, die Persernot überstanden hat, bei den
grossen Neubauten des V. Jahrhunderts geschont und erhalten
Abb. 3. Oberseite der Platte A.
wurde und als Ganzes lange Jahrhunderte bestanden hat.
Wann er zerstört worden ist, lässt sich nicht mit vSicherheit
angeben. Einen Anhaltspunkt gewährt vielleicht die zuerst
von Benndorf {a. a. O. S. 1564) beobachtete Inschrift auf der
Oberseite von A, welche hier nach einer Zeichnung, die ich
Kaweraus Freundlichkeit verdanke, abgebildet wird (Abb. 3).
Quer über die Fläche hin ist hier mit dünnen, unsicheren
Zügen der Name TP0(l)[i]MOY eingeritzt. Genauere Datie-
rung der Schrift ist nicht wohl möglich, dass sie nicht älter
sein wird als der Ausgang des Altertums, kann als sicher gel-
ten. Also damals war der Fries aus seinem baulichen Zusam-
menhang gelöst und müssigen Kritzeleien zugänglich. Aber
die Hauptfrage ist: wie ist es zu erklären, dass ein so umfang-
314 H. SCH RADER
reiches Bildwerk durch die persischen Eroberer nicht zer-
stört, der Bautätigkeit des grossen Jahrhunderts nicht zum
Opfer gefallen ist? Um eine x^ntwort zu finden, müssen wir
zunächst versuchen, uns von der x'\usdehnung und der Art
der Anbringung des Frieses ein Bild zu machen, soweit der
traurige Zustand der Reste es ermöglicht. Für die Abschät-
zung der ehemaligen Länge des Frieses sind die Anhalts-
punkte sehr gering. Um nur ungefähr eine Vorstellung zu
gewinnen, kann man annehmen, dass die Plattenbreite von
A (1,08 m) die gewöhnliche war. Rechts neben A ist eine
ganze Platte zur Vervollständigung des Viergespanns zu er-
gänzen; links griff über die Nachbarplatte nur ein Stückchen
des rechten Oberschenkels und der rechte Fuss des Wagen-
lenkers über. Lassen wir die Möglichkeit gelten, dass dies die
Platte war, von der das Bruchstück B oder die, von der D
stammt, so bleiben noch drei Fragmente, die je eine Platte
bedingen: D oder B, C und E. Im ganzen also wären Reste
von mindestens 6 Platten vorhanden, die eine Länge von
mindestens 6X 1,08 = 6,48 m ergeben würden. In Wirklich-
keit werden wir auf eine viel grössere Länge schliessen müs-
sen, weil wir wissen, dass wir es mit versprengten Überresten
eines Denkmals zu tun haben, das das ganze xA.ltertum über-
dauernd allen zerstörenden Mächten der byzantinischen und
türkischen Zeit preisgegeben war.
Für die Art der Anbringung des Frieses ist eine bisher
nicht beachtete Tatsache wesentlich: die Hermesplatte B ist
ein linkes Eckstück. Die linke Seitenfläche ist nicht auf
iVnschluss gearbeitet, sondern zeigt dieselbe sorgfältige Glät-
tung wie der Reliefgrund; dafür ist die Rückseite zum An-
schluss der rechtwinklig anstossenden Platte ein wenig ein-
geklinkt und auf der Oberfläche ist die Bettung einer recht-
winklig zu dieser Anschlussfläche gestellten Klammer erkenn-
bar (vgl. Abb. 4 nach einer Zeichnung von G. Kawerau). Der
Fries war also vmzweifelhaft aussen an einem rechteckigen
Bau angebracht. Auf der Seitenfläche von B ist keine Spur
von Relief erhalten, aber da das Erhaltene an der breitesten
vStelle nur 0,20 m mi.sst, auch der Fries locker, mit weiten
Zwischenräumen zwischen den Figuren komponiert ist, so ist
DER CELLAFKIKS DES ALTEN ATHENATE^M I'IvLS
.^15
fast mit vSicherheit anzimclnncn, dass das Relief um den rccht-
eckig-en P)aiikörper umlief. Dies wäre an und für sich eben-
soo^ut an einer grossen Basis wie an einem Tempel möglich,
und in der Tat hat man den (xcdanken an eine Basis mehr-
fach ausgesprochen (Benndorf r/-. c/. ^A »S. 1565, Michaelis Pftr-
thenon S. 123) und bestimmter hat vStudniczka die Vennutung
geäussert, es handle sich um die Basis des nach dem Siege
über Chalkidier und Boioter errichteten Viergespanns {Jalir-
buch 1891 S. 243-0, 1395 s. 265). Allein abgesehen davon, dass
wir einen so ausserordentlich reichen Basisschmuck für die
archaische Epoche sonst nicht nachweisen können, — ist es
denkbar, dass die Perser ein so bequem zugängliches Kunst-
werk, wie der Reliefschmuck einer Basis ist, geschont hätten,
während sie sogar die Mühe und Anstrengung nicht gescheut
Abb. 4. Oberseite der Platte B.
haben, die Giebelgruppen des alten Athenatempels aus ihrem
Rahmen herabzustürzen ? Denn diese Figuren sind nicht
etwa durch die Glut des brennenden Daches, gegen die sie
die dicke Hinterwand des Giebels schützte, zerstört worden.
Es fehlen durchaus die charakteristischen zahllosen Sprünge,
die verbrannter Marmor zeigt. Sie müssen gewaltsam herab-
geworfen worden sein. Nur einzelne Splitter, die im Sturz
zufällig etwa auf einen am Boden verkohlenden Balken fielen,
zeigen Brandspuren (vgl. Athen. Mi f teil. 1897 vS. 75).
So scheint mir die einzig annehmbare Lösung die An-
nahme, die seit dem ersten Bekanntwerden des Frieses mehr-
fach empfohlen worden ist — dass der Fries die Cella des vor-
persischen AthenatemjDcls geschmückt habe, wie der Pana-
thenäenfries die des Parthenon (Gerhard Ainiali dell' Inst.
IX 1837 S. 115; Milchhöfer Archäol. Zeitung a.a. 0). In der
316 H. SCHRADER
Tat, dies ist der einzige Platz, der die Erhaltung des Frieses
verständlich macht: er war dort durch eine Deckplatte, die
wir uns, entsprechend der grösseren Höhe des Frieses, wuch-
tiger denken müssen als die des Parthenonfrieses (0,36 m)
gegen die unmittelbare Einwirkung des Feuers, das Dach
und Holzdecke verzehrt hat, geschützt und — etwa 9 m hoch
teils an glatter Wand teils über den vSäulen der Schmalseiten
angebracht — auch gegen Zerschlagen gesichert. Er hat als
integrierender und vermutlich wenig auffälliger Bestandteil
des Gebäudes die Zerstörung überstanden, so gut wie das
Gebälk der Peristasis, das dann, fast unversehrt, wie wir noch
heute sehen, abgetragen und zum ewigen Gedächtnis der
überstandenen Not in die Nordmauer verbaut wurde. Die
Abmessungen des Frieses passen sichtlich zu den Maassen
des Tempels; wenn der Fries beträchtlich höher ist als der
Panathenäenfries, so stimmt das dazu, dass der Parthenon, ob-
wohl in Länge, Breite und Höhe über den alten Athenatem-
pel hinausgehend, ein nur etwa gleich hohes äusseres Gebälk
hat (Höhe ohne das Geison am Parthenon 2,70, am alten
Tempel 2,613 m). Übrigens lässt sich ein festes Verhältnis der
Höhe des Cellafrieses zu den Maassen des äusseren Gebälkes,
etwa der Höhe des Triglyphenfrieses, an den attischen Bau-
ten des V. Jahrhunderts nicht erkennen. Am Parthenon sind
diese Maasse (Höhe des Zophoros und des Triglyphenfrieses)
1,015 und 1,35, am Theseion 0,785 und 0,82, am Poseidontem-
pel von Sunion 0,825 und 0,825. Also nur im letzten Falle ist
eine Beziehung der beiden Maasse hergestellt, indem sie gleich
gemacht sind. Das Verhältnis dieser Maasse am alten Athena-
tempel (1,21 zu 1,338) würde etwa in der Mitte stehen zwi-
schen dem am Parthenon und dem am Theseion befolgten.
In die Baugeschichte des alten Tempels, über die Dörp-
felds und Wiegands Forschungen helles Licht verbreitet
haben, fügt sich der Fries ohne Schwierigkeit ein. Wiegand
hat durch eine Zeichnung {^Dic archaischf Porös - Architektur
der Akropolis S. 108 Abb. 112) deutlich gemacht, wie das alte
Hekatompedon durch die Hinzufügung der Ringhalle eigent-
lich zu einem völlig neuen Bau werden musste, in welchem
nur die Umfassungswände des alten Heiligtums stehen blie-
DER CELLAFREIS DES ALTEN ATHEN ATEMPELS 317
ben. Das ganze Gebälk und die Giebel mussten abgenommen,
die Wände beträchtlich höher «-eführt, die Säulen an den
Schmalseiten durch höhere ersetzt werden. Dass das wirklich
noch vor dem Persereinfall geschehen ist, beweist Wiegand
durch einen Überblick über die Fundstellen und den Erhal-
tungszustand der alten Schmuckteile, am schlagendsten durch
den Hinweis darauf, dass die alten Metopenplatten, ein wenig
umgearbeitet, zum Schmuck der vorpersischen Propyläen und
zur Aufzeichnung der bekannten, höchst wahrscheinlich in
das Archontat des Philokrates (485/4) zu datierenden Heka-
tompedon-Inschrift gedient haben {a. a. (). S. 1 1 0). Zw^eifellos
hat also damals die Cellawaiid, beträchtlich erhöht, einen
neuen Abschluss erhalten — wenn nicht alles täuscht, eben
den Fries aus dem gleichen Marmor, aus dem die Giebel fi-
guren und der Dachkranz mit seinen prächtigen Löwenköp-
fen hergestellt sind. Dass der Fries der gleichen Epoche an-
gehört wie die Giebelskulpturen, scheint mir sicher, ebenso
sicher freilich, dass nicht beides demselben Künstler oder
derselben Schule zugewiesen werden darf. Wie ein Flachre-
lief aus der Schule des Meisters der Giganten aussah, lehren
zwei ein wenig ältere Werke, die x\ristionstele und das neu-
gefundene Relief des Läufers (''E(pim8Qi(; 'Ap/aioA. 1 903 Taf. I
S. 43 (D. Philios)), noch einleuchtender das etwa gleichzeitige
Weihrelief des Akropolis-Museums, das Atliena im Giganten-
kampf darstellt {Athen. Mitteil. 1897 S. 106 Abb. 12). Sie zei-
gen dasselbe Trachten nach einer grossen, klaren Gesamtwir-
kung, die gleiche weise Beschränkung in den Einzelheiten,
zumal des Gewandes, kurz dieselbe aus der Tradition der
Porosskulpturen erwachsene, wir dürfen sagen echt -attische
Weise, die die Giganten auszeichnet. In fühlbarem Gegensatz
dazu sind es die ornamentalen Künste der Chioten, ihre raf-
finiert-zierliche Behandlung der Stoffe und der reichen Fri-
suren, ihr feines Gefühl für weiche Anmut der Formen und
Bewegungen, die im PMese zum Ausdruck kommen — aller-
dings mit vollendetem Geschmack, ohne die Übertreibung,
der dieser Stil so leicht anheimfiel, wie etwa das Opfer-Relief
des Akropolismuseums (Brunn-Bruckmann Taf. 1 7 oben) lehren
kann. Diese augenfällige stilistische Verschiedenheit des Frie-
318 H. SCHRADER
ses und des Giebels wird man nicht ernstlich g'Cgen ihre Zu-
gehörigkeit zu demselben Bau anführen wollen : jedes grosse
Monument in Griechenland zeigt ähnliche Unterschiede und
in diesem Falle ist die Arbeitsteilung ganz besonders ver-
ständlich. Die Giebelskulpturen, für die in Athen die lange
Tradition der Porosskulptur bestand, fielen billig einem Atti-
ker zu; für den Fries, einen im festländischen Griechenland
ganz unbekannten, im ionischen Kunstkreise seit langer Zeit
ausgebildeten Schmuck des Tempels, wählte man einen Mei-
ster, der seine Kunst bei den Chioten gelernt hatte.
Bewährt sich meine Vermutung, so wird es als ein
Gewinn gelten dürfen, zu wissen, dass die Einführung des
ionischen Frieses in den attisch-dorisclien Tempel nicht dem
V. Jahrhundert gehört, sondern dem Ende des VI. — der
Zeit des gewaltigsten Einströmens ionischer Kunst in Athen.
Wenn, wie bekannt, am Parthenon der Fries erst durch eine
nachträgliche Änderung des Planes an den Bau gekommen
ist, so ist damit nicht erwiesen, dass nicht ein ausgeführtes
Vorbild auf der Akropolis vor aller Augen stand. Der ausser-
ordentlich ungünstige Platz, den der Fries am Parthenon
erhielt — der Abstand der Stylobatkante von der Cellawand
(4,58 m) ist nur wenig grösser als am alten Athenatempel
(rund 4 m), bei einer um etwa 1 .50 m grösseren Wandhöhe —
war Grund genug gegen diesen kostbaren und so bescheiden
wirkenden Schmuck. Wenn er trotzdem durchgesetzt wurde,
so mochte der Wunsch, in keiner Beziehung hinter dem alten
Tempel zurückzubleiben, den Ausschlag gegeben haben.
Für die Athener des V. Jahrhunderts war der alte Athe-
natempel, dessen Fortbestehen bis zu dem von Xenophon
erwähnten Brande gesichert ist (406/5), nicht so schmucklos,
w4e man bisher annehmen musste : der Fries, den g-anzen
Bau umziehend, wirkte, nachdem die Ringhalle gefallen war,
stärker als vordem. Ein neues Dach muss die Cella über-
deckt haben und ohne Zweifel standen auch noch die Säulen
der Schmalseiten oder waren durch neue ersetzt worden.
Welcher Ordnung diese Säulen waren, wissen wir leider
nicht. Es liegt nahe anzunehmen, dass man beim Umbau
des ältesten Tempels, als es galt, auf dem vorhandenen
DER CELLAFRIES DES ALTEN ATHENATEMPELS 319
Stylobat der Vor- und Hinterhalle an Stelle der alten, kur-
zen, gedrungenen viel höhere Säulen zu errichten, dafür
die schlankere ionische Norm wählte, und so hat Dörpfeld
auf seinem letzten rekonstruierten Plan statt der zwei do-
rischen Säulen /// ajitis vier ionische, prostyl angeordnete
gezeichnet {AtJini. Miffril. 1904 Taf. VI). Ich habe lange
geglaubt, einen Rest von diesen Säulen nachweisen zu
können in zwei Bruchstücken von kolossalen ionischen Ka-
pitellen aus Porös, welche durch die abschliessenden Aus-
grabungen bekannt geworden sind (Wiegand a.a.O. S. 173
Abb. 172). Die Tiefe des Kapitells, ohne die jetzt fortge-
brochene Ausladung des Abakus 1,15 m (nicht 1,005, wie jene
Abbildung angibt), würde dazu passen, denn wir werden das
Gebälk der Vorhalle, wie am Parthenon, etwas schwächer zu
denken haben als das der Ringhalle (Epistylbreite nach Dörp-
feld bei Wiegand a.a. O. S.1 22: 1,275 m). Allein eine mir von
Kawerau freundlichst zur Verfügung gestellte Aufnahme des
einen in die Nordmauer der Burg verbauten, jetzt wieder
tief unter dem Boden befindlichen Bruchstücks belehrt mich,
dass sich hier auf der Oberseite der Rest einer schiefwinkli-
gen Einarbeitung (Tiefe 0,085 m) feststellen Hess — vermut-
lich von der Bettung einer Statue, so dass also die Säule, wie
Wiegand vermutete, einen der bekannten Weihgeschenkträ-
ger darstellt. Es würde der Mühe lohnen, das Stück wieder
freizulegen und womöglich aus dem Mauerverband zu lösen,
um darüber ganz zur Klarheit zu kommen und zu ermitteln,
ob beide Bruchstücke zusammengehören oder von zwei
gleichen Kapitellen stammen.
Aber gleichviel wie die Säulen beschaffen waren, die
Ähnlichkeit des alten Tempels in seiner letzten Gestalt mit
dem Erechtheion, zumal in der jüngst von Dörpfeld nachge-
wiesenen ursprünglich geplanten Form [^lf//ni. Mitteil. 1904
S. 101 ff.), springt in die Augen: beides langgestreckte Cellen
mit schmalen V^orhallen an den Schmalseiten und mit umlau-
fendem Fries. So fällt ein helles Licht auf den sonderbaren
Plan des Erechtheions und es wird verständlich, dass man
dem Bau, der den alten Tempel ersetzen und das hochheilige
Bild der Göttin aufnehmon sollte, die fremden ionischen For-
320 H. SCHRADER
men gab. Zwei Menschenalter hatte man die Göttin in einem
ionisch dekorierten Tempel gesehen ; die Erinnerung an die
dorische Ringhalle war verblasst: man hielt sich an den
letzten Zustand, an den man gewöhnt war.
Noch eine vielumstrittene Frage kann der Nachweis des
Frieses, wenn er sich bewähren sollte, der Entscheidung
näher bringen. Dörpfelds vielfach angegriffene Behauptung,
dass der alte Tempel nach dem Brande von 406/5 und der
Vollendung des Erechtheions weiterbestanden habe und noch
von Tansanias als der Poliastempel beschrieben werde, erhält
nunmehr eine neue beachtenswerte Stütze. Es ist undenkbar,
dass soviel Reste des Frieses erhalten wären und dass sie
alle die gleiche, durch die Einwirkung vieler Jahrhunderte
entstandene Verwitterung zeigten, wenn der Tempel im Jahre
406/5 V. Chr. abgerissen worden wäre. Dass Tansanias bei der
Beschreibung des Poliastempels den Fries nicht erwähnt,
darf nicht wundernehmen; übergeht er doch mit Stillschwei-
gen auch Metopen und Fries des Parthenon.
Wie wenig uns von dem Friese gerettet ist, können wir
erst jetzt ermessen, wo wir seinen Platz kennen. Dass er um
den ganzen Tempel herumgeführt war, ist so gut wie sicher,
da sich an der Eckplatte B kein seitlicher Abschluss zeigt.
Hätte der Fries sich auf die Schmalseiten beschränkt, so wäre
vermutlich eine der beiden Lösungen gewählt worden, die wir
am Theseion finden : über dem Pronaos ist der Figurenfries
in gerader Richtung durchgeführt bis an das Gebälk der
Aussensäulen und läuft sich hier gegen den glatten Fries
tot; über dem Opisthodom beschränkt er sich auf die Cella-
breite und wird an der Ecke durch einen schmalen Pfeiler
abgeschlossen (vgl. die anschaulichen Skizzen von P. Graf
in Baumeisters Denkmälern III Taf. 73 Abb. 1 und 3). Wie-
gand hat die Länge der Cella in ihrem ältesten Zustand, der
durch den Umbau nicht wesentlich verändert sein kann, auf
33,525, die Breite auf 12,22 m mit Sicherheit berechnet {a.n. O.
S. 54). Die Platten, von denen wir Reste besitzen, würden
somit nur wenig mehr als die halbe Frontbreite und von
der Gesamtlänge des Frieses (rund 90 m, gegen 159 m Länge
des Parthenonfrieses) nur etwa den fünfzehnten Teil füllen.
t)ER CELLAFRIES DES ALTEN ATHEN ATEMPELS 321
Jeder Versuch, die wenio^en und an und für sich mannigfacher
Deutung fähigen Fragmente anzuordnen und aus sich heraus
zu erklären, muss danach erfolglos bleiben. Aber man darf viel-
leicht den Hinweis darauf wagen, dass alle erhaltenen Figuren
ihr Gegenstück im Parthenonfriese finden. Wir besitzen Reste
von vier nach rechts bewegten Figuren, den aufsteigenden
Wagenlenker (A), die schreitende Figur eines Mannes in
Petasos und offenbar kurzem Chiton (B), eine schreitende
Gestalt in langem Gewände (D) — eher ein Mann als eine
Frau, da der Chiton nicht am Boden nachschleppt, auch
nicht in der für Frauen ül)lichen Haltung gelüpft wird —
endlich ein ruhig stehendes oder schreitendes Pferd (C). Nach
links bewegt ist nur eine auf einem Faltstuhl sitzende Figur
(E). Dass die früher gewöhnlich auf Athena oder eine andere
Göttin gedeutete Platte A ebensogut einen männlichen Wa-
genlenker darstellen kann, hat Hauser erwiesen; nicht frei-
lich, wie er selbst glauben möchte, dass sie einen Mann dar-
stellen muss. Die Figur B hat man sich gewöhnt Hermes zu
nennen und nicht bedacht, dass der Petasos auch der Reiter-
hut sein kann, wie er auf jüngeren attisch-schwarzfigurigen
Vasen nicht selten vorkommt (vgl. die Zusammenstellung von
Heibig Les L-rjcelg afJicniens S. 48-). Kurz, nichts hindert, in
dem Wagenlenker, dem Reiter, dem Schreitenden im langen
Festgewande, dem einzelnen Pferde, mag es nun geführt oder
geritten worden sein, Teilnehmer am grossen Panathenäen-
zuge zu erkennen, den Peisistratos mit neuem Glänze umge-
ben hatte (566/5 v. Chr.). Die Ausführlichkeit der Darstellung
im Parthenonfriese würde im alten Friese vorgebildet gewe-
sen sein, indem schon hier die Entwickelung des Zuges und
seine Vorbereitung in reizvollen Motiven geschildert worden
wären. Dem aufsteigenden Wagenlenker entsprächen im Par-
thenonfriese etwa die aufsteigenden Apobaten des Nordfrie-
ses (Michaelis XXH 65, XXHI 68). Auch die zuschauende
Götterversammlung, für etwa gleiche Kunststufe durch den
Fries des Knidierschatzhauses bezeugt, wäre im alten Friese
vorgekommen, wenn wir den Rest des Sitzenden (E) auf
einen zuschauenden Gott deuten dürften. i\ls natürliche Fol-
gerung würde sich ergeben, dass am alten Tempel der Fest-
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX 21
322 schraber: der cellafrirs des alten athenatempels
zug^ um den oanzen Bau herumgeführt war, wie wir es am
Parthenon bewundern. Bei unserer dürftigen Kenntnis altio-
nischer Frieskompositionen darf dagegen schwerlich einge-
wandt werden, dass dies das früheste Beispiel eines um einen
ganzen Tempel einheitlich herumgeführten Reliefschmucks
sein würde. Von weiterem Standpunkt betrachtet wäre ein
solches Vorbild des Panathenäenfrieses sehr willkommen als
ein Bindeglied zwischen den orientalischen Urbildern solcher
feierlichen Prozession.sdarstellungen und dem Parthenonfriese,
in dem alles zu freier ^Menschlichkeit erhoben ist, das Cere-
moniell kaum in leisen vSpuren durchblickt. Vielleicht nach
modernem, sicherlich nicht nach antikem Maasstabe würde
durch ein solches Vorbild das Verdienst des jüngeren Künst-
lers verringert werden.
Noch ist nicht jede Hoffnung verloren, dass uns von
dem alten Friese mehr Reste aufbehalten sind als wir jetzt
wissen. Da alle Bruchstücke in der jüngsten, mittelalterlich-
türkischen Fuudschicht der Akropolis zu Tage getreten sind,
ist es nicht ausgeschlossen, da.ss manches vStück als Bauma-
terial gedient hat für die in türkischer Zeit namentlich an die
vSüdmauer der Burg zum Zweck grösserer Kugelsicherheit
aussen angeklebten Verstärkungen, in denen viele Marmor-
stücke zu erkennen sind. Vielleicht übernimmt es die griechi-
sche archäologi.sche Gesellschaft, die so viel für die Durch-
forschung und Erhaltung der Akropolis getan hat, dies
unschöne Flickwerk zu beseitigen und die alten Porosmauern
wieder sichtbar zu machen. Möchte dann die Hoffnung auf
neue Fragmente des Frieses nicht getäuscht werden! Jedes
kleine Stück wäre wertvoll, als neue Probe des quellenden
Reichtums, der vollendeten Formbestimmtheit, der anmutig-
preziösen Feierlichkeit, die uns aus dem wenigen bisher
Geretteten entgegenleuchten.
Athen, September 1 905.
Hans Schrader.
323
INSCHRIFTEN AUS KLEINASIEN.
Nach einer freundlichen Mitteiluno^ des Kaiserlich Deut-
schen Viceconsuls zu Brussa, Herrn H. vScholer, Hess der jet-
zige Generalgouverneur Reschid Pascha im November 19Ü4
das Osttor der Akropolis, türkisch Hissar-Kirkmerdiven-Ka-
pussi genannt, abbrechen. Dabei kamen zwei Marmorbasen
mit Ehreninschriften zvi Tage, von welchen Herr Scholer,
unterstützt durch Herrn Wassilaki Effendi Kleogenis, Ab-
klatsche herstellen Hess.
1. Quadratische Basis, H. 1,20, B. 55 cm. Buchstaben-
liöhe 3,5 cm, Schriftcharakter IL Jahrb. n. Chr., Ligaturen.
n • "Avviov K?iau8ia-
vov Mt]tqö8coqov
lEQea Albe, ^OXv^ini-
OV X«l JtQCOTOV UQ-
5 5(0VTa xai dycovo-
v^ETTjv xal jtav»]Yii-
QidQx^l^ ^] AayoD-
TT]Vü)v i^ga Tov
Dies ist die erste inschriftliche Erwähnung der Dagute-
ner, und der Fundort Brussa ist dabei besonders wichtig,
weil er zu der einzigen ausführlicheren Nachricht über die
AttycT-O-rivoL bei Constant. Porph. c^r fJieiii. S. 25 passt, der
dies Volk mit Brussa und dem mysischen Olymp verbindet:
den Südabhang schliesst er dabei aus, so dass also nur die
reiche Ebene zwischen Hellespont und Olymp in Betracht
kommt (vgl. Ramsay, Hist. Geogr. S.190). Die Erwähnung bei
Ptolemaios V 2,14 ermöglicht in ihrer Allgemeinheit keine
weiteren Schlüsse, indessen ist bemerkenswert, dass die gleich
hinter Daguta aufgezählte Stadt das Prusa benachbarte Apol-
lonia am Rhyndakos ist.
324 tu. WIEGAND
2. Quadratische Basis, H. 1,4U, Br. 60 cm, Buchstaben-
höhe 3 cm, Schriftcharakter des II Jahrh. n. Chr., zahlreiche
Ligaturen.
'Ayai'^fi xvyr\.
Kara t6 ööy^a ifjg
xQfjtTioTi]? ßov?tf)c:
xal Tov ÄafXJTpotd-
5 roi' fi)'][xoi) Ko'iv-
Tov KotvTOD oe-
ßaoTOcpavTTjaav-
Ttt (pikoxi[nog xal
äQE,avxa xal uDmc v-
10 jrr|Q80ia<; ujtiiQsti]-
oavxa Tfi(i) jTaTQifti. Ov-
akegioQ Evr\\iEQOQ
dv80Tl]08V 8Jtl[X8ÄT]-
d^elc, 8X TWV ftllllOOLW^'
15 xf\c, jtöAecoc; iQr]\xQixoiv
28ßaoToq)avTi)5 (vgl. Dittenberger Or. Gr.Inscr. Sei. II 479,
544 u. a.) entspricht dem flamen Angitsti (vgl. Marquardt,
Rom. Sfaafs'i'rrivalfung I p. 174. 259).
Dem warmen Interesse des K. Deutschen Viceconsuls in
Konia, Herrn Dr. Loytved, verdanke ich ferner Nachricht
von mehreren innerhalb der heutigen Stadt bei einem Neu-
bau zu Tage gekommenen Inschriften. Bruchstücke spätrömi-
scher Statuen (2 beschädigte Porträtköpfe, der eine bekränzt,
ein Oberarm mit dem anliegenden Gewandteil, ein Fuss u. a.)
wurden an derselben Stelle gefunden. Das Material der In-
schriften ist Kalkstein, der vSchriftcharakter weist ins II. Jahr-
hundert n. Chr.
1. H. 27, Br. 61 cm. Buchstabenhöhe 4,5 cm.
C]laudiae Eupatrae
H]eroidi, uxori C. Arrun-
ti] Valentis tribus Ha-
djriana Herculana
INSCHRIFTEX AUS KLEINASIEX 32.S
Diese Tribiis der liadrianischcn Colonic (colonia Aelia
Hadriana Auj^iista Iconiensiniii, CIL III . S"/ //>//. 1 21 .37) ist ])is-
hcr unbekannt gewesen. Claudia Eupatra jedoch ist schon in
der Ehrung- einer anderen Tribus Iconiums erwähnt. Das von
Ramsay publicierte Fragment CIL III Suppl. 143Q9 1) ist nun
nämlich leicht zu ergänzen :
Claufdiae Eupatrae
Hcro[idi, uxori C. Ar-
runt[i Valentis tri-
bus A[ugusta?
Auf einen »Sohn (oder möglicherweise vStiefsohn) dieser Clau-
dia scheint sich zu beziehen die von Ramsay in Iconium ab-
geschriebene Inschrift JffSt XXII 1902 p. 122 n. 31: [fi "Ixjo-
vecov xo[X(OA']ia A. 'A()QoÜv[tio]\' Aovyov Oijdl^ievTjoc: iuö\' f]9coa . . . ,
auf die mich Herr Profes.sor Des.sau hinwies: «Dass einer
einzelnen Person von mehreren oder gar sämtlichen Abteilun-
gen der Einwohnerschaft Inschriften gesetzt werden, kommt
öfters vor, z. B. setzen die drei viel von Antiochia Pisidiae
einem Mann die Inschriften CIL III Suppl. 6810 — 6812, einem
anderen CIL III 6835 — 6837, vier vici von Alexandria Troas
die vier Inschriften CII^ III 386».
Die Ergänzung A [ugitsta durfte im Hinblick auf die
folgende Inschrift gegeben werden, die ebenfalls eine Ehrung
zweier Tribus für eine Person enthält :
2. H. 45, Br. 68,5. Buchstabenh. 3,5 cm ; unten schräger
Bruch, sodass der Name des Geehrten — vielleicht des Kai-
sers— fehlt:
<I>i'?iri 'A{)i)vä5 n[o?ad8oi;?
8:fii irgooTOCTOi' OvaXsQioi)
KAsiTOfidxoi) Toi) 'A^ioAo-
ycoTotTOD xai (puÄr] Auyoiiö-
5 ta 8JII JtQOöTaTOv nojr?a-
avoij 'Eqi^ieiov Toi3 'A|io-
ÄcyCDTaTOV TOV TTJC Jt[a-
TQiöos jr[faeQa
326 TH. WIEGAND
Diese beiden Phylen werden hier zum ersten Mal bekannt,
und da die (puW) der griechischen Inschrift der tribiis der
lateinischen entspricht, so ergeben sich drei neue Tribusna-
men als Gesamtgewinn. Von den alten Phylen her wird sich
noch der Name der fpii?.T] 'AOi)väg, vielleicht auch der Her-
culana erhalten haben, namentlich aber der jtQooTdTvig, für
welchen es, wie mir Herr Professor Dessau schreibt, einen
entsprechenden lateinischen Terminus nicht gibt.
3. H. 72, Br. 58 cm, unten ein schräger Bruch. Buchsta-
benhöhe 5,5 cm:
M. Ulpio Pom-
ponio Superst[i]-
ti principi col(oniae)
n(ostrae), M. Ulpi Pomp(oni)
5 Valentis sac(erdotis) Au-
g(usti) fac(ti) f(ilio), sac(erdoti) Aug(usti) fa-
ct(o), (duo)vir(o) primo
col(oniae), irenarch(ae),
sebastophant(ae),
10 [munific]entissimo
Die Inschrift gilt dem priiiccps coloniac Marcus Ulpius
Pomponius Superstes, der in der neuen Colonie Hadrians zu-
erst das Amt eines diiovir bekleidete. Herr Professor Dessau
schreibt: «Der Abklatsch, den Sie mir einsandten, bestätigt
durchaus Ihre Lesung. Merkwürdig ist, dass sowohl Marcus
selbst als sein Vater M. Ulpius Pomponius Valens als saccr-
dos Augusti factiis bezeichnet wird; eine andre Lesung scheint
mir nicht möglich, ich finde aber kein anderes Beispiel dieser
Bezeichnung und weiss nicht, im Gegensatz zu welcher ande-
ren Ernennungsart diese Priester des Augustus (oder der Au-
gusti) als facti bezeichnet werden».
Durch die Güte des K. Niederländischen Viceconsuls in
Smyrna, Herrn A. O. van Lennep erhielt ich Kenntnis von
folgender, in Temenothyrai, dem heutigen üschak (vgl. Bu-
resch, Zjvö'/Vv^ S. 1 6 1 ) gefundener Grabinschrift: Marmorstele,
H. 53, Br. oben 28, unten 30 cm. Buchstabenh. ca 1,5 cm. Die
ixsciiKii'Ti<:x Ars klhixasif.x 327
beiden ersten Zeilen stehen in einem Giebel, der oben mit
einem Kreis, seitlieh mit je einem Zwickelbatt ^reschmückt
ist. Die dritte und vierte Zeile <>-ehen über die unteren Pro-
filierungen des (riebeis weg. In diese hinein ragt die flaehe
Reliefdarstellung des verstorbenen Kindes (U\konis; es steht
in der Vorderansicht (H. 14em) in langem Kittel und hcält
in beiden Händchen vSpielsachen, die nicht genauer erkenn-
bar sind. Die Schrift tritt beiderseits dicht an die Figur heran
Z. 3—11).
"Etous TN^
A{;ti,aioi' H
AvQ. Aioygviuvos AioyeroiK;
xe AvQ. 2i-xüv5uc
5 i'8l6i; 8HÖi][.u]f)a5
"PaipiA' xal Si'q[i-
ac, xal AvQ. Tqo-
cpi\i)] r?;ijx(ovoq
1 0 xe ai'TOic; t6 tiqwov
x(XTeox8uaoav. 'Et81(.iii-
aav xal oi dÖgkpol ti^v Divxdi-
vi5a' AvQ. 'loD^aaA'i] xal Avq. T(ata-
vög xal 6 JtdrQwv 'AyaOojroi'i;
1 5 X8 v) Kurga 'loidiavi] xe 6 döekpi-
b)]c, Asioyeviis >if ^ d88?t(pi8i-
ou f) Eiiyvwi^iovli; xe oi XoiJtol
auvyeveli; |ivi][uig /dpiv.
2H. £T. ^, j^Y <^8)ti5 Öe Jta()a|.(a()-
20 njoi (so) rf) axr\h] \\ reo fiQ(6-o). eV
•'C-ei (so) Tr)\' oi'Qaveiav "Exaniv
X8xco}i0[.i8vi)\'. Taijia. XeQers
[,101, jtaQoöeltai.
In Z. 2 steht die .Monats- und Tagesbezeichnung zwi-
schen zwei senkrechten Strichen. Der Name Aurelius ist Z. 3,
4, 7, 1 3 durch einen schrägen vStrich am oberen Ende des
Rho abgekürzt: P^ . Z. 6 ist xal wohl für ex verschrieben,
falls nicht durch Plural verschiedene Teile Syriens bezeich-
328 TH. WIEGAN n
net werden sollten. Z.19 folgt nach '^i](0aaav) ex{\]) b ein Schreib-
fehler für 8L 8e Ti<;.
Die kleine Glykonis ist vierjährig am 8. Daisios des
Jahres 300 nach Chr. gestorben- die sullanische Ära voraus-
gesetzt. Die Stele krönte ihr Grabmal, in dem auch die Eltern
zu ruhen gedachten. Interessant sind die Verwandtschafts-
bezeichnungen. IldTpcov (Z.14) ist der Onkel, danach ist jidxQu
für seine Frau, die angeheiratete Tante gebildet. Oder es
verhält sich umgekehrt, dass der ndxQcov angeheiratet war.
Das Wort steht für patrims, wie die lydischen Inschriften bei
Radet, BCHlsÄ. 450 (töv jtctTQCov, tov [ii]tqcov), 451 (rov jtdtQOJva),
471 Nr. 38 (töv |.n]TQOJva), Nr. 39 (o! jtocTQfo) zeigen, auf die mich
Herr Professor W. Schulze hinwies. Diese Missformen sind
jedenfalls unter dem Einfluss des Lateinischen entstanden.
Nach einer mir brieflich mitgeteilten Ansicht U. von Wila-
mowitz-Möllendorffs handelt es sich dabei um eine Entwicke-
lung aus den alten griechischen Worten ndxQOic, väterlicher
Verwandter, [.ii^tq«? mütterlicher Verwandter; letzteres wird
ja schon direct für « Mutterbruder > verwendet.
Zu den Inschriften, welche ich in meinem Mysischen
Reisebericht in diesen Mitteilungen 1904 S. 254 ff. besprochen
habe, ist mehreres nachzutragen. Die Aphasios-Inschrift von
Pericharaxis {a. a. O. S. 268) ist in ausgezeichneter Weise von
E. Kaiinka behandelt worden (Arch. Epigr. Mitt. XVIII S.228),
was ich übersehen habe. Das Horoszeichen von Kyzikos
schlägt U. von Wilamowitz-Möllendorff vor so abzuteilen:
"Op(o(;) Kd(^ixi]vüjv) Ao Ai] 119(65) lo IIi
Bei Abb. 28 belehrt mich Herr Professor Wünsch, dass das
auf \zax folgende Zeichen die handschriftliche Abkürzung für
ai ist; zu lesen ist somit ^eorai, \iox^q aber ist jüngeres grie-
chisches Wort für sextariiis. Die Inschrift von Poimanenon
S. 299 ergänzt A. Körte folgendermaassen :
.... 0? (pdoo6[cpov . .
duyaTEQa [8id xv^
ei$ Tr|]v jtatQiö« e()'[voiav
Beilage zu S. 32g.
Abb. 1. Votivrelief aus Mvsien.
inschriftp:n aus kleinasien 329
X((i. (pil]oTei|,iiav, f:rr[i6oimii5
5 alq i)|]v Tou uv(S^)i«[vTt)c; dvdn-
xaaiv TJfi? [^ii]T(_)65 cjcufTTig öijvd^x-
a fiiaxjooia, e:ni[t,8?ii|9[evro5 öe
xr\q äv]aoxdoE(OQ xo[v dvhQidv-
xog]
In dem Grabgedicht von Demirkapu S. 302 schlägt V. \-on
Wilamowitz Z. 7 statt kqoX vor: ""H {)' oi. — Zu den Reliefs mit
der Darstellung- des Apollon Kitharoedos S. 307 f. ist folgen-
des nachzutragen: ArcJiäolog. Zeitung 1874 vS. 162 hat A. I).
Mordtmann sechs Votivreliefs des Apollo Krateanos (ohne
Abbildung) aus Mysien bekannt gemacht. Sie befanden sich
alle in seinem Besitz und sind dann zerstreut worden ; eines
(Mordtmann Nr. 4) fand nachträgliche Veröffentlichung durch
Benndorf {^Reisen im südivcstl. Kleinasien I S. 154 Fig. 89).
Ein zweites (Mordtmann N. 6) fand ich soeben im Bazar zu
Stambul wieder und überwies es dem Kaiserlich Ottomani-
schen Museum (Abb. 1). Es ist von Marmor, 39 cm hoch, oben
21,5 cm, unten 23,5 cm breit, 6 cm dick. Ein Adorant, beglei-
tet von einem nackten Knaben, der einen Widder heranführt,
tritt von 1. an den Altar des im Kitharödengewand daste-
henden Gottes. Unter der Inschrift TAauxia? 'AjtoPikovi Kpa-
teavw 8uyf]v führt ein kurzgekleideter Mann ein Pferd. An-
dere Exemplare dieser Apolloreliefs aus Mysien, welche die
ausserordentliche Verbreitung des Cultes von Krateia weit
über die Grenzen Bithyniens hinaus beweisen, hat neuer-
dings Hasluck {JHSL 1903 S. 87) bekannt gemacht
Im Dorf Sagilar auf dem Alatzam-Dagh fand sich eine
MarmorplattC; Br. 38, 5, H. 25 cm. Die sehr schlecht erhal-
tene Inschrift lasen nach Abklatsch U. von Wilamowitz und
F. von Hiller:
. . ? 8Tog lO ' Kiooo(pd-
v\\q [x]al MaQicov
Mi]tqo8c6q(p to)
[jia]TQl |,lVT]p]5 X"-
QIV
330 TH. WIEGAND : INSCHRIFTEN AUS KLELNASIEN
Zu dem Grabgedicht der Doxa aus Madytos a.a.O. S. 313
teilt uiir Herr (yeh. Reg. Rat Dr. Weissbrodt mit, dass er
\or dem Original Z. 1 d|.ii?axov, Z. 5 sjcojtteijaaaa liest ^.
Herr Kleogenis gibt mir ferner Nachricht \-on einem in
diesem Jahr in das Museum zu Brussa verbrachten Grab-
stein, der oben mit einem Kranz geziert ist:
Tüvßov xul oTfi/J.av Öijo jraQrtevixaioiv gtEuI^ev
Actcpvog xal i^iaTeiQ 2av8a?iii 'lou^tia.
'ß, (tt)), 8ai[iov o^isOqe, xaXwv sjnßdöxavE l)A'i]T(üg,
"Og 8\J0 JtaQ^evLxdi; i]Qjraaa5 et? 'Ai8m',
'Pi]YiA,?tav jtQfoniv, eti jraQflgvov, elte MeyioTiiv.
Td? Öi^o Molq' ö^wöii xal tdtpos laeAoßEv,
Tds 6e (f|)j.i£i5 yafiSTdi; — —
Constantinopel.
Th. Wiegand.
' Im Anschluss an diese Nachträge möchte ich folgende Druckfehler
desselben Aufsatzes berichtigen: S. 112 Z. S v. u. lies < westlich - statt köst-
lich . .S. 274 Z. 8 v.u. lies nordöstlichen statt nordwestlichen-. S. 279 in
Abb. 14 lies .Tarsios- statt Tarisos . S. 303 Z. 4 v. u. lies: nordwestlich
statt südwestlich;. vS. 310 lies -'AvOtu- statt "AvOki»-. S. 32(i lies: Müoxov
und raioi;. S. 328 Z. 1 v. u. lies: .südöstlich statt südlich . vS. 339, letzte
Zeile, lies: 39" 40' und 50' .
331
ZUR (iHvSCHICHTI': DlvS KURVlsXUAUvS.
Bei der P)es])recluin,^' der theräisclieii ( jrrd)kriiniiieni
konnte ich nur in so weit über Dragendorffs Ausführungen
hinausgehen, als ich die inzwischen erforschten kretischen
Gräber zum Vergleich heranzog l Zur Darlegung des grös-
seren architekturgeschichtlichen Zusammenhanges fehlten in
Athen die litterarischen Hilfsmittel durchaus. Das Versäumte
nachzuholen liegt um so näher, als jetzt in (riovanni Pinzas
äusserst sorgfältiger Arbeit über den Ursprung einiger Ty-
pen der t}rrhenischen Sepulkralarchitektur der Eisenzeit ein
grosser Teil des Vergleichsstoffes kritisch gesichtet und ge-
ordnet ist ■-'. Pinza sucht nachzuweisen, dass die der ersten
Eisenzeit angehörigen Grabtypen in Etrurien und Latium im
Wesentlichen einheimischen Ursprungs, nicht etwa fertig von
ausserhalb dorthin übertragen sind. Er zeigt die Zugehörig-
keit dieser Grabtypen zu der ältesten, aus der Kupfer- und
Bronzezeit stammenden Architektur, die allen Ländern und
Inseln des nördlichen Mittelmeerbeckens ursprünglich ge-
meinsam ist. Durch den Einfluss des Orients tritt alsbald
eine Differenzierung ein : der ägäische Kulturkreis entwickelt
sich rascher und beginnt seinerseits den Westen zu beein-
flussen. Trotzdem hat man auch da, wo entsprechende Denk-
mäler der Bronzezeit zu fehlen scheinen, wie in Etrurien und
Latium, anzunehmen, dass eine einheimische Entwickelung
auf der gemeinsamen alteuropäischen Grundlage, wenn auch
unter wachsendem östlichem Einfluss, stattgefunden hat.
Gegen dieses Ergebnis der Pinzaschen Untersuchung
Bedenken zu erheben, ist hier nicht der Ort. Für uns ist
wesentlich, dass die älteste südeuropäische Architektur ur-
' Athen. Mitteil. 1903 vS. 241 ff. Dragendorff, Tluni II S. OS ff.
- Atti del congresso inti'rna'.^ionale di scicnzc storiciir, Roma, Aprile 1903,
vol. V. Archeologia, p. 377 ff.
332 E. PFUHL
sprünglich eine Einheit war. tlber das ganze weite Gebiet
vermögen wir die alhnähliche Entwickelung, die teils in Dif-
ferenzierung, teils in ernenteni Ausgleich besteht, mehr oder
minder genau zu ^'erfolgen, und zurückgebliebene Länder
gestatten wertvolle Rückschlüsse auf die Urzeit. Eine Aus-
dehnung der Betrachtung auf Mittel- und Nordeuropa, wie
sie durch die Arbeiten von Sophus Müller und Montelius
jetzt sehr erleichtert ist, lässt auch dort die gleichen Grund'
züge erkennen ^ Im Lichte dieses grossen Zusammenhanges
gewinnen die theräischen Grabkammern von rundem, ovalem
imd gemischtem Grundriss eine besondere Bedeutung: sie
stehen vermittelnd zwischen dem vorgeschichtlichen europäi-
schen Kurvenbau, zu dessen letzten unmittelbaren Ausläu-
fern auf griechischem Boden sie gehören, und seinem Aufle-
ben in hellenistischer und römischer Zeit. Nur am Herdhei-
ligtum hat man bisher die Continuität erkannt, ohne die Fol-
gerungen für das Ganze zu ziehen"-. Es lässt sich nun
aber für die gesamte alteuropäische Kurven-
architektur, Rundbau, Ovalbau und Apsiden-
bau — letzterer ein Mischling des runden und
des x'iereckigen Planes — nachweisen, dass sie
teilweise selbst an den Centren der klassischen
Kunst, vorwiegend jedoch in der Provinz und
an der Peripherie, die klassische Zeit hindurch
in Heiligtümern, Gräbern, Wirtschaftsgebäu-
den ein wenig beachtetes Dasein geführt hat,
bis bei der Entfaltung aller gebundenen Kräfte
im Hellenismus auch diese ältesten Formen
neu hervortraten und zu reicher Ausbildun»-
gelangten.
Wir gehen aus von dem gegenseitigen Verhältnis des
runden und des viereckigen Grundrisses. Ganz so einfach,
wie Dragendorff bei seiner Besprechung der theräischen Grä-
ber meinte, liegen die Dinge nicht. Dragendorff schreibt, wenn
* Sophus Müller, Urgeschichte Europas ; Xordischc Altertumshindc. Oskar
Montelius, Der Orient und Europa ; Archiv für Anthropologie 23 (1895) S. 451 ff.
'^ Heibig, Italiker in der Poebene S 52 ff. Dragendorff a. a. O.
ZUR CrKSCHICHTK DES KlTRVENHAl'S 333
ich den vSinn seiner Ansfülirnnf^cn richti^i^ präcisicre, den
Orientalen das \iereckioe, den (xricclien, Italikern, Phr)oern
das runde Haus als ursprünoiiche Bauforni zu. und nimmt
an, dass der viereckig^e Plan den Griechen durch die " kari-
sche' Bevölkeruno- der Inseln (und des Festlandes) vermittelt
worden sei. Das ist richtio- und falsch zuj^leich : es ist falsch,
insofern auch bei Äji\ptern und Chaldcäern Spuren des über
die ganze Erde verbreiteten primitiven Rundbaus vorliegen
und insofern die älteste Architektur der Inseln mit der primi-
tiven griechischen, nicht mit der entwickelten orientalischen
zusammengehört; es ist aber im letzten (jrunde dennoch rich-
tig, denn die Orientalen haben den primitiven Rimdbau nicht
entwickelt, geschweige denn zur Kunstform ausgebildet; sie
erfanden den vollkommeneren viereckigen Plan und schufen
auf dieser Grundlage eine grosse Architektur zu einer Zeit,
als auch die fortgeschrittensten Europäer noch immer in pri-
mitiven Rundhütten wohnten. Als dann die hohe orientalische
Kultur auf Europa zu wirken begann, wurden die Inseln durch
ihre Lage naturgemäss zu Vermittlern.
Das Ergebnis der ersten nachhaltigen Berührung Euro-
pas mit dem Orient ist die mykenische Kultur, deren Wiege
in Kreta stand. Sie bringt das viereckige Haus in Europa
zur dauernden Herrschaft; nur im Grabkultus bildet sie die
alteuropäische Form des Rundbaus mit orientalischer Tech-
nik aus, ohne doch das rasche Eindringen des viereckigen
Planes auch in die Sej)ulkralarchitektur zu hemmen. Der
Mischcharakter der mykenischen Kultur prägt sich in den
Bauformen besonders klar aus. Diese früh entwickelte ägäi-
sche Kultur ist an der Ausbreitung des orientalischen Ein-
flusses nach dem Westen sehr stark beteiligt. In Sicilien z. B.
erscheint sie geradezu als alleiniger Träger des Neuen. An
der Architektur lässt sich nun überall zeigen, dass die An-
wohner des westlichen Mittelmeeres ursprünglich nur den
Kurvenbau kannten und erst unter östlichem Einfluss den
rechteckigen Grundriss annahmen.
Über Westeuropa, an den Küsten des atlantischen Oce-
ans und der Nordsee entlang, ist der Hauptstrom des orienta-
lischen Einflusses nach dem Norden gelangt. Von dorther
334 E. PFUHL
hat Mitteleuropa wohl nicht weniger empfangen als auf dem
direkten Wege über die Alpen und die Donau aufwärts. Wer-
fen wir zAmächst einen Blick auf dieses grosse Gebiet; denn
von den südeuropäischen Ländern zeigt sich nur Norditalien
in ältester Zeit ganz frei von der Kenntnis des viereckigen
Grundrisses. Ein solcher Überblick kann sich freilich nicht
auf eigene vollständige Kenntnis der Denkmäler stützen ;
aber wenn die grosse ^lonumentenkenntnis von ^Nlontelius
und die eindringende, von wahrem historischem Sinn getra-
gene Kritik von Sophus Müller zu gleichem Ergebnis führen,
so darf man sich darauf verlassen. Das Ergebnis lautet: die
Rundhütte, die als primitivste Hau.sform in allen Erdteilen
auftritt, ist die älteste Form des europäischen Hauses; sie hält
sich in peripherischen Ländern und niederen Volksschichten
zunächst noch als Wohnhaus, dann als Wirtschaftsgebäude
sehr zäh, z. T. bis heut, neben dem später entwickelten vier-
eckigen Hause.
Es fragt sich nun, ob der viereckige Plan, wie Montelius
sich das früher gedacht zu haben scheint \ in Europa spontan
entstanden, oder ob er aus dem Orient eingeführt worden ist.
Letzteres nimmt Montelius in einer neueren Schrift selbst an -
und verficht Sophus Müller entsprechend dem in grossartiger
Weise durchgeführten Grundgedanken seines Buches. Er fasst
die ganze Kulturentwickelung Europas auf als ein fortwäh-
rendes Zuströmen orientalischer Kulturelemente und erklärt
alle Differenzierung aus der rascheren oder langsameren, voll-
ständigeren oder mehr auszugsweisen Aufnahme und der
mehr oder minder selbständigen Weiterbildvmg des Empfan-
genen von Seiten der Europäer. Der Beweis für diesen Her-
gang kann naturgemäss nie vollständig erbracht werden und
die Erfahrung auf anderen Gebieten menschlicher Kultur
spricht dagegen, däss der Verlauf wirklich ganz so einfach
' Archiv a. a. O.
- Orient ii. Eitropd S. 186. Montelius stellt den Satz auf, dass Viehzucht
und Ackerbau, Grabkanimern und Wohngebäude entwickelter Form bei
den Europäern durchweg orientalischen T'rsprungs seien, und gibt ein rei-
ches \'ergleichsmaterial. Eine eingehende Beweisführung enthält der vor-
liegende I. Teil seines Buches nicht.
ZTR cicscHicnTi-: DES KrK\'i-:xp,Ars 33,5
gewesen sei. Es 1)leibt allziuveni.t^- vS])ielranin für die lictfiti-
gung eigener älinlicher Veranlagung bei den Empfangenden.
Wie vieles allgemein menschlich ist, ;ceigt ein Hlick auf die
alte amerikanische Kultur, und (irieclien und Römer haben
doch unendlich \iel mehr getan, als fremde Anregungen, wie
selbstfindig auch immer, auszubilden. Der wahre Fortschritt
koumit. stets von innen; sonst h.ätten die nordischen Barbaren
es nicht weiter gebracht als (iriechen und Kchuer.
Man wird also doch die Frage nach der selbständigen
Entstehung des \iereckigen (Grundrisses in Europa auf werfen
müssen. Zwei bis in die Steinzeit zurückreichende Denkmä-
lergruppen kommen dafür in IJetraclit: die nordischen Rie-
senstuben, deren \-iele \iereckig, manche annähernd recht-
eckig sind, und die mitteleuropäischen Pfahlbauten. Die Rie-
senstuben fasst vSophus Müller gewiss mit Recht als Parallel-
erscheinungen zu den grossen Grabkannnern der ägäischen
Bronzezeit; ' da.ss sie jedoch unter deren architektonischem
Einfluss stehen, ist nicht zu erweisen. Es sind verwandte
Entwickelungsstufen; der Gedanke ist gleich und mag in
letzter Linie wirklich aus dem Südosten stammen; aber die
Form ist verschieden : grade die grössten Kammergräber
ganz vSüdeuropas sind nicht eckig, sondern rund, in religiöser
Nachahmung des ältesten Hauses. vSo mü.sste man die Mehr-
zahl der Riesenstuben denn für moderner als die Kuppelgrä-
ber halten, indem sie l)ereits den gradlinigen Plan des orien-
talisch-ägäischen Hauses angenommen hätten. Das ist an
sich bedenklich und wird noch unwahrscheinlicher dadurch,
dass die Riesenstuben ebenso wie die allecs coin'rrfes offen-
bar Vergrösserungen der kleinen Dolmenkammer sind, bei
welcher die megalithe Bauweise einen viereckigen Orundriss
von selbst an die Hand gab. Die Dolmen sind eben keine
Nachahmung des Hauses, wie es die Tliolos ist, sondern sie
sind unabhäno-ig:e Grabformen. Hier erhebt sich nun eine
weitere Frage: konnte nicht der in der megalithen Sepul-
kralarchitektur von selbst entstandene viereckige Plan auf
den versfänelichen Hüttenbau seiner Zeit übertrao-en werden?
^ .Urgeschichte S. 72 ff.
336 E. PFUHL
Die Funde geben keine Antwort; die Möglichkeit spontaner
Entstellung des viereckigen Hauses im Norden scheint mir
aber erwogen werden zu müssen.
Wir wenden uns den mitteleuropäischen Pfahlbauten zu.
Auf mehreren von ihnen sind viereckige Häuser nachgewie-
sen worden; die betreffenden Ansiedlungen gehören der Stein-
zeit und der frühen Bronzezeit an K Bei der Hütte von Gross-
gartach im Neckartal waren die Wände mit Kalk verputzt
und bemalt. Sophus Müller sieht hierin wie in der Grundriss-
bildung ägäischen Einfluss ; das ist sehr wohl möglich, aber
wir dürfen nicht wie auf etwas Bewiesenem darauf fussen.
Es könnte hier eine zweite Spur des selbständigen europäi-
schen viereckigen Hauses vorliegen. Ein besonderes Interesse
gewinnt die Frage durch die Beziehung der mitteleuropäi-
schen Pfahlbauten zu den trrrniiarc. Der Plan des norditali-
schen Terramarehauses ist freilich noch immer unbekannt; es
spricht jedoch viel dafür, dass er rund gewesen ist. Zunächst
ist zu bedenken, dass vor, neben und nach den Terremare, in
der grossen Stadt Felsina z. B. noch tief in die klassische
Zeit hinein, die Rundhütte herrscht. Die ersten viereckigen
Häuser von Bologna gehören der Eisenzeit an '-. Aber man
könnte hierfür den Bevölkerungswechsel verantwortlich ma-
chen und sagen, das rechtwinklige Strassennetz der Terremare
bedinge auch ein viereckiges Haus. Dass dies unberechtigt
wäre, lehrt die Hausurne von Melos (Abb. 1), mag man sie
nun als Pfahlbau auffassen oder nicht: sieben Rundhütten
sind in drei rechtwinklig an einander stossenden Reihen um
einen quadratischen Hof gelagert; ein Zaun mit einem Tore
schliesst die vierte Seite des Hofes ab •'. Wichtig ist nun,
dass eines der beiden viereckigen Terramarehäuser bei Tarent
die gleiche Segmentapsis zeigt wie später zu besprechende
Bauten vorofeschichtlicher bis hellenistischer Zeit in Griechen-
* Heierli, Urf;eschichte d. Schweiz S. 9fa. Sophus Müller, Urgeschichte S. 68 f!
Abb. 50, S. 99.
- Heibig, a. a. 0. S. 47, 49. Zannoni, Arcaiche abitazioni T. 4,53 S. 33.
Montelius, La civi/isatioj-i primitive en Italic I T. 87, 21. S. 415.
■' T.suntas-Manatt, Mycenaean agc, S. 259 Abb. 133. Archiv a.a. O. vS. 4b4
Ab)). 44.
ZUR (lESCIIICHTR DES KURVENBAUS
337
land: es ist ein Anklan«;' an die runde Form, welchen die
Terraniaricoli hier im äussersten Süden, so nah dem ä^äi-
Abb. 1.
sehen Kulturkreise, natürlich nicht etwa von einem roheren
Abb. 2.
Volke annahmen ; es ist vielmehr sicherlich ein Überrest
ihres eigenen Rundhüttenbaus (Abb. 2) ^
» Not. degli scavi 1900 S. 435.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX.
22
338 E. PFUHL
Der Tatbestand «restattet wohl nur zwei Erklärungen.
Entweder ninmit man an : die Terramaricoli kamen von Nor-
den ; sie bauten ursprünglich Rundhütten, gingen dann aber
zum viereckigen Hausplan über in folgerichtiger Durchbil-
dung ihres Strassensystems, schwerlicli ohne ägäischen Ein-
fluss. Dann muss man die scliweizer Bauten später ansetzen
als den Alpenübergang der Terramaricoli. Oder man folgt
Sophus Müller und lässt die Terremare als ägäisches Kultur-
element von Süden nach Norden wandern '. Diese Alternative
enthält den ganzen (rcgensatz zweier Prinzipien, deren rich-
tiger Ausgleich im Einzelfalle eine der schwersten Aufgaben
der vorgeschichtlichen Forschung ist: das kulturelle und das
ethnologische Prinzip. Wohin die bedingungslose Erschlies-
sung von Volkszugehörigkeit aus Kulturformen führt, zeigt
das Beispiel des allgegenwärtigen Dolmenvolkes. Vestigia
terrent ; aber man darf deshalb nicht ohne weiteres ins an-
dere Extrem fallen. Die Terremare sind Anlagen von einer
Gesetzmässigkeit, wie sie sich bei den nnkenischen Burgen,
ja selbst bei de^n kretischen Palästen nirgends findet; hier tritt
etwas Neues und Eigenes auf, das mit der Anlage der Itali-
ker zu verbinden um so näher liegt, als Nissens alte Vermu-
tung, dass der römische Lagerbau auf die altitalischen An-
siedlungen in der Poebene zurückgehe, sich glänzend bestä-
tigt hat "-. Trotz der Erweiterung unseres Gesichtskreises wer-
den wir also an den Ergebnissen von Helbigs schöner l^nter-
suchung festhalten dürfen.
■ Hier häuft sich Frage auf Frage; aber die Abschweifung
hat doch ein Kriterium ergeben. Wir haben gesehen, dass
nur sehr wenige Spuren des viereckigen Planes aus der spä-
ten Stein- und frühen Bronzezeit Mittel- und Nordeuropas
vorliegen. Ob es sich hier um spontane Entstehung, zu wel-
cher der Pfahlbau ebenso wie die Dolmenarchitektur führen
konnte, oder um orientalischen Einfluss handelt, ist nicht aus-
zumachen; die Möglichkeit solchen Einflusses auch auf die
' Ursreschichtc vS. 1 1 2 ff.
- Nissen, Templum S. "»7 ff. \'gl. aucli Hnll. ,ii palftnol. Hui. 1 cS9S S. 7'».
Helhi}^ a. a. (). S. 41 ff.
ZUR GESCHICHTE DES KUR VENBAUS 339
ältesten mitteleuropäischen Pfahlbauten niuss jedenfalls zuge-
geben werden. Diesem Wenigen steht nun eine so grosse und
geschlossene Denkmälermasse gegenüber, dass man berech-
tigt ist, die primitive Rundhütte als das lange allein herr-
schende Urhaus von Mittel- und Nordeuropa zu betrachten.
Ehe wir die Funde der südeuropäischen Länder und In-
seln genauer prüfen, bedarf es eines Blickes auf den Orient
In Mesopotamien sind nur ganz schwache Spuren des Rund-
baus nachzuweisen. Die altchaldäischen Gräber von Mugeir
erinnern zwar an runde und ovale Hüttenurnen, aber diese
Ähnlichkeit kann zufällig sein; es kann sich um reine Grab-
formen handeln, die dem runden Hause eben so wenig nach-
gebildet sind, wie die Dolmen dem viereckigen ^ Auch die
hohen Kuppeln einiger Gebäude auf einem assyrischen Relief
sind an sich keine zuverläs.sigen Zeugen ; - doch scheint es
nach den Abbildungen, dass die Kurve bei dem einen Bau
vom Boden ansteigt. Wir hätten dann also wirklich einen
primitiven Rundbau vor uns.
Das assyrische Zeugnis ist vereinzelt und unsicher; mehr
bietet Ägypten. Auf ägyptischen Bildern begegnen öfters bie-
nenkorbförmige Speicher, teils wenige neben dem Hause,
teils in Reihen neben einander; •' das Weiterleben alter Haus-
formen in den Wirtschaftsgebäuden wird unten durch zahl-
reiche Beispiele belegt. Aber auch in der Sepulkralarchitek-
tur des mittleren Reiches und der Folgezeit sind vielleicht
Spuren des Rundbaus erhalten. Die kleinsten von den Ziegel-
pyramiden bei Abydos enthalten Kuppelräume, die genau wie
die mykenischen Tholoi durch Vorkragung horizontaler Ring-
schichten gebildet werden; ^ in diesem Räume steht der Sarg.
Bei den grösseren Pyramiden dient der Kuppelraum nur zur
' Perrot-Chipiez II S. 272 f. Abb. 163—165.
2 Ebenda 8.1 4b Abb. 43.
=' Ebenda I S.487 Abb. 279. Vgl. Maspero-Steindorff, Äg. Ku7istgesch.^.l2
Abb. 41. Beides bei Erman, Ägypten S. 576. Ferner Perrot-Chipiez I S. 489
Abb. 282. Bei anderen Speichern ist der Grundriss nicht sicher kenntlich.
* Ebenda S. 250 f. Abb. 161, 163; besser Mariette Abydos II T. 66 f. Mas-
pero-Steindorff S.136 ff. Abb.140 ff. Michaelis-Springer 7. Aufl. S. 26 Abb. 58.
Vgl. Choisy, L'art de biUir chez /es ^gyptiens S. 49 f.
340 E. PFUHL
Entlastung für die Decke der darunter liegenden viereckigen
Grabkammer. Dass man hier bewusst die Rundhütte nachbil-
dete, ist sehr unwahrscheinlich, zumal das Grab ja nach aus-
sen viereckig war, wie einige kretische und theräische Grä-
ber; aber angesichts der runden Speicher ist hier doch wohl
eher ein Rest alter Bauweise als eine Erfindung ad Jioc tm
erkennen. Runde Zufluchtstürme aus vStein bauten die Bedui-
nen der arabischen Grenzwüste, und in runden Pfahlhütten
hausten die Somali, welche den Ägyptern Weihrauchbäume
lieferten ^ Die Ägypter haben also einen primitiven Rundbau
gekannt, ihn aber nicht in die Entwickelung der grossen
Architektur hineingezogen und so wenig eine altgeheiligte
Bauweise darin gesehen, dass sie ihn bei Tempeln garnicht,
bei Gräbern wahrscheinlich nur ohne religiöse x\bsicht ge-
legentlich anwendeten -. Die massgebende Architektur Meso-
potamiens und Ägyptens, welche den jungen europäischen
Völkern zum Vorbild diente, kannte nur den viereckigen
Grundriss.
Eine besondere Stellung nimmt Kleinasien ein; dort sind
drei Gebiete zu berücksichtigen : Karlen, Phrjgien und Pa-
phlagonien, Armenien. In Karlen finden sich eigenartige
grosse Rundbauten, über welche die Veröffentlichung ein Ur-
teil nicht gestattet; sie sind völlig undatiert; aus unserer
Betrachtung müssen wir sie daher ausscheiden ■'. Phrygien ist
europäisches Einwanderungsgebiet. Die von Vitruv und Xe-
nophon beschriebenen Wohnungen der dortigen und der ar-
menischen Bevölkerung entsprechen im Prinzip durchaus der
altitalischen Rundhütte; sie sehen besonders altertümlich aus,
' Maspero, Hist. mu-. I vS. 352, II S. 249.
- Nicht hierher gehören die runden und unregehnässig rundlichen Grab-
gruben der ältesten Zeit, wie El Ämrah and Abydox, T. IV !, V 5, de Mor-
gan, RecJn'rchcs s7ir Irs or/ffüies de rEgyptc I S. S5, II S.132 ff., und Garstang,
Toiiibs of the j. Egyptian dynasty T. XIX, ebenso wenig die gerade so pri-
mitiven Grabhöhlen der Mastabas, Garstang, T. XXI. Nicht anders sind
die unregelmässigen Höhlen zu l^eurteilen, in deren Boden der Grabschacht
thebanischer Gräber des neuen Reiches liegt : Rhind, Thebes. its tomhx etc.
S. 5b (ungenau bei Perrot- Chipiez I S. 305 Abb. 1 '»2).
■'■ Jourri. of Hell. Stiid. 1896 S. 248 ff., 270 f.
ZUR GESCHICHTE DES KURVENRAUS 341
da sie fast o^aiiz unterirdisch sind '. Wenn sich also in diesen
abcrclegenen Ber^hhidern die ältesten Formen so lang'e hiel-
ten, niuss man auf eine Datierung^ der neuerdings in Paphla-
gonien gefundenen Anlagen von der Form des Atreusgrabes
natürlich verzichten, am allerwenigsten aber darf man darin
asiatische Vorbilder der nnkenischen Architektur sehen '-.
Wir kommen zu den südeuropäischen Ländern und In-
seln und wenden uns zunächst den Inseln des ägäischen Mee-
res zu. Dragendorffs Angabe, dass das runde Haus dort nicht
mit Sicherheit nachgewiesen sei, ist unverständlich gegen-
über dem Zeugnis der aus siphnischem Stein gefertigten Hüt-
tenurnen von Melos und Amorgos, zu denen jetzt noch die
tönerne 'Hüttenurne' aus Phaistos kommt ^ Wir haben hier
eine sichere Grundlage für die Beurteilung der erhaltenen
Gräber und Hausmauern. Die Gräber zeiofen von der vormv-
Abb. 3.
kenischen Nekropole von vS)Tos an, über die melischen und
kretischen Gräber mykenischer und nächstfolgender Zeit her-
ab bis zu dem archaischen Friedhof von Thera, eine Gleich-
artigkeit, die recht deutlich macht, wie wenig alteingeses-
sene Kultur durch Völkerverscliiebungen beeinträchtigt wird \
Schon in vS}ros steht neben dem runden und ovalen Grund-
riss der viereckige, und beide kreuzen sich zu mannigfachen
Zwischenfoniien (Abb. 3); so finden sich vielfach Gräber mit
' Xenophon J/iab. IV, 5, 25, Vitruv II, I, 5.
- R. Leonhard, 80. Jahresbericht d. schles. Gesellschaft f. vaterl. Kultur IV,
vS. 35, vgl. Arch. Am. 1905 S. 31.
■' Vgl. S. 337 ■', sowie Tsunta.s-INIanatt S. 2bO Abb. 134 und Afoiiuin. d.
Lütcei XII S.128 Abb. 55.
* Syros: 'Ecf-ii^i. äex- 1 S9') S. 80, T. 7, vgl. Kypros : Ohnefalsch-Richter,
Aypros, die Bibel n. Homer T. 173 Abb. 20, 22. Melos: Excavations at Phylakopi
S. 234 ff. Kreta : Aimr. Journal of Arch. 1901 S.131 ff., 144, 271 f., 284 f., 290 ff..
296 ff., 441 f. Annual of the ßrit. School Wl S. 81 ff., VIII S. 240 ff., 303 ff.,
342 E. PFUHL
einer bis drei geraden Wänden und einer Bogenwand, und
in Kreta und Thera begegnen solche, die innen oval, aussen
viereckig sind ^; dort wie in Etrurien tritt noch eine weitere
Übergangsform auf: die viereckige Kammer mit rundlicher
Kuppel '-. Die Hüttenurnen zeigen, dass der runde Plan nicht
zufällig ist, die vormykenische x\nsiedlung von Phylakopi
zeigt dasselbe für den viereckigen Plan ^, und in Syros selbst
haben wir zahlreiche Reste von Häusern, die den Mischfor-
men der Gräber genau entsprechen. Darunter begegnet wie-
der dieselbe Segmentapsis, die wir schon bei einem tarenti-
ner Terramarehause fanden ^. Die rechteckigen Häuser von
Alt-Thera endlich haben gerundete Innenecken''. Dragendorff
verwirft also nicht mit Recht das Zeugnis der Gräber von
Syros. Man hat eben alle primitiven Grabkammern, so weit
ihre Form nicht durch äussere Umstände bedingt ist, wie die
der Dolmen durch die Megalithie, für Nachahmungen des
Hauses zu halten ''. Einen bemerkenswerten Beleg bietet die
Nekropole von Satricum in Latium : ^ man baute dort den
Toten wirkliche kleine Hütten, stattete sie mit dem nötigen
Hausrate aus und schüttete einen Hügel darüber auf. Es ist
die Kulturstufe, die der Beerdigung der Toten im Hause,
wie wir sie in Orchomenos, Thorikos und Aegina finden und
aus der antiken Litteratur kennen, unmittelbar folgt **. Trotz
Rcndkonti dei Line. 1902 S. 319 ff. Mon. Line. 1 S. 204, 208. vgl. IX S. 403.
Thera : Athen. Mitteil. 1 903 S. 241 ff.
'■ Amer. Journ. 1 901 S. 296, Athen. Mitteil. \ 903 S. 1 6, 248.
- Kreta : Annual Br. School VIII S. 246. Thera : Athen. Mittal. \ 903
vS. 29 f. 242 ; vgl. auch Thera II S. 95. Etrurien (nur in Vetulonia) : Pinza
vS. 447; Rom. Mitt. 1891 S. 230 ; Not. sc. 1893 S. 144.
■' Excavatioiis T. 1 .
* 'EcprijA. dex- 1899 vS. 1I8(i). 1898 vS.170f. (Paros). Vgl. vS. 338.
'" Fouque, Santorin et ses e'ruptions S. 98, Tsixntas-Manatt S. 247. Vgl.
Paros, Anm. 4.
" Vgl. die zu wenig beachteten Ausführungen von Tsuntas 'Eifn]j.i. d()X'
1899 S. 83.
' Not. sc. 1 898 S. 1 70. Mengarellis Angaben über den Befund lassen
seine Folgerung zwingend erscheinen.
^ Sehr häufig beobachtet Ijei den bajrischen Ausgrabungen in Orcho-
menos. Genau Entsprechendes in Spanien, Siret, Les premiers dges du metal
ZUR GHSCHICHTI': DKS KTUVlCMlArS 34.^1
dieses \^erhältnisses n'oii (rrab und Haus frä<^t es sich, ol)
man Recht täte, viele der erhaltenen vSej^mentniauern \ on
Häusern /ai vollen Kreisen /ax ergänzen; denn im Totenkul-
tus halten sich alte Formen bekanntlich länger. Die altägäi-
sche Rundhütte wird man vielmehr in den zerstörten Ansied-
lungen aus Holz und Lehm zu suchen haben, welche die älte-
sten Kulturschichten in Knosos und Phylakopi abgelagert
haben und die den Kistengräbern zeitlich entsprechen '. Dass
der in der ersten erhaltenen Ansiedlung von Phylakopi bereits
allein herrschende viereckige Plan aus dem Orient stannnt,
ist angesichts der (ieschichte von Kreta selbstverständlich.
Ganz ähnlich liegen die Dinge in vor -und frühmykeni-
scher Zeit in Hellas. Die Ansiedlungen in Argos, x^egina,
Eleusis, Thorikos, Orchomenos, Dimini, vSesklo zeigen den
viereckigen (rrundriss bereits zur Herrschaft gelangt, aber es
begegnen doch noch runde Häuser. Reste eines solchen schei-
nen in Eleusis erhalten zu sein - und in Orchomenos sind
einzelne grosse und schöne Rundbauten zwischen zahlreichen
kleineren viereckigen Häusern gefunden worden. Dieses Ver-
hältnis deutet darauf, dass die Rundbauten eine durch die
Überlieferung ausgezeichnete Sonderstellung einnahmen, wie
später die Tholos der Hestia und der Tempel des höchsten
Götterpaares am .spartanischen Markte; •"- gerade so heben sich
die glänzenden Kuppelgräber in Mykenae hervor gegenüber
der grossen Zahl viereckiger Kammern. Auch die Mischfor-
men mit geraden und geschwungenen Wänden finden sich in
lians Ir Siuiest de V Espagnc T. Ol. Stais, 'E(p)|}(. dy^. 1895 vS. 232. 247 ff. [Pia-
ton] Miiios p. 315 (1. V<j;l. Poiil.sen, Dipylongräber und Dipylonvascn S. 14 f.
Servius ad Acn. V ()4, VI 152 ist nur eine Entstellung varronischer Theorie.
' AnimalVY S. b f. (Evan.s). Joun,. of Hell. Stud. 1903 S. 157 (Macken-
zie). Excavatiom at Phylakopi 8.85 (Edgar). Vgl. 'E(pilti. ttQX- 1 '^^98 8.166.
1899 8. 76 (Tsuntas). Die von Miss Boyd entdeckten Mauerkreise bei Kavusi
scheinen modern zu .sein (J^/cr. Joiini. 1901 8. 151, vgl. 153 f.).
- 'Ecprin- dex- 18'^8, Beilage /.u 8. 29 ff., vgl. Poulsen a.a.O. Die 8chich-
tungsverhältnisse machen es fast unmöglich, die mittleren Mauern zu datie-
ren. Dass das runde Gebäude in geometrische Zeit gehört, ist nicht au.sge-
schlossen, aber angesichts der 8chichtentabelle auf 8. 61 keineswegs sicher.
•' Durch diesen Vergleich sollen die Rundbauten in Orchomenos natür-
lich nicht ohne weiteres für Tempel erklärt werden.
344 E. PFUHL
mykenischer Zeit auf dem Festlaiide; eine argivische Grab-
kammer hat sogar eine richtige Segmentapsis ^. In wie weit
die häufige Abrundung der Ecken viereckiger Grabkammern
auf Bequemlichkeit des Arbeiters, in wie weit sie auf Erinne-
rung an den alten Kurvenbau zurückzuführen ist, lässt sich
schwer sagen ; vermutlich greift beides ineinander -'. Ganz ab-
weisen darf man den Gedanken an ein Nachwirken des Kur-
venbaus nicht, angesichts der Häuser von Syros und Thera
sowie vieler iVnalogien aus ganz Europa, von welchen nur
ein italisches Hüttenmodell und eine deutsche Hausurne her-
vorgehoben seien ^
Neben die kreisrunden Kuppelgräber tritt in Attika, d. h.
für diese Zeit in der Provinz, auch eins von ovalem Grund-
riss ^. Wir werden unten sehen, dass dieser bei grösseren Hüt-
ten aus praktischen Gründen häufiger war als der kreisrunde;
er herrscht daher auch bei den Hüttenurnen durchaus vor.
Diese Streckung der Rundhütte bietet den Schlüssel zum
Verständnis der Entstehung des Sattel- bzw. Walmdachs. Die
kreisrunde Hütte mit cylindrischer Wandung, wie sie die
Urnen von Amorgos und Kreta darstellen, verhält sich zu der
ovalen genau so wie das mit Walmdach versehene quadrati-
sche Haus zu dem oblongen, d.h. es entsteht bei ovalem Grund-
riss ein Schildkrötendach mit Hauptbalken, das Dach der ita-
lischen Hüttenurnen (Abb. 4). Bei der Übernahme des vierecki-
gen Planes mussten also die Europäer bald ganz von selbst
darauf kommen, regelrechte Walmdächer und dann natürlich
1 BCJI 1904 Taf. XIII. Nr. 5; weiteres röenda und in Mykenae, Nau-
plia, Epidauros.
- 'Ecpiui- ttQX- 1888 vS. 128, 157, Abb. 1 1 = Perrot-Chipiez VI, vS. 373 f.
Vgl. Athen. Mitten. 1 880 vS. 1 44.
3 Not. sc. 1896 S. 100. Archiv a. a. O. vS. 454 Abb. 5. Dort Weiteres.
* Stais, 'Ecpriji. dQX- 1895 S. 222, n^axtixa 1893 vS. 12 f. Vgl. AeA,ti:ov
1 890 S. 1 60. Die dort beschriebene Anlage scheint' der Rest eines weiteren
ovalen Kuppelgrabes zu sein, das schon im Altertum einstürzte und .späte-
stens in archaischer Zeit ausgeräumt wurde, um als Depot für die über-
schüssigen Vasen und Terracotten eines Heiligtums zu dienen. Spuren die-
ses Heiligtums könnte man in einem archaischen vStatuenarm und schwarz-
figurigen Scherben auf dem Burghügel finden ('Eq)iif(. dgx. 1895 S. 234).
Eine kleine Felstholos mykenischer Zeit auch in Kreta: Anniial VIII S.252.
ZUR GESCHICHTE DES KURVEXHAUS 345
auch vSattcldäclicr herzustellen. Dass nun solche wirklich im
ägcäischen Kreise bekannt waren, ist durch die vereinig'ten
Zeugnisse der Hüttenurne von Melos mit ihrem Tordach, der
kretischen Urnen und der viereckigen Kammergräber von
Mykenae, vSpata, Melos erwiesen '. Lehrreich ist der Vergleich
italischer und kretischer viereckiger Hausurnen: jene haben
noch das alte vSchildkrötendach, diese bereits ein richtiges
Walmdach "-. In der angegebenen Weise ist das Walm- und
Satteldach gewiss vielerorts selbständig entstanden. Man hat
also keine nordische Urform darin zu sehen.
Abb. 4.
Wenn wir uns jetzt dem Westen zuwenden, so wird es
am zweckmässigsten sein, mit dem italischen Festland zu be-
ginnen, denn dort hat sich der primitive Rundbau am zähe-
sten gehalten. Wie oben erwähnt, standen z. B. in Felsina
noch im 5. Jahrhundert vorwiegend Rundhütten. Je nach
den Verhältnissen des Bodens und des Lebens sind drei For-
men der Anlage zu scheiden : die mehr oder minder unterir-
dische, später zu ebener Erde angelegte Hütte, die auf einem
Steinpflaster errichtete Hütte (in felsiger Gegend) und die
• Tsuntas-Manatt S. 70 f ; Mon. Line. I T. I. Jouni. of Hell. Stiid. 1899
S.174 Abb. 50; 'Ecpiii.i. dg/. 1888 S. 152. 1904, T. 2. Anniial VIII T.18 u.a.m.
Phylakopi vS. 235. Schon das Tordach der Urne von Melos macht Dörpfelds
Einwände bei Tsuntas-Manatt S. XXVII ff. hinfällig. Wenn Xanthudidis
('Eq^rifi. UQX. 1904 S. 1 4 f.) betont, dass die kretischen Larnakes keine Hüt-
tenurnen, sondern Möbel seien, .so berührt das nur ihre sepiilcrale, nicht
ihre architektonische Bedeutung ; hausförmige Truhen hat man zu allen
Zeiten gehabt.
-' Die italische Urne Not. sc. 1881, T. V 12 f. = Montelius. La civil, prim.
T. 275, 10. Die kretischen Urnen Anm. I.
346 E. PFUHL
Pfahlhütte (ursprünglich in Seen und Sümpfen). Erstere be-
steht zunächst nur aus einer concaven Grube und einem Zelt-
dach aus Zweigen. Wände entstehen erst, wenn man die
Crrube rings herum annähernd .senkrecht absticht. Sobald
man es darin zu einer gewissen Fertigkeit gebracht hatte,
konnte man die Hütte zum grossen Teil unterirdisch anle-
gen, wie wir das bei Phr) gern, x\rmeniern und Germanen
finden ; dies empfiehlt sich in Gegenden von kontinentalem
Klima bei geringen Ansprüchen an Wohnlichkeit. Legt man
dagegen das Haus ganz oberirdisch an, so entsteht eine Hütte
mit cylindrischer Wandung und konischem Dach. Bei der
zweiten und dritten Abart wird man oft, wie sich das gele-
gentlich nachweisen lässt, eine Zeltstange in der Mitte auf-
gerichtet haben, weil es scliwerer war, das Dach rings herum
im Boden zu befestigen ^
Die Bedingungen für den Grundriss sind bei allen drei
Abarten gleich und ändern sich auch nicht bei Übertragung
der Form in teilweisen oder vollständigen Bruchsteinbau.
Der Hergang ist folgender : Die flache Grube mit dem Zelt-
dach, die der primitive Mensch als Herdstelle und Obdach
anlegt, ist naturgemäss rundlich. Übung und Verbesserung
der Instrumente wecken den Sinn für Regelmässigkeit, gleich-
zeitig steigen die Ansprüche an Wohnlichkeit; so entstehen
kreisrunde und bei Vergrösserung der Crrundfläche notwen-
dig auch ovale Hütten : nur durch die ovale Form war mehr
Boden zu gewinnen, ohne dass man das Zeltdach übermäs-
sig zu neigen oder zu erhöhen brauchte. In der Tat zeigen
denn auch die meisten Hüttenböden und Hüttenurnen ein
mehr oder minder gestrecktes Oval (Abb. 5) -. Da es nun prak-
tisch war, die Tür möglichst weit von der Mitte des Raumes
entfernt zu halten, legte man sie meist in den Scheitel der
Ellipse. Dieser einfache \'organg war in seinen Folgen von
grosser Bedeutung: er führte einerseits zu axialer Anordnung
und symmetrischer Durchbildung zweier Räume, andererseits
zur Frontbildung.
' So bei den Pflasterhütten von Matera in Ai)ulien, JA»//. Llnr. \'III
S. 42b, Abb. 4.
-' Monteliu.s La r/r. />r. T. 1 1 Nr. 0.
Zl'R OESCinCHTF, DES KURVEXÜArS
347
Die einfachste Form des Zugaiij^s zu der in den liodcn
versenkten Hütte ist ein geneigter (rang, der dem offenen
Dromos des Kuppelgrabes entspricht (Abb. 6) '. INIehr Be\ve-
gnngsfreiheit und bei massiger Tiefe der Hütte keinerlei I^n-
bequemlichkeit bietet ein etwa auf halber Höhe zwischen dem
Hüttenboden und der l^mgebung liegender Vorplatz von run-
der oder ovaler Form (Abb. 7, 8) -. Die Anlage erhält dadurch
Abb. 5.
Abb. b.
die Gestalt einer 8. Dieser Vorraum war im Allgemeinen un-
bedeckt, denn in seinem Schutt pflegen die in dem Haupt-
raum so häufigen Reste des Oberbaus (Lehmbrocken mit
Zweigabdrücken) zu fehlen ; gelegentlich scheint er aber doch
zu einer kleinen Vorhütte ausgebildet worden zu sein, wie
wir solche noch heute bei den lappländischen Gammen fin-
Abb.
Abb. 8.
den l Ob offen oder bedeckt, jedenfalls lag der Vorraum ent-
sprechend der Lage der Tür in der einen, und zwar fast im-
mer in der Längsachse der ovalen Hütte; auch die kreis-
runde Hütte erhielt durch Anlage des Vorraumes eine Haupt-
1 Bvll. dl paletnol. it. 1882 T. I c — Montelius, La civ. pr. T. 1 1 Nr. 13
Archiv a. a. O. S. 463 Abb. 39 ; Orient u. Europa vS. 4 ! Abb. 39.
2 Bull. a. a. O. a, b, d. Montelius, La civ. pr. T. 1 I Nr. 12, 14.
3 Archiv a. a. 0. S. 459, Abb. 30 f.
348 E. PFUHL
achse. Damit war der Grund zu symmetrischer Weitergestal-
tung- gelegt. Eine solche war innerhalb der baulichen Einheit
nur durch Anlage von Wandnischen zu erreichen; denn der
iMangel an Luft und Licht verbot, noch einen weiteren selb-
ständigen Raum anzuschliessen. Die Nischen dienten als Ko-
jen und als Wandschränke, in welcher Eigenschaft sie noch
heut in dem apulischen truddJni. auftreten ; sie finden sich
auch bei den vormykenischen Kykladenhäusern und bei den
Abb. 9.
Gräbern von Syros bis Thera '. Mit Vorliebe legte man sie
symmetrisch an ; eine Hütte bei Reggio zeigte ihrer vier
von beträchtlicher Grösse; die Form dieser nicht vollstän-
dig ausgegrabenen Hütte können sicilische Felsgräber ver-
anschaulichen "-'.
Weiter ausbauen Hess sich die Rundhütte nicht; der
nächste Schritt führte zu einer x\neinanderreihung mehrerer
selbständiger Hütten. In der Tat finden sich gelegentlich
ihrer zwei zu einer Doppelhütte verbunden •'' und bei der
^ Fouque, Santorin S. 1 10. Syros: Tsuntas 'Ecpi^^i. dg-/. 1^99 vS. 80 Abb. 8.
Kreta: Bosanquet, Brit. Scli. Ann. VIII S. 252 Abb. 23. Thera: Athen. Mit-
/<"/•/. 1903 vS.lO (Grab 2), vgl. S. 91 (Grab 115); vgl. Tsuntas vS. 84 : im archai-
schen Thera wie im vorm3-kenischen vSyros mauerte man bisweilen Beiga-
ben in die Wände des Grabes ein. Vgl. 'E(pii|.i. o-qi- 1888 S. 1 54 ff. ; BCH.
1904 T. 13; Excav. at Phylakopi vS. 235. Journ. Hell. Stud. 189/ S. 1 84 (Kypros).
- Die Hütte beschrieben lUilI. pul. 1877 vS. 4. Ein besonders regelmässi-
ges sicilisches Nischengrab Bull. finl. 189] T. X 3 = Montelius, Orient u. Eu-
ropa S.lbb Abb. 223 (Abb. 9).
' Bull. pal. 1892 T. IX = Montelius, La civ. pr. T. 11 Nr. 10. Vgl. die
Verbindungsgräben zwischen benachbarten Hütten, Heibig vS. 49, und spa-
nische Silos, Rev. arch. Bd. 35, 1899 S. 235 Abb. 37.
ZUR CxESCHICnTE DES KT^RVENBAUS 349
Urne von Alelos stehen ihrer sieben an drei Seiten eines qua-
dratischen Hofes, der nach vorn durch einen Zaun mit Tor ab-
j^eschlossen ist: das erste Beispiel der später typischen Form
des griechischen Wohnhauses. Ein umzäuntes Gehöft ist üb-
rigens auch bei Reggio gefunden worden (Abb. 10) i. Die
Urne von Melos stellt nun anscheinend einen Pfahlbau dar.
Man wird also erwägen müssen, ob die regelmä.ssige Anlage
der Terremare etwa ein natürliches Ergebnis der Entwicke-
luno- des Rundhüttenbaus ist.
Ahl). lU.
Auf die Bildung einer Front am Rundbau wirkt die An-
lage der Tür im Scheitel der Ellipse in.sofern hin, als dadurch
von selbst eine Abflachung der Spitze eintritt. Bei einzelnen
Hüttenurnen finden sich vor der Tür vier Pfosten als Andeu-
tung einer kleinen Vorhalle, wie sie bei altportugiesischen
Häusern in der Tat begegnet -'. Man schreitet alsbald dazu
fort, die eine Spitze ganz abzuschneiden, und kommt schliess-
lich zu dem halbelliptischen Hause, wie solches z. B. in dem
Gehöft von Reggio vorliegt; weitere Belege dafür werden
wir in Malta, Pantellaria, Spanien finden. Das Fehlen der
einen Spitze zu Gunsten einer geraden oder concaven Front
ist für den vorgeschichtlichen und archaischen Ovalbau des
ganzen Mittelmeergebietes bezeichnend. Die auf Malta, Sar-
dinien, den Balearen begegnende concave Frontbildung zeigt,
dass man die Anfänge nicht auf Einfluss der geradlinigen
Architektur des Ostens zurückzuführen braucht.
1 Bjill. pal. 1S82 T. I b, S.14 ff. Montelius, La nv. pr. T. 1 I Nr. 15, S. 80.
- ^ww«//1871, T. U 9; Montelius, La civ. pr. T. 140, 10; Archiv a.a. O.
S. 4b2 ; Cartailhac. Les äges prt'historiqnes de /'Espai^nc et du Portugal S. 274 f.
350 E. PFUHL
Mit der Zeit musste der vollkommenere viereckig^e Plan,
der allein gestattete, grössere Complexe von Räumen prak-
tisch und organisch zu vereinen, auch in die conservativsten
Gegenden Italiens eindringen. Für den Süden bezeugt das
eine Terramarehaus von Tarent mit seiner Segmentapsis den
Übergang, für Mittelitalien eine Anzahl von Hüttenurnen und
für den Norden endlich das vereinzelte Auftreten von vier-
eckigen Häusern zwischen den Rundhütten '. Dieselbe organi-
sche Vereinigung des Alten und des Neuen, wie sie das taren-
tiner Haus zeigt, fanden wir bereits im vorgeschichtlichen
Syros und im mykenischen Argos zwischen allerhand unregel-
mässigen Mischformen, und wir werden ihr in (Griechenland so-
wohl in archaischer wie in hellenistischer Zeit begegnen. Doch
greifen wir nicht vor.
Den Häusern entsprechen die seit dem Beginn der Bron-
zezeit in Mittel- und Süditalien auftretenden Grabkammern
bis ins Einzelne. Bereits erwähnt wurde ein lehrreiches Binde-
glied: die Grabhütte, d. h. eine wirkliche kleine Hütte, die
nach der Beisetzung verschüttet wurde '-. Die Felsgräber vom
ältesten Typus sind bienenkorbförmig mit concavem Boden,
genau wie die primitivsten Hütten ; vereinzelt begegnen auch
Wandnischen. Sie sind, wo ihre Lage an steilen Abhängen
dies gestattet, unmittelbar durch kleine Türen zugänglich,
sonst durch senkrechte runde Einsteigeschachte, die dem
Vorraum der Hütten entsprechen (Abb. 1 1) •^. Andere haben
' S. 338, 345 Anm. 3, vgl. Montelius, La civ, pr. T. 275, 10—13 ; Heibig
vS. 47 f. Montelius, T. 87, 21.
■ S. 343, mit Anm. 7.
■' Not. sc. 1')01 vS. 2 Uff. (Altamura); vgl. Mon. IJuc.WW S. 51 Iff. (S. Mar-
tine bei Matera). Bull. pul. I S'»8 S. 208 ff. (.Sgurgola, Latium). Xot. sc. 1900
ZUR CESCinCHTE DES KTUVICNHArS 351
einen vollkomnien ebenen I>(Klen, nnd anf der Insel IManosa,
die trleicli liier an.i^esclilossen sei, erscheint daneben ein drit-
ter Typns: zn der Tholos führt eine schmale Treppe hinab; '
es ist das eine Vervollkommnung des erwähnten Hüttentv-
pus mit geneio^tem Dromos.
Abb. 12. Abb. 1.1.
Ehe wir weitergehen, bedarf es eines Blickes auf das
Fortleben des Rundbaus in Italien. Dass er sich in der nie-
deren Profanarchitektur, in den Hütten, Speichern, Ställen
der Bauern und Hirten dauernd hielt, versteht sich. Durch
den Kultus aber fand der Rundbau seinen Weg- in die grosse
Architektur, wie schon Heibig sah, als er den Tempel der
Herdgöttin sowie durch \^ermittelung des Larenkultus auch
die Rundtempel des Augustus auf die Urhütte zurückführte.
In Übereinstimmung mit Ovid setzte er für die Dörfer der
Urzeit ein Hüttenheiligtum mit dem Gemeindeherde voraus.
Neuere Funde sind dieser Annahme günstig. In mehreren
Dörfern der letzten vSteinzeit hat sich je eine Hütte gefunden,
unter deren Herdgrube ein Schacht einige Aleter tief hinab-
führt; nur einmal liegt der vSchacht unmittelbar neben einer
vS. 56h f. Abi), b, r — INIontelius, I.n a'v. pr. T. 2S4 Nr. 7, S (Conieto). Jhtll. pal.
1S82 T. I A, B =r Montelius, Or, ii. Eni: vS. 167 Abb. 22b (Pianosa) (Abb. 12).
' Jhill. pal. 1S85 T. T D = Montelius, 0>: u. Kur. vS.l(i7 Abb. 227, La cn:
pr. T. 128, 17 (AV)]i. 1.?). Ahnliches in Mykenae, Attika, lalysos : 'Ecpiifi. olq'/.
1895 S. 205, vgl. auch .l///ni. .Milieu. 1903 S. 79 (Thera). Über die Entwicke-
lung der Grabtreppe in Ägypten s. Garstang, l'ombs of ihr j. Et^ypi. Dyii.
Cap. VII. Übrigens ist die Lage der Treppe bezw. der Thür an einer Ecke
der Grabkammer nicht Thera eigentümlich, wie ich {a.a. O. S. 248) annahm,
sondern findet sich schon bei ägyptischen Gräbern der ersten beiden Dyna-
stien [El Ainrali a. A/iydos T. 4 ; 7o,iil>s of fJic Firsi Egypi. J)yri. I T. 68 f.).
352 E. PFUHL
Doppelhütte. Die Anlage des Schachtes erforderte in mehre-
ren Fällen der Härte des Bodens wegen einen viel grösseren
Arbeitsaufwand als die Errichtung der Hütte, (ranz unten im
Schachte fanden sich Gefässe, meist sorgfältig zugedeckt. Da
in keinem Falle Reste von Menschenknochen darin nachzu-
weisen waren, wird man nicht an eine Beisetzung denken dür-
fen. Darüber war der Schacht gleichmässig oder in drei
Schichten gefüllt mit x\sche, Scherben, Feuersteinwerkzeug
(meist Messern), sowie Resten von Tierknochen, deren manche
aufgespalten waren, um das Mark zu gewinnen K Es liegt
nun sehr nahe, anzunehmen, dass dieser Schacht der iimndus
ist, in welchen man bei der Gründung des Dorfes die Erst-
linge der Feldfrucht in Gefässen versenkte, sowie die Reste
eines oder mehrerer Opfermahle und gelegentlich noch an-
dere Opfergaben schüttete; darüber wurde dann der Gemein-
deherd angelegt und die Hütte gebaut. In einem Dorfe stan-
den drei solcher Hütten dicht nebeneinander, wie sich im
temphini der Terremare einmal drei, ein andermal fünf Gru-
ben finden; es wäre nicht undenkbar, dass man dort eine
Götterdreiheit verehrt hätte, wie später auf den capitolia, oder
dass ein Synoikismos dreier Gemeinden zu einer solchen
Übergangsform geführt hätte 2.
Wir wenden uns Sicilien zu, dessen älteste Architektur
dank Orsis vorbildlichem Wirken besonders gut bekannt ist.
Die Hausüberreste sind geringfügig gegenüber den zahllosen
Felsgräbern, deren Inhalt eine vergleichsweise genaue Datie-
1 Bull. pal. 1894 vS.146 ff. T. VI ; 1892 vS.137 ff. T. IX. 2, 7; 1879 S. 97 ff.
T. V. Zusammenfassend 1 894 S. 1 60 ff. (Castelfranco).
■^ Diese Vermutungen werden hier ausgesprochen, um die Frage allge-
meiner Beachtung zu empfehlen. Spruchreif ist sie noch nicht. Vgl. die
Vermutung von Tsuntas ('Ecpi)n. agy.. 1885 S. 34,1), dass der älteste ApoUon-
tempel in Delphi eine Rundhütte gewesen sei. Über den niitnchts s. Wis-
sowa, Religion 71. Kultus d. Römer, S. 1 88 f. Milani, Retidic. iL Lincei 1901,
S. 146. Nach dem Wortlaut bei Plutarch, Romnhis 10, bieten die vereinzelt
in den Schächten begegnenden Gegenstände, die nicht von Opfermahlen
herrühren können, der Erklärung keine Schwierigkeit ; zumal Waffen sind
als der wertvollste Besitz des vorzeitlichen Menschen eine naheliegende
(iabe. Bemerkenswert ist die Dreizahl der Opferschichten in dem einen
Schachte, vgl. das dreimalige Opfer im palatinischen 7nundiis.
ZUR (GESCHICHTE l)i:s KrRVRNHAUS 353
rung ermöglicht '. Darnach sind drei Epochen zu scheiden :
die erste deckt sich mit den Anfängen der m\kenischen Zeit ;
es finden sich vereinzelt ägäische Einfnhrstücke, die den
Funden des vornnkenischen Troja entsi^rechen. Die zweite
Epoche umfasst die Zeit der Ausbreitung und des Nieder-
ganges der nnkenischen Kultur, die dritte die Zeit der geo-
metrischen Stile; diese letztere reicht somit bis zum Beginn
der griechischen Kolonisation herab. Reste von Häusern der
ersten beiden Epochen sind mehrfach gefunden worden. Das
Haus von Monteracello gehört anscheinend dem Übergänge
von der ersten zur zweiten Epoche an -. Erhalten ist die
Hälfte einer Rundhütte, deren vertiefte Wände mit Steinplat-
ten verkleidet waren. An der Wand entlang läuft eine nie-
drige Bank aus Erde und Steinen, wie solche auch in den
italischen Hütten, und in den griechischen Kuppel- und
Kammergräbern m}kenisclier und geometrischer Zeit vor-
kommen ■■'. Neu ist hier das Auftreten des Bruchsteinbaus.
Hüttenböden der gewöhnlichen Art, der ersten und der zwei-
ten Epoche angehörig, haben sich in dem Dorfe von Cana-
tella bei Girgenti sowie bei Catania gefunden ^. Ganz unver-
mittelt neben diesen Rundhütten steht nun das gleichzeitige
Herrenhaus von Pantalica, der monumentalste Beleg für das
Eindrinofen der äeäischen Bauweise''. Zum erstenmal auf ita-
' Übersichten: Rom. MM. 1898 vS. 1 50 ff., 1899 vS. 163ff., 280 ff. (Peter-
sen) ; J/ö«. Lüu: IX S. 1 45 (Orsi).
- ßiill. pal. 1898 S. 204 Abb. 15. Vgl. Mon. Line. IX S. 145.
■' Tsuntas-Manatt vS. 136. Athen. Mitteil. 1903 S. 243 (Thera). Hier sind
freilich nur flache Schwellen gemauert, auf denen die Urnen stehen. Schon
in den Kykladengräbern legt man die Toten gern auf Steinplatten an der
Wand ; niir selten ist das ganze Grab gepflastert. Auch in den mykenischen
Tholoi uud Kammern finden sich Bruchstein- und Kiesellager für die Toten,
z. B. Athen. Mitteil. 1S8b S. 438 ; 'Ecfn][i. u.{>x. 1904 S. 39. Beisetzung auf den
Wandbänken ist nicht nachgewiesen, aber möglich ; sie findet sich zuerst
bei einem kretischen Schachtgrabe etwa des 7. Jahrhunderts {Annual VIII
8. 248 f.). Immerhin wird man die Vorläufer der späteren Totenbetten hier
erkennen dürfen (VoWmöWer, Juzmmer^-räber mit Totenbetten, Bonner Diss. 1901).
' Bull. pal. 1897 S. 10b ff. Kot. sc. 1898 S. 222 ; 1904 S. 373.
" Mon. Line. IX vS. 75 ff. T. 5 f. Zweifel an dem Alter des Baus sind ge-
genüber Orsis Angaben und Abbildungen unzulässig.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX 23
354 R. PF.UHL
lischeni Roden erscheint hier ein aus mehreren organisch zu-
saniniengefassten Räumen bestellendes Bauwerk, ein augen-
fälliger Beweis für die unbedingte Überlegenheit des geradli-
nigen Grundrisses über den Kurvenbau, dessen vergebliche
\>rsuche zur vSchaffung mehrfach gegliederter Complexe wir
oben kennen lernten. Mit seinem rohen Ouaderbau und dem
Corridor ist das Anaktoron \'on Pantalica ein rein mykeni-
sches Bauwerk, ganz unberührt von einheimischer Art.
Abb. 14.
An den Gräbern kann man den allmählichen Übergang
von alteuropäischer zu orientalisch-ägäischer Bauweise genau
verfolgen; hier muss eine Hervorhebung der Hauptzüge ge-
nügen ^ Unter den (rräbern der ersten Epoche erscheinen
ganz selten, wie die Einfuhr ägäischer Ware, so auch vier-
eckige Kammern mit schwach gekrümmten Wänden;-' die
herrschende Form ist die runde oder ovale ; •' bei letzterer
fehlt bisweilen die eine Spitze, sodass eine annähernd gerade
Front entsteht, genau wie bei den oben besprochenen Hütten
und Gräbern ^. Der Boden ist zunächst concav wie bei den
primitivsten Hütten, dann eben; er liegt stets beträchtlich tie-
fer als die Türschwelle ■'. Die Wölbung beginnt bei den ein-
fachsten (Trabern vom Boden an ; wo senkrechte Wände er-
scheinen, sind sie doch von den flachen Kuppeln nicht scharf
' Die umfangreiche Litteratur kann hier nicht anfjjeführt werden. Es
werden deshalb nur ]ielege für die Haupttypen sowie für Ausnahmen ge-
geben.
- /!////. pal. l.S')2 T. I 9, S. 15 ff.
■' Jhill. pal. IS'tl T. IV, vS. 53 ff.; l.SS«) T. VI ; 1<S<)2 T. I (Castelluccio).
Not. sc. 1880 T. 10 vS. 35() ff. Einiges auch bei :M()ntehus, Orlnü n. Europa
S. 1 05 f. Abb. 222, 224.
' Bull. pal. 1891 T. IV ') (Ab1). 14).
•■' Im ägäischen Krei.se selten: .////;//,// \'I II .S. 252 ; ThnaW S. '»5 ;
AI heu. Milien. \ 903 vS. 244.
ZI'R CrKSCHICHTI-: DKS KURVEXHArS 355
abgesetzt. Bisweilen begegnen Nischen, selten Wandbcänkc.
Der Zugang liegt teilweise ganz frei, teils ist ein runder oder
ovaler Vorplatz hergestellt, öfters erscheint nur das Segment
eines solchen, ganz wie bei den sardinischen (jigantengräbern
und bei spanischen Kup])elgräbern '. (iclegentlich findet sich
eine kleine runde oder oxale Vorkammer, deren I)oden höher
liegt als der des Hauptraumes. Die Cxräber der ersten Epoche
sind also bis ins Kleinste getreue Abbilder von Rundhütten,
wie die fdtesten italischen.
Abb. 15.
Für die zweite Epoche bezeichnend ist das Nebeneinan-
der von altitalischer und ägäischer Bauw^eise. Beide erschei-
nen in ganz reinen Beispielen, daneben finden sich jedoch
naturgemäss die mannigfachsten Mischformen. Ehe sie das
Feld räumt, hebt sich die alteuropäische Architektur durch
Vervollkomnmung der Technik und des ästhetischen Empfin-
dens noch zu beträchtlicher Höhe empor, wenn sie auch den
Vergleich mit der Parallelerscheinung im Osten, den Kuppel-
gräbern von Mykenae und Orchomenos, freilich nicht verträgt.
Die Gräber von rein ägäischem Typus sind annähernd
rechteckige Kammern mit vollkommen ebenen Wänden, fla-
cher Decke und wenig oder garnicht vertieftem Boden -. Eine
Vorkammer findet sich nie, eben.sowenig Wandnischen ; da-
gegen erscheint ein viereckiger Vorplatz, ein Türgang ■' und
1 Z. B.Abb. 15 {Bull. pal. 1892 T. I b); vgl. Monteliu.s. Or.«.^7/r. vS. 49,154.
Mykenische Gräber wie Perrot-Chipiez VI .S. 399 ähneln wohl nur zufällig.
- Mo7i. Lilie. IX S.42 Abb. 3, vS.46 Abb. 5 (mit Beigaben zweiter Epoche).
'^ Lange Türgänge sind häufig bei den mykenischen Felsgräbern, z. B.
in Spata, Perrot-Chipiez VI S. 413. Aufs Äusserste getrieben ist die Nei-
gung, jede Tür mit einem langen Gange auszustatten, bei den ägyptischen
Königsgräbern des neuen Reichs, den vSyringen von Biban el Moluk ; dort
scheint freilich religiöse Absicht vorzuliegen.
356 E. PFUHL
eine Türnisclie, die sich bis zu einem geschlossenen Vorbau
mit Pfeilern auswächst. Zwei solche Pfeiler sind frühdorisch
profiliert, obwohl das Grab sicher vor der Zeit der griechi-
schen Kolonisation entstanden ist '. In vollstem Gegensatze
hierzu steht der rein europäische T}pus : kreisrunde oder
ovale Kammern, teils bienenkorbförmig, teils mit cylindri-
schen Wänden und flacher Decke, sowie stark vertieftem
Boden — alles ganz wie in der ersten Epoche, nur technisch
und ästhetisch vollkommener -. Eine rundliche Vorkammer
ist sehr häufig, ebenso Wandnischen, deren Zahl bis zu neun
steigt •', sowie Wandbänke. Türgang und Türnische fehlen.
Zwischen .diesen beiden Haupttypen hat eine rege Mischung
stattgefunden, und zwar dringen die Bestandteile des ägäischen
Typus in den europäischen ein : vor runden Kammern erschei-
nen rechteckige Vorplät;ie und Türnischen'*, und die Kammern
haben oft einzelne gerade Wände oder sind viereckig mit leicht
geschwungenen Wänden und abgerundeten Ecken •'.
Auf Einzelheiten wie die Abtreppung der Türwandung,
die ähnlich in Sardinien begegnet '\ die Verzierung der Tür-
platte, das Eindringen des Ouaderbaus, die Bildung des Kup-
pelscheitels, soll hier nicht eingegangen werden. Es sei nur
bemerkt, dass auch das Auftreten einer Kuppelspitze offenbar
auf ägäischem Einfluss beruht '.
Die dritte Epoche zeigt den vollständigen Sieg der ägäi-
schen Architektur: die Kammer ist fast immer annähernd
rechteckig mit geraden Wänden und flacher Decke, selten sind
die Wände noch leicht geschwungen oder ist der ganze Raum
ovaloid mit Kuppel. Der Boden ist nie vertieft, die Vorkam-
' Mou. Line. VI S. 1 14 f. Abb. 20 ff. Dieser Vorbau ist mit einer ovalen
Kammer verbunden. In dem ausgeraul)ten Grabe fanden .sich eine kleine
mykenisclie Amphora, Scherl)en sicilischer Gefässe zweiter Epoche und ein
kleines Steinbeil.
- Bull. pal. 1891 T. X.
•' Archivio stör, sfcil. 1880 .S. 135 Abb. 1. Tafel.
■* Mon. Line. II S. 22, VI S. 1 1 4 f.
" Mon. Line. IX S. 47—63 Abb. 0 — 17.
" Mon. Line. XI S. 48, .\bb. 25.
' Orsi, Not. sc. 1904, vS. 95.
Zl'R (IHSCHICHTE DES I< T K\-I-:X l'.AUS 3v57
liier felilt, ebenso die Xiselieii. Wandbänke sind h.'infi.i^- '. Mit
dem \'ordriii}^en der ^riechiselien Kolonisation erliselit die
alte Knltnr der vSiknler völlig-.
Durch die Hetraclituii«^ dc-r italischen und sicilischen
Funde ist der vSchlnssstein für den I>e\veis des ersten Teils
unserer Tliese ^'ewonnen : wir iiabeii die alteuropäische Kur-
venarchitektur vSchritt für vSchritt vor der orientalisch-ägäi-
scheii Bauweise /urückweichen sehen; nur in der religiösen
und in der niederen Profanarcliitektur sind in Italien Spuren
des Altheimischen bewahrt worden. Es fragt sich jetzt, in
welchem Verhältnis Sicilien und Italien zu den anderen Län-
dern und Inseln des Westens stehen. Dass Sardinien, die Bale-
aren, Spanien und vSüdfrankreich, Malta und Pantellaria eine
kulturelle Einheit bilden, zu welcher auch Nordafrika Bezie-
hungen zeigt, hat man vornehmlich wieder an der Hand der
Architektur erkannt, und neuerdings hat Mayr den Nachweis
im Einzelnen geführt -'. Er kommt zu dem Ergebnis, dass
mehr Unterschiede als Beziehungen zwischen dieser Archi-
tektur und der \on Italien und vSicilien beständen. W^ir kön-
nen dem nicht beipflichten, schliessen uns vielmehr im gros-
sen Ganzen der Kritik von Colini an, welcher die gesamte
vorgeschichtliche (irabarchitektur Südeuropas als eine Ein-
heit betrachtet '. Auch Colini zieht die Grenzen noch zu eng,
indem er sich nur auf die Kamniergräber stützt und diese
vom Süden nach dem Norden sich verbreiten lässt. Die Grab-
architektur ist aber von der des Lebens nicht zu trennen.
W^enii Mayr ferner nicht nur die Bexölkerung, sondern
auch die Architektur von Alalta und Pantellaria aus Afrika
herleitet, so ist dazu Folgendes zu sagen : das Auftreten von
Grabanlagen in Nordafrika, welche den -S'cs/ von Pantellaria
ähneln, aber primitiver sind, berechtigt nicht, die SVsi und
damit alles Verw'andte von diesen, übrigens durchaus unda-
tierten, Anlagen herzuleiten; der Tatbestand: die entwickelte
Architektur der .SV'.sv'. y/irag/ir, Talayof auf der einen, die
1 Bull. pul. 1894 T. II, 1892 T. I (Tremenzano). Mon. Line. IX S. 1 34 f.
'^ Abhdl. d. bayr. Akad. 1901 S. 705 ff.
^ Bull. pal. 1 902 S. 204 ff.
358 E. PFUHL
kümmerliche, lokaler Weiterbilclun,^' entbehrende Paralleler-
scheinung" in Afrika auf der anderen vSeite, machen einen
umgekehrten Hergang sogar wahrscheinlicher. Dass Dolmen
und Steinkreise, die sich ebenfalls in Nordafrika finden, pri-
mitive Formen sind, aus deren Auftreten auf ethnische Zu-
sammenhänge nicht geschlossen werden darf, hat AIa}r selbst
mit Recht gegen Perrot ausgeführt; er legt denn auch auf
diese Übereinstimmung Nordafrikas und Südwesteuropas kein
besonderes Gewicht '.
Wir behaupten : die von INIa^r zusammengefasste süd-
westeuropäische Architektur zeigt zwar gewisse lokale Eigen-
heiten, gehört jedoch als ein (xlied zu der grösseren Einheit
der alteuropäischen Kurvenarchitektur; wie auch hier schon
früh orientalisch-ägäische Elemente eindringen, ist von den
Erforschern der einzelnen Inseln und Landschaften hervor-
gehoben und auch von Mayr nicht verkannt worden. ]\Iayr,
der auf seinem engeren Gebiet die Zusanmienhänge sehr rich-
tig sieht, verwechselt bei dem Vergleiche mit Sicilien und
Italien das Wesentliche mit dem Zufälligen. Selbst wenn man
in den INIalteser Anlagen vom Typus der Gigantcia offene
Tempel sieht -, so ist die bis ins Kleinste gehende Ähnlich-
keit des Grundrisses mit sicilischen Felsgräbern doch gewiss
schwerwiegender als der Unterschied von Bruchsteinbau und
Felshöhlung ; '^ die sicilische Hütte von Monteracello mit ih-
ren Orthostatenplatten entspricht überdies auch technisch
* Mayr beschränkt seine Afrikanerliypothese vorsichtig auf Malta
lind Pantellaria ; aber da er sich auf die Architektur stützt, müsste er sie
folgerichtig auf den ganzen Bereich der südwestlichen Architektur ausdeh-
nen. Diesen weiteren Schritt tut ürsi, Mon. Line. IX S. 495 ff., indem er alle
iberisch-ligurischen Stämme aus Afrika kommen lässt. Wir müssen uns zu-
nächst begnügen, an den Denkmälern die Kulturzusammenhänge aufzuwei-
sen; die ethnologische Frage kann auf diesem Wege allein nicht entschie-
den werden.
* Was Colini sehr mit Recht bezweifelt, angesichts der erhaltenen An-
sätze der Kragwölbung und der Spuren des Totenkultes; dazu kommt die
weitgehende Analogie sicherer Grabanlagen von Spanien bis Irland.
■' Man vergleiche nur un.sre Abb. 16 {Bull. pal. 1902 T. II 7 ; vgl. 1 889
T. VI, III, 1892 T. I 17) mit Perrot-Chipiez III vS. 298 Abb. 221. Undatierte
malteser Felstholos mit senkrechtem Schacht: ebenda S. 22b Abb. 1 b2 f.
ZUR f.lCSCIIICIlT]': Dies KCRVEXr.AUS 359
den ^Malteser Tciiii)elii. Wenn ferner die I)e\v()hner \on Pan-
tellaria mit ihren nnvollkonnnenen Werkzeu^^en — sie liaben
das Metall sehr spcät erhalten — ihre ovalen Grabkammern
nicht in den sehr harten Fels einarbeiteten, sondern in o-rosse
Bruchsteinmassixe einbauten, so ist dies doch auch nur eine
lokale Besonderheit '. Werfen wir einen vergleichenden Blick
auf das vormykenische vSyros : die dortigen (rrabkammern
stehen zwischen den sicilischen und denen \on Pantellaria;
sie liegen am Abhang, sind aber aus Bruchsteinen erbaut;
ausserdem sind viele der Kammern von vSyros bereits ganz
oder teilweise geradlinig wie die sicilischen, ein Fortschritt,
den man in Pantellaria auf den Hausbau beschränkte, wäh-
rend man im Totenkultus konservativer war. Ziehen wir die
ji'-^^*^..
A1)b. 16.
Vergleichslinien noch weiter: die Burg von Altsyros hatte
steinerne INIauern mit halbrunden Türmen; ganz ähnlich, nur
weniger regelmässig gebaut, ist die altsicilische Festung auf
dem ]\Ionte Finocchito, die man für vorgeschichtlich halten
muss -, und mit einer durchaus gleichartigen, nur noch etwas
roheren Mauer w^ar das Dorf ^lursia auf Pantellaria befestigt.
Die kleine Festung von Campos in Spanien endlich steht den
1 Vgl. Orsi, J/on. Line. IX S. 497.
-' Bull. pal. 1S97 S. 17') T. \'III. Orsis Aniialime oriechisch-arcliaischen
Einflusses ist unter dem Kindruck der viereckigen troischen und niykeni-
schen Türme entstanden ; die Burg von Syros war ihm noch unbekannt ;
lange vor 1000 wird man sich die Festung auf dem Monte Finocchito frei-
lich nicht angelegt denken. il:\ ihre Friedhöfe durchaus der dritten .sikeli-
schen Epoche angehören.
360 E. PFUHL
Kykladenburgen besonders nahe '. Wo bleiben da die wesent-
lichen Unterschiede? Wenn ferner die Nuraghni und Talayot
Gräber sind — was sie doch vielleicht ursprünglich waren, als
die Lebenden in vergänglichen Hütten wohnten—, so sind sie
ähnlich zu beurteilen wie die Sesen; es ist ja doch kein We-
sensunterschied, ob man über der Bruchsteinkammer einen
Erdtumulus aufschüttet oder einen Steinmantel baut; man
erinnere sich nur der Gräber von Assarlik in Karien auf der
einen, der Steintumuli von Altsnnrna auf der anderen vSeite -.
Bei befestigten Wohnhäusern hinwieder ergibt sich eine sol-
che Bauweise in steinigen Gegenden von selbst, wie wir der-
artige Zufluchtstürme denn auch bei den altarabischen Bedui-
nen gefunden haben •'. Machte man grosse Nuraghenbauten
später zu Festungen mit Rundtürmen \ so springt die Ähn-
lichkeit mit den Kykladenburgen, mit dem Monte Finoc-
chito und Mursia in die Augen. Kleine Xuragheii schliess-
lich scheiden sich in nichts von apulischen Truddhn alter
wie neuer Zeit; ■' sie teilen mit diesen wie mit den itali-
schen Hütten und den sicilischen Felsgräbern die Vorliebe
für Wandnischen.
Wenden wir uns dem Ovalbau mit gerader oder konkaver
Front zu, der für die westliche Architektur so bezeichnend
ist: auch diesen Grundriss haben wir bereits an der Hand
italischer Hütten und sicilischer (iräber besprochen; neu ist
nur die gelegentliche konkave Bildung der Front, die Mayr
ansprechend als Rudiment eines runden Vorplatzes auffasst;
dieses Rudiment haben wir aber auch schon bei den sicilischen
Felsgräbern gefunden. Endlich ein Blick voraus: griechisch-
archaische Bauten wie das «Heroon von Thermos und der
vSüdbau des Buleuterions von Olympia zeigen denselben Oval-
bau mit gerader Front wie die Gigantengräber, Xavcta u.s.w.:
auch die mittlere Säulenstellung des Buleuterions finden wir
schon bei einem Naveta und sogar bereits bei einem Grabe der
^ Siret a. a. 0. T. 9.
* Perrot-Chipiez V S. 317 Abb. 215, S. 4.S f. Abb. 14—17.
^ Oben S. 340.
* Mon. Line. XI vS. 129 (Pinza).
° Perrot-Chipiez IV S. 52 f. Abb. 34 f.
ATIIEX MITTKILUNGKN 1905.
TAKKI. XIV.
INSCHRIFT VOM MAUERBAU KONONS.
J. B. OBEENETTER, MÜNCHEN.
ZUR (nCSCIIICIITI': Dies KrRVFA'I'.AUS
361
Kn|)fcrzeit in S])aiiicii '. lis bedrirf wohl keines Kinj^cliens auf
Hin/elliciten mehr, um die Zuj^eliöriokeit der von Alayr behan-
delten südwesteuropäischen C.ruppe zu unserer i|;-rossen Ein-
heit zu erweisen. Nur das Einch'ino-en des vierecki_^en Planes
wollen ^^•ir an der Hand einer kurzen Übersicht xerl'ols/en.
Al;l). 17,
Ausschliesslich oval bis rund sind die Kammern der AV-
srii, Niiraglioi, Talayot, der spanischen, portugiesischen und
südfranzösischen Kuppelgräber -. Die Tempel von Malta
sind oval mit halbcylindrischen Nischen bezw. Apsiden an
der Langseite ■\ Ihre äussere Umfassungsmauer — unserer
Ansicht nach die Stützmauer der Erdanschüttung — ist oval
mit konkaver P>ont; ganz ebenso sind einzelne sardinische
Gigantengräber gestaltet, und Spuren konkaver Frontbildung
finden sich auch bei den Xaveta und bei den - Hauptgebäu-
den:- der Balearen, obwohl bei diesen eine gerade Front Regel
ist^. Bei den Gigantengräbern nähern sich die Langseiten
schon stark der Geraden und der Innenraum ist bisweilen
rechteckig;-^ seine Schmalheit legt es aber nahe, diese Form
wie bei den allces couvrrfcs aus dem Dolmenbau, nicht aus
' Abb. 17, aus Montelius, Or. ic. Eitr. S. 57 Abb. bb ; v.i^l. vS. 53 Abb. bO.
- Monteliu.s a.a. O. vS. 47 ff. Abb. 48 ff. ; vS. bO, Abb. 71a; .s. a. A/oa. IJiu.
XI vS. 135 Abb. 79. Noch in der Normandie finden sich Grabanlafien, die
den Sesen nah verwandt sind, Montelius, vS. bl f. Abb. 72.
■' Mayr, Plan I — III. Perrot-Chipiez III vS. 208, Abb. 221, v^l. S. 301,
Abb. 225.
■* Mayr, S. 713, Abb. 14 — 18 ; MonteUus, Or. u. Eiir. 8. 5b f. Abi). b4 —
bb ; Cartailhac, Monuments primitifs des iles Balc'arcs Abb. 10, 13, 14, vj^l. 27
^ Moii. Line. XI S. 255 ff; Mayr S. 713, Abb. 17.
362 E. PFUHL
dem Hausbau lierzuleiten. Rechteckige (iräber ne1:)en gerun-
deten und ^lischfornien beider finden wir nur unter den sar-
dinischen Felsgräbern, die den sicilischen nahe verwandt
sind 1. vSie allein bezeugen die Kenntnis des viereckig-en Pla-
nes auf Sardinien; denn geradlinige Hausüberreste vorphöni-
kischer Zeit oder doch Typik scheinen dort bisher nicht nach-
gewiesen zu sein -. Unter den Häusern und Kelleranlagen
von Malta fehlt der viereckige Grundriss ; es herrschen durch-
aus Ellipse, Kreis und Halbkreis ^. Auf Pantellaria, den Bale-
aren und in Südostspanien finden sich neben den genannten
Kurvenbauten viereckige Häuser ungefähr der gleichen Zeit,
in welcher die ägäische Bauweise in Sicilien eindringt '. In
Portugal endlich begegnen Rundhütten mit mehrsäuliger,
abgerundeter \"orhalle, eine Form, die wir bereits bei einzel-
nen italischen Hüttenurnen kennen lernten, und sj^äter dane-
ben viereckige Häuser, z. T. mit abgerundeten Ecken •''. Wir
schliessen hiermit den Nachweis der ursprünglichen Einhiet
der vorgeschichtlichen Kur\-enarclntektur Euro23as und ihres
allmählichen Zurückweichens vor der orientalischen o-eradli-
nigen Bauweise. Wenden wir uns jetzt dem Weiterleben der
Kurvenarchitektur in geschichtlicher Zeit zu.
vSelbstverständlich ist zunächst, dass sich die primitive
Rundhütte bei den niedrigsten Volksschichten der klassischen
Länder ebenso erhalten hat, wie sie dort und anderwärts noch
heute erscheint. Gerade in Ländern von hoher Kultur pflegen
solche Überreste des Alten besonders i^rimitiv zu sein und
sogar zurückzubleiben hinter den Leistungen peripherischer
' Mon. Line. XI vS. 38 ff. (Pinza). Not. sc. I ')U4 passim (Taranielli).
^ Ein als Erzgiesserei benutztes Rundhaus s. Not. sc. 1 8S2 S. 308, T. 17.
■' Mayr, .S. 715.
^ Pantellaria : Mon. Uiic. IX S. 458 ff. Abb. b — 8. Balearen : Cartail-
liac a.a. O. S. 10 ff. Abb. 5 ff. Spanien: Siret a.a. 0. S. 173, T. 57; vgl. T. 6,
13, 17, ()1 ; ovale Hüttenböden: Cartailliac, Les dgcs prc'liist. de I'Esp. et du
Port. S. ()7f.
•' Cartailliac rln-uda vS. 274, 282 f. Es handelt sich hier freilich um pro-
vinziellen Archaismus, denn auch die ältesten dieser Häuser reichen nur
bis in die erste Eisenzeit zurück.
ZUR C.ESCHICHTl'; DlCS K T R VI':XI?AUS ^f^^
\'()]ker, die sich in Ijrcitcn .Scliichlcn nie iil)er den xort^e-
schiclitlichen Znstand erlicl)en. Die fast j^anz unterirdischen
Hänser der IMn-\ t^er, Armenier, Oernianen, die Xenophon,
Vitrnv nnd Tacitns l)eschreiben, erforderten eine viel sor«^-
fälti<?ere Anlage nnd waren wolmliclier als die Hütten ans
Zwei<^en und vStroh, welche sich ^griechische und italische
Bauern und Hirten bauten nnd bauen '. Eine andere, schon
\-on ^lontelius hervorgehobene Erscheinung- ist das Weiter-
leben alter Hausfornien in den Wirtschaftsgebcäuden. Eür
Griechenland bietet die Odyssee das älteste Beispiel: im Hofe
von Odysseus' Palast steht die Tholos, ein Nebengebäude,
dessen besondere Bestiunnung man nicht erfährt "-'. Wir erin-
nern uns hier der bienenkorbförmigen Speicher, die auf ägyp-
tischen und wohl auch auf assyrischen Darstellungen neben
viereckigen Häusern erscheinen. Das gleiche Nebeneinander
finden wir noch heute vielerorts, so in Einnland, wo neben
dem Wohnhause mehrere runde Wirtschaftsgebäude stehen:
Scheune, Stall und Küche. Zumal letztere ist im Norden häu-
fig in einer kleinen Rundhütte untergebracht, ein merkwür-
diges Beispiel für das zähe Festhalten am Ge\vohnten und
die beste Bestätigung dafür, dass man den Rundtempel der
Hestia-Vesta mit Recht auf die Rundhütte mit dem Herde
zurückführt •'. Fast ganz imterirdische, den Häusern der Phr)--
ger und Germanen im Princip genau entsprechende Anlagen
dienen heut in Russland als Getreidedarre^ und in Griechen-
land pflegte man in klassischer Zeit tholosförmige Keller-
räume als Getreidespeicher zu benutzen : der Vorratsraum,
der sonst neben dem Hause steht, ist hier darunter ange-
legt, Man könnte darin städtische Platzersparnis sehen, wenn
nicht schon in vorgeschichtlicher Zeit auf Malta und in Spa-
1 Oben S. 340— 1. Tacitus, Ger man. I b, Vi>l. Plinius Xat. h/st. XIX 9.
- X 442, 46b. Vgl. Tsuntas, 'Ecpi]j(,. d(>y.. I8S5 vS. 31 ff. Dörpfelds Vermu-
tung (.J/Z/fv/. Mit teil. 1005 vS.I52) ist unhaltbar, in.sofern der Rumlliau aus dem
runden Altare hergeleitet wird — die alte, durch Helbig.s l'ntcrsuchung erle-
digte Erklärung (Pyl, Die griechischen Rundhaiitm S. 88).
" Archiv a.a. O. S. 458 f.
* Montelius, Or/etit u. Europa S. 41 Abb. 38.
364 E. PFI'HL
nien ganz ähnliche Kellerräunie \orzukoninien schienen '.
X'erfolgen wir jetzt das Weiterleben der alten Formen
im Knltus der Götter und der Toten. Bei den (rräbern führt
nur ein schwacher Faden \on der archaischen in die helleni-
stische Zeit; und selbst angesichts der im F'olgenden aufge-
zeigten Kontinuität im Kultus der grossen Heroen und der
Götter könnte man schwanken, ob hier eine unmittelbare
Überlieferung oder nur eine Folgeerscheinung der allgemei-
nen \'erbreitung des Rundbaus im Hellenismus \orliegt. Der
( Trabbau als Spiegelbild des Hausbaus hat eben die ältesten
Formen doch nicht so zäh festgehalten, wie die mit dem
Hause verbundenen Kulte. Schon im vornnkenischen Syros
war ja der rechteckige Crrundriss eingedrungen, in Mykenae
herrscht er bei den Grabkammern des \'olkes durchaus vor
und in Sicilien hatte er zur Zeit des geometrischen Stiles den
runden Plan fast völlig verdrängt. Länger hielten sich das
runde und das ovale Grab in Kreta -, und in Thera ist das
Verhältnis noch um 600 genau so wie bei den FelsgTä1)ern
von Mykenae: zwischen vielen viereckigen Cxräbern wenige
runde. In Thera finden sich die letzten griechischen Ellipsen-
gräber und die letzten Mischformen mit zwei oder drei gera-
den Wänden und einer Bogenwand; später begegnen nur noch
kreisrunde Gräber. In klassischer Zeit sind im Osten nur Spu-
ren des Rundgrabes nachzuweisen, so der Kuppelraum im
Löwengrabe \ou Knidos ■'. In Etrurien steht in archaischer
Zeit die Bruchsteintholos ebenso wie in Kreta und in Thera
neben der viereckigen, durch Überkragung bedeckten Kam-
mer^; auch die ovale Form begegnet in dem Grabe Regulini-
' Mayr, S. b98 f.. 724. Soviel für die Erklärung der Silos als Kellerräunie
spricht, bleibt doch die Art des Auftretens menschlicher Gebeine bedenklich.
Sekundäre Beisetzungen im Hause würden anders aussehen. !\Ian winl wei-
tere Funtlberichte abwarten müssen.
- Das erste grosse Kuppelgrab vormykenischer Zeit in Kreta veröffent-
licht soeben Halbherr in den Mfinoiir ,i,/l' Istitiito Lombanfo 1905 S. 24S ff.
Unzugänglich geblieben sind mir Savignonis und Paribenis Arbeiten über
die Nekropolen des phaistischen Gebiets, J/c;/. Lim. XIV S. 501 — 75(1.
' Newton, D/siorrr/es T. t)2, S. 50.i.
^ Milani. S/in// c materiali 1002 S. S2 .\bb. 2bS. Monteliu.s, Z(? c/r. /r.
T. Ibb, 172. Rom. Mitt. 1904 S. 244 ff. (Petersen).
ZUR GESCHICHTE DES KURVENBAUS 365
Galassi'. Runde Felskaiimiern, teils selbständige Gräber, teils
Nebenräume grösserer rechteckiger Anlagen, finden sich wei-
terhin mehrfach, aber es sind seltene Ausnahmen von der
Regel. Ob und in wie weit sie in die klassische Zeit hinein-
reichen, vermag ich nicht zu sagen-'.
Erst in hellenistischer Zeit treten überall wieder Rund-
gräber auf, unterirdische Kammern sowohl wie monumentale
Bauten und dekorative Nachbildungen von solchen. Bei den
ersteren springt der Zusammenhang mit der vorgeschicht-
lichen Architektur in die Augen. Betrachten wir zwei kampa-
nische (yräber''. Die Tholos von Kyme zeigt an der Wand
eine Anzahl kleiner Nischen; man vergleiche damit ein altsi-
cilisches Grab, wie das oben S. 356 Anm. 3 herangezogene.
In Neapel fand sich eine Anlage, die aus rundem Hauptraum
und rechteckigen Gräbkammern besteht : das Prinzip des
Atreu.s- und Minyasgrabes. Angesichts der erwähnten etruski-
schen Gräber wird man hierin Überlieferung sehen dürfen^.
Was die runden Grabbauten des Ostens betrifft, so hat man
zu bedenken, dass die Heroisierung aller möglicher Toten in
hellenistischer Zeit immer mehr um sich griff; man könnte
also die sepulkralen Rundbauten von den im Folgenden be-
sprochenen grossen Heroa herleiten, falls man keine direkte
Überlieferung der Form annehmen will. Es werden nur ein-
zelne Beispiele genannt. Eine besonders stattliche Ruine
eines runden Cirabbaus steht am Hafen von Lindos''. Dekora-
tive Nachbildungen peripteraler Rundbauten dienten in Ta-
' Montelius, La civ. pr. T. iii. Jedoch scheinen die beiden elliptischen
Kammern dieses Grabes spätere, in die Erde des Tumulus getriebene Zu-
sätze zu sein, immerhin noch des VII. Jahrhunderts. Vgl. die grottc des fces
und ein ähnliches Grab auf Mallorca, Montelius, Or. u. Eur. S. 54 und 5''.
• Canina, Etniria »uirittima I T. 40, 8, T. 71, 4 (^ Moniniiniti II 1 ')) II
T. 101, 1-2 (= Montelius, La nv. pr. T. 30b, b), 3, T. ^7, 5; bei letzterem
Grabe ist die Verbindung von rundem Hauptraiim und viereckigem Neben-
raum mit Segmentapsis bemerkenswert. Endlich Montelius Z(/ c/?./)/-. T. 21 2,
1, 2. S. a. S. 368 Anm. 3.
•' Kyme: Mon. Lim: XIII S. 210 ff. Neapel: cbnu/a VIII S. 220.
■* Vgl. Pinza, Atti d. Congresso sforico S. 4b5, 1.
^ Arch. Anz. 1 904 S. 209.
366 E. PFUHL
na^ra wie in Corneto als Grabmäler'; eine kleine Terracot-
tatholos dieser Form ist in Eretria, höchst wahrscheinlich als
Grabbeig-abe, g-efunden worden -.
Ganz offenbar ist die religiöse Absicht bei den dem gros-
sen Heroenkultus dienenden Rundbauten. vSicher bezeugt
durch die Altarinschriften ist nur ein älterer, wohl dem fünf-
ten Jahrhundert angehöriger Bau, das Heroon von Olympia''.
Der runde Kultraum ist eingebaut in den einen von zwei
viereckigen Räumen mit gemeinsamer Vorhalle, ein gewalt-
samer Ausgleich der alten und der neuen Grundrissform, wie
er sich ähnlich schon bei kretischen und theräischen Gräbern
findet. Die gleichen Grundzüge zeigt der Rundbau im Gym-
nasium von Thera ^, in welchem ein archaischer Altar, Tier-
knochen, Scherben und Vorratsgefässe gefunden worden sind.
Der Schluss liegt sehr nahe, dass dort ein palästrischer Heros
verehrt wurde. Ein derartiger ovaler (fast runder) Raum be-
findet sich auch im Gymnasium von Eretria, doch fehlt jeder
Anhalt für die Ermittelung seines Zweckest Schliesslich wer-
den wir im Folgenden sehen, dass wahrscheinlich auch einer
der alten Ellipsenbauten in Thermos ein Heroon war. — Wenn
man bedenkt, dass die Kuppelgräber, deren Form schon ihrer-
seits eine auf religiöser Überlieferung beruhende Ausnahme
war, zu vStätten langdauernden Kultes wurden'', so erscheint es
natürlich, dass die Form im eigentlichen Heroenkultus fester
gehalten wurde, als in der allgemeinen Sepulkralarchitektur. —
1 Arch. Jnhrhiich 1905 vS. 142 Anm. .lüb. Helbi^', Ffihrn- II S. 271 N» 1 17b
(Reisch).
- Brif. Mus. Cat. of terrae. C 210. Man vergleiche die kleinen Stelen, Pfei-
ler, vSäulen und Naiskoi, die in den Gräbern von M^-rina gefunden worden
sind, Pottier-Reinach, Xecropole de Myrina vS. 242 ff., Cutal. Xo 3^0 ff.
•' Olympia II T. 71 f. S. 105 ff.
■* Hiller v. Gärtringen, Thera I S. 200, 294 f.
•"' Aiiier. Journ. 1896 vS. 153. Die Erklärung als Schwimm- oder Dampfbad
ist angesichts der Grö.sse des Raumes und .seiner Lage innerhalb des Gebäu-
des unwahrscheinlich.
•^ Arcli. Jahrb. 1899 vS. 127 ff. (Wolters), vgl. Furtwängler und Löschcke,
.Vlykenische l'asen S. XI, aber auch Tsuntas-Manatt S. 131; ferner Bosanquet,
Anniial VIII vS. 242. Auch der spätere Kultus im Ku])pelgrabe von Orcho-
menos ist zu erwähnen, Frazer, Pausanias \' S. 189.
ZT'R GESCIIICnTE DES K T k X' IC X l!A TS 367
Helbigs Nachweis, dass die Hei]i,i^tümer der .^griechischen
wie der italischen Herd<^öttin auf die Rundliütte /urückg-eheu,
ist im V^orstehenden durch verschiedene Beobachtuno-en wei-
ter trestützt worden ; so findet sich bei nordeuropäischen
Bauernhäusern nocli lieute vielfach eine besondere Rundhütte
für den Herd und scheinen sich in altitalischen Dcirfern
Hüttenhcili.L^tünicr mit einem iintiidiis unter dem Herde nach-
weisen zu lassen. Auch der Kultus der Penaten und der
Laren scheint lange an der Rundhütte orehangen und letzte-
rer endlich die Veranlassung- gegeben zu haben, dass der
erste und daher auch viele spätere Kaisertempel rund waren ^.
Ferner ist hier der runde, wahrscheinlich als Herdheiligtum
dienende Raum in dem Palaste von Palatitza in Makedonien
zu nennen -.
N-eben der Herdgöttin und den Hausgeistern •' scheinen
auch andere Gottheiten ursprünglich in Rundhütten verehrt
worden zu sein. Zuverlässige Spuren weist in Griechenland
nur das konservative vSparta auf. Zwar die Skias, in welcher,
d. h. in deren Bezirk die Ekklesia stattfand, dürfte wieder ein
Herdheiligtum oder doch von ähnlicher Bedeutung sein. Aber
auch das höchste (rötterpaar, benannt Zeus Ohnipios und
Aphrodite Urania, besass einen Rundtempel am spartanischen
Markte^. Endlich mag man sich der axiaöts erinnern, in wel-
' Heibig, Italiker S. S 1 f., 54.
- Heuzey-Daumet, Mission en Mace'doinc vS. 202 ff. ]\Iontelius, Archiv a.a.O.
S. 4b5, nennt diesen dem vierten Jahrhundert angehörigen Bau uralt, unter
Berufung auf Dareniberg-Saglio.
' Zunächst nur die Penaten, später auch die Laren neben Vesta, vgl.
Wissowa, Archiv f. Religionswiss. 1904 S. 45. Wissowa hebt bei seiner Polemik
gegen Samter mit grossem Recht einen auch im Vorstehenden mehrfach
betonten Gesichtspunkt hervor, dessen Bedeutung gerade auf römischem
Gebiete besonders klar ist: die Eigenart der Völker nicht zu vergessen über
dem, was sie mit anderen Völkern teilen. Handelte es sich bei der Laren-
frage um Griechen, so hätte Samter wahrscheinlich Recht. Die Rundhütte
der Compitallaren ist vom Herdkulte unabhängig. Wenn die Rundbauten des
Augustuskultus, wie Heibig annahm, aus dem Larenkulte stammen, so mag
auch die damalige Gleichsetzung von Lar mit Heros dies begünstigt haben.
'' Pausan. HI 12 ; 10, 11. Reste dieses Heiligtums glaubt man gefunden
zu haben, Amrr. Joitrii. 1 893 .S. 4 1 0 ff.
368 E. PFUHL
chen das Festmahl der Karneen gefeiert wurde K Dass auch
der älteste Apollontempel in Delphi eine runde Laubhütte ge-
wesen sei, vermutet Tsuntas -. Auf die zahlreichen italischen
Rundtempel, welche, weil nicht limitiert, nie tfiiipla, sondern
nur acdrs genannt werden, hat schon Heibig hingewiesen •'.
\'on den übrigen Rundbauten klassischer bis frühhelle-
nistischer Zeit fällt nur das Odeion des Perikles ganz aus
dem Rahmen unserer Betrachtung heraus. Es scheint eine
aus dem praktischen Bedürfnis entsprungene, durchaus selb-
ständige Schöpfung der klassischen Zeit zu sein : es ist ein
bedecktes xA.mphitheater, die erste architektonisch geschlos-
sene Anlage dieser x^rt, in der äusseren Form angelehnt an
die sakralen Rundbauten ^. Die perikleische Zeit zeigt sich
auch in dieser freien Verwendung altgeheiligter Formen als
Vorläuferin des Hellenismus. — Die Bestimmung aller weite-
ren Rundbauten ist strittig oder ganz unklar; die daran an-
knüpfenden Fragen ausführlich zu erörtern, ist hier nicht
der Ort. Wir beschränken uns auf die wichtigsten Bauten.
Die Tholos von Delphi hat man mit dem Heroon des
Phylakos gleichsetzen wollen. Das ist lockend, aber den vor-
liegenden Zeugnissen gegenüber kaum aufrecht zu erhaltend
In späterer Zeit diente sie offenbar ihrer Form wegen als
Kaisertempel.
Das Philippeion in Ohinpia könnte man als Heroon von
Philipps Vater x\myntas auffassen; wenn der Eingang nicht
nach Westen gegen die Altismauer, sondern nach Süden in
den heiligen Bezirk hinein gerichtet sein sollte, so wäre dies
kein entscheidender Geg-ensfrund ''.
' Schöniann-Lipsius, Griecli. Altert. II S. 475.
- 'Eq)T]n. (XQx- '^85 S. 34, 1.
■' Hierher zu gehören scheint auch der leider nicht wissenschaftlich aus-
gegrabene Rundbau von Populonia, der auf einem runden Podium stand
{Xot. sc. 1 903 S. 1 0). Er scheint für einen Grabbau zu stattlich, war also viel-
leicht Heiligtum einer Unterweltsgottheit.
' Pienndorf-Tocilescu, Aiiamk/isst S. 144 Anm.
■"' Diels, Anh. Anz. 1 ')03 S. 203. Homolle, I^rviir de /'Art ,nu\ et iiiod. UJül
S. 3b4 ff. Pausanias X 8, b f. Herodot VIII 39.
" ülyvipia II S.133. Die Reste erlauben keine sichere Entscheidung.
ZUR CRSCIIICIITI^ DlvS KTUVENHATS 369
Zur Bestiiiiinnii,^' der Tholos xon l'^]:»i(l;uir<)s sei nur .ge-
sagt, dass der alte, neuerdings wieder verfochtene (Tedankc,
die heiligen vSclilangen hätten in den lab)'rinthartigen Kel-
lerräunien gehaust, doeh viel für sich hat '. Auch die runde
(irube im Asklepieion in Athen, über welcher später ein Te-
trakionion stand, könnte dem gleichen Zweck gedient haben;
denn Opfergruben pflegen anders auszusehen-. Wenn dem so
wäre, könnte man weitergehen und sagen, die Schlange sei
die Erscheinungsform des Asklepios als Heros; als solchen,
nicht als Gott betrachtete ja das delphische Orakel ursprüng-
lich den Asklepios wie andere Heilheroen, deren Kultus \or-
züglich auf der Incubation am (^rabe beruhte. Damit wären
wir wieder beim Heroenkultus angelangt. Aber das sind vor-
läufig reine Vermutungen.
Ganz im Unklaren bleiben wir über die Bestimmung des
Rundbaus der Arsinoe auf Samothrake. Wenn der grosse
Kabirentempel dort eine Segmentapsis hat und auch von
dem ältesten Kabirion bei Theben eine Bogenmauer erhalten
ist, so sieht man Avenigstens soviel, dass auch hier eine alte
Überlieferung zu Grunde liegt 'l
Wir wenden uns den Ovalbauten zu. An Gräbern haben
wir die Form bereits bis etwa 600 verfolgt. Von grossen Oval-
bauten archaischer Zeit war bis vor kurzem nur einer bekannt:
der Südbau des Buleuterions von Olympia; er stellt eine ge-
streckte Ellipse dar, deren eine Spitze in der Nähe des Brenn-
punktes abgeschnitten ist. Vier weitere Ovalbauten sind in
den letzten Jahren hinzugekommen, ihrer zwei sind höchst
wahrscheinlich Tempel. Von dem einen haben sich die Grund-
mauern unter dem alten Apollontempel in Eretria erhalten ■*,
von dem anderen liegen die Basen eines Peristyls von höl-
zernen Säulen unter dem Tempel von Thermos in Atolien •'_
Zu diesem ovalen Peristyl scheint merkwürdigerweise ^ ob
' Zuletzt Holwerda, Rhein. Jlhis. 1904 S. 352 ff.
'- Judeich, Topographie v. Athen, Plan II, S. 286.
* Untersjcchtingen a. Samothrake I T. XI, T. LIV ff. Michaelis - Sprinj^er
Aufl. S. 299 f. Abb. 531 f. Athen. Mitt. 1888 T. II, S. 89 (Dörpfeld).
* IlQaxTixä 1900 S. 53.
" 'Ecpri^i. dQX- 1900 S. 175 Beilage, S. 179.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX. 24
370 E. PFUHL
ursprünglich, fragt sich allerdings — eine rechteckige Cella
mit geböschten Wänden zu gehören. Neben dem Tempel von
Thermos liegen noch zwei weitere Ovalbauten ; der eine ist
noch nicht ausgegraben, der andere zeigt den Grundriss des
Buleuterions von Olympia. Im Innern haben sich einige
Gräber gefunden; der Bau ist also vermutlich ein Heroon l
Etwas genauer müssen wir den Südbau des Buleuterions
von Olympia betrachten-. Die Anlage ist bekanntlich in ihrer
jetzigen Gestalt das Ergebnis von mindestens drei Bauperio-
den; man hat zuerst einen der beiden Seitenbauten errichtet,
später den zweiten, dann hat man den Mittelbau dazwäschen-
geschoben — falls dieser nicht ein älteres Bauwerk ersetzte —
und das Ganze durch eine gemeinsame Vorhalle verbunden.
Die Frage, welcher von den beiden Seitenbauten älter sei, hat
Dörpfeld auf Grund der erhaltenen Werkstücke der Oberbau-
ten dahin entschieden, dass der Nordbau dem sechsten, der
Südbau, unsere Ellipse, der ersten Hälfte des fünften Jahr-
hunderts angehöre. Diese Datierung der Zierformen ist un-
zweifelhaft richtig, aber die erhaltenen Oberbauten brauchen
nicht die ältesten zu sein ; es wäre denkbar, dass die Unter-
bauten in umgekehrtem Verhältnis zu einander ständen. Die-
ser Verdacht wird bestärkt, wenn wirklich der Nordbau zwei
Stufen, der Südbau deren nur eine über der Euthynteria auf-
weist. Vielleicht ergibt eine Nachprüfung der Ruinen weitere
Anhaltspunkte dafür, dass der Südbau älter ist. Die zu ver-
mutende Erneuerung seines Oberbaus könnte bei Errichtung
des' viereckigen Mittelbaus stattgefunden haben. W^ie dem
auch sei, jedenfalls ist die elliptische Form des Südbaus nicht
zurückzuführen auf das Bestreben des Architekten, den Über-
gang von der geraden zur Bogenwand zu harmonisieren, son-
dern wir haben wirklich einen jener altertümlichen Ellipsen-
bauten vor uns. Wie eng der Zusammenhang mit der Archi-
tektur der Bronzezeit ist, wurde oben bereits durch den Ver-
gleich mit einem der (xrabbauten von den Balearen gezeigt:
schon hier findet sich die mittlere vStützenstellungf aussfebil-
' Ebemla lind .S. 1 80.
- O/ymp/a II T. 55 ff, vS. 7b ff.
ZITR GESCHICHTl': DES KrRVEXBAUS 371
det. Ähnliches begegnet bereits in der Kupferzeit in Spanien ^
Die klassische Baukunst hat den Ovalbau nicht über-
nommen ; nur die einfachere Form des kreisrunden Gebäudes
blieb bestehen. Wenn später elliptische »Stadien und Amphi-
theater auftreten, so sind dies keine Nachfahren der vorge-
schichtlichen Architektur, sondern Ergebnisse der optisch -
akustischen P>erechnung mathematisch gebildeter Architek-
ten. Ebenso wenig gehören Räume wie das N)mphäum des
palatinischen Flavierpalastes hierher: sie sind erdacht, um
das an gewohnten Formen ermüdete Auge neu zu reizen.
Höchstens bei dem ovalen Räume im Gymnasium von Ere-
tria könnte man Überlieferung vermuten, falls es sich einmal
nachweisen Hesse, dass er dem Kultus gedient hat; aber das
Zeugnis dieses fast kreisrunden Raumes ist unsicher und
vereinzelt.
Wir kommen zu den gemischten Plänen, die sich in hi-
storischer Zeit stets als Verbindung des Halbkreises oder
des Segmentbogens mit dem Rechteck darstellen. Viereckige
Bauten mit Segmentapsis fanden wir bereits unter den vor-
mykenischen Häusern von Sjros und in der Terramare von
Tarent, sowie bei mykenischen und etruskischen Gräbern 2.
Werkstücke eines peisistratischen Gebäudes dieser Form sind
in den Fundamenten der Propyläen verbaut -l Der gleiche
Grundriss begegnet bei der Cella des hellenistischen Kabiren-
tempels von Samothrake; * dieser Raum ist aussen geradlinig,
eine Lösung, welche wir bereits bei kretischen und theräi-
schen Ovalgräbern und bei dem Heroon von Olympia kennen
lernten. Auch dass die F'orm in Samothrake offenbar auf reli-
giöser Überlieferung beruht, wurde schon gesagt ^.
Häufiger ist die Halbkreisapsis. Sie erscheint in der spä-
ter vorwiegenden Weise abgesetzt nur bei einem wohl archai-
schen Bauwerk, das in tiefen Schichten neben dem delphi-
' Oben S. 361 Anm. 1.
- S. 365 Anm. 2.
■' Wiegand, Porosarchücktjir S. 155 ff.
■* S. 369.
° S. 365 ff.
372 E. PFFHL
sehen Apollontempel liegt. ^ Als Fortsetzung der Seitenwände
finden wir sie bei dem Nordbau des olympischen Buleuterions,
der in seinem (Gegensatz zum Südbau recht deutlicli die Ab-
kehr von der reinen Kurvenarchitektur zeigt, sowie bei einem
ähnlichen Bau in Heraklea am Latmos-. Auch die Halbkreis-
ajDsis wird bisweilen nach aussen durch gerade Wände mas-
kiert, so bei dem Tempel des Resef-Apollon auf Kypros ■'• und
bei dem in der Bauinschrift von Lebadeia beschriebenen Zeus-
tempel ^. Noch von zwei anderen Apsidenbauten in Böotien
haben wir Kenntnis, aber leider keine Aufnahmen"'; auch die
erhaltene vSegmentmauer von dem alten Kabirentempel bei
Theben hat nach Analogie des Tempels von Samothrake
vielleicht zu einer xA.psis, nicht zu einem Rundbau, gehört ".
Dies häufige Auftreten einer der klassischen Architektur
fremden Form in Böotien ist wichtig; es zeigt, wie die alten
Formen sich in der Provinz erhalten, bis sie im Hellenismus
neu hervortreten.
Wie häufig vom dritten Jahrhundert ab grosse und kleine
Rundbauten werden, ist bekannt. Die Tholos des Polyklet in
Epidauros und die Tholos in Delphi, über welche der Archi-
tekt Theodoros von Phokäa geschrieben hat ', erschienen der
Nachwelt als kanonische Bauten. Zu den ältesten hellenisti-
schen Rundbauten gehört das Arsinoeion auf vSamothrake.
Ein runder Aphroditetempel befand sich auf dem grossen
Nilschiffe des Ptolemaios Philopator \ Reste runder Grabbau-
ten sind vielerorts erhalten, ebenso andere Denkmäler von
der' Art des Lysikratesmonumentes und des Tropaion von
' Fouilles de Delphes V. BCH. 189b JS. 721, 1900 S. 142—4.
- Wiegand S.1b2. Vgl. auch die archaischen Felskalnmern in Kurion
(Perrot-Chipiez III S. 284 Abb. 216), die Kammern in der Mauer von Byrsa
{ebenda S. 352), das undatierte, aber doch wohl alte Brunnenhaus von Lar-
naka {ebenda S. 278) die Cisterne (?) von Alt.sniyrna [ebenda V S. 54 Ab1). 24.
•' Ohnefalsch- Richter, kyprr.s, d. Hihrl u. Ifonier T. \\.
* BCH. 1 896 T. IX.
" Wiegand vS.162.
'■ Athen. Amteil. 1888 T. II S. 8') (I)örpfeld).
' Vitruv VII, 1 59.
** Athenaeus V p. 205 d.
zru (•■i'SCHiciiT]-: i)i';s KrmT.xüAUS 373
Epliesos '. Audi die praktisclien Bedürfnissen dienenden Bau-
ten wurden immer mehr in den Kreis der arcliitektonischen
Kunst gezogen. Die cahiaria der griechischen Bäder hatten
bereits die in römischer Zeit ständige runde Form -, ebenso
höclist wahrscheinlicli die Centralbauten der Viktualien-
märkte, deren Name — iiiacclla — ja aus dem (rriechischen
entlehnt ist. Hinzu kommen die baldachinartigen runden
Brunnenhäuser. Endlich wurden kleine Rundbauten eine be-
liebte Form der Zierpavillons in den Gärten und Parks. Ein
anschauliches Bild dieser allgemeinen Verbreitung des Rund-
baus geben die Reliefs und Wandgemälde hellenistischer und
römischer Zeit.
Wir halten hier inne, um uns nochmals den sakralen
Rundbauten zuzuwenden, und zwar zunächst dem grossartig-
sten von allen, dem Pantheon''. Der erhaltene Bau ist bekannt-
lich ein Werk hadrianischer Zeit; das alte Pantheon des
Agrippa bestand aus einer runden Area, auf welche sich ein
breiter rechteckiger Temj^el öffnete, die jetzige Vorhalle. Von
dem Kuppelraume war also ursprünglich nur der Grundriss
vorhanden. Es fragt sich, ob diese Form mit besonderer re-
ligiöser Ab.sicht gewählt ist. Vielleicht lässt sich der Weg
andeuten, auf welchem eine Antwort gefunden werden könnte.
Runde Einfriedigungen sind eine uralte, sehr weit verbreitete
P'orm des Heiligtumes der Toten und der Götter. Das Pan-
theon war nun dem Divus Julius und den Göttern des juli-
schen Geschlechts geweiht; es wäre also denkbar, dass schon
bei der Anlage des x\grippa eine alte Überlieferung massge-
bend war; dem Geiste der augusteischen Zeit entspräche das
durchaus. Für den hadrianischen Rundbau kommt ausserdem
noch in Betracht, dass der Augustuskultus, wie wir sahen,
wohl in Anlehnung an den alten Hüttenkultus der Laren,
den Rundbau bevorzugte. Das ursprüngliche wie das spätere
Pantheon scheinen sich also in den betrachteten Zusammen-
hang einzufügen. \'on späteren Rundtempeln sei nur noch
i Österr. Jahnsh. VI S. 25(). vgl. I, Beiblatt S. T').
2 Aincr. Joiirn. 1004, S. 2 1 h ff . (Oiniadai). vgl. .\tlienaeus XI p. 501 d.
^ Lanciani, Ruins and excavations S. 476 ff.
374 E. PFUHL: ZUR GESCHICHTE DES KURVENBAUS
der des Roniulus, Sohnes des Maxentiiis, am römischen Fo-
rum erwähnt ^ Die Gesamtanlage zeigt eine zufällige Ähn-
lichkeit mit dem Buleuterion von Olympia; der eigentliche
Kultraum des vergötterten Toten ist wieder ein Rundbau.
Dass auch die altchristlichen Grabkirchen diesen Typus fest-
halten, hat schon der erste Bearbeiter der griechischen Rund-
bauten, Theodor P)'l, hervorgehoben -.
So hat sich die Form der primitiven europäischen Rund-
hütte, die durch die Berührung mit der entwickelten Bau-
kunst der Orientalen für die x^rchitektur verloren zu o-ehen
drohte, im Kultus erhalten, obwohl die strenge Formbe-
schränkung der klassischen Zeit sie fast ausgeschieden hätte.
Als sich dann im Hellenismus alle gebundenen Kräfte ent-
falteten, trat auch diese älteste Form wieder hervor und er-
fuhr eine Entwickelung, deren Höhepunkt das Pantheon
darstellt. Damit ist der Rundbau zu einem unverlierbaren
Gut der Weltarchitektur geworden.
Göttingen.
Ernst Pfuhl.
'- Lanciani vS. 21 I ff. Abb. 85. In der dem Zeitstile gemässen concaven
Frontbildung hat man schwerlich einen religiö.sen Archaismus zu sehen,
vgl. oben S. 355.
^ Pyl, Die griechischen Rimdbatiten S. 1 22.
375
relikffra(;ment in theben.
(Hierzu Taf. XIII).
Die Veröffeiitlicliuiig des auf Taf. XIII abt^ebildeten
Monuments bedarf kaum der Rechtfertigung-. Der Reiz, den
es als Kunstwerk, die Bedeutung, die es als kunsthistorisclies
Dokument besitzt, werden wohl manchem Besucher des Mu.
seums von Theben das Fragment lieb gemacht haben. Ich
selbst verdanke die Bekanntschaft mit ihm meinem lieben.s-
würdigen und tätigen Freunde, Herrn Ephoros Keramopou-
los, der eben im Begriffe ist, die Schätze des Museums von
Theben im neuen Hause aufzustellen und zu ordnen. Erst
während des Druckes habe ich dann erfahren, dass Herr
Gustave Mendel dieses Relief schon 1 893, eingemauert in
einer Kirche von Kopae-Topolia ^ gefunden und nach The-
ben hatte bringen lassen. Ich bin ihm für die aufs gütigste
erteilte Erlaubnis, seinen Fund vor ihm zu publiciren, um so
mehr zu herzlichem Danke verpflichtet, als sein Gliche schon
bereit Hegt.
Die linke Ecke eines Marmorgiebels mit einer liegen-
den Figur. Parischer Marmor von mittelgrobem Korn mit
bläulichen Einlagerungen, darauf feiner warmer, leicht röt-
licher Sinter.
Die Platte ist, an ihrer stärksten Stelle gemessen, 1 1 U mm
dick. Die obere, geglättete Fläche, die ehemals das (xiebel-
geison trug, heute noch \on der späteren Verwendung bunt
verputzt, hat am linken Bruchrand eine Breite von 60, am
rechten oberen eine von 75 mm. Die untere Fläche, auf der
die Tafel steht, ist in schräg laufenden feinen Raspelstrichen
geglättet und gleichmässig llümm schmal, die Rückseite
' Pausan. IX 24,1; dazu die bei Frazer. Pnitsanias' Descn'plion of Cjreece V
S. 1 3 1 ff. zusammentfestellten und ergänzten Nachrichten Reisender.
376 L. CURTIUvS
ganz grob gelassen, nur in derben vSchlägcn geebnet Nir-
gends ein Rest von Einarbeitungen.
Wichtige Folgerungen erlauben folgende Maasse : die
Senkrechte vom linken Ende der Platte unten bis zum obe-
ren Rande ergibt 1 95 nun, die \om oberen Rande rechts zu
den Zehen der ausschreitenden Figur 315 mm. Die Länge
von diesem angenommenen Punkt zum linken Ende der
Basisleiste ist 420 mm, die der schrägen Fläche für das Gei-
son 460 mm. Daraus ergibt sich ein linker Giebelwinkel von
1 7 Grad. Nun misst die liegende Figur ohne die hohe Kopf-
bedeckung bis zum Ansatz des Knies am Bruch 40 cm. Ge-
mäss den von Kollmann {Plastische A)iafoiiiic, 2. Aufl. S. 520)
aufgestellten Proportionen ergibt sich daraus eine Gesamt-
höhe der stehenden Figur von 59 cm; rechnen wir die oben
weggelassenen 4 cm der Kopfbedeckung, — deren Höhe für
Haube oder Helm auch für andere Giebelfiguren vorauszu-
setzen ist — wieder hinzu, so erhalten wir als mögliche Ge-
samthöhe einer aufrecht stehenden Figur des Giebels 63 cm,
ein Resultat, das dadurch kaum an Wahrscheinlichkeit ver-
liert, dass 0,656 m = zwei attisch -aeginaeischen Fuss sind ^
Dieses zweite ]\Iaass, des Spielraums wegen als höchste Gie-
belhöhe angenommen, ergibt eine Giebellänge von 4,88 m,
ein Maass, das bis auf einen verschwindend kleinen Rest fünf-
zehn attisch-aeginaeischen Fuss gleichkonnnt -'.
Das so in seiner Grösse rekonstruierte Giebelfeld (Abb. 1)
gehört zu den kleinsten, von denen uns Reste erhalten sind.
Nahe steht ihm an Grösse und X^erhältnissen das rekonstru-
ierte Giebelfeld vom Schatzhause der Kyrenaeer in Oh'uipia
{Olyinpia Textb. HI S. 21, Studniczka, Kyrcitc S. 32). Dieses
hat Dörpfeld für einen Bau von 4,85 m oberer Stufenbreite
' S. Dörpfeld, Athen. Mitteil. XV 1890, vS. 1 7 1 , Olympia Textbaml II ,S. 1 9.
- Für solche, denen dies rechnerische Resultat zu glatt erscheint, um
Glauben zu verdienen, sei bemerkt, dass ein um ein paar Centimeter — nur
über so viel kann Meinungsverschiedenheit bestehen — geringer angenom-
menes Höhenmaass der ideellen Mittelfigur zwar die Auflösung der Maasse
in aeginaeische Fuss aufhebt, die Hauptmaasse aber nur wenig ändert, und
dass alle weiteren Folgerungen von der Zustimmung zu ihrer so oder so
präcisierten Grösse unabhängig sind.
RELIlCFl'-RACniKXT IX TIIKHEX ,^77
bercclinet. Wir lioffen daher iiiclit weit vom Riclitij^en abzu-
irren, wenn wir für nnserii (riebel einen Ban x'on ^ ' ., ("> m
Breite anneluiien. Es lie«-t nahe, in diesem Hau das vun Pau-
sanias genannte Heiligtum der Demeter /u sehen (Paus. IX
24,2, r/6\SV//. r (=-/^;VII) 279.3), oder sieh der Rolle /.u erin-
nern, welehe die Amazonomachie auf Grabnicälern spielt. Al-
lein zu einem Beweis fehlt uns jedes Datum. So habe einst-
weilen alle weitere Speculation ein Ende.
Abb. 1.
Über den Erhaltungszustand gibt die Al)bildung hin-
reichende Auskunft. Dargestellt ist auf dem Fragment eine
im Kampf gefallene Amazone. Zwischen Leben und Tod, zwi-
schen eben Niedersinken und letztem Zusammenbrechen, mit
jener vorstellungsreichen Unentschiedenheit des ^Moments,
jener Lautlosigkeit der Geste, wie sie jeder Kunst nur ein-
mal gelingt. Die Linke, in der noch so viel Kraft ist, dass
der Körper nicht ganz auf die Erde sinkt, hielt wohl nach
Ausweis der ähnlichen Fig-ur auf einer altattischen Amphora
in Cambridge (Abb. 2 nach (iardner, Catal. Fifzwill. J/us.
Fl. VII 44 A) den Bogen. Die Rechte aber mit dem fächri-
gen Fingerspiel einer archaischen Hand g-reift nach dem
Köcher, um ihm in letzter Anstrengung einen Pfeil zu ent-
nehmen. Gewiss war der linke Fuss lang gestreckt, da ja die
Giebelecke Raum bot; und wo unter dem Knie der knapp an-
setzende Unterschenkel für die Überschneidung Platz Hess,
war vielleicht noch der Fnss des im Knie aufgestützten rech-
ten Beines sichtbar. Der Kopi ist zur vSeite gedreht, im letz-
ten Augenblick, ehe er herabsinkt. Gewiss, später sterben
378
L. CURTIUS
Amazonen in Schönheit:. In dieser ist ein letzter Rest
von zäher Kraft, die sich dem Tode nicht ergeben will.
Es ist kein Fluss in den Linien. Der doppelte Winkel,
den Arm und Knie bilden, ist ungemildert gelassen; der rechte
Arm stösst im rechten Winkel an die Linie der Haube, und
der Kopf fällt beinahe auf das Bein der nächsten Figur. Das
heissen wir keine Fehler, denn in diesen Zügen hat die Ge-
stalt doch auch ihre herbe Energie, der nun so zart durch ein
gerade entgegengesetzt scheinendes Streben begegnet wird.
Abi). 2. \'aseiil)il(l in Cain1)n(l,i^e.
Lst die Amazone mit deshalb so sehr Lieblingsmotiv
griechischer Künstler gewesen, weil sie halb Ephebe war?
Aber ist sie nicht andererseits auch zum Problem geworden,
in dessen Lösung Maler und Bildhauer allmählich eine neue
Art' der Erscheinung und des Gefühls darzustellen lernten?
In der Alünchener Penthesilea-Schale (Furtwängler-Reichhold
Griccli. l'aseiiiiialcn'i (^ FRV) Taf. 6) gelangt diese neue
Empfindung zum ersten Mal zu monumentalem Ausdruck.
Davon ist unser Relief noch weit entfernt. Aber nicht so weit,
dass nicht der Versuch gemacht wäre, die Figur von einer
männlichen deutlich zu differenzieren. Ein schlanker, biegsam
weicher Oberkörper auf Hüften mit breiten Schenkeln, jenen
der Iris auf der Franyoisvase {FRV Taf. 1-2) ähnlich. Und
wie in dem liegenden Arm das Streben nach knapper, klar
umschreibender Herausarbeitung der muskulösen Teile zu-
R]<:LII'FI-kA(;Ml';NT IN THEBEN 379
rücktritt liintcr der Darstellun*; nnullicli weicher, schwellend
gleitender Formen, so ist gewiss mit Absicht der schlanken,
zähen Form des Unterschenkels der ausschreitenden männ-
lichen Figur eine breite, fleischige gegenübergesetzt in der
durch den l'mriss noch eben gesicherten Wade der Amazone.
Um so stärker muss sich dann am Original ursprünglich ne-
ben diesen breiten l'^ormeu die Zierlichkeit der Crclenke aus-
gedrückt haben, wie es noch jetzt an der Rechten weniger
zu sehen als zu erraten ist.
Man könnte denken, dass die heute als nackt erscheinen-
den Teile, Arme und Beine, ursprünglich durch Bemalung
mit dem häufig erscheinenden gestreiften sk)thischen Ge-
wände bekleidet dargestellt waren. Aber für den eigentlichen
Torso ist statt jenes dickstoffigen Bekleidungsstücks ein blos-
ser feiner Linnenchitou gewählt. Die Kleidung, so wie sie
uns an dem Fragment erscheint, lässt drei Erklärungen zu :
jetzt verschwundene Bemalung der Arme und Beine vor-
ausgesetzt, ergibt sich eine Tracht wie Hartwig Meistersclia-
len Taf. XX 2; Anax^riden allein mit Linnengewand darüber
haben als Parallele Hartwig Taf. H 2; Bekleidung mit dem
kurzen Linnenchiton allein bevorzugt der spätere Stil, W'Ozu
etwa FRV ^"6 zu vergleichen ist. Gleichgiltig nun, ob Arme
u n d Beine bekleidet waren — wichtig ist nur, dass hier für
den Leib das dicke Koller entgegen der Tradition aufgegeben
ist. Der Grund kann nur ein künstlerischer sein. Die Dar-
stellung jenes Gewandstücks hätte den brettartigen Charakter
der Figur verstärkt. Der Bildhauer vermag bei seinem Kön-
nen den Zw^ang der frontalen Anlage innerhalb der Wände
seines Flachreliefs nicht zu durchbrechen. L^nd nun soll das
Fehlen des Hauptrhythmus gleichsam verschleiert werden
durch jene goldschmiedhaft zierliche Belebung der grossen
ungegliederten Fläche des Körpers in den Wellen des ge-
kräuselten Stoffes und durch Falten, jenen Verzierungen pri-
mitiver ]\Iusik ähnlich, an die neulich in glücklichem Gleich-
nis erinnert wurde ^ Der Linnenchiton der Figur lässt die
Körperformen weich durchkommen, wodurch sich der feine
' Puchstein-Koldewey, Griech. Tempel vS. 1 1 9.
380 L. cuKTirs
Contour der ITnterseite und eine leise Scliwelliinof an der
Stelle der jetzt teilweise zerstörten linken Brust ergibt. Von
der linken Schulter aus laufen die Wellenlinien des Stoffs in
der Richtung des Arms. Ein Übergang zu den abwärts füh-
renden vStoffwellen ist hier so wenig gefunden wie an den
Hüften, wo statt dieser wirkliche Falten gegeben sind.
Wie diese über den rechten Oberschenkel in einem halb
durchgeführten Versuch natürlich fallender Züo;e oreleg^t sind,
dann aber ganz gegen die Natur am linken, von unten her-
aufgestrichen, wie an einer stehenden Figur beharren, und
in einer Art gerundeten, von etruskischen Goldgeschmeiden
oft verwerteten Mäanders ^ zurechtgelegt sind, das ist von
einer \'ollendung archaischer Zierlichkeit, für die ich sonst
kein Beispiel weiss. Die gleiche Miniaturarbeit offenbart sich
am Haar. Vier auf die Stirne herabhängende Löckchen sind
auch auf der Tafel sichtbar, ein kleiner Rest tiefer, für das
Instrument des Bildhauers wegen des Fusses davor nicht
mehr erreichbar, ist flach geblieben ; drei längere, ebenso
subtil gearbeitete vSträhnen aber auf der rechten Schulter
kann man wohl nur am Original sehen. Darüber nun türmt
sich jene hohe Mütze auf, von der in letzter Zeit öfter die
Rede gewesen ist -. Es ist aber auf dem Relief nicht die
gleiche, wie sie der Bogenschütze des aeginetischen Westgie-
bels 3 trägt, mit nach vorne übergebogenem, rundlichspitzem
Ende, sondern eine plumpere, rundere Form, die der so übel
beleumundeten modernen Ballonmütze nicht unähnlich ist.
Vielleicht ist es eine um weniges ältere P'orm, die unmittel-
bar neben der ältesten mit der fröhlich aufrecht stehenden
' Z. B. Karo in Milanis Studi ,■ Matcnali II IUO/7.
■ Furtwänjrler, Bexchreil). </. G/yptothck 8. 104; S/tz/nio-sdcr. d. Mi'DicIicnrr
Akad. 1001 S. 3f)b. Ihr antiker Name ist xi'yßaoia. Pollux \'II 5S; Diony.s.
Ant. Rom. 11 70 ; Herodot V 49. VII b4. Das Kleidungsstück war natürlich
der Mode unterworfen. Der Vergleich mit dem Hahnenkamm bei Aristopha-
nes {Vögel 483-5) trifft am besten auf jene zackige Form zu, wie sie der Da-
rius der Perservase {Moii. d. Inst. IX 50 1) und der Phineus /-'RV bO tragen.
•' Brunn-Bruckmann, Dnikinälrr ( — lilU)} 24 ; vSeemann-Winter Kunst-
gesch. in Bildern f=Sn') I 37, 1 ; .hisgral>nngrn a. Aeg/na I .S. 210 Abb. 152,
hier nach den Druckbogen citiert.
RELIEFFRAfniENT IN TIITvHKX 3S1
Spitze aufkam. vSie fioiiricrt in folg;enden Beispielen : Gerhard,
Aiisrrirs. J^asci/b. f=-^l rj 2 11. 261'; Pottier, / 7/.sv.v t/// Loihtc
II 73, F 120; Hartwio- Mrisfrrscliahii Taf. 10; Mnrray, Drsii^iis
fr. ljr,rk\'nscs PI. I 3 {^^Cntal.,>f ]'ascs in flir lir.Mns. III E 0);
und am wicht! <;-sten Perc)' Oardner, Catal. of . \sliiiiol. Mus.
nr. 310, pl. 13 (Miltiades -Teller). Von die.ser Alüt/c hihioen
deutlich zwei La.schen herab, die eine kleinere weiter vorne
beim Kinn, die andere läno-ere auf die rechte I'>rust. Unter den
Laschen wird mit deutlich runder Pe,^-renzun<4 und sich scharf
von den vStoffwcllen abhelfenden Faltenlinicn \'or der linken
Schulter noch ein Gewandteil sichtbar, der kaum etwas an-
deres sein kann als ein Halskragen. Dafür kann ich freilich
aus andern Amazonenbildern kein Beispiel beibrin^gen.
An dem (yorNt ist durch einen schmalen Streifen der
eigentliche Köcher für die Pfeile von dem P'utteral für den
Bogen deutlich abgesetzt. Dieser zweite Teil endet unten in
einer kleinen am Köcherteil hinlaufenden feinen Rundung,
eine Einzelheit, die klarer bei dem Dreifussraub der Schale
des Phintias {FRV 32) wiedergegeben ist. Auffällig ist das
Fehlen des KöcherdeckeLs, der nach dem Ausw^eis gleichzei-
tiger Monumente, wie dem Krater von Arezzo (/'7?r"61/2)
oder Hartwdg Mci.sfn-sclialrn Taf. 10, Archäol. Anzrigrr 1894
S. 1 80, sehr langgeschweift und nicht knapp wie .später (z. B.
FRV Ibjl . 58) sein niü.sste. Obwohl diese Partie des Reliefs
stark verletzt ist, erscheint der obere Rand des (roryts doch
deutlich. Die Wellenlinie aber, die neben dem geraden Köcher-
rand an der Seite .sichtbar wird, ist eine Stoffwelle. Doch ist
die Wiedergabe des Köchers ohne Deckel zwar selten, aber
nicht unerhört, wozu folgende Beispiele zu Rate zu ziehen
sind: FR]^A\ Jahrb. d. ///j-/. 1 894 Taf. 4 ; Gerhard Trinksch.
u. Gefässe 21 ; Furtwängler, Antike Geiinncii I Taf. VI 58.
' Trotz des Widerspruchs von Hoppin Eiitliymides p. 12, und Furtwäng-
ler FRV ^.2bl), möchte ich an dem Urteil Hartwigs festhalten, der diese
Vase dem Meister der grossen Amphora in München, Jahn nr. 411, J-'K'l' S2
zuweist (J/i'/s^ersc/ra/e// S. 413). vSollte diesem aber nach dem übereinstimmen-
den Charakter der Köpfe und der Ähnlichkeit vieler Einzelheiten nicht
auch die herrliche Spitzan:phora in München, Jahn nr. 408, /'7\'/''44/5, zuzu-
weisen sein?
382 L. CURTIÜS
VIII 48; und wohl auch FRV 12. Auch dass der Köcher am
schmalen Rand um die Hüfte, statt am schräg von der vSchul-
ter herlaufenden, cretragen wird, ist in der Zeit unseres Reliefs
selten und hat nur an dem aeginetischen Bogenschützen
seine Parallele.
Alle die besprochenen Züge des functionellen Motivs und
der Tracht können für sich bestehend das Fragment in man-
nigfacher Hinsicht bedeutend erscheinen lassen: zum Kunst-
werk wird es durch seine Reliefanordnung. Diese zu empfin-
den ist allein Sache des Auges, Worte können nur andeuten.
An dem Relief, so wie es uns vorliegt, gibt die Aussen-
seite der schmalen, 20-24 mm hohen Basis zugleich die eigent-
liche äusserste Relieffläche, von der aus sich alles weitere
abstuft. Die Hinterwand, von der sich die Figur abhebt, bil-
det nicht als Fläche, sondern nur als Hintergrund eine Ein-
heit ^ So ist sie von der Reliefaussenfläche unter dem rechten
Arm der Amazone 25, beim Köchergürtel 30, unter der linken
Achsel 33 mm entfernt, und schwankt überall in einer leisen
Concavität. Weiter liegt in der gegebenen Reliefgrundfläche
die Fläche des Köchers und die Profilseite des ausschreitenden
Fusses. Die eigentlich künstlerische Leistung des Bildhauers
liegt nun in der Flächenführung von dieser so zu nennenden
Reliefbasis aus. Eine zweite ideale Fläche bildet die breite
Körperfläche des Wellenchitons, hinter und vor der durch
ihre relative Stärke die Körperformen vorgetragen werden.
Dabei wo es sich bei der geringen Tiefe des Gesamtreliefs
nur um ganz minimale Abstufungen handeln kann, eine sehr
weise Benützung zeichnerischer Linienführung. Denn wir ge-
wahren nun, dass die Chitonfalten am rechten Schenkel und
die heraufführenden vor der linken Hüfte nur so gelegt sind,
um die Rundung dieser Formen augenfällig zu machen, und
der Halskragen mit seiner feinen Zeichnung liegt auf dem
Chiton, um dem Kopf erhöhtes Relief zu geben.
Man kann die Beobachtung machen, dass an archaischen
Reliefs, bei absolut geringer Relieferhebung der Flächen des
' Vercjl. A. Hildebrand, Prahh-m ,1. Form 2. Aufl. S. 71 ff; Jahrh. d. Inst.
XIX 1904 S. 57 Anm. 4.
RIvLIEFFRA<mEXT IN THICHKX ^^^
Körpers im y^an/cn, die (lelenke, Hände, Inisse u. ü. äusserst
kräftig-, beinahe derb im Relief orehalten sind. Die Natur
gibt an ihnen flächig sehr bewegliche Gebilde (wie am Kopf
z. B. die Ohren) v(in sehr prägnanter Form. Diese erleichtert
dem archaischen Künstler, der wie jeder Anfänger heute,
der zeichnen lernt, eine gewisse Formen -Kurzsichtigkeit
besitzt — , nicht nur das Vermögen jene (icbilde aufzufa.s-
sen ; er concentriert au ihnen, als an den auch für die Auf-
fassung der Bewegung wichtigsten Stellen, die Reliefkraft
und hebt dadurch die anderen Teile seiner Darstellung, die
nach ihrer Anlage arm daran sind. Daher z. B. im Archai-
schen die geradezu grandiose Erscheinungskraft der Hände,
die im Vergleich im V. Jahrhundert schon anfangen matt
zu werden, und weiterhin eine ganz anders geartete all-
gemeine Flächigkeit erhalten. Von diesen Merkmalen hat
uns der an .so vielen Stellen zerstörte Zustand des Reliefs
wenig mehr bewahrt. Aber es ist doch noch deutlich, wie
eigentümlich breit, und in der Knochenhaftigkeit seines Baus
charakteristisch, der Fuss, etwas nach aussen gedreht, ange-
legt war; und die fächerhafte (xeste der rechten Hand, die
auf dem Relief des athenischen Nationalmuseums Nr. 3ö ^
eine so nahe Parallele findet, wird uns nach dem Gesagten
nicht mehr bloss als gesuchte Nuance vorkommen ; sie ist
um der stufenhaften Flächenentwnckelung willen so gebildet.
Reicher (Tebrauch ist von dem alten Kunstmittel guter
und schlechter Künstler, von der Überschneidung gemacht.
Denn der vor den ausgestreckten Arm gestellte Fuss, der
stärker im Relief gehalten ist, als das ähnlich die vSchulter
überschneidende Gesicht, wieder die Hand und das hinter
dem einen Bein aufgestellte Knie verstärken eine räumli-
che Wirkung, die um so zufälliger und ruhiger zu Stande
kommt, als gleichfalls in Erfüllung alter Meisterregel gro.sse
Flächen der Figur möglichst zusammengehalten und un-
durchbrochen erscheinen. Und es wird, bewaisst oder unbe-
w^usst, nicht weniger beabsichtigt sein, dass bei einem dnrch-
^ Kavvadias rXvrtxd S. 78/Q. Svorono.s, Das Athener Nationahmiseiim
Tai XXI 3b.
384 L. CUR-Tirs
aus nicht einfachen Motiv die Gestalt sich in einem so schar-
fen und klaren Contour vorträot, der nicht verleugnet, class
ein tektonisches Princip ihn gebunden hält. Denn wie die bei-
den Punkte |des erhobenen Knies und des Ellenbooens der
Erweiterung der (xiebelfläche folgen, so ist es gewiss für die
Höhe der ausschreitenden Figur und für folgende zu vermu-
ten; es liegt im Knie und im rechten Arm ein gewisser zum
Centrum strebender Parallelismus, der in gleicher Weise auch
von dem linken Arm und dem ausschreitenden Bein aufge-
nonnnen wird.
Sich über die Theorie des griechischen Reliefs zu ver-
ständigen, scheint heute schwieriger als zuvor, weil zwei im
übrigen so fein durchdachte und anregende Bücher wie Riegls
S/^äfröiiiiscJie Kiiiisfiiidustrir und Löwys Xafuriviedcrgahr in
der älfrrrii griechiscJirii Kiuisf die Probleme vollkommen auf
den Kopf gestellt haben. Ohne lange Auseinandersetzungen
ist da nichts klar zu machen.
Nur eine Frage sei hier gestreift. Die Scheidung zwi-
schen P'lachrelief und Hochrelief, einansichtiger und Rund-
figur, in dem Sinne einer allmälig historisch sich vollziehen-
den Entwickelung zu grösserer Plastik, hat für die griechische
Kunst schlechtweg keinen Sinn. Dass die archaische Kunst
neben dem Flachrelief eine ganz andere Art körperlicher Dar-
stellung frei gehandhabt hat, zeigt kein geringeres Beispiel
als das der Porosgiebel des Hekatompedon '. Was aber war
der Bestimmungsgrund, der im einen Fall in alter wie in spä-
terer Zeit ein bis zur Rundheit ausgebildetes Hochrelief im
Giebel, im andern ein ganz flaches von nur ein paar Centi-
meter absolutem Relief forderte? Dies war die architektoni-
sche Situation. Jede Reliefdarstellung — auch die Rundfigur
ist nichts anderes — rechnet mit einem \'om Bildhauer w^ährend
des Werdens seines Werks immer wieder prüfend eingenom-
menen Standpunkt des Beschauers. Die Aufgabe ist, in Be-
ziehung auf diesen die grösstmögliche plastische Anschau-
unorskraft des Reliefs hervorzurufen. Diese ist freilicli etwas
' Wieo^anrl, Porostirchitcktiir Taf. 1.4 — ü. Fiirtwänj^ler. Miinrh. Sitziings-
0er. 1905 vS. 433 ff.
ki':Lii-:i-i'RA(;:Mi^,NT ix tiiehrx 385
absolut verschiedenes von der l)lossen Dreidiniensionalität des
natürlichen ül)jects. Sie hat mit dieser gar nichts zu tun,
und ein von Löwy für so fehlerhaft erklärtes Relief wie der
Diskophor {Xa f/i nvirdergabr S. 20, Abb. 5) besitzt eine plasti-
sche Kraft, wie sie die Natur nie darbietet. Es ist aber klar,
dass in grosser Höhe angebrachte Metopen und (licbcl an
einem grossen Tempel von sehr kr.'iftiger, durch Bemalung
noch gesteigerter Profilierung, ein viel stärkeres Relief l)rau-
chen um bestehen zu können, als die (xlieder eines kleinen,
leicht aus der Nähe zu übersehenden Raus. So sehr sich auch
im Verhältnis beider Reliefarten zu einander das absolute
Tiefenmaass unterscheidet, ebenso sehr bleibt, gelungeneWerke
vorausgesetzt, das relative Wirkungsverhältnis innerhalb des
Reliefs und nach aussen zu dem Beschauer das gleiche. Ge-
wiss vollzieht sich auch in der so bestimmten Schaffensweise
eine historische Wandlung. Aber es ist nur eine Wandlung
innerhalb der Art; nicht diese selbst w^rd abgelöst.
Im Sinne des Dargelegten haben wir nun zu unserer Ama-
zone eine sehr deutliche Parallele. Denn es kann kaum ein
Zweifel darüber bestehen, dass nach Motiv und Kunstart der
Gefallene aus der linken Ecke des Westgiebels von Aegina '
ihr überaus nahe steht. Hier wie dort ein auf der linken
Hüfte liegender, durch den linken ausgestreckten Arm .sich
stützender Körper, aufgestütztes rechtes Knie, gebogener rech-
ter Arm, der dort den Pfeil aus der Wunde, hier aus dem
Köcher zieht, ein sterbend geneigtes Haupt. Die Unterschiede
aber, abgesehen von der Nacktheit dort, der Bekleidung hier,
lassen sich wohl alle darauf zurückführen, dass dort das
grosse Giebelfeld, die Höhe, eine stark durchgebildete, ener-
gisch bewegte Erscheinung forderten, die hier im Flachrelief
gebunden blieb, in einer Befangenheit, die gewiss auch durch
einen um ein paar Jahre älteren Stil veranlasst ist. Aber die
Eigentümlichkeiten der aeginetischen Art, die Schärfe der
Silhouette, die Klarheit der Bewegung, die Unterordnung des
Details und eine beinahe modellhafte Selbstbeschränkung
' Furtwängler, Beschreib. </. G/ypf. S. 100, Nr. 79; Aiixgrab. n. Aeghui I
S. 224, Abb. 171, N, Taf. 95 ; BBD 25 ; SVV I 37, 1.
ATHEN. MITTEILUNGEN XXX 25
386 L. CURTIUS
der Composition werden in dem Relief nnr um so deutlicher,
wenn wir diese Züge, gewissermaassen ins grössere übersetzt,
an einem Hauptwerk der Schule wiedererkennen. Wie scharf
hebt sich dao:eg:en ab das überströmende, sich in Beweer-
lichkeit, Reichtum im einzelnen nie genug tuende, schwel-
lende Leben am Siphnierfries ^ in Delphi, das leidenschaft-
lich übermächtige, mit einer gewissen Plumpheit der Formen
so merkwürdig contrastierende Ungestüm am Giebel des
Megarer-Schatzhauses in Olympia {Olympia III Taf. 2/3), und
die ihrer Erfindung noch nicht recht Herr werdende Gross-
artigkeit des athenischen Gigantengiebels (Wiegand a. a. O.
Taf. 1 6/7).
Wie gerne wüssten wir mehr von dem verlorenen Werke!
Ein Fingerzeig hilft uns weiter. Der Fuss der ausschreiten-
den Figur des Giebels kann nicht zu einer vorstürmenden
Gestalt gehört haben, wie es z. B. die Vorkämpfer der aegi-
netischen Giebel sind. Denn dazu ist einmal der Unterschen-
kel zu tief, zu nahe an der Basis, zu wenig steil geführt ; und
weiter ist die blosse Schrittstellung des Fusses verlassen, der
nur mit Ballen und Zehen, aber in weit grösserer Kraftan-
strengung auftritt, als es die Darstellung eines entlasteten
Beines erfordern würde. Der Rest kann nur zu einer weit
ausschreitenden Figur gehört haben, wie sie, seien es die so-
genannten Zugreifenden des aeginetischen Ostgiebels (Furt-
wängler Besc/n: d. Glypt. S.n2. Nr. 86, BBD 26, S W \ 37,8),
sei es der durch die Reste gesicherte Herakles des Megarer-
giebels {Olympia III Taf. 2\l, Fig. H) darstellen. Es ist nicht
schwer, zwischen beiden Möglichkeiten zu wählen. Denn die
Zugreifenden des Ostgiebels sind nur Füllfiguren, die ihrer
Hauptgruppe zur Bereicherung beigegeben sind. Solche sind
in unserem kleinen knappen Cxiebel nicht vorauszusetzen. Es
kann sich nur um das zweite Motiv handeln. Vielleicht führt
ein neues Hilfsmittel weiter.
Übersieht man nämlich die Darstellungen Gefallener in
der archaischen Kunst, so ergibt sich das merkwürdige Re-
' An dieser Bezeichnlang wird hier mit Absicht festgehalten. Perrot-
Chipiez Uist. d. FArtWW Fig. 1o2~l77; Fouilles de DrlphrsW PI. 7 — 10.
13 — 15.
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RKLIEFFRACiMRNT IX TIIEUKX 387
siiltat, (lass Motive in der klaren, übersichtlichen, flächigen
Einfachheit der x\mazone erst als Ergebnis einer längeren
Entwickelung sich darstellen. Denn statt die zeichnerisch
scheinbar nächstliegende Lösung aufzusuchen, stellt sich die
ältere archaische Kunst in ihrem Streben nach unmittelbarer,
kraftvoller Lebendigkeit Aufgaben in der Darstellung des be-
wegten Körpers, die sie nicht zu erfüllen vermag. Ein Blick
auf die Gefallenen am Siphnierfries (z. B. Fouillrs de Delphes
IV PI. 1 34), die in der ionisch beeinflussten älteren attischen
Vasenmalerei eng verwandte Parallelen finden, zeigt, wie in
vielmehr rund, in ihrer Bewegung höchst differenzierten und
äusserst lebendig componierten Figuren jene weise Oekonomie
noch nicht die Herrschaft gewonnen hat, die den Bedingungen
des Raumes tektonisch sich fügt und mit der Wirkung auf die
Ferne rechnet Der Umschwung zu andrer Art hat sich ge-
wiss in lonien selbst vollzogen, und ein uns nahe berühren-
des Beispiel ist im Vergleich mit der Amazone der oben an-
geführten Vase (Abb. 2, nach Fitz7vül. Mus. PI. 7) die Figur
des gefallenen Bogenschützen auf dem Bronzerelief von Pe-
rugia (Abb. 3 nach Ant. Denkni. II Taf. 14). Es bedarf keiner
näheren x'Vusführung, dass diese Figur die Anordnung der
Amazone unseres Reliefs in ihren Hauptzügen schon besitzt.
Und vergleicht man mit dem Gefallenen auf der Oinochoe
des Xenokles und Kleisophos ^ oder jenen der Schale des
Exekias (/T? V 42), die Darstellungen des gleichen Motivs —
etwa bei Laborde, Vases La)>iherg II p. 24, - oder A /"'lOS. 192,
Wiener Vor lege bl. 1888 Taf. 5 — so kann die Tendenz der
Entwickelung kaum unklar sein. Und es wird ebenso wenig
Zweifel darüber bestehen, dass diese Entwickelung nicht aus
sich selbst, innerhalb der schwarzfigurigen Vasenmalerei sich
vollzog, sondern sei es mittelbar durch den Einfluss der To-
reutik und der rotfigurigen Malerei, sei es unmittelbar unter
dem Eindruck der grossen Kun^t. Denn w^as sie selbst, wenn
auch in ihrem atavistischen Archaismus für uns so reizvoll,
immer nur unvollkommen zu leisten vermochte, das löste die
1 Athen. MüMI. XIV 1889, Taf. 13/4; Wietier Vorlegebl. 1889 Taf.
- Hier citiert nach Sal. Reinach, Report, des Vases II 213.
388 L. CURTIUS
grosse Kunst, rapide sich entwickelnd, beinahe spielend und
mit jünglingshafter Naivetät.
Dafür scheint der Amazonenkrater von Arezzo (Abb. 4
nach F7^Vb}:2) ein glänzendes Zeugnis. Und hier finden
wir von allen Analogien für die Figur unseres Reliefs die
nächste. Zwar vertritt, bei der gefallenen Amazone der Haupt-
seite links, den Gestus des nach dem Pfeil (rreifens das Motiv
der flehend erhobenen Hand, und das rechte liegende Bein
ist bei dem Raummangel im Knie gebogen; aber in allem
übrigen ist sie wie das (Tegenbild der Relieffigur, am mei-
sten in jener eigentümlich befangenen, lieblichen Stimmung,
die ganz dem Stil der Epoche angehört.
Mit Recht ist für die Hauptseite des Kraters aufmerk-
sam gemacht worden (Furtwängler im Text S. 5), wie sehr
der Herakles an statuarische Vorbilder erinnert ^ Doch das
gilt nicht für ihn allein. Fasst man nämlich ihn mit den vor-
kämpfenden Amazonen als Mittelgruppe eines Giebels auf
— und der Vergleich mit Bildern wie Abb. 2 und AV ]()-\
zeigt, worin der Fortschritt, die eigentliche Composition be-
ruhen — so ist leicht einzusehen, wie gut sich die beiden Fi-
guren Telamon und Teisipyle, als die dieser zunächst stehen-
den Glieder, in der Giebelabdachung verstehen lassen. Ob die
beiden Gefallenen dann ursprünglich als äusserste Eckfigu-
ren oder als Teile von Gruppen des Kampfes um Gefallene
anzusehen sind, ist nicht auszumachen. Wahrscheinlicher ist
die erste Möglichkeit.
Kehren wir mit dem Gewonnenen zu dem Versuch unse-
rer Reconstruction zurück, so mochte nach der Amazone zu
der weit ausholenden Figur nach rechts eine nach links
blickende, fallende folgen, im letzten Versuch der Gegen-
wehr, ähnlich den Figuren O und I des Megarergiebels ; ein
Vorkämpfer im Motiv des Amazonenkraters, nach links,
schlösse die aus drei (rliedern bestehende Gruppe. Es folgte
dann zur Cjiebelmittc nach rechts Herakles, mit erhobener
' Besonders deutlich wird dies an einer dem Atelier des aretiner Kra-
ters entstammenden Amphora, deren eine Seite Herakle.s, auf einer vStatuen-
basis mit Inschrift stehend, darstellt : .\bb. 5 nach Ciaspar, Mon. Piot IX S. 35.
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k^:I.lI•;I•^-KA(;^r^:^■'^ i.\ •i'iii'iU'X
389
Keule auf die (Te.^nerinnen eindriuoend, naeli deuen eiuc
neue (mippe von drei Crliedeni uud eine gefallene iMour
nn Eck correspondierend xu denken wären. Wir erhielten
so eine sehr einfache, klare Oesanitconiposition, die, wie ein
Versuch eroibt, den xerfüohareu berechneten Raum des Gie-
bels ausgezeichnet füllt.
Ah
Vaseiil)il(l im Louvre.
Damit soll nun nicht etwa gesagt sein, dass vielleicht
gar das Hauptbild des Aretiner Kraters auf unsere vermutete
Composition zurückgehe. Diese wie jene werden ^■ielmehr
nur gewissermaassen Widerstrahl grosser Giebelsculpturen ge-
wesen sein, die vorauszusetzen ja auch der ganz in den Kreis
der aeginetischen Kunst gehörende Torso einer bogenspan-
nenden Amazone des Conservatorenpalasts ' und die Giebel-
• Heibig, Führer -' I S. 413, Xr. b\b. Köm. Mitt. IV 1889 S. 8b ff.
390 L. CURTIUS: RELIEFFRAGMENT IN THEBEN
sculpturen vom Aphrodite-Tempel auf Aegina einladen. Un-
sere Composition zu jederseits vier oder fünf Figuren lässt
sich nicht nur sehr gut durch die ähnliche des Alegarergiebels
verstehen ; ^ sie ist ganz verwandt in den Motiven und ganz
im Geiste der beiden aeginetischen Giebel, die uns durch
Furtwänglers glänzende Untersuchungen gewissermaassen
neu wieder geschenkt sind.
Athen.
Ludwig Curtius.
1 Dieser stellt, wie der aeginetische Ostgiebel, /u den mit dem Kopf
im Giebeleck angeordneten Gefallenen je einen Knieenden. Dies ergibt sich
aus den grösseren Raumverhältnissen.
391
ZTM K()X()XIvSCHl-:X MArilRI'.AU.
(Hierzu Taf. XIV).
I.
Die Inschrift, die ich naclisteheiid veröffentliche, hat
Walter Kolbe vor zwei Jahren im Piräus gesehen; er hat
davon einen Abklatsch o-enomnien, doch erlaubte ihm der
Besitzer nicht, sie abzuschreiben. Ich habe später den Stein
gesucht, leider ohne Erfolg. Meine A^eröffentlichung stützt
sich mithin ausschliesslich auf den Abklatsch, der glück-
licherweise sehr gut ist, und einige Notizen Kolbes. Es sei
mir gestattet, dem genannten Gelehrten, der mir die Heraus-
gabe freundlichst überlassen hat, auch an dieser Stelle mei-
nen Dank auszusprechen.
Unterer Teil einer vStele aus weissem pentelischem Mar-
mor. Oben abgebrochen. Links Rand; rechts ebenfalls voll-
ständig bis auf die obere Ecke (Z. 1 — 5). Unten scheint der
vStein vollständig zu sein. Höhe links 22^ Breite 23 cm. Buch-
staben-Höhe S — 11 mm, OQO 6 mm; Zeilen-Abstand ca. 4 mm.
Photographie des Abklatsches Tafel XIV.
kX IV [{)oiv äg II*) [^lüi;
dvE(3«A?io[vTO fxi '/ihui AI-hl-(?)'
!J,ia(9o)Tfic) Aiovi'GÖ6co(3[oc; M8Y(t(t)ei'c).
5 TCüv 8Jti|.uo9o,)98.ocöv nlviv-
i%3v äQif^noq IxiHHHP-
äveßdlXovxo cd -/lAiai Ahhh'
|.uo(OcoTT]i;) Nix66o)Qüg Xi'jra?j]T(Tioc).
xataÄupfi? 8Jtl Äii[.iooTQ«TO 393/2 v. Chr.
1 n AAA ^uö(v)ojTiis) <I>d8vvo? 'AxctQve(t'$)-
PI- EmoKev^c. rtv«ßaa|.ia)\'
1 1 1 1 1 [.uo(§(OTT]g) AioA'uooöcopo^ M8Ya((j8U$).
392 E. NACmiANSON
naxahcpY\c, ejti <I)iAoxX{:'og 392/1 v. Chr.
AAlP [,iio(i>(OTrii;) Odevvoq ''Ax«Qv(8;Ul;).
15 HH ox^l-^c,. P
KEfpalMiov äQyvQio rf^HHHAA.
xeqpdXaiov nXivdoyv
FMHHHHPAAA.
Z. 1. Aus der ganzen Anlage der Inschrift geht hervor,
dass der Posten, von dem hier ein Rest erhalten ist, nicht
vom Versatz der Ziegel handelte, sondern von einer Arbeit,
die sich mit der Z. 9 ff. genannten vergleichen lässt; denn wie
bei diesen ist der Arbeitspreis am linken Rande vermerkt.
Z. 1 4 zu Anfang, wo der Stein beschädigt zu sein scheint,
mögen wohl, nach Z. 1 0 zu urteilen, einige Ziffern verloren
gegangen sein ; Raum ist für AA da.
Über Konons Mauerbau besitzen wir bekanntlich eine
Anzahl von inschriftlichen Zeugnissen {/G II 830 — 833, II v
830 b-d) ^ Sie sind zuletzt zusammengestellt und behandelt
von August Frickenhaus in seiner soeben erschienenen Disser-
tation AtJiens Mauern im IV. JaJirhiDidcrt v. CJir. Zum grös-
seren Teile sind es Steleninschriften, die Abrechnungen über
den Ziegelbau enthalten. Zu diesen gesellt sich die neue In-
schrift; da sie im Piräus gefunden ist, war sie wohl wie 830,
830 d, wahrscheinlich auch 830 e, bei der Piräusmauer aufge-
stellt. Die Arbeit war von den teixojtoioi der betreffenden
Phyle, die wohl zu Anfang genannt waren, an verschiedene
Unternehmer in x'\kkord gegeben; auch die Hauptarbeit, das
Versetzen der Ziegel, scheint in mehrere Teile aufgeteilt wor-
den zu sein, was ja auch mit dem in Einklang steht, was wir
sonst über die Ausführung von öffentlichen Arbeiten wissen.
Ist das richtig, so ist die ganze Stele ziemlich gross gewe-
sen; denn die Zahlungen, die wir kontrollieren können (Z. 5 —
1 5), betragen zusammen (mit Annahme meiner Ergänzung
Z. 14) nur 133 Dr. 2 Ob., die ganze Z. 1 6 genannte Summe
aber ist 825 Dr. Dass der verlorene Teil der Inschrift haupt-
' Im folgenden nur mit der Nummer (ohne Angalje des Corpu.sbandes)
bezeichnet.
Zr-M KOXONISCHEX MArKRHAT 393
sächlich vom \'ersatz der 7,\q^v\ «^eliandclt und dass man fer-
ner nicht durchstehend 1 ,i Dr. fürs Taasend 1)ezahlt habe,
wird auch durch eine einfache Rechnuno; klar. Der \'er.satz
von 60480 Ziegeln zu 1 .i Dr. für 1000 macht 780 Dr., eine
Summe, die für diesen Teil der Arbeit nicht zur Verfügung
stellen konnte, weil sie mit den Z. 11 — 15 vermerkten Ausga-
ben, 63 Dr. 5 Ob., die Gesamtsumme von 825 Dr. überschreitet.
Wenn auch die neue Inschrift grösser ist als irgend eine
von den früher bekannten und die einzige, die sowohl Versatz
wie \^erputz der Ziegel berührt, so bereichert sie doch unsere
innuer sehr lückenhafte Kenntnis von Konons Mauerbau
nicht wesentlich. In einigen Punkten bestätigt sich, was wir
früher wussten, z. B. dass diese Steleninschriften mehrere
Jahre umfassten (\gl. Frickenhaus S. 9). Näherer Erläuterung
bedürfen von den \'erschiedenen Einzelposten nur zwei.
Für Reparatur der ävaf)nn\{oi werden 6 Dr. 5 Ob. bezahlt
(Z. 11 — 12). Dass u.va{\(iLO[i6q hier wie sonst immer <'Stufev be-
deutet, unterlag für mich von Anfang an keinem Zweifel,
aber Frickenhaus' x\usführungen S.11 f. nötigen mich zu eini-
gen Bemerkungen. Durch Kombination der verschiedenen
Fragmente gewinnt er in 830, 830 e, 832 die Lesung g; töv [lexu-
jii'tQyiov dvaßaoiiüA', wobei ihm vor allem das Wort dvaßaa^-iog
ernste Schwierigkeiten macht. Unter dvaßaofuK inuss die
massive, im Durchschnitt wie eine Stufe aussehende Mauer,
wie sie zwischen den über- und vorragenden Türmen ein-
herlief, gemeint sein . Ich sehe davon ab, dass das W^ort in
dieser Bedeutung sonst nicht nachweisbar ist. In unserer In-
schrift ist sie schon deshalb unmöglich, weil das Wort hier
im Plural erscheint; denn wir dürfen wohl annehmen, dass
die neue Rechnungsablage, wie die früher bekannten, nur
einer Mauercurtine gelte. Dazu kommt ein zweites : 6 Dr.
5 Ob. ist ein immerhin so niedriger Preis, dass man höchst un-
gern an eine Reparatur des ganzen Mauerstücks (geschweige
denn mehrerer Mauerstücke) denken möchte; für die Repa-
ratur der Stufen dagegen passt der geringe Preis besser.
Dass ein und dasselbe Wort, zumal ein aus einem fremden
Dialekt entliehenes, in einer zusammenhängenden Grup])e
von Inschriften als terminus tcchniciis in zwei verschiedenen
394 E. NACHMANSON
Bedeutungen Norkoninie, halte ich für ausgeschlossen, und
somit scheint mir Frickenhaus' auch sonst keineswegs über-
zeugende Ergänzung das Richtige nicht zu treffen.
Die zweite Bemerkung gilt Z. 15: l-h oti'i^iic;. Ohne wei-
teres ist klar, dass dies den ganzen Preis der Stele nicht be-
zeichnen kann ; war doch der gewöhnliche Preis in Athen
20 Dr. oder mehr (s. Drerup Jahrhüchfr f. class. Phil. 1 896
S. 227 ff., 1897, vS. 871 ff.). Wie nun die Abrechnungen sonst nur
den Versatz und den Verputz der Ziegel, nicht das Anschaffen
oder den Transport des Materials buchen, so ist dementspre-
chend hier wohl nur die Aufstellung der Stele gemeint;
ich erinnere auch an die delische Rechnungsurkunde BGH
XIV S. 389 ff., wo die verschiedenen Ausgaben für die Stele ein-
zeln angegeben werden, und es zum Schlüsse (Z. 1 1 9) heisst :
TOlg OTl'lOaOI TT)\' (TT>l?illA' h h I I I .
Von den in der Inschrift genannten Personen sind die
beiden Archonten bekannt, von den Unternehmern Nixööwqo«;
2v:n:a?i'iiT(Tioc), wenn es nämlich erlaubt ist 831 Z. 2 — 3 [Nijxö]-
ÖcoQQi; 1]. zu ergänzen. Die übrigen treten hier zum ersten
Male auf; auch ein Ausländer ist dabei: AiovuoüÖcoqos Meya-
(qsvs) Z. 1 2 und, nach ziemlich sicherer Ergänzung, Z. 4 i.
Nach Xenophon Hell. IV, 8, 1 Ü beteiligten sich an dem
Maaerbau ausser Konon mit seinen Leuten und den Athe-
nern selbst die Boicütoi xal d'^iÄai jto^ieic fi^e^.ouoiai. Für die aus-
drückliche und an .sich ganz glaubwürdige Nachricht über
die Teilnahme der Böoter sieht Foucart BCII XI S. 1 35 eine
Bestätigung in der Nennung eines Böoters als |^ua9(0Ti]<; in
N. 830 c. Es sei hier auch daran erinnert, dass schon Köhler
{Hermes V S. 6 ; vgl. auch Athen. Mitte iL III S. 50) in dem
Ehrendekret für Aristomachos aus x\rgos {IG II 161), in dem
hervorgehoben wird, dass der Vater des Geehrten an der Be-
* Gegen diese Ergänzung könnte höchstens eingewendet werden, dass
die Unternehmer gewöhnlich, doch nicht immer, ihre vSpezialität haben, wie
z. B. hier der $fxevvo^ 'AxagveiJ«; (im allgemeinen vgl. Francotte L' huhtstric
dans la Grece aiir/t'iuir II S. 82 f.). Aber die beiden Arbeiten, die AiovuooÖWQOc
pachtet, sind nicht so verschieden oder speziell, dass nicht derselbe Mann
sie hätte ausführen können. Mit mehr Recht könnte dieser Einwand gegen
meine Ergänzung von 831 Z. 2 — 3 erhoben werden.
ZUM KONONISCHEN MAUERRAU 395
festigiing Athens teilgenommen hat, ein urkundliches Zeug-
nis dafür sah, dass Argos zu den äXhu roIeic, gehörte, da es
auch sonst als Hvindesglied bekannt war und nach Köhlers
Vermutung der Wiederaufbau der athenischen Festungs-
werke von den gegen vSj^arta \ercinigten »Staaten als Bundes-
sache aufgefasst worden ist, wenn auch ein förmlicher Be-
schluss darüber nicht gefasst worden zu sein scheint. Allein
die genannte Inschrift kommt für diese Frage gar nicht
mehr in Betracht; denn sie stammt mit zwei anderen zuge-
hörigen Bruchstücken erst aus der Mitte des III. Jhdts., s.
A. Wilhelm Af/ie//. Mitfnl. XVI vS. 150 und IG II v 371 C.
Nach der von Köhler und Foucart vertretenen Auffassung
wäre nun unsere Inschrift ein Zeugnis dafür, dass auch ]\Ie-
gara zu den von dem Historiker nicht namentlich aufge-
führten Städten und mithin zum Bunde gehört habe; es
würde folglich Beloch GriecJi. Gesch. II S.195 Recht behalten
gegen Ed. Meyer Gesch. d. Alt. V S. 2}^})., der behauptet, Me-
gara habe sich dauernd neutral gehalten. So verlockend eine
derartige Schlussfolgerung auch wäre, für völlig zwingend
kann ich sie nicht halten. Da nämlich auch sonst oft in den
griechischen Städten ohne irgend welche besonderen Gründe
Ausländer an den öffentlichen Arbeiten teilnahmen, nur weil
man nicht immer selbst genügend Unternehmer und Arbei-
ter stellen konnte, so braucht die Mitarbeit eines Ausländers,
sei es aus Megara oder Böotien, nicht unbedingt eine Folge
des Bundes zu sein. Allerdings ist hinwiederum daran zu
erinnern, dass gerade Athen in den meisten Fällen, wenn
auch lange nicht immer, dank seinen Sklaven und zahlreichen
Metöken, ohne auswärtige Hilfe sich durchhelfen konnte
(vgl. Francotte L' Industrie I S. 210), und dadurch würde auch,
was sich oben als mögliche Folgerung für Megara ergab, an
Glaubwürdigkeit gewinnen.
Über die Bedingungen, unter denen die [^uattcorai die Ar-
beiten übernahmen, geben uns die Inschriften keinen Auf-
schluss ; auch Frickenhaus hat diesen Punkt nicht berührt.
Ob es verboten war, dass derselbe Unternehmer zwei zu glei-
' Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Prof. Wilhelm.
396 E. XACHMAXSOX
eher Zeit auszuführende Ar])eiteu übernahui, wie wir es für
Tegea und Epidauros wissen (Keil Athen. Miftcil. XX S. 40),
ist mit Bestimmtheit nicht zu sagen. Es hängt unter ande-
rem an der Richtigkeit meiner Ergänzungen und an der
Datierung von Z. 1 — 8 der neuen Inschrift, die nicht feststeht
(ich möchte sie 392/1 ansetzen).
Ich schliesse mit einigen sprachHchen Bemerkungen.
Zum ersten Male in Athen begegnet das Verbum ejcif^uoDoo) ;
ich habe das Wort in Inschriften sonst nur einmal angetrof-
fen: der leyoq \'(5!.ioq der Eretrier 'Etpijfi. dg/. 1902, 97 ff., zuletzt
abgedruckt von Bechtel 6^0/5315, hat Z. 31 ejT:i|Uö6oi3v. Da-
nach wird man das an sich untadelige Wort anstandslos wie-
der bei Aelian VH III 14 einsetzen. Für Athen neu, aber kei-
neswegs befremdend ist auch xara/aq)i], wofür ich ebenfalls
nur einen Beleg habe: xata^upi^v Dittenberger Inscr. Or. 12)1
Z. 1 0 (ägyptisches Ehrendekret aus dem 2. Jhdt. v. Chr.). Es
zeigt uns wieder, wie unnötig die Änderung von dA[i](pi|v IG
II 167 Z. 85 und jteQicdupiiv ib. 834 b Col. I 61 in d}i[o(](pi]r
bzw. jTeQi«A(o)icpi)A' war (vgl. auch Frickenhaus S. 42 Anm. 3).
Beachtenswert endlich ist beim Namen <I>d8vvoc;, der sonst in
vorchristlicher Zeit zweimal vorkonnnt (Kirchner Prosopogr.
Att. s. 7'.), die Bewahrung der äolischen Form.
II.
Wenn ich auch die Textherstellung der früher bekann-
ten Fragmente positiv wenig fördern kann, so werden doch,
da die bisherigen Lesungen in Kleinigkeiten der Vervoll-
ständigung und Berichtigung bedürfen, folgende Mitteilun-
gen hoffentlich nicht ganz ohne Nutzen sein. 830 ist, wie
Köhler bereits ^ifJicii. Miftcil. III 50 mitteilte, im Piräus ge-
funden, befindet sich aber nicht, wie Frickenhaus S. 6 an-
gibt, im dortigen Museum, sondern wird zusammen mit 831,
832, 833 in der Inschriftensammlung des hiesigen National-
museums aufbewahrt. Die Ziffern zeigen noch Spuren von
roter Farbe, ebenso, wie schon Lechat bemerkt hat, 830 e.
Z. 2 — 3. Dass ich Frickenhaus' Ergänzung nicht billigen
kann, ist oben gesagt; eine befriedigende Ergänzung vermag
ZUM KONOXISCIIEX MAl'EKHAr 397
ich allerding's aiicli niclit /u L^t^ben. M(")<4iicli wäre ein Infiniti\'
zu (ao[}--i)8VTK; ; ' aber (/.voixo^oiiriaai, das .sclbst\'er.ständlicli am
näclisteii lie*^! und das auch den ocfdrdertcn Raum in Z. 3
ausfüllen würde, lässt sicli iiichl einset/en, weil das letxte
A von Z. 3, wenn aucli nicht vollstäncHj^' erhalten, dennoch
durchaus siclier ist. Man kr)nnte an uvaiei/ia«! denken ; v^\.
Xenophon /////. I\' 4,l<s oi c^'' (tu ''A{)i)v«Toi \\y)]a(i.vTO xoct-
TiOTOv fivca ävax^v/iani tu (Si)](.)i)[(£va rjro lI^aHiK/ T81711.
Z. 7. Dass Frickenhaus [/.^(pul. setzt, nicht y.^^pdh^^o\' aus-
schreibt, wodurch der geforderte Raum o;efüllt wird, ist wohl
nur ein Versehen. Statt topt] (o\' wäre wohl ^>oa/[i] t~)v \-or-
zuziehen.
Z. 8 zu Ende ist E" sicher. Der letzte Ouerstricli gehört
keinem P an -'.
831. Köhlers Angabe im Corpus <i.Hndii]uc fracfiiiii ist
nicht ganz genau. Oben ist der Stein gebrochen, aber rechts
ist Rand, wenn auch nicht ordentlich geglättet; desgleiclien
an der oberen Hälfte der linken Seite. Auch unten scheint
die Inschrift vollständig zu sein.
Z. 3 am Anfang 'S!. Z. 3 — 4 ergänze ich [Ni'xJc'xVooo; \gl.
oben S. 394. Übrigens steht auch nacli diesem Namen ; , was
Köhler niclit vermerkt hat.
Z. 7 Oi^.ol Afeoi's.
832. Frickenhaus sagt Der ursprüngliche Rand ist nir-
gends erhalten ; das ist irreführend. vSchon Köhler hat be-
merkt, dass der vStein oben Rand zu haben scheine, dass aber
möglicherweise eine Zeile verloren gegangen sei. Alir sclieint
auch die obere Ecke der linken Seite (Z. 1 — 3) vollständig.
Die Lesung wird in der linken Hälfte durch die schlechte
Erhaltung der Oberfläche sehr erschwert. Bei meinen wie-
derholten Nachprüfungen des Steines glaube ich folgende
neue Lesuno-en ermittelt zu haben :
^ aiQEiöOai mit Inf. ist zwar nicht so gewöhnlich wie mit I^räp. und
Subst. Belege fehlen jedoch nicht: aiQeütvtai; jtoVioaoilai Ki 11 114A Z. S,
fiioFftqöav djtoSööOai /ä. 1055 Z. 4b, alJQeflefvJTeq ! JT:ou]oaov1ai ib. 120s Z. 1-2.
- In TS)(on:[oioi '/.. 1 ist zu beachten die vSchreibung des echten fi ilurch
blosses e. Der Beleg fehlt bei Meisterhans- vSchwvzer (irantnt. </. a//. hisrlir.
S. 3b N. 1 93 (zweites Stück).
398 E. nachmanson: zum kononischen mauerbau
Z. 1. Den ersten Buchstaben lesen Köhler und Washburn
(bei Frickenhaus) I: die Hasta scheint mir jedoch kleiner,
reicht auch nicht bis zur Zeile; ich sehe übrio-ens ziemlich
sicher '"'. Der zweitfolgende Buchstabe dageoen ist kein P:
der Querstrich, den Köhler und Washburn gesehen haben,
scheint mir eine Verletzung des vSteines zu sein und setzt
ausserdem etwas niedriger als das obere Ende der senkrech-
ten Hasta an ; für ein I wird der Raum allerdings etwas breit,
vgl. aber Z. 3. Zum Anfang von Z. 2 lese ich T ^ATO ; der
zweite Bogen scheint freilich kein Rest eines P zu sein ;
dazu ist er nicht breit genug. Immerhin glaube ich Z. 1 — 2
tsi7o]jroi[oi] Ol £jti [Äii|.io] GTpdTO ägi. lesen zu können.
Z. 3 /^ . . <^INHI . Das erste ist Rest von M; E, wie
Washburn liest, sehe ich nicht; ebensowenig ist Washburn
im Recht, wenn er gegen Köhler ^ liest.
Z. 6. Vor dem ersten der drei M glaube ich D zu sehen;
auch hiermit ist Frickenhaus' Ergänzung, die ich S. 393 f.
aus anderen Gründen bekämpft habe, nicht zu vereinigen.
833. Ich bemerke nur, dass links und oben Rand ist.
830 e befindet sich in der hiesigen Acr>/r fraiicaise. Nicht
nur rechts, auch oben ist der Rand erhalten.
Z. 6 zu Anfang ist oben ein kleiner Buchstabenrest: '.
H
Das vierte H steht über der Zeile: HHH; vgl. dazu Z. 1 6 der
neuen Inschrift, gewissermaassen auch 830 Z. 6.
Z. 7. Frickenhaus' Vermutung S.10, es sei vielleicht eine
Drachme zu ergänzen, trifft nicht zu. Der Raum zwischen
dem zweiten h und dem Rand — wo keine Buchstaben.spur
zu entdecken ist — war allerdings für h nicht ausreichend,
aber nichts hinderte den Steinmetzen, hier, wie in der vorher-
gehenden Zeile, das Zahlzeichen über die Zeile zu setzen.
Dass ein geringerer Preis als 13 Dr. per 1 ÜÜO Ziegel auch
sonst bei diesem Bau vorgekommen sein muss, glaube ich
oben (S. 393) wahrscheinlich gemacht zu haben.
Z. 1 2 zu Anfang ist in der Bruchlinie Rest von I zu er-
kennen.
Athen, vSeptember 19U5. Ernst Nachmanson.
399
SAXDALOKRATIlv
(Hierzu Taf. XV).
Die hier wieder.efegebene Zeichnung schmückt die Schul-
ter einer in Wilci gefundenen Hydria (Form 41 bei Furt-
wängler, \'asen.sammlung Taf. 4) der ehemaligen Sammlung
Feoli, die .sich jetzt im kunstgeschichtlichen ]\Iuseum der
Universität Würzburg befindet. Die Höhe des Gefäs.ses be-
trägt fast 32 cm; es ist, abgesehen von dem Bilde, ganz mit
schwarzem Firnis überzogen und nur ein schmaler Streifen
am imtersten Rande des Flusses ebenso wie der obere Mün-
dungsrand sind ungefärbt geblieben, auch ist der schmale
Wulst zwischen Fuss und Gefässbauch durch je eine, in der
Tiefe liegende, ganz schmale tonfarbige Linie \-on diesen ab-
getrennt. In der Höhe der seitlichen Henkel zieht sich unter
dem Bilde das übliche, aus dem Streifen mit Rosenkno.spen
entstandene Ornament hin. Die Hydria war zerbrochen; einige
etwas übermalte Brüche laufen auch durch das Bild, haben
jedoch nur geringe Beschädigungen verursacht. Die Wieder-
gabe des Bildes erfolgt nach einer Photographie, die aber
der grösseren Deutlichkeit zu Liebe mit Feder und Tusche
übergangen und an wenigen, ganz zweifellosen Stellen auch
ergänzt worden ist. Besprochen ist die Vase bisher, soviel ich
weiss, nur in den beiden Katalogen von Campanari, Antichi
vasi dipinti dclla collezioiie Froli Nr. 1 43 und von L^rlichs, Ver-
zeichnis der Antikejisamiiiluug der Universität ]Vürzbiirg HI
Nr. 139. Dieser letztere hat die Darstellung kurz beschrieben,
ohne eine Erklärung zu versuchen, Campanari hat sich dage-
gen redlich geplagt, die dargestellte Scene verständlich zu
machen, obwohl wir offenbar kein Bild aus der \ornehmen
Welt der Götter und Heroen vor uns haben, sondern eines,
das aus dem niedrigen Treiben des Alltags geschöpft ist.
Ehe wir uns aber der in Wirklichkeit nicht allzu anstrengen-
400 P. WOLTERS
den Aufgabe zuwenden, dies Bildchen im Ganzen zu erklä-
ren, müssen wir einige Einzelheiten pflichtgemäss erläutern.
Der Korb über dem Jüngling, die o.tpj^k';, die so oft auf
\'asen erscheint und ausserdem jedem Archäologen aus dem
heutigen Leben (rriechenlands bekannt ist — denn sie muss
dem jetzt für die verschiedensten Zwecke verwendeten, ^ffuri/a
genannten weichen Korbe höchst ähnlich gewesen sein — ,
lässt erkennen, dass hier ein Piknik, ein fteljrvov djto ojivQlboc.
(Athen. VI 11 365 A) gefeiert wird. Alan könnte deshalb ge-
neigt sein, das niedrige Lager des Jünglings für improvisiert
zu halten. r3as ist nicht nötig, denn in andern Fällen erschei-
nen bei solchen Gelagen, zu denen jeder seinen Anteil im
eigenen Korbe mitbrachte, die gewöhnlichen hochfüssigen
Klinen und Speisetische \ finden diese Feste also in den da-
für bestimmten und eingerichteten Räumen statt. Ob nun
aber die Matraze in unserem Fall ohne weiteres auf den Bo-
den gelegt ist, oder auf ein fussloses niedriges Bettgestell,
eine /aj.iaieiivi| -, ist nicht klar, aber auch für unseren Zweck
bedeutungslos.
Die Inschrift KAU05, dem Mädchen auf den rechten
Schenkel geschrieben, ist nur durch die Stelle, wo sie ange-
bracht wurde, auffällig ', hat aber selbst darin Analogien, von
denen ich anführe, was mir gerade zur Hand ist. Auf einer
in Berlin befindlichen vSchale (Furtwängler Nr. 2314) trägt
der Oberschenkel eines Palästriten ganz entsprechend die
Inschrift Adxi]c; -Kulog. Die \"ase bei Hartwig, MrisfrrscJialoi
Taf. 16 S. 133, zeigt bei zwei Athleten den Namen auf den
Körper geschrieben, das Wort -naXoc, mit und ohne Lieblings-
namen ausserdem auf den dargestellten vSchilden. Ebenda
' Vgl. z. B. die dem Brygos zugeschriebene Schale im British Museum
E bS (C. Smith, Cataloguc III S. 91). Hartwig, Meisterscha/efi Taf. 34.
- Oder -y^ajieöva, x"M^'''^'^ov. Vgl. A. Wilhelm in den Jahrt's/ieftrn drs öster-
reifhisrhen Instituts 1 903 vS. 217. 239. — Zecher nur auf Ki.s.sen, nicht auf
Klinen gelagert z. B. Hartwig, Meisterschalen S. 12'-'^. Athen. Mittei/. 18«^»
Taf. 1 3. Ein deutliches Beispiel der niedrigen Bettstatt z. B. auf der Vase
Jatta bei Heydemann, .Satyr- und Bnkche7-iname)i.
•' Nur dieses Umstandes wegen erwähnt sie Jahn, l'asrnsaiuiiitnni^- Könii^
Ludimgs S. cxxv, 922.
SANDALOKRATir: 401
Taf. 35, 4 b S. 325 ist das vom Munde eines Zechers ausste-
hende, weil von ihm gesprochene OPOUOM /.um Teil noch
auf seinem Oberarm angebracht. Auf der chalkidischen Hy-
dria mit dem Ringkampf der Atalante und des Peleus (Furt-
wängler- Reichhold, Griccli. Vasrniiialerei Taf. 31) steht der
Name des letzteren auf dem Gewände des zuschauenden
Mopsos. In sehr vielen Fällen sind Inschriften, Namen mit
und ohne x«?i(k, auch xaAoi; allein und dergleichen auf darge-
stellten ( jcräten angebracht. Jahn ( VascitsaiiiDiluiig König Liid-
7ings S. cxxiii) hat eine Zusammenstellung gegeben, scheint
allerdings anzunehmen, wir müssten uns im Sinne der Vasen-
maler alle diese Inschriften an den Originalen der abgebilde-
ten Gegenstände vorstellen. Das trifft zu, stets oder wenig-
stens oft, für vSchriftrollen, Grabstelen, Gebäudeteile, Wasser-
becken, für den Dreifuss mit 'Axa|.iaA'Tig evixa rpiShi, das Weih-
geschenk bei Benndorf, Vasrnbildrr Taf. 31,1 und derartiges,
auch wohl für Trinkgefässe, auf denen man in Wirklichkeit
ja eben so häufig Lieblingsnamen las. Aber es fällt schwer,
sich auf Schilden \ Weinschläuchen 2, Flötenfutteralen ^ und
dergleichen Gegenständen ^ solche Inschriften auch in der
Wirklichkeit tatsächlich angebracht zu denken ; da sind sie
doch wohl nur vom Maler hingesetzt aus Raummangel oder
um den freien Raum angemessen zu füllen. Sicher ist dies ja
auch in den Fällen, wo erklärende Beischriften so unterge-
bracht sind, wie der Name des Achilles auf seinem Schild
' Beispielsweise: Catalogue of vases in the British Museum II Taf. 3 (Schild
der Athena mit Y.vifih-yioc, xaA,6i;). Klein, LieUingsinschriften'- vS. 121 (ebenso
mit Nix6|evog). Ch. Lenormant und J. de Witte, £.hte I Taf. 5 (Schild des
Giganten Ephialtes). Hartwig, Meisterschalen Taf. 24. ö2. Gerhard A. V. IV
Taf. 293.
- Hartwig, Meisterschalen Taf. 7. 32. 43. 44. 45. FurtWcängler - Reichhold,
Vasenmalerei Taf. 49. Klein, Liehlingsinschriften - S. 62, S. Gerhard A. V. I
Taf. 77. Mo7iumenti VI Taf. 67.
•^ Catalogue of vases in the British Museum III S. 115, E 90.
* Auf einer Tänie : Hartwig, Meisterschalen Taf. 69, 2, a. Comptc-rendu
de la comm. imp. archcologique 1874 Taf. 7, 4. Journal of Hellenic studies 1894
Taf, 3, 2. Auf Schöpfgefäss und Brunnenrand verteilt : Benndorf, Neroon von
Gjölbaschi-Trysa S. 11 3. Auf einem Sack xa?.6c, das zugehörige vai/.i im
freien Feld: Arch. Zeitung \Zl'i Taf. 11.
ATHEN. MITTEILUNGEN .XXX 26
402 P. WOLTERS
{Monumenti X Taf. 9), der des Eurystheus auf dem Rande
des Pithos, in den er sich verkrochen hat (Furtwängler-Reich-
hold, VasoiDinlcrci Taf. li), der an den Türflügel geschriebene
Name "Icpp/eveia [dort Taf. 5 7, 1) oder die auf Ante, Gebälk
und Stufe gesetzten Namen beim x\uszug des Amphiaraos
{Momiutenti X Taf. 4), dem Racheakt der Medeia {Are/?. Zri-
htug 1847 Taf. 3) und der Leichenfeier des Patroklos {Monu-
menti IX Taf. 32). vSo ist also dies y.cdoq auf dem Schenkel
des Mädchens keine allein stehende Erscheinung, zu der sich
schliesslich als monumentalere x^nalogie die Weihinschriften
anführen lassen, welche wir nicht nur bei kleinen Statuetten,
sondern auch bei vStatuen grade so, bald am Schenkel, bald
sonst irgendwo eingeschrieben finden ^ Ein besonders be-
zeichnender Fall für die nachträgliche Anbringung von In-
schriften an einem Kunstwerk, zu dem sie keine engere Be-
ziehung haben, ist die bronzene Figur eines Wolfes beim
grossen x\ltar in Delphi ; auf seiner Stirn hatten die Lakedä-
monier ihr Privileg der jtQO[iaA'Tfi'fx eingraben lassen, auf sei-
ner rechten Seite die Athener das Dekret, welches ihnen ein
gleiches Vorrecht gab (Pausanias 10, 14, 7, Frazer V S. 311;
Plutarch, Pcrikks 21).
Hervorzuheben ist noch der Schmuck des Mädchens, des-
sen völlige Nacktheit im übrigen ja keiner Erklärung bedarf.
Ihr Armband hat die Gestalt einer Schlange, ihr Ohrschmuck
ist aus drei von einem Punkte ausgehenden, nach aussen sich
verdickenden Blättchen gebildet, stellt also nicht mehr die
ältere Art, den Ring mit drei traubenförmigen, nach unten
verjüngten Ansätzen dar-, sondern muss als einfacheres Exem-
plar der selteneren palmettenartigen Bildung betrachtet wer-
' Vgl. R. von Schneider, Die Erzstatue v. Helencnberge S. 20. Kavvarlias,
r^LVJixd Toö 'Ei)v. Mouöeiüii I Nr. 1 . 2. 20. Holleaux, BCH 1 886 vS. 78. 1 90. 1 9b.
Auch die Weihung de.s Cheramyes, der Apoll von Pionibino im Louvre sind
hier 7,u nennen, sowie die Statue des Chares im British Museum, der .'\pollo
des Leukios in Samos {Atlicn. Mittril. 1900 S. 1 50), zu dem Wiegand au.sser
anderen Parallelen namentlich den von Cicero ( /V/v. 4, 43, 93) erwähnten
Apollo anführt, ciihis in feniore tittens miniilis iianien Mvronis trat inscriptiun.
Vgl. auch das von Frazer, Pausanias III S. 41 notierte Beispiel aus Phigalia.
' Hadaczek, Ohrschmiick der Griechen und Etriisker S. 1 7 ff.
SANDALOKRATIE 403
den, die in etwas reicherer, fünfblätteriger Form bei der He-
lena des Bologneser Kraters mit Iliupersis ', noch reicher bei
dem schönen Athenakopf in Erbach ' vorkommt.
Endlich ist das Rand zn erwähnen, welches der Jüngling
um das rechte Handgelenk, der Knabe um den linken Knö-
chel trägt; ich glaube, dass wir auch hier wie in den ander-
wärts "^ /Aisammengestellten Fällen bunte Fäden zu erkennen
haben, die man im alten Griechenland ebenso zu abergläubi-
schem, apotropäischem Zwecke trug, wie man sie im heuti-
gen Griechenland und weit über seine Grenzen hinaus, auch
in Deutschland, noch trägt.
Doch das ist alles Beiwerk, dem der Maler selbst keine
besondere Wichtigkeit beigelegt hat. Er wollte nur ein Bild
aus dem Treiben des Alltags bieten, wenn auch kein alltäg-
liches, und uns in dies Treiben einen indiskreten Blick tun
lassen ; und da wir nun einmal gegenüber den vergangenen
Geschlechtern Recht und Pflicht der zudringlichen Neugier
haben, möchte auch ich versuchen zu begreifen, welcher
Sturm hier getobt und welche Schicksalsschläge so deutliche
Spuren auf dem Rücken des links stehenden Buben zurückge-
lassen haben. Von der Tatsache, dass dieser elend verprügelt
worden ist, geht Campanari bei seiner Deutung mit Recht
aus, verbindet damit die demütige Gebärde des nackten Mäd-
chens, das dem herrisch daliegenden Jüngling die Hand küs-
' Momimenti X Taf. 54 ; vgl. dort auch IX Taf. 17,1. Stackeiberg, Grä-
ber d. Hellenen Taf. 1 8 ; dasselbe Motiv als hängendes Ornament auf einem
Gewand, Arch. Zeitung 1883 Taf. 17.
- Hadaczek S. 21. Der Athenakopf allein ist zuerst von Tischbein, Homer
nach Antiken (mir nicht zur Hand) und darnach mehrfach, dann nach neuer
Zeichnung von Anthes in den Bonner JaJirbüchern 96 S. 342 abgebildet. Eine
andere Abbildung des Fragmentes nach Tischbeins unvollendet gebliebe-
nem V. Bande der Engravings from oncient vases ist in S. Reinachs Re'pertoire
des vases peints II S. 364 wiedergegeben. Reinach bezeichnet die dort abge-
bildeten Köpfe eines Poseidon und einer Aphrodite (mit ähnlichem Ohr-
schmuck?) als Fragmente derselben Vase; ich weiss nicht, woher diese
Notiz stammt. In Erbach sind, wie mir Anthes versichert, diese anderen
Bruchstücke nicht.
•' ArcJvv für Religionsitu'ssenschaft \TII, Beiheft gewidmet Hermann Usc-
ner, S. 1 ff.
404 P. WOLTERS
sen will, und erschliesst daraus den kleinen Roman : der Jüng-
ling habe die Untreue seines Liebchens entdeckt, dieses flehe
seine Verzeihung an, während der Ephebe, die Ursache der
ausgebrochenen Eifersucht und darum auch ihr erstes Opfer,
den schmerzenden Buckel reibend sich still bei Seite drücke.
Ehrlich fügt Campanari hinzu, dass manches nicht zu dieser
Erklärung passe, namentlich nicht die ruhige Lage des Jüng-
lings, und er hofft eine befriedigende Erklärung dieser <'Osai-
ra e iufralciafissiiiia scDia von einem Späteren. Mich gelüstet
nach diesem Lorbeer, denn mir schcints nicht gar so schlimm
mit der vSchwierigkeit zu stehen.
Der Bube ganz links — wenn wir ihn Ephebe nennen,
tun wir ihm zu viel Ehre an, und wenn wir ihn auf galante
Abenteuer ausgehen lassen, vielleicht auch — hat Hiebe be-
kommen, das zeigen die dunkeln Flecken auf Rücken und
Beinen, und er hat sie mit dem Pantoffel bekommen, das zeigt
ihre Form, der deutliche Abdruck einer vSohle. Auch in mo-
dernen Zeiten soll ja der Pantoffel mitunter als Züchtigungs-
mittel dienen ; ein ergötzlicher bildlicher Beleg ist mir gerade
in die Hand gefallen, ein Blatt der Caprichos von Goya (vgl.
Loga, Francisco de Goya Tai 26), das einen Buben von einer
Frau so abgestraft zeigt, aber auch ohne solchen würde der
ominöse Name des Pantoffelhelden ' den (xedanken nahe le-
gen, dass es vornehmlich zarte Hände sein werden, die diese
Waffe schwingen. Auch im Altertum erfreut sich das schwa-
che Geschlecht dieses Vorrechts, wenn auch nicht ausschliess-
lich; .Hesych 695 überliefert uns sogar den Kunstausdruck
dafür: ß^avTOiiv. Auch noch andere litterarische und bildliche
Belege sind dafür zur Hand-; vor allem wird man an die
' L. (jünther, Deutsche Reelitsnltertihner in itnsrer lieutigen deiitschoi Spra-
che S. 31, leitet den Ursprung dieser und ähnlicher Redensarten aus juristi-
scher Symbolik ab, was nicht ausschliesst, dass man heute dabei meist an
den Pantoffel als schlagendes Argument denkt.
- Vgl. vStephani im Compte-reiidji de la coiiim. hup. archeologiq-iie 1870
vS. 193. 1872 S. 21b. 1880 S. 78. Jahn zu Persius 5, 1()4 und in den Berichten
der k. sächsischen Ges. der JVissensc/iaffeii 1855 vS. 224. Müller- Wieseler Denk-
mäler ■' II zu Nr. 285, b.
SANDALOKRATIE 405
sclierzhaft-elci^aiitcn vStatiictten der nacklcn Aphrodite ' erin-
nern dürfen, welche mit erhobener vSandale droht, wahr zu
machen, was Lnkian sie von Eros erzählen lüsst {(iöltcrgc-
sprächc 11,1): ticSi) (>f x(ti n-Äip/uc (u'to) evexi-iva k^ tai; miy«? tw
aavft(Uq). Dass diese Art der vStrafe mehrmals oerade von Om-
phale an Herakles xoHstreekt worden sein soll, berechtigt uns
nicht, diese Figürchen mitvStephani Omphale zu nennen; nicht
für sie ist der drohend ^geschwungene Pantoffel bezeichnend,
sondern nur für die schmachvolle Lage des Helden, und so
müsste entweder sie l)esser charakterisiert sein, etwa durch
das Löwenfell, oder er mit ihr dargestellt oder erhalten. Noch
weniger dürfen tiefsinnige nnthische Beziehungen und Ge-
danken hier gesucht werden - an Nemesis hatte Mercklin
gedacht! Crlücklicherweise ist der heitere Humor dieser Bild-
werke gegen solche X'ersuche jetzt durch die Terrakotta-
gruppe aus IMyrina gesichert, welche S. Reinach kürzlich ver-
öffentlicht hat-; da ist der kleine Sünder, der seiner Bestra-
fung gewärtig reumütig am Boden kniet, deutlich Eros und
die nackte Sandalenschwingerin also Aphrodite.
Nach solchen Analogien sind wir geneigt, auch auf un-
serem Vasenbild als Urheberin der nur zu klaren Sandalen-
abdrücke auf dem Rücken des Knaben die irdische Aphro-
dite zu vermuten, die in der Mitte des Bildes kniet. Aber ehe
wir dies als sicher behaupten, müssen wir uns den schwer-
wiegenden Einwand machen, dass ja vielleicht auch im Alter-
tum mitunter männliche Wesen, das A'orrecht der Weiber
missachtend, zum Pantoffel gegriffen haben könnten. Und
siehe da, unser \'erdacht ist begründet: nicht nur in dem
von Plutarch '' berichteten ätiologischen Mythos vom P^ste
der delphischen \ä^\lst. schlägt der König das Mädchen mit
dem Schuh, sondern \or allem verraten uns Vasenbilder
mehrere solcher frechen Übergriffe. Zunächst zwei schwarz-
figurige; das eine im Miisfo civico von Bologna hat Heyde-
' S. Reinach, Repertoire de In slahiaire II S. .UO.
■^ Re%me arch. 1903, I Tat". 3 S. 205 : v<jl. auch Winter, Typen der Jigiir-
liehen Terrakotten II S. 208, 1 .
■' Quaest. Grciec. 12 (vS. 293 D) : ty(.)t/..-tiatv uun'iv u.-tuöiuiaTi.
406 P. WOLTERS
mann! abgebildet, das andere in Berlin- ist noch unveröffent-
licht, auf beiden wird ein Knabe von einem Manne mit der
Sandale gezüchtigt. Etwas gedankenlos scheint es, wenn auf
der rotfigurigen Oidipusschale im Vatikan'^ ein Silen die San-
dale zur Züchtigung eines Buben benutzt, wenigstens erträg-
licher, wenn auf einem rotfigurigen Gefäss der Universitäts-
sammlung in Leipzig ^ Dionysos mit der Sohle in der Hand
einen Silen zurechtweist. Das alles können wir leicht als Usur-
pationen des von den Weibern in der Kinderstube und im
häuslichen Kreise geübten Pantoffelrechtes verstehen, oder
auch andrerseits aus Notwehr und als Ausnahme entschuldi-
gen, wenn bei der grossen Rauferei trunkener Männer auf
einer petensburger Schale ■- neben Steinen und Stöcken auch
die Sandale in Tätigkeit tritt. Anders steht es aber um die
von Hartwig, Meisterschalcii S. 263,1 (vgl. Arch. Anzeiger \'6'^l
S. 89) erwähnten obscönen Darstellungen, in denen Männer
und Weiber einander mit Pantoffelschlägen anreizen. Wir
brauchen solche sadistische Excesse für unseren Zweck wohl
nicht weiter heranzuziehen, ja ich bin nicht einmal ganz
sicher, ob Hartwig sie mit Recht zur Erklärung der berliner
Schale verglichen hat, auf der Eros die Sandale gegen einen
verfolgten Knaben schwingt. Da genügen am Ende doch
auch die Vorstellungen harmloserer Art, wie sie sich aus den
angeführten Züchtigungen ergeben.
Jedenfalls, wer vorsichtig sein will, darf nicht behaupten,
auf unserer Vase müsse die Art der Züchtigung als Beweis
dafür gelten, dass sie von dem Mädchen ausgegangen sei;
aber wahrscheinlich bleibt die Annahme. Und da die Vorstel-
lung, der Jüngling habe den Knaben mit dem Pantoffel der-
artig verprügelt und sich dann wieder behaglich hingelegt,
um nun die demütige x\bbitte der nicht körperlich bestraften
zweiten Schuldigen hinzunehmen, doch gar zu unwahrschein-
lich ist, so dürfen wir nunmehr nach pflichtmässiger und
' Anttkensammlungen in Ober- und Mittelitalien Taf. 1,5 S. 58, 1471.
* Arch. Anzeiger 1893 S. 85, 19.
•^ Hartwig, Meisterschalen Taf. 73 S. bbb. Heibig, Führer- \l Nr. 1274.
* Jahrbtich des arch. Instituts 1896 S. 191, 35 (F. Hauser).
'■ Hartwig, Meisterschalen Taf. 49 S. 474 f.
SANUALOKKATIK 407
ernsthafter Erj^ründun.^ aller all<^eineineii und besonderen
Umstände dieser osiiini c iNtralciatissiiiia scciin unser Ver-
dikt also fällen und sie also verstehen: Der Jüni^lino- feiert
in lockerer (lesellschaft ein (rela^-e, das Mädchen hat sich
hinreissen lassen, den kleinen Mundschenken mit dem Pan-
toffel zu malträtieren; dem aber ersteht im Jün<>'lin^- ein Be-
schützer, und demütig- knieend muss die Übeltäterin Abbitte
tun. Dass ist Alles. Nichts (rrosses, nichts Überraschendes,
aber ein anschauliches und spasshaftes Bildchen aus dem
Leben der lockeren athenischen Herren des ausgehenden
sechsten Jahrhunderts '.
Würzburg.
Paul Wolters.
Berichtigung: Auf S. 400, Z. 1 S ist zu lesen : yafiEÜvii für xa^iaieuvi].
408
Abb. I. l'feiler in Zürich.
NACHTRAG
zu ATHEN. MITTEIL. 1904 S. 21 ff.
Auf das oben abgebildete Bildwerk hat mich Herr Profes-
sor Loeschcke hingewiesen. Es befindet sich im Schweizeri-
schen Landesmuseum zu Zürich, dessen Direction mir gütig
die Photographie und Erlaubnis zu ihrer Publication überliess.
Das Denkmal ist bei den Ausgrabungen zu Baden in der
NACHTRAO -KV)
Schweiz gefunden und im jii/zrii^rr ßir Schweizerische Alter-
fumskioidr 1893 S. 268 wie folgt aufgeführt worden: «Prell-
stein (?). Konischer Stein, oben in einen lebensgrossen Wid-
derkopf auslaufend ; unten \iereckig gelassen (0,22 ni) und
YAWw Eingraben in die Erde bestinnut. Die Rückseite ist an-
gebrannt, scheint demnach dem Hause /.ugekehrt gewesen
zu sein. H. 0,71) m >.
Die Ähnlichkeit mit dem Athni. Mitini. 1904 S. 22 ver-
öffentlichten und als Apollo Karneios gedeuteten Denkmal
springt in die Augen, zugleich aber auch der Unterschied,
dass dieses durch Verstünmielung in seinen jetzigen Zustand
gekommen ist, während der schweizer vStein hingegen nie
einen höheren (xrad von Vollendung erreicht haben wird.
So fest ich an meiner Deutung auf Apollon Karneios halte,
so wenig weiss ich mit diesem neuen Denkmal anzufangen.
Der Fundort ist eine römische Wohnstätte, deshalb kann
man nicht wohl an ein Grabmal denken ^ Am wahrschein-
lichsten ist die Annahme von E. A. Stückelberg, der in dem
Ausgrabungsbericht das Ganze vermutungsweise als Prell-
stein bezeichnet und dem Widderkopf nur decorative Bedeu-
tuns: zumisst.
Herr Professor V. Studniczka macht mich freundlich auf
einen Irrtum in meiner Erklärung des Heraklesreliefs aus
Sklavochori {Athen. JMitteil. 1904 Taf. H, S. 32) aufmerksam.
Ich habe geglaubt, das von dem Manne verfolgte Tier nach
der allein erhaltenen hinteren Hälfte als Hirschkuh deuten
zu müssen. Studniczka jedoch nimmt Anstoss an der Bildung
des Hinterfusses, die ihm mehr einer Klaue als dem schlan-
ken Lauf eines Hirschen zu ähneln scheint. Aus der Klaue
auf einen Hund zu schliessen geht wegen der Form des
Schwanzes nicht an. < Dagegen passt alles sehr gut zu einem
Hasen in archaischer Stilisierung, etwa wie auf der sicher
ionischen Vase Lau, Griechische Vasen Taf. XI, 4 ^. Dem Ein-
' Rohe Tit'rl)il(ler als Grabniäler in vSiKinicn, Hühner .h\/i. Jalirb. 1 S9S
S. 125.
410 B. SCHRÖDER
wand, der Jäg-er wäre dann im Verhältnisse arg klein, be-
gegnet Stndniczka mit dem Hinweis auf die protokorinthi-
sche Vase fHSt. ISMO Taf. 2 u.a. In der Tat, vergleicht man
Darstellungen von Hirschen oder Rehen auf älteren s. f. Va-
sen wie Aii/iali 1863 tav. F. (Caeretaner Hydria), Rö/n. Mitt.
H Taf. 8,1 (Dümmlersche (Gattung),/]«/. DcHkui. I 45 (Kla-
zomenischer Sarkophag in Wien), oder auf der hier zuerst
veröffentlichten italischen Vase aus Corneto (Abb. 2) ' und
Abb. 2. Deckel in Bonn.
solche von archaisch stilisierten Hasen (s. JHSt. 1 890 Taf. 2 ;
Lau," 6^r/>t7/. I^asoi Taf. XI u.s.f.) mit meinem Hirsch , so
muss man diesen als Hasen anerkennen und meinen Irrtum
unentschuldbar finden. Indes stehen der Hase» des Hera-
klesreliefs und seine archaischen Brüder mit den gekrümm-
ten Hinterbeinen ihrem natürlichen Vorbild genau so fern
wie einem wirklichen Hirsch und wie auch ein ionischer
Künstler es mit der Wahrheit nicht genau nehmen konnte,
' Im Bonner Kunstmuseum. Deckel eines Gefässes, Höhe mit dem
Knopf 9 cm. Durchm. 1 8 cm ; man beachte die Ähnlichkeit der Darstellung
mit dem Relief aus Amyklai; die Pu1)lication geschieht mit gütiger Erlaub-
nis von Prof. Loeschcke.
NACHTRAG 411
zeigt die Caeretaner H\dria HCl f. 1802 vS. 2.^'): auch dort ent-
sprechen die Beine der Daniliirsche nicht der Natur. Kur/.,
icli opfere meinen armen Hirsch : ; Xit/ic (jiiocjiir pro imlla
i'irginr cfrva cadit .
Die Frage wäre ohne tiefere Bedeutung, wenn nicht das
Relief durch die neue Erklärung seinen mythischen Charak-
ter verlöre und damit aus dem Rahmen der Darstellungen
am amykläischen Thron herausfiele. Wie mir H. Thiersch
mitteilt, haben die /\usgrabungen im Amyklaion ergeben,
dass das Material meines Bruchstückes nicht zu den angeb-
lich gesicherten Resten des Thrones passt. So wird mein
Vorschlag, das Relief auf den Thron zu beziehen, von zwei
Seiten angegriffen und es erscheint ratsam, das genrehafte
Motiv der Hasenjagd als gesonderten Schmuck auf einem
freistehenden Pfeiler, etwa dem Träger eines Weihgeschen-
kes, zu denken (vgl. Magnesia am Mncandcr S. 159 Abb. 171).
Wie dem auch sei, aus dem Kreise der am Thronbau betei-
ligten Künstler wird das Werk doch stammen und auch wei-
terhin eine Vorstellung von der Kunst des Bathykles vermit-
teln können.
Berlin.
Bruno Schröder.
41
ZWEI INSCHRIFTEN AUS BITHYNIEN.
1. Brussa, Privatbesitz. Walirsclieiiilich aus der Gegend
von Apollonia am Rhyndakos. Weisser Marmor. H. 32 cm;
Durchmesser unten 22, oben 16 cm. Auf einer runden, 7 cm
hohen Basis ringelt sich in fünf W^indungen von zunehmen-
der Dicke eine vSchlange mit schuppiger Haut empor; der
Kopf ist abgebrochen. Auf der Basis die Inschrift (Buchsta-
ben-Höhe 0,8- 1,5 cm. Zeilen-Ab.stand 0,5 cm. 6 0 TT UU HS ) :
'AyaHf) tu/i]
TW Deco xatu ejcita-
yi]v 'Ajt6?i(?L0)voc;)
Weihgeschenk an Asklepios, wie das ganz ähnliche, in Bor-
deaux gefundene (Jullian, Histoirc de Bordeaux 1895 S. 23 =:
Reinach, Repertoire de la Seulpfure III S. IIb'). Zu xaid gjti-
taytiv vgl. Dittenberger Sxlloge'- II 786. 805. Die Buchstaben
kovog hatten unten keinen Platz mehr, da die Inschrift den
Windungen der vSchlange entsprechend schräg geschrie-
ben war.
2. Nikaia, Privatbesitz. Gefunden etwa eine Stunde
östlich von der vStadt, bei der Anlage der neuen Chaussee
von Nikaia nach Mekedsche. Oberes Stück 'eines Grabreliefs
aus weissem Marmor. H. 37, Br. 50, T. 4 cm. Auf der recht-
eckigen, unten gebrochenen Tafel sind erhalten der Ansatz
einer oben rund abgeschlossenen Nische und eines Pfeilers,
der die Nische links begleitete. Im Zwickel eine Rosette.
Darüber Architrav und Giebel mit First- und vSeitenakrote-
rien. Die Inschrift steht auf diesen Teilen, sowie auf dem
Grunde dazwischen und darüber, und ist den Umrandungen
ZWEI INSCHRIFTEN AUS I'.ITUVXIICN 413
der Architcktiirolicdcr anocpasst. lUichstabcn-I I(")lio etwa 2 cm.
A B e M C UU :
Ai'o. ^jT(nMS(mi((i))\'i x^- Kv . . .
oix(ov 8v Monogramm f( i'/.rj \'\i'oi|-
I^ojv £[.i(xii- Christi ha\'[\
T(p xa xi]jtnuQoc reoxeu-
x«l Tii oBfivo- aa(x
x('i.T\\ Hov m'(ji)ßio) AvQ. 0e,oft[o')Qa?]
Grabinschrift des I\'. Jahrhnnderts n. Chr. In der Xische
stand das Ehepaar. Die ((PAi] AuQJiXifxvi) geht jedenfalls auf
das Jahr 272 n. Chr. zurück, in dem Aurelian auf dem Zuge
gegen Zenobia in Bithynien weilte (Pauly-Wissowa V 1383).
Im Jahre 270 hatte sich die Landschaft \-on der Herrschaft
der Palm\'rener befreit {(i.a.O. 1364), aber Nikaia war wie
Chalkedon offenbar nicht in ihre Hände gefallen.' Die Mauern
von Nikaia waren nach der Zerstörung durch die Goten unter
Valerian gegen Goten wie Palmyrener neu in Stand gesetzt,
das Süd- und Westtor 269 dem Claudius (Tothicus geweiht
worden {CIG. II Nr. 3747/8. Baedeker, Klrinasini S.151).
Posen.
C. Fredrich.
414
FUNDE.
Die Ausgrabungen des Deutschen Instituts in Pergamon
sind im Herbste 1 905 in gewöhnlicher Weise fortgesetzt wor-
den. Da in einem der nächsten Hefte dieser Zeitschrift ein
ausführlicher Bericht über die Resultate der beiden Cam-
pagnen von 1904 und 1905 erscheinen wird, mag hier nur
mit einigen Worten auf die Ergebnisse hingewiesen werden.
Im oberen Gymnasion wurde ein Teil des Hofes, der Säle
an seiner Nordseite und des unterirdischen Dromos an seiner
Südseite aufgedeckt. Am Abhänge zwischen dem Gymnasion
und der II. Agora legten wir das Haus des Consuls Attalos
frei, dessen Hof schon 1904 gefunden war (vgl. Athni. Mitteil.
1904 S. 386). An dem Theater der Akropolis wurden weitere
Grabungen und Untersuchungen vorgenommen, die unter
Anderem ergaben, dass in dem einst aus Holz bestehenden
ältesten Skenengebäude das Proskenion, ähnlich wie in Delos,
auch an den kurzen Seiten der Skene entlang lief. Endlich er-
gaben Untersuchungen der Tumuli in der Kai'kos- Ebene, die
aber noch nicht abgeschlossen sind, dass der grosse Mal-Tepeh
aus römischer Zeit stammt, während der noch etwas grössere
Jigma-Tepeh, dessen Grabkammer noch nicht gefunden ist,
der Zeit der pergamenischen Könige angehört. (W. D.).
Bei Kapakly, in der Nähe von Volo, hat Herr Ephoros
Kuroniotis mit bestem Erfolge seine Ausgrabung des
' mykenischen Kuppelgrabes fortgesetzt, über deren Beginn
er in unseren Mittriluiigni (1905 vS.153 ff.) berichtet hat. Eine
Notiz darüber gibt er selbst in der athenischen Zeitschrift
navaBijvaia, die seit diesem Herbst in sehr dankenswerter
Weise alle griechischen Funde sofort verzeichnet und durch
berufene Fachleute kurz besprechen lässt. Man darf sonach
hoffen, dass dieses Blatt den lange gehegten Wunsch nach
einer regelmässigen Fundstatistik von Hellas erfüllen wird.
Das Grab von Kapakly (llava^/ivai« 1905, October S. 60)
maass ungefähr 10 m im Durchmesser und war über 7 m hoch.
Die Wände, aus rohen Steinplatten aufgebaut, stehen noch
bis zu einer Höhe von 4 m. Eine starke Alauer schloss die
FUNDE 415
Tür zum Dronios ab. Im Innern fanden sich Reste von etwri
zwanzio- Skeletten: die (irnft ist rdso längere Zeit hindnrch
benützt worden.
Die schönen o^oldenen vSchniucksaclien, welche den Hanpt-
bestand der Beigaben bilden, gleichen durchaus den mvkeni-
schen, wenn sie auch deren Zahl und Reichtum nicht er-
reichen. Es sind darunter viele Glieder von Halsketten, zum
Teil mit Tintenfischen verziert, eine grosse Rosette, ein Ciold-
plättchen in Gestalt eines Altars oder einer Capelle; dann
eine Reihe von Schmetterlingen aus Goldblech, wie sie in
den m)kenischen Schachtgräbern erscheinen. Die zahlreichen
Beigaben aus Elfenbein .sind zu (irunde gegangen in der
Feuchtigkeit des (rrabes, das unterirdisch in der Ebene an-
gelegt war. An mykenischen Vasen war die Ausbeute gering.
Südlich von T h eben hat der Director des Museums,
Herr K e r a m o p o u 11 o s, ebenfalls ein paar mykenische
Gräber geöffnet, aus deren Inhalt er mir einige hübsche
Goldsachen freundlich gezeigt hat.
Beim Heiligtum der Artemis Hemera von Lusoi
sind bei einer privaten Grabung die Büste einer archaischen
Statuette der Göttin, sowie silberne und eherne Schmuck-
sachen gefunden worden : darunter ein silberner Ring mit
der Aufschrift x«Ad in Buchstaben des V. Jahrhunderts. —
Derselben Zeit gehört ein grösserer Fund thönerner Artemis-
Statuetten an, der aus Langadia auf Kerkyra ins Museum
von Corfu gelangt ist. Vor der stehenden Göttin sielit man
auf einigen Exemplaren ein Reh, genau wie an den von Kara-
panos bei Kanon auf Kerkyra entdeckten Artemis-Statuetten
im Nationalmuseum (vgl. Winter, Typenkat. I S.IOO, vgl. L\'I).
Von Einzelfunden sind zu erwähnen : eine archaische
Bronzestatuette eines sitzenden, seinen Phallos mit der Rech-
ten packenden Silens, aus A c h 1 a d o k a m j) o s ( A r g o 1 i s),
jetzt auf der Polizei in Nauplia confisciert ; eine Inschrift
von A n d a n i a, die in drei Columnen eine Namenliste mit
Angabe gezahlter Gelder gibt (s. vorläufig A(rvanitopoulos),
HaraOip-aia, November 1 905 S.94). Endlich hat Herr R o m a i o s
im Auftrao;e des griechischen Unterrichts -Ministeriums im
Juli 1905 bei Kynuria (H. Petros) einen antiken Töpfer-
416 FUNDE
ofen aufgedeckt, über den er freundlichst fol,i>-endes berichtet:
«Die Wände des einst kuppeiförmigen Ofens stehen nocli bis
zu 0,90 m, zum grössten Teil unterirdisch. Der Durchmesser
der genau kreisrunden Anlage beträgt 1,.S(), die Tür, deren
Seiten sich nach aussen abstufen, ist 0,65 m breit. In der
Mitte des Ofens erhebt sich ein kreisrunder Pfeiler aus Lehm-
ziegeln (H. 0,45, Dm. 0,65 m), die r^Iittelstütze des (gleich-
falls aus Lehmziegeln bestehenden) Fussbodens, auf den die
Gefässe zum Brand gestellt wurden. Darunter brannte das
Feuer; die Hitze wurde durch Löcher im Fussboden, die sich
nach unten trichterförmig erweiterten, den (befassen zuge-
führt». So konnten sich durch Stichflammen leicht die Brand-
flecken ergeben, die wir an so vielen griechischen Vasen
walirnehmen (Furtwängler- Reichhold, Grirch. Vasrmnalcrri
S. 154). Die von Herrn Romaios gesammelten Scherben sol-
len dem 4. Jahrhundert v. Chr. angehören. Hoffentlich wird
er bald diesen so wichtigen Fund publiciercn. [(t. K.]
ERNENNUNGEN.
Zu Ordentlichen Mitgliedern wurden ernannt die Herren:
f T. W. Heermance in Athen, G. Karo in Athen, E. v. Stern
in Odessa,
zu correspondierenden Mitgliedern die Herren :
L. Correra in Neapel, W. Kolbe in Rostock, B. Nogara in Rom,
A. D. Keramopoullos in Athen, A. L. Kjellberg in L^psala,
H. Thiersch in Freiburg i. Br., j\I. Tsakyroglu in Snnrna.
SITZUNGS-PROTOKOLLE.
6. December 1 905. Winckelmanns-Sitzung. W. Dörpfeld;
Jahresbericht über die Tätigkeit des Instituts. — G. Karo:
Die Entwicklung des delphischen Heiligtums.
Geschlossen am Winckelmanns-Tage 1905.
ERRATA.
S. 375, Z. 13: zu lesen 1903 statt 1893.
S. 412-3: Die beiden Inschriften aus Bithvnien sollen lauten:
1 . 'AYa{)fi xvyr\
TCO \}8ü) xata ijtiTu-
yi]\' 'AjtoA(Aü)A'i05?)
AvQ. 2jtou8aai(m)vi, xe Ev . . . v . .
oixwA' £v Monogramm cpuArj Avqi)-
t,ü)v e|,iav- Christi A.ifxvfi
Tcö xa x)i:rtODQÖ(; | xeoxei)-
xal TT] oe^ivo- aaa
TfUT] JlOll Gl'([^l)ßur) Al'Q. 08o8 [(0(^)a ?]
Das Erscheinen dieses Heftes ist durch die Notwendig-
keit verzögert worden, ihm das Mitgliederverzeichnis bei-
zufüofen.
VERZEICHNIS
DER MITCx LIEDER
DES
KAISERLICH DEUTSCHEN
ARCHÄOLOCISCHEN INSTITUTS
DEZEMBER 1905
ZENTRALDIRHKTION
Herr O. Puchstein, Gencral-Sekretar
„ A. Conze
„ A. Erman
„ O. Hirschfeld
„ R. Kekule von Stradonit/
„ C. Klügmann
„ R. Schöne
„ U. von Wilamowitz-Moellendorff
„ G. Loeschcke in Botin.
„ A. Michaelis in Straßburg i. E.
„ F. Studniczka in Leipzig.
„ P. Wolters in Würzbnrs'.
in Berlin.
SEKRETARIATE
IN ROM
Herr G. Körte, Erster Sekretär.
„ Ch. Hülsen, Zweiter Sekretär.
IN ATHEN
Herr W. Dörpfeld, Erster Sekretär.
„ G. Karo, kommissarischer Zweiter Sekretai
RÖMISCH-GERMANISCHE KOMMISSION
IN FRANKFURT A. M.
Herr H. Dragendorff, Frankfurt a. J/., Direktor.
Puchstein, Berlin, als General-Sekretär.
. Hirschfeld, Berlin, \ von der Zentraldirektion
Loeschcke, Bonn, j aus ihrer Mitte gewählt.
Adickes, Frankfurt a. J/., 1
Meyer, Berlin, , vom Reichskanzler berufen.
Schumacher, Mainz, ]
Jacobi, Homburg v. d. Fl., berufen von Preußen.
Ranke, München,
von Herzog, Tübingen,
Fabricius, Freiburz ?. />/'.,
vacat
Henning, Straßburg i. Fls.,
von Domaszewsky, Heidelberg,
Ohlenschlager, MüncJie)i,
Ri 1 1 e r 1 i n g , Wiesbaden,
Schuchhardt, Hannover,
Wolff, Frankfurt a. M.,
„ Bayern.
„ Württemberg.
„ Baden.
„ Hessen.
„ Elsaß-Lothringen.
berufen vom Reichskanzler
auf Antrag
der Zentraldirektion.
MITGLIEDER DES INSTITUTS
EHREN-MITGLIEDER
Seine Kaiserliche und K()niL;liche Hoheit Erzherzotj;- Kainer,
Seine Königliche Hoheit Pi'inz Rupprecht von Bayern.
Seine Hoheit Erbprinz Bernliard von Sachsen-Meiningen.
Seine Hoheit Prinz Friedrich Karl von Hessen.
Seine Durchlaucht Fürst Johann von und zu Liechtenstein.
Seine Durchlaucht Fürst von Radolin, Paris.
Herr F. Adickes, Frankfurt a. M.
„ C. Freiherr von Bildt, Rom.
„ C. Klügmann, Berlin.
„ H. Lehmann, Halle a. S.
„ H. Graf von und zu Lerchenfeld, Berlin.
Donna Ersilia Caetani contessa Lovatelli, Rom.
Herr A. von Nelidow, Paris.
„ Graf von Plessen-Cronstern, Sluitgart.
„ J. von Radowitz, Madrid.
II
ORDENTLICHE MITGLIEDER
Herr F. Adler, Berlin. Herr O. Benndorf, Wien.
,, W. Amelung, Rom. „ M. R. de Berlanga, Malaga.
„ Conte A. Antonelli, Rom. „ J. J. liernouUi, Basel.
B. von Arnold, MüncJien.
E. Babelon, Paris.
F. Barnabei, Rom.
H. Bindernagcl, I-'rankfnrf
a. M.
H. Blümner, Zürich.
Barone G. Barracco, Rom. „ J. Bochlau, Kassel.
— 6 — .
Herr G. Boni, Rom.
„ L. Borchardt, Kairo.
„ E. Bormann, Wien.
„ R. Borrmann, Berlin.
„ R. C. Bosanquet, Athen.
„ M. Botkin, St. Petersburg.
„ E. Brizio, Bologna.
„ A. Brueckner, Berlin.
„ F. Bücheier, Bonn.
„ F. Bulic, Spalato.
„ R. Cagnat, Paris.
„ G. Calderini, Rom.
„ F. Calvert, Dardanellen.
„ A. Castellani, /^öw.
„ Marchese B. Chigi, Siena.
„ W. von Christ, München.
„ M. Collignon, Paris.
„ S. Colvin, London.
„ A. Conzc, Berlin.
„ F. Cumont, Brüssel.
„ A. L. Delattre, Tunis.
„ G. De Petra, Neapel.
„ E. De Ruggiero, i^fw.
„ H. Dessau, Berlin.
„ H. Diels, Berlin.
„ K. Dilthey, Gottingen.
„ W. Dittenberger, Halle a. S.
„ A. von Domaszewski, Heidel-
berg.
„ O.Donner- von Richter, Frank-
furt a. AI.
„ W. Dörpfeld, Athen.
„ J. Dragatsis, Piräns.
„ H. Dragendorff, Frankfurt
a.M.
„ St. Dragumis, Athen.
„ H. Dressel, Berlin.
„ L. Duchesne, AW^.
„ F. von Duhn, Heidelberg.
Herr J. Durm, Karlsruhe.
„ F. Ehrle, At?;;/.
„ R. Engehnann, Rom.
„ A. Erman, Berlin.
„ A. J. Evans, Oxford.
„ E. Fabricius, Freiburg i. Br.
„ J. Ficker, Straßburg i. E.
„ F. Fita, ]\Iadrid.
„ R. Foerster, Breshui.
„ P. Foucart, Paris.
„ J. G. Frazer, Cambridge.
„ L. Friedländer, Straßburg i. E.
„ W. Fröhner, Paris.
„ A. Furtwängler, München.
„ G. F. Gamurrini, Aresao.
„ E. A. Gardner, Londo7i.
„ P. Gardner, Oxford.
„ G. Gatti, Af?;//.
„ P. F. Gauckler, Tunis.
„ G. Ghirardini, Padua.
„ W. W. Goodwin, Cambridge,
Mass.
„ F. Graeber, Bielefeld.
„ B. Graef, Jena.
„ Fr. LI Griffith, ai/^/v/.
„ F. Halbherr, Rom.
„ Halil - Edhem - Bey, Konstan-
tinopel.
„ O. Hamdy-Bey, Konstantinopel.
„ J. Hampel, Budapest.
„ A. Harnack, Berlin.
„ W. von Hartel, Wien.
„ P. Hartwig, Rom.
,, B. Haussoullier, Paris.
„ P'. Haverfield, Oxford.
„ B. V. Head, London.
„ R. Heberdey, Athen.
„ J. L. Heiberg, Kopenhagen.
„ W. Heibig, Aö;/^
7 —
Herr E. von HcrzoL;', Tiibiiigcn.
„ L. Heuzey, Paris.
„ F. Freiherr Hillcr von Gaert-
ringen, Berlin.
„ O. Hirschfeld, Berlin.
„ M. Holleaux, Athen.
„ A. E. J. Holwerda, Leiden.
„ Th. Homolle, Paris.
„ Ch. Hülsen, Rom.
„ F. Imhoof- Blumer, Wiuier-
tJuir.
„ L. Jacobi, Homburg v. d. H.
„ H. St. Jones, Oxford.
„ C. Justi, Bonn.
„ E. Kaiinka, Innsbruck.
„ G. Karo, Athen.
„ P. Kavvadias, Athen.
„ 13. Keil, StraJJburg i. E.
„ R. Kekule von Stradonitz,
BerltJi.
„ F. Kenner, Wien.
„ A. Kirchhoff, Berlin.
„ W. Klein, Prag.
„ F. Koepp, Münster i. IV.
„ R. Koldewey, Babylon.
„ A. Kondostavlos, Athen.
„ A. Körte, Basel.
„ G. Körte, Rom.
„ W. Kubitschek, Wieti.
„ Sp. Lambros, Athen.
„ R. A. Lanciani, Rom.
„ C. Graf Lanckoroi'jski-Brzezie,
J]^en.
„ B. Latyschew, 5/. Petersburg.
„ H. Lechat, Lyon.
„ H. Lehn er, Bonn.
„ F. Leo, Göttingen.
„ V. Leonardos, Athen.
„ G. Loeschcke, Bonn.
Herr E. L(")\v\', /w;///.
H. Luckenbach, Karlsruhe.
„ O. I^üders, Athen.
„ G. Lumbroso, AV///.
„ L. Mariani, /'/.sv?'.
„ O. Marucchi, Rom.
„ G. Maspero, Paris.
„ A. Mau, Rom.
,, A. Meletopulos, Piräiis.
„ E. Meyer, Berli)i.
„ A. Michaelis, Straßburg i. Ji.
„ L. A. Milani, Floren::.
„ A. Mommsen, Hamburg.
„ O. Montelius, Stockholm.
„ J. H. Mordtmann, Smyrna.
„ R. Mowat, Paris.
„ N. Müller, />>/'//«.
„ K. Mylonas, Athen.
„ G. Niemann, /[»«.
„ B. Niese, Marburg i. H.
„ H. Nissen, Bonn.
„ Ch. E. Norton, Cambridge,
Mass.
„ R. Norton, Rom.
„ F. Ohlenschlager, München.
„ P. Orsi, Syrakus.
„ E. Pais, Neapel.
„ A. Pasqui, Rom.
„ C. Patsch, Serajeivo.
„ E. Pernice, Greifsivald.
„ G. Perrot, Paris.
„ E. Petersen, Berlin.
„ W. M. FlindersPetrie, London.
„ D. Philios, AtJien.
„ L. Pigorini, /\^ö;//.
„ E. Pottier, Paris.
„ A. Prachow, vS7. Petersburg.
„ E. Pridik, 5'/'. Petersburg.
„ O. Puchstein, Berlin.
— 8 —
Herr W. M. Ramsay, Abcrdcoi.
„ E. Reisch, Wien.
„ R. B. Richardson, Nczv York.
„ O. Richter, Berlin.
„ E. Ritterling, Wiesbaden.
„ C. Robert, Halle a. S.
„ H. von Rohden, Hagenau.
„ M. Rostowzew, St. Petersburg.
„ G. McN. Rushforth, Grasniere,
Mähern.
„ A. Salinas, Palermo.
„ B. Sauer, Gießen.
„ L. Savignoni, Messina.
„ R. von Schneider, Wien.
„ R. Schöne, Berlin.
„ H. Schrader, Innsbruck.
„ Th. Schreiber, Leipzig.
„ J. Schubring, Lübeck.
„ K. Schuchhardt, Hannover.
„ W. Schulze, Berlin.
„ C. Schumacher, Main,':.
„ L. von Schwabe, Tübingen.
„ Jonkheer J. Six vanHillegom,
Amsterdam.
„ A. H. Smith, L^ondon.
„ Cecil H. Smith, London.
„ A. Sogliano, Neapel.
„ G. Sotiriadis, Athen.
„ V. Stais, Athen.
„ E. von Stern, Odessa.
„ J. Strzygowski, 6";??^.
„ F. Studniczka, Leipzig.
Herr J. N. Svoronos, Athen.
„ L. von Sybel, Marbnrg i. H.
„ G. Tocilescu, Bukarest.
„ A. Trendelenburg, Berlin.
„ G. Treu, Dresden.
„ Ch. Tsuntas, Athen.
„ D. Vagiieri, /^t^w.
„ J. Vahlen, Berlin.
„ A. Heron deVillefosse, Paris.
„ G. Vitelli, Florenz.
„ M. Graf de Vogüe, Paris.
„ E. Wagner, Karlsruhe.
„ H. Graf von Walderdorff,
Regensburg.
„ Ch. Waldstein, Cambridge.
„ G. Weber, Smyrna.
„ R. Weil, Äv-////.
„ J. W. White, Cambridge, JLass.
„ F. Wickhoff, FfYr//.
„ Th. Wiegan d, Honstantinopel.
„ U. von Wilamowitz-Moellen-
dorff, Berlin.
„ U. Wilcken, Halle a. S.
„ A. Wilhelm, Wien.
„ A. Wilmanns, Berlin.
„ J. Wilpert, Rom.
„ H. Winnefeld, Berlin.
„ F. Winter, 6";'c75.
„ G. Wissowa, Halle a. S.
„ G. Wolff, Frankfurt a. M
„ P. Wolters, Würzburg.
R. Zahn, Berlin.
III
KORRESPONDIERENDE MITGLIEDER
Herr G. Alacevic, Zara.
Marchese C. Antaldi, Pesaro.
E. Anthes, Darmstadt.
Herr Marchese G. Antimi- Clari,
Macerata Feltria.
Conte Aria, Marzabotto.
— 9
llerrP. .Vrndt, MiiiicJicn.
Th. Ashby, Rom.
„ O. N. Askitis, Chalki.
,, E. Assmann, In-rlin.
F. Baraibar, Vittoria.
.. C. Bardt, Berlin.
F. Bau mgarten , Freiburg i. Br.
G. Bcllucci, Perugia.
O. Beriet, Glosrait.
L. Berthoniieu, Narhoiuie.
A. Bertrand, Moiiliiis.
E. Bethe, Gießen.
F. Freiherr von Bissing,
München.
R. Blair, Soii/Ii-Shields.
„ Ch. Blinkenberg, A'(^/(r7//'ir?'^''r;/.
E. Bodensteiner, 3Iiincken.
,. R. Bodewig, Oberla/insfein.
O. Bohn, Berlin.
„ U. Ph. Boissevain, Groningen.
,, C. G. Brandis, Jena.
A. van Branteghcm, Paris.
F. Brun, Nizza.
,. H. Bulle, Erlangen.
„ A. Calabrese, Treviso.
„ G. Caminiti, Reggio.
„ G. Canna, Pavia.
„ L. Cantarelli, 7?(?;//.
G. Caraba, Bisaccia.
„ W. Cart, Lausanne.
A. Casilli, Rhodos.
F. B. Castiglioni, Spongano.
F. Catone, Gesualdo.
R. Cavarocchi, Chieti.
J. Centerwall, SöderJuinin.
A. van Ceuleneer, 6^r«/.
J. Chatzidakis, Candia.
C. Chiavarini, Ancona.
V. Cicerchia, Palestrina.
Herr A. Coelho, Lissabon.
G. A. Colini, AV///.
Conte F. de j^rincii^i (.'olonna-
Stigliano, Neapel.
Ci. 1<\ Com fort, Mcadvillc.
I). Comparetti, Florenz.
,. A. Conrads, Haltern.
,. F. Corazzini, Florenz.
„ F. Cordenons, Padua.
„ L. Correra, Neapel.
„ Conte A. Cozza, A'^?;//.
,, C. de la Croix, Poiticrs.
„ C. Curtius, Lübeck.
„ P. Da Ponte, Brescia.
„ H. Daumet, Paris.
,. P. Decharme, Paris.
„ M. Deffner, y^//^r«.
,, R. Delbrueck, Berlin.
„ J. Dell, Czernoxvitz.
„ .V. De Nino, Sidniona.
„ De Persiis, Assisi.
„ D. Detlefsen, Glückstadt.
„ M. Dimitsas, Athen.
,, P. Dissard, Lyon.
„ P. Di Tucci, A(;///.
„ W. Dobrusky, Sofia.
„ A. Dohrn, Neapel.
„ F. Donati, Siena.
„ F. Dürrbach, Toulouse.
„ O. Egger, Jl»//.
„ E. Esperandieu, Paris.
„ Conte E. Faina, Orvieto.
„ I. Falchi, Montopoli di Val-
darno.
„ D. Farabulini, At^w.
„ G. Faraone, Caiazzo.
,, L. R. Farneil, Oxford.
„ E. Ferrero, Turin.
A. Fontrier, Sn/yrna.
— lO — ■.
Herr H. N. Fowler, Clcvcland, Ohio.
„ S. Frankfurter, Wien.
C. Fredrich, Posen.
,, H. von Fritze, Berli)i.
\. L. Frothini;ham jun.,
Princeion, N. J.
G. Gabrielli, Ascoli Piceno.
A. Galli, Rom.
P. Gaudin, Suiyrna.
„ G. Gelcich, Ragusa.
,. H. Geizer, Jena.
„ N. Georgiadis, J^olo.
A. Gcrcke, Greifsivald.
„ Giannopulos, Habnyros.
„ H. Gies, Konstanfinopel.
„ E. Gillieron, AtJicn.
G. B. Giovenale, Rom.
„ P. des Granges, Rom.
„ B. Graser, Hclsingfors.
„ F. Grossi, Arce.
„ St. Gsell, Algier.
„ H. Guhrauer, ]\'ittenberg.
.. D. Hadjidimu, Aidin.
„ W. G. Haie, Chicago.
„ A.Hammeran, ^7vr«/^//r/(7. J/.
Miß J. Harrison, Cambridge.
Herr F. Haug, Mannheim.
„ P. Herrmann, Dresden.
„ R. Herzog, Tübingen.
„ E. L. Hicks, Ulanchesfer.
„ G. F. Hill, London.
T. Hodgkin, Neivcastle-npon-
Tyne.
„ M. Hoernes, fP/W/.
„ F. Hultsch, Dresden.
„ P. Ibarra y Ruiz, Elche.
„ G. loannidis, Pergamon.
„ C. Jacobsen, Kopenhagen.
„ A. Jatta, Rnvo.
Herr R. C. Jebb, Cambridge.
„ L. Jelic, Zara.
„ W. Judeich, Erlangen.
C. Jullian, Bordeaux.
„ A. Kandakidis, Larissa.
,, K. Karapanos, AtJien.
„ P. Kastriotis, Athen.
., G. Kavverau, JMilet.
„ A. D. Keramopullos, Athen.
„ O. Kern, Rostock.
„ B. Keune, J/r/£r.
„ J. Kirchner, /Berlin.
„ L. Kjellberg, Upsala.
„ H. Knackfuß, J/?7r/.
„ C. L. Koehl, Worms.
„ C. Koenen, Boim.
„ J. Kokidis, Athen.
„ W. Kolbe, Rostock.
„ N. Kondakow, .SV. Petersburg.
,, A. Kondoleon, Delphi.
„ P. Kretschmer, Jl'ien.
„ M. Krispis, Kalavryta.
„ E. Kroker, Leipzig.
„ J. Kromayer, Czernoivitz.
.. E. Krüger, Irier.
„ K. Kuruniotis, Athen.
„ V. Kuzsinsky, Budapest.
„ K. von Lange, Tübiiigen.
„ N. Limnios, Artake.
„ S. D. G. Llabres, Mahon.
„ F. Lombardini, J>^.s^5(^.
,. L xA.. Londos, Athen.
„ R. Löper, Konstantinopel.
„ G. Loring, Malaga.
„ G. Lucciola, Sangiorgio a Liri.
„ H. Lugon, Cr. .SV. Bernhard.
„ A. Lupatelli, Perugia.
„ F. von Luschan, Berlin.
„ E. Maass, JMarburg i. H.
1 1
Herr L. Ma,L;L;iulli, Miiro.
H. Maionica, Aquilcja.
W. Malmberjj, Dorpat.
C. Mancini, Neapel.
R. Mancini, Orvieto.
G. Mantovani, Bergamo.
G. Mariütti, Parma.
L. Härtens, Elberfcld.
van Marter, ]Vashins:ton.
E. Martinelli, Amigni.
F. Marx, Leipzig.
C. Masner, Breslau.
A. Matsas, Chalkis.
L. Mauceri, Messina.
M. Mayer, ÄvV///.
G. Mazzatinti, Forli.
P. J. Meier, BraunscJnveig.
J. R. Melida, Madrid.
A. Meomartini, Beneven/o.
J. Merz, Stuttgart.
W. Meyer, G'öttingeii.
E. Michon, Paris.
G. Milella, ä?;7.
A. Elias de Mo lins, Barcelona.
Marques de Monsalud,
Madrid.
A. Mordtmann, Konstantino-
pel.
M. G. Moreno, Granada.
F. Morlicchio, Scafati.
S. Müller, KopenJiagen.
J. L. Myres, Oxford.
J. Navpliotis, Av?.rc'jj-.
G. Nervegna, Brindisi.
F. M. Nichols, Lazvford (bei
Ma7mingto7i, Es sex).
A. Nikitsky, Moskau.
F. Nissardi, Cagliari.
F. Noack, A7r/.
I icrr 1). Xogara, /v(V//.
N. Novosadsky, Uarsc/iau.
„ G. Oberziner, Mailand.
„ R. Oehler, Berlin.
L. Otto, Dresden.
„ G. Paci, Ascoli Piceno.
„ F. S. Palazzetti, Urbisaglia.
.. L. Pallat, /)V;-///A
A. Papadopulos - Keramevs,
^V. Petersburg.
M. Papa-Konstandinu, Aidin.
M. Pardo de Figiieroa, Medina
Sidonia.
P. Paris, Bordeaux.
W. R. Paton, / Iroflay.
G. Patron i, Pavia.
E. Paulus, Metz.
G. Pellegrini, Bologna.
P. Perdrizet, Nancy.
L. Pernier, Florenz.
W. C. Perry, London.
N. Persichetti, Aquila.
B. Pharmakowsky, 5/. Peters-
burg.
A. Philadelphevs, Athen.
A. Philippson, Bern.
E. Piccolomini, Siena.
F. Pichler, 6^r<75.
B. Pick, Gotha.
G. Pinto, J'enosa.
G. Pinza, /vc»;//.
V. Poggi, Savona.
N. G. Politis, ^///r//.
L. PoUak, 7?c'7//.
J. Pomialowsky, 5/. Peters-
burg.
G. Porri, ^r^'.s'^.
A. von Premerstein, [/>?//.
A. Preuner, Greifsivald.
— 12 — .
Herr E. Preuner, Straßbiirg i. E.
„ A. Prosdocimi, Este.
,, K. Purgold, Gotha.
„ A. Puschi, Tricst.
„ Q- Quagliati, Tarcnt.
„ G. Rallis, Pcrgainon.
„ F. von Reber, Münchoi.
„ S. Rein ach, Paris.
„ L. Reinisch, Wioi.
„ von Rekowski, Wiesbaden.
,. S. Ricci, Mailand.
„ E. Ridolfi, Florenz
„ P. Rizzini, Brescia.
„ G. E. Rizzo, /vc;w.
„ H. Röhl, Halber Stadt.
„ J. Roman, Enibrun.
„ O. Rossbach, Königsberg i. Fr.
„ Conte G. B. Rossi - Scotti,
Perugia.
„ O. Rubensohn, Kairo.
„ A. Rubini, Forniia.
„ C. Ruga, Mailand.
„ E. Saavedra, Madrid.
„ N. Sakkelion, Tinos.
„ F. Salvatore-Dino, Portici.
„ A. SantareUi, Forli.
„ D. Santoro, 5. Giovanni
Incarico.
„ F. Sarre, Berlin.
„ H. Schäfer, Berlin.
„ A. Schiff, y?r;V/«.
,, R. Schillbach, Potsdam.
„ A. Schindler, [?»;/.
„ J. von Schlumberger, Geb-
weiler.
„ H. Schmidt, l^erlin.
„ A. Schöne, Kiel.
„ H. Schöne, Königsberg i. Pr.
.. P. Schröder, Beirut.
Herr A. Schulten, Göttingen.
„ E. Schwartz, Göttingen.
,, P. Serlendis, 5)7'^:.
„ M. Siebourg, Bonn.
„ Conte A. Silveri-Gentiloni,
Tolentino.
„ A. Skias, AtJien.
„ H. Skorpil, RustscJiuk.
„ K. SkorjDil, Warna.
„ E. Solaini, J^olterra.
„ G. J. Solotas, CJiios.
„ Th. Sophulis, Savios.
„ G. Sordini, Spoleto.
„ G. Sotiriu, Sniyrna.
„ A. Spagnolo, l^erona.
,, A. G. Spinelli, Modena.
„ Barone M. V. Spinelli de
principi di Scalea, Neapel.
„ A. Stamatiadis, Samos.
„ D. Stavropulos, Myko?ios.
„ H. Stein, Oldenburg.
„ N. Stephanopulos, Tripolis.
„ L. Stern, Berlin.
„ I. R. S. Sterrett, ////.rr^r, A^. i:
„ P. Stettiner, Rom.
„ C. Stornaiolo, A^tw/.
„ M. L. Strack, Gießen.
„ H. Swoboda, Prag.
„ Conte E.Tambroni-Armaroli,
Appignano (bei Macerata).
„ A. Taramelli, Cagliari.
„ A. Tardieu , Clermont - Fer-
rand.
„ J. Thacher-Clarke, Harroiu.
„ F. von Thiersch, Münche?i.
„ H. Thiersch, Ereiburg i. Br.
„ E. Thraemer, Straßburg i. E.
„ G. Tomassetti, Rom.
G. Tria, Polatli.
Herr G. Tropea, Padiia.
„ M. Tsakyroglu, Sniyrna.
„ D. Tscholakidis, Pcvi^aiuon.
,, D. Tsopotos, W^lo.
„ H. L. Urlichs, München.
]. L. de Vasconcellos, Lissa-
bon.
„ J. de Vasconcellos, Opoiio.
.. E. Vassiliu, Thei'a.
.. F. A. Vera, Cadix.
„ A. Vernarecci, Fossonibronc.
„ D. Vikelas, Athen.
„ L. Viola, Tarcnl.
„ S. Vitali, ]^cnafro.
„ J. C. Vollgraft; UhrcJit.
G. Vyzantinos, AlJicn.
„ J. Wackernagel, Cöttingen.
„ V. WaiUe, .-J/^/rr.
„ M. Waltrowitz, Belgrad.
K. Watzinger, Rostock.
Herr A. Weckerling, W'onns.
W. Weißbrodt, Pu-annsberg.
P. Weizsäcker, Cahv.
C. Wichmann, J/^/,g'.
S. Wide, Upsala.
\. Wiedemann, Bonn.
W. Wilberg, /[?>;/.
P. Wilski, Frcibcrg i. S.
B. I. Wheeler, Berkeley, Cal.
K. Woermann, Dresden.
G. Wolfram, J/^/.:r.
J. Wordsworth, Salisbury.
F. Zamboni, [f/V;^.
A. Zannoni, Bologna.
L. Zdekauer, Macerata
(Mar che).
J. Ziehen, P>erlin.
Th. Zielinski, .SV. Petersburg.
E. Ziller, y?//^r//.
IV
ÜBERSICHT SÄMTLICHER MITGLIEDER
NACH ÖRTLICHKEITEN GEORDNET
1. Ägypten.
Kairo: O. M: L. Borchardt, C. M..
O. Rubensohn.
2. Belgien.
Brüssel: 0. M.: F. Cumont.
Genf: C. AI.: A. van Ceuleneer.
3. Bosnien.
Serajczuo: 0. M.: C. Patsch.
4. Bulgarien.
Sofia: C. M.: W. Dobrusky.
RnstscJiuk: C. M.: H. Skorpil.
Warna: C. M.: K. Skorpil.
5. Dänemark.
KopenJiagen: O. M.: J. L. Heiberg,
r. J/.; Ch. Blinkenberg, C. Ja-
cobseh, S. Müller.
6. Deutschland.
Berlin und ]^ororte: F..M.: C. Klüg-
mann, H. Graf von und zu Ler-
— T4
chcnfeld, O.M.: F. Adler,R.Borr-
mann, A. Brueckner, A. Conze,
H. Dessau, H. Diels, H. Dressel,
A. Erman, A. Harnack, F. Frei-
herr Hiller von Gaertringen,
O. Hirschfeld, R. Kekule von
Stradonitz, A. Kirchhoff, E.
Meyer, N. Müller, E. Petersen,
O. Puchstein, O. Richter, R.
Schöne, W. Schulze, A. Tren-
delenburg, J. Vahlen, R. Weil,
U. von Wilamowitz - Moellen-
dorff, A. Wilmanns, H. Winne-
feld, R. Zahn, C. M.: E. Ass-
mann, C. Bardt, O. Bohn, R. Del-
brueck, H. v. Fritze, J. Kirchner,
F. V. Luschan, M. Mayer, R.
Dehler, L. Pallat, F. Sarre, H.
Schäfer, A. Schiff, H. Schmidt,
L. Stern, J. Ziehen.
Bielefeld: 0. M.: F. Graeber.
Bonn: 0. M.: F. Bücheier, C. Justi,
H. Lehner, G. Loeschcke, H.
Nissen, C. M.: C. Koenen, M.
Siebourg, A. Wiedemann.
Braiinsberg: C. AI.: W.Weißbrodt.
Braunsclizveig: C. M.: P. J. Meier.
Breslau: O.AL: R. Foerster, C. M.:
C. Masner.
Cahv i. Willi t.: C. M.: P. Weiz-
säcker.
Darmstadt: C. M.: E. Anthes.
Dresden: 0. M.: G. Treu, CM.:
P. Herrmann, F.Hultsch, L. Otto,
K. Woermann.
Elberfeld: T. J/.; L. Martens. |
Erlangen: C. M.: H. Bulle, W. Ju- j
deich.
Frankfurt a. M.: E. M. : F. Adickes, {
CXiI/.;H. Bindernagel, O.Donner-,
von Richter, H. Dragendorff, G.
Wolff, C. M.: A. Hammeran.
Freiberg i. S.: C. M.: P. Wilski.
Freibiirg i. Br.: O. M.: E. Fabri-
cius, C. AI.: F. Baumgarten, H.
Thiersch.
Gebzveiler i. Eis.: C. AI: J. von
Schlumberger.
GiefJen: O. M,: B. Sauer, C. AI:
E. Bethe, M. L. Strack.
Glogau: C. AI: O. Beriet.
Glückstadt: C. AI: D. Detlefsen.
Gotha: C. AI: B. Pick, K. Pur-
gold.
Göttingen : 0. AI. : K. Dilthey, F. Leo,
C. M: W. Meyer, A. Schulten,
E. Schwartz, J. Wackernagel.
Greifstvald: 0. AI.: E. Pernice,
C. AI: A. Gercke, A. Preuner.
Ilagenan i. F.: 0. AI: H. von
Rohden.
Halb er Stadt: C. M.: H. Röhl.
Halle a. S.: F. AI: H. Lehmann,
0. Jll: W. Dittenberger, C. Ro-
bert, U. Wilcken, G. Wissowa.
Haltern i. JVestf: C. AI: A. Con-
rads.
Hamburg: 0. AI: A. Mommsen.
Hannover: O.AI: K. Schuchhardt.
Heidelberg: O. AI: A. von Doma-
szewski, F. von Duhn.
Blomburg v. d. H.: 0. HL: L. Jacobi.
Jena: 0. AI: B. Graef, C. AI: C.
G. Brandis, H. Geizer.
Karlsruhe: O. AI: J. r3urm, H.
Luckenbach, E. Wagner.
Kassel: 0. AI: J. Boehlau.
Kiel: C. AI: F. Noack, A. Schöne.
— I
K'önis'sbcrs' i. Pr.: C. M.: O. Ross-
bach, H. Schöne.
Leipzig: 0. M.: Tb. Schreiber, F.
Studniczka, C. M.: E. Kroker,
F. Marx.
Lübeck: 0. JIL: J. Schubring, C M.:
C. Curtius.
Mainz: 0. JL: C. Schumacher.
Ma7inheiin: C. J/..- F. Haug.
Marburg i. H.: 0. M: B. Niese, L.
von Sybel, C. J/..- E. Maass.
Meiiiingen: E. M.: Erbprinz Bern-
hard von Sachsen Meiningen.
Metz: C. M.: B. Keune, E. Paulus,
C. Wichmann, G. Wolfram.
MüncJicn: E.M.: Prinz Rupprecht
von Bayern, O. J/.: B. von .Vr-
nold, W. von Christ, A. Furt-
wängler, F. Ohlenschlager, C.
J/..- P. Arndt, F. Freiherr von
Bissing, E. Bodensteiner, F. von
Reber, F. von Thiersch, H. L.
Urlichs.
Münster i. liest/.: O.M.: F. Koepp.
Oberlahnstein: C. J/..- R. Bodewig.
Oldenburg: C. M.: H. Stein.
Posen: C. M.: C. Fredrich.
Potsdam: C. M.: R. Schillbach.
Regensburg: 0. J/.: H. Graf von
Walderdorff. '
Rostock LAL: CM: O.Kern, W.
Kolbe, K. Watzinger.
Rumpenheim (Schloß) i. H.: E.
J/.: Prinz Friedrich Karl von
Hessen.
Straßburg i. E.: O. J/.: J. Ficker,
L. Friedländer, B. Keil, A. Mi-
chaelis, C. JL: E. Preuner, E.
Thraemer.
Stuttgart: /i.M.: Graf von Plcssen-
Cronstern, C. M.: J. Merz.
Trier: C. M.: E. Krüger.
Tübingen: O.M.: E. von Herzog,
F. von Schwabe, C. M.: R. Her-
zog, K. von Lange.
Wiesbaden: 0. J/..- E. Ritterling,
C. M.: von Rekovvski.
Wittenberg: C. M.: H. Guhrauer.
Worms: C. M.: C. F. Koehl, A.
Weckerling.
Würzburg: 0. M: P.Wolters.
7. Frankreich.
Paris: E. J/..- Fürst von Radolin,
A. von Xelidow, C^. M.: E. Iia-
belon, R. Cagnat, ^L Collignon,
P.Foucart, W. Fröhner, B. Haus-
soullier, L. Heuzey, Th. Homolle,
G. Maspero, R. IMowat, G. Perrot,
E. Pottier, A. Heron de Ville-
fosse, M. Graf de Vogüe, C. M.:
A. van Branteghem, H. Daumet,
P. Decharme, E. Esperandieu,
E. Michon, S. Reinach.
Algier (Afrika): C. M.: St. Gsell,
V. Waille.
Bordeaux: C. 2L: C. Jullian, P.
Paris.
Clennont-Ecrrand: C. M.: A. Tar-
dieu.
Evibrun (Haut es Alpes): C. M.:
J. Roman.
Lyon: 0. M.: H. Lechat, C. M.:
P. Dissard.
Moulins: C. M.: A. Bertrand.
Nancy: C. M.: P. Perdrizet.
Narbonne: C. M.: L. Berthomieu.
Nizza: C. M.: F. Brun.
i6
Pciticrs: C. HL: C. de la Croix.
Toulouse: C. J/.: F. Dürrbach.
V^h'oflay (Seine et OiseJ: C. M.:
W. R. Paton.
8. Griechenland.
Athen: 0. M.: R. Bosanquet, W.
Dörpfeld, St. Dragumis, R. He-
berdey, M. Holleaux, G. Karo,
P. Kavv^adias, A. Kondostavlos,
Sp. Lambros, V. Leonardos, O.
Lüders, K. Mylonas, D. PhiUos,
G. Sotiriadis, V. Stais, J. N. Svo-
ronos, Ch. Tsuntas, C. M.: M.
Deffner, M.Dimitsas,E.Gillieron,
K. Karapanos, P. Kastriotis, A.
D. Keramopullos, J. Kokidis, K.
Kuruniotis, J. A. Londos, A. Phi-
ladelphevs, N. G. Politis, A. Skias,
D.Vikelas, G.Vy zantinos, E.Ziller.
Chalkis: C. M.: A. Matsas.
Delphi: C. M.: A. Kondoleon.
Hahnyros: C. J\I.: Giannopulos.
Kalavryta: C. M.: M. Krispis.
Larissa: C. M.: Kandakidis.
Mykonos: C. AI.: D. Stavropulos.
Naxos: C. AI.: J. NavpHotis.
Piräus: 0. AI: J. Dragatsis, A. Me-
letopulos.
Syni: C. M: P. Serlendis.
Thera: C. Jll: E. Vassiliu.
Tinos: C. AI: N. Sakkelion.
Tripolis: C.AI: N. Stephanopulos.
]"olo: C. M: N. Georgiadis, D. Tso-
potos.
9. Großbritannien.
Lo7idon: 0. Jll: S. Coivin, E. A.
Gardner, B. V. Head, W. M.
Flinders Petrie, A. LI. Smith,
Cecil H. Smith, C M: (;. F. Hill,
W. C. Perry.
Aberdeen: 0. AI: W. M. Ramsay.
Cambridge: 0. M: J. G. Frazer,
Ch. Waldstein, C. M: ]. Harri-
son, R. C. Jebb.
Grasmere, Alalverii: 0. J\I: G. Mc
N. Rushforth.
Harrow: C. AI: J. Thacher-Clarke.
Lazvford (bei Alannington, Es sex):
C. M.: F. M. Nichols.
Alane hest er: C. M: E. L. Hicks.
Neivcastle-upon-Tyne: C. AI: T.
Hodgkin.
Oxford: 0. M.: A. J. Evans, P.
Gardner, Fr. LI. Griffith^ F. Ha-
verfield, H. St. Jones, C. Jll:
L. R. Farn eil, J. L. Myres.
Salisbiiry: C. AI: J. Wordsworth.
South-Shields: C. M: R. Blair.
10. Italien.
Rom: E. J\I: C. Freiherr von Bildt,
Contessa E. Caetani-Lovatelli,
0. Jll: W. Amelung, Conte A.
Antonelli, F. Barnabei, Barone
G. Barracco, G. Boni, G. Calderini,
A. Castellani, E. De Ruggiero,
L. Duchesne, F. Ehrle, R. Engel-
mann, G. Gatti, F. Halbherr, P.
Hartwig, W. Heibig, Ch. Hül-
sen, G. Körte, R. A. Lanciani,
E. Löwy, G. Lumbroso, O. Ma-
rucchi, A. Mau, R. Norton, A.
Pasqui, L. Pigorini, D. Vaglieri,
J. Wilpert, C AI: Th. Ashby,
L. Cantarelli, G. A. Colini, Conte
A. Cozza, P. Di Tucci, D. Fara-
17 -
bulini, A. (ialli, G. B. Giovcnalc,
r. des Granites, H. No^ara, Ci.
Pinza, L. PoUak, C. E. Ri/.zo,
P. Stettincr, C. vStornaiolo, G.
Tomassetti.
Anaorm: C. M.: E. Martinclli.
o
Ancona: C. JM.: C. Chiavarini.
Appignano (bei Maccrala): C. J/.:
Contc E. Tambroni-Armaroli.
Aquila: C. M.: N. Persichetti.
Arcz::o: 0. M.: G. V. Gamurrini.
.'lirc: C. j\[.: F. Grossi.
Ascoli Piccno: C. M.: G. Gabrielli,
G. Paci.
Assisi: C. M.: De Persiis.
Bart: C. M.: G. Milella.
Benevcnto: C. M.: A. JMeomartini.
Bergamo: C. M.: G. Mantovani.
Bologna: 0. M.: E. Brizio, C. M.:
G. Pellegrini, A. Zannoni.
Brescia: C. M.: P. Da Ponte, P.
Rizzini.
Brindisi: C. M.: G. Nervegna.
Cagliari: C. M.: F. Nissardi, A. Ta-
ramelli.
Caiazzo: C. AI.: G. Faraone.
Chief i: C. M.: R. Cavarocchi.
Este: C. M.: A. Prosdocimi.
Florenz: 0. M.: L. A. Milani, G.
Vitelli, C. M.: D. Comparetti,
F. Corazzini, L. Pernier, E. Ri-
. dolfi.
Forli: C. J/..- G. Mazzatinti, A. San-
tarelli.
Formia: C. M.: A. Rubini.
Fossombrone: C. M.: A.Vcrnarecci.
Gesualdo: C. M.: F. Catone.
S.Giovanni Incarico : C. M.: D. San-
toro.
Macerata l-clliia: CM.: Marchesc
G. Antimi-Glari.
Macerata- Marche: C M.: \ .. Zdc-
kauer.
Mailand: CM.: (i. Oberziner, S.
Ricci, C. Ruga.
Marzabotto: C M.: C'oiitc .Vria.
Messina : Ü.M.: L. Savigiioni, CM.:
L. Mauceri.
Modcna: C M.: A. G. SpincUi.
Mojitopoli di Valdarno: C M.: I.
Falchi.
Montenero di l>is<rcria: C M.: G.
Caraba.
Mnro: C M.: L. Maggiulli.
Neapel: O. M.: G. De Petra, E.
Pais, A. Sogliano, C M.: Conte
F. Colonna-Stigliano, L. Correra,
A. Dohrn, C. Manciiii, Barone
]\I. V. Spinelli di Scalea.
Orvieto: C M.: Conte E. Faina,
R. Mancini.
Padua: O.M.: G. Ghirardini, CM.:
F. Cordenons, G. Tropea.
Palermo: 0. J/.: A. Salinas.
Palestrina: C M: V. Gicerchia.
Parma: C M.: G. Mariotti.
Pavia: C M.: G. Canna, G. Pa-
tron i.
Perugia: C M.: G. Bellucci, A.
Lupatelli , Conte G. B. Rossi-
Scotti.
Pesaro: C M.: Marcliese C. An-
taldi.
Pisa: 0. M.: L. Mariani.
Portici : C M.: F. Salvatore Dino.
Reggio (Calabria): CM.: G. Cami-
niti.
Ruvo: C M.: A. Jatta.
2
— i8
Sangi'orgio a Liri: C. J/.: G. Luc-
ciola.
Savona: C. AI.: V. Poggi.
Scafati: C. M.: F. Morlicchio.
Sezze: C. M.: F. Lombardini, G.
Porri.
Sieiia: 0. M.: Marchese B. Chigi,
CM.: F. Donati, E. Piccolomini.
Spoleio: C. M.\ G. Sordini.
Spongano: C. III.: F. B. Castiglioni.
Suliiwna: C. AI: A. De Nino.
Syrakus: 0. AI: P. Orsi.
Tareiit: C. AI: O. Quagliati, L.
Viola.
Tolentino: C. AI: Conte IK. Silveri-
Gentiloni.
Tw'in: C. AI: E!. Ferrero.
Treviso: C. AI: A. Calabrese.
Urbisaglia: C. AI: F. S. Palazzetti.
Venafro: C. AI: S Vitali.
Venosa: C. AI: G. Pinto.
Verona: C. AI: A. Spagnolo.
Vol terra: C. AI: E. Solaini.
11. Niederlande.
Amsierdani: 0. M: Jonkheer J. Six
van Hillegom.
Groningen: C. AI: U. Ph. Boisse-
vain.
Leiden: 0. AI: A. E. J. Holwerda.
[/trec/iL- C. AI: J. C. Vollgraff.
12. Österreich-Ungarn.
Wien: E. AI: Erzherzog Rainer,
Fürst Johann von und zu Liech-
tenstein, 0. AI.: O. Benndorf,
E. Bormann, W. von Hartel,
F. Kenner, W. Kubitschei^, C.
Graf Lanckoroi'iski-Brzezie, G.
Niemann, E. Reisch, R. von
Schneider, F. Wickhoff, A. Wil-
helm, C. AI: O. Egger, S. Frank-
furter, M. Hoernes, P. Kretsch-
mer, A. von Premerstein , L.
Reinisch, A. Schindler, W. Wil-
berg, F. Zamboni.
Budapest: 0. AI: J. Hampel, C.AI:
V. Kuzsinsky.
Aquileja: C. AI: H. Maionica.
Czernowitz: C. AI: J. Dell, J. Kro-
mayer.
Graz: 0. AI: J. Strzygowski, F.
Winter, C. Jll: F. Pichler.
Innsbrnck: 0. AI: E. Kaiinka, H.
Schrader.
Prag: 0. AI: W. Klein, C. AI:
H. Svvoboda.
Rao-iisa: C. AI: G. Gelcich.
Spalato: 0. Jll: F. Bulic.
Triest: C. AI: A. Puschi.
Zara: C. AI: G. Alacevic, L. Jelii'-.
13. Portugal.
Lissabon: C. HI: A. Coelho, J. L.
de Vasconcellos.
Oporto: C. M: J. de Vasconcellos.
14. Rumänien.
Bjikarest: 0. AI: G. Tocilescu.
15. Rußland.
St. Petersburg: 0. M.: M. Botkin,
B. Latyschew, A. Prachow, E.
ly —
Pridik, M. Rostowzew, C. M.:
N. Kondakow, A. Papadoj^ulos-
Keramevs, B. Pharmakowsky,
J. Pomialowsky, Th. Zielinski.
Dorpat: C. M.: W. Malmbero-.
Hclsingfors: C. Jl/.: B. (jraser.
Moskau: C. M.: A. Nikitsky.
Odessa: O. M.: E. ^von Steni.
WarscJiaii: C. M.: N. Novosadsky.
IG. Schweden.
Stockholm: 0. M.: O. Montclius.
SdderJiavni: C. Jl/.: J. Centcrwall.
Upsala: C. Jl/.: L. Kjcllbert;-, S.
Wide.
17. Schweiz.
Base/: 0. J\I.: J. J. Bernoulli, A.
Körte.
Bern: C. M.: \, Philippson.
Gr. St. Bernhard: CM : H. Lugon.
Lausanne: C. M.: W. Cart.
Winter thur: 0. M.: F. Imhoof-
Blumer.
ZüricJi: 0. M.: H. Blümner.
18. Serbien.
Belgrad: C. M.: M. Waltrowitz.
19. Spanien.
Madrid: E. M.: J. von Radowitz,
0. M.: F. Fita, C. M.: J. R. Me-
lida, Marques de Monsalud, E.
Saavedra.
Barcelona: C. M.: A.Elias de Mö-
llns.
Cadix: C. M.: F. A. Vera.
ElcJie: C. M.: P. Ibarra y Ruiz.
(Jranada: C. Jll.: M. G. Moreno.
Mahon: C. M.: S. D. G. Llabres.
Malaga: O. M.: M. R. de Berlanga,
C. M.: G. Loring.
Medina Sidonia: C. Jll.: M. Pardo
de Figueroa.
Vitloria: C. M.: V . Baraibar.
20. Tunis.
Tunis: O. M.: A. L. Dclattre, P.
F. Gauckler.
21. Türkei.
Konstantinopel: CAJ/..-I{alil-Edhem-
Bey, O. Hamdy-Bey, Th. Wie-
gand, C. M.: H. Gies, R. Löper,
A. Mordtmann.
Aidin: C. M.: D. Hadjidimu, M.
Papa - Konstandinu.
Artafie: C. M.: N. Limnios.
Babylon: 0. M: R. Koldewey.
Beirut: C. Jll.: P. Schröder.
Candia: C. M.: J. Chatzidakis.
C/talki: C. M.: O. N. Askitis.
Chios: C. M.: G. J. Solotas.
Dardanellen: 0. Jl/.: F. Calvert.
Jl/llet: C. J\/.: G. Kawerau, H.
Knackfuß.
Perganion: C. A/.: G. loannidis, G.
Rallis, D. Tscholakidis.
/'olatli: C. J/..- G. Tria.
Rhodos: C. M.: A. Casilli.
Sanios: CA/.: Th. Sophulis, A. Sta-
matiadis.
Sniyrna: 0. A/.: J. H. Mordtmann,
G. Weber, C. J\/.: A. Fontrier,
P. Gaudin, G. Sotiriu, M. Tsa-
kyrogiu.
— 20 —
22. Vereinigte Staaten von
Amerika.
Berkeley, Cal.: CM.: B.J.Wheeler.
Cavibrido-e, Mass.: 0. M.: W.W.
n/uica, N. y.: CM.: T. R. S. Ster-
rett.
Meadville, Penns.: C M: G. F.
Comfort.
Goodwin, Ch. E. Norton, J. W. ' New-York: 0. M.: R. B. Richard-
White.
Chicago, III. : C. M.: W. G. Haie.
Cleveland, Ohio: C M.: H. N.
Fowler.
son.
Princeton, N. J.: C M.: A. L. Fro-
thingham jun.
WasJiiiiztou: C M.: van Marter.
— 21 —
Publikationen
des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts.
li. P. = licrabofesetztcr Preis (nur bis auf wc-itcres gülti:^).
A. Periodische Publikationen.
1. *Monumenti incditi. 12 Hiiiule. Rom 1829 — 1SS5. Siii)[)Icniento. Berlin 1S91.
Gr. Folio. Berlin, Georg Reimer. — Jeder Jahrgang bis 1860 M. 12, h. P. M. 6,
von 1 861 — 1885 M. 20, h. P. M. 10. Das Supplementheft M. 40, h. P. M. 20.
Die ganze Serie M. 444.
2. *Annali. 54 l'antle. Rom 1820 — 1885. 8°. Berlin, (Jeorg Reimer. — Jeder
Jahrgang bis 1S60 M. 8, h. P.M. 4, von 1S61 ab M 15, h. P. M. 7,50. Die ganze
Serie M. 303,50.
3. *Bullettino. 55 Bände. Rom 1S29 — 1885. 8". Berlin, Georg Reimer. — Jeder
Jahrgang bis 1860 M. 4, h. P. M. 2, von 18G1 ab M. 5, h. P. M. 2,50. Die
ganze Serie M. 122,50.
Annali, Bulletino und Monumenti 1854 und 1S55. — Je M. 24, h. P. M. 12.
Annali und Monumenti 1856. — M. 24, h. P. M. 12.
4. *Repertorio universale (Inhaltsverzeichnis zu i, 2, 3). Berlin, Georg Reimer.
— Band i, Rom 1834— 1S43. 8°. M. 8, h. P. M. 4. Band II, Rom 1844^1853.
8°. M. 8, h. P. M. 4. Band III, Rom 1854— 1856. Folio. M. 2,40, h. P.
M. 1,20. Band IV, Rom 1857—1863. 8°. M. 4,80, h. P. M. 2.40. Band V,
Rom 1864— 1873. 8°. M. 5,60, h. P. M. 2,80. Band \'I, Rom 1874— 1SS5
und Supplement, Berlin 1891. 8°. M. 4.60, h. P. M. 2,30.
5. *Memorie. Rom 1832. 8°. Berlin, Georg Reimer. — M. 12, h. P. M. 6.
6. *Nuove Memorie. Leipzig 1865. 8°. Berlin, Georg Reimer. — M. 18, h. P. M. 9.
7. Archäologische Zeitung. Berlin, Georg Reimer. 1843 — 1885. 43 Bände.
4°. — Jeder Jahrgang M. 12, soweit noch vorhanden. IMe ganze Serie M. 600.
Register dazu 1886. M. 12.
8. Antike Denkmäler. Berlin, Georg Reimer. i8S6iT. Imp. -Folio. — Jedes
Heft M. 40. Bisher erschienen Band I, Heft i — 5. Band II, Heft i — 4.
9. Jahrbuch und Anzeiger. Berlin, Georg Reimer. 1886fr. 8°. — Jeder Jahr-
gang M. 16, Der Anzeiger von 1896 an allein M. 3; ab 1901 Jahrbuch M. 20,
Anzeiger M. 4.
IG. Jahrbuch, Ergänzungshefte. Berlin, Georg Reimer.
I. J. Strzygowski, Die Kalenderbilder des Chronograplien vom Jahre 354.
1888. 8°. M. 30.
II. R. Bohn, Altertümer von Aegae. 1889. 8°. M. 24.
III. H. Winnefeld, Die Villa des Hadrian. 1895. 8°. M. 20.
* Einzelne Bände und Einzelserien nur nach Maßgal)e des \'orrats.
IV. C. Humann, C. Cichoiius, W. Judeich, F". Winter, Altertümer von Hierapolis.
1898. 8°. M. 24.
V. G. Körte und A. Körte. Gordion. Ergebnisse der Ausgrabung im Jahre 1900.
Mit einem Anhang von R. Kobert. Mit 235 Abbildungen im Text, 3 Bei-
lagen und 10 Tafeln. 1904. 8°. M. 28.
VI. R. Wünsch, Antikes Zaubergerät aus Pergamon. 1905. 8°. M. 7,50.
11. Mitteilungen. Römische Abteilung (Bullettino, Sezione Romana). Rom,
Loescher & Comp. i886ff. 8°. — Jeder Jahrgang M. 12.
12. Mitteilungen. Athenische Abteilung. Athen, Beck & Barth. iSyöff. 8°. —
Jahrgang I — X M. 15. Jahrgang XI ff. M. 12.
Nachdem die ganze Serie durch (anastatischen) Neudruck wieder vervoll-
ständigt ist, bei einmaliger Abnahme ganzer Reihen :
(Die Transportkosten sind zu Lasten der Abnehmer.)
Band I — XX (nebst Registern), statt für 270 M., für 220 M.
I— X „ „ „ „ 150 .. „ 125 „
„ XI— XX „ „ „ „ 120 „ „ 100 „
Bei der Abnahme von einzelnen Bänden bleiben die bisherigen Ladenpreise
bestehen. Band IX und X werden einzeln nifcht geliefert.
13. Ephemeris epigraphica. Corporis Inscriptionum Latinarum Supplementum, edita
iussu Instituti Archaeologici Romani. 8 Bände. Berlin, Georg Reimer. iS72ff.
— Band I, M. 6. Band II, M. 8. Bd. III, M. 10. Band IV, M. 16. Band V,
M. 20,20. Band VI, M. 8. Bd. VII, M. 18. Bd. VIII, M. 25. Bd. IX,
Fase. I — 2 M. 17.
14. Römisch-Germanische Kommission. Bericht über die Fortschritte der Römisch-
Germanischen Forschung im Jahre 1904. Frankfurt a. M., Jos. Baer & Co.
1905. 8°. M. 3.
B. Serien-Publikationen.
15. I Rilievi delle Urne Etruschc. Band I von H. Brunn. Rom 1870. 4°.
Berlin, Georg Reimer. — M. 60, h. P. M. 40. — Band II, i von G. Körte.
Berlin 1890, Georg Reimer. 4°. — M. 40, h. P. M. 30. — Band II, 2 von
G. Körte. Berlin 1896. M. 40.
16. E. Gerhard, Etruskische Spiegel. Band V, bearbeitet von G. Körte und
A. Klügmann. Berlin, Georg Reimer. 1884 — 1897. 4°. M. 144.
17. C. Robert, Die antiken Sarkophagreliefs. Band II, Mythologische Cyklen.
Berlin, Grote. 1890. Fol. M. 225. — Band III, erste Abteilung. 1897. Fol.
M. 160; zweite Abteilung. 1904. Fol. M. 200.
18. R. Kekule von Stradonitz, Die antiken Terrakotten. Berlin und Stutt-
gart, W. Spemann, Fol. Band I, Die Terrakotten von Pompeji, bearbeitet von
H. von Rohden. 1880. M. 60. — Bd. II, Die Terrakotten von Sicilien, be-
arbeitet von R. Kekule von Stradonitz. 1884. M. 75. — Band IV, Die
Typen der figürlichen Terrakotten, Vjearbeitet von Fr. Winter. 1903. M. 80.
19. A. Furtwängler und G. Loesc hcke, My kenische Tongefäß e. Berlin 1879.
Georg Reimer. Fol. M. 40, h. P. M. 30.
20. A. Furtwängler und G.. I>oeschcke, Mykcnische Vasen, vorhellenische
Tongefäße aus dem Gebiete des Mittelmeeres. Berlin 1886. Georg Reimer,
Fol. M. 115, h. P. M. 75.
— 23 —
2r. E. Curtius und J. A. Kaupcit, Karten von Attika. Hurlin, Dietrich Reimer.
Gr. Fol. iSSi — 1895. — Hi-'ft U mit Text von K. Curtius, G. von Alten und
A. Milchhcifer, M. 12. Heft II, mit Text von A. M ilehhii fer, M. 16. Heft Hl,
M. 12. Heft IV, M. 10. Heft V, M. 8. Heft VI, mit Text zu Heft III— VI
von A. Milchhöfer, M. 7. Heft VII, M. 6. Heft VIII, M. 13. Text zu Heft
VH— ATIl von A. Milchhöfer, M. 2. Heft IX (Über.sichts- und Gesamtkarte
von Attika) im Maßstab i : looooo. Mit Text und Register. M. 17. Heft X
(Schlußheft) mit antiken Ortsbezeichnungen. M. 4.
22. F. Ohlenschlager, Riimische Überreste in Bayern. München, J. Lindauer.
Heft I. 1902. Heft II. 1903. 8°. Je M. 4.
C. Einzelwerke.
23. Steffen, Karlen von Mykenai. Berlin, Dietrich Reimer. 1S84. 40. Text von
Steffen und Lolling. — M. 12.
24. R. Koldewey, Antike Baureste der Insel Lesbos. Mit 29 Tafeln und Textab-
bildungen, 2 Karten von H. Kiepert. Berlin, Georg Reimer. 1890. I"ol.
M. 80, h. F. M. 40.
25. Das Kuppelgrab von Menidi. Athen, Beck & Barth. 18S0. 4°. — M. 8.
26. Dressel & Milchhoefer, Die antiken Kunstwerke aus Sparta und Umgebung.
(Aus den Mitt. des K. D. Arch. Instituts Ath. Abt. II.) Mit 6 Tafeln. 1877. M. 8.
27. Die Arbeiten zu Pergamon 1886 — 1898. (Aus den Mitt. des K. D. Arch. Instituts
Ath. Abt. XXIV). 1899. M. 3. 1900 — 1901 (Aus den Mitt. des K. D. Arch.
Instituts Ath. Abt. XXVII). M. 3. 1902 — 1903 (Aus den Mitt. des K. D. Arch.
Instituts Atli. Abt. XXIX). M. 3.
28. G. Koerte, Die antiken Skulpturen aus Boeotien. (Aus den Mitt. des K. D. Arch.
Instituts Ath. Abt. III). Mit 2 Tafeln. 1878. M. 4.
29. Th. Wiegand, Antike Skulpturen in Samos. (Aus den Mitt. d. K. D. Arch.
Instituts Ath. Abt. XXV). Mit 2 Tafeln und zahlreichen Abbildungen im Text.
1900. M. 2,50.
30. E. Pfuhl, Der archaische Friedhof am Stadtberge von Thera. (.\us den Mitt.
des K. D. Arch. Instituts Ath. Abt. XVIII). 290 S. mit 5 Tafeln, 40 Beilagen
und 83 Abb. im Text. M. 6.
31. Chr. Hülsen, Die Ausgrabungen auf dem Forum Romanum. (Aus den Mitt. des
K. D. Arch. Instituts Rom. Abt.)
a) 1898 — 1902. Rom 190O
, s ■ je M. 4.
b) 1902 — 1904. „ 1905 ) ■' ^
32. G. B. de Rossi, Piante icnograflche e prospettiche di Roma anteriori al
secolo XVI. Roma 1879. 4°. Berlin, Georg Reimer. M. 32, h. P. M. 18.
33. R. Schöne, Le Antichita del Musco Bocchi di Adria. Roma 1878. Berlin, Georg
Reimer. 4°. M. 24, h. P. M. 12.
34. Kellermann, \'igi]um Romanorum latercula duo Caelimontana. Roma 1835. 4°.
Berlin, Georg Reimer. M. 6,40, h. P. M. 3,20.
35. W. Henzen, Scavi nel bosco sacro dei Fratelli Arvali. Roma 1868. Fol. Berlin,
Georg Reimer. M. 16, h. P. M. 8.
36. H. Jordan, De formae Urbis Romae fragmento novo. Roma 1883. 4°. Berlin.
Georg Reimer. M. 1,60, h. P. M. i.
— 24 —
37- A. Michaelis, Geschichte des Deutschen Archüologisclien Instituts 1S29— 1879.
Berlin 1879, Georg Reimer. 8°. M. 6, h. P. M. 3. — Italienische Ausgabe
M. 4,80, li. P. M. 2,40.
38. J. Lessing- und A. Mau, Wand- und Deckenschmuck eines römischen Hauses
aus der Zeit des Augustus. Berlin 1891, Georg Reimer. Fol. M. 40, h. P. M. 25.
39. Alexander Iwanoff, Darstellungen aus der heiligen Geschichte. 14 Lieferungen
zu je 15 Blatt. Berlin, Georg Reimer. Fol. — Jede Lieferung M. 80, h. P.
M. 20. (Lieferung 2 ist vergriffen.)
40. Sergius Iwanoff, Architektonische Studien. Heft I. Aus Griechenland. Mit
Text von R. Bohn. Folio und Quart. 1892. M. 96. — Heft IL Aus Pompeji.
Mit Text von A. Mau. Folio und Quart. 1895. Dazu Nachtrag. Folio und
(,)uart. 1S98. M. 40. — Heft III. Aus den Thermen des Caracalla. Mit Text
von Chr. Hülsen. Folio und (Juart. 1898. M. 120.
41. M. Botkin, Biographie A. Iwanoffs. Berlin, Georg Reimer. 18S0. 4°. M. 10,
h. P. M. 5.
42. A. Mau, Katalog der Bibliothek des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts
in Rom. Band I. Rom, 1900. Band II. Rom, 1902. Loescher & Co. 8°.
je M. 4.
43. F. von Platner, Katalog der Bibliotheca Platneriana, enthaltend Munizipalstatuten
und Siädtegeschichten Italiens (i 886. Supplement 1S94). Rom, E. Loescher & Co.
Fr. 1 2, Suppl. Fr. 3.
44. \V. Amelung, Die Skulpturen des Vatikanischen Museums. Band I. Text in 8°.
121 Tafeln in 4='. Berlin, Georg Reimer. 1903. M. 40.
D. Schul-Wandtafeln.
45. Grabstele der Hege so.
46. Sog. Alexander-Sarkophag aus Sidon.
47. Augustus-Statue von Prima Porta.
Deutsche und österreichische Unterichtsanstalten, welche ihre Bestellungen an
den Generalsekretär des Instituts (Berlin VV. 10, Corneliusstr. i) richten, erhalten jede
dieser Tafeln zum Preise von 5 Mark 80 Pfennigen (einschließlich der Verpackung, aus-
schließlich, des Porto) direkt von der Verlags-Anstalt Fr. Bruckmann AG. -München
zugesandt, an welche dann auch der Preis direkt einzuzahlen ist. Bei Bestellung
mehrerer Exemplare für dic-^ellie Adresse ermaßigt sich der für Verpackung berech-
nete Betrag-.
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