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Full text of "Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung"

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MITTEILUNGEN 

DES    KAIS  I{  K  LI C H    HEUTSCI I  K N 

ARCHÄOLOGISCHEN    INSTITUTS 

ATHENISCHE    ABTEH.UNG 

BAND       XXX 
1  905 

Mir      IS     TAFELN    UNÜ     5    BEILAGEN. 


ATHEN 

BECK    UND    BARTH 

1905 


5^. ^ 

A  t  h  e  n  —  Buchdruckerei   .Hestia»   C.  MEISSNER    &    N.    KARGADURIS.  —  Ö041. 
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INHALT 

Seite 

L.  CuRTius,  Relieffras^iiieiit  in  Theben  (Taf.  XIII)  .  .  375 
W.  DÖRPFELD,  Kretische,  mykenische  iiiul  homerische 

Paläste  (Taf.  X) 257 

C.  Fredrich,   Demetrias   (Taf.  IX) 221 

»               Zwei  Inschriften  aus  Bith\nien    ....  412 

Fr.  Gräber,   Die  Enneakrunos  (Taf.  I — III) 1 

E.  Herkenrath,  Eine  Statuengruppe  der  Antoninen- 

zeit 245 

R.   Herzog,   Ein  Brief  des  Königs  Ziaelas  von  Bithy- 

nien  an  die  Koer   (Taf.  VII) 173 

F.  V.  Hiller,  Inschriften  von  Alitylene,  s.  Wil.\mowitz  141 

G.  Kawerau,    Bericht  über  den  Wiederaufbau   zweier 

Säulen   des   Heraions   von    Olympia 

(Taf.  V.  VI) 157 

»  Die  Pandemos-Weiliung  auf  der  Akro- 

polis,  s.  Weilbach 298 

W.  Kolbe,   Die  attischen  Archonten  von  293/2 — 271/0  73 

E.  Nachmanson,  Zum  kononischen  ]\Iauerbau  (T.  XIV)  391 

E.  Pfuhl,   Zur  Geschichte  des  Kurvenbaus 331 

A.  (I>IAI0E,   T6  er  'E^.ei'Gn'i    Aa^pareLÖiov  ävuykvipov  ...  1  83 

A.  RuTGERSVAN  DER  LoEFF,  Grabinschriften  aus  Rhodos  1 47 
H.  SCHRADER,   Der  Cellafries  des  alten  Athenatempels 

(Taf.  XL  XII) 305 

B.  Schröder,  Nachtrag  zu  Athen.  Mitteil.  1904  vS.  21ff.  408 
G.  SoTiRiADis,  Untersuchungen  in  Boiotien  und  Phokis  1  1  3 
Fr.  Studniczka,  Des  Arkaders  Phauleas  Weihgeschenk 

an   Pan  (Taf.  IV) ö5 

G.  Weicker,    Timonidas   (Taf.  VIII) 199 

»               Hähne  auf  Grabstelen 207 

F.  Weilbach  u.  G.  Kawerau,  Die  Pandemos-Weihung 

auf  der  Akropolis 298 

Th.  Wiegand,   Inschriften  aus  Kleinasien  ......  323 


l\'  INHALT 

Seite 
U.    V.     WiLAMOWITZ  -  MÖLLENDORFF     und      F.      HiLLER 

V.  GÄRTRINGEX,  Inschriften  von  ]\Iitylene  ....       141 

A.  Wilhelm,   Siegerlisten  aus  Athen 213 

>  '0    Ilcn-Kovios 219 

P.  Wolters,  vSandalokratie  (Taf.  XV) 399 

E.   ZiEBARTH,   XoO; 14.=> 

Funde 151.414 

Ernennungen -.    .    .       416 

Sitzuno-s- Protokolle 155.416 


TAFEL  N. 

Seite 

I.  Die  Ausgrabungen  bei  der  Enneakrunos  ....  1 

II.  Die   Enneakrunos,    Rekonstruktionsversuch    .    .  1 

III.  Wasserleitung   der   Enneakrunos 1 

IV'.        Broncefigürchen   geweiht  von   Phauleas  ....  65 

V.  Die  wiederaufgerichteten   »Säulen   des   Heraions 

in  Olympia  von  Ost 157 

VI.  Die  wiederaufgerichteten   Scäulen   des    Heraions 

in  Olympia  von  Südost 157 

\'n.      P2in    Brief  des  Königs   Ziaelas   an    die  Koer,  ge- 
funden  im  Asklepiaion  in  Kos 173 

VIII.  A.  Das  Bildfeld  der  Timonidas-Vase  im  Central- 

museum   in   Athen.-    BC.    Korinthische   ¥\a.- 

im  Akademischen  Kunstmuseum  in  Bonn  .  1  99 

IX.  Demetrias 221 

X.  Der  ältere  und  der  jüngere  Palast  von  Phaistos  257 

XL       Friesplatte  im  Akropolis-Museum 305 

XIL      Reste  von  Friesplatten  im  Akropolis-Museum    .  305 

XIII.  Giebel-Relief  in  Theben 375 

XIV.  Inschrift  vom  Mauerbau  Konons 361 

XV.  Va.senbild   in   Würzburg 399 


KiOES  MiTTHlDKCENlBOS. 


DIE   AUSGRABUNGEN    BEI    DER    ENNEAKRUNOS 


TAFRL  II. 


DIE   ENNEAKRUNOS  .  REKONSTRUKTIONSVERSUCH. 


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BRUNNEN  HAUS    -^^  ."^  J  "L,  ^^j. 


ENNEAKRUNOS 


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OE'Z.      P     SURSOS 


DIE    ENNEAKRUNOS 


(Hierzu  Tafel  I-III). 


I.     Technische    Untersuchung. 


Durch  die  Ausgrabungen  des  Deutschen  Archäologischen 
Instituts  ist  in  den  Jahren  1891- — 1898  am  Westabhange  der 
Akropolis  von  Athen  ein  vielverzweigtes  Netz  von  Wasserlei- 
tungen, Kanälen,  Brunnen,  Cisternen  und  langen,  in  den  Fels 
getriebenen  Stollen  aufgedeckt  worden.  Bei  der  grossen  Bedeu- 
tung, welche  diese  verschiedenartigen  Wasseranlagen  für  die 
Stadtgeschichte  Athens  und  insbesondere  für  eine  der  wich- 
tigsten Fragen  der  athenischen  Topographie,  für  die  Ennea- 
krunos- Frage,  beanspruchen  dürfen,  schien  neben  der  allge- 
meinen technischen  Untersuchung,  wie  sie  während  der  Aus- 
grabung stattgefunden  hatte,  noch  eine  Nachprüfung  des  Tat- 
bestandes durch  einen  Spezialtechniker  dringend  wünschens- 
wert. Vom  Archäologischen  Institut  mit  dieser  Aufgabe  be- 
traut, habe  ich  mich  vom  Januar  bis  März  1  902  in  Griechen- 
land aufgehalten  und  ausser  den  Wasseranlagen  des  alten 
Athen  auch  die  antiken  Wasserleitungen  von  Megara  und 
Aigina   untersucht.    Die  technischen    Vorarbeiten  für  meine 


ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX. 


2  FR.    GRÄBER 

Arbeit  in  Athen  waren  von  W.  Dörpfeld  schon  ausgeführt. 
Es  lagen  genaue  Aufmessungen  und  Nivellements  des  ganzen 
Ausgrabungsgebietes  und  besonders  aller  Wasserleitungen 
vor ;  auch  waren  sorgfältige  Lagepläne  ausgearbeitet,  die  zum 
Teil  mit  einem  kurzen  Texte  bereits  auf  den  Tafeln  37  und  38 
der  Antiken  Denkmäler  II  veröffentlicht  sind.  Es  wurden  mir 
ferner  vom  Institut  die  erforderlichen  Arbeitskräfte  zur  Ver- 
fügung gestellt,  um  den  Wasserleitungen  und  Kanälen,  wo  es 
erforderlich  war,  noch  weiter  nachzuspüren.  Die  Ergebnisse 
dieser  Arbeiten  sind  in  den  grossen  Lageplan  aufgenommen 
worden,  sollen  aber  auch  in  einzelnen  Zeichnungen  darge- 
stellt werden.  Der  weitaus  grösste  Teil  der  nachfolgenden 
Mitteilungen  stimmt  mit  den  Beobachtungen  und  Schlüssen 
überein,  die  W.  Dörpfeld  früher  während  der  Ausgrabung  ge- 
macht und  zum  Teil  schon  in  dieser  Zeitschrift  veröffentlicht 
hat  {Athen.  Mitteil.  1892,  439  ff.  1894,  143  ff.).  Nur  in  einigen 
Punkten  habe  ich  durch  neues  Material  seine  Ergebnisse  ver- 
vollständigen oder  berichtigen  können.  Meine  Arbeit  bestand 
in  erster  Linie  in  der  Untersuchung  der  grossartigen  Wasser- 
anlage, durch  die  Peisistratos  die  Stadt  Athen  mit  Wasser 
versorgt  hat.  Ihre  einzelnen  Teile:  das  Quellgebiet,  die  Lei- 
tung und  das  Brunnenhaus  wurden  eingehend  erforscht.  Um 
ferner  ein  Bild  zu  gewinnen  von  der  allmählichen  Entwick- 
lung der  Wasserversorgung  des  alten  Athen,  musste  ich  dane- 
ben auch  die  übrigen  zahlreichen  Leitungen,  Brunnen  und 
Kanäle,  die  innerhalb  und  ausserhalb  der  Stadt  und  besonders 
am  Westabhange  der  Akropolis  aufgedeckt  sind,  aufzuklären 
suchen.  Auch  die  geologische  Gestaltung  der  Landschaft 
durfte  dabei  nicht  unberücksichtigt  bleiben,  weil  von  ihr 
naturgemäss  die  Aufnahme  und  Wiedergabe  des  Regenwas- 
sers in  Quellen  und  Brunnen  abhängig  ist. 

Bezogen  sich  demnach  meine  Untersuchungen  zunächst 
auf  das  Gebiet  zwischen  Akropolis,  Areopag  und  Pnyx,  so 
mussten  sie  sich  weiterhin  auch  auf  die  ganze  Stadt  und  die 
Umgebung  Athens  ausdehnen.  Ich  hatte  zu  untersuchen,  wo- 
her Athen  sein  Trinkwasser  bezogen  hat,  und  namentlich 
hatte  ich  festzustellen,  woher  die  grosse  unterirdische  Wasser- 
leitung des  Peisistratos  kommt,  die  an  dem  Pnyx-Hügel  ihren 


DIE    ENNEAKRUNOS  3 

Endpunkt  findet.  Hat  sie  dem  Hymettos  oder  dem  Pentelikon 
oder  einem  zwischen  diesen  Berten  lie<^enden  Quell  o;cbiete 
ihr  Wasser  entnommen  ?  Dieser  letzte  Teil  meiner  Arbeit  war 
besonders  scliwierij^;,  weil  fast  keine  Vorarbeiten  für  die  V>e- 
stimmung  des  Anfanges  der  grossen  Leitun<^  \orla<^en,  und 
weil  die  Verfolgung  und  Ausräumung  der  zahlreichen  unter- 
irdischen Gänge,  die  in  der  Nähe  Athens  erhalten  sind,  grös- 
sere Kosten  und  eine  längere  Arbeitszeit  erfordert  hätte,  als 
mir  zur  Verfügung  standen.  Die  sehr  verdienstvolle  Arbeit 
von  Ernst  Ziller  über  die  Wasserleitungen  Athens  {Athen. 
Mitteü.  1877,  107  ff.)  und  die  Untersuchung  von  Andreas  Kor- 
dellas (Ai  'AOfjvai  eHeraConevai  vjto  {lögavÄixiiA' £n:oi|'iv,  1  879)  sind 
zwar  wertvolle  Vorarbeiten  für  die  allgemeine  Geschichte  der 
Wasserversorgung  Athens,  enthalten  aber  nur  sehr  wenige  An- 
gaben über  das  damals  noch  fast  unbekannte  älteste  Wasser- 
werk der  Stadt,  die  grosse  Leitung  des  Peisistratos. 

1.    Bodenbeschaffenheit  und  Wasserversorgung 

Athens. 

Die  geologische  Gestaltung  der  attischen  Landschaft,  so 
weit  sie  für  die  Wasserversorgung  Athens  wichtig  ist,  lässt 
sich  in  wenigen  W^orten  schildern  (vgl.  Lepsius  Geologie  von 
Attikd).  Aus  der  zwischen  Farnes,  Pentelikon  und  Hymettos 
liegenden  attischen  Ebene  ragen  die  Kalksteinfelsen  des  Ly- 
kabettos,  der  Akropolis  und  des  Museion  mit  ihren  Ausläu- 
fern empor.  Schon  Piaton  hat  vollkommen  richtig  erkannt, 
dass  diese  Hügel  in  der  Urzeit  ein  einziges  zusammenhän- 
gendes Plateau,  eine  Ur-Akropolis,  gebildet  haben  {Kritias  5). 
Unter  diesen  Kalksteinfelsen  zieht  sich  ein  Lager  von  was- 
serundurchlässigem Mergelschiefer  hin,  das  in  seinen  unterir- 
dischen Mulden  einen  Teil  des  Regenwassers  zurückhält  und 
den  anderen  Teil  nach  den  Flussläufen  und  dem  Meere  ober- 
irdisch und  unterirdisch  ablaufen  lässt.  Die  Muldenbildung 
des  Mergelschiefer- Lagers  muss  zum  Teil  recht  bedeutend 
sein,  weil  zahlreiche  wasserhaltende  Brunnen  nicht  nur  im 
Ausgrabungsgebiet,  sondern  auch  in  der  ganzen  Stadt  und 
in  der  weiteren  attischen  Ebene  vorhanden  sind  und  in  rey-en- 


4  FR.    GRÄBER 

reicher  Zeit  oft  hohe  Wasserstände  aufweisen ;  so  hat  z.  B. 
Herr  Deffner  in  seinem  hochgelegenen  Brunnen  am  Lyka- 
bettos  zuweilen  einen  Wasserstand  von  1  5  m  Tiefe  constatiert. 
Die  Mulden  sind  vermutlich  dadurch  entstanden,  dass  das  auf 
dem  Tonschiefer  auflagernde  Kalksteingebirge  den  Unter- 
grund zusammenpresste.  Sie  x^'erden  nicht  nur  durch  das  je- 
weilig niedergehende  Regenwasser  gespeist,  sondern  es  sam- 
melt sich  in  ihnen  auch  das  von  dem  höher  liegenden  Unter- 
grunde abfliessende  Grundwasser.  Daher  der  ständige  reich- 
liche Wasservorrat,  so  lange  die  Mulden  nicht  über  Gebühr 
und  unrichtig  angezapft  wurden.  Der  Mergelschiefer  erstreckt 
sich  von  der  Stadt  in  aufsteigender  Linie  bis  an  den  Fuss 
des  Pentelikon  und  Hymettos,  erreicht  an  jenem  eine  Höhe 
von  300  m  über  dem  Meere,  am  Hymettos  dagegen  nur  eine 
Höhe  von  175  m.  Da  der  Sattel  zwischen  Akropolis  und  Lyka- 
bettos  nicht  ganz  90  m  über  dem  Meere  liegt,  ist  die  Bodenge- 
staltung für  den  natürlichen  Abfluss  der  unterirdischen  Was- 
seradern von  der  oberen  Ebene  nach  Athen  hin  sehr  günstig. 
Den  alten  Athenern  war  diese  Beschaffenheit  ihres  Stadt- 
bodens nicht  unbekannt.  Sie  hatten  bemerkt,  dass  der  Unter- 
grund der  Stadt  in  dem  regenarmen  Attika  auf  die  Dauer 
kein  ausreichendes  Wasser  liefern  konnte.  Auch  war  ihnen 
nicht  entgangen,  dass  das  Stadtgebiet,  weil  es  nach  Süden 
zum  Ilissos  und  nach  Norden  zum  Kephissos  abfällt  und  aus- 
serdem vom  Eridanos  mitten  durchschnitten  wird,  das  Grund- 
wasser nur  zum  Teil  aufhält  und  zum  Teil  in  die  Flusstäler 
ablaufen  lässt.  Sie  sind  daher  bei  zunehmender  Bevölkerungs- 
zahl bestrebt  gewesen,  die  weiter  nach  dem  Gebirge  zu  sich 
erstreckenden  unterirdischen  Quellgebiete  für  die  Wasserver- 
sorgung der  Stadt  zu  erschliessen,  und  auch  die  am  Hyinettos, 
Pentelikon  und  Farnes  hervorsprudelnden  Quellen  nach  der 
Stadt  zu  führen.  Der  erste,  welcher  Wasseranlagen  dieser  Art 
in  Athen  in  grossem  Maasstabe  ausgeführt  hat,  ist  Peisistra- 
tos  gewesen.  Er  leitete,  wie  wir  zeigen  werden,  gutes  Trink- 
wasser vom  oberen  Ilissos-Tale  zur  Stadt  und  erbaute  am 
Ende  der  langen  Leitung  den  berühmten  Brunnen  der  Ennea- 
krunos.  Später  haben  in  noch  umfangreicherer  Weise  die  römi- 
schen Kaiser,  namentlich   Hadrian,    grosse  Wasserleitungen 


DIE    ENNEAKRl'NOS  5 

vom  Pentelikon  und  Parnes  nach  Athen  geführt.  Daneben 
gab  es  zu  allen  Zeiten  noch  mehrere  kleinere  Leitungen,  die, 
von  geringeren  Höhenlagen  ausgehend,  die  tiefer  gelegenen 
Stadtteile  mit  Wasser  versorgten. 

Es  ist  verständlich,  dass  man  in  der  ältesten  Zeit,  solange 
die  im  Stadtgebiete  gelegenen  Quellen,  Brunnen  und  Cister- 
nen  einer  kleinen  Bevölkerung  genügendes  Wasser  lieferten, 
an  die  Durchführung  solcher  grossen  Anlagen  noch  nicht  ge- 
dacht hat.  Das  alte  Athen  besass  innerhalb  des  Stadtgebietes 
mehrere  natürliche  Quellen :  zwei  an  der  Akropolis  in  ziem- 
lich bedeutender  Höhe,  und  zwar  die  eine  im  Asklepieion 
neben  dem  Theater,  die  andere  an  der  Nordwest-Ecke  der 
Burg,  die  Klepsydra;  ferner  gab  es  an  der  Pnyx  die  beste 
Quelle  in  der  Nähe  der  Burg,  die  alte  Kallirrhoe,  und  am 
Fusse  des  Lykabettos  die  Quellen  des  Eridanos.  Andere  Quel- 
len lagen  etwas  weiter  von  der  ältesten  Stadt  entfernt,  so  die 
spätere  Kallirrhoe  im  Bette  des  Ilissos.  Wenn  wir  erwägen, 
dass  das  Mergelschiefer-Lager  sich  aus  einer  Höhe  von  300  m 
langsam  zum  Meere  hin  senkt,  und  dass  die  Kalksteinfelsen 
des  Lykabettos,  der  Akropolis  und  der  Pnyx  den  Mergel- 
schiefer nicht  durchbrechen,  sondern  auf  ihm  lagern,  so  er- 
scheinen alle  diese  Quellbildungen  trotz  ihrer  Höhenlage  als 
ganz  natürliche  Ausflüsse  des  in  und  unter  den  Kalkfelsen 
sich  ansammelnden  oder  abziehenden  Regenwassers. 

Das  Stadtgebiet  zwischen  der  Akropolis,  Pnyx  und  Mu- 
seion hat  für  die  Zurückhaltung  des  Regenwassers  eine  be- 
sonders günstige  Lage  und  war  daher  zu  allen  Zeiten  so 
wasserreich,  dass  es  geradezu  zur  Ansiedelung  aufforderte.  Es 
zieht  sich  zwischen  der  Akropolis  und  dem  Areopag  einerseits 
und  dem  Museion  und  der  Pnyx  andrerseits  eine  Talmulde 
hin,  in  welcher  sich  das  Meteorwasser  ansammelt.  Die  von 
vielfachen  Spalten  zerklüfteten  Kalksteinfelsen  dieser  Höhen 
nehmen  das  Wasser  auf  und  lassen  es  bis  auf  die  undurch- 
lässige Mergelschicht  durchsickern.  Da  diese  nach  Norden 
und  Westen  abfällt,  kann  das  Wasser  nicht  etwa  nach  dem 
Ilissos  abfliessen,  sondern  muss  nach  Norden,  nach  dem  Eri- 
danos hin,  seinen  Abzug  suchen.  Nun  treten  der  Areopag  und 
die  Pnyx  hier  so  nahe  aneinander,  dass  das  Wasser  nur  lang- 


6  FR.    GRÄBER 

sam  abfliessen  kann  und  zum  Teil  dauernd  in  der  Talmulde 
zurückgehalten  wird.  So  ergibt  sich  hier  ein  natürliches  Was- 
serreservoir, das  in  seinem  tiefliegenden  Teile,  wo  Areopag 
und  Pnyx  zusammenstossen,  sogar  sumpfig  werden  konnte, 
obwohl  es  noch  hoch  über  dem  Flussbette  des  Eridanos  liegt. 

Die  ungemein  grosse  Anzahl  von  Brunnen,  die  in  dem 
Ausgrabungsgebiet  am  Westabhange  der  Burg  gefunden  sind 
(über  100),  zeigt  deutlich,  dass  man  hier  an  jeder  Stelle  und 
zu  jeder  Zeit  bei  der  Abteufung  von  Brunnen  Wasser  gefun- 
den hat.  Neben  diesen  Brunnen  kommen  aber  auch  viele 
Cisternen  vor,  in  denen  Regenwasser  von  der  Erdoberfläche 
gesammelt  wurde.  Sie  liegen  namentlich  an  der  Pnyx  und  an 
der  Akropolis  in  solchen  Schichten,  die  wegen  ihrer  hohen 
Lage  selbst  kein  Wasser  führten  oder  wenigstens  in  trocke- 
nen Sommern  wasserleer  waren.  Ferner  sind  in  dieser  Gegend 
noch  besondere  Höhlungen  und  Gänge  als  Wassersammler 
gebaut,  interessante  Anlagen,  die  einer  sehr  alten  Zeit  ange- 
hören müssen.  Man  trieb  einen  senkrechten  Schacht  hinunter 
bis  auf  die  wasserführende  Schicht,  erbreiterte  ihn  zu  einer 
Art  Cisterne  und  baute  von  hier  aus  horizontale,  in  mehr- 
fachen Windungen  verlaufende  Stollen,  in  welchen  sich  das 
Wasser  ansammelte.  Ursprünglich  als  Brunnen  gebaut,  sind 
sie  vermutlich  erst  im  Laufe  der  Zeit  durch  Überziehen  der 
Wände  mit  wasserdichtem  Stuck  zu  Cisternen  für  Reo-enwas- 
ser  umgeändert  worden.  Die  grösste  Anlage  dieser  Art  ist  der 
lange  Stollen  (T  auf  unserer  Tafel  I),  welcher  westlich  vom 
Herodes -Theater  beginnt,  sich  in  der  Richtung  nach  dem 
Museion  erstreckt  und  in  dem  Sattel  zwischen  Akropolis, 
Museion  und  Pnyx  zu  einem  Complexe  von  Cisternen  und 
Gängen  (T  1  bis  T  8)  ausgebaut  ist. 

Obwohl  auf  diese  Weise  alles  Wasser,  das  der  Unter- 
grund und  der  Regen  in  diesem  Stadtgebiete  hergab,  in  Brun- 
nen und  Cisternen  gesammelt  wurde,  konnte  doch,  als  die 
Bevölkerung  Athens  immer  mehr  wuchs,  das  gesteigerte  Be- 
dürfnis nach  Wasser  nicht  mehr  befriedigt  werden.  Daher 
entschloss  sich  Peisistratos,  durch  Zuleitung  von  gutem  und 
reichlichem  Trinkwasser  aus  der  Ferne  dem  Wassermangel 
gründlich  abzuhelfen  und  der  Stadt  dadurch  eine  Wohltat  zu 


DIE    ENNRAKRITNOvS  7 

erweisen,  die  sein  Ansehen  nn^emein  lieben  und  festigen 
musste.  Als  Vorbild  haben  ihm  dabei  offenbar  die  grossen 
Wasserwerke  gedient,  die  in  anderen  Städten,  wie  Megara, 
Korinth,  Aigina  und  Samos,  ausgeführt  waren.  Er  erbaute 
die  grosse  Wasserleitung,  welche  der  Stadt  viele  Jährhunderte 
hindurch  Trinkwasser  geliefert  hat  und  auch  neben  den  spä- 
teren Wasserleitungen  nachweisbar  noch  bis  7Aini  1 7.  Jahr- 
hvindert  in  Tätigkeit  geblieben  ist.  Bevor  wir  dieses  grosse 
Wasserwerk  näher  beschreiben,  empfiehlt  es  sich,  die  älteren 
Wasseranlagen  Athens  genauer  kennen  zu  lernen. 

2.    Wasserkammern   am    Pnyxhügel. 

Zur  Veranschaulichung  der  folgenden  Beschreibung  dient 
in  erster  Linie  Tafel  I,  welche  die  Resultate  der  Ausgrabun- 
gen zwischen  Akropolis,  Areopag  und  Pnyx  nach  Tafel  38 
der  Antiken  Denkmäler  Band  II  mit  einigen  Zusätzen  wie- 
dergibt. Die  sämmtlichen  Wasseranlagen,  sowohl  die  Leitun- 
gen, als  die  Cisternen,  Wassersammler  und  Brunnen,  sind 
hier  durch  blaue  Farbe  bezeichnet,  während  alle  Abflusslei- 
tungen und  Strassenkanäle  weiss  geblieben  und  nur  durch 
eine  Strich -Punkt- Linie  kenntlich  gemacht  sind.  Von  den 
Mauern  haben  diejenigen,  welche  sicher  noch  aus  griechi- 
scher Zeit  stammen,  einen  schwarzen  Ton  erhalten,  alle  jün- 
geren sind  ohne  Färbung  geblieben.  Auf  Tafel  II,  welche  die 
nähere  Umgebung  der  Enneakrunos  in  etwas  grösserem 
Maasstabe  wiedergibt,  sind  hauptsächlich  nur  die  griechi- 
schen Mauern  gezeichnet,  und  zwar  ist  hier  von  W.  Dörpfeld 
der  Versuch  gemacht  worden,  die  sehr  zerstörten  Reste  zu 
ergänzen  und  das  vermutliche  Bild  der  Enneakrunos  und 
ihrer  nächsten  Umgebung  wiederherzustellen.  Tafel  III  end- 
lich stellt  Grundrisse  und  Durchschnitte  der  Wasserleitung 
des  Peisistratos  vom  Herodes-Theater  bis  zu  dem  alten  Quell- 
hause an  der  Pnyx  dar.  In  der  oberen  Hälfte  ist  die  Leitung 
von  einem  Punkte  westlich  vom  Herodes-Theater  bis  zu  der 
Stelle  gezeichnet,  wo  sie  aus  dem  gewachsenen  Felsen  her- 
austritt. Darunter  sieht  man  die  Fortsetzung  von  dieser  Stelle 
bis  zum  Brunnenhause.  Unmittelbar  über  dem  Grundrisse  ist 


B  FR.    GRÄBER 

jedesmal  der  Durchschnitt  gezeichnet.  Rechts  unten  ist  ein 
Querschnitt  durch  den  Pnyxfelsen  mit  der  alten  Brunnenkam- 
mer und  einer  Ergänzung  des  Bassins  und  des  Brunnenhau- 
ses der  Enneakrunos  hinzugefügt.  Die  in  den  Grundrissen 
und  Längenschnitten  eingetragenen  Zahlen  geben  die  Höhen- 
maasse  der  durch  einen  kleinen  Kreis  bezeichneten  Punkte 
über  dem  Meere  in  Metern  an. 

Geht  man  vom  sogenanten  Theseion  die  moderne  Fahr- 
strasse zur  Akropolis  hinan,  so  zeigen  sich  am  Fusse  des 
Pnyxhügels  rechts  vom  Wege  eine  Anzahl  Felskammern  und 
Stollen,  welche  sich  bei  näherer  Besichtigung  als  alte  Wasser- 
behälter und  Wassersammler  herausstellen.  Auf  Tafel  I  sind 
diese  Anlagen  zwischen  der  heutigen  Fahrstrasse  und  dem 
oberen  Rande  der  Zeichnung  zu  sehen.  Einige  haben  als  Fuss- 
boden  einen  Estrichbelag  und  an  den  Seiten  bis  zu  einer  ge- 
wissen Höhe  noch  Putz,  der  bei  einigen  an  der  Fussboden- 
kante  abgeschrägt  ist,  ein  charakteristisches  Zeichen  der  jün- 
geren Wasserbehälter.  Andere  haben  einen  Belag  aus  Ziegel- 
platten oder  Marmor.  Ursprünglich  lagen  diese  Behälter  meist 
ganz  im  Felsen  und  waren  nicht  sichtbar,  erst  durch  Einsturz 
ihrer  Vorderwand  und  besonders  durch  das  Absprengen  des 
Felsens  beim  Bau  der  modernen  Fahrstrasse  zur  Akropolis 
sind  sie  freigelegt  worden.  Ihre  grosse  Anzahl  zeigt,  dass  am 
Fusse  der  Pnyx  zu  allen  Zeiten  mit  Erfolg  Wasser  gesammelt 
werden  konnte.  Die  Kammern  selbst  liegen  in  dem  harten 
Kalkstein,  aber  ihr  Fussboden  greift  mehr  oder  weniger  in 
die  nach  Norden  schräg  abfallende  Mergelschicht  hinunter. 
In  den  über  dem  Mergel  lagernden  Kalkstein  drang  das 
Regenwasser  ein,  sickerte  durch  die  Spalten  des  Felsens  liinab 
und  sammelte  sich  in  den  Kammern.  Die  Zugänge  zu  den 
Behältern  sind  meist  zerstört.  Nur  die  hervorragendste  An- 
lage, die  beiden  Felskammern  Y  und  r  6,  besitzen  noch  ihren 
alten  Zugang.  Ungefähr  in  der  Mitte  der  verschiedenen  Bas- 
sins gelegen,  waren  sie  tiefer  in  den  Felsen  eingearbeitet  und 
sind  deshalb  jetzt  vollständiger  erhalten  als  die  anderen. 

Die  Höhenlage  der  verschiedenen  Wasseranlagen  ergibt 
sich  aus  den  in  die  Grundrisse  auf  Tafel  I  und  II  eing-e- 
schriebenen  Zahlen  und  zum  Teil  auch  aus  den  Längenschnit- 


DIE    ENNRAKRUNOS  9 

ten  auf  Tafel  III.  Wie  die  moderne  Strasse  dem  natürlichen 
Gefälle  der  Kalkscliicht  des  Pnyxhüg-els  entsprechend  sich 
allnicählich  nach  Norden  senkt,  so  lässt  sich  aus  jenen  Zahlen 
auch  bei  der  Sohlenhöhe  der  einzelnen  Kammern  und  I>assins 
dieselbe  Senkung  beobachten.  Je  mehr  eine  Kammer  nach 
Norden  liegt,  um  so  niedriger  ist  ihre  Höhenzahl.  Ein  ganz 
entsprechendes  Gefälle  nach  Norden  haben  auch  die  vor  den 
Felsenkammern  liegenden  Abflusskanäle. 

Von  den  zahlreichen  Wasserbehältern  liegt  zuunterst  ein 
kleines  Bassin  (r  1  auf  Tafel  I),  das  der  römischen  Zeit  an- 
gehört ;  dann  folgen  nach  links  zwei  zusammenhängende 
Bassins  von  rechteckiger  Form,  ein  älteres  r  2  und  ein  jünge- 
res r  3,  von  denen  auf  Tafel  II  nur  das  ältere  gezeichnet  ist; 
weiter  sehen  wir  ein  rundliches  r  5  und  endlich  ein  noch  ganz 
im  Felsen  liegendes  Bassin  r  6.  Bei  dem  letzteren  müssen  wir 
wegen  seiner  Bedeutung  und  seiner  guten  Erhaltung  etwas 
länger  verweilen.  Zu  seiner  Veranschaulichung  dienen  der 
umstehende  grössere  Grundriss  (i\bb.  1)  und  zwei  Durch- 
schnitte (Abb.  2  und  3).  Auch  auf  Tafel  III  ist  sein  Durch- 
schnitt zu  sehen. 

Auf  einer  schmalen  Treppe  a-b  steigen  wir  zu  der  im 
Inneren  des  Felsens  liegenden  Brunnenanlage  hinab  und  ge- 
langen zunächst  in  einen  grossen  Raum  Y  von  etwa  4  m  im 
Quadrat,  dessen  Felsdecke  sich  gewölbartig  abrundet.  Dem 
Eingang  gegenüber  ist  an  der  westlichen  Hinterwand  und  ge- 
nau in  der  Achse  des  schräg  zur  Kammer  gerichteten  Ganges 
eine  Nische  c  von  1 ,80  m  Tiefe  ausgearbeitet,  deren  schräge 
Richtung  offenbar  dadurch  veranlasst  ist,  dass  Eingang  a  und 
Nische  c  ursprünglich  einen  geradlinigen  Stollen  bildeten,  der 
erst  später  in  seiner  Mitte  zu  der  Kammer  Y  erweitert  wurde. 
In  der  Nische  befindet  sich  im  Boden  ein  Brunnenschacht 
von  etwa  2  m  Tiefe  und  im  oberen  Teile  der  Rückwand  eine 
kleinere  nischenartige  Vertiefung,  etwa  0,80  m  über  dem  Fuss- 
boden.  Vor  dem  Brunnen  war  eine  Schranke  angebracht,  da- 
mit man  beim  W^asserschöpfen  gefahrlos  dicht  an  den  Brun- 
nen herantreten  konnte.  Vom  Eingang  a  führt  in  der  Höhe 
von  1,30  m  über  dem  Fussboden  eine  in  den  Felsen  eingear- 
beitete Rille  n-p  an  der  südlichen  Wand   entlang  mit  gerin- 


10 


FR.    GRABER 


gern  Gefälle  bis  zur  Nische  c.  Ursprünglich  dazu  bestimmt, 
das  von  dem  Felsgewölbe  herabsickernde  Wasser  aufzuneh- 
men und  zum  Brunnen  in  der  Felskammer  Y  zu  leiten,  diente 
sie  später,  als  dies  Quellwasser  allmählich  knapper  geworden 
war,  auch  zur  Zuleitung  von  Wasser  aus  der  Leitung  des 
Peisistratos. 

Dies  geschah  durch  ein  Bleirohr  und  eine  Tonrinne,  von 
denen  bei  m  noch  Reste  gefunden  wurden.  Die  Felsrinne  n-p 


— A 


0,73 


Abb.  1.     Grundriss    der   älteren    Wasseranlage. 
Felskamnier  an  der  Pnyx. 


musste  an  der  südlichen  Seite  der  Kammer  liegen,  weil  nur 
dort  der  nach  Norden  zu  abfallende  Fels  das  Sickerwasser 
abgab.  Die  Verringerung  des  Quellwassers  der  Pnyx  war  eine 
Folge  der  stärkeren  Bebauung  des  Museion  und  des  Pnyx- 
hügels,  durch  die  das  Regenwasser  vom  Einsinken  in  den 
Untergrund  abgehalten  wurde.  Heute  ist  die  Quelle  ganz  ver- 
siegt und  liefert  nur  im  Winter  noch  einige  Tropfen  Wasser. 


DIE    ENNEAKRUNOS 


11 


Erst  als  das  Leitungswasser  der  Enneakrunos  in  das  uralte 
Brunnenhaus  hineingeleitet  war,  werden  die  Decke  und  die 
Wände  der  Felskanimer  verputzt  worden  sein.  In  noch  spä- 
terer Zeit  wurde  der  Stucküberzug  noch  einmal  erneuert. 
Dass  das    Brunnenhaus   sehr  lans^e  im   Gebrauch   blieb  und 


^,A:.. 


Abb.  2.     Durchschnitt  nach  A-B  und  C-D   des  Grundrisses   Abb.  1. 


noch  in  römischer  Zeit  trotz  seiner  Altertümlichkeit  eine 
grosse  Bedeutung  hatte,  beweist  der  reiche,  dem  2.  Jahr- 
hundert nach  Chr.  angehörige  Mosaik-  Fussboden  der  Kam- 
mer.   Die    Rankenmuster    und   sonstigen    Ornamente    dieses 


i#i^--~ 


Abb.  3.     Durchschnitt  nach  E-F  des  Grundrisses  Abb.  1. 


Mosaiks  gleichen  ähnlichen  athenischen  Anlagen  der  hadria- 
nischen  Zeit. 

Rechts  vom  Eingang  beginnt  in  der  Ecke  ein  nach  Nor- 
den gerichteter  Seiteneingang  e  und  führt,  in  fast  rechtem 
Winkel  umbiegend,  auf  einer  Treppe  f  von  jetzt  4  Stufen  in 
eine  elliptische   Felskammer  r  6   hinab.    Diese  besitzt  Reste 


12  FR.    GRÄBER 

eines  Bodenbelages  aus  Marmor,  der  gewiss  derselben  Zeit 
wie  das  Mosaik  der  grösseren  Kammer  angehört;  darunter 
befindet  sich  aber,  0,60  m  tiefer,  ein  älterer,  aus  Estrich  herge- 
stellter Fussboden,  der  sicher  aus  altgriechischer  Zeit  stammt. 
Diese  zweite  Felskammer  war  offenbar  ein  Wasserbehälter 
oder  Reservoir  und  einst  ganz  mit  Wasser  gefüllt ;  darum  lie- 
gen ihre  beiden  Fussboden  bis  zu  2  m  tiefer  als  der  Boden 
der  ersten  Kammer.  An  ihrer  Ostseite  sind  3  Gänge  gefunden, 
die  jetzt  alsbald  ins  Freie  führen,  früher  aber  auf  eine  längere 
Strecke  verdeckt  im  Felsen  lagen:  ein  grösserer  Kanal  (i), 
1  m  breit  und  2  m  hoch,  mit  demselben  Wandputz,  wie  er 
in  der  Kammer  g  und  auch  sonst  in  Cisternen  vorkommt,  und 
zwei  kleinere  Canäle  h  und  k  zu  beiden  Seiten  von  i.  Der 
mittlere  Gang  läuft,  wie  durch  Grabungen  unter  der  moder- 
nen Fahrstrasse  konstatiert  wurde,  bis  etwa  zur  Mitte  dieser 
Strasse  und  trat  dort  einst  aus  dem  Felsen  heraus.  Vermut- 
lich war  er  an  seinem  Ende  mit  einer  Mauer  abgeschlossen, 
in  welcher  ein  Abflussrohr  zur  Wasserentnahme  gewesen  sein 
wird.  Auf  dem  ergänzten  Plane  (Tafel  II)  haben  w'ir  hier  ein 
besonderes  kleines  Brunnenhaus  angenommen.  Es  ist  aber 
nicht  unmöglich,  dass  sich  auch  das  grosse  Brunnenhaus  des 
Peisistratos  bis  hierhin  erstreckte.  In  römischer  Zeit  wurde 
der  Anfang  des  Kanals  i  zugemauert  und  dafür  eine  bedeckte 
viereckige  Tonrinne  von  0,10  m  Breite  auf  seine  Sohle  gelegt. 
Von  den  beiden  seitlichen  Kanälen  geht  der  südliche  h  als 
Felsstollen  bis  unter  die  Fahrstrasse  und  endet  daselbst;  eine 
Öffnung  in  seiner  Decke  gibt  die  Stelle  an,  wo  wahrschein- 
lich ein  Zuleitungsrohr  aus  der  Peisistratosleitung  hineinge- 
führt war.  Während  dieser  Stollen  1  m  über  dem  jüngeren 
Marmorboden  des  Bassins  liegt,  geht  der  Kanal  k  in  der  Höhe 
dieses  Fussbodens  ab  und  lässt  sich  weiter  nach  Norden  ver- 
folgen. Er  wird  an  dem  nächsten  Bassin  (r  5  auf  Tafel  I)  vor- 
beigeführt haben,  tritt  dann  vielleicht  wieder  in  den  Fels  hin- 
ein, umkreist  als  Stollen  die  zwei  zusammenhängenden  Bas- 
sins r  3  und  r  2  und  endet  jetzt  neben  dem  letzteren.  Im 
Gegensatze  zu  dem  Stollen  h,  der  wegen  seiner  hohen  Lage 
nur  als  Zuleitung.skanal  gedient  haben  kann,  wird  er  ein  Ab- 
leitungskanal zur  Entleerung  des  Bassins  gewesen  sein. 


DIE    ENNRAKRUNOS  1  .^ 

In  diesen  beiden  Kammern  und  ihren  Gänt^en  lieg-t,  darü- 
ber kann  kein  Zweifel  sein,  eine  sehr  bemerkenswerte  Quel- 
len- und  Bassinanlage  vor.  Sie  stammt  aus  sehr  alter  Zeit  und 
lieferte  ursprünglich  eigenes  Ouellwasser;  neben  der  Leitung 
des  Peisistratos  blieb  sie  bestehen  und  erhielt  von  ihr  neues 
reichlicheres  Wasser;  in  römischer  Zeit  war  sie  nicht  nur  wei- 
ter im  Gebrauch,  sondern  wurde  sogar  mit  Marmor  und  Mo- 
saik neu  geschmückt.  Es  wird  daher  W.  Dörpfcld  Recht 
haben,  wenn  er  in  diesen  Felsanlagen  die  berühmte  alte 
Quelle  Kallirrhoe  gefunden  zu  haben  glaubt,  die  vor  dem 
Eingang  der  alten  Polis  lag,  den  Athenern  in  ältester  Zeit 
das  beste  Trinkwasser  lieferte  und  von  den  Peisistratiden  zur 
Enneakrunos  umgebaut  worden  ist.  Wir  sehen  an  den  Rui- 
nen deutlich,  wie  das  uralte  Quellhaus,  nachdem  es  durch 
einen  frommen  Betrug  mit  neuem  reichlichem  Wasser  verse- 
hen war,  noch  Jahrhunderte  hindurch  als  scheinbar  natür- 
liche Felsquelle  hinter  oder  neben  dem  Brunnenhause  der 
Enneakrunos  bestehen  blieb.  Aus  dem  Brunnen  in  der  Fels- 
nische oder  auch  aus  dem  Bassin  r  6,  zu  dem  man  auf  der 
Felstreppe  hinabstieg,  konnte  man  noch  immer  Wasser  schöp- 
fen, weil  unterirdisch  hingeführte  imd  daher  unsichtbare  Zu- 
flusskanäle beide  Behälter  niemals  versiegen  Hessen.  Wie  auf 
dem  Platze  vor  dieser  altertümlichen  Wasseranlage  das  Brun- 
nenhaus der  Enneakrunos  erbaut  worden  ist,  werden  wir  spä- 
ter zu  bestimmen  suchen. 

Wandern  wir  von  der  alten  Kallirrhoe  (so  wollen  wir  im 
Folgenden  mit  W.  Dörpfeld  die  alte  Wasseranlage  im  Felsen 
kurz  nennen)  die  heutige  Fahrstrasse  weiter  hinauf,  so  sehen 
wir  zuerst  unmittelbar  vor  dem  Eingange  ins  alte  Quellhaus 
noch  ein  kleines  fast  ganz  zerstörtes  halbrundes  Reservoir 
(r  8  auf  Tafel  I)  und  dann  zwei  merkwürdige  Brunnen  (r  9 
und  r  1  0),  die  etwa  4  m  von  einander  entfernt  liegen  und  bei 
gleichen  Maassen  dieselbe  Konstruktion  zeigen.  Als  Quadrate 
von  fast  2  m  sind  sie  in  den  Felsen  eingeschnitten,  haben 
aber  in  einer  Tiefe  von  3  m,  wo  der  Fels  sehr  weich  wird, 
eine  bis  zur  Sohle  reichende  Verkleidung  aus  grossen  runden 
Tonplatten  erhalten.  Je  5  solcher  Platten  bilden  einen  Brun- 
nenring.   Der  nördliche  der  beiden   Brunnen  ist  bis  zu  einer 


14  FR.    GRÄBER 

Tiefe  von  25  m  ausgeräumt  worden.  Er  lieferte  dabei  so  viel 
Wasser,  dass  der  Zufluss  nur  durch  gleichzeitige  Verwendung 
von  Pumpe  und  Schöpfeimer  bewältigt  werden  konnte.  In  der 
bedeutenden  Tiefe  von  22  m  fand  sich  eine  nach  Osten  ab- 
biegende Leitung,  die  wegen  ihrer  geringen  Abmessungen 
leider  nicht  verfolgt  werden  konnte,  aber  kaum  etwas  ande- 
res als  ein  zu  einer  Wasserleitung  gehöriges  Abflussrohr  ge- 
wesen sein  wird.  Sie  liegt  so  tief  (etwa  60  m  über  dem  Meere), 
dass  ihre  Mündung  erst  nördlich  vom  Areopag  auf  der  Agora 
gelegen  haben  kann.  Dort  konnte  also  ein  kleiner  Laufbrun- 
nen (Kqi]vti)  aus  unserem  Tiefbrunnen  gespeist  werden.  Der 
zweite  Brunnen  ist  nur  wenige  Meter  tief  ausgeräumt  worden, 
weil  seine  Felswände  so  morsch  waren,  dass  sie  bei  der  Aus- 
grabung zusammenstürzten.  Es  ist  aber  festgestellt  worden, 
dass  aus  ihm  in  östlicher  Richtung  ein  Gang,  ähnlich  wie  der 
Kanal  i  des  Wasserbehälters  der  Kallirrhoe,  unter  die  moderne 
Fahrstrasse  führt.  In  der  Mitte  der  Strasse  tritt  er,  wie  durch 
Schürfungen  ermittelt  werden  konnte,  aus  dem  Felsen  her- 
aus, enthält  aber  vorher  eine  sich  über  die  Sohle  erhebende 
Felsbarre.  Der  Umstand,  dass  in  seiner  geraden  Fortsetzung 
ein  alter  wichtiger  Entwässerungskanal  liegt,  den  wir  später 
noch  kennen  lernen  werden,  führt  auf  die  Vermutung,  dass  zwi- 
schen dem  Endpunkt  dieses  Zuganges  und  dem  Anfange  des 
Entwässerungskanales  das  grosse  Brunnenhaus  gelegen  hat. 
Kleine  Reste  alter  Mauern  (bei  r  1  7)  geben  vielleicht  die  Stelle 
dieser  später  zu  besprechenden  grossen  Anlage  an.  Die  beiden 
ungewöhnlich  breiten  und  tiefen  Brunnen  r  9  und  r  1 0  sind 
wegen  ihrer  Abmessengen  keinenfalls  gewöhnliche  Schöpf- 
brunnen, sondern  müssen  zu  einer  öffentlichen  Wasseranlage 
gehören.  W.  Dörpfeld  glaubt,  dass  sie  in  Verbindung  gebracht 
werden  dürfen  mit  den  Wasseranlagen  des  Meton,  jenes  durch 
Aristophanes  bekannten  Ingenieurs,  der  an  mehreren  Stellen 
der  Stadt  Laufbrunnen  angelegt  hatte.  Buchstaben,  die  sich 
an  den  Tonplatten  der  Brunnen  befinden,  passen  zeitlich  zu 
dieser   Ansetzung. 

Verfolgen  wir  die  Strasse  noch  weiter  nach  Süden,  so 
erkennen  wir  nur  8  m  von  den  beiden  Brunnen  entfernt  zwi- 
schen  den  mit  r  1 1   und  r  1  2  bezeichneten    Punkten  den  Rest 


DIE    ENNEAKRUNOS  15 

eines  10  m  langen  Bassins,  das  aus  dem  Felsen  gearbeitet  und 
mit  Stuck  überzogen  ist.  Es  kann  keine  unterirdische  Fels- 
kammer gewesen  sein,  wie  die  früher  besprochenen  Behälter, 
denn  an  seiner  Hinterwand  liegt  noch  jetzt  die  Stützmauer 
für  einen  zur  Pn)x  führenden  alten  Weg.  Es  gehört  vielmehr, 
wie  wir  noch  sehen  werden,  zu  einem  vor  der  Erbauung  der 
Peisistratos-Leitung  bestehenden  einfacheren  Was.serwerk  und 
kann  erst  im  Zusammenhange  mit  dieser  älteren  Anlage  näher 
besprochen  werden.  Weiter  hinauf  ist  wieder  ein  unterirdi- 
scher Wassersammler  gefunden,  eine  runde  Kammer  (r  1 3) 
mit  Einsteigeschacht  (r  14)  und  zwei  Seitenstollen.  Auch  die- 
ser alte  Behälter  hat  in  späterer  Zeit  durch  ein  Bleirohr  fri- 
sches Wasser  aus  der  Peisistratos-Leitung  erhalten.  Zwischen 
r  1  3  und  r  1 4  tritt  ferner  ein  Stollen  aus  dem  Berge,  der  sich 
mit  einem  der  beiden  Seitenstollen  kreuzt  (aber  nicht  im  Ni- 
veau), unter  der  heutigen  Chaussee  fortgeht  und  auf  der  ande- 
ren Seite  derselben,  wo  er  den  Felsen  verlässt,  als  ein  mit 
gebogenen  Tonplatten  halbkreisförmig  abgedeckter  Kanal  er- 
scheint; er  war  vermutlich  auch  ein  alter  Wassersammler. 
Noch  5  m  weiter  nach  Süden  ist  endlich  ein  Stollen  gefunden, 
der  ebenfalls  aus  dem  Berge  heraustritt,  aber  keine  Wasser- 
leitung, sondern  der  Entwässerungs- Kanal  einer  zur  Pnyx 
hinaufführenden  Strasse  gewesen  ist,  denn  er  nimmt  mehrere 
Strassen-  und  Haus- Entwässerungsrinnen  auf;  für  die  Was- 
serversorgung kommt  er  also  nicht  in  Betracht. 

Wir  haben  somit  am  Fusse  der  Pnyx  gerade  der  Akro- 
polis  gegenüber  eine  ganze  Reihe  von  Felskammern,  Brunnen 
und  offenen  Bassins  sehr  verschiedener  Art  kennen  gelernt, 
welche  deutlich  zeigen,  dass  seit  sehr  alten  Zeiten  in  dieser 
Gegend  viele  Wasseranlagen  waren,  und  dass  die  Athener 
das  in  den  Hügeln  ihrer  Stadt  enthaltene  Wasser  schon  früh 
in  vielfacher  Weise  aufzusuchen  verstanden.  Wie  über  ihnen 
weiter  am  Pnyxfelsen  hinauf  noch  eine  Anzahl  Cisternen  und 
Brunnen  gefunden  sind,  so  werden  auch  an  den  anderen  Ab- 
hängen der  umliegenden  Höhen,  an  der  Akropolis  und  am 
Museion,  noch  viele  alte  Wasseranlagen  vorhanden  sein,  die 
bei  weiteren  Grabungen  zu  Tage  treten  würden. 


1 6  FR.     GRÄBER 

3.    Der  alte  Felsstollen  und  die  Brunnen  an  läge 
\'or    Peisistratos. 

Dass  die  Athener  schon  in  alter  Zeit  in  noch  umfang- 
reicherer Weise,  als  wir  bisher  gesehen  haben,  das  Wasser 
aufgesucht  und  gesammelt  haben,  zeigt  ein  unterirdischer 
Felskanal  und  ein  Cisternensystem,  die  sich  weiter  südlich 
in  der  Nähe  der  Stelle  befinden,  wo  die  Peisistratos- Leitung 
aus  dem  Felsen  heraustritt.  In  den  Quadraten  B,  C  11-12 
(auf  Tafel  I)  ist  das  vielfach  verzweigte  Netz  dieser  unterir- 
dischen Gänge  gezeichnet.  Sie  gruppieren  sich  um  eine  grosse 
runde  Cisterne  (T  5)  und  haben  W^asser  nicht  nur  vom  Mu- 
seion, sondern  auch  vom  Akropolishügel  gesammelt.  Eine 
Anzahl  Schächte  (T  1-6)  sind  in  die  Tiefe  abgeteuft  und  zum 
Teil  nach  unten  cisternenartig  erweitert.  Dadurch  dass  sie 
auf  ihrer  Sohle  durch  Querstollen  mit  einander  verbunden 
sind,  ist  ein  ganzes  System  von  zusammenhängenden  Wasser- 
behältern entstanden.  Sowohl  die  Cisternen  wie  die  Gänge 
sind  jetzt  ringsum  verputzt  und  erweisen  sich  dadurch  als 
Behälter  für  Regenwasser,  gegenüber  den  nicht  mit  Putz  ver- 
sehenen, Quellwasser  sammelnden  Brunnen  und  Stollen.  Die 
grosse  Cisterne  T  5  (Abb.  4)  ist  im  Grundriss  kreisförmig,  hat 
im  Durchschnitt  eine  gewölbartige  Decke  und  endet  oben  in 
einer  Höhe  von  etwa  3  1/2  "^  i^^it  einer  brunnenartigen  Mün- 
dung. Die  vier  sich  anschliessenden  Gänge  a,  b,  c,  d  haben  eine 
Höhe  von  1,65-1,80  m  und 'eine  Breite  von  0,50-0,60  m;  ihr 
Profil  ist  unregelmässig,  an  einer  Stelle  habe  ich  die  in  der 
Abbildung  links  oben  gezeichneten  Dimensionen  gemessen. 

Wohin  diese  vier  Arme  führen,  zeigt  Tafel  I :  der  eine  (a) 
erstreckt  sich  in  nördlicher  Richtung  bis  nach  Z  3  zu  dem 
Peisistratos- Stollen  und  brachte  einst  das  Wasser  des  alten 
Behälters,  wie  wir  sehen  werden,  zu  dem  an  der  Pnyx  befind- 
lichen Brunnenhause,  zur  alten  Kallirrhoe;  in  späterer  Zeit 
ist  er  geschlossen  und  nur  ein  Stück  mit  Kalkputz  überzo- 
gen worden.  Zwei  andere  Arme  (b  und  c)  bilden  die  erwähn- 
ten Seitenstollen,  durch  welche  T  5  mit  den  anderen  Behältern 
verbunden  ist.   Ein  vierter  Arm  (d)   läuft  in  einer  Länge  von 


DIE    ENNEAKRUNOS 


17 


150  m  nach  Osten  auf  die  Akropolis  zu.  Auf  den  Tafeln  I 
und  III  ist  er  neben  und  etwa  1,50  m  über  der  später  erbau- 
ten Wasserleitung  des  Peisistratos  zu  erkennen  und  hat  fast 
dieselbe  Richtung  mit  ihr.  Unseres  Erachtens  war  er  be- 
stimmt, Quelhvasser  aus  dem  Burghügel  zu  dem  grossen  B^e- 
hälter  und  weiter  zu  dem  ältesten  Laufbrunnen  zu  bringen. 
Er  steigt  bis  zu  seinem  Ende,  das  westlich  vom  Herodes- 
Theater  liegt,  um  etwa  2  m   an  und   endigt  in  mannigfachen 


Abb.  4.    Grundriss  und  Durchschnitt  des  alten  Brunnens  T  5. 


Verästelungen,  die  noch  jetzt  Stalaktiten  und  auch  etwas 
Wasser  enthalten.  Da  die  Steigung  keine  regelmässige  ist 
und  besonders  in  der  Nähe  des  östlichen  Endes  auch  stellen- 
weise ein  Gegengefälle  vorkommt,  musste  sich  der  hintere 
Teil  des  Stollens  ganz  mit  Wasser  füllen,  bevor  dieses  ab- 
fliessen  konnte.  Die  Höhe  des  etwa  0,50  m  breiten  Stollens 
beträgt  durchschnittlich  2  m,  so  dass  man  bequem  darin  ge- 
hen kann,  verringert  sich  aber  in  der  Nähe  unserer  Cisterne 
T  5  auf  eine  kurze  Strecke  so  sehr,  dass  man  nur  kriechend 


ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX. 


18  FR.    GRÄBER 

vorwärts  kommt.  Hier  ist  der  Stollen  später  sogar  ganz  ge- 
schlossen und  ebenso  wie  a  mit  Stuck  überzogen  worden.  Die 
grossen  Unterschiede  in  der  Breite  und  Höhe  des  Stollens 
sind  durch  die  Art  des  Gesteins  veranlasst,  das  nur  stellen- 
weise hart,  meist  aber  so  locker  war,  dass  es  während  der  Ar- 
beit oder  später  nachstürzte.  Die  Unregelmässigkeiten  in  der 
Linienführung  sind  dagegen  wohl  eine  Folge  der  Herstel- 
lungsart. Da  gleichzeitig  mehrere  Schächte  in  die  Tiefe  ge- 
trieben und  von  ihren  Sohlen  zugleich  vorwärts  und  rück- 
wärts gearbeitet  wurde,  haben  sich  die  einander  entgegenar- 
beitenden Werkleute  nicht  immer  genau  getroffen.  Dadurch 
entstanden  Windungen  und  Unregelmässigkeiten  der  Stollen- 
linie, die  sich  bei  anderen  durch  harten  Felsen  gehenden  Stol- 
len, z.  B.  bei  dem  zum  Stadtteil  Koile  führenden,  noch  besser 
erkennen    lassen. 

Während  die  grosse  Cisternenanlage  T  5  mit  ihren  Ver- 
ästelungen jetzt  sauber  mit  wasserdichtem  Mörtel  verputzt 
ist,  hat  der  lange  Stollen  zur  Akropolis  keinen  Putz  erhalten. 
Das  aus  seiner  Decke  und  seinen  Wänden  heraussickernde 
Wasser  sammelte  sich  daher  auf  seiner  Sohle  und  wurde  ver- 
mutlich in  einer  Rinne  aus  gebranntem  Ton  zur  Cisterne  ge- 
führt. Dass  von  einer  solchen  Rinne  nichts  gefunden  ist,  darf 
uns  nicht  Wunder  nehmen,  weil  der  später  erbaute  tiefer  lie- 
gende Peisistratos-Kanal  in  diese  Leitung  von  unten  mehrfach 
einschnitt,  eine  Unterbrechung  der  Sohle  bewirkte  und  so 
den  Wasserabfluss  störte.  Wie  in  dem  Grundriss  auf  Tafel  HI 
zu  sehen  ist,  geht  bei  Z  6  von  dem  langen  Stollen  ein  Neben- 
gang nach  oben  (nach  Süden)  ab,  welcher  etwa  50  m  lang  ist 
und  auch  wieder  kleinere  Abzweigungen  besitzt.  Er  scheint 
einen  südwestlich  von  der  Akropolis  gelegenen  öffentlichen 
Brunnen  gespeist  zu  haben. 

Es  ist  beachtenswert,  dass  die  grosse  Cisterne  T  5,  wie 
schon  erwähnt  wurde,  später  gegen  den  langen  Stollen  durch 
eine  Quermauer  abgeschlossen  worden  ist.  Dies  wird  mit  dem 
Bau  der  Peisistratos-Leitung  zusammenhängen.  Als  diese  den 
alten  Stollen  überflüssig  machte,  wurde  die  Cisterne  mit  ihren 
Seitenkanälen  und  Kammern  als  gesonderter  Wasserbehälter 
beibehalten  und  zu  diesem  Zwecke  ihre  Verbindung  mit  dem 


DIR    RNNEAKRUNOS  19 

langen  Stollen  aufgehoben.  Auch  der  andere  Strang,  welcher 
von  der  Cisterne  nach  Norden  führt  und  das  Wasser  zum 
Brunnenhause  leitete,  ist  zai  derselben  Zeit  durch  eine  Mauer 
abgeschlossen  worden.  Es  ist  sicher,  dass  damals  auch  erst  der 
jetzige  Verputz  der  Cisterne  und  der  Gänge  hergestellt  wurde. 

Zu  derselben  vorpeisistratischen  Wasseranlage  dürfen  wir 
wohl  auch  das  oben  erwähnte  grosse  Wasserbassin  (r11-rl2 
in  dem  Quadrate  A  7  auf  Tafel  I  und  II)  rechnen,  welches 
an  dem  Pnyxfelsen  neben  der  Fahrstrasse  aufgedeckt  worden 
ist.  Es  war  in  den  Berg  eingearbeitet  und  hatte  eine  Stuck- 
verkleidung, die  unmittelbar  den  Fels  bedeckte.  Seine  Länge 
betrug  etwa  10  m;  seine  ehemalige  Breite  ist  nicht  zu  messen, 
weil  nur  ein  schmaler  Streifen  des  Bassins  erhalten  ist,  doch 
lässt  sie  sich  auch  auf  ungefähr  1  0  m  schätzen,  weil  bei  den 
Ausgrabungen  noch  beobachtet  werden  konnte,  dass  der  Pnyx- 
felsen einst  bis  in  die  Mitte  der  modernen  Fahrstrasse  vor- 
sprang und  weil  dieses  Maass  wahrscheinlich  zugleich  die 
Breite  des  Bassins  angibt.  Zerstört  wurde  das  alte  Bassin,  als 
Peisistratos  sein  noch  grösseres  und  um  etwa  1,5  m  tieferes 
Wasserreservoir  fast  an  derselben  Stelle  erbaute.  Da  der  neue 
Laufbrunnen  des  Peisistratos  neben  der  alten  Kallirrhoe  lie- 
gen sollte,  musste  für  das  neue  Reservoir  derselbe  Platz  und 
für  die  neue  Leitung  ungefähr  dieselbe  Linie  gewählt  wer- 
den, die  Terrainverhältnisse  und  die  antike  Strasse  gestatte- 
ten keine  andere  Wahl. 

Ganz  unabhängig  von  dem  alten  unterirdischen  Cister- 
nennetz,  das  wir  vorher  beschrieben  haben,  besteht  eine  an- 
dere interessante  Wasseranlage,  welche  bei  dem  Schachte  Z  1 4 
(vgl.  Tafel  III)  zur  Seite  des  alten  Stollens  liegt,  ohne  jedoch 
irgend  eine  Verbindung  mit  ihm  zu  haben.  Sie  wurde  aufge- 
funden, als  eine  Zweigleitung  des  Peisistratos-Stollens  von 
Z  1 1  bis  Z  1 4  verfolgt  wurde.  Es  handelt  sich  um  zwei  runde 
Cisternen  (vgl.  Abb.  5  und  6),  eine  grosse  a  und  eine  kleinere 
b,  welche  durch  einen  1 4  m  langen,  in  dem  Grundrisse  ver- 
kürzt gezeichneten  Stollen  mit  einander  verbunden  sind.  Auch 
dieser  Gang  bildet  wieder  keine  gerade  Linie,  sondern  besteht 
aus  zwei  unter  rechtem  Winkel  zusammenstossenden  Armen, 
die  offenbar  dadurch  entstanden  sind,  dass  man  bei  der  Her- 


20 


FR.    GRÄBER 


Stellung  des  Ganges,  der  von  der  Cisterne  b  aus  begonnen 
wurde,  die  Cisterne  a  zuerst  verfehlte  und  erst  von  der  Seite 
erreichte.  Die  ganze  Anlage  ist  im  Innern  mit  Putz  überzo- 
gen und  sauber  geglättet.  Im  Scheitel  beider  Cisternen  befin- 
den sich  runde  Brunnenmündungen,  durch  die  einst  das  Was- 
ser geschöpft  wurde.  Der  grössere  Behälter  hat  in  der  Mitte 
seiner  Sohle  eine  2  m  tiefe  brunnenartige  Vertiefung,  die 
wahrscheinlich   erst  bei  der  Herstelluno-  des  Verbindungska- 


a6.A5  ) 


Abb.  5. 

Grundriss  einer  aus  zwei  Cisternen 

bestehenden  Was.seranlage. 


Abb.  6. 

Durchschnitt  durch  die  Cisterne 

a  von  Abb.  5. 


nals  der  beiden  Cisternen  angelegt  wurde.  Zu  welchem  Zwecke 
die  Mitte  dieses  Verbindungskanals  mit  der  Leitung  des  Pei- 
sistratos  durch  einen  Kanal  verbunden  ist,  lässt  sich  schwer 
sagen,  weil  die  Leitung  tiefer  liegt  als  die  Sohle  der  Cisternen. 
Anlagen  ähnlicher  Art,  bei  denen  Cisternen  oder  Brun- 
nen unterirdisch  durch  Stollen  verbunden  sind,  kommen  im 
Ausgrabungs-Gebiet  noch  vielfach  vor.  Man  hat  augenschein- 
lich  Brunnen   abgeteuft,   bis   man  Wasser  fand,  ist  dann  den 


DIE    ENNEAKRUNOS  21 

Wasseradern  durch  Stollen  nachgegangen  und  hat  so  Wasser 
liefernde  Brunnen  geschaffen,  die  erst  später,  als  frisches 
Quellwasser  aus  der  Ferne  zur  Stadt  geleitet  war,  in  Cister- 
nen  umgewandelt  worden  sind. 

Alle  diese  Anlagen  zur  Sammlung  von  Wasser  sind  un- 
zweifelhaft älter  als  die  Zeit  des  Peisistratos.  Sie  vergegen- 
wärtigen uns  die  Bestrebungen  der  alten  Athener,  alles  Was- 
ser zu  finden,  das  der  F'els  des  Stadtgebietes  in  seinen  ver- 
borgenen Adern  und  Kammern  enthielt.  Liefern  die  vielen 
Cisternen,  Stollen  und  Brunnen  den  deutlichsten  Beweis  da- 
für, dass  die  Hügel  im  Westen  der  Akropolis  einst  viel  Trink- 
wasser spendeten,  so  wird  andrerseits  doch  auch  durch  die 
ausgedehnte  Unterminierung  des  Untergrundes  klar,  dass  man 
mit  diesen  Arbeiten  bis  an  die  Grenzen  der  Wassergewinnung 
gekommen  war,  und  dass  bei  zunehmender  Vergrösserung 
der  Stadt  der  Wassergehalt  des  Stadtbodens  selbst  nicht  mehr 
ausreichen  konnte.  Für  diesen  Fall  gab  es  nur  noch  ein  Mit- 
tel, die  grosse  Stadt  mit  reichlichem  Wasser  zu  versorgen, 
nämlich  die  Anlage  einer  grossen,  von  aussen  kommenden 
Wasserleitung.  Diesen  Weg  beschritt  Peisistratos,  indem  er 
aus  dem  quellen-  und  wasserreichen  oberen  Ilissostale  gutes 
und  reichliches  Wasser  zur  Stadt  leitete  und  so  den  Brunnen 
Enneakrunos  schuf,  der  für  alle  Zeiten  mit  seinem  Namen 
verbunden  blieb. 

4.     Die  Wasserleitung  des   Peisistratos. 

Es  ist  eine  charakteristische  Eigentümlichkeit  der  alten 
griechischen  Wasserleitungen,  im  Gegensatze  zu  den  meisten 
römischen,  dass  das  Wasser  in  unterirdischen  Stollen  geleitet 
wird,  während  die  Römer  meist  die  oberirdische  Führung  auf 
Aquädukten  bevorzugten.  Offenbar  wollten  die  Griechen  ihre 
Wasserleitungen  für  kriegerische  Zeiten  verstecken  und  vor 
leichter  Zerstörung  sichern,  was  in  römischer  Zeit  nicht  mehr 
so  notwendig  war.  Die  unterirdische  Führung  bot  ausserdem 
den  Vorteil,  dass  das  Wasser  besser  gegen  die  Erwärmung 
durch  die  Sonne  geschützt  war.  Für  uns  hat  sie  noch  den 
weiteren  Vorteil  gehabt,  dass  die  griechischen  Wasserleitungen 


22  FR.    GRÄBER 

noch  fast  alle  unter  dem  Boden  erhalten  sind;  man  braucht 
sie  nur  aufzusuchen  und  zu  reinigen,  um  sie  nicht  nur  genau 
studieren,  sondern  auch  wieder  benutzen  zu  können.  Die  heu- 
tige Stadt  Athen  erhält  ihr  Trinkwasser  meist  aus  solchen 
alten,  wieder  in  Stand  gesetzten  Wasseranlagen.  Viele  alte 
Leitungen  liegen  aber  noch  vmbekannt  unter  dem  Boden  ver- 
steckt. Durch  ihre  Aufsuchung  und  Ausräumung  würde  der 
jetzt  in  Athen  herrschende  Wassermangel  wenigstens  zum 
Teil  beseitigt  werden  können. 

Als  Peisistratos  Wasser  aus  der  Umgebung  Athens  unter- 
irdisch in  die  Stadt  bringen  und  mit  dieser  Leitung  die  Sen- 
kung zwischen  Akropolis  und  Pnyx,  wo  seit  uralten  Zeiten 
der  Stadtbrunnen  lag,  erreichen  wollte,  musste  die  Höhenlage 
des  Sattels  zwischen  Akropolis  und  Lykabettos  maassgebend 
sein  für  die  Höhe  der  Leitung  innerhalb  der  Stadt.  Für  den 
bauleitenden  Ingenieur  ergaben  die  Nivellements,  dass  der 
Brunnenplatz  am  Pnyxhügel  dann  am  besten  unter  Benutzung 
dieses  Sattels  erreicht  werden  konnte,  wenn  das  den  Brunnen 
speisende  Reservoir  und  auch  die  ganze  Leitung  etwas  tiefer 
gelegt  wurden  als  die  entsprechenden  Teile  der  älteren  Was- 
seranlagen. Dabei  musste  der  unterirdische  Stollen  von  jenem 
Sattel  bis  zur  Pnyx  an  der  ganzen  Südseite  der  Burg  entlang 
mit  sehr  geringem  Gefälle  gelegt  werden.  Nach  der  jetzigen 
Höhe  des  Sattels  zu  schliessen  (die  antike  Höhe  ist  nicht  ge- 
nau bekannt),  hat  die  Leitung  an  dieser  Stelle  noch  etwas 
über  dem  Terrain  gelegen  und  muss  entweder  einen  kurzen 
Aquädukt  oder  eine  Dükeranlage  enthalten  haben.  Um  beides 
ganz  zu  vermeiden,  hätte  der  neue  Stadtbrunnen  beträchtlich 
tiefer  angelegt  werden  müssen  als  der  ältere;  das  scheinen 
aber  die  Terrainverhältnisse  oder  andere  Umstände  nicht  er- 
laubt zu  haben.  Der  Ausfluss  der  Leitung  beim  grossen  Bas- 
sin am  Pnyxhügel  ist  tatsächlich  in  einer  Höhe  von  83,85  m 
über  dem  Meere  angelegt  worden.  Der  Sattel  östlich  von  der 
Akropolis  zeigt  jetzt  an  der  Kreuzung  der  Hadrianstrasse  und 
Kydathenstrasse  nach  der  Kaupertschen  Karte  die  Höhe  83,2. 
Nehmen  wir  den  antiken  Boden  hier  nur  um  2  m  tiefer  an,  so 
muss  die  Leitung  auf  diesem  Sattel  mindestens  4  m  über  dem 
antiken  Boden  gelegen  haben.   Der  ältere,  oben  beschriebene 


DIE    ENNEAKRUNOS  23 

Stollen,  der  vom  Herodestheater  bis  an  die  Pnyx  führte,  lag- 
etwa  2  m  höher  und  konnte  daher  nicht  benutzt  werden.  Da 
beide  Stollen,  damit  ihre  Brunnen  zugäno-lich  waren,  unter 
der  antiken  Strasse  liegen,  laufen  sie  meist  dicht  übereinan- 
der her  und  haben  im  Allgemeinen  dieselbe  Richtung. 

Der  grosse  Felsstollen,  den  Peisistratos  herstellen  Hess, 
ist  durch  die  Ausgrabungen  des  Deutschen  Instituts  gefunden 
und  teilweise  ausgeräumt  worden.  Er  ist  sorgfältiger  und 
regelmässiger  gebaut  als  der  ältere,  hat  aber  eine  geringere 
Höhe,  nur  1,35 — 1,50  m  im  Lichten.  Die  Abmessungen  des 
mehrere  Kilometer  langen  unterirdischen  Stollens  wurden  be- 
greiflicher Weise  auf  ein  Minimum  eingeschränkt.  Es  musste 
nur  genug  Höhe  verbanden  sein,  um  den  Stollen  anlegen  und 
die  hineingelegte  Wasserleitung  später  nachsehen  und  reini- 
gen zu  können.  Das  Höhenmaass  hat  sich  dadurch  an  eini- 
gen Stellen  vermindert,  dass  die  Tonrohrleitung  etwas  höher 
gelegt  wurde  als  die  Sohle  des  Stollens. 

Wir  beginnen  die  Beschreibung  des  Stollens  beim  Dio- 
nysostheater am  südöstlichen  Fusse  der  Akropolis  und  be- 
gleiten ihn  bis  zum  Brunnenhause  an  der  Pnyx.  Später  wer- 
den wir  den  oberen  Teil  des  Stollens  von  der  Stadt  bis  zu 
den  Quellen  besprechen. 

Innerhalb  des  Dionysos-Bezirks  scheinen  mehrere  Um- 
änderungen des  ursprünglich  wohl  in  ziemlich  gerader  Linie 
verlaufenden  Kanales  vorzuliegen,  die  vermutlich  durch  den 
Bau  der  Tempel  und  des  Theaters  veranlasst  waren,  aber 
vielleicht  auch  später  aus  unbekannten  Gründen  erfolgt  sind. 
Westlich  vom  Theater  läuft  die  Leitung  in  einem  unterirdi- 
schen Stollen  unter  einer  antiken  Strasse,  die  südlich  von  der 
Eumenes-Stoa  aufgedeckt  ist.  In  der  Nähe  des  Herodes-Thea- 
ters  konnte  der  Stollen  leider  nicht  ausgeräumt  werden,  weil 
er  ganz  zusammengestürzt  und  von  sehr  hohen  Schuttmassen 
überdeckt  ist.  Erst  westlich  von  diesem  Theater  ist  er  bis  zu 
seinem  Ende  am  Brunnenhause  ganz  ausgegraben  und  auf 
Tafel  III  im  Grundriss  und  Längenschnitt  gezeichnet.  Er  zer- 
fällt hier  in  zwei  ganz  verschiedene  Teile,  die  auch  auf  der 
Tafel  getrennt  untereinander  dargestellt  sind.  Im  ersten  Ab- 
schnitt ist  er  als  unterirdischer  Felsstollen  gebildet  und  zwar 


24 


FR.     GRABER 


reicht  dieser  bis  zum  Punkte  Z  3  (siehe  auch  auf  Tafel  I  im 
Quadrate  Cl1),  wo  das  Terrain  stark  nach  Norden  abfällt 
und  die  Leitung  deshalb  aus  dem  Felsen  heraustritt.  Von 
hier  bis  zum  Reservoir  und  Brunnenhause  reicht  der  zweite 
Abschnitt,  in  welchem  die  Leitung  aus  grossen  Porosquadern 
erbaut  und  mit  Erde  überschüttet  ist.  Vom  Punkte  Z  3  ab 
läuft  sie  zuerst  in  nördlicher  Richtung  etwa  40  m  lang  unter 
der  antiken,  zur  Akropolis  führenden  Fahrstrasse;  nim'mt 
dann,  indem  sie  die  Strasse  verlässt,  wieder  eine  mehr  west- 
liche Richtung  an  und  endigte  schliesslich  vor  dem  Felsen 
des  Pnyxhügels  in  einem  grossen  Bassin,  das  neben  dem  Brun- 
nenhause angelegt  war. 

Auf  der  Sohle  des  Stollens  lag  einst  überall  eine  runde 
Tonrohr-Leitung  von  durchschnittlich  0,20  m  lichter  Weite. 
Das  in  Abb.  7  in  Ansicht  und  Durchschnitt  abgebildete  Rohr 


Abb.   7.    Tonrohr  von  der  Wasserleitung  des   Peisistratos. 
Ansicht  nnd  Durchschnitt. 


zeigt  eine  sehr  sorgfältige  Ausführung.  Es  ist  aus  fein  ge- 
schlemmtem  rotem  Ton  gearbeitet,  innen  mit  rotem  Firnis 
überzogen  und  aussen  mit  einer  Streifenverzierung  von  dem- 
selben Firnis  ausgestattet.  Auf  eine  gute  Muffendichtung  ist 
besondere  Sorgfalt  verwendet.  Jedes  Rohr  besitzt  ferner  an 
seiner  Oberfläche  ein  eingeschnittenes  elliptisches  Loch,  dass 
mit  einem  einpassenden  Deckel  verschlossen  war,  eine  Vor- 
richtung, die  zur  Reinigung  der  Rohre  von  dem  in  grosser 


DIE    ENNEAKRUXO.S 


25 


Menge  sich  absetzenden  Kalksinter  nötif^  war.  Da  in  den 
alten  Wasserleitungen  des  Theagenes  und  Polykrates  in  Me- 
gara  und  Samos  Tonrohre  von  gleichen  Maassen,  gleicher 
Muffenbildung  und  ähnlicher  Ausstattung  gefunden  sind, 
kann  man  kein  Bedenken  tragen,  die  athenischen  Leitungs- 
rohre und  damit  auch  die  ganze  Wasserleitung  der  Zeit  des 
Peisistratos  zuzuschreiben.  Man  ist  dazu  um  so  mehr  berech- 
tigt, als  die  literarische  Überlieferung  einstimmig  Peisistratos 
und  seine  Familie  als  Erbauer  des  athenischen  Stadtbrun- 
nens, der  Enneakrunos,  nennt. 

Eben  solche  Rohre,  nur  kleineren  Maasstabes,  finden  wir 
in  einigen  Zweigleitungen  des  Hauptkanals.  Die  eine  geht 
bei  Z  6  (auf  Tafel  III  und  im  Quadrat  D  9  auf  Tafel  37  der 
Ani.  Denkmäler  II)  als  Seitenstollen  nach  Süden  zum  Ilissos- 
tale  hinab  und  ist  in  einer  Länge  von  etwa  60  m  abwärts  ver- 
folgt worden ;  sie  wird  einst  Wasser  zu  einem  dort  gelegenen 
öffentlichen  Laufbrunnen  oder  zu  einem  Heiligtume  geführt 
haben.  Die  hier  verwendeten  Tonrohre  haben  einen  Durch- 
messer von   etwa  0,13  m   und  sind  in  Abb.  8  abgebildet.  Eine 


Abb.   8.    Tonrohre  von  einer  Zweigleitung  der  Peisistratos- 
Wasserleitung.   Ansicht  und  Durchschnitt. 


andere  kleine  Tonrohrleitung  zweigt  im  Ausgrabungsgebiet 
selbst  (bei  a^  auf  Tafel  I)  an  der  letzten  Biegung  der  Peisi- 
stratos-Leitung  von  dieser  ab  und  führte  durch  die  Quadrate 
C  9  und  C  8  (Tafel  I)  zum  Amyneion,  um  dem  Tiefl^runnen 
dieses   Heilbezirkes  frisches  Wasser  zuzuführen.   Auch  diese 


26  FR.    GRÄBER 

Nebenleitungen    dürfen    der   Epoche    des    Peisistratos    zuge- 
schrieben werden. 

Eine  auffallende  Beobachtung  machen  wir  am  Schlüsse 
der  Hauptleitung,  deren  letztes  in  B  8  auf  Tafel  I  liegendes 
Stück  auf  Tafel  II  in  grösserem  Maasstabe  wiedergegeben  ist. 
Der  aus  Porosquadern  gebaute  Kanal  a^-a^,  in  welchem  die 
Tonrohrleitung  liegt,  endet  bei  a^  am  Pnyxfelsen.  Aber  schon 
1 0  m  vor  dem  Ende  biegt  bei  a  3  eine  Tonrohrleitung  seitlich' 
vom  Kanäle  ab  und  läuft  parallel  zum  Pnyxfelsen,  frei  in  der 
Erde  liegend,  in  fast  gerader  Linie  nach  a  5  zum  grossen 
Bassin,  in  das  ihr  Wasser  ausströmte.  Sie  besteht  aus  alten 
und  auch  einigen  späteren  rvmden  Tonrohren,  die  mit  Blei 
gedichtet  sind.  Erst  in  späterer  Zeit  ist,  wie  wir  noch  sehen 
werden,  die  viereckige  Tonrinne  gelegt  worden,  die  jetzt  im 
Poroskanal  bis  zu  seinem  Ende  a  4  liegt  und  dann  umbie- 
gend nach  Z  2  zum  grossen  Reservoir  führt.  Eine  ähnliche 
Erscheinung  ist  in  Samos  beobachtet  worden  (vgl.  E.  Fabri- 
cius,  Athen.  Mitteil.  1884, 163  ff.);  auch  dort  verlässt  die  Was- 
serleitung des  Polykrates  den  grossen  Felsstollen  vor  seinem 
Ende.  Ich  weiss  keinen  anderen  Zweck  für  diese  Einrichtung 
anzugeben  als  den,  welcher  für  Samos  vorgeschlagen  wird, 
nämlich  die  absichtliche  Versteckung  des  Stollenanfangs,  da- 
mit der  Stollen  selbst  von  Unbefugten  nicht  leicht  gefunden 
werden  konnte. 

Von  dem  aus  Porosquadern  hergestellten  Teile  der  Peisi- 
stratos-Leitung  zeichne  ich  in  Abbildung  9  im  Grundriss, 
Querschnitt  und  Längenschnitt  die  am. besten  erhaltene  Stelle 
bei  a  3,  wo  das  alte  runde  Rohr  den  Kanal  verlässt  und  zum 
Bassin  hinläuft.  In  der  Seitenwand  des  aus  grossen  Quadern 
erbauten  Kanals  befindet  sich  eine  viereckige  Öffnung  a,  durch 
die  das  Rohr  b  hinaustritt.  Dass  dieses  Loch  nicht  erst  nach- 
träglich hergestellt  ist,  sondern  von  Anfang  an  beabsichtigt 
war,  zeigen  die  im  Längenschnitt  angegebenen  Maasse  der 
unteren  Quadern  auf's  Deutlichste.  Keine  von  ihnen  ist  durch 
das  Loch  verkürzt  worden.  Die  ebenfalls  aus  Porös  bestehende 
Deckplatte  des  Kanals  ist  von  unten  gewölbartig  ausgerundet 
und  enthielt  gerade  über  jenem  Loch  eine  ehemalige  Öffnung  d. 
Im  Grundrisse  und  Längenschnitte  ist  anstatt  des  alten  run- 


FR.     GRÄBER 


27 


den  Tonrohrs,  welches  ursprüng-lich  dort  lag-,  eine  offene 
viereckig-e  Rinne  e  gezeichnet,  welche  jetzt  dort  liegt  und 
aus  später,  vielleicht  erst  römischer  Zeit  stammt. 

Weiter  südlich  in  den  Oadraten  B  9  und  C  1 0  sind  fast 
die  sämtlichen  Porosquadern  des  Kanales  verschwunden  und 
teilweise  durch  Tonplatten  ersetzt  worden.  Diese  Zerstörung 
des  alten  Poroskanales  kann  nur  in  byzantinischer  Zeit  erfolgt 
sein,  als  die  Leitung  zeitweise  ausser  Tätigkeit  gesetzt  war. 
Dass  zu  derselben  Zeit  wahrscheinlich  auch  die  sämtlichen 
Quadern    des    grossen    Peisistratos- Bassins    entfernt   worden 


Grundriss  Querschnitt 

Abb.  9.    Gemauerter  Kanal  der  Wasserleitung  des  Peisistratos. 


sind,  werden  wir  später  sehen.  Nur  einem  glücklichen  Zufall 
verdanken  wir  es,  dass  das  Endstück  der  Leitung  in  B  8 
der  Vernichtung  entgangen  ist.  Für  uns  ist  es  ein  unschätz- 
barer Zeuge  für  die  solide  Bauart  der  altgriechischen  Was- 
serleitung. 

Das  aufgedeckte  Stück  der  Peisistratos -Leitung  (vom 
Herodes-Theater  bis  zur  Pnyx)  hat  im  Laufe  der  vielen  Jahr- 
hunderte seines  Bestehens  mannigfache  Änderungen  erfahren, 
die  sowohl  in  Verlegungen  und  Erweiterungen  der  Leitung, 
als  auch  in  Änderungen  des  Ausbaus  bestanden.   Eine  Verle- 


28  FR.    GRÄBER 

gung-  des  Felsstollens  ist  auf  eine  Länge  von  32  m  zwischen 
den  Punkten  Z  5  und  Z  4  (Tafel  I)  vorgekommen.  Entweder 
weil  der  Fels  weich  und  brüchig  war  und  daher  einzustürzen 
drohte,  oder  weil  die  Leitung  nicht  mehr  unter  der  Ecke  des 
vermutungsweise  als  Eleusinion  bezeichneten  Bezirks,  son- 
dern unter  der  öffentlichen  Strasse  liegen  sollte,  ist  ein  neuer 
Stollen  gebaut  worden,  der  im  Bogen  von  Z  5  über  Z  1  0  und 
Z  8  nach  Z  4  läuft.  Auf  seiner  Sohle  finden  wir  statt  der  run- 
den Tonrohrleitung,  wie  sie  noch  jetzt  in  dem  alten,  ausser 
Tätigkeit  gesetzten  Teile  des  Stollens  liegt,  eine  offene  vier- 
eckige Rinne.  Da  diese  jetzt  auch  in  dem  ganzen  Schluss- 
stück der  Leitung  bis  zum  grossen  Reservoir  liegt,  dürfen 
wir  annehmen,  dass  mit  der  Verlegung  des  Stollens  zugleich 
eine  Beseitigung  der  alten  runden  Tonrohre  auf  der  ganzen 
Strecke  bis  zum  Endpunkt  der  Leitung  und  ein  Ersatz  durch 
die  jüngere  viereckige  Rinne  vorgenommen  wurde. 

Mit  derselben  Verlegung  war  wahrscheinlich  eine  weitere 
Ausdehnung  des  Kanalnetzes  nach  Westen  verbunden.  Von 
der  neugebauten  Strecke  zweigt  nämlich  bei  Z  8  ein  Stollen 
in  westlicher  Richtung  ab,  welcher  den  Sattel  zwischen  Mu- 
seion und  Pnyxhügel  in  grosser  Tiefe  durchschneidet  und  zum 
Stadtquartier  Koile  führt.  Die  Ausräumung  dieses  durch  den 
harten  Kalkfelsen  getriebenen  vind  daher  vorzüglich  erhalte- 
nen Stollens  konnte  wegen  Einspruches  des  Grundstückbe- 
sitzers nur  in  einer  Länge  von  etwa  250  m  erfolgen,  ohne 
dass  das  Ende  erreicht  war. 

Eine  zweite  Verlegung  scheint  südwestlich  vom  Herodes- 
Theater  (bei  T  auf  unserer  Tafel  III  und  auf  Tafel  37  der 
Antiken  Dcnkuiälcr  II)  erfolgt  zu  sein,  doch  haben  wir  die 
zweite  Vereinigungsstelle  der  Stollen  noch  nicht  gefunden 
und  können  daher  auch  noch  keine  bestimmte  Ansicht  über 
Art  und  Zweck  der  Verlegung  äussern. 

Nicht  zum  ursprünglichen  Kanäle  des  Peisistratos  gehö- 
ren ferner  mehrere  kurze  Stichkanäle,  die  von  der  Hauptlinie 
seitlich  abführen  und  gewöhnlich  in  einem  Brunnenschacht 
endigen.  Man  hat  es  hier  mit  Anzapfungen  der  Wasserleitung 
zu  tun,  die  in  verschiedenen  Jahrhunderten,  sei  es  mit,  sei  es 
ohne   Genehmigung    der  Stadtbehörde,    hergestellt  sind.    In 


DIE    ENNEAKRUNOS  2Q 

einigen  Grundstücken,  die  in  der  Nähe  der  Kanallinie  lagen, 
sind  nämlich  Brunnen,  die  unter  der  vSohle  der  Wasserleitung 
lagen,  durch  Stollen  mit  ihr  verbunden  worden  und  waren 
nun  stets  bis  zur  Höhe  der  Leitung  mit  Wasser  gefüllt. 

Eine  weitere  Verzweigung  oder  richtiger  Verlängerung 
des  Kanalnetzes  hat  in  römischer  Zeit  nach  Norden  über  das 
Brunnenhaus  hinaus  stattgefunden.  Am  Pnyxfelsen  ist  näm- 
lich ein  Stollen  sichtbar,  welcher  in  der  Höhenlage  der  alten 
Peisistratos- Leitung  liegt,  mit  dieser  durch  eine  viereckige 
Tonrinne  verbunden  ist  und  Wasser  in  schwachem  Gefälle 
über  die  vielen  Felskammern  hinweg  nach  Norden  leitete 
(auf  unseren  Tafeln  I  und  H  durch  eine  Strich- Punkt- Linie, 
auf  Tafel  38  der  Denkmäler  deutlicher  durch  eine  rote  und 
blaue  Linie  bezeichnet).  Da  dieser  Stollen— jetzt  als  offene  in 
in  den  Fels  gehauene  Rinne  endigend  —  nicht  dem  stark  ab- 
fallenden Terrain  folgt,  sondern  seine  Höhenlage  beizubehal- 
ten sucht,  dürfen  wir  vermuten,  dass  er  entweder  einen  hoch- 
gelegenen Stadtteil  am  Nymphenhügel  mit  Wasser  versorgen, 
oder  aber,  was  wahrscheinlicher  ist,  mittels  Aquädukts  die 
Strasse  zwischen  Pnyx  und  Areopag  überschreiten  sollte,  um 
ein  am  Areopag  oberhalb  der  Agora  gelegenes  Hochreservoir 
zu  speisen.  Diese  Verlängerung  der  alten  Leitung  fällt  in  die 
spätrömische  oder  byzantinische  Zeit,  wie  sich  aus  ihrer  Kon- 
struktion und  aus  dem  später  noch  zu  besprechenden  An- 
schluss  an  die  alte  Leitung  mit  Sicherheit  ergibt.  Sie  kann 
auch  erst  angelegt  sein,  als  der  Lauflorunnen  an  der  Pnyx,  die 
Enneakrunos,  nicht  mehr  als  Stadtbrunnen  diente. 

Bevor  wir  uns  zu  dem  Ende  der  Wasserleitung  wenden 
und  die  Reste  der  dort  befindlichen  Reservoire  und  des  Brun- 
nenhauses selbst  besprechen,  müssen  noch  die  einzelnen  Pro- 
file des  Felsstollens  mitgeteilt  und  seine  verschiedenen  Repa- 
raturen erläutert  werden. 

Die  allgemeine  Führung  des  vStollens  und  seine  Lage  im 
Verhältnis  zum  jetzigen  Terrain  sind  aus  den  Grundrissen 
und  den  Längenschnitten  auf  Tafel  IH  zu  ersehen.  Wie  das 
Profil  des  Stollens  ursprünglich  gestaltet  war,  zeigen  die  bei- 
den Abbildungen  10  und  11,  von  denen  die  eine  das  Tonrohr 
in  der  Mitte,   die  andere   an   der  Seite   des   Stollens  darstellt. 


30 


FR.    GRÄBER 


Naturgemäss  sind  die  Abmessungen  des  Felsstollens  nicht 
überall  dieselben,  halten  sich  aber  meist  innerhalb  der  in  den 
Abbildungen  angegebenen  Grenzen.  W.  Dörpfeld  vermutet, 
dass  die  vorgeschriebenen  Minimalmasse  des  Stollens  0,65  m  = 
2  altgriechische  Fuss  für  die  Breite  und  1,30  m  =  4  Fuss  für  die 


Abb.   10. 

Felsstollen  der  Enneakrunos 

mit  dem  alten  Tonrohr. 


Abb.   11. 

FeLsstollen  der  Enneakrunos  init 
dem  alten  Tonrohr  an  der  Seite. 


Höhe  gewesen  sind;  die  wirklichen  Maasse  sind  meist  etwas 
grösser.  Wo  sie  jetzt  bedeutend  grösser  sind,  lässt  sich  ein 
Abwittern  oder  Abblättern  des  Schiefers  konstatieren.  Als  die 


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Abb.  12. 
FeLsstollen  der  Enneakrunos 
mit  späterer  Tonrinne. 


Abb.  13. 
Viereckige  Tonrinne  aus  der  Leitung 
der  Enneakrunos 


runden  Tonrohre  in  römischer  Zeit  zum  Teil  durch  viereckige 
Rinnen  aus  Ton  ersetzt  wurden,  hatte  der  Durchschnitt  die 
in  Abbildung  1  2  gezeichnete  Gestalt.   Die  Abmessungen  der 


DIE    ENNEAKRÜNOS 


31 
13    zu 


einzelnen   Stücke  dieser  Tonrinne  sind  der  A1)l)il<lun 
entnehmen. 

Da  der  Fels  fast  überall  aus  leicht  verwitterndem  Ton- 
schiefer besteht,  ist  die  Decke  des  Stollens  an  einit^en  vStcllen 
schon  im  Altertum  eingestürzt.  Um  solche  Einstürze  zu  ver- 
hindern, ist  der  Stollen  im  Laufe  der  vielen  Jahrhunderte  sei- 


0,6b- 


Abb.   14.     Felsstollen   der  Enneakrunos,  mit  Tonplatten  ausgebaut. 

nes  Bestehens  auf  längere  Strecken  mit  Einbauten  versehen 
worden.  Eine  gefährliche  Stelle  dieser  Art,  welche  wahrschein- 
lich wegen  der  Brüchigkeit  des  Gesteins  schon  früh  sogar 
ganz  ausgeschaltet  und  umgangen  werden  musste,  haben  wir 


Abb.  1 5.    Felsstollen   der  Enneakrunos    mit  elliptischen  Tonrohren. 

bereits  oben  kennen  gelernt.  An  einer  anderen  Stelle,  wo 
durch  Reparaturbauten  geholfen  werden  konnte,  wurde  der 
Stollen  mit  segmentförmigen  Brunnenplatten  ausgekleidet,  so 
gleich  am  Anfange  des  Felsstollens  im  Quadrat  C  1 1  (Abb.  1 4). 
Die  viereckige   Rinne,  welche  hier  lag,  fehlt  jetzt  und  ist  da- 


32  PR.    GRÄBER 

her  in  der  Zeichnung  nur  punktiert.  Für  grössere  Strecken, 
die  auf  Tafel  III  zu  erkennen  sind,  hat  man  0,20-0,24  m  lange 
Tonplatten  von  eiförmiger  Form  genommen,  wie  sie  bei  alten 
Entwässerungskanälen  vorkommen  (Abb.  15).  Die  Platten 
scheinen  mir  aber  wegen  ihrer  Abmessungen  besonders  für 
unseren  Stollen  angefertigt  worden  zu  sein.  Am  östlichen  (lin- 
ken) Ende  des  auf  Tafel  III  gezeichneten  Teiles  der  Leitung 
ist  der  Stollen  mit  Quadern  ausgemauert,  sein  Profil  gebe  ich 
in  Abbildung  16. 


Abb.  1 6.    Felsstollen  der   Enneakrunos, 
mit   Quadern    ausgemauert 

Wie  der  Stollen  auf  diese  Weise  durch  mannigfache 
Schutzmaassregeln  in  gutem  Zustande  erhalten  worden  ist,  so 
mussten  in  gleicher  Weise  auch  seine  senkrechten  Einsteige- 
schachte durch  Sicherungen  verschiedener  Art  gegen  Ein- 
sturz geschützt  werden.  Wir  finden  Verkleidungen  dieser 
Schachte  mit  tönernen  Brunnenplatten  und  mit  Bruchstein- 
mauern. Einige,  in  harten  Kalkfelsen  eingearbeitete  zeigen 
noch  jetzt  ihre  ursprüngliche  viereckige  Form  ohne  jede  Ver- 
kleidung. Andere,  die  durch  weiches  Gestein  oder  durch  Erde 
gehen,  haben,  um  stets  besteigbar  zu  sein,  wahrscheinlich 
schon  bei  ihrer  Anlage  eine  Verkleidung  der  Wände  aus  Stein 
oder  Ton  erhalten.  Die  verschiedenen  Formen  der  Einsteig- 
schachte sieht  man  am  besten  in  dem  Längenschnitt  auf 
Tafel  III,  wo  die  Schachte  als  vertikale  Brunnen  und  die  bei- 
den Stollen  (der  des  Peisistratos  und  der  ältere)  als  horizontale 
Gänge  übereinander  erkennbar  sind.  Dass  wir  es  bei  den  man- 
nigfachen  Formen   des  Stollens   und   der    Einsteigeschachte 


DIE   ENNEAKRUNOS  33 

fast  durchweg  mit  späteren  Reparaturen  zu  tun  haben,  be- 
weist schon  die  grosse  Verschiedenheit  der  verwendeten  Mate- 
riaHen  und  der  Ausführungsarten.  Über  die  Zeiten,  in  denen 
diese  Erneuerungen  vorgenommen  wurden,  können  wir  keine 
bestimmten  Angaben  machen,  weil  die  Technik  der  Brunnen- 
schachte und  Kanal  wände  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
wenig  geändert  hat.  Von  den  verschiedenen  Ausmauerungen 
des  Stollens  scheint  uns  die  mit  Quadern  die  älteste  zu  sein, 
während  die  mit  Tonplatten  und  Tonringen  wohl  jüngerer 
Zeit   angehört. 

5.    Die  Wasserbehälter   des   Peisistratos. 

Nachdem  wir  die  Leitung  des  Peisistratos  als  Felsstollen 
und  gemauerten  Kanal  kennen  gelernt  haben,  wenden  wir 
uns  zu  dem  Endpunkt  der  Leitung,  zu  der  Stelle,  wo  das 
Brunnenhaus  gestanden  haben  muss  und  die  Wasserentnahme 
stattfand.  Die  Untersuchungen  an  dieser  Stelle  sind  dadurch 
erheblich  erschwert,  dass  die  der  Zerstörung  entgangenen 
geringen  Reste  gerade  unter  der  modernen  Fahrstrasse  liegen. 
Bei  dem  vor  etwa  40  Jahren  erfolgten  Bau  dieser  Strasse  hat 
man  Teile  des  Pnyxfelsens  abgesprengt  und  manches  Erhal- 
tene vollkommen  zerstört.  Leider  sind  damals  keine  Aufnah- 
men der  antiken  Reste  gemacht  worden.  Uns  war  es  jetzt 
nicht  erlaubt,  die  Strasse  zeitweise  zu  sperren  oder  zu  verle- 
gen, um  den  ganzen  Platz  ausgraben  und  untersuchen  zu 
können.  Wir  waren  vielmehr  darauf  beschränkt,  die  Strasse 
bald  von  der  rechten,  bald  von  der  linken  Seite  her  anzugra- 
ben  und  stückweise,  so  weit  es  anging,  zu  unterhöhlen.  Alle 
Stellen,  wo  Alleebäume  stehen,  mussten  ganz  ununtersucht 
bleiben.  Die  Erforschung  war  weiter  dadurch  erschwert,  dass 
das  Brunnenhaus  und  seine  Umgebung  durch  vielerlei  Vm- 
bauten  mehrere  vollständige  Umgestaltungen  erlitten  hat. 
Endlich  ist  im  Mittelalter  und  bis  in  die  Neuzeit  hinein  das 
Trümmerfeld  aufs  gründlichste  ausgeraubt  worden,  um  Bau- 
material für  die  Wohnhäuser  und  die  Festungsbauten  der 
Stadt  zu  gewinnen.  Wenn  man  jetzt  die  kahlen,  aller  antiken 
Bauten   beraubten   Felsen   des  Areopags  und  der  Pnyx  sieht, 

ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX.  3 


34  FR.    GRÄBER 

erscheint  es  fast  wunderbar,  dass  überhaupt  noch  so  viele 
Mauern  und  andere  antiken  Reste  zwischen  diesen  Hügeln 
erhalten   geblieben    sind. 

Obwohl  von  der  ursprünglichen  Anlage  des  Brunnen- 
hauses nur  noch  geringe  Trümmer  vorhanden  sind,  haben  die 
Ausgrabungen  doch  so  viele  Anhaltspunkte  ergeben,  dass  die 
Stelle  des  Brunnenhauses  und  der  Bassins  mit  Sicherheit  an- 
gegeben und  auch  mehrere  Einzelheiten  dieser  Anlagen  be- 
stimmt werden  können.  Die  Beobachtungen,  welche  W.  Dörp- 
feld  und  seine  Mitarbeiter  während  der  Grabungen  über  die 
Brunnenanlage  gemacht  hatten,  habe  ich  bei  meinen  Nach- 
forschungen in  allen  wesentlichen  Punkten  bestätigt  gefun- 
den ;  auch  die  Schlüsse,  die  sich  mir  aus  dem  Tatbestande  er- 
geben, weichen  nur  wenig  von  den  früheren  Mitteilungen  ab. 

Wenn  man  den  Lageplan  unserer  Tafeln  I  und  II  oder 
auch  der  Tafeln  37  und  38  der  Antiken  Denkmäler  II  betrach- 
tet, fällt  der  grosse  freie  Platz  in  die  Augen,  der  sich  vor  dem 
alten,  vorher  beschriebenen  Quellhause  der  Kallirrhoe  in  grie- 
chischer Zeit  ausdehnte.  Die  antike  Hauptstrasse  zur  Burg 
macht  hier  einen  Bogen  und  lässt  zwischen  sich  und  dem 
Pnyxf eisen  einen  Raum  von  etwa  30  m  Tiefe  und  noch  grös- 
serer Breite  frei,  auf  den  mehrere  antike  Strassen  strahlen- 
förmig- grerichtet  sind.  Hier  war  also  seit  den  ältesten  Zeiten 
ein  Centrum  des  öffentlichen  Lebens.  Erst  in  der  römischen 
Zeit,  als  das  Wasser  der  Enneakrunos  zum  Areopag  und  zum 
neuen  Markte  geleitet  war,  sind  einige  jener  Strassen  verengt 
oder  sogar  ganz  zugebaut  worden.  Auf  diesem  Platze  und  in 
seiner  Nähe  sind  ausser  kleinen  Stützmauern,  "welche  einst 
die  horizontalen  Terrassen  begrenzten,  keine  griechischen 
Gebäude  gefunden.  Römische  oder  byzantinische  Mauern,  die 
aus  alten  Bausteinen  verschiedener  Art  zusammengefügt  sind, 
nehmen  den  ganzen  Platz  ein  und  bildeten  augenscheinlich 
ein  oder  mehrere  Wohnhäuser.  Dass  in  ihnen  mehrere  Steine 
eines  alten  griechischen  Brunnenhauses  verbaut  waren,  wer- 
den wir  später  sehen.  Trotz  der  totalen  Zerstörung  des  alten 
Brunnenhauses  sind  unter  dem  Fussboden  des  späten  Wohn- 
hauses noch  einige  Reste  als  wichtige  Zeugen  der  alten  Was- 
seranlage erhalten,  nämlich  drei  grosse  unterirdische  Kanäle, 


DIE    ENNEAKRUNOS  35 

die  weg'en  ihrer  Lage  keine  Strassenkanäle  und  wegen  ilirer 
Grösse  und  Tiefe  keine  Hauskanäle  gewesen  sein  können. 
Sie  haben  auch  nicht  nur  zur  Entwässerung  des  Platzes  und 
einer  südlich  anstossenden,  etwas  höheren  Terrasse  gedient, 
denn  sie  reichen  bis  in  die  Nähe  des  Pnyxfelsens,  während  das 
Regenwasser  von  beiden  Plätzen  ohne  Stichkanäle  unmittel- 
bar nach  dem  Hauptstrassenkanal  hätte  abfliessen  können.  Ihr 
Zweck  kann  nur  darin  bestanden  haben,  den  Wasserabfluss  der 
grossen  Leitung,  der  Bassins  und  des  Laufbrunnens  aufzuneh- 
men und  in  den  Hauptkanal  der  Fahrstrasse  zu  leiten.  Der 
südliche  Kanal  (K  1  bis  K  5  auf  Tafel  I  und  H)  liegt  auf  der 
Terrasse  östlich  von  dem  alten  uns  schon  bekannten  Bassin 
r11-r12  und  sein  Anfang  reicht  ganz  nahe  an  das  Ende  der 
grossen  Wasserleitung  des  Peisistratos  bei  Z  2  und  an  das 
kleine  Bassin  r  1 6  heran.  Die  beiden  anderen  Kanäle  begin- 
nen bei  K  2  und  K  3,  also  auf  dem  grossen  Platze,  der  un- 
mittelbar vor  dem  alten  Felsbrunnen  der  Kallirrhoe  und  unter- 
halb des  grossen  Wasserbassins  liegt.  Der  eine  mündet  bei  K  4 
in  den  Strassenkanal ;  der  Lauf  und  die  Mündung  des  ande- 
ren sind  noch  nicht  bekannt.  An  jenem  Platze,  und  zwar  zwi- 
schen den  Enden  der  beiden  Kanäle,  muss  das  Brunnenhaus 
des  Peisistratos  gelegen  haben.  Dort  haben  sich  bei  r  1  7  einige 
spärliche  Mauerreste  erhalten,  die  wir  schon  oben  vernmtungs- 
weise  mit  dem  Brunnenhause  in  Verbindung  brachten.  Südlich 
davon  sind  bei  r  1 1  und  r  1 2  zwei  Ecken  des  alten,  in  den 
Felsen  gehauenen  Wasserbehälters  von  1 0  m  Länge  erhalten, 
den  wir  schon  öfters  erwähnten.  Seine  einfache  Konstruktion 
(er  ist  auf  dem  Boden  und  an  den  Wänden  nur  mit  dünnem 
Stuck  versehen)  und  seine  Höhe  (sein  Boden  liegt  nur  0,40  m 
unter  der  Wasserleitung  des  Peisistratos)  verbieten  uns,  ihn 
mit  dem  grossen  Wasserwerk  des  VL  Jahrhunderts  in  Ver- 
bindung zu  bringen.  Er  ist,  wie  wir  schon  oben  annahmen, 
das  Reservoir  der  älteren  etwas  höher  gelegenen  Leitung  ge- 
wesen, die  den  Stadtbrunnen  Kallirrhoe  vor  seiner  Umände- 
rung zur  Enneakrunos  speiste.  Wo  lag  aber  das  grosse  Reser- 
voir zu  der  Leitung  des  Peisistratos? 

Die  aufgedeckten  Ruinen  zeigen,  dass  der  ältere  Wasser- 
behälter bis  auf  einen   schmalen   Streifen   zerstört  wurde,  als 


36  FR.    GRÄBER 

Östlich  davon  ein  grösseres  und  tieferes  Bassin  entstand.  Letz- 
teres muss  das  Reservoir  für  die  Leitung  des  Peisistratos  ge- 
wesen sein.  Der  schmale  Streifen  des  älteren  Behälters  ist 
jetzt  von  der  späten  Wasserleitung  eingenommen,  durch  die 
das  Wasser  der  Enneakrunos  unter  Umgehung  des  neuen 
Bassins  in  spätrömischer  Zeit  nach  Norden  zur  Agora  geleitet 
wurde.  Ob  schon  früher  eine  ältere  Leitung  hier  gelegen  hat, 
die  etwa  Wasser  zur  alten  Kallirrhoe  im  Pnyxfelsen  leitete, 
lässt  sich  nicht  sagen ;  möglich  ist  es  jedenfalls.  Das  neue 
grosse  Bassin  ist  leider  ausserordentlich  zerstört,  seine  Ab- 
messungen und  seine  Höhenlage  sind  nur  an  den  Einarbei- 
tungen in  den  Felsen  noch  einigermassen  zu  bestimmen. 
Während  seine  westliche  Grenze  gegen  die  des  älteren  Bas- 
sins etwas  zurückgezogen  ist,  waren  die  drei  anderen  Gren- 
zen weiter  hinausgeschoben.  Die  Grundfläche  scheint  ein  Tra- 
pez von  etwa  17:13  m  mit  einem  schmalen  Vorbassin  gewe- 
sen zu  sein,  war ,  also  mindestens  doppelt  so  gross  als  das 
ältere  Reservoir. 

Lässt  uns  ein  Vergleich  mit  den  in  Meg'ara  und  Samos 
aufgefundenen  alten  Wasserbehältern  auch  in  Athen  für  die 
Enneakrunos  ein  von  Quadern  eingefasstes  Bassin  mit  einer 
von  Säulen  getragenen  Decke  erwarten,  so  werden  wir  in  die- 
ser Annahme  durch  die  Tatsache  bestärkt,  dass  der  letzte  Teil 
der  Leitung  des  Peisistratos  tatsächlich  aus  grossen  Porosqua- 
dern  besteht.  Das  gleiche  Material  (Kalkstein  vom  Peiraieus) 
dürfen  wir  daher  auch  für  die  Wände  des  grossen  Behälters 
voraussetzen.  Leider  scheint  aber  auch  nicht  eine  einzige  Qua- 
der davon  erhalten  zu  sein.  Mit  Bestimmtheit  hierüber  zu 
sprechen,  ist  freilich  nicht  möglich,  weil  eine  gründliche  Unter- 
suchung des  Bodens  leider  durch  die  moderne,  mit  Bäumen 
bepflanzte  Fahrstrasse  verhindert  wird.  Dass  die  Wände  des 
Bassins  aber  einst  aus  Quadern  bestanden  haben,  wird  durch 
den  Zustand  der  Felswände  bestätigt.  Sie  zeigen  keinerlei 
Reste  eines  ehemaligen  Stucküberzuges  und  können  auch 
keine  Verkleidung  aus  Ziegeln  oder  Gusswerk,  wie  sie  in 
römischer  Zeit  für  Bassins  üblich  war,  gehabt  haben,  weil  sich 
wenigstens  kleine  Reste  davon  erhalten  haben  müssten.  Das 
Verschwinden  der  gut  benutzbaren  Porosquadern  ist  dagegen 


DIE     ENNEAKRUNOS 


37 


wohl  verständlich.  Wenn  schon  der  aus  Ouadern  erbaute  Teil 
der  Peisistratos-Leitung,  obwohl  er  mehrere  Meter  tief  unter 
dem  Boden  lag,  in  byzantinischer  Zeit  auf  eine  grosse  »Strecke 
hin  seiner  Steine  beraubt  worden  ist,  wie  viel  weniger  konnte 


Abb.  1  7.    Mündung  der   Enneakriinos-Leitung.   Griindriss. 

da  die  stets  sichtbare  Quaderverkleidung  des  grossen  Reser- 
voirs den  nach  Baumaterial  suchenden  Byzantinern  entge- 
hen? Die  Sohle  des  grossen  Bassins  zeigt  jetzt  die  Höhen- 
zahl 82,10  m  und  wird  einst,  als  der  Fussbodenbelag  noch  vor- 
handen war,   etwa  0,20  m  höher  gewesen   sein,  lag  also  um 


38  FR.    GRÄBER 

etwa  1,50  m  tiefer  als  die  Sohle  des  älteren  Wasserbehälters. 
Das  stimmt  vorzüglich  zu  der  uns  schon  bekannten  Tatsache, 
dass  auch  die  ganze  Leitung  des  Peisistratos  um  dieses  Maass 
tiefer  angelegt  ist  als  der  ältere  Felsstollen.  Die  Höhenmaasse 
der  beiden  Leitungen  mögen  als  besonders  wichtige  Zahlen 
hier  zum  Vergleich  nochmals  zusammengestellt  werden :  Die 
Sohle  des  älteren  Bassins  lag  83,47  m  über  dem  Meere,  sein 
Zufluss  etwas  über  85  m ;  die  entsprechenden  Zahlen  des  grös- 
seren peisistratischen  Bassins  sind  82,30  m  für  den  jetzt  feh- 
lenden Fussboden  und  83,85  m  für  die  alte  Einmündung  der 
Wasserleitung. 

Diejenigen   Seiten   des  Peisistratos-Bassins,  welche  ihren 
ehemaligen  Zustand  trotz  des  Fehlens  der  Quaderverkleidung 


8A  50 


82  10 


Abb.  18.    Mündung  der  Enneakrunos- Leitung.   Durchschnitt. 

noch  einigermaassen  an  den  Felseinschnitten  erkennen  lassen, 
nämlich  die  westliche  und  südliche,  sind  in  den  Abbildungen 
17-19  dargestellt.  Der  Grundriss  (Abb.  1 7)  zeigt  die  ganze 
Südseite  des  Hauptbassins  und  das  nach  einer  Einarbeitung 
im  Felsen  ergänzte  Vorbassin,  ferner  die  Mündung  der  Ennea- 
krunos-Leitung  in  älterer  und  jüngerer  Zeit  (L  1  und  L  2) 
und  endlich  eine  Ecke  des  älteren  vorpeisistratischen  Bassins 
(r  1  2).  Während  das  letztere  durch  eine  starke  Linie  hervor- 
gehoben ist,  sind  die  ergänzten  Mauern  der  Enneakrunos- 
Bassins  durch  Kreuzschraffur  kenntlich  gemacht.  Gezeichnet 
sind  ferner  die  späteren  Wasserleitungen,  welche  nach  der 
Zerstörung  des  griechischen  Brunnenhauses  das  Wasser  zur 
Agora  '  und  an  einige  andere  Stellen   geleitet  haben  (L  4  -  7) 


DIE   RNNKAKRUN08 


39 


und  das  späte,  noch  jetzt  erhaltene  Bassin  r  16.  Die  Höhenlaj^e 
der  verschiedenen  Leitungen  im  Verhältnis  zu  dem  Haupt- 
bassin der  Enneakrunos  wird  am  besten  verständlich  durch 
den  Durchschnitt  (Abb.  1 8),  der  nach  der  gebrochenen  Linie 
A-B-C-D  des  Grundrisses  gelegt  ist.  Hier  sehen  wir  links  die 
beiden  Enden  der  Hauptleitung,  von  denen  die  ältere  (L  I) 
einst  in  das  grosse  Vorbassin  mündete,  während  die  jüngere 
(L  2)  noch  jetzt  ihre  Mündung  bei  dem  kleineren  römischen 
Vorbassin  hat.  Als  beide  Vorbassins  zerstört  vmd  mit  Schutt 
gefüllt  waren,  sind  die  jüngeren,  höher  liegenden  Leitungen 
angelegt  worden.  Aus  dieser  späten  Zeit  stammen  auch  die 
aus  unregelmässigen  Steinen  errichteten  Mauern,  welche  im 


S1  ülz  mauer 
des  Wegeb  iup  Pnyx 

,.,,^,.,„.,,^,,  vjri.^^v."'  Alfss   Bassin 


Estrich 


Bassin    des 
Peisistratos. 


Abb.  19.    Querschnitt   durch   die   westUche   Begrenzung 
des   Bassins   der  Enneakrunos. 


Grundriss  und  Durchschnitt  gezeichnet  sind.  Der  Bauzeit  des 
grossen  Bassins  gehört  dagegen  der  wichtige,  tiefliegende 
Felskanal  W  an,  der  namentlich  im  Durchschnitt  gut  zu  er- 
kennen ist:  er  bildet  die  Fortsetzung  des  grossen  Abfluss- 
kanals K  1 ,  den  wir  noch  näher  kennen  lernen  werden. 

Zur  Veranschaulichung  der  gegenseitigen  Lage  des  Haupt- 
bassins und  des  älteren  vorpeisistratischen  Bassins  dient  der 
Durchschnitt  (Abb.  19),  der  in  der  Linie  E-F  des  Grundrisses 
gezeichnet  ist.  Links  oben  sieht  man  die  Stützmauer  des  anti- 
ken Fussweges  zur  Pnyx,  daneben  den  Rest  des  älteren  in 
den  Felsen  eingeschnittenen  Bassins,  wiederum  kenntlich  an 
der  starken  schwarzen  Linie,  die  den  Stucküberzug  auf  dem 


40  FR.    GRÄBER 

Boden  und  an  der  seitlichen  Bergwand  andeuten  soll.  Über 
dem  Estrich  liegt  die  spätrömische,  zur  Agora  führende  Was- 
serleitung L  7,  eine  viereckige  Tonrinne,  die  durch  elliptische 
Tonplatten  überdeckt  und  seitlich  durch  eine  Mauer  gestützt 
wird.  Endlich  ist  rechts  die  grosse,  aus  dem  Felsen  heraus- 
gearbeitete Vertiefung  für  den  Hauptbehälter  der  Enneakru- 
nos  zu  sehen ;  das  fehlende  Quaderwerk  seiner  Wände  und 
der  Fussbodenbelag  sind  auch  hier  in  Kreuzschraffur  ergänzt. 
Dass  diese  Ergänzung  im  Einzelnen  nicht  ganz  gesichert  ist, 
sondern  nur  auf  Einarbeitungen  im  Felsen  beruht,  mag  hier 
zur  Vermeidung  von  Missverständnissen  nochmals  ausdrück- 
lich hervorgehoben  werden. 

Ein  kleines  Bassin,  das  w^ahrscheinlich  aus  der  Zeit  des 
Peisistratos  stammt,  wurde  schon  während  der  Ausgrabung 
als  Wasserbehälter  erkannt.  Es  liegt  auf  der  höheren  Terrasse 
in  den  Quadraten  B  8  und  C  8  und  ist  mit  r  1 5  oder  auch  V 
bezeichnet.  Bei  der  Ausgrabung  war  der  Behälter  an  den  Ein- 
arbeitungen des  Felsens  und  an  feinem  Sande,  der  den  Boden 
bedeckte,  gut  zu  erkennen,  und  seine  Maasse  konnten  auf  rund 
10  m  für  die  Länge  und  1,50  m  für  die  Breite  festgestellt  wer- 
den. Jetzt  ist  der  weiche  Fels  sehr  verwittert  und  die  Grund- 
rissform kaum  noch  zu  erkennen.  Zu  diesem  Bassin,  das  seiner 
Höhenlage  nach  nicht  zu  einem  Laufbrunnen  passt,  rechnet 
W.  Dörpfeld  den  Stein  eines  alten  Schöpfbrunnens,  den  wir 
weiter  unten  besprechen  werden.  Solche  Schöpfbehälter  haben 
sich  in  Megara  und  Pergamon  an  den  alten  Brunnenhäusern 
gefunden  und  müssen  auch  in  Athen  vorausgesetzt  werden. 
Während  das  überschüssige  Wasser  des  grossen  Bassins  in 
den  Laufbrunnen  durch  Löwenköpfe  und  andere  Ausgüsse 
ablief,  musste  es  in  den  Schöpfbrunnen  aus  dem  Bassin  selbst 
oder  aus  einem  Nebenhälter  geschöpft  werden. 

Im  Gegensatze  zu  den  sehr  zerstörten  altgriechischen 
Wasserbehältern  ist  ein  kleines,  aus  spätrömischer  oder  by- 
zantinischer Zeit  stammendes  Bassin,  das  schon  mehrmals 
erwähnt  wurde,  noch  sehr  gut  erhalten.  Es  liegt  zwischen 
den  beiden  soeben  beschriebenen  alten  Behältern  und  ist  auf 
Tafel  I  und  in  Abb.  1  7  mit  r  1  6  bezeichnet.  Seine  aus  alten 
Bausteinen  errichteten  Mauern   sind  mit  Putz  überzogen  und 


DIE    ENNEAKRUNOS 


41 


stehen  noch  bis  1,25  ni  H()he  ül)cr  dctn  Fussboden  aufrecht. 
Gespeist  wurde  es  durch  ein  viereckin^es  Tonrohr  a-b,  das 
mit  der  Hauptleitun«^  in  Verbindun«;  stand.  An  zwei  seiner 
Seiten  sind  bei  c  und  d  noch  Abflussröhren  aus  Blei  vorhan- 
den. Seine  Sohle  lieg-t  83,08  m  über  dem  Meere.  Als  es  ge- 
baut wurde,  waren  die  griechischen  Wasserbehälter  gewiss 
schon  ausser  Tätigkeit  und  das  Brunnenhaus  des  Peisistratos 
schon  zerstört. 

Da  das  Wasser  aus  der  Peisistrato.s-Leitung  zu  allen  Zei- 
ten in  der  Höhe  von  83,80  -  83,90  m  ausfloss,  kennen  wir  den 
maximalen  Wasserstand  in  allen  Bassins.  In  dem  grossen 
Behälter  betrug  er  etwa  1,55  m,  in  den  Schöpfbassins  0,90  m 
und  in  dem  späten  kleinen  Behälter  0,80  m.  Falls  die  Löwen- 


Abb.  20. 
Durchschnitt. 


Abb.  21. 
Grundriss. 


Abflusskanal    des   Enneakrunos- Bassins. 


köpfe  des  Laufbrunnens,  wie  es  wahrscheinlich  ist,  etwas  tie- 
fer angebracht  waren  als  die  Mündung  der  Leitung,  so  ver- 
mindert sich  der  wirkliche  Wasserstand  in  allen  alten  Bassins 
um  das  entsprechende  Maass.  In  dem  ergänzten  Durchschnitt 
auf  Tafel  III  unten  rechts  ist  dies  Maass  von  Dörpfeld  zu 
0,30  m  und  demnach  der  Wasserstand  des  Hauptbehälters  zu 
etwa  1,25  m  angenommen  worden. 

Die  Entwässerungs-Leitung  für  alle  Bassins  bildete  der 
oben  erwähnte  tief  liegende  Kanal  K  1-K  5,  der  aus  Tonstük- 
ken  von  eiförmigem  Profil  zusammengesetzt  ist.  In  den  Abbil- 
dungen 20  und  21  habe  ich  ihn  im  Durchschnitt  und  Grund- 
riss gezeichnet.  Aus  dem  Grundriss  (Abb.  21)  ist  zu  ersehen, 
dass  die  einzelnen  Stücke,  weil  sie  am  einen  Ende  um  0,10  m 


42 


FR.    GRABER 


breiter  sind  als  am  anderen,  in  einander  gesteckt  werden  soll- 
ten. Bei  einer  Wasserleitung  würde  das  auch  wohl  geschehen 
sein.  Hier,  wo  es  sich  nur  um  einen  Abflusskanal  handelt,  der 
nicht  sehr  dicht  zu  sein  brauchte,  sind  die  Stücke  mit  den 
schmalen  und  breiten  Enden  an  einander  gestossen.  Vom 
Hauptkanal  der  Strasse  (bei  K  5  auf  Tafel  I  und  H)  läuft  un- 
ser Kanal  in  einem  Bogen  an  dem  länglichen  Schöpfbassin 
r  1 5  vorbei  und  war  früher  nur  bis  K  1  neben  dem  kleinen 
späten  Bassin  bekannt.  Ich  habe  ihn  unter  dem  letzteren  Bas- 
sin und  noch  weiter  neben  dem  Hauptbassin  bis  an  den  Pnyx- 
felsen  verfolgt.  Als  eiförmiger  Kanal  ist  er  nur  bis  zum  spä- 
ten Bassin  r  1  6  erhalten.  Als  dies  gebaut  w^urde,  setzte  man 
den  Kanal  bei  K  1  mit  einem  grossen  Dachziegel  zu.  Die  in 
Abbildung  1 7  angedeutete  Fortsetzung  besteht,  wie  Abbil- 
dung 22  im  Durchschnitt  zeigt,   aus  einer  viereckigen  Ton- 


i^if;;^.-^-., 


Abb.  22. 

Späterer    Abflusskanal 

des  Enneakrunos-Bassins. 


--•0,19—*- 

Abb.    23. 
Viereckige  Tonrinne  des  Abfluss- 
kanals. 


rinne,  die  mit  einigen  Backsteinen  erhöht  und  dann  mit  run- 
den Tonplatten  überdeckt  ist.  Die  Abmessungen  der  Rinnen- 
stücke sind  aus  Abb.  23  zu  entnehmen.  Noch  weiter  westlich 
läuft  die  Rinne  in  einem  Felsstollen  W,  dessen  Profil  aus 
Abbildung  1  8  zu  ersehen  ist.  Der  Endpunkt  des  Stollens  hat 
die  Höhenzahl  81,50  m.  Da  das  grosse  Bassin  eine  Sohlen- 
höhe von  82,30  m  hat,  konnte  es  offenbar  durch  unseren  Ent- 
wässerungs-Kanal ganz  entleert  werden.  Getrennt  war  das 
Bassin  vom  Stollen  durch  eine  dünne  noch  erhaltene  Felswand 
von  nur  0,30  m  Dicke  und  die  jetzt  fehlende  Quaderwand. 

Wo  und  wie  fand  die  Einmündung  des  Leitungswassers 
in  das  Bassin  statt  ?  Das  alte  peisistratische  Tonrohr,  das  den 
Poroskanal   der   Hauptleitung  bei   a  3    (s.  Tafel  H)   verlässt. 


DIE    ENNEAKRUNOS  43 

läuft  jetzt  noch  bis  a  5  (LI  in  Abb.  1  7)  in  die  Nähe  des  spä- 
ten Bassins  r  1 6.  Dort  ist  es  durch  eine  sich  an  das  Bassin 
anschliessende  späte  Mauer  zerstört,  reichte  aber  ehemals  g-e- 
wiss  bis  an  das  Vorbassin  I,  zu  dessen  Speisung  es  bestimmt 
war.  Von  der  Einmündung  selbst  ist  leider  nichts  mehr  erhal- 
ten. Nachdem  sich  das  Wasser  in  den  Bassins  gesammelt  und 
abgeklärt  hatte,  gelangte  es,  ohne  dass  wir  bestimmen  können 
wie,  zu  dem  Laufbrunnen,  der  eigentlichen  Enncakrunos.  Ob 
auch  der  alte,  neben  dem  neuen  Brunnenhause  erhalten  geblie- 
bene Felsbrunnen  der  Kallirrhoe  schon  damals  frisches  Wasser 
aus  dem  Bassin  oder  der  Leitung  erhielt,  oder  ob  dies  erst  spä- 
ter geschah,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Das  jetzige  Zuleitungs- 
rohr  der  Felskammer  Y  stammt  sicher  erst  aus  römischer  Zeit. 

Das  ursprüngliche  Ende  des  alten  Tonrohres  der  Peisi- 
stratos-Leitung  ist  zwar  vernichtet,  dafür  ist  aber  eine  etwas 
jüngere  Mündung  erhalten  geblieben,  die  wahrscheinlich  aus 
römischer  Zeit  stammt.  Aus  uns  nicht  bekannten  Gründen 
wurde  das  alte  runde  Tonrohr  ausser  Tätigkeit  gesetzt,  und 
dafür,  wie  ich  schon  oben  darlegte,  eine  viereckige  Tonrinne 
gelegt,  die  den  grossen  Poroskanal  nicht  mehr  bei  a  3  verliess, 
sondern  in  ihm  bis  zu  seinem  Ende  bei  a  4  weiterlief.  Diese 
noch  unverletzt  erhaltene  Rinne  biegt  bei  a  4  nach  Norden 
um  und  endete  einst  bei  Z  2  (vgl.  Abb.  1 7).  Die  noch  vor- 
handene weitere  Fortsetzung,  die  eine  scharfe  Biegung  nach 
Westen  macht,  um  das  grosse  Bassin  zu  umgehen,  und  die 
dann  in  mehreren  kleinen  Windungen  nach  Norden  läuft, 
stammt  erst  aus  spätrömischer  Zeit,  denn  sie  kann  erst  her- 
gestellt sein,  als  die  Enneakrunos  nicht  mehr  bestand  und  als 
selbst  das  römische  Vorbassin  schon  zugeschüttet  war. 

Vorher  hatte  die  Wasserleitung  bei  Z  2  ihr  Ende  erreicht. 
Dort  ist  auch  der  Rest  eines  aus  Ziegeln  gemauerten,  also 
römischen  Einfallschachtes  oder  kleinen  Vorbassins  erhalten, 
in  welches  das  Wasser  der  Leitung  einfloss.  In  Abbildung  24 
ist  diese  auf  den  Tafeln  I  und  II  gezeichnete  wichtige  Stelle 
in  grösserem  Maasstabe  im  Grundriss  dargestellt.  AB  ist  die 
viereckige  Tonrinne,  das  Ende  der  grossen  Enneakrunos-Lei- 
tung,  C  das  kleine  aus  Ziegeln  erbaute  Vorbassin ;  bei  B 
wurde  später  die  viereckige  Rinne  DE  angefügt   und  zu  die- 


44 


FR.    GRABER 


seni  Zwecke  das  kleine  Bassin  mit  Erde  gefüllt  und  ausser 
Tätigkeit  gesetzt.  Das  Ende  der  Rinne  AB  wurde  zugleich 
bei  B  durch  Mörtel  etwas  eingeengt,  damit  ein  Teil  des  Was- 
sers durch  die  schmale  Rinne  FG  zu  dem  Bassin  r  1  6  abflies- 
sen  konnte.  Die  schlechte  und  unsolide  Ausführung  der  ver- 
änderten Anlage  stellt  ihre  sehr  späte  Entstehung  ausser 
Zweifel.  Aber  auch  das  kleine,  aus  Ziegeln  erbaute  Vorbassin 
C  kann  wegen  seines  Materials  nicht  zur  griechischen  Brun- 
nenanlage, sondern  frühestens  zu  einem  römischen  Umbau 
gehören;  vielleicht  ist  es  erst  angelegt,  als  das  grosse  griechi- 
sche Bassin  mit  seinem  Vorbassin  schon  zerstört  war.  Hierfür 
spricht  auch  der  Umstand,  dass  50  cm  tiefer  als  die  Sohle  des 
kleinen  Bassins  eine  zu  diesem  gehörige  Tonrinne  (L  5  in  den 


Abb.  24.    Die  Mündung  der  Enneakrunos-Leitung. 

Figuren  1  7  und  1 8)  in  nördlicher  Richtung  quer  durch  den 
Platz  des  grossen  Bassins  hinlief,  die  offenbar  erst  nach  dem 
Fortfall  des  ganzen  Bassins  angelegt  werden  konnte.  Der  ur- 
sprüngliche Zustand  an  der  Mündung  der  Wasserleitung  in 
das  grosse  Bassin   ist  leider  nicht  mehr  zu  ermitteln. 

6.  Das  Brunnenhaus  der  Enneakrunos. 


Während  die  obere  Terrasse  mit  dem  Schöpfbassin  r  1 5 
in  griechischer  Zeit  eine  Höhe  von  fast  83  m  über  dem  Meere 


DIE    ENNEAKRÜNOS  45 

hatte,  lag  die  untere  Terrasse,  welche  den  grossen  Platz  vor 
der  alten  Kallirrhoe  bildete,  nur  etwa  80-81  m  üljer  dem 
Meere.  Zwischen  beiden  bestand  also  ein  Höhenunterschied 
von  2-3  m,  der  zwar  dem  vorhandenen  Gefälle  des  Terrains 
entsprach,  aber  erst  künstlich  durch  Anlage  horizontaler  Ter- 
rassen kenntlich  gemacht  war.  Schmale  Zwischenbauten  oder 
Stützmauern  haben  den  Übergang  von  der  höheren  zur  nie- 
deren Terrasse  gebildet. 

Für  die  Anlage  eines  Brunnenhauses,  in  dem  das  Wasser 
aus  hochgelegenen  Mündungen  ausströmen  sollte,  war  ein 
solcher  Höhenunterschied  notwendig.  Das  in  einer  Höhe  von 
etwa  83,80  m  aus  der  Leitung  fliessende  Wasser  fiel,  wie  wir 
sahen,  in  ein  grosses  Bassin  mit  der  Sohle  82,30  m.  Sollte  es 
von  hier  in  ein  Brunnenhaus  gelangen  und  aus  hohen  Was- 
serspeiern ausfliessen,  so  musste  der  Platz  dieses  Brunnens 
mindestens  2  m  tiefer  liegen  als  der  Wasserstand  des  Bassins. 
Dass  die  Höhe  des  grossen  Platzes,  auf  den  die  Hauptstrasse 
und  mehrere  Nebenstrassen  radial  hinliefen,  und  über  dem 
am  Pnyxfelsen  der  Eingang  zur  alten  Felskammer  der  Kal- 
lirrhoe lag,  gerade  dieser  Bedingung  entspricht,  ist  eine  gute 
Bestätigung  für  die  Richtigkeit  der  Theorie  Dörpfelds,  dass 
im  Hintergrunde  dieses  Platzes  dicht  an  dem  Felsen  der  Pnyx 
und  neben  dem  grossen  Reservoir  das  Brunnenhaus  des  Pei- 
sistratos  gelegen  hat. 

Auf  dem  Platze,  der  eine  Strassenfront  von  40  m  und 
eine  Tiefe  bis  zum  Pnyxfelsen  von  etwa  30  m  hatte,  haben 
sich  die  Reste  von  Bauwerken  zweier  verschiedenen  Perioden 
gefunden,  die  auf  dem  Plane  38  der  Antiken  Denkmäler  H 
durch  rote  Farbe  für  die  jüngeren  und  durch  schwarze  Schraf- 
fur  für  die  älteren  Mauern  kenntlich  gemacht  sind.  Auf  unse- 
rer Tafel  I  sind  beide  Mauerarten,  um  sie  von  dem  dunkel  an- 
gelegten griechischen  Mauerwerk  zu  unterscheiden,  weiss  ge- 
blieben. Der  jüngere  Bau,  zu  dem  ein  peristyler  Säulenhof 
mit  vier  Säulen  auf  jeder  Seite  gehört,  kann  erst  aus  spät- 
römischer oder  byzantinischer  Zeit  stammen,  weil  seine  Säu- 
lenbasen, soweit  sie  erhalten  sind,  von  ganz  verschiedenen 
antiken  Bauwerken  genommen  und  hier  zum  zweiten  Male 
verwendet  sind.   Auch  die  Wände  der  um  den  Hof  angeord- 


46  FR.    GRÄBER 

neten  Zimmer  zeigen  eine  sehr  schlechte  Bauart.  Der  andere 
Bau,  zu  dem  in  erster  Linie  ein  grosser,  aus  Marmorsplittern 
hergestellter  Fussboden  gehört,  ist  zwar  sicher  älter,  weil  der 
Estrich  unter  dem  Stylobat  des  Hofes  hindurchgeht,  kann 
aber  kaum  vorrömisch  sein,  denn  jene  Estrichart  ist  in  Athen 
bisher  nur  für  römische  Bauten  gesichert.  Eine  Zeit  lang  hat 
W.  Dörpfeld  die  Vorderwand  des  zweiten  Baues  für  altgrie- 
chisch gehalten,  weil  an  der  Strassenmauer  ein  Eckstein  ver- 
baut ist,  der  eine  griechische  Hypotheken-Inschrift  trägt  {oqoc. 
OLxiai;  KEKQa\iEvy]c,  8Jti  Xvoei  X[X]  "Aqiöto8i]|.io)  'A(pi8va[io)],  vgl. 
Ziebarth,  Sitzu7igsber.  der  Berl.  Akad.  1897  S.  667).  Allein  er 
hat  später  selbst  gesehen,  dass  der  Stein  dort  nicht  an  seiner 
ursprünglichen  Stelle  stehen  kann.  Das  Haus  des  Aristodemos 
muss  irgendwo  anders  gestanden  haben,  aber  seine  Steine  wa- 
ren abgebrochen  und  hier  zum  zweiten  Male  verwendet  wor- 
den. Die  Inschrift  und  die  Form  der  Steine  dürfen  daher  nicht 
zur  Datierung  jenes  Baues  benutzt  werden.  In  der  vorrömi- 
schen Zeit  hat  also,  soweit  wir  wissen,  kein  anderes  Bauwerk 
auf  dem  grossen  Platze  gestanden  als  das  Brunnenhaus  selbst. 
Dazu  passt  auch  der  Umstand,  dass  1 3  zum  Teil  sehr  alte 
Tiefbrunnen  dicht  nebeneinander  auf  dem  Platze  gefunden 
sind.  Und  gewiss  liegen  noch  weitere  Brunnen  unter  dem 
späteren  Estrich  versteckt.  Wo  aber  so  viele  Brunnen  liegen, 
kann  natürlich  kein  Wohnhaus  gestanden  haben,  sondern 
muss  sich  ein  Wasserplatz  ausgedehnt  haben,  der  von  der 
Strasse  bis  zu  dem  am  Pnyxfelsen  anzusetzenden  Brunnen- 
hause des  Peisistratos  reichte. 

Um  die  Lage  des  Brunnenhauses  genauer  zu  bestim- 
men, dienen  uns  in  erster  Linie  zwei  grosse  Entwässerungs- 
kanäle, die  wir  schon  kurz  besprachen  und  wegen  ihrer  Ab- 
messungen und  ihrer  tiefen  Lage  mit  Bestimmtheit  zur  alten 
Brunnenanlage  rechnen  durften.  Der  eine  Kanal  beginnt  in 
der  Hauptstrasse  bei  K  4  (Tafel  I  und  II),  läuft  eine  kurze 
Strecke  nach  Süden  neben  dem  Strassenkanal  her,  wendet 
sich  dann  nach  Westen  zum  Brunnenplatz  und  endet  jetzt  bei 
K  2.  Die  zunächst  auffallende  Führung  (man  wundert  sich 
darüber,  dass  der  Kanal  nicht  von  K  2  in  gerader  Linie  nach 
Osten  zum   Hauptkanal  der  Strasse  geführt  ist)   erklärt  sich 


DIE    ENNEAKRUNOS 


47 


aus  den  Höhenverhältnissen.  Der  Stichkanal  la<^  tiefer  als  der 
Hauptkanal  und  musste  daher  neben  diesem,  aber  mit  gerin- 
gerem Gefälle  bis  zu  dem  Punkte  geleitet  werden,  wo  er 
dieselbe  Tiefe  wie  der  Hauptkanal  erreicht  hatte.  Das  Was- 
ser des  Hauptkanals  wäre  sonst  in  den  Stichkanal  geflos.sen, 
während  natürlich  das  Umgekehrte  stattfinden  sollte.  Inner- 
halb der  Strasse  zeigt  unser  Kanal  westlich  vom  Amyneion 
ein  eiförmiges  Profil  von  der  Grösse  des  gewöhnlichen  Stras- 
senkanales  (vgl.  Abb.  25);  wo  er  nach  Westen  umliegt,  geht 
er  in  einen  unregelmässigen  Felskanal  über,  der  an  einer 
Stelle  einen  aus  rohen  Bruchsteinen  erbauten  runden  Einstei- 
geschacht  enthält.  Bis  K  2  läuft  er  zwar  auch  noch  durch  den 
Fels,  ist  aber  mit  aufrecht  gestellten  Platten  eines  Tonringes, 


Abb.  25.  Abb.  2b. 

Abzugskanal    des   Brunnenhauses   nach    Osten. 


wie  sie  bei  Tonbrunnen  verwendet  wurden,  ausgekleidet  (s. 
Abb.  26).  Weiter  nach  Westen  folgt  ein  in  den  Fels  eingear- 
beiteter und  mit  kleinen  Steinen  ausgemauerter  Behälter  von 
6,50  m  Länge  und  2,50  m  Breite,  der  vermutlich  zur  Ablage- 
rung der  Sinkstoffe  gedient  hat  (ABC  in  Abbildung  27).  Jen- 
seits dieser  Grube  ist  die  untere  Hälfte  des  Kanals  als  eine 
in  den  Felsen  eingearbeitete  Rinne  bei  F  noch  vorhanden. 
Seine  Felswandungen  sind  hier  ganz  schwarz  und  mürbe  von 
dem  Durchfluss  des  verbrauchten,  vielfach  schmutzigen  Was- 
sers. Kanal  und  Grube  wurden  in  späterer  Zeit  durch  das 
Mauerwerk  KLMO  unterbrochen,  das  aus  verschiedenen  Stei- 
nen (zum  Teil  alten  Steinrinnen)  zusammengesetzt  ist  und 
erst  aus  spätrömischer  oder  gar  byzantinischer  Zeit  stammen 
kann.  Es  hängt  aber  noch  mit  den  Wasseranlagen  zusannnen, 


48 


FR.    GRÄBER 


weil  es  bei  N  ein  kleines,  aus  Tonringen  bestehendes  Becken 
enthält,  von  dessen  Fussboden  eine  viereckige  Rinne  abgeht. 
Die  grosse  Grube  ABC  wurde  durch  diesen  Einbau  zerstört 
und  der  dadurch  unterbrochene  Kanal  FD  im  Bogen  um  KO 
herumgeführt.  In  diesem,  sicher  aus  jüngerer  Zeit  stammen- 
den Stücke  besteht  der  Kanal  aus  einer  viereckigen  Tonrinne 


FUNDAMENT 


DES 
BRUNN  ENMAUSES 


tTE 


eiTu"- 


Abb.  27.    Entwässerung  des  Brunnenhauses   zum  Strassenkanal. 


von  0,10  m   Breite,  die  teils  mit  Ziegelplatten,  teils  mit  dach- 
förmigen Deckziegeln  eines  Hauses  überdeckt  ist  (Abb.  28). 

Von  dem  zweiten  alten  Entwässerungskanal  ist  nur  der 
Anfang  bekannt.  Es  ist  der  bei  K  3  im  Quadrate  B  6  auf  Ta- 
fel I  und  II  beginnende,  sehr  tief  liegende  Felskanal,  der  in 
nördlicher  Richtung  am  Pnyxhügel  entlang  läuft.  An  seinem 
Anfang  hat  er  die  Höhe  78,32  m,  liegt  also  noch  um  mehr 
als  1  m   tiefer   als   der  erste  Kanal.   Die  untere   Hälfte  seines 


DIE    ENNEAKRUNOS 


49 


eiförmigen  Profils  (vgl.  Abb.  29)  besteht  aus  dem  Felsen  selbst, 
während  die  obere  Hälfte  aus  runden  Tonplatten  und  zum 
Teil  auch  aus  dem  Felsen  gebildet  ist.  Leider  konnte  die  Fort- 
setzung dieses  Kanals  noch  Norden  nicht  aufgedeckt  werden, 
weil  er  tief  unter  der  heutigen  Fahrstrasse  verläuft.  Wir  dür- 
fen aber  annehmen,  dass  er  nach  Aufnahme  einiger  Zweig- 
kanäle weiter  nördlich  in  der  Gegend  des  Dionysion  in  den 
Hauptkanal  der  Fahrstrasse  mündete. 

Diese  beiden  grossen  Entwässervmg.s-Kanäle  sind  für  uns 
von  besonderer  Wichtigkeit,  weil  wir  zwischen  ihren  End- 
punkten das  alte  Brunnenhaus  annehmen  dürfen.  Alle  über 
der  Erde  befindlichen  Teile  dieses   Brunnenhauses   sind   bei 


Abb.  28.  Abb.  29. 

Abzugskanäle  des  Brunnenhauses. 

Errichtung  des  spätrömischen  oder  byzantinischen  Wohnhau- 
ses, dessen  Reste  noch  jetzt  den  alten  Brunnenplatz  einneh- 
men, völlig  zerstört  worden.  Nur  die  unter  dem  Boden  liegen- 
den Abflusskanäle  sind  der  Vernichtung  entgangen  und  lie- 
fern uns  jetzt  sehr  willkommene  Fixpunkte  für  die  Bestim- 
mung der  Lage  des  Brunnenhauses.  Da  das  Wasser  in  dem 
letzteren  dauernd  aus  neun  Mündungen  floss,  musste  es  für 
die  Zeit,  wo  es  nicht  in  Krügen  aufgefangen  wurde,  unterir- 
disch abgeführt  werden,  zu  welchem  Zweck  ein  oder  mehrere 
tiefe  Abzugskanäle  nicht  gefehlt  haben  können.  Bei  der  Er- 
mittelung der  Stelle  des  Brunnenhauses  dürfen  wir  daher  jetzt 
von  den  beiden  gefundenen  unterirdischen  Abzugskanälen 
ausgehen  und  zwischen  beiden  die  Enneakrunos  ansetzen. 
Bevor  wir  hiernach  und  nach  den  sonstigen  uns  zu  (^ebote 


ATHEN.      MITTEILUNGEN     XXX. 


50  FR.    GRÄBER 

stehenden  Anhaltspunkten  eine  Rekonstruktion  des  Brunnen- 
hauses und  seiner  Umgebung  versuchen,  müssen  wir  noch 
die  Bausteine  des  alten  Brunnenhauses  besprechen,  die  bei 
den  Ausgrabungen  innerhalb  des  byzantinischen  Wohnhauses 
gefunden  wurden.  Diese  überaus  wichtigen  Steine  sind  schon 
von  W.  Dörpfeld  kurz  beschrieben  worden  {Athen.  Miiteil. 
1  892,  443) ;  bei  der  grossen  Wichtigkeit  aber,  welche  sie  als 
einzige  bauliche  Überbleibsel  des  peisistratischen  Brunnen- 
hauses für  die  Bestimmung  der  Lage,  des  Aussehens  und 
des  Alters  der  Enneakrunos  haben,  verdienen  sie  durch  Wort 
und  Bild  hier  genauer  bekannt  gemacht  zu  werden. 

Es  handelt  sich  besonders  um  einige  charakteristische 
Bausteine,  die  aus  den  Mauern  und  Fussböden  der  in  später 
Zeit  auf  dem  Brunnenplatz  errichteten  Häuser  herausgezogen 
wurden.  Drei  von  ihnen  sind  in  den  Abbildungen  30-32  ge- 
zeichnet. Schon  das  Material  der  Steine  ist  beachtenswert. 
Zwei  (darunter  Abb.  31)  stammen  aus  den  Kalksteinbrüchen 
von  Kara  am  Fusse  des  Hymettos,  also  aus  denjenigen  Brü- 
chen, deren  Material  bei  den  Unterbauten  mehrerer  atheni- 
scher Bauwerke  des  VI.  Jahrhunderts  verwendet  worden  ist; 
so  bei  dem  grossen  Tempel  des  olympischen  Zeus,  bei  der 
Ringhalle  des  alten  x\thena-Tempels  auf  der  Akropolis  und 
beim  alten  Dionysos-Tempel  am  Theater,  alles  Bauten,  die  der 
Zeit  des  Peisistratos  zugeschrieben  werden  dürfen.  Eine  an- 
dere Quader  (Abb.  30)  besteht  aus  dem  harten  Kalkstein  der 
Akropolis,  der  bei  allen  ältesten  polygonalen  Stützmauern  vor- 
kommt. Und  ein  vierter  Stein  (Abb.  32)  zeigt  ganz  denselben 
gelblichen,  mit  dunkleren  Schichten  durchsetzten  Porös,  der 
bei  dem  Wasserleitungs-Kanal  des  Peisistratos  benutzt  ist  und 
wahrscheinlich  aus  den  Steinbrüchen  des  Peiraieus  stammt. 

Der  in  Abbildung  30  im  Durchschnitt  und  in  der  Ansicht 
wiedergegebene  Stein  gehört  zur  Hinterwand  eines  altgriechi- 
schen Brunnenhauses  und  enthält  die  Durchbohrung  a-c  für 
einen  Ausguss,  deren  die  Enneakrunos  neun  besass.  An  der 
Vorderseite  erweitert  sich  die  Durchbohrung  zu  einer  grösse- 
ren Aushöhlung  a  für  den  Wasserspeier,  der  nach  der  Um- 
risslinie des  Loches  kaum  etwas  anderes  als  ein  Löwenkopf 
gewesen   sein   kann.    Die  zur  Aufnahme  eines  Wasserrohres 


DIE    ENNEAKRUNOS 


51 


dienende  Durchbohrung  scheint  später  durch  einen  kleinen 
Stein  und  Kalkmörtel  b  verengt  worden  zu  sein.  Von  einer 
aus  den  gleichen  Kalksteinen  bestehenden  polygonalen  Mauer 
hat  sich  an  der  Südgrenze  des  Brunnenplatzes  noch  jetzt  ein 
kleiner  Rest  erhalten.  Das  Brunnenhaus,  zu  dem  unser  Stein 
gehörte,  hat  daher  vermutlich  als  Halle  vor  der  südlichen 
oder  westlichen  Stützmauer  des  Platzes  gestanden. 

Noch  charakteristischer  für  ein  altgriechisches,  lange  be- 
nutztes Brunnenhaus  ist  der  Stein  in  Abb.  31,  der  unzweifel- 
haft zur  vorderen  Brüstung  eines  grossen  Schöpfbassins  ge- 
hört hat.  Oben  ist  seine  zum  Bassin  gerichtete  Innenseite  und 
darunter  sein  Grundriss  gezeichnet.   An  der  hochkantio;  auf- 


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Abb.  30.    Harter  Kalkstein  mit  Wasserausfluss  und  Loch  für  einen 
Löwenkopf.       Ansicht  und  Durchschnitt. 


gestellten  Platte  fallen  zunächst  zwei  tiefe  Ausschleifungen 
oder  Aushöhlungen  a  auf,  welche  durch  das  häufige  Auf- 
ziehen der  gefüllten  Wasserkrüge  entstanden  sind.  Steine 
von  ganz  ähnlicher  Form  und  mit  gleichen  Aushöhlungen 
haben  sich  in  den  letzten  Jahren  in  mehreren  griechischen 
Brunnenhäusern,  so  in  Megara,  Korinth,  Milet  und  Pergamon, 
als  Brüstungssteine  von  Schöpfbassins  gefunden.  Die  Tiefe 
der  Aushöhlungen  an  unserem  Steine  zeigt,  dass  der  Brunnen 
Jahrhunderte  lang  benutzt  wurde,  bis  er  abgebrochen  und 
unser  Stein  in  einem  spätrömischen  Hause  als  Fussboden- 
platte  verwendet  wurde.  Auf  der  Oberseite  des  Steines  er- 
kennt man  ferner  noch  vier  kleine  runde  Löcher  c,  in  welche 
die  Amphoren  mit  ihren  spitzen   unteren   Enden  eingesetzt 


52 


FR.    GRÄBER 


wurden,  um  auf  den  Kopf  oder  die  Schulter  g-ehoben  zu  wer- 
den. An  der  Innenfläche  des  Steines  ist  nicht  nur  der  Sinter 
zu  sehen,  welchen  das  Wasser  an  der  Wand  des  Bassins  ab- 
gesetzt hat,  sondern  auch  älterer  und  jüngerer  Stuck,  mit 
dem  das  Bassin  im  Inneren  überzogen  war. 

Aber  dieser  wertvolle  Stein  lehrt  uns  noch  mehr.  An  der 

einen  Ecke  ist  auf  der  Oberfläche  die  Einlassspur  einer  | ' 

förmigen  Eisenklammer  c  vorhanden.  Da  Klammern  dieser 
Form  in  Athen  nur  an  den  ältesten  Bauten,  z.  B.  am  alten, 
wahrscheinlich  von  Peisistratos  erbauten  Tempel  des  Diony- 
sos Eleuthereus  vorkommen,  so  ist  schon  allein  hierdurch  das 


Abb.   31.    Grundri.ss  und  Aiifriss  eines  Steines  des  Schöpfbrunnens 
der    Enneakrunos. 


hohe  Alter  der  Brunnenanlage  gesichert.  Durch  die  Klammer 
war  der  Stein  mit  seinem  Nachbar  verbunden,  der  nach  der 
guten  Erhaltung  des  alten  Stuckes  am  Ende  unseres  Steines 
(bei  b)  zu  schliessen,  mit  ihm  einen  rechten  Winkel  gebildet 
haben  muss;  daraus  folgt  weiter,  dass  unser  Stein  am  Ende 
des  Bassins  stand  und  den  ersten  Brüstungsstein  bildete.  Da 
ferner  am  anderen  Ende  des  Steines  bei  e  eine  runde  Ausar- 
beitung für  eine  Säule  vorhanden  ist,  so  müssen  wir  an  der 
Vorderwand  des  Schöpfbassins  eine  oder  mehrere  runde  Säu- 
len, welche  in  die  Brüstung  eingriffen,  und  an  der  Ecke  einen 
viereckigen  Pfeiler  annehmen.   Wir  sind  hiernach  im  Stande, 


DIE    RNNRAKRITNOS 


53 


die  Ecke  des  Schöpfbassins  aus  der  Form  des  einen  Steines 
so  zu  ergänzen,  wie  es  auf  Tafel  II  o^eschehen  ist.  Die  vSäulen 
hatten  nach  den  Maassen  der  runden  Ausarbeitung-  unseres 
Steines  einen  Durchmesser  von  etwa  0,50  m  und  sind  wegen 
des  Fehlens  einer  Basis  dorisch  gewesen.  Ihre  Axweite  lässt 
sich  durch  Hinzurechnung  der  halben  Säulendicke  (0,25  m) 
zur  Länge  des  Brüstungssteines  (1,64  m)  auf  1,89  m  berech- 
nen. Da  der  Brüstungsstein,  weil  er  an  einen  Eckpfeiler  stiess, 
das  letzte  Joch  der  Halle  bildete  und  dieses  beim  dorischen 
Stile  bekanntlich  kleiner  ist  als  die  übrigen,  so  werden  wir 
die  anderen  Axweiten  zu  rund  2  m  annehmen  dürfen.  Auf 
Grund  dieses  Maasses  ist  der  Schöpfbrunnen  von  W.  Dörpfeld 
auf  Tafel  II   ergänzt  worden.   Wenn   er  an  allen  drei  Seiten 


Abb.  32.    Poros-Stein    mit   Wasserrinne,   von  der  Enneakrunos. 


des  Platzes  Schöpfbassins  gezeichnet  hat,  so  ist  das  nur  eine 
Vermutung.  Durch  Reste  einigermaassen  gesichert  ist  nur 
das  südliche  Bassin  V;  das  westliche  VI,  neben  dem  Hauptbe- 
hälter gelegen,  ist  nach  Analogie  von  Megara  [Athen.  Mitteil. 
1900  Taf.  VIII)  angenommen  und  das  nördliche  VII  nur  der 
Svmmetrie  halber  hinzugefügt. 

Die  Abbildung  32  gibt  noch  einen  dritten  Stein  des  Brun- 
nenhauses, eine  aus  Peiraieuskalk  bestehende  Wandquader. 
An  seiner  Vorderseite  zeigt  er,  ähnlich  wie  der  vorher  be- 
schriebene Brüstungsstein,  noch  Reste  von  glattem  Kalkputz 
mit  einem  Überzug  von  Kalksinter  (bei  d) ;  auf  seiner  Ober- 
fläche ist  eine  mit  Stuck  versehene  Rinne  a-b-c  für  Wasser 
erhalten.  Eine  seitliche  Einarbeitung  mit  Anschlussfläche 
zeigt  ferner,  dass  der  Stein  an  irgend  einer  Ecke  des  Brun- 


54  FR.    GRÄBER 

nenliaiises  angebracht  gewesen   sein   muss.    Genaueres   über 
seine  Benutzung  haben  wir  nicht  ermitteln  können. 

Auf  die  Wiedergabe  einiger  anderer,  vermutlich  auch 
zum  Brunnenhause  gehöriger  Steine  dürfen  wir  hier  ver- 
zichten, weil  sie  doch  keine  weiteren  Anhaltspunkte  für  die 
Ergänzung  der  Anlage  liefern.  Die  mitgeteilten  Steine  ge- 
nügen aber  vollkommen,  um  auch  den  geringsten  Zweifel 
daran  zu  zerstreuen,  dass  am  Ende  der  langen  unterirdischen 
Wasserleitung  in  der  Tat  ein  altgriechisches  Brunnenhaus 
bestanden  hat. 

Von  der  Architektur  dieses  Brunnenhauses  selbst  sind 
keine  sicheren  Reste  gefunden  worden.  Wir  haben  anzuneh- 
men, dass  die  Bauglieder  nach  dem  Abbruch  des  Brunnens 
zum  Bau  der  Wohnhäuser  benutzt  worden  sind,  die  auf  dem 
alten  Brunnenplatze  errichtet  wurden.  Da  wir  nur  noch  kleine 
Reste  dieser  Wohnhäuser  gefunden  haben  und  diese  Mauer- 
reste nicht  zerstören  durften,  konnten  von  dem  alten  Bauma- 
terial der  Brunnens  nur  wenige  Steine  gefunden  werden. 
Möglicher  Weise  besitzen  wir  aber  das  Stück  einer  Triglyphe 
des  Brunnenhauses.  Als  Fundamentstein  einer  Mauer  südlich 
vom  grossem  Bassin  fand  sich  nämlich  eine  halbe  Triglyphe 
aus  Porös,  aus  der  sich  die  frühere  Triglyphenbreite  zu  0,57  m 
berechnen  Hess.  Nehmen  wir  dazu  nach  den  üblichen  Propor- 
tionen eine  Metope  von  etwa  0,83  m  an,  so  erhalten  wir  als 
Axweite  der  Triglyphen  1 ,40  und  der  Säulen  2,80  m  bei  zwei- 
triglyphigem,  oder  4,20  m  bei  dreitriglyphigem  System.  Für 
einen  Tempel  würden  diese  Maasse  passen,  für  ein  Brunnen- 
haus scheinen  sie  mir  etwas  zu  gross  zu  sein.  Da  wir  jedoch 
für  die  Bauglieder  der  Enneakrunos  gerade  das  Material  der 
Triglyphe,  nämlich  den  weichen  Peiraieuskalk  (Porös)  erwar- 
ten müssen,  weil  Peisistratos  dieses  Material  zu  dem  Oberbau 
aller  seiner  uns  bekannten  Bauwerke  verwendet  hat,  so  ist  die 
Zugehörigkeit  der  Triglyphe  zum  Brunnenhause  immerhin 
möglich.  Der  auf  Tafel  III  rechts  unten  gezeichnete  Aufriss 
des  Brunnenhauses  ist  in  seinen  Formen  und  Proportionen 
ganz  willkürlich  und  ohne  Brücksichtigung  der  Triglyphe 
gezeichnet  und  soll  nur  dazu  dienen,  die  Lage  und  allgemeine 
Gestalt  des  Baues  in  dem  Durchschnitt  anzudeuten, 


DIE    ENNRAKRUNOS  55 

Bei  dem  Mangel  sicher  zug^ehöriger  Architekturstücke 
und  in  situ  befindlicher  Bausteine  würden  wir  über  den 
Grundriss  des  Brunnenhauses  nichts  Bestinnntes  ermitteln 
können,  wenn  uns  nicht  ein  athenisches  Vasenbild  etwa  aus 
der  Zeit  des  Peisistratos  erhalten  wäre,  das  wahrscheinlich 
die  Enneakrunos  darstellt.  Die  Vase  ist  von  Th.  Wiegand  in 
den  Antiken  DcnJ?niälcrn  II  Taf.  19  veröffentlicht  und  wird 
als  Kopfleiste  auf  S.  1  wiederholt.  Schon  der  Herausgeber 
hat  die  Darstellung  mit  den  stattlichen  Brunnenanlagen  der 
Tyrannenzeit  in  Verbindung  gebracht. 

Wir  sehen  ein  mit  dorischen  Säulen  ausgestattetes  Brun- 
nenhaus, an  dessen  Rückwand  drei,  und  an  dessen  Seiten- 
wänden je  eine  Mündung  angebracht  sind.  Es  scheinen  also 
in  dem  dargestellten  Brunnenhause  fünf  Ausflüsse  vorhanden 
gewesen  zu  sein.  Wenn  wir  aber  überlegen,  dass  die  neun 
Mündungen  der  Enneakrunos  vielleicht  nicht  in  einer  Linie 
neben  einander,  sondern  ähnlich  wie  hier  an  drei  Seiten  des 
Brunnenhauses  angebracht  waren,  so  scheint  bei  neun  Aus- 
güssen eine  Teilung  in  drei  Gruppen  von  je  drei  als  die 
natürlichste.  Wie  wird  nun  wohl  ein  Vasenmaler  des  VI.  Jahr- 
hunderts ein  Brunnenhaus,  an  dessen  drei  Seiten  je  drei 
Mündungen  angebracht  waren,  dargestellt  haben?  Kaum  an- 
ders, als  auf  unserem  Bilde  geschehen  ist.  Jeder  der  beiden 
seitlichen  Wasserspeier  des  Bildes  kann  also  sehr  wohl  je 
drei  Mündungen  entsprechen.  Auf  Grund  dieser  Überlegungen 
und  unter  Benutzung  der  Anhaltspunkte,  welche  die  oben 
beschriebenen  tiefen  Abflusskanäle  bieten,  hat  W.  Dörpfeld 
das  alte  Brunnenhaus  vermutungsweise  in  den  ergänzten  Plan 
auf  Tafel  II  eingetragen.  Dass  diese  Ergänzung  durchaus  un- 
sicher ist,  versteht  sich  zwar  nach  dem  vorher  Gesagten  von 
selbst,  mag  aber  doch  nochmals  ausdrücklich  hervorgehoben 
werden.  Die  allgemeine  Lage  des  Brunnenhauses  und  einige 
Einzelheiten  seiner  Gestalt  sind  durch  die  Ausgrabungen  be- 
stimmt, der  in  den  Plan  eingezeichnete  Grundriss  beruht  da- 
gegen nur  auf  Vermutung. 


56  FR.    GRÄBER 

7.    Das   Quellgebiet    der    Peisistratos-Leitung. 

Nachdem  wir  die  grosse  Wasserleitung  der  Enneakrunos, 
ihre  Reservoire  und  die  Reste  des  von  Peisistratos  errichteten 
Brunnenhauses  kennen  gelernt  haben,  bleibt  uns  noch  übrig, 
nach  dem  Ursprung  der  Leitung  zu  forschen.  Wir  müssen  zu 
bestimmen  suchen,  woher  Peisistratos  das  Wasser  nahm,  das 
er  der  Stadt  zuführte  und  zur  Umänderung  der  Kallirrhoe  in 
eine  Enneakrunos  benutzte.  Diese  Aufgabe  ist  schwierig,  aber 
dankenswert.  Schwierig,  weil  es  sich  um  die  Untersuchung 
langer  unterirdischer  Gänge  handelt,  die  sich  dem  Auge  ent- 
ziehen und  jetzt  nur  schwer  aufzufinden  und  nur  mit  grossen 
Kosten  auszuräumen  sind ;  dankenswert,  weil  durch  die  Auf- 
findung und  Instandsetzung  der  alten  Leitungen  nicht  nur 
die  vollständige  Lösung  der  Enneakrunosfrage  erzielt,  son- 
dern zugleich  auch  dem  grossen  Wassermangel  der  heutigen 
Stadt  Athen  wenigstens  teilweise  abgeholfen  werden  kann. 
Die  Leitung  des  Peisistratos,  welche  Jahrhunderte  lang  ganz 
Athen  mit  Wasser  versorgt  hat,  würde  voraussichtlich  selbst 
bei  dem  grösseren  Wasserbedürfnis  der  Gegenwart  ausreichen, 
um  mindestens  den  tief  gelegenen  Teil  der  Stadt  mit  gutem 
Wasser  zu  versehen. 

Das  Quellgebiet  der  Leitung  des  Peisistratos  können  wir 
zunächst  im  Allgemeinen  dadurch  ermitteln,  dass  wir  die  Her- 
kunft der  jüngeren,  besser  bekannten  Wasserleitungen  Athens, 
die  meist  noch  jetzt  im  Betriebe  sind,  feststellen.  Denn  es  ist 
anzunehmen,  dass  das  Quellgebiet  der  Enneakrunos  bei  An- 
lage dieser  jüngeren  Wasserleitungen  nicht  in  Anspruch  ge- 
nommen, sondern  andere  wasserführende  Gegenden  Attikas 
aufgesucht  worden  sind. 

In  römischer  Zeit  war  die  Hauptwasserleitung  der  Stadt 
der  bekannte  Aquädukt  des  Kaisers  Hadrian,  welcher  noch 
heute  der  Stadt  das  meiste  Wasser  liefert.  Die  einzelnen  unter- 
irdischen Zweige  dieser  Leitung  werden  seit  Jahren  von  den 
Wassertechnikern  Athens  aufgesucht,  gereinigt  und,  soweit 
es  die  Umstände  zulassen,  wieder  benutzt.  Die  Hauptleitung 
geht  von  dem  Hochreservoir  am  Lykabettos  über  Ambelokipi 


DIE    ENNEAKRUNOS  57 

nach  Chalandri  und  Kephissia  bis  an  den  Fuss  des  Penteli- 
kon.  Vor  Chalandri  teilt  sie  sich  in  zwei  Arme.  Während  der 
eine  direkt  auf  das  Pentelikon  gerichtet  ist,  geht  der  andere 
hinter  den  Turkowuni  hin  nach  Kukuwaones  und  Kephissia. 
Obwohl  die  Ausläufer  beider  Leitungen  noch  nicht  vollstän- 
dig erforscht  sind,  lässt  sich  schon  erkennen,  dass  für  die 
Wasserleitung  des  Hadrian  das  ganze  Gebiet  zwischen  den 
Turkowuni,  dem  Pentelikon  und  dem  Parnes  verwertet  ist. 
In  dieser  Gegend  wird  also  das  Quellgebiet  für  die  Wasser- 
leitung des  Peisistratos  nicht  zu  suchen  sein.  Ebenso  darf  als 
sicher  gelten,  dass  der  nordwestliche  Teil  der  attischen  Ebene, 
dem  die  Leitung  von  Patissia  wahrscheinlich  ihr  Wasser  ent- 
nimmt, für  die  Enneakrunos  nicht  in  Betracht  kommen  kann. 
So  bleibt  denn  nur  noch  das  ganze  Gebiet  des  Ilissos  übrig, 
also  das  Plateau  zwischen  Athen,  dem  Hymettos  und  dem 
Pentelikon  und  die  zum  Ilissos  gerichteten  Abhänge  dieser 
beiden  Berge.  Tatsächlich  ist  nun  auch  die  Leitung  der 
Enneakrunos,  soweit  sie  bekannt  ist,  nach  diesem  Teile  der 
attischen  Ebene  gerichtet.  Dass  diese  Gegend  reichliches 
Wasser  liefern  konnte,  ist  nicht  nur  durch  mehrere  noch  jetzt 
fliessende  Quellen,  sondern  auch  durch  verschiedene  Reste 
alter  Wasserleitungen  vollkommen  gesichert. 

Eine  antike  Leitung  läuft  in  dem  Bette  eines  östlichen, 
unmittelbar  hinter  dem  Stadion  gelegenen  Nebenbachs  des 
Ilissos  auf  den  Hymettos  zu  in  der  Richtung  auf  die  Quelle 
Zoodochos  Pigi.  Bisher  sind  nur  wenige  ihrer  Schächte  be- 
kannt. Obwohl  auf  deren  Sohle  noch  jetzt  Wasser  fliesst,  ist 
der  Lauf  dieser  Leitung  weder  nach  der  Stadt,  noch  nach  dem 
Hymettos  hin  untersucht  worden.  Sie  erreicht  das  Ilissosbett 
schon  so  weit  flussabwärts,  dass  trotz  der  noch  ausreichenden 
Höhenlage  ihre  Zusammengehörigkeit  mit  der  Enneakrunos- 
leitung  nicht  wahrscheinlich  ist.  Ich  vermute,  dass  sie  den 
südlichen  unteren  Stadtteil  mit  Wasser  versorgte,  wenn  sie 
nicht  lediglich  für  die  spätere  Kallirrhoe  am  Ilissos  ange- 
legt ist. 

Geht  man  in  dem  Ilissosbett  etwas  weiter  hinauf,  so  er- 
kennt man  an  der  Stelle,  wo  der  früher  Eridanos  genannte 
Bach  in  den  Ilissos  mündet,   einen  antiken   Stollen  als  Rest 


58  FR.    GRÄBER 

einer  anderen  Leitung.  Es  schien  mir  möglich,  dass  er  am 
Pseudo-Eridanos  entlang  zum  Kloster  des  Hag.  Markos  und 
zu  dem  quellenreichen  Käsariani  geht.  Vielleicht  gehören  zu 
zu  ihm  zwei  Schächte  mit  unterirdischer  Stollenverbindung, 
welche  sich  in  dieser  Richtung  befinden. 

Als  dritte  Leitung  im  Ilissostal  kennen  wir  die  Hofgar- 
tenleitung, welche  E.  Ziller  schon  früher  genauer  untersucht 
und  mit  der  Leitung  an  der  Pnyx  in  Verbindung  gebracht 
hat  (vgl.  Athen.  Alitteil.  1877,  107  ff.).  Mit  grösster  Wahrschein- 
lichkeit dürfen  wir  sie  als  die  Hauptleitung  der  Enneakrunos 
ansprechen.  Im  ersten  Teil  dieser  Untersuchung  hatten  wir 
die  Peisistratosleitung  von  der  Pnyx  bis  zum  Dionysos-Thea- 
ter verfolgt  und  uns  klar  gemacht,  dass  sie  über  den  Sattel 
zwischen  Akropolis  und  Lykabettos  hinweg  führen  musste. 
In  der  Nähe  dieses  Sattels  ist  bei  der  russischen  Kirche  ein 
Einsteigeschacht  zu  einem  Stollengang  vorhanden  und  grös- 
sere Bassins  sollen  unter  der  Kirche  liegen.  Nicht  weit  da- 
von befindet  sich  sodann  im  königlichen  Hofgarten  ein  von 
E.  Ziller  untersuchter  und  noch  jetzt  reichliches  Wasser  füh- 
render alter  Kanal,  aus  welchem  der  Hofgarten  bewässert  wird. 
Diese  Leitung  geht  weiter  neben  der  Kephissia-Strasse  her, 
wo  einzelne  Einsteigeschächte  zu  dem  unterirdischen  Stollen 
liegen  und  noch  jetzt  als  Brunnen  benutzt  werden.  Nicht  weit 
vom  Kloster  Asomaton  kreuzt  sie  den  einzigen  grösseren 
nördlichen  Nebenarm  des  Ilissus  und  nimmt  nun  die  Rich- 
tung auf  die  Kapelle  des  Hag.  Thomas.  In  der  LTmgebung 
dieser  Kirche  ist  sie  von  der  Hofgarten-Verwaltung  vor  eini- 
gen Jahren  genauer  untersucht  und  gereinigt  worden.  Es  hat 
sich  dabei  herausgestellt,  dass  sie  sich  hier  unterirdisch  in 
drei  Arme  teilt.  Der  eine  Stollen  geht  auf  den  Ilissos  selbst  zu. 
Da  er  kein  Wasser  mehr  führt,  hat  man  ihn  nur  bis  in  die 
Nähe  des  Ilissos  verfolgt.  Er  scheint  auf  dem  nördlichen  Ufer 
dem  Flusse  parallel  weiter  zu  gehen.  Ein  zweiter  Felsstollen 
zieht  sich  an  der  Südseite  der  Kapelle  des  Hag.  Thomas  vor- 
bei und  folgt  der  Strasse,  welche  nach  dem  Kloster  des  Johan- 
nes Theologos  am  Hymettos  führt.  An  der  Kapelle  macht  er 
eine  Zickzack-Linie  und  steigt  plötzlich  um  etwa  3  m.  Ver- 
mutlich erkannte  man,  dass  die  wasserführende  Schicht  hier 


DIE    ENNEAKRUNOvS  59 

beträchtlich  höher  lag  als  der  Felsstollen.  Über  die  Kapelle 
hinaus  ist  dieser  Kanal  nicht  weiter  ausgeräumt  worden.  Einen 
dritten  Stollen,  der  vor  der  Kapelle  nach  Norden  abbiegt,  hat 
man  noch  gar  nicht  untersucht.  Es  scheint,  dass  er  dem  vor- 
hin erwähnten  nördlichen  Seitenbach  des  Ilissos  folgt,  und  er 
dürfte  sich  bei  vollständiger  Reinigung  vielleicht  als  die  er- 
giebigste Wasserader  herausstellen,  weil  die  Talsenkung  des 
Baches  noch  jetzt  wasserreicher  ist  als  das  Ilissosbett  selbst. 

Die  bisher  beschriebene  Strecke  von  der  Pnyx  bis  zur 
Kapelle  des  Hag.  Thomas  halte  ich  für  den  Hauptkanal  der 
Peisistratos-Leitung,  der  demnach  eine  Länge  von  etwa  4  Ki- 
lometern hat.  Seine  Sohle  liegt  bis  zu  1 1  m  unter  der  Erdober- 
fläche. Das  Gestein  über  der  Leitung,  das  vermittelst  senk- 
rechter Schachte  durchteuft  werden  musste,  ist  in  der  Nähe 
der  Kirche  Breccia  oder  Kieselkonglomerat.  Darunter  befin- 
det sich  das  Tonschieferlager,  in  welchem  der  Kanal  selbst 
sich  hinzieht. 

Ungemein  fördernd  für  die  richtige  Erkenntnis  und  Beur- 
teilung des  Tatbestandes  war  ein  Vergleich  mit  der  ebenfalls 
von  uns  untersuchten  Wasserleitung  des  Theagenes  in  Me- 
gara,  welche  zweifellos  für  das  Wasserwerk  des  Peisistratos 
als  Vorbild  gedient  hat.  Sie  entnimmt  noch  jetzt  Wasser  der 
oberen  megarischen  Ebene,  indem  sie  sich  in  einer  Tiefe  bis 
zu  8  m  unter  einer  Brecciaschicht  hinzieht.  Ein  Hauptkanal 
geht  von  der  Stadt  zuerst  mehrere  Kilometer  weit  in  die  obere 
langsam  zum  Gebirge  ansteigende  Ebene  hinein.  Dann  teilt 
er  sich  in  mehrere  Arme,  die  sich  in  gebrochenen  Linien,  wie 
die  Finger  einer  Hand,  ausstrecken  und  das  im  LTntergrunde 
vorhandene  Wasser  aufsaugen  und  sammeln.  Gerade  wie  die 
athenische  nimmt  auch  die  megarische  Wasserleitung  keine 
Rücksicht  auf  die  Flussläufe  in  den  Ebenen.  Es  ist  das  ver- 
ständlich, weil  die  Stollen  kein  Flusswasser  aufnehmen,  son- 
dern nur  das  Grundwasser  sammeln  sollten,  für  dessen  Höhe 
die  Flussläufe  fast  ohne  Bedeutung  sind.  Diese  sind  vielmehr 
fast  das  ganze  Jahr  hindurch  ohne  Wasser  und  bilden  nur 
Abflussrinnen  bei  starken  und  längeren  Regengüssen.  Da 
die  megarische  Wasserleitung  noch  nicht  vollständig  aufge- 
deckt und  untersucht  ist,  muss  es  ungewiss  bleiben,  ob  sie, 


60  FR.    GRÄBER 

wie  es  den  Anschein  hat,  ausschliesslich  das  Grundwasser 
der  Ebene  oberhalb  der  Stadt  sammelt,  oder  ob  der  eine  oder 
andere  Strang  weiter  bis  zum  Gebirge  reicht  und  dort  Quel- 
len aufnimmt. 

Ähnlich  wie  in  Megara  liegen  die  Verhältnisse  auch  in 
Aegina,  dessen  antike  unterirdische  Wasserleitung  vor  kur- 
zem ausgeräumt  und  von  mir  untersucht  worden  ist.  Der 
Hauptstollen  läuft  von  der  Stadt  nach  Osten  unter  dem  lang- 
sam ansteigenden  Plateau  entlang  und  zieht  sich  dann  eine 
lange  Strecke  unter  einem  Flusslaufe  hin,  etwa  8  m  unter 
dessen  Sohle.  Er  sammelt  das  Wasser  des  zerklüfteten  Kalk- 
steines, der  über  ihm  liegt,  und  nimmt  wahrscheinlich  auch 
noch  das  Wasser  einiger  Querstollen  auf,  deren  Ursprung  noch 
unbekannt  ist. 

Auch  in  Athen  kann  die  Leitung  des  Peisistratos  entwe- 
der nur  das  über  dem  Tonschiefer  sich  sammelnde  Grund- 
wasser aus  dem  ganzen  Gebiete  zwischen  den  Turkowuni,  dem 
Hymettos  und  dem  Pentelikon  aufgefangen,  oder  aber  auch 
einige  am  Fusse  dieser  Berge  zu  Tage  tretende  Quellen  auf- 
genommen haben.  Um  hierüber  in's  Klare  zu  kommen,  habe 
ich  das  ganze  in  Betracht  kommende  Gebiet  nach  Brunnen 
und  Stollen  abgesucht.  Dabei  wurden  verschiedene  antike 
Brunnen  oder  Einsteigschächte  gefunden,  welche  auf  ihrer 
Sohle  Quergänge  haben,  doch  kann  ich  ihre  Zugehörigkeit 
zur  Peisistratos-Leitung  nicht  mit  Bestimmtheit  behaupten. 
Für  diese  Untersuchungen  gaben  die  byzantinischen  Kapel- 
len und  Klöster,  welche  sich  in  dieser  Gegend  befinden,  wich- 
tige Anhaltspunkte,  da  sie  wahrscheinlich  alle  in  der  Nähe 
der  damals  noch  in  Tätigkeit  befindlichen  Wasserleitungen 
gebaut  worden  sind.  So  wurde  ein  Brunnen  bei  der  Kapelle 
der  Panagia,  ein  anderer  nicht  weit  von  Hag.  Nikolaos,  ein 
dritter  beim  Kloster  des  Johannes  Theologos  und  eine  grös- 
sere Wasseranlage  beim  Kloster  Käsariani  gefunden.  Die  letz- 
tere mag  als  besonders  charakteristisch  hier  näher  beschrie- 
ben werden. 

Von  der  jetzigen  berühmten  Qvielle  am  Kloster,  wo  ein  alt- 
griechischer marmorner  Widderkopf  als  Wasserspeier  einge- 
mauert ist  (vgl.  Wiegand  Die  archaische  Porosarchitektur  der 


DIE   ENNEAKRUNOS  61 

AkropoUs  S.128),  o^eht  ein  unterirdischer  Stollen  das  Tal  hin- 
auf. Schon  in  der  Nähe  des  Klosters  g-ehen  zwei  Oucrarnie  ab, 
welche  das  unterirdisch  abziehende  Wasser  auffanj^en  und 
dem  Hauptstollen  zuführen.  Dieser  selbst  jreht  weiter  das 
Tal  hinauf.  An  seinem  Ende  ist  wieder  ein  ebensolcher  Quer- 
arm  zu  sehen.  Durfte  dieser  Stollen  schon  wegen  seiner  Ähn- 
lichkeit mit  den  früher  beschriebenen  Felsstollen  als  antiker 
Kanal  angesehen  werden,  so  wurde  dies  zur  Gewissheit,  als 
ich  einen  verschütteten  Stollen  gang  aufdecken  lie.s.s,  in  wel- 
chem noch  dieselben  antiken  halbrunden  Tonringe  sich  be- 
finden, welche  in  den  Kanälen  am  Westabhange  der  Akro- 
polis  vorkommen  (vgl.  Abb.  14).  Die  späteren  Wasseranla- 
gen aus  der  Zeit  des  Klosters  sind  deutlich  von  den  antiken 
zu  unterscheiden.  Bei  Käsariani  gibt  es  zwei  grosse,  vom  Ge- 
birge umschlossene  Talkessel,  und  in  beiden  sind  W^asser- 
stollen  vorhanden.  Ob  diese  in  ihrem  weiteren  Verlaufe  zu- 
sammengeführt sind,  konnte  ich  nicht  mehr  feststellen  und 
musste  es  späteren  Untersuchungen  überlassen.  Es  ist  wohl 
möglich,  dass  sowohl  die  Stollen  von  Käsariani,  wie  auch 
eine  ähnliche  Anlage  beim  Kloster  Johannes  Theologos  mit 
der  Leitung  des  Peisistratos  in  Verbindung  stehen. 

Noch  ein  anderer  Stollen  verdient  Beachtung,  welcher 
weiter  nach  Nordosten  und  zwar  westlich  vom  Hügel  Tschako 
(vgl.  Karten  von  Attika  Bl.  IV)  Hegt  und  an  mehreren  Ein- 
steigeschachten zu  erkenen  ist.  Er  befindet  sich  schon  jen- 
seits der  Wasserscheide  des  Ilissos  im  Gebiet  des  Kephissos. 
Sollte  er  nach  Chalandri  zur  Wasserleitung  des  Hadrian  füh- 
ren, so  wäre  östlich  vom  ihm  die  Grenze  des  für  die  Peisi- 
stratos-Leitung  in  Anspruch  zu  nehmenden  Quellgebietes  an- 
zusetzen. Da  er  aber  noch  in  der  Nähe  der  Wasserscheide 
liegt,  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  er  ein  letzter  Ausläufer  der 
Enneakrunos-Leitung  ist. 

Das  Quellgebiet  für  die  Wasserleitung  des  Peisistratos 
wird  hiernach  wahrscheinlich  begrenzt  im  Nordwesten  von 
dem  Lykabettos,  den  Turkowuni  und  der  Strasse  nach  Mara- 
thon, im  Osten  vom  Hymettos  und  im  Süden  von  dem  frü- 
her Eridanos  genannten  Bache  von  Käsariani.  Zur  vollstän- 
digen Klarlegung  des    Ursprunges  der  Peisistratos- Leitung 


62  FR.    GRÄBER 

ist  die  Verfolgung  der  drei  Haiiptstränge  notwendig,  in  wel- 
che sich  der  Hauptstollen  bei  der  Kirche  des  Hag.  Thomas 
teilt.  Es  wird  sich  erst  bei  Ausführung  dieser  allerdings  lang- 
wierigen Arbeit  mit  Sicherheit  zeigen,  ob  die  Stollen  nur  das 
Grundwasser  der  Hochebene  sammeln  oder  aber  bis  zu  den 
Quellen  am  Fuss  der  Berge  reichen.  Es  wird  sich  dann  auch 
ergeben,  ob  die  zahlreichen  antiken  Brunnen,  welche  in  die- 
sem Gebiet  gefunden  sind,  zu  der  Wasserleitung  des  Peisistra- 
tos  gehören,  oder  nur  Brunnen  einzelner  Ansiedelungen  in 
der  attischen  Landschaft  waren. 

Ich  übergehe  einige  Einzelfragen,  welche  sich  mir  bei 
den  Untersuchungen  aufdrängten,  so  die  Frage,  ob  in  den 
Flussläufen  schon  Stauanlagen  existirt  haben,  und  die  andere, 
ob  auch  schon  im  Altertum  im  Ilissos  und  in  seinen  Neben- 
bächen das  Wasser  in  seitlichen  Rinnen  gesammelt  wurde, 
wie  es  im  Mittelalter  in  umfangreicher  Weise  geschehen  ist. 
Die  Hauptfrage,  deren  Lösung  meine  Untersuchungen  in  der 
Umgebung  Athens  anstrebten,  die  Frage  nach  dem  Ursprung 
der  Peisistratos- Leitung,  glaube  ich  mit  Bestimmtheit  kurz 
dahin  beantworten  zu  dürfen,  dass  das  obere  Quellgebiet  des 
Ilissos  auch  das  Quellgebiet  der  Enneakrunos  war. 


Vergegenwärtigen  wir  uns  zum  Schluss  nach  einmal  kurz 
das  Ergebnis  der  technischen  Untersuchung  der  erhaltenen 
Reste  der  Enneakrunos  und  der  Bodenverhältnisse. 

Die  Ausgrabungen  am  Westabhang  der  Akropolis  haben 
ergeben,  dass  in  der  von  der  Akropolis,  dem  Areopag  und 
dem  Museion  eingeschlossenen  Talsenkung  schon  in  sehr 
früher  Zeit  kleine  natürliche  Quellen  und  künstliche  Wasser- 
anlagen vorhanden  waren.  Ihr  Wasser  entstammte  den  Nie- 
derschlägen dieses  Gebietes,  welche  wegen  des  undurchlässi- 
gen Untergrundes  in  den  Kalkfelsen  zurückgehalten  wurden. 
Eine  jener  Quellen,  deren  Wasser  durch  die  Zusammenfas- 
sung mehreren  Wasseradern  vermehrt  war,  bildete  die  Haupt- 
quelle für  die  uralte  Stadt,  die  auf  und  an  der  Akropolis  lag. 
Für  sie  glaubt  W.  Dörpfeld  den  Namen  Kallirrhoe  nachwei- 
sen zu  können. 


DIE   ENNEAKRUNOvS  63 

Daneben  bestanden  sowohl  zahlreiche  Tiefl^runnen,  die 
meist  in  geringer  Tiefe  das  Grundwasser  erreichten,  als  auch 
grosse,  durch  Stollen  verbundene  Cisternen,  in  denen  das 
Regenwasser  gesammelt  wurde.  Unter  diesen  Anlagen  ist  eine 
von  besonderer  Bedeutung  durch  ihre  weite  Verzweigung, 
und  weil  ihr  Wasser,  durch  einen  Stollen  an  die  Oberfläche 
befördert,  wahrscheinlich  zur  Vermehrung  des  Wassers  der 
Kallirrhoe  benutzt  wurde.  Wir  dürfen  sie  als  die  erste  unter- 
irdische Wasserleitung  Athens  bezeichnen.  Ihre  Erbauungs- 
zeit kennen  wir  nicht. 

Als  bei  der  Erweiterung  der  Stadt  der  Wasserreichtum 
des  kleinen  Quellgebietes  in  Folge  der  stärkeren  Bebauung 
immer  geringer  wurde,  und  als  andrerseits  die  bedeutend  ver- 
mehrte Bevölkerung  reichlicheres  Wasser  verlangte,  wurde 
etwa  im  VI.  Jahrhundert  vor  Chr.  der  Plan  gefasst,  Wasser 
aus  der  Ferne  herbeizuführen.  Dass  Peisistratos  der  Schöpfer 
dieses  Wasserwerkes  war,  kann  nach  der  literarischen  Über- 
lieferung nicht  zweifelhaft  sein.  Die  Wasserleitungen  in  Me- 
gara  und  Aigina  dienten  gewiss  als  Vorbild  für  die  neue 
Anlage.  Vielleicht  lieferte  Megara  auch  den  Wassertechni- 
ker, wie  der  Megarenser  Eupalinos  nach  Samos  berufen  wor- 
den war  zur  Herstellung  der  berühmten  Leitung  des  Poly- 
krates.  Der  Typus  des  Wasserwerks  von  Megara  wurde  auf 
Athen  übertragen,  da  die  geologischen  und  geographischen 
Verhältnisse  Attikas  mit  denen  Megaras  viel  Ähnlichkeit  hat- 
ten. Als  Quellgebiet  für  seine  Leitung  wählte  Peisistratos 
das  obere  Ilissostal.  Durch  Stollen  sammelte  er  das  Grund- 
wasser und  führte  vielleicht  auch  einige  der  am  Fusse  des 
Hymettos  entspringenden  Quellen  in  seine  Leitung.  Als  End- 
punkt des  langen  unterirdischen  Stollens  diente  der  alte 
Stadtbrunnen  an  der  Pnyx,  die  Kallirrhoe,  welche  so  mit  fri- 
schem und  reichlicherem  Wasser  versehen  wurde.  Das  ältere 
schon  vorhandene  Bassin  wurde  vergrössert  und  vertieft,  und 
neben  ihm  ein  neues  Brunnenhaus  erbaut,  dessen  neun  Mün- 
dungen dem  Brunnen  den  Namen  Enneakrunos  verschafften. 
Schon  vor  der  alten  Quelle  Kallirrhoe  hatte  am  Ostfusse 
des  Pnyxfelsens  ein  grosser  freier  Platz  gelegen,  an  dem  die 
Hauptstrasse  zur  Akropolis  vorbeiführte  und   auf  den  meh- 


64  FR.    GRÄBER:     DIE   ENNEAKRUNOS 

rere  andere  Strassen  mündeten.  Neben  und  auf  diesem  alten 
Brunnenplatze  erbaute  Peisistratos  sein  neues  Wasserwerk,  in- 
dem er  den  alten  Felsbrunnen  hinter  der  neuen  Anlage  selbst 
bestehen  Hess.  Das  neue  Brunnenhaus  nahm  die  hintere  Ecke 
des  Platzes  ein.  Eine  kleine  Zweigleitung  wurde  zum  Brun- 
nen des  Amyneion  hingeleitet,  eine  andere  war  schon  vorher 
in  südlicher  Richtung  abgezweigt  worden.  Grosse  unterirdi- 
sche .Abflusskanäle  dienten  dazu,  das  Wasserreservoir  zu  ent- 
leeren und  auch  das  von  dem  Brunnenhaus  und  den  älteren 
Wasserkammern  am  Pnyxhügel  abfliessende  Wasser  aufzu- 
nehmen und  den  städtischen  Strassenkanälen  zuzuführen. 

Die  Wasserleitung  des  Peisistratos  blieb,  wie  die  erhalte- 
nen Reste  zeigen,  viele  Jahrhunderte  lang  in  Tätigkeit  und 
liefert  noch  jetzt  in  beschränktem  Maasse  den  königlichen 
Gärten  das  zur  Berieselung  nörtige  Wasser.  Mancherlei  Um- 
bauten und  Reparaturen  der  Leitung  zeugen  von  der  andau- 
ernden Benutzung  und  von  den  vielen  Beschädigungen,  die 
die  Leitung  im  Laufe  der  Zeit  erfahren  hat.  Wie  lange  das 
Brunnenhaus  selbst  bestanden  hat,  ist  aus  den  Ruinen  nicht 
mit  Bestimmtheit  zu  erschliessen.  Nur  das  Eine  steht  fest, 
dass  es  in  römischer  Zeit  abgebrochen  und  sein  Wasser  zur 
Unterstadt  geleitet  wurde.  Der  Brunnenplatz  wurde  zur  Er- 
bauung eines  Wohnhauses  benutzt. 

Wie  diese  Ergebnisse  der  Ausgrabungen  und  der  techni- 
schen Untersuchung  zu  der  literarischen  Überlieferung  stim- 
men, wird  W.  Dörpfeld  in  einem  zweitem  Aufsatze  darlegen. 


Friedrich   Gräber 


Beilage :    bei  S.  65  einzuheften. 


Die  Plinthe  der  Bronzefi,^ur  auf  Tafel  IV  nach  Gipsab- 
o-uss  ung-efähr  auf  ^'1-  verkleinert. 


<I>ai)?isas   dv]89Doe|Tq)  Ilavi. 


Das  in  der  Photographie  nicht  ganz  klare  zweite  Sigma 
ist  ein  nach  rechts  schwach  convexer,  bis  an  den  Rand  hin- 
abeeführter  Strich. 


65 


DES  ARKADERS   PHAULEAS  WEIHGESCHENK 

AN    PAN 

(Hierzu    Tafel   IV) 

Das  auf  Tafel  IV  abgebildete  Figürchen,  genau  10  cm 
hoch,  gelangte  vor  kurzem  aus  Griechenland  in  eine  Privat- 
sammlung im  Süden  von  England.  Dank  der  gewohnten 
Liberalität  des  Eigentümers  konnte  ich  es  mit  aller  erdenk- 
lichen Müsse  prüfen  und  photographieren  lassen.  Für  die 
trefflichen  Aufnahmen  bin  ich  wieder  ein  Mal  Herrn  stud. 
phil.  Ludwig  Schnorr  von  Carolsfeld  in  Leipzig  verpflichtet. 
Den  weiter  unten  abgebildeten  Gipsabguss  der  Plinthe  hat 
Herr  John.  R.  Fothergill  herzustellen  die  Güte  gehabt. 

Die  schöne,  fast  durchweg  glatte  und  glänzende  Patina 
ist  nahezu  schwarz,  stellenweise  bräunlich,  mit  einigen  dunkel- 
grünen Flecken.  Im  Nacken  ist  das  Relief  des  Kleides  und 
des  Halses  an  einer  scharf  abgegrenzten  Stelle  streng  eben 
abgefeilt;  ist  hier  vielleicht  ein  Gusszapfen  entfernt  worden? 
An  der  schwachen  rechteckigen  Plinthe  ist  eine  Vorderecke 
abgebrochen.  Die  zwei  Bohrlöcher  dienten  zur  I^efestigung. 
Die  untere  Seite  ist  unregelmässig  rauh,  bis  auf  einen  1  \'.,  cm 
langen,  annähernd  ovalen  Fleck  in  der  Mitte,  der  zwar  nicht 
eben,  aber  auffallend  blank  ist ;  er  sieht  wie  der  treue  Abguss 
von  mit  dem  Nagel  frisch  zurechtgestrichenem  Wachs  aus. 
Doch  entspricht  er  nicht  etwa  den  Ansätzen  der  Füsse,  die 
fest  an  der  mitgegossenen  Plinthe  haften '. 

Die    auf   der   Plinthe    eingeschnittene 
Inschrift  lautet  ohne  allen  Zweifel : 


^avkeag  av\edvoe  j  t(ü   Havi. 

Das  Verbum  dveOnGE  statt  ä\e^r\yie  ist  eine  Freude  für  mich, 
da  ich  es,  in  der  Form  itveiK'öe,  vor  Jahren  mit  Thurneysens 
Hilfe   auf  dem   Kymbalon   der   Kamo   erkannte,   was  freilich 


'    Furtwängler  Sitz^ingsbcr.  der  bayer.  AkaJcmif  1899  II  S.  572  ''. 

ATHEN.      MITTEILUNGEN      XXX.  S 


66  FR.    STUDNICZKA 

Epigraphiker  von  Fach  nicht  abhielt,  allen  einschlägigen 
Analogien  zum  Trotze  die  Verlegenheitslesung  vv  E\)voe  vor- 
zuziehen ^  Die  auch  kyprische  Trübung  von  dv-  zu  vv-  ver- 
weist das  Kymbalon,  wie  schon  R.  Meister  ausgesprochen 
hat '-,  nach  i\rkadien  statt  nach  Messenien,  welch  beide  Land- 
schaften die  von  mir  mitgeteilten  Fundnotizen  zur  Wahl  stel- 
len. Und  aus  Arkadien  stammt  so  gut  wie  sicher  auch  unser 
Anathem. 

Zwar  die  sonstigen  Formen  der  Inschrift,  die  sprachlichen 
wie  die  graphischen,  dürften  keinen  Anhaltspunkt  für  die 
Lokalisierung  bieten.  Dass  zu  der  neuen  Kurzform  OauXeag 
das  Namenbuch  von  Fick  und  Bechtel  nur  einen  Vollnamen, 
f^avliJiKoc,,  aus  Rhodos  bietet  •',  wird  nicht  mehr  als  Zufall 
sein.  Unter  den  Buchstaben  fällt  mir  das  schräge,  ungemein 
matt  gebogene  ^  auf,  doch  ist  mir  keine  genaue  Analogie 
dafür  gegenwärtig. 

Aber  der  göttliche  Empfänger  der  Weihung  lenkt  in 
archaischer  Zeit  schon  an  sich  den  Gedanken  auf  sein  Hei- 
matland. Und  dort,  am  Westabhange  des  auch  dem  Pan  ge- 
heiligten Lykaions,  an  den  Quellen  der  Neda,  bei  dem  Dorfe 
MjtepexXa,  fand  sich  kürzlich  ein  Heiligtum  des  Gottes,  be- 
zeugt durch  Weihinschriften,  wie  die  etymologisch  wichtige 
TW  Huovi  ^,  reich  an  tönernen  und  bronzenen  Votivfigürchen 
archaischer  Kunst,  von  denen  einige  der  hier  publicierten 
ähnlich  sind.  Das  war  schon  aus  den  kurzen  Beschreibungen 
des  Ausgrabungsleiters  Kuruniotis  ■''  zu  entnehmen  und  wird 
durch  Lichtbilder,  die  er  mir  mit  dankenswerter  Gefälligkeit 


'  Meiner  in  diesen  Mittcilungim  1  896  S.  240  f.  begründeten  Lesung  trat 
im  Interesse  der  andern,  von  Chatzidakis  mitgeteilten  sogleich  M.  Fränkel 
entgegen,  ebenda  S.  440  ff.  Ihm  schloss  sich  an  Dittenberger  Sylloge  -  II 
Nr.  625  und,  wie  mir  R.  Meister  freundlich  nachweist,  v.  Wilamowitz  T/mo- 
theos  Perser  S.  65  ''. 

'  Ber.  der  sächs.  Ges.  ph.  CI.  XLVIII  1896  S.  264;  vgl.  auch  R.  Meister 
Gr.  Dia/.  II  S.  220  und  zu  Collitz  Nr.  4601.  Persönlich  verweist  er  noch  auf 
xttTdOtJTOi;  =r  lEQog,  Olympia. 

•'  /.  Gr.  ms.  m.  Aeg.  I    Nr.  764  Z.  42.  43  ;  Nr.  925. 

"   Kuruniotis  in  den  riQaxTixä  1  902  S.74.  Vgl.  Roschers  Lexikon  III  S.1 406. 

"  A.  a.  O.  und   "Etpun.  dyx-  1 W3  S.  169. 


DKS  ARKADERvS  PHAULEAS  WEIHGESCHENK   AN  PAN       67 

zuschickte,  vollauf  bestätigt.  Die  Annahme,  dass  unser  gleich- 
zeitig; aufgetauchtes  Stück  aus  demselben  Funde  herrührt,  lei- 
det kaum  einen  Zweifel.  Sind  doch  bei  den  Haugrabungen 
der  Bereklioten,  welche  zu  der  amtlichen  Aufdeckung  des 
Heiligtums  führten,  sicher  drei  andere  Kleinbronzen  zu  Tage 
und  in  das  nahe  Andritsena  gekommen,  woher  sie  gewiss 
auch  in  den  Kunsthandel  verschlagen  worden  wären,  hätte  sie 
die  Regierung  nicht  mit  Beschlag  belegt  und  dem  atheni- 
schen Nationalmuseum  einverleibt.  Diese  drei  Figuren  hat 
soeben  Perdrizet  veröffentlicht  '.  Die  eine  (Tafel  IX),  ein  hüb- 
scher nackter  Bursche,  fällt  aus  der  Reihe.  Die  zweite  (Taf. 
VIII),  ein  plumper  Bauer  von  schwerfälligen  Proportionen,  in 
kurzem  gegürtetem  Chiton  und  rundem  Hut,  ist  das  roheste 
Exemplar  eines  der  beiden  vorherrschenden  Typen,  in  dem 
Kuruniotis,  nach  der  Aktion  zweier  vollständig  erhaltener 
Figuren  —  eines  Moschophoren  und  eines  aus  der  vSchale  spen- 
denden Beters  —  mit  Recht  arkadische  Dedikanten  sieht.  An 
diesen  Typus  schliesst  sich  in  der  Tracht  und  der  neben  fei- 
nerer Ausführung  bestehenden  Derbheit  der  Gestalt  die  dritte 
von  Perdrizet  mitgeteilte  Bronze  (Tafel  VH),  welche  der  Wid- 
der unter  ihrem  linken  Arme,  der  seltene  Federhut  und  die 
grossen  Flügel  an  den  Halbstiefeln  doch  wohl  sicher  als  Her- 
mes kennzeichnen,  obgleich  sogar  das  letztere  Attribut  bei 
Sterblichen  nicht  unerhört  ist  -.  Das  Loch  in  der  rechten 
Faust  wird  also  den  Heroldstab  enthalten  haben. 

Denselben  mit  Pan  wesensverwandten  Herdengott,  der 
an  verschiedenen  Orten  Arkadiens  jenem  zum  Vater  gegeben 
ward  ^,  möchte  man  unbedenklich  auch  in  unserem  Figürchen 
erkennen.  Das  dünne  Stabende  in  der  Rechten,  das,  an  ihrer 
obern  Öffnung  abgebrochen,  über  die  untere  schräg  auswärts 
etwa  eine  Handbreit  hinabragt,  passt  völlig  zu  der  kurzen 
Form  des  Kerykeion.s.  Allein  die  linke  Faust  trug  offenbar 
ein  gleichartiges   Attribut  in  ähnlicher   Richtung,   nach  Aus- 


*  BCH  \90l  Taf.  VII-IX  S.  300.   Zu  ihrer  Herkunft  vgl.  auch  IlQaxTixä 
1902  S.  73. 

''  Jahrbuch  des  InstÜuts  1  890  S.  1  44. 
■'  Roschers  Lexikon  III   S.  1  380. 


68  FR.    STUDNICZKA 

weis  des  ganze  5  mm  tiefen  Bohrlochs,  das  hier  nur  nicht  hin- 
durchgeht, weil  diese  Hand  mit  dem  kleinen  Finger  zu  dicht 
am  Schenkel  ruht. 

Ungewöhnlich  in  sonstiger  archaischer  Kunst  ist  die 
Kleidung,  der  blosse,  um  den  Hals  festgeheftete  Mantel,  un- 
ter dem,  in  echt  helladischer,  namentlich  peloponnesischer 
Weise  ^,  die  Nacktheit  desto  augenfälliger  hervortritt.  Es  ist 
noch  nicht  die  krumm  geschnittene  thessalische  Chlamys,  son- 
dern ein  massig  grosses  rechteckiges  Himation,  die  homeri- 
sche xXaiva  unloic,  l  Die  zwei  einander  rechts  und  links  ge- 
genüber liegenden  Säume  des  schweren  Gewebes  scheinen  mit 
kurzen  dicken  Fransen  besetzt,  wie  auch  der  Chiton  der  er- 
wähnten plumpen  Bronzefigur  bei  Perdrizet  Taf.  VHI.  Die 
Ecken  sind  mit  Bommeln  belastet.  Zwei  liegen,  von  beiden 
Schultern  eng  um  den  Hals  gezogen,  auf  der  Brust  überein- 
ander, zusammengesteckt  mit  einer  langen  Nadel  (jteQÖvr]),  de- 
ren grosser  runder  Kopf  und  spitzes  Ende  beiderseits  einer 
Falte  sichtbar  ist,  eine  merkwürdige  Einzelheit,  auf  die  mich 
die  sachkundigen  Verwalter  der  Sammlung  sofort  hinwiesen. 
Es  ist  für  mich,  nach  einer  kretischen  Tonfigur  ■^,  das  erste 
ausdrückliche  Zeugnis  der  Verwendung  solch  einfacher  Steck- 
nadeln in  der  Männerkleidung,  während  ihren  Gebrauch  am 
alten  homerischen  Frauenpeplos  die  Fran9oisvase  und  andere 
Bildwerke  reichlicher  bezeugen.  Tatsächlich  erhalten  sind 
Nadeln  dieser  Art  sehr  häufig,  von  den  alttroianischen  Fun- 
den angefangen,  aber  doch  ganz  besonders  aus  dem  hier  zu- 
nächst in  Betracht  kommenden,  im  weitern  Sinne  dorischen 
Kulturbereiche,  wie  aus  Olympia  und  Lusoi  ^. 


'  S.  darüber  vorerst/ak>-b7ech  des  /f?sf2/7/fs  1903  8.14"^.  Das  wichtige  Thema 
wird  bald  in  einer  Leipziger  Doktorschrift  ausführUcher  behandelt  werden. 

"^  S.  meine  Beiträge  znr  Geschichte  der  altgriechischen   Tracht  S.  73  ff. 

=>  Americ.  Journ.  of  Archaeol.  V  1901    S.  381    Fig.  7. 

•*  Dörpfeld  Troja  und  Ilion  I  S.  354  ff.  (Götze).  Murray,  A.  Smith,  Wal- 
ters Excavations  in  Cyprus  Taf.  8  S.  19  f.  Olympia  IV  Taf.  25  S.  ob  ff.  (Furt- 
wängler).  Lu.soi :  Jahreshefte  1901  S.  54  (Reichel)  vgl.  ebenda  1902  S.  212 
(Hadaczek).  Böotien :  Jahrbuch  des  Instituts  1 888  S.  363  (Böhlau).  Megara 
Hybläa:  Momim.  dei  Lineeil  1889  S.  809 ;  81b  (Orsi).  Syrakus :  Notizie  degli 
scavi'\^9l  S.115  (derselbe).  Herausgebern  solcher  Funde  konnte  es  natürlich 


DES  ARKADERS   PHAULEAS    WEIHGE:SCHENK   AN   PAN      69 

Ob  diese  Tracht  zur  Deutuno-  unserer  Bronze  auf  Hermes 
berechtigt,  wird  mindestens  zweifelhaft  durch  ihre  Wiederkehr 
an  dreien  von  den  erwähnten  Fig-ürchen,  deren  Photographien 
mir  Herr  Kuruniotis  mitzuteilen  die  Güte  hatte.  Sie  unter- 
scheiden sich  von  jener  bloss  dadurch,  dass  ihre  vorne  mit 
den  Säumen  dicht  zusammenschliessenden  Chlainai  auch  die 
beiden  Hände  verhüllen.  Diese  werden  von  den  zwei  altertüm- 
licheren Püppchen,  mit  auf  die  Füsse  reichenden  Mänteln  — 
sie  erinnern  fast  an  Telesphoros  —  ähnlich  wie  von  dem  un- 
sern  gehalten,  \'on  dem  weit  freier  gestalteten,  trefflich  gear- 
beiteten dritten  unter  kürzerer  Chlaina  vor  der  Brust.  Auch 
das  werden,  wie  im  Allgemeinen  schon  Kuruniotis  gesagt  hat, 
Bilder  von  Andächtigen  sein,  von  solchen  vielleicht,  die  den 
Gott  daran  erinnern  wollten,  wie  sie  in  rauher  Jahreszeit, 
dicht  eingehüllt  in  ihre  x?ialA'a  c'JeHavefioc  [k'Om  KVKvr\,  zu  dem 
hochgelegenen  Pansheiligtum  gewallfahrtet  waren.  An  Her- 
mes zu  denken  geben  sie  nicht  den  mindesten  Grund.  Den 
in  Arkadien  besonders  landesüblichen  Pilos  trägt  ja  auch  der 
hesiodische  Bauer  im  Winter  {Erga  546),  und  unter  den  Bron- 
zen dieses  Fundes  auch  jene  sicheren  Dedicanten  (S.  67),  der 
Kalbträger  fast  genau  in  derselben  Gestalt,  w4e  unser  Mann. 
Auch  in  ihm  wird  also  vielmehr  der  Stifter  des  Anathems, 
Phauleas,  zu  erkennen  sein. 

Wie  die  Tracht,  so  ist  der  Stil  dieser  arkadischen  Mantel- 
figuren gut  epichorisch.  Er  war  bisher  repräsentiert  durch  die 
kleine  Gruppe  meist  weiblicher  Kleinbronzen  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  sechsten  und  dem  Anfang  des  fünften  Jahrhun- 
derts, die  Furtwängler  bei  Gelegenheit  der  österreichischen 
Ausgrabung  in  Lusoi  zusammengestellt  hat  ^ 

Zwar  das  Gesamtmotiv  mit  dem  ganz  frontalen  Oberkör- 
per, den  wesentlich  symmetrisch  herabhängenden  Armen,  de- 
ren Attribute  führende  Hände  nur  wenig  vorgenommen  sind, 
dem  massig  vortretenden  linken  Fusse,  schliesst  sich  noch  an 
den  archaischen  «Apollontypus»  an.  Aber  in  der  Haltung  fehlt 


nicht  entgehen,  dass  ich  Beiträge  zur  altgr.  Tracht  S.  98  ff.  im  Irrtum  war, 
die  von  mir  bemerkten  Abbildungen  ähnlicher  Nadeln  auf  der  Klitiasvase 
für  Fibeln  zu  halten. 

'   Sitzungsber.  der  bayer.  Akademie  1899  II   S.  5öb  ff. 


70  FR.    STUDNICZKA 

g'anz  die  gespannte  Straffheit  etwa  der  Statue  von  Tenea  ', 
ebenso  wie  die  dazu  gehörige  Präcision  in  der  anatomischen 
GHederung,  die  doch  auch  an  so  kleinen  Bronzen  wenigstens 
andeutungsweise  zu  finden  ist;  sogar  die  Kniee  entbehren 
jeder  Spur  davon.  Dennoch  verraten  die  Körperformen  eine 
jüngere  Kunststufe,  namentHch  die  ziemlich  unbeengte  Ent- 
faltung des  Bauches.  In  einigen  Punkten  lässt  sich  hier  die 
epidaurische  Bronze  des  Hybrisstas  vergleichen  -.  Und  wie 
diese  Kämpfergestalt  in  ihrem  Schrittmotive,  so  weist  auch 
unser  Phauleas  schon  einen  Anklang  von  belebendem  Ryth- 
mus  auf:  sein  rechter  Ellenbogen  tritt,  weil  etwas  stärker 
gebogen,  hinten  aus  dem  Gewände  hervor.  Ein  viel  ober- 
flächlicherer Versuch  in  derselben  Richtung  wäre  es,  wenn 
an  der  nach  Paris  gelangten  Frauenfigur  von  Lusoi  die  wie 
zufällig  aussehende  Schwellung  wirklich  das  linke  Knie  be- 
deuten sollte  ■''. 

Gleich  dem  Schultertuche  dieses  Figürchens  haftet  der 
lange  Mantel  des  unsern  im  Ganzen  noch  ängstlich  am  Kör- 
per. Allein  wieder  ist  es  nicht  das  überstraffe  Ankleben,  das 
bei  ähnlichem  Gewandmotive  z.  B.  der  attische  Kalbträger 
zeigt,  man  spürt  vielmehr  überall  die  Masse  des  wärmenden 
Stoffes  über  den  nur  mit  ihren  äussersten  Vorsprüngen  be- 
stimmter hervortretenden  Gliedern.  Die  Gewandbehandlung 
lehnt  eben  die  künstlichen  ionischen  Schemata  insgesamt 
ab,  um  den  Preis  fast  vollkommenen  Verzichtes  auf  Falten, 
die  einzige  vorhandene  aber,  wo  die  Nadel  durchgesteckt  ist. 


'■   Gut  charakterisiert  von  Furtwängler  Besckreibtm^  der  Glyptothek  Nr.  47. 

"^  Rom.  Mitten.  1889  vS.  168  (Wernicke);  Fröhner  Coli  Tyszkiewicz  Taf.  21; 
derselbe  Coli,  d'antiq.  du  Cte  Tyszk.  (Auktionskatalog)  Taf.  1 4  ;  danach  Per- 
rot Hist.  de  l'art  VIII  S.  471  und  Gaz.  des  beaux-arts  1903  XXX  vS.  121  (Col- 
lignon),  mit  der  Nachricht,  dass  die  Bronze  in  die  Sammlung  Dutuit  und 
mit  ihr  ins  Pariser  Musee  Carnavalet  gelangt  ist.  Furtwäiigler  a.a.O.  S.  579  '" 
scheint  mir  zu  irren,  wenn  er  sie,  gegen  Wernicke,  noch  in  die  erste  Hälfte 
des  sechsten  Jahrh.  setzt;  vgl.  Gott.  gel.  Anz.  1895  S.  313,  wo  ich  sie  schon 
mit  der  damals  allein  bekannten  Frauenfigur  von  Kalawryta  verglichen 
habe,  s.  unten  S.  71  '. 

3  So  Reichel  Jahreshefte  1901  S.  3b  zu  der  Abb.  20-22  auf  S.  34,  gegen 
deren  ersten  Herausgeber  Furtwängler  a.a.O.  S.  517  ''"'  Taf.  1;  abgeb.  auch 
Perrot  a.  a.  O.  VIII  S.  453. 


DEvS  ARKADERS   PHAULEAS  WICI  HCICSCII ICNK    AN    I'AN        71 

erscheint  überraschend  natürlich.  Eine  Vorstufe  dieses  ()c- 
wandstiles,  nur  in  künstlerisch  höher  stehender  Arbeit,  schei- 
nen mir  die  Reliefs  vom  Sikyonierschatzhanse  zu  zeij^en  ', 
seine  Weiterbildung  unter  Anderem  die  beiden  Kleinbronzen 
aus  Kalawryta,  das  heisst  wohl  auch  aus  Lusoi,  die  eine  in 
Berlin,  die  andere  nur  in  Photoj^raphien  bekannt,  tnjtz  ihrer 
provinziellen  Roheit  zwei  der  wichtigsten  Anhalts|)uiikte  für 
die  Lokalisierung  von  Typen  wie  die  Hestia  (liustiniani  und 
die  Frauen  des  ohnipischen  Zeustempels  -. 

Auch  der  grosse  Kopf  unserer  Figur  erinnert  mehrfach 
an  die  eben  verglichenen  Bronzen.  Die  Pariser  und  die  Ber- 
liner Frauenfigur  haben  das  Haar  ähnlich  in  die  Stirne  ge- 
strichen, grad  abgeschnitten  und  schlicht  geriefelt,  die  ver- 
schollene von  Kalawryta  zeigt  im  Nacken  dieselbe  con\-exe 
Biegung  der  Haarenden.  Nur  ist  das  Frauenhaar  hinten  etwas 
länger  und  bedeckt  die  Ohren,  welche  bei  Phauleas  offen  lie- 
gen, zwar  hoch,  aber  sonst  nicht  übel  angesetzt  und  gut  um- 
rissen, weit  besser  als  an  dem  Werke  des  Hybrisstas.  Auch 
das  Gesicht  ist  an  jenem  sorgsamer  durchgeführt,  aber  die 
Verwandtschaft  bleibt  trotzdem  augenfällig,  am  meisten  in 
der  steilen  dünnen,  fast  flügellosen  Nase,  dem  graden,  kanti- 
gen, mild  ernsten  Munde,  den  schräg  nach  hinten  zurücktre- 
tenden Augen. 

Alles  in  allem  haben  wir  eine  originelle,  in  ihrer  biedern 
Schlichtheit  liebenswürdige  Probe  jener  arkadischen  Klein- 
plastik vor  uns.  Sie  wird  an  Interesse  noch  gewinnen,  wenn 
sie  an  der  Hand  von  Abbildungen  mit  ihren  oben  für  gegen- 
ständliche  Motive  mehrfach    herangezogenen   Genossen   aus 


1  Homolle  FotaV/rs  de  Delpht's  IV  1  Taf.  1-4  ;  JK'II  XX  1  SOo  Taf.  10.  11; 
Perrot   a.  a.  O.  VIII    S.  457  ff. 

-  Die  im  Berliner  Antiquarium  Jn/i.  Zeitung  XXXIX  1881  Taf.  2,  2  und 
Furtwängler  a.a.  O.  S.  57b  f.,  die  andere  ebenda  vS.  578.  Ich  kenne  sie  noch 
aus  zwei  anderen  Photographien,  die  bei  besserer  Gelegenheit  veröffentlicht 
werden  sollen.  Der  Zusammenhang  dieser  und  ähnlicher  peloponnesischer 
Figürchen  mit  den  Frauentypen  des  olympischen  Zeustempels  ist  natürlich 
auch  Furtwängler  (vS.  583f.)  nicht  entgangen,  aber  er  hält  ihn  für  nur 
kostümgeschichtlich,  während  er  meiner  alten  Überzeugung  nach  auch  kunst- 
geschichthch  ist ;  vgl.  Collignon  Histoire  Je  la  sculpttire  Grecque  I   S.  4bO  f. 


12    STUDNICZKA:    DEvS  PHAULEAS  WEIHGESCHENK  AN  PAN 

dem  Pansheiligtum  am  Lykaion  auch  stilistisch  durchvergli- 
chen werden  kann.  Die  Eigenart  dieses  innerpeloponnesischen 
Stiles  lässt  sich  in  Kürze  so  bezeichnen,  dass  er,  unmittelbar 
an  die  «geometrische  >  Tradition  anknüpfend,  vermöge  einer 
gewissen  Rückständigkeit  sich  mehr  oder  minder  frei  erhielt 
von  den  künstlichen  Formeln  des  reifern,  in  lonien  und  auf 
den  griechischen  Inseln  ausgebildeten  Archaismus  und  so 
geeignet  war  zum  vornehmsten  Ausgangspunkte  der  Über- 
windung dieser  Formeln  am  Übergang  zur  freien  Kunst  zu 
werden.  Dieser  schlicht  natürliche  Charakter  ist  in  der  Bronze 
des  Phauleas  klar  und  erfreulich  ausgeprägt. 

Leipzig. 

Franz   Studniczka. 


73 


DIE  ATTISCHEN   ARCHONTEN   VON    293/2    -271  0 


Wer  heute  zur  Datierung  der  attischen  Arclionten  das 
Wort  ergreift,  hat  in  erster  Linie  die  Methode  darzulegen, 
nach  der  er  bei  seiner  Untersuchung  verfahren  will.  In  neuerer 
Zeit  hat  man  zwei  Systeme  als  chronologische  Hilfsmittel  her- 
angezogen und  geglaubt  gerade  dadurch,  dass  man  den  histori- 
schen Nachrichten  nur  subsidiären  Wert  beilegte,  um  so  siche- 
rere Resultate  zu  gewinnen.  Ferguson  ^  ging  von  dem  soge- 
nannten Schreibercyklus  aus,  d.  h.  von  der  Tatsache,  dass  die 
Ratsschreiber  einander  in  der  offiziellen  Reihenfolge  der  Phy- 
len  ablösten.  Diesem  einen  Kriterium  ordnete  er  alle  ande- 
ren unter.  Dagegen  hat  Beloch  in  seinen  kritischen  Aufsätzen 
den  kalendarischen  Schal tcyklus  wieder  zu  Ehren  gebracht, 
indem  er  die  auf  anderem  Wege  gefundenen  Daten  nach  ihm 
modificierte  {C.  F.  Lehmanns  Beiträge  z.  alien  Gesch.  I  417  ff., 
jetzt  Gricch.  Gesch.  III,  2  S.  50  ff.).  Es  hat  sich  hierbei  gezeigt, 
dass  die  beiden  schematischen  Prinzipien  nicht  zu  überein- 
stimmenden Ergebnissen  führten.  Nun  kann  es  allerdings 
keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  Ferguson  die  Bedeutung 
der  Schreiberfolge  für  die  chronologische  Forschung  über- 
schätzt hat.  Das  hatte  bereits  Kirchner  in  seiner  vortrefflichen 
Recension  {Gott.  Gel.  ^ws.  1 900,  400  ff.,  später  Hermes  1902, 
475  ff.)  hervorgehoben.  Dann  haben  de  Sanctis  und  vor  allem 
Beloch  {a.a.O^  immer  wieder  nachgewiesen,  dass  in  einer  poli- 
tisch so  unruhigen  Zeit,  wie  es  die  erste  Hälfte  des  III.  Jahr- 
hunderts für  Athen  gewesen  ist,  Stcrungen  in  der  regelmäs- 
sigen Ämterbesetzung  nicht  ausbleiben  konnten.  Für  den 
Forscher  ergibt  sich  daraus  die  Konsequenz,  dass  mit  der 
Möglichkeit  von  Störungen  in  der  Phylenfolge  zu  rechnen 
ist.  Ist  erst  einmal  eine  Unregelmäs.sigkeit  der  Schreiber- 
folge festgelegt,  so  muss  ein  schematisches   Festhalten   am 


The  athenian    archom  of  the  third  and  second  centuries  bcforc  Christ.  I  899. 


74  W.    KOLBE 

Cykliis  Fehler  hervorrufen.  Überhaupt  sei  hier  ausgesprochen, 
das  dieses  Kriterium  immer  erst  dann  zur  Anwendung  kom- 
men sollte,  wenn  die  Epoche  eines  Archonten  bereits  durch 
andere  Judicien  ungefähr  festgestellt  ist.  Dann  freilich  —  aber 
nur  innerhalb  dieser  engeren  Grenzen  —  wird  es  uns  zu  festen 
Ergebnissen  verhelfen. 

Wie  steht  es  nun  mit  der  kalendarischen  Schaltung  als 
chronologischem  Hilfsmittel  ?  An  der  Richtigkeit  der  von 
Unger,  Usener  und  A.  Schmidt  aufgestellten  Theorie  einer 
19  jährigen  Schaltperiode  zu  zweifeln,- sehe  ich  keinen  Grund; 
danach  sollten  sich  Gemeinjahre  (G)  und  Schaltjahre  (S)  in  fol- 
gender Weise  ablösen:  SGG|SGGISGG|SG|SG|SGG|SGG. 
Was  ich  bestreite,  ist  die  genaue  Innehaltung  des  Systems  in 
der  Praxis.  Und  hier  sind  die  Störungen,  an  denen  es  nach- 
weis  lieh  nicht  fehlt,  viel  unberechenbarer.  Das  hat  am  besten 
Beloch  selbst  durch  die  Prüfung  der  Kalenderdaten  für  die 
Zeit  von  338/7  —  262/1  bewiesen  [Griech.  Gesch.  III,  2  §  14). 
Die  erste  19  jährige  Periode  von  338/7  —  320/19,  in  der  wir  die 
grosse  Mehrzahl  der  Jahre  nach  ihrer  kalendarischen  Qualität 
kennen,  enthält  einen  Verstoss  gegen  das  oben  gegebene 
Schema,  insofern  324/3  als  Gemeinjahr  gesichert  ist,  obwohl 
der  Cyklus  hier  ein  Schaltjahr  verlangt.  Man  wäre  also  mit 
einem  groben  Kalenderfehler  in  die  neue  Periode  eingetre- 
ten, vorausgesetzt,  dass  Beloch  deren  Anfang  und  Ende  rich- 
tig angenommen  hat.  Es  kommen  nämlich  auf  1 3  Gemein- 
nur'6  Schaltjahre.  Grenzt  man  aber  die  Jahre  333/2  —  315/4 
nach  Unger-Useners  Schema  als  eine  Periode  ab,  so  erhält 
man  zwar  die  richtige  Zahl  von  7  Schaltjahren :  doch  wird 
der  Fehler  von  324/3  (G)  nur  durch  einen  zweiten  aufgewogen, 
da  318/7  gegen  die  Regel  als  Schaltjahr  erwiesen  ist.  Ebenso 
steht  es  mit  der  Periode  von  314/3  —  296/5,  in  der  die  Auf- 
einanderfolge von  zwei  Schaltjahren  (314/3,  313/2)  und  vier 
Gemeinjahren  (307/6  —  304/3)  gesichert  ist.  Man  sieht  deut- 
lich, dass  der  Kalender  nicht  in  Ordnung  war.  Für  unsere 
Epoche  von  295/4  —  277/6  hat  Beloch  wieder  ein  Schaltjahr 
zu  viel,  da  er  gegen  den  Cyklus  291/0  dem  Philippos  (S)  gibt. 
Nimmt  man  hinzu,  dass  wir  im  III.  Jhdt  nur  bei  einer  ver- 
hältnismässig geringen  Anzahl  von  Jahren  die  kalendarische 


DIR    ATTKSCHHN    ARCH0NTP:N    VON    293/2  — 2;  l/o  75 

Qualität  bestimmen  können,  so  wird  der  Schaltcyklus  zu  einem 
zerbrechlichen  Instrument.  Das  erkennt  jetzt  Heloch  selbst  an 
a.a.O.  54:  «Der  Cyklus  "ibt  also  kein  unbedino;t  sicheres  Kri- 
terium für  die  Anordnuntr  der  Archonten  —  -  .  Es  steht  dem- 
nach von  dieser  vSeite  nichts  im  Wes^e,  Phili])])C)s  (S)  in  2'>1/() 
zu  setzen,  obgleich  dieses  Jahr  nach  dem  Cyklus  ein  (reniein- 
jahr  hätte  sein  sollen  >.  Diese  Freiheit  dürfte  man  Heloch  im 
Princip  wohl  zugestehen.  Aber  in  dem  selben  Augenblick  hört 
der  Cyklus  auf,  ein  Mittel  zu  sein,  das  der  «subjektiven  Will- 
kür Schranken»  setzt.  Infolgedessen  glaube  ich  von  der  ge- 
nauen Beobachtung  des  Schalts)-stems,  das  die  Theorie  \'er- 
langt,  absehen  zu  sollen  und  stelle  nur  die  Forderung,  dass 
auf  je  12  Gemeinjahre  je  7  Schaltjahre  kommen.  Aber  gerade 
hier  versagt  Belochs  Tabelle  (s.  S.  53):  in  den  vier  Schalt- 
perioden von  338/7—263/2  haben  wir  bei  ihm  6-i-8  +  8-f  7=29 
Schaltjahre  und  13-1-11+11+12  =  47  Gemeinjahre. 

Zur  Grundlage  meiner  Untersuchung  nehme  ich  also  ge- 
rade die  Bausteine,  die  man  verwerfen  zu  können  geglaubt 
hat,  die  historischen  Nachrichten.  Erst  wenn  auf  diesem  Wege 
die  ungefähre  Zeit  eines  Archonten  festgestellt  ist,  werde  ich 
den  Schreibercyklus  heranziehen,  um  mit  seiner  Hilfe  das 
genaue  Jahr  zu  bestimmen. 

Wenn  ich  die  vorliegende  Studie  auf  die  Jahre  293/2  — 
271/0  beschränkt  habe,  so  war  die  obere  Grenze  durch  das  Auf- 
hören der  Liste  bei  Dionysios  von  Halikarnass  gegeben.  An- 
dererseits besitzen  wdr  im  Archontat  des  Pytharatos  271/0,  in 
dem  Epikur  starb  (Apollodoros  bei  Diogenes  Laert.  X  1 4),  einen 
sicheren  terniinus  ante  quem  für  die  Archonten,  welche  in  den 
Briefen  des  Philosophen  erwähnt  werden.  Es  sind  die  Epon>- 
men  Charinos,  Diotimos,  Isaios,  Urios,  Aristonymos,  Telokles 

und kuos  (Usener  Epicurea  S.133  f.  dazu  Kirchner  Rhein. 

Mus.  53,386  und  Crönert  Rhein.  Mus.  56,612  ff.).  Durch  Dion. 
Hai.  in  vita  Diu.  c.  IX  kennen  wir  Philippos,  der  inschriftlich 
IG  XIV  1 1  84  belegt  ist.  Sicher  datiert  sind  Gorgias  durch  Plut- 
vita  X  oratoriDii  847,  sowie  Anaxikrates  und  Demokies  durch 
Pausanias  X  23,14.  Die  Inschriften  dieser  Epoche  fügen  die 
Namen  Kimon,  Xenophon,  Diokles,  Euthios,  Menekles,  Ni- 
kias,  Eubulos,  Polyeuktos  und  Hieron  hinzu  {IG  II  309—331). 


76 


W.    KOLBE 


Das  sind  einschliesslich  Pytharatos  21  Namen;  von  den  23 
Archonten  des  Zeitraums  293/2  —  271/0  fehlen  uns  also  nur 
zwei.  Beloch  hat  aus  IG  II  v  ö}4  6  den  Archonten  Lysias  in 
unsere  Reihe  aufnehmen  wollen.  Aber  ich  glaube  nach  sorg- 
fältiger Prüfung  aller  Möglichkeiten  dabei  verharren  zu  sol- 
len, dass  jene  Urkunde  und  mit  ihr  der  Archon  Lysias  in  die 
Zeit  Demetrios'  IL  gehört  (vgl.  Festschrift  für  Otto  Hirschfeld 
312  ff.,  zustimmend  Niese  in  den  Nachträgen  zu  Bd.  II  227 
seiner  Gesch.  d.  griech.  u.  maked.  Staaten  III  S.  378;  dagegen 
Beloch  in  C.  F.  Lehmanns  Beiträgen  z.  a.  Gesch.  III  321  ff.  und 
Griech.  Gesch.  III,  2,  37).  Wenn  Beloch  meinem  Ansatz  den 
festen  Boden  entziehen  will,  indem  er  nachzuweisen  sucht, 
dass  die  Prinzessin  Oi>ia  die  Thronbesteigung  des  Demetrios 
überhaupt  nicht  mehr  erlebt  habe,  da  sie  bald  nach  der  um 
250  erfolgten  Vermählung  gestorben  ^  sei,  so  verlässt  er  den 
Boden  der  Überlieferung. 

Auch  Antimachos,  der  Archon  von  IG  II  303,  304  gehört 
nicht  in  den  Anfang  des  III.  Jahrhunderts,  wohin  ihn  Köhler, 
durch  den  Schriftcharakter  verleitet,  gesetzt  hatte.  In  dem 
Ehrendekret  für  KaUiai)evi]5  Kkoßo'uAoD  IlpoöJüd^iTiQg,  das  Herr 
Stais  in  den  IlQaxTixd  xfii;  aQ/a^oX.  etaiQ.  1  891  S.l  6  aus  Rhamnus 
veröffentlicht  hatte,  erscheint  Antimachos  neben  den  Archon- 
ten Philostratos  und  Phanostratos,  die  kurz  vor  oder  kurz  nach 
ihm  amtiert  haben  müssen :  für  drei  Archonten  ist  aber  vor 
271/0  kein  Raum.  Die  Inschrift  zeigt  folgende  Anordnung: 

Ka?tÄia88vr]g  KkoßovA,ov  IlQooJtdXrLO«;  x^^QO^ovr^iVis  8Jtl  ttiv 
jtaQaAiav  1  oT8cpavcoi9eii;  xsnh  tfjg  ßoDX%  xai  Toi3  8t][iod  AioviJcfü) 
[A]T)vai(p   dve^Tixsv. 


OL  iJTjreig 

f|  ßou^Ti 

f)    ßoiJ?tT)    6 

f|  ßo^Xri  6 

Ol  ijrjtEis 

ffuÄaQxi]- 

6  5fi|j,oi;  (pit- 

ÖYJuog  atQa- 

8fi[,iog  iJtJtaQ- 

L:n;jtaQX'n- 

öavta 

Xa^xil^av- 

niYi^oavTa 

XiiaavTtt 

Gavta 

EJtl  $iXo- 

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1  Griech.  Gesch.  III  2,  95  :  «Von  Phthia  hat  Demetrios,  soviel  wir  sehern 
keine  Nachkommenschaft  gehabt;  diese  seine  zweite  Gemahlin  scheint 
also  schon  nach  kurzer  Ehe  gestorben  zu  sein,  etwa  bei  der  Geburt  ihres  er- 
sten Kindes,  höchst  wahrscheinlich  vor  245,  um  welche  Zeit  Demetrios  sich 
mit  Nikaia  vermählte;.  Dazu  die  Anmerkung. 


DIE  ATTISCHEN   ARCHONTEN   VON    293/2  — 27  l/o  77 

Danach  hat  Kirchner  in  der  Prosopographia  Attica  II  6,SK  die 
Reihenfolge  Antimachos,  Philostratos,  Plianostratos  auf  crc- 
stellt. Das  scheint  mir  aus  inneren  Gründen  nicht  möglich. 
Aus  der  Anordnung  der  subscriptio  ist  vielmehr  zu  folgern, 
dass  Philostratos  dem  Antimachos  im  Amte  voraufging.  Unter 
jenem  war  er  noch  Phylarch,  unter  diesem  bereits  Hipparch, 
und  im  folgenden  Jahre  des  Phanostratos  sehen  wir  ihn  zum 
Strategen  aufsteigen.  Auch  mit  der  Datierung  auf  die  Jahre 
257/6  —  255/4  kann  ich  mich  nicht  einverstanden  erklären. 
Für  Antimachos  haben  wir  zwei  weitere  Inschriften  IG  II 
1349  und  'Ecp.  dpx-  1899  S.  1 93  Nr.  14.  Letztere  stammt  aus 
Eleusis;  sie  gilt  dem  Feldherrn  Demetrios,  der  ot()«t)iy65  Ijii 
Tr]v  fijiQoy  tip  8Ji"EXei'ölA'og  gewesen  war  und  sich  schon  vor- 
her unter  Antimachos  Verdienste  erworben  hatte.  Zur  Datie- 
rung bemerkt  A.  Skias:  wg  ex  twv  YQa!-»'M^ccT(ov  f|  ejtiYQaq)T|  cpai- 
VEtai  dv7]xouaa  et?  tg^s  vatepoiK;  [.laxeSoviy.oi'Q  /qovoik;,  vewteQfx 
jtidavwg  xatd  ti  toij  ■ujcsü  0eoq)(3daTOi)  i|>»]q)ia|.iaT05  ('Ecpi]^i.  dp-/. 
1897,  43  Nr.  13).  Hat  Skias  mit  seiner  im  einzelnen  noch  spe- 
cialisierten  Bemerkung  über  den  Schriftcharakter  Recht,  wo- 
ran nicht  zu  zweifeln  ist,  so  muss  Antimachos  im  letzten 
Viertel  des  III.  Jahrhunderts  Archon  gewesen  sein.  Der  oben 
erwähnte  Theophrast  war  nämlich  unter  ""AvTif^ji^vOs  224/3 
Gymnasiarch,  und  unter  Kd]}Ja[iGXQO(;  22Ü/19  oTgaTriyo?  ejti 
TTjv  xwQttv  T7]v  8Jt'  'E^ievoLvoi;.  Jetzt  gewinnt  die  Erwähnung  der 
Rhodier  in  dem  Beschluss  II  304  einiges  Licht.  Diese  sind 
nachweislich  209  mit  den  Athenern  in  Unterhandlungen  ge- 
treten, um  durch  eine  Intervention  der  neutralen  Mächte  den 
Krieg  zwischen  Philippos  und  den  Ätolern  zu  beendigen  (Liv. 
XXVII  30,  4  ff.,  dazu  Niese  Gesch.  d.  gr.  u.  mak.  Staaten  II  485), 
und  auch  in  den  folgenden  Jahren  bestanden  freundschaft- 
liche Beziehungen.  Nachdem  wir  so  aus  historischen  Indicien 
für  Antimachos  das  letzte  Jahrzehnt  des  III.  Jhdts.  erschlossen 
haben,  können  wir  Fergusons  Schreibercyklus  heranziehen. 
Antimachos'  Schreiber  war  nämlich  Xait>[i]YEV)ic;  [X«i]t)iYEvov? 
Mdqqivovoios  aus  der  V.  Phyle  Pandionis.  Da  wir  von  215/4— 
210/09  (Kirchner  Pros.  Att.  II  640)  die  Archonten  mit  ihren 
Ratsschreibern  kennen,  gewinnen  wir  für  Antimachos  das 
Jahr   208/7.    Folglich   war   209/8    Philostratos   im    Amte   und 


78  W.    KOLBE 

207/6  Phanostratos ;  206/5  ist  bereits  durch  Kallistratos  be- 
setzt. Es  bleibt  noch  ein  Einwand  zu  erledigen,  den  Kirchner 
GGA  1900,  455  gegen  Ferguson,  der  zu  einem  ähnlichen  Er- 
gebnis 203/2  gekommen  war,  erhoben  hatte.  Er  betrifft  die  Zeit 
der  dreizehn  Phylen.  Köhler  hatte  zu  IG  II  303  bemerkt,  dass 
Antimachos'  Jahr  ein  Gemeinjahr  sei :  der  20.  Boedromion  ist 
=  21.  Tag  III.  Fryt.  (II  303)  und  der  25.  Fyanopsion  =  26.  IV. 
Fryt.  Es  besteht  aber  die  Möglichkeit,  dass  unter  Antima- 
chos ein  dreizehnter  Monat  eingeschaltet  wurde.  Unter  die- 
ser Voraussetzung  fallen  auch  in  der  Zeit  der  dreizehn  Fhylen 
Monats-  und  Frytaniedatum  ungefähr  auf  den  gleichen  Tag. 
Ebensowenig  wie  Antimachos  gehören  Glaukippos,  den  Kirch- 
ner GGA  1900,445  um  ein  Jahrzehnt  zu  hoch  ansetzt,  und 
Sosistratos  und  Fhiloneos  in  unsere  Epoche. 

Die  Archontenliste  in  der  historischen  Bibliothek  Dio- 
dors  bricht  mit  dem  Jahre  des  Nikokles  (302/1)  ab,  doch  ge- 
währt Dionysios  von  Halikarnass  für  die  nächste  Folgezeit 
einen  Ersatz :  es  ist  die  bekannte  Aufzählung  der  Archonten 
von  Nikophemos  (361/0)  bis  auf  Fhilippos  in  der  vifa  Dinarchi 
c.  IX.  Dionysios  verspricht  siebzig  Namen  zu  geben,  aber  uns 
sind  nur  deren  achtundsechzig  in  seinem  Text  überliefert.  Nun 
steht  fest,  dass  der  Eponyme  Hegesias  324/3  ausgelassen  ist, 
und  der  Streit  der  Gelehrten  dreht  sich  darum,  ob  auch  zwi- 
schen Nikokles  (302/1)  und  Fhilippos  der  Ausfall  eines  Na- 
mens anzunehmen  ist,  oder  ob  etwa  Dionysios  selbst  eine  fal- 
sche Zahl  gesetzt  habe.  In  neuester  Zeit  ist  Beloch  zum  Vor- 
kämpfer der  ersten  Ansicht  geworden  (s.  C.  F.  Leluuanus  Beitr. 
z.  a.  Gesch.  I  401  ff.  und  Gricch.  Geschichte  III,  2  S.  34  ff.), 
während  Kirchner  im  Hermes  XXXVII  438,  wie  mir  scheint, 
mit  Erfolg  die  These  vertrat,  dass  die  Liste  bei  Dionysios  bis 
auf  die  Auslassung  des  Hegesias  intakt  sei.  Die  Konsequenz 
dieser  Ansicht  ist,  dass  Fhilippos  ins  Jahr  293/2  gehört.  In- 
dem ich  mir  Kirchners  Beweisführung  im  wesentlichen  zu 
eigen  mache,  verzichte  ich  auf  ihre  ausführliche  Wiederho- 
lung. Nur  das  eine  muss  ich  hervorheben,  dass  noch  eine 
zweite  Angabe  bei  Dion.  Hai.  für  Fhilippos  auf  293/2  führt: 
ejti  öe  'Ava'^ixQdtoug  (307/6)  —  —  —  e^e?i9ü)v  rf)?  Jt6?te(0i;  xal 
8Ai*)ü)v   EIS  XaXxiöu  TTjv   Ev  Eußoia,   tov   qjC  'AvalixpctTov?  XQ'^^ov 


DIE  ATTISCHEN   ARCHONTEN   VON    293/2  —27  l/o  79 

8(0?  4>iAiJtJtoi'  JtevTExaiÖExaeTfi  yevof^ievov  exei  öietQnj'ev  (wV. 
/J/;/.  c.  IX  =  2,  p.  633,  16).  Beloch  liat  hier  die  exklusive  Zäh- 
lung, nach  der  sich  das  Jahr  292/1  ergeben  würde,  früher  für 
möglich  gehalten.  Aber  offenbar  hat  der  vSchriftsteller  sie 
nicht  angewandt,  da  er  auch  bei  der  ersten  fünfzehnjrdirigen 
Periode,  die  von  der  Unterwerfung  Athens  durch  Antipatros 
(Archon  Philokles  322/1)  bis  zur  Befreiung  Athens  von  Kas- 
sanders  Herrschaft  (Archon  Kairimos  308/7)  die  inklusive  Zähl- 
weise bevorzugt  hat.  Neuerdings  hat  Beloch  aber  den  Ein- 
wand erhoben,  dass  diese  Angaben  nach  keiner  Seite  entschei- 
dend sein  können,  da  «Dionysios  nach  seiner  eigenen  Liste 
gezählt  habe»  {Gr.  Gesch.  III,  2,  34).  Darin  liegt  das  Zugeständ- 
nis, dass  der  Schriftsteller  die  Liste  in  der  Weise  niederge- 
schrieben hat,  wie  sie  uns  vorliegt.  Trifft  dies  zu,  so  ist  zu- 
nächst festgestellt,  dass  wir  nach  Dion.  Hai.  oder  seiner  Quelle 
den  Archon  Philippos  dem  Jahre  293/2  zuweisen  müssen. 

Doch  Beloch  geht  von  einer  ganz  anderen  Grundlage 
aus.  Er  erkennt  einzig  und  allein  der  Menander-Inschrift  be- 
weisende Kraft  zu  IG  XIV  1 1  84 :  MevavÖQog  Aiojreifloi's  Kerpi- 
OLEvg  eyevvrid)]  ejti  uq^owxoc,  Scooiyevovi;,  ete^ievn^oev  Itwv  v  xui  (^ 
8;ti  ctQxovTog  ^iXiimov  xatu  t6  ß  xai  X  etog  xr\c,  nTO^e^aioi'  tov 
ScoTfiQog  ßaöiXeiag.  Kirchner  hatte  dieses  Zeugnis  gänzlich  bei- 
seite gelassen,  weil  es,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  in  sich 
einen  Widerspruch  enthält.  Diese  Inkongruenz  gibt  auch  Be- 
loch zu:  «52  Jahre  von  Sosigenes  342/1  an  gezählt,  führen  bei 
inklusiver  Rechnung  auf  291/0,  und  wenn  dies  Jahr  das  32. 
der  nTok[iaioi)  ßaodEia  ist,  so  würde  ihr  1.  Jahr  322/1  (Archon 
Philokles)  sein,  während  Ptolemaeos  in  Wirklichkeit  bereits 
im  Jahre  vorher  323/2  (Archon  Kephisodoros)  die  Herrschaft 
über  Ägypten  gewonnen  hat»  (C.  F.  Lehnianns  Beiträge  III 
318).  Doch  er  gleitet  gewandt  darüber  hinweg.  Denn  einmal 
könnten  wir  nicht  wissen,  in  welches  Jahr  der  Verfasser  un- 
serer Inschrift,  bezüglich  seine  Vorlage,  den  Anfang  der  Herr- 
schaft Soters  gesetzt  habe;  sodann  sei  aber  einfach  ein  chro- 
nologischer Irrtum  in  der  Reduktion  der  Regierungsjahre  des 
Ptolemaios  auf  attische  Jahre  möglich.  Das  Ergebnis  seiner 
Ausführungen  ist,  dass  Menander  291/0  gestorben  sei,  Philip- 
pos also  in  dieses  Jahr  gehöre.  Die  Richtigkeit  dieses  Datums 


80  W.    KOLBE 

vorausgesetzt,  müssten  wir  nicht  nur  einen  Irrtum  in  der  In- 
schrift, sondern  auch  bei  Dionys.  Hai.  annehmen,  denn  von 
Nikophemos  361/0  bis  auf  [Philippos  291/0]  müssten  71  Na- 
men aufgezählt  werden,  wie  denn  Beloch  auch  Lysias  und 
Kimon  hinter  Olympiodoros  294/3  einschaltet.  Diese  Schwie- 
rigkeiten müssen  uns  stutzig  machen ;  denn  a  priori  sollen  wir 
an  unsere  Quellen  mit  der  Anschauung  herantreten,  dass  sie 
die  Wahrheit  enthalten. 

Nun  glaube  ich,  dass  Beloch  an  der  entscheidenden  Frage 
vorüberging:  wenn  er  nämlich  Philippos  291/0  ansetzt  und 
danach  das  erste  Jahr  des  Ptolemaios  auf  den  Archonten  Phi- 
lokles  322/1  bestimmt,  so  übertrug  er  den  attischen  Jahres- 
beginn ohne  weiteres  auf  den  ägyptischen  Kalender.  Bekannt- 
lich fiel  aber  in  jener  Zeit  der  ägyptische  in  den  November, 
und  das  bedeutet  gegen  Athen  eine  Differenz  von  mehr  als 
drei  Monaten.  Diese  Verschiedenheit  der  Jahresanfänge  darf 
aber,  wie  besonders  E.  Meyer  in  den  ForscJmngeu  II  452  be- 
tont hat,  bei  chronologischen  Untersuchungen  nie  ausser 
Acht  gelassen  werden.  Es  gilt  also  den  Anfang  der  in  der  In- 
schrift angewandten  Ära  durch  Erwägungen  festzustellen,  die 
von  der  Archontenliste  unabhängig  sind. 

Welches  Jahr  entspricht  dem  12.  der  Herrschaft  des  Lagi- 
den?  Der  Verfasser  der  Inschrift  oder  seine  Quelle  hat  im 
Gegensatz  zum  «astronomischen  Kanon  der  Regierungen ^>, 
in  welchem  das  erste  Jahr  des  Ptolemaios  erst  nach  Annahme 
des  Königstitels  am  1.  Toth  =  7.  November  305  beginnt,  auch 
die  Zeit  der  Statthalterschaft  für  die  Dauer  der  Regierung  in 
Ansatz  gebracht.  Wer  so  rechnete,  musste  die  Regierungszeit 
Philipps  III.  Arrhidaios  und  Alexanders  II.  dem  Lagiden  zu- 
schlagen. Er  schuf  auf  diese  Weise  eine  fiktive  Ära,  in  der 
Ptolemaios  der  unmittelbare  Nachfolger  Alexanders  des 
Grossen  war.  Nun  galt  in  Ägypten  das  griechische  Prinzip 
der  Antedatierung,  d.  h.  das  Jahr  325/4  war  das  letzte  der 
Alexanderherrschaft.  Folglich  musste  unser  Chronograph  mit 
dem  12.  November  324,  an  dem  nach  dem  Königskanon  die 
Regierung  des  Philipp  Arrhidaios  ihren  Anfang  nahm,  das 
erste  Jahr  des  Ptolemaios  beginnen  lassen.  Um  die  Angabe 
der  Inschrift,  Menander  sei  im  lil.  Jahre  der  Königsherrschaft 


DIE   ATTISCHEN    ARCHONTEN   VON    293/2  —  271/0  81 

gestorben,  zu  verstehen,  gewinnen  wir  folgende  Gleichung : 
7  Jahre  (Regierung  Philipps  III.)+12  Jahre  (Regierung  Ale- 
xanders II.)  +  x  Jahre  (Regierung  Ptoleuiaios'  I.)  =  32  oder 
x  =  13.  Mithin  entspricht  das  i2.  Jahr  der  fiktiven  Ära  dem 
13.  Jahre  des  ptolemäischen  Kanons,  d.  h.  dem  Jahre  Nov.  293 — 
Nov.  292. 

Man  wende  nicht  ein,  dass  eine  solche  Ära,  die  das  Jahr 
324/3  bereits  dem  Ptolemaios  /Airechnet,  ausser  dem  Bereich 
der  Wahrscheinlichkeit  liege.  Wir  finden  sie  bei  Euscbios  in 
der  armenischen  Übersetzung  wie  im  neuen  Bruchstück  des 
Marmor  Parium  {B.  ep.  8):  PA  'Hyticria?  (324/3)-  'A^tf'^dvÖpon 
f-iera^Javi)"  nToXg|.iaTo(;  AiyijjtTOi)  Exi'Qievaev.  Dazu  bemerkt  Jacoby 
[Alarffior  Parium  S.  195):  «in  das  gleiche  Jahr  (wie  den  Tod 
Alexanders)  setzt  der  Chronist  die  Übernahme  Ägyptens  durch 
Ptolemaios.  Ganz  ebenso  rechnet  Euseb  im  Kanon  zu  ol.  1  14,1; 
in  Wahrheit  gehört  das  erst  in  das  nächste  Archontenjahr» 
(so  Porphyrios  bei  Eus.  chron.  I  p.  162, 1.  Chron.  OxyrJt.  col.  V 
33  und  Diod.  XVIII  3,1).  Das  ist  gewiss  zutreffend,  wenn  wir 
um  das  geschichtliche  Datum  zu  finden,  die  Angaben  der 
Chronographen  auf  unsere  Zeitrechnung  übertragen.  Hier 
kommt  es  aber  nur  darauf  an  zu  zeigen,  dass  jene  Zählungs- 
art damals  gebräuchlich  war. 

Das  il.  Jahr  des  Ptolemaios,  dem  Philippos'  Archontat 
entspricht,  ist  also  für  unsere  Inschrift  das  Jahr  Nov.  293 — 
Nov.  292.  Der  scheinbare  Widerspruch  zwischen  der  Inschrift 
und  Dionysios  Hai.  ist  jetzt  nicht  mehr  vorhanden.  Da  die 
beiden  Daten  aber  nicht  völlig  identisch  sind,  so  ermöglichen 
sie  uns  vielleicht,  Menanders  Tod  genauer  zu  bestimmen:  er 
muss  in  den  Zeitraum  fallen,  der  dem  32.  Jahr  der  (^aaiAeut 
Y[x<Az\m\.Qvs  wie  dem  Archontat  des  Philippos  angehört,  d.  h. 
der  Zeit  Nov.  293— Juli  292. 

Ehe  wir  weitergehen,  müssen  wir  das  Ergebnis  gegen 
etwaige  Einwände  schützen.  Die  Inschrift  besagt  nämlich, 
dass  Menander,  geboren  unter  Sosigenes  (342/1),  gestorben 
unter  PhiHppos  (293/2)  ein  Alter  von  52  Jahren  erreicht  habe. 
Hier  muss  ein  Irrtum  vorliegen,  und  wir  haben  zu  unter- 
suchen, welche  der  drei  Angaben  falsch  ist.  Dass  Menander 
tatsächlich  52  Jahre   alt   geworden  ist,  bezeugt   auch   Apollo- 

ATHEN.      MITTEILUNGEN     XXX.  6 


82  W.    KOLBE 

dor,  bei  dem  die  Zahl  durch  das  Metrum  gesichert  ist  (bei 
Gellms  XVII  4,  4  f.  und  dazu  Kaibel  im  Kommentar  zu  IG 
XIV  1 1  84).  So  bleibt  nur  die  Alternative,  den  Fehler  in  der 
Bestimmung  des  Geburts-  oder  des  Todesjahres  zu  suchen.  Ja- 
coby,  der  zuletzt  in  seinem  Buche  Apollodors  Chronik  (S.  360) 
hierzu  hat  Stellung  nehmen  müssen,  sieht  das  Geburtsdatum 
für  gesichert  an.  Doch  auch  er  gibt  zu,  dass  es  auf  einer  Be- 
rechnung alexandrinischer  Gelehrter  beruht,  was  zuerst  Kai- 
bel ausgesprochen  hatte.  Nur  war  dieser  der  Ansicht  gewe- 
sen, dass  die  Überlieferung  eines  Todesjahres  mehr  Glaub- 
würdigkeit verdiene  als  die  Kombinationen  über  das  Geburts- 
jahr. Die  entscheidende  Stelle  findet  sich  bei  Strabo  XIV  p. 
638  C,  wo  von  der  Synephebie  Epikurs,  der  sicher  342/1  gebo- 
ren ist,  und  Menanders  die  Rede  ist  (yeveoOai  6'  atttco  ('Ejti- 
xovQü))  am'eq)T]ßov  MevavÖQov  töv  x(i)j.uxöv).  Dieselbe  Rechnung 
haben  wir  im  Anonymos  Jisgl  xoof^icoöiag  1  6 :  eÖtöa^e  öe  jtqwtov 
eq^Tjßoi;  wv  8jti  ($)i(X)oxX80ii5  a^jOMXQo,  (322/1)  xai  evixa.  Auf  ihr 
beruhen,  wie  Kaibel  mit  Recht  hervorgehoben  hat,  die  Be- 
rechnungen der  alten  Litterarhistoriker.  Nur  ist  es  sehr  frag- 
lich, ob  8cpi]ßos  tov  hier  in  dem  engen  Sinne  zu  fassen  ist,  als 
habe  Menander  damals  dem  Korps  noch  angehört.  Auch  be- 
zweifle ich  die  Annahme  Jacobys,  dass  die  Nachricht  von 
der  Synephebie  Menanders  und  Epikurs  in  letzter  Quelle 
auf  die  urkundlichen  Kataloge  zurückgeht.  Aber  mögen  sie 
immerhin  im  gleichen  Jahre  Epheben  gewesen  sein,  so  ist 
noch  nicht  sicher,  dass  beide  342/1  geboren  sind.  Die  Ephe- 
bie  hat  nämlich  im  letzten  Viertel  des  IV.  Jahrhunderts  eine 
durchgreifende  Änderung  erfahren,  insofern  der  Eintritt  in 
das  Korps  fakultativ  wurde  und  nicht  mehr  an  ein  bestimm- 
tes Alter  gebunden  war.  (Das  Jahr  dieser  Reform  kennen  wir 
leider  nicht;  vgl.  über  die  Ephebie:  Köhler  Athen.  AliiteilA  ^19 
324  ff.).  Um  die  Summe  zu  ziehen,  Menander  hat  ein  Alter 
von  52  Jahren  erreicht;  da  die  Angabe  seines  Geburtsjahres 
nur  auf  Berechnungen  beruht,  die  nicht  als  zwingend  aner- 
kannt werden  können,  steht  nichts  im  Wege,  das  Datum  sei- 
nes Todes  für  die  richtige  Überlieferung  anzusehen.  Wir  wer- 
den also  den  unter  Philippos  erfolgten  Tod  dem  Jahre  293/2 
zuweisen  =^dem  32.  Jahre  der  Herrschaft  Ptolemaios'  I.  Dem- 


DIE   ATl^ISCHEN   ARCIIONTEN   VON    293/2  —  271/0  83 

gemäss  erhalten  wir  als  Datum  der  (ieburt  das  Archontat  des 
Lykiskos  344/3. 

Jacoby  war  gezwungen,  den  Tod  des  Komikers  mit  lieloch 
ins  Jahr  291/0,  d.  i.  das  34.  Jahr  des  Ptolemaios  zu  setzen,  weil 
er  an  dem  Sosigen  es -Datum  festhielt.  Wenn  er  das  ägypti- 
sche Datum  auf  unserem  Stein  durch  eine  Verwechslung 
von  6uo  mit  dem  Zahlzeichen  erklären  wollte,  so  übersah  er, 
dass  auf  dem  Stein  steht  xrxru  xo  B  KAI  A  gtog  —  —  — . 
Eine  Verschreibung  ist  also  nicht  wahrscheinlich.  Auch  ent- 
schliesst  man  sich  schwer  zu  glauben,  dass  der  Verfasser  der 
Inschrift  den  falschen  Archonten  nannte,  weil  er  ein  falsches 
Königsdatum  angab.  Denn  es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass  die 
Überlieferung  des  Archontendatums  von  der  nach  König.s- 
jahren  unabhängig  war.  Darin  hat  Beloch  gewi.ss  Recht,  da.ss 
Jacoby  den  Archonten  Philippos  291/0  hätte  ansetzen  müssen, 
nachdem  er  Menanders  Tod  diesem  Jahr  zugesprochen  hatte. 

Für  dieses  Ereignis  stehen  uns  glücklicher  Weise  zwei 
andere  Angaben  zur  Verfügung,  die  gleichfalls  auf  das  Jahr 
293/2  führen.  Bei  Gellius.  XVII  21,42  lesen  wir:  co)isulibus 
Claudio  Centhofie  —  et  M.  Sempronio  Tnditano  (240)  primus 
omnium  L.  Livius  poeta  fabulas  docere  Roniae  cocpit  post —  — 
mortem  —  —  Metiaiidri  afuiis  circiter  i]ni)iquaginta  duobits. 
Wenn  wir  hier  die  exklusive  Zählung  anwenden,  erhalten  wir 
das  julianische  Jahr  292,  und  wir  erinnern  uns,  dass  oben  für 
Menanders  Tod  die  Zeit  von  November  293 — Juli  292  be- 
rechnet war.  Dasselbe  Jahr  liegt  auch  bei  Eusebios  im  Ka- 
non vor:  ol.  122,  1  Älenander  comicus  moritur.  Diese  Notiz  hat 
Jacoby  verworfen,  weil  in  Hieronymos'  Bearbeitung  ol.  1  22^  1 
dem  33.  Jahr  des  Ptolemaios  gleichgesetzt  wird,  was  «weder 
mit  der  Inschrift  noch  mit  Apollodor  stimmt».  Hieronymos 
hat  aber  eine  andere  Reduktion  der  Olympiaden  auf  Jahre 
Abrahams  —  also  auch  auf  ägyptische  Königsjahre -- als  die 
armenische  Übersetzung  (vgl.  Ed.  Meyer  Forschioia^eu  II  44() 
A  4).  Denn  ol.  1,1  der  Armenia  ist  =  1 240  Abraham.s,  wäh- 
rend Hieronymos  ol.  1,  1  =  1241  Abr.  setzt.  Ferner  ist  ol.  1,  1 
der  Armenia  das  Jahr  Herbst  777  —  Herbst  776,  folglich 
ol.  122,  1  =  1724  Abr.  =  32.  Jahr  des  Ptolemaios  =  Herbst 
293/2.  Hieronymos   dagegen  gleicht  ol.  122,1  mit   dem  Jahre 


84  W.    KOLBE 

1725  Abr.  =  33.  Jahre  des  Ptolemaios  =  Aug.  292/1.  Wo  liegt 
hier  der  Fehler?  Offenbar  hat  die  armenische  Übersetzung 
hier  wie  an  so  vielen  anderen  Stellen  den  unverfälschten  Eu- 
sebios  bewahrt:   im  Kanon  stand  Menanders  Tod  zum  Jahre 

I  724  Abr.=32.  Ptol.  vermerkt.  Das  war  nach  der  Umrechnung 
der  Armenia  ol.  122, 1  =  Herbst  293/2.  Hieronymos  oder  seine 
Abschreiber  begingen  nun  den  Fehler,  das  Ereignis  unter  das 
gleiche  Olympiadenjahr  zu  setzen,  wodurch  in  Wirklich- 
keit eine  Abweichung  gegen  die  Vorlage  entstand :  denn  bei 
Hieronymos  bedeutet  ol.  122,1  erst  das  Jahr  1725  Abr.  =  33. 
Ptol.  =  292/1. 

Während  wir  den  Kombinationen  über  Menanders  Geburt 
den  Wert  historischer  Überlieferung  haben  absprechen  müs- 
sen, gelangen  wir  jetzt  zu  dem  Ergebnis,  dass  die  verschie- 
denen Quellen  in  der  Ansetzung  seines  Todes  auf  das  juliani- 
sclie  Jahr  292  übereinstimmen.  Damit  ist,  glaube  ich,  gleich- 
zeitig bewiesen,  dass  Philippos  für  293/2  zum  Archonten  ge- 
wählt war. 

Hier  lasse  ich  die  Besprechung  von  Gorgias'  Archontat 
folgen,  das  nach  [Plut]  vita  X  oratorioii  847  D  in  das  zehnte 
Jahr  vor  Pytharatos  gehört :  fjt;i  nuDagaToi)  otQxovtog  Sexatto 
[[8']]  etei  •uatepov  (sc.  ^letu  Togy^'^^v).  Nun  will  freilich  Beloch  Gr. 
Gesch.  II  38  das  unverständliche  Ö  des  codex  Parisinus  \t)12., 
das  man  gewöhnlich  streicht,  als  Zahlzeichen  deuten:  er  liest 
i8'-  e'tei  voTSQov  und  setzt  dementsprechend  Gorgias  284/3. 
Wenngleich  die  Möglichkeit  eines  derartigen  Schreibfehlers 
zuzugeben  ist,  so  kann  ihr  doch  nach  dem  Stande  unserer 
Überlieferung  keine  Wahrscheinlichkeit  zugesprochen  werden. 

Nunmehr  wird  es  unsere  Aufgabe  sein,  die  in  sich  ge- 
schlossene   Archonten gruppe    Diotimos,   Isaios,   Euthios   i^IG 

II  576  und  314)  chronologisch  festzulegen,  um  danach  die 
Ansätze  zu  prüfen,  die  für  Diokles  in  Vorschlag  gebracht  wor- 
den sind.  Man  darf  wohl  unbestritten  die  Behauptung  aus- 
sprechen, dass  die  historischen  Anspielungen  die  drei  erstge- 
nannten Epon)'men  in  die  Zeit  nach  Demetrios'  Sturz 
verweisen.  Dieser  Ansatz  wäre  aus  sachlichen  Gründen  nie- 
mals angefochten  worden,  aber  Ferguson  musste  an  ihm  An- 
stoss  nehmen,  weil  sein  Schreibercyklus  dadurch  gestört  wur- 


DIE   ATTIvSCHEN   ARCIIONTEN    VON    293/2  — 27  l/o  85 

de.  Da  sein  System  für  Diotinios  das  Jalir  2.s'^'s,  für  F^uUiios 
287/6  verlang-ie,  so  versuclite  er  den  Nacluvcis,  dass  die  für 
diese  Archonten  überlieferten  Nachricliten  auf  die  Zeit  der 
makedonischen  Herrschaft  zu  beziehen  seien.  Dadurch  klaubte 
er  System  und  Geschichte  wieder  in  EinkLant;;  zu  brin<^en. 
Freilich  ist  seine  Interpretation  so  «-ekünstelt,  dass  I^eloch 
sie  keiner  ausdrücklichen  Widerlej^uno^  würdi.^^t.  Da  aber 
Kirchner  {G.  G.A.  1900,  436  ff.)  für  Ferguson  eino^etreten  ist, 
so  scheint  mir  eine  erneute  Prüfun«^  der  Arj^umente  <i;-ebo- 
ten  zu  sein. 

Zum  Ausgangspunkt  nahm  Ferguson  das  Ehrendekret 
für  Herodoros  ans  dem  Jahre  des  Nikostratos  295/4,  IG  II  11, 
300,  wo  in  Rücksicht  auf  Herodors  Tcätigkeit  nach  Lacha- 
res' Flucht  gesagt  wird :  djro]fp«ivoi!oiv  8'  avrov  (sc.  "HoocVo- 
pov)  —  —  o[vvaY(i)vi0«aOa]i,  to)  6i'i|.(<;)  oku^c,  äv  6  ftr)|.io[g  äna'khL- 
yeli;  x6\v  7toki\iov  xr\v  xw/[csx\\\\'  xai  xo^ua(jt|(f]voc  to  aaxv  fti]jioxn(/- 
T[iav  öiaxeÄeT  e/Jon'.  Es  ist  selbstverständlich  richtig,  dass  im 
Jahre  295/4  nicht  vom  Sturze  der  makedonischen  Herrschaft 
die  Rede  sein  kann.  Deshalb  bezieht  Ferguson  das  xo[u'Ceoi)(^L 
TO  d'aTD  auf  die  Vertreibung  des  Lachares.  Selbst  wenn  man 
einräumen  wollte,  dass  seine  Deutung  für  diese  Urkunde  zu- 
treffend wäre,  so  bliebe  doch  in  jedem  weiteren  Fall  zu  unter- 
suchen, ob  nicht  in  späteren  Urkunden  dieselbe  Redensart  im 
Hinblick  auf  ein  anderes  Ereignis  gebraucht  sei.  Doch  schon 
die  Prämisse  ist  falsch,  wie  ich  zu  erweisen  hoffe.  Konnte 
denn  nach  Lachares'  Flucht  gesagt  werden,  dass  «das  \'olk 
die  Stadt  wieder  in  seine  Gewalt  bekommen»  habe?  War  das 
möglich  in  demselben  Augenblick,  wo  zum  ersten  Male  in 
der  Geschichte  Athens  eine  Zwingburg  auf  dem  IMuseion  er- 
richtet wurde,  wo  eine  makedonische  Garnison  durch  die  Tore 
der  Stadt  einzog?  Zu  solchen  Unwahrheiten  hat  sich  der 
Demos  auch  in  jenen  Tagen  nicht  hinreissen  lassen,  wo  er 
politisch  keine  Achtung  verdiente.  Aber  es  steht  in  der  l^r- 
kunde?  Keineswegs!  Herodoros  ward  nicht  belobt  ori  6  h\\\iOQ 
exo^ioaTO  to  ciötv,  sondern  weil  er  mit  dem  Aufgebot  seines 
ganzen  Einflusses  bei  Demetrios  dafür  gekämpft  hat,  ö  jt  (o  5 
av  6  Öfi^oc;  anakXayzyq  xov  :jto?i8}^ioi)  ttjv  xaywx^\\'  xui  xo|Aiod|(EVo; 
TO  aoxv  öiifxoxQaTiav  öiaxeki  e'xwv.  Auch  wenn  es  ihm  nicht  ge- 


86  W.     KOLBE 

hingen  ist,  alle  Wünsche  der  Athener  durchzusetzen,  so  hatte 
er  sich  doch  mit  Fug-  und  Recht  den  Dank  des  Volkes  für 
seine  Haltung  verdient.  Denn  die  Lage  war  damals  ernst  ge- 
nug gewesen.  Als  Lachares  den  aussichtslosen  Kampf  gegen 
die  makedonische  Übermacht  aufgegeben  hatte  und  geflohen 
war,  schickten  die  Athener  eine  Gesandtschaft  an  König  De- 
metrios,  um  über  den  Frieden  zu  verhandeln.  Demetrios  war 
nicht  abgeneigt,  der  abtrünnigen  Stadt  Verzeihung  zu  ge- 
währen, aber  er  stellte  die  Bedingung,  dass  eine  makedoni- 
sche Besatzung  in  Athen  bliebe.  Vergeblich  haben  die  Ge- 
sandten dagegen  Einspruch  erhoben,  vergeblich  hat  Herodor 
ihre  Bitten  nach  besten  Kräften  unterstützt.  In  diesem  Punkte 
war  kein  Zugeständnis  zu  erlangen.  So  mussten  sich  denn  die 
Athener  in  das  Unvermeidliche  fügen  und  zusehen,  wie  auf 
dem  Hügel,  der  die  Verbindung  der  Stadt  mit  den  Häfen 
beherrscht,  ein  makedonisches  Kastell  erbaut  wurde.  ^  Aber 
sie  haben  es  dem  Herodor  nicht  vergessen,  dass  er  bei  Deme- 
trios für  die  Wiederherstellung  der  vollen  Unabhängigkeit 
eingetreten  war  {■>iO[uod[iEvog  xb  aoni),  und  obwohl  diese  Bemü- 
hungen erfolglos  gewesen  waren,  konnte  ihrer  doch  in  dem 
Ehrenbeschluss  Erwähnung  geschehen.  Wilamowitz  hat  zu- 
erst gesehen,  dass  die  Stelle  in  diesem  Sinne  zu  deuten  ist, 
wenn  er  {Antigonos  v.  Kar.  238)  schreibt:  «der  Wunsch,  das 
Museion  möchte  geräumt  werden,  der  hier  ausgesprochen 
wird,  ist  von  Demetrios  nicht  erfüllt  worden».  Eine  schla- 
gende Parallele  zu  dieser  Ehrung  für  Bemühungen,  die  im 
wesentlichen  erfolglos  blieben,  findet  sich  im  Beschluss  für 
Philippides  aus  Euthios'  Jahr:  IG  H  314  xai  xo|.uoa|_i8voii  xov 
hy\\iov  TTjv  eXe\n^8Qiav  SiatETeXexe  —  —  —  —  iiaQav.a'kGiv  tov 
ßaaiXea  (sc.  A\)ai|iaxov)  ßoiiÖEiv  x«l  -/Qi'][.iaaiv  xal  aitw,  ojrcog 
av  8ia|ievei  6  Sfjiios  e?i£vn')fQ0<5  wv  xal  tov  Heipaia  xo|i-i(TT]Tai 
x«i  td  qjQOiJQia  rfjv  xw/{.qx\\\'.    Dieser  Beschluss  wurde  zu   einer 


'  In  der  Überlieferung  bei  Plntarch  Demetr.  34  (vgl.  !Paus.  I  25,  7)  ist 
der  Vorgang  anekdotenhaft  ausgeschmückt.  In  Wahrheit  hatte  Demetrios 
das  Besatzungsrecht  in  Munichia  und  Piraeus  gefordert,  und  Dromo- 
kleides  ist  in  der  Volksversammlung  für  die  Annahme  der  Bedingungen  ein- 
getreten. 


DIE   ATTIvSCHEN   ARCIIONTEN   VON    293/2  — 27  l/o  87 

Zeit  gefasst,  als  der  Piraeus  und  die  Kastelle  noch  in  make- 
donischen Händen  waren.  Aber  trotz  ihrer  Erfoljj-losijykeit 
werden  Philippides'  Versuche,  den  König-  Lysimachos  für  die 
Vertreibung  der  makedonischen  Garnisonen  zu  interessieren, 
ausdrücklich  hervorgehoben. 

Die  unbefangene  Interpretation  zeigt  also,  dass  die  Wen- 
dung tö  äoxv  xotu"CeoOru  in  der  Herodoros-Urkunde  nicht  auf 
das  Ende  der  Lacharesherschaft  zu  beziehen  ist,  sondern  auf 
die  damals  erstrebte  Wiedergewinnung  der  militärischen  Cie- 
walt  über  Athen  selbst.  Nicht  anders  steht  es  mit  dem  sonsti- 
gen Gebrauch  1  der  Redensart  in  den  Inschriften  jener  Jahre 
IG  II  311,  312,  314.  Aus  dem  Archontat  des  Diotimos  haben 
wir  die  Ehrendekrete  für  die  Könige  Spartokos  {/G  II  311) 
und  Audoleon  (II  312).  Wenn  es  in  letzterem  heisst,  —  —  xai 
xopiaa|.i£vov    xov  br\[iov    x6  äoxv  n.v\)6\iZVoq   ov\n\nih]    xolg   yeyfvi]- 

l-ieroii;  £vxv/r\iiaoi  — ejtavyeÄetai   8e  xai  ei^   iü  Aoiirov  nag- 

e^eodai  X(?£i«S  aiiveQywv  e'i?  xe  xr\v  xov  IlgiQaiefog  xo[u8i]"\'  xai  ttjv 
Tf)5  jtoÄeoog  eAei^iJggi'fiCv,  so  ergibt  sich  mit  voller  Klarheit,  dass 
die  Athener  Herren  ihrer  Stadt  sind,  aber  den  Piraeus  noch 
nicht  in  ihrer  Gewalt  haben.  Diese  Situation  trat  erst  nach 
Demetrios'  Sturz  ein.  Wollte  man  Fergusons  Datierung 
gelten  lassen,  so  käme  man,  von  allem  übrigen  abgesehen, 
zu  der  unmöglichen  Annahme,  dass  die  Könige  Spartokos  und 
Audoleon  bereits  im  Jahre  294  dem  athenischen  Volk  Geld- 
und  Getreidespenden  zukommen  lassen,  wofür  ihnen  erst  nach 
Verlauf  von   etwa  fünf  Jahren   unter  Diotimos   der  offizielle 


1  Nach  de  Sanctis  Studi  di  storia  antka  II  27,4  will  Beloch  (III,  1,225 
mit  Anm.)  aus  dem  Passus  in  Dekret  II  300  herauslesen,  dass  der  Demos 
bei  seinen  Verhandlungen  mit  Demetrios  nach  Lachares'  Sturz  <  nicht  im 
Besitz  von  Athen,  folglich  im  Piraeus  gewesen  sei.  Das  steht  im  offenen 
Gegensatz  zu  Plutarchs  Bericht  Dem.  34  yvoSfiriv  e'YQatl'e  Aripitpicp  tcö  ßaoiXel 
Tov  rieiQaiä  :;TaQa8o^vai  xai  tt^v  Mowixiav,  und  hat  in  unserer  Überlie- 
ferung auch  sonst  keine  Stütze.  Wenn  er  ferner  zwischen  xo^iiteo&ai  tö  aoru 
und  xojii'^eGOai  tö  MouoEiov  einen  Unterschied  machen  will,  so  bemerke 
ich,  dass  in  unseren  Urkunden  nie  von  tö  MouöeIov  xo}ut;eoi>ai  die  Rede 
ist,  dass  es  vielmehr  im  Hinblick  auf  die  Vertreibung  der  makedonischen 
Besatzung  aus  dem  Kastell  auf  dem  Museion  heisst  öti  6  811^0?  exo|.uöato 
TÖ  döTU  II  31 1,  312,  triv  kXzv^zqw.y  II  314. 


88  W.    KOLBE 

Dank  votiert  wird.  Es  kann  also  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  Demetrios'  Herrschaft  gestürzt  war,  als  jene  Beschlüsse 
gefasst  wurden. 

Auch  auf  anderem  Wege  lässt  sich  nachweisen,  dass 
Athen  im  Jahre  des  Isaios,  der  auf  Diotimos  folgte,  nicht 
mehr  in  makedonischen  Händen  war.  Der  Komödiendichter 
Philippides,  des  Philokles  Sohn,  hatte  etwa  im  Jahre  304/3 
in  die  Verbannung  gehen  müssen,  weil  seine  Freimütigkeit 
und  sein  stolzer  Unabhängigkeitssinn  dem  Demetrios  lästig 
geworden  waren  (vgl.  Plut.  Dem.  12.  26  und  IG  H  414).  Über 
die  Zeit  seiner  Rückkehr  ist  nichts  bekannt.  Aber  wir  erfah- 
ren aus  dem  unter  Euthios  Archontat  gefassten  Ehrendekret 
n  314,    dass  er  x8iQOtov[i|i)gi]<;   dyooA'oflETT];   gm   'loaion   ap/ovroi; 

—  [8Jti]fl£tov  dywva  xaTEöxevaoev  —  —  [jtqJwto«;  xin6\iyr^\m. 

TT)?  Toü  8»]|.iov  [e?i8Di)eQia5].  Wir  müssten  das  Bild,  das  wir  aus 
früheren  Tagen  von  Philippides  gewonnen  haben,  in  sein 
Gegenteil  verkehren,  wenn  wir  glauben  wollten,  dass  dieser 
dytüA'  in  Erinnervmg  an  die  «Befreiung»  von  Lachares'  Tyran- 
nis  errichtet  worden  sei,  zu  einer  Zeit  als  eine  makedonische 
Besatzung  auf  dem  Museion  stand.  Nein,  für  einen  glühenden 
Patrioten  wie  Philippides  war  die  Diktatur  des  Lachares  nur 
eine  Episode,  die  im  Vergleich  zur  makedonischen  Fremd- 
herrschaft bedeutungslos  war.  Der  Schluss  ist  zwingend,  dass 
Athen  eine  freie  Stadt  war,  als  unter  Isaios'  Archontat  zum 
ersten  Mal  ein  «ycov  als  vm6\p!y\\m.  xf\c,  toii  Öt^^iov  eÄevOepiag  ge- 
feiert wurde. 

Athen  ist  im  Frühsommer  287  von  Demetrios  abgefallen 
(vgl.  weiter  unten).  Da  nun  nach  dem  Schreibercyklus  Dioti- 
mos (V)  1,  Isaios  (6),  Euthios  (VII)  in  den  Jahren  289/8—287/6 
amtiert  haben  müssten,  so  gelangen  wir  zu  dem  Ergebnis, 
dass  in  dieser  Zeit  eine  Störung  der  regelmässigen  Abfolge 
eingetreten  war. 

Wir  wenden  uns  nunmehr  dem  Archontat  des  Diokles  zu. 
Ferguson  und  Kirchner  haben  es  nach  Ungers  Vorgang  in 
das  Jahr  290/89  gesetzt.  Da  der  Cyklus  für  dieses  Jahr  einen 


^  Die  römischen  Ziffern  besagen,   dass  die  Prj'tanie  des  Schreibers  be- 
zeugt ist;  wo  dieselbe  erschlossen  wird,  setze  ich  mit  Beloch  arabische  Ziffern. 


DIE   ATTISCHEN   ARCHONTEN    VON    293/2        271/0  89 

Schreiber  aus  der  IV.  Phyle  Aigeis  forderte,  und  der  Y(."M'l**t- 
Tfvg  unter  Diokles  ebendieser  Phyle  anj^^ehörtc,  so  scliicn  jeder 
Zweifel  an  der  Richtij^keit  der  Un^^erschen  Ansicht  bcseitij^t 
zu  sein.  Nachdem  wir  aber  soeben  eine  Unterbrccluni}^  der 
gewöhnlichen  Phylenfolge  festgestellt  haben,  können  wir  die 
Beweiskraft  dieses  Argumentes  nicht  mehr  anerkennen.  Auch 
hier  müssen  wir  also  von  den  Urkunden  ausgehen. 

Im  Ehrendekret  IG  II  309  lesen  wir,  da.ss  Aischron  in 
Diokles'  Archontat  die  athenischen  Interessen  in  Delphi  \cr- 
treten  hat.  Man  hat  wohl  vermutet,  da.ss  die.se  Parteinahme 
in  die  Zeit  des  Aitolerkrieges  fallen  müsse,  wo  Demetrios' 
Anhänger  von  den  pythischen  Spielen  des  Jahres  290  ausge- 
schlossen waren.  Doch  mit  ebensoviel  Berechtigung  lässt  sich 
Köhlers  Ansicht  verteidigen,  als  habe  sich  Aischron  nach 
erfoloftem  Abfall  der  Athener  offen  für  die  Aufnahme  ihrer 
Hieromnemonen  erklärt  (vgl.  dazu  H.  Voxwtow  Jahrb.  f.  Philol. 
1894,498  1).  Eine  Entscheidung  wird  man  bei  diesem  Für 
und  Wider  der  Gründe  nicht  fällen  können.  Etwas  festeren 
Boden  gewinnen  wir  durch  Ladies'  Antrag  für  seinen  Vater 
Demochares  in  ^^r  vita  dcccni  oraforui/i  851  E.  Hier  wird  über- 
liefert, dass  die  Rückkehr  des  verbannten  '  Demokraten  fjri 
AioxÄeoD?  ä^yovxoc,  erfolgte.  Wenn  auch  nicht  ausdrücklich  ge- 
sagt wird,  dass  Demetrios'  Herrschaft  damals  bereits  gestürzt 
war,  so  gewinnt  man  doch  aus  dem  Zusammenhang  den  Ein- 
druck, dass  Demochares  sich  bald  nach  seiner  Rückkehr 
am  politischen  Leben  beteiligt  hat.  Da  nun  von  ihm  gerühmt 
wird  cpiiyovTi  \kh'  xmkQ  h^\\WKQaxiaQ,  [^lEteoxiixoTi  6e  oi'ftenia;  o/ay- 
aQfiac,  ovhh  aQ'fr^v  ovhz[iia\'  ^]Q'/öx\  xrtTaXe^a'xoTO;;  toi~  fiiiuor,  .so 
ist  eine  politische  Wirksamkeit  unter  Demetrios'  Regierung 
für  ihn  ausgeschlossen. 

Die  Entscheidung,  die  auch  IG  II,  v  309  r+II  282  nicht 
bringen  kann,  muss  auf  das  Ehrendekret  für  Zenon  basiert 
werden    {IG  II,  v  309  b) :    Zr\va)v  xa»)eoTi]X(üs   i'j^o   foi^'    |3aoi?ia); 

EJil  x(JL)v  dcpQdxTCOv ejTijit-AtTTai   öe   xai  tfjc:  xo|ii6r];  tov  oitoi' 

T(p  br\\i(ß,   ÖKwg  av  uofpaUoxuxa   6iaxo[u"0]tai,    ouvaycovi^öixevos  xr\ 


'-  Mit  der  Zeit  seiner  Verbannung   werden    wir  uns  unten  zu  beschäfti- 
gen haben. 


90  W.   KOLBE 

roi)  ftiifxov  öooniQia.  Aus  diesen  Worten  hat  Ferguson  a.a.O.  }4 
einen  «ungeschützten  Getreidetransport»  (///<?  tinprotected 
transport  ships)  unter  Zenons  Leitung  herausgelesen,  und 
er  behauptet,  dass  eine  solche  Sendung  nur  mit  Demetrios' 
Zustimmung  in  den  Hafen  Athens  habe  einlaufen  können- 
Darauf  ist  zu  erwidern,  dass  Zenon  als  xafleotTixwi;  8jri  tcöv 
dqppdxTtov  1  einen  militärischen  Posten  bekleidet  und  vermöge 
der  maritimen  Übermacht  die  Getreidezufuhr  nach  Athen 
sichert.  Zenon  wird  nicht  etwa  belobt,  weil  er  Getreide 
nach  Athen  einführte  wie  ein  Privatmann  (vgl.  IG  II  195), 
sondern  weil  er  für  die  Sicherung  der  Transporte  sorgte.  Eine 
Gefährdung  durch  Seeräuber  lag  damals  nicht  im  Bereich  der 
Wahrscheinlichkeit.  Dann  handelt  es  sich  eben  um  den  Schutz 
gegen  Demetrios  selbst.  Dieser  Sachverhalt,  der  aus  den  Wor- 
ten des  Beschlusses  klar  genug  hervortritt,  macht  es  unmög- 
lich an  die  Zeit  zu  denken,  in  der  Demetrios  noch  Herr  von 
Athen  war.  Vielmehr  hat  Köhler  das  Richtige  gesehen,  als  er 
die  Mission  des  Zenon  mit  dem  Seezug  des  Ptolemaios  in 
Verbindung  brachte.  Nachdem  Demetrios  im  Anfang  der  SO^"" 
Jahre  von  neuem  Rüstungen  zu  Lande  und  zur  See  begon- 
nen hatte,  um  das  Reich  des  Antigonos  wiederaufzurichten, 
kam  zwischen  Ptolemaios,  Seleukos,  Lysimachos  und  Pyrrhos 
eine  Koalition  gegen  ihn  zustande.  Infolgedessen  erschien  zur 
gleichen  Zeit,  als  Lysimachos  und  Pyrrhos  in  Makedonien 
einfielen,  eine  ägyptische  Flotte  im  ägeischen  Meere,  Plut. 
Dein.  44.  Naturgemäss  wird  sie  sich  alsbald  nach  dem  saro- 
nischen  Meerbusen  gewandt  haben,  um  Athen  zum  Abfall  zu 
bewegen.  Dies  geschah,  und  im  Beschluss  für  Zenon,  der  im 
Hekatombaion  unter  Diokles  gefasst  wurde,  spricht  das  Volk 
seinen  Dank  für  die  Unterstützung  aus. — Nach  diesen  Darle- 
gungen ist  das  Jahr  290  für  Diokles'  Archontat  ausgeschlossen: 
für  dieses  ist  der  Sturz  des  Demetrios  ter minus  post  quem.  Des- 
halb müssen  wir  zunächst  der  Frage  nähertreten,  wann  die 
Herrschaft  des  Poliorketes  in  Makedonien  ihr  Ende  erreichte. 
Köhler  hat  darauf  hingewiesen,   dass  die  Ereignisse,  die 


^  Td  aqpQttxra  oder  ai  aq)Qa5tT0i  vf]Ei;  stellen  einen  besonderen  Typ  von 
Kriegsschiffen  dar.  [IG  XII  I  701,  5  ;  43,  22  \  41,  3). 


DIE   ATTIvSCHEN    ARCHONTEN    VON    293/2  —  271/0  Ql 

sich  von  dem  Feld/Ai^c  in  Aetolicn  bis  zum  Abfall  der  Makc- 
donen  alspielten  —  hierhin  sind  auch  die  Verhandlung-en  zwi- 
schen den  Verbündeten  zu  rechnen — nicht  in  die  Zeit  von  Früh- 
jahr 289  bis  Sommer  288  zusammengedrängt  werden  können. 
Man  hat  auch  früher  ganz  allgemein  Demctrios'  Sturz  in  das 
Jahr  287  gesetzt,  das  die  makedonische  Königslistc  zu  for- 
dern schien.  Neuerdings  hat  Beloch  eine  andere  Datierung 
vorgeschlagen,  indem  er  für  den  Sommer  288  eintrat.  Schon 
die  einfache  Überlegung,  dass  er  die  Ereignisse  nach  dem 
Abfall  Athens  in  die  Länge  ziehen  muss,  spricht  dagegen. 
Denn  es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  sie  schnell  einan- 
der folgten. 

Doch  prüfen  wir  die  Quellen  !  In  der  makedonischen 
Königsliste  bei  Eusebios  CJiron.  I  S.  230  ff.,  die  auf  Porphyrios 
zurückgeht,  wird  als  Regierungszeit  des  Demetrios  ol.  121,4  ^ 
— 123,1=293/2  —  288/7  angegeben.  Um  dieses  Datum  zu  ver- 
stehen, müssen  wir  die  Frage  aufwerfen,  ob  der  Chronograph 
Ante-  oder  Postdatierung  bevorzugt  hat.  Nun  steht  fest,  dass 
Demetrios  im  Laufe  des  Jahres  294/3  den  makedonischen 
Thron  eingenommen  hat.  Da  Athen  im  Frühjahr  294  gefallen 
ist,  und  der  Sommer  mit  dem  Feldzug  im  Peloponnes  ver- 
ging, wodurch  Demetrios  verhindert  wurde,  sofort  dem  Rufe 
Alexanders  Folge  zu  leisten,  so  kann  er  frühestens  im 
Herbst  294  nach  Makedonien  gekommen  sein  {Dem.  }it\}>l\ 
Niese  rückt  dieses  Ereignis  sogar  in  das  Frühjahr  293  herab 
(I  365);  aber  auch  so  würde  es  noch  ins  Jahr  294/3  fallen. 
Wenn  also  Porphyrios  oder  seine  Quelle  293/2  als  erstes  Jahr 
des  Demetrios  rechnete,  so  hat  er  Postdatierung  ange- 
wandt, d.  h.  er  hat  das  volle  Jahr  294/3  für  Kassandros' 
Söhne  in  Ansatz  gebracht,  obwohl  sie  nur  noch  während  der 
ersten  Monate  die  Herrschaft  inne  gehabt  hatten. 

Dasselbe  Resultat  erhalten  wir,  wenn  wir  die  Regierung 
Philippos'  HL  ins  Auge  fassen.  Porphyrios  lässt  sie  I2l\2  be- 
ginnen und  rechnet  folgerichtig  31  7/6  als  letztes,  d.  h.  7.  Jahr. 
Der    ptolemäische    Königskanon,    der    dagegen    bekanntlich 


1  Dass  das  vierte  Jahr  der  Olympiade  gerneint  ist,  ergibt  der  Zusam- 
menhang. 


92  W.    KOLBE 

antedatiert,  gibt  in  voller  Übereinstimmung  hiermit  dem  Phi- 
lippos 324/3  —  318/7.  Wenn  in  dieser  sorgfältig  aufgestellten 
Liste,  die  nur  rein  chronographischen  Zwecken  dienen  sollte, 
318/7  noch  für  Arrhidaios  in  Ansatz  gebracht  wird,  so  kann 
dessen  Ermordung  erst  nach  dem  9.  November  317,  also  im 
Anfang  von  317/6,  stattgefunden  haben;  denn  in  diesem  Ka- 
non wird  nach  aegyptischen  Jahren  gerechnet,  die  für  die 
Könige  von  Alexander  abwärts  unmittelbar  als  Daten  zu  ver- 
werten sind  (s.  Ed.  Meyer  Forschungen  II  454).  Vergeblich 
sucht  Beloch  {Gr.  Gesch.  III,  2,  63)  sich  dieser  Folgerung,  die 
sein  ganzes  System  zu  Falle  bringen  muss,  zu  entziehen.  Frei- 
lich hat  Philippos  nach  Diod.  XIX,  11,5  den  makedonischen 
Thron  nur  sechs  Jahre  und  vier  Monate  innegehabt.  Aber  Be- 
loch macht  mit  Recht  darauf  aufmerksam,  dass  diese  Angabe 
dadurch  entstanden  sein  kann,  dass  «die  8  Monate,  die  Ale- 
xander von  dem  Jahr  324/3  regiert  hat,  von  den  7  Jahren,  die 
Arrhidaios  regiert  hat,  abgezogen»  wurden  {a.a.O.  III,  2,63). 
Ptolemaios  konnte  in  seiner  antedatierten  Liste  das  Jahr  318/7 
aber  nur  dann  dem  Arrhidaios  geben,  wenn  dessen  Regie- 
rung bis  in  das  neue  Jahr  hineindanerte.  Es  kommt  hinzu, 
dass  für  Porphyrios  Tabelle  makedonische  Jahre  vorauszu- 
setzen sind,  die  etwa  im  Oktober  begannen.  Selbst  wenn  man 
zugeben  wollte,  dass  Arrhidaios'  Ermordung  kurz  vor  dem 
ägyptischen  Neujahr  Nov.  317  erfolgte  —  wozu  keine  sach- 
liche Nötigung  vorliegt  — ,  so  bliebe  immer  noch  bestehen, 
dass  sie  dem  makedonischen  Jahre  Herbst  317  —  Herbst  316 
angehört. 

Auch  Diodor  bestätigt,  dass  Kassandros  sich  erst  im 
Laufe  des  Winters  31  7/6  des  makedonischen  Thrones  bemäch- 
tigt hat.  Er  berichtet  von  ihm,  dass  er  auf  die  Nachricht  von 
Philippos'  Tod  sogleich  aus  dem  Peloponnes  aufbricht,  sich 
aber  8id  xovq  it\.\\,(hyac,  gezwungen  sieht,  von  einer  regelrechten 
Belagerung  der  Stadt  Pydna  Abstand  zu  nehmen  (Diod.  XIX 
35,1  und  49,1).  Diese  Angabe  lässt  sich  frühestens  auf  den 
November  317  deuten;  eher  ist  aber  eine  spätere  Zeit  zu  ver- 
stehen, denn  yjii\iu)\^c,  sind  «Winterregen».  Kassander  begnügte 
sich  mit  einer  Einschliessung  der  Stadt  und  hungerte  sie  aus. 
Die  Not  stieg  schnell   (taxu  8e   twv  ejtiTiiSeicov  E^ava^tW-OevTCOv), 


DIE   ATTIvSCHRN   ARCHONTKN   VON    293/2  — 27  l/o  93 

und  als  das  Frühjahr  316  herangekommen  war  (mpoc;  uo/ofiF- 
vov  Diod.  XIX  50),  musste  Olympias  sich  zu  Verliandhmgen 
entschliessen.  Dieser  Bericht  lässt  dcutHch  erkennen,  dass 
Kassander  seine  Operationen  in  Makedonien  erst  im  Winter 
begonnen  hat.  Die  Antedatierung  des  Königskanons  und  die 
Postdatierung  in  Porphyrios'  Liste  führen  also  übereinstim- 
mend darauf,  dass  Philippos'  Ermordung  erst  im  Jahre  317/6 
erfolgt  ist;  doch  muss  sie  nach  Diodors  Bericht  gleich  in  den 
Anfang  des  Winters  31  7  fallen.  Zu  demselben  Ergebnis  konnnt 
Ed.  Meyer  in  den  ForscJiiiiiofii  TI  457,  wo  er  auch  die  sog. 
18  jährige  Liste  und  die  babylonische  Tafel  Sp.  II  71  berück- 
sichtigt. Hier  handelt  es  sich  um  babylonische  Jahre,  die  un- 
gefähr von  April  bis  März  laufen.  Nun  gibt  die  1 8  jährige 
Liste  das  Jahr  April  31  7 — März  316  als  7.  Jahr  dem  Arrhi- 
daios;  das  ist  Postdatierung.  Wenn  aber  die  Tafel  Sp.  II  71 
dasselbe  Jahr  als  erstes  dem  Antigonos  zurechnet,  also  ante- 
datiert,  so  muss  Philipps  Tod  in  das  babylonische  Jahr  317/6 
gesetzt  werden. 

Wir  können  mithin  Beloch  nicht  zustimmen,  wenn  er  im 
Hinblick  auf  Porphyrios'  makedonische  Liste  schreibt  {a.a.  O. 
S.  77):  «da  sie  gleichwohl  für  Arrhidaios  die  siebenjährige 
Regierungsdauer  beibehält,  so  kommt  das  Ende  von  dessen 
Regierung  um  1  Jahr  zu  tief  herunter,  was  dann  weiter  be- 
wirkt hat,  dass  auch  die  folgenden  Regierungen  um  1  Jahr  zu 
spät  gesetzt  werden».  Dies  ist  nicht  der  Fall,  wie  sich  mit 
aller  Deutlichkeit  an  der  von  ihm  selbst  aufgestellten  Liste 
beweisen  lässt  (s.  S.  80  oben).  Diese  beruht  auf  dem  Princip 
der  Antedatierung:  das  Ende  eines  Herrschers  fällt  in  das 
erste  Jahr  seines  Nachfolgers  oder,  was  dasselbe  bedeutet, 
das  Jahr  eines  Regierungsanfanges  gehört  in  Wahr- 
heit zum  Teil  noch  dem  Vorgänger.  Porphyrios  dagegen 
hat  in  seiner  Tabelle  die  Postdatierung  angewandt  — nur  da- 
rum handelt  es  sich.  Bei  dieser  Zählungsweise  wird  allerdings, 
wie  Beloch  richtig  hervorhebt,  der  Anfang  einer  Herrschaft 
um  ein  Jahr  zu  tief  herabgerückt,  dagegen  erhalten  wir  für 
ihr  Ende  das  geschichtliche  Datum.  Wir  müssen  uns  diese 
Verschiedenheit  der  beiden  Rechnungsarten  stets  vor  Augen 
halten,  sobald  wir  chronographische  Angaben  auf  unsere  Zeit- 


94  W.    KOLBE 

rechnung  übertragen.  Wenn  wir  das  aber  tun,  dann  erge- 
ben sich  dieselben  Daten,  ob  wir  nun  nach  Porphyrios'  post- 
datierter Liste  (bei  Beloch  S.  76)  oder  nach  der  antedatierten 
(S.  80)  rechnen.  Zum  Beweise  führe  ich  an,  dass  Beloch  Kas- 
sandros'  Tod  ganz  richtig  298/7  setzt,  übereinstimmend  mit 
Porphyrios,  wie  auch  nach  seiner  eigenen  andedatierten  Liste 
299/8   das  letzte   volle  Jahr  seiner  Regierung   gewesen  war. 

Ziehen  wir  nunmehr  die  Summe !  Alexander  ist  im  Laufe 
von  324/3  gestorben  i  (323);  298/7  ist  Kassandros'  Todesjahr 
(297)  und  294/3  das  seines  Sohnes  Alexandros  (294).  289/8  ist 
nach  der  antedatierten  Liste  das  letzte  volle  Jahr  des  Deme- 
trios,  im  ersten  Jahr  des  Lysimachos  288/7  hat  er  den  make- 
donischen Thron  verlassen  müssen.  Es  ist  bekannt,  dass  dies 
im  Frühsommer  eintrat;  folglich  kommt  nur  der  Sommer  287 
in  Frage. 

Mit  diesem  Datum  stimmt  auch  Plutarchs  Angabe  von 
der  siebenjährigen  Herrschaft  des  Demetrios  überein:  Maxe- 
boviac,  —  —  —  eitraETiav  tijco  Atipit^iod  ßeßaiü)?  agyi^eiöi];. 
{Dem.  44).  Freilich  Demetrios  hat  den  Thron  nicht  sieben 
volle  Jahre  innegehabt,  aber  der  Schriftsteller  hat  eben  die 
6  Jahre  und  6  Monate,  die  uns  die  thessalische  Liste  als  Regie- 
rungsdauer angibt,  abgerundet.  Wenn  andererseits  Porphy- 
rios bei  Bus.  Chron.  I  234  ihm  nur  6  Herrscherjahre  gibt,  so 
war  das  die  notwendige  Konsequenz  seiner  postdatierenden 
Zählweise,  nach  der  294/3  ganz  für  Kassanders  Söhne  in  An- 
satz gebracht  war.  Beloch  kommt  durch  Plutarchs  Angabe 
mit  seiner  Chronologie  in  Schwierigkeiten.  Er  muss  Deme- 
trios' Thronbesteigung  bereits  in  den  Sommer  294  verlegen 
im  Widerspruch  mit  Diodor.  Aber  auch  so  erhält  er  eine  sie- 
benjährige Regierungsdauer  nur  wenn  er  von  295/4  —  289/8 
rechnet  und  das  Anfangs-  und  Endjahr  einschliesst  («.  a.  O. 
ni,  2,65).  In  Wirklichkeit  hätte  Demetrios  nach  dieser  Chro- 
nologie den  Thron  aber  nur  genau  sechs  Jahre  innegehabt. 
Es  kommt  hinzu,  dass  das  Jahr  295/4  in  der  antedatierten 
Liste  den  Söhnen  Kassanders  gehört,   deren  Herrschaft  also 


'  Die  genauen  Daten  jiilianischer    Rechnung  setze  ich   in    Klammern, 
soweit  sie  gesichert  sind. 


DIE   ATTISCHEN   ARCHONTEN   VON    293/2  — 27  l/o  95 

erst  Anfang  294/3  ihr  Ende  erreicht  haben  kann.  Man  sieht, 
in  welche  Verlegenheiten  Beloch  dadurch  geraten  war,  dass 
er  Diokles'  Archontat,  in  dessen  Anfang  Athen  als  freie  Stadt 
erscheint,  auf  288/7  festgelegt  hatte.  Nach  den  hier  vorgetra- 
genen Erwägungen  kann  Diokles  erst  im  folgenden  Jahre 
(287/6)  Archon  gewesen  sein. 

Nunmehr  haben  wir  das  Fundament  gelegt,  auf  dem 
wir  unser  chronologisches  Gerüst  aufbauen  können.  Philippos 
gehört  nach  unserer  Darlegung  ins  Jahr  293/2,  Diokles,  des- 
sen Schreiber  aus  der  IV.  Phyle  war,  ist  unmittelbar  nach 
Demetrios'  Sturz  Archon  gewesen,  also  287/6;  folglich  rücken 
Diotimos  (V),  Isaios  (6),  Euthios  (VII)  in  die  Jahre  286/5  — 
284/3  herab.  Gorgias'  Archontat  fällt  280/79,  ihm  folgte  Ana- 
xikrates  279/8  und  Demokies  278/7.  Leider  ist  für  keinen  die- 
ser drei  Eponymen  überliefert,  welcher  Phyle  der  Ratssekre- 
tär angehörte,  so  dass  wir,  um  für  die  Anwendung  dieses 
Hilfsmittels  einen  Anhaltspunkt  zu  gewinnen,  auf  Kombina- 
tionen angewiesen  sind.  Nun  ist  für  Eubulos  durch  Belochs 
scharfsinnige  Überlegungen  {C.  F.  Lchnian^is  Beiträge  I  405) 
das  1.  Jahr  einer  Olympiade  festgestellt;  da  ferner  nur  die 
Zeit  von  279 — 271  in  Frage  kommt,  muss  Eubulos  276/5  oder 
272/1  im  Amte  gewesen  sein.  Polyeuktos  ist  von  Dittenber- 
ger  auf  das  Jahr  275/4  fixiert  {Sylloge'-  Nr.  205  i),  und  die 
Gründe,  die  Beloch  dagegen  ins  Feld  geführt  hat,  haben  den 
Ansatz  nicht  zu  erschüttern  vermocht.  Diese  Daten  halte 
ich  für  die  festen  Stützpunkte  in  dem  schwanken  Ge- 
bäude der  Chronologie  jener  Zeit:  sie  dürfen  weder  mit  Rück- 
sicht auf  den  Kalender  noch  auf  den  Schaltcyklus  verscho- 
ben werden. 

Wir  haben  gesehen,  dass  im  Beginn  der  80''''  Jahre  die 
regelmässige  Folge  der  Schreiber  unterbrochen  war,  und  es 
wird  sich  weiterhin  zeigen,  dass  dies  nicht  die  einzige  Stö- 
rung geblieben  ist.  Wenn  wir  jetzt  das  Fergusonsche  Princip 
zur  Feststellung  der  Archonten  heranziehen,  müssen  wir  von 
unten  nach  oben  fortschreiten  und  das  Jahr  des  Polyeuktos, 
275/4,  dessen  Schreiber  aus  der  VII.  Phyle  Akamantis  war,  als 
Basis  nehmen.  Dann  ergeben  sich  folgende  Möglichkeiten  für 
die  Archonten,  deren  Ratssekretäre  bekannt  sind. 


96 


W.    KOLBE 


Archonten 

Phyle 

Bemerkungen 

Menekles 

XI. 

283/2, 

271/0 

Athen  im  Kriegszustand 
II  316 

Nikias 

XII. 

282/1, 

270/69 

unmittelbarer  Nachfolger 
des  Nikias  II  316.  317 

Aristonymos 

I. 

293/2, 

281/0 

vor  271/0;  Nachfolger  des 
Nikias   II   614 

Pol)-euktos 

VII. 

275/4 

2.  Jahr  einer  Olympiade 
Dittenb.  Sylloge  2^ 205, 1 

Hieron 

VIII. 

274/3 

unmittelbarer  Nachfolger 
des  Polyeuktos  II  323 

Urios 

IX. 

285/4, 

273/2 

vor  271/0  Kirchner,  Rh. 
Mns.  53,  386. 

Für  Menekles  kommt  nur  das  Jahr  283/2  in  Betracht,  da 
271/0  bereits  sicher  besetzt  ist;  sein  Nachfolger  Nikias  am- 
tierte also  282/1.  Auch  für  Aristonymos  bekommen  wir  ein 
festes  Datum,  denn  293/2  ist  für  ihn  ausgeschlossen.  Er  wird 
mithin  in  281/0  verwiesen  und  folgte  auf  Nikias.  Dann  muss 
sein  Name  im  Orgeonendekret  II  614  eingesetzt  werden.  Be- 
loch  gibt  zu  {a.a.  O.  II  47),  dass  dem  keinerlei  Bedenken 
entgegenstellen,  weil  die  Überschrift  auf  einer  rechts  und 
links  über  den  Text  vorspringenden  Profilleiste  stand  (nach 
Köhler  im  Corp2is  zu  IG  II  614).  Eine  genaue  Zeichnung  nach 
dem  Stein  bestätigte  die  Richtigkeit  dieser  Behauptung.  Du- 
monts  Ergänzung  [roQyiJoD  entspricht  dagegen  nicht  den 
Raumverhältnissen.  Es  folgen  280/79  Gorgias,  279/8  Anaxi- 
krates,  278/7  Demokies.  277/6  ist  noch  frei.  Bei  Eubulos  müs- 
sen wir  zwischen  276/5  und  272/1  wählen;  Beloch  entschied 
sich  aus  Wahrscheinlichkeitsgründen  für  276/5.  Das  folgende 
Jahr  275/4  gehört  nach  Dittenbergers  Ausführungen  Polyeu- 
ktos. Sein  unmittelbarer  Nachfolger  Hieron  war  also  274/3  im 
Amte.  Urios  ist  von  Kirchner  (s.  oben)  in  die  80''''  Jahre  ge- 
setzt, doch  ohne  zwingende  Gründe.  Denn  wenn  Epikur  ihn 
auch  in  einen  Briefe  neben  Isaios  nennt,  so  ist  das  kein  fester 
Anhalt.  Nach  den  obigen  Darlegungen  ist  aber  285/4  durch 
Isaios  besetzt,  und  deshalb  müssen  wir,  wenn  wir  nicht  eine 
neue  Störung  des  Cyklus  annehmen  wollen,  mit  Urios  ins 
Jahr  273/2  herabgehen.  Sein  Nachfolger  ist  unbekannt.  P)'- 
tharatos  271/0  schliesst  die  Reihe  ab. 


DIR   ATTIvSCHRN   ARCHONTRN   VON    293/2  — 27  l/o  97 

Es  bleiben  mithin  sieben  Lücken,  nämlich  die  Jahre  292 

288/7,  277/6  und  272/1,  für  die  uns  als  Kandidaten  Kimon  und 
Xenophon  aus  dem  Ehrendekret  für  Phaidros  {/G  II  331), 

ferner  C  h  a  r  i  n  o  s,  T  e  1  o  k  1  e  s  und Ä  a  i  o  g  aus  Epikurs 

Briefen  zur  Verfügung  stehen.  Nur  zwei  Namen  fehlen'und  icli 
möchte  den  Versuch  wagen  sie  hier  einzureihen  :  K  a  1 1  i  m  e- 
des  und  Thersilochos.  Doch  um  zu  beweisen,  dass  sie  über- 
haupt in  unsere  Epoche  gehören,  muss  ich  weiter  ausholen. 

Zu  den  Kriterien,  die  uns  für  die  Archonten  der  Jahre 
290-270  zu  Gebote  stehen,  tritt  noch  eines  hinzu.  Die  Finanz- 
behörde OL  £Jti  tfi  8loixt]ö£l  wird  nur  in  diesen  beiden  Jahr- 
zehnten erwähnt.  Vorübergehend  lebt  der  Titel  gegen  Ende 
des  III.  Jhdts  noch  einmal  auf,  zuerst  IG  II  v  385  d  aus  dem 
Jahr  217/6,  aber  für  die  Zwischenzeit  ist  er  niemals  überlie- 
fert. Da  es  nun  nicht  angeht,  mit  Homolle  {BCHXW  364)  zu 
behaupten,  dass  das  Amt  stets  kollegialisch  gewesen  sei,  dass 
aber  in  den  Inschriften  bald  der  Vorsitzende,  bald  das  Kol- 
legium genannt  wird,  so  muss  man  anerkennen,  dass  eine 
Umgestaltung  der  ursprünglich  als  Einzelmagistrat  errichte- 
ten Behörde  stattgefunden  hat.  Aristoteles  kennt  das  Amt 
überhaupt  noch  nicht.  Den  Finanzminister  mit  dem  Titel  6 
8Jti  tfii  ÖLOixTjaEi  finden  wir  zum  ersten  Male  in  der  Urkunde 
IG  II  251,  die  von  Köhler  innerhalb  der  Jahre  307 — 300  an- 
gesetzt wird ;  seine  letzte  sichere  Erwähnung  ^  vor  der  Ände- 
rung der  Organisation  haben  wir  im  Ehrendekret  für  Hero- 
doros  aus  295/4  [IG  II  300).  Wann  diese  stattgefunden  hat, 
lässt  sich  nicht  aufs  Jahr  bestimmen,  wir  finden  tou;  ej-ti  xr\ 
8ioixi')08i  in  den  Inschriften  unter  Diotimos  286/5  [IG  II  311, 
312),  Euthios  284/3  (II  314),  Menekles  283/2  (II  v614  c),  Ni- 
kias  282/1  (II  316)  und  in  II  v  318  b  aus  demselben  oder 
dem  folgenden  Jahre,  im  Beschluss  für  Aischron  II  309,  der 
nicht  lange  nach  Diokles  fällt,  im  Ehrendekret  für  Korneas 
II  V  318  c  (bald  nach  380)  und  für  die  Tenier  unter  Urios 
273/2  (II  V  345  c).  Nicht  datiert  .sind  II  325  —  328,  II  v  373  //, 
374  /5,  513  b.  Kurz  nach  Eubulos'  Archontat  finden  wir  wieder 


*  Vgl.  die  Zu.sammen.stellung  bei  Larfeld   Jiamibuch  Ji-r  <^r/tr/i/sr/ir/i  Epi- 
graphik  II*  721. 

ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX.  7 


98  W.    KOLBE 

einen  Beamten  {IG  II  331  für  Phaidros) ;  vgl.  II  v  371  b,  wo 
der  Titel  ergänzt  ist.  Köhler  fasste  seine  Meinung  im  Kom- 
mentar zu  II  325  dahin  zusammen:  Atque  ol.  128  (268/7)  id 
collegüim  Twv  ejii  ttj  8ioixi]oei  non  iam  exstitisse,  scd  sunimam 
adniinistrationis  denuo  penes  unum  fuisse  constat,  videtur  autem 
aliquot  annis  ante  ol.  128  factum  esse,  ut  fnunus  illud  denuo 
ttni  deferretur. 

Wir  dürfen  demnach  die  Urkunden,  in  denen  ol  lii\  xx\ 
Sioixrjaei  vorkommen,  mit  Sicherheit  der  Zeit  290  —  etwa  270 
zuweisen,  soweit  nicht  innere  Gründe  für  das  letzte  Viertel 
des  Jahrhunderts  geltend  gemacht  werden  können.  Hierdurch 
gewinnen  wir  den  Archonten  des  Ehrendekretes  ^  II  325,  von 
dessen  Namen  nur  HAi^^  erhalten  ist.  Wir  haben  in  der  frag- 
lichen Periode  nur  einen  Archonten,  dessen  Namen  im  Geni- 
tiv die  Buchstabenfolge  HAO  enthält  [KaA,?a(x]ii8o[D.  Nun  ist 
die  Zeilenlänge  von  38  Buchstaben  gesichert;  es  fehlen  also 
vom  Namen  sechs  Zeichen :  diese  Lücke  wird  wieder  durch  die 
Ergänzung  [KaUi[,i]ri8o[ii  genau  ausgefüllt.  Das  wird  schwer- 
lich zufällig  sein.   Also  lese  ich : 

'E  jr  IKa  ?t  ^  i  ji  HAC  udQxovToqejt'iTfjq 

.    .eJtQVTavEIAZ""!    .    Ktt>.?tiaqKaA,Xid8oD    .nA-co-O^e 

ii(;eYQa|.i|xdTEYEN.    . 

.    .  .  i  T  f)  5  :t  Q  Y  TA  NeiagE>cxA,Tiö    laxDQ   latcöv^iQoeö 

QtoveÄeajJTiqjIZIENT 

.   X  a  l  ö  u  |x  n  P  OE  A  P  O  I    E  8  o  '§   e  v   x  fj    i   ß  o  v  ?t  f)   i   x  a  l   x  oj   i  8  V] 

Koehler  lehnte  die  Ergänzung  ab,  weil  der  Name  des  Schrei- 
bers in  Kallimedes'  Jahr  dem  Raum  Z.  3/4  nicht  entspricht. 
Ich  habe  angenommen,  dass  in  unserer  Urkunde  vor  und  hin- 
ter dem  Namen  des  Sekretärs  je  eine  Stelle  frei  gelassen  war, 
und  damit  ist  den  Raumverhältnissen  genügt. 

Wenn  ich  die  Urkunde  II  325  mit  Recht  dem  KaUiii^iörig 
zugewiesen  habe,   so  muss  auch  in  den  anderen   Inschriften 


^  Die  Urkunde  ist  von  anderer  Hand  geschrieben  als  II  306  und  307  ; 
aber  sie  zeigt  in  der  Schrift  grosse  Ähnlichkeit  mit  II  v  307  b. 

'  Vgl.  die  Tari'a  leclio  im  Corpus.  Nach  sorgfältiger  Prüfung  des  von 
Köhler  nicht  gesehenen  Fragmentes  habe  ich  mich  für  die  im  Texte  gege- 
bene Lesung  entschieden.  In  b  21  ist  das  Y  von  ro]i)(;|e;ii  rfj  8ioiXT'|oei]  noch 
jetzt  erhalten. 


DIE   ATTISCHEN   ARCHONTEN   VON    293/2  — 27  l/o  99 

seines  Archontates  die  Finanzbeliörde  den  Titel  01  ettI  tTi  (^loi- 
x>')08i  führen.  Ob  dies  in  I(}  II  .^07  der  Fall  war,  lässt  sich 
nicht  mit  Gewissheit  feststellen. 

Die  normale  Zeilenlänge  beträgt  hier  bis  zur  25.  Zeile  56 
Buchstaben,  weiterhin  57;  Ausnahmen  machen  Z.  1,  2  und 
Z.  24.  Hier  ist  [toug]  oder  [tov  e:ni  ttj  8]ioix[r|]a£L  möglich.  Es 
soll  weiterhin  der  Versuch  gemacht  werden,  auf  anderem 
Weg  zum  Ziel  zu  gelangen. 

Solange  die  Meinung  gegolten  hatte,  dass  die  Namen 
der  Antigonidenfamilie  auf  attischen  Urkunden  im  chremoni- 
deischen  Kriege  ausradiert  seien,  war  es  einleuchtend  gewe- 
sen, dass  Kallimedes  und  Thersilochos  noch  während  der  Re- 
gierung des  ersten  Demetrios  amtiert  haben  müssten,  weil  in 
der  Inschrift  II  306  aus  Kallimedes'  Jahr  in  Z.  9  eines  ßaöi- 
Xeo)?  Ati|,i[iitqlov]  Erwähnung  geschieht  (vgl.  Dittenberger  Her- 
mes II  295  und  Köhler  zu  IG  II  307).  Nun  hat  sich  die  Vor- 
aussetzung als  irrig  erwiesen,  aber  müssen  wir  deshalb  die. 
These  fallen  lassen  ?  Dittenberger  tat  es  und  rückte  beide 
Archonten  in  die  Zeit  Demetrios'  II.  auf  Grund  der  oben 
angezogenen  Urkunde  II  307  \SyUoge'^  221  ^ :  Qiiare  iion 
modo  aequo  iure  illos  duos  annos  alteri  tertii  a.  Chr.  n.  sacetili 
parti  adscribere  licet  ac  priori,  sed  illud  adeo  praeferendum  est 

).  Aber  hier  hilft  uns  Fergusons  Schreibercyklus  weiter. 

Kallimedes'  Schreiber  KaWaag  KaUidöoi'  IlXcoOevc;  gehörte  der 
IV.  Phyle  Aigeis  an,  und  unter  Thersilochos  haben  wir  einen 
Schreiber  aus  der  VI.  Phyle  Leontis.  Nun  ist  im  Jahrzehnt 
der  Regierung  Demetrios'  IL  die  Stelle  der  Leontis  bereits 
durch  OoQuaxiöiii;  'ApiaTO^iievou  A[£i'xovoeuq],  den  Sekretär  unter 
Diomedon  232/1,  besetzt,  und  wir  haben  fürs  erste  keinen 
Grund,  für  dies  Jahrzehnt  eine  Störung  des  Cyklus  anzuneh- 
men. Daher  hat  schon  Ferguson  äen  Schluss  gezogen,  dass 
Thersilochos  und  Kallimedes  nicht  in  den  30®''  Jahren  im 
Amte  gewesen  seien.  Aber  seine  Liste  erlaubte  ihm  nicht,  zu 
der  früheren  Ansicht  zurückzukehren,  denn  er  hatte  die  Jahre 
unter  Demetrios  Poliorketes  bereits  mit  Diokles  und  Isaios 
besetzt.  So  musste  er  zu  einer  gekünstelten  Interpretation  der 
Reste  in  II  306  seine  Zuflucht  nehmen,  um  die  Erwähnung 
des    «Königs  Demetrios»   gegenstandslos   zu  machen.    Kirch- 


100  W.    KOLBE 

ner,  der  ihm   darin   gefolgt  ist,   schreibt    G.  G.  A.   1900,443: 

«Fassen  wir  mit  Ferguson  in  II  306 oTJQaTog  6  jran][Q?] 

—  —  ßaodso)?  Aii|.i[i^tQi,o\i  so  auf,  dass  der  Vater  des  Geehrten 
den  Athenern  unter  der  Regierungszeit  des  Demetrios  Polior- 
ketes  Dienste  erwiesen  hat,  so  versetzt  uns  II  306  in  die  Re- 
gierungszeit des  Antigonos  Gonatas».  Man  kann  sich  beim 
Lesen  dieser  Worte  des  Gefühls  nicht  erwehren,  dass  der  Ver- 
fasser sich  nur  ungern  zu  einer  solchen  Verlegenheitsauskunft 
entschlossen  hat.  Nachdem  wir  aber  gesehen  haben,  dass  ge- 
rade zwischen  den  Jahren  292-287  noch  eine  grosse  Lücke  ist, 
dass  ferner  unter  Kallimedes  das  Amt  twv  ejri  rfi  Öioixt^gel  be- 
stand, brauchen  wir  jene  gekünstelte  Auffassung  der  Inschrift 
nicht  zu  der  unsrigen  zu  machen.  Wir  werden  vielmehr  be- 
haupten, dass  um  der  Erwähnung  des  Königs  Demetrios  wil- 
len die  Urkunde  II  306  in  die  Zeit  des  Poliorketes  gehört. 
Wenn  wir  jetzt  den  Schreibercyklus  zu  Rate  ziehen,  so  er- 
halten wir,  von  Nikostratos  295/4  ausgehend,  dessen  Schrei- 
ber aus  der  XL  Phyle  Aiantis  war,  für  Kallimedes  (IV)  das 
Jahr  290/89  und  für  Thersilochos  (VI)  288/7. 

Wir  haben  weiter  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  sich  die  aus 
Kallimedes'  und  Thersilochos'  Jahr  überlieferten  geschicht- 
lichen Tatsachen  mit  dieser  Datierung  vertragen.  Nach  dem 
Inhalt  des  Dekretes  für  den  Agonotheten  unter  Kallimedes 
II  307  bestanden  damals  freundschaftliche  Beziehungen  zum 
makedonischen  Hof.  Dasselbe  wird  man  mit  Wilamowitz  Anti- 
gonos 244  aus  den  Resten  des  darunter  stehenden  Beschlusses 
für  Thersilochos'  Jahr  schliessen  dürfen.  Von  grösster  Wichtig- 
keit ist  jedoch  die  Beurteilung  des  athenisch-boiotischen  Streit- 
falles {IG  II  308,  II  V  308  (5,  II  V  373  h).  Diese  Urkunden  be- 
sagen, dass  Athen  und  das  xon'ov  köv  Boiü)to)v  durch  einen 
Vertrag  die  Stadt  Lamia  zur  Schiedsrichterin  bestellt  haben 
Der  Streit  wurde  beigelegt  und  die  lamischen  Schiedsrichter 
sowie  ihre  Stadt  erhielten  Ehrenkränze.  Es  ist  allgemein  aner- 
kannt, dass  ein  solcher  Vertrag  sehr  wohl  zur  Zeit  der  Herr- 
schaft Demetrios'  I  abgeschlossen  sein  kann  (Dittenberger 
Hern t es  II  297).  Denn  der  König  begnügte  sich  auch  nach  dem 
zweiten  Abfall  Boiotiens  mit  der  militärischen  Besetzung  der 
Städte,  während  er  die  politische  Autonomie  des  xoivov  unan- 


DIE   ATTISCHEN    ARCHONTEN    VON    293/2  — 27  l/o         101 

getastet  Hess.  Nur  Theben,  das  die  Seele  des  Aufstandcs  Ge- 
wesen war,  blieb  unter  der  Verwaltung  des  HieronNinos  von 
Kardia  und  erhielt  erst  2S7  seine  nolmia  zurück  (IMut.  /)r///. 
39.  46;  Diod.  XXI  14).  Allerdings  ist  voraus/cusetzen,  dass  kei- 
ner der  beiden  Paciscenten  zur  Zeit  des  Vertragsschlu.sses 
sich  im  offenen  Kampfe  mit  Demetrios  befand.  Dadurch  wer- 
den die  Jahre  vor  291  und  nach  287  ausgeschlo.ssen.  Also 
auch  nach  diesen  Erwägungen  würden  die  Jahre  290/89  und 
288/7  für  Kallimedes  und  Tliersilochos  sehr  gut  passen. 

Auf  ein  Schiedsgericht  der  Lamier  beziehen  sich  drei 
ITrkunden :  /G  II  308  aus  der  II.  Prytanie  des  Tliersilochos 
enthält  einen  Volksbeschluss,  der  auf  Kalai'des'  Antrag  gefasst 
wurde  und  das  vSchiedsgericht  zum  Gegenstande  hat.  /G  II 
V  308  d  ist  ein  Ratsbeschluss.  Wieder  ist  Kalaides  Antragstel- 
ler: der  Rat  soll  in  der  nächsten  Volksversammlung  die  Be- 
kränzung der  Lamier,  die  xac,  biYMg  —  —  xäq  |tev  hiilvauv,  xac, 
be  exQivav  Sixaiooi;  auf  die  Tagesordung  setzen.  Im  P)eschluss 
war  weder  Archon  noch  Tagesdatum  angegeben.  vSchliesslich 
besitzen  wir  den  Volksbeschluss  II  v  373  //  aus  der  I.  Pryta- 
nie eines  unbekannten  Jahres,  durch  den  die  Stadt  Lamia 
und  die  von  ihr  gesandten  Schiedsrichter  belobt  werden;  die 
Verkündigung  des  Kranzes  soll  bei  den  neuen  tragischen 
Spielen  der  Dionysien  erfolgen.  Lolling  setzte  diese  Urkunde 
nach  dem  Schriftcharakter  in  das  letzte  Viertel  des  III.  Jahr- 
hunderts. Da  es  aber  nicht  angeht,  den  Archon  Tliersilochos 
so  weit  herabzurücken,  so  musste  er  annehmen,  dass  z  w  e  i- 
in  a  1  durch  lamische  Richter  ein  athenisch-boiotischer  Streit 
geschlichtet  worden  sei  (vgl.  ÄeXtiov  dpx-  1  ^09,  95  und  danach 
Köhler  zu  IG  II  v  373  /i).  Leider  ist  es  mir  nicht  gelungen, 
den  fraglichen  Stein  aufzufinden.  Aber  ich  glaube  auch  ohne 
Autopsie  aussprechen  zu  dürfen,  dass  das  Kriterium  der 
Schrift  allein  nicht  hinreichend  ist,  um  im  III.  Jhdt  eine 
Inschrift  zu  datieren.  Als  Beispiele  führe  ich  das  Dekret  für 
den  Feldherrn  Bith}-s  IG  II  320  an,  das  Köhler  um  280  an- 
setzte, während  Wilhelm  G.G.A.  1903,  788  f.  es  sicher  richtig 
in  die  Zeit  des  zweiten  Demetrios  verwies.  Ferner  nenne 
ich  die  An timachos -  Urkunden  II  303/4;  auch  bei  ihnen 
glaubte   Köhler  das   erste  Viertel   des   III.  Jahrhunderts   an- 


102  W.    KOLBE 

nehmen  zu  sollen,  während  sich  jetzt  zeigt,  dass  wir  bis  ins 
letzte  Jahrzehnt  herabgehen  müssen.  Köhler  führte  denn  auch 
für  die  späte  Datierung  des  Volksbeschlusses  für  Lamia  einen 
zweiten  Grund  an :  gravius  est,  qiiod  fragmenttim  decreti  in 
honorem  iudicum  Lamtensium  anno  Thersilochi  missorum  ex- 
stat  (II  V  308  B).  Aber  handelt  es  sich  wirklich  um  zwei  ver- 
schiedene Fälle?  Die  von  Köhler  angezogene  Urkunde  enthält 
einen  Rat  sbeschluss,  und  das  Dekret  des  Volkes  (373  Ji) 
nimmt  auf  ein  .Tooßou/^evjia  Bezug.  Im  Ratsbeschluss  werden 
zum  mindesten  fünf  Richter  aus  Lamia  genannt;  im  Volks- 
beschluss  dürften  sechs  Namen  gestanden  haben.  Um  es  kurz 
zu  sagen:  die  Übereinstimmung  scheint  mir  hinreichend  zu 
sein,  um  .-rQoßou/.ei'iia  und  Volksbeschluss  auf  denselben  Ge- 
genstand zu  beziehen.  Durch  den  Xamen  des  Antragstellers 
Kalaides  wird  das  jrooßoi'Xevjia  —  und  durch  dieses  wiederum 
der  Volksbeschluss  —  in  die  Zeit  des  Thersilochos  verwiesen. 
Dieser  Ansatz  wird  dadurch  bestätigt,  dass  II  v  373  h  nach 
Köhlers  Ergänzung^  oi  en:i  xr\  6Loizi]aei  die  Kosten  der  Stele 
übernehmen.  Der  Titel  ist  gerade  in  den  SC''  und  70^"  Jah- 
ren des  Jahrhunderts  üblich  gewesen.  In  ihm  ist  also  kein 
Argument  gegen  unsere  Datierung  zu  erblicken ;  er  scheint 
mir  vielmehr  ihre  Richtigkeit  zu  stützen. 

Doch  bleibt  noch  eine  Schwierigkeit  zu  beheben.  In  der 
II.  Prytanie  unter  Thersilochos  wird  über  irgendwelche  Wün- 
sche der  Lamischen  Schiedsrichter  verhandelt,  und  in  der 
I.  Prytanie  eines  unbekannten  Archonten  erhalten  sie  den 
Ehrenlohn  für  ihre  Bemühungen.  Wenn  die  von  Lolling  in 
II  V  373  h  Z.  1  gegebene  Lesung  "iTHS  (sc.  TconTarsiag)  richtig 
ist,  so  müsste  man  annehmen,  dass  die  Bekränzung  im  ersten 
Monat  unter  Thersilochos'  Nachfolger  —  das  ist  nach  unse- 
ren Ausführungen  Diokles  —  erfolgt  ist.  Die  Grösse  der  Lücke 
ermöglicht  keine  Schlüsse  für  den  Namen  des  Archonten,  da, 
wie  Köhler  bemerkt  hat,  die  Präskripte  in  weitläufiger  Schrift 
geschrieben  sind. 

Es  erübrigt  nunmehr,  die  Jahre  292/1,  291/0,  289/8,  277/6 
und  272/1  nach  Möglichkeit  ihren  Archonten  zuzuweisen.  Aus 


'  Die  Zeilenlänge  spricht  für  die  Richtigkeit  dieser  Vermutung. 


DIE    ATTIvSCHEN    ARCHONTEN    VOX    293/2-- 27  l/o  1  O.i 

dem  Ehrendekret  für  Phaidros  II  331  kennen  wir  Kinion  und 
seinen  Nachfolger  Xenophon,  die  nach  dem  Zusammcnliang 
zwischen  296/5  und  281/0  im  Amte  gewesen  sind.  Dass  erste- 
rer  noch  unter  Demetrios'  Regierung  anzusetzen  ist,  dürfte  all- 
gemein anerkannt  werden.  Dabei  hat  es  sein  Bewenden,  auch 
wenn  das  Ehrendekret  für  den  Strategen  Aristophancs  II 
V  614  /;,  in  dem  Lysias,  Kimon  [IL]  und  dessen  Nachfolger  ge- 
nannt sind,  in  die  30"^'' Jahre  herabgerückt  wird.  Nun  hat  Athen 
im  Jahr  des  Kimon  schwere  Zeiten  durchgemacht  IG  II  331 
Z.  30  ff.:  xetpoTOviiiVig  8e  vnh  xoü  h\\^ov  ejil  t«  öjtXa  aipfaiiyo;  tov 
eviauTOv  tov  Ej-ii  Kijküa-o;  oc'qxovtos  ftiEtEleaev  aytoviiZciiievoc;  i'jrfp  tfi; 
xoivfic  a(ott]piac  xui  :JiEQiaT«VT(i)v  rei  ttoXei  xaipcöv  (ii'oxoÄojv 

8iE(pt3XaHev  np'  ei(;)i]V)iv  \\\\  //opfu Diese  Worte  hat  man 

früher  auf  die  Aitolergefahr  bezogen.  Wenn  ich  Beloch^.^.O. 
III  1,233;  III  2,199.  374  ff.  recht  verstehe,  denkt  er  an  den 
boiotischen  Aufstand,  und  ich  stimme  ihm  vollkommen  bei.  Der 
erste  Aufstand  war  293  niedergeschlagen;  damals  kann  Kimon 
noch  nicht  im  Amte  gewesen  sein,  da  bis  293/2  die  Archonten 
bekannt  sind.  Also  müssen  wir  in  den  Worten  eine  Beziehung 
auf  die  zweite  Erhebung  Boiotiens  sehen,  die  292/1  fällt.  Da 
dieses  Jahr  noch  frei  ist,  so  spricht  grosse  Wahrscheinlichkeit 
dafür,  dass  Kimon  eben  damals  Archon  gewesen  ist. 

Xenophon,  der  bald  nach  ihm  im  Amte  war,  müsste  291/0 
oder  289/8  angesetzt  werden.  Ausser  ihm  ist  nur  noch  Chari- 
nos  für  diese  Jahre  in  Betracht  zu  ziehen,  der  nach  Epikurs 
Briefen  (yr.  100)  vor'  Diotimos  amtiert  hat.  Ohne  zwingende 
Gründe  anführen  zu  können,  möchte  ich  Xenophon  vor  Cha- 
rinos  annehmen,  so  dass  ersterer  das  Jahr  291/0,  letzterer 
289/8  erhält. 

Beloch  rückt  das  Archontat  des  Xenophon  ins  Jahr  282/1 
herunter  (111,2  S.  44).  Denn  «die  Her^'orhebung  der  Wahl  des 
Phaidros  zum  atpariiyos  e^rl  ta  ÖJtXa)  vjto  toü  8i]|.ioi'  schliesst 
die  Zeit  der  Oligarchie  aus».  Nun  darf  man  aber  die  Worte 
Z.  42  ff.   /eiQ0T0vi]{)ei5   e.Ti   la   o.TÄa   .tqwtoc   ö  ji  6  toi"  5ii[.tov 


*  Als  A.  Wilhelm  in  den  Jahresheften  1 902,  1 3b  "  eine  andere  Ansicht 
vertrat,  ging  er  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  die  Jahre  vor  Diotimos 
bereits  sämtlich  besetzt  seien. 


104  W.    KOLBE 

nToaTijyoi;  tov  fviai'xov  tov  sitx  EEviHpCovxog  ägx^vxoc,  —  —  — 
keinesfalls  so  aiitfassen,  als  ob  in  ihnen  eine  Anspielung 
auf  eine  vorhergegangene  oligarchische  Herrschaft  läge.  Die 
Wahl  ujiö  Toii  8i][.ioi)  wird  im  Jahr  Xenophons  nicht  beson- 
ders hervorgehoben,  da  sie  auch  unter  Nikias'  L,  Kimons, 
Nikias'  II.  Archontat  erwähnt  wird.  Freilich  hatte  Ditten- 
berger  Syllogc'^  213^''  den  Passus  :rtQ(TjTO<;  vnh  roO  8i]f^io\) 
mit  Vorbehalt  auf  eine  Verfassungsänderung  bezogen,  und 
Beloch  glaubt  jetzt  nachweisen  zu  können,  dass  die  Demo- 
kratie in  den  letzten  Jahren  der  Demetriosherrschaft  gestürzt 
war  (III  1,234;  III  2,375  ff.).  «An  der  Tatsache  der  Verfas- 
sungsänderung selbst  lassen  die  ausdrücklichen,  mehrfach 
wiederholten  xAngaben  des  Ehrendekretes  (für  Demochares) 

nicht  den  geringsten  Zweifel» elejteoev   itjto  tojv  -^axukv- 

odvTCüv  TOV  Öf]|.iov —  xal  rpvyovTi  f.iEV  imfQ  ÖTifioxpatiag. 

Wir  haben  zunächst  zu  untersuchen,  wann  Demochares 
in  die  Verbannung  gegangen  ist.  Daran  knüpft  sich  die  Frage, 
ob  überhaupt  damals  eine  oligarchische  Revolution  statt- 
gefunden hat.  Nach  Plutarchs  Bericht  Dem.  24  geschah  es 
während  Demetrios  zweiter  Anwesenheit  in  Athen  im  Winter 
304/3,  dass  die  Demokraten  sich  der  Intervention  des  Königs 
in  ihre  inneren  Angelegenheiten  zu  widersetzen  suchten  und 
gerade  dadurch  eine  Reaktion  hervorriefen.  Beloch  verlegt 
die  Verbannung  etwa  ein  Jahrzehnt  später  und  bringt  sie  mit 
der  von  ihm  angenommenen  Verfassungsänderung  in  einen 
kausalen  Zusammenhang.  Er  muss  also  mit  de  Sanctis  {Studi 
di  storia  aniica  II  30)  annehmen,  dass  Plutarch  die  Geschichte 
verwirrt  und  Demochares'  Verbannung  an  falscher  Stelle  be- 
richtet. Es  ist  aber  klar,  dass  die  Gegensätze  zwischen  den 
Anhängern  einer  radikalen  Demokratie  und  der  Partei  des 
Demetrios  gerade  in  den  ersten  Jahren  aufeinanderstossen 
mussten.  Ein  innerer  Grund,  den  Bericht  Plutarchs  anzu- 
zweifeln, liegt  demnach  nicht  vor. 

Nun  hat  freilich  König  Demetrios  im  Jahre  des  Philippos  ^ 


'  Bei  der  Untersuchung  sehe  ich  /.unächst  von  dem  Jahre  des  Archon- 
tates  ab  ;  war  Phihppos  wirkHch  293 '2,  also  vor  Kimon,  im  Amte,  dann  ist 
Belochs  These  unhaltbar,  weil  unter  Kimon  Demokratie  bestand  IG  II  331, 


DIE    ATTISCHEN    ARCH()NTI<:n    VON    293/2        271/0  1(),S 

den  307/6  vertriebenen  Olio-archen  die  Rückkehr  jrestattcL : 
Dion.  Hai.  vita  Dinnrclti  c.  IX  p.  f)51  Itti  toutov  wxOoftog  ih(n\\\ 
TOI?  18  aUoig  q)VYdai  xai  Aeivayxq)  vno  ßaadecog  ÄrifU)TQioi'.  Aber 
darf  man  daraus  auf  eine  Staatsumwcälzunjj;-  im  vSinne  der 
Oligarchen  schliessen?  Das  Pliiloclioros-Praj^inent  1  U)  {hl IG 
I  408)  setzt  uns  hier  in  den  Stand,  die  Wahrheit  zu  finden. 
Im  Hinblick  auf  diese  yj^Ooho.;  twv  <()i'Ya(So)v  sajj^t  der  Chronist: 
xai  Tai)Ti|v  ouH  Iv.  [.igraßo^qc;  jT(_)fo/|iaT(i)v  eo()[ievii\',  CdX  fv  ti)  x(tTF.- 
aTwaT]  jioÄiTEi'a'  x«l  t  i]  \'  y.^'\qv\  e  jt  i  t  eXf  o  0  f|  a' (t  i  o  d  v  e  ß  i). 
Dieser  Zusatz  beweist,  dass  die  Wiederaufnahme  der  verbann- 
ten Oligarchen  eine  Verfassungsänderung  nicht  zur  Folge 
gehabt  hat.  Philochoros  hätte  als  gewissenhafter  Historiker 
nicht  sagen  dürfen,  dass  die  Prophezeiung  sich  bewahrheitete, 
wenn  ein  oder  zwei  Jahre  später  doch  die  Demokratie  gestürzt 
worden  wäre  (vgl.  Beloch  a.a.O.  III  2,  376). 

Was  bleibt  nun  noch  als  Stütze  für  Belochs  Hypothese, 
dass  Athen  damals  eine  oligarchische  Regierung  gehabt  hat? 
Lediglich  die  Stelle  im  Eh^^endekret  für  Phaidros  xfiqotoa'I]- 
Oei? OTpaTiiyog    röv   Eviaviov    tov  ejtI  KifKovog   oq/ovtoc;  -  - 

XCtl     TTIV    JTOÄlV     E^tEufiEQaV    Xrtl,    Öl|[,lOXQaTOV|^lEA')]A'    aftTUX'üftOV    JtaQEf^O)- 

XEV  xai  TOI)?  vofiovc;  xiipioii?  toT?  |ie9'  hivx()\.  Aus  diesen  Worten 
tönt  der  Gegensatz  hervor,  dass  Athen  in  Gefahr  gewesen  ist 
durch  eine  leichtsinnige  Politik  Freiheit  und  Autonomie  zu 
verlieren.  Nicht  Demokratie  und  Oligarchie  sind  die  Gegen- 
sätze, sondern  Freiheit  oder  Demokratie  und  Abhängigkeit. 
Aus  dem  Dekret  wissen  wir,  dass  unter  Kimon  xfx'Qoi  öuoxo^.oi 
für  die  Stadt  angebrochen  waren,  in  denen  Phaidros'  Geschick- 
lichkeit und  Besonnenheit  den  Frieden  zu  erhalten  wusste. 
Es  ist  oben  dargelegt  worden,  dass  in  diesen  W^orten  eine 
Anspielung  auf  den  zweiten  boiotischen  Abfall  zu  erblicken 
ist.  Gewiss  hat  es  damals  nicht  an  Heisspornen  gefehlt,  die 
Athen  in  diese  Bewegung  liineinreissen  wollten.  Phaidros  ist 
einer  solchen  Abenteuerpolitik  entgegengetreten.  Dadurch 
hat  er  der  Stadt  den  Frieden,  die  Freiheit  und  die  demokra- 
tische Verfassung  erhalten,  während  Theben  —  und  dies  ist 
der  Gegensatz,  der  im  Beschluss  mitklingt,  —  durch  den  Krieg 
die  Unabhängigkeit  verlor. 

Aber  auf  welche   Zeit  sollen  wir  den  Passus  im  Antrag 


106  W.    KOLBE 

für  Demochares  beziehen  :  \iexeo)(r\'x-6xi  bk  ovbe\iiäc,  ohyagiiac, 
ovb'  äQyy]v  ovb&\dav  tiq^oti  yiaxakeXvKoxoq  xov  bY\\iovl  Die  Ant- 
wort kann,  glaube  ich,  nicht  zweifelhaft  sein  :  Antipatros 
hatte  nach  dem  Siege  bei  Krannon  eine  oligarchische  Regie- 
rung eingesetzt,  die  durch  Polyperchons  Edikt  nur  für  kurze 
Zeit  beseitigt  wurde.  Denn  schon  317  sehen  wir  die  Verfas- 
sung des  Antipatros  in  den  wesentlichen  Punkten  wiederher- 
gestellt. Durch  ein  volles  Jahrzehnt  ist  sie  unter  der  Herr- 
schaft des  Demetrios  von  Phaleron  in  Geltung  geblieben. 
Erst  als  dieser  durch  den  Sohn  des  Antigonos  gestürzt  wurde, 
erhielt  Athen  die  Demokratie  wieder.  Damals  (im  Jahre  307) 
trat  Demochares  neben  Stratokies  an  die  Spitze  des  Staates. 
Der  Schluss  liegt  nahe,  dass  er  sich  unter  dem  oligarchischen 
Regiment  nicht  in  amtlicher  Stellung  am  politischen  Leben 
beteiligt  hat.  So  findet  das  Ehrendekret  inhaltlich  seine  volle 
Erklärung,  auch  wenn  wir  von  einer  Oligarchie  in  den  letzten 
Jahren  des  Königs  Demetrios  absehen. 

Da  Philochoros'  Worte  unmöglich  machen,  die  Rückkehr 
der  Oligarchen  unter  Philippos  als  den  Anfang  einer  oligarchi- 
schen Reaktion  anzusehen,  werden  wir  Plutarchs  Bericht  nach 
wie  vor  auf  die  Zeit  beziehen,  zu  der  er  gestellt  ist.  Demochares 
ist  304/3  für  die  demokratischen  Prinzipien  in  die  Verbannung 
gegangen,  und  sein  unentwegter  Radikalismus  konnte  mit 
vollem  Recht  hervorgehoben  werden,  auch  wenn  Demetrios 
damals  die  äusseren  Formen  der  Demokratie  unangetastet 
Hess.  Mit  Schubert  {Hermes  X  1 1 1  ff.),  v.  Wilamowitz  [Aiitigonos 
V.  Karystos  191  A.)  u.  a.  bin  ich  der  Meinung,  dass  unter  den 
xataXvaavTe?  röv  6fj|.iov  des  Ehrendekretes  Demetrios  und  seine 
Anhänger  zu  verstehen  sind.  Man  darf  schliesslich  nicht  ver- 
gessen, dass  der  Antrag  erst  im  Jahre  des  Pytharatos  ein  ge- 
bracht wurde,  also  zu  einer  Zeit,  wo  das  Verhältnis  zwischen 
Athen  und  dem  Antigonidenhause  bereits  ein  feindseliges  war. 

Unsere  Archontenreihe  ist  jetzt  vollständig  bis  auf  die 
beiden  Jahre   277/6   und   272/1,   für  die  als   Kandidaten  nur 

Telokles  und Xaio?  in  Betracht  kommen,  ohne  dass  es 

möglich  wäre  eine  Entscheidung  zwischen  beiden  zu  treffen. 
Ich  stelle  nunmehr  die  Ergebnisse  in  einer  Tabelle  zusam- 
men, in  der  ich  die  Phyle  des  Ratsschreibers,   soweit  sie  ge- 


DIE   ATl^ISCHRN    ARCIIONTRN    VON    293/2-271/0         10? 

sichert  Ist,  mit  römischen  Ziffern  ^^el)e;  sonst  sind  arabi- 
sche Ziffen  gesetzt.  Die  überlieferte  kalendarische  Qualität 
ist  durch  S  (  =  Schaltjahr),  G  (  =  Gemeinjahr)  angegeben;  wo 
sie  nicht  überliefert  ist,  schreibe  ich  s  und  g. 


Jahr 


Archon 


Phyle 


Philippos 

Kimon 

Xenophon 

Kallimedes 

Charinos 

Thersilochos 

Diokles 

Diotimos 

Isaios 

Euthios 

Menekles 

Nikias 

Aristonymos 

Gorgias 

Anaxikrates 

Demokies 

Telokles  oder  - 

Eubulos 

Polyeuktos 

Hieron 

Urios 

Telokles  oder  - 

Pytharatos 

In  einem  kurzen  historischen  Abriss  möchte  ich  nun- 
mehr zeigen,  wie  sich  uns  die  Geschichte  Athens  auf  Grund 
dieser  Liste  gestaltet.  Im  Frühjahr  294  hatte  Demetrios  den 
Widerstand  des  Lachares  gebrochen.  Athen  fiel  in  seine  Hand, 
und  makedonische  Besatzungen  zogen  auf  dem  Museion,  in 
Munichia  und   Piraeus  ein.    Auch   Eleusis  -  und  die  Grenz- 


293/2 

292/1 

291/0 

290/89 

289/8 

288/7 

287/6 

286/5 

285/4 

284/3 

283/2 

282/1 

281/0 

280/79 

279/8 

278/7 

277/6 

276/5 

275/4 

274/3 

273/2 

272/1 

271/0 


haoc, 


Xaioq, 


1 

s 

2 
3 
IV 

vS 

5 
VI 

G 

IV 

G 

V 

G 

6 

s 

VII 

G 

XI 

?  1 

XII 

G 

I 

G 

2 

s 

3 

4 

s 

5 
6 

S 

s 

VII 

G 

VIII 

S 

IX 

G 

10 

11 

s 

'  Ob  das  Datum  in  II  315  unter  Menekles  wirklich  die  Annahme  eines 
Gemeinjahres  fordert,  erscheint  mir  fraglich. 

^  Wenn  Demetrios  das  Kommando  in  Athen  und  dem  Piraeus  dem 
athenischen  Strategen  nicht  anvertraute,  was  wir  mit  Bestimmtheit  wissen, 
wird  er  in  Eleusis  ebenso  verfahren  sein. 


108  W.    KOLBE 

festungen  blieben  in  seiner  Gewalt.  Er  sah  sich  durch  die 
politische  Unzuverlässigkeit  der  Athener  zu  dieser  energi- 
schen Handhabung  seiner  Macht  genötigt,  um  so  mehr  als 
er  fürchten  musste,  dass  das  Feuer  des  boiotischen  Aufstan- 
des auch  einmal  nach  Attika  übergreifen  möchte.  Wirklich 
blieb  Athen  nicht  nur  293,  sondern  auch  bei  der  zweiten 
Erhebung  Boiotiens  dem  Könige  treu  (unter  Archon  Kimon 
292/1),  und  der  Friede  war  ungestörte  Auch  von  Demetrios' 
Krieg  mit  den  Aitolern  ist  Athen  nicht  wesentlich  berührt 
worden.  Der  Terrorismus,  den  die  Vorkämpfer  des  helleni- 
schen Freiheitsgedankens  ausübten,  war  gewiss  lästig.  Aber 
man  wusste  sich  zu  trösten,  als  die  Aitoler  290  den  Anhän- 
gern des  Demetrios  die  Teilnahme  an  den  delphischen  Spie- 
len nicht  gestatteten,  und  feierte  auf  des  Königs  Wunsch 
die  Pythien  in  Athen.  Im  folgenden  Jahre  hat  dann  die  Straf- 
expedition nach  Aitolien  stattgefunden,  an  die  sich  der  Feld- 
zug in  Epirus  anschloss  -,  nachdem  Pantauchos  mit  einem 
Teil  des  Heeres  zurückgelassen  war.  Noch  im  Herbst  289 
ist  es  zwischen  Pyrrhos  und  Pantauchos  zur  Schlacht  gekom- 
men, in  der  der  jugendliche,  heldenhafte  Epirotenkönig  die 
Oberhand  gewann.  Den  Sieg  verdankte  er  nicht  zum  wenig- 
sten seiner  persönlichen  Tapferkeit,  und  es  ist  verständlich, 
wie  sein  Verhältnis  zum  Heere  und  Volke  mit  einem  Schlag 
ein  anderes  geworden  war  (Plut.  Dem.  41.  Pyrrh.  7  f.).  Auch 
unter  den  Makedonen  besass  er  Anhänger,  und  als  Demetrios 
(etwa  288)  in  Pella  lebensgefährlich  erkrankte,  benutzte  Pyrr- 


'  Die  Tatsache,  von  der  das  Ehrendekret  für  Phaidros  IG  1\  331  mit 
den  Worten  berichtet  x^'-QOTOVTi'Oeli;  öe  (inö  toü  Siiiiou  en:l  xd  oji^a  OTQaTT)- 

yöi;  töv  eviavTÖv  xov  eotl  Kificavog  agj^ovTo? xal  jteQiaTavTcov  ttj  nokzv 

xaiQcöv  övoxo^cov  8  i  e  cp  ij  ?i.  a  ^  e  v  x  i]  v  e  l  q  i'i  v  t]  v  x  f]  x  ^  q  a  scheint  mir 
den  ganzen  Gegensatz  zwischen  unserer  Zeit  und  der  im  Beschluss  II  v 
614  *  geschilderten  zu  offenbaren  :  unter  Lj'sias  bricht  der  Krieg  aus  (Z.  57), 
der  unter  Kimon  II  und  dessen  Nachfolger  fortdauert  (Z.  69).  Es  ist  der 
demetrische  oder  aratische  Krieg,  von  dem  hier  die  Rede  ist. 

-  In  diese  Zeit  setze  ich  auch  den  Zug  nach  Kerk^'ra  und  die  Verbin- 
dung mit  Lanassa,  die  Plutarch  nur  beiläufig  erwähnt  (Pyrrh.  10).  Beloch 
tritt  für  das  Jahr  291  ein  (III  2  vS.  200).  Aber  damals  musste  Demetrios  den 
zweiten  boiotischen  Aufstand  niederwerfen.  Eine  solche  Zeit  war  doch  für 
eine  Brautfahrt  schlecht  geeignet. 


DIE   ATTISCHEN   ARCHONTEN   VON    293/2  — 27  l/o         109 

hos  die  Gelegenheit  7A\  einem  Verstoss  nacli  Makedonien. 
Er  drang  rasch  bis  Edessa  vor;  als  aber  Denietrios  so  weit 
wiederhergestellt  war,  dass  er  ins  Feld  rücken  konnte,  ver- 
trieb er  ohne  grosse  Mühe  den  Eindringling.  Doch  bewilligte 
er  ihm  günstige  Friedensbedingungen,  um  sich  ungestört  den 
Vorbereitungen  zu  den  grossen  Unternehmungen  in  Asien 
widmen  zu  können,  die  darauf  hinausliefen,  das  Reich  des 
Antigonos  wiederzuerobern  {Drni.  43  f.). 

Diese  Pläne  bedeuteten  eine  Gefahr  für  den  Frieden  der 
östlichen  Reiche,  und  sobald  die  Kunde  von  den  gewaltigen 
Rüstungen  an  die  Höfe  des  Lysimachos,  Ptolemaios  und  Se- 
leukos  gelangt  war,  begannen  zwischen  ihnen  Unterhand- 
lungen über  ein  Bündnis  gegen  den  Ruhestörer.  Es  muss 
einige  Zeit  vergangen  sein,  bis  man  zum  Abschluss  gelangte. 
Man  beschloss  dem  König  durch  einen  kombinierten  Angriff 
zu  Lande  und  zu  Wasser  zuvorzukommen,  und.  gewann  auch 
Pyrrhos  für  dieses  gemeinsame  Vorgehen.  Während  im  P'rüli- 
sommer  287  Ptolemaios  mit  einer  stattlichen  Flotte  im  Aigei- 
schen  Meere  erschien,  um  die  Griechenstädte,  vor  allem 
Athen,  zum  Abfall  zu  bringen,  fielen  gleichzeitig  Lysimachos 
von  Osten  und  Pyrrhos  von  Westen  in  Makedonien  ein.  Ehe 
es  zu  einer  entscheidenden  Schlacht  gekommen  war,  verlies- 
sen  die  Makedonen  die  Sache  ihres  Herrn  und  gingen  zu 
Pyrrhos  über,  den  sie  zum  Könige  ausriefen.  Daraufhin  gab 
Demetrios  den  makedonischen  Thron  verloren  und  wandte 
sich  nach  Griechenland  (Sommer  287). 

Inzwischen  war  Ptolemaios'  Flotte  nicht  müssig  geblie- 
ben :  unter  dem  Eindruck  der  Nachrichten  aus  Makedonien 
und  im  Vertrauen  auf  die  ägyptische  Hilfe  vertrieben  die 
Athener  die  Besatzung  aus  dem  Kastell  auf  dem  Museion  und 
erklärten  sich  für  frei.  Bald  darauf,  im  August  287  (""ExaTOi-i- 
ßaicbv  AioxÄeoiig),  fasste  man  für  den  ägyptischen  Admiral 
Zenon  einen  Ehrenbeschluss.  Aber  nun  erschien  Demetrios 
mit  ansehnlicher  Heeresmacht  vor  Athen.  Der  Jubel  ver- 
stummte und  ängstlich  sah  das  kleinmütig  gewordene  Volk 
nach  einem  Retter  aus.  An  Pyrrhos  wird  eine  Gesandtschaft 
geschickt.  Der  aber  war  nicht  gewillt,  für  die  Athener  sein 
Glück  zu  wagen,  zumal   ihm  in  dem  makedonischen   Reich 


110  W.   KOLBE 

lohnendere  Aufgaben  winkten.  So  blieb  der  Demos  bei  der 
nun  beginnenden  Belagerung  ohne  fremde  Hilfe,  und  infol- 
gedessen entschloss  man  sich,  den  erzürnten  König  durch  eine 
Gesandtschaft  um  Milde  zu  bitten.  Wider  Erwarten  zeigte 
sich  Demetrios  den  Vorstellungen  des  Philosophen  Krates 
zugänglich,  und  hob  die  Belagerung  auf. 

Inzwischen  hatte  Pyrrhos  nach  mehrmonatlicher  Allein- 
herrschaft in  Makedonien  das  Reich  mit  Lysimachos  teilen 
müssen.  Er  wird  vermutlich  während  dieser  Zeit  den  Norden 
nicht  verlassen  haben.  Erst  nachdem  das  Abkommen  mit  dem 
Könige  von  Thrakien  getroffen  war,  gewann  er  grössere  Be- 
wegungsfreiheit und  kam  nach  Griechenland  (um  die  Wende 
287/6.  Mit  Jubel  begrüssten  die  Athener  den  Retter:  hofften 
sie  doch,  er  werde  ihnen  Piraeus  und  Munichia  erobern  (Plut. 
Pyrrh.  1 2  8ßoi]{)8i  toI?  "EAb]oi).  Aber  er  dachte  nicht  daran ; 
vielmehr  schloss  er  mit  Demetrios  einen  Vertrag  ab,  in  wel- 
chem er  ihm  seine  griechischen  Besitzungen  garantierte  und 
dafür  die  Anerkennung  als  König  in  Makedonien  erhielt.  Da- 
raus geht  hervor,  dass  Demetrios  jetzt  vor  allem  seine  asiati- 
schen Pläne  am  Herzen  lagen,  für  die  er  die  Rüstungen  unun- 
terbrochen fortgesetzt  hatte.  Kurz  nach  dem  Abschluss  des 
Garantievertrages  mit  Pyrrhos  (fiet'  öXiyov  xi?ovov  sagt  Plu- 
tarch  Pyrrh.  12)  schiffte  er  sich  im  Frühjahr  286  mit  gewalti- 
ger Heeresmacht  von  Korinth  nach  Asien  ein.  Seinen  Sohn 
Antigonos  Hess  er  als  Statthalter  in  Griechenland  zurück. 

In  Athen  atmete  man  auf.  Waren  auch  der  Piraeus,  Mu- 
nichia und  zahlreiche  Kastelle  noch  in  den  Händen  makedo- 
nischer Besatzungen,  so  war  doch  die  grosse  Gefahr  des  Au- 
genblicks vorüber.  Als  von  den  kleinen  Dynasten,  an  die 
man  gleich  nach  dem  ersten  Erfolg  Gesandtschaften  geschickt 
hatte,  Getreidesendungen  und  Glückwünsche  einliefen,  wur- 
den ihnen  neue  Ehren  beschlossen  (unter  Diotimos  286/5,  im 
Januar  und  Juli  285). 

Schnell  genug  hatte  sich  Demetrios'  Geschick  in  Asien 
erfüllt.  Der  Anfang  des  Unternehmens  war  freilich  sehr  glück- 
lich gewesen.  Nachdem  er  in  Milet  mit  der  ägyptischen  Köni- 
gin Eurydike  zusammengetroffen  war,  deren  Tochter  Ptole- 
mais   er  jetzt  heiratete,  war  er  alsbald  im  Frühsommer  286 


DIE   ATTISCHEN   ARCHONTEN   VON    293/2  —  271/0         11] 

nach  Osten  aufgebrochen  (xrxl  [lExä  tov  yd\ioy  e  v  {)  v  c.  gjti  xuq 
:it6Aei5  TQeJtetai  Plut.  Dem.  46).  Fast  ganz  Lydien  fiel  ihm  zu, 
auch  Sardes  nahm  ihn  auf.  Aber  vor  Agathokles'  überlege- 
nem Heer  weicht  er  vorsichtig  nach  Kappadokien  zurück.  Er 
will  sich  nach  Armenien  werfen,  als  eine  Meuterei  im  Heere 
ihn  zwingt,  nach  Kilikien  zu  gehen.  Im  südlichen  Kataonien 
bezog  er  die  Winterquartiere  286/5.  Die  Tage  des  (rlückes 
waren  vorüber:  im  kommenden  Frühjahr  unterwarf  er  sich 
dem  Seleukos. 

Noch  während  Demetrios  in  Lydien  stand,  hatte  eine 
Anzahl  verwegener  Patrioten  unter  Mnesidemos'  Führung 
versucht,  das  Kastell  im  Piraeus  durch  einen  Handstreich  zu 
gewinnen  (vgl.  Polyaen  V  1  7  :  Atjp'itqioi;  keqI  ttjv  Adöuxv  \]v). 
Aber  der  karische  Offizier  Hierokles,  den  sie  bestachen,  blieb 
seinem  Herrn  treu  und  teilte  den  Anschlag  seinem  Ober- 
sten mit.  So  wurden  die  eindringenden  kühnen  Männer  um- 
zingelt und  niedergemacht  (286).  Mehr  Glück  hatte  Demo- 
chares  gehabt,  der  etwa  um  dieselbe  Zeit  Eleusis  durch  Be- 
stechung den  Makedonen  entriss.  Im  übrigen  machte  die 
Sache  Athens  keine  Fortschritte.  Noch  284/3  finden  wir  den 
Piraeus  und  die  Kastelle  in  Feindeshand  (II  314  unter  Eu- 
tliios'  Archontat).  Aber  bald  darauf  scheint  Olympiodoros  die 
Vertreibung  der  feindlichen  Garnison  aus  dem  Piraeus  und 
Munichia  gelungen  zu  sein  (Paus.  I  26,  3  ^).  Die  Folge  war, 
dass  Antigonos  heranrückte,  um  seine  sonstigen  Besitzungen 
zu  sichern  und  womöglich  den  Hafen  wiederzugewinnen.  Un- 
ter Menekles'  Archontat  283/2  begann  der  Krieg  {/G  II  316 
ejti  MeveHÄeoD«;  ägiovroc,  jtoÄe^xoi)  xatexovTOi;  tt]v  iioXiv)  und  dau- 
erte unter  Nikias  282/1  fort;  denn  IG  II  31  7  Z.18  wird  mit  den 
Worten  toö  noXi^iov  yevo[iivov  auf  den  laufenden   Krieg  ange- 


*  Den  Bericht  des  Pausanias  hat  de  Sanctis  studi  di  storia  II  32  f.  ver- 
dächtigt, obwohl  es  a.  a.  O.  heisst  '0^uti7tio8o)Q(p  8e  toiito  jüv  ev  'AÖi'ivaig 
elolv  EV  TE  dxQOJt6A.Ei  xai  ev  ^tQDTavEito  Ti^iai,  toüto  8e  ev  'EA.euölvi  yQUCpri. 
In  letzter  Linie  gehen  diese  Nachrichten  also  auf  epigraphische  Quellen  zu- 
rück. Infolgedessen  kann  ich  mich  Belochs  Ansicht  nicht  anschliessen,  son- 
dern halte  mit  Wilamowitz  {Antigonos  v.  K.  257)  und  Niese  a.  a.  O.  231  " 
daran  fest,  dass  die  fortgesetzten  Bemühungen  der  Athener,  in  den  Besitz  des 
Piräus  zu  kommen,  von  Erfolg  gekrönt  worden  sind. 


112  W.    KOLBE 

Spielt.  Die  militärische  Leitung  der  Dinge  lag  in  Olympio- 
doros'  Hand.  Wir  wissen  nur  von  einem  Angriff  der  Makedo- 
nen  auf  Eleusis,  der  unter  seiner  Führung  siegreich  abge- 
schlagen wird  (Paus.  I  26,  3).  Andere  Einzelheiten  sind  nicht 
bekannt,  und  auch  über  den  Ausgang  des  Krieges  schweigen 
unsere  Quellen.  Man  darf  vielleicht  vermuten,  dass  Antigo- 
nos  auf  die  Fortsetzung  der  Feindseligkeiten  verzichtete,  als 
sich  ihm  nach  Lysimachos'  und  Seleukos'  Tode  die  Aussicht 
eröffnete,  den  väterlichen  Thron  wiederzugewinnen.  In  dem 
x\ugenblick,  als  Ptolemaios  Keraunos  sich  zum  Könige  von 
Thrakien  und  Makedonien  gemacht  hatte,  musste  Antigonos 
den  Frieden  mit  Athen  wünschen,  um  sich  mit  voller  Kraft 
gegen  den  Rivalen  wenden  zu  können.  Noch  im  Jahre  280  ist 
er  gegen  Keraunos  zu  Felde  gezogen  \  aber  er  wurde  geschla- 
gen und  zog  sich  nach  Boiotien  zurück  (Memnon  1  3).  Bald  da- 
rauf schiffte  er  sich  nach  Kleinasien  ein,  wo  er  sein  Glück  ge- 
gen Antiochos'  Strategen  Patrokles  versuchte,  während  sein 
Bruder  Krateros  als  Statthalter  in  Griechenland  zurückblieb. 
So  standen  die  Dinge,  als  279  die  Keltengefahr  herein- 
brach :  Aitoler,  Phoker,  Boioter  und  Athener  haben  neben 
Antigonos'  und  Antiochos'  Söldnern  bei  den  Thermopylen  ge- 
fochten. Athen  blieb  während  der  folgenden  Jahre  in  freund- 
schaftlichen Beziehungen  zum  Hause  der  Antigoniden.  Das 
beweist  das  Dekret  H  v  323  d  aus  Hierons  Jahr.  Aber  noch 
einmal  hat  es  den  Versuch  unternommen,  die  Macht  des  ma- 
kedonischen Königs  in  Griechenland  zu  brechen.  In  Peithi- 
demos' Jahr  266/5  hat  es  mit  Sparta  das  verhängnisvolle  Bünd- 
nis geschlossen,  das  den  Chremonideischen  Krieg  einleitete. 
Nach  Antigonos'  Sieg  stand  die  makedonische  Macht  fester 
denn  je  in  Griechenland,  und  wieder  lag  eine  fremde  Garni- 
son auf  dem  Museion. 

Athen. 

Walter    Kolbe. 


'  Ungefähr  zur  gleichen  Zeit  erhoben  sich  unter  Führung  Spartas  eini- 
ge Staaten  im  Peloponnes,  aber  die  Bewegung  wurde  durch  einen  raschen 
Sieg  der  Aitoler  niedergeschlagen.  (Justin  XXIV  1,  1  —  b).  Die  Erhebung 
fällt  vor   den  Galliereinfall,    zu  dessen   Zeit  Antigonos  bereits  in  Asien  war. 


113 


UNTERSUCHUNGEN  IN  KOIOTIEN  UND  PHOKIS. 


Die  Ergebnisse,  die  ich  im  Herbst  1902  und  im  Frühjahr 
1 903  bei  der  Aufdeckung  des  Grabhügels  der  Makedonen  und 
bei  einer  vorläufigen  Untersuchung  der  prähistorischen  Erd- 
anschüttung  am  Kephisos  bei  Chaironeia  erzielte  ',  sodann 
einige  sich  daran  anschliessende  Beobachtungen  über  die  in 
der  boiotisch-phokischen  Ebene  zerstreuten  Tumuli  und  prä- 
historischen Ansiedlungen  gaben  mir  die  Veranlassung  zu 
den  Ausgrabungen,  über  die  ich  im  Folgenden  berichte.  Die 
im  Auftrage  der  griechischen  archäologischen  Gesellschaft 
veranstalteten  Arbeiten  begannen  am  1  3.  Juli  vorigen  Jahres 
und  haben  bis  zum  21.  Oktober  pfedauert. 


1.    Topographisches   über   Chaironeia. 

Das  Stadt  flüsschen  Haimon   und   das  Herakleion. 

Ein  Stadtflüsschen  Haimon  —  jtotdfxiov  [xixqov  ev  XaiQco- 
veia  et?  tov  Ki](piö6v  e[ißu}lov  —  und  ein  nahe  daran  gelegenes 
Heraklesheiligtum  werden  von  Plutarch  in  der  ViYa  Deniosthe- 
nis  XIX  ausdrücklich  bezeugt.  iA.uch  abgesehen  von  der  Be- 
deutung, welche  er  der  Erwähnung  beider  in  seiner  legenda- 
rischen Erzählung  über  den  Verlauf  der  Schlacht  beimisst, 
würde  es  wohl  von  Interesse  sein,  die  sonst  unbekannten 
Punkte  festzustellen,  da  wir,  trotz  Plutarchs  Nachrichten  über 
seine  Vaterstadt,  weder  über  die  Topographie  derselben,  die 
doch  eine  so  wichtige  Rolle  in  der  antiken  Kriegsgeschichte 
spielt,  noch  über  ihre  Heiligtümer,  welche  vielfach  in  chairo- 
neischen  Inschriften  erwähnt  werden,  genügend  unterrich- 
tet sind. 


*  Vgl.  Athen.    Mitteil.    1903    S.  301  ff.    (dazu    die  topographische  Skizze 
auf  S.  305),  310  '. 

ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX  8 


114  G.   SOTIRIADIS 

Was  das  Flüsschen  anbelangt,  so  ist  nach  dem  Vorgange 
Kromayer's  ^  von  der  Betrachtung  das  Wasser  auszuschlies- 
sen,  welches  heute  den  Dorfbrunnen  speist.  Dasselbe  wird 
von  der  Quelle,  die  unter  dem  felsigen  Zuschauerraum  des 
Theaters  entspringt,  durch  eine  antike  Leitung  ein  paar 
Meter  weiter  zum  Brunnen  geführt,  welcher  ohne  Zweifel  an 
derselben  Stelle  auch  in  alter  Zeit  gestanden  haben  muss. 
Wasser  ist  also  hier  nie  in  einem  Bett  frei  geflossen.  Aber 
auch  das  vom  Brunnen  abfliessende  Wasser  kann  nie  ein 
Rinnsal  gebildet  haben,  das  den  Namen  Flüsschen  (jtotu^uov, 
Qgiijia  nach  Plutarch)  verdient  hätte,  weil  es  bei  dem  sonstigen 
Mangel  an  laufendem  Wasser  in  dem  Stadtgebiet  sicher  schon 
zuvor  für  die  verschiedenen  Bedürfnisse  der  immerhin  zahl- 
reichen antiken  Bevölkerung  aufgebraucht  wurde.  Heute  ver- 
läuft es  gleich  nach  seinem  Ausfluss  aus  dem  Brunnen  im 
daneben  liegenden  Garten.  Im  Altertum  wird  das  überflüssige 
Wasser  eine  bessere  Benutzung  gefunden  haben. 

Eher  würde  vielleicht  dem  Wildbach,  welcher  durch  den 
Talgrund  östlich  von  der  Burg  in  die  Ebene  sich  ergiesst, 
der  Name  Flüsschen  im  Sinne  Plutarchs  zukommen  -.  Er 
führt  allerdings  nur  bei  starkem  Regen  Wasser,  doch  ist  sein 
Bett  tief  und  zieht  sich  ziemlich  weit  in  die  Ebene  hinein. 
Aber  an  seinen  Ufern  ist  kein  Platz  für  das  Heraklesheilig- 
tum. Die  Terrainverhältnisse  verbieten  es,  das  Flussbett  nach 
der  Richtung  hin  zu  verlegen,  wohin  es  Kromayer  verfolgen 
zu  können  glaubte,  nämlich  nach  Nordwesten,  die  Landstrasse 
entlang.  Der  Wildbach  wird  von  jeher  ziemlich  in  der  Rich- 
tung des  heutigen  Bettes  geflossen  sein,  und  in  dieser  Gegend 
durchzieht  er  die  alte  Nekropole.  Hier  wird  also  das  Heilig- 
tum nicht  zu  suchen  sein.  Sodann  wäre  die  Angabe  Plutarchs, 
dass  das  Flüsschen  an  dem  Heiligtum  vorbeifliesse,  sonderbar 
gewesen,  wenn  er  an  den  Wildbach  gedacht  hätte.  Derselbe 
floss  in  der  Zeit  Plutarchs  teils  durch  die  Stadt,  teils  dicht  an 
ihren  Mauern  vorbei.   Es  hätte  also  viel  näher  für  ihn  gele- 


'   Antike  Schlachtfelder  in  Griechenland  S.  161  ff. 

-  Nur  andeutungsweise  habe  ich   auf  der  erwähnten   topographischen 
Skizze  den  Namen  Haimon  mit  Fragezeichen  für  ihn  angewendet. 


l^NTRRvSUCHUNGEN  IN  R0I0TIF;N  UNI)  PHOKIS  115 

gen  zu  sagen,  dass  das  fragliche  Flüsschen  eben  das  Stadt- 
flüsschen  sei,  welches  rtiv  JtoXiv  ftiappä  oder  n:a(_)(tt)OfT,  aber 
nicht  naQu  xö  'Hgwx/.Kiov  jcaoaoQt-T,  welches  er  keinen  be- 
sonderen (irund  hatte  hier  zu  erwähnen  und  welches  aus  den 
angegebenen  Gründen  sicher  nicht  unmittelbar  bei  der  vStadt 
gelegen   haben  kann. 

Nur  zwei  Flüsschen,  die  auch  wirklich  diesen  Xanien 
verdienen,  können  in  Betracht  konnnen. 

Das  eine  fliesst  durch  den  bei  dem  Löwendenkmal  sich 
öffnenden  Talgrund  des  kleinen  Klosters  Lyküressi.  Auch  in 
der  trockensten  Jahreszeit  führt  es  Wasser,  welches  reichlich 
genug  ist,  um  die  grünen  Flächen  oberhalb  des  Löwen  und 
selbst  die  Felder  um  ihn  herum  zu  bewässern.  Das  andere 
fliesst  bedeutend  östlicher,  etwa  2  Kilometer  weit  von  der 
Stadt,  durch  das  Tal  Karamet  an  dem  westlichen  Vorsprung 
des  felsigen  Grundstockes  des  Thurionberges  bei  dem  Kera- 
tapass  vorbei.  Auch  dieses  führt  dauernd  Wasser  genug  um 
die  Felder  zu  bewässern.  Seinen  alten  Namen  überliefert  uns 
aber  Plutarch  in  der   V/Va  Siillaf  XVIL  Er  hiess  Molos. 

Somit  dürfen  wir  schliessen,  dass  der  plutarchische  Hai- 
mon  der  Bach  von  Lyküressi  ist.  Kromayer  legt  ihm  dem 
Namen  Morios  bei  \  doch  sicherlich  ohne  Grund.  Denn  die- 
ser Name  kommt  nur  in  älteren  Ausgaben  des  Plutarch  vor 
als  fehlerhafte  Schreibart  anstatt  der  richtigen  Molos,  und  der 
Zusammenhang  lehrt,  dass  Plutarch  in  der  Schilderung  der 
Kämpfe  Sullas  bei  Chaironeia  an  beiden  Stellen  nur  den  öst- 
lichsten Bach  Molos  gemeint  haben  kann  -.  Irrtümlich  hat 
Lolling^  den  Namen  Morios  dem  Bach  gegeben,  welcher  bei 
der  Stadt   Panopeus   (heute   Hagios  Wlassis)   die   Grenzlinie 


1  Antike  Schlachtfelder  vS.  1  bO  '. 

*  Sulla  XVII  heist  es:  öyog  ö  xa?vof)nev  'OQOoTiayov  (die  steile  Fels- 
wand der  heutigen  Kegata),  ujio  88  avxb  t  ö  q  e  0  |.i  a  ton  M  6  ?l  o  v  xal 
©ODQioi)  vecog  'An;6?i>tcovo(; ;  c.  XIX  heist  es  ebenfalls :  aWa  toOto  fiev  tö 
TQOJtaiov  £GTT|xe  Tfjg  jt  8  8  i  d  8  o  5  (i  d  x  ^1  ?  11  ^rtQtöxov  8Vfx?avav  oi  JteQi 
'AQxe^aov  jiaQÜ  xö  Mo?,  ou  QelÖQOv,  etEQov  8e  eotl  toii  0  o  u  q  i  o  v 
xatd   xoQDcpriv    ßeßrixcoq. 

^  Hellenische  Landeskunde  undTopographie {\\\an  Müller //audöinh  III)  S.l  28. 


116  G.   SOTIRIADIS 

zwischen  dem  boiotischen  und  phokischen  Gebiet  bildete.  Wie 
dieser  im  Altertum  hiess,  wissen  wir  nicht. 

Im  Tale  von  Lyküressi,  dem  schönsten  und  breitesten 
bei  Chaironeia,  habe  ich  den  Spaten  angesetzt,  um  das  Hei- 
ligtum des  Herakles  aufzusuchen.  Dass  es  dort  nicht  blos  ein 
einziges,  sondern  mehrere  Heiligtümer  gegeben  hat,  ist  un- 
zweifelhaft. An  drei  Stellen,  wo  eine  Kapelle  und  zwei  Rui- 
nen von  Kapellen  liegen,  bemerkt  man  viele  bearbeitete  antike 
Steine  auf  dem  Boden  zerstreut  oder  eingemauert.  Auch  das 
Kloster  selbst,  welches  in  dem  schönsten  obersten  (südlichen) 
Teil  des  Grundes  liegt  und  ausgezeichnetes  Quellwasser  hat, 
liegt  sicher  auf  dem  Platz  eines  alten  Heiligtums.  Allein  so 
hoch  auf  den  Hügeln  in  einem  tiefen  Kessel,  wo  das  Kloster 
liegt,  glaubte  ich  das  Heiligtum  nicht  suchen  zu  dürfen,  bei 
welchem  die  verbündeten  Griechen  ihr  Lager  zuerst  aufschlu- 
gen, als  sie  ihre  Kontingente  aus  der  aufgegebenen  Verteidi- 
gungslinie bei  Parapotamioi  nach  Chaironeia  zurückzuziehen 
begannen  i.  Auch  bei  den  beiden  anderen  Ruinenstätten  Hag. 
Apöstoli  und  Hag.  Anargyri  ist  der  Platz  zum  Aufschlagen 
eines  Lagers  ungeeignet  und  unzureichend,  da  hier  das  Tal 
ganz  schmal  und  felsig  ist.  Hingegen  ist  das  Plateau,  auf 
welchem  die  Kapelle  Hagia  Paraskewi  steht,  ziemlich  gross 
und  es  liegt  nur  ein  wenig  höher  als  der  schon  breite  Tal- 
grund, welcher  von  hier  an  zum  Löwendenkmal  sich  öffnet. 
Dicht  bei  der  Kapelle  unten  fliesst  noch  jetzt  durch  die  fel- 
sige Schlucht  reichlich  das  Wasser  des  Baches.  Etwas  weiter 
nördlich  gegen  den  Löwen  hin  verläuft  es  sich  im  Kieselbo- 
den des  sich  verflachenden  Tales. 

Die  Grabung  begann  mit  der  Aufdeckung  der  Fundamente 
der  kleinen  Kapelle,  da  ich  dort  antike  Inschriftensteine  ver- 
mutete, die  auch  tatsächlich  bald  zum  Vorschein  kamen.  Rings- 
herum war  der  Boden  mit  modernen  Gräbern  besät,  unter  wel- 
chen eine  Schicht  von  viel  älteren,  wahrscheinlich  byzantini- 
schen Gräbern  lag.  Bald  zeigte  sich,  dass  die  jetzige  Kapelle  auf 
den  Resten  einer  ähnlichen  älteren  erbaut  war,  die  wiederum 
auf  dem   östlichen   Teil  der  Ruinen  einer  grossen  byzantini- 


»  Athen.  Mitteil.  1903   S.  320  ff. 


UNTERvSüCHUNGEN   IN   HOIOTIF.N   TN!)    PIIOKIS  117 

sehen  Kirche  errichtet  worden  ist.  Zum  P>au  dieser  Kirche  aber 
wurde  das  Material  eines  griechischen  Tempels  verwendet. 

Triglyphen,  Stücke  von  vSäulenkapitellen  und  Architraven 
aus  Porös  zeigen,  dass  der  Tempel  dorischen  Stiles  war.  Eine 
Masse  von  Porosstücken  war  in  den  .äusseren  Mauern  der  by- 
zantinischen Kirche  verbaut.  Der  vStylobat  der  Kirche,  die 
dreischiffig  ist  und  eine  Länge  von  etwa  35  m  zu  einer  Breite 
von  etwa  14  m  hat,  bestellt  aus  grossen  Kalksteinquadern  mit 
Klammer-  und  Dübellöchern.  Diese  Steine  gehören  offenbar 
dem  griechischen  Gebäude  an.  Nur  die  monolithen  Granit- 
säulen, von  denen  einige  intakt  gefunden  sind,  und  ihre  skul- 
pierten  Kapitelle  sind  byzantinischen  Ursprungs.  Andererseits 
verraten  mehrere  ganz  grosse  Porosquadern  mit  Randbe- 
schlag und  sorgfältig  bearbeiteten  Aussenflächen,  welche  auf 
einer  dicken  Schicht  von  byzantinischen  Dachziegeln  im  Pro- 
naos  der  Kirche  übereinander  lagen,  ihre  Provenienz  aus  den 
Mauern  des  antiken  Tempels.  Zerstückelte  oder  auch  voll- 
ständige Basen  sind  verbaut  in  der  erhaltenen  Kapelle;  Kalk- 
steinblöcke mit  alten  Inschriften  fanden  sich  in  den  Resten 
einer  Mauer  der  älteren  christlichen  Kapelle  und  einer  Treppe, 
die  vom  Pronaos  der  ältesten  Kirche  wahrscheinlich  zu  ihrer 
oberen  Gallerie  führte.  In  dieser  Treppe  waren  auch  zwei 
Pilasterkapitelle  korinthischer  Ordnung  verbaut.  Kalkstein- 
platten, die,  wie  eine  Inschrift  zeigt,  von  einem  antiken  Ge- 
bäude stammen,  sind  zum  Bau  eines  Grabes  aus  römischer 
Zeit  neben  der  Kirche  verwendet  worden ;  grosse  Kalkstein- 
quadern des  antiken  Baus  lagen  als  Deckplatten  auf  christ- 
lichen Gräbern  hinter  der  Apsis  der  Kirche,  während  andere 
ganz  zerstückelte  für  ältere  Gräber  verwendet  worden  sind, 
welche  den  ganzen  Raum  der  tief  verschütteten  byzantini- 
schen Kirche  und  einen  bedeutenden  Teil  ausserhalb  dersel- 
ben besetzten.  Den  Boden  des  Pronaos  der  byzantinischen 
Kirche  sowie  ihres  Mittelschiffes  bildet  ein  interessantes,  mei- 
stens gut  erhaltenes  Mosaik  mit  Ornamenten,  wie  Flechtbän- 
dern, Palmetten,  Kreisen  aus  weissen,  blauen  und  gelben  Stein- 
chen. Nur  vor  dem  Altar  ist  der  Boden  mit  kleinen  polychro- 
men Marmorplättchen  geschmückt.  Sonst  ist  nichts  von  der 
byzantinischen  Kirche  erhalten. 


118  G.    SOTIRIADIvS 

Darnach  zeigt  die  Riiinenstätte  der  Hagia  Paraskewi 
eine  Aufeinanderfolge  von  Anlagen,  die  von  gut  klassischer 
Epoche  bis  zum  Ausgang  des  Byzantinismus  reichen.  Denn 
es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  dort  einst  ein  bedeutender 
griechischer  Tempel  gestanden  hat.  Die  Inschriften,  die  auf 
Basen  und  auf  anderen  Steinen  angebracht  waren,  gehören 
dem  III.  oder  II.  Jahrhundert  v.  Chr.  an.  Sie  sind  Proxenie- 
dekrete,  leider  sehr  verstümmelt,  und  vollständige  Befrei- 
ungsakte oder  Militärlisten  der  dienstpflichtigen  Jugend  von 
Chaironeia.  Die  Form  der  Befreiungsakte,  in  der  xolvt]  oder 
im  boiotischen  Dialekt  abgefasst,  ist  folgende:  "Aqiovxoq  (z.  B. 
ndtQcovog,  MvaaiOD,  KaUiTifiü),  OiAo^evü),  ^avoScoQco)  oder  lapeiaö- 
öovTog  (z.  B.  <I)i?voHev(o  Sevcovoi;)  [^n^vog  Sela'o?  6  ftelva  ävaiii)~i]oi 
TT]v  Ibiav  äiielsv^EQOV  {\)eQdm]vav  oder  öoii^aiv)  hgav  t(ö  ÜE^dj-rei 
oder  Toü  Saodutiöog  oder  xw  'AoxXajriü)  oder  tu  "AoxXujuv  xal 
xr\  Ouyii).  Die  Militärlisten  zählen  mit  der  Formel  xv\  dire- 
YQdq3ev  eE,  Icp^ßcov  ev  id  idyi-iata  bis  34  oder  35  Militärpflichtige 
auf ;  andere  nur  5  oder  1 9  (zweimal). 

Dieser  Tempel  aber  ist  zu  einer  nicht  näher  bestimmba- 
ren Zeit  zerstört  worden  und  zwar,  wie  es  scheint,  so  voll- 
ständig, dass  sein  Material  nur  zu  einem  kleinen  Teil  in  sei- 
ner ursprünglichen  Form  zum  Bau  der  byzantinischen  Kirche 
Verwendung  finden  konnte  ^  Diesen  christlichen  Bau  nun 
dürfen  wir  etwa  in  die  Zeit  nach  dem  X.  Jahrhundert  setzen. 
Denn  das  Lyküressikloster,  welches  eine  Filiale  des  Jerusalems- 
klosters bei  Dawlia  am  Parnass  ist,  gehört  wie  es  scheint  sei- 
ner Gründung  nach  der  Bautätigkeit  an,  die  als  eine  Reak- 
tion gegen  die  Präponderanz  des  Hosios  Lukas  zu  bezeichnen 
ist;  und  die  drei  byzantinischen  Bauten  der  Hagia  Paraskewi, 
Hagii  Apostoli  und  Hagii  Anargyri  dürfen  wir  mit  Recht  in 
eine  gewisse  Beziehung  zur  Gründung  des  Klosters  Lykü- 
ressi  setzen. 

Auch  die  byzantinische  Kirche  ist  einer  gänzlichen  Zer- 
störung anheimgefallen.   Ihre  zahlreichen  Granitsäulen  müs- 


'  Einige  Steine  vom  griechischen  Tempel  fand  ich  in  einem  neben  der 
Kapelle  liegenden  gewölbten  römischen  Grabe  verbaut.  Vielleicht  ist  also 
der  Tempel  schon  in  frührömischer  Zeit  in  Folge  eines  der  das  Land  häufig 
heimsuchenden   Erdbeben    zerstört  worden. 


rNTERSUCHITNGEN   IN   ROIOTIRX   T-NI)   PIIOKIS  119 

sen  verschleppt  worden  sein.  Jalirlninderte  lan^'  nnd  /.war  in 
zwei  weit  von  einander  liegenden  Perioden,  diente  der  Platz 
als  Be<^räbnisstätte  eines  noch  jetzt  an  den  Rninen  erkenn- 
baren byzantinisch -türkischen  Dorfes  bei  Ha<^ia  Paraskewi 
und  zuletzt  des  heutig^en  unter  der  Bur«-  von  Chaironeia  lie- 
genden Dorfes  Käpräna. 

Einen  direkten  Hinweis  auf  das  gesuchte  Heiligtum  des 
Herakles  haben  uns  die  aufgefundenen  Reste  nicht  geboten. 
Die  Befreiungsakte  erwähnen,  vielleicht  zufällig,  andere  Gott- 
heiten, Sarapis,  Asklepios  oder  Asklepios  und  H)gieia,  was 
seinen  Grund  darin  haben  mag,  dass  diese  Götter,  wie  auch 
Dionysos,  der  ebenfalls  in  einem  Befreiungsakt  erwähnt  wird, 
entweder  ou[i(5a)[,ioi  mit  Herakles  waren  oder  irgendwo  in  der 
Nähe  ihre  besonderen  Kultstätten  besassen.  Namentlich  für 
ein  Heiligtum  des  Heilgottes  w^äre  die  überaus  gesunde  und, 
wie  bereits  erwähnt,  durch  gutes  Quellwasser  ausgezeichnete 
Lage  des  Klosters  Lyküressi  sehr  geeignet,  wenn  man  dafür 
nicht  etwa  den  grünen  Hang  ein  w^enig  oberhalb  der  Hagia 
Paraskewi  in  Anspruch  nehmen  will,  auf  welchem  vermutlich 
ein  in  die  christliche  Kapelle  Hagii  Anargyri  verwandeltes 
Tempelchen  gestanden  hat.  Allein  wie  für  das  Lager,  welches 
die  verbündeten  Griechen  am  Vorabend  der  Schlacht  bezogen 
haben  sollen,  kein  passenderer  Ort  zu  finden  ist,  als  das  Tal 
des  Flüsschens  von  Lyküressi,  so  ist  auch  das  Herakleion 
von  dem  Plateau  der  Hagia  Paraskewi  schwerlich  zu  trennen. 
An  den  Berg  angelehnt,  bot  das  Lager  hier  eine  Sicherheit, 
die  es  auch  nur  ein  wenig  weiter  in  der  offenen  Ebene  nicht 
gehabt  hätte.  Die  Fülle  des  Wassers,  welches  sonst  bei  Chai- 
roneia nirgends  zu  finden  ist,  ausser  an  dem  innerhalb  der 
Stadt  gelegenen  Brunnen,  oder  an  dem  etwa  2  Kilometer 
weit  entfernten  Flüsschen  Molos,  bot  einen  weiteren  für  die 
Errichtung  eines  Lagers  schwerwiegenden  Vorteil.  Dieselben 
Vorzüge  des  Platzes  müssen  wir  aber  für  ein  Heiligtum  vor- 
aussetzen, wie  das  Herakleion,  w^elches  wir  uns  nicht  allein 
als  einen  einfachen  Tempel,  sondern  als  eine  mit  einem  an- 
sehnlichen Bezirk  verbundene  Kultstätte  zu  denken  haben, 
gross  genug,  um  ein  Feldlager  zu  beherbergen.  Vielleicht 
war  mit  dem  Heiligtum  verbunden  ein  Gymnasion,  wie  wir 


120  G.    vSOTIRIADIS 

auch  z.  B.  in  Athen  eines  von  den  drei  bedeutenden  Gymna- 
sien ausserhalb  der  Stadt,  das  Gymnasien  Kynosarges,  mit 
einem  Herakleion  verbunden  finden.  Ebenso  wie  das  chairo- 
nei'sche  hat  aber  auch  dieses  athenische  Herakleion  einmal 
als  Lagerplatz  gedient,  nämlich  für  das  siegreiche  Heer  des 
Miltiades  ^  und  zu  den  beiden  Fällen  bietet  eine  interessante 
Parallele  der  Bericht  des  Xenophon  {FIrUcnika  I  3,7)  über  die 
Zernierung  der  Stadt  KaX/iiÖMv  an  der  Propontis  durch  Alki- 
biades:  der  persische  Satrap  Pharnabazos  ixnz-iy^^\\Qzy  etc  t6 
^HQ«xXeiov  Tu  TCÜA'  Ka^/jiftoA'icoA',  qv  fiv  au  TCO  t6  axpaTO  Jieöov. 
Alle  Vorbedingungen  für  ein  geräumiges  Tefxevog  und  für  einen 
guten  Lagerplatz  treffen  zu  auf  die  Stätte  der  Hagia  Para- 
skewi.  Wir  werden  darum  nicht  fehlgehen,  wenn  wir  hier  das 
Herakleion  ansetzen  und  die  zahlreichen  Reste  des  Altertums, 
welche  hier  zu  Tage  traten,  als  Zeugnis  dafür  ansehen,  wenn 
auch  bisher  eine  den  Namen  verbürgende  Inschrift  fehlt. 


2.     Die  prähistorische  Erdanschüttung  am   Kephisos 
bei    Chaironeia. 

Die  Anschüttung  erhebt  sich  bis  zu  einer  Höhe  von  etwa 
3,50  m  über  dem  Niveau  der  umliegenden  Felder  und  bedeckt 
einen  Raum  von  etwa  1  20  m  Länge  und  Breite.  In  römischer 
Zeit  stand  oben  in  der  Mitte  ein  Haus;  auch  römische  Grä- 
ber fanden  sich  dicht  dabei.  In  dem  Schutt  der  römischen  An- 
lage fanden  sich  auch  hellenistische  und  byzantinische  Vasen- 
scherben. Nach  Entfernung  des  römisch-byzantinischen  Schut- 
tes zeigte  sich  die  prähistorische  Anschüttung  intakt.  Neben 
den  römischen  Mauerresten,  die  ich  umberührt  Hess,  habe  ich 
bis  zu  5  m  Tiefe  einen  breiten  viereckigen  Raum,  welcher 
mit  einer  wahrscheinlich  prähistorischen  Mauer  umgeben  ist, 
ausgegraben;  am  genauesten  habe  ich  hinter  der  Mauer  des 
römischen  Hauses  (nördlicher  Teil)  den  Boden  im  Ganzen  bis 
gegen  3  m  und  teilweise  bis  gegen  5,50  m  tief  untersucht. 


^  Herodot  VI  116:  xal  80TQaTon:e8eiiöavTO  ('A^iivaloi)  djtiyfievoi  e|  'Hqu- 


rNTRRvSlX'HITNGRN   IN    ROIOTIRN   T'ND    PlIOKIS 


121 


Hier  in  der  Mitte  stellte  sich  nun  der  Tatbestand  heraus, 
welchen  beistehender  scheniatischer  Durchschnitt  mit  starker 
Übertreibung  der  Höhen  verdeutlicht  (Abb.  1).  Zuucächst  un- 
ter dem  römischen  Schutt  und  sodann  ausserhalb  des  Bereichs 
desselben  unter  einer  etwa  (),.S()  m  dicken,  mit  zahlreichen 
prähistorischen  Vasenscherben  durchsetzten  kultivierten  Erd- 
schicht (1  in  Abb.  1),  welche  die  ganze  Anhöhe  bedeckt,  fand 
sich  eine  nach  allen  Seiten  schräg  abfallende  dicke  Schicht 
rotgebrannter  Erde  von  rund  10m  Durchmesser  (2). 
Dieselbe  ist  am  dicksten  in  der  Mitte  und  wird  nach  der 
Peripherie  zu  dünner,  bis  sie  sich  gänzlich,  verliert. 


ir^^^-  ^1^ -•:.-_-  ^~  .A~ 


Abb.    1, 


Unter  dieser  rotgebrannten  Erde  folgen  sich  dann  vier 
von  einander  durch  eine  ganz  dünne  Kolilenlage  getrennte 
Lehmerdschichten,  jede  etwa  0,80  m  dick  (3-6).  Unter  der 
vierten,  also  der  untersten  dieser  Lehmerdschichten,  ziemlich 
auf  dem  Niveau  der  umliegenden  Felder,  dehnt  sich  wieder 
eine  dünne  Kolilenlage  aus  und  in  dieser  Tiefe  fanden  sich 
zwei  menschliche  Skelette  in  der  Stellung  liegender  Hocker, 
das  eines  erwachsenen  Mannes  und  dae  einer  sehr  jungen  Per- 
son. Sie  waren  in  Lehmerde  gebettet,  ohne  Beigaben,  rings 
herum  lagen  in  Menge  Kohlen  und  Asche.  An  einer  anderen 
höheren  Stelle,  fast  unter  der  Schicht  der  rotgebrannten  Erde, 
fanden  sich  mit  vieler  Asche  und  Kohlen,  einen  ganz  kleinen 
Haufen  bildend,  die  Knochen  eines  dritten  Skeletts. 

Rings  um  diesen  Mittelpunkt  der  Anschüttung  herum, 
in  welchem  die  erwähnten  Schichten  sich  klar  unterscheiden 
lassen,  liegt  eine  in  beträchtlicher  Höhe  aufgehäufte,  mit 
Kohlenstücken  und  mit  Erde  vermengte  Aschenschicht,  die 
sich  bis  gegen  40  m   weit  vom   Zentrum   der  rotgebrannten 


122  G.    SOTIRIADIS 

Schicht  erstreckt  und  sich  aHmählig-  abflacht.  Über  diese 
Strecke  hinaus  bis  zum  äussersten  Rand  der  Anschüttung 
findet  sich  keine  Asche  mehr.  Übrigens  inuss  sich,  wie  es 
scheint,  dieser  ganz  niedrige  Teil  des  flachen,  unmerklich 
ansteigenden  Hügelchens  erst  allmählig  durch  Abschwem- 
mung des  höheren,  ursprünglich  kegelförmigen  Kernes  der 
Anschüttung  und  durch  Einebnung  des  Bodens  in  Folge  der 
Kultivierung  gebildet  haben. 

Wie  in  der  obersten  kultivierten  Erdschicht  bis  zum  äus- 
sersten in  die  Felder  übergehenden  Rand  der  Anschüttung, 
so  finden  sich  auch  in  allen  anderen  Schichten  des  Mittel- 
punktes derselben  und  in  dem  diesen  umgebenden  Aschen- 
haufen sehr  zahlreiche  prähistorische  Vasenscherben,  Obsi- 
dianmesser,  einige  Steinbeile  und  viele  durch  das  Feuer  ge- 
schwärzte Tierknochen.  In  der  Schicht  der  rotgebrannten 
Erde  fanden  sich  ausserdem  mehrere  Stein-  und  Thonidole. 

Diese  Schicht  der  rotgebrannten  Erde  repräsentiert  ohne 
Zweifel  die  Reste  einer  durch  Feuer  zerstörten  Einfriedigung 
oder  Hürde.  Die  aus  Schilfrohr  geflochtenen  und  mit  Ton- 
erde beworfenen  Wände,  durch  das  Feuer  rotgebrannt,  haben 
sich  in  ziegelartige  Klumpen  verwandelt.  Nicht  bloss  die 
zylindrischen  Abdrücke  der  Schilfrohre,  sondern  auch  die 
Reste  des  mit  dem  Wandbewurf  vermengten  Häcksels  sind 
in  allen  diesen  Klumpen  erkennbar. 

Die  Mitte  der  Einfriedigung  nahm  ein  Feuerherd  ein, 
wie  eine  Grube  voll  weisser,  feiner  Asche  beweist.  Daneben 
hat. sich  auch  die  einzige  vollständige  Vase  (Abb.  2  b.)  sowie 
die  Idole  Abb.  4  —  6  und  eine  steinerne  Schüssel  gefunden. 
Auch  an  zwei  anderen  Stellen  innerhalb  der  Einfriedigung 
sehen  zwei  kesselartige  Vertiefungen  wie  Feuerherde  aus;  sie 
enthielten  aber  keine  Asche,  sondern  etwas  Kohlen  an  den 
Wänden  der  Grube  und  sonst  nur  hart  gebrannte  rote  Erde, 
also  Stücke  von  dem  hineingefallenen,  ziegelartig  geworde- 
nen Wandbewurf  der  Hürde. 

Alle  Funde  weisen  darauf  hin,  da.ss  diese  Anschüttung 
dem  neolithischen  Zeitalter  angehört.  Die  verschiedenen  Vasen- 
gattungen, die  alle  handgemacht  sind,  finden  sich  in  allen 
Schichten  und  Tiefen  mit  einander  vermengt. 


UNTERSUCHUNGEN   IN   ROIOTIEN  UNI)   TIIOKIS 


123 


Die  Vasenscherbeii  verteilen  sich  unter  drei  Kategorien; 

die    eine    umfasst    die    monochromen,    mechanisch    polierten 

Vasen,  die  zweite  die  mit  dickflüssiger,  glänzend -ziegelroter 

Farbe  verzierten,  die  dritte  die  gravierten. 

Die  I.  Kategorie  der  monochromen,  mechanisch  polierten 

zerfällt  in  folgende  Unterabteilungen : 

a)   gelblicher  Ton  mit  roter  Oberfläche, 

ß)   brauner  Ton  mit  schwarzer  Oberfläche, 

y)   gelblicher  Ton,  von  aussen  gelblich  poliert,  von  innen 

dunkelbraun  (selten  rot)  poliert. 


Abb.  2. 


Die  IL  Kategorie  zeigt  gelblichen  Ton  und  einen  gel- 
blich-weissen  oder  auch  ganz  weissen  Überzug.  Darauf  sind 
die  geometrischen  Verzierungen  linearen  Systems  gemalt;  es 
sind  Winkelmuster,  Gittermuster  in  verschiedenen  Abständen, 
grosse  Dreiecke  mit  Schachbrettfüllung,  mit  Gitterwerk  ge- 
füllte ^  oder  vollgedeckte  Dreiecke  (x\bb.  2  a,  b.  Abb.  3). 

Die  III.  Kategorie  ist  durch  nur  wenige  Scherben  ver- 
treten ;  sie  sind  teils  poliert  teils  unpoliert.  Die  eingeritzten 
Linien   sind  mit  einer   weissen   Masse  ausgefüllt   (Abb.  2  c). 


'■  Einige  Scherben,  aber  sehr  wenige,  von  Vasen  dieser  Gattung  haben 
sich  auch  in  Orchomenos  bei  den  bayrischen  Ausgrabungen  gefunden.  Die 
thessahschen,  die  eine  entfernte  Analogie  zu  diesen  zeigen,  haben  nicht  blos 
ein  anderes  Dekorationssystein,  sondern  auch  eine  verdünnte,  nicht  glän- 
zende rote  Farbe.  Somit  bilden  die  chaironeischen  eine  Gattung  für  sich, 
die  wir  nur  in  der  prähistorischen  Anschüttung  der  phokischen  Ebene  bei 
Elatea  (s.  unten  Abschnitt  6)  wiederfinden. 


24 


G.    SOTIRIADIS 


Ausser  eingeritzten  Linien  werden  mit  Stäbchen  eingedrückte, 
kreisförmige  Vertiefungen  verwandt. 

Der  Form  nach  sind  diese  Vasen  1)  bauchige  mit  weiter 
Mündung  und  hohem,  kragenförmigem   Hals  (vgl.  Abb.  2  b) ; 


Abb.  ?,. 

2)  Becher  oder  Tassen  mit  steiler  Wandung;  3)  Schalen. 
Nur  ein  Becher  zeigt  Henkel,  sonst  kommen  nur  Schnur- 
löcher vor. 

Stein  gerate  sind  wenige  gefunden  und  zwar  nur 
Beile  ohne  Durchbohrung,  ein  ziemlich  grosses  und  mehrere 
kleine,  einige  sogar  ganz  winzige. 

Eine  besondere  Erwähnung  verdient  ein  Fragment  aus 
Steatit  mit  zwei  Gusskanälchen. 


Abb.  4. 


Abb.  5. 


Von  den  Idolen  ist  eins  aus  weissem,  ein  anderes  aus 
dunklem  Stein,  mehrere  sind  aus  Ton.  Das  aus  weissem  Stein 
gefertigte  (Abb.  4  rechts)  stellt  eine  Frau  dar;  Kopf  abge- 
brochen. Arme  und  Beine  nur  als  stumpfartige  Auswüchse 
gebildet,    die    Hüften    breit,   der  untere    Rand    des   Bauches 


UNTERSUCHUNGEN  IN  BOIOTIEN  UND   I'HOKIS 


125 


durch  Ritzlinien  angedeutet.  Das  Idol  aus  dunklem  vStein 
stellt  einen  Mann  dar  (Abb.  4  links);  das  Ganze  hat  die  Form 
eines  flachen  Dreiecks;  Kopf  kaum  kenntlich;  die  Schultern 
sind  breit  und  mit  Löchern  zum  Aufhängen  versehen.  Von 
den  Tonidolen  ist  meistens  nur  der  stielförmige  Hals  mit  dem 
Kopf  erhalten,  welcher  eine  vorpringende  Nase  zeigt;  Augen 


Abb.   () 


und  Mund  sind  angedeutet  (Abb.  6  oben).  Zwei  Idole  offen- 
bar weiblichen  Geschlechts  hocken  auf  den  Knieen  (Abb.  5). 
Das  interessanteste  Stück  ist  der  Rumpf  einer  weiblichen 
Person  mit  übermässig  entwickelten  Brüsten,  unter  welchen 
die  Hände  an  den  Leib  gepresst  sind ;  auf  dem  Rücken  ist 
ein  Rest  der  hinten  herabfallenden  Haarmasse;  der  Körper  ist 


126  G.    SOTIRIADIS 

mit  kleinen  Winkeln  auf  hellgelbem  Überzug  mit  der  glän- 
zenden roten  Farbe,  welche  auf  den  Gefässen  der  IL  Kate- 
gorie üblich  ist,  bemalt  (Abb.  6  unten). 

Die  erwähnten  Ergebnisse  sind  teils  bei  der  ersten  Schür- 
fung im  Herbst  1 902,  teils  bei  der  im  vorigen  Sommer  ver- 
anstalteten Ausgrabung  gewonnen.  Die  Untersuchung  in  den 
tiefer  als  etwa  3,50  m,  also  unter  dem  Niveau  der  Felder  lie- 
genden Schichten  ging  nicht  leicht  von  Statten,  da  hier  schon 
das  Grundwasser  hervorquillt.  Aber  immerhin  habe  ich  kon- 
statieren können,  dass  das  ursprüngliche  Niveau  der 
Ebene  hier  am  Kephisos  —  die  Anschüttung  erhebt  sich  un- 
weit von  seinem  rechten  Ufer  —  bedeutend  tiefer  lag 
als  das  jetzige.  Denn  in  der  sumpfigen  Schicht,  welche 
unmittelbar  unter  dem  jetzigen  Niveau  der  Ebene  liegt,  be- 
gegnete ich  noch  einigen  winzigen  schwarzen  Scherben  und 
Tierknochen.  Durch  diese  Sondierungen  und  andere  Beo- 
bachtungen in  dem  benachbarten  Terrain  Hess  sich  feststel- 
len, dass  die  Anschüttung  im  prähistorischen  Zeitalter  dicht 
am  Flussufer  und  in  einem  sicher  morastigen  Boden  sich  er- 
hob. Denn  das  uralte  Flussbett  liegt  tief  unter  dem  jetzigen 
Ackerboden  dicht  an  der  Anschüttung,  und  der  ganze  nörd- 
liche Teil  der  Ebene,  den  Kephisos  entlang,  hatte  in  jener 
Zeit  in  höherem  Grade  als  jetzt  den  Charakter  eines  un- 
durchdringlichen Sumpfes.  Das  Niveau  des  Wassers  des  Ko- 
pai'ssees  stand  eben  damals  viel  höher  als  in  den  historischen 
Zeiten,  wie  man  an  den  prähistorischen  Abflusspalten  am 
Fuss  der  vorgelagerten  Berge,  z.  B.  in  der  Nähe  von  Kopai 
sieht.  Der  ganze  niedrige  Teil  der  chaironeischen  Ebene  stand 
also  damals  unter  Wasser  und  glich  vermutllich  einer  tief 
nach  Nordwesten  einschneidenden  Bucht  des  grossen  Sees, 
wie  denn  auch  jetzt  noch  nach  vollständiger  Austrocknung 
der  Kopais  das  Land  hier  zur  Winterzeit  in  einen  förmlichen 
See  sich  verwandelt. 

Wie  sollen  wir  uns  nun  Charakter  und  Entstehung  die- 
ser Anschüttung  denken,  in  welcher  wir  unzweifelhafte  Spu- 
ren uralter  menschlicher  Ansiedlung  am  Rande  eines  Sumpf- 
landes finden? 

Ein   genaueres   Bild  von   der  ursprünglichen  Form  der- 


UNTERSUCHUNGEN  IN  BOIOTIEX   UND   I'IIOKIS  127 

selben  können  wir  uns  machen,  wenn  wir  beachten,  dass  aus- 
serhalb des  Bereiches  der  oben  auf  dem  (xipfel  des  Plügel- 
chens  liegenden  Hürde  keine  Spur  menschlicher  Wohnung 
gefunden  ist.  Ich  erinnere  daran,  dass  die  Hürde  nur  Asche 
in  beträchtlicher  Dicke  und  Ausdehnung  umgibt,  worauf  dann 
die  kultivierte  Erdschicht  liegt,  die  allmcählig  in  das  Niveau 
der  Felder  übergeht.  Wir  bekonmien  also  den  Eindruck,  dass 
wir  hier  mit  einer  einzigen  auf  beträchtlicher 
künstlicher  Anschüttung  stehenden  Hürde 
zu  tun  haben,  welche  der  grosse  Haufen  des 
A  s  c  h  e  n  s  c  h  u  1 1  e  s  umgibt.  Wir  finden  nun  allerdings 
ausserhalb  des  Bereiches  der  Hürde  zwei  Gemäuer,  von  de- 
nen das  eine,  wie  bereits  erwähnt,  einen  ziemlich  grossen 
viereckigen  Raum  umgibt,  während  das  andere  keine  Form 
eines  Gebäudes  zeigt.  Beide  dürfen  wohl  als  prähistorisch 
gelten,  weil  wir  keine  Anzeichen  dafür  haben,  dass  sie  etwa 
römisch  oder  griechisch  sind.  Allein  sie  erheben  sich  ober- 
halb des  xA.schenhaufens,  sie  stecken  in  der  obersten  kultivier- 
ten Erdschicht,  und  wenn  sie  wirklich  prähistorische  Bauten 
darstellen,  so  würden  sie  nur  als  letzte  und  unbedeutende 
Spuren  menschlicher  Bautätigkeit  auf  dieser  x^nschüttung 
in  Betracht  kommen  können.  Kein  Feuerherd  und  kein  ein- 
ziges Hausgerät  ist  in  ihnen  gefunden. 

Andrerseits  ist  zu  bemerken,  dass  auch  unterhalb  der 
Reste  der  Hürde  in  den  von  unten  nach  oben  aufeinander- 
folgenden Lehmerdschichten  kein  Stein,  keine  Spur  von  mor- 
schem oder  gebrannten  Holz,  kein  Klumpen  rotgebrannter 
Erde,  kein  Aschenhaufen  sich  zeigte.  Wo  wir  Asche  gefun- 
den haben,  umgab  sie  die  Skelette  und  bildete  hier  mit  etwas 
Kohlen  nur  die  Zwischenlage  zweier  aufeinanderfolgender 
Lehmerdschichten.  Menschliche  W^ohnungen  aber  irgend  wel- 
cher Art,  welche  zeitlich  der  obersten  Hürde  vorangegangen 
wären,  hätten  uns  irgend  eine  Spur  hinterlassen,  mochten  sie 
auch  aus  vergänglichem  Material  bestanden  haben.  Und  was 
die  geringen  Spuren  von  kleinen  Feuerherden  anbelangt, 
die  sich  hie  und  da  finden,  so  deuten  sie  gerade  durch  ihre 
Kleinheit  und  die  geringe  Menge  der  Asche  darauf  hin,  dass 
sie  nicht   als  zu  Wohnungen  gehörig  gedacht  werden   kön- 


128  G.    SOTiklADlS 

nen.  Ihre  Entstehung  verdanken  sie,  wie  es  scheint,  dem 
Zufall,  wie  ähnliche  auch  heute  von  Landleuten  oder  Arbei- 
tern auf  dem  Felde  zu  momentanen  Zwecken  häufig  ange- 
legt werden. 

Danach  kann  es  als  sicher  gelten,  dass  die  Anlage  kei- 
nesfalls auf  eine  primitive  Wohnstätte  zurückzuführen  ist. 
Die  Anhöhe,  auf  welcher  die  Hürde  gebaut  wurde,  ist  auch 
nicht  auf  einmal  entstanden,  da  wir  keine  einheitliche  Erd- 
aufschichtung bis  zu  dieser  Höhe,  sondern  ganz  deutlich 
durch  gleichmässig  ausgebreitete  Kohlenlagen  von  einander 
ofctrennte  Erdschichten  vor  uns  haben.  Es  muss  also  nach 
jedesmaliger  Bildung  einer  solchen  Schicht  irgend  etwas 
eingetreten  sein,  was  den  Anlass  zu  jener  Ausbreitung  der 
Kohlenlage  gab. 

Wir  glauben  diesen  Eigentümlichkeiten  unserer  prähi- 
storischen Erdanschüttung  am  besten  gerecht  werden  zu  kön- 
nen, wenn  wir  annehmen,  dass  nicht  blos  den  ersten  Anlass 
zu  derselben  eine  sakrale  Anlage  gegeben  hat,  sondern 
auch,  dass  die  Errichtung  der  Hürde  in  der  letzten  Periode 
der  Anschüttung  demselben  Zweck  diente. 

Dicht  am  Ufer  des  Flusses  wurde  auf  künstlicher  An- 
schüttung der  Altar  errichtet,  auf  welchem  vielleicht  dem 
Flussgott  geopfert  wurde.  Von  dem  häufig  brennenden  Herd 
breitete  sich  nach  allen  Seiten  hin  die  Aschen-  und  Kohlen- 
masse aus,  die  sich  auf  demselben  bildete.  Sakrale  Bedürfnisse 
oder  einfach  die  durch  die  Überschwemmungen  oder  durch 
die  Senkungen  im  morastigen  Ufer  bewirkten  Bodenverän- 
derungen veranlassten  von  Zeit  zu  Zeit  eine  Erneuerung 
der  Anschüttung  und  Anlegung  eines  neuen  Opferherdes.  So 
entstanden  die  verschiedenen  mit  Kohlen  bedeckten  Erd- 
schichten während  einer  vielleicht  langen,  ununterbrochenen 
Aufeinanderfolge  von  Jahren.  Zuletzt  kam  man  auf  den  Ge- 
danken, den  Opferherd  mit  einer  Flechtwand  zu  umzäunen, 
und  so  ist  die  Hürde  entstanden,  deren  Zerstörung  das  Ende 
einer  uralten  Zeit  bezeichnet,  welcher  die  Anlage  angehört. 

Die  innerhalb  der  Hürde  gefundene,  mit  einem  Haufen 
weisser  Asche  angefüllte  Grube,  die  daneben  zerstreuten  klei- 
nen Stein-  und  Tonidole,  die,  wie  erwähnt,  ebenfalls  hier  ge- 


UNTERSUCHUNGEN  IN  BOIOTIEN  UND  PHOKIS  129 

fundene  Schale  aus  weissem  Stein,  können  die  Annalmie  von 
dem  Vorhandensein  einer  Opferstätte  an  dieser  Stelle  nur 
bestätigen.  Beachtenswert  ist  auch,  dass  die  Tierknochen 
alle  durch  Feuer  geschwärzt  sind.  Wir  haben  darin  den  Be- 
weis dafür,  dass  die  Fleischstücke  nicht  zum  Essen  gebraten, 
sondern  vom  Feuer  auf  einer  Art  Altar  verzehrt  wurden.  P'ür 
eine  menschliche  Ansiedlung,  in  welcher  doch  wenigstens 
einige  Hütten  zu  einer  Gruppe  vereinigt  sein  mussten,  sind 
auch  die  drei  aufgefundenen  Skelette  zu  wenig,  da  der  Platz 
eine  beträchtliche  Ausdehnung  hat.  Und  wie  ist  die  gewaltige 
Aschenschicht  um  die  Hürde  herum  anders  zu  erklären  denn 
als  eine  Anhäufung  von  Resten  einer  Opferstätte,  die  Jahr- 
hunderte lang  als  solche  benutzt  wmrde? 

An  der  einzigen  Stelle,  wo  eine  Überbrückung  des  Ke- 
phisos  möglich  ist,  an  dem  einzigen  Knotenpunkt  der  Wege, 
die  von  verschiedenen  Seiten  hier  zusammenlaufen,  um  durch 
den  einzigen  Bergpass  in  die  Gegend  der  uralten  Völker- 
schaften der  Abanten  und  Hyanten  zu  führen,  haben  viel- 
leicht die  Ureinwohner  der  chaironeischen  Ebene  eine  Stätte 
ihres  gemeinsamen  Kults  errichtet.  Dass  sie  auch  sonst  in 
der  Ebene  zerstreut  wohnten,  dafür  haben  wir  einen  sicheren 
Anhalt  in  den  zahlreichen  Spuren  prähistorischer  Ansiedlun- 
gen  in  der  phokischen  Ebene,  auf  die  wir  später  zurück- 
kommen werden.  Dass  w4r  aber  in  der  chaironeischen  Ebene 
am  Kephisos  nur  hier  die  Spuren  ihrer  ehemaligen  Anwesen- 
heit finden,  die  doch  zahlreicher  sein  würden,  wenn  sie  auf 
Wohnstätten  zu  deuten  wären,  das  spricht  auch  für  die  Er- 
klärung dieser  Spuren  als  Reste  einer  gemeinsamen  Kult- 
und  Opferstätte. 


3.    Ein  mykenischer   Tumulus  bei  Orchomenos. 

Auf  einen  kegelförmigen  grossen  Tumulus  unweit  von 
Orchomenos  und  südlich  von  ihm  mitten  in  den  Weinbergen 
hatte  schon  Schliemann  sein  Augenmerk  gerichtet.  Er  hat 
auch  eine  Versuchsgrabung  dort  veranstaltet,  die  er  aber  un- 
vollendet Hess.   Diese  Arbeit  habe  ich  im  März  1903  wieder- 

ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX.  9 


130  G.   SOTIRIADIS 

aufgenommen,  indem  ich  den  von  Scliliemann  in  der  Mitte  des 
Tumulus  begonnenen  Schacht  vertiefte.  In  der  Tiefe  von  5  m 
bemerkte  ich  grosse  Steine  und  war  schon  im  Begriff,  die 
Untersuchung  weiter  zu  führen,  als  anhaltende  Regengüsse 
den  Schacht  mit  Wasser  füllten  und  die  Arbeit  vereitelten. 
Mit  Aussicht  auf  besseren  Erfolg  begann  ich  sie  wieder  im 
Juli  vorigen  Jahres  und  setzte  sie  fort,  bis  ich  zum  natürli- 
chen Boden  gelangte.  Es  stellte  sich  dabei  folgender  Tatbe- 
stand heraus. 

Die  zur  Errichtung  des  Tumulus  aufgeworfene  Erde  ist 
von  den  umliegenden  Feldern  entnommen.  Die  Aufschichtung 
ist  einheitlich.  Vasenscherben  begegnete  ich  selten  und  diese 
waren,  ausser  einigen  mechanisch  polierten  monochromen, 
Füsse  oder  Scherben  boiotisch-mykenischer  Becher.  In  der 
Tiefe  von  etwa  5  m  in  dem  aufs  vierfache  von  mir  erweiterten 
Mittelschacht,  da  wo  Scliliemann  gar  nicht  gegraben  hat,  fand 
ich  als  liegenden  Hocker  das  Skelett  einer  nach  den  Zähnen 
zu  schliessen  jungen  Person ;  der  Kopf  neigte  sich  auf  einen 
kleinen  Stein.  Daneben  fand  sich  ein  grosser  Topf.  Als  ich 
ein  wenig  tiefer  grub,  zeigte  sich,  dass  grade  in  der  Mitte  des 
Tumulus  grosse  Bruchsteine  zu  einem  gewaltigen  Kegel  auf 
dem  ursprünglichen  Boden  aufgeschichtet  waren.  Der  Kegel 
war  etwa  2  m  hoch  bei  einem  Durchmesser  von  etwa  6  m. 
Die  Steine  waren  zum  Teil  ganz  grosse  Blöcke,  namentlich 
diejenigen,  welche  zuunterst  mit  offenkundiger  Sorgfalt  im 
Kreise  gelegt  worden  sind.  Dieselben  bildeten  eine  Art  von 
Sockel  und  äusserer  Stütze  für  den  Innenraum,  den  man  dann 
mit  grossen  und  kleinen  Steinen  ausfüllte.  Zwischen  diesen 
Steinen  fand  ich  ausser  Tierknochen  den  Hals  und  mehrere 
Scherben  einer  mykenischen  Bügelkanne,  sowie  Scherben  von 
mykenischen  Bechern  aus  weissem  Ton ;  dazu  eine  kleine 
Pfeilspitze  aus  Obsidian.  Auf  den  kegelförmigen  Steinhaufen 
warf  man  die  Erde  und  so  bildete  sich  der  grosse  Tumulus. 

Rings  um  den  Steinkegel  herum  befindet  man  sich  auf 
dem  ursj^rünglichen  Boden  der  Ebene.  Hier  Hess  sich  konsta- 
tieren, dass  derselbe  um  3  m  tiefer  liegt  als  das  Niveau  der 
jetzigen  Ebene.  Diesen  Zuwachs  haben  in  den  drei  Jahrtau- 
senden  die  Ablagerungen   des  Kephisos  und  seiner  Zuflüsse 


UNTERSUCHUNGEN  IN  ROIOTIEN  UND  PHOKLS  131 

bewirkt.  Die  ursprüngliche  Höhe  des  Tunuilus  niuss  also 
auf  etwa  8  m  geschätzt  werden. 

Der  Lehmboden  der  Kopaisebene  enthält  keine  Steine, 
ja  nicht  einmal  von  Kieseln  ist  eine  vSpur  in  ihm  zu  finden. 
Darum  ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  dass  die  in  der  Mitte  des 
Tunuilus  kegelförmig  aufgeschichteten  Steine  von  weit  her 
und  zwar,  wie  das  Material  zeigt,  vom  Akontionberg  zu  die- 
sem besonderen  Zweck  herbeigeschleppt  worden  sind. 

Die  Steine  Hess  ich  von  dem  grössten  Teil  des  Kegels 
entfernen,  in  der  Hoffnung,  unter  denselben  im  ursprünglichen 
Boden  ein  Grab  zu  finden,  welches  sie  bedeckten.  In  der  auf 
dem  Boden  ruhenden  Schicht  fand  ich  an  einer  Seite  eine 
Art  von  Eingang,  insofern  die  Steine  rechts  und  links  sich 
wie  die  Front  einer  kleinen  Wand  ausnahmen.  Der  Boden 
war  hier  mit  kleinen  Steinchen  gepflastert,  worauf  Asche  und 
Kohlen  nebst  einigen  Tierknochen  lagerten.  Es  war  eine  Art 
von  provisorischem  Herd. 

Weiter  bemerkte  ich,  dass  den  Boden  unter  dem  Stein- 
kegel eine  tiefe  Schicht  von  reinem  Flussand  bildete.  Ich 
vermutete,  dass  hier  eine  Grube  ausgehoben  w^orden  sei,  die 
man  dann  mit  Sand  ausfüllte.  Allein  als  ich  den  Sand  zu 
entfernen  begann,  sprang  wie  aus  einer  Quelle  das  Wasser 
heraus  und  die  Arbeit  musste  sofort  eingestellt  werden.  In 
den  Brunnen,  die  man  heute  in  der  Ebene  gräbt,  quillt  ge- 
wöhnlich das  Wasser  schon  in  der  Tiefe  von  3  m,  welche 
gerade  dem  Niveau  der  prähistorischen  Ebene  entspricht 
Ausserdem  sickert  viel  Wasser  durch  den  Boden  aus  den  was- 
serreichen Bewässerungskanälen,  die  die  Ebene  durchkreuzen. 
Auf  diese  Weise  kann  in  beträchtlicher  Tiefe  in  der  Ebene 
nur  dann  gegraben  werden,  wenn  das  Wasser  aus  den  Kanä- 
len im  Herbst  in  das  tiefe  Flussbett  geleitet  wird  und  der 
Herbst  selbst  besonders  regenlos  ist.  Voriges  Jahr  begannen 
aber  die  Regengüsse  schon  im  September  und  so  musste  die 
beabsichtigte  Fortsetzung  der  Arbeit  auf  ein  anderes  Jahr 
verschoben  werden. 

Die  gemachten  Beobachtungen  machen  es  klar,  dass  der 
Tumulus  in  mykenischer  Zeit  errichtet  w^orden  ist.  Das  Ske- 
lett ist  wahrscheinlich  so  zu  erklären,  dass  einer  von  den  Ar- 


132  G.    SOTIRIADIS 

heitern  bei  der  Errichtung  des  Tumulus  starb  und  dort  hei- 
gesetzt wurde.  Dass  der  gewaltige  Steinhaufen  in  der  Mitte 
eine  Grabanlage  bedeckt,  ist,  glaube  ich,  die  einzig  mögliche 
Vermutung  für  seine  Entstehung.  Eine  solche  Bestattung 
würde  einem  minyschen  Machthaber  gut  anstehen.  Ohne 
Zweifel  war  die  Grabanlage  in  dieser  Form  gegen  jede  Pro- 
fanierung viel  besser  gesichert  als  in  einem  Kuppel-  oder 
Kammergrab  ^. 

4.    Grabhügel  geometrischer   Epoche  bei  Wranözi 
in   der   Kopa'is. 

In  der  Ebene  südlich  von  Orchomenos,  welche  vor  der 
Austrocknung  des  Sees  grossenteils  von  seinen  Fluten  über- 
deckt war,  sind  mehrere  grössere  und  kleinere  Erderhöhun- 
gen zu  bemerken,  von  denen  die  einen  alte  Dorfansiedlungen, 
die  anderen  Grabhügel  oder  Friedhöfe  sind.  Diese  letzteren 
sind  in  griechisch-römischer  Zeit  sicher  als  Grabstätten  be- 
nutzt worden,  wie  die  auf  der  Oberfläche  zerstreuten  Vasen- 
scherben zeigen.  In  wie  weit  sie  in  tieferen  Schichten  auch 
prähistorische  Reste  verbergen,  lässt  sich  ohne  eine  einge- 
hende Untersuchung  nicht  nachweisen.  Prähistorische  Ansied- 
lungen,  (ob  auch  Pfahlbauten?)  am  Rande  des  früheren  Sees 
wird  man  aber  von  vornherein  annehmen  müssen,  da  Reste 
derselben  fast  überall  am  Fuss  der  vorgelagerten  Berge  zum 
Vorschein  kommen.  Unter  dieser  Voraussetzung  habe  ich 
einen  kleinen,  kaum  3  m  über  dem  Niveau  der  Ebene  sich 
erhebenden  Tumulus  einige  6  Kilometer  weit  von  Orchome- 
nos nach  Süden  bei  dem  Dorfe  Wranezi  untersucht.  Prähisto- 
risches habe  ich  nun  hier  nichts  gefunden,  allein  das  Ganze 
erwies  sich  als  eine  antike  Nekropole,  welche  viele  Graeber 


•  Die  Ähnlichkeit  dieser  Grabanlage  mit  einigen  transkaukasischen  der 
Bronzezeit  springt,  glaube  ich,  in  die  Augen  ;  vgl.  Zeitschrift  für  Ethnologie 
1901  S.129  Fig.  48,  Fig.  49  {Forschungen  und  Ausgrabungen  in  Transkaukasien, 
Herbst  des  J.  1899  (Emil  Rösler));  auch  1  898  S.  322  Fig.  40;  1896  S.  81  Fig.  6. 
Bei  mündlicher  Besprechung  der  Sache  machte  mich  Herr  Prof.  Montelius 
auf  ähnliche  Grabtumuli  in  Schweden  aufmerksam. 


UNTERSUCHUNGEN  IN  ROIOTIEN  T'ND   PIIOKIS  133 

geometrischer  Epoche  enthält.  Einige  habe  ich  geöffnet  und 
fand  verschiedene  kleine  und  grosse  geometrische  Vasen 
nebst  einigen  Bronze-  und  (joldschmucksachen.  Die  Toten 
waren  beigesetzt  oder  verbrannt.  Die  (iräber  sind  vSchachte, 
mit  Steinen  umfasst  und  mit  Steinplatten  bedeckt. 

Bemerkenswert  ist,  da.ss  auch  hier  in  der  Mitte  ein  Stein- 
haufen vorhanden  war,  welcher  auf  Sandboden  lagerte.  Lei- 
der quillt  darunter  ebenfalls  das  (yrundwasser  hervor.  vSchon 
die  tiefer  liegenden  geometrischen  Gräber  stehen  unter  Was- 
ser, da  die  umliegenden  Felder  von  dem  austretenden  Kanal- 
wasser im  Sommer  fast  innner  überschwemmt  sind. 


5.   Zwei  Tumuli  hellenischer  Zeit  bei  Drachmani. 

In  der  trockenen  phokischen  Ebene  ist  im  Gegensatz  zu 
der  chaironei'schen  und  zur  Kopai'sniederung  die  Arbeit  alle- 
zeit möglich.  Das  im  Sommer  trockene  Kephisosbett  liegt 
mehrere  Meter  tiefer  als  das  Niveau  des  nordöstlichen  Teiles 
der  Ebene.  In  dieser  Gegend  nahe  bei  Drachmani  und  Elatea 
haben  sich  grosse  Kieselmassen  durch  die  Wildbäche  abge- 
lagert. Gegen  die  Mitte  hin,  bei  dem  Dorfe  Mänessi,  hat  der 
fette  steinlose  Boden  keine  Veränderung  durch  die  Jahrhun- 
derte und  Jahrtausende  erlitten.  Hier  sieht  man  auf  den  fla- 
chen Feldern  an  vielen  Stellen  prähistorische  Vasenscherben 
und  Obsidianmesser.  Besonders  werden  als  solche  prähistori- 
sche Plätze  durch  ausgedehnte  Erdanschüttungen  zwei  Punkte 
bei  Manessi  kenntlich.  Hingegen  zeichnen  sich  durch  ihre 
kegelförmige  Gestalt  als  gewöhnliche  Tumuli  zwei  Hügel- 
clien  aus,  welche  in  der  Nähe  von  Drachmani  beim  Kirchhof 
des  Dorfes  rechts  und  links  vom  Wege  liegen. 

Auf  dem  einen  bemerkte  ich  nebst  griechischen  Scherben 
auch  Obsidianmesser,  die  mit  dem  zur  Errichtung  des  Tumu- 
lus  aufofeworfenen  antiken  Boden  auf  die  Oberfläche  dessel- 
ben  gekommen  sind.  Der  Tumulus  aber  als  Ganzes  erwies 
sich  durch  die  Grabung  als  ein  Werk  des  vierten  vorchrist- 
lichen Jahrhunderts.  Ausser  den  Vasenscherben,  die  dieser 
Zeit  angehören,  fanden  sich  auch  mehrere  eiserne  Lanzenspit- 


134  G.    SOTIRIADIvS 

zen,  verrostete  griechische  Kupfermünzen  und  kleine  Bronze- 
fragmente.  Obgleich  ich  den  Tumulus  nicht  anders  denn  als 
einen  Grabhügel  ansehen  kann,  so  fand  ich  doch  weder  in 
seiner  Mitte  noch  in  der  Peripherie  eine  Grabanlage.  Den 
zweiten  ganz  ähnlichen  Erdhügel  links  von  der  Strasse  habe 
ich  nicht  näher  untersucht.  Immerhin  neige  ich  zu  der  An- 
nahme, dass  sie  beide  in  Beziehung  zu  den  Ereignissen  des 
Jahres  339/8  stehen,  als  Philipp  von  Elatea  aus  und  die  ver- 
bündeten Griechen  von  der  Stadt  Parapotamioi  aus  sich  be- 
kriegten. Demosthenes  (irepi  xov  oxefpdvov  §  216)  spricht  von 
zwei  auf  diesem  Kriegsschauplatz  gelieferten  Schlachten,  von 
der  EJii  Toij  jroTa|.ioij  und  einer  anderen,  die  er  xriv  xsit^sQi^vrjv 
nennt.  Möglicherweise  sind  es  also  die  Gräber  gefallener 
makedonischer  Krieger.  Eine  genauere  Untersuchung  wird 
vielleicht  diese  Fraee  aufklären. 


6.    Eine  prähistorische   Ansiedlung  bei  Elatea. 

Ich  habe  bereits  zwei  ausgedehnte  Erdanschüttungen  bei 
dein  Dorfe  Manessi  erwähnt,  welche  sich  gleich  beim  ersten 
Anblick  als  prähistorische  x'\nsiedlungen  zu  erkennen  geben. 
Sie  liegen  in  einer  Linie  unweit  von  einander  auf  dem  Wege, 
welcher  sich  von  der  Landstrasse  an  der  Kephisosbrücke  ab- 
zweigt und  direkt  durch  die  Felder  nach  Drachmani  führt.  Die 
Vasenscherben,  die  ich  auf  dem  Boden  aufgelesen  habe,  sind 
fast  alle  mechanisch  polierte  und  zwar  gelbliche,  rötliche  oder 
schwarze,  unter  den  letzteren  auch  eingeritzte.  Einige  wenige 
erinnern  an  die  IL  Gattung  von  Chaironeia  (die  mit  ziegelro- 
ter, glänzender  Farbe  dekorierte).  Ein  einziges  Schüssel-Frag- 
ment, schwarz  mit  eingeritzter  Ornamentierung,  zeigt  Henkel 
und  breiten  horizontalen  Rand.  In  Chaironeia  hat  sich  kein 
derartiges  Fragment  gefunden.  Von  Steinwerkzengen  habe 
ich  nur  Obsidianmesser  gefunden,  als  ich  auf  dem  einen  Hü- 
gel einen  tiefen  Graben  zog;  die  Erde  war  mit  viel  Asche  und 
Kohlen  vermengt.  Wahrscheinlich  standen  hier  ganz  ärmliche 
Hüttengruppen.  Interessant  ist  zu  sehen,  dass  das  Feld  um 
diese  Anschüttungen  ausgetieft  und  zum  Teil  tief  ausgehöhlt 


UNTERSUCHUNGEN  IN   BOIOTIEN   T'XI)   l'iroKIS  135 

erscheint;  von  diesen  Stellen  hat  man  offenljar  die  Erde  /.nr 
Erhöhung  eines  Teiles  des  Plateaus  sich  verschafft,  auf  wel- 
chem man  die  Hütten  baute.  Dass  diese  Plätze  Jahrhunderte 
lang  bewohnt  gewesen  sind,  zeigt  die  Menge  des  aufgeschich- 
teten Hauswegwurfs. 

Die  vielen  Reste  von  prähistorischen  Dorfansiedlungen 
in  der  Mitte  der  phokischen  Eigene  setzen  eine  dichte,  wohl 
Ackerbau  und  Viehzucht  treibende  I^rbev(")lkeruug  -  voraus. 
Ihre  Spuren  dürften  deshalb  an  allen  Punkten  dieser  reichen 
Gegend  zu  suchen  sein,  wo  die  Bedingungen  für  geeignete 
Wohnsitze  dieses  Stammes  sich  am  ehesten  erfüllen.  Die  fla- 
che Ebene  ist  wasserlos.  Reichliches  Wasser  führt  dairegren 
der  Bach,  welcher  vielleicht  schon  das  alte  Elatea  mit  Was- 
ser versorgte  und  heute  die  Brunnen  des  grossen  Ortes  Drach- 
mäni  speist.  Grüne  Triften  bilden  sich  in  diesem  Tal,  dessen 
P'lanken  sicher  einmal  bewaldet  waren.  Wenn  somit  ein,  wie 
seine  Artefacte  zeigen,  bedeutender  Volksstamm  sich  in  ural- 
ter Zeit  über  die  chaironeische  und  phokische  Ebene  ausge- 
breitet hat,  so  wird  er  nicht  allein  in  der  Mitte  der  Ebene 
sich  in  einigen  kleinen  Hütten-Gruppen  angesiedelt  haben. 
Seine  Wohnsitze  werden  sich  über  die  ganze  Gegend  ausge- 
dehnt und  die  besten  Punkte  derselben  besetzt  haben.  Es  ist 
sehr  wahrscheinlich,  dass  in  der  neolithischen  Epoche  und 
noch  später  ein  und  derselbe  Volksstamm,  oder  Abteilungen 
desselben,  die  in  jeder  Beziehung  einander  ähnlichen  und  mit 
einander  aufs  engste  verknüpften  thessalisch-phokisch-boio- 
tischen  Ebenen  inne  hatten.  Wir  dürfen  deshalb  für  unsere 
Beobachtungen  ein  breiteres  Fundament  auch  in  ethnologi- 
scher und  kultureller  Beziehung  suchen,  wozu  nur  die  Auf- 
findung wichtigerer  Wohnplätze  jenes  Volkes  uns  verhel- 
fen kann. 

Von  diesem  Gedanken  ausgehend  habe  ich  nach  solchen 
Stellen  zunächst  im  Nordosten  am  Fuss  der  Berge  gesucht. 
Und  hier  begegnete  ich  unweit  des  Baches  einer  gegen  200  m 
langen  Bodenerhöhung,  die  sich  schon  nach  den  auf  der  Ober- 
fläche zerstreuten  Resten  als  eine  überaus  interessante  prä- 
historische Ansiedlung  erwies.  Denn  durch  ihre  Keramik 
nimmt  sie  unter  allen  von  mir  beobachteten  Fundstätten  einen 


136 


G.    SOTIRIADIS 


besonderen  Platz  ein,  insofern  sie  grossen  Reichtum  an  kera- 
mischen Produkten,  der  bei  jenen  fehlt,  und  eine  Kontinuität 
in  der  Kunstübung  aufweist,  die  einerseits  bis  zur  älteren  neo- 
lithischen  Epoche  hinaufreicht,  andrerseits  bis  zur  vormyke- 
nischen  Zeit  hinuntersteigt. 

Eine  durchgreifende  Ausgrabung  der  Ansiedlung  war 
diesmal  nicht  möglich.  Ich  begnügte  mich  deshalb  mit  einer 
Versuchsgrabung,  indem  ich  einen  Graben  durch  die  Mitte 
zog  und  die  Anschüttung  bis  zum  natürlichen  Boden,  etwa 
bis  4  m  tief,   untersuchte.    In  diesem  Graben   fand  ich  ausser 


Abb.  7. 


massenhaften  Scherben  einen  liegenden   Hocker  ohne  Beiga- 
ben, sowie  ein  kleines  Gemäuer. 

Die  monochrome,  mechanisch  polierte  Ware  ist  die  ge- 
wöhnliche. Ausserdem  traten  in  grosser  Menge  die  Vasen- 
scherben auf,  die  wir  in  der  chaironeischen  Erdanschüttung  als 
II.  Gattung  bezeichnet  haben.  Sie  zeigen  denselben  schlecht 
geschlemmten  und  gebrannten  weiss-gelblichen  Ton,  densel- 
ben feineren,  weiss-gelblichen  polierten  Überzug,  worauf  die 
mit  ziegelroter,  dickflüssiger,  glänzender  Farbe  gemalten  Mus- 
ter angebracht  sind.  Etwas  reicher  ist  hier  die  Bemalung,  ob- 
gleich die  Muster  im  Allgemeinen  dieselben  bleiben  (Abb.  7). 


UNTERSUCHUNGEN   IN   ROIOTIEN  UNI)    I'HOKIS 


3  7 


Durch  diese  Gattung  sowie  durch  die  schwarzeu,  mit  Warzen 
bedeckten  tiefen  Becher  (Abb.  8)  knüpft  sich  die  Keramik  der 
Ansiedlung  bei  Elatea  unmittelbar  an  diejenige  der  Erdan- 
schüttung bei  Chaironeia.  Auch  die  eingeritzten,  mit  weisser 


Abb.  8. 


Masse  ausgefüllten  Muster  kommen  in  beiden  vor,  obgleich 
nur  in  einer  einzigen  eigentümlichen  Form ;  sie  sind  wohl  als 
Füsse   von   flachen   Becken   zu   erklären  (Abb.  9).   Ausserdem 


w 

l^^w 

Wm  ^ 

Abb.  9. 


kommen  zwei  Vasengattungen  vor,  welche  in  Chaironeia  völ- 
lig fehlen. 

Die  eine  umfasst  Gefässe,  welche  sich  als  eine  weitere 
Entwickelung  der  mit  ziegelroter  Farbe  bemalten  erweisen 


138 


G.    vSOTIRIADIS 


(Abb.  1  0).  Die  Form  ist  die  gleiche,  der  Ton  weit  feiner  und 
besser  geschlemmt,  die  Bemalung  aber  durchweg  mit  matter 
Farbe  und  viel  flüchtiger  ausgeführt  als  dort.  Die  strengen, 
feinen  Dreieckmuster  weichen  flüchtig  gemalten,  schrauben- 
artio^  sich  kräuselnden  Linien. 


Abb.  10. 


Die  andere  Gattung  zerfällt  in  zwei  Gruppen : 
a)  Gefässe,  welche  den  auf  Aigina,  in  Orchomenos  und 
sonst  an  vielen  Orten  gefundenen  vorm}'kenisch  —  geome- 
trischen, mattfarbigen  parallel  laufen  (eine  durch  den  Henkel 
interessante  Probe,  Abb.l  1),  b)  Gefässe,  an  denen  die  zwei  Matt- 
farben, schwärzliche  und  braunrote,  angewendet  sind  (Abb.l  2), 
oder  die  einen  feinen  braunroten  oder  glänzend -blutroten 
Überzug  mit  matter  Bemalung  tragen.  Die  Scherben  sind  lei- 
der zu  klein,  um  einen  sicheren  Schluss  über  die  Form  der 
Vasen   und   ihre   Ornamentierung  zu  gestatten.   Vorderhand 


UNTERSrCHrNCiEN   IN   ROIOTIEN   VW)    I'HOKIS 


139 


können  wir  aber  folo;endes  konstatieren,  ohne  uns  auf  wei- 
tergehende Vermutungen  einzulassen:  die  Anwendung  der 
dunklen  und  braunroten  Farbe  in  demselben  Ornament  fin- 
det sich  ebenso,  bei  sonst  völlig  verschiedenem  Dekorations- 
system, an  einigen  Vasen  von  Pln'lakopi  auf  Melos,  wie  an 
mykenischen  Schnabelkannen  des  ersten  Stils,  der  braunrote 
feine  Überzug  an  den  letztgenannten  \'ascn. 

Bei  dieser  bunten  Zahl  der  keramischen  Funde,  die  sich 
offenbar  auf  \'erschiedene  Perioden  des  prähistorischen  Zeit- 
alters verteilen,  würde  man  zunächst  auch  an  verschiedene 
Ansiedlungsepochen  des  Platzes  denken.  Verschiedene  Schich- 
ten habe  ich  aber  nicht  konstatieren  können  und  die  Geräte 


Abb. 


Abb.    12. 


sind  sämtlich  Steinwerkzeuge.  Wir  bekommen  also  den 
Eindruck,  dass  wir  noch  tief  im  neolithischen  Zeitalter  stek- 
ken, und  doch  müssen  wir  anerkennen,  dass  uns  dabei  eine 
durch  sehr  verschiedene  Stufen  sich  bewegende  Entwicke- 
lung  entgegentritt.  Wie  sich  das  erklären  lässt,  ist  vorder- 
hand schwer  zu  sagen.  Denn  dass  dieselben  Alenschen  fort- 
fuhren, noch  die  offenbar  älteren  und  unvollkommneren,  mit 
ziegelroter  Farbe  bemalten  Vasen  zu  fabrizieren,  auch  nach- 
dem die  Kunst  so  bedeutende  F'ortschritte  gemacht  hatte,  wie 
die  jüngeren  Gattungen  zeigen,  ist  unannehmbar.  Andrer- 
seits bilden  diejenigen  aus  der  Reihe  der  mit  matter  Farbe 
gemalten,  welche  dieselbe  Form  wie  die  älteren  bewahren 
und  doch   einen  viel  besser  geschlemmten   Ton  als  jene  zei- 


140    SOTIRIADIS:     UNTERSUCHUNGEN    IN  BOIOTIEN  U.  PHOKIS 

gen,  ein  wichtiges  Bindeglied  zwischen  der  ältesten  Gattung 
und  den  jüngsten  Produkten.  Denn  in  diesen  vollzieht  sich 
der  folgenreiche  Übergang  von  der  glänzenden  ziegelroten 
zu  der  dunklen  matten  Farbe  und  vom  linearen  geometri- 
schen Ornament  zu  dem  wellenförmigen.  Sicher  ist  also,  dass 
wir  eine  Kontinuität  der  Entwicklung  in  einer  und  dersel- 
ben Periode  haben,  obgleich  in  derselben  ein  überaus  wich- 
tiger Übergang  plötzlich  sich  vollzogen  zu  haben  scheint. 
Die  weitere  Entwickelung,  nachdem  einmal  die  matte  Farbe, 
das  wellenförmige  und  sonstige  neue  Ornament  eingeführt 
wurde,  Hesse  sich  dann  leichter  erklären.  Immerhin  bleibt 
eine  Schwierigkeit  einmal  darin,  dass  die  älteste  Gattung  un- 
getrennt von  der  jüngsten  an  demselben  Platz  vorkommt, 
und  sodann  in  dem  Umstand,  dass  wir  nur  die  alten  Stein- 
werkzeuge finden,  während  doch  die  jüngsten  Gattungen 
schon  die  Bronzezeit  ankündigen. 

Grade  darin  wird  vielleicht  später  eine  gründlichere  Er- 
forschung dieser  Ansiedlung  sowie  auch  anderer  noch  zu  fin- 
dender ähnlicher  Plätze  Aufschluss  bringen.  In  dieser  Hinsicht 
betrachten  wir  unsere  Versuche  nur  als  den  ersten  Anstoss 
zu  weiteren   fruchtbareren    Forschungen  auf  diesem  Gebiete. 

Athen. 

Georcrios  Sotiriadis 


141 


INSCHRIFTEN   VON   MYTILENE. 


Bei  einer  kurzen  Anwesenheit  in  Mytilene,  im  März  1905, 
ergab  sich  die  Gelegenheit,  unter  Theodor  Wiegands  Führung 
im  türkischen  Kastell,  der  alten  Burg,  einige  Inschriftsteine 
und  vermutlich  auch  Architekturblöcke  vom  Denkmal  des 
Potamon  zu  sehen,  für  dessen  Wiederherstellung  auch  jetzt 
noch,  selbst  nach  den  Arbeiten  von  Cichorius  und  Paton  viel 
getan  und  namentlich  viel  hinzugefunden  werden  müsste.  Der 
treffliche  Kenner  seiner  heimatlichen  Altertümer,  Herr  Xeno- 
phon  Gortziotis,  zeigte  Hiller  zwei  Steine  und  sandte  nach- 
träglich von  einem  dritten  gute  Abklatsche  und  Notizen.  Zu 
den  Texten,  deren  Umschrift  keine  Schwierigkeiten  bot,  hat 
U.  V.  Wilamowitz  einige  sachliche  Anmerkungen  gefügt.  So 
gibt  sich  das  Ganze  als  eine  anspruchslose  Frucht  der  Reise, 
die  im  athenischen  Archäologenkongress  ihr  Ziel  hatte.  Möch- 
ten andere  dadurch  zu  reicheren  Funden  angeregt  werden! 

1.  Mytilene  im  Laden  des  Mjiivog.  Abkl.  und  Abschrift 
von  X.  K.  Gortziotis  mir  nachgeschickt.  L.  0,197.  H.  0,38. 
T.  0,16.  Schrift  des  IL  Jahrh.  v.  Chr.  BH.  0,009  (0)- 0,01 5. 

O  E  O  K  P  I  T  A  ©goxßua 

A  H  M  H  T  P  lOY  Aiii^tiiteiou 

r  E  I  E  P  I  Q  T  I  Z  neiEQuÖTi?. 

Vgl.  Suid.  Kqitcov  niEQicoTTjg  (tcÖÄk;  Öe  MaxeöOA'ia?  eaiiv  r|  Ilie- 
Qia)  LoroQixos  EyQa^e  Ilalh]via->id,  SupaxovGwv  xtioiv,  YIeqoiku, 
2ix8Äixd,  SvQaxouöüJV  Jcepir^Y^löiv,  xal  toqi  xf\q  d^x^l?  twv  Maxeöo- 
vcDv  (Müller  FNG  IV  373  f.).  Steph.  Byz.  Hie^ia,  noXiq  ev  6|.ia)- 

«Ob  jener  Kriton  der  Verfasser  der  Ferixa  i'St,  dessen  Zeit 
(nicht  früher  als  Traian)  gar  nicht  feststeht,  ist  fraglich.  Also 
wird  die  Existenz  einer  Stadt  Pieria  hier  für  das  II.  Jahrh. 
V.  Chr.  fixiert   Es  ist  wider  die  ältere  Sitte,  dass  sich   Maxe- 


142  U.  V.  WILAMOWITZ,     F.  v.  HILLER 

boveq  nur  nach  ihren  Städten  nennen ;  korrekt  Ist  MaxeSwv 
ex  BeQoiag.  Es  gab  eben  im  eigentlichen  Makedonien  eigent- 
Hch  keine  Städte.  Wenn  an  den  Vorort  der  Landschaft  Pie- 
rien  Stadtrecht  gegeben  ist  (vergleichbar  mit  der  römischen 
Politik  in  Gallien),  so  früh,  und  wenn  der  Landesname  unter- 
drückt ist,  so  wird  der  Stein  in  die  Zeit  der  vier  Bezirke  ge- 
hören, in  die  Rom  Makedonien  zerschlug». 

2.  M  y  t  i  1  e  n  e  im  Hause  des  Xat^f)  Movaxacpä  'EcpEvtr]. 
Quader  aus  blauem  Kalkstein,  rechts  gebrochen,  sonst  Rand, 
BH  wechselnd,  rund  0,015—0,018. 

A  B 


O  0  1 

EM  (t)A  1 

n  NM  K 

1  M  lA  NETTlTTA  N 

TEKA 

.    .    TAMENAÜO  M  Y2IA2 

K  Ain 

.    .  MyAMENÜZvacEÜPIATO 

f)      X  A  A 

.  XIATEKAIPQMAK  AITE 

APY  (j) 

.  N  ON  K  AITTA  E  O  N  A  M  E 

opini 

.    ~  V  KAI  M  ETAT  A  YT  A 

EIKONA 

.    .    .    AIKY  N  A  riANT  A  Y 

ASK  A  Ar 

..     1    A  A  E  TT  A  PAM  IZ0O       10     B^NAKT 

..NTaBIQAYNAMIN. 

0  ETANTQl 

.    J  E  SIANEni  AE  AEFME 

KAI K ATOP0« 

.    AI  T  n  MEFA AQnAPE 

Ta   TTP02TANI 

.     A  A  B  ETOTAÜTTOAIOS: 

TQ  NE  TH4)1AA 

.     .^  o  .  .  .   ^^  h^\'^^  \           Lö      TA'^'PPATM^ 

^10  —  Aeo] ' ßcovfxxT  —  zeigt,  dass  es  sich  um  ein  Stück 
von  dem  Denkmal  des  Potamon,  Sohnes  des  Lesbonax,  han- 
delt. Es  kommt  zu  den  von  Paton  IG  XII  2,23  ff.  veröffent- 
lichten als  ein  neues  Fragment  hinzu.  Und  zwar  gehört  es 
zu  den  aiolischen,  vgl.  Nr.  23 — 34.  Von  diesen  hat  Nr.  21i^  das 


INSCHRIFTEN    VON    MYTILENR  143 

auch  Reste  zweier  Kolumnen  gibt,  grössere  Buchstaben  (0.022), 
sodass  es  nicht  wahrscheinlich  ist,  dass  der  Block,  der  es  ent- 
hielt, unmittelbar  über  unserem  sass. 

Eine  Wiederstellung  des  Zusammenhanges  gelingt  nicht) 
auch  nicht  eine  sichere  Zusammenfügung  mit  anderen  Bruch- 
stücken von  derselben  Zeilenzahl. 

A  «Es  handelt  sich  zunächst  um  Spiele:  2  ~i  £|.icpai|- 
vcov  —  (piAoT]i,uifxv  km  jtavfrog  (oder  ähnlich).  Er  lässt  sich  ver- 
mutlich wilde   Bestien   aus  Moesien  kommen*:   4  —  6  tu  fxev 

djro  Mvoiaq\[ —  ^letajte] (.u['a|j,evoi;-  EJtQiaToiföe  xul  ev  —  — ] 

X(?)ia  T8  xai  Tw^ia  (vgl.  /G  XII  2^25-^)  x«l  te-  7  —  vov  xal 
jiÄeova  |.iej-  8  —  xal  f(8Tu  xuvxa\  9  —  —  ai  xvvayiav  xav  - 
[xav7  10  .  .  la  Ö8  jraQa[.uaO(0|[od|i8vos  — ?  12  —  {»jreQ  rdv  tw 
ßico  8vvaf.uvi«d.  h.  über  sein  Vermögen»  12/3  im-  dycm'oJOe- 
Giav  ejtiöeöeyf^ielfvog  (so  wegen  des  Zusammenhanges;  die  vono- 
-&8aia  kommt  später,  s.  B).  1  3  —  ai  tw  [leyältö  jiuqe-  (A\  nicht 
deutlich:  am  Steine  las  ich  N)  14  —  dveAaß8  tö  (oder  äveld- 
ßeto)  xuq  Jtö^aog  |  —  15  Wiederherstellung  unsicher,  die  Reste 
habe  ich  vor  dem  Steine  nicht  bezweifelt. 

B  2  o)v,  Rest  unsicher  3  t8  xa[l  —  4  x«l  yl  5  /aA- 
[xfiv  eixoA'cx?  6  8giKp[axt  —  vgl.  Inschr.  von  Thera  IG  XII  3, 
326.25;  wohl  Ort  der  Statue.     6/7  ejiI  Ts]j9piJi[jTov  —  also  Statue 

auf  einem  Viergespanne.     7.  8 ötdaai  öe  xuv]|8ixöva  [ev  x(h 

i8Qcp xm]  I  'Aöx?ia[m(JL)  eniyQd.\pavxa  oti   6   8d|xo5   n.oxd[ia)Yu 

A8o]|ßc6vaxT[o5  — vof^ioJOeTav   {/G  XII  2,  2555)    '^^'^A'^   ^^- 

oßuov  (?)  —  — ]i^^'^'^  xaTOoO(o[aavTa  —  13  unsicher  und  mehr- 
deutig. 14  Ttüv  (muss  Masculinum  sein!)  'Er)](piAia[g  {.ivat)]- 
Qicov?  (gewöhnlich  'Ex^ypÜM  oder  'ETi](piÄai,  nur  noch  IG  XII 
2,239(j  — V  'EiiifpiAia  .  in  unsicherem  Zusammenhang.  An  einen 
Agon  ''Ex'\](piha  zu  denken,  widerrät  Paton.  Nach  Nr.  222  war 
AdÖa  All),  Mutter  des  Potamon,  Priesterin  der  Etephila,  die 
Hesych  'ETaLcpiAT)  schreibt  und  der  Persephone  gleichsetzt, 
während  Nr.  255.3  von  den  Deal  'EnitpiÄai  xal  Kugiooai  und 
ihren  Mysterien  die  Rede  ist,  deren  Priestertum  eine  dj-toyovo; 
Iloxd\xoivoc,  T(Jö  vo^ortiiTa  xal  AEößojvaxTGi;  xw  q^iAooocpo  im  III. 
Jahrh.  n.  Chr.  hat.  Also  ein  erbliches  Priestertum.  1 4/5  etwa 
—  xöv  djTa\']|Ta  G8ßao[.i6[v  — .  Auf  aiolische  Accentuation  ist 
hier  verzichtet. 


144     U.v.WiLAMOWITZ,  F.v. HILLER:   INSCHRIFTEN  v.  MITYLENE 

Anknüpfung  an  andere  Fragmente  ist  vergeblich  ver- 
sucht worden.  Im  einzelnen  wäre  noch  manches  zu  berichti- 
gen. Nr.  337  scheint  — 'IjoüXuo  A£u[xlü)  vlG)  —  herzustellen. 

3.  M  y  t  i  1  e  n  e,  im  Garten  des  Georgiadis,  ebendort  ge- 
funden. Säule  aus  blauem  Marmor.  H.  1,23.  Dm.  0,30.  BH 
0,02  —  0,027,  <t>  etwas  grösser.  Die  Inschriften  a,  b,  c  unter 
einander  innerhalb  von  Kränzen,  d  ohne  Kranz. 


<l) 

OIAEKO  Y 

a) 

Ol    08X01)- 

PI^NEZ 

QlOOA'gi;. 

b) 

H0AMI  AIÄ 

b) 

f|   (pam?iia. 

c) 

ÄI2YNO 

c) 

ai   oiJvo- 

AOI 

801. 

d) 

nOMnHIEETAIPIQN 

d) 

no[i:7rrjie  "EtaiQLCOv 

XPH2"rE  XAIPE 

XQiloTE  xo'iße. 

«Der  Geehrte,  der  das  Bürgerrecht  von  Pompeius  hat, 
ist  ein  angesehenes  Mitglied  des  coiiventiis  civiiim  Roiiiano- 
runi  in  der  Freistadt  Mytilene,  was  nicht  ausschliesst,  dass  er 
ein  Freigelassener  sein  kann.  Die  decurioncs  sind  die  des  con- 
venius :  die  xaTOwowTeg  "Pcof-iaioi,  für  das  griechische  Recht 
ursprünglich  eine  n-uvofiog,  haben  sich  in  den  römischen  For- 
men konstituiert.  Neben  ihnen  stehen  die  Gin'oftoijwie  die^Epi^iai- 
otal  und  IlooeiÖtoA'iaoTai  von  Delos,  dessen  Inschriften  die  be- 
ste Analogie  bilden.  Die  familia  ist  das  eigene  Gesinde  des 
Hetaerio,  die  ihn  ganz  gegen  griechische  Sitte  ehrt,  wie  L. 
Caecilius  Jucundus  sich  von  seinem  Gesinde  im  eigenen 
Atrium  sein  Porträt  mit  der  Weihung  genio  Lucii  nostri  dedi- 
cieren  lässt.  Die  Kränze  imitieren  die  griechische  Sitte — wie 
es  Parvenüs  tun.  Schwerlich  ist  der  Stein  jünger  als  das 
I.  Jahrh.  v.  Chr».       . 

Berlin,  Juni  1905. 

U.  V.  Wilamowitz-Möllendorff 

F.  Hiller  v.  Gärtringen 


145 


X  O  Y  2 

Unter  den  fünf  mysischen  Vereinsreliefs,  deren  Zusam- 
mengehörigkeit P.  Perdrizet  erkannt  hat  \  ist  eins,  jetzt  im 
Britischen  Museum  Nr.  813,  welches  besonders  anschaulich 
das  Vereinsleben  mit  seinem  Schmausen  und  Trinken  bei 
fröhlicher  Tischmusik  und  mimischen  Aufführungen  dar- 
stellt. Eine  Abbildung  gibt  Perdrizet  im  BC/7  XXIII  (1899) 
Taf.  IV  1.  Der  Fundort  dieses  wie  der  anderen  Reliefs  steht 
nicht  fest,  doch  ist  es  zuerst  1887  von  Radet  und  Lechat  in 
Panderma  (Panormos)  dicht  bei  Kyzikos  gesehen  worden. 
Nach  Perdrizet  stammen  alle  fünf  Reliefs  von  ein  und  dem- 
selben Kultverein,  als  dessen  Heimat  er  nach  dem  Fundort 
des  dritten  Reliefs  den  Ort  Triglia  an  der  mysischen  Küste 
der  Propontis  annimmt.  Nun  war  aber  der  Verein,  von  dem 
die  drei  ersten  Reliefs  herrühren,  ein  diaooq,  denn  seine  Mit- 
glieder nennen  sich  O^iaoiTai  und  DiaoiTiöeg.  Das  Relief  aus  Pan- 
derma dagegen  trägt  die  Inschrift:  Ali  -uIiIhotwi  x(ai)  |  TQXQ 
@dlXoc,\EK(jdvv^ioc,  Tüv|T8?ia[.uTjva  djrgöcoxa,  was  Perdrizet  wie  schon 
Murray  {Rev.  archeol.  1891  I  S.lü),  umschreibt  Ai'i  in|'iaT{OL  x(ai) 
Tü)i  /co(q(di),  indem  er  angibt:  «PQ  cn  surcharge  daiis  ^wpcoi». 
Dann  wäre  also  das  Relief  dem  Gotte  und  der  Ortschaft,  wo 
der  Kultverein  bestand,  geweiht,  und  nicht,  wie  es  gewöhn- 
lich geschieht,  dem  Kultgott  und  dem  Kultverein,  in  dessen 
Vereinsheiligtum  das  Weihgeschenk  aufgestellt  werden  sollte. 
Auch  fehlte  dann  auf  dem  Steine  jede  Andeutung,  dass  das 
Relief  von  einem  Verein  stammt.  Die  Lesung  Perdrizets  unter- 
liegt daher  sachlich  nicht  geringen  Bedenken.  Da  nun  auch 
die  Photographie  des  Steines  nur  soviel  erkennen  lässt,  dass 


1  BCH  XXIII  (1 899)  592.  Es  sind  die  Vereine  in  meinem  Griechischen 
Vereinsivesen  S.  50  Kalchedon  Nr.  2.  3,  dazu  S.  66  Nr.  33  und  der  von  mir 
übersehene  Rev.  arche'ol.  1 891  I  S.  1  1 ,  von  dem  nur  eine  Liste  erhalten  ist 
mit  Beiträgen  der  Mitglieder  in  Geld  oder  Naturalien  wie  TipigQOJTOöiov  (Frei- 
wein für  einen  Tag?)  und  eQKpoi; 

ATHEN.      MITTEILUNGEN      XXX.  lO 


146  E.    ZIEBARTH:     X0Y2 

der  Stein  an  der  Stelle  gelitten  hat,  andrerseits  aber  die  frühe- 
ren Herausgeber  im  BCH  XVII  (1  883)  520  erklären,  dass  zwi- 
schen Xn  und  ödUoc  nichts  fehlt,  ist  die  Lesung  x(ai)  tw  xw 
festzuhalten.  Und  sie  gibt  in  Wahrheit  den  Namen  des  Ver- 
eins, wie  schon  Th.  Reinach  Rev.  des  ehides  gr.  1894,391, 
vermutet  hat.  Diese  Entscheidung  hat  soeben  ein  Stein  ge- 
bracht, den  Th.  Wiegand  bei  Nuserat,  eine  Stunde  südlich 
von  Kebsud  in  Mysien,  gefunden  und  in  diesen  Alitteilutigen 
1904  S.  316  veröffentlicht  hat.  Die  Inschrift  beginnt: 

Tov   Bqo^ioij   [iiJGTr|v 
iJeqööv,   aQ^avta   yfiv, 
TOV   xai    SV   jtaTQiSi   jrd(v)- 
tJcOV    OVTtt    JtQÖÖTOV,    <I>[AaoiJ- 
5        i]ov  ^   'Av8qcovslx[ov 
'0]vriaL[xov  .... 

Der  Grabstein  unterscheidet  also  in  wünschenswerter 
Deutlichkeit  die  Verdienste  des  Fl.  Andronikus  Onesimos  in 
seiner  Eigenschaft  als  Vorsitzender  des  yovc,,  der  die  yMoxax. 
des  Dionysos  -  vereinte,  und  seine  Verdienste  als  Bürger  sei- 
ner Vaterstadt.  An  der  Spitze  eines  ebensolchen  yovc,,  dessen 
Mitglieder  wahrscheinlich  die  Kanne  Wein  für  die  Vereins- 
brüder, das  f|ji.£90JT6aiov,  abwechselnd  zu  liefern  hatten,  stand 
also  der  Thallos,  der  das  Amt  des  £jr(üvii[.iO!;  bekleidete,  wie 
in  Attika  der  Aristobulos  des  Vereins:  gl  jieqi  tov  8:rr(jovi)[xov 
'Aqlotü(3odXov  (vgl.  zuletzt  Wilhelm  in  diesen  Mitteihmgen  1  896, 
438).  Damit  fällt  natürlich  die  Vermutung  Perdrizets,  dass 
die  fünf  Reliefs  grade  von  ein  uud  demselben  Verein  gestiftet 
seien.  Sie  wurden  eben  fabrikmässig  angefertigt  für  den  Be- 
darf der  zahlreichen  mysischen  Kultvereine. 

Hamburg. 

Erich   Ziebarth. 


'  So  möclite  ich  lesen  statt  des  (p[LJXlov  Wiegands. 

*  Die  Liste  solcher  [.ixioxai -Vereine  in  meinem  Griechischen  Vereinswesen 
(1 896)  bedarf  natürlich  längst  der  Ergänzung.  Vgl.  für  diese  Gegend  beson- 
ders BCH  XXIV  (1 900)  366  ff. 


147 


GRABINSCHRIFTEN    AUS   RHODOS. 

Am  letzten  Tage  eines  kurzen  Aufenthaltes  in  der  Stadt 
Rhodos  im  September  1903  führte  man  uns,  F.  Staehlin  und 
mich,  zu  Hadji  Hussein  Effendi  im  \"ororte  "Ayioi  'AvdQyiiQoi, 
der  viele  Steine  mit  Buchstaben,  haben  sollte.  Wir  fanden 
sein  Feld  und  das  seines  Nachbarn  gänzlich  aufgewühlt  und 
einige  noch  offene  Gräber  zeigten  sofort,  dass  hier  ein  Teil 
der  grossen  Nekropole  aufgedeckt  war,  die  schon  hunderte 
von  Grabschriften  geliefert  hat.  An  einer  Stelle  war  ein  vier- 
eckiges Loch  im  Brecciafelsen  ausgehauen,  mindestens  1  m 
breit  und  2  m  lang,  in  einer  Tiefe  von  etwa  0,80  m  unregel- 
mässig verbreitert.  An  anderer  Stelle  zeigte  sich  ein  rundes 
durch  Quadern  eingefasstes  Loch,  etwa  0,80  m  im  Durch- 
messer, das  sich  in  einer  Tiefe  von  1,50  m  zu  einer  Art  Kam- 
mer zu  erweitern  schien.  Theils  in  den  beiden  Häusern,  theils 
durch  die  Türken  im  Felde  wieder  vergraben,  finden  sich  min- 
destens fünfzig  Grabstelen  und  kleine  Steinkisten  mit  kurzen 
Grabinschriften.  Beschränkte  Zeit  und  die  unverschämten  For- 
derungen der  Leute  sind  Ursache,  dass  wir  nur  zwölf  abklat- 
schen und  von  der  dreizehnten  Abschrift  und  IMaasse  nehmen 
konnten.  Möge  der  Rest  nicht  ungelesen  der  Zerstörung  an- 
heimfallen! Ich  kann  nur  dieses  Wenige  geben: 

1.  Marmorquader,  L.  0,48m.  H.  0,47  m,  rechts  An- 
schlussfläche, links  abgearbeitet  wie  zu  einem  halben  aexo)\ia. 
Viertel  eines  Altars?  Die  Buchstaben  sind  0,018  hoch,  schön 
und  einfach,  aber  nur  schwach  eingeschnitten.  Zwischen  er- 
ster und  zweiter  Zeile  anderthalb,  zwischen  den  anderen  eine 
Buchstabenhöhe.  Das  O  ist  etwas  niedriger  als  die  anderen 
Buchstaben. 

MHNA      MHNOAQPOY 

AINAOnOAlTA 
KAITA2  ZYMBIOY 
KAAAIZTAS     Z     AMIAZ 
M^vä  Mi]vo8a)QOD|  Aiv8ojto?.iTalxai  xäg  au[.ißLOv|xaUioTa(;  2a[j,ia(;. 


148  A.  RUTGERS  VAN  DER  LOEFF 

2.  Runder  Altar  verziert  mit  Bukranien  und  Krän- 
zen. Durchmesser  0,35  m.  H.  0,48  m.  Gute  Buchstaben  aus 
dem  III.  Jahrh.,  0,01  2  m  hoch,  das  O  aber  nur  0,008  m.  Die 
Buchstabenenden  sind  meistens  etwas  verdickt,  haben  aber 
keine  eigentlichen  Apices.  Die  mittlere  Haste  des  E  ist  ver- 
kürzt.  Ziemlich  enge  Schrift. 

noA^KAH^  PAY^iANIA 

A   IN   AOPOAIT    A    lEKATAFENE^    IN 
K   ATAYOPOIANAE    XAPM    I    P  POY 
N  EOPOAITAS: 

IloX{\i)%'kf\c,  riavGavia  |  AivboKoXixctQ  nnrä  yeveGiv  |  xaxä  uojtoiav  bk 
XapfXLJtJto'i)  Neojto^irag. 

Der  hier  genannte  Pausanias  könnte  leicht  einer  der  bei- 
den Lindopoliten  derselben  Namens  sein  die  uns  aus  der  wohl 
etwas  älteren  Inschrift  IG  I  764  bekannt  sind.  ''Yojioia  für  uo- 
öeaia  ist  zwar  ganz  richtig  gebildet  wie  das  übliche  {JiiyaTQO- 
jToia,  kommt  aber  sonst  nicht  vor.  Bei  ganz  späten  Schrift- 
stellern findet  sich  einige  Male  uojtoi-vioig  im  selben  Sinne. 

3.  Runder  Altar  mit  Bukranien  und  Kränzen.  H. 
0,56  m.  Durchmesser  0,52  m.  Die  Buchstaben,  0,015  m  hoch, 
sind  schwer  leserlich  auf  dem  abgeschliffenen  Steine.  Wohl 
aus  dem  IL  Jahrh.  v.  Chr. 

N  I  K  O  M  A  X  A 
E  IPH  N  OPOAIO  Z 
YrAZISrVN    AAE 
A   A  M  O    .     .     .     .  OZ 

Nixofxctxa  I  EiQTivojtoXiog  |  'YYaai?  yuva  8e  |  Aa[xo[{)^ejii]os. 

Für  den  Mannesnamen  Fäqk^votcoXic,  finden  wir  keine  Belege. 

4.  Kalksteinkiste.  L.  0,40  m.  B.  0,33  m.  H.  0,16  m. 
Auf  der  Schmalseite  mit  0,02  hohen  schönen  Buchstaben: 

E  Y  A   A   M   O   Y 


(iRAHINSCIIRII'TICN    ATS    RHODOS  149 

5.  Ka  1  ks  tei  iik  i  stc.  L.  0,40  in.  F..  (),,vS  m.  II.  0,22  in. 
Auf  einer  Schmalseite  und  einer  Längsseite  mit  <)l)c-rflächlich 
eingeschnittenen  0,01  7  ni  liohen    Ihichstaben  : 

I    K    A    N    H    Z 
'IxctvTig 

6.  Kalk  Steinkiste.  L.  0,39  m.  R.  0,32  m.  H.  0,1  7  m.  HH. 
durchschnittlich  0,017  m.    In  etwas  unregelmässiger  Schrift: 

(j)   I    A    I    N    N    A   2 
HA    El    ZT    APXoY 
KAZAPIAOZ 

'^ikivvac.  I  IViEiaxdQypv  |  Kaoagiboq. 

7.  K alk Steinkiste  von  ähnlichenMaassen.  Dieschwach 
eingeritzten  Buchstaben  sind  im  Durchschnitt  0,01  7  m  hoch. 
"Z  und  untere  Hälfte  des  B  übermässig  in  die  Länge  gezogen. 

B  A  K  X  I  A  O  S 
Bax/LÖog. 

8.  K  a  1  k  s  t  e  i  n  k  i  s  t  e.  B.  0,34  m.  H.  0,22  m.  BH  0,0 1 5  m. 

A   Y   Z   A   N    I    A 
HPAKAEITOY 
YTAZZEnS 

Avaavia  |  'HQaxA.fiLTOV  |  'YyaooEH)q. 

9.  Kalksteinkiste  von  ähnlichen  Maassen.  BH.  0,0 1 9 m. 

TIMAPXIAOZ 
TifXttQxiöog. 

Für  die  weibliche  Form  TifiaQ/k  fehlen  uns  Belege. 


150      A.  RUTGERS  V.  D.  LOEFF:  GRABINSCHRIFTEN  AUS  RHODOS 

10.  Ähnliches  K  i  s  t  c  h  e  n.  Gute,  0,02  m  hohe  Buch- 
staben. 

A  P  I  2  T  E  I  A  A 

'AgiaxEiba. 

11.  Marmorstele.  B.  0,22  m.  H.  0,51m.  D.  0,08  m. 
Oben  Leiste,  unten  Zapfen.  Die  scharfgeschnittenen  Buchsta- 
ben sind  im  Durchschnitt  0,015  m  hoch. 

Z    nsiFEN    H    Z 
XPHZTOZ   XAIPE 

ScüoiyEviig  I  xpilöTog   x^Iqe. 

12.  Marmorstele,  oben  und  rechts  abgebrochen.  Er- 
haltene Höhe  0,24  m.  B.  0,21  m.  BH.  0,018  m. 

E  Y  n  O  A  I  O  . 
E-ujcö^ifo]. 

13.  Marmorstele  mit  Sj^uren  roter  Farbe.  H.  0,90  m. 
B.  0,29  m  bis  0,26  m.  D.  0,075  m.  Oben  Giebel  mit  Palmette 
(Abklatsch  fehlt). 

M   O   Z   X   O  Y 
M   O   2  X  O    Y 
P  O  r  K    I   AA 


Moaxon  I  Moa/ou  |  "Poyxiöa. 


Leiden. 


A.  Rutgers  van  der  Loeff. 


151 


FUNDE 


Unser  Institut  hat  Ende  Januar  und  Anfanj^  Februar 
eine  Versuchsgrabung  in  T  i  r  y  n  s  unternoninien,  welche  die 
Aufklärung  der  unter  dem  jetzt  sichtbaren  Palaste  liegenden 
älteren  Schichten  zAim  Ziele  hatte.  Das  Vorhandensein  älte- 
rer Schichten  war  schon  im  Jahre  1  884  durch  einige  bis  auf 
den  Fels  geführte  Tastlöcher  festgestellt  worden  (auf  dem 
Plan  Tiryns  Abb.  1  25  mit  S  bezeichnet).  Es  schien  nötig,  seit- 
dem unsere  Kenntnis  der  ältesten  Keramik  so  ungeheuer  be- 
reichert worden  ist,  die  Untersuchung  von  neuem  und  ein- 
gehender durchzuführen.  Herr  L.  Curtius,  der  im  Verein  mit 
Herrn  H.  Hepding  nach  W.  Dörpfelds  Disj^ositionen  die  Ar- 
beit leitete,  berichtet  darüber  folgendes. 

«Die  Grabung  hat  in  mancher  Hinsicht  bemerkenswerte 
Resultate  ergeben.  In  einer  Reihe  von  Räumen  vornehmlich 
der  Ober-  und  Mittelburg  bis  auf  den  Fels  geführte  vSchächte 
ergaben  interessante  Einzelheiten  für  die  Kenntnis  eines  dem 
Schliemannschen  unmittelbar  vorhergehenden  Palastes  glei- 
chen Stils  und  der  unter  diesem  liegenden  älteren  Schichten- 
Der  Schliemannsche  Palast  ist  in  seiner  Plananlage  durch 
den  älteren  nicht  unwesentlich  bestimmt  worden.  Das  alte 
Propylon  lag  unmittelbar  unter  dem  des  späteren  Palasts; 
seine  noch  erhaltenen  Mauern  sind  einfach  durch  die  Schwel- 
len des  neuen  überbrückt  worden.  In  einzelnen  Zimmern  fand 
sich  kaum  Y2  "^^^  unter  dem  Kalkestrich  des  jüngeren  Baus 
der  Kalkfussboden  der  Zinnner  des  älteren ;  an  einer  Stelle 
war  nicht  mehr  in  situ  eine  runde  Steinbasis  für  eine  Holz- 
säule, ganz  ähnlich  jener  des  späteren  Baus. 

«Das  Hauptproblem  der  Untersuchung  war  die  Keramik 
der  älteren  Schichten.  Unter  dem  älteren  Palast  lagen  an 
allen  angeschnittenen  Stellen  in  gewissen  Abständen  Ton- 
Estriche,  an  einigen  Stellen  bis  zu  vier.  Die  Keramik  der  ein- 
zelnen Abschnitte  ist  sorgfältig  gesammelt  worden   und  soll 


152  FUNDE 

in  einem  der  nächsten  Hefte  der  Mitteilungen  besprochen 
werden». 

«Zuletzt  ist  infolge  einer  Beobachtung  Dörpfelds  die 
viereckige  «Opfergrube»  im  grossen  Hof,  die  zu  so  viel 
merkwürdigen  Vermutungen  Anlass  gab,  gereinigt  worden. 
Es  stellte  sich  heraus,  dass  das  Viereck  nur  spätere  schlechte 
Zutat  zu  einem  sehr  schön  erhaltenen,  aus  Quadern  erbauten 
und  mit  feinem  Stuck  verkleideten  Altarrund  ist.  Der  für 
eine  Opfergrube  gehaltene  Hohlraum  war  der  aus  Erde  be- 
stehende Kern  dieses  Rundaltars.  Die  ehemalige  Höhe  des 
Altars  ist  unbekannt,  sein  Durchmesser  beträgt  rund  1 ,80  m. 
Dörpfeld  glaubt  in  dem  Rundaltar  die  homerische  Tholos 
(Od.  XXII  442)  erkennen  zu  dürfen  und  hält  ihn  für  das 
Urbild  der  späteren,  reich  ausgebildeten  Altargebäude,  wie 
sie  uns  in  den  Tholen  von  Epidauros  und  Delphi  und  in  dem 
Vestatempel  von  Rom  erhalten  und  in  der  Skias  von  Athen 
bekannt  sind». 

Im  Mai  unternahmen  die  beiden  Sekretare  des  Instituts 
begleitet  von  den  Herrn  A.  Köster  und  W.  Altmann  eine 
Orientierungsreise  in  die  spartanische  Ebene  und 
begannen  eine  Untersuchung  der  verfallenen  Kirche  der 
Hagia  Sophia  im  Dorfe  Kalywia  Sochiotika  am  Fuss 
des  Taygetos.  Bei  einer  Durchwühlung  der  Ruine  durch  die 
Bauern  waren  hier  viele  Inschriftsteine  gefunden  worden,  auf 
Grund  deren  H.  v.  Prott  an  dieser  Stelle  das  Eleusinion  an- 
setzte {Athen.  Mitteil.  1904  S.  8).  Die  Freilegung  der  Kirche 
und  Tiefgrabungen  in  ihrem  Innern,  welche  Herr  Köster  vor- 
nahm, ergaben,  dass  das  alte  Heiligtum  schwerlich  unter  der 
Kirche  selbst  gelegen  hat.  Herr  Köster  macht  darüber  fol- 
gende Angaben. 

«Die  Fundamente  der  ziemlich  genau  von  O.  nach  W. 
orientierten  Kirche  wurden  freigelegt  und  ergaben  einen 
Grundriss,  wie  ihn  die  meisten  byzantinischen  Kirchen  auf- 
weisen, allerdings  von  bedeutender  Ausdehnung.  Die  Länge 
des  Mittelschiffes  beträgt  26,50  m;  die  Breite  8,10  m;  die  bei- 
den Seitenhallen  sind  3,95  m  bezw.  4,22  m  breit,  die  Vorhalle 
4,40  m.  Von  den  Mauern  war  nur  wenig  erhalten,  sie  zeigten 
bei  einer  Stärke  von  0,66  m   die  Technik,  wie   sie  für  die  by- 


FUN  DK  1S,> 

zantinisclie  Epoclie  t\])iscli  ist,  und  wie  sie  sich  in  dem  nahen 
Mistra  bei  fast  allen  byzantinischen  AnlajL^en  wiederfindet: 
Schichten  ans  unreoehnässioen  Kalksteinen  <^-erino-er  Crosse 
wechseln  ab  mit  Zieo-elschichtcn.  Verkleidet  waren  die  Wände 
mit  einer  Stnckschicht,  die  an  mehreren  Stellen  noch  erhalten 
und  ziemlich  sorgfältig-  aufgetragen  war.  In  spfiterer  Zeit, 
wahrscheinlich  als  die  Kirche  für  den  kleinen  Ort  zu  gross 
wurde,  haben  Umbauten  stattgefunden ;  mehrere  Türen  waren 
zugemauert  und  in  der  Apsis  fanden  sich  Einbauten». 

«In  diesen  späteren,  wenig  sorgfältig  aufgeführten  Mauern 
staken  einige  späte  Inschriften  römischer  Zeit,  meist  Teile 
von  Ehren  -  Dekreten.  Ausserdem  waren  überall  die  Tür- 
schwellen aus  antikem  Material  hergestellt.  Auch  die  Inschrift 
mit  der  Weihung  an  Demeter  und  Kora,  die  v.  Prott  bereits 
erwähnt,  hat  als  Schwelle  gedient.  Ausser  einigen  schlecht 
gearbeiteten  jonischen  Kapitellen  und  Basen,  die  im  vSchutt 
verstreut  lagen,  wurden  Architekturteile  nicht  gefunden,  und 
von  ]\Iauern,  die  einem  älteren  Bauwerke  angehören  könnten, 
w^ar  weder  unter  den  Fundamenten  noch  im  Innern  der 
Kirche  eine  Spur  vorhanden  . 

Da  es  schwier  glaublich  ist,  dass  man  zum  Bau  der  Kir- 
che, für  den  hier,  am  Fuss  des  Gebirges,  das  Material  be- 
quem zur  Hand  war,  die  schweren  Inschriftblöcke  von  weit- 
her geholt  hätte,  so  bleibt  es  höchst  w^ahrscheinlich,  dass  das 
alte  Heiligtum  in  unmittelbarer  Nähe  lag.  Nach  der  Ernte,  im 
Herbst,  wird  daher  die  Untersuchung  der  Umgebung  fortge- 
setzt werden. 

Über  den  vielversprechenden  Beginn  der  Ausgrabung 
eines  thessalischen  Kuppelgrabes  hat  Herr  Ephoros  Kuru- 
niotis  die  Freundlichkeit  folgendes  zu  berichten. 

«Im  Juni  dieses  Jahres  unternahm  ich  im  Auftrage  des 
Kultusministeriums  die  Untersuchung  eines  K  u  p  p  e  1  g  r  a- 
bes,  welches  in  K  a  p  a  k  1  y,  einem  Vororte  von  Volo,  unweit 
der  zerstörten  türkisclien  Festung  auf  der  anderen  Seite  des 
Krausindon,  bei  einer  Grabung  von  Privatleuten  zu  Tage 
getreten  ist.  Im  Gegensatz  zu  allen  bisher  entdeckten  grösse- 
ren Kuppelgräbern,  welche  gewöhnlich  an  Hügelabhängen  an- 
gelegt sind,  liegt  das  Kuppelgrab  von  Kapakly  in  der  Ebene 


1.S4  FUNDE 

und  ist  zum  grösseren  Teil  unterirdisch  g-ebaut.  Nur  der  obere 
Teil  der  Tholos  ragte  aus  der  Erde  hervor  und  war  wahr- 
scheinlich durch  einen  aufgeschütteten  Tuniulus  überdeckt. 
Dieser  Teil  der  Tholos  war  eingestürzt  und  mit  ihm  ist 
auch  die  Erde  des  aufgeschütteten  Tunuilus  grösstenteils  in 
das  Innere  des  Grabes  hineingeraten.  Der  Rest  des  Tumulus 
wurde  wahrscheinlich  durch  die  Feldarbeiten  mit  dem  umlie- 
genden Erdboden  ausgeglichen,  so  dass  keine  Spur  mehr 
sichtbar  war». 

«Das  Grab  ist  in  der  bekannten  Art  der  Kuppelgräber 
von  Menidi  und  Dimini  (diese  letzteren  liegen  nur  eine  habe 
Stunde  weit  von  unserem  (xrabe)  durch  plattenförmige  ganz 
rohe  Steine  von  verschiedener  Grösse  gebaut.  Die  Tür  liegt 
an  der  Südseite  und  ist  an  der  Innenseite  bis  oben  hin  zuge- 
mauert. Wie  man  von  innen  sehen  kann,  ist  die  Ober- 
schwelle ganz  wie  bei  dem  einen  Grabe  von  Dimini  aus 
drei  (?)  sehr  grossen  und  verhältnismässig  nicht  sehr  dicken 
Platten   gebildet  . 

«Ausgegraben  wurde  nur  im  Inneren  des  Grabes,  welches 
durch  die  Steine  der  eingestürzten  Tholos  und  die  Erde  des 
Tumulus  ganz  gefüllt  war.  Diese  letztere  bestand  aus  mittel- 
grossen  Flusskieseln  und  unterschied  sich  von  der  Erde  der 
umliegenden  Felder.  Die  Grabung  ist  bis  zu  einer  Tiefe  von 
2,50  von  der  Oberschwelle  der  Tür,  oder  ungefähr  4  m  von 
dem  obersten  erhaltenen  Teile  der  Tholos  und  der  heutigen 
Erdoberfläche  geführt  worden.  Die  weitere  (jrabung  musste 
ich' auf  die  trockenere  Jahreszeit  verschieben,  da  ich  jetzt  auf 
sehr  viel  Wasser  gestossen  bin,  welches  sowohl  die  Grabung 
als  auch  die  Fundbeobachtung  im  höchsten  Grade  erschwe- 
ren würde.  Wie  man  aus  der  bisherigen  Beobachtung  der 
Erdmassen,  welche  das  Grab  füllten,  ersehen  konnte,  ist  nach 
dem  Sturze  der  Tholos  keine  Grabung  darin  unternommen 
worden,  und  da  auch  die  Tür  noch  zugemauert  ist,  lässt  sich 
sehr  hoffen,  dass  das  Grab  unberaubt  ist.  Auf  die  Fundschicht 
kam  ich  noch  nicht;  nur  an  einer  Stelle  grub  ich  ein  tiefes 
Loch  in  das  Wasser  hinein,  und  brachte  in  einer  Tiefe  von 
ungefähr  einem  Meter  von  der  jetzigen  Erdoberfläche  im 
(irabe  einige  Stücke  von  vSchädelknochen,  zwei  runde  durch- 


FUNDE  155 

l(")clicrte  mykeiiisclie  Perlen  rius  tiefblauem  (;iase  und  ein 
kleines  Stück  Goldes  heraus.  In  der  Auffülhinj^-  des  Gr.abes 
wurden  einige  kleine  Stücke  vorniykenischer  Wisenseherlx-n 
und  einige  mykenische,  sowie  ein  Knopf  aus  liernstein  (?) 
gefunden). 

Der  Durchmesser  des  Grabes  ist  bis  jetzt  ungeLähr  1  Im. 
Die  Tür  ist  sehr  breit  und  wird  nach  oben  allmählich  enger. 
Der  Dromos  wurde  ebenfalls  noch  nicht  aufgedeckt  . 

Die  Wiederherstellungsarbeiten  an  antiken 
Denkmälern  sind  rüstig  gefördert  worden.  Die  griechische 
archäologische  Gesellschaft  hat  durch  ausserordentliche  Auf- 
wendungen dafür  das  Beispiel  gegeben,  Herr  Generalephoros 
Kavvadias  die  vielen  .sich  in  der  Weg  stellenden  vSchwierig- 
keiten  mit  gewolmter  Heharrlichkeit  überwunden.  Der  Löwe 
von  Chaironeia  ist  aufgerichtet ;  am  Tempel  von  P  h  i- 
galeia  wurde  der  Aufbau  der  Cellawand  aus  den  alten 
Quadern  weit  gefördert,  die  schmerzliche  Lücke,  welche  am 
Erechtheion  zwischen  Nordstoa  und  Korenhalle  klaffte, 
ist  durch  den  Wiederaufbau  der  Westwand  unter  der  überaus 
sorgsamen  und  geschickten  Leitung  des  Herrn  Balanos  aufs 
glücklichste  ausgefüllt.  In  Delphi  ist  der  Aufbau  des 
Athenerschatzhauses,  für  den  der  Demos  von  Athen  auf  An- 
regung des  Herrn  Homolle  die  Mittel  bewilligte,  der  Vollen- 
dung nahe.  Auch  die  Altis  von  Olympia  hat  dank  der 
Liberalität  eines  Bremer  Kunstfreundes,  des  Herrn  C.  Schütte, 
einen  wirksamen  vSchmuck  erhalten  durch  die  xAufrichtung 
zweier  Säulen  des  Heraion.  Die  beiden  der  südöstlichen 
Ecksäule  benachbarten  Säulen  haben  sich  mit  ganz  gering- 
fügigen Einflickungen  wiederherstellen  lassen.  Herr  G.  Ka- 
werau,  der  die  Arbeit  geleitet  und  in  kurzer  Zeit  glücklich 
zu  Ende  geführt  hat,  wird  im  nächsten  Hefte  der  Mii/cilu/i- 
gen  ausführlich  darüber  berichten. 

fH.   S.l 


56 


SITZUNGSPROTOKOLLE. 


4.  Januar  1905.  M.  Kies.sling:  Alte  Burgen  und  Städte 
in  Epirus.  —  W.  D  ö  r  p  f  e  1  d  :  Das  Theater  in  Pergamon. 

18.  Januar  1905.  W.  Kolbe:  Über  einen  Grenzstreit  zwi- 
schen Messenien  und  Lakonien.  —  P  h.  N  e  g  r  i  s  :  Vesti- 
ges  antiques  submerges. 

1 .  Februar  1  905.  W.  D  ö  r  p  f  e  1  d  :  Zur  Ithaka  -  Frage.  — 
K.    K  0 1'  p  o  1'  V  1  (0  T  1)  c  :    rifol  x(bv  £v  Tcö  Ai'xaio)  d\'aoxaq)o)v. 

15.  Februar  1905.  R.  Heberde y:  Neue  Ausgrabungen  in 
Ephesos.  —  r.  S  0)  T  1]  Q  i  d  8  r)  5  ;  T6  "H^axÄeiov  rqg  Xai- 
QcoveiaQ. 

1.  März  1905.  L.  Curtius:  Neue  Ausgrabungen  in  Tiryns. — 
W.  Dörpfeld:  Die  Tholos  bei  Homer  und  in  klassi- 
scher Zeit. 

15.  März  1905.  A.  Kost  er:  Über  eine  Bronze -Statuette  des 
Horus  im  Nationalmuseum.  —  A.  Wilhelm:  Athen  und 
Makedonien  im  Jahre  410  v.  Chr. 


Geschlossen  1  7.    Juli. 


aiiii:n.    Ml  11  i;ii  r\(;i;\  liiof). 


i.\ii;i.  \ 


DIE  WIEDERAUFGERICIITETEN  SÄULEN   DES   I  IllkAlOXS 
TN  OLYMPIA    VON   OST 


BERICHT   ÜBER    DEN   WIEDERAUFBAU 
ZWEIER   SÄULEN    DES   HERAIONS   IN   OLYMPIA. 

(Hierzu   Taf.  V-VI). 


Schon  manchem  Besucher  Olympias  ist  beim  Anblick 
der  von  der  Südseite  des  Zeustempels  herabgestürzten  und 
nun  dort  auf  dem  Erdboden  lang  hingestreckten  Säulen- 
schäfte der  Gedanke  aufgestiegen,  ob  man  nicht  eine  oder 
die  andere  dieser  Säulen  wieder  aufrichten  und  so  von  dem 
alten  Bild  des  Tempels  wenigstens  ein  kleines  Stück  wieder- 
herstellen könnte.  Dieser  Gedanke  war  nahe  daran,  zur  Tat 
zu  werden,  als  ihm  im  vorigen  Jahre  ein  Bremer  Kunst- 
freund, Herr  Carl  Schütte,  besonderes  Interesse  zuwendete. 
Herr  Schütte  erklärte  sich  freundlichst  bereit,  für  dies  Werk, 
wenn  es  sich  als  durchführbar  erwiese,  Geldmittel  darzubie- 
ten und  betraute  H.  Schrader  mit  den  erforderlichen  Vorun- 
tersuchungen. Zu  diesen  fand  sich  erst  im  Frühjahr  1905 
die  nötige    Müsse.    Anfang    Mai   gingen    Schrader    und    der 


ATHEN.      MITTEILUNGEN      XXX. 


1    1 


158  <^^-    KAWERAr 

Unterzeichnete   nach    Olympia,   um    an   Ort   und   Stelle  über 
die   Ausführbarkeit   des  Projektes   zu  beraten.    Bei  dieser  ge- 
naueren Betrachtung-   fanden  wir  nun  bald,  dass  der  Wieder- 
aufrichtung einer  der  Säulen  des  Zeus-Tempels  erheblichere 
Schwierigkeiten  entgegenstehen,  als  es  beim  ersten   Anblick 
scheinen  mag.   Zunächst  gibt  die  Betrachtung  des  Trümmer- 
feldes der  Südseite  den  Eindruck,  als  ob  manche  der  reinlich 
aufgereihten  Säulenschäfte  so  lückenlos  erhalten  wären,  dass 
man   Trommel   für  Trommel  wieder  aufheben  und  die  ganze 
Säule  wieder  aufbauen    könnte.    Der  Erhaltungszustand  ist 
aber    viel    ungünstiger,    als    es    zuerst    scheint.    Am   ehesten 
würde  ein  Wiederaufbau  bei  der  5.  Säule  der  Südseite  — von 
Westen  gerechnet  —  möglich  sein.  Aber  auch  bei  dieser  Säule 
zeigt  die  Einzeluntersuchung,   dass  von   den   14  Trommeln, 
aus  denen   der  Schaft  besteht,  nur  eine  einzige  ohne  die  An- 
brino^une    von    Flickstücken    verwendet  werden    kann.    Alle 
übrigen   verlangen   die   Einfügung   neuer   Stücke   von   z.   T. 
sehr  erheblicher  Ausdehnung.    In   dem  Verhältnis   zwischen 
Alt  und   Neu  würde  das  Neue  einen   so  grossen    Raum  ein- 
nehmen,  dass    die   gewünschte   Wirkung  —  ein  Teilbild   des 
Alten  wiederherzustellen  — nicht  rein  erreicht  werden  könnte. 
Wir  sind  nach  diesen  Untersuchungen  zu  der  Überzeugung 
gekommen,   dass   die  Wiederaufrichtung  einer  dieser  Säulen 
nicht  empfohlen  werden  kann. 

Der  erste,  an  den  Zeus -Tempel  anknüpfende  Gedanke 
schien  uns  somit  undurchführbar.  Nicht  in  technischer  Bezie- 
hung —  auch  da  gab  es  grosse,  aber  nicht  unüberwindliche 
Schwierigkeiten  — ,  wohl  aber  in  Bezug  auf  das,  was  auf  dem 
viel  umstrittenen  Gebiet  der  Rekonstruktionen  uns  wün- 
schenswert und  erlaubt  erscheint.  Wir  kamen  deshalb  auf  den 
von  Dörpfeld  angeregten  Gedanken  zurück,  zu  untersuchen, 
ob  etwa  beim  Heraion  die  Wiederaufrichtung  einiger  Säulen 
möglich  und  empfehlenswert  sei.  Hier  liegen  die  Verhältnisse 
wesentlich  günstiger. 

Aus  dem  Olympia-Werk  {Die  Baudnikmäkr  von  Olympia 
S.  27)  ist  es  bekannt,  dass  einige  der  Säulen  des  Heraions 
fast  vollständig  erhalten  sind  (siehe  die  Zusammenstellung 
auf  Taf.  XXI).    Hier  handelte  es  sich   nur  um  geringe  Aus- 


WIEDERAUFBAU    ZWEIER    SÄULEK    DES    HERAIONS 150 

besserungeii  durch  Einfü(^iint>-  eini«-er  Flickstücke.  Diese 
konnten  nach  unserer  Meinung-  keine  wesentHche  Schädii^^ung 
sein  gegenüber  dem  (icwinn,  den  es  bedeutet,  wenn  man 
durch  Wiederaufbau  dieser  Säulen  dem  Beschauer  den  Ein- 
druck der  Gesamtwirkung  wieder  vor  Augen  stellt,  den 
Höhe,  Massenverteilung  und  Einzelformen  dieser  Träger  der 
Ringhalle  des  altertümlichsten  unter  den  erhaltenen  griechi- 
schen Tempeln  einst  hervorriefen.  Wir  konnten  in  diesem  Fall 
den  Versuch  eines  Wiederaufbaus  aus  voller  Überzeugung 
empfehlen.  Herr  Schütte  hat  aufs  freundlichste  diesem  Pro- 
grammwechsel zugestimmt  und  auch  dieser  Arbeit  seine  tat- 
kräftige Unterstützung  zugewendet.  So  konnte  denn  der 
Unterzeichnete,  der  mit  der  weiteren  Führung  der  Arbeit 
betraut  wurde,  Anfang  Juni  mit  einer  kleinen,  aber  ausge- 
suchten Mannschaft  von  Steinmetzen  und  Arbeitern  den  Wie- 
deraufbau von  zwei  Säulen  des  Heraions  beginnen.  Wir  hatten 
inzwischen  durch  Vermittlung  des  Herrn  Kavvadias  auch  das 
Interesse  der  griechischen  archäologischen  Gesellschaft  für 
unsere  Arbeit  gewonnen  und  hatten  uns  weitgehender  Unter- 
stützung zu  erfreuen,  indem  uns  aus  dem  Besitz  der  Gesell- 
schaft das  Hebezeug  —  ein  Flaschenzug  für  4  Tons  Arbeits- 
leistung —  sowie  anderes  W^erkzeug  in  liberalster  Weise  zur 
Verfügung  gestellt  wurde.  x\uch  Herrn  Balanos,  dem  hochver- 
dienten Leiter  der  Rekonstruktionsarbeiten  am  Erechtheion, 
sind  wir  zu  besonderem  Dank  verpflichtet.  Er  hat  uns  nicht 
nur  aus  seiner  reichen  Erfahrung  mit  gutem  Rat  unterstützt, 
sondern  uns  auch  die  für  diesen  Fall  besonders  notwendige 
Kraft  eines  umsichtigen  und  sachverständigen  Vorarbeiters 
in  der  Person  des  Steinmetzen  Nikolaos  Pungis  nachgewie- 
sen, der  die  grössten  an  ihn  gestellten  Ansprüche  zu  erfüllen 
wusste  und  der  ausgezeichneten  Steinmetzenschule,  die  sich 
seit  einem  Jahrzehnt  an  den  Arbeiten  der  Akropolis  ent- 
wickelt hat,  die  höchste  Ehre  macht. 

Mit  diesem  Vorarbeiter,  2  weiteren  Steinmetzen  und  2 
Arbeitern,  lauter  auf  der  Akropolis  erprobten  Leuten,  begann 
ich  am  5.  Juni  die  Arbeit  und  konnte  sie  in  weniger  als  4 
Wochen  zu  Ende  führen. 

Zum  Wiederaufbau  hatten  wir  uns  die  zwei  der  Südost- 


160 


G.    KAWERAU 


Säule  benachbarten  Säulen  gewählt,  eine  an  der  Ostseite, 
die  andere  an  der  Südseite  (erstere  Nr.  2,  letztere  Nr.  3  der 
Tafel  XXI).  Es  konnte  sonst  nur  noch  eine  andere  vSäule  der 
Südseite,  die  zweite  von  Westen  (Nr.  1  auf  Taf.  XXI)  in  Frage 


,5^. 


Abb.    1 .     Ostsätile  von  Norden  nnd  .Süden. 


kommen.  Wir  trafen  jene  Wahl,  weil  sich  hierbei  eine  grosse 
Vereinfachung  des  Gerüstbaus  ergab.  Für  jede  Säule  brauch- 
ten wir  ein  Gerüst,  dessen  Hauptträger  vier  rund  7  m  hohe 
Stützen  sein  mussten.  Bei  dieser  Wahl  konnte  das  zwischen 
den  beiden  Säulen  befindliche  Stützenpaar  für  beide  ohne  Um- 


wiHDKkAri-'HAr  z\vi':n':k  sÄrucx   i)i.:s  iiivraioxs 


H, 


bau  verwendet  werden.  Nur  das  cäussere  vStützenpaar  brauclite 
man,  nachdem  es  für  die  Ostsäule  gedient  hatte,  abzubauen 
und  an  der  Südseite  wieder  aufzurichten. 

Auf  den  beistehenden   vSkizzen  hal)e  ich  jede  der  beiden 


Al)b. 


Ostsäule  von   Osten  und  Westen. 


Säulen  in  ihren  oeometrischen  Ansichten  von  den  4  Himmels- 
richtungen aus  dargestellt,  so  wie  sich  jetzt  nach  fertiger  Auf- 
stellung das  Bild  ergibt.  Die  älteren  Teile,  soweit  sie  aufrecht 
standen,  habe  ich  durch  Andeutung  von  Schattierung  in  den 
Kanelluren  herausgehoben,  die  wiederaufgesetzten  Teile  sind 
mit  einfachen  Linien  gezeichnet,  die  neu  angefertigten  Flick- 
stücke durch  schräge  Schraffierung  betont. 


162 


G.    KAWERAU 


Bei  der  Ostsäule  konnte  über  die  Zusammengehörigkeit 
der  einzelnen  Stücke  kein  Zweifel  herrschen.  Die  Säule  wurde 
genau  so  aufgebaut,  wie  Dörpfeld  sie  auf  der  angeführten 
Tafel   gezeichnet  hat.   Willkommenen   Anhalt  dafür,   wie  die 


5^\ 


Abb.   3.     Südsäule  von  Norden  und  Süden. 


einzelnen  Trommeln  um  ihre  senkrechte  Axe  zu  drehen  wa- 
ren, boten  die  erhaltenen  Vergitterungslöcher,  bei  denen  man 
annehmen  musste,  dass  sie  der  Nachbarsäule  zugewendet  wa- 
ren, also  in  einer  Axe  lagen,  welche  mit  der  Stufenrichtung 
parallel  läuft.   Mit  Zuhülfenahme  der  übrigen    Merkzeichen, 


WIEDHRAUFHAl-    ZWICIER    SÄILEX    DlCS    HICRAIOXS  163 

Anscliluss  der  Kanelliireii,  Fiiorenschluss  in  den  Auflager- 
flachen  u.  dg-1.  Hess  sich  bei  den  meisten  Troninieln  mit 
Sicherheit  die  ehemalige  Lage  bestimmen.  Erleichtert  wurde 
das  Versetzen  der  Trommeln  auch  durch  den  Ihnstand,  dass 


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Abb.   4.     Südsäule  von  Osten  und  Westen. 


der  Schaft  ohne  Entasis  in  gerader  Linie  aufsteigt.  Auch  bei 
der  Südsäule  fehlt  die  Entasis.  Es  konnte  also  durch  Anlegen 
einer  über  mehrere  Trommeln  hinwegreichenden  Latte  das 
Aufpassen  einer  Trommel  auf  die  andere  genau  nachge- 
prüft werden. 

Bei  der  nur  aus  4  Trommeln  bestehenden  Südsäule  er- 
gab sich  die  Stelluno-  der  zweiten  und  dritten  Trommel  \on 


1  64  G.    KAWERAU 

unten  aus  den  für  die  Aufnahme  der  Anatheme  hergestellten 
Einarbeitung-en.  Für  die  oberste  Trommel  bin  ich  von  der 
Rekonstruktion  abgewichen,  welche  Dörpfeld  auf  Taf.  XXI 
für  diese  Säule  gezeichnet  hat.  Er  gibt  als  oberstes  Stück 
eine  bis  zu  41  cm  Höhe  erhaltene,  im  Oberteil  abgebrochene 
Trommel,  deren  fehlendes  Oberstück  in  seiner  Zeichnung  er- 
gänzt ist.  Eine  solche,  seinen  Maassangaben  genau  entspre- 
chende Trommel,  die  auch  nach  Material  imd  Arbeit  wohl 
passen  könnte,  liegt  jetzt  auf  dem  römischen  Bassin  der  Süd- 
seite. Ich  glaube  jedoch  nach  wiederholter  Untersuchung 
noch  die  Reste  der  Bearbeitung  der  oberen  Auflagerfläche 
auf  dieser  Trommel  zu  sehen.  Sie  könnte  danach  überhaupt 
nur  41  cm  hoch  gewesen  sein,  und,  um  auf  die  richtige  Ge- 
samthöhe der  Säule  zu  kommen,  müsste  als  oberstes  Stück 
noch  eine  flache  Scheibe  von  etwa  1  7  cm  Höhe  ergänzt  wer- 
den. Das  geht  aber  nicht  mit  den  unteren  hohen  Trommeln 
zusammen.  Ich  sah  mich  deshalb  nach  einer  anderen  Lösung 
um  und  fand  vor  der  Ostseite  des  Tempels,  etwa  1  2  m  ent- 
fernt, bei  den  Resten  des  Altars  eine  andere  in  jeder  Bezie- 
hung passende  Trommel  von  62,2  cm  Höhe.  Aus  älteren 
Notizen  Dörpfelds,  welche  dieser  mir  freundlichst  zur  Ver- 
fügung stellte,  ersah  ich,  dass  auch  er  schon  die  Zugehörig- 
keis  dieses  Stückes  in  Erwägung  gezogen  hatte.  Freilich  er- 
gab sich,  wenn  man  diese  Trommel  als  oberste  des  Schaftes 
annahm,  eine  Schwierigkeit:  die  Gesamthöhe  dieser  Säule 
stellte  sich,  wenn  man  die  an  den  einzelnen  Trommeln  gemes- 
senen Höhen  addierte,  auf  5,26  m,  während  die  Ostsäule  nur 
5,20  m  Höhe  ergab.  Dieser  Höhenunterschied  von  6  cm  hat 
wohl  hauptsächlich  Dörpfeld  veranlasst,  von  dem  ursprüng- 
lichen Gedanken  abzugehen  und  die  Trommel  von  41  cm 
erhaltener  Höhe  als  oberste  anzusetzen.  Aber  nach  fertiger 
x\ufstellung  der  Säulen  ergibt  die  Aufmessung,  dass  dieser 
bei  den  Einzelmaassen  hervortretende  Höhenunterschied  sich 
im  Gesamtmaass  auf  3,5  bis  4  cm  vermindert :  die  Ostsäule 
ergibt  5,205,  die  Südsäule,  deren  Kapitell -Oberfläche  nicht 
genau  in  der  Wage  liegt,  5,24  —  5,245  m  Höhe.  Vielleicht 
verringert  sich  diese  Differenz  noch  mehr.  Es  ist  nicht  un- 
wahrscheinlich, dass  auch  die  Ostsäule  auf  der  Kapitell-Ober- 


\vii':i)i':RArFi!Ar  z\vI':i]":r  sailicx   dics  iiilraions       K)5 

fläche  einen  kleinen  sraifu7//is  crehabt  hat,  so  wie  es  das  Kapi- 
tell der  Südseite  zeio;t.  Jetzt  ist  die  Haut  der  Oberfläche  des 
Kapitells  stark  zerstört,  sodass  sich  das  nicht  mehr  entschei- 
den lässt.  Jedenfalls  trage  ich  trotz  dieser  Differenz  kein 
Bedenken,  diese  Trommel  für  die  vSüdsänle  zu  verwenden. 
Auch  die  andere  vorher  erwähnte  vSänle  der  vSüdseite,  Nr.  1 
auf  Taf.  XXI,  bei  welcher  die  Höhe  .sich  berechnen  lässt,  ist 
höher  als  das  ermittelte  Maass  der  Ostsäulc,  nämlich  5,22  ni. 
Man  weiss  ja,  dass  diese  Steinsäulen  unter  das  seit  Jahrhun- 
derten bestehende  Holzgebälk  untergeschoben  sind :  bei  die- 
sem Sachverhalt  können  geringe  Unterschiede  in  der  Höhe 
der  Säulen  nicht  befremden.  Für  die  Zugehörigkeit  dieser 
Trommel  spricht  noch  ein  weiterer  Umstand.  Sie  muss  wegen 
ihrer  Höhe  der  Gruppe  von  Säulen  zugerechnet  werden,  die 
aus  wenigen,  aber  hohen  Tronnneln  bestanden.  \'on  dieser 
Gattung  sind  nur  3  Säulen  vorhanden,  eine  an  der  Westfront, 
eine  im  Norden,  und  zwar  nahe  der  Westfront,  und  unsere 
Südsäule.  Es  ist  also  wahrscheinlich,  dass  die  im  Osten  lie- 
gende Trommel  nicht  den  weit  entfernten  erstgenannten  Säu- 
len, sondern  der  sehr  viel  näher  stehenden  Südsäule  angehörte. 
In  jedem  Fall  passt  die  Trommel  so  gut,  dass  mir  ihre  Ver- 
wendung gerechtfertigt  erscheinen  würde,  auch  wenn  meine 
Ansicht  über  den  Zustand  der  Oberfläche  der  41  cm  hohen 
Trommel  sich  als  irrig  erweisen  sollte.  Diese  Möglichkeit  gebe 
ich  zu  —  der  olympische  Muschelkalk  bricht  manchmal  in  so 
glatten  horizontalen  Schichten,  dass  es  sehr  schwer  ist,  zu 
entscheiden,  ob  die  betreffende  Fläche  künstlich  geglättet 
war  oder  Bruchfläche  ist.  Aber  an  dieser  Trommel  hätte  un- 
mittelbar unter  dem  Kapitellansatz  eine  ganz  niedrige  neue 
Trommelscheibe  eingefügt  werden  müssen,  welche  den  Ein- 
druck der  Säule  stark  beeinträchtigt  haben  würde. 

Wir  konnten  nicht  erwarten,  dass  unsere  Wiederherstel- 
lungsarbeit zu  den  gründlichen  Untersuchungen,  die  Dörpfeld 
am  Heraion  angestellt  und  im  Olympia-Werk  niedergelegt 
hat,  irgendwie  Neues  hinzubringen  werde.  Als  ein  beschei- 
dener Gewinn  mag  höchstens  betrachtet  werden,  dass  man 
jetzt  —  bei  zwei  Säulen  wenigstens  —  die  Art  der  Vergitte- 
rung besser  erkennen   kann.   Man  sieht,   wie  unregelmässig 


166  (i.    KAWERAU 

die  Löcher  gesetzt  sind  und  sieht  bei  der  Südsäule  —  Ansicht 
von  Osten  — ,  dass  ein  anscheinend  dem  gleichen  Zweck  die- 
nendes Loch  roh  in  die  vSäule  hineingeschlagen  ist  an  einer 
Stelle,  wo  früher  ein  Anathem  angebracht  war.  Welcher  Zeit 
diese  Vergitterungen  angehören,  lässt  sich  nicht  bestimmen ; 
dass  sie  eine  recht  späte  Zutat  sind,  lehrt  der  Augenschein. 
Interessant  ist  die  Südsäule  besonders  durch  die  Menge  von 
Einarbeitungen  für  Anatheme.  Wir  sehen  an  dieser  Säule 
allein  10  Eintiefungen  für  Weihetafeln,  ausserdem  an  der 
untersten  Trommel  noch  zweimal  ein  System  von  je  4  zu- 
sammengehörigen Löchern,  die  jedenfalls  auch  der  Befesti- 
gung von  Pinakes  dienen  sollten.  Nur  bei  wenigen  Trommeln 
zeigen  die  erhaltenen  Löcher  so  deutlich  ihre  Bestimmung. 
Manchmal  ist  überhaupt  nicht  festzustellen,  ob  an  der  betref- 
fenden Stelle  ein  Nagelloch  vorhanden  war,  oder  ob  nur  eine 
zufällige  Beschädigung  des  Steins  vorliegt. 

Unsere  Kopfvignette  und  Taf.  VI  geben  den  Blick  auf 
die  Südostecke  des  Heraions  von  aussen  her,  einmal  vor  und 
einmal  nach  der  Wiederaufrichtung  der  Säulen.  Eine  weitere 
Darstellung  des  jetzigen  Zustandes  zeigt  Abb.  5,  den  Blick 
auf  die  beiden  Säulen  vom  Kronoshügel  aus,  und  Taf.  V,  die 
beiden  Säulen  aus  grösserer  Nähe  von  Osten  her  gesehen. 
Der  Zufall  hat  es  gefügt,  dass  diese  beiden  besterhaltenen 
Säulen  zugleich  Vertreterinnen  ganz  verschiedener  Typen 
sind:  die  Ostsäule  aus  10  niedrigen  Trommeln  bestehend, 
mit  wenig  ausladendem,  nüchtern  gezeichnetem  Kapitell  mit 
geradlinigem  Echinos,  der  vSchaft  mit  Kanelluren  versehen, 
die  nach  der  Kreislinie  ausgetieft  sind ;  die  Südsäule  aus 
4  hohen  Trommeln  gebildet,  deren  Kanelluren  ganz  flach 
geschwungen,  fast  geradlinig  sind,  mit  altertümlich  geform- 
tem wuchtigem  Kapitell,  das  weit  ausladet  und  durch  die 
stark  geschwungene  Echinoslinie  ein  lebendiges  Spiel  von 
Licht  und  Schatten  erzeuot. 


Bei  der  Eigenart  dieser  Arbeit  mag  es  gerechtfertigt  er- 
scheinen, auch  über  den  rein  technischen  Arbeitsbetrieb  noch 
einige  Bemerkungen  zu  machen. 


wiEi)i':RArFKAr  zvviciicr  s.mlkx   1)I<:s  in^raions 


67 


Die  grössten  zu  liebenden  Stücke  hatten    niclit  mehr  als 

1  Y^  cbm  Rauminhalt.  Indem  ich  schätzvmgsweise  das  Gewicht 
des  olympischen  Steinmaterials  mit  2000  Kilo  für  den  cbm  an- 
setzte, erhielt  ich  als  höchste  in  Betracht  kommende  Last  rund 

2  Y2  Tons.  Hiernach  war  der  Flaschenzug  zu  wählen  und  das 
Gerüst  zu  konstruieren.  Für  letzteres  hatte  ich  versucht,  in 
den  nächstbenachbarten  grösseren  Orten  Pyrgos  oder  Patras 
einen  Unternehmer  zu  finden,  der  zu  festem  Preise  das  Gerüst 


Abb.  5.      Blick   auf  die  östliche   Hälfte  des  Heraions  vom   Kronoshügel  her. 


liefern,  auf-  und  umbauen  und  nach  Gebrauch  das  Holz  wie- 
der zurücknehmen  sollte.  Der  Versuch  scheiterte  an  der 
Schwerfälligkeit  der  betreffenden  Leute.  Wir  mussten  selbst 
das  Holz  in  Pyrgos  einkaufen.  Wir  beschränkten  uns  hierbei 
natürlich  auf  das  Notwendigste  und  suchten  auf  die  einfach- 
ste Weise  das  Gerüst  aufzubauen.  Als  LTnterlage  wurden  vier 
sich  an  den  Ecken  überkreuzende  8  cm  starke  Bohlen  gelegt, 
die  teils  auf  der  Peristasis  auflagen,  teils  nach  aussen  über 
den  Stufenbau  übergriffen,  wo  sie  durch  einen  Unterbau  von 
grossen  Steinen  gestützt  w'urden.  Auf  die  4  Kreuzungspunkte 


168  Cr.    KAWßRAU 

der  Bohlen,  wo  doppelte  Holzstärke  vorhanden  war,  wurden 
die  4  Hauptständer  des  Gerüstes  gestellt,  7  ni  hohe  Balken 
von  nur  18:20  cm  Querschnitt.  Die  Stützenpaare  an  den  kur- 
zen Seiten  dieses  Rechtecks  wurden  durch  kräftige  Querrie- 
gel verbunden,  auf  diesen  wieder  wurden  zwei  Balken  glei- 
cher Dimension  dicht  nebeneinander  gelagert,  welche  zur 
Aufhängung  und  horizontalen  Bewegung  des  Flasclienzuges 
dienen  sollten.  Gegen  Verschiebungen  nach  aussen  wurden 
die  4  Hauptständer  jeder  nach  zwei  Richtungen  hin  abge- 
strebt, gegen  Umkippen  nach  innen  wurden  nur  in  drei  ver- 
schiedenen Höhen  horizontale  Verbindungen  mittelst  angena- 
gelter schwächerer  Hölzer  verwendet.  Überhaupt  haben  wir, 
um  den  Holzwert  des  später  wieder  zu  verkaufenden  Mate- 
rials nicht  zu  beeinträchtigen,  auf  alle  eigentlichen  Holzver- 
bindungen des  Zimmermanns -Handwerks,  wie  Überblattun- 
gen  und  Versatzungen,  Verzicht  geleistet,  auch  keine  Schrau- 
benbolzen angewendet,  sondern  alle  Zusammenfügung  der 
Hölzer  nur  mit  starken  Nägeln  und  Krampen  bewerkstelligt. 
Das  Gerüst  hat  sich  vollkommen  bewährt  und  wir  hatten 
durch  Schonung  des  Materials  den  Vorteil,  dass  wir  am 
Schluss  der  Arbeit  bei  Wiederverkauf  der  Hölzer  den  halben 
Einkaufspreis  wieder  zurückerhielten.  Die  nötige  bildliche 
Erläuterung  zu  diesen  Bemerkungen  gibt  Abb.  6,  welche  das 
Aufziehen  der  ersten  Trommel,  der  sechsten  von  unten,  an 
der  Ostsäule  darstellt. 

Für  die  in  Betracht  kommende  Last  von  2  \!.,  Tons  war 
der  uns  zur  Verfügung  gestellte  Flaschenzug  von  4  Tons  Ar- 
beitsleistung reichlich  stark.  Diese  hier  gebräuchlichen  Fla- 
schenzüge für  kleinere  Lasten  sind  mit  einer  für  primitive 
Verhältnisse  sehr  praktischen  Vorrichtung  versehen,  welche 
die  Anwendung  eiserner  Träger  oder  Laufschienen  und  auf 
Rädern  gehender  Laufkatzen  erspart.  Der  Flaschenzug  wird 
an  einem  starken  eisernen  Bügel  aufgehängt,  der  um  den 
Haupt-Tragebalken  herumgelegt  wird,  sodass  die  obere  hori- 
zontale Axe  dieses  vierseitigen  eisernen  Rahmens  auf  dem 
Tragebalken  aufliegt,  während  die  an  den  Flaschenzug  an- 
gehängte Last  frei  unter  dem  Balken  schwebt.  Diese  obere 
Axe  ist  aus  Rundeisen  herg-estellt  und  kann  mittelst  seitlich 


\vii<:])i<:uArFi!Ar  z\vi:ikr   s.mMvX   dks   iiivkAioxs 


f.O 


aiio'ebracliter  Kurbeln  oedrelit  werden.  I'^in  einziger  Mann 
kann  von  oben  her  die  .stanze  Lasl  in  liorizontaleni  Sinne  liin- 
nnd  lierbewegen. 

Von  allo^emeinerem  Interesse  sind  \ielleieht  ein  paar 
Bemerkungen  über  die  eioentliche  vSteinnietzarbeit  und  die 
Art,  wie  die  Ausflickungen  der  bescliädio-ten  Säulentrom- 
niehi  bewerkstelligt  wurden.  Es  war  von  vornherein  klar,  dass 
man  das  Material  für  die  neu  herzustellenden    Stüeke  an  Ort 


Abb.   b.     Das   Gerüst  um   die  Ostsäule. 


und  Stelle  suchen  müsse,  d.  h.  unter  den  im  Ausgrabungs- 
bezirk umherliegenden  Steinen  der  alten  Bauten.  Man  wäre 
sonst  in  Verlegenheit,  irgendwo  dieses  für  die  olympischen 
Bauten  so  charakteristische  Muschelkonglomerat  zu  beschaf- 
fen. Für  die  verhältnismässig  kleinen  hier  in  Betracht  kom- 
menden Dimensionen  war  es  auch  möglich,  die  nötigen  Er- 
satzstücke in  alten  Bausteinen,  die  nach  keiner  Richtung  hin 
von  irgendwelchem  Werte  waren,  zu  finden.  Freilich  nicht 
ohne  Mühe.  Es  sind  unter  der  grossen  Masse  der  umherlie- 
genden Stücke  doch  nur  sehr  wenige,  die  nicht  -    auf  Grund 


1  70  G.    KAW'ßRAU 

eines  Klammer-  oder  Dübelloclies  oder  eines  Restes  von 
Fläclienbearbeitung  —  einmal  für  wertvoll  angesehen  werden 
könnten.  Wir  haben  eine  sorgfältige  Auswahl  getroffen  und 
nicht  verfehlt,  alle  grösseren  Stücke,  bevor  wir  sie  in  Arbeit 
nahmen,  auch  dem  Epistaten  des  olympischen  Museums  vor- 
zuweisen. Trotzdem  gelang  es  nicht,  in  jedem  Fall  genau  die- 
selbe Nuance  des  Materials  zu  finden,  wie  sie  gerade  die  be- 
treffende Säule  zeigt.  Ich  hielt  dies  auch  nicht  für  nötig,  da 
es  ja  nicht  die  Absicht  war,  in  den  neuen  Teilen  Altertum 
vorzutäuschen,  sondern  nur,  die  Unterschiede  zwischen  Alt 
und  Neu  nicht  allzu  hart  erscheinen  zu  lassen.  Dass  vorläufig 
eine  Täuschung  nicht  möglich  ist,  dafür  sorgen  die  zu  An- 
fang mehr  oder  weniger  weiss  erscheinenden  neu  bearbeite- 
ten Stücke  gegenüber  dem  vom  Gelb  bis  zum  Schwarz  rei- 
chenden, immer  aber  dunkleren  Farbenton  der  alten  Teile. 
Ich  hielt  es  nicht  für  richtig,  dem  Ausgleichungsverfahren, 
das  die  Natur  zu  besorgen  pflegt,  durch  künstliche  Mittel 
nachzuhelfen.  Die  Unterschiede  in  der  Färbung  des  Steins 
hielten  wir  nicht  für  eine  wesentliche  Störung  des  Eindrucks, 
dagegen  legten  wir  Wert  darauf,  die  Umrisslinien  der  Säulen- 
schäfte nicht  durch  die  Flickstücke  zu  unterbrechen.  Wir  ha- 
ben deshalb  an  den  neuen  Stücken  sowohl  die  Kanelluren 
durchgeführt  als  auch  die  Eintiefungen  für  Weihgeschenke, 
soweit  die  Grenzen  bestimmbar  waren,  ausgearbeitet. 

Die  Steinmetzarbeit  begann  mit  der  Abarbeitung  der 
alten  Trommeln,  soweit  sie  Ersatzstücke  nötig  hatten.  Alle 
Bruchflächen  des  alten  Steins  wurden  soweit  weggearbeitet, 
dass  neue  glatte  möglichst  rechtwinklig  zu  einander  stehende 
Flächen  geschaffen  wurden.  Eine  Anschauung  davon  gibt 
Abb.  7,  wo  die  zwei  auszuflickenden  Trommeln  der  Ostsäule 
in  diesem  Zustand  der  Vorrichtung  dargestellt  sind.  Die  vorn 
liegende  Trommel  ist  die  zweite,  von  oben  gerechnet.  Sie 
soll  ein  Einsatzstück  in  Form  eines  Kreissegments  erhalten. 
Die  dahinter  liegende  ist  die  fünfte  von  oben ;  ihre  Unter- 
fläche ist  nach  oben  gekehrt.  Hier  ist  nach  der  Unterseite 
hin  nur  der  mittlere  Kern  stehen  geblieben,  an  den  sich  nach 
allen  Seiten  neue  Aussenstücke  anlehnen  sollen.  Nachdem 
diese  Vorarbeit  getan   war,   w^irden   genaue  Schablonen  der 


wiKDKRArFHAr  ZWEIER   sAtlex   I)I<:s   IIK.RAIOXS 


171 


herzustellenden  Einsatzstücke  ang-efertio^t.  Die  neuen  vStücke 
— mit  der  nötio^en  Maasszugabe  für  die  äussere  Ansicht  gear- 
beitet—  wurden  dann  genau  eingepasst  und  mit  dem  ]\Ie\  er- 
sehen Steinkitt  an  die  alten  Flächen  angeheftet.  Entsprechend 
der  Weichheit  des  olympischen  Porös  wurde  diesem  Kitt 
die  zwei-  bis  dreifache  Meng-e  von  zu  Pulver  geriebenem  Stein 
des  olympischen  Muschelkonglomerats  beigemengt.  Härteres 
Material  verlangt  nur  geringere  Beimischung  von  vSteinpul- 


Abb.    ".      Vorrichtung  der  Trommeln 
für  die  Ansflickuno-. 


ver.  Die  einzelnen  F'lickstücke  wurden  sodann  an  ihrer  Aufla- 
gerfläche sowohl  unter  einander  wie  mit  dem  erhaltenen  alten 
Kern  durch  eingelassene  I  I  fcrmige  Eisenklammern  ver- 
bunden, worauf  das  Versetzen  des  betreffenden  Stückes  erfol- 
gen konnte.  Alle  diese  Maassnahmen  wurden  in  der  gleichen 
Art  vorgenommen,  wie  es  bei  den  Arbeiten  am  Parthenon 
und  Erechtheion  erprobt  worden  ist.  Die  Steine  wurden  nach 
antiken  Vorbild  mit  dem  Wolf  hochgezogen,  dem  Instrument, 
das   der  griechische   vSteinmetz  heute   als  xaujidvd.  bezeichnet. 


172  KAWERAI':   WIEDERAUFBAU  ZWEIER  SÄULEN  DES  HERAIONS 

Bei  schwereren  Stücken  wnrde  der  Wolf  möglichst  tief  in  den 
Stein  eingesetzt,  um  den  Druck  auf  eine  grössere  Fläche  zu 
übertragen  und  der  bei  weichem  Material  nicht  ausgeschlos- 
senen Gefahr  zu  begegnen,  dass  die  Kanten  des  Wolflochs  ab- 
gesprengt werden.  Zu  weiterer  Sicherheit  wurden  die  schwer- 
sten Stücke  ausserdem  noch  mit  Tauen  gebunden.  Ein  fester 
Anschluss  des  Wolfs  an  die  Kanten  des  W'olflochs  wurde 
durch  Einschieben  schmaler  Eisenstücke  erzielt,  ausserdem 
wurde  feiner  Sand  mit  Wasser  in  das  Wolfloch  eingeschlemmt, 
um  durchweg  gleichmässige  Berührung  zwischen  Eisen  und 
Stein  zu  erreichen. 

Der  olympische  «Porös-  lässt  sich  ungemein  leicht  bear- 
beiten. Beispielsweise  erwähne  ich,  dass  die  Herstellung  eines 
Wolfloches,  für  die  bei  pentelischem  Marmor  etwa  ein  halber 
Arbeitstag  zu  rechnen  ist,  hier  nur  eine  Viertelstunde  er- 
forderte. 

Unserem  freundlichen  Gönner  und  Bauherrn  wird  nicht 
nur  der  kunstfrohe  Reisende  dankbar  sein  für  die  Belebung, 
die  dem  Bilde  der  grossen  Trümmerstätte  zuteil  geworden 
ist,  auch  die  archäologische  Wissenschaft  wird  es  dankbar 
anerkennen,  dass  von  jener  bunten  Versammlung  von  Säulen- 
Individuen,  die  sich  um  das  alte  Heiligtum  scharte,  zwei 
lebendige  Vertreter  in  ihrer  Ganzheit  wiedererstanden  sind. 

Möge  der  Geber  selbst  Freude  am  Werke  haben ! 

Athen. 

Georo-   Kawerau 


APIIFN.  MiTTKILUNCiEN  1905. 


TAFEI,  \'II. 


EIN  BRIEF  DES  KÖNIGS  ZIAELAS  AN  DIE  KOER. 
(iEFUNDEN  IM  ASKLEPIEI(3N  IN  KOS. 


173 


EIN    BRIEF    DES    KÖNICxS    ZIAELAS 
VON  RITHYNIEN  AN  DIE  KOER 

(Hierzu    Taf.  VII). 

Im  Asklepieion  von  Kos  waren  wie  in  Mag-nesia  am  Maian- 
dros,  Teos  und  anderen  Orten  Urkunden  in  Stein  verewig-t, 
die  man  kurz  als  Asyliedekrete  zu  bezeichnen  pflegt,  d.  h.  die 
Antworten  von  Staaten,  Völkern  und  Königen  auf  die  Ein- 
ladung zu  neugegründeten  Festen,  mit  der  die  Bitte  um  Aner- 
kennung der  Asylie  des  Heiligtums  verbunden  war.  Sie  wa- 
ren in  Kos  nicht  wie  in  Magnesia  und  Teos  als  zusammen- 
hängende Masse  auf  Wänden  im  Heiligtum  eingegraben, 
sondern  teils  einzeln,  teils  in  Gruppen  auf  besonderen  Stelen 
verschiedener  Gestalt  aufgezeichnet.  So  sind  sie  an  mehre- 
ren Stellen  des  Heiligtums  teils  in  kleinen  Bruchstücken, 
teils  in  der  Hauptsache  oder  vollständig  erhalten,  zu  Tage 
getreten.  Die  Aufzeichnungen  rühren  gruppenweise  von  ver- 
schiedenen Steinmetzen  her,  gehören  aber  dem  Schriftcharak- 
ter nach  alle  in  dieselbe  Zeit,  wie  auch  die  Urkunden  durch 
die  Namen  der  Gesandten  als  gleichzeitig  erwiesen  sind. 

So  sind  auf  einer  Stele  zusammengestellt  die  Antworten 
von  fünf  peloponnesischen  Staaten  :  Lakedaimon,  Messene, 
Thelphusa,  Elis,  Aigeira,  auf  einer  andern  die  von  Pella,  Nea- 
pel, Elea,  eine  dritte  enthält  die  von  Kamarina,  das  die  Koer 
als  seine  awcixiorai  bezeichnet. 

Ein  allgemeineres  Interesse  bietet  unter  diesen  Antwor- 
ten der  Brief  des  Königs  Ziaelas  von  Bithynien.  Er  stand  mit 
andern  Königsbriefen  auf  einer  dreiseitigen,  prismatischen 
Stele  mit  abgeschnittenen  Ecken.  Die  von  Rillen  eingefassten 
Seiten  sind  31  cm  breit,  die  Kantenabschnitte  zwischen  den 
Rillen  4  cm.  Der  obere  Teil  und  das  unterste  Ende  der  Stele 
sind  abgebrochen.  Unten  ist  (abgesehen  vom  rechten  Rand) 
dadurch  kein  Schaden  für  den  Text  entstanden,  aber  es  ist 
nicht  mehr  nachzuweisen,  ob  das  Prisma  in  eine  Axe  einge- 
lassen war,  um  die  es  gedreht  werden  konnte.  Dies  ist  jedoch 

ATHEN.      MITTEILUNGEN     XXX.  1  2 


1  74  R.    HERZOG 

vorauszusetzen,  denn  wir  haben  ohne  Zweifel  die  uralte  Form 
der  xi'Qßii;  vor  uns,  für  die  wir  nur  eine  Analogie  haben  in 
dem  Fragment  IG  IV  559  S.125  (vgl.  Szanto,  Artikel  dtoA-g; 
bei  Pauly-Wissowa).  H.  Schrader  vermutet  daher  wohl  richtig, 
dass  die  Kantenabschnitte  zM'ischen  den  Rillen  eine  Nachah- 
mung der  Holzlatten  darstellen  sollen,  zwischen  denen  ur- 
sprünglich die  hölzernen  Tafeln  der  xuQßei;  eingesetzt  wur- 
den. Die  erhaltene  Höhe  des  Steins  beträgt  1 1  5  cm,  die  Buch- 
stabenhöhe 8  mm.  Das  Material  ist  bläulich  weisser  Marmor. 
Der  Stein  fand  sich  in  der  Ausgrabungskampagne  1903  am 
Nordosteck  der  Säulenhallen  der  untersten  Terrasse  des  Askle- 
pieion  (vgl.  den  Plan  Archäol  Anzeign'  1903,  S.187;1905,  S.  3) 
und  ist  jetzt  im  Museum  am  Ausgrabungsplatz  aufgestellt.  Da 
er  als  Schwelle  wieder  verwendet  war,  so  ist  eine  Seite  bis 
auf  geringe  Buchstabenspuren  ganz  abgetreten.  Auf  der  an- 
dern Seite  ist  die  zweite  Hälfte  eines  nicht  näher  zu  bestim- 
menden Königsbriefes  in  der  Asyliesache  erhalten,  auf  der  drit- 
ten unter  dem  Schluss  eines  ebensolchen  Briefes  das  vollstän- 
dige Schreiben,  das  ich  im  .[rcJiäol.  Anzeiger  1903,  S.  197  er- 
wähnt habe  und  jetzt  im  Wortlaut  folgen  lasse  (vgl.  Taf.  \'n). 

Baoi7ieuc;   Biftuvdjv    Ziai]Xac; 
Kojiürv   rfji    ßoi'?tf]i  xa)    twi   8)]|x- 
\\.fss\   xMipELV    AioyEiTOi;   'Aqioto- 
^vo/oi;    ©ei'iöOTOi;   oi   jtaQ^  i'j.ttöv 
5        jTaQaY8A'6|.i8voi   fi^iow'   t6    leQOV 

TOii    'Aax?a]:n;LOii    x6    lÖQUfievoA'    jt«- 
q'  v\C\y   d:n;o88|aa0ai   douXov   xal 
TCt   ?ioijrd   cpduv{)^oa)jreTA'   \v\\   jco- 
Aei  xa{)ö:7rsQ  xal   Nixüiirjöiic  6 
10       jtaTr]Q  fipiwv   zvyö^c,   öiexei- 
xo  T(üi   8t][j,ü)i'   fiiieig  öe   :n;dv- 

TCOV    ^8V    TWV     d(piXVOD[18VC0[v 

|.i8v    Tf]v   8m|ieA8iav    Jioioufis- 
1 5       voi,   jt8Jt8ia|i.8voi  JtQOi;  8ö|av   oi) 
[.iixQov    ou[ißd?i.Ä8oflai  To    fX8Q0i; 
TOUTo"    Jio?.{)    h\\    ud?jaTa   twa' 


EIN    BRIEF   DES    KÖNIGS   ZIAELAS    AN    DIE    KOER  175 

jcfaQixöJv   (piAoov   ftiate^tOi!- 

[.lev    jroA.ii(OQoijVTeg   xai   v\i(x)V 
20       8ia  TTjv   jtQog  T6|i.  Tcariga  v^iwv 

f)jrdßxoiJoav   jcqo?   tov    L)|j,eTe- 

Qov   öfj^ov   yvodoiv  xal  8id  t6 

t6|.i   ßaöiAea   IlTüXefxaiov 

oixeiwi;   8iaxELa{)ai   xä   kqoc,   v\iäq, 
25       ovra  f|^^eTeQOv    (piXov  xal    ov\i- 

!J,axov    ETI   8e   xal   xovq   jiuq"  v\imv 

ä7XEaxaX[ievovq  cpdoTijxote- 

Qov  d:7roXoYi0aGi}ai  Tr)v   eij'voiav 

r\v   exete  eig  '^|j,d<;"   sv  xe   xdiq  Äoi- 
30       jtolg  xa{)'  o  av  fmdi;   d|iü)T8,   neigaoo- 

^i8\)a  xal    löiai   Ixotato^L  xal  xoi- 

vfji   näai   cpOMvdQcoKelv   xai^OGOA' 

f)[,iei5  öuvaroi  ea|,iev,   xal  to)v 

:n:ÄeiövTO)v   Ti]V   ddXaaoav 
35        oooi   UV   nty/dvcooLV   twv   ^[xe- 

teQcov    TZQOoßdXXovxzq  xolc, 

TOrtoig   (x)v   fif.1815   xQaTOÜjiev, 

cpQovTi^en'   ojtoj?  f]   docpdÄei[a 

avxolc,   ujtdQx»]  •  xatd   Taitxd   [8e 
40       xal  Ol?   dv   ai'^(3fi    jiTat^aTOi;  [tl- 

voq   YEVofXEVOi)   xaxd   nkovv 

JtQOOTlEOelv    JIQOC,    TT]V    f|[.l£tE[QaV, 

jiäoav   ajiouÖTjv   jtoi£lG{)^ai  iv[a 
[xr)8'  vqp'  evbc,  döixtövTar  ano^eyp- 
45       (XEi*}a  88  xal  t6  ieqov  davA,ov  x[a{}6- 
jiEQ   ojieo{)e  8eiv,  xal  äioyeitwi    [xal 
'AQiato^oxtoi  xal   08v8ötcoi   äe[qI 
TÖöv  TOVTOOV  xal  XMV  ä}\.X(X)[v  ä  oder  ü)v 
fißoDXö[iE{)^a,   EVTEtaX^Aai  dv[aY- 
YEiAai  ufxEiv.  "Eqqcoo{)e. 

Die  Schrift  ist  sorgfältig,  aber  nicht  geziert  elegant.  Die 
meisten  Sinnabschnitte  sind  durch  Zwischenräume  gekenn- 
zeichnet, Z.  3.  11.  1  7.  26.  33.  50.  In  Z.  39  YPAPXH  •  KATA 
scheint  sogar  eine  Interpunktion  zu  stehen. 


176  R.    HERZOG 

Orthographische  Eigenheiten  wie  jtXeiovTWv  Z.  34  (Littera- 
tur  und  Belege  zuletzt  bei  Nachmanson  Laute  U7td  Formen  der 
)iiag}i.  Iiischr.  S.  21,3),  itfieTv  Z.  50  (wohl  eines  der  frühesten 
Beispiele,  die  aber  gerade  bei  diesen  Pronomina  einzusetzen 
scheinen,  vgl.  Nachmanson  S.  35),  vi\6.q'ix\  Z.  39,  GV(.ißri  Z.  40  (in 
Kos  schon  früh  beim  Konjunktiv  und  als  dorische  Eigentüm- 
lichkeit erklärt,  Barth  de  Coorum  tihilonini  dialecto  S.IOSf.),  so- 
wie die  Silbentrennung  8i][i-^(.coi  Z.  2/3  (vgl.  Schweizer  Grannu. 
der  perg.  IiiscJir.  S.  132  f.)  sind  nicht  auffällig  und  dürfen  auf 
Rechnung  des  koischen  Steinmetzen  gesetzt  werden. 

Nicht  so  sicher  ist,  wer  die  Verantwortung  hat  für  andere 
Eigentümlichkeiten  oder  Fehler  wie  Jitcu[ia,  das  griechisch 
neben  jtT(uo[^ia  nicht  zu  belegen  ist,  aber  doch  Analogien  hat 
(Kühner-Blass  I  -'  S.  131  f.).  fpdavOQoojtelv  ist  Z.  8.  32  mit  dem 
Dativ  konstruiert,  bei  Polybius  III  76,  2;  Pap.  Oxyr.  III  532,  20 
allerdings  mit  dem  Akkusativ,  aber  in  der  Rosetta- Inschrift 
Or.  Gr.  Jnscr.  I  90  ^''-  intransitiv  gebraucht.  Auch  hier  hat 
das  Schwanken  zwischen  Dativ  und  x^kkusativ  Analogien 
(Kühner-Gerth  11-  S.  324'').  Statt  des  Komparativs  q)iÄ0Tifx6- 
TgQov  Z.  27/28  erwarten  wir  den  Superlativ.  Die  bei  Kühner  II- 
S.  305  f.  '  gesammelten  Fälle  passen  hierauf  nicht,  wir  müs- 
sen darin  also  entweder  einen  Vorboten  des  schon  im  Neuen 
Testament  entwickelten  Schwunds  des  Superlativs  (Blass 
Graiiiiiiafik  des  iieiitestaiiietitliche)!  GrieehiscJi  S.  138f.)  oder 
barbarische  Unsicherheit  sehen. 

Deutlicher  zeigt  sich  die  letztere  Erscheinung  im  Ge- 
brauch des  Artikels.  Wie  im  römisch-griechischen  Kanzleistil 
ein  häufiges  Fehlen  des  Artikels  zu  beobachten  ist,  weil  er 
der  lateinischen  Sprache  fehlt  (Viereck  Servio  graecus  S.  60  f.), 
so  kann  dies  auch  zum  pleonastischen  Gebrauch  führen.  Zwar 
TT1\'  8jn|ieAeiav  jioiou(ievo\'  Z.  14  ist  gut  griechisch,  auch  f)  aocpd- 
Äsia  {'j^dg/ii  Z.  38  ist  nicht  anstössig.  Aber  der  Satz  Z.  1 5  ff. 
jiQog  ftö'^uv  QU  [ux(_)ov  oij|ißdXÄ£0i)«i  t6  [.leQOi;  xouto,  in  welchem 
nach  der  zunächst  liegenden  grammatikalischen  Beziehung 
tö  jxeQog  TOÜTO  als  Subjekt  die  sonderbare  Bedeutung  «dieser 
Punkt,  dieses  Stück,  d.  h.  dieses  Verhalten)  hätte  (etwa  wie 
Polyb.  I,  20,8.  10;  II  37,10),  wird  viel  klarer  und  bestes  Grie- 
chisch,  wenn  toüxo  allein  als  Subjekt  und  ou  [.iixym'  [.igpoi;   als 


EIN    BRIEF    DES    KONKiS    ZIAHLAS    A.\    Dil':    KOICk  177 

Akkusativ  zusaninien«;en<)niiiien  wird  (ni^I.  Plato  /w.v/).  I  p.  ,i,il 
B  ^leya  [.lepog  nq  toTito  f)  t(Ö\'  •/()i|ii(tT(o\'  XTf|oic  C)V[i\id}J<.Eia\;  Andoki- 
des  I  143  xai  yuQ  uvkov  xun'  r)Y(o\',  ^ru.Tt-ü  f|  koXic,  fo(i')i)ii,  oux  fÄu- 
/iGTO\'  uEQoc.  Ol  ffioi  ji^oYOA'oi  oi'VKJ^xtAovTo). — Z.  47''4(S  crlaubt  der 
Raum  schlechterdings  nicht  die  Ergänzung  .TK[ni  .-rttv]  T(t)v  tov- 
T(ov,  es  steht  also  der  Solöcismus  7Te.Q[i]  torv  ToriT(o\'  fest. 

An  zwei  Stellen  endlich  ist  die  Konstruktion  ganz  ver- 
wirrt: Z.  1  7  ff.  jxoliv  Öi)  \uD.\ax(i.  t(Öv  n:aTpiX(T)V  ({'Ojdv  (vgl.  .SV/Zc^,.?^' 
343,8.  19)  ftHjCTt-AoruFA'  .To/.mopor'VTfc  xui  v[((T)\'  h((t  n'p'  ttooc  toji 
iraxigu  u[u7)v  vmiQyovodiv  tiqüc,  tov  vfie.TFpoA'  hriiiov  YV(T)on'.  Dabei 
ist  v[iCi)v  falsch  für  f|[io)\',  und  eines  der  beiden  jtqo;  muss 
durch  den  Dativ  ersetzt  werden,  am  besten  das  erste:  (Siaifc- 
Aoüfiev  jro?a'o)Qorn'Tes  v\wn'  fti«  t\]v  t(7)i  jt(xtoi  r|(i(7)\'  vnd.Q'/^ova(i.v 
jTQoc.  TOV  LMI8T8QOA'  5f|^iov  yv(7)giv.  So  ist  CS  gutcs  Griecliiscli  wie 
in  der  Zeugenaussage  bei  x\ischines  r.  Tim.  50  xal  xaia  tt]v 
yvcooiv  jioi  x\\\'  .TQoc  «i'tov  .-ro/a'0)g(7)v  pic;  ti'|v  vvv  oi'  (>i8?jjtov  (von 
Rlass  in  seiner  Ausgabe  durch  Konjekturen  entstellt).  Ähnlich, 
mit  umgedrehtem  Verhältnis  steht  Y^'<~'f7i?  = '^^''^''xjt'I^)  '(Ri-ite) 
Beziehungen»  Sylloge  b^b{=/nsc/n'.  von  O/y/i/p/n  ?iA)^'S:  8iu  riyv 
jTQOs  TOi'g  2eß«aT0i'c;  yvwöia'  xvypvxn  xx\c,  8iu  Ysvoi'g  luota^xi«?-  — 
Z.  48  f.  ist  der  Pluralis  iiuücstatis  in  8VTf.Ta?4iai  jäh  verlassen. 
Es  ist  hier  eine  stehende  Schlussphrase  der  Königsbriefe 
fehlerhaft  und  vielleicht  unvollständig  wiedergegeben,  wie 
die  Vergleichung  mit  dem  Brief  Philipps  V.  an  die  Nisyrier 
zeigt,  .S^v/Zc/'^v  263,7  evTgTaAj^iai  (tOTtui  uvuYytTlui  uuTv  «  f]ßoi'A6iuiv 
iifiäi;  eiÖfiacxi.  Ahnlich  wird  auf  mündliche  Aufträge  Bezug 
genommen  im  Brief  des  Antiochos  I.  an  die  Erythraier   Or. 

Gr.  Inscr.  223,35  ff t(7)v  u7t/iO)v  wv  oi'?i?t8?irt?:ri[xa|.(s\'  i^ieiq  Tf 

xal  Ol  i'|.iET8Qoi]  jrgeaßevTai. 

Diese  Fehler  als  Verwirrung  eines  grammatisch  richtigen 
Originals  bei  der  Übertragung  auf  Stein  aufzufassen,  geht 
nicht  an.  Wir  haben  es  jedenfalls  zum  Teil  mit  Barbarismen 
und  Solöcismen  zu  thun,  welche  den  Ursprung  kennzeichnen. 
Dazu  kommt  ein  mehr  fühlbares  als  nachzuweisendes  un- 
griechisches Gepräge  in  manchen  Wendungen  und  Satzbil- 
dungen, eine  gewisse  über  die  Grenzen  des  hellenistischen 
Kanzleistils  hinausgehende  Unbeholfenheit.  Doch  im  Ganzen 
herrscht  in  dem   Brief  der  gangbare  diplomatische  Stil  vor, 


178  R,    HERZOG 

und  so  dürfen  wir  in  ihm  nicht  das  Exercitium  eines  barba- 
rischen Fürsten,  sondern  ein  Erzeugnis  seiner  Kanzlei  für  die 
griechische  Korrespondenz  sehen.  Nur  war  sein  Kabinetsse- 
kretär,  ejciaxoXoyQwpoQ  oder  6  ejti  twv  "E^Jijvixcoa'  ujtox()i|uxt(ov, 
in  der  griechischen  Sprache  nicht  so  ganz  zuhause,  um  die 
ihm  geläufigen  Phrasen  des  königlichen  Briefstils  auch  im- 
mer sinngemäss  zu  gebrauchen. 

Interessanter  noch  als  diese  Einblicke  in  die  Kanzlei 
eines  philhellenischen  Barbaren-  oder  Halbbarbarenfürsten 
ist  der  Inhalt  des  Briefes,  der  uns  die  Person  dieses  bisher 
nur  durch  vereinzelte  Notizen  bekannten  Königs  lebendig 
macht.  Für  die  Regierungszeit  des  Ziaelas  sind  feste  /rrmin/ 
post  <]unii  und  ante  (jiinii  die  Jahre  264/3  (Gründungsjahr  von 
Nikomedeia,  letztes  Datum  der  Regierung  seines  Vaters  Niko- 
medes)  und  227/6  (Todesjahr  des  Königs  vSeleukos  IL,  in  des- 
sen Lebzeiten  Ziaelas'  Sohn  Prusias  noch  auf  den  Thron  kam, 
und  Erdbeben  von  Rhodos,  nach  welchem  Prusias  die  Rho- 
dier  unterstützte).  Innerhalb  dieser  Grenzen  haben  eine  nähere 
Bestimmung  versucht  Ed.  Meyer  (Art.  BitJiyiiicii  bei  Pauly- 
Wissowa  III  517):  um  260 — um  235,  Th.  Reinach  {Trois  royau- 
mcs  de  l'Asic  inineu re  S.101  f.):  um  250 — 228,  nach  ihm  Beloch 
[Griechische  Geschichte  III  2,  S.162  f.):  um  250—229.  Eine  Um- 
grenzung für  die  Abfassungszeit  des  Briefes  bietet  der  Syn- 
chronismus mit  zwei  Königen,  welche  in  den  gleichzeitigen 
koischen  Asylieurkunden  erscheinen.  Das  unedierte  Bruch- 
stück eines  Briefs  gibt  durch  die  Worte  tfi;  d8eÄ(pfig  'Ayfoi- 
A'OTjg]  Ptolemaios  II  (285 — 247)  als  Verfasser  zu  erkennen,  das 
erwähnte  Dekret  von  Pella  nimmt  Bezug  auf  den  Landesherrn 
Antigonos,  der  demnach  Gonatas  sein  muss  (276 — 239).  So 
bleibt  etwa  der  Spielraum  zwischen  260  und  250,  also  die 
Anfangszeit  der  Regierung.  In  diese  passt  es,  dass  Ziaelas 
wie  die  Koer  das  Festhalten  an  den  Grundsätzen  und  Be- 
ziehungen seines  Vaters  betont  (Z.  9.  18.20),  und  dass  nur 
auf  den  in  Kos  geborenen  Ptolemaios  II.  das  Z.  22  ff.  in  den 
Worten  ftia  t6  t6|.i  ßfxai?iea  rito^iejuxlov  oixeuüi;  fiiaxeiaOai  toc  hqoc, 
v\.mc„  övra  v|fxeT8Qov  cpiXov  xai  Qv\i\iayo\  hervorgehobene  fami- 
liäre Verhältnis  zu  Kos  bezogen  werden  kann. 

Freilich  scheint  beiden  zu  widersprechen  der  Bericht  des 


EIX    BRIEF    DES    KÖXKiS    ZIAÜLAS    AX    DIE    KOEK  179 

Memnon  {FIfG  III  p.  S,U,  c.  22,  \<^\.  Niese  II  1 -V)  f.),  da  er 
ihn  im  Gegensatz  /uin  Testament  des  Vaters  und  zu  Ptole- 
maios  II.  zeigt:  of'  n^oÄAoi'  ()e  .t(xvi'  oi'fvtoc;  y()ovov  6  t(7»v  Bii)uv(T)v 
ßaoiÄevg  Nix()|.ii'|ft)ic,  K.^el  6  \\k\<  fx  jTqotf(_)0)v  uviÖ)  yafxfov  Yeyovojg 
jraig  Zi]iXaq  (lies  Zia)'iAac)  (prya?  7]A'  jtqoc;  tov  'Aß|ievi(ov  ßaaJvEa, 
Ka«  Tfig  ^u]T()vt«c  'ETf/CETac;  (lies  'EjiTaCeiag)  |ii|x«vcxT(;  eÄaileig,  oi  öf 
EX  lauTi)?  ai'T(ü  yEyovoTEq  Evii^ri'aCov,  jt^o?  to)  te^vEiitcxv  yEyovwg 
xh]yov6[.ioi'(;  J.IEV  Toi's  EX  x^\z,  fteviFpac;  yuvaixoi;  ygatpEi  Tialfta?,  £;ri- 
TQOTtovc;  8e  nToX£j.i«Tov  x(u  'AvTiyovov  xal  tov  öfij^iov  t(~)A'  Bi''C«v- 
Tuov  x«i  h\\  xal  ^Hoax/.£(OTO)v  xai  tov  twv  Kiavo)v  £((  i'otiioiv.  ^O 
j^iFVTOi  Zjiiä«;  fiETa  8vvd[^i£0i)q,  i]v  avTO)  to)v  raÄ«to)v  oi  ToÄioToßo- 
yioi    0(tQoouq    eji?i1]QOW,  ejti   Tip'   ßaaiAEiav   xaTr]Ei.    BiOw'oi  Öe  ttjv 

CtQX^V'      "wi^ELA'     TOig     A'1)JTI0IC     OJtOuftd^OVTEq     T»]V     [,l£V     T01'T(i)A'     j,U]TEy(/. 

dÖEÄqxT)  m'voixi'Coi'oi  tco  Nixo^u]8oi)q,  ai)TOi  hz  aTQciTEi'fxa  itapa  twv 
EißT| [.i£vo)v  fJtiTQ(')JT(OA'  Aa(36vT£C  {tjrE(.iEvov  TOV  Z)]i?iav.  m'/valq  8e 
[id/aig  xal  }iETa(3oX«ii;  ExdTEßoi  djtoxQi]od|,iEvoi,  t6  teäevk/Tov  h\k- 
OTiioav  Eic  öiaAijaEiq,  "HoarJ^EfOTon'  ev  T(üq  [.idyaiq  d9iaT£v6vTO)v  xaA- 

TUiq    OV|.lßdo£Ol    TO    Ol'flfpEQOV    xaTttJtQaTTOVTWV. 

Aber  da  sich  schliesslich  der  rechtmässige  Erbe  kraft\'oll 
durchzusetzen  wusste,  löste  sich  der  Erbfolgestreit  allerseits 
in  Wohlgefallen  auf,  und  so  legt  im  Jahrhundert  der  feinsten 
Entwicklung  des  diplomatischen  Verkehrs  und  der  Konso- 
lidierung des  dynastischen  Legitimitätsprinzips  der  Barba- 
renfürst nur  eine  Probe  seines  Hellenismus  ab,  wenn  er  unter 
Ignorierung  des  Streits  sich  als  Fortsetzer  der  Politik  seines 
Vaters  proklamiert  und  nach  der  Auseinandersetzung  mit 
dem  Vormund  seiner  unterlegenen  Halbbrüder  Freundschaft 
und  Bündnis  schliesst.  Ptolemaios  II.  hatte  noch  keine  direk- 
ten Besitzinteressen  am  Hellespont,  daher  waren  keine  Rei- 
bungen zu  befürchten,  aber  freundschaftliche  Beziehungen  zu 
einem  der  Schlüsselverwahrer  des  Bosporus  waren  ihm  wert- 
voll und  für  Ziaelas  ehrenvoll. 

Um  diese  Zeit  hat  Ziaelas  zum  Zeugnis  .seines  vSieges  die 
Münzen  schlagen  lassen,  deren  erstes  aufgefundenes  Exem- 
plar uns  erst  die  richtige  F^'orm  des  Namens  kennen  gelehrt 
hat.  Die  Bronzemünze,  jetzt  in  der  Sammlung  Waddington, 
ist  beschrieben  und  abgebildet  von  P.  Lambros  Zritschriff 
für   Numismatik    IH    220  f.,    besser    bei    Th.    Rcinach    Trois 


180  R.    HERZOG 

RoyauDics  S.101  f.  Tafel  V  4.  Unbärtiger  Kopf  des  Königs  mit 
Diadem  nach  rechts,  kluge  und  energische  Züge  etwas  bar- 
barischen Charakters,  sehr  ähnlich  denen  seines  Vaters  Niko- 
medes.  Rv.  B A2I AEa[Z]  —  II AH AA.  Trophäe,  im  Feld 
links  eine  dreifache  Lanzenspitze.  —  Ein  schlechteres  Exem- 
plar der  Sammlung  Hunter  ist  beschrieben  und  abgebildet  bei 
Macdonald  Grcck  coins  in  the  Hitntcrian  Collcctiou  II  S.  258, 
Taf.  XLVI  24.  Auf  der  Höhe  seiner  Macht  stand  Ziaelas  nach 
dem  Jahr  240,  als  König  Antiochos  IL  sein  Bündnis  mit  ihm 
durch  die  Heirat  seiner  Tochter  befestigte  (Niese  II  155). 
Gewaltsam,  wie  der  Antritt  seiner  Regierung,  war  auch  das 
Ende,  das  er  durch  die  galatischen  Söldner  fand,  die  ihm 
einst  zum  Thron  verholfen  hatten  (Niese  II  158  f.). 

Das  Verhältnis  der  Koer  zu  Nikomedes,  dem  Vater  des 
Ziaelas,  wird  auch  durch  das  Fragment  eines  Opferkalenders 
aus  Kos  bezeugt,  Paton-Hicks  Iiiscr.  of  Cos  35  (^  Dubois 
BCHV  221,  Nr.  9)  Z.  6  xäi  uinCu]  d^iepai  xal  (3aaiX8i  Nixo[^n]- 
[bei].  Leider  haben  weder  Paton  noch  ich  den  Stein  wieder- 
gefunden. Aber  wenn  nicht  alle  charakteristischen  Buchsta- 
benformen falsch  wiedergegeben  sind,  so  kann  für  dieses 
Opfer  oder  diese  jto|XJiTi  nicht,  wie  Ed.  Meyer  (Art.  Bithynicn 
Pauly-Wiss.  III  520)  meint,  Nikomedes  IL  oder  gar  der  von 
Th.  Reinach  {L'histoire par  les  nionnaies  S.  166  ff.  1  75)  erschlos- 
sene Nikomedes  III.  Euergetes  aus  dem  Ende  des  IL  Jahrh. 
in  Betracht  kommen,  sondern  nur  Nikomedes  I.  Dass  die  Koer 
königliche  Wohltaten  schon  im  III.  Jahrhundert  mit  über- 
schwenglichen Ehren  lohnten,  dafür  fehlt  es  nicht  an  Belegen. 

Die  Bitte,  welche  den  xA.nlass  zu  der  Gesandtschaft  an 
Ziaelas  gab  und  den  König  zugleich  ehrenvoll  den  griechi- 
schen Staaten  und  grossen  Königen  gleichstellte,  die  Garan- 
tie der  daii?aa  des  Heiligtums,  gewährt  er  als  selbstverständ- 
lich (Z.  44  ff.)  nach  den  Wünschen  der  Koer.  Dass  aus  den 
Worten  Z.  5  f.  t6  ieqov  totj  'AaxXi]Jtioö  tu  lÖQVfievov  jtap'  v\\b! 
wenigstens  ein  Wahrscheinlichkeitsschluss  darauf  gezogen 
werden  kann,  dass  gerade  in  dieser  Zeit  die  grosse  Erweite- 
rung des  bescheidenen  alten  Heiligtums  durch  die  Zufügung 
der  oberen  Terrasse  mit  dem  neuen  Tempel  für  die  neuge- 
stifteten 'AoxAajtieXa  stattfand,  habe  ich  schon  früher  erwähnt 


EIN    BRIE;F    DliS    K(")XI(;S    ZIAKLAS    AN    Dlli    K01:R  181 

{Arciläol.  Aiizrigrr  19(),i,  vS.  \^)1\  l')(),S,  S.  s).  Die  (iar.-intie  der 
Asylie  durch  Ziaelas  hatte  für  die  Koer  kaum  eine  prakti- 
sche Bedeutuno-,  wie  etwa  durcli  Kreter,  Aitoler  und  andere 
Seeräuber  oder  durch  (irosstaaten,  die  im  ägäischen  Meer 
Kriege  führen  konnten. 

Sehr  viel  wichtiger  war  das  weitere  vom  König  gewährte 
AnHegen  der  koischen  (iesandten  (Z.  8) :  erstens  (Z.  3.Wf.) 
Garantie  des  Schutzes  für  koische  Handelsschiffe,  welche 
Häfen  im  Machtgebiet  des  Ziaelas,  sei  es  als  Station  oder 
zum  Betrieb  des  Handels,  anlaufen.  Zweitens  (Z.  39  ff.)  Schutz 
vor  Ausübung  des  vStrandrechts  bei  unfreiwilligem  Anlaufen 
an  der  bithynischen  Küste  infolge  von  Unglücksfällen.  Er 
verspricht  den  Koern  also  nicht  nur  die  Erfüllung  der  Gebote 
der  M  e  n  s  c  h  e  n  freundlichkeit,  sondern  auch  Fremden- 
freundlichkeit  (vgl.  auch  Z.  9  ff.).  Eine  ethnographische  Notiz 
bei  Nikolaos  von  Damaskus  (/7/6^  HI  p.  461,  tr.  1 27)  weiss 
von  den  0uvoi,  deren  Gebräuche  denen  der  Bithyner  gleich 
gesetzt  werden  dürfen,  zu  berichten  :  öi^voi  tovi;  vavayo'uc; 
q)iXava)Qc6jra)i;  8e)(ö[i8A'Oi  (pi^om;  jtoiovvtcxi,  xwv  h\.  '%i\'w\'  toiiq  |i8V 
dxoi^aicoc;  §7i06vTf(c:  arpohp«  iij^iwgi,  toug  ö'exovouo?  xoXa- 
^ODoi  (die  Handschriften  haben  ex.  und  dx.  sinnlos  vertauscht). 
Bis  in  welche  Zeiten  und  mit  welcher  Gewähr  dies  gilt,  lässt 
sich  natürlich  nicht  ausmachen.  Jedenfalls  war  der  Ruf  der 
Bithyner  um  400  noch  ungünstiger,  indem  er  ihnen  auch  die 
Menschenfreundlichkeit  absprach :  Xenophon  Anab.  VI  4,2 
ev  8e  T(p  i-ieaq)  (zwischen  Byzanz  und  Herakleia)  oXls.\\  \vh!  jro/jc 
O'uSei.ua  ovie  q)i?a'a  ovte  'E?Jü|Vic;,  ^\.(i  ©Qdxeq  Bifluvoi.  xal  oi'?  civ 
Xctßcooi  TtÖA'  '^EA^^'|^'0)V,  8x:rtLjrT0VTai;  f)  dÄ?i03;  jT(og,  öeivd  uj^ii^Eiv 
A,8Y0\'TOi  TOiti;  "E?t^i]VfXi;. 

Da  ist  es  freilich  eine  Ironie  des  Schicksals,  wenn  vierzig 
Jahre  nachher  und  wieder  nach  dreissig  Jahren  die  Athener 
sich  über  Vergewaltigung  von  Handelsschiffen,  die  unter 
ihrem  Schutze  standen,  durch  die  befreundete  Griechenstadt 
Herakleia  zu  beschweren  liatten  (361/60:  IG  II  87  nacli  der 
ausgezeichneten  Ergänzung  von  Ad.  Wilhelm,  ArcJiäoI.  rpigr. 
Mitt.  aus  Ösf.  XV  S.  4  f.  —  330:  Syllogr  152,  Z.  29  ff.,  mit  dem 
Kommentar  von  v.  Wilamowitz  Coiiimciit.  gi'a)iiiii.  W  S.  24). 

Diese  Verhältnisse  zu  ordnen,  verspricht  Ziaelas  nach  dem 


182  R.  herzog:  ein  brief  des  kqnigs  ziaelas  an  die  KOER 

\'orbild  seines  Vaters  für  sein  Gebiet.  Wir  lernen  dadurch 
zwei  Paragraphen  des  antiken  Seerechts  kennen,  das  natür- 
lich ebensowenig  wie  das  moderne  Völkerrecht  an  sich  in 
Wirkung  stand,  sondern  nur  durch  Verträge  oder  Freund- 
schaftsverhältnisse zwischen  einzelnen  vStaaten  garantiert 
wurde.  Die  Erfüllung  der  Versprechungen  war  natürlich  vom 
jeweiligen  guten  W^illen  und  von  der  Macht,  Überschreitun- 
gen zu  verhindern,  abhängig. 

Der  Handelsverkehr  der  Koer  mit  dem  Pontos  ist  aus 
verschiedenen  Zeiten  bekannt  und  hat  auch  sonst  zu  politi- 
tischen  Verbindungen  geführt.  Vgl.  Demosthenes  c.  Lacrituni 
933.  936  bei  Paton-Hicks,  luscr.  of  Cos  S.  XLV.,  Meleager 
Anih.  Pal.  XII  53  cbei/da  S.  XXXIV  für  den  Schiffsverkehr, 
das  Proxeniedekret  für  Protomachos  von  Kios  ebenda  Nr.  2, 
S.  2  und  für  zwei  Byzantier  Herzog  KoiscJir  Forschungen  S.14. 
Ein  kölsches  Proxeniedekret  für  einen  Olbiopoliten  ist  ferner 
in  Olbia  gefunden  worden  (Latischev  Inscr.  Pont.  Eux.  I  49 
=  Collitz,  DialektinscJir.  III  3617).  Ein  Dekret  von  Sinope  aus 
dem  Jahr  220,  ebenfalls  1  9U3  im  Asklepieion  gefunden,  belobt 
koische  Gesandte  für  ihre  tatkräftige  Hilfe  im  Krieg  gegen 
König  Mithradates  vom  kappadokischen  Pontos  {Archäol. 
Anzeiger  1903,  S.  198).  Wir  sehen  dabei  die  Koer  in  Interes- 
sengemeinschaft mit  den  Rhodiern  (Niese  II  S.  387),  welche 
die  Hegemonie  der  Ptolemaier  im  ägäischen  Meer  ablösten, 
aber  ebensowenig  wie  von  diesen  in  ihrer  selbständigen  Poli- 
tik verkürzt. 

Dass  die  bithynischen  Könige  der  Politik  des  Nikomedes 
und  Ziaelas  treu  geblieben  sind,  ist  bekannt,  und  wird  am  be- 
sten illustriert  durch  die  Inschriften  Or.  Gr.  Inscr.  340 — 346. 

Der  historische  Wert  unserer  Urkunde  kann  zusammen- 
gefasst  werden  in  die  Worte :  Wir  lernen  aus  ihr  in  instrukti- 
ver Weise  die  praktische  Bedeutung  kennen,  welche  die  den 
Hellenismus  erstrebenden  Barbarenkönige  an  der  Peripherie 
der  griechischen  Welt  in  dem  grossen  Haushalt  des  helleni- 
stischen Staatengetriebes  hatten,  und  was  für  sie  der  Ein- 
trittspreis zu  den  nationalen  Festspielen  war. 

Tübingen.  Rudolf  Herzog. 


Beilage  zu  S.  183  ff. 


r.T  P.K'C 


USIS. 


Beilage  zu  S.  1S3  fF. 


DAS   LAKRATEIDES -RELIEF  IN   ELE^SIS. 


3 


183 


TO   EN   KAKY2INI    AAKIWTEIAEIüN   ANAr\\'«l>()X 


"Ev  T(ov  OTToiuViioTaTCOV  evQi]^iuTO)v  TWY  e,v  'E?.F,uaivi  dvaox(x- 
tpwv  gh'ai  dvavTiy^i]T(o;  tö  ev  to)  Moi'oeuo  uvt\\c,  eIc,  tov  toT/oa' 
Eva)xo8o^^ii](j,gA'ov  '  xai  Eig  tÖv  FJtiariii^iovixov  xoofiov  yvcooToraTOv 
A  (itxy  «T8  i8e  10  V  dvctyAucpov,  t6  ovxu)  xh\dkv  djio  xov  ava.- 
Oevrog  avxb  AaxQOLXEibov  xov  xrxrd  tov  Iov  jt.  X.  aiwvu  'C,Y\aavxog. 

riey i  TOV  ävay'kv^jov  noXvc,  jiagd  icoXXwv  eyEvsTO  Aoyoi;,  ejr'  ioyjl- 
xMv  8e  8;n;Qay|iaTei''i)i]  rxuTO  xcu  o  f|[i8TEQ0(;  SßoQwvog  -  xai  jtaQ'avtcö 
ei'()i]Tai  xai  jräoa   )\  jteqi  fxvTOV  j-ie/Qi  TOvSe  ßiß^tioypaqn'a. 

T6  dv(iiyAi)cpov,  0)5  yvcoaTOv,  djreTeXeöOi)  ex  äo^A,(Öa'  (jie(j1  tcx 
E^i]xovTa)  xEiiaiimv,  tovto  8e  vjifJQHE  ■undoXov  EQyov  hvo  yEQ|.iav(T)v 
ägiaio'koyMv,  xov  iio'kvyd.avoxov  Reichel,  toij  ToaovTOA'  jiqoo)Q(i)c, 
d(p'  fii^Küv  [lETOcaTdvTOi;,  xai  loi)  Heberdey. 

Tö  EQyoA'  eI,/£\'  fjSi]  owTEÄEaflf)  xaTa  to  1  893ov  exoq,  akXä  \i6hg 
xaTtt  TO  18980V  £8r][xoai£ivOi]  \]  jizqi  aiiTOiJ  jrpayiiaTEia  xov  Heber- 
dey •^.  rio^L^oi  Se  XMV  dg/aio^toyoiiVTcov  dTTESE/Otioav  xr\v  JtEoi  avTOÜ 
yvcü[U]v  xai  £Q^ii]V£Lav  xov  jroXii(.ia9or'(;  ovA'aÖE^.cpoi".  '"A\'  8£  {'Jtfjpyox' 

TD^ÖV  xai  TlA'Eg  [.li]  djtoSEXOfXEVOl  TUUTas,  8T][.lOöia,  OOOV  T0U?^dyiOT0\' 
yV(OQl^O),  8EV  dvTE?tEHaA'.  npCÖTO«;  ÄOIJIOV  6  f\\iEXEQOC,  2ß0QWV0i;  dvTE- 
^lE^E   xai   VEa\'   £7tQ(5TElA'£   TOij    dvay?iUfpOIt    EQ[U]VEiaV. 

Nd  jr£QLyg«\|KO  xai  Eyob  EVTaüOa  tu  dvdyXiupoA'  to  {)e(ü()0)  öhoc 
jtEQiTTOv.  ÜEQiEyQaipEv  T]8i]  ttiJTO  6  Hcberdcv  wg  dpioTa  ev  Tfj  8ia- 
TQißfi  TOV,  Tai5Ti]v  S^r/cov  i^'jr'oij'Ei  o  dA'ayA'(5aTi|<;  t(T)v  ygap [^uoa'  tov- 
T(ov   xai  TOV  jcaQaTiOE|.iEA'ov  :n;u'axa  ^,    ÖVA-aTai  vd  oi'A?tdß|]   £A'voia\' 


^  'EjteiÖJ]  td  cJüTfXQTioavTa  amb  xf[iäyja  Ötv  om'Qovtai  dxeyaia,  d?v?.ä 
xttl  Ttavv  xoA,oßä  tü  jtXeiOTa,  elvai  Öe  ouyXQovcoc  noWä  toutcov  ÖYXioht). 
äXXoq  öev  un;fJQ5(e  xQÖnoq  'iva  naQäayuiai  ti'|v  eixova  rofi  o^^oi',  ov  th'ai 
fiegri,   r\  evoixoÖo^ioi')|iEva  eig  xöv  toT^ov. 

-  IlaQ.  AieOv.  "E(f))]|.i.  Tfi(;  NopiofiaTixrjq  "AQy/xioÄOYift;  l'^OI  oe/w.  4S"  x.  f'£. 

•^  Festschrift  für   Otto  ßrnndorf   1  SOS   az\.   I  I  I    xal  e|fjg. 

*  Die  Beilage  ist  hergestellt  nach  einer  von  R.  Heberdey  freundlichst 
vervollständigten  Zeichnung  W.  Reicheis,  welche  schon  einmal,  1893,  ver- 
vielfältigt und  den  Archäologen   der  XLII.  Versammlung  deutscher  Philo- 


184  A.   a)IAI02: 

uuTOV'.  riepi  Ö£  Tivo>v  d[upiaßj|ro\'uev(i)\'  f)i|j.i8io)v  Od  yi'v))  "/.axoneQm 
6  jtQoai)xa)v  Xoyog  Jia()aTe»)ti|i!:'\'(o\'  xai  kov  dvayxdiLOOV  TCiyxoYQaq)!]- 
(.tdicov.  'EÄimig  jcepittov  oXoic,  vd  xdf^uo  syc)  evtafiOa  Aoyov  keqX 
Toö  dvay^ivcpoit  i' jt  6  te/vixtjv  ejtoijnv,  Öioti  xal  jieQi  TOiJtov 
8XQiv8\'  cbg  d'jJiaT(t  6  Heberdey  xai  ovbh'  e'/a)  vd  jtQooOeaco  sl<;  xä 
vk'  ai'TOi)  siQ)]f.ieva. 

T6  JTQCOTOA'  oneQ  näc,  xiq  ei/e  vd  JTQd'§r]  sjtixeipwv  vd  E^i-UiveiiGi] 
tÖ  dvdyXiicpoA'  f)TO  vd  ou[^iJrXr]Qtoo(i  xi]v  xoXoßi]^'  ejtiyQacpip'  (xuxov. 
'EvteüOev  öe  xal  iJQHaTO  xov  e'pyou  xai  6  Heberdey  xal  TOiita)  fixo- 
Aoü{)i]ag,  ijjq  jiQOQ  TOÜTO,  (oq  flxog,  xal  6  SßoQwvog.  Kai  6  |i£V 
Heberdey  ov\'enh]QOiae  xr\\'  gjiiyQatpfjv  coöe' 

1)  AaxQaT8i8ii5   ScoaTQdroi'   'IxaQiJei'q    18QEuc;   08ol'   xal   0805  ^wi 
Ei)ßoDA.8(o[5  xal  Aioyevouq]  xal  tcov  [oi^fjßcofxjtov  xov 

2)  'AOiivauov    Äi]|_ioif    8U8Q]y8T(~)\',    i'JifQ   eaiiTOi'   xal  xibv  von'   2to- 
GT()dT[ou  xal  Aiovi)oio]d  x(a  xr[C,  [ywuiKojc,  Aiovitai- 

3)  uc,  (Vatersname,  Demotikon)  xal  xfjg  flDjyatQog,  "/(/QiaTi'iQiov 
A)]|.ir)TQi  xal  K6qii[i  xal  ©ejdi  xal  0s[o3i  xal  Ei)] ßoi'?v8T. 

4)  dA'8flTlX8V. 

"0  Ö8  2ßoQa)vos  ovv8Jt?vT)ytoa8  xfpv  8JTiyQa(pT)v  ü)88' 

1)  AaxQatsiÖT]«;   Hoioxgdxov    'Ixoqi]8i''c;,    i8Q8it5    08oi)  xal  ©ed?  xal 
EußoxjÄecofg  xal  Aiip^rooi;]  xal  xwv  [äJiXiov  6|ioßc6[^i]cDV  ^   tou- 

2)  TOiq    Oeäv   tojv   eauroil    8U8()]y£T(T)v    ujteq   savTOU   xal    to)A'    imv 
2(ooTQdT[ou   xal  Aiovl'oio]»'  xal  xf\q  [Ibiac,  yuvaixüjc  Aiovvai- 

3)  ai;  xal  Käeovc  xr\q  eaurcoA'  {JujyatQog  x^Q^cft/jQiOA'   Ar]fxi]Tpi    xal 
K6()V][i  xal  0s]cT)i  xal  08[di  xal  "Ai6i]i  Eit]ßoi'/.Ei 

4)  .  dv89r]X8\'. 

jtQoaOETOJv  Ott  s\'  TU)  TETapTW  oTi/o)  f]öuvaTO  A'd  i):jtfjQ)(£A'  dvayE- 
YQaji^evov  ev  ttj  dQxÜ  '^ « 1  T  y  ijt  t  o  ?v  s  |.i «. 


logen  vtnd  vSchiilmänner  in  Wien  zur  Begrüssung  gewidmet  worden  ist.  vSie 
gehört  dem  archäologisch -epigraphischen  Seminar  in  Wien,  von  dem  sie 
uns  zu  erneuter  Reproduktion  durch  gütige  Vermittlung  O.  Benndorfs  mit 
dankenswerter  Bereitwilligkeit  zur  Verfügung  gestellt  worden  ist.  Es  schien 
uns,  dass  die  Zeichnung  den  Thatbestand  und  vor  allem  die  Verteilung 
der  Inschriften  deutlicher  gibt  als  eine  photographische  Aufnahme  [Red.]. 
'  'O  TVKoq  tlvui  Enioi]c,  b6xi[ioq,  dbiavTüJv  £v  ejtiyQacpalg  tofi  401^  ai'wvoc 
n;.  X.,  ömnq  xal  6  itagä  ©ouxuÖiöi]  (3,59)  ofioßconiog.  Tavitt  nQoq  pjtuvoq- 
i)(i)oiv  TO)v  ev  Toic  'EA,8uaiviuxoT<;  MeX8xi'i|.iaoi  (AieOv.  'Eq)iin.  No^.  'AQyaio- 
Xoyiaq  1904   ce/i.  45  oiift.  2)  Yeyya^inevojv. 


TO  EN  EAEY2INI   Ay\KPATEIAEION  ANArAY<I)ON  1  8.S 

'Ex  T(7)V   XaT(i)T8Q0J  ß1]0l]OO|.l8V(i)V  {)u  ftllAd)!)!]   Ol'A'T6|lO)g  (IKV  äuSi. 

yjii  aucpöiq,  oüc,  fÄjti^o),  koToi  oi  Äöyoi,  £(p^  o)v  otiiqiCohevoi,  oiivejT?wT|- 
Q(ooav,  oKMq  avvfJih^QMOEv  exuteyos,  ttja-  ejnY()a(pT|v  oi  avvuhehpoi. 
"Ojtou  8e  jv/pv  6  ävuYVO)ox)\q  ä\.icpi{idXhi,  öpa-utui  vu  jiQoacfüyTi  kic 
OGtt  ai'TOi  01)101  8v  Talg  ÖiatQißuigTCOV  e'xoiiai  yEyQan[]ie.va.''Aimj6xEQm 
hk  ai  aujA^TÄTiQcaaei?  ocpdXkovxai  xatd  tt|v  xqi'oia'  iioi'  h'  xol?  eHt]?' 

"H  xfXT«  Tov  ftei^TEQOv  GTixov  8v  «Qxf)  av[.ijTXi'|(^)(i)oic;  Tof)  Heber- 
dey  "A0i]vai'(ov  Ai]^ioi'  Ei' e^yf  to)  v  Öfv  <V'V(a«i  xal  xat^  f|.if 
vu  f)vai  oqOi]  xi'()i(i)c,  ojid»;  x(ti  6  ^ßoQcovoc;  jtaQatJiyFT  ',  hitWi  to 
euegysTWV  öea'  fivvatttL  tA'Taüfl«  i)  vä  r/i]  xr[v  e  Jt  1 0  e  t  i  x  i)  v 
auToi)  0i]|.iaoifxv  xal  vd\'(«p8QT]Tai  Eig  tou?  Oeouc,  ovg  Ti|ia  xal  y8- 
QaiQZi  8ia  TOI)  /a  p  i  ai ))  q  lo  v  dva{)i]|.iaT6g  toi'  6  Aax()aT8iÖT|c;. 
"^H  [i6vy\  äga  6q\))]  üV[iiiXr\QO)oig  xat^  8X8U'o  tu  [xigog  8ivai  f|  i'jto 
TOiJ  2ßoß(OA'oi)  yEvojisvi)  TtÖA'  eaDTOÜ  8{)8Qy8Ta)V.  "Av  5e  Tai3Ta 
ftsv  äoxoypvoi  xov  oq^ov,  xa\  f\  av[i7t)i)\Qoyoic,  ev  tw  1«  ax'v/(o  xal 
Aioyevovg  öeA-  5ijvaTai  vd  fivai  oqOt).  'A[,irp6T8Qai  Öe,  al  oi'i(jr/j|- 
^0)0815  xaTot  Tip'  aQx^v  Toi3  tqi'tov  axiyov  ßeßauoq  daxoyovni  xov 
oQ^oij  xal  TO  ido[ia  xov  kii)ov  JTQejr8t  A'd  ai)[ijrXiiQ(oi)r|  exn  ftid  tcöv 
—  a 5  xr\<;  {xov  belv  oc,)'-  d  v  y  ax  Qog.  —  wq  f]8i]  o  t8  Heber- 
dey  xal  6  SßoQWA'oc;  djt858"/\^i]oav.  'EjteiÖT]  fts  8x  TavTi)?  Tfjc;  nv((- 
jtAi)Qü)08a)g  jn]ydC8i  6)c,  dvayxalov  oi)[,ijreQao^ia  oti  ^)  vy  axe  qu  htv 
slj(ev  o  AaxQaT8ifti|i;  xal  wa"  dxoAoi)A)i'av  xe^sov,  cog  6  Sß()oo)voc; 
vjte?taß8v,  oi)88V  eleXiJte  kqoocotxov  xal  oti  to  dA'dy^axpoA-  hlv  eT/e 
[.lerCov  }if]xo5  f\  öffov  6  Heberde}'  xal  Reiche!  eöfoxav  81?  ai'To,  xal 
ai  oi'|.iJtXi]QCüö8ii;  äga  xov  2ßoQ03A'oi)    uXXiov,   Ihiac,,   "A  i  8 ij  i  •^, 


'  rXo)oöix<»g  (jtapdß.  xal  Aii,u.  IleQi  toö  otecf).  {^  72)  xal  ootcog  txei  8ev 
elvai  :7TA.Ti(X|.ieW](;  f)  ou^uc^i]Qa)oi(;,  aXV  OQdotEQOv  vojiil^d)  üä  fito  riv  6  Heber- 
dey  EyQa(pe  xov  \^'\[iov  xov  'A  ^  i]  v  a  i  co  v,  oneo  xal  ymXXiov  iVä  enXi')- 
Qov  xb  xevöv  toxi  ?ä^ov  xax'  exelvo  xö  (legoc. 

-  riaQdß.  xal  Athen.  Mitteil.  1895  ozk.  2b2  (^^\\\..  2.  'W  oiiftÄÄ('|()(i)Oic 
TOT)  2ßoQ0)vou  xal  K  ^  8  o  11  q  T  fi  5  8  a  XI  T  o)  V  0  i'  Y  «  1^  0  o  c  8/81  xat'  eue 
xal  TOÖTO  TO  Jtapdlevov  öri  #ä  rjöiivaTO  8i'ix6?ui)c  vä  jtagajT^.avi'iöii  tivä  eic  tö 
vtt  voniGT)  OTI  6  ScoöTQaTog  xal  6  Aiovuoioc  fjoav  xexva  toü  AaxQaxsiSon 
k\  (iX\-\\c,  (djToOavoi'iöiic)  ywaiHÖc  xal  xaÖTa  8vü)  f|  0  i' y  d  x  i]  y  ev  xfi  YQa- 
cfiix»)  dvajraQaöTdo8i  xoO  sQyoi',  8ixovit,8Tai  |.i8it^(ov  xt'iv  fj^Lixiav  djjcfort'oov 
xo)v  mcöv.    "Eji8ixa    8  a  n  x  tö  v   xal   d  v  8  0  \\  x  8  v   doDfißi'ßaoxa. 

'  'H  ou^iJi^a'iQtoöii;  xal  "A  i  8  t)  Ei'ißoit/v8T  öä  Tixo  xal  CüXmz  cLTagd- 
ftexxoi;  öioxi  ovxco  xaxä  xov  SßoQtovov  6  ai''T«)c:  üeö^  fie  XQia  öä  d)vondl^8xo 
(')V()(iaxa  (I8e  xä  xaxcoxfQO)). 


186  A.  $IAIÖ2 

xaid  Tov  lov^  2ov  xai  3ov  axixov  elvai  oXoic,  jteQiTTai  xai  d'xQTiöTOi  ^ 
Kar«  08  tavta  r|  £;riYQafpT)  e'jtQejtg  vu  IqpflfyYEto  coöe' 

1 )  AaxQaTei.8ii$  StonrTQaTOi'  "IxaQieiig  lEQeug  0£Oii  xal  Qeäq  xai  Ev- 
ßoi)AetO(; xai  tcöv  oit[ißü)}((jov  ton  - 

2)  ....  {)eü)v    TCÖV   gttDTOÜ   Et'£QYET(T)\'    viikg    kivxov  xai    twv  iuTja' 
2cL)OTQdTOi'  xai  Aiovi'Gioi)  xai  Tr\c,  yuvaixog  Äiovuai  - 

3)  ac,  xr\c,  KXeixov  'IxaQiecoi;  ^  i^JyatQog  x^Q^^'^^Q^o^  Atjixtjtqi  xai 
KoQTji  xai  080)1  xai  öeäi  xai  Eiißoit?i8T 

4)  ävEdr\yie\'. 

"Av  elc,  Trjv  dpx^^  tov  2ov  oxi^/pv  nginEi  vd  YQaq)fi  t  o  ig  r\ 
xaid  öiüxöv  TOiv  f]  äiiXCoc,  t(o  i  Od  ^^X^Ji  xatcoTSQCo,  örav  iVt  yiVY\ 
Xoyoc.  xai  6id  tivoc  öv6|iaTog  jtqsjtei  vd  oD^iJtXijQcoOfi  t6  xct(T[^ia  toü 
ÄiOoi)  8V  TÖJ  1<P  fTTi5((p  t6  [.letd  triv  Äe^iv  EvßovÄewg. 

Süf^upcova  fis  TTjv  aD^jrXiiQcaaiv,  r\v  sxa|X8v  8xdT8Qog  tü)v  avva- 
Mhpcov  xf\q  EJTiYQaq^fig,  'i)jTriQH8  xai  f)  e^jii^veia  xov  dvaYAvcpov.  '0 
Heberdey  rpQ0V8i  öxi  6  Aaxgateiöiig  f]TO  [lev  Ieqevc,  xov  Qeov  Tf]g 
08dg  xai  TOÜ  EvßoDÄswg  xai  akXmv  tivwv  9e(ov  s'H«)  Tfjg  'E^^Evaivog 
XaTQeuoj.i8Vü)v,  dv£i)i|X8v  6\iO)c,  xb  dvdOijfxd  toi»,  öjrojg  to  a(p^6[,i8vov 
iit-poi;  xr\q  8rtiYpafpf]g  dofpaXwg  jiaQTVQeT,  8ig  tt]v  Ai'ipiTQa,  ttjv  K6qi)v, 
tov  086a',  ttja'  08dv  xai  tov  Ei'ßoi»?L8a,  Tif^ifjg  '/aQiv  JTQOTd^ag  Tdg  bvo 
\%dg.  'Ejt8i8»|  08  ai  bvo  {isai,  8i  xai  ai  Jiapd  tdg  xecpaXdg  aiiTwv 
SKiyQacpal  djtcD/i8afl)]oav,  ovSea'  ("^ttov  aacpwg  8ij?iovvTai  8V  ttö  dva- 
yXxHfKo,  (hg  ejTiaT]g  aaqxög  öii^oüvTai  xai  6  086g  xai  f)  08d,  dpa 
E  V  ß  o  V  X  8  V  g  Eivai  6  xaxd  t6  dxQov  88|id  öaöoii/og  vea^'iag' 
oitTog  08  sxQdT8i  xai  xXd8ov  yiXrwxaxoc,  d[.iJt8?iOi»,  twv  cpuA^ojv  tov 
OTioiOD  otp^ovTai  Xei\\mva  sjil  TOii  yi^'l^i^voi)  ßpa^iovog  toü  Jiap'  avx(ö 
noxe  laxafxevov  AaxpaTeiSoD.  Ol  d7Joi  8i1o  i^eoi,  6  YlXovx(ßv  xai 
6  TQiJTTÖ?i8(.iog,  oi'88v  xoivoA'  el/ov  jTQog  TTJV  ävddeoiv  xai  tÖv  dva- 
OeTijv.  '0  T()iJTT6?i8[xog  djreixovioi)'»)  8V  xCö  ävaykvcpcx),  wg  8|  avTfjg 
Tf^g  q)uo80)g  xfjg  :7taQaoTdo8ü)g,  6  Se  ü^toiiTCOv  ü)g  •ö^8aTi]g.  08oi  S'ejti- 
or]g,  ü)g  OeaTal  jrapiaTd[X8voi,  {)8aTal  o^icjog  [18t'  8v8ia(p890VTog  xd  xe- 
Aoi3f4,8va  jtaQaxoXovi}oi5vT£g,  tt)v  ?a"]i|^iv  h]k.  xcov  oTax^tov  jrapd  toO 


*  'H  ouptXriQcooK;  xov  SßoQcovoii  xai  x  f)  g  i  8  i  a  g  y  ^'  v  a  i  x  ö  q  {^d  elxe 
6qÖ0)c,  dv  ujtfiQxov  ^oyoi  ejrißa^t^iOVTE^  axixi'iv,  öxi  6nco(;  f)xo  xai  dvayxaia,  (hq 
6  SßoQojvoi;  Xeyei,  ngbq  djrocpnYTiv  Jt  a  q  e  ^  t]  Y  i)  ö  e  to  c,  ftev  "ftd  d;ie8ex6|.iT)V 
üq  oqOov  xai  äv  ulXn^q  elyov  xä  Jigayi-iaxa. 

■  'Evvoelxai  öxi  xoijxo  exe^i)  a  n  X  o)  q  öioxi  jt^riQoi  xö  xevov  xoö  Xi^ov. 
IloTov  fiTo  x(>  (»vofia  toü  n^axQO^  xr]q  Aunvaiaq  xai  x6  fiii|.ioTixöv  auxoü,  döi)?iOV. 


TO  EN  EAEY2INI   AAKPATEIAEION  ANArAV<I>()X 


187 


TT]v  A/|!iiiTQ«  [io()rpai,  f|  [lev  ywaiKEia,  f)  jiQOfTcajtOKOuioK;  tf);  'EAei'- 
oivo?,  6  8e  Jialg,  6  nXovTOg.  \A.A.A.u  ;i£Qi  tovtoi'  6^io?tOYfL  xai  oiiitü; 
oTi,  av  övTOoq  ftpay^iaia'  |ivqtoi'  (iftp  ttjv  eIxüv(x  1)  xai  ö-/! 
aiuxi'?  -'  xpatei,  nAofiTOs  bh  hivvca«!  \'u  iiA'fxi.  Kai  teXoc;  vofAi'CEi  oti 


Elx.   I. 


'  ToÜTO  JtQCÖTO?  6  "ZKiäq  naQ^x^Q^aF  ('E(()ii((.  'Aq%.  1901  aeX.  34).  'A?L?.ä 
Jtooov  orfdX?ieTai  6  ovvdöe^tcpoq  (fpovcöv  öxi  toi'itod  ye  fvexu  6  rtaig  fixovi^ei 
TÖv  "lax^ov ! 

'^  Kai  syto  (oq  a  t  d  x  ii  <;  slxov  exJtdßei  tö  xßaToi'inEA'ov  ('Ecpi](i.  'Apx-  ^  ^^^ 
o.  261).  'A?i?id  xai  oräyyg  dv  fx^dTei  6  nalq,  yiäXXiaTii.  i)Ö('vaTO  v</.  fivai  6  eteqoc 
TO)v  xiio)v  Toii  AaxQaTEiftoii.  E'ic  fii'inTiiv  xai  ordxi'fc  fifv  Od  fjoav  dvdQfiooToi. 


188  A.  $IA102 

EX  TWY  Da'I^TWA'  ^lOVO?  6  AaXQaTELÖl^g  8LX0A'l^£T0  ^l8Ta|l)  TWY  {)eG)V 
0)A'    I8Q8IJ1;    f]TO,    b\]h    TOI)    0  8  0  V,    X\]C,    0  8  CX  q    X(tl    TOr»    E  l'  ("5  O  1'  A  8  (0  q, 

älX'  8X  a8ßaai.ioü  xai  jxetQiocpQoavA'ijg  oXwg  JiQoanmog  xai  oiovei 
815  tÖ  ßctfloi;  xfjs  bKr]c,  eixovog  xai:i8Q  Laoi3i|jTig  jTQog  toijg  öeovg 
8ixovi^6|i8vog. 

"0  8s  2ßoQü)vog  öTj^Kpcava  ngbc,  x]]v  avnnXr\Q(ooiv  rfjg  EjriyQa- 
cpf]g  vo[.iiCsi  OTi  8V  t(p  avay^^iJcptü  8lxovi'^ovto  oAoi  oi  8v  ifj  ejtiyQacpfj 
[,iv)]jiov8uö[.i8Voi  1^801  xai  öXoi  Ol  flviiTOi,  vneg  (hv  xb  ävdd^][iu,  xrxi 
dvTiaTQOcpco;  öxi  oi  8v  tw  dvayXucpq)  8lxovi^6[18voi  i)80i  ef^ivii^io- 
A'8vovTO  8V  xr\  8JtiyQa(pfj  jidyxeq  xai  8t]  ö'^i  [.lövov  ev  x(o  1«  ai'tfig 
[.ISQ81,  evda  6  Xoyog  JtEßi  xov  tlvwv  Uewv  f]TO  ieqei)?  6  AaxQatEiÖT]?, 
äkh\  xai  8V  TÖ)  2fp  tco  dvaflij^ianxa).  Kaid  bk  Tai'Ta  6  E  v  ß  o  n  Ä  8  v  g 
xrig  8jnyQaq)f]c  xai  6  Yllovx  oiv  xov  ävayhjcpov  slvai  ev  xai  x6 
auTO  JtQÖöü):fiov,  slg  xai  6  aiitog  fleog.  ÜQog  Jioiav  eyd)  djroxAivco 
yvwfxiiv,  [lavxevEi  6  d^'ayva)OTT]g  e|  oocov  d\'0)TeQOL)  8ijrov  ji8qi  xov 
jrcög  sjtQ8Jt8  vd  cpfleyyTitai  f|  einiygacp)').  '0  8e  xöj^ißog  toij  ö^iOi'  C^]x^]- 
iiatog  8Lvai  dvavtig^rJTfog  outog  xai  |.i6vov  oi'iog,  dv  b\]L  vkuq'/^ovoi 
Aoyoi  8i'V()t^i£voi  vd  [.idg  jiEiacoon'  oti  övtwg  nXoikoov  xai  EijßoitAEiig 
Eivai  Eig  xai  o  ai'tög  i^eög.  '"Aa'  toiito  dTtoöeixöfj,  vo|i,i^to  oii  xai  6 
Heberdey  88\'  -^0.  de}\.r\oi(]  vd  E[i[iEivr\  eig  ttjv  eppivsiav  tov. 

"Oti  6  nXoiiTOv  exaÄElTO  xai  EußoiiÄEvg  eivai  ßEßaiov, 
dfpov  xo  [xaQTi'(_)or)oiv  ai  m^yal  {iKugaß.  2.  oeX.  496)  ^  'AÄXd  t6t8  8iaTi, 
dv  JT8Q1  ToD  aiiTOÖ  Oeoü  jTQüxeixai,  M^'0[^do^)^]  ouTog  jie  öi'io  övouaTa; 
AiaTi  8V  [.18V  xf\  ejriypatpf]  övo^id'^eTai  Ev  ß  oi' ?i8  u  g,  jragd  88  Ti|V 
8ix6va  TOI'  eyQdfpn  IJlovxiov;  'OpOov  8ivai  ßeßaiojg  t6  jiaQd 
Toi3  SßoQoavou  ?u8y6[X8vov  oti,  dv  88v  imfJQxs  jtapd  xi\v  sixöva  t6 
ovd\ia  IIXovT03v,  o{i88ig  ■^d  e8i0Ta^8  vd  xavxior\  toütov  jiQog  tov 
Tfjg  ejTiyQacpfjg  Ei)ßov?i8a.  ^AX)'  dcpov  vTidgiei;  -  'GqOov  eh'ai  sjtl- 
oi]g  xai  OTI  6  AaxQaT£i8T]g  üdv6\iaae  xov  Oeov  oiStw  xaT'8{)cpT][i.iofx6v 
xai  djTo8i'o:jt8Ti|aLV  (Sßopwvog  s.  d.).  'AyJid  toüto  &ev  dQX8L  vo[iil,ü) 
vd  d\)i]  jrdöav  Suoxo^aav.  Tö  oti  Se  Jtapd  xi]v  Eixova  Ey^dcpi]  n?u)v- 
TO)v   jTQog   djiOfpL'yi|v   jtaQE^T)yi'|OE(og   dato  tov  darjfxoi'   yoipoßoaxov 


'  HaQdß.  xai  Daremberg  et  Sajjlio  Dictionnairc  drs  anttquitcs  ev  ?te£Ei 
Evßoi)?i.8iji;. 

"^  MriJtfoc  auTO  toüto  ftev  t'ivdYxaoe  t6v  Kern  {Afheti.  Mitteil.  1891  ozk.d) 
vd  Tai'iTiar)  tÖv  Etißo\)?>.ea  toü  ijUETepou  dvayJiiJCpov  n:Q6q  tov  Aia  Evßoii- 
?!.  e  fx ;  üapaß.  xai  Furtwängler  Mcistcr'n'rrkc  aeX.  562.  'A?.A.ä  xai  Ruhensohn 
Mystcrietilieiligtilmcr  oeX.  1  98. 


TO  EN  EAEY:i:iNr  AAKPATEIAEION  ANArAY«I)ON  189 

El' ßo  T  Af  (I)  g  (^.  e.  d.)  ftev  fiv«i  xat'  FfiF.  (■ictoiuoq  (^ixato^.oyia, 
fiiOTi,  A'Oj-u'tco  oTi,  oaov  ÖTiKOTe  xrxl  av  bex  fjouv  nT<ti)Fy(ti  xni  dfifT«- 
xivi|Tni  jTa()u  TOI«;  "E?iXi]oi  cd  i^epi  OfxTjA'  x(a  fK^m'xDv  fvvoiui  fvfxu 
Tov  fi»!  (^OYf^KaixoD  /at)axTfi(^)<)s  xT\(;  {iQi^ny.nag  kov,  Toiui'Tai  tivfi; 
jr«QEHilY)'|oei<;  Öfa'  i)u  fia(tv  bi'AMtial  xal  [.idkioxa  ev  ttj  ?.«Tp8ia  xal 
ToTi;  y.Qyoic,  x\\c.  tfx\'1|c;  toT^  Fig  aiiTijv  uvfxcpeQOfievoK;.  'Ev  tovtok; 
uftin'cxTov  x«T^  FjiF  \'u  oin'E/eFTO  6  ExjßovAeix;  nA.oiJTO)v  kqoc, 
Tov  oi'ßooTiiv  Ei)ßoii?i£a.  "A?Jos  AoiJiov  jTQgjrei  vd  fiv(xi  o  loyoc, 
xat'  E^8  5i'  ov  6  auTOC  Oeoi;  o)vo[.i(ioi)ii  [ie  bvo  övoj^iata.  'AW.u  Jtyiv 
T)  E^ifiwiAEv  elc,  TTjA'  8^6X001  V  TOUTOi'  Toü  QiiTt') [lUTOi;  dvdtyxi]  V(x  fHetu- 
ocDUEV  av  ujrdpxoi'oi  Aoyoi  dN'ayxfx'CovTE;  /|fi«5  vd  8ex0<~)(,iev  oti 
O  n?iOVT(OV  T0l'Ad}(tOT0V  ((SlOTl  JTEyl  TOU  TqijttoA£[.iov  »)d  fi^ii- 
v(a6  Tic;  vä  ftE/i^fl  f\'  dx'fxyxv)  t)']v  yva)[.iiiv  xov  Heberdey)  Ukqeke 
va  |(vii[iov£U7]TaL  EV  tfi  EJtiypacpfi  xcxl  bi\  ö/i  [lövov  ev  t«  a^'(^\)^\[^a- 
Tixcp  avTfjg  [^lEQEi,  d?iA,d  xrxl  ev  xih  [ieqei  evOcx  dvayQacpovtai  oi  i)eoi, 
cbv  lEQEUi;  f]TO  6  Aax^jrxTEiöiig. 

n(h'TEg   ÖE'/ovrcxi    öxi   t6  dvdyÄL'cpo\'   f]v  i8qv(X£vov   ev  xCo  ieqw, 
Evfla  xal  EiiQFfliioav   'ujr'  qioD    jtaA'Ta  ayEfto\'   xä   te^kx^kx  ai'toü  xcxl 

OTl  TO  lEQOV  TOIITO  elvai  TO  nAOl'TtOVElOV,  TO  XOV  IT  ?.  O  ü  T  0)  V  O  5 
1]  T  O  l  E  p  Ö  V  TOV  YIXOVX  COV  OQ  TOJV  ?j'i)cov  ( JiaQfxß.  Ditteii- 
b erger  .Sj>'//(9^r  -  d()iO.  587  xal  651)  ^  Elvai  ?ioi:n:öv  jtiaTEi'Tov  oti 
o  AaxQaTEifti]?,  oaTig  xaTd  Heberdey  {aek.  1 1  3)  xal  n:QoiaTaTO  toO 
EV  ?t6ycp  lEQOi^,  lÖQiJEi  \ikv  EV  x(ö  nÄovTfovEicp  TO  dvdd-))[.id  tov  xal 
eixovitEi  EV  avxö)  tov  YlkovxMVd,  (Y/la  xal  8ev  yEQaiQEi  xov  Oeov 
8id  TOÜ  dva9T'][iaT(5i;  tov;  'Ev  toj  dvaf)i||.iaTix(p  Xoikov  yiegei  xr\g  ejti 
yQacpfji;  ejtqejie  Jidvxoic,  vd  f)TO  dvayEyQa[,i^i£V05  xal  6  llÄoikcDV. 
Td  vjto  Toü  [lUKUQixov  von  Prott  X£y6[iEva  {^ithoi.  Mitteil.  1899 
geA.  265)  öev  |iol  xpaivovTai  :rT£ioTixd.  '"Av,  öjTcaq  ?i£yEi  6  von  Prott, 

EV  TW  n?l01)TtOVEl(p  6  n  ?v  O  Ü  T  0)  V  aUN'ETttVTl'^ETO  Xai^'  ÖÄoxXl|(3l(X\' 
JTQÖc    tov    OeOV,    xal    f|     0Ed    OVVETaVXl^ETO    JTQOg  TTjV    KoQlJV,    tt?vXd 

ToC'TO  ÖEV  fi[iJt68ia£  TOA'  AaxQaTEi8i]v  vdvaf^EaT)  to  d\'di)>ind  tov  xal 
Eig  n\v  0£dv  xal  Eig  rrjv  K  6  q  i]  v.  Nof^ii^o)  [^kxAiotcx  TouvavTiov  öxi 
Td  A.£yü[^i£va  vjto  tov  von  Prott  GVvnyoQortaiv  im£Q  rfi^  yvto^ii|c;  |.ioi' 

OJTfOq    aVT))   XaTÜ)T£Q(0    £XTU')£T(XI.    '()    n?iOl')TÜ)V    8l]?v.    EV    T(p    AaXQaTEl- 

ÖEicp  dvayAvcpü)   EyivE   Evßov^vEvq,    ojtoj«;   ökog   ftidxpoQOi;   dnoßf) 

'  'O  Heberdey  (oe?u  1  1  I  xal  1  1  5)  YQ«(pet  so.tjenannten  Plutonion  ,  u)X  ö- 
ficDg,  MC,  jtQO(pOQixo)i;  (.lol  8l;n;e,  8t:5(,et(XL  oti  övtOi;  tö  it-QÖv  Kxtiv«  elvai  xo 
n  ?>.  o  u  T  o')  V  e  i  O  A'. 

ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX  1  3 


190  A.  $IAI02 

Toü  öeoü,  xaiV  ov  TQ6:ncov  xal  f|  0ea  eyive  K6qi]  ^  'AÄ?.d  xal  er 
Tfö  KQonoy  [lEQEi  TT];  €.:iivyQa(pr\z  e[.iv)][^iov£i^£TO  xat'  e^ie  6  n?.oi'T03v. 

E!Jto^'  av(f)TeQ03  oti  xal  xara  tt]v  sutjv  yvcofxiiv  tÖ  xevov  xov 
ÄiOoii  8A'  TCp  1 V  öTi/ü)  t6  iiera  tija'  /.e'^ia'  E  v  ß  o  v  a  e  co  ;  n:oen:eL  va 
OL'[.in;/vi)Q(o{Hi  Öid  TOiJ  övouaiog  e/.evaiviaxf);  tivoc  iSeÖtiito;.  Tovto 
8e  ävayyiaidig  \ik  iiyaygv  et;  xi]v  axe^'u'  [^iiiJtcog  {)d  f|8\ivd[i8Öa  vd 
»^EöWfxev  EXEi  o'xi  Hoti  Ai]nriTQog,  CO?  6  2.  Edif/Ev,  ullä  äji'kGiq 
Ilkovx  cov  og,  OJTOTE  ^ä  EAEiJtE  xcxi  1]  ^-lEydb]  EXELV»!  bvoKoXia,  sig 
r\v  mixxec,  jTQOoEXQOvaaiiev,  xrxi  vd  ov\iK/i)\Qd)oo)[iev  xb  teXo?  xov  lo^' 
ox'v/pv  xal  x}]v  äQ'/j]y  xov  2ov  coÖe  :zo)c,  :  x  a  l  E  v  ß  o  v  '/.  e  co  g  11  Ä  o  v- 
r  CO  V  o  5  xal   t  (Ö  v  o  v  [i  ß  c6  |.i  co  a'  t  o  v  t  oj  i  d  e  w  a'   t  co  a'  ea  v  x  o  v 

£  l)  £  Q  y  E  T  CO  A',     UJTOOeTOVTEs   Ol'TCOi;    Otl     G  U  [^l  ß  ÜJ  f^l  O  l     TOIJ     E  V  ß  o  v- 

/.  £  0)  5  n  A  o  i'  T  CO  A'  0  g  OeoI  EA'A'OOVA'Tai  »"]  A 1]  II  r\  X  )]o  y.id  f)  dji'  au- 
xr\g  u'/Logioxog  K6  yi)  -.  ^AkV  ofxo/ioyd)  oti  jipoaExooi'oa  Eig  8\J0  jtqo 
n-dvTCOv  Övaxo/iac.  IIqcotoa'  oti  Iv  tco  Api]cpiG|^iaTi  tööv  änagy^MV 
(Dittenb.  Sylloge  -  ägid.  20),  tceqI  ou  EOTai  f\[ilv  6  loyoc,  xal  xaTO)- 
TEQOO,  d\'ay£yQa[X[X£vov  cpeQExm  djr/xö; :  xal  0eo)  xal  0£a  xal  Kv- 
ßou?vCp  (=Evßou?tET)  xal  6£vt£Q0A'  oti  f|  ai'^in:/j]Qcooi;  tou  ydo\.ia- 
TOS  Toi3  lidov  yMxä  xov  lovoTiyov  \.iexä  x\]\'  Ae|ia'  Ei>  ß  o  d  ae  oj  $, 
XüafAttTOi;,  ÖjTeq  6  liev  Heberdey  auvEjrXi'ioooGE  biä  öcoÖExa  yQa[.i- 
^idtojv  6  Se  SßoQcÖA'Os  6i'  EA'ÖExa,  Öi'EvvEtt  nÖA'ov  yoaj.mdTCOv, 
Ögcx  bx\k.  l'xEt  y\  yEA'ixT)  riÄoiWcovog,  Sev  Eivai  xal  tcolv  nidaw], 
UV  xal  )]  £jTiyQa(pi]  bev  Eivai  gtoixiiSov  y£yQa^i|iEv»],  Td  bk  y^d^i- 
fifXTCt  TT  xctl  Q  xuTaXafißdvoi'oi  g/etixcoc  [.lEiLova  i]  Td  Äourcx  yjhgov. 
T6   OTi  xaxd   Tai)TT]v   ttja'  GV|.in:AT]Q03oiv   ouÖETEQa  tcT)A'  bvo  Oecov  öd 


'  nagaö^ETOi  Evxaööa  yäQiv  ew.ouac  to)v  dvayvtooTcov  aiHä  tu  KÖyM  toü 
von  Prott  :  Wenn  endlich  Lakrateides,  der  Priester  ©eoö  xai  0eä<;  xai  Ev- 
^ovXeo^q,  sein  den  ganzen  eleusinischen  Götterkreis  wiedergebendes  Weih- 
relief im  Plutonion  aufstellt,  so  kann  er  es,  a  b  g  e  s  e  h  e  n  v  o  n  T  r  i  p  t  o- 
1  e  m  o  s,  nur  weihen  Ai'i[xtitqi,  Koqtii,  öewi,  Qeäu  Ei)ßou?w8l.  Pluton  muss 
in  der  Weihung  fehlen,  obwohl  er  auf  dem  Relief  dargestellt  ist.  Denn 
man  konnte  wohl  die  verschiedenen  Seiten  des  Unterweltsgottes,  die  in 
einzelnen  Fällen  sogar  der  Ritus  getrennt  hielt,  neben  einander  darstellen, 
aber  weihen  konnte  man  ihm  nur  an  der  Stätte  seiner  Verehrung  und  an 
der  Stätte  seiner  Verehrung  ist  Pluton  —  0eöc  ein  unteilbares  gött- 
liches Wesen> .    (IlaQttß.    xai    Furtwängler  Meisterwerke  oe?v.  5b3  oii(a.). 

'^  "0x1  VI  Ai|_ui'|xiiy  xa'i  r)  Koqi)  ely^ov  xivag  xoivdi;  -^DOiag  \xz  xov  n?kOu- 
xcova  |.iaQTi.iQor)öiv  ol  ÄiOoi  (naydß.  IG  II  834  '',  II  4h  xai  von  Prott,  e.  d. 
253.  254.  'Ev  dvcxYx.ij  Öe  Oä  i'i&i'ivaxo  vd  {ij-TOxeOf)  toc  oi3^ißo)|.ioc  xovxov  xai 
6  TQL-TXüÄe|.i05  xal  xö  6vo|.id  xou  vdvaYQacffi  Ej-ti'oii^  ev  xw  TExaQxco  öxi'/co. 


TO  EN  EAEY2INI    AAKPATEIAEION  ANArAY«I>ON  191 

IfivimovevfTO  6vo|i«OTi  8v  TOj  1w  H8QEI  TT);  E:nYoaf(yfi;,  6e\'  \)().  J\xo 
Xöyog  vd.TOQ^ii|'o)|^i£v  auTi^v,  '/.ai)ö)c,  en:ia7]g  xal  t6  oti,  evw  ev  xfi  e-ii- 
YQa(pfi    {)a  e(p£Q£TO    Y8YQa|i|xeA'0v    E  i'  ß  o  v  ?.  e  fn  ;    II  Ä  o  v  t  oj  v  o  g,  ' 

JTUQU    TVjA'    eiXOVU    EVOUfpl]    (Lt/.(T);    11  ä  o  V  t  o>  V    o'/i    eS'Exa  E?v/.8irpE0jg 

yojgov.  Xd)Qo;  ßE^aioj;  vjTfio/E  xal  1x81  va  yQWiJ(\  Ev  {^ov'Kev  c, 
II/lOvtojv,  aiJ.ä  xai  dvaYxuIov  Öev  f|TO  xatu  tt)v  Yvo.)jii]v  ^ov. 
"Av  ÄoL-rov  öid  Tov;  dvo)TeQO)  ^.OYOvg  y\  tiuq^  e|xoü  jiqoteivoh£vi| 
aL'|x:t/.7'|Qcoai!;  ftgv  yi"*']!  «-toÖexti],  dn^o|i£VEi  ^lovov  f|  vno  xov  2ßo- 
QCDvoi'  YE^'^lte^'i]  £.i(n'0)of)o)|iEvii  xatd  tu  dvo)T£Q(»  (oeÄ.  1  86)  .  .  .  xal 

A  1]  [l  1|  T  0  O  C     X  (/.  l     T  ÖJ  V     6  |X  O  ß  OJ  H  (I)  A'     T  O  U  T  0  l  V   -     i)  £  O»  V     T  OJ  A' 

I  a  V  T  o  ij  £  V  £  Q  Y  £  T  d)  V  •^.  Kaid  rd  n:ooeioi||A£va  OL'Ö€|.iia  oJ.h]  Eivai 
Öuvairj,  6  bk  /.OYog,  ÖT  öv  xat'  £|X£,  dv  ÖEy_i)dj|.i£v  tt|v  ov[i:i'/.r\QO)niv 
xov  2.,  6  avTOi;  Deog  xa/wEitai  jxe  ovo  öv6|xaTa,  xal  Jia^d  Tf|V  Eixöva 
EYC)d(f  1]  YIlovx  CO  V  xal  ö/i  Evßov^iEvg,  Elvai  6  £^5' 

Tö  övona  ToD  {)eov  y\xo  YI},<)vxo)\  xal  xo  ie^ov  aittoü 
xa?^iTai  EV  xfi  '/.oyoboaia  xöJv  En:iaxaxwv  'EaevoivoiJea'  xoü  exov; 
329/8  TT.  X.  x6  xov  n /.  o  i'x  0)  A' o  5  (jiagdß.  xal  dvojxEQOj  oeä.  1  89) 
xaOoj;  e7iioi]c,  ev  xfi  auxfi  /.OYOÖooia  /iY8xai  x  o  v  ß  co  [x  6  v  xov 
n  Ä o  V T (0  V  o  g    jt £ ^  i a /. 8 T  >p (/.  i    XU l    X o  V  i d  0 a  i    xxÄ.    '()  /ugd- 


■  'E\'\'oeiTai  otzoöev  oxi  ciotig  d:iüÖKxOr|  tt|v  dvojTtgoi  oufinÄi'ißoJOiv 
E  u  ß  o  u  Ä  t  0»  5  n  /u  o  u  T  0)  V  o  c  iiä  ngoo^iow  xcxl  e'i;  tijv  d{)'/j\v  xov  4ou  öxi- 

XOU    TTIV  Ö0TIXT|V    11  /.  O  U  T  0>  V  l. 

^  NofAi'i^ü)  UTi  ;i()ü(;  (bro(fUYi1v  :taQe|r)YT|öe(»;  t  o  u  t  o  i  v  -/.uX  oy.i  t  o  u- 
T  o  i  5  iiä  f|TO  YEYüannevov. 

^  Ai  öuoxo/.itti,  tlg  cig  6  Heberdej-  7i{jooi/.QOvmv,  <5>ate  xain^gy  0X£<f  Oeig, 
öev  auvenc/.r|Q(ooev  ofiog  Öid  toö  ovofjiaTog  novov  Tfjg  Ar\[it]XQO(;  xö  xevöv 
Toü  'UQov,  Öev  eivtti  a\'v:iiQfih]xoi  xal  xovto,  eljuii  ßeßaiog,  •Od  ö^oXoyi'iöij 
xttl  airrog,  dt>-/'.£i  vu  :TEioOf|  oti  E  vi  ß  o  u  /v  e  ü  g  xal  11  /.  o  u  x  oj  v  elvui  elg 
xal  6  autog  i)  e  6  g.  Aiuti  outog  slvai,  wg  xal  dvojxeyoj  eLxov,  6  x  6  n  ß  o  g 
xoü  :iQoß/.j'i[taxog.  Kai  dÄiifJöJg  öev  ß/.En;oj  Ötaxi  i)ä  J]Xo  uövivaTOv  r\  xal  dn;/.(7tg 
Övoxo?i.ov  vtt  wtOTeü-g  oxi  6  AaxQaxeLÖT]g  fjxo  f\br\  ietjeüg  xoü  0  e  o  v  xal  xfjg 
0  e  tt  g  xttl  xoü  Evßov?.  eojg  xal  el/.ev  fjÖT]  xoüxov  xov  xixÄov  oxe  ey^^'^^o 
xal  X  o  l  v  0£  o  l  V  lEQeüg  ovxe  Öiaxi  Üä  f|xo  döijvaxov  vu  ovy/.e\'XQÖ)a\\ 
xttx'  Exeivovg  [xd/.ioxa  xovg  /yövoDg  x6  d'^ioj|.ia  xoü  lEQeojg  oyEÖov  Jiaoojv 
xöJv  'E/^uoiviojv  iJEoxr|xojv.  "Oxi  öe  vtieq  txdöag  yeQaiQui  xög  ö  ü  o  0  e  <i  g 
djtoöei^ig  xö  dvaörinaxixöv  |xeoog  xfjg  e;iiYea(ff|g.  "A'/J.x]  xig  öuoxo/.ia  ex  :i(jü»- 
XT|g  xov/.dyioxov  oT|)eüjg  da  7]xo  on;ovöaioxeQa,  xö  öxi  Öt|/..  ev  xolg  /.idoig  Ötv 
fi\T|HOVEV'Exai  lEQeüg  xoiv  Oeolv  (ör|?t.  xfjg  AT'ifATiTQog  xal  K6Qr\c,)  xal 
onüjg  vofii'l^oj  öxi  (nuQtt  xd  ev  xolg  'EÄEUoiviaxoig  (aov  Me/.eTT|naöi  yQWi^ivxa 
Aiedv.  'E(fr)^i.  xf|:  Nofi.  'Apy.  1904  oe?..  44)  ev  xqj  U\)o)  (/6t  V,  I,  1  c) 
ögÖöig  6  Böckh  elye  (xv\Jüi'/:r\Q(j)nn  röv  tcßt'a  zöv  Oeoiv. 


192  A.  $IAl02 

xn^g  ÄoiJTOA'  6  /uya^ag  Kugä  xäq  ^Ixövag  xä  6v6\iaT(iL  ?jiq?ke  vä  h]- 
Xioar]  \ik  To  xaO'  avxb  6vo[ut  xbv  fieov,  o\'  f)  £ix(o\'  eixoA'i'Cev,  dcpi'vcoA' 
8iq  Tov  AaxQaTeifiiir  vä  h^Xoior\  vnb  Jtoiav  lb{6xy]xa  )\deXe  ftia  xov 
äva{)r\\mx6c,  xov  vä  x\\.ir\ar\  xov  8lxovr^6[^iEvov  DeoA'  xai  locoi;  xai 
<^ia  TOÜTOV  dxofx»)  tov  XöyoA'  o  AaxgaTCiÖT]!;  xa?t£T  eavxbv  lepecx 
Tof)  EiißoDÄeco?  xai  tw  Eiißoi'AeT  dvaOeTti  t6  dvd{)i]|id  toit  '.  ""Av 
öe  [idhoxa  oaa  [^leA^ao  a-u  ei'jto)  xaTcoxeQco  Jtegl  toö  ©eoü  x(ti  xf\c. 
Seüc,  bkv  Cioxo^ovoi  xov  ()Q\)ov,  dvayxaia  f|  8idx(^)ioi(;  avx)]. 

Kai  reo  ö'vTi  0e6i;  xcu  öed  öev  öüvovrai  \'d  d)oiv,  ü)c  6  S. 
A'Of.u'^ei,  xil-irtiQ«?  [.iivfloXoYixdg  djroxaAwv  oaa  oi  jcqo  avtoC  jieqI  avxGn' 
y.yQa\\Hiv,  6  " Aay.h\mbc,  xai  f)  Gv'^i'yog  {f\  f|  xoQii  aurou)  'VyLeia. 
"Oti  6  'A OK A.}]jriö<;  oi'VEÖfD»!  mog  Jigbg  tag  'EÄEiiaiviai;  T^edg  xai  ttjv 
XaxQeiav  avxwv  djto  tou  xiXovc,  xov  5ov  jt.  X.  atwvog  xai  ecpe'^fjg, 
oLiftelg  6  dQvoi3[^i8vos.  MapTi'Qoriai  xö  jtQdyna  aucpwc,  uvxä  xä  'Ejti- 
()  av  Qia',  Iva  etq  Taüta  xai  [lovov  jiegioQiafla),  jtaQaÄEiJtcov  ciXXa 
TEX|„if]Qia. 'AÄÄ'ex  TOi'iTOii  ftev  oxn'dyexcu,  jig^v^lOÜ  y£  xai  toij  navxbc,  bei, 
bxi  o'UTog  xai  r\  "YyiEia  EA,aTQEvovTO  ev  'EXeiioIvi  xai  6t|  ev  tw  11  kov- 
TOJVEiq)  \,idl\axa  viib  xb  uooioxov  xai  [iDaTrjQiwÖEi;  övo(j,a  ©Eog 
xai  0  £  d.  "H  AatQEia  toD  'Aoxäiijtiou  £io)]xOi]  Eig  xi]v  'Attixt^v,  Eivai 
JtQdyf-ia  |„i£[AaQTi)QTi|i£A'ov  tatOQixcTx;  xai  yvcootov  ■\  okeq  ou8'  6  oi^vdi- 
ftE^cpoc  dyA'oeT,  xatd  t6  etoc;  421ov  jc.  X.  "Oxi  E^iatQEVETO  xai  txqo- 
TEQOv,  Eatü)  xai  dv£:rTioiij.uog,  oi)8E|.u'aA',  ooov  yivcoaxo),  e'/ojiea'  [.laptv- 
Qiav   äkXä  xai  d\'  EÄatpEUETO,   EÄatQEVETO   ax;  tjqcü?,   dq)oi)  xatd  toa' 

nauaavi'av  (II  24,7),  ov  ouTog  6  2.  jraQaA^ETEi, xai  •Oeov 

djt'  EXEivov  rpaalv  'A  öx^ij  jt;  i  6  v  acpiGi  a- o  (x  i  a{)^f)  A' a  i, 
hr[}i.  djTü  TOiJ  xQOA'oi»  Trjg  EjrioTJfxoD  Eiaaycoyf]?  xr]Q  XaxQsiac,  xov.  Katd 
TOV  aufxßdvTa  xard  xo  öevteqov  eto^  xov  IlEAojrovA'i^aiaxoij  KoXe\iov 
}iO[\x6v,  xafl'  ov  Ol  EyxwQioi  fJQWE?  laTQOi  duEÖEixi^iioav  dvi- 
xavoi  xai  dAvoiTEAElg,  öwarov,  jri0av6\'  [idXioxa,  Öioti  xai  jteqI  tou- 
TOi'  ovbE\iiu  :n;Q0odyETai  ^aQTiiQia,  oi  'AO^iivaloi  vd  £aTQ8A|;av  Tr)A' 
:xQoooyi|v  aitrcov  xai  ngbq  xbv  ev  'EjtiÖaiiQqj  a^eov,  xai  tol'to  l'acoc; 
vd  i)mi(.)H£A'  f)  dcpOQ(.ii|  xf\c,  ^ETax^^rjaECüg  cwxov  elc.  'Ai)i'|A'ac,  äX}C,  cog 
8{>^ri{hi,  f|  (.iErdxÄi]oii;  Ey£V8T0  xaxd  xö  exog  421°^  Jt.  X.,  djt'  sxsivoi» 
88  xoü  /Qovon  fj^'^axo  xai  \]  kaxgeia  (tuxou  f)  |jtioT]^AOc;  ev  'Ai'h'|vaic: 

'   IlaQttß.  xai  Furtwängler  Meistenvcrkr  neh  5b3. 

-  ria^dß.  xai  Foucart  Lcs  Strands  Myxtcr<'x  iVKIriisis  r(f?u  1  1  5  xai  eHrjc:,  xai 
Atlun.  Mitlril.  1885   ozk.  3b5   xai  e|i"iq. 

^  riaQaß.  xai  "Ay/.  'P^cf-t||i.   1901    of?i.  97  xai  ^%^\c,. 


TO  EN  EAEYSINl    AAKPATKl  \K1()N  AXATAV'lX  )X  1  Q3 

(og  rtpoü,  fJTic;  y.al  (i.vt\\  hyy  (|  (/.i'\'!-rui  vu  \]to  tu  xftt'  ui.)"/*^;  >'-«)  mky<</.i|, 
wpov  Tu  if(>()v,  r\'  (|>  hyKHTfax(a)\\  o  kjT)]?iiic;  ilFoq  c^tv  Tito  tmm]\n')v  ti 
lepoA',  TO  (V  fijto  Ti]v  'Ax(_)(')jr()Xi\',  x(/.Ta  tijv  iie.oii|i(\)iviiv  (dnf\c,  xXi- 
TiM',  'Aox?oiJTieTov  exTiatti]  (»pahi'TFoov.  'AX?jt  tu  o\'0[i«tu  Qeoq 
x(u  0eu  ujravT(T)(Tn'  i]8i]  fv  to)  xui  uvcdtfqo)  uvi||i()\'8i'i)evTi  i(»T)(pi- 
afuxTi  JT8^)1  T0)\'  än(i.Qy(~y\'  (of/..  1  90)  ö:n:eo  xfaü  toa'  Foiicart  {B('// 
1880  oeX.  254  X.  fH.  )  5i^  oi'aiaaTixoi'c;  xfxl  KuhjuoyQmpixovQ  Äoyoi'i; 
8ev   SuvaTtti    va    i\v<i.\    A-FfOTeyov   Tfic;  fjti    Nixiov   Flpip')]^  »l,   l'vfx  to 

XaTCOTMTOA'     O^)IO(i)    noi(»\',     Tf\q   FjtI    T|'|V    ^IXF/tUtA'    FXOTßaTeiag,     b\]X.   TOÜ 

FTOi'c;  415°^  JT.  X.  Kai  A,oiJt6v  Fyo)T(I),  elvai  (^^waTOv  va  JTioTeivfir)  x(/.l 
aKOvbauoc.  vKOox)\Q\y^\)\\  oti  fvtoc;  fH  xul  ^i()\'0\'  etcüv  Ejri  togoütoa- 
i]X[.iaoE  x(xi  £[.i£YFiVivi))l  )\  AaT(^)Eia  Tofi  EJtrj?aiÖ05  Oeoü  xov  \x6lic, 
dir'  FXEivoi'  xov  iQovov  {)eov  voiuGilevTOc:,  (oote  O'&x'i  ev  tfj  xoivfi 
?iaÄioi  T  0 )  V  dvi)  Q  (0  :iT  0)  V,  dAX'  ev  F7ri.oi||.iOTdT(0  Hn]cpia[iaTi  toü 
A%un)  x(tt  ftf)  i|'riq.u'ofiaTi  il>ii(pia9FVTi  xwTa  xt^il^^^iOA'  xov  h'  AeÄq^oig 
OfoT)  xal  oxojiovvxi  va  FJTa\'a(pF9)|  Fiq  £\'£QYFi,aA'  /(x  ?ia  q  co  i)  e  i  o  a  g 
)]  d  [i  e/vI]  i)  £  i  a  ag  dp5(aiac;  OQijnxFi'Tixdg  m'vr|{)ELag  ^  vd  xaÄr|Tai 
ouTog  xal  f|  Yi'vf]  aiiTOV  "YyiEia  ö/i  ftid  tcöv  Y^'f'JOTcöv  auTWA'  ö\'()- 
}.uxT03v,  dX?:'  dji^uoi;  0  e  ö  s  xal  Ö  e  d  ;  ^H  oj-IOiotiic,  )|v  eu^ioxei  6  ^. 
Tov  0EOV  x(u  Tfic  ©Edg  Toö  Aax()(XT£iÖEioi'  ävay)iV(pov,  izQoq  xov 
'A  ax?.  1)  JT  I  ö  V  xal  x)]v  "YYtEiaA'  xmv  YA'0)aT(T)\'  ex  xov  "AaxX^Jtwiov 
xal  eH  äXXoiv  [lEQtoA'  [(,vii^i.£io)\',  xal  vjidQypvao.  Ti'yov,  o{'5fv  djtoÖEi- 
xvuei,  (b?  EJtiotii;  ovÖEv  djrohEixvL'ODoi  xal  jrdvTa  Ta  JtaQaÖEiyfiaTa,  ooa 
o  ipiXoc,  üvvdbehpoz  eneacoQfivaev,  Iva  xcxTaÖEit»]  oti  Oeoc  x(xt' eHo- 
iy\v  ExaÄEiTO  6  'AoxXi]jtioi;  xal  öi|  xal  e'^ejtitiiÖEi;  ei'Otjc;  (.lEid  t»iv  ejti- 
ai)}iov  £iaaYO)Yiiv  "^'Is  ActTQEiag  aiiToD  eIc,  xy]v  'Attixtia'  x(xl  jtEyiTTOA' 
Oeco^Ö)  [„laxQOv  A'(x  xaTaTEivco  tov  keqI  ai'Twv  ^lOyoA'.  'AAÄd  xal  oa(x 
ÄEyEi  JtEQl  T(ov  xaXoii[^(£A'(ov  A'Expo8Ei:n;vü)v  xal  tov  AT'0i^iaj(i8Eio\)  d\'a- 
yA'UcpOD  bev  avvi]yoQOVoi  :Ta\'Td.Tcaoiv  -ujceq  xf\c,  yvcüpic  tou  -. 

0EO5  xal  0£d  AoiJTOV  Sev  fivcxi,  6  'Aox?i)]jri65  xal  \\  "VyiEia. 
'A?Jid  xal  TLA'Eg  v|oav  ?.oijr6v  oi  Aeoi  outoi,  ovc,  xal  A'd  ovopctatDoi 
6id  TOU  Ibiov  övö[(aTog  öev  eto^i^uov  ; 

rio^iÄol  •'   TÜJV   Ta    JTQ(OTa    (pEQOA'TfOV   EV   TOI?  YG"[H^'''^l   ^^^^   ^11    ^^"^^l" 


'  2tix-  4  —  5.  «ojiaQxeöOaL  toiv  öeoiv  xoTi  xcxyjroO  xcjltü  tä  jiäxQiii.  x.al 
TTjji  [lavTEiav  TT)v  ey  Ae?afcöv    (jtaydß.  xal  Foucart  e.  d.  ofk.  2i2). 

^  ITaQdß.  'Aq-/.  'Ecf)i)j(.  1886  osX.  19  xal  e^fji;  xal  Furtwängler  S/tzuiigs- 
hcnchlc  der  Bayer.  Akademie  1897  az\.  40()  xai  eS,. 

■'  Ilaydß.  löia  Foucart  BCH,  1883  oe?^.  403  x.  eS.  xal  ReeliereJus  stir  /'or/- 
gine  et  la  iiaticre  des  Mysteres  d'Eleusis    oe?i.  23    x.  e|.    Furtwäiigler   Colleetion 


194  A.  MAI02 

aTi]|i,r)  r\ay^oXr\^-\]oav  negi  to  ^rJTTif^ia,  äXlä  vä  8Jta\'a?^dßo)  eyo)  EATavOcx 
jtctA'TOOV  xovxtöv  xäc,  yA'cüjiag  xal  vu  deXY\a(D  vä  xäc,  i'JtoßdAco  elg  xfjv 
ßooavov  TT]?  XQiTixfjg  8ev  Aecgqu)  dvayxcüov.  "Oti  f]0av  /{^ovioi  Oeoi 
oiiÖEig  6  uQvoi'[xevog.  'Ex  Öe  toij  AaxQatEiSeioi)  dvayKKpoi)  Ev^ioycog 
öiJvaTai  vd  Eix(xm')f)  otl  sÄarQEiJOVTO  ev  tu)  avTM  ieqü),  Ev{)a  xal  6 
n?i,oi)Ta)v  ^  'EjteiÖt)  öe  f)  AaTQEia  avTcov  (paivExai  oi»oa  dQxaiOTdTT) 
EV  'EAedoIvi  2,  ou8ö?vO)(;  djtii)avov  vd  ^avOdvT)  vjto  toijtoi»?  f\  dQ/aio- 
TaTT]  ^iDaTixf)  ÄaTQEia  twv  jipoyoA'oov  ^  exeivod  toij  'EAEvoivtaxoT' 
yEvoi'i;,  ov  f\  (.inaTixT)  AaTQEia,  f|  oi)v  tÖ)  XQOVfo  djtoßdaa  na\'EXkr\vioc, 
xal  xaTOJtiv  Jtayxoof^uog  fiTO  t6  xut'  dg/d?  d:n:oxXEioTixov  XTfjjia.  "Ote 
xaTOJtiv,  öid  Tf]g  Eiaaycoyfjg  xf\q  XaxQEiag  xr\c,  Ai]f,ii]TQog  eHco^^ev  (ex 
KQT]Ti]g  xaxd  tÖv  ''Op]Qixov  vp'ov)  xcd  xf\q  mgcuxego)  eIeÄiIecd? 
xov  f,ii')i)oit  8id  TTJg  [^iivOoXoyoDi-iEvr]?  dg:T;ayfj(;  xf\c,  K6qi]c;,  ev  tco  "j^Öt) 
xDQittQxoi  xal  ßaadEig  Eyxa{)i8QiJv)i]aav  6  TlXovxcov  xal  i^  'E  JtaiVT] 
n  £  Q  0  E  cp  6  V  E  i  a,  Ol  dQ/EyovoL  exeTvoi  {}eoI  anv£TavTLofli]aav  xaTa 
Tiva  TQOJtov  jiQog  xovq  xataÄaßoA'Tai;  Ti]A'  iIeoiv  twv,  äXX'  ev  ttj  Xa- 
TQEia, T]Tig  Eivai  Td  [idXa  ödvttiqtitlxti,  E|iEivav  ÄEUTpEDO^Evoi  ü)g  ©Eog 
xal  0Ed  xal  xovxov  jtQCOTioTa  jtdvTCOV  ovoj^id^Ei  EauTOV  lEQEa  6  Aa- 
xQttTEiÖT]?.  'AXX""  f|  oDVTaiJTiaK;  ai)Tü)v  exeivt]  tzqoc,  xov  HXovxoiva 
xal  TTjv  nEQOE(pövi]v  Eiq  xä  JtvEv^mTa  twv  dvttQoojtoav  £'xa[,iEV  oSöte 
6  UXovxuyv  jtapd  tov  0e6v  xal  xr\v  0£dv  tiv}£[xevoi  vd  [li]  ovo^xd- 
^TjTai  [iE  TO  xa{}'  a-UTO  ovo|id  tod,  äXXä  jxe  t6  ejiu^tov  E{)ßoi)A,Ei3(;  ^. 
AiOTi  dv  6  EiißonXEix;  toij  AaxQaTEiÖEiov  dvayÄiJcpov  ovSeIi;  äXXog 
ELvai,  xttTd  Td  jtQO£iQTi|i£va,  f]  6  £v  aiiTcp  Eixovi^ö^Evoi;  UXovxwv, 
ovÖE^iia  dficptßo^aa  Öti  aiiTO«;  ovxoc,  ea^voi^teoi;  xal  ev  to)  A|)T]q)La[i,aTi 
ToJv  äjiaQiMV.  Kai  Ibov  biaxi  Eljtov  dvcoTEQO)  oti  TOiauTi]  Tig  8id- 
xpidig  fjTO  dvayxaia  {oeXA92).  "Yjtö  tt]v  0Ti)yvT]v  ai>Toi5  l8i6Ti]Ta,  o)? 
XAjQLOi;  TOiJ  "Aöou,  dvTEJtQOöcojtEi^ETO  ^\bi"[  8id  TOL'  0  E  0  iJ,  onog  xal 
f|  KoQi]  8id  xf\q  0£dg,  äXX"  EJtQEJiE  vd  TipiOfj  xal  XaTpEiiOfi  xal  vno 


Sabouroff  08^.  20  x.  e|.  von  Prott  Athen.  Mitteil.  1899,  otk.  254  v..k\.  Rohde 
Psyche  I  *   oe?t.  1  96   öTl  pi. 

'  'Agd  78  ex  TOiJTov  8ev  ^d  TjÖTJvato  vot  eixaoOfj  xal  xoöe  dx6}iT|,  oti 
öl'  avto  8v  TÖ)  iitTicpLo^iaTi  Tcöv  ojiaQx^öv  (I8e  dvwx.  oeL  190)  6  ETißoA)A,og 
d;t0T8?i.8L  (i8T' a-UTÖJv  TQidSa  ;  Aioti  hy^K.  xal  8X81  6  Eiißox)?iO(;  oiiöev  dA-^^o 
elvai  >!    6  n^oiJTWv  ; 

"^  Ilapaß.   xal   Foucart  xal  von  Prott  evda  dvcoTegco. 

^  üagaß.  xal  Furtwängler  Sitzungsberichte  e.  d. 

*  "Ojioa)  djravT^  ^exd  xfjq  Ati^ii^tqoi;  xal  Koqi]^  xaA,8ixai  nA,ovTü)v  (löe 
dvwx.  oeX.  190,   oii|x.  2). 


TO  EN  EAEY2INI  AAKPATEIAEION  ANArAY<I'()N  195 

Tt|V  älh]\'  (nvxov  ((SiOTtira  ti|\'  (r;(<i))'|\',  ti|A'  scj^enbrinj^ciulcn  -/.uxu 
Furtwängler  eijteIv,  xui  evit-uOev  to)  E^lJoiiÄei  uvitOeTti  xo  uvu- 
\h]\id  TOD  6  Aax(.)(jiT8i(Si|c;  yjd  xov  Ev(:5()i)Af.o)c  yrnkn  kwxbv  lEQea, 
akXu  JtuQu  x\\\'  eixova  toi»  yyfupgi  t6  xa9'  ai'xo  ovouu  nÄo\)To)v. 

'A?Ji'  ¥yßx(i)n(i.\'  XU  xiaa  xov  i)  e  6  v  x(d  ti|\'  I)  e  a  v  o.Td.);  xfxi  äv 
E/war  JT^oc  xox  ki'i(_)I()A'  axojroA-  xov  Äoyoi'  |,ioi'  elvcxi  i,x(a'()v,  oti  acu^xoc, 
Ebr\)Moa  OTI  (Sev  (Se/oj^uu  [ij-tu  Tof»  2.  oti  Oeoq  x«!  ileu  eivai 
6  'AoxÄiiJTio;;  X(/.i  fj  "\'Yiei«.  W/.Xa  tiia'  yviopiv  toc  oti  IIäoutcoa- 
xai  Evßoi'Aei'c;  jtQejrei  vii.  i'i\'(/.i  fi(;  xca  6  auTog  deoc,  uo^TaCo^iai  xal 
8i'  oo(x  ävMxeQco  eljtov  xal  Öiu  xä  elfjg  axofii).  'EjiQeoßeuov  '  öi)/.. 
xal  eyci)  xal  irtQeGßevco  oti  ev  tco  dray^^npo)  elxovi'^eTO  xal  ö^ti  r\  olxo- 
YF,veia  TOI'  AaxQaTeiÖov.  'A^iAu  x(ti  (^e/of-ifvoi  oti  f|  oKiodev  xr\<;  Ai^fH)- 
xQog  Y''^'<''"^t"i'''  f'OQcpi)  (-ixm'i'Ce  tija'  yuvalxc/.  tou  AaxpaTEi^oi'  Aiov»'- 
aiav  xal  6  ttoq'  auTijv  jrcxiq,  6  x^xaojv  Ta  ÖQ(xy|.iaTa  Tiig  [uiqtov, 
Tov  exEQoy  xiov  i'iiov  (ti'TOv,  TTor  ujtu{.)/ei  TOJToq  A'u  TO;roO8Tr)0a)|.iev 
Tov  älKov  i'iov,  üA'  JtQEJTgi  xttl  vu.  T»Jco()eo(i)[iev  TeÄ£0\'  fxXi:TÖvTa,  av 
6  babov'/^oq  veaviac,  eiA-ai  6  EußoiW^gv^  xal  ö/i  6  [xeya^eiTEQOs 
i'ioi;  xov  AaxQttTEiöoi'  ScooTpaTOc  ;  Kai  av  E  u  (3  oi' ^iEij  ?  eu'ai 
6  b  abov  yoc,  v eolv  lag  Öev  Elvai  JtaQdöolo?  f|  Oeok;  tou  AaxQa- 
telÖod  QTQEqpovTOs  JTQüs  avTOv  xä  v(hxa ; 

KaTCc  bk  TaÜTa  6  bqbovyoq.  VEaviac,  oaTiq  ExpctTEi  xy\  öe'^ux  x^lu- 
8ov  ä\iKi)iOv  xuxä  xov  Heberdey,  tcov  cpvXkmv  -^  (eIxojv  2)  Toi5  ojtoiov 
aq)'CovTai  ÄEUj'ava  xaTa  t6  a(p'C6|.iEvov  j^ieqoc  tov  dpioTEgoü  ßpa/io- 
vog  xov  AaxQaTEiÖou,  eIve  6  (lEyaÄEiTEQog  vlbg  xov  AaxyaTEiöov  2o')- 
öTQttTog.  "Exo|.iEv  }.oijt6v  oi5tco  ev  [lEocp  xovq  deovc,  jtctVTag,  Aiii-U^Toa 

KÖQ11V,    nXoi)T(l)V(X- EußoDÄEa,   TQlJtTÖÄE[,lOV    0e6v   xal  0Edv   xal  EX(t- 

TEpcoi^EV  xaTa  toc  bvo  äxga  tzqoc.  xä  b?hä  [iev  tÖ\'  AaxQaTEiÖTiv  xcxl 


'  Kai  ixQO  xf\Q  öUf.ijr/JiQOJöEOK  Tüö  dvaY?cü(füü  (i'Öe  "Aqx-  'EcpTi|.i.  1886 
oeÄ..  27)  xal  y.ax6niv,  ötb  tö  dvdy^^ucjpov  nuv8jT:?ii]QCt)iöii,  en.iixs\'OV  sie  xi]\'  yv()mr\\ 
jiov,  aUi  ejteiÖT]  eixov  üotoÖexö»!  ovyxQÖvcoc,  oti  E  u  ß  o  u  ?t  e  ü  c  ^xo  6  ö  (^  ö  o  i'- 
Xog  veavia?  dÖuvatov  fioi  fito  vd  dvojiaQaöTi'ioo)  xö  öko\  xov  ävayKvcfov 

-  'O  2.  vonr(;ei  OTL  eivai  oekivov  (pvXXa  xal  eii;  e^ie  TOiaüxa  E;tioi)c 
ecfdvTioav  d?J.'  i'ococ  xal  bEvxiga  xiq  elexaoig  elvai  dvayxaia  naQÖ^Toq  xal  ßo- 
xavixoö  dvÖQÖc.  Uqöq  8e  rouToig  6  2.  vojxit^ei  oxi  8ev  sivai  eiixo^og  oti8'  evvoti- 
Toc;  f|  dvajraydoTaoic  toii  fivi|ueiou  8id  xoö  8  a  8  o  i3  x  o  i'  v  e  a  v  i  o  v  x  q  a- 
TofM'xoi;  y.X(tb  ov  ^\  äXXo  dvxixEL^evov  ev  tu  ensieQiEiyovio  xal 
x>.d8oi  aeXivov,  ov  xä  Xei\^a\'a  xcöv  q)u?J.(uv.  'Ema-\]q  euvöiixov  8ev  eivai  auxo) 
xal  KÜq  6  AaxQaxei8T](;  üd  fi8uvaxo  vd  XQaxfj  x6v  x7.d8ov  r\  xö  y.äviazQ  o  v 
ÖKEQ  avxöq  ecpavxdöÖTj.    'A^^'  dcpoö  ukXo  jtqöocojxov  8ev  ujtfjQx^  i 


196 


A.  $IAIOS 


Tov  iHOv  auTOV  ScoaxpctTO^',  TiQoc,  xägiaxEgä  bh  t)\v  Aiovi'aiav  [.leia 
Toü  vioij  Aiovvaioi'  KQoc,  avTOi'i;  (tov^  i)eoi)q)  Jigoo^kEKOvicuQ,  ok  oe- 
ßi^ovta?,  xai  taig  /egalv  td  KQOoY\y.ovTU  xQuxovvxac,  öV(j,ßoAa  ^ 
OvTCo  08  a'iQETai,  vof.ii^(o,  jiäoa  bvoxoXia  xai  näoa  dtojiia  xai  t6 
ävdyXvcpov  jtQ0GXa[.iß«v8i  lö^-  eviaiOA'  exei\'OV  yaQaxxf\Qa,  ov  ymI 
EJiQEKE   xax'  E\XE  vä   E'/Y].    Ae\'  oi^ioifxuei  ßeßauoc    hqoc,   xä  uDm  top 


Elx.  2. 


aiiroi)  el'öovg  äva^r\\iaxa,  üx;  fjöi)  xal  6  Heberdey  Jcageti^piioE, 
"KainEQ  (pQovwv  öti  ev  avxcö  ek  twv  Avi^tcov  [lovoi;  6  AaxoatEi- 
8iig    8Lxovi^8TO,    älJiä    xaxä    xi]v    i^ef.ieÄicoö'»]    svvoiav    xai    öev    öux- 


^  Ti  6  AaxQaT8i8T]g  xal  f)  Aiovvioia  exydrouv  eic  xdc  '/EigaQ,  äby]Xo\'. 
"lotOQ  xal  ouÖEV  expatouv  s'xovTeg  jiovov  Tt]\'  öttiav  {ii|>o)[.igvi]v  xata  to  ot'ivi]- 
des   oxfi^a  TCüv  oeßi^ovTcov. 


TO  EX  EAEYVIXI   AAKPATEIAEION  AXArAV<I>OX  1^7 

(ppoei  ai'Tof'.   "Oti   b?  x«!  d)o(tt()TF(iov  elvcti   kov  a/.ÄcDv  uv(o'li|H(tTi- 

XO)V     T  r  .t  OJ  V    T(0\'    8lxOVl^6vT(i)A'    X(a(\     OFIOaV    Ffl.TOOOllf.V    T<ö\'    >)kT»v 

eic  luxyoTeoov  [.lEye^og  nuvxac,  top;  of|"}i"Covt(/.:,  voiii'C«)  oti  Ou  oi'vo- 
iioAoYi]o(ooi  (.101   .lavTE;. 

"^H  8[Ui  aitf-ißoWj  fi.;  t6  foy^'^'  t(I)v  .-rooxcao/cDV  nn\\  eIc;  tö  Foyov 
i8l(ü<;  xov  Heberde}'  üotic,  iitta  tof'  Reicliel,  dvcxi  6  yevvj'iKDt), 
ovTWi;  sijrelv,  xov  dvay^LUcpoi',  xai  öotig  Öui  tT);;  6iaT()ißiis  xoi'  h'Iiixf 
TUs  ßf-toei?  JTQO^  lijA'  jreQ«iT£Q(o  eQem'w,  öev  en'ui  jieydli).  'A/Jw(x 
xai  |itx^)d  oi''o«  jTiOavov  va  bo)n\\  u({'OQ\t\\v  va  eHeTfxaOf)  xai  af'Oii; 
ävev  ji  Q  OK  ux  a  k  r\  i|'  e  (o  v  tu  öiu  tip'  u7T()(^)1(xv  1%  {)oi)oxsi'(xc 
xai  TT)A'  LU'floXoyiav  tojv  ägyniun'  'K'Lh\\'u)\'  o.TOi'öc/iOTaTOv  A(xxo(t- 
TEiÖEtov  «A'dy?aK('o\'. 

'Ev  \\ili'iv(u^,  yjLxu  Oe(\)ov(X(_)iov    1903. 

A.    OiXiog. 


Y.  r.  Tb  •/ei()6y()ucp()\'  tT];  (tvtoteyco  ^iiitoait-:i'()[(i-'\'i|;  hicnoi- 
(")f];  jtEQi  ToO  A  a  X  Q  a  T  f  i  ft  £  i  o  i'  a  y  u  y  /^  v  cp  o  i'  eix^v  ^b^  ."T«o<t- 
bo{)fi,  ojicog  TVJto3{)fi,  elq  xov  ejtI  ifig  ExööaEwg  tojv  Afhciiisclicii 
Alitteihingeu  x.  H.  Schrader,  ote  jtEQifi?.Oe\'  ei^  "/^^Q"?  F^ov  f]  ejti 
öiftaxTOQia  £vaioi[i,o;  öiaTgißr)  xov  x.  H.  G.  Priiigsheim  <; Archäo- 
logische Beiträge  zur  Geschichte  des  Eleiisiiiischcn  Kults  ^. 
"Oaa  O[ico5  ev  tt]  öiaTQißfj  toü  VEapoD  8i8dxTOQOs  XEyovTai  jteqi 
Tov  A  a  X  Q  a  T  £  1 8  f  i  o  i'    d  \'  u  y  k  v  cp  o  v   {ael.  79  x.  eH.  x«i  ael.  11  2) 

8EV    fXol   JtaQ£O/0V    dq)00uf)V   ru   (lETußd^JD  TI    xibv    dvWTEpd)    ElQllflEVCOV 

[loi,  ä}Skä  vä  Jiooodiou)  [^lovov  tu  dxoXovOa. 

"On  6  n^ouTOJv  (Eitßoi'AEU?)  eIxe  x(d  lEQEiav  (Pringslieini 
oeX.  81),  8£v  iiETuß(</iAEi  TU  jTQdy[iaxa,  euv  T(xr)T(x  £/(i)aiv  coq  dvoKE(_)a> 

EXTlOEA'Tai.  'A8uVaT0V    &£   XUt'  £[.IE  (()V8£V  yiA'WOXW  XOvlMyiOXOX  0|J.OIOV 

jtaQd8£iyiia)  Ta  Leii\^ava  x(üv  jiokv^Qvh]xco\'  £XEn'(o\'  cpuWiCOA-  (dvcor. 
aEÄ.  195)  A'd  Jjoi  die  aufgefransten  Mantelzipfel  des  Lakra- 
teides >  ü)5  6  avyyofupEi'^  Tf).;  8ifXToißr|>;  (oeä.  79  m](.i.  3)  i'jTEAttßf 
.-ra()(iJt/.avi]9£ii;  dva(ifpiß(')?.(oc  ex  tT);  oyi  y.(i}S]C,  (p  (ox  ox  v  :j  laz  xy\z 
Kagä  Tu)  Heberdey.  'Av((yxti  lauxbv  i]  A'djTo8ExOw}i£A'  xi\y  yx'ionijv 
TOVTOi',  r\,  Euv  övTCOi;  djto8Eixi)f|  oti  TOiavri)  x\g  xov  EQyov  ov((;tA)|- 
(jcooig   Elvai  d8i'A'aT05,    A'd  8Eyi)(~)[.iEV  (jraodß.  dvwT.  aeh  195   oi)i-i.  2) 


198     A.  $IAIOS:  TO  EN  EAEYSINI.  AAKPATEIAEION  ANAFAY^ON 

OTl  EXpCtTEl   T0\'   X?id8oV   FXeiA'OA'   (f)    XCtl   TO  Xfn'lOTQOv)   «VTOg   6   AaxQct- 

TSiörig.  "AÄAi]  eHT]yi]ai5,  xat«  Ti\v  yvib[i^]v  fiov  tovAci/iotov,  Ösv  x^Q^S 
d(poi5,  0)5  jcQoeiJTOv,  i^  :n;QOTeivo[,ie.vii  i'Jtö  tov  Pringsheim  sivai 
{bvoxvyo)g)  äbvvaxoq,  äXko  8s  TTQoaoojtov,  wg  xal  o  Pringsheim 
Myexai,  8ev  f]To  8in'aTÖA'  va  vjxdQi]]  |ieT«Hi'  toü  AaxQaT8i8o\)  xal 
xov  8a8ovxovi  vsavioi'. 

Kai  ooa  bk  keqX  xr\g  öToA.f]c;  tov  ÖaSoü^ou  vEaA'iou  toü  Aaxga- 
TSiSeioit  avayXvcpov  £XEy{h]oav  elc;  V7iooxr\QiE,iv  xr\c,  yvco^irii;  oti  eivai 
6    El)  ßo  ulei' 5  Sev    [,ioi  (paivovtai    ßdoiji«.    'A  jt  ap  «?t  Aaxt  o  v 

TTIV    ailTTlV    OT0?if)V    Cp008l   Xttl    6   JKXQa    TI]A'    Al][XT]Tpa     JT  tt  L  5,     OllTOg   8e 

ßeßaio)?  elvai  (.luatiiq  öptty^iata  [.luprov  xpaTtov  tfi  dpiGTEpa  (i8e 
dvtOT.  ael.  187  xal  Pringsheim  aeA.  8)  äq)ov  ovöeig  imcxQ/si  Aoyo? 
vd  fjvai  "lax/og  ^  w?  6  Slxidq  imeOeöE  (TSe  dv(OT.  08?v.  187  a)][i.  1) 
"Ar  8' ecpoQoivv  dficpoTegoi  xal  8  ^i  ß  a  8  a  q,  wq  6  !2ßoQa)voq  el'xaoev, 
d8riÄov.  'AUd  xal  dv  erpopouA',  touto  88v  Od  fito  xat'  8fX8  ?i6yoq  vd 
i'jroTeOcöai  &  8  o  l  i]  f]  g  (o  8  q  xal  ovyl  d  v  \)  q  co  :rt  o  i.  M>]jiroq  jioUol 
TWY  ijtjtecov  Tf]q  ^(oocpoQOv  xov  TLaQdevan'OQ  bev  cpoQOvoiv  8|ißd8aq 
!]  8v8QO|.ii8aq ;  Kai  88v  ecpöpouv  ägd  ye  8|_ißd8aq  i]  8v8Qoui8aq 
Ol  ecprißoi  Ol  rriv  T^uiTixrp'  cpQonQdv  xciöv  ieqwv  djTOT8?iOi'VTEq ; 

'Ev  'Ai^h^vaiq,  xard  'louviov  1905. 

A.    0). 


'  'A?ti)0(T)c;  öev  evvoco  Jtcoc  6  Sxiäi;  f|?td8v  ei;;  TaiJT>]V  triv  oy.i^nv,  dqjoi) 
xat' autöv  ToiJTov,  önov  h'  [ivTijteioit;  eftgi^Tai  u.miKovia[iivog  6  "lax^oq, 
eixoviterai  jtdvTote  v  e  a  v  i  a  g  i")  xovXä'/iOTov  8  cp  ii  ß  o  c  y\  [i  e  ?v  ?*.  e  cp  ri  ß  o  q* 
öioTi  ßeßauoq  :rt  a  l  g  öev  elvai  ovÖ'  6  toü  Jtivaxoi;  Tfjg  Ni(i)vviou  babov^oq. 
Kai  8JTei8i]  6  Xöyoq  n£Qi  tot'itod  xov  Jtivaxog  aq  oTi^ieuooco  evTaiJöa  ev  jraQÖScj) 
Ta  E^fig- 

Mi]  djtüÖexonevoq  oi>8e^iiav  xmv  eig  aoTÖv  SoüeioÄv  eQpiveicöv,  JiQeoßeuwv 
ö'  dvexaOev  oti,  OTtoog  6  'AgioTocpavTig  (BaTQu^.  oti^.  315  xai  elfjg,  ex8.  Koch) 
xal  6  fii^ieTeQog  rtivaxo7QU(pog  (i)  6  eH  oi'  ouTog  dvTeyQavlie)  evejtvev- 
ad)]  {ijtö  Tfjg  no[mr\c  xov  'Idxxon  (jraydß.  xal  n?tOUTaQ.  'A?txiß.  tj  i2),  dxQißcög 
eig  Tr)v  ^leXeTTiv  xai  8()|it]\'eiav  aitToö  xaT8Yiv(SnT]v  ejtl  TauTi^g  Tfjg  ßdoecog 
öTijQi'Qonevog  OTE  7i8Qif|^Ö8v  Eig  yeiQäq  ^lou  f|  dv(o  |.ivi] [.lovevi^e loa  öiaTQißii 
Toö  Pringsheim,  tv  ij  xal  jieqi  xov  :;Tivaxog  Tiig  Ni(i)v\aou  ixavög  yiveTai  ^^oyog 
(oeX.  64  xal  8|.).  XaiQOi  ßKe.Ktnv  oti  ev  Jto^XoTg  eE,  opioicav  OQpy&evTEg  naQa- 
TiiQi'joeov  xare^irVSafiev  d^upoTepoi  eig  Td  auTd  oüf(.JteQdonaTa.  Aiacfieyo^ev 
öncog  xal  ev  oxi  öJj'yoig.  'A?.?id  Sev  elvai  evTaßOa  6  xaTdX^)i?iog  TOvtog  vd 
Yivi)  3Tec>i  TOUTfov  iiaxyoTeyog  ^^.oyog.  Aio,  cog  xal  8^  o.Qyri\q  ioKonovv,  ■&d 
;t()aY|xaTei)i)ä)  xal  eyöj  t6  i)e(xa  Jtpoöexwg  ev  x\]  'Aqx"io^-  'EcpTjueQiöi. 


ATHEN.     MITTEILUNGEN    IDOf). 


TAI-ICL  \'III. 


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199 


T  I  M  O  N  I   I)  A  S. 


(Hierzu  Taf.  \'III). 


Eine  mir  durch  die  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  vStais 
ermöglichte  Untersuchung  der  bekannten  Troi'los-Vase  des 
Timonidas   im   Athener    Nationahnuseum    (Collignon-Couve 

Cataloguc  des  vascs  pciuts  du  Mn- 
see  d'Athenes  Nr.  620)  zeigte,  dass 
nicht  nur  die  erste  Publikation  in 
der  ArcJiäol.  Zeitung  1863  Taf.  175, 
auf  welche  alle  andern  bisher  vor- 
handenen Abbildungen  '  zurückge- 
hen, stilistisch  ganz  ungenügend 
ist,  sondern  auch,  dass  sich,  zumal 
für  die  Technik,  am  Original  doch 
wesentlich  mehr  erkennen  lässt  als 
jene  Zeichnung  und  auch  die  neu- 
este, ziemlich  flüchtige  Beschreibung 
bei  Collignon-Couve  angeben.  So 
schien  eine  neue  Abbildung  dieses 
Hauptwerkes  altkorinthischer  Kera- 
mik wünschenswert.  Tafel  VHI  A 
Abb.l.  DieTimonidas-Vaseim  gibt  den  Bildstreifen  nach  einer  von 
athenischen  Nationalmuseum,    mir  in  allen  Einzelheiten  geprüften 

Zeichnung  von  E.  Gillieron;  die  bei- 
stehende Skizze  vergegenwärtigt  die  Form  und  Dekoration. 
Technik:  Der  feingeschlämmte,  gelbgrüne  Ton  ist 
glänzend  poliert;  Die  Malerei  ist  bis  auf  ganz  geringe  Firnis- 
reste völlig  verschwunden,  doch  aus  der  Beschaffenheit  des 
an  allen  früher  mit  Firnis  bedeckten  Stellen  glanzlos  «-ewor- 


1    Uu-ncr   Vorlegeblätter  1888  Taf.  1;  Baumeister   Denkmäler  III    Fig.  2100 
S.  1963  ;  Brunn  Kjmstgeschichte  S.  151,   Fig.  125. 


200  G.    WElCivER 

denen  Tones  fast  überall  mit  voller  vSicherheit  zu  ergänzen. 
Auf  dem  dunkelbraunen  Firnis  war  z.  T.  Rotviolett  aufge- 
setzt. Die  geringen  vSj^uren  davon,  die  sich  bei  günstigem 
Lichte  an  einer  leichten  Schattierung  der  stumpfen  Ober- 
fläche erkennen  lassen,  genügen  jedoch  nicht,  um  eine  auch 
nur  einigermaassen  sichere  Rekonstruktion  zu  gestatten,  wir 
haben  uns  daher  mit  einer  gleichmässigen  Färbung  aller  ur- 
sprünglich gefirnisten  Partien  begnügt.  Spuren  von  aufge- 
setztem Weiss  sind  nicht  vorhanden. 

Einzelne  Teile  des  Bildes  waren  nur  in  Umrisszeich- 
nung gegeben,  der  gelbgrüne  Tongrund  trat  gleichwertig 
als  dritte  Farbe  zu  Braun  und  Violett.  Die  sorgfältige  Gra- 
vierung erleichtert  die  Scheidung  ursprünglich  gefirnissten 
und  tongrundiger  Partien,  sie  findet  sich  nur  bei  den  einst 
flächenhaft  mit  Firnis  abgedeckten  Teilen;  Umriss  und  In- 
nenzeichnung aller  tongrundigen  Partien  —  es  sind  die  Unter- 
gewänder, das  vordere  Pferd,  Fleischteile  und  Haarbänder 
beider  Frauen,  die  Hydria,  die  Brunnenmauer  und  das  Gor- 
goneion  auf  Achills  Schild  — sind  mit  verdünntem  Firnis  ge- 
geben, ebenso  alle  Inschriften. 

Dekoration:  Der  in  der  Mitte  leicht  eingedrückte 
Boden  der  Flasche  ist  in  abwechselnd  braunen  und  tongrun- 
digen Halbmonden  mit  dem  Ornament  des  laufenden  Rades 
bedeckt.  Auf  der  Schulter  hängendes  Blattornament  — Firnis- 
malerei in  tongrundig  ausgesparter  breiter  Umrahmung — , 
an  der  Lippe  ein  Kranz  tongrundiger  spitzer  Blätter,  dazwi- 
schen am  Hals,  durch  drei  Firnislinien  getrennt,  Netzmuster 
und  vertikale  Zickzacklinien. 

Der  Bildstreifen  läuft  nicht  ohne  LTnterbrechung  um 
den  Gefässkörper :  zwischen  Anfang  und  Ende  der  Komposi- 
tion ist  ein  Ornamentstreif  gesetzt,  der  auf  Taf.  VIII  A  rechts 
neben  Achill -erscheint.  Er  wäre  richtiger  links  neben  Pria- 
mos  angegeben  worden,  denn  es  scheint,  dass  darin  eine 
Erinnerung  an  die  Stadtmauer  zu  erkennen  ist,  vor  die  der 
König  getreten  ist,  um  den  Auszug  des  Tro'ilos  zu  beobach- 
ten. Die  auch  sonst  naheliegende  Vermutung,  dass  Timoni- 
das  eine  grössere  Komposition  wiedergebe,  erhält  dadurch 
eine  wesentliche  Stütze. 


TIMONIDAS  201 

Die  nach  rechts  oerichtete  Darstelluiio;-  beginnt  links  mit 
Priamos.  Die  Inschrift  ist  dcntlicli  zn  lesen,  das  Signia 
etwas  missraten.  Die  Finoer  der  \or<^estreckten  1.  Hand  sind 
geschlossen,  doch  ist  keine  Spnr  eines  vStabes  zu  erkennen. 
Violett  auf  dem  Himation  ist  wahrscheinlicli,  doch  niclit  mit 
Sicherheit  zu  erweisen. 

Die  zweite  bärtige  Figur,  wieder  in  tongrundigem  Chiton 
und  farbigem  Himation,  hält  im  Cxespräch  mit  der  hinter 
den  Pferden  stehenden  Dienerin  beide  Arme  mit  lang  ausge- 
streckten Händen  halb  erhoben.  Vor  ihr  sind  deutlich  die 
Buchstaben  5^®  zu  erkennen,  hinter  den  bisher  allein  gelese- 
nen und  auf  die  Figur  hinter  den  Pferden  bezogenen  Buch- 
staben BO  ein  deutliches  M.  davor  ein  ©:  der  freibleibende, 
ganz  verscheuerte  Raum  genügt  nur  für  einen  breiten  Buch- 
staben, S.  so  dass  2®2!©BOM  zu  lesen  sein  wird,  ein  aller- 
dings wohl  noch  nicht  bezeugter  Männername.  Die  Beischrift 
gehört  also  zur  zweiten  Figur  und  macht  deren  Deutung  auf 
Antenor  ebenso  hinfällig,  wie  die  der  hinter  den  Pferden  nach 
1.  schreitenden  Gestalt  auf  Kreusa. 

Die  Fleischteile  dieser  Figur  sind  tongrundig,  sie  ist  also 
weiblich.  Ihr  ärmelloser,  bis  zu  den  ganz  verblichenen  Füssen 
reichender  Chiton  ist  deutlich  unter  den  Pferdeleibern,  auch 
links  von  den  linken  Hinterbeinen  sichtbar.  Die  linke  Hand, 
hoch  gehoben,  hält  einen  flachen  Gegenstand,  eine  Schüssel 
oder  eher  einen  Korb,  auf  dem  Kopf  fest.  Der  Unterarm  ist  zu 
lang^  und  dünn  g-eraten.  Die  r.  Hand  ist  niclit  zu  sehen.  Lan- 
ges,  breites  Haar  fällt  bis  auf  die  Schulter  herab,  die  Binde  ist 
tongrundig  ausgespart.  Die  zugehörige  Namensbeischrift  muss 
rechts  vom  Unterkörper  zwischen  den  Pferdebeinen  gestan- 
den haben,  wo  auf  dem  ganz  verscheuerten  Grunde  vielleicht 
noch  ein  Tj  zu  erkennen  ist. 

Das  vordere  Pferd  ist  tongrundig;  Auge,  Zaumzeug  und 
sonstige  Innenzeichnung  sind  mit  verdünntem  Firnis  gegeben, 
vom  Rotviolett  der  Mähne  sind  noch  ziemlich  grosse  Reste 
erhalten.  Das  hintere  Pferd  war  ganz  mit  Firnis  abgedeckt, 
die  Füsse  sind  verschwunden.  Die  Inschriften  iAN©OM  und 
AMOTjAM  sind  richtig  gelesen,  die  Querstriche  oben  und  unten 
am  3E  deutlich  erkennbar;  es  liegt  also,  wie  schon  Löschcke 


202  G.    WEICKER 

Arch.  Zeitung  1876  S.  116,  22  vermutete,  keine  Verwendung- 
von  +  im  Werte  von  Xi  vor. 

Troi'los,  bärtig,  mit  ziemlich  kurzem  Haar — die  in 
der  ersten  Publikation  gezeichnete  Locke  ist  nicht  vorhanden 
—  trug,  wie  zwei  gravierte  Linien  am  Halse  und  an  beiden 
Achseln  beweisen,  ein  kurzes,  eng  anliegendes  Gewand  ohne 
Ärmel,  dessen  unterer  Abschluss  nicht  angegeben  ist.  Lhiiriss 
und  Innenzeichnung  sind  graviert.  In  der  gesenkten  R.  hält  er 
einen  langen  Stab  und  die  Zügel  beider  Pferde,  die  teils — auf 
seinem  Körper — graviert,  teils  mit  verdünntem  Firnis  gemalt 
sind.  Die  L.  ist  halb  vorgestreckt,  die  auf  dem  Körper  des 
Mädchens  gravierten  sehr  langen  Finger  sind  deutlich  zu  er- 
kennen. Die  Beischrift  ist  leider  stark  verscheuert,  interessant 
jedoch  ein  deutlich  erkennbares  h  vor  dem  S!. 

Gesicht,  Arme  und  Haarbinde  der  Polyxena  sind  ton- 
grundig;^  sie  trägt  einen  ärmellosen  Chiton  (unten  stark  zer- 
stört). Die  R.  ist  verschwunden,  mit  dem  sehr  langen  1.  Arm 
taucht  sie  die  Hydria  ins  Becken  direkt  unter  den  Wasser- 
strahl, der  aus  dem  sorgfältig  gravierten  Löwenmaul  hervor- 
springt. Dies  ist  an  einer  tongrundigen  Mauer  angebracht, 
welche  sich  hinter  dem  Baum  bis  in  den  oberen  Abschluss- 
streifen des  Bildes  erhebt.  Rechts  wird  sie  in  fünf  deutlichen 
Absätzen  auf  die  halbe  Breite  reduziert.  Die  Quaderschichten 
sind  mit  dünnen  Firnisstreifen  angegeben. 

Der  Bau  m  war  mit  braunem  Firnis  gemalt,  graviert 
sind  jedoch  nur  der  Hauptstamm,  die  Ansätze  der  Äste,  soweit 
sie  die  Mauer  decken,  und  die  Astlöcher  am  Stamm.  Reste 
brauner  Farbe  erhalten. 

Achill  ist  die  am  besten  erhaltene  Figur.  Sein  Knie 
berührt  den  Erdboden  nicht,  er  springt  also  bereits  hervor. 
Tongrundig  ist  nur  das  Gorgoneion.  Am  Schild  sind  gra- 
viert der  innere  Kreis,  der  äussere,  soweit  er  auf  Firnis  steht, 
Haare,  Bart,  Ohren  und  Zunge  des  Cxorgoneion.  Alles  andere 
ist  Zeichnung.  Tongrundig  ist  auch  die  halbe  Palmette  hinter 
Achilleus — ein  letztes  Rudiment  des  Füllornaments.  Beischrift 
und  Künstlersignatur  sind  richtig  wiederofegfeben. 


Anders  von  Rhoden  in  Baumeisters  Denkmälern  III  S.  1964. 


TIMONIDAS  203 

Die  auf  Tai.  VIII  I>,  C  in  zwei  Ansicliten  /.um  ersten  Mal 
veröffentlichte  Vase  (H.  (),2();  I)ni.  (),14ö)  befindet  sich  im 
Akademischen  Kunstmuseum  zu  Bonn.  Photographien  und 
Beschreibung-  habe  ich  Löschckes  nie  versagender  Liebens- 
würdigkeit zu  danken.  Sie  wurde  aus  Münchner  Privatbesitz 
erworben  und  ist  nach  glaubwürdiger  Angabe  bei  Korinth 
gefunden.  In  der  P'orm  ahmt  sie,  wie  die  Troi'losvase  des 
Timonidas,  einen  Flaschenkürbis  nach;  wo  am  Kürbis  die 
Blüte  sitzt,  ist  der  Boden  der  Flasche  leicht  eingezogen. 
Dicht  unter  der  Lippe  ist  auch  bei  ihr  der  Hals  durchlocht, 
um  eine  Schnur  durchziehen  zu  können. 

Technik:  feingeschlämmter  hellgelber  Ton ;  die  Ober- 
fläche ist  so  sorgfältig  geglättet,  dass  sie  glänzt.  Die  Malerei 
war  mit  nahezu  schwarzem  Firnis  ausgeführt,  auf  den  an 
zahlreichen  Stellen  Rot  aufgesetzt  war.  Beide  Farben  sind 
bis  auf  geringe  Spuren  abgesprungen,  doch  lässt  der  in  den 
Ton  eingezogene  Firnis  die  Malerei  in  matter  bräunlicher 
Silhouette  erkennen,  die  ursprünglich  rot  gemalten  Partien 
sind  meist  etwas  dunkler  als  die  nur  gefirnissten.  Nur  beim 
Ornament  ist  der  hellgelbe  Tongrund  im  Werte  weisser  "Farbe 
verwendet.  Die  roten  und  die  schwarzen  Flächen  sind  in  der 
Regel  durch  Ritzlinien  getrennt,  der  Aussenkontur  ist,  mit 
einer  Ausnahme,  bei  allen  menschlichen  Gesichtern  graviert. 

Dekoration:  an  Hals  und  Schulter  wechselnde  Rei- 
hen von  Punkt-  und  Stabornament.  Die  Blättchen  des  letzte- 
ren scheinen  im  obersten  Streifen  alle  rot  gewesen  zu  sein, 
im  Mittelstreifen  rot  und  schwarz,  im  Schulterstreifen  Hess 
der  Maler  in  unregelmässigem  Abstand  zwischen  den  roten 
und  schwarzen  Blättchen  mehrere  tongrundig. 

Den  Boden  der  Flasche  ziert,  wie  an  dem  von  Timo- 
nidas signierten  Exemplar,  das  Ornament  des  laufenden 
Rads,  aus  schwarzen,  roten  und  tongrundigen  Halbmonden 
gebildet.  Streifen  verschiedener  Breite,  die  ursprünglich 
gleichfalls  den  beliebten  Wechsel  von  Schwarz,  Rot  und 
Tongrund  zeigten,  schlössen  das  Ornament  nach  oben  ab. 
Der  Bauch  ist  mit  zwei  umlaufenden  Tierstreifen  verziert, 
die  durch  eine  sorgfältig  zwischen  zwei  Firnislinien  gesetzte 
Doppelreihe  roter  Punkte  getrennt  sind.  Den  oberen  Strei- 


204  G.    WEI-CKER 

f  e  n  füllen,  drei  Ansichtspunkten  der  Vase  entsprechend,  drei 
antithetische  Gruppen :  zwischen  zwei  sitzenden  Sphingen 
(Flügel  aufgebogen,  Gesicht,  Brust,  Muskel  am  Hinterschen- 
kel, einzelne  Federn  rot),  stehen  zwei  Menschen  einander  ge- 
genüber, die  Hände  vorgestreckt.  Unbärtigkeit  und  Tracht 
—  langer  Chiton,  langes  Haar,  rotes  Haarband  —  sprechen 
dafür,  dass  es  Frauen  sein  sollen ;  der  schwarze  Fleischton 
und  die  Kreisform  der  gravierten  Augen  beweisen  bekannt- 
lich auf  dieser  Stufe  der  korinthischen  Keramik  nichts  dage- 
gen (Longperier  Miisec  Xapolcon  HI  pl.  LXV;  Lau  Griccli. 
Vasen  Taf.  HI).  Die  Frau  links  ist  grösser  als  die  andere. 
R.  ein  Hahn  zwischen  zwei  Sirenen  mit  erhobenen  Flügeln 
(rot  beim  Hahn :  Punkte  an  Hals  und  Brust,  einzelne  Federn, 
bei  den  Sirenen  Gesicht,  Brust,  Mittelstreif  der  Flügel,  ein- 
zelne Schwung-  und  Schwanzfedern).  Die  dritte  Gruppe  wird 
von  einer  Sirene  mit  ausgebreiteten  Flügeln  zwischen  zwei 
Sphingen  gebildet.  Unterer  Streifen:  Drei  antithetische 
Gruppen  und  eine  Einzelfigur.  Unter  den  Frauen  eine  Sirene 
mit  ausgebreiteten  Flügeln  zwischen  zwei  Sphingen,  links 
eine  umblickende  Sirene  mit  halberhobenen  Flügeln,  gleich- 
falls zwischen  zwei  Sphingen,  es  folgen  zwei  sitzende  Sphin- 
gen im  Wappenschema  um  ein  Geschlinge  mit  Doppelpal- 
mette gruppiert,  schliesslich  eine  einzelne  Sirene  mit  ausge- 
breiteten Flügeln.  Auch  in  diesem  Streifen  war  Rot  ausgiebig 
verwendet.  Der  Bildgrund  ist  in  beiden  Streifen  mit  grossen 
und  kleinen  Rosetten  gefüllt. 

'  Also  dieselben  Tierstreifen  wie  auf  hunderten  von  alt- 
korinthischen Gefässen.  Die  Flasche  trägt  keine  Signatur, 
aber  Form  und  Ornament,  die  denen  der  Troilosflasche  so  auf- 
fallend entsprechen,  machen  ihre  Zugehörigkeit  zum  Kreise 
des  Timonidas  sicher,  zu  seiner  Werkstatt  höchst  wahrschein- 
lich. Ich  möchte  in  ihr  eine  Jugendarbeit  des  Meisters  sehen, 
entstanden  noch  ganz  unter  dem  Banne  der  traditionellen 
korinthischen  Vasenmalerei  mit  Tierstreifen-Dekoration.  Nur 
die  in  der  korinthischen  Keramik  seltene  Form  und  die  rein 
ornamentalen  Elemente  am  Hals,  der  Schulter  und  am  Boden 
lassen  die  erwachende  Selbständigkeit  erkennen.  Beides  bleibt 
auch  fernerhin,  wie  die  Troilosvase  zeigt,  für  Timonidas  cha- 


TIMONIDAS  205 

rakteristisch ;  entschlossen  aber  wirft  er  die  veralteten  Tier- 
streifen und  die  unmoderne  Rosettenfüllung  über  Bord-  nur 
ein  letzter  Rest  findet  sich  noch  auf  der  Troilosvase  in  der 
halben  tongrundio^en  Palmette  hinter  Achill  —  und  schliesst 
sich  eng  an  die  neue  Richtung  an,  die  unter  stark  chalkidi- 
schem  Einfluss  die  jüngere  korinthische  Keramik  beherrscht '. 
Fortan  signiert  er  mit  dem  Selbstbewusstsein  des  Meisters 
seine  Gefässe. 

Charakteristisch  für  die  neue  Richtung  ist  neben  dem 
Aufgeben  der  Tierstreifen  und  des  Füllornaments  die  ton- 
grundige  Umrisszeichnung  für  die  Fleischteile  der  Frauen. 
Zu  den  vielen  schon  beobachteten  Beispielen  der  Art  -  kommt 
als  neues  die  Athener  Timonidasflasche  hinzu.  Die  Sitte  ist 
von  Osten  her  eingedrungen,  wo  man,  wie  u.  a.  die  rho- 
disch  -  geometrischen  Vasen  und  die  neugefundenen  Ton- 
sarkophage aus  Klazomenai  beweisen,  neben  Tierköpfen  ur- 
sprünglich auch  bärtige  Männerköpfe  tongrundig  aussparte. 
Auf  weibliche  Figuren  ist  es  beschränkt  wohl  zuerst  bei  den 
grossen  milesischen  Amphoren  und  dem  protokorinthischen 
Prachtgefäss  der  Sammlung  Chigi,  A)ifikr  Dnikniälrr  II 
Taf.  45  2. 

Timonidas  geht  aber  noch  einen  wichtigen  Schritt  wei- 
ter, indem  er  auf  der  Troilosvase  auch  für  die  Gewänder  den 
Tongrund  als  Farbe  zu  bewusst  malerischer  Wirkung  ver- 
wendet, und  er  schreitet  konsequent  auf  der  einmal  betretenen 
Bahn  fort.  Der  Berliner  Pinax  zeigt  ihn  als  vollendeten  Zeich- 
ner, der  sich  bei  schärfster  Naturbeobachtung  eng  an  seine 
chalkidischen  Vorbilder  anschliesst  '^  liebevoll  auf  die  klein- 
sten Details  eingeht  und  die  grösste  Sorgfalt  auf  gravierte 
Innenzeichnung  verwendet,  dabei  aber  von  der  tongrundigen 
Umrisszeichnung   auch   für  die  Fleischteile  des  Mannes  um 


'   Löschcke  Bonner  Studien  S.  258. 

*  Z.  B.  Athen,  Nat.  Mus.  621,  4'58,  Louvre  E  629,  632,  634,  635  etc. 

^  Tongrundig  ist  auch,  wie  auf  der  Timonidasvase  und  dem  rhodi- 
schen»  Teller  IHSt  1885  Taf.  59,  das  Gorgoneion  der  Londoner  Lekythos 
IHSt  1 890  Taf.  1 . 

*  Löschcke  Athen.  Mitteü.  1894  S.  250. 

ATHEN.      MITTEILUNGEN     XXX.  1  4 


206  G.    WEICKER  :       TIMONIDAS 

der  bunten  Farbenwirkung"  willen  Cxebrauch  macht  ^  und  da- 
mit der  neuen  auf  attischem  Roden  erblühenden  Technik  zur 
Seite  geht.  Seine  künstlerische  Entwicklung  spiegelt  getreu- 
lich die  Wandlungen  des  Zeitgeschmackes  wieder. 

Leipzig. 

Georg  Weicker. 


*  In  der  korinthischen  Keramik  sonst  j^janz  vereinzelt,  z.  B.  der  bärtige 
Männerkopf  auf  der  Athener  Deckelbüchse  Colli^non-Couve  529,  BCH  \  898 
S.  206  Fig.  ö),  einige  Reiter  auf  dem  späten  Krater  Louvre  522,  Pottier  Vasrs 
antiqiies  II  Taf.  44.  Ausserdem  bemerkenswert  der  aus  dem  Rücken  der 
Chimaira  wachsende  bärtige  Männerkopf  auf  der  protokorinthischen  Leky- 
thos  in  Roston  American  Jimrual  of  Archaeol.  1  900  Taf.  5. 


Abb.   1.    Von  einer  Lekythos  im  Nationalmuseum  zu  Athen. 


HÄHNE  AUF  GRABSTELEN. 


Die  hier  mit  der  liebenswürdigen  Erlaubnis  des  Herrn 
V.  Stais  zum  ersten  Mal  abgebildete  weissgrundige  Lekythos 
des  Nationalmuseums  zu  Athen  (Collignon-Couve 
Nr.  1002,  alte  Nr.  1158)  stammt  aus  Eretria.  Ihre 
Gesamthöhe  beträgt  0,24  m.  Fuss  und  Hals  sind 
schwarz  gefirnisst,  auf  der  Schulter  schwarze  Pal- 
metten auf  rotbraunem  Grund. 

Auf  einem  beiten  einstufigen  Postament,  das 
mit  einer  dicken  Platte  abgedeckt  ist,  steht  nach 
rechts  ein  Hahn.  Rechts  und  links  stehen,  den 
Hahn  aufmerksam  betrachtend,  zwei  sich  genau 
entsprechende  bärtige  Männer,  den  knorrigen  Stab 
unter  die  linke  vom  Himation  bedeckte  Schulter  gestützt, 
die  R.  in  unwillkürlicher  Bewegung  staunend  halb  erhoben. 
Je  zwei  lange  Zweige  scheinen  von  der  L.  gehalten  zu  wer- 
den; kürzere  Zweige  stehen  von  der  Stirn  nach  vorn;  Binden 
im  Haar.  L.  schliesst  eine  dorische  Säule  das  Bild  ab.  Ein  auf 
der  anderen  Seite  nach  r.  sitzender  Hund  wendet,  sichtlich 
durch  die  unerwartete  Erscheinung  überascht,  seinen  Kopf 
um  und  sieht  mit  gespannter  Erwartung  zum  Hahn  empor. 
Dieser  ist  also  sichtbar  gegenwärtig  gedacht. 


208  G.    WEICKER 

Die  Deutung  des  Bildes  ergibt  ein  Vergleich  mit  der 
fast  identischen  Darstellung  einer  ziemlich  gleichzeitigen 
weiss  grundigen  Lekythos  mit  Umrisszeichnung  im  britischen 
Museum  B  651  (G.  Weicker  Der  Sedciivogcl  S.  51 
Fig.  19),  auf  der  statt  des  Hahnes  eine  leierspielende 
Sirene  auf  dem  Grabmal  sitzt.  In  beiden  Fällen  han- 
delt es  .sich  um  die  Darstellung  einer  leibhaftigen 
Geistererscheinung  auf  dem  attischen  Friedhof,  von  deren 
Realität  der  Maler  ebenso  überzeugt  war,  wie  seine  Zeitge- 
no.ssen,  die  auf  dem  Bilde  mit  ihren  geistersichtigen  Hunden 
aufmerksam  den  geheimnisvollen  Tönen  lauschen  '. 

Die  dorische  Säule  1.  auf  der  athenischen    Lekythos  ist 
als    Bezeichnung   des   (rrabmales   von    einer   Gruppe   kleiner 


Abb.  2.    \'on  einem   .\ryballos  im  Nationalmu.seiim  zu  Athen. 

rfg.  Lek)then  und  Aryballen  bekannt,  auf  welchen  neben  der 
vSäule  auf  einer  niedrigen  Erhöhung,  dem  Tumuhus,  eine  stets 
armlose  Sirene  sitzt  {Scclrjivogi'l  S.\bA  Fig.  84,  Nr.  1 — 14.  Die 
Reihe  lässt  sich  noch  erweitern).  Es  ist  interessant  und  wich- 
tig, dass  auf  einem  kleinen  rfg.  Aryballos  derselben  Gattung 
im  athenischen  Museum  (Collignon-Couve  1522,  alte  Nr.1536) 
an  Stelle  der  vSirene  gleichfalls  ein  Hahn  neben  dem  Grab- 
pfeiler erscheint  (Abb.  2).  Die  beiden  athenischen  Gefässe 
bilden  eine  wichtige  Ergänzung  der  anderen  und  zugleich 
einen  weiteren    Beweis   für   die   von   mir  a.  a.  O.   nicht  scharf 

'  Wahrscheinlich  ji;ehört  auch  da.s  Bild  der  weissgrundigen  Lekythos 
Neapel  2438  Heydemann  ein  bärtiger  Mann,  unterwärts  bemäntelt,  um 
den  Kopf  eine  Tänie  (mit  Spitze)  stemmt  die  R.  in  die  Seite,  lehnt  sich  mit 
gekreuzten  Beinen  auf  einen  Knotenstock  und  schaut  auf  den  vor  ihm  ste- 
henden Hahn  herab.  Vor  ihm  hängt  eine  Leier,  hinter  ihm  ein  Ring  mit 
I'alästragerätschaften»  rlemselben  \'orstellungskreis  an. 


HÄHNE    AUF    CrKAHSTIiLKX  209 

genug  betonte,  dem  N'olksglauben  und  den  litterarisclien  Ii)r- 
wähnungen  genau  entsprechende  bildliche  Darstellung 
der  Menschenseele  in  reiner  \'ogelgestalt  ',  wenn  durch  an- 
dere Umstände  der  dämonische  Charakter  des  \'ogels  unver- 
kennbar ist. 

Neben  andern  meist  nicht  näher  bestimmbaren  \'ögeln 
scheint  der  Hahn,  der  nach  dem  Zeugnis  altkorinthischer 
Gefässe  schon  im  VIII.  Jahrhundert  in  Grieclienland  bekannt 
und  verbreitet  gewesen  sein  muss,  vermutlich  gerade  seines 
fremdländischen  Ursprungs  wegen  mit  besonderer  Vorliebe  als 
Seelenvogel  verwendet  worden  zu  sein,  wie  die  von  vSam  Wide 
mit  Recht  herangezogene  Antiphanesstele,  zahlreiche  Terra- 
kotten namentlich  aus  boiotischen  Gräbern  -  und  die  vielen 
Hähne,  oft  in  Verbindung  mit  der  chthonischen  Schlange, 
auf  korinthischen  Aryballen  bezeugen  ^.  Vielleicht  sah  man 
in  ihm  gelegentlich  einen  Ersatz  für  den  bärtigen  Mensclien\o- 
gel — menschenköpfige  Hähne  sind  sehr  selten  '  seine  streit- 
bare Natur,   die   Sporen,   der  an  den  Helmbusch  erinnernde 


'  Vf^l.  Sain  Wide  J///rfi.  Mitlnl.  IMUl  S.  153  und  lifrlnur  philol.  llW/irii- 
schrift  1903  Sp.  783. 

-  Auch  die  vielen  Goldplättchen  in  Gestalt  eines  Hahnes  aus  Gräbern 
der  Krim  gehören  hierher,  Stephani  C'.A'.  1876  vS.122,  33;  14b;  1877  S.  23b,  17. 

•^  Glaube  und  Gebrauch  lebt  in  römischer  Zeit  wieder  auf.  Hermes  mit 
dem  Hahn  findet  sich  als  P.SNchopompos  auf  rheinischen  Denkmälern,  /..  K. 
Hettner  Die  römischen  Steiudcnkmäler  des  Provinzialniuseiiiiis  zu  Trier  Nr.  25  c, 
27  b,  41  b;  ein  Hahn  mit  Kerykeion  im  Schnabel  neben  der  Büste  des 
L.  Mussius  Pinus  auf  einem  Grabstein  in  Turin,  üütschke  Antike  Bildwerke 
in  Oberitalien  IV  4b;  vgl.  Seelenvogel  S.  206.  In  anderen  ist  der  ursprüngliche 
Zusammenhang  zwischen  Hermes  und  Hahnensäule  wohl  kaum  noch  klar 
empfunden  z.  B.   auf  der  Silberschale  von  Bernay,   lllSt  1882  Taf.  12. 

■*  Zwei  im  Tierstreif  der  sogen,  korinthisch-attischen  Amphora  Berlin 
1 707  imd  eine  etru.skische,  nach  ostgriechischen  Vorbildern  gearbeitete 
Bronzestatuette  des  Sammlung  Castellani  {Seelenvogel  vS.  1 5b  ;  28,  1  ;  1 92), 
letztere  mit  Menschenschädel  zwischen  den  Krallen.  Vielleicht  siiul  auch 
die  späten  Gemmen  mit  dem  Bilde  eines  leierspielenden  Hahnes  mit  männ- 
lichem Oberkörjjer  (Stephani  C.  R.  1865  S.  86)  hier  heranzuziehen;  für  die 
Verbindung  des  Hahnes  mit  dem  Hermeskopf,  das  Kerykeion  unter  dem 
Flügel,  war  neben  uralten  theriomorphen  Göttervorstellungen  [Seelenvogel 
S.  35)  der  Gedanke  an  Hermes  Psychopompos  maassgebend  (Berliner  Gem- 
men 7084,  Furtwängler   Gemmen   Taf.  46,  29). 


210  G.    WEICKER 

Kamm  (Lucian  Galhis  3)  mochten  ihn  als  e'öo«;  für  die  Seelen 
kriegerischer  Männer  besonders  geeignet  erscheinen  lassen. 
Hierfür  spricht  auch  das  Epigramm  Anthol.  Pal.  VII,  428,  5  : 

f|  Qcc  ye  viKctEvta  [xdxT]  axa:n;toi3xov  avaxta  |  xßv jitsk;  ; 

Die  dem  Hahn  zugeschriebenen  Eigenschaften  ^  weisen 
deutlich  auf  seine  überirdische  Natur  hin — wusste  man  doch 
auch  eine  besondere  Verwandlungssage  zu  erzählen  (Lucian 
Gallus  3;  Eustath.  zu  Od.  VIII  271  S.1598)  — vor  allem  seine 
durch  die  allzeit  streng  homöopathischen  Grundsätze  des 
Geisterglaubens  gerechtfertigte  Verwendung  als  wirksames 
Apotropaion  gegen  die  bösen  Geister  der  Nacht,  die  er  mit 
seiner  durchdringenden  Stimme  verscheucht  '^,  und  gegen 
den  geheimnisvollen  Basilisken  •'.  Als  Seelenvogel  ist  der 
Hahn  der  Zukunft  kundig^,  ein  passendes  chthonisches  Opfer- 
tier für  die  Ahnenseelen  ^  wie  für  Kora  "^  und  Asklepios  ^.  Die 


'  Im  allgemeinen  s.  Hehn  Kultttrpflajizen  Jittd  Haustiere  S.  321  f.  ;  Bäth- 
gen  :  De  vi  ac  significatione  galli,  Diss.  Gotting.  1887;  Lorenz  Kulturgeschicht- 
liche Beiträge  zur  Tierkunde  des  Altertums,  Programm  Würzen  1 904). 

*  Auch  nach  persischem  Glauben,  Hehn  Kulturpflanzen  S.  322,  cf.  Lucrez 
IV  710  Gallum  noctem  explaudentibus  alis.  Wichtig  eine  Stelle  des  Prudentius 
Clemens  Hymnus  I  ad  galli  cantum  37  : 

Ferunt  vagantes  daemoties 
laetos   tenebris  noctiuni 
gallo  canente  exterritos 
sparsint  timere  et  cedere. 

Boissonade  Anecd.  Gr.  III  445,  4    avitoij  8e  cpcovVjöavTOi;  ix.ä.Q,  hiü\\.^^^\  (peuyei ; 
vgl.  Gruppe   Griech.  Mythologie  S.  795.  5. 

■'  Aelian  h.  a.  148,  28  dA-exTQDOva  cpoßeiTai  ^ecov  xai  (3aöi^ioxo<;  8e  xöv 
auTov  OQviv,  (5<;  q)T]oiv,  o^Qcoöel  xal  xatiScov  TQ8|jei  xal  dxoikov  aöovTOi;  ojtä- 
tai  T8  xai  djto{)vriGxei.  Ähnlich  Lucrez  IV,  712  f.  Zu  Grunde  liegt  wohl  die 
ostgriechische  Vorstellung  vom  Löwen  als  Todesdämon. 

*  Lucian  Dea  Syria  48  ;  Aelian  h.  a.  VII  7  vgl.  Lorenz  a.  a.  O.  S.  1 1  f. 

*  Bereits  auf  den  altspartanischen  Reliefs  und  dem  sogen.  Harpyien- 
monument ;  häufig,  wie  auch  andere  Vögel,  in  den  Händen  der  Verstorbe- 
nen; hierzu  Seelenvogel  S.  27,  5;  Löschcke  Aus  der  Unterwelt  S.  5;  Furtwäng- 
1er  Sammlung  Sahotiroff  \  S.  7,  25,  43  ;  Athe?i.  Mitteil.  1882  S.167,  1883  Taf.  3; 
Rohde  Psyche  *  I  242  Anm. 

**  Bäthgen  a.a.O.  p.  29;  Furtwängler,  Sa77imhing  .Sahotiroff  a.  a.  O.  Daher 
auch  das  in  Eleusis  bestehendeVerbot,  Hähne  zu  essen  (Porphyr,  rf^  abstin.^,\(>). 
'  Phaedon  p.  118  A;  Herondas  IV  12  etc. 


HÄHXK    Al'F    (;RAIiSTIvLi:X  211 

richtige  Krklärun^'  fiir  dies  \ic'll)es])r< »diene  .\skle])io.sopfer 
<^ibt  auch  hier,  wie  auf  so  \ieleu  dunklen  (icbieten  des 
Volksolaubens,  Artemidors  Traumbuch.  Hier  heisst  es  V  9 
S.  254  (Hercher)  :  i|i''5aT6  ti;  to)  Wc)y.h\iiiG),  A  h\i).  ftov;  «vo- 
(70?  8/9oi,  ilrofiv  (tVTO)  äXextQvova  "  FJteiTU  ftia/.ijtwv  fijiKOfxv  i|iiH(tTO 
jTOtXiv  TÖ)  ^AGy,h]K[ö),  ei  [.it)  ö(p9aX|iiaoei8v,  eieonv  uaextqvov«  i)v- 
(TEiv  •  xai  bi\  eig  vi'<XTa  efto'tt  ^.fy^'^'  «1'tö>  tov  'AnvJj)jTiov  «fiq  }io\' 
fUexTyiHOv  dpxel».  avoaoc  fiev  oi'v  e'fifivev,  ('xcOa/.iiutoK  fte  '"X^'- 
0(oc  ■  xai  Y<'uj  iiiü  i:vy\]  o  Okoc  (toxoi'fit-A'o;  t6  ftpooa'  i'iox'rto.  Nun 
berichtet  Cäsar  />.  ^:  \l  16:  f/af/o  est  oiiniiuin  (hillondii  admo- 
diDii  dcdita  religionibiis  atquc  ob  eaiii  raiisafii  ijui  sioif  adficfi 
gravioribus  iiiorbis  qiiiijii,'  i'i/  proc/iis  pcriculisquc  versa ittur  auf 

pro  victiuiis  hoiiiints  inunolaiif  (iitf  sr  iiiiniolaturos  vo^nrit 

qitod  pro  vita  Jio)ninis  uisi  lioininis  vita  reddatiir,  )wn  posse 
deoruui  inuiiortaUmu  ///nun/  placnri  arbitranh/r.  Was  hier  als 
keltischer  Glaube  erzählt  wird,  «^ilt  gleicher  Weise  für  die 
griechische  Frühzeit,  es  bildet  (xrundlage  und  Erklärung  blu- 
tiger Bitt-  und  Dankopfer  überhaupt.  Der  schwer  erkrankte 
Gallier  bringt  dem  Crotte,  der  sein  Leben  fordert,  ein  anderes 
^Menschenleben  dar,  der  Grieche  opfert,  um  zu  genesen  oder 
gesund  zu  bleiben,  dem  Asklepios  als  Entgelt  für  seine  ihm 
verfallene  Seele  deren  Abbild,  einen  Hahn.  vSokrates  fasst 
seinen  Tod  als  Genesung  auf  und  fühlt  sich  deshalb  zum 
üblichen  Dankopfer  an  A.sklepios  verpflichtet.  Eine  Hindeu- 
tung auf  die  lichtverkündende  Eigenschaft  des  \'ogels,  auf 
das  Erwachen  zu  einem  glückseligen  Leben  nach  dem  Tode 
ist  nicht  darin  zu  sehen. 

Da  in  den  Winden  Seelenwesen  wirksam  sind,  die  ihren 
verderblichen  Einfluss  auf  das  Blühen  und  Gedeihen  der 
Pflanzen  geltend  machen,  können  auch  sie  durch  ein  Hahn- 
opfer besänftigt  werden.  In  Methana  rissen  bei  ausdorrendem 
Südwestwind  zwei  Männer  einen  weissen  Hahn  —  als  beson- 
ders gekennzeichnetes  Seelentier  durfte  der  weisse  Hahn 
nicht  gegessen  werden,  Aristophanes  bei  Meinecke  H  1070 
Laert.  Diog.  VHI  1,34  '  —  auseinander,  liefen  mit  den  Stücken 


'  Das  Blut  des  weissen  Hahnes  spielt  auch  im  Zauber  eine  wichtige 
Rolle,  vgl.  L.  Deubner  De  tncubatione  S.  46  f.  Auch  in  Britannien  war  der 
Genuss  von  Hühnern  aus  religiösen  Gründen  verboten,  Cäsar  b.  g.  \  1  2. 


212  G.    WEICKER  :      HÄHNE   AUF   GRABSTELEN 

um  den  Weinberg  herum  und  vergruben  sie  an  der  Stelle, 
wo  sie  wiederzusammentrafen  (Paus.  II  34,  2).  Man  mag  sich 
wohl  auch  eine  abschreckende  Wirkung  auf  die  Windgeister 
davon  versprochen  haben. 

Nicht  alle  Hahnensäulen  sind  Grabmäler.  Ihre  bekannte 
Verwendung  auf  panathenäischen  Preisamphoren  und  anderen 
Vasen,  z.  B.  Brit.  Mus.  B  190,  198,  Neapel  922  (rfg;  Oinochoe, 
Wettschiessen,  abgebildet  z.  B.  bei  Schreiber  Kulturhistor. 
Bilderatlas  80,  7)  lässt  auf  verhältnismässig  grosse  Verbreitung 
schliessen.  Sie  müssen  häufig  als  Votive  errichtet  worden 
sein ;  der  ursprünglich  sepulkrale  Charakter  der  Figur  bildet 
kein  Hindernis,  wie  die  auf  hohen  Säulen  stehenden  Spliinx- 
figuren  von  der  Akropolis  und  in  Delphi  beweisen.  Wurden 
doch  selbst  Sirenen  geweiht,  so  eine  silberne  Statuette  im 
Schatzhaus  der  Byzantier  in  Olympia  (Athen.  XI,  480  A).  Auch 
bei  den  Sirenen  aus  Delos  und  Gordion  ist  der  Gedanke  an 
Votivstatuen  nicht  ausgeschlossen  [Seclenvogcl  S.  1  06). 

Dem  Hahn  auf  dem  Grabmal  ist  es  freilich  später  so  er- 
gangen wie  der  Grabsirene:  seine  Bedeutung  war  vergessen, 
man  suchte  ihn  schon  im  Altertum  auf  symbolische  Weise  zu 
deuten  i.  Der  Hahn  auf  dem  Grabstein  des  Antipatros  von 
Sidon  [Anthol.  Pal.  VII  428)  mit  einem  Lorbeerzweig  in  den 
Krallen  und  einem  Stab  unter  dem  Flügel  ^  muss  sich  die 
Erklärung  gefallen  lassen : 

OQVig  h  OTTi  Yeyon'oc;  avy\Q  xai  Jtoi)  :Jt8Qi  Kvjcqiv 
jtQÖcTog  >tf)v  Movaaig  jtolxiXoc;  i'fivoflerac: 

und  VII  424,7  heisst  es  vom  Hahn  auf  dem  Grabe  einer  Frau : 
tÜa'    \yz\   dv8Y()0|ievaA'   ^8    Jiot'  flgi«    vvxreQoc  6\n'ic  ....  aiiöctaei. 

Leipzig.  Georg   Weicher. 


'  Ähnlich  auch  Gurlitt  Histor.  tind  philo/oi;:  Aufsätze  für  E.  Ciirtiiis  S.159, 
und  Fränkel,  Archäol.  Zeitioiff  1  884  S.  1  39  f. 

2  Weisshäupl:  Grabgedichte  der  griechischen  Anthologie  S.  70,72.  Das  Motiv 
kommt  auch  sonst  vor ;  ein  Grabstein  in  Sniyrna,  Evang.  Schule  Inv.  40, 
Arndit  Einzelaufnahmen  738  «ein  feines  griechisches  Original  guter  Zeit  ,  zeigt 
einen  Hahn  n.  1.,  unter  dem  1.  Flügel  ein  Palmzweig  mit  Tänie  eingeklemmt. 


^ 


Benage  2u  S.  313  £ 


"WtsT' 


^t^Sii 


w^ 


213 


SIEGERLISTEN   AUS  ATHEN 


1.  Zu  der  IG  II  447  abgedruckten  Siegerliste  der  The- 
seien  habe  ich  in  der  Inschriftensamnilung  des  Nationahnu- 
seunis  zu  Athen  zwei  Bruchstücke  hinzugefunden ;  vereint 
sind  alle  drei  auf  der  Beilage  abgebildet.  Das  eine,  a,  war 
schon  im  'AOt'ivaiov  VIII  399  von  St.  A.  Kunianudis  ver- 
öffentlicht, aber  in  U.  Köhlers  Supplemente  nicht  aufgenom- 
men worden.  Allseits,  auch  rückwärts  gebrochen,  0,32  m  hoch, 
0,1  7  m  breit,  noch  0,07.'i  m  dick,  enthält  es  zunächst  oben  in 
kleinerer  Schrift  (Höhe  der  Buchstaben  0,007  m,  Abstand  der 
Zeilen  0,013  m)  zwei  Zeilen,  die  einem  Beschlüsse  zu  Ehren 
des  Agonotheten,  gleich  IG  II  444,  445,  446,  451;  II  5,  446  b 
angehören,  wenngleich  sich  entsprechende  Redewendungen 
in  diesen  am  Schlüsse  nicht  finden;  es  folgen,  nach  0,155  m 
freien  Raumes,  zwei  grösser  geschriebene  Zeilen,  die  Über- 
schrift der  Siegerliste  (Höhe  der  Buchstaben  0,01,  Abstand 
der  Zeilen  0,018),  und  wieder  in  kleinerer  Schrift  (Höhe  der 
Buchstaben  0,007,  Abstand  der  Zeilen  0,012  bis  0,013)  sieben 
Zeilen  ihrer  zweiten  Spalte.  Ich  lese  und  ergänze: 


JTiQovoiav  7to[i- 

JtQ]0(XIQ0l'^l8V01'( 


['Ejti  T()i3  öelva  ap/ovroc;  ol'öe  Ivi'xwv  tÖ]v  dycöva  x()y\'  0>]ae[io)Yj 
[dYCOVOi')8Torn'T05  'A;n;oX7]|i8o(;  xoi)  Ai'ödPJvÖQoi'   neiQaieojfg] 

5  [jtalöas  jrjvyf^iTiA'   x\\c,  jryooriis  f|Ai[xiac" 

[6  ÖEiva  -]eoi)  KexQOJTiöo?  qji^Afr]?.] 
[jtai8as  jti'JYfxriv  xfii;  8E\)T8Qa?  [rjXixiai;; 

[6  Öeiva  -]x?ieoi'q  AiyetÖOs  fpii[^il?] 

[jtalöai;  jii'Y[U]v  T]f]c;  tqitt]?  f)?ax[ia(;'] 

10  [6  Öeiva  xov  Öeiva  -jA'tiöog  cpi!X[fi5.] 

[jralöag  Ix  jiccvtcov  Jtuyjp'iv 


-14  A.     WILHEI.:\I 

Sicherlich  ist  der  Ag-onothet,  wie  die  übrij^^en  uns  be- 
kannten Athener,  die  dasselbe  Ehrenamt  bekleidet  haben: 
NixoY8V)|s  Nixtovoc  <I>iAaifti|c  II  444,  0eo  -  II  445,  UO.Tidb"t]c,  Zun- 
}mv  MaQ(xf)to\'iOs  n  446  und  Aeojv  Kixiiaioi'  Ai'^coA'ei'q  II  448,  einer 
der  hervorragendsten  und  reichsten  Männer  seiner  Zeit.  Unter 
den  Ano-ehöritren  des  Demos  Peiraieus,  die  einen  auf  -vÖQog 
ausgehenden  Namen  geführt  haben,  verzeichnet  J.  Kirchner 
nur  einen  Mevav^Qog,  der  in  der  von  W.  Crönert  Sitzimgsbe- 
richte der  Berliner  Akad.  1904  S.  471  in  ihrer  Bedeutung  er- 
kannten und  dem  Jahre  152/1  v.  Chr.  zugewiesenen  Liste  II 
953  als  igpojioiog  am  Feste  der  nToXeiuua  genannt  ist,  und 
mehrere  AuaavÖQoc;,  in  deren  Haus  die  Namen  Auoca'ÖQo?  und 
'Ajr6?.r]|iL;  wechseln.  Der  älteste  Vertreter  dieser  ansehnlichen. 
Familie  ist  für  uns  AuaavÖpoc;  I,  der  Vater  des  'Ajiö^iiiHic  Adouv- 
ÖQoi'  rieiQaieiig,  der  als  Ephebe  in  der  Liste  II  465  aus  dem 
Jahre  105/4  v.  Chr.  erscheint,  denn  in  Z.  96  dieser  Inschrift  hat 
J.  Kirchner  Prosop.  Att.  1363  unzweifelhaft  richtig  [Auam'jö^oi' 
statt  [MevaJvÖQov  ergänzt.  Ich  bin  geneigt,  mit  allem  Vorbe- 
halte, wie  es  bei  solchen  Vermutungen  selbstverständlich  ist,  in 
dem  Agonotheten  der  Theseien  seinen  gleichnamigen  Gross- 
vater zu  erkennen.  Denn  wie  die  übrigen  gehört  die  Liste 
in  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.;  ganz  ähnliche 
Schrift  zeigen  der  Beschluss  zu  Ehren  des  Miltiades  aus  Mara- 
thon II  und  II  5,  421,  dem  auch  II  412  und  ein  unmittelbar 
anpassendes  unveröffentlichtes  Bruchstück  angehört,  vielleicht 
noch  aus  dem  Jahre  des  /Vrchon  Theaitetos  1  49/8  v.  Chr.,  fer- 
ner die  Listen  der  ln\\xzh\xm  II  952  und  II  5,  952  b  und  die 
auf  die  Jahre  von  169/8  an  bezüglichen  Teile  des  Verzeich- 
nisses der  komischen  x\ufführungen  an  den  Dionysien  II  975. 

Geordnet  war  die  Siegerliste  dem  Anscheine  nach  wie 
in  der  Inschrift  II  448,  in  der  die  zweite  Spalte  ebenfalls  mit 
den  Siegen  jiaiöa^  jruY[xfiv  \\\(^  jTQtor))^  i^axLaq  beginnt. 

Das  zweite  viel  grössere  Bruchstück,  b,  mit  Rand  zur 
Linken,  0,60  hoch,  0,145  breit,  0,16  dick,  ist  mit  II  447  (auf 
der  Beilage  c),  zu  verbinden  und  erlaubt,  da  zwischen  beiden 
nur  einige  wenige  Buchstaben  fehlen,  die  Lesung  dieser  in 
ihrem  oberen  Teile  sehr  zerstörten  und  schwer  lesbaren  In- 
schrift ganz  erheblich  zu  vervollständiefen. 


SIEGERLISTEN    AUS    ATHEN  215 

[xcäv    ETci'kixTOiv   Euuv8()iar] 
(pi'ÄT)    [evixa   nav8]io[viig] 

Ta^io()xor)VTo[i; ]  od. 

Ttov   8n:[iXexT(ov    ev]oKXiav 
cpvh]  £v[ixa   'ATra]A.i(; 

5  [xa]liaQiovvxo[Q ];(?) 

Tcov  £v   [T]oI[g  e^veöiv]  evarbgiuc 
[xdy\i]a  Evixa  (4  Stellen  frei)  [t6  'laiÖjd^xiv. 

Tü)v  ev  TOii;  e[0v8Giv]  evonXiav 
[xdy\i]a  evLxa  (4  Stellen  frei)  t[6  —  .  ] 
10  Tcöv  iJtjreoiv  [evavJftQiai' 

[cpidji]  svixa  Oivei?  i,[jtJta]9yoi»[v]TO(; 

[Eux]^eoDg  tov  'AQiGto[xAs]ovc:  [ITeQijOoiöoi'.  X 

[q)DX]r|  evixa  Oivslg  cp[vÄa]pxo^MT05  Tifi- 

15  ['Ayal^oyliovg  xov  [ZcojiXov. 

t8[l]  Aa^ijrd[8i  tco]v  JtaiÖcov  'Aayi[X- 

sx  xf[c,  Ti[,i[e]oD" 
[''H]Ye}iaj(05  'Av8q8o[i)  AsJcüvtiSo?  cpi'A.fjg. 

T8[T  ?:]a|.uta[8i  x[mv  ecp^ißcov]'  N? 

20  8[x  t](o[v  8[cpi]ßa)]v 

<I>iA.oxßd[T]Ti5  <l>do[ ]  Olv8l8o(;  (pi)A.fjg. 

T8T  Xa[^i[jtd8i  x](hv  v8aviaxoL)v 
twv  ey  [Ai'X8i]oic  2 

"AQiatoi;  'AQxid8o[D  AL]avTi8oi;  (pv'kf[q. 
25  181  Xa[^iJi[d8i  t]ü)v  TaQaviivoov 

"Av8qü)v  Za)i7.oa)  n[av8iov]i8o(;  (pvXf\c,.  X 

Kulbaq  b[6Xiy]ov  xr\q  tqitt]?  y]X[niag' 
[Me][biaq  08o8(joq[od  ALjavTi8og  q)DXfjg. 

Kolbuc,  [ex  jtdv]T03v  86?axov  H 

30  'AoxbiJtioScoQog  [  •  •  •  ]ooxquxov  'AOiivaTog. 

ävbgac,  [86A.]ixov 
@e[iioxo'Kkf\g  '0[A,ßio]D  'A^iivalo?. 

Jtal8ai;  [oTd8]tov  ttj?  jt^coTi]?  fi^axiag"  I 

Sevcov  'Idaovog  [Aly-  oder  Oiv-  e]lboc,  cpvXf\q. 
35  Jtai8ag  [aTd]8iov  ifji;  bEvxigaq  r\hy<.iaq'  A 

Äiovvöioi;  n8[TQa?]iov  A8(ovti8o(;  (pvlf\q. 

jrai8a5  [oTd]8iov  xf\g  xQix^q  ^^.ixiag'  E 


216  A.     WILHELM 

'A-örjvoöcoQO?  A[t)}x»]t]qiov  'EpexfielÖog  cpnÄf)?. 

jTaT8a[(;  Ix]  jrctvTWv  oxdbiov  E. 

40  Avxofppwv  XaQ[iodv]8Qov  'Afli^vaioc. 

av8Q[aq  o]Td8iov  A 

Aiovvaiog  Aio[vvo]iov  XaXxiÖevi;. 

jrai8[as  8im'?w]ov  xf\c,  7iQ(i)x)]q  »^Xixiaq"  O 

Hevcov  'IdGo[vo5   Aly-  oder  Olvei8]o5  q?i'A,fig. 
45                          mti[baq  biav'kov  x]f\Q  Seittepag  iqXixiaq"  A 

[ 1801;]   (pvXf\q. 

Über  die  Agone  an  den  Theseien  handeln  A.  Martin 
Les  cavaliers  atheniens  211  ff.;  Revue  de  philol.  1886  S.  1  7  ; 
A.  Mommsen  Feste  der  Stadt  Athen  S.  291  ff.  Die  erste  erhal- 
tene Zeile  wird  die  sechste  der  ganzen  Liste  sein,  denn  der 
Nennung  der  siegreichen  Phyle  im  Wettkampfe  ttov  ejtdexTMv 
euavSQiai  werden,  wie  in  den  Inschriften  II  444  aus  dem  Jahre 
des  Archon  Aristolas  (161/ü  v.  Chr.),  II  446  aus  dem  des  Phai- 
drias  (153/2  oder  152/1)  und  II  448,  zwei  Posten:  toi)?  öaXiti- 
xTct?  und  TOi'i;  xfjpvxac  vorhergegangen  sein.  Die  Liste  II  445 
aus  dem  Jahre  des  Anthesterios  (bald  nach  161/0)  beginnt 
allerdings  mit  to)\'  e:JtdexTO)v  £uav8QLai,  aber  die  beiden  Posten 
Toug  aa^jtixTag  und  tou?  xi^Qvxa;  folgen  in  Z.  1  8  und  20  vor  den 
Siegen  in  der  hxymiio,.  Die  Ergänzung  des  Namens  in  Z.  7  ist 
der  Liste  II  446   Z.  51  entlehnt. 

Für  den  Hipparchen  EvxÄfjc;  'AgiotoxAeonc  IleßiOoiÖi];  Z.12 
hatte  sein  Vater  im  Jahre  des  Archon  Hermogenes  1 83/2 
V.  Chr.  nach  x\usweis  der  Liste  IG  II  983  Sp.  II  Z.  50  einen 
Beitrag  gezeichnet  {Prosop.  Att.  5730). 

'AgiGTog  'AQxi'd8ou  AiavtiSog  (pi'Afjq  {Prosop.  Att.  2052)  be- 
gegnet in  der  Siegerliste  II  448  Z.  12.  22  zweimal  unter  den 
Jtai88<;  Tfjq  Tpix))?  f|Xixia5,  hier  Z.  24  unter  den  \'eavioxoi  ty  Au- 
xEiov.  Unsere  Liste  ist  also  jünger  als  II  448. 

©EfxiaTOxXfj?  'OXßiov  'AOi)vaToc;,  in  Z.  ^2  als  Sieger  uvSpaq 
86?axo\'  genannt,  beantragt  den  Beschluss  II  5,  446  b  zu  Ehren 
eines  unbekannten  Agonotheten  der  Theseien  und  erscheint 
mit  dem  Demotikon  Ki]((noiei)g  in  der  Liste  II  1047  vSp.  II  Z.13 
{Prosop.  Att.  bbbl). 

"Hyef^iaX**?  'AvSqeoi'  At(üvti8os  «piti'ific;  Z.  18  dürfte  ein  Enkel 


SIEGERLTSTEN    AUS    ATHKN  217 

oder  Neffe  des  "Hyf  [layoc;  ^«ntpOD  Aei'xovoev<;  sein,  der  ebenfalls 
in  der  Liste  aus  dem  Jahre  des  Herniog'enes  183  2  v.  Chr. 
II  983  Sp.  I  Z.  38  genannt  ist  {Prosop.  Äff.  6281). 

2.   Ein  Splitter,  wie  die  eben  besprochenen  Bruchstücke 
hymettischen  Marmors,  0,1  1  5  m  breit,  0,08  hoch,  mit  der  Inschrift 

dxdn[jtiov 

hiav'koy   ex  i 
cpvÄfjc; 
5  dxdfiniov  ex  jT[dvTCO\' 

drp'  TjtJiov  dxov[TiC(ov 

.  .  'rz\^' 

gehört,  wie  ich  erkannte,  der  Siegerliste  II  445  an  und  ver- 
vollständigt die  Zeilen  54  bis  öO  der  zweiten  Spalte  folgen- 
dermassen  : 

dxdfi.[jtiov  ex  xC^^\  iJt.TeJojv  'Aax?ti]7rid8T|(;  'AQiOToßovAoi'  Aia[vTi6oc;] 

55  qpi'^^In?]. 

fii'avAov  ex  [ji(tvT(i)A'' Joe  Mevi'axoi'  "IjtJtoiltovTic^fog] 

<pVAf)5. 

dxdjiJTiov   ex  Jt[dA'TO)v ~  ]oi»  AiyElöo?  (pvÄ[f|5] 

dq)'  TjTJim'  dxov[TrC(irv i8]o;  (pi'Xfjc:. 

60       [^eujyei  e[xßi|3d'Qco\'" lÖog  (piiA]r|i;. 

[exßdti]?' ]oi;  A[io]Titioii  AiYei8oc  ^v\r\c,. 

[aQ\iax\.  jro?.e|^iiOT]T|Qi(0i  ftiavAov  AToc;  'A/aioü  KexQOjriÖoc; 
[(publc.] 

[^et^yei  Öioi'/.jov  Aio;  'Axaioi»  KexQon;i8cc;  (pi'Xfjg. 
65       [dpi^iati  öia]vXov  Aioq  'AxaioiJ  KexQOJtiöog  tpi'Xfjc. 

[dQficxTi]  dxd}ijriov  Aiog  'Ay/iiov  KexQOJiiftoc  rpi'Äf]c:. 

Den   Zeilen   60.61    entsprechen   in   der    Liste   II    446   die 
Zeilen  81.  82: 

'Ceuyei  E' ''A]QxeTOt'  riavftioviöoi;  (pufXfig.] 

H^A.   _   .    .   _  ^lAüii  Taitvoufaioi;.] 


218  A.    WILHELM 

Die  Lücke  nach  ^evyei  hatte  U.  Köhler  unergänzt  gelas- 
sen. Auch  A.  Martin  Lcs  cavnliers  athc'niens  p.  221  fand  keine 
passende  Lesung  und  zweifelte  nach  längerer  Erörterung 
selbst  an  Cevyei.  Den  Sachverhalt  hat  erst  A.  Mommsen  Feste 
der  Stadt  Athen  296  erraten,  aber  auf  Köhlers  Abdruck  ange- 
wiesen, die  richtige  Herstellung  nicht  finden  können.  Er 
vermutet,  da  der  Wagen  ^sCycs  genannt  werde  und  aus  dem 
Wettkampfe  nicht  wie  sonst  einer,  sondern  zwei  als  Sieger 
hervorgehen,  so  sei  von  diesen  der  eine  vermutlich  Apobates, 
der  andere  Heniochos,  f|VLOxo5  ^ei^ei  sxßißd^cov,  wie  es  in  den 
Siegerlisten  der  Panathenaien  IG  II  966  A  36,  B  12;  968  Z.16, 
969  B  Z.  1  heisst.  Mit  Unrecht  glaubte  er  aber  für  die  Ergän- 
zung 8[Yß«Tr|(;],  der  Weihinschrift  II  1316  örioeia  eyßaTiiv  nach, 
und  einen  Namen  die  Lücke  zu  klein  und  hielt  daher  E'  für 
den  Anfang  des  Namens  des  ersten  Siegers.  Als  Name  dieses 
Siegers  ist  unzweifelhaft  'ExeÖii^iog  'A^xeroi^  herzustellen  {Pro- 
sop.  Att.  6166),  und  davor  fehlen  in  der  Lücke  nach  E'  noch 
etwa  sieben  Buchstaben.  Ich  lese  also: 

[^ejijyei  8[xßißd^cov  'ExeÖTifxo?  'AJqxetod  Ilavöioviöo?  cpnÄrj«;. 
[IxßcxTTig- HZA   .  _  .  .  _   ^lAoi)  Tafxvoijfoio?. 

Leider  will  es  nicht  gelingen,  in  der  zweiten  Zeile  die  Namen 
ausfindig  zu  machen;  vor  Exßdnig  oder  djtoßaTiis  könnte  auch 
^E'uyei  wiederholt  gewesen  sein.  Auch  ist  das  Demotikon  sehr 
auffällig. 

Wichtig  ist  nun  zur  Bestätigung  dieser  Auffassung  und 
Ergänzung,  dass  auch  in  der  Liste  II  445  an  entsprechender 
Stelle  zwei  Sieger  genannt  sind,  nicht  nur  einer,  wie  es  nach 
Köhlers  Abdruck  scheint.  Denn  die  Reste  zu  Ende  der  Zeile  60 
' 'Z  können  der  ersten  Zeile  des  Bruchstücks  o  :  — og  A[io]- 
Tifxou  Aiyeiöog  q^vAfjg  deshalb  nicht  angehören,  weil  zu  Ende 
dieser  Zeile  das  Wort  (t>YAHZ  vollständiger  als  Köhler  glaub- 
te erhalten  ist  und  die  erste  Zeile  des  Bruchstücks  o  mit  Z.  6Ü 
nicht  vereinigt  werden  kann,  also  die  61.  Zeile  der  Liste  ist. 
Somit  waren  auch  in  dieser  Liste  vor  dem  Sieger  [dpiiati  jtoXe- 
[.uot]t|qlo)i  (so  war  zu  ergänzen,  nicht  rjt:n;o)i,  weil  es  dann  jioÄe- 
^uoirn  heissen  müsste)  zwei  Sieger  genannt,  nämlich,  wie  ich 


SIEGERLISTRN     ATS    ATHEN  219 

in  der  Umschrift  hcrj^cstellt  habe,  der  eine  [CKujyn  t[x(-)i(-i(('Co)v], 
der  andere  Fx(i(ai|;.  Für  die  letzten  drei  Posten  der  Liste  II  445 
hatte  A.  Martin  S.  21^  vorofeschlagen : 

[^sv''Yei  ftifaiX]oA' 

[Hi'A'WQ I <S i]  uxd [in u)v . 

Die  Ergänzungen   entsprechen   aber  nicht   den   Lücken. 
Ich  versuclie: 

['^ei^yei  8iaitA]ov 
[aQ|.iati  ÖiajvXov 
[d'Q|.i(ai]  «xd|.ijrioA' 

und  verweise  auf  die  Siegerlisten  des  Festes  der  Panathe- 
naien  IG  II  966  A  Z.  40  ff.,  968  Z.  60,  969  B  Z.  4  ff.  14,  von 
denen  diese  Agone  augenscheinlich  auf  die  Theseien  über- 
gegangen sind. 

Athen.  Adolf    Wilhelm. 


O    nANIQNIOS 

Unter  den  reichen  inschriftlichen  Funden  der  jüngsten 
Ausgrabungen  auf  Delos,  deren  rasche,  ebenso  kundige  wie 
sorgsame  Veröffentlichung  den  Beteiligten  allerseits  Dank 
und  Anerkennung  sichert,  wird  soeben  BCH  1905  448  eine 
Rechnung  mitgeteilt,  die  Z.  35  verzeichnet:  to^i  Flavicoviov 
oteyvcooavTi  xal  xk'ocxA'Ti  'HQax?iEi8T]i  l-hlll.  Der  Herausgeber  ist 
geneigt  01x05  zu  ergänzen  und  nimmt  xo\\.  Ilaviooviov  für  ein 
durch  seinen  Namen  merkwürdiges  Gebäude,  dessen  Erwäh- 
nung er  in  anderen  delischen  Urkunden  vergeblich  sucht; 
Gegenstand  der  Arbeit  sei  «/«  posc  d'une  couverhirc  et  d'iiii 
cnäiiit»  (p.  456).  Mit  solchen  Aufgaben,  wenn  es  .sich  wirklich 
um  sie  handelte,  hat  jener  Herakleides  sich  .sonst  nicht  abge- 
geben. Die  Rechnung  erwähnt  ihn  noch  öfter:  Z.  19  f|fUT£(av 
(über  die  I>edeutung  des  Wortes  s.  F.  Dürrbach  p.  454)  Invcty^fvä- 


220  A.  WILHELM  :     O    IIANIQNIOE 

oavTi  'Hoax?L8i8i]i  —  ;  Z.  20  oKarpeTov  "H^ax^xiSi]!  xaxaomvdaavn 
Pf-hhlll  ;  Z.  34  'HQaxÄ8i8i]i  tov  xQatf]pa  xal  t6  ovc,  xov  xtoDcovog  ejti- 
axeiictoavTi  Fhl-Ill'  cpidXia  H  ;  Z.  37  "HpaxXeiöi]!.  ou'oxowv  ejiioxeui) 
hll.  Dass  dies  ein  anderer  Herakleides  sei,  ist  auch  deshalb 
nicht  gerade  wahrscheinlich,  weil  der  letzterwähnte  Satz  von 
dem  auf  den  navuovioq  bezüglichen  nur  durch  die  Posten  xi]- 
Qog  nagä  Avbov  h  •  maau  hll  getrennt  ist,  die  Dinge  nennen, 
deren  Herakleides  für  das  oTeYvoi'v  bedurfte.  Er  ist  demnach 
sonst  mit  der  Herstellung  und  x\usbesserung  von  Gefässen 
beschäftigt;  also  ist  zu  röfi  Havicüviov  hinzuzudenken  xparfiQfx 
oder  allenfalls  df^upoQioxoA'.  Des  rifxvuovioi;  xQaTTjp  in  Delos 
hatte  H}pereides  (frg.  69  Blass  '^)  nach  Athen.  X  424  e  in  sei- 
nem A.i^Kia-Koq  mit  den  Worten  gedacht:  xrxi  tov  xQatfJQa  xöv 
navuoviov  xoivri  oi  "F]A.?ii]V85  xeQoivviiovaiv.  Ähnlich  heisst  es  von 
einem  Hieromnemon  aus  Chios  in  dem  Beschluss  der  Del- 
pher  BC//  I  896,  625  Z.  4  :  [xal  tov  xQUTfiga  (nach  Th.  Homolles 
Ergänzung)  ejxepaoe  tov  aQyuQeov  roTi;  ©eo^evioig;  wie  E.  Bour- 
guet  BCH  1897,  484  gezeigt  hat,  ist  dies  der  silberne  Kra- 
ter des  Kroisos;  das  Fest,  bei  dem  die  Delpher  nach  Hero- 
dot  I  51  dieses  Weihgeschenk  verwenden  (IjtixiQvarai  yäg  imb 
Aekcpüiv  ©eorpcxvioiai),  wird  ebenfalls  das  der  ©eoHevia  und  der 
Name  unter  dem  Einflüsse  des  cpaai,  mit  dem  der  nächste 
Satz  beginnt,  zu  Georpavia  entstellt  sein.  Ein  d[.i(poQioxos  Hav- 
KoviQi;  wird  in  zwei  Verzeichnissen  des  delischen  Schatzes 
76^  n  81 8  aus  Athen  Z.1 9  und  BCN  1  886,  466  aus  Delos  Z.1 29 
unter  den  yjthiä  aufgeführt;  auf  den  novitüvio;  xparriQ  zu  ver- 
weisen hatte  U.  Köhler  nicht  versäumt.  In  beiden  Verzeich- 
nissen folgt  dem  djicpoQLöxog  naviojvioc  ein  xQariiQ  iiirööraTOv 
E/tov  ai8T]Qow ;  das  Wort  xparrip  ist,  nunmehr  durch  die  voll- 
ständig erhaltene  delische  Liste  gesichert,  auch  auf  dem  athe- 
nischen Steine  leicht  zu  erkennen ;  Köhler  hatte  nur  .  Y .  .  .  . 
verzeichnet.  In  der  neuen  Rechnung  ist  wahrscheinlich  von 
dem  xQaTi]9,  nicht  dem  d|.i(poQLoxog  die  Rede.  Der  berühmte 
Mischkrug  war  schadhaft  und  durchlässig  geworden ;  Hera- 
kleides hat  ihn  mit  Wachs  und  Pech  wieder  dicht  gemacht 
und  dann,  wie  es  sich  gehörte,  ausgespült. 

Athen.  Adolf  Wilhelm. 


TAl'l'L   IX. 


'/"/"'///, 


lll, 


iiWil^l^ii 


^/ 


Gez.  von  P.  Siirsos. 


Aufaen.  von  C,  Frc.lricli, 


n  E  M  E  T  R  T  A  3 


n 


Abb.   1.     Blick  auf  Denietrias  von  Volo  her. 


D  E  M  E  T  R  I  A  S. 


(Hierzu  Taf.  IX). 


Die  vier  Städte,  die  nach  einander  den  besten  und  schön- 
sten Golf  Nordgriechenlands,  den  die  Halbinsel  Magnesia 
von  Osten  umfasst,  beherrscht  haben,  verraten  schon  durch 
ihre  Lage  Zeit  und  Zweck  ihrer  Gründung:  lolkos,  die  uralte 
kleine  Herrenburg,  liegt  dem  Meere  fern;  Pagasai,  die  grosse 
thessalische  Handelsstadt,  bedeckt  das  an  Ankerplätzen  reiche 
Gebiet  westlich  von  der  Einfahrt  in  den  innersten  Winkel 
des  Meerbusens  und  einen  nach  Osten  im  Halbrund  geöffne- 
ten Hügel;  Demetrias,  die  Festung  eines  fremden  Eroberers, 
der  sich  durch  sie  die  Herrschaft  über  eine  Landschaft  und 
ihren  besten  Hafen  sichert,  erhebt  sich  östlich  gegenüber  von 
Pagasai  auf  einer  Höhe  von  bedeutender  natürlicher  Festig- 
keit; Volo,  die  offene  Hafenstadt  am  sicheren  Meere,  dehnt 
sich  zwischen  diesen  beiden  am  flachen  Strande:  lolkos  ist 
an  das  Meer  gerückt. 


ATHEN.     MITTEILUNGEN    XXX 


1  s 


222  C.    FREDRICH 

Wer  sich  dem  Hafen  dieser  Stadt  nähert,  dem  fällt  zur 
Rechten  ein  Felshügel  auf,  der  sich  von  der  Masse  des  Pelion 
her  nach  SW  bis  in  das  Meer  hineinschiebt  und  nach  der 
englischen  Seekarte  (Nr.  1 1 96),  deren  Terraindarstellung  dem 
Plane  auf  Tafel  IX  zu  Grunde  liegt,  etwa  215  m  erreicht.  Erst 
in  neuerer  Zeit  ist  sein  Südwestabhang  von  Steinbrüchen 
zerrissen  und  ein  Weg  geebnet  worden,  auf  dem  eine  Stras- 
senbahn  in  die  grösste  und  fruchtbarste  Ebene  der  Magne- 
sia, die  Ebene  von  Lechonia,  läuft.  Klettert  man  zwischen 
diesen  Steinbrüchen,  die  das  Wachstum  des  kaum  1/2  Stunde 
entfernten  Volo  bezeugen,  hinauf,  so  befindet  man  sich  auf 
einem  rundlichen  Vorhügel,  der  nach  O  mit  dem  Haupthü- 
gel zusammenhängt,  und  ein  Pfad  führt  rasch  an  die  gerin- 
gen Reste  einer  antiken  Stadtbefestigung  und  zw^ar  an  die 
eines  Tores.   Die  Stadt  war  Demetrias  '. 

Ein  Ruhetag  auf  einer  Reise  zu  den  Inseln  von  Magne- 
-sia  gab  mir  im  Juli  1Q04  Zeit,  den  Lauf  der  Mauer  mit  Mess- 
band und  Kompass  rasch  aufzunehmen.  In  diesem  Jahre  hat 
dann  Herr  A.  J.  B.  Wace  die  Befestigungen  genauer  unter- 
sucht und  die  Liebenswürdigkeit  gehabt,  zu  meinem  Manu- 
scripte  wertvolle  Zusätze  zu  machen,  die  in  der  Form  von 
Anmerkimgen  erscheinen,  und  auch  den  Plan  (Taf.  IX)  durch 
mehrere  Zusätze  zu  bereichern,  welche  in  punktierten  Linien 
wiedergegeben  sind ;  nur  einige  von  Herrn  Wace  festgestellte 
Türme  sind  schwarz  angelegt  worden  -. 


J  Die  ältere  Tyitteratur :  Leake  Travels  in  Northern  Greece  IV  S.  363,  375; 
Dodwell  A  Classical  and  Topographka.l  Tour  through  Greece  (London  1819)  II 
S.  90;  A.  Mezieres  Memoire  siir  le  Pelion  et  l'Ossa  {Archives  des  Missions.  Paris 
1854)  vS.  4;  Ussing,  Griech.  Reisen  tmd  Studien  {]8S7)  S.  96 ;  Bursian  Geogra- 
phie von  GriecJwnland  (1862)  I  S.  102;  N.  Georgiades  ©eoöaJtia  (Athen  1880) 
vS.185  C^Athen  1894  .S.120  war  mir  nicht  zugänglich);  Tozer  Highlands  of  Tur- 
key  II  S.  1  29  ;  Kent  American  Jottrnal  of  Arch.  1  905  S.  1  66  ;  Baedekers  Grie- 
chenland^ S.  204.  — Kretschmann  Rerum  Magnes.  spec.  (Berlin  1847)  vS.10;  Kuhn 
Entstehung  der  Städte  der  Alten  (Leipzig  1878)  vS.  324;  Pauly-Wissowa  (A.  Phi- 
lippson)  s.v.— Münzen:  Head  hist.  mim.  S.  250;  Catalogiie  of  gr.  coins,  Thessaly 
S.  18.— Inschriften:  Athen.  Mitteil.  1890  vS.  285   (A.   Wilhelm);  vgl.    CVG"  1 590. 

-  Thanks  to  the  generosity  of  Dr.  Fredrich,  and  of  Dr.  Schrader  the 
editor  of  the  Athenische  Mitteilungen.  I  have  been  allowed  to  read  Dr.  Fre- 
drich's    MS    and  to  incorporate  various  additions  and  obsen^ations    of  my 


DEMETRIAS 


223 


Die  Stätte  ist  für  Rauten  in  Volo  allmählich  abg-eräumt 
und  in  den  letzten  Jahren  für  den  Neubau  einer  Kirche  an 
altgeheiligter  Stelle  auf  der  Akropolis  von  Demetrias  leider 
noch  einmal  arg  mit  genommen  worden ;  im  Sommer  1 904 
war  dieser  Zerstörung,  die  eine  völlige  hätte  werden  können, 
von  der  Regierung  schon  Einhalt  getan  worden,  aber  man  sah 
noch  an  verschiedenen  Orten  die  Spuren  des  Raubbaues  ^ 


Abb.  2.    Der  Felsgrat  mit  Blick  auf  die  Ebene  von  Volo. 


Der  Hügel,   den   Demetrios   Poliorketes   mit  trefflichem 
militärischem  Blick  für  seine  Stadt  aussuchte,  hat  seine  höch- 


own.  These  observations  etc.  are  drawn  from  rough  plans  and  notes  made 
during  the  course  of  a  journey  undertaken  this  spring  in  Company  with 
Mr.  A.  W.  van  Buren  of  the  American  School  at  Rome  to  study  the  topo- 
graphy  of  the  Pelion  district  of  Magnesia.  A  paper  on  which  will,  I  hope, 
shortly  be  published  in  the  Journal  of  Hellenic  Studies.  To  enable  my  obser- 
vations to  be  readily  distinguished  I  have  written  them  thronghout  in 
English.  A.  J.  B.  W. 

'  Dringend  zu  wünschen  ist  auch  die  Aufnahme  der  Reste  von  Paga- 
sai,  die  viel  bedeutender,  interessanter  und  bei  der  Nähe  von  Volo  eben- 
falls dauernd  bedroht  sind. 


224 


C.    FREDRICH 


ste  Erhebun«^  im  X  und  XW.  Ein  scharfer  bis  zu  215  m  ho- 
her (Trat  Läuft  dort  von  XO  nach  S\V  und  fällt  zuerst  teil- 
weise senkrecht  dann  in  lano^em  Hantre  zur  Ebene  von 
\'olo  hinunter,  die  nur  weni^r  über  Meereshöhe  lieg-t.  Xach 
der  anderen  Seite  (nach  O  und  vSO)  hat  er  zwei  kleine  fast 
ebene  Flächen  vor  sich,  und  in  der  Mitte  zwischen  ihnen 
auch  hier  steilen  Abfall.  Und  jene  beiden  Flächen  und  die- 
ser Abfall  senken  sich  auf  ein  Plateau,  das  selbst  noch  leise 
o-enei<j-t,    sich    nach    O,  SO,  S   und    SW   dehnt  bis  zu   einem 


Abb.  j.     Blick  vom      \or\verk     nach  U. 


Rande,  unterhalb  dessen  der  Hütrel  mehr  oder  weniger  steil 
zum  Meere  hinunterfällt.  Auf  diesem  Plateau  wurde  die 
Stadt  angeleü-t,  auf  die  grössere  Fläche  im  XO  am  Grat 
die  Akropolis  gesetzt  (Al)b.  5).  Die  Befestigung  hatte  überall 
trefflichen  natürlichen  Schutz,  nur  nach  XO  machte  das  (tC- 
lände  Schwierigkeiten.  Auch  dorthin  senkt  sich  das  Plateau 
und  wird  überragt  von  dem  wieder  ansteigenden  Höhen- 
zuge, durch  den  es  mit  dem  Pelionma.ssiv  zusammenhängt. 
Die   erste    Höhe   dieses  Zuges    (Abb.  4)    musste  also   mit  in 


DEMF.TKIAS  JJ"» 

die  Hefesti.yiiiii^'  <^c/.oi;en  werden;  sie  l)elien'selit  den  ni)rd- 
östlichen  nnd  östlichen  Teil  der  Stadt  nnd  damit  zwei  Tore, 
wie  wir  so,y;leicli  sehen  werden  ;  das  zei^^en  auch  die  Abb.  5 
nnd  3,  die  von  ihr  ans  naeh  W  nnd  O  anfi^enoninien  sind. 
Wahrscheinlich  wnrde  die  H()he  erst  \-on  dem  /iemlich 
o;leichmässij4  hoch  \erlanfenden  '/a\^  künstlich  dnrch  einen 
Einschnitt  abjj;^etrennt  nnd  dann  als  \'orwerk  stark  be- 
festigt. Hier  an  der  einzii^en  vStelle  im  vStadtgebiet,  wo  noch, 
Erde    lieot   nnd    die    SteinoTcäber    besonders    bei    der    Arbeit 


Abb.  4.     Blick  auf  dn^     \'orwerk-. 

g-ewesen  waren,  versagten  denn  anch  meine  einfachen  Mit- 
tel ;  für  eine  genaue  Aufnahme  wäre  eine  kleine  Xachgra- 
bunjj-  erforderlich  '. 


'  Howewer  it  does  not  seeni  probable  that  the  hill  on  whicli  this  l'of- 
urrk  Stands  was  artificially  separated  from  the  higher  hill  to  the  Northeast. 
This  point  is  the  weakest  part  of  the  tnceitite,  and  an  explanation  of  its 
various  peculiarities  is  given  below  (p.  230')  :  the  earth  has  been  produced 
by  the  decomposition  of  the  unbaked  brick  of  which  the  upper  parts  of 
the    Vor'werk  consisted. 


226 


C.    FREDRICH 


Die  Stellen  für  die  Öffnung  des  Mauerringes  waren  im 
Terrain  gegeben  und  entsprachen  aufs  beste  den  Bedürfnis- 
sen der  Bewohner,  indem  sie  sich  in  das  Verhältnis  von  Stadt 
und  umgebender  Landschaft  genau  einfügten. 

Ein  Nordtor  in  der  Senkung  zwischen  Akropolis 
und  Vorwerk  nahm  den  Weg  auf,  der  in  die  reiche  Ebene 
unter  dem  Westhang  des  Pelion,  auf  diesen  heute  mit  Dör- 
fern, im  Altertum  wohl  mehr  mit  Wald  bedeckten  Hang, 
und    nach    Thessalien    hinein    führte ;    man    könnte    es    das 


Abb.   5.     Blick  vom  «Vorwerk»  auf  Nordtor  und  Akropolis. 


Tor  von  lolkos  nennen.  Ein  Nebentor  im  Osten 
(Abb.  3)  Hess  in  die  olivenbedeckte  Ebene  von  Lechonia 
und  die  Halbinsel  Magnesia  gelangen.  Ein  S  ü  d  t  o  r  er- 
kannte Wace  (S.  2291).  Von  einem  Westtor  endlich  lief 
der  Weg  zum  Golf,  um  seinen  innersten  Winkel  und  dann 
gen  Westen  und  Norden. 

Dieses  Westtor,  bei  dem  wir  Demetrias  erreichten  und 
die  genaue  Beschreibung  beginnen  wollen,  ist,  weil  es  Volo 
zugewendet  ist,  besonders  schlecht  erhalten.  Selbst  die  unter- 
ste Steinschicht  liegt  nur  noch  stellenweise;  vielfach  verra- 


DEMETRIAS  227 

teil  nur  noch  die  für  sie  in  den  gewachsenen  Fels  gearbeiteten 
Bettungen  ihren  Lauf.  Auch  sonst  ist  die  Zerstörung  des 
Mauerringes  öfter  soweit  gegangen,  aber  der  ganze  Plan  Hess 
sich  noch  mit  völliger  Sicherheit  herstellen.  Das  Westtor 
stand  am  Südende  eines  84,50  iii  langen,  etwa  von  N.  nach  S. 
herablaufenden  Mauerstücks,  das  das  Plateau  der  Stadt  ge- 
gen den  Vorhügel  abschloss.  Rechter  Hand  für  den  Eintre- 
tenden springt  eine  Mauer  (9,S0  m  lang,  3,1  Um  breit)  in  die 
Stadt  hinein  und  biegt  rechtwinklig  um  (1,50  m  lang  mess- 
bar; 2  m  breit).  Der  Grundriss  war  also  der  beliebte,  den  z.  B. 
das  grosse  Eumenische  Tor  in  Pergamon  in  weiterer  Aus- 
führung zeigt.  An  der  Ecke  vorn  rechts  ist  an  dem  untersten 
noch  i'ji  situ  liegenden  Steine  die  Abarbeitung  für  den  Holz- 
belag des  Tores  erkennbar.  Seine  Breite  aber  und  die  des 
deckenden  Turmes  wäre  nur  nach  der  Abräumung  des  Schut- 
tes und  der  Vegetation  vielleicht  noch  festzustellen.  Der  Turm, 
der,  da  das  Gelände  nach  rechts  fällt,  auf  die  linke  Seite  ge- 
setzt wurde,  springt  3,50  m  vor  und  war  vielleicht  nach  Ana- 
logie des  Turmes  am  Nordtor  —  für  das  Osttor  lagen  beson- 
dere Verhältnisse  vor — etwa  10  m  breit  (davon  3,70  m  mess- 
bar) ;  es  bleiben  also  etwa  4,90  m  für  das  Tor,  da  die  Entfer- 
nung von  der  linken  Ecke  des  Turmes  bis  zur  rechten  des 
Tores  1 4,90  m  beträgt '. 

Der  Lauf  des  Weges  zum  Golf  hinunter  ist  durch  das 
Terrain  gegeben,  durch  Spuren  gesichert  und  auf  dem  Plan 
skizziert :  er  zog  sich  unter  der  Mauer  nach  NW  hin,  schlang 
sich  um  den  Ost-  und  Nordosthang  des  Vorberges  und  muss 
dann  den  Bach,  der  wohl  mit  Recht  dem  Anauros  gleichge- 
setzt wird  und  sich  tief  eingerissen  hat,  auf  einer  Brücke 
überschritten  haben. 


'  So  far,  howewer  as  tbe  plan  of  tbis  west  gate  is  clear  it  seems  to 
resemble  ratber  tbe  lower  Nortbwest  and  tbe  East  gates  of  tbe  wall  of 
Eumenes  II  at  Pergamon  {Athen.  Müt,'il.\902  pp.  41,42;  Fig.  8,9).  Apparcntly 
wbere  tbe  gate  itself  was  set  tbe  wall  was  made  to  bend  in  sbarply  and 
tben  spring  ont  again.  An  enemy  approacbing  tbe  gate  by  tbe  ancient 
roadway  woiild  be  first  exposed  to  tbe  long  tower-defended  stretcb  of 
wall  on  bis  left,  and  tben  before  be  could  reacb  tbe  actual  gate  bis  right 
or  shieldless  side  would  be  exposed  to  tbe  strong  tower  on  tbe  otber  side. 


228  C.    FREDRICH 

Während  die  Mauer  1.  (nördlich)  vom  Westtore  sofort  an- 
steigt, zieht  sie  sich  rechts  ziemlich  horizontal  in  zwei  Knicken 
um  einen  tiefen  Spalt  mit  steilen  Rändern  herum  (48,30  m 
+  47,70  m  +  71,70  m)  1.  Im  letzten  Abschnitt  steht  ein  Turm 
(Br.  6,40  m ;  Vorsprung  2,60  m),  der  von  rechts  her  diese  vStelle 
deckt,  zu  der  der  Angreifer,  ohne  immer  gesehen  zu  werden, 
heraufklimmen  konnte.  Diese  Lage  ist  typisch  für  die  Türme 
der  Südwest-,  Süd-  und  Südostfront  Die  Stärke  der  Mauer 
betrug  hier  und  sonst  an  den  verschiedensten  Stellen  —  mit 
Ausnahme  der  S.  230  und  S.  232  genannten  —  2,50  m.  40  m 
jenseits  des  Turmes  biegt  die  Mauer  scharf  nach  ONO  um, 
enthält  nach  97,15  m  einen  Turm  (Br.  5,90  m;  Vorsprung 
2,40  m)  und  hatte  dann  (260  m),  trotzdem  sie  sich  leise  senkt, 
treffliche  natürliche  Deckung,  so  dass  nur  noch  ein  Turm 
(Br.  6,10  m;  Vorsprung  2,40  m)  für  nötig  gehalten  wurde.  Die 
Richtung  ändert  sich  fast  zu  NO;  Steigung;  nach  53,50  m 
Turm  (Br.  6,10m;  Vorsprung  2,40m)  hinter  einem  Risse; 
starke  Senkung  mit  steilem  Vorgelände  (240  m).  Auf  dieser 
Strecke  standen  noch  zwei  Türme  (Br.  6,10  m,  Vorsprung 
1,80  m,  und  6,10  m  zu  2,40  m)-.  Die  Südostecke  wird  von 
einem  Turm  (Br.  6,15  m;  Vorsprung  2,50  m)  gebildet,  wie  es 
z.  B.  auch  in  Priene  vorkommt.  Die  Mauer  zieht  sich  nach 
N  (93,30  m)  und  ist  nahe  dem  Knick  über  einem  tiefen  Risse 


'  Between  the  West  gate  and  this  gully  the  original  course  of  the  wall 
seemä  to  have  been  different.  It  seems,  to  judge  by  obvious  traces  further 
down  the  slope  outside  the  city,  to  have  run  almost  due  Southeast  froni 
the  West  gate  and  then  on  reaching  the  gully  to  have  turned  sharply  to  the 
Northeast  up  its  right  bank  (v.  plan  DDD).  As  this  original  wall  was  pro- 
bably  destroyed  by  the  inhabitants  themselves  to  reduce  the  length  of  the 
enceinte  or  by  the  Romans  after  Pydna  (S.  242),  its  scanty  remains  render 
accurate  measurements  ver}'  difficult. 

^  About  100  metres  down  the  hill  outside  the  city  are  again  reniains 
of  the  original  wall :  very  little  of  it  remains  and  only  its  conjectural  course 
can  be  indicated  (v.  plan  CCCC).  It  was  probably  destroyed  for  the  same 
reasons  as  the  piece  by  the  West  gate.  Then  when  the  existing  wall  was 
built  it  was  particularly  strongly  guarded  by  towers.  Probably  the  stones  of 
the  old  wall  were  used  to  build  the  existing  wall,  and  this  would  account 
for  the  few  existing  remains. 


DEMETRIAS 


229 


besser  erhalten  (Abb.  6).  Etwa  .M)  vSchritt  unter  ilir  öffnet 
sich  auf  der  Südostseite  des  Risses  unter  einem  vortreten- 
den Felsen  eine  Höhle,  in  der  ich  antike  Spuren  nicht 
entdecken  konnte  '.  47  ni  nach  NNO  schützt  ein  Turm 
(Br.  6,30  m;  Vorsprung  2,50  m)  die  gefährliche  Stelle  (Abb.  8); 
vielleicht  befand  sich  1 0,80  m  rückwärts  (südsüdwestlich)  von 
ihm  eine  1,20  m  breite  Pforte.  Die  nächsten  223,20  m  ver- 
laufen ziemlich  horizontal  und  sind  teilweise   völlig-  zerstört. 


Abb.  b.     Mauerprobe  (nahe   dem   Südtor). 


Nicht  weit   von  der  Ecke  stand  noch   ein   Turm  (Br.  9,3()m; 
Vorsprung  4,50  m). 


*  Just  above  this  point  on  the  right  bank  of  the  small  ravine  is  the 
Southgate.  So  far  as  its  plan  is  clear,  it  seems  to  have  consisted  of  a  court 
(cf.  the  great  Southgate  at  Pergamum  [Athen.  Mitteil.  1902,  p.  11]  and  the 
Dipylon  gate  at  Athens)  guarded  by  towers  placed  at  a  setback  in  the 
wall.  Inside  the  gate  in  the  ravine  are  traces  of  zigzags  by  which  the  road 
frotn  the  North  gate  descended  to  this  gate.  This  gate  gave  access  not  only 
to  the  Magnesian  peninsula  but  probably  also  to  a  landing  place  and  .small 
harbour  (S.  241 '). 


230  C.    FREDRICH 

Ein  reichlich  1  0  m  senkrecht  abfallendes  Felsriff  (Abb.  ?>) 
wurde  sehr  geschickt  zur  Deckung  des  unter  ihm  angelegten 
Osttores  und  des  in  die  Ebene  von  Lechonia  führenden 
Weges  benutzt.  Der  Turm  auf  dem  Riff  (etwa  7,70  m  X  6  m)  war 
von  der  Mauer  aus  erreichbar,  die  von  der  Ecke  nach  NNW 
steil  zum  Tore  hinunterfällt  (19,50  m)  und  auf  3,10  m  ver- 
stärkt ist.  Der  Weg  bog  hier  durch  ein  auf  der  linken  (süd- 
lichen) Seite  rechtwinklig  ausspringendes  Mauerstück  (3,60  m 
-h2,10  m)  in  die  Stadt  ein  und  war  auch  von  rechtsher  durch 
die  wieder  ansteigende  Mauer  geschützt. 

Nach  innen  ist  der  Weg  nur  ein  Stückchen  weit  zu  ver- 
folgen, nach  aussen  senkt  er  sich  zuerst  geradeaus,  dann  in 
Windungen  unter  dem  Turm  hin  (Abb.  3)  ziemlich  steil  zur 
Ebene  und  war  natürlich  nur  für  Menschen  und  Maultiere 
brauchbar,  wenn  er  auch  2,30  m  breit  ist.  Das  trefflich  erhal- 
tene Pflaster  ist  nicht  alt.  An  den  Seiten  liegen  grössere,  in 
der  Mitte  kleinere  Steine.  Starke  Abnutzung  spricht  für  lan- 
gen Gebrauch;  vielfach  sind  Rillen  in  die  Steine  gegraben, 
um  den  Hufen  Halt  zu  gewähren. 

Die  Mauer  läuft  zum  «Vorwerk  (auf  dem  Plan  B)  hinauf 
(65,50  m),  dicht  unterhalb  seiner  höchsten  Erhebung  hin,  auf 
die  sich  ein  um  1,50  m  nach  innen  springender  Tortum 
(Br.  5,80)  öffnete,  nach  WNW  (1  7,70  m)  und  senkt  sich  nach 
W  (62,70  m)  und  SW  (50  m)  zum  Nordtore  '. 


'  The  existence  of  this  East  gate  seenis  exceedingly  doubtful,  although 
Kent  (American  Journal  of  Arch.  loc.  ci't.j  also  believes  it.  The  zigzag  roadwa)- 
within  and  withoiit  with  its  pavement  is  clearly  modern  dating  from  the 
Turkish  period  :  it  is  built  with  blocks  from  the  walls.  There  may  howewer 
have  been  a  small  postern  at  this  point.  The  roadway  oiitside  the  gate  is  at 
one  point  clearly  supported  by  an  antique  wall.  This  liowever  is  the  remains 
of  the  original  outer  wall  (v.  plan  AAAAA)  and  botli  continnes  further  north 
and  also  joined  to  the  outer  wall  visible  by  the  tower  at  the  corner.  This 
outer  wall  ran  North  to  the  hill  northeast  of  the  Vor-M'rk  hill  which  is  the 
lower  of  the  two:  it  included  this  outlying  hill  and  then  ran  vSouthwest  back 
to  the  north  gate  wliere  it  joined  the  outer  wall  noticed  there  (v.  p.  231). 
The  Vorzverk  is  clearly  late:  the  construction  of  its  upper  part  with  unbaked 
brick  (p.  225')  recalls  the  acropolis  wall  of  Pagasae  which  dates  from  the 
Roman  period  :  the  stone  courses  too  are  more  regulär  than  the  rest  of  the 
walls.  Probably  the  outer  wall  and  the  existing  inner  wall  enclosed  these 
two  hüls  as  a  kind  of  subsidiary  acropolis.  This  view  is  supported  by  the 


DEMETRIAS  231 

Das  Vorwerk  scheint  aus  zwei  Rechtecken  bestanden  zu 
haben,  deren  inneres  so  breit  wie  das  höchste  Mauerstück 
(23,50  m)  und  14,40  m  tiefer  war.  In  ihm  ragte  ein  kleiner 
Turm  auf,  wie  der  Turm  des  Astyages  in  der  Westecke  der 
Befestigung  von  Ephesos ;  seine  Ostecke  ist  von  der  Mauer- 
ecke 2,20  m  entfernt.  Ebensowenig  wie  dieses  Vorwerk  konnte 
ich  einen  Mauerzug  aufklären,  der  zwischen  ihm  und  dem 
Nordtor  der  Mauer  vorgelegt  ist  und  am  Tore  nur  wenig,  an 
seinem  letzten  erkennbaren  Stück  beträchtlich  tiefer  als  die 
Hauptmauer  liegt.  6  m  vor  dem  Tore  springt  diese  Vormauer 
um  2,30  m  aus — das  war  also  ihre  Breite  gewesen — und  zieht 
nach  NO.  Bei  der  ersten  Ecke  der  Hauptmauer  steht  ihre 
Aussenkante  von  der  Aussenkante  der  Hauptmauer  erst  3,20  m 
ab,  sodass  0,90  m  Zwischenraum  bleibt,  der  geneigt  ist.  Dann 
vergrössert  er  sich  rasch  und  beträgt  am  letzten  messbaren 
Punkte  schon  21,20  m  (23,50  m  — 2,30  m  Mauerstärke).  Jeden- 
falls endete  der  Mauerzug  am  Vorwerk  und  stellt  sich  als  eine 
wahrscheinlich  spätere  Verstärkung  dieser  schwächsten  Stelle 
dar,  denn  der  Hang  ist  hier  leicht  geneigt  und  kurz  (Abb.  4). 
In  gleicher  Weise  wurde  z.  B.  die  Befestigung  von  Aigai  in 
guter  pergamenischer  Zeit  an  einer  Stelle  verstärkt. 

Die  Breite  des  Nordtores  ist  nicht  genau  anzugeben; 
von  einer  Mauerspur  zur  anderen  mass  ich  5,60  m.  Ein  mäch- 
tiger Turm  (Br.  10,10  m;  Vorsprung  6,70m)  deckte  hier  in 
normaler  Weise  von  rechts  her  den  Eingang  des  bequem- 
sten, vielleicht  fahrbaren  Weges  (Abb.  4)  i. 


fact  tliat  the  one  tower  on  the  inner  wall  faces  inwards,  and  that  this  is  the 
weakest  part  of  the  enceinte.  Later  the  outer  wall  was  destroyed  for  the  same 
reasons  as  the  sections  on  the  west  and  south  (v.  p.  228 ',  -)  and  then  the 
Vorwerk  was  built  to  defend  this  much  weakened  point.  Perhaps  however 
the  outer  wall  is  an  earlier  wall,  and  the  inner  a  later  wall,  and  that  there 
was  no  second  Acropolis  here. 

*  The  North  gate  also  like  the  South  gate  seems  to  have  been  built 
on  the  court  System.  But  it  has  been  so  destroyed  by  the  modern  road  that 
it  is  impossible  to  decide  its  plan  without  excavation.  This  modern  road 
was,  tili  the  buikling  of  the  carriage  road  round  the  hill  against  the  sea, 
the  main  road  from  Volo  to  Lechonia  and  descended  the  hill  at  the  <  East 
gate».  A  Short  cut  now  curves  round  between  the  Vorwerk  hill  and  the 
outlying  hill. 


232 


C.    FREDRICH 


Abb.  5  zeigt,  wie  die  Mauer  nach  W  (120  iii ;  Turm  von 
5,80  m  Br.  und  1 ,80 ;  Vorsprung)  und  WSW  (80  m)  steil  zur 
Akropolis  hinaufsteigt.  Ein  besser  erhaltenes  Stück  mit  den 
Felsen,  au.s  denen  das  Baumaterial  gebrochen  wurde,  gibt 
Abb.  7  wieder. 

Die  Akropolis.  Ein  9,10m  breiter  und  10,70m  tiefer 
Turm  bildete  die  Nordostecke  der  Burg  und  ragte  hoch  über 
die  Stadtmauer  empor.  Die  natürliche  Festigkeit  der  Höhe 
ist  ringsherum  so  gross,   dass   nur   auf   der  Aussenseite  drei 


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Ablj.    7.      IVIauerprobe  (in  der  Nähe  des  X(jrdtores). 

Türme  für  nötig  gehalten  wurden :  der  erste  46  m  westnord- 
westlich (Br.  6,10  m;  Vorsprung  2,50  m),  der  zweite  21,80  m 
weiter  nach  WSW  (Br.  7,20  m;  Vorsprung  3,50  m),  der  dritte 
über  steilerem  Hange  54,10  m  nach  SW  (Br.  4,20  ni ;  Vor- 
sprung 2,90  m)  ^  Das  kleine  Plateau  wird  ganz  schmal,  so 
dass  Aussenmauer  (77,1  0  m  +  26,40  m)  und  Innenmauer,  die 
schon  tiefer  liegt,  nur  eine  3,90  m  breite  Fläche  zwischen  sich 


'  These    three    towers,    as    shown    by    the  mortar  in  their  foundations, 
were  restored  in  Byzantine  times,  perhaps  by  Justinian  (p.  242). 


m-.NrKTRiAS  233 

haben,  obwohl  sie  etwns  schwächer  als  sonst  sind  (_\2()  in). 
Das  äiisserste  vSüdwestende  ist  nur  wenit^c  Meter  l)reit  und 
trägt  die  auch  \on  Leake  notierten  Reste  eines  aus  kleinen 
Steinen  bebauten  Rundturnies  aus  dem  Mittelalter  '.  Aber 
darunter  lieoen  die  h^undaniente  eines  \ierecki<»-en  antiken 
Turmes,  von  dem  aus  das  foloende  anstei tuende  vStück  der 
\hiuer  bequem  zu  überschauen  war.  Die  lunenmauer  der  Hur<j;^ 
verläuft  in  mehreren  _^raden  Linien  Nom  Xordostturm  :  nach 
W  (25,40  m),  WvSW  (7-S,h(im),  W  (41„S()m)  und  vSvSW  (77,4()m). 
Das  Burgtor  ist  nicht  mehr  zu  erkennen,  aber  mit  Sicherlieit 
im  Terrain  zu  bestimmen ;  im  vSW  zieht  sich  auch  der  mo- 
derne Pfad  hinunter.  Die  Erbauer  der  neuen  Kirche  der 
Panagia  und  des  anschliessenden  grossen  (iebäudes  (Abb.  5) 
haben  da  oben  gehörig  aufgeräumt  und  von  Innenbauten 
nur  die  unter  der  Erde  gelegenen  übrig  gelassen.  Es  sind  5 
Wasserbehälter:  -  eine  grosse  7  m  im  Quadrat  messende  und 
über  6  m  tiefe  Cisterne  und  zwei  mit  ihr  im  Zusammenhang 
stehende,  im  Juli  noch  mit  Wasser  gefüllte  flaschenförmige 
Behälter  westlich  \on  ihr;  und  in  dem  nach  SW  ausge- 
streckten Arme  noch  zwei  birnenförmige  Behälter,  die  im 
Abstände  \"on  (>  m  dicht  imter  der  nördlichen  Burgmauer  in 
das  ( Testein  geschnitten  und  innen  mit  Mörtel  bekleidet  sind. 
Auf  der  Öffnung,  deren  Durclimesser  1  m  beträgt,  lag  einst 
ein  marmorner  (?)  Rand;  die  Einarbeitung  für  ihn  ist  erhal- 
ten; Wasser  fand  ich  nicht.  Der  Boden  der  Akropolis  senkt 
.sich  in  mehreren  Absätzen  \on  N  nach  S  und  SW ;  von  Ter- 
ras.sierung  ist  nichts  zu  sehen.  Die  einzige  Fläche,  die  für 
ein  grösseres  Bauwerk  in  P'rage  kommt,  ist  die  Gegend  west- 
lich und  nördlich  von  der  Cisterne.  Dort  fand  Dodwell  "^  zu 
Beginn  des  vorigen  Jahrhunderts  denn  auch  zwischen  den 
beiden  Wasserbehältern  eine  zerstörte  Kapelle  der  Panagia 
und  ein  antikes  Fundament  von  etwa  1  4  m   Länge  und  1 0  m 

'    Leake  a.  a.  O.   S.  37b.   Meziere.s  a.  a.  O.  S.  7. 

-  Flüchtiger  Erwähnung  tun  dieser  Behälter  und  des  Volksglaubens, 
in  der  Cisterne  stiege  am  Freitag  nach  Ostern  das  Wa.sser,  Leake  <■/.  </.  O. 
S.  37b;  Ussing  a.  a.  O.  S.  9b  (mit  unrichtigen  Maassen)  ;  Mezieres  a.  u.  O. 
S.  5  f.  ;  Georgiades  a.  a.  O.   S.  187. 

'  Dodwell  ff.  «.  O.  S.  91.   Mezieres  ff.  ff.  O.  8.5.  Georgiades  i/.  </.().  S.  187. 


234  C.   FREDRICH 

Breite  (46  Fuss  8  Zoll  und  33  Fuss  5  Zoll),  das  von  ihm  für 
die  Cella  eines  Tempels  erklärt  wird.  Heute  ist  nichts  mehr 
davon  zu  sehen ;  die  Stelle  und  die  beiden  Behälter  liegen 
innerhalb  des  unvollendeten  Neubaues  der  Kirche. 

Jenseits  der  Burg  folgt  die  wildeste  Partie  (146  m  nach 
SSW)  der  Enceinte.  Der  Grat  wird  ganz  schmal  und  fällt 
nach  beiden  Seiten  so  steil  ab,  dass  man  nur  an  der  Innen- 
seite mühsam  entlangklettern  kann.  Und  doch  scheint  mir 
die  Mauer  auch  an  den  sichersten  Stellen  nicht  gefehlt  zu 
haben  ',  wie  z.  B.  in  Priene  und  Ephesos ;  immer  wieder  fin- 
den sich  die  Einarbeitungen  für  die  jetzt  abgestürzten  Stein- 
lagen ;  der  senkrechte  Abfall  darunter  ist  ja  auch  nur  kurz. 
66  m  von  der  Ecke  der  Burg  ist  der  Grat  gespalten ;  die 
Öffnung  (3  m)  war  einst  durch  eine  Mauer  geschlossen,  von 
der  Reste  noch  darin  stecken.  Die  Befestigung  steigt  (77  m) 
zum  höchsten  Punkte  (215  m)  empor-  und  senkt  sich  von 
dort  an  allmählicher  oder  schneller  zum  Westtore.  Auf  der 
Abb.  2,  die  von  dem  grossen  Turme  weiterhin  aufgenom- 
men wurde,  ist  daher  von  der  Akropolis  nichts  zu  sehen. 
Das  Stück  der  Mauer,  das  man  auf  dieser  Abb.  2  über- 
blickt, verläuft  im  Ganzen  nach  WSW  und  enthält  nach 
80  m  auf  einem  kleinen  Fels  vorsprunge  einen  Turm  (Br. 
6,45  m;  Vorsprung  2  m).  60,50  m  weiter  ragte  an  einer  Stelle, 
wo  der  Abfall  weniger  steil  ist  und  die  stark  ansteigende 
Mauer  etwa  die  Höhe  gewonnen  hat,  jener  mächtigste  Turm 
der  Festung  (Br.  12  m,  Tiefe  14,40  m  und  18  m).  In  sei- 
nem Schutze  öffnete  sich  in  der  Entfernung  von  20,40  m 
eine  1,10  m  breite  Pforte  in  dem  nach  SSW  gerichteten 
nächsten  Abschnitt  (49,70  m;  Turm  von  6,10  m  Br.  und 
2,10  m  Vorsprung).  Der  folgende  (140  m)  gehört  in  seinen 
letzten  40  m  zu  den  besterhaltenen  Partien  und  enthielt 
nach  etwa  60  m  noch  einen  Turm  (Br.  6,10  m;  Vorsprung 
2,70  m).   Hoch   über  jähem    Hang    ragte    die    Westecke   mit 


'  Anders  Dodwell  a.a.O.  91;  Mezieres  a.a.O.  S.  6;  Georgiades  f/.  ff.  O. 
S.   187. 

-  About  the  middle  of  this  section  de.scending  from  the  Akropolis  are 
cuttings  in  the  rock  which  seem  to  indicate  the"  existence  of  a  tower. 


DEMETRIAS 


235 


einem  Turm;  '  dann  lassen  sich  die  o^erin<^cn  Reste  <^en  SSO 
zum  Westtore  verfolg-en  (69,60  m). 

Der  Plan  der  Festung  und  die  Bauart  machen  bis  auf 
wenige  Stellen  einen  durchaus  einheitliclien  Eindruck.  Es 
ist  im  Ganzen  das  Werk  des  Demetrios  Poliorketes,  dessen 
Reste  beschrieben  werden.  Die  Struktur  der  Befestigung  ist 
die  übliche :  zwei  Schalen  von  ohne  Mörteln  und  Klammern 
gefügten  Quadern,  die  aus  dem  krystallinischen  Kalk  des 
Hügels  geschnitten  wurden,  und  ein  Füllwerk  von  kleineren 


Abb.   8.     Mauerprobe  nach  Photographie  von  A.  J.   B.  Wace. 


und  grösseren  Bruchstücken  und  Erde.  Die  Quadern  sind 
nirgends  überraschend  g-ross;  die  Höchstmaasse  sind  wohl: 
Br.  1,50  m,  H.  1  m,  T.  0,50  m  und  Br.  2,20  m,  H.  0,86  m,  T.  1  m ; 
auf  der  Innenseite  bleiben  sie  im  Allgemeinen  weiter  dahin- 
ter zurück.  Die  vertikalen  Fugen  verlaufen  vielfach  schräg 
(Abb.  6) ;  ein  Stein  greift  in  den  anderen ;  dreieckige  Einsatz- 
stücke finden  sich  nicht  selten  (Abb.  8  nach  Photographie  von 


'  The   Corner  is   defended  by   a   tower   measuring   4,50  X  -^.SO  m.    and 
projecting  1,60  m.  from  west  wall  and  2,40  from  north  wall. 


236  C.    FREDRICH 

A.  J.  B.  Wace);  einmal  beobachtete  ich  (zwischen  Nordtor  und 
Burg-,  Abb.  7)  eine  echt  polygonale  Fügung:  |  )  ^j^^^-^  \ 
Man  darf  hierbei  nicht  vergessen,  dass  nur  die  unterste  oder 
die  beiden  untersten  Schichten  noch  ///  s/V?/  liegen  und  dass 
diese  natürlich  besonders  dem  Terrain  angepasst  werden 
mussten;  daher  waren  sie  später  auch  weniger  gut  zu  ge- 
brauchen und  sind  zurückgelassen  worden.  So  macht  das  Er- 
haltene einen  garnicht  viel  jüngeren  Eindruck  als  die  Mauer 
von  Priene,  aber  doch  einen  sehr  viel  jüngeren  als  der  Stein- 
sockel von  Mantineia.  Die  Auflager  sind  sorgfältig  herge- 
richtet; die  Aussenseiten  natürlich  flüchtig  behandelt.  Ein 
Wechsel  von  Läufern  und  Bindern  ist  in  diesen  Schichten 
nicht  nachzuweisen;  manchmal  greift  ein  Stein  tiefer  ein '• 
Die  Breite  des  Mauergürtels  übertrifft  die  von  Magnesia  a.M. 
(2,30  m),  Messene  (2,35  m),  Priene  (2  m),  gleicht  der  von  Neu- 
lasos  (2,50  m)  und  der  Unterstadt  von  Troja  (2,50  m)  und 
bleibt  hinter  der  von  Ephesos  (3  m  im  Durchschnitt)  ein  we- 
nig, hinter  der  des  Sockels  von  Mantineia  (4,20  m  —  4,70  m) 
natürlich  weit  zurück.  Die  natürliche  Festigkeit  ist  so  bedeu- 
tend, dass  man  jener  sägeartigen  Vorsprünge  und  zahlreicher 
Türme  entbehren  konnte;  wo  aber  ein  Turm  nötig  war,  da 
steht  er  auch.  Sie  sind  wie  die  Mauer  immer  auf  den  Fels 
fundamentiert,  mit  der  Mauer  gewöhnlich  nicht  verbunden  -, 
springen  in  der  Regel  etwa  um  die  Mauerbreite  vor  und  mes- 
sen zwischen  5,80  m  und  6,45  m  an  Breite  ■^.  Besondere  Wich- 
tigkeit oder  die  Terrainbildung  führte  zu  grösseren  oder 
auch  kleineren  Dimensionen.  Die  Weite  der  Tore  ist  nicht 
genau  zu  bestimmen;  das  Osttor  entspricht  (2,30  m)  dem 
Nebentore  in  Priene  (2,40  m).  Technisch  enthält  das  Werk 
des  Demetrios  Poliorketes  nichts  Aussergewöhnliches,  weil 
die  q)iJoi5  die  xexvn]  entbehrlich  machte;   von  Interesse  könnte 


'  Now  and  again  internal  binding  conrses  are  laid  to  unite  the  two 
faces  of  the  wall. 

-  Vgl.  Wiegand-Schrader /"/vf-w  S.  41. 

•'  Das  benutzte  Längenniaass  scheint  das  makedonische  zu  sein  (1  Fuss 
=  275  mm).  Die  Mauer  misst  so  in  den  drei  Abstufungen  S  Fuss  (2,20  m 
vS.  232),  9  Fuss  (2,50  m  S.  228),  1  I  Fuss  (3,10  m  S.  230).  —  Diese  Breite  der 
Türme  scheint  beliebt  gewesen  zu  sein:   Mantineia  ().50  m,   Messene  6-7  m. 


DEMETRIAS  237 

ein  Vergleich  mit  der  Mauer  des  fast  genau  gl  eich  alterigen 
Ephesos  des  Lysimachos  sein,  aber  mir  fehlt  es  hier  völlig 
an  Material  dafür. 

Der  Gürtel,  der  die  Stadt  umschliesst,  ist  (die  Turmvor- 
sprünge nicht  eingerechnet)  rund  2480  m  lang;  davon  entfal- 
len rund  81  m  auf  die  Türme  und  rund  145  m  auf  die  Tore. 
Die  innere  und  äussere  Burgmauer  zusanmien  messen  rund 
493  m.  Die  Akropolis  bleibt  nach  Umfang  und  noch  um  vie- 
les mehr  an  Inhalt  hinter  der  Burg  von  Athen  z.  B.  und  dem 
Troja  der  VI.  Schicht  (Umfang  rund  540  m)  zurück.  Sie  ist 
als  letzter  Zufluchtsort  der  Besatzung  gedacht,  und  daher 
ist  reichlich  für  Wasserbehälter  gesorgt.  Ein  Heiligtum  wird 
an  der  von  Dodwell  (s.  obe7i  S.  233)  bezeichneten  Stelle  ge- 
standen haben  ;  die  Panagia  hat  dort  eine  andere  Gott- 
heit verdrängt,  aber  Artemis,  deren  Kopf  die  Münzen  aus 
der  Zeit  der  Gründung  tragen,  ist  es  nicht  (s.  unten  S.  238). 
Auch  den  Königspalast,  in  dem  besonders  Philipp  V.  häu- 
figer weilte,  wird  man  sich  dort  auf  stolzer,  sicherer  Höhe 
denken  ^ 

Die  Stadt  steht  an  Umfang  den  Gründungen  des  Epa- 
meinondas  weit  nach;  an  Flächeninhalt  auch  Städten  wie  Pom- 
peji (Umfang  3  km)  und  Nikaia  (Umfang  2839  m).  Neu-Iasos 
gleicht  ihr  an  Umfang  und  Form  (2400  m)  und  wahrschein- 
lith  auch  an  Inhalt,  während  in  Priene  bei  gleichem  Um- 
fange (2  Y2  km)  sehr  viel  weniger  bewohnbarer  Raum  vor- 
handen war.  Man  darf  also  für  Demetrias  auf  eine  höhere  Be- 
wohnerzahl als  dort  (etwa  4000)  schliessen  '-.  Das  Strassennetz 
wird  natürlich  ebenso  orientiert  und  ähnlich  regelmässig  ge- 
wesen sein  wie  das  von  Priene.  Eine  Ost-Weststrasse  wird 
rechtwinklig  von  den  Nord -Südstrassen  geschnitten  worden 
sein.    Reste  solcher    Nord -Südstrassen   wollen   frühere    Rei- 


'  Strabon  VIII  436,15:  ßaöi^eiov  ^texQi  nokXQV  TOig  ßaoiXeÜGi  twv  Maxe- 
86v(ji)V.  Livius  35,  31,  9:  ibi  enim  non  praesidium  modo  Macedonuni  ftcisse,  sed 
regiani  exaedificatam,  7it  praesens  seinper  in  ocuUs  habendns  essel  domimis. 

'■'  Perhaps  the  destroyed  outer  walls  on  the  west,  south  and  east  indi- 
cate  a  reduction  of  the  enceinte  for  convenience  of  defence,  and  from  lack 
of  Population.  In  this  the  inhabitants  wäre  wiser  than  those  of  Messene 
and  Megalopolis. 

ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX  1  6 


238  C.    FREDRI-CH 

sende  gesehen  haben  \  und  zweifellos  würde  eine  genaue  Auf- 
nahme und  sorgfältiges  Studium  der  noch  immer  zahlreichen 
niedrigen  Mauerreste  innerhalb  der  Enceinte  und  der  Fels- 
bearbeitungen und  Felsglättungen  das  Strassennetz  mit  mehr 
oder  w^eniger  Sicherheit  wieder  erstehen  lassen.  An  der  Linie 
jener  Hauptstrasse  glaubt  man  etwa  in  der  Mitte  der  Stadt 
einen  grösseren  Platz  zu  erkennen;  vielleicht  ist  es  die  Ago- 
ra '-,  an  der  z.  B.  das  Heiligtum  der  Artemis  sich  erhob,  auf  der 
einst  die  Steine  mit  den  Beschlüssen  des  Bundes  der  Magne- 
ten (s.  2inte7i  S.  342)  standen  •^;  über  diese  Stelle  zog  Diokles 
im  Jahre  192  mit  seinen  Reitern,  als  er  die  Festung  den  Aito- 
lern  in  die  Hände  spielte  (Liv.  XXXV,  34):  ihi  tina  ex  tur- 
)ins  ad  portani  relicta,  ur  rxcliidi  subseqiiens  equitahcs  possct, 
media  urbe  ac  per  fonii/i  niatni  Eii^ylocJittm  tcnens  nniltis  occur- 
rentibtis  gratulantibusqiw  doiiiitin  deduxit.  rnox  equitum  plena 
urbs  erat,  et  loca  opportioia  occupnbantiir.  fitni  in  domos  inissi 
qiii  principes  adversae  factionis  interfieereut.  Ita  Deineti'ias 
Aetoloru in  facta  est.  Wenn  ein  Theater  vorhanden  war,  muss 
es  an  dem  Abfall  unterhalb  der  Burg  oder  wahrscheinlicher 
weiter  westlich  gelegen  haben.  Ein  Gebäude  ist  in  de-^  Ost- 
ecke zwischen  der  Strasse  und  der  Mauer  zu  erkennen  (1 U  m 
X  7,30  m);  andere  Mauerzüge  weisen  auf  recht  stattliche  Bau- 
werke. Reste  einer  Wasserleitung,  die  nicht  gefehlt  haben 
kann  und  am  Pelion  ihren  Ursprung  hatte,  wollen  Leake  und 
nach  ihm  Andere  gresehen  haben  ^.    Heute  rasft  in  dem  ofan- 


'  Leake  {a.n.  O.  S.  37b)  will  den  Abstand  zweier  vStrassen  mit  15  engl. 
Fuss  gemessen  haben,  das  ergibt  eine  sowenig  tiefe  Insula,  dass  ein  Irrtum 
oder  eine  Besonderheit  vorliegt.  Von  2  Nord-Südstrassen  sprechen:  Mezieres 
a.a.O.  S.  6  und  Georgiades  a.a.O.  S.  187. — The  line  of  a  street  running  from 
the  North  to  the  South  gate  is  clearly  visible.  It  is  cut  at  right  angles  a 
little  north  of  the  South  gate  l)y  the  main  street  from  the  West  gate.  On  each 
side  of  this  street  towards  the  West  gate  remains  of  houses  are  plentiful. 

*  Inscriptions  also  mention  a  sacred  agora  {Athen.  Mitteil,  1882  S.  75). 

■'  Die  Lage  der  Heiligtümer  der  übrigen  nach  den  Inschriften  in  Deme- 
trias  verehrten  Gottheiten,  z.  B.  des  Sarapis,  lässt  sich  nicht  angeben. 

^  Leake  a.a.O.  S.  376;  Mezieres  a.a.O.  S.  6;  Georgiades  a.a.O.  S.187. — 
The  aqueduct  still  exists  on  the  north  side  of  the  Space  which  is  probably 
the  Agora  and  where  the  rock  has  been  cut  away.  The  aqueduct  is  a  rock- 
cut  Channel  locally  known  as  the  Lagnini  and  supposed  to  be  connected  as 


DEMETRIAS 


239 


zen  mit  Steinen  übersäten  und  mit  niedrigen  Phrygana  be- 
deckten Stadtgebiet  nur  der  auf  Abb.  2  sichtbare  Baum  auf. 
In  der  Südostecke  aber  erkennt  man  noch  moderne  Geschütz- 
stcände.  Aus  welcher  Zeit  sie  stammen,  weiss  ich  nicht  i;  aber 
sie  sprechen  eine  deutliche  Sprache  und  weisen  uns  noch  ein- 
mal auf  die  Bedeutung  und  die  Geschichte  der  Stcätte. 

Als  im  Jahre  1 69  die  Römer  und  Eumenes  einen  Angriff 


Abb.   9.     Die  Wasserleitung  nach  Photographie 
von   A.  J.  B.  Wace. 


auf  Demetrias  beabsichtigten,  da,  so  erzählt  Livius  (XLIV  1 3) 
circumvecti  tarnen  moenia  sunt  praetor  et  rex,  situm  urbis 
contemplantes,    si   qua  parte    tcmptare   ant   opere  aut  vi  pos- 


Leake  says  with  a  cave  by  the  sea.  It  was  cut  in  the  rock  and  then  roofed 
over  with  big  Hmestone  slabs.  The  Channel  is  about  .65  m.  wide  and  at 
least  1.30  m.  deep  :  it  runs  in  a  general  direction  from  Northwest  to  South- 
east  (Abb.  9). 

^  This  battery  dates  froni  the  Greco-Tnrkish  troubles  of  1 886. 


240  C.    FREDRICH 

sriit.  Die  Recoo-noscieruno^  scheint  weni«^  ermutigend  ausge- 
fallen zu  sein;  jedenfalls  kam  es  weder  zu  einem  Sturm,  der 
bei  einiger  Wachsamkeit  der  Besatzung  [rrplrfa  ]iioruia  ar- 
iiiatis  Liv.  XLIV  12)  hier  kaum  je  li^rfolg  versprach,  noch  zu 
einer  I^)elagerung,  bei  der  man  wohl  nur  gegen  das  Nordtor 
hätte  vorgehen  können.  Demetrias  ist  in  der  Tat  im  Alter- 
tume  nie  erstürmt,  ja  nie  ernstlich  belagert  worden.  Es  lag 
eben  so,  dass  es  selbst  schwer  anzugreifen  war  und  dass  ihm 
auch  die  natürliclien  Hilfsquellen  schwer  abzuschneiden  wa- 
ren;  die  Ceruierungstruppen,  deren  Bewegungen  man  von 
der  Stadt  aus  übersah,  mussten  immer  eines  Überfalls  gewär- 
tig sein  '  und  konnten  ihre  Linien  \  on  der  Ebene  von  Volo 
zur  Ebene  von  Lechonia  zu  Lande  nur  dann  hinüberziehen, 
wenn  das  (tcbirge  in  ihrer  Hand  war;  von  dort  aus  warf  sich 
denn  auch  im  Jalirc  169  Euphranor  mit  frischen  Truppen  in 
die  vStadt.  Sie  war  wirklich  7'aliiic(  rf  dd  iiiociiia  opporfmia 
(Liv.  XXXIX  2,^);  wie  ein  Adler  aus  seinem  Horst,  so  konnte 
der  Herr  der  vStadt  über  den  Golf,  der  sich  von  hier  aus  als 
ein  weiter  See  darstellt,  über  den  besten  Hafen  dieses  Golfes, 
über  die  fruchtbaren  Ebenen  und  den  Hang  des  Gebirges 
spähen  und  tun  und  geschehen  lassen,  was  er  wollte  -.  Deme- 
trias sollte  in  erster  Linie  Festung  sein:  ein  Hafen  war 
nicht  in  den  Mauerring  gezogen,  und  ein  guter  Ankerplatz 
in  der  Nähe  auch  nicht  vorhanden.  Und  doch  machte  Phi- 
lipp V  die  vStadt  auf  Kosten  vor  allem  von  Thebai  Phthio- 
tides    auch    zum    ersten    Hafen])latze    Thessaliens  ■'.     Lande- 

' ^i'ii   Gi^ros    ctiain   ronfidcniul  sc  a  popiildlionihiis    tuen'  passe  ; 

el  eniplioiies  in  Tinros  popiildlores  iioii  s/'/ii'  'vitliierihiis  /los/iiiiii  faeiite  sunt 
(I>iv.  (I.  II.  ().). 

-'  vStra1)on  n.  u.  (). :  titexydrei  hk  xai  xo)\'  Te(iJt(o\'  y.a'i  T(Öv  oo(Öv  äjirpoTA', 
MaKtQ  eiQTjTai  (VIII  42S,  15),   ton  tk   Ilii^aOn  xai  j^\c.  "()ooi|c- 

■'  Liv.  XXXIX  25  :  '/Vietias  /'/it/i/as  iiinnn  uiiirit iniiiiu  eiiiporiiim  fiiisse 
(/iii'iiitiiiii  V'/irssi/t/s  qiiiiestiiosiini  et  fntjf/feniiii  :  itii  luiriliiis  oiieninis  rniiipiiriitis 
r(-i;iiii,  i/iiiir  praeter  Tlietiiis  Deniet rkii/eni  ciirsiiin  itirigereiit,  negotiatioiieiii  iiinri- 
tiniani  niiineiii  eo  inurtisse  (so  klagen  die  Thessaler  im  Jahre  185).  Wenn  auch 
der  alte  Hafenort  l'a,i;asai  vom  Deinclrios  siclu-rlii-li  nicht  völlig  entvölkert 
worden  war  (.Stral)()n  u.  a.  ().),  so  lag  er  docli  /,u  sehr  im  Herwcli  der  make- 
donisclicn  I'\-stung,  und  <lie  Thessaler  hatten  sich  daher  offenbar  weiter 
südwestlicli   in   'l"iicl)ai    (Hursian    (/.  n.  (>.   S.  7'')   einen    lunien    vSeehandel.s])latz 


DICMI'TRIAS  241 

platze,  die  antiken  Bedürfnissen  entspr.ulien,  hoten  sich  ja 
westlich  nnd  (Kstlich  von  dem  vSteilhanj^'  nnniittelbar  nnter 
der  Stadt:  im  W  dort,  wo  der  Ananros  mündet  und  jetzt 
die  Badeanstalt  von  \'olo  steht,  nnd  besser  im  vSO,  wo  man 
gegen  den  Wind  nnd  einen  Angriff  nnter  dcw  Mauern  der 
Stadt  mehr  vSchutz  hatte.  Dort  mag  das  \(/.r'oT((i)|i()v  »Stra- 
bons  zu  suchen  sein,  dort  die  make(U)nisehe  Flotte  mehr  als 
einmal  gelegen  haben,  denn  die  alte  vSkala  \on  lolkos  beim 
heutigen  Volo  kann  man  als  Hafen  \-on  Demetrias  nicht  in 
Anspruch  nehmen  '. 

Demetrios  Poliorketes  hat  Dauerhafteres  geschaffen  als 
so  mancher  Kriegsheld  vor  und  nach  ihm.  Jeder  Herrscher 
Makedoniens  wird  den  Besitz  Thessaliens  erstreben,  und 
wenn  er  es  besitzt,  muss  es  für  ihn  von  unschätzbarem  Werte 
sein,  die  Höhe  von  Demetrias  in  seiner  Hand  zu  haben,  denn 
von  ihr  schaut  er  nacli  Norden  und  Süden ;  Korinth  und 
Chalkis  waren  nur  Festungen,  nicht  Residenzen.  Sicherlich 
hat  Demetrios  den  Plan  zu  seiner  Gründung  unmittelbar  nach 
der  Eroberung  von  Thessalien  im  Jahre  293  (Niese  (icsrii.  der 
mak.  lind  i^ricch.  Städten  I  »S.  .U)0  ff.)  gefasst  und  ausführen 
lassen;  Im  Jahre  2Sf)/5  konnte  sein  vSohn  die  Festung  schon 
gegen  Lwsimachos  halten.  Wenige  Jalire  später  (2S,-i)  sahen 
die  Bürger  der  jungen  vStadt  wieder  eine  stattliche  F'lotte 
heransegehi,  aber  sie  nahte  in  Frieden;  unter  ganz  einzigen 
F'^eierlichkeiten  sollte  ihr  ruheloser  Eponymos  in  ihr  seine 
Ruhestätte   finden    (Plut.   Diiii.  53)  -'.    In   den   nächsten   Jahr- 

j^eschaffen;  Philipp  vernichtete  ihn.  Die  Manern  von  l'aj^asai  können  also 
mit  denen  von  Demetrias  nnmcij^lich  j^leiehen  .\lters  sein  (Raedeeker  [Lol- 
linj^?]    II.  (I.  ().)\   sie  sind  älter  oder  j untrer. 

'  vStrabon  n.  a.  ().  x(i?^eTTai  hv  xul  nii\'fc)rt|c  al^^nÜMC.  'Xv^ImÖc,.  Ivivins 
XLIV,  12  ...  .  Dcmciriadtui  fn/ini/.  Ihi  ruin  (ip[)roj)inqiici)itcs  repleta  nioenia 
(trmoti's  vü//ss<'ii/,  practcrvccii  ml  lolkon  ilassi'iii  a ppiilrruiil ,  iiufc  auTo  vasfafo 
Dciiu'lriiidcDi  i///i)(/itf  <i(/i;r(-ssiir/.  l'eriiajjs  a  harhoui'  or  at  least  a  landing 
])laee  is  to  he  looked  for  on  tlic  ollier  side  of  llie  liill,  helovv  the  Sonth  gate 
and  in  tlie  marshy  j^round  helow  llie  soutlieasl  eorner  to  tlie  left  of  the 
modern  carriage  road  to  I^echonia. 

■  Das  vor  wenigen  Jahren  zwischen  Volo  und  Larissa  aufgetleckte  Grab 
konnte  natürlich  nicht  das  des  Demetrios  sein.  Wir  müssen  an  einen  Bau 
innerhalb  der  Stadt  (etwa  auf  der  Hurg?  vgl.  S.  233)  denken,  einen  Bau  in 


242  C.    FREDRIGH 

zehnten  spielt  sie,  wenigstens  soviel  wir  wissen,  eine  ge- 
ringe Rolle;  aber  sobald  die  kriegerischen  Verwicklungen 
zwischen  Rom  und  dem  Osten  beginnen,  taucht  ihr  Name 
auf.  Philipp  V.  fördert  sie  voll  Verständnis  für  ihre  strategi- 
sche Bedeutung  in  jeder  Weise  und  benutzt  sie  als  Stütz- 
punkt für  Landheer  und  Flotte;  der  römische  Senat  trägt 
nach  dem  Siege  durchaus  mit  Recht  Bedenken,  die  römischen 
Truppen  wieder  herauszuziehen ;  T.  Quinctius  Flamininus 
übergibt  die  Festung  den  befreiten  Magneten  als  festen  Mit- 
telpunkt. Der  Fehler  rächt  sich ;  sie  fallt  in  die  Hände  der 
Aitoler  und  wird  zum  Stützpunkt  des  Antiochos.  Im  Frie- 
den darf  Philipp  V.  für  treue  Dienste  auch  Demetrias  be- 
halten ;  er  und  Perseus  werden  die  Feste  gut  im  Stande 
gehalten  haben.  Nach  dem  Tage  von  Pydna  ergibt  sie  sich 
unbezwungen  wieder  den  Römern  und  wird  geschleift  (Dio- 
dor  XXXI  8,6).  Aber  die  Zerstörung  wird  nur  Teile  der  Mauer 
getroffen  haben ;  das  Erhaltene  lässt  weder  das  Zerstören 
noch  das  Ausbessern  erkennen  ^  Im  mithradatischen  Kriege 
erscheint  Demetrias  wieder  als  wertvoller  Waffenplatz,  nun- 
mehr der  Römer,  den  Metrophanes  vergeblich  bedroht,  und 
dieselbe  Bedeutung  hat  es  während  der  Bürgerkriege.  Stra- 
bon  urteilt :  "viJv  Se  oin'80TaA,Tai  [iiv,  xwv  8'  ev  tyj  Mayvi]ai'rt  jt«o(üv 
öf-icüs  öiarpeQei.  Es  gedeiht  bescheiden  weiter  und  gehört  auch 
im  byzantinischen  Reich  zum  Thema  Makedonien.  Unter 
Justinian  wird  es  wie  andere  thessalische  Orte  neu  befestigt  '^. 
Dieses  ndaxQov  AijpiTQuts  verfällt  im  Jahre  902  einer  furcht- 
baren Plünderung  durch  die  Sarazenen  'l  Aber  die  Stätte  war 
zu  fest,  als  dass  die  Bewohner  sich  trotz  solcher  Erfahrungen 
wie  anderwärts  von  ihr  in  die  Berge  oder  das  Innere  zurück- 


der  Art  wie  das  hellenistische  Heroengrab  in  Milet  und  die  anderen  von 
Wiegand  {Sitzungsberichte  der  Kgl.  Akademie  der  Wissenschaf  teil  zu  Berlin  1  905, 
vS.  538  ff.)  citierten. 

'  Possibly  we  should  recognize  as  signs  of  this  disniantling  of  the  city 
tlie  destroyed  oiiter  walls  by  the  West  gate,  on  the  south  side  and  by  the 
Vorwerk  (cf.  pp.  228  \  ^  230 '). 

*  Hieroclis  Synecdemos  (ed.  Burchhardt)  S.  6;  53.  Prokop  de  aedif.  IV,  3. 
vgl.  vS.  232». 

^  Finlay  Hist.  Greece  II  vS.  265, 


DEMETKIAS  243 

gezogen  hätten.  Der  arabische  Geograph  Edrisi  verzeichnet 
(1154):  Drnictriaiia  pctite  ville  bicn  pcuplrc^.  Bei  der  Reichs- 
teihing  im  Jahre  1204  wird  es  genannt-';  zu  1 2<s3  berichtet 
Georgios  Pachymeres  von  einer  neuen  Befestigung,  und  1  299 
taucht  sein  Name  wieder  auf-'.  Piri  Reis  (um  1524)  gibt  lei- 
der—  wenigstens  in  der  BerHner  Handschrift  (fol.  42  d)  —  im 
Text  und  auf  der  Karte  am  (jolf  von  Volo  keinerlei  Ortsna- 
men, wne  mir  Herr  Professor  O.  Mann  gütigst  mitteilt.  Der 
Ort  bestand  damals  noch  ' ;  er  wird  noch  lange  nach  Beginn 
der  türkischen  Herrschaft  (um  1390)  mehrfach  als  Sitz  eines 
Bischofs  und  später,  nach  Lequien  Oriciis  christiaiuts  \\\  S.  983, 
eines  Erzbischofs  jjenannt.  1564  wird  ein  Bischof  von  Deme- 


'  Geographie  (/'Äj'rw  par  Jaubert  (Paris  1880)  II  vS.  29h.  vgl.  Tafel  Con- 
staiitiniis  Porpliyr.  de  prov.  reg.  hyz.  (Tübingen   1  847)   S.  36. 

-  Ersch  lind  Gruber  85  vS.  207  ;  vgl.  232.  —  It  wa.s  a.s.signed  to  Boniface 
of  Montferrat  and  is  nientioned  as  liaving  previously  formed  part  of  tlie 
e.states  of  tlie  ex-Einpres.s  Euphros^ne  (Tafel-Thomas  h'ontrs  rcnim  Aitstria- 
carum  II.  Bk  XII  p.  464  sqq.).  And  after  1222  when  Theodore  of  Epirus 
conquered  Salonika  it  belonged  to  that  despotat.  In  1271  on  the  division  of 
the  despotat  it  passed  to  the  bastard  John  I,  Duke  of  Neo  Patras.  It  was 
temporarily  occupied  by  the  troops  of  Michael  VIII  Palaiologos  in  1275, 
and  in  that  year  took  place  the  great  naval  battle  of  Demetrias  between 
the  Byzantine  fleet  and  the  Lom1)ards  of  Euboea  (Pachymeres  1307,  322; 
Nikephoros  Gregoras  I  109;  Saniido  (Hoff,  Cliron.  Grcco-rom.)  p.  102-122). 
[These  and  other  notes  on  the  mediaeval  history  of  Demetrias  are  due  to 
the  kindne.ss  of  M.  William  Miller]. 

^  Georgios  Pachymeros  ed.  Bekker  II  S.  68  f.:  xui  h\\  JiQOoßaJicov  Aiifirj- 
TQiäöi  exei  öuvexaTre  tAc;  8Dvd[i£iq  ovo,  [lev  jte[.iJia)v  eli;  öxijA,a  xal  d()n:aYdi;, 
olg  8e  8;rl  dvoixo8o|.iTiv  xcov  cxei  XQ^Ht^^^'o?  Jto^aojidxwv  xai  Jiyojtov  aiiTÖ) 
TüJv  e'QYCJV  -^u()YOLi;  ^u^tivoi^  auOinteyöv  eli;  el'xooi  xul  xeöoaQaig  :TOöou[ievoii; 
jteQi(3a^8o0ai  ATi[ii]TQLdÖa,  Öi^rj  te,  jteQixacpQeöoai  xal  liöWQ  sx  da?idoo)](; 
sveXvai  xoii;  xdq)QOi(;  xai  oiixcog  dve^i^v  xax'  6Xiyo\  xxitovxa  dveyeiQEiv  ?adoi(; 
to  TcöXioyia.  vgl.  S.  284.  Die  Nachricht  sieht  zuverlässig  aus,  aber  es  ist 
unmöglich,  dass  der  alte  Stadtberg  gemeint  sei ;  vielleicht  handelt  es  sich 
um  eine  Befestigung  der  Skala,  da  der  byzantinische  Feldherr  einen  Stütz- 
punkt für  die  Flotte  gewinnen  will.  —  And  in  1 284  it  was  besieged  by  Tar- 
chaneiotes  and  Alexius  Raoul  the  Byzantine  generals  in  the  war  between 
Andronicus  II  and  the  bastard  John  I  (Pachymeres  II  69-71). 

*  Later  in  1380  near  the  end  of  the  Catalan  period  a  .comte  de  Mitra» 
(Demetrias)  is  mentioned.  (Rubio  y  Lliich  Los  Navarros  cn  Grccia  y  el  Dncado 
Catalan  de  Atenos  pp.  220,  262). 


244  c.   fredrich:    qemetrias 

trias  erwähnt  und  wieder  1721  {a.a.O.  II  S.  111),  und  Lequien 
gibt  an,  Dimitriada  bestehe  noch  (1 740)  und  verzeichnet  es 
auf  seiner  Karte  an  der  richtigen  Stelle.  Es  ist  wahrschein- 
lich, dass  die  letzten  Bewohner  sich  um  das  Kirchlein  auf  der 
Burg  drängten.  Erst  im  Laufe  des  XVIII.  Jahrh.  hat  Alt-Volo 
dem  Berge  die  Bewohner  entzogen,  ist  der  Name  verloren 
gegangen,  so  dass  Dodwell  (1819)  Demetrias  an  der  Stelle 
von  Pagasai  ansetzen  konnte. 

Ein  viereckiger  mittelalterlicher  Turm  stand  früher  nahe 
dem  Westtore  ^,  Reste  eines  zweiten  wurden  bei  der  Beschrei- 
bung der  Akropolis  erwähnt.  Heute  heisst  die  Höhe  nach 
einem  auch  wieder  verschwundenen  Dorfe  «Goritza». 

Posen 

C.   Fredrich 


^  Mezieres  a.  a.  O.   S.  7  ;  Georgiades  a.  a.  O.  S.  187. 


245 


EINE  vSTATUENGRUPPE    DER   ANTONINENZEIT. 


Eine  Anzalil  antiker  \veil)liclier  vStatueii  /.eichnet  sich 
durch  eine  besondere  Traclit  ans.  vSie  tra<;'en  den  (inrtel  nicht 
wie  gewöhnlich  unter  der  Brust,  sondern  er  hängt  ganz  locker 
auf  den  Hüften.  Die  bis  jetzt  bekannten  Figuren  dieser  Art 
sind  im  Folgenden  zusammen eestel lt. 


Abb. 


Torso  aus  Milet. 


a.  Weibliche  Statue,  veröffentlicht  von  Winckelmann 
( IVerkc  herausgegeb.  von  H.  IMeyer  und  J.  Schulze  \'  Taf.  I  D); 
jetziger  Aufbewahrungsort  nicht  zu  erkunden.  Über  die  Grösse 
gibt  Winckelmann  nichts  an,  da  er  die  Figur  nur  der  Gürtung 
wegen  erwähnt.  Zwei  Torsen  von  Repliken  sind  neuerdings 
in  Milet  gefunden  w^orden,  einer  lebensgross,  der  andere  etwas 
kleiner  (Abb.  1  und  2).  Die  Übereinstimmung  ist  fast  voUstän- 


246 


E.  HERKENRATH 


dig;  nur  sind  bei  der  Winckelmannschen  Figur  die  Gürtelen- 
den sichtbar,  sorgsam  geordnet,  die  bei  den  milesischen  fehlen, 
und  auf  dem  rechten  Oberschenkel  zeigt  sie  einige  Falten,  die 
bei  den  milesischen  nicht  vorhanden  sind.  Die  Gesamterschei- 
nung ist  die  der  sog.  Venus  Genetrix,  der  man  den  lockeren 
Gürtel  umgelegt  hat.  Interessant  ist  der  Kopf  der  Winckel- 
mannschen Replik,  der  ja  wohl  zugehörig  sein  wird;  denn  da 


Abb.  2.     Torso  aus  Milet. 


die  linke  Hand  nicht  ersetzt  worden  ist,  so  wird  auch  sonst 
nichts  erofänzt  sein.  Er  weicht  mindestens  in  der  Haartracht 
durchaus  von  dem  der  Venus  Genetrix  ab  (vgl.  die  Abbil- 
dung bei  Winter,  50.  Berliner  Winckelmannsprogramm  S.118), 
und  scheint,  danach  beurteilt,  freierer  Art  gewesen  zu  sein. 
Vor  das  Ohr  ist  ein  einzelnes  flaches  Löckchen  gelegt. 

b.    Die  von  Arndt  im  Texte  zu  E.  V.  1153  zusammenge- 


EINE   STATÜENORUPPE    DER    ANTONINENZEIT 


247 


stellten  Statuen  ^  und  eine  neuerdings  in  Milet  gefundene,  ge- 
nau entsprechende  Wiederholung  (Abb.  3  und  4).  E.  V.  1 153  ist 
1,75  ni  hoch,  Cl.  1449  B  nach  Michaelis  1,71  m,  der  milesische 
Torso  hat  zu  einer  Figur  von  etwa  1,75  m  gehört.  Für  die 
jetzt  in  der  Ermitage  befindliche  Figur  aus  Museo  Naniano 
gibt  Kieseritzy  Skulpturoi  der  Ermitage  Nr.  1  60  die  Höhe  zu 
1,764  ni  an;   zu    Clarac  1108  steht  10  pal.  10  on.  verzeichnet. 


Abb.  3.    Statue  im  Palazzo  Colonna 
in  Rom  (nach  Arndt  E.  V.  1153). 


Abi).  4.    Torso  aus  Milel. 


was  wohl  auch  ungefähr  Lebensgrösse  ist.  Somit  sind  diese 
Repliken  alle  etwa  gleich  hoch.  Von  den  unter  a  angeführten 
Figuren  unterscheiden  sich  diese  eigentlich  nur  dadurch,  dass 
sie  den  rechten  Arm  anders  halten.  Infolgedessen  liegt  auf  der 
rechten  Schulter  das  Mantelende  etwas  unmotiviert  auf.   Der 


^  Bei   Clarac  1 449  B  =  Michaelis    Äncioit   marbles    p.  503    Nr.  6    ist    der 
Gürtel  nach  Clarac  modern ;  Michaelis  behandelt  ihn  als  antik. 


248 


E.  HERKENRATH 


Gürtel  hängt  lockerer.  Die  vSclniltern  sind  auffällig  schmal. 
Der  Kopf,  der  bei  E.  J\  113,3  erhalten  ist,  hat  mit  dem  der 
vorigen  Gruppe  eine  gewisse  Ähnlichkeit  in  der  Frisur,   der 


Abb.   5.    CiruppL'  in  Xeai)d  (nach    l?ruiin-I?riu'kniann  Taf.  300). 


allerdings  die  Binden  ein  viel  reicheres  Au.ssehen  geben ;  in 
den  einzelnen  Löckchen  vor  dem  Ohr  und  auf  der  Stirn  zeigt 
.sich  ein  ähnlicher  Geschmack.  Die  Stirnschleife  ist  in  der 
Antoninenzeit  beliebt.  Arndt  will  wegen  der  grossen  Schlank- 


EINR   STATimNCRUPPR    DER    AKTONINRNZRIT  249 

lieit  und  des  Kopftypus  auf  ein  hellenistisches  Original  schlies- 
sen;  mir  scheinen  dazu  die  Hewef^unj^  und  die  Linien  des 
Gewandes  zu  einfach ;  man  darf  wohl  sagen,  dass  dieses  ohne 
weiteres  von  der  Venus  Genetrix  übernommen  ist. 

Diesen  Statuen  nachg-ebildet  ist  das  Gewand  der  Elektra 
in  der  Neapeler  Gruppe  (Brunn -Bruckmann  306,  Abb.  5)/ wie 
auch  Arndt  a.a.O.  annimmt.  Die.se  Figur  ist  weiter  nichts,  als 
eine  Umsetzung  des  .sog.  Pylades  in  der  Fari.ser  Gruppe  (Br. 
Br.  307)  ins  Weibliche:  Kopf,  Frisur,  Haltung  und  Proportio- 
nen sind  beiden  gemeinsam,  wie  .sie  auch  mit  der  gleichen 
Figur  zusammengestellt  sind.  Es  scheint  mir  sicher,  dass  die 
Neapeler  Gruppe  eine  Umarbeitung  der  Pariser  ist. 

Diesen  ruhig  stehenden  vStatuen  schliessen  sich  andere 
an,  welche  die  gleiche  Tracht  haben,  aber  .sich  in  einem 
schwebenden  Tanzschritt  bewegen.  Und  zwar  wird  die  Bewe- 
gung durch  das  Gewand  in  einer  sehr  charakteristischen 
Weise  begleitet  und  verstärkt. 

c.  E.  V.  286  (im  Giardino  Boboli  in  Florenz,  Abb.  6)  und 
die  von  Arndt  zu  E.  V.  350  erwähnte  Münchener  Figur  (Furt- 
wängler  Glyptothek  449).  Auch  Reinach  Repertoire  II  S.  302,  3 
scheint  hierhin  zu  gehören,  und  die  ganze  Figur  gibt  ein 
Sarkophag  (Robert  Die  an  tilgen  Sarl^opliagreliefs  II  190^)  der 
leider  nur  in  einer  Renai.ssancezeichnung  erhalten  ist.  Hier 
stellt  sie  Medea  dar,  und  vielleicht  wäre  die  Alünchener  Sta- 
tue danach  als  ]\Iedea  zu  ergänzen,  wozu  ihr  schwarzes  Kleid 
nicht  übel  passen  würde.  Der  Sarkophag  war  nach  Robert 
wahrscheinlich  ein  Werk  der  Antoninenzeit. 

d.  E.  V.  350  (Nike  in  den  Uffizien),  offenbar  identisch 
mit  Clarac  637,1447,  da  Dütschke  nur  eine  Nikestatue  in 
den  Uffizien  anführt.  Die  Zeichnung  bei  Clarac  gibt  ein 
Spiegelbild.  Arndt  erklärt  diese  Figur  für  eine  Replik  von 
E.  V.  286.  Da  Dütschke  aber  angibt,  der  rechte  Arm  scheine 
nach  den  Resten  auch  früher  erhoben  gewesen  zu  sein,  so 
scheint  mir  das  nicht  richtig.  Auch  die  Flora  Blattei,  eine 
Replik  im  Gegensinne,  spricht  wider  Arndt. 

Hierhin  gehört  noch  E.  U.  788,  ein  sehr  schlechtes  Stück, 
und  die  Antiope  aus  der  Gruppe  des  farne.sischen  Stiers.  Diese 
letztere  ist  zwar  nur  wenig  bewegt,  aber  trotzdem  weht  das 


250 


E.  HERKE-NRATH 


Gewand  in  denselben  starken  Falten  um  ihre  Glieder  zurück, 
wie  bei  den  anderen  Figuren.  Die  Haartracht  ist  die  gleiche 
wie  die  der  unter  a  genannten  Statuen,  auch  die  Löckchen 
vor  den  Ohren  sind  vorhanden.  Dass  die  Antiope  nicht  ur- 
sprünglich zu  der  Gruppe  gehört  hat,  sondern  eine  römische 
Zutat  ist,  scheint  mir  nach  Studniczkas  Aufsatz  [Zritschr. 
für  bild.  Kunst,  N,  F.  XIV  S.  171  ff.)  keines  Beweises  mehr 
zu  bedürfen  ^ 


Abb.  6.     Statiie  im  Giardino  Boboli  in  Florenz 
(nach  Arndt  E.  V.  286). 

Auch  eine  Figur  im  Museum  von  Kairo  muss  hier  er- 
wähnt werden  (Edgar  Grcek  Sciilptnre  Pl.VIII  27625  S.16).  Das 
Gewand  ist  ums  rechte  Bein  herumgenommen,  wie  bei  E.  V. 
286,  aber  nicht  wie  dort  durch  die  haltende   Hand   verständ- 


'  Man  könnte  vielleicht  gegen  die  Originalität  der  Gruppe  noch  anfüh- 
ren, dass  alle  Figuren,  die  bis  jetzt  aus  Tralleis  l)ekannt  sind,  in  der  viel 
weicheren  Behandlung  übereinstimmen. 


EINE    STATUENGRUPPE    DER    ANTONINENZEIT 


251 


lieh.  Die  Rechte  ist  vielmehr  erholten  gewesen.  Der  (xürtel 
hält  an  der  linken  Seite  auch  den  Mantel,  ein  bisher  neues 
Motiv.  Die  Schultern  waren,  wie  es  scheint,  beide  vom  Chi- 
ton  bedeckt. 

e.  E.  r.  5,S1  (im  Museo  Nazionale  in  Palermo,  Abb.  7),  eine 
herabschwebende  Selene,  in  der  Gewandbehandluno-  völlig 
den  vorigen  gleich.    Die  Bewegung  ist  anders,  wie  auch  die 


Al)b.   7.    Statue  im  Museo  Nazionale  in  Palermo 
(nach  Arndt  E.  V.  551). 


Anordnung  des  Mantels,  der  jedoch  in  dieser  Art  für  Selene  zu 
einer  gewissen  Zeit  fast  den  Wert  eines  Attributes  hat.  Die 
Figur  findet  sich  —  ohne  Gürtel  —  wieder  auf  Endymion- und 
Achilleus-Sarkophagen  (z.  B.  Robert  III  1,40  und  48,  II  25 
und  26;  25  «gehört  nach  den  Porträtköpfen  in  die  ersten 
Jahrzehnte  des  III.  Jahrhunderts»),  ferner  im  Gegensinne  mit 
barbarischem  Kopf  auf  der  Marcussäule  (Petersen  1113  A,  13) 
und  dieser  Figur  genau  entsprechend  auf  einem  Endymion- 


252  E.     HERKKNRATH 

Sarkophag  (Robert  III  1,72).  Es  ist  deutlich,  dass  auf  der 
Säule  ein  bekannter  Statuentypus  wiederholt  wird;  der  Tanz- 
schritt und  der  wehende  Mantel  passen  durchaus  nicht  in  die 
Situation.    Petersen  nennt  das  Gebahren  theatralisch. 

f.  Es  mag  hier  der  Torso  in  Dresden  angeschlossen  wer- 
den, der  bei  Clarac  PI.  440,  797  abgebildet  ist;  nach  Clarac 
«r>  Vexception  du  torsc  rie/i  nc  paratt  a}itiqur->.  Nach  einer  per- 
sönlichen Mitteilung  ist  der  Gürtel  alt,  soweit  er  sichtbar 
ist.  Seine  Enden  sind  symmetrisch  gelegt. 

Auf  alle  unter  c  —  f  gesammelten  Statuen  passt  die  Be- 
schreibung, die  Altmann  Architcchir  und  Ornamentik  der 
auf.  Sarkophage  S.  109  von  den  weiblichen  Figuren  einer 
ganzen  Sarkophagklasse  gibt:  «Charakteristisch  ist  die  Tei- 
lung des  Gewandes  in  drei  grosse  Faltenmassen,  eine  zwi- 
schen den  Beinen,  je  eine  auf  jeder  Seite  ....  Dies  ist  der 
Typus,  den  die  Töchter  des  Lykomedes  zeigen ;  auch  die 
von  starkem  Windzuge  rückwärts  getriebene  Kleidung  ist 
beiden  gemeinsam».  Man  kann  hinzufügen,  dass  alle  be- 
wegten Frauenfiguren  der  Marcussäule  die  gleiche  Ge- 
wandbehandlung zeigen,  was  zu  Altmanns  Ansetzung  die- 
ser Sarkophagklasse  zwischen  Antoninus  Pius  und  Ela- 
gabal,  also  rund  150  —  220  n.  Chr.,  sehr  gut  stimmt.  Es  ist 
deutlich,  dass  die  Gruppe  c  —  f  gewissermaassen  die  unter  a 
und  b  angeführten  Figuren  in  Bewegung  wiedergibt.  Die 
langen,  vom  Gürtel  senkrecht  herabhängenden  Falten  ändern 
sich  in  keiner  anderen  Weise,  als  dass  sie  sich,  der  Bewe- 
gung folgend,  etwas  biegen  und  in  grossen  Krümmen  zurück- 
wehen. Im  schroffen  Gegensatz  hierzu  steht  die  Flora  Far- 
nese,  wohl  die  bekannteste  der  tiefgegürteten  Figuren.  Hier 
bilden  sich  unter  dem  Gürtel  Dreiecke  von  Falten  und  wei- 
terhin begleitet  das  Gewand  die  Umrisse  der  Beine  nicht, 
sondern  es  überschneidet  sie.  Motiviert  wird  das  dadurch, 
dass  die  Rechte  das  Gewand  in  archaischer  Weise  hebt.  Die 
Beine  treten  aber  ebenso  deutlich  heraus,  wie  bei  den  ande- 
ren, indem  sich  zwischen  und  neben  ihnen  und  den  Falten- 
graten tiefe  Höhlungen  bilden.  Durch  diese  Anordnung  er- 
hält jedoch  die  Flora  im  Gegensatz  zu  jenen  leicht  schreiten- 
den Figuren  etwas  Schweres,  was  vielleicht  einen  feierlichen 


EINE    STATUEN CxRUPPE    DER    ANTOMNENZEIT  2.S3 

Eindruck  machen  soll.  Denn  offenbar  soll  das  Heben  des 
(rewandes,  von  archaischen  Figuren  übernoniuien,  der  be- 
messene polykletische  vSchritt,  die  schweren  Proportionen,  der 


Abb.   8.    Die  Flora  Farnese   (nach  Rrunn-Bruckmann  Taf.  3()0). 

streng  geordnete  Saum  des  Mantelendes,  das  über  den  linken 
Arm  fällt,  die  zu  beiden  Seiten  der  Körpermitte  symmetrisch 
gelegten    Falten   des   Chitons  auf  dem   Oberkörper  —  all   das 

ATHEN.      MITTEILUNGEN     XXX  1  7 


254  E.    HERKENRATH 

soll  an  alte  Kunst  erinnern.  Das  ist  aber  schliesslich  etwas 
Ähnliches,  als  wenn  die  anderen  das  Gewand  der  Venus 
Genetrix  einfach  übernehmen  oder  fortbilden,  und  im  Ein- 
zelnen sind  die  trichterförmigen  Öffnungen  am  Ende  der 
herabhängenden  Falten  nichts  anderes  als  die  rüschenarti- 
gen Säume,  wie  sie  am  deutlichsten  bei  den  Selenefiguren 
sich  zeigen,  nur  in  den  Zustand  der  Ruhe  übersetzt.  Auch 
die  sorgliche  Ordnung  der  Gürtelenden  fanden  wir  schon; 
die  Dreiecke  unter  dem  Gürtel  kehren  wieder  bei  der  Selene 
des  Sarkophages  Robert  III  1,77,  die  auch  mit  der  Rechten 
einen  Gewandzipfel  hebt.  Nach  der  Haarbehandlung  darf 
man  den  Sarkophag  mit  Sicherheit  der  Zeit  nach  Antoninus 
Pius  zuweisen,  vielleicht  sogar  noch  genauer  unter  Septimius 
Severus  ansetzen.  Die  Flora  kann  also  zeitlich  nicht  weit  von 
den  anderen  Figuren  derselben  Tracht  entfernt  werden ;  sie 
macht  den  Eindruck,  als  ob  sie  eine  Weiterbildung  dieser  ein- 
facheren Typen  sei,  indem  sie  mit  ihrer  Tracht  selbständig 
experimentiert.  Gefunden  ist  sie  in  den  Thermen  des  Cara- 
calla.  Es  sind  noch  einige  Statuen  zu  erwähnen,  welche  die 
Übertragung  des  lockeren  Gürtels  auf  T3'pen  zeigen,  die  ihn 
ursprünglich  nicht  haben. 

g.  Phaidra  auf  einem  Sarkophag  aus  Girgenti  (Robert 
III  2, 152  b),  der  in  die  Antoninenzeit  gehört  (Altmann  a.a.  O. 
S.1Ü8).  Die  Gürtelenden  sind  sorglich  gelegt.  Auf  dem  etwas 
älteren  Hippolytos-Sarkophag  aus  Arles  (Robert  III  2,  160; 
Altmann  a.  a.  O.  Taf.  II,  S.  1  07  f.)  ist  die  tiefe  Gürtung  noch 
nicht  zu  erkennen ;  der  Gürtel  liegt  fest  um  die  Taille  und 
fällt  nicht  locker  in  den  Schooss.  Auf  dem  ungefähr  gleich- 
zeitigen Sarkophag  im  Louvre  (Robert  III  2, 154  b;  Altmann 
S.  1 08)  trägt  die  gleiche  Phaidrafigur  gar  keinen  Gürtel.  Der 
Kopf  zeigt  auf  152  und  154  die  kleinen  Löckchen  vor  den 
Ohren,  die  bei  dem  älteren  Sarkophag  noch  fehlen. 

h.  Drei  Umbildungen  der  Aphrodite  von  Melos,  unter 
einander  gleich  (Ravaisson  La  Venus  de  Milo  PL  VI  1 — 4 
und  PI.  VII  2).  Die  Göttin  ist  einmal  als  Hygieia  mit  einem 
Asklepios  zusammengestellt.  Sie  trägt  ein  Untergewand,  das 
den  ganzen  Rumpf  bekleidet,  und  zwei  Gürtel  darüber,  einen 
unter  der  Brust,   den  anderen   in  der  Art   der  bisher  bespro- 


EINE   STATlTENORrpPE    DER    ANTONINENZEIT  255 

chenen  Figuren.  Die  Enden  des  oberen  sind  symmetrisch  an- 
geordnet, ebenso  die  Faltenzüge  zwischen  den  (Wirtehi:  Von 
jeder  Krnst  läuft  ein  langer  Zug  herab  bis  zum  unteren  Gür- 
tel und  fällt  in  einem  kleinen  Bausch  über  ihn;  das  (xleiche 
wiederholt  sich  von  der  Achsel  zur  Hüfte  abwärts  bei  VI  1 
und  VII  2.  Die  Anordnung  ist  fast  genau  so,  wie  bei  der 
Flora  Farnese. 

i.  Kolossales  Hochrelief  einer  Nike  in  Carthago  {Muse'e 
de  Carthage  PI.  I).  Wegen  der  vollen  Bekleidung  und  der  glei- 
chen Teilung  des  Rumpfes  darf  man  sie  den  Aphroditestatuen 
anschliessen.  Deren  oberer  Gürtel  ist  hier  ersetzt  durch  den 
Saum  des  kurzen  Überschlags,  und  zwischen  diesem  und  dem 
Gürtel  ist  die  Anordnung  der  Falten  der  eben  geschilderten 
völlig  gleich.  Die  Gürtelenden  sind  sehr  künstlich  gelegt. 

Versucht  man  hiernach  die  Figuren  mit  tiefer  Gürtung 
zu  datieren,  so  lässt  sich  Folgendes  feststellen : 

1.  Unter  den  Terrakotten,  die  doch  eine  ausserordent- 
liche Menge  von  Trachten  bieten,  findet  sich  keine  mit  tiefer 
Gürtung,  ebenso  wenig  auf  den  Wandmalereien,  deren  Abbil- 
dungen mir  zugänglich  waren. 

2.  Man  sieht  diese  Tracht  auf  Figuren  übergehen,  denen 
sie  ursprünglich  fremd  ist,  wie  die  Phaidra,  und  an  denen 
zum  Teil,  damit  der  Gürtel  angebracht  werden  kann,  ziemlich 
starke  Änderungen  noch  ausserdem  vorgenommen  werden, 
wie  bei  der  Aphrodite  von  Melos.  Das  macht  den  Eindruck, 
als  handle  es  sich  um  eine  Mode,  die  plötzlich  aufkommt  und 
auf  bisher  beliebte  Figuren  einfach  übertragen  wird. 

3.  Datiert  sind  von  diesen  Statuen  nur  Medea  und  Phai- 
dra auf  antoninischen  Sarkophagen  und  von  den  milesischen 
die  unter  b  und  die  grössere  der  unter  a  erwähnten.  Diese 
beiden  gehörten  zum  figürlichen  Schmuck  eines  Nymphäums 
{A.  Anz.  1902,  150  ff.),  das  nach  einer  mit  Sicherheit  zu  ergän- 
zenden Inschrift  im  Auftrage  Gordianus  III.  (238-244  n.  Chr.) 
mit  Statuen  ausgestattet  wurde.  Aber  alle  finden  ihre  Ana- 
logien auf  Sarkophagen  der  2.  Hälfte  des  II.  Jahrhunderts 
n.  Chr.  und  späteren,  ferner  auf  der  Marcussäule.  Daraus  darf 
man  schliessen,  dass  die  Tracht  der  tiefen  Gürtung  nicht 
hellenistisch   ist;    sonst   hätten    die  Terrakotten   sie  gewiss; 


256  herkenrath:  eine  statuengruppe  der  antoninenzeit 

und  auch  für  das  I.  Jahrhundert  n.  Chr.  ist  ihr  Bestehen  nicht 
wahrscheinlich,  da  man  ihr  sonst  wohl  auf  den  Wandgemäl- 
den begegnen  würde.  Es  erscheint  vielmehr  sicher,  das  sie 
erst  in  der  2.  Hälfte  des  II.  Jahrhunderts   n.  Chr.    aufkommt- 

Daraus  ergibt  sich  für  die  Flora  Farnese  ein  noch  ge- 
nauerer Ansatz :  da  sie  in  den  Caracallathermen  gefunden 
und  nicht  vor  150  n.  Chr.  entstanden  ist,  so  ist  sie  natürlich 
für  jenen  Bau  geschaffen.  So  erklärt  sich  auch  ihre  Sonder- 
stellung :  Ein  Künstler,  den  Caracalla  gewiss  nicht  unter  den 
unbekanntesten  seiner  Zeit  wählte,  hat  einen  damals  belieb- 
ten Statuentypus  selbständig  umgebildet. 

In  der  Gruppe  des  farnesischen  Stieres  zeigt  die  <  Anti- 
ope»,  dass  diese  Kopie  des  Werkes  der  Künstler  von  Tralleis 
in  antoninischer  Zeit  entstanden  ist;  dazu  stimmt  sehr  gut 
Studniczkas  Bemerkung  [a.a.O.  S.  175):  «Felspartien  nach 
Art  unserer  Plinthe  mit  allem,  was  darauf  wächst  und  lebt, 
bis  zu  den  kleinen  Ortsgottheiten,  sowie  dieselben  Staffage- 
stücke    finden    sich    ganz    ähnlich   ....   in   .spät- 

antoninischcn  Sarkophagreliefs  wieder*. 

Interessant  ist  es,  wie  verschiedene  Stile  in  dieser  Zeit 
gefielen.  Neben  der  archaischen  Elektra  stehen  die  Figuren, 
deren  hellenistische  Schlankheit  Arndt  mit  Recht  hervorhebt 
[E.  V.  1  153)  und  die  Flora  Farnese,  die  Polykletisches  in  Stel- 
lung und  Proportionen  mit  einem  archaischen  Gewandmotiv 
vereinigt.  Und  die  gefällige  neue  Bekleidungsart,  gewiss  in 
Rom  erfunden,  dringt  teils  in  genauen  Kopieen  der  haupt- 
städtischen Dekorationsfiguren  teils  in  freieren  Nach-  und 
selbst  Neubildungen  bis  in  die  Provinzen,  nach  Asien,  Ägy- 
pten, Afrika.  Freilich,  ernsthafte  plastische  Probleme  suchen 
diese  Werke  nicht  mehr  zu  lösen,  natürlich  nicht;  sie  ver- 
schwanden ja  doch  in  den  Tabernakeln  bunter  Schmuck- 
fronten, in  den  Nischen  riesiger  Hallen.  Man  begnügte  sich, 
den  flüchtigen  Beschauer  durch  eine  gerade  beliebte  Mode 
der  intimeren  Gemächer  zu  erfreuen ;  wenn  es  hoch  kam,  so 
versuchte  man  sich  an  einer  neuen  Anordnung  des  Gewan- 
des, wie  bei  der  Flora. 

Athen.  E.    Herkenrath 


TAFEL  X. 


GERE    PALAST   VOX    FHAISTOS. 


Feile  sind  rot  anj^eleg't. 


DER    ALTERE    UND    DER    JUNliERE    PALAST   \"(iN    PHAISTO.S. 
Die  sicher  jüngeren  Teüe  sind  rot  .ingelegt. 


C) 


257 


DIE    KRETIvSCHEN,    MYKENKSCHEN 
UND   HOMERISCHEN    PALÄSTE. 

(Hierzu    Taf.  X). 

Über  die  grossartigen  in  Kreta  ansgegrabenen  Paläste 
sind  wir  von  den  glücklichen  Entdeckern  und  ihren  ^litar- 
beitern  in  dankenswert  schneller  Weise  unterrichtet  worden. 
Durch  vorläufige  Publikationen  sind  Grundrisse  und  Ansich- 
ten sowohl  der  grossen  Königspaläste  von  Knossos,  Phaistos 
und  Hagia  Triada,  als  auch  der  kleineren  Herrensitze  und 
einfacheren  Häuser  von  Gurnia  und  Heleia  [Palaikastro]  be- 
kannt geworden.  Wer  sich  mit  der  Baugeschichte  des  Alter- 
tums beschäftigt,  wird  die  neu  entdeckten  x^nlagen  mit  gro.s- 
seni  Interesse  studieren.  Er  wird  sie  vergleichen  mit  den  be- 
kannten Königspalästen  Ägyptens  und  Mesopotamiens  einer- 
seits und  den  mykenischen  und  homerischen  Herrensitzen 
andrerseits,  um  festzustellen,  welchen  Platz  sie  in  der  Ent- 
wicklungsgeschichte der  Baukunst  einnehmen. 

Eine  dankenswerte  Studie  dieser  Art  hat  Ferdinand 
Noack,  nachdem  er  Kreta  selbst  besucht  hatte,  schon  vor 
zwei  Jahren  in  einer  besonderen  Schrift  veröffentlicht:  Home- 
rische Paläste,  eine  Studie  zu  den  Denkmälern  itnd  znni  Epos. 
Seine  Vergleichung  der  verschiedenen  Palastanlagen  konnte 
aber,  wie  er  selbst  in  einem  Zusätze  (S.  89)  schon  andeutet, 
aus  dem  Grunde  nicht  zu  einem  ganz  richtigen  Resultate 
führen,  weil  ihm  die  Veränderungen,  welche  die  kretischen 
Paläste  im  Laufe  ihres  Bestehens  erfahren  haben,  damals 
noch  nicht  genügend  bekannt  waren.  Er  wusste  noch  nicht, 
dass  die  Grundrisse  von  Knossos,  Phaistos  und  Hagia  Triada, 
wie  sie  in  den  bisherigen  Publikationen  vorliegen,  keine 
einheitlichen  Anlagen  sind,  sondern  aus  Teilen  ganz  ver- 
schiedener Epochen  bestehen.  An  allen  drei  Orten  haben 
ältere  Paläste  bestanden,    die   total    zerstört  und    dann  nach 


258  W.    DORPFELD 

einem  anderen  Plane  wieder  aufgebaut  worden  sind.  Bei  der 
Ausgrabung  wurden  Reste  beider  Epochen  aufgedeckt  und 
meist  zunächst  als  einheitliche  Anlagen  aufgefasst  und  ver- 
öffentlicht. 

Eigene  Beobachtungen  über  die  Verschiedenheit  einzel- 
ner Teile  der  kretischen  Paläste  und  mündliche  Mitteilungen 
der  Ausgräber  haben  mich  schon  vor  zwei  Jahren  zu  der 
Überzeugung  gebracht,  dass  in  den  kretischen  Palästen  nicht 
nur  vielfache  Umbauten,  sondern  wirklich  zwei  verschiedene 
Palastarten  zu  erkennen  sind.  Beide  unterscheiden  sich  so 
sehr  von  einander  durch  ihre  Grundrisse,  ihre  Bauweise  und 
ihren  Inhalt,  dass  kein  einfacher  Umbau,  sondern  Eroberung 
und  Zerstörung  des  älteren  Palastes  und  Neubau  durch  Her- 
ren eines  anderen  Stammes  vorzuliegen  scheinen.  In  einer 
Sitzung  des  deutschen  Instituts  in  Athen  (im  Februar  1904) 
habe  ich  auf  diese  zwei  verschiedenen  Arten  der  kretischen 
Paläste  hingewiesen  und  bin  bei  ihrer  Vergleichung  mit  den 
mykenischen  Palästen  des  griechischen  Festlandes  und  mit 
den  homerischen  Herrensitzen  zu  dem  Resultate  gekommen, 
dass  die  älteren  kretischen  Paläste  mit  den  mykenischen  und 
homerischen  Anlagen  nichts  zu  tun  haben;  sie  sind  nicht 
griechisch,  sondern  karisch-lykisch.  Erst  die  jüngeren  Palä- 
ste Kretas  sind  von  den  Achäern  erbaut,  welche  Kreta  ero- 
bert und  die  karisch-lykischen  Stämme  zum  Teil  aus  der 
Insel  vertrieben  hatten.  Die  homerischen  Paläste  dagegen, 
so  suchte  ich  weiter  zu  zeigen,  haben  mit  den  altkretischen 
Anlagen  keinerlei  Ähnlichkeit,  sondern  stimmen  mit  den 
achäischen  Burgen  von  Tiryns  und  Mykenae  überein,  wie 
überhaupt  die  in  den  homerischen  Gedichten  geschilderte 
Cultur  mit  derjenigen  der  letzten  mykenischen  Zeit,  der  Zeit 
vor  der  dorischen  Wanderung,  am  meisten  übereinstimmt. 

Nachdem  ich  im  Mai  1904  Gelegenheit  hatte,  die  Aus- 
grabungsplätze Kretas  nochmals  zu  besuchen  und  die  Rui- 
nen von  neuem  zu  studieren,  habe  ich  meine  Beobachtungen 
und  Schlüsse  auf  dem  Internationalen  Archäologen-Congresse 
in  Athen  (April  1 905)  einem  grösseren  Kreise  von  Fachge- 
nossen zur  Prüfung  vorgelegt.  In  etwas  erweiterter  Gestalt 
mögen  sie  hier  der  Öffentlichkeit  übergeben  werden. 


KRETISCHE,    :\IVKEXISCHE    V.   IIOMI' RISCIIE   PALÄSTE.       259 

I.     Die   kretischen    Paläste. 

Die  Pläne  und  Bilder  der  kretischen  Paläste  und  Wohn- 
häuser sind  schon  so  oft  veröffentlicht  und  beschrieben  wor- 
den, dass  hier  eine  eingehende  Beschreibuno^  untcrblcil)en 
darf.  Ich  setze  die  Paläste  als  bekannt  voraus  und  <^cbe  als 
Tafel  und  Textillustrationen  nur  kleine  (irundrisse  der  drei 
wichtigsten  Anlagen.  Nach  einigen  allgemeinen  Benierkun- 
ofen  über  die  Planbildung  der  Paläste  werde  ich  zunächst  die 
Beobachtungen  mitteilen,  welche  das  Vorhandensein  von  je 
zwei  verschiedenartigen  übereinander  liegenden  Palästen  in 
Knossos,  Phaistos  und  Hagia  Triada  beweisen. 

Der  grösste  und  in  seiner  Gesamtheit  am  besten  erhal- 
tene Palast  Kretas  ist  der  von  Knossos,  dessen  Aufdeckung 
wir  A.  Evans  verdanken.  Die  ersten  Mauern  des  Palastes  wa- 
ren schon  im  Jahre  1877  von  dem  Griechen  Minos  Kalokai- 
rinos  aussfegraben  worden,  und  sind  schon  damals  von  ver- 
schiedenen  Seiten  als  Reste  des  Palastes  des  Minos  oder  auch 
als  Labyrinth  des  Daidalos  erkannt  worden  (vgl.  E.  Fabricius 
in  diesen  Mittcihmgen  XI  1 886,  S.  1 35  ff.).  Ich  habe  selbst 
diese  Reste  im  Jahre  1886  mit  Heinrich  Schliemann  gese- 
hen, als  wir  Kreta  besuchten  und  die  Ausgrabung  des  Minos- 
Palastes  planten.  Zuerst  haben  äussere  Umstände  und  die 
Wiederaufnahme  der  Grabungen  in  Troja  und  schliesslich  der 
Tod  des  einzigartigen  Forschers  den  beabsichtigten  Ankauf 
des  ganzen  Hügels  und  die  geplante  Aufdeckung  des  Pala- 
stes vereitelt.  Nachdem  auch  ein  französischer  Plan  der  Aus- 
grabung gescheitert  war,  haben  k.  Evans  und  seine  Mitar- 
beiter die  Aufdeckung  in  die  Hand  genommen  und  mit  un- 
geahntem Erfolge  durchgeführt. 

Zur  Veranschaulichung  der  nachfolgenden  Darlegun- 
gen soll  ein  kleiner  Grundriss  von  Knossos  dienen,  der  nach 
dem  Plane  im  Ann.  of  B.  S.  1900-01  wiederholt  ist  und  den 
Zustand  der  Ausgrabung  nach  der  Campagne  von  1901  wie- 
dergibt (Abb.  1 ). 

Den  Mittelpunkt  des  Palastes  von  Knossos  bildet  ein 
grosser  rechteckiger  Hof  von  rund  25  m  zu  50  m  Seitenlänge, 


260 


W.    DORPFELD 


der  ringsherum  von  zahllosen  grossen  und  kleinen  Zimmern, 
Gängen  und  Treppen  umgeben  ist.  Der  Hauptzugang  zu  die- 
sem centralen  Hofe  scheint  an  der  Südseite  gelegen  zu  haben, 
doch   gestattet  die   Zerstörung   der   Mauern  an  dieser  Stelle 


Abb.   1.     Der  Palast  von  Kno.ssos. 


keine  sichere  Ergänzung.  Gegenüber  in  der  Mitte  der  Nord- 
seite des  Hofes,  wo  man  nach  den  Grundrissen  von  Tiryns 
und  Mykenai  den  grossen  Hauptsaal  des  Palastes,  das  Mega- 
ron,  erwarten  sollte,  befindet  sich  ein  Tor  mit  langem  Cor- 
ridor,   der  zu   einem   oder  mehreren    Nebenhöfen   mit  ihren 


KRETISCHE,   :\rVKEXISCHI-:   U.  HOMERISCHE   PALÄSTE       261 

Zimmern  führt.  An  der  Westseite  des  Mittelhofes  bilden  zahl- 
reiche Zimmer,  Kammern  und  Gäng-e  zunächst  einen  vStrei- 
fen  von  fast  25  m  Breite,  an  den  sich  als  weiterer  paralleler 
Streifen  die  lange  Reihe  der  Magazine  anschliesst,  die  mit 
ihren  grossen  Pithoi  und  merkwürdigen  Hohlräumen  im 
Fussboden  noch  jetzt  die  Bewunderung  aller  Besucher  erre- 
gen. Die  westliche  Abschlussmauer  der  Magazine,  mit  gros- 
sen Steinplatten  (Orthostaten)  verkleidet  und  mit  mehreren 
Vorsprüngen  versehen,  bildet  die  westliche  Aussenmauer  des 
Palastes.  An  sie  stösst  ein  geräumiger,  in  seinen  Abmessun- 
gen und  seiner  Bedeutung  noch  nicht  ganz  aufgeklärter  West- 
hof, der  durch  ein  einsäuliges  Torgebäude  an  seiner  Süd- 
seite und  durch  einen  sich  anschliessenden  Gang  mit  dem 
Palaste  und  seinem  Centralhofe  verbunden  war.  Auf  der  Ost- 
seite des  Mittelhofes  sind  mehrere  Zimmer,  Hallen,  Treppen 
und  Lichthöfe  aufgedeckt,  die  um  mehrere  Meter  tiefer  lie- 
gen als  der  Fussboden  der  grossen  Höfe.  Dass  hierüber  einst 
obere  Stockwerke  lagen,  die  zum  Teil  vom  mittleren  Hofe 
aus  direct  zugänglich  waren,  ist  an  den  erhaltenen  Treppen 
und  Mauern  noch  deutlich  zu  erkennen'. 

Unter  den  vielen  Räumen  des  Palastes  befinden  sich 
mehrere  Säle  von  bescheidenen  Abmessungen,  aber  kein  ein- 
ziger grosser  geräumiger  Hauptsaal,  wie  man  ihn  in  einem 
so  grossartigen  Palaste  hätte  erwarten  sollen.  Man  möchte 
ihn  daher  in  einem  der  zerstörten  Obergeschosse  suchen,  und 
in  der  Tat  hat  A.  Evans  neben  der  S.  W.-Ecke  des  INIittel- 
hofes  Reste  eines  grossen  Saales  entdeckt,  die  er  nach  Ana- 
logie eines  entsprechenden  Saales  in  Phaistos  als  Hauptsaal 
des  Palastes,  als  Megaron  ergänzt.  Dass  dort  wirklich  ein 
solcher  Saal  gelegen  hat,  scheint  auch  mir  höchst  wahr- 
scheinlich, doch  muss  hervorgehoben  werden,  dass  weder 
seine  Abmessungen  noch  seine  Gestalt  vollkommen  gesichert 
sind.  Ohne  das  Vorbild  von  Phaistos  würde  auch  A.  Evans 
kaum  die  von  ihm  vorgeschlagene  Ergänzung  {Aiuinal  of  B. 
S.  1902-03  S.  25)  zu  veröffentlichen  gewagt  haben.  Ich  muss 
das  betonen,  weil  der  sehr  fragliche  Plan  schon  als  gesicher- 
ter Grundriss  des  Megaron  von  Knossos  in  die  Handbücher 
der  Kunstgeschichte  aufgenonnnen  worden  ist  (vgl.  Springer- 


262  W.    DÖRPFELÜ 

Michaelis  Fig.  1  83).  Es  hätte  in  einem  solchen  Falle  minde- 
stens hinzugefügt  werden  müssen,  dass  es  sich  um  einen 
nicht  sicheren  Ergänzungsversuch  handelt. 

Es  bestehen  weiter,  wie  wir  später  sehen  werden,  berech- 
tigte Zweifel  über  die  Zugehörigkeit  dieses  ergänzten  Mega- 
ron  zu  demselben  alten  Palaste,  dem  der  centrale  Hof,  der 
Thronsaal,  die  tief  liegenden  östlichen  Zimmer  und  das  ein- 
säulige  Propylon  des  Westhofes  angehören.  Im  Palast  von 
Phaistos  ist  das  entsprechende  Megaron,  das  als  Vorbild  für 
die  Ergänzung  des  Megaron  von  Knossos  gedient  hat,  sicher 
ein  später  Zusatz  und  wurde,  wie  später  bewiesen  werden 
soll,  erst  nach  der  gründlichen  Zerstörung  des  älteren  Pala- 
stes über  den  verschütteten  Trümmern  erbaut. 

Schon  ein  flüchtiger  Blick  auf  den  auf  Tafel  X  wieder- 
gegebenen Grundriss  des  von  F.  Halbherr  und  seinen  Mitar- 
beitern entdeckten  und  ausgegrabenen  Palastes  von  Phaistos 
genügt,  um  jeden  von  der  grossen  allgemeinen  Übereinstim- 
mung mit  dem  Palaste  von  Knossos  zu  überzeugen.  Nicht 
nur  die  gleiche  Planbildung,  sondern  auch  ganz  ähnliche  Ab- 
messungen der  Höfe  vmd  Zimmer  liegen  vor.  Wir  finden  in 
Phaistos  denselben  grossen  länglichen  Centralhof  und  um 
ihn  herum  wiederum  zahlreiche  Zimmer,  zum  Teil  von  genau 
derselben  Gestalt  und  auch  von  derselben  Bauweise.  In  der 
Mitte  der  Nordseite  des  Hofes  mündet  ein  Corridor  wie  in 
Knossos,  dessen  Thür  hier  noch  seine  Einrahmung  von  Halb- 
säulen erkennen  lässt.  An  der  Südseite  kann  auch  hier  der 
Haüpteingang  zum  Hofe  gelegen  haben,  doch  ist  eine  sichere 
Entscheidung  hierüber  wegen  der  starken  Zerstörung  der 
Mauern  ebenso  wenig  möglich  wie  in  Knossos.  Westlich  vom 
Centralhofe  erkennen  wir  auch  in  Phaistos  in  einem  Ab- 
stände von  etwa  40  m  einen  gepflasterten  Aussenhof,  der 
wiederum  durch  ein  einsäuliges  Torgebäude  mit  dem  Inne- 
ren des  Palastes  in  Verbindung  steht.  In  ihm  glaubt  L.  Per- 
nier  neuerdings  {Mon.  a/if.  1905  S.  362)  den  Haupteingang 
zum  Palaste  erkennen  zu  müssen.  Ich  möchte  darin  lieber 
ein  Nebentor  sehen  und  denke  mir  den  Haupteingang  etwas 
stattlicher.  Endlich  bemerkt  man  unter  den  zahlreichen  Zim- 
mern  namentlich   an   der  Nordseite   des  Hofes  einigte  beson- 


KRirnSCIIE,   MYKENISCIIF,    V.  HOMERISCHI':   I'ALÄSTF.      263 

ders  charakteristische  Räume,  wie  die  später  nocli  zu  l)espre- 
cheuden  peripteralen  Säle  und  uierkwürdigen  Badezimmer, 
die  beide  fast  in  gleicher  Cxcstalt  in  allen  altkretischen  Palä- 
sten wiederkehren. 

Neben  diesen  Übereinstimmunj^en  fallen  uns  aber  bald 
auch  einige  nicht  unbedeutende  Unterschiede  auf.  So  ist  der 
IMittelhof  in  Phaistos  auf  zwei  Seiten  von  Säulenhallen  ein- 
gefasst,  die  in  Knossos  nicht  vorkommen.  Aber  dieser  Unter- 
schied scheint  ursprünglich  nicht  bestanden  zu  haben,  weil 
auch  in  Knossos  an  der  Westseite  des  Hofes  Reste  vorhan- 
den sind,  die  auf  das  ehemalige  Vorhandensein  solcher  Hal- 
len hinweisen  (vgl.  Aninial  of  B.  .S'.l  903-04  X  Tafel  I);  auch  an 
der  Ostseite  des  Hofes  scheinen  parallele  Mauern  bestanden 
zu  haben,  deren  Fundamente  trotz  der  grossen  Zerstörung 
vermutlich  durch  weitere  Grabungen  noch  aufzufinden  sind. 
Ein  wirklicher  und  wichtiger  Unterschied  ist  aber  in  dem 
zwischen  den  beiden  Höfen  liegenden  Teile  der  Paläste  zu 
erkennen.  In  Phaistos  haben  wir  an  der  Ostseite  des  west- 
lichen Hofes,  wo  in  Knossos  die  vielen  langen  Magazine  lie- 
gen, zunächst  eine  1  m  hohe  Terrasse  (5  in  unserem  Plane 
auf  Tafel  X)  und  daran  anstossend  im  nördlichen  Teile  eine 
Freitreppe  (66),  die  zu  einem  grossen  Megaron  (69)  führt,  und 
im  südlichen  Teile  zwei  Reihen  von  Magazinen  mit  einem 
mittleren  Corridor  (26).  An  der  Nordseite  des  Hofes  sehen 
wir  weiter  neben  der  Terrasse  eine  grossartige  30  m  breite 
Freitreppe  (4),  die  oben  mit  einer  Mauer  abgeschlossen  ist, 
und  an  ihrem  östlichen  Ende  eine  schmälere,  von  der  Ter- 
rasse ausgehende  Treppe  (6),  die  zu  einem  höheren  Hofe  hin- 
aufführt. Von  all  diesen  Anlagen  ist  in  Knossos  unmittelbar 
an  dem  Westhofe  nicht  das  Geringste  zu  bemerken. 

Die  Bedeutung  dieses  Unterschiedes  wird  uns  klar  wer- 
den, sobald  wir  den  Zweck  der  erhöhten  Terrasse  (5)  und  der 
an  sie  angebauten  kleinen  Kammern  (2)  zu  ermitteln  suchen. 
Bisher  hielt  man  den  ganzen  Westhof  mit  den  anstossendcn 
Treppen  und  Terrassen  für  eine  einheitliche  x\nlage,  für  ein 
Theater  oder  Telesterion,  und  glaubte  in  den  Kammern  (2) 
einen  Altar  erkennen  zu  dürfen,  der  den  Mittelpunkt  dieses 
grossen    Festplatzes    gebildet  habe.    Von   der  erhöhten  Ter- 


264  W.    DÖRPFELD 

rasse  («S)  und  von  den  Freitreppen  herab  sollte  eine  grosse 
Festversammlung  der  Opferhandlung  zugeschaut  haben.  Bei 
dieser  Erklärung  hatte  man  aber  weder  die  ungünstige  Lage 
noch  die  schlechte  Bauart  des  vermeinlichen  Altars  genügend 
beachtet;  auch  scheint  man  sich  die  Frage  nicht  vorgelegt 
zu  haben,  wie  die  Zuschauer  von  dem  unteren  Boden  des 
Hofes  auf  die  Terrasse  gelangen  konnten,  und  wie  überhaupt 
die  Freitreppe  des  Megaron  vom  Hofe  aus  zu  erreichen  war. 
Beim  Studium  der  Ruinen  selbst  konnte  ich  mich  und 
andere  leicht  davon  überzeugen,  dass  die  erhaltenen  Reste 
nicht  richtig  erklärt  wurden.  Als  Teile  eines  einzigen  Pala- 
stes und  als  gleichzeitige  Anlagen  wurden  hier  Bauteile  an- 
gesehen, die  nichts  mit  einander  zu  tun  haben  und  gar  nicht 
einmal  gleichzeitig  sichtbar  gewesen  sind.  Es  liegen  hier  zwei 
verschiedene  alte  Bauanlagen  vor,  die  auf  unserer  Tafel  X 
durch  rote  und  schwarze  Farbe  geschieden  sind.  Die  grosse 
Freitreppe  (4)  an  der  Nordseite  des  Hofes  und  die  erhöhte 
Terrasse  (5)  an  seiner  Ostseite  gehören  einschliesslich  des 
vermeintlichen  Altars  (2)  und  des  einsäuligen  Propylon  (3)  zu 
einem  älteren  Palaste,  der  zerstört  und  mit  Schutt  und  einer 
harten  Mörtelschicht  überdeckt  war,  bevor  der  neuere  Palast 
erbaut  wurde.  Zu  dieser  neueren  Anlage  gehören  in  erster 
Linie  die  zum  Megaron  führende  Freitreppe  (66),  das  Mega- 
ron selbst  (69)  mit  seiner  Vorhalle  (68),  die  südlich  anstossen- 
den  Magazine  (27-37),  der  breite  Durchgang  (7)  und  die  hohe 
Treppe  (6).  Die  harte  Betonschicht,  welche  die  älteren  Bau- 
reste überdeckte  und  ganz  unsichtbar  machte,  bildete  den 
P\issboden  des  neuen  grossen  Hofes,  der  sich  von  dem  jün- 
geren Megaron  über  die  vermeintliche  Terrasse  und  den  ver- 
meintlichen Altar  hinweg  nach  Westen  ausdehnte  und  den 
ganzen  älteren  Westhof  (1)  und  seine  grosse  Treppe  (4)  ein- 
nahm. Heute  sind  von  dieser  Schicht,  die  von  den  Italienern 
als  ein  «strato  ditrissiii/o  di  calcc  c  di  sassi  bezeichnet  wird, 
noch  grössere  Stücke  als  Fussboden  der  Terrasse  >  und 
kleine  Reste  über  dem  «Altare  erhalten.  Ihre  Fortsetzung 
über  dem  älteren  Westhofe  (1)  ist  bei  der  Ausgrabung  ganz 
entfernt  worden,  damit  das  Pflaster  dieses  Hofes  und  die 
ältere  Freitreppe  (4)  ganz  aufgedeckt  werden  könnten. 


KRETISCHE,   ^rVKEXISCHE    V.  IIO:yiER  ISCHI'    I'ALÄSTE       265 

Vor  der  Herstelkin.^-  dieser  Schicht  und  Nor  der  Zerstö- 
rung des  alten  Palastes  bildete  die  jetzt  nur  1  ni  liohc  West- 
wand der  Terrasse:  den  Sockel  der  hohen  Aussenwand  des 
älteren  Palastes.  Ihre  hochkantigen  Platten  aus  (ripsstein 
zeigen  auch  wirklich  dieselbe  vorzügliche  Technik  und  das- 
selbe Material  wie  der  Sockel  der  entsprechenden  Aussen- 
wand des  Palastes  von  Knossos;  auch  die  gleichen  rechtwink- 
ligen Vorsprünge  kommen  hier  wie  dort  vor.  Eine  nur  I  ni 
hohe  Terrasse  hat  also  niemals  hier  existiert.  Wie  zu  erwar- 
ten war,  hat  F.  Halbherr  bei  neueren  Grabungen  innerhalb 
der  Terrasse  die  Unterteile  mehrerer  IMagazine  entdeckt,  die 
einst,  ebenso  wie  in  Knossos,  den  westlichsten  Teil  des  alten 
Palastes  einnahmen  (vgl.  Mriiiorie  del  R.  Istifuto  Loiiilxirdo 
XXI  S.  252).  Auch  der  vermeintliche  Altar  hat  in  Wirklich- 
keit als  solcher  nicht  existiert,  sondern  seine  Mauern  sind  die 
unteren  Reste  von  ein  paar  kleinen  Kammern,  die  nach  We- 
sten an  die  Magazine  des  älteren  Palastes  angebaut  waren. 
Sie  sind  ebenso  wie  diese  Magazine  selbst  bis  auf  den  1  m 
hohen  Unterteil  ihrer  Mauern,  der  unter  dem  neuen  Pu.ssbo- 
den  verschwand,  gänzlich  zerstört  worden.  In  seiner  neuesten 
Publikation  über  Phaistos  {Moii.  auf.  1  Qü5  S.  339)  hat  L.  Pernier 
den  Sachverhalt  genau  dargestellt  und  auch  die  richtigen 
Schlüsse  daraus  gezogen.  Nur  darin  kann  ich  ihm  nicht  zu- 
stimmen, dass  er  den  oberen  Teil  der  Treppe  4  auch  in  der 
jüngeren  Periode  sichtbar  sein  lässt.  Ich  denke  mir  die  ganze 
Treppe  überdeckt. 

Ergibt  sich  schon  hieraus,  dass  wir  es  in  Phaistos  mit 
zwei  verschiedenen  übereinander  liegenden  Palästen  zu  tun 
haben,  so  wird  diese  Erkenntnis  bestätigt  durch  eine  sorg- 
fältige Untersuchung  und  Sonderung  aller  jüngeren  und  älte- 
ren Bauteile  des  ganzen  Palastes.  Bei  dieser  Arbeit  stossen 
wir  auf  einige  Tatsachen,  aus  denen  die  italienischen  Archäo- 
logen schon  früher  das  Vorhandensein  der  zwei  verschiede- 
nen Paläste  richtig  erschlossen  hatten,  ohne  ihre  Scheidung 
ganz  durchzuführen  (vgl.  z.  B.  L.  Pernier  Rriidic.  1902,  551  ff.). 

Zu  dem  älteren  Palaste  gehören  zunächst  der  ganze  mit 
unregelmässigen  Platten  gepflasterte  Westhof  ( 1 )  und  der 
aus  grossen  rechteckigen  Steinen  bestehende  Weg,   der  den 


266  W,    DORPFELD 

Hof  diagonal  durchschneidet  und  wohl  nach  Analogie  des 
Palastes  von  El  Amarna  als  Königsweg  bezeichnet  werden 
darf;  ferner  die  grosse  Freitreppe  (4),  durch  die  der  etwas  er- 
höhte Königsweg  mit  besonderen  Stufen  hindurchführt.  Da 
diese  Treppe  in  ihrer  ganzen  Länge  oben  mit  einer  Mauer 
abschliesst,  die  niemals,  soweit  es  jetzt  noch  zu  erkennen  ist, 
eine  Türöffnung  enthalten  hat,  so  müssen  die  niedrigen  und 
breiten  Stufen  der  Treppe  als  Sitzstufen  eines  Zuschauerrau- 
mes gelten,  wie  solche  in  späterer  Zeit  zum  Beispiel  im  Tele- 
sterion  von  Eleusis  vorkommen.  Die  italienischen  Archäo- 
logen haben  also  die  Treppe  4  schon  früher  mit  Recht  als 
Theatron  bezeichnet.  Meine  Vermutung,  dass  es  sich  um  den 
Hauptaufgang  zum  Palast  handeln  könne,  ist  durch  die  wei- 
tere Grabung  widerlegt  worden. 

Nach  S.  O.  führt  der  Königsweg  zu  dem  schon  erwähn- 
ten einsäuligen  Propylon  (3),  das  mithin  auch  zum  älteren 
Bau  gehören  muss.  Dies  wird  bestätigt  durch  die  Tatsache, 
dass  der  nach  Osten  umbiegende  und  zum  Centralhof  anstei- 
gende Plattenweg  jetzt  östlich  vom  Propylon  unter  den  jün- 
geren Mauern  verschwindet  und  daher  zur  Zeit  des  jüngeren 
Palastes  nicht  mehr  sichtbar  gewesen  sein  kann.  Zum  älteren 
Bau  gehören  ferner  die  Magazine  und  sonstigen  Räume,  die 
unter  dem  Fussboden  der  «Terrasse»  liegen  und  nur  zum 
Teil  von  den  Italienern  aufgedeckt  sind.  Auch  der  grosse 
mittlere  Säulenhof  selbst  und  mehrere  der  Räume  im  Norden, 
Osten  und  Westen  dieses  Hofes  werden  wohl  dem  älteren 
Palaste  zugeteilt  werden  müssen,  doch  wage  ich  hier  nicht 
mit  Bestimmtheit  zwischen  den  beiden  Perioden  zu  unter- 
scheiden, weil  ich  selbst  den  ganzen  Palast  an  Ort  und  Stelle 
nicht  genügend  untersucht  habe.  Bei  der  Säulenhalle  des 
mittleren  Hofes  scheint  mir  namentlich  der  an  der  Ostseite 
vorkommende  regelmässige  Wechsel  von  starken  viereckigen 
Pfeilern  und  dünneren  runden  Säulen  gut  zur  älteren  Anlage 
zu  passen,  weil  derselbe  Wechsel  auch  in  anderen  altkreti- 
schen Bauwerken  vorkommt,  so  z.  B.  in  Gurnia  {lyansactions 

Univ.  ofPensylv.  1  9Ü4  PI.  1)  und  Heleia-Palaikastro  i^BSA  IX 
PI.  VI).   An  der  Westseite  wird  dann  der  jetzige  Zustand  aus 

der  jüngeren  Zeit  stammen. 


KRETISCHE,  MYKENISCHE   U.  ITOME.RrSCiri':   l'ALÄSTIC       2()1 

Zum  jünoeren  Palaste  dürfen  wir  mit  vSiclierlieit  rechnen 
das  Megaron  (69),  seine  Vorhalle  (68)  und  seine  Freitreppe  (66), 
ferner  den  Corridor  (26)  mit  den  beiderseits  anstossenden 
Magazinen.  Auch  der  spätere  Hauptzugang  (7)  zum  Central- 
hofe  und  der  Raum  25  stanmien  aus  der  jüngeren  Epoclie 
(vgl.  ÄIoiL  auf.  1905,  S.  356).  Sicher  gehören  ferner  zum  jün- 
geren Palaste  die  Treppe  (6)  und  die  nach  Westen  sich  an- 
schliessende jüngere  Stützmauer,  die  jetzt  von  den  Italienern 
wiederaufgebaut  ist. 

Haben  wir  einmal  die  verschiedenen  alten  Bauteile  geson- 
dert, so  bemerken  wir  bald,  dass  auch  ihre  Bauweise  bemer- 
kenswerte Unterschiede  aufweist  und  somit  auch  als  Merk- 
mal für  die  Zuteilung  der  einzelnen  Mauern  zum  älteren  und 
jüngeren  Palast  verwendet  werden  kann.  So  bestehen  die 
älteren  Aussenmauern  aus  grossen  hochkantigen  Platten 
(Orthostaten)  von  Gipsstein,  die  sehr  sorgfältig  an  einander 
gefügt  und  mit  kleinen  Steinen  hintermauert  sind.  Die  jün- 
geren Aussenmauern  dagegen,  wie  diejenigen  des  grossen 
Megaron  und  der  Magazine,  enthalten  keine  Orthostaten,  son- 
dern nur  gewöhnliche  rechteckige  Quadern  aus  Porös,  deren 
Lagerfugen  vielfach  zur  Ausgleichung  der  verschiedenen 
vSchichthöhen  mit  sehr  kleinen  plattenförmigen  Steinchen 
ausgefüllt  sind.  Die  grossen  Quadern  der  jüngeren  Mauern 
sclieinen  meist  älteren  zerstörten  Mauern  entnommen  zu  sein, 
an  einigen  Steinen  ist  das  schon  von  den  Italienern  an  den 
Steinmetz-Zeichen  erkannt  worden.  Bei  den  Innenmauern  ist 
dagegen  der  Unterschied  der  Bauweise  nicht  so  augenfällig. 
In  beiden  Palästen  bestehen  die  meisten  Zimmerwände  aus 
kleinen  unregelmässigen  Steinen  mit  Erdmörtel,  nur  die  Mau- 
ern der  grösseren  und  kleineren  Höfe  sind  aus  Quadern  er- 
baut, doch  scheinen  auch  diese  Quadern  des  jüngeren  Pala- 
stes meist  zum  zweiten  Male  verwendet  zu  sein  und  aus  dem 
älteren  Palaste  zu  stammen.  Soviel  ich  gesehen  habe,  kommt 
die  Verkleidung  der  Wände  mit  dünnen  Gipsplatten  nur  im 
älteren  Palaste  vor.  Die  Zugehörigkeit  der  Innenmauern  zum 
älteren  oder  jüngeren  Palaste  kann  jedoch  nicht  ohne  genau- 
eres Studium,  als  es  mir  möglich  war,  entschieden  werden. 
In  unserem  Plane  habe  ich  nur  diejenigen  Mauern  mit  roter 


268  W.    DÖRPFELD 

Farbe  bezeichnet,  die  sicher  aus  der  jüngeren  Epoche  stam- 
men. Nur  im  westlichen  Teile  ist  die  Trennung  durchgeführt. 
Die  weissen  Mauern  im  südwestlichen  Teile  des  Palastes  ge- 
hören 7Ai  einem  Bau  aus  klassischer  Zeit. 

Dass  endlich  auch  die  Kleinfunde,  die  innerhalb  der  ein- 
zelnen Räume  zum  Vorschein  kamen,  und  namentlich  die 
Topfware,  eine  Scheidung  zwischen  einem  älteren  und  einem 
jüngeren  Palast  von  Phaistos  ermöglichen  und  so  unser  Re- 
sultat bestätigen,  haben  die  italienischen  Archäologen  schon 
öfter  dargelegt  (zuletzt  F.  Halbherr  in  den  Mni/on'e  dcl  R. 
Istituto  Lornbardo  1905  S.  252  und  L.  Pernier  in  den  Moti.  auf. 
19U5  S.  342  und  446).  In  dem  älteren  Palast  wurden  unter 
dem  jüngeren  Fussboden  nur  solche  V^asen  gefunden,  die  von 
den  Italienern  als  Kamares -Ware  oder  als  vormykenisch  be- 
zeichnet wurden,  während  sie  von  Evans  seiner  mittleren 
minoischen  Periode  zugeteilt  werden.  Es  scheinen  aber  auch 
noch  Vasen  der  spät-minoischen  Periode  unter  dem  jüngeren 
Fussboden  gefunden  zu  sein  {Alan.  aiit.  1  905  S.  460  f.).  Da  die 
Bestimmung  der  genauen  Grenze  zwischen  der  Topfware  der 
beiden  Paläste  von  grosser  Wichtigkeit  ist,  wird  es  jeder  mit 
Freude  begrüssen,  dass  die  Italiener,  wie  sie  öffentlich  erklärt 
haben,  noch  vor  der  definitiven  Publikation  die  ganze  Ter- 
rasse» und  auch  noch  mehrere  andere  Räume  des  alten  Pala- 
stes ausgraben  wollen. 

Während  hiernach  die  Scheidung  der  beiden  Paläste  in 
Phaistos  keine  ernstlichen  Schwierigkeiten  bereitet  und  sich 
mit  der  Zeit  gewiss  genau  durchführen  lassen  wird,  ist  sie  in 
Knossos  nicht  so  leicht  vorzunehmen.  Dass  aber  auch  hier 
die  den  beiden  Epochen  von  Phaistos  entsprechenden  Palast- 
formen nachgewiesen  sind,  wurde  oben  schon  dargelegt. 
Der  jüngere,  höher  gelegene  Palast  ist  in  Knossos  nur  in 
geringen  Resten  erhalten  und  daher  nicht  mehr  gut  zu  er- 
kennen. Dazu  kommt,  dass  der  ältere  Palast  von  Knossos 
während  seines  Bestehens  schon  mehrere  Veränderungen  und 
Umbauten  erfahren  zu  haben  scheint,  von  denen  wir  in  Phai- 
stos nichts  bemerken.  Erst  wenn  die  Engländer  einen  Plan 
veröffentlichen,  in  dem  die  verschieden  gebauten  Mauern 
durch  Farben  oder  andere  Mittel  deutlich  unterschieden  sind, 


KRETISCHE,   MYKENISCHE  U.  HOMERISCHE   PALÄSTE       269 

wird  auch  demjenigen,  der  Knossos  nur  wenige  vStunden  oder 
gar  nicht  besucht  hat,  ein  genaueres  Studium  der  Entwick- 
kuig  des  Palastes  möglich  sein.  Aus  den  bisher  veröffent- 
lichten Plänen  und  Berichten  von  A.  Evans  {A)iuual  of.  B.  S. 
1902-03  IX  25  ff.)  und  von  D.  Mackenzie  {JUS  1903,  157  ff.) 
ist  schon  zu  entnehmen,  dass  eine  gründliche  Zerstfirung  des 
Palastes  während  der  spät-minoischen  Zeit  erfolgt  ist,  und 
dass  dann  unter  teilweiser  Benutzung  der  alten  Mauern  ein 
Wiederaufbau  stattgefunden  hat.  Zu  dem  älteren  Palaste 
rechne  ich  den  Westhof,  mit  seinem  einsäuligen  Propylon, 
die  zahlreichen  Magazine  mit  ihrem  gemeinsamen  Gang,  fer- 
ner den  grossen  Mittelhof  mit  den  meisten  der  ihn  umge- 
benden Räume,  namentlich  mit  den  Sälen,  Treppen  und 
Lichthöfen  an  seiner  Ostseite.  Dem  jüngeren  Palaste  glaube 
ich  von  den  fast  ganz  zerstörten  Räumen  des  westlichen 
Obergeschosses  namentlich  die  neben  der  S.  W.  Ecke  des 
Centralhofes  gelegenen  Anlagen  zuteilen  zu  dürfen,  nämlich 
das  «Süd- Propylon»,  den  «Altar-Hof  >  und  das  ergänzte  «Me- 
garon».  Hierzu  berechtigt  mich  einerseits  die  abweichende 
Höhenlage  dieser  Bauteile  und  andrerseits  der  Umstand,  dass 
die  grosse  Regelmässigkeit  des  älteren  Palastes  gerade  an 
dieser  Stelle  offenbar  durch  die  späteren  Mauern  gestört  ist. 
Man  wird  annehmen  dürfen,  dass  der  Westhof  und  sein  Pro- 
pylon ursprünglich  mit  dem  Haupthofe  eine  directe,  hori- 
zontale Verbindung  hatten,  die  jetzt  durch  das  höher  gele- 
gene Süd -Propylon  und  das  Megaron  gestört  ist.  Auch  wird 
der  lange  Gang  neben  den  Magazinen  ursprünglich,  bevor 
die  Westwand  des  Megaron  bestand,  wohl  in  derselben  Breite 
weiter  nach  Süden  gereicht  haben.  Welche  Teile  des  älteren 
Palastes  in  der  jüngeren  Periode  wieder  benutzt  worden  sind, 
wage  ich  ohne  genaues  Studium  an  Ort  und  Stelle  nicht  zu 
entscheiden.  So  scheint  es  mir  fraglich,  ob  das  westliche  Pro- 
pylon in  der  jüngeren  Periode  benutzt  wurde,  oder,  wie  in 
Phaistos,  schon  verschüttet  war.  Dass  solche  Wiederbenutzun- 
gen vorgekommen  sind,  zeigen  schon  jetzt  die  von  A.  Evans 
veröffentlichten  Durchschnitte  {Annual  of  B.  S.  1 902-03  S.  26  f.). 
Genauere  Angaben  hierüber  dürfen  wir  gewiss  später  von 
den   englischen  Archäologen  erwarten.   Dass  das  von  Evans 

ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX  1  8 


270 


W.    DORPFELD 


ergänzte  «Megaron»  mit  den  ihm  benachbarten  Anlagen  ohne 
Bedenken  dem  jüngeren  Palaste  zugeteilt  werden  darf,  lehren 
aufs  Bestimmteste  die  Beobachtungen  in  Phaistos,  wo  das 
ganz  ähnliche  Megaron  mit  Sicherheit  dem  Neubau  nach  der 
Zerstörung  des  älteren  Palastes  zugewiesen  werden  musste. 
Eine  Bestätigung  unseres  Resultates  bietet  endlich  auch 
der  dritte  grosse  Palast  in  Kreta,  der  von  Hagia  Triada,  des- 


Abb.  2.     Der  Palast  von  Hagia  Triada. 


sen  Plan  jetzt  von  F.  Halbherr  in  den  Menwric  dcl  R.  Istituto 
LoDihardo  1905  Tafel  I  veröffentlicht  ist.  Darnach  ist  unsere 
Abb.  2  wiederholt.  Die  ältere  Anlage  zeigt  hier  ganz  die- 
selben Einzelräume  wie  in  den  beiden  anderen  Palästen,  es 
fehlt  aber  der  centrale  Hof,  der  vermutlich  ganz  zerstört  ist 
und  nach  dem  Urteile  der  italienischen  Archäologen  auf  dem 
etwas  höheren  Niveau  gelegen  hat,  wo  jetzt  die  kleine  Kir- 
che steht.    Auch  hier  ist  über  den  zerstörten,  aber  zum  Teil 


KRETlSCin:,    MVKENISCHE   V.  HOMERISCHE  PALÄSTE      271 

noch  gut  erhaltenen  Räumen  des  älteren  Palastes  eine  jün- 
gere Anlage  gebaut,  die  allerdings  nicht  einheitlich  zu  sein 
scheint.  Denn  unter  den  jüngeren  Mauern  gibt  es  nicht  nur 
solche  (z.  B.  29-31  und  3.5-37),  die  in  ihrer  guten  Ouadercon- 
struction  mit  dem  Megaron  von  Phaistos  übereinstimmen  und 
mit  diesem  gleichzeitig  sein  werden,  sondern  auch  Mauern 
aus  unregelmässigen  Steinen  (12-19),  die  wegen  ihres  Grund- 
risses möglicherweise  die  Fundamente  eines  grossen  griechi- 
schen Tempels  (Amphiprostylos)  sein  können.  Doch  rechnet 
F.  Halbherr  wegen  der  Einzelfunde  auch  diese  starken  Fun- 
damentmauern zum  jüngeren  mykenischen  Palaste.  Wie  dem 
aber  auch  sein  mag,  an  dem  Vorhandensein  eines  älteren 
Palastes  und  an  der  Errichtung  eines  jüngeren  Palastes  über 
den  verbrannten  Trümmern  des  älteren  lassen  die  Reste  von 
Hagia  Triada  auch  nicht  den  geringsten  Zweifel.  Auch  der 
Zeitpunkt  der  Zerstörung  des  älteren  Baues  ist  durch  die 
zahlreichen  Funde  genügend  fixiert.  In  den  unteren  ver- 
brannten Trümmern  finden  sich  die  Vasen  der  Kamares -Art 
und  die  älteren  mykenischen,  während  in  den  jüngeren  Anla- 
gen nur  die  spätere  mykenische  Topfware  vorkommt  (F.  Halb- 
herr a.  a.  O.  S.  244).  Auch  A.  Evans  rechnet  den  älteren  Palast 
von  H.  Triada  zu  seiner  Periode  «spät-minoisch  I». 

Fassen  wir  unsere  bisherigen  Beobachtungen  über  die 
Paläste  Kretas  zusammen,  so  ergibt  sich,  dass  an  allen  drei 
Orten  in  der  älteren  Zeit  grosse  gleichmässig  gebaute  Palä- 
ste bestanden  haben,  deren  Grundrisse  von  den  Palastplänen 
von  Tiryns  und  Mykenai  weit  abweichen.  Sie  enthalten  keine 
grossen  Säle,  sondern  zahllose  Zimmer,  Hallen,  Corridore  und 
Treppen,  die  sich  um  einen  grossen  centralen  Hof  gruppie- 
ren. Nachdem  sie  eine  gründliche  Zerstörung  erfahren  hat- 
ten, sind  oben  über  den  Trümmern  der  verbrannten  und 
samt  ihrem  Inhalte  verschütteten  Paläste  neue  Herrensitze 
erbaut  worden.  Im  Grundriss  und  in  der  Technik  weichen 
diese  neuen  Anlagen  von  den  älteren  ab.  Ihr  Mittelpunkt 
scheint  ein  grosses  Megaron,  ein  geräumiger  Saal  mit  Vor- 
halle, gewesen  zu  sein,  das  in  Phaistos  besonders  gut  erhalten 
ist  und  sich  dort  gegen   den  alten  Westhof  öffnet.   Auch  die- 


272  \V.    DÖRPFELD 

ser  jüngere  Palast  wurde  wieder  zerstört.  Einige  Bauten  aus 
klassisch  griechischer  Zeit  sind  darüber  oder  daneben  errich- 
tet worden.  Bevor  wir  nun  diese  älteren  und  jüngeren  kreti- 
schen Palastanlagen  mit  den  niykenischen  und  den  homeri- 
schen Palästen  vergleichen,  verdienen  noch  diejenigen  Räume 
der  kretischen  Paläste  etwas  näher  betrachtet  zu  werden,  die 
für  jede  der  beiden  Perioden  besonders  charakteristisch  sind, 
nämlich  der  sogenannte  Pfeiler-Saal,  das  Badezimmer  und 
das  einsäulige  Propylon  des  älteren  Palastes  und  das  grosse 
Megaron  der  jüngeren  Anlage. 

Der  sogenannte  Pfeilersaal  kommt  in  allen  kretischen 
Palästen  vor  und  ist  ein  Raum,  dessen  Wände  auf  mehreren 
Seiten  nur  aus  Türen  und  dünnen  Zwischenpfeilern  beste- 
hen und  der  mit  Säulenhallen  umgeben  ist.  Er  wird  zuweilen 
als  Atrium  oder  Hof,  also  als  ein  nur  wenig  oder  gar  nicht 
bedeckter  Raum  aufgefasst,  und  die  anstossende  Halle  wird 
dann  als  Saal  mit  Innensäulen  bezeichnet.  Diese  Auffa.ssung 
des  Saales  und  seiner  Nachbarräume  halte  ich  nicht  für  rich- 
tig. Hölzerne  Türen  dürfen  im  Orient  nicht  so  angebracht 
werden,  dass  sie  den  zerstörenden  Wechselwirkungen  der 
vSonne  und  des  Regens  direkt  ausgesetzt  sind.  Liegen  sie  in 
der  Aussenwand  des  Hauses  oder  Hofes,  so  müssen  sie  durch 
vorstehende  Dächer  oder  vorgelegte  Hallen  geschützt  wer- 
den. So  sind  die  ursprünglich  einfachen  Hoftüren  mit  Vor- 
dächern und  Vorhallen  ausgestattet  worden  und  zu  Torge- 
bäuden (Propylaien)  geworden.  So  haben  auch  die  Megara 
der  Paläste  und  die  Tempel  ihre  Vorhallen  erhalten.  Wenn 
wir  nun  sehen,  dass  die  ganz  aus  Türen  bestehenden  Wände 
unserer  Pfeilersäle  nach  der  einen  Seite  regelmässig  durch 
eine  Halle  geschützt  sind,  so  müssen  wir  schliessen,  dass  die 
andere  Seite  keines  solchen  Schutzes  bedurfte,  weil  sie  nach 
innen  gerichtet  ist.  Der  mittlere  Pfeilersaal  war  also  bedeckt. 
In  den  Abbildungen  3  und  4  sind  zwei  Pfeilersäle  aus  Knos- 
sos  und  Phaistos  abgebildet,  jener  mit  3,  dieser  mit  2  Tür- 
wänden. Auch  in  Hag.  Triada  ist  ein  Saal  (8)  mit  zwei  Tür- 
wänden. Bei  allen  dreien  finden  wir  vor  den  Türen  des  mitt- 
leren Saales  (A)  jedesmal  Vorhallen  (B)  und  müssen  des- 
halb die  anstossenden  Räume  (C)  als  offene  Höfe  annehmen, 


KRETISCHE,    M  VKI-:XISCIIIC    T.   I  K  )M  IvR  ISC  IlIC    l'AEÄSTE       21  ?> 

durch  die  den  Vorhallen  und  so  auch  dem  Innensaal  Luft 
und  Licht  zugeführt  wurden.  Wäre  A  ein  Atrium  oder  ein 
offener  Hof  gewesen,  wie  vielfach  angenonnnen  wird,  so  hät- 


20  M. 


Abb.   3.     Pfeilersaal  in  Knossos. 


ten  die  Vorhallen  auf  der  inneren  Seite  der  Türwände,  also 
im  Innern  von  A  sein  müssen.  In  unseren  Zeichnungen  ist 
der  überdeckte  Innenraum  (A)  weiss  geblieben  und  durch  ein 


5 
Abb.  4 


10  15  20  M. 

Pfeilersaal  in  Phaistos. 


Kreuz  hervorgehoben,  die  Vorhallen  (B)  sind  einfach  schraf- 
fiert imd  die  offenen  Höfe  (C)  haben  eine  kreuzweise  Schraf- 
fur  erhalten. 


274  W.    DÖRPFELD 

Eine  Bestätigung  für  diese  Auffassung  der  Pfeilersäle  als 
bedeckter,  von  Hallen  umgebener,  also  peripteraler  Säle  lie- 
fert die  reiche  Ausstattung  ihrer  Wände  und  Fussböden  im 
Verhältnis  zu  denen  der  Hallen  und  Höfe;  der  Saal  A  hat 
in  Phaistos  als  wichtigster  centraler  Raum  eine  Wandverklei- 
dung und  einen  besonders  reichen  Fussböden  (vgl.  L.  Pernier 
Rcndic.  1903,  S.  517  und  Mon.  ant.  1905,  S.  380). 

Den  Ursprung  dieser  peripteralen  Säle  glaube  ich  in 
dem  einfachen  Zelte  erkennen  zu  dürfen,  dessen  einzelne 
Wände  aufgeklappt  werden  konnten,  um  als  schattengebende 
Vordächer  zu  dienen.  So  wurde  die  Sonne  vom  Innern  des 
Zeltes  abgehalten  und  nur  der  kühlende  Wind  zugelassen. 
Beim  festen  Hause  erreichte  man  dasselbe,  wenn  die  Zimmer- 
wände ganz  in  Türen  aufgelöst  und  vor  ihnen  bedeckte 
Hallen  angelegt  wurden.  Ausserhalb  Kretas  ist  mir  nur  ein 
Beispiel  einer  ganz  durchbrochenen  Türwand  bekannt,  näm- 
lich die  vordere  Wand  des  Vorsaales  des  Megaron  von  Tiryns; 
sie  besteht  aus  drei  Türen  und  vier  schmalen  Pfeilern,  und 
vor  ihr  fehlt  auch  die  schützende  Vorhalle  nicht.  Nachdem 
jetzt  in  allen  altkretischen  Palästen  Beispiele  solcher  Pfeiler- 
säle vorkommen,  wissen  wir,  woher  der  Erbauer  von  Tiryns 
diese  Anordnung  genommen  hat.  In  den  jüngeren  Palästen 
Kretas  kommen  sie  bisher  noch  nicht  vor,  denn  die  vorhan- 
denen Säle  dieser  Art  scheinen  überall  den  älteren  Palästen 
anzugehören. 

Aus  dem  Zelt  oder  festen  Hause,  das  auf  allen  Seiten 
mit  Hallen  umgeben  war,  konnte  sich,  wie  hier  nur  nebenbei 
angedeutet  werden  mag,  leicht  der  peripterale  Tempel  ent- 
wickeln, doch  sind  Reste  eines  solchen  unter  den  vielen  kre- 
tischen Bauten  bisher  noch  nicht  gefunden  worden. 

Welchen  Zweck  die  peripteralen  Pfeilersäle  gehabt  ha- 
ben, lässt  sich  meines  Wissens  noch  nicht  mit  Sicherheit 
sagen,  vermutlich  waren  es  Wohnräume  oder  Megara.  Ob  die 
von  uns  abgebildeten  vSäle  von  Knossos  und  Phaistos  wirk- 
lich zur  Frauenwohnung  gehörten,  wie  die  Engländer  und 
Italiener  annehmen,  wage  ich  nicht  zu  sagen.  Da  sich  auch 
im  Obergeschoss  solche  Säle  befanden  —  wenigstens  sind  in 
Knossos  Reste  von  ihnen  nachzuweisen — ,  möchte  man  lieber 


KRETISCHE,   :MYKEN1SCIIF.    V.   I  lOM  ICR  ISCI  HC    RAI-ÄSTIC       27  S 

in  diesen  Hyperoa  die  Wolm-  und  Schlafnhmie  für  Frauen 
und  Kinder  erkennen.  Doch  niögen  auch  die  unteren  Räume 
zur  Frauenwohnung-  o;ehört  haben. 

Ebenso  charakteristisch  wie  die  peripteralen  Pfeilersäle 
sind  für  die  kretischen  Paläste  die  Badezimmer,  deren  es  in 
Knossos  und  Phaistos  mehrere  gibt.  Sie  scheinen  sämtlich 
der  älteren  Periode  anzugehören,  .sind  aber  vielleicht  in  den 
jüngeren  Palästen  zum  Teil  noch  benutzt  worden.  Abb.  5 
zeigt  den  Grundriss  des  Badezinnners  neben  dem  Pfeilersaale 
von  Phaistos.  x\us  einem  grösseren  Zimmer  steigt  man  auf 
einigen  Stufen  zu  einem  mit  grossen  Gipsplatten  verkleide- 
ten bassinartigen  Räume  hinab,  der  gewöhnlich  durch  eine 
oder  mehrere  Säulen   vom  Hauptraum  getrennt  ist  und  fast 


0  5  10M. 

Abb.   5.     Badezimmer  in  Phaistos. 

stets  dieselben  Dimensionen  hat,  nämlich  2,20  m  X  2,20  m. 
Man  hat  mit  Recht  lange  geschwankt,  ob  in  diesen  Anlagen 
wirklich  Baderäume  erkannt  werden  dürften,  weil  in  den  als 
Wasserbehälter  gedeuteten  tief  liegenden  Räumen  Vorrich- 
tungen für  den  Zufluss  und  den  Abfluss  von  Wasser  fehlen 
und  weil  in  Knossos  in  dem  einen  derartigen  Zimmer  der 
schöne  Alabasterthron  steht,  nach  welchem  der  Raum  ge- 
wöhnlich Thronsaal  genannt  wird.  Aber  alle  anderen  Erklä- 
rungen, wie  z.  B.  als  unbedeckter  Lichtschacht  mit  Vorrich- 
tung zum  Sammeln  des  Regenwassers,  oder  als  Wasserbe- 
hälter mit  Fischen  (vgl.  dazu  das  gemalte  Bassin  auf  dem 
Boden  im  Palaste  Amenophis'  IV  in  El  Amarna)  oder  auch 
als  Behälter  für  Blumen,  scheinen  mir  noch  weniger  annehm- 
bar.  Da  im  Palaste   von  Tir}ns   ein  stattliches   Badezimmer 


276  W.    DÖRPFELD 

gefunden  ist,  dürfen  solche  Räume  in  den  noch  reicheren 
Palästen  Kretas  keinesfalls  fehlen.  Aber  Badeanlagen  wie  die 
tirynthische  sind  bisher  in  Kreta  nicht  gefunden  worden. 
Daher  spricht  manches  dafür,  dass  die  mit  grossen  Platten 
verkleideten  Bassins  wirklich  grosse  Badewannen  gewesen 
sind.  Dem  Bedenken,  ob  die  ohne  Kalkmörtel  gebauten  Mau- 
ern auch  das  Wasser  festzuhalten  vermögen,  kann  dadurch 
leicht  entgegengetreten  werden,  dass  man  sich  nicht  den 
ganzen  vertieften  Raum  mit  Wasser  gefüllt  denkt,  sondern 
innerhalb  des  Raumes  eine  besondere  Badewanne  aus  Terra- 
kotta annimmt,  wie  sie  in  Kreta,  als  Sarkophage  verwendet, 
vielfach  vorkommen  und  in  Fragmenten  auch  in  den  Palä- 
sten gefunden  sind.  Aber  diesem  Auskunftsmittel  lässt  sich 
wiederum  mit  der  Gegenfrage  begegnen,  warum  denn  bei 
Verwendung  einer  besonderen  Badewanne  die  grosse  bassin- 
artige Vertiefung  notwendig  sei.  Bei  dieser  Sachlage  scheint 
es  mir  am  besten,  die  Räume  zwar  als  Badezimmer  zu  be- 
zeichnen, .  aber  sich  gegenwärtig  zu  halten,  dass  die  Benen- 
nung nicht  vollkommen  gesichert  ist. 

Als  dritter  Raum,  der  für  den  älteren  kretischen  Palast 
charakteristisch  ist,  muss  das  einsäulige  Propylon  genannt 
werden,  das  in  gleicher  Form  in  Knossos  und  Phaistos  auf- 
gedeckt ist.  Die  Vorhalle  des  Tores  hat  hier  nicht,  wie  wir 
es  in  den  Torgebäuden  von  Tiryns  und  den  späteren  grie- 
chischen Propyläen  finden,  eine  gerade  Anzahl  von  Stützen? 
sondern  eine  ungerade:  eine  einzelne  Säule  steht  zwischen 
zwei  Parastaden.  Auf  die  Bedeutung  dieses  Unterschiedes  hat 
schon  F.  Noack  {Homer.  Paläste  S.  9)  hingewiesen.  In  Kreta 
war  für  die  Fassadenbildung  die  Aufstellung  einer  Säule  in 
der  Mitte  üblich,  im  Gegensatze  zu  Griechenland,  wo  ge- 
wöhnlich in  der  Mitte  eine  von  zwei  Säulen  eingefasste  Öff- 
nung angeordnet  ist.  Die  einzige  Ausnahme,  welche  Noack 
für  Kreta  kennt,  das  «Südpropylon  >  von  Knossos,  ist  für  uns 
insofern  besonders  wichtig,  als  es  nicht  dem  älteren,  sondern 
dem  jüngeren  Palaste  angehört.  In  den  älteren  Palästen  Kre- 
tas hätten  wir  also  bei  den  Torgebäuden  die  ungriechische, 
in  den  jüngeren  dagegen  die  griechische  Anordnung.  Doch 
darf  ich  nicht  unterlassen  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Erklä" 


KRETISCHE,    M  VKl'LMSCI  I  !•:    V.  H()^r^.RISCH  Ii:    I'AEASTl':       277 

rung  jenes  jünj^ercn  Baues  in  Knossos  als  Torg-ebäude  e])enso 
wenitr  über  jeden  Zweifel  erhaben  ist,  wie  seine  Erg^än/.nng. 

Mit  dem  Propylon  sind  wir  schon  zu  den  charakteristi- 
schen Räumen  der  jüngeren  Paläste  gekommen  und  haben 
hier  besonders  ihren  wichtigsten  Raum,  das  Megaron  zu  be- 
sprechen. Seine  Gestalt  kennen  wir  fast  nur  aus  Phaistos, 
weil  das  jüngere  Megaron  von  Knossos  zu  sehr  zerstört  und 
erst  von  A.  Evans  nach  jenem  Vorbilde  ergänzt  ist.  Auch  in 
Hagia  Triada  ist  der  Cyrundriss  des  jüngeren  Megaron  nicht 
gesichert. 

Auf  einer  grossen  Freitreppe,  die  am  westlichen  Hofe 
beginnt,  steigt  man  in  Phaistos  zu  einem  geräumigen  Vor- 
platze hinauf,  an  dem  sich  die  Fassade  des  INIegaron  erhebt, 
(s.  Tafel  X).  Eine  starke  Säule  zwischen  zwei  breiten  Pfei- 
lern bildet  die  Fassade  der  wenig  tiefen  Vorhalle.  In  der 
Rückwand  der  Halle  liegen  zwei  Türen,  die  den  Interkolum- 
nien  der  Vorhalle  entsprechen.  Sie  führen  in  den  Hauptsaal, 
der  weniger  tief  als  breit  ist  und  durch  eine  quer  liegende 
Säulenreihe  in  zwei  Schiffe  von  verschiedener  Breite  geteilt 
ist.  Der  hintere  breitere  Teil  war  in  seinem  Aufbau  vermut- 
lich höher  als  der  vordere,  sodass  über  den  Säulen  zwischen 
den  beiden  Dächern  Fenster  angelegt  werden  konnten,  durch 
die  reichlich  Licht  und  Luft  in  den  Saal  gelangten.  Den  Aus- 
führungen von  F.  Noack  {^Ho)iierischc  Paläste  S.  1  3  ff.)  über  den 
Grundriss  und  Aufriss  dieses  Megaron  stimme  ich  im  Wesent- 
lichen bei.  In  der  Raumbildung  und  Fassadengestaltung  sind 
hier  offenbar  Elemente  vorhanden,  die  der  altkretischen  Bau- 
kunst verwandt  sind  und  im  Gegensatze  stehen  zu  den  For- 
men der  Megara  von  Tiryns  und  Mykenai.  Andrerseits  steht 
aber  das  jüngere  Megaron  auch  im  Gegensatz  zu  der  älteren 
kretischen  Bauart,  denn  diese  kennt  überhaujDt  kein  Megaron 
dieser  Art  als  beherrschenden  Hauptraum  des  ganzen  Palastes. 

Ein  grosser  centraler  Innenhof,  um  den  sich  zahllose 
Zimmer,  Corridore  und  Höfe  gruppieren,  und  unter  diesen 
Pfeilersäle,  Baderäume  und  einsäulige  Propyläen,  —  das  ist 
das  Wesentliche  der  altkretischen  Palastanlage,  während  der 
jüngere  Palast  als  Hauptraum  ein  geräumiges,  nach  aussen 
gerichtetes  Megaron  aufweist. 


278  .  \V.     DÖRPFELD 

II.     Die    mykenischen    und    homerischen  Paläste. 

Um  die  kretischen  Paläste  besser  mit  den  mykenischen 
und  homerischen  vergleichen  und  ihre  gegenseitigen  Bezie- 
hungen feststellen  zu  können,  empfiehlt  es  sich,  vorher  das 
Verhältnis  der  beiden  letzteren  zu  einander  zu  untersuchen. 

Seitdem  die  Königsburgen  von  Tiryns  und  Mykenai 
bekannt  geworden  sind,  hat  sich  in  weiten  Kreisen  die  Über- 
zeugung Bahn  gebrochen,  dass  wir  in  ihnen  Paläste  besit- 
zen, wie  sie  in  den  homerischen  Epen  beschrieben  sind.  Na- 
türlich denkt  niemand  daran,  dass  gerade  einer  der  Herren- 
sitze von  Tir)ns  und  Mykenai  von  Homer  geschildert  sei, 
aber  Viele  sind  überzeugt,  dass  ähnliche  Paläste  der  mykeni- 
schen Zeit  die  Vorbilder  für  die  Schilderungen  des  Dichters 
geliefert  haben.  Bei  mir  persönlich  bildete  sich  diese  Über- 
zeugung schon,  als  der  Palast  in  Tiryns  zu  Tage  kam  und 
immer  neue  Übereinstimmungen  mit  Homer  lieferte.  Die 
Überzeugung  wurde  besonders  befestigt  an  dem  Tage,  als  in 
Tiryns  der  Kyanosfries  gefunden  wurde,  und  sich  dadurch 
eine  der  merkwürdigsten  Angaben  Homers,  die  schon  so  oft 
für  dichterische  Erfindung  erklärt  worden  war,  als  wirklich 
existierende  Besonderheit  eines  m^-kenischen  Palastes  heraus- 
stellte. Weitere  Funde  und  neue  Studien  haben  mich  in  die- 
ser Überzeugung  nur  bestärkt. 

Neuerdings  wird  aber  die  Übereinstimmung  zwischen 
den-  homerischen  und  m\kenischen  Palästen  wieder  geleug- 
net. Ferdinand  Noack  sucht  in  dem  oben  citierten  Buche  in 
einem  besonderen  Abschnitte  (S.  39  ff.)  nachzuweisen,  dass  das 
Bild  der  mykenischen  Paläste,  das  uns  die  in  der  Argolis 
ausgegrabenen  Ruinen  geben,  sich  nicht  vertrage  mit  der 
Vorstellung,  die  wir  aus  Homer  vom  Anaktenhause  gewinnen. 
Die  mykenischen  Paläste  sollen  zu  viele  und  zu  \ielerlei 
Räume  enthalten.  Das  homerische  Herrenhaus  hält  er  für 
viel  einfacher  als  die  Paläste  von  Tiryns  und  Mykenai.  Es 
soll  einen  alten  vormykenischen  T)pus  darstellen,  den  der 
Dichter  aber  erst  in  den  jonischen  Häusern  Kleinasiens 
mehrere  Jahrhunderte  nach   der  mykenischen   Zeit   kennen 


KRETISCH]':,    MVKICXISCIIE    I'.   IIOMKRlSCHlv    PALÄSTI':       27Q 

gelernt  haben  soll.  Wäre  diese  Behauptung  richtig,  so  würde, 
wie  Noack  selbst  zum  vSchlusse  erklärt,  ein  tiefer  vSchnitt  zu 
machen  sein  in  den  Zusammenhang  homerischer  und  myke- 
nischer  Kultur. 

Hier  ist  meines  Erachtens  zunächst  der  Fehler  gemacht, 
dass  die  mykenischc  und  die  kretische  Kultur  als  eine  Ein- 
heit zusammengefasst  werden.  Wir  werden  später  ihre  Unter- 
schiede besprechen  und  die  kretische  Kultur  als  eine  ältere, 
nicht-griechische,  karisch-lykische,  die  mykenischc  dagegen 
als  eine  jüngere,  auf  jener  fussende  achäisch-griechische  Kul- 
tur kennen  lernen.  Dass  Homer  nicht  die  altkretische  Kultur 
schildert,  unterliegt  keinem  Zweifel;  es  fragt  sich  aber,  ob 
Noack  Recht  hat,  wenn  er  auch  zwischen  der  mykenischen 
und  der  homerischen  Kultur  einen  tiefen  Einschnitt  machen 
will.  Die  Entscheidung  dieser  Frage  ist  von  der  grössten  Be- 
deutung für  die  ganze  homerische  Frage  im  weitesten  Sinne. 
Denn  Noacks  Ergebnis  wird  in  der  Tat  schon  von  anderer 
Seite  als  ein  Beweis  für  die  Entstehung  der  homerischen  Ge- 
dichte in  der  nachmykenischen  oder  jonischen  Zeit  verwen- 
det. Offenbar  mit  Rücksicht  auf  dieses  wichtige  Resultat  hat 
Noack  seine  Beweisführung  möglichst  eingehend  geführt. 

Aus  demselben  Grunde  müssen  auch  wir  etwas  länger 
bei  ihr  verweilen.  Noack  sucht  zunächst  nachzuweisen,  dass 
die  Vorstellung  vom  homerischen  Hause  in  den  einzelnen 
Teilen  des  Epos  verschieden  sei;  noch  während  der  Bildung 
der  uns  erhaltenen  Epen  sollen  bedeutende  Veränderungen 
der  Hausanlage  sich  vollzogen  haben.  Weiter  glaubt  er  zeigen 
zu  können,  dass  auch  schon  der  ältere  homerische  Palast  auf 
Grund  genereller  Unterschiede  von  dem  mykenischen  Palaste 
zu  trennen  sei.  Beide  Beweise  halte  ich  für  verfehlt. 

Rechnen  wirklich,  wie  Noack  behauptet,  die  jüngeren 
Teile  des  Epos  mit  Bauteilen,  welche  das  ältere  Epos  nicht 
kennt?  Ist  etwa  das  besondere  Schlafgemach  des  Königspaa- 
res und  der  Oberstock,  in  dem  Penelope  wohnt,  erst  eine  spä- 
tere Erfindung  und  in  den  älteren  Teilen  des  Epos  noch  un- 
bekannt? Wer  solche  Behauptung  aufstellt  und  zu  beweisen 
sucht,  vergisst  zunächst,  dass  die  Entstehung  und  Entwicke- 
lung  des  Hausplanes  sehr  viel  älter  ist  als  unser  Epos.  Gewiss 


280  ■  W.     DÖRPFELD 

hat  es  eine  Zeit  gegeben,  wo  die  Eltern  und  die  Kinder  ge- 
meinsam in  einem  Gemache,  in  dem  einzigen  des  Hauses,  zu 
schlafen  pflegten,  und  bei  ärmlichen  oder  bäuerlichen  Ver- 
hältnissen geschah  das  nicht  nur  in  der  ganzen  klassisch 
griechischen  Zeit,  sondern  geschieht  selbst  heute  noch.  Aber 
bei  reichen  Leuten  und  namentlich  in  Königspalästen  hat 
man  sicherlich  schon  Jahrtausende  vor  Homer  besondere 
Schlafräume  und  namentlich  einen  besonderen  Ehethalamos 
gehabt.  Das  versteht  sich  doch  von  selbst.  Nun  kommt  in 
dem  einfachsten  Königshause,  das  uns  Homer  schildert,  in 
dem  Hause  des  Odysseus,  ein  solcher  Thalamos  vor,  dessen 
Bett  bei  der  Erkennung  der  Ehegatten  eine  besondere  Rolle 
spielt.  In  dem  prächtigen  Palaste  des  Menelaos,  bei  dessen 
Anblick  der  an  einfache  Verhältnisse  gewöhnte  Telemachos 
aus  dem  Staunen  nicht  herauskommt,  ebenso  wie  in  dem 
märchenhaften  Palaste  des  Alkinoos  müssten  wir  demnach 
mit  noch  grösserem  Recht  ein  solches  besonderes  Ehege- 
mach annehmen,  auch  wenn  der  Dichter  es  für  Sparta  nicht 
ausdrücklich  erwähnt  hätte  (8  121  und  310).  Diese  Stellen 
sucht  aber  Noack  nach  einer  früher  sehr  beliebten  Methode 
fortzuschaffen,  indem  er  nachweist,  dass  die  Erwähnung  des 
Thalamos  hier  nicht  original,  sondern  von  einer  anderen 
vS teile  entlehnt  sei.  Aber  diese  ganze  Methode  ist  höchst  be- 
denklich, wie  P.  Cauer  Grundfragen  der  Hoiiierkrifik  S.  267  ff, 
nach  dem  Vorgange  Anderer  mit  Recht  betont  hat.  Unsere 
erhaltenen  Epen  bilden  einen  so  geringen  Bruchteil  der  gan- 
zen epischen  Dichtung  vieler  Jahrhunderte,  dass  es  von  vorn- 
herein gänzlich  ausgeschlossen  ist,  die  originale  Verwendung 
irgend  eines  Formelverses  ermitteln  zu  können. 

Noack  macht  ausserdem  noch  den  Fehler,  dass  er  den 
\av'^oc,  des  Megaron  nicht  von  dem  \wfhc,  des  ganzen  Palastes 
unterscheidet.  In  dem  Zelte  des  Achilleus  oder  in  der  Grotte 
der  Kirke  kann  sehr  wohl  in  einer  Ecke  ein  offenes  oder 
halb  verdecktes  Lager  hergerichtet  gewesen  sein ;  aber  in 
den  grossen  Königspalästen  Homers  das  Lager  des  Königs 
in  dem  Hauptsaale  anzunehmen,  widerspricht  in  gleicher 
Weise  der  Überlieferung,  wie  dem  allgemeinen  menschlichen 
Gebrauche. 


KRETISCHE,  ?krVKEXISClIE   V.  HOMERISCHE   PALÄSTE       281 

Sodann  wird  es  nicht  nur  in  lionicrischer  Zeit,  sondern 
im  w-anzen  Altertum  ebenso  wie  noch  heute  übHch  <;evvesen 
sein,  Fremde  in  den  Hallen  der  Höfe  oder  in  der  Vorhalle 
des  Megaron  schlafen  zu  lassen.  Solche  Sitten  ändern  sich 
nicht  in  kurzer  Zeit.  Es  ist  ein  ganz  l)esonderer  Fall,  wenn 
der  greise  König  Priamos  im  Zelte  des  Achilleus  übernachtet. 
Da  hätte  Achill  dem  ehrwürdigen  Greise  eigentlich  sein  eige- 
nes Lager  anbieten,  oder  ein  anderes  im  Zelte  selbst  herrich- 
ten lassen  können.  Wenn  er  ihn  statt  dessen  draussen  in  der 
dunklen  \'orhalle  schlafen  lässt  und  dies  mit  der  Ik'fürchtung 
motiviert,  dass  drinnen  einer  der  zur  Beratung  konnnenden 
Achäer  ihn  erkennen  und  so  die  Auslieferung  der  Leiche  des 
Hektor  verhindern  könne,  so  vermag  ich  diese  Entschuldi- 
gung des  Dichters  durchaus  nicht  ungeschickt)  zu  finden. 
Die  Erklärung  Noacks,  der  hier  in  dem  Dichter  einen  Epi- 
gonen sieht,  der  eine  ältere  Sitte  nicht  mehr  gekannt  und 
deshalb  jene  ungeschickte  Entschuldigung  erfunden  habe, 
ist  sehr  gezwungen  und  entbehrt  auch  der  geringsten  Über- 
zeugungskraft. 

Ich  betrachte  es  ferner  mit  Noack  als  natürlich,  dass  im 
Königspalaste  die  grösseren  Kinder  und  namentlich  die  ver- 
heirateten ihre  besonderen  Gemächer  hatten.  Je  nach  der 
Form  des  Palastes  konnten  diese  entweder  mit  dem  Haupt- 
bau verbunden  oder  als  besondere  Gebäude  innerhalb  des 
Hofes  errichtet  sein.  Für  die  unverheirateten  Töchter  scheint 
ein  besonderer  Raum  im  Obergeschosse  gelegen  zu  haben 
(vgl.  B514  und  n  184).  Ist  es  da  nicht  sehr  verständlich, 
wenn  der  Dichter  im  Palaste  von  Itliaka  die  Penelope  für 
die  Zeit  der  Abwesenheit  ihres  Gatten,  zumal  die  Freier  bei 
Tage  im  Palaste  hausen,  den  Ehethalamos  meiden  und  sich 
ins  Hyperoon,  in  die  Räume  des  Oberstocks  zurückziehen 
lässt?  Die  Art  und  Weise,  wie  Noack  in  einer  volle  zwölf 
Seiten  langen  Abhandlung  alle  die  zahlreichen  Stellen  der 
Dichtung,  wo  das  Hyperoon  des  Odysseus-Palastes  erwähnt 
wird,  entweder  ganz  fortzuschaffen  oder  als  späteren  Zusatz 
nachzuweisen  sucht,  scheint  mir  mehr  als  bedenklich.  Dass 
Obergeschosse  in  den  altkretischen  Häusern  und  Palästen 
schon    lange   vor   Homer    üblich    waren,    zeigen    uns  die  in 


282  W.    DÖRPFELD 

Knossos  g-efundenen  interessanten  kleinen  Nachbildungen 
von  Wohnhäusern  in  Porzellan  und  zAigleich  die  Treppen  in 
den  Ruinen  der  kretischen  Paläste.  Auch  in  den  Palastan- 
lagen von  Tiryns  und  Mykenai  werden  wir  wegen  des  Vor- 
handenseins von  Treppen  nicht  nur  horizontale,  begehbare 
Dächer,  sondern  auch  ähnliche  obere  Räume  annehmen  dür- 
fen. Für  die  klassische  Zeit  sind  Obergeschosse  vielfach  nach- 
weisbar und  sind  als  Frauenwohnungen  und  als  Schlafge- 
mächer benutzt  worden.  Was  berechtigt  uns  nun,  allein  für 
die  ältere  homerische  Dichtung  das  Hyperoon  künstlich  zu 
entfernen  oder  für  einen  späteren  Zusatz  zu  erklären? 

Wenn  ich  an  alle  die  verschiedenen  Räume  denke, 
welche  das  Epos  in  den  Palästen  und  sogar  in  dem  einfachen 
Königshause  von  Ithaka  nennt, —  an  das  Torgebäude  mit 
seinen  Vorhallen,  an  den  Hof  mit  dem  Altar,  der  Tholos  und 
den  Hallen,  an  das  Megaron  mit  seiner  Vorhalle,  an  die  ver- 
schiedenen Thalamoi  zum  Schlafen  und  zur  Aufbewahrung 
von  Geräten  und  Waffen,  an  das  Badezimmer  und  die  Vor- 
ratskammer, an  das  Hyperoon  und  die  Wirtschaftsräume,— 
und  wenn  ich  dann  bedenke,  dass  der  Dichter  alle  diese 
vielen  Räume  nur  gelegentlich  erwähnt  und  daher  gewiss 
manche  nicht  genannt  hat,  so  kann  ich  nicht  zugeben,  dass 
die  homerischen  Paläste  irgendwie  einfacher  gewesen  seien 
als  die  Herrensitze  von  Tiryns  und  Mykenai  oder  von  Arne 
und  Orchomenos.  Gerade  auf  dieses  vermeintliche  Ergebnis 
stützt  sich  aber  die  Behauptung  Noacks,  dass  ein  wesentlicher 
Unterschied  zwischen  dem  homerischen  und  mykenischen 
Hause  bestehe.  In  Bezug  auf  die  künstlerische  Ausstattung 
der  Paläste  vermag  auch  Noack,  soviel  ich  weiss,  keinen  Un- 
terschied zwischen  ihnen  zu  erkennen.  Hier  spricht  schon 
allein  der  Kyanosfries  in  Tiryns  und  im  Palaste  des  Alkinoos 
eine  zu  deutliche  Sprache. 

Unverständlich  ist  mir  endlich,  wodurch  sich  Noack  für 
berechtigt  hält,  das  Vorbild  für  den  älteren  einfachen  Königs- 
palast des  Epos  in  den  jonischen  Häusern  etwa  des  9.  oder 
8.  Jahrhunderts  zu  sehen.  Denn  einerseits  haben  wir  von  der 
Gestalt  und  Ausstattung  dieser  Häuser  absolut  keine  Kunde 
und  anderseits  ist  die  Entstehungszeit  der  homerischen  Epen 


KRETISCHE,   ^rVKENISCHE   V.  HOMER ISCIip:   PALÄSTI-:       2S3 

noch  strittio-,  und  daher  ist  grosse  \'or.siclit  und  vSor^falt  ])ei 
der  zeitliclien  I>e.stininnino'  der  (Tnindlaocn  des  Hi)os  unsere 
Pflicht.  Mit  Recht  hat  sclion  P.  Cauer  {Xr?fr  /(jhrhiichcr  1';>(),S, 
S.  7)  auf  die  «seltsame  Willkür  hinoewiesen,  mit  der  Ferd. 
Noack  aus  dem  einfachen  vormykenischen  HaustNpus  einen 
nachmykenischen  macht,  der  die  o^an/.e  mvkenische  Zeit 
überdauert  haben  soll.  Es  hätte  in  der  Tat  nciher  telegen,  das 
Vorbild  für  die  homerische  Schilderuno-  eines  älteren  ein- 
fachen Hauses,  wenn  man  diese  überhaupt  anerkennen  will, 
in  der  vormykenischen  oder  frühmykenischen  Zeit  zu  suchen, 
also  in  einer  Epoche,  als  die  Bauweise  der  Achäer  noch  we- 
niger von  der  höheren  kretischen  Kultur  beeinflusst  war.  Auf 
keinen  Fall  kann  ich  demnach  zugeben,  dass  Noack  die  Über- 
einstimmung der  homerischen  und  nachnn-kenischen  Gebäude 
erwiesen  habe,  und  dass  dann  dies  Resultat,  wie  es  wirklich 
geschehen  ist,  dazu  benutzt  werden  darf,  um  die  Entstehung 
der  homerischen  Gedichte  in  die  nachmykenische  Zeit  zu 
verweisen. 

Für  mich  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  die  mykeni- 
schen  und  die  homerischen  Paläste  in  allem  "Wesentlichen 
übereinstimmen;  weder  in  der  Zahl,  Anordnung  und  Bestim- 
mung der  Räume,  noch  in  ihrer  technischen  und  künstleri- 
schen Ausstattung  kann  ich  irgendwelche  wesentlichen  Un- 
terschiede entdecken.  Jahrelange  Studien  über  die  mykeni- 
sche  und  homerische  Baukunst  haben  mich  in  dieser  Über- 
zeugung immer  mehr  befestigt.  Und  wird  dies  Resultat  nicht 
durch  Beobachtungen  auf  allen  anderen  Gebieten  der  home- 
rischen Kultur  bestätigt?  Auf  dem  geschichtlichen  Gebiete 
sieht  jedermann,  dass  im  Epos  nur  die  Zeit  der  Heroen,  also 
die  mykenische  Zeit,  geschildert  wird  und  dass  die  Epen,  wie 
Ed.  Meyer  {Gesch.  d.  Alf.  W  S.  69)  sehr  richtig  sagt,  mit 
vollem  Bewusstsein  alles  aus  ihrer  Schilderung  der  Völker- 
verhältnisse fernzuhalten  suchen,  was  jünger  ist  als  die 
Epoche  der  Heroenkämpfe,  so  vor  allem  die  Besiedelung  der 
kleinasiatischen  Küsten  und  die  Eroberung  des  Peloponnes 
durch  die  Dorer,  ferner  die  Herrschaft  der  Thessaler  in  Thes- 
salien; mit  keinem  Worte  ist  von  diesen  Ereignis.sen  die 
Rede*.  Mir  scheint  es  ein  schlechtes  Auskunftsmittel  zu  sein, 


284  W.     DÖRPFLD 

wenn  man  diese  wichtige  Tatsache  durch  ein  «geflissentliches 
Ignorieren»  der  Gegenwart  und  nicht  durch  Entstehung  der 
homerischen  Gedichte  vor  der  dorischen  Wanderung  zu 
erklären  sucht.  Und  dies  Resultat  wird  jetzt  bestätigt  durch 
Beobachtungen  auf  dem  Gebiete  der  homerischen  Geographie, 
wo  sich  dieselbe  Erscheinung  aufdrängt.  Der  Dichter  kennt 
und  beschreibt  nur  den  geographischen  Zustand  der  mykeni- 
schen  Epoche;  die  durch  die  dorische  Wanderung  herbeige- 
führten Veränderungen  sind  erst  in  den  notorisch  späten  Zu- 
sätzen des  Epos  erwähnt.  Soll  das  auch  durch  absichtliche 
Schilderung  einer  älteren  Geographie  erklärt  werden?  Auf 
dem  Gebiete  der  Bewaffnung  hat  W.  Reichel  die  Übereinstim- 
mung- der  homerischen  Angfaben  mit  den  mvkenischen  Waf- 
fen  erwiesen.  Allerdings  hat  er  den  Fehler  gemacht,  dass  er 
nur  die  frühmykenischen  Waffen  zum  Vergleich  heranzog, 
während  Homers  Angaben  viel  besser  zu  der  Bewaffnung  der 
spätmykenischen  Zeit  passen,  in  der  tatsächlich,  wie  allein 
schon  das  Stuckgemälde  von  Mykenai  mit  den  kleinen  Krie- 
gerschilden beweist,  die  jüngere  Bewaffnung  neben  der  älte- 
ren vorkommt.  Auf  die  anderen  Gebiete  einzugehen,  muss 
ich  mir  hier  versagen;  nur  eines  sei  noch  erwähnt.  Auf  dem 
Gebiete  der  Totenbestattung  soll  der  Dichter  nach  der  bishe- 
rigen Ansicht  ausnahmsweise  einmal  nicht  absichtlich  archai- 
siert, sondern  gerade  die  Sitten  seiner  eigenen  Zeit  und  nicht 
der  heroischen  Epoche  geschildert  haben!  Auch  hier  hat  sich 
jetzt  die  Übereinstimmung  mykenischer  und  homerischer  Sitte 
herausgestellt:  alle  Leichname  wurden  mehr  oder  weniger 
gebrannt  und  dann  bestattet  (vgl.  meinen  Vortrag  über  die 
Brennung  und  Bestattung  auf  dem  internationalen  Archäo- 
logen-Congress  in  Athen).  Ich  kenne  überhaupt  keinen  ein- 
zigen stichhaltigen  Beweis  für  die  bisherige  Datierung  der 
homerischen  Epen. 

Bei  dieser  Sachlage  betrachte  ich  die  homerischen  und 
die  mykenischen  Paläste  und  auch  die  ganze  homerische  und 
die  mykenische  Kultur  als  identisch,  soweit  man  bei  solchen 
Dingen  überhaupt  von  Identität  sprechen  kann.  Das  Haus 
des  Odys.seus  in  Ithaka  und  das  des  Menelaos  in  Sparta  hat- 
ten nach  meiner  Ansicht   einen  ähnlichen   Grundriss  wie  die 


KRETISCHE,  MYKENISCHE  U.  HOMERISCHE  PALÄSTE      285 

Paläste  von  Tiryns  und  Mykenai,  unterschieden  sich  von  die- 
sen aber  vermutlich  dadurch,  dass  das  ithakesische  Königs- 
haus in  seiner  Ausstattung  bedeutend  einfacher,  der  sparta- 
nische Palast  dagegen  vielleicht  noch  reicher  war  als  jene 
uns  in  Ruinen  erhaltenen  mykenischen  Paläste. 

Noch  eine  nicht  unwichtige  Folgerung  dürfen  wir  aus 
der  Identität  der  mykenischen  und  homerischen  Kultur  zie- 
hen :  sie  ist  die  Kultur  der  Achäer.  Das  achäische  Volk  war 
es,  dessen  gemeinsamer  Zug  gegen  Troja  und  dessen  Land 
und  Sitten  vom  Epos  geschildert  werden.  Und  es  waren  die- 
selben Achäer,  die  am  Ende  des  IL  Jahrtausends  vor  Chr., 
vor  der  dorischen  Wanderung,  in  Tiryns  und  Mykenai,  in 
Sparta  und  Pylos,  auf  den  jonischen  Inseln  und  auf  dem  grie- 
chischen Festlande  die  «mykenischen»  Häuser  und  Paläste 
bewohnten.  Wir  dürfen  daher  die  hohe  Kultur,  die  wir  nach 
ihrem  ersten  Fundort  die  mykenische  zu  nennen  uns  gewöhnt 
haben,  mit  vollem  Recht  als  achäische  bezeichnen.  Woher 
diese  Kultur  stammt,  ist  damit  noch  nicht  gesagt;  die  Achäer 
können  sie  möglicherweise  von  einem  anderen  Volke  über- 
nommen haben.  Aber  in  der  Zeit  vor  der  dorischen  Wande- 
rung, in  der  Zeit  des  homerischen  Epos,  sind  sie  die  Träger 
dieser  Kultur  gewesen. 

in.   Vergleich  der  kretischen  und  der  mykenisch-homerischen 

Paläste. 

Nachdem  wir  die  beiden  verschiedenen  Arten  von  Palä- 
sten auf  Kreta  kennen  gelernt  und  die  mykenischen  Paläste 
des  griechischen  Festlandes  als  identisch  mit  den  homeri- 
schen erkannt  haben,  müssen  wir  beide  Gruppen  mit  einan- 
der vergleichen  und  festzustellen  suchen,  ob  der  homerisch- 
mykenische  oder,  wie  wir  kürzer  sagen  können,  der  achäische 
Palast  mit  den  beiden  kretischen  Palastarten,  oder  auch  nur 
mit  einer  von  ihnen  verwandt  ist. 

Da  ist  zunächst  zu  betonen,  dass  die  technische  und 
künstlerische  Ausstattung  beider  Gruppen  von  Palästen  fast 
übereinstimmt.  Die  Art  des  Mauerwerks,  die  technischen  Re- 

ATHEN.      MITTEILUNGEN      XXX.  1  9 


286  W.    DORPFELD 

Sonderheiten  der  Steinbeliandlung,  die  Gestalt  der  Säulen 
und  sonstigen  Bauglieder,  die  Art  und  Ornamentierung  des 
Wandputzes  und  die  ganze  künstlerische  Ausstattung  sind 
bei  allen  diesen  Palästen  so  gleichartig,  dass  es  dieselben 
Bauleute  gewesen  sein  müssen,  die  in  Kreta,  im  Peloponnes 
und  in  Nordgriechenland  die  jetzt  ausgegrabenen  Paläste  und 
Grabbauten  errichtet  haben.  Gewiss  gibt  es  kleinere  Unter- 
schiede zwischen  den  verschiedenen  Bauwerken,  sowohl  in 
der  Architektur  wie  in  der  Bauweise,  aber  sie  sind  nur  ge- 
ring und  scheinen   mehr  zeitlich  als  völkerschaftlich  zu  sein. 

In  den  Grundrissen  stimmen  dagegen  die  kretischen  und 
mykenischen  Paläste  durchaus  nicht  überein.  Das  grosse 
Megaron  mit  seiner  Vorhalle,  das  den  Mittelpunkt  und  das 
Kennzeichen  des  mykenisch  -  homerischen  oder  achäischen 
Palastes  bildet,  kommt  in  den  altkretischen  Palästen  über- 
haupt nicht  vor.  Ein  gewaltiger  mit  einem  Labyrinth  von 
Gemächern  und  Gängen  aller  Art  umgebener  Hof  bildet  ihr 
Centrum  und  ihr  charakteristisches  Merkmal.  In  den  jünge- 
ren kretischen  Palästen,  die  über  den  Trümmern  der  zerstör- 
ten älteren  Bauwerke  errichtet  sind,  fanden  wir  dagegen,  ähn- 
lich wie  in  den  achäischen  Herrenhäusern,  ein  grosses  Mega- 
ron mit  Vorhalle,  das  allerdings  in  seiner  Gestalt  von  dem 
achäischen  Megaron  abweicht  und  sich  mehr  an  die  altkreti- 
sche Bauweise  anschlies.st.  Wir  dürfen  darnach  diese  jünge- 
ren kretischen  Paläste  als  eine  Zwischenstufe  zwischen  den 
altkretischen  und  den  achäischen  Palästen  bezeichnen ;  mit 
diesen  haben  sie  das  Vorhandensein  eines  Megaron,  mit  jenen 
die  künstlerische  Ausgestaltung  dieses  Megaron  und  seiner 
Vorhalle  gemein.  Dass  auch  eine  Einzelheit  ihres  Grund- 
risses für  diese  vStellung  des  jüngeren  kretischen  Palastes 
spricht,  haben  wir  oben  bei  Besprechung  des  Südprop^don 
von  Knossos  schon  gesehen. 

Beobachtungen  anderer  Art  bestätigen  dieses  Ergebnis. 
Der  Inhalt  der  jüngeren  kretischen  Paläste  an  Topfwaren 
und  anderen  Kleinfunden  stimmt  viel  besser  zu  den  Funden 
der  achäischen  Paläste  des  Festlandes,  als  zu  dem  Inhalt  der 
zerstörten  altkretischen  Anlagen.  Dieselbe  mykenische  Topf- 
ware, die  wir  aus  Tiryns,  Mykenai  vmd  vielen  anderen  Orten 


KRETISCHE,   MYKENISCHK   U.  HOMERISCHE   PALÄSTE      287 

Griechenlands  kennen,  findet  sich  in  den  jüngeren  Palästen 
Kretas,  während  in  den  älteren  Palästen  unterhalb  der  jün- 
geren Fussböden  hauptsächlich  die  Kaniares-Vasen  und  die 
ältere  mykenische  Ware  vorkommen. 

Ähnlich  liegt  das  Verhältnis  bei  den  Grabbauten  und 
ihrem  Inhalt.  In  der  jüngeren  Zeit  kommen  in  Kreta  ähnli- 
che Kuppelgräber  vor,  wie  sie  uns  aus  den  nnkenischen  Cen- 
tren des  übrigen  Griechenlands  bekannt  sind,  und  auch  ihr 
Inhalt  stimmt  überein  mit  den  Funden  der  entsprechenden 
Gräber  auf  dem  Festlande  (vgl.  A.  Evans  Ami.  of  B.  S.  X 
S.  4-6).  Wie  die  Bestattung  und  die  Grabformen  zur  Zeit  der 
älteren  kretischen  Kultur  waren,  ist  noch  nicht  endgültig 
festgestellt;  die  bisher  gefundenen  Gräber  weichen  von  den 
achäischen  Gräbern  sehr  ab. 

Nun  ist  es  eine  bekannte  Erscheinung,  dass  ein  Volk, 
wenn  es  sich  eine  fremde  höhere  Kultur  aneignet,  zwar  die 
Technik  des  Bauens  und  die  künstlerische  Ausstattung  sei- 
ner Wohnungen,  seines  Hausgerätes  und  auch  seiner  Klei- 
dung von  den  Fremden  zu  übernehmen  pflegt,  aber  dabei 
seinen  alten,  von  den  Vätern  überkommenen  Hausplan  viel- 
fach treu  bewahrt.  Fremde  Künstler  statten  die  nach  dem 
älteren  Plane  gebauten  Häuser  mit  neuen  P'ormen  aus  und 
fremde  Händler  importieren  neues  Hausgerät,  neue  Waffen 
und  neuen  Schmuck.  So  haben  z.  B.  die  Deutschen  zwar  den 
gothischen  Stil  aus  Frankreich  und  später  den  Renaissance- 
Stil  aus  Italien  durch  fremde  Bauleute  erhalten,  aber  dabei 
ihre  alten  Hausgrundrisse  vielfach  beibehalten. 

Wenden  wir  diesen  Grundsatz  auf  die  drei  Palastarten 
an,  die  wir  in  Kreta  und  Griechenland  gefunden  haben,  so 
kann  es  kaum  fraglich  sein,  dass  die  in  Griechenland  wohnen- 
den Achäer  die  ganze  künstlerische  Ausstattung  ihrer  Häu- 
ser von  dem  Volke  übernommen  haben,  das  in  Kreta  schon 
Jahrhunderte  früher  eine  hohe  Kultur  besass  und  Paläste  wie 
die  älteren  von  Knossos  und  Phaistos  mit  ganz  anderem 
Grundrisse,  aber  mit  fast  derselben  künstlerischen  Ausstat- 
tung erbaute.  Denn  dass  das  Abhängigkeitsverhältnis  etwa 
das  umgekehrte  sei,  wird  angesichts  der  grossartigen  Paläste 
Kretas  mit  ihrem  überaus  reichen  Inhalt  und  angesichts  der 


288  W.    DÖRPFELD 

langen  Entwickelung,  welche  die  kretische  Kultur  durchge- 
macht hat,  wohl  niemand  zu  behaupten  wagen.  Überdies 
weist  auch  eine  einzelne  Tatsache,  nämlich  die  Verwendung 
der  Platten  aus  Alabaster  in  Tiryns  und  Mykenai  direkt  auf 
Kreta  als  Ursprungsort  hin,  weil  dort  der  Gipsstein  nicht  nur 
in  den  Palästen  viel  reichlicher  verwendet  ist,  sondern  auch 
in  Steinbrüchen  ansteht.  Aber  weiter  werden  wir  auch  ver- 
muten dürfen,  dass  die  Zerstörer  der  altkretischen  Paläste, 
die  über  deren  Ruinen  ihre  neuen  Paläste  mit  dem  früher 
unbekannten  Megaron  errichteten,  dieselben  Achäer  sind, 
welche  früher  die  Kultur  von  den  Kretern  empfangen  hatten. 
In  das  eroberte  Land  nehmen  sie  ihren  alten  Hausplan  mit 
und  lassen  von  den  einheimischen  Bauleuten  ihre  Paläste  mit 
einigen  den  altkretischen  Palästen  entlehnten  Eigentümlich- 
keiten errichten. 

Soweit  können  wir  in  der  Erklärung  der  aufgedeckten 
Ruinen  ohne  Heranziehung  der  litterarischen  Überlieferung 
kommen  und  sind  damit  an  die  letzte  Frage  gelangt,  die  wir 
zu  beantworten  haben :  welches  Volk  war  der  Träger  der  ho- 
hen Kultur,  die  nach  dem  Ergebnis  der  jüngsten  Ausgrabun- 
gen im  ganzen  H.  Jahrtausend  in  Kreta  blühte,  und  die  von 
dort  auf  die  Achäer  und  damit  in  langer  Wanderung  auch 
auf  uns  übergegangen  ist?  Die  Bauwerke  und  ihr  Inhalt  selbst 
gestatten  uns  noch  nicht  diese  Frage  zu  beantworten,  die 
zahlreichen  in  Kreta  gefundenen  Tontafeln,  welche  die  Ant- 
wort geben  könnten,  sind  leider  noch  nicht  entziffert.  Aber 
die  .übrige  litterarische  Überlieferung  liefert  eine  wie  mir 
scheint  untrügliche  Antwort. 


IV.    Die    Träger    der   altkretischen    Kultur. 

Es  ist  das  grosse  Verdienst  von  Ulrich  Köhler,  die  my- 
kenische  Kultur  sofort  nach  der  Entdeckung  der  Königsgrä- 
ber in  Mykenai  durch  Heinrich  Schliemann  mit  der  karischen 
Seeherrschaft  in  Verbindung  gebracht,  sie  als  die  karische 
Kultur  erkannt  zu  haben. 

In  der  Winckelmanns-Sitzung  des  Deutschen  Instituts  in 


KRETISCHE,    MVKEMSCIII'    V.   I  H  )M  ICR  ISC  1 1  !•    I'AI.ÄSTIC       2HQ 

Athen  behandelte  er  im  Jahre  1S77  die  Zeit  und  den  Ur- 
sprnng  der  Grabanlagen  von  Mykenai  und  vSpata  ^  {.l///r//. 
Miff.  1878,  S.  1).  Nachdem  er  darauf  hingewiesen  hatte,  dass 
die  fabelhaft  reichen  Funde  von  Mykenai  in  ihrer  Gesamtheit 
ein  ungriechisches  orientalisches  Gepräge  tragen,  erinnert  er 
daran,  dass  die  Untersuchungen  eines  Brunn  und  Friederichs 
uns  schon  früher  darüber  aufgekLärt  hatten,  dass  die  griechi- 
sche Kunst  sich  in  ihren  Anfängen  an  orientalische  Vorbil- 
der angeschlossen  hat.  Er  weist  sodann  nach,  dass  der  reiche 
Inhalt  der  Gräber  von  Mykenai  und  vSpata  seine  nächsten 
Berührungspunkte  unter  den  Funden  der  ägäischen  Inseln 
hat,  und  dass  es  ein  Seevolk  gewiesen  sein  nmss,  welches  «die 
Vorbilder  für  die  Ornamente  seiner  Kleidung  und  Gerät- 
schaften mit  Vorliebe  dem  ]Meere  entnahm  •,  ein  Volk,  «des- 
sen Blicke  alltäglich  dem  Spiele  der  Wellen  folgten  und  mit 
kindlichem  Behagen  die  seltsamen  Geschöpfe  des  Meeres 
beobachteten).  Dann  fährt  er  fort:  «Die  Inseln  des  ägäischen 
Meeres  sind,  wie  bekannt,  in  relativ  später  Zeit  hellenisiert 
worden.  Die  grössten  Historiker  und  Forscher  des  Altertums 
stimmen  darin  überein,  dass  die  Inseln  vorher  von  einem 
nichthellenischen  Völkerstamme  bewohnt  wurden,  der  von 
der  kleinasiatischen  Küste  vorgedrungen  und  dem  Volke  der 
Karer  nahe  verwandt  w^ar.  Von  den  Inseln  aus  hatten  diese 
von  Osten  hergekommenen  Elemente  weiter  auch  an  den 
Küsten  der  griechischen  Halbinsel  festen  Fuss  gefasst.  Dies 
war  namentlich  in  den  Umgebungen  des  saronischen  Meer- 
busens der  Fall  gewesen;  nach  Aristoteles  waren  die  Städte 
Hermione,  Epidauros  und  Megara  ursprünglich  karische 
Gründungen  gewesen*.  Auch  auf  Attika  und  Argos  hatte 
sich,  wde  er  weiter  darlegt,  die  Einwanderung  oder  Herrschaft 
dieser  nichtgriechischen  Völkerschaften  ausgedehnt,  zu  denen 
die  Karer,  Leleger,  Lyker,  Lyder,  M}ser  und  andere  verwandte 
Stämme  gehörten.  Sie  alle  wairden  schon  von  den  Alten  unter 
dem  Begriff  der  grossen  karischen  Seeherrschaft  zusammen- 
gefasst. 

Diese  Darlegungen  Köhlers  gelten  noch  heute.  Wenn  er 
aber  damals  hinzufügte:  «Ich  bin  der  Meinung,  dass  die  Grab- 
anlagen  von  ]\Iykenai   und   Spata   von  karischen  Einwände- 


290  W.    DORPFELD 

rern  herrühren,  welche  sich  an  der  argivischen  und  attischen 
Küste  niedergelassen  hatten »,  so  können  wir  ihm  nicht  fol- 
gen. Die  Könige,  welche  in  Mykenai  geherrscht  haben  und 
dort  bestattet  worden  sind,  waren  unmöglich  Karer,  sondern 
sicher  Achäer,  also  Griechen.  Hätte  Köhler  die  reichen 
Schätze  der  altkretischen  Kultur  gekannt,  die  uns  jetzt  in 
Kreta  und  an  anderen  Orten  vor  Augen  liegen,  und  hätte  er 
namentlich  von  dem  Unterschiede  zwischen  den  altkretischen 
und  achäischen  Palästen  und  ihren  Kunstschätzen  gewusst, 
so  würde  er  gewiss  nicht  die  Bewohner  von  Mykenai  und 
die  Inhaber  der  mykenischen  Gräber  für  Karer  gehalten 
haben.  Für  uns,  die  wir  über  ein  viel  reicheres  Beobachtungs- 
material verfügen,  kann  es  nicht  mehr  zweifelhaft  sein,  dass 
die  altkretische  Kultur,  die  in  den  reichen  Palästen  Kretas 
vor  uns  liegt  und  die  ihren  Einfluss  einst  über  fast  alle  In- 
seln und  Küstenländer  des  ägäischen  Meeres  ausgedehnt  hat, 
die  Kultur  jener  karischen  Seeherrschaft  oder  kurz  die  kari- 
sche Kultur  ist.  Die  Paläste  von  Tiryns  und  Mykenai  und 
auch  die  jüngeren  Paläste  von  Kreta  sind  dagegen  mit  ihrem 
ganzen  Inhalt  zwar  unter  dem  Einfluss  der  karischen  Kunst 
entstanden,  aber  Achäer  und  keine  Karer  sind  ihre  Bewohner 
gewesen. 

Dieses  Ergebnis  wird  durch  die  litterarische  Überliefe- 
rung direkt  bestätigt.  Die  lykischen  Kyklopen  hatte  Proitos 
kommen  lassen,  um  die  Burg  Tiryns  zu  erbauen  (Apollodor 
II  2,  1  ;  Paus.  II  16,  4;  Strabon  VIII  372).  Und  dass  die  Lyker 
ursprünglich  neben  Karern  und  Lelegern  in  Kreta  wohnten 
und  erst  von  Minos  vertrieben  wurden,  berichtet  Herodot  I 
173  und  VII  92.  Also  kretische  Bauleute  haben  auch  nach 
der  Überlieferung  die  mykenischen  Paläste  erbaut,  wie  wir 
es  jetzt  an  den  Ruinen  der  Paläste  selbst  mit  eigenen  Augen 
erkennen  können.  Die  achäischen  Herren  Hessen  sich  aber 
im  Peloponnes  nicht  etwa  einen  kretischen  Palast,  wie  den 
von  Knossos  errichten,  sondern  behielten  ihren  eigenen,  von 
den  Vätern  überkommenen  Hausplan  bei,  Hessen  ihn  aber 
von  den  fremden  Bauleuten  in  ihrer  vollkommeneren  Technik 
imd  mit  ihrer  reicheren  Kunst  zur  Ausführung  bringen. 

Aber  nicht  nvir  die  Bauweise  und  die  Bauformen  ihrer 


KRETISCH!':,  :\[ vKicxisciii':  r.  homi^risciiI':  i-alästic     201 

Häuser  übernalinicn  die  AcliTier  x-on  den  Kretern,  allniälilieh 
eio^neten  sie  sich  auch  ihre  f^anze  Kultur  an.  Das  Hausgeräte 
und  die  Waffen,  den  Schmuck  der  Kleider  und  die  sonstij^^en 
Kostbarkeiten  haben  sie,  wie  die  Funde  in  den  achäischen 
Palästen  und  Gräbern  lehren,  sehr  bald  von  den  karisch-Kki- 
schen  Stämmen  Kretas  angenommen.  Auch  hierüber  schweigt 
die  Überlieferung  nicht,  indem  sie  bei  den  Waffen  und  Klei- 
dern ausdrücklich  Entlehnung  von  den  Karern  berichtet 
(Herodot  I  171   und  V  88). 

Nachdem  die  Achäer  sich  die  kretische  Kultur  zu  eigen 
gemacht  hatten,  ist  ein  Ereignis  eingetreten,  das  sich  im 
Leben  der  Völker  schon  so  oft  wiederholt  hat.  Das  seit  langer 
Zeit  auf  hoher  Kulturstufe  stehende  kretische  Volk  ist  dem 
jüngeren  und  noch  kräftigeren  Volke  der  Achäer  unterlegen 
und  aus  seinen  Sitzen  vertrieben  worden.  Unter  Minos,  so 
lehrt  die  Überlieferung,  wurden  die  Achäer  Herren  der  Insel 
Kreta.  An  Stelle  der  karischen  Seeherrschaft  trat  die  mäch- 
tige Herrschaft  des  Minos.  Nur  ein  Teil  der  alten  karischen 
Bevölkerung  verblieb  als  Eteokreter  im  Osten  und  als  K)do- 
nier  im  Westen  der  Insel  und  hat  dort  noch  in  der  klassi- 
schen Zeit  als  ungriechischer  Stamm  gewohnt.  Die  fremd- 
sprachlichen, mit  griechischen  Buchstaben  geschriebenen 
Inschriften,  die  im  Osten  der  Insel  in  Praisos  gefunden  sind, 
ofehören  unzweifelhaft  den  Eteokretern  an  und  werden  daher 
in  karisch-lykischer  Sprache  abgefasst  sein.  Hoffentlich  ge- 
lingt es  bald  sie  zu  entziffern,  damit  sie  dann  auch  den 
vSchlüssel  bilden  können  zur  Entzifferung  der  zahllosen  alt- 
kretischen Toninschriften,  die  in  den  Palästen  Kretas  überall 
gefunden  werden  und  gewiss  auch  in  karischer  oder  lykischer 
Sprache  abgefasst  sind. 

Die  Besiegung  der  altkretischen  Bevölkerung  durch  die 
Zerstörung  ihrer  grossartigen  Paläste  und  die  Errichtung 
neuer  und  anders  gestalteter  Paläste,  die  denen  von  Tiryns 
und  Mykenai  verwandt  sind,  das  waren  die  Tatsachen,  die  wir 
schon  als  Ergebnis  unseres  Studiums  der  Ruinen  mitteilen 
konnten.  Stimmt  so  die  litterarische  Überlieferung  sehr  gut 
zu  den  Lehren  der  Ruinen,  so  werden  wir  kein  Bedenken 
tragen,    die    Zerstörung    der    alten   und   die   Errichtung   der 


292  W.    DORPFELD 

neuen  Paläste  den  Achäern  unter  Minos  zuzuschreiben.  Und 
da  die  Überlieferung  den  Minos  drei  Generationen  vor  dem 
trojanischen  Kriege  ansetzt,  so  glaube  ich  in  runden  Zahlen 
1300  V.  Chr.  als  Zeit  der  Zerstörung  der  alten  Paläste  anneh- 
men zu  können,  indem  ich  den  trojanischen  Krieg  rund  um 
1  200  und  die  dorische  Wanderung  rund  um  1 1 00  ansetze.  Die 
Datierungen,  welche  A.  Evans  vorschlägt,  stimmen  zu  diesen 
Zahlen  allerdings  nicht.  Er  lässt  den  Palast  von  Knossos 
schon  um  1500  zerstört  werden  {Ai/n.  of.  B.S.  X  S.  2).  Dass 
aber  die  hohen  Zahlen  von  Evans  nicht  haltbar  sind,  scheint 
mir  E.  Reisch  {Miit.  der  Anthropol.  Gesellschaft  in  Wien  1904, 
S.  15)  erwiesen  zu  haben.  Ich  will  und  kann  auf  diese  Datie- 
rungen nicht  näher  eingehen,  sehe  aber  meinerseits  unter  den 
bisher  beigebrachten  Argumenten  keines,  das  mich  veranlas- 
sen könnte,  von  den  uns  aus  dem  Altertum  überlieferten 
Zahlen  wesentlich   abzugehen. 

Die  alte  karische  Bevölkerung  wurde  von  Kreta  und 
vielleicht  auch  von  anderen  Inseln  vertrieben  und  zog  haupt- 
sächlich nach  Kleinasien  hinüber,  wo  wir  sie  in  späterer  Zeit 
als  Karer  und  Lyker  finden.  Ein  Teil  der  Bevölkerung  hat 
sich  vielleicht  schon  damals  nach  dem  Westen  gewendet  und 
sich  als  Etrusker  in  Italien  niedergelassen.  Denn  dass  die 
etruskische  Kultur  und  Sprache  der  altkretischen  verwandt 
ist,  scheint  nicht  mehr  zweifelhaft  zu  sein.  Auch  hat  die 
Auswanderung  eines  ganzen  Volksstammes  am  wahrschein- 
lichsten zu  der  Zeit  stattgefunden,  als  dies  ganze  Volk  aus 
seiner  kretischen  Heimat  vertrieben  wurde. 

Durch  die  Eroberung  Kretas  hatten  die  Achäer  ihre 
Herrschaft  von  dem  eigentlichen  achäischen  Lande  (der 
'Axal'i?  oder  'Axau?  y«^"  Homers)  nach  Osten  ausgedehnt  über 
einen  grossen  Teil  des  ägäischen  Meers.  Die  karische  See- 
herrschaft war  gebrochen.  Die  Achäer  hatten  nun  die  Herrschaft 
und  waren  damit  auch  die  Träger  der  hohen  Kultur  gewor- 
den, die  sie  früher  als  eine  fremde  von  den  Karern  übernom- 
men hatten.  Sie  selbst  waren  Krieger  und  keine  Künstler 
oder  Händler.  So  bezogen  sie  ihre  Kunstgegenstände  viel- 
fach von  den  Phönikiern,  die  damals  die  Händler  des  Mittel- 
meeres geworden  waren. 


KKKTISCHi:,    MVKKNISCni'.    V.   HO^ri' K  ISCII  F.    rALÄSTl-:       2Q.^ 

Das  ist  der  politische  und  kulturelle  Zustand  des  achäi- 
sclien  Landes,  den  das  homerische  Epos  schildert.  An  allen 
achäischen  Fürstenhöfen  wird  die  epische  Kunst  <;eübt  und 
gepflegt  worden  sein.  Man  besang  anfangs  die  l'\ahrt  der 
Argo,  den  Zug  gegen  Theben  und  die  Taten  des  Minos,  des 
Herakles  und  andrer  Helden.  Nachdem  aber  der  gemeinsame 
Zug  aller  Achäer  gegen  Troja  unternommen  und  glücklich 
beendet  war,  sang  man  hauptsächlich  \'on  diesem  grossen 
Kriege  und  seinen  traurigen  Folgen. 

Die  achäische  Herrschaft  und  auch  die  althomerische 
Poesie  fanden  ihr  Ende  durch  die  dorische  Wanderung.  Die 
Königssitze  im  Peloponnes,  in  Ithaka  und  in  Kreta  wurden 
von  den  Dorern  zerstört.  Die  Achäer  wurden  ebenso  besiegt 
und  vertrieben,  wie  früher  die  karischen  Stämme;  sie  mussten 
vor  den  kriegerischeren  und  weniger  verweichlichten  Dorern 
fliehen.  Die  Einen  wandten  sich  nach  Osten,  eroberten  die 
Küsten  Kleinasiens  und  drängten  die  Karer  und  Lyker  wei- 
ter ins  Innere;  die  Anderen  fanden  auf  den  ägäischen  und 
jonischen  Inseln  oder  auch  in  denjenigen  Provinzen  der 
Achaiis,  die  von  den  Dorern  nicht  besetzt  waren,  eine  neue 
Heimat;  noch  Andere  sind  vermutlich  schon  damals  nach 
dem  Westen  gezogen  und  haben  den  Grundstock  gebildet 
für  die  achäischen  Kolonien  in  Italien  und  Sizilien.  Die  home- 
rischen Gedichte  wurden  von  den  Auswanderern  in  die  neue 
Heimat  mitgenommen  und  als  Erinnerung  an  die  grossen 
Taten  der  Väter  und  an  die  goldene  Zeit  des  achäischen 
Reiches  treu  bewahrt. 

Die  Dorer  kamen  ohne  hohe  eigene  Kultur  von  Norden 
nach  dem  achäischen  Lande,  besetzten  Ithaka  und  das  be- 
nachbarte Festland,  die  reichen  Ebenen  des  Peloponnes  und 
Kretas  und  zogen  sogar  hinüber  zur  südwestlichen  Spitze 
von  Kleinasien.  Mit  ihrer  Herrschaft  beginnt  das  griechische 
Mittelalter.  Die  früheren  Kulturcentren,  die  achäischen  Für- 
stenhöfe im  Peloponnes  und  in  Kreta  waren  zerstört,  und 
über  ihren  Trümmern  keine  neuen  Paläste  errichtet.  Neue 
Kulturcentren  entstanden  erst  allmählich  in  einigen  der 
neuen  dorischen  Städte  und  besonders  auch  an  den  Orten, 
wo  die  Achäer  sich  niedergelassen  hatten,  vor  allem  in  Klein- 


294  W.     DÖRPFELl) 

asien,  wo  die  Achäer  als  zwei  sich  bekämj)fende  Bruder- 
stämme neben  einander  wohnten  und  sich  nicht  mehr  mit 
dem  gemeinsamen  Namen  als  Achäer,  sondern  mit  ihren 
besonderen  Stannnesnamen  als  Jonier  und  Äolier  bezeichne- 
ten. Hier  haben  namentlich  die  Jonier,  die  früher  die  west- 
liche und  nördliche  Küste  des  Peloponnes  innegehabt  hat- 
ten, als  der  begabtere  und  am  meisten  vorgeschrittene  Stamm 
viel  zu  der  neuen  Entwickelung  der  griechischen  Kultur 
beigetragen.  In  Jonien  ist  auch  das  alte  Epos  besonders 
gepflegt  und  so  für  die  späteren  Griechen  und  auch  für  uns 
erhalten  worden. 

Sind  diese  Beobachtungen  und  Schlüsse  richtig,  so  ist 
die  altkretische  Kultur  nicht  griechisch  oder  achäisch,  son- 
dern karisch.  Die  stattlichen  altkretischen  Bauwerke  und  ihr 
Inhalt,  das  Hausgerät,  die  Schmucksachen,  die  Götterbilder 
und  die  Inschriften  gehören  einer  hohen  vorgriechischen  Kul- 
tur an,  die  ihrerseits  wiederum  auf  orientalischer  und  ägypti- 
scher Unterlage  ruht.  Diese  Kultur  hatten  die  Achäer  ken- 
nen gelernt,  allmählich  angenonmien  und  bald  zu  der  eige- 
nen gemacht.  Nach  Besiegung  und  Vertreibung  der  Karer 
werden  sie  die  hauptsächlichen  Träger  dieser  Kultur.  Das 
achäische  Land,  dessen  Centren  die  Herrensitze  in  Kreta,  im 
Peloponnes,  auf  den  jonischen  Inseln  und  in  Nordgriechen- 
land waren,  erreicht  seine  grösste  Blüte  in  der  Zeit  von  Minos 
bis  zum  trojanischen  Kriege  und  dann  weiter  bis  zur  dori- 
schen Wanderung.  Aus  der  letzten  Periode  dieser  Blüte  stam- 
men unsere  homerischen  Epen,  deren  Kern  uns  den  ganzen 
Kulturzustand  des  achäischen  Landes  und  Volkes  in  der  spät- 
mykenischen  Zeit  schildert. 


Zusatz. 

Da  über  die  Benennung  der  altkretischen  Kultur  und 
ihrer  Perioden  noch  keine  Übereinstimnumg  unter  den  Fach- 
genossen besteht,  darf  ich  die  Untersuchung  über  die  beiden 
Palastarten  Kretas  nicht  ohne  einige  Sätze  über  die  Benen- 
nung- der  zwei  oben  besprochen  Periodenen  abschliessen. 


KRETISCHE,    MVKENISCHI':    T.   HOM  ICR  ISCH  !•:    I'ALÄSTlv       205 

Die  italienischen  Archäologien  bezeichnen  in  ihren  Ver- 
öffentlichungen die  jüngere  Epoche  der  kretischen  Kultur 
in  der  allgemein  üblichen  Weise  als  <niykenisch  und  be- 
nutzen für  die  ältere  Epoche  die  Ausdrücke  «vormykenisch - 
oder  primitiv  >  oder  Zeit  der  Kamares-Vasen  .  A.  Evans 
hat  dagegen  eine  ganz  neue  Bezeichnung  eingeführt,  die  von 
den  englichen  Archäologen  angenommen  ist.  Er  nennt  die 
vordorische  kretische  Kultur,  soweit  sie  nicht  <neolithisch 
ist,  «minoisch>  und  unterscheidet  bei  der  Topfware  früh-, 
«mittel-»  und  «spät-minoisch»  mit  je  3  Unterabteilungen,  also 
im  Ganzen  neun  verschiedene  minoische  Perioden,  Die  Zeit 
der  jüngeren  Paläste  von  Knossos  und  Phaistos  rechnet  er 
zur  Periode  <  spät-minoisch  III  v  oder  zur  Zeit  der  teilweisen 
Wiederbenutzung  des  Palastes».  Unsere  älteren  Paläste  .setzt 
er  in  seine  Perioden  niittel-minoisch  II»,  bis  «spät-minoisch 
II  >.  Für  die  älteren  Perioden  nimmt  er  für  Knossos  ältere, 
noch  nicht  ausgegrabene  Paläste  an. 

Andere  Benennungen  sind  von  deutscher  Seite  vorge- 
schlagen und  angewendet  worden.  So  hat  sich  E.  Reisch  im 
Wesentlichen  der  italienischen  Bezeichnung  angeschlossen, 
aber  in  der  mykenischen  Epoche  3  Unterabteilungen  unter- 
schieden {Mitt.  der  anthrop.  Ges.  in  Wien  1904,  S.13).  G.  Karo 
gibt  dagegen  der  ganzen  Kultur  des  2.  Jahrtausends,  also 
unseren  beiden  Perioden,  die  gemeinsame  Bezeichnung  «alt- 
achäisch»  {Aj'cJüv  für  Rclig.-Wiss.  1904,  S.117).  F.  Noack  wen- 
det in  seinem  Buche  Homerische  Paläste»  besonders  die  bei- 
den Worte  ^mykenischv  und  «kretisch»  an,  um  die  beiden 
Palastarten  zu  unterscheiden.  Dass  es  sehr  wünschenswert 
wäre,  wenn  eine  übereinstimmende  Bezeichnung  der  Perioden 
eingeführt  und  allgemein  angenommen  werden  könnte,  wird 
niemand  leugnen.  Aber  ist  das  jetzt  noch  möglich?  Ich  glau- 
be, dass  diese  Möglichkeit  in  der  Tat  noch  vorliegt,  wenn  wir 
uns  möglichst  wenig  von  dem  bisher  üblichen  Gebrauche 
entfernen. 

Nachdem  sich  für  die  jüngere  Periode  der  Name  «myke- 
nische  Kultur  ^  bei  allen  Nationen  eingebürgert  hat,  dürfte 
es  sich  empfehlen,  ihn  beizubehalten.  Der  Ausdruck  ist  auch 
durchaus  passend.   Denn  Mykenai  ist  nicht  nur  der  Ort,  wo 


296  W.     DÖRPFELD 

die  reichen  Schätze  dieser  Kultur  zum  ersten  Male  gefunden 
wurden,  sondern  hat  auch  nach  der  Überlieferung  und  nach 
den  Funden  einen  der  Mittelpunkte  dieser  Kultur  gebildet. 
Neben  dieser  geographischen  Bezeichnung  empfehle  ich  als 
gleichwertigen  Namen  <  achäisch  >,  weil  die  Achäer  nach  der 
Überlieferung  die  Vertreter  der  mykenischen  Kultur  gewe- 
sen sind.  Da  die  Achäer  in  der  klassischen  Zeit  keine  selb- 
ständige Rolle  mehr  gespielt  haben,  und  keine  jüngere  achäi- 
sche  Kunst  existiert,  so  ist  es  überflüssig  zur  Unterscheidung 
von  einer  jüngeren  Epoche  <  altachäisch »  zu  sagen. 

Für  die  ältere  Periode  der  kretischen  Kultur  kann  die  dem 
Worte  «my kenisch»  entsprechende  geographische  Bezeich- 
nung «kretisch  i^  oder  auch  v  altkretisch-  angewendet  werden. 
Denn  Kreta  ist  nicht  nur  der  erste  Fundort,  sondern  auch  das 
Centrum  der  «Kamares-Kultur >  gewesen.  Der  kurze  Ausdruck 
< kretisch:  scheint  mir  zu  genügen,  weil  Kreta  in  der  späte- 
ren Zeit  nie  wieder  eine  führende  Rolle  in  der  Geschichte 
oder  in  der  Kultur  gespielt  hat.  Will  man  diese  «kretische» 
Kultur  daneben  auch  noch  nach  demjenigen  Volksstamme 
bezeichnen,  der  ihr  Schöpfer  und  Träger  war,  so  ist  dafür 
der  kurze  Name  «karisch  sehr  zweckmässig  und  besonders 
deshalb  empfehlenswert,  weil  schon  die  Alten  diesen  Namen 
als  gemeinsame  Bezeichnung  für  die  verschiedenen  Volks- 
stämme der  vorhellenischen  Kulturperiode  benutzt  haben. 

Der  von  den  Engländern  für  die  kretische  Kultur  ge- 
brauchte Name  «minoisch»  scheint  mir  schon  aus  dem  Grunde 
nicht  gut,  weil  eine  mehr  als  tausendjährige  Kultur  nicht 
nach  einer  einzigen  Person  bezeichnet  werden  sollte.  Die  Aus- 
drücke früh-minoisch,  mittel-minoisch  und  spät-minoisch  sind 
auch  widersinnig  für  Perioden,  die  zum  Teil  viele  Jahrhun- 
derte vor  Minos  liegen.  Ausserdem  ist,  falls  meine  obigen 
Darlegungen  auch  nur  im  Wesentlichen  richtig  sind,  die  Be- 
zeichnung «minoisch»  für  die  ältere  Epoche  der  kretischen 
Kultur  sogar  falsch,  weil  Minos  gar  nicht  der  älteren  kari- 
schen Epoche  angehört,  sondern  wahrscheinlich  gerade  der 
Begründer  der  jüngeren  achäischen  oder  mykenischen  Epo- 
che gewesen  ist. 

Nach  meinem  Vorschlage  würden  also  für  die  ältere  Epo- 


KRETISCHE,   MYKENTSCTTE  U.   HOMERISCHE   PALÄSTE      297 

che  die  Ausdrücke  <'kretisch»  und  <karisch»  und  für  die 
jüngere  «mykenisch  und  <  achäisch  >  nebeneinander  benutzt 
werden  können.  Zunächst  aber,  so  lange  noch  keine  volle 
Übereinstimmung  der  Ansichten  über  die  Träger  der  beiden 
Kulturen  erreicht  ist,  würden  in  erster  Linie  die  beiden  geo- 
graphischen Ausdrücke  «kretisch  >  für  die  ältere,  und  myke- 
nisch» für  die  jüngere  Epoche  zu  benutzen  sein.  Unterab- 
teilungen, wie  sie  Evans  und  Reisch  vorgeschlagen  haben, 
würden  sich  für  beide  Epochen  besonders  auf  dem  Gebiete 
der  Vasenkunde  leicht  einführen  las.sen.  Für  die  Geschichte 
dürften  die  beiden  Hauptepochen  genügen.  Auf  Kreta  selbst 
haben  wir  also  zuerst  die  karische  Periode,  darauf  die  myke- 
nische  oder  achäische  Zeit  und  schliesslich  nach  der  Erobe- 
rung durch  die  Dorer  die  klassisch  griechische  Periode. 

Leukas-Ithaka,  August  190.S. 

Wilhelm   Dörpfeld. 


298 


^€t- 


M  '^y- 


9-      < 


^^ 


DIE   PANDEMOvS -WEIHUNG 
AUF  DER  AKROPOLIS. 


Die  Inschrift,  welche  nebenste- 
hend abgebildet  und  jetzt  rechts  vom 
Aufgang  zu  den  Propyläen  aufge- 
stellt ist,  wurde  im  Jahre  1889  süd- 
lich vom  Beule'schen  Thore  gefun- 
den und  von  Lolling  im  AeXxIov  'Aqx- 
1889,  S.  127-29  herausgegeben. 

Lolling  nennt  die  Steine  ejcionj- 
Xiu ;  doch  macht  er  darauf  aufmerk- 
sam, dass  das  Gebäude,  zu  dem  sie 
gehörten,  kein  Tempel  war,  weil  die 
Steine,  nach  Kawerau's  Beobachtung, 
nicht  auf  Säulen,  sondern  auf  einer 
Mauer  gelegen  hätten.  Lolling  nimmt 
ferner  an,  dass  zwischen  den  erhalte- 
nen noch  zwei  ebenso  grosse  Steine 
fehlen,  wodurch  die  Fassade  des  Ge- 
bäudes eine  Länge  von  7,20  m  er- 
hält oder  ungefähr  anderthalb  mal  so 
viel  wie  die  Fassade  des  Niketempels. 
Er  gibt  demnach  den  Text  der  In- 
schrift, wie  folgt: 

Obere  Zeile. 

Tovfis    aoi     03    [^LEydh]    ofuvi)    n«v8ii|.ie 

'A(pQ[o8m) 


8r]]^A0i)  ^EV  öooQOi?,  ELxoaiv  f|p,ETe^ai(;. 


DIE    PANDEMOS-WEIIirNG    ATE    DER    AKROl'OLIS  299 

Untere   Zeile. 
'Aq/Ivoc;   'AXitjTi]TOv    2x«fiß(oviötii;,   MevfixoaTFia   Af£ixQ((Tn\ic; 

'Ixaoiewq  Di'YdT)]^,  ieq8i«  xi\c,  ['AcpQoöinic; 

.  .  .  ÄjeHixQdToi'c   'IxaQiEwg  ■ft-i'Y«ti]Q,  ""Aqxi'voi'   K-  |ii'iti|o. 

Man  kann  sich  indessen  an  Ort  und  vStellc  leiclit  davon 
überzeugen,  dass  die  zwei  Steine  sehr  wohl  an  einander  ge- 
stossen  haben  können.  Die  Ergänzung  Lollings,  [Öi'iJuov  [.itv, 
muss  aber  auch  aus  sprachlichen  Gründen  Bedenken  erregen, 
da  das  ^lev  hier  gar  keinen  Sinn  hat.  Nininit  man  dagegen 
an,  dass  die  beiden  Steine  zusammengehören,  dann  muss  man 
in  [-][^ioi'[.iev  eine  Verbalform  suchen  und  dann  liegt  xoojjoüufv 
auf  der  Hand,  also : 

Tövöe  ooi,    (!)   (.i£Ytt?j|    afjivT]    IIdv8T]|.i8    ""Acppfcömi], 
[hoo][.ioOj.i£A'   8(6qoi5  eixööiv  f]|.i£T8ßaii;. 

In  der  unteren  Zeile  fehlt  nur  der  Name  der  Mutter  des 
Archinos.  Es  waren  drei  Personen  genannt,  die  das  unbe- 
kannte Gebäude  (tovöe,  vielleicht  ßo3^6v  in  der  Bedeutung 
von  Unterbau  oder  dergleichen)  mit  ihren  Bildnissen  ge- 
schmückt hatten,  nämlich  die  Priesterin  Menekrateia,  ihre 
Schwester  und  deren  Sohn  Archinos.  Der  letztere  scheint  der 
olxelo?  Tr\g  is^eiag  zu  sein,  der  uns  aus  einer  anderen  Inschrift 
als  Vertreter  der  Priesterin  dem  Rat  und  Volk  gegenüber 
bekannt  ist.  Diese  Inschrift  wurde  in  derselben  Gegend  ge- 
funden und  zuerst  im  AeXiiov  'Ao/.  1888,  S.  187-88  ebenfalls 
von  Lolling  veröffentlicht. 

Die  oben  vorgeschlagene  Lesung  war  schon  1 890  aus 
einem  Briefwechsel  zwischen  mir  und  meinem  Freund  Dr. 
Chr.  Blinkenberg  hervorgegangen.  Blinkenberg  hatte  nämlich 
schon  damals  die  Zusammenhörigkeit  der  beiden  Inschrift- 
blöcke so  wie  den  rechtwinkligen  Anschluss  der  Seitenblöcke 
(siehe  unten)  richtig  erkannt.  Die  Sache  wurde  damals  nicht 
weiter  verfolgt.  Später  hat  Dr.  Wilhelm  nach  mündlicher 
Mitteilung  von  Blinkenberg  die  Inschrift  mit  der  richtigen 
Ergänzung  erwähnt,  in  der  'Ecpin-i.  'Agyaiol.  1902,  S.139  Anm. 
und  nochmals  Z?6W1905,  S.  407.  Durch  Herrn  Kawerau's 
nachstehende  Untersuchung  scheint  mir  die  Sache  endgültig 
erledio-t  zu  sein.  Fr-  Weilbach. 


300  G.    KAWERAU 

Die  auf  Grund  der  vorgeschlagenen  Ergänzung  von 
H.  Schrader  veranlasste  Nachprüfung  und  Zusammenfügung 
der  vier  erhaltenen  Steine  führte  zu  folgendem  Resultat:  Bei 
Annahme  der  neuen  Lesung  ergeben  sich  zwischen  dem  letzt 
erhaltenen  q  auf  der  linken  und  dem  ersten  Buchstaben  [i  auf 
der  rechten  Seite  der  obersten  Zeile  der  Inschrift  9  Zwischen- 
räume zwischen  je  zwei  Buchstaben.  Wenn  man  diese  Länge 
nach  der  sonst  ermittelten  Durchschittsentfernung  zwischen 
2  Buchstaben  ansetzt  und  hiernach  die  beiden  Inschriftsteine 
zusammenfügt,  wie  es  in  Abb.  1.  (Aufsicht  auf  die  Epistyl- 
blöcke)  gezeichnet  ist,  so  ergibt  sich,  dass  die  beiden  grossen 
Stücke  des  mit  Inschrift  versehenen  Epistyls  fast  ganz  genau 
aneinander  passen.  Direkte  Berührungsflächen  sind  nicht 
vorhanden,  aber  es  fehlt  an  beiden  Blöcken  nur  ein  Geringes, 
um  den  unmittelbaren  Anschluss  zu  ermöglichen.  Die  Steine 
sind  also  der  Ergänzung  durchaus  günstig  und  sprechen  kei- 
nesfalls dagegen.  Für  die  unmittelbare  Zusammengehörigkeit 
der  Inschriftblöcke  spricht  auch  die  Anordnung  des  Tauben- 
frieses. Wie  Abbild.  1  zeigt,  schreiten  die  Tauben  von  den 
beiden  äussersten  Ecken  der  Mitte  zu,  sodass  sich  eine  Mit- 
telaxe des  Frieses  ergibt.  Diese  Mittelaxe  fällt  auch  unge- 
fähr mit  der  Mitte  der  Inschrift  —  nach  ihrer  neuen  Ergän- 
zung —  zusammen.  Die  Symmetrie  in  der  Anordnung  ist  übri- 
gens nicht  ängstlich  eingehalten.  Die  letzte  Taube  auf  der 
rechten  Seite  des  Frieses  ist  der  Ecke  des  Blocks  ganz  nahe 
gerückt,  auf  der  linken  Seite  ist  diese  Entfernung  beträcht- 
lich, grösser.  Dementsprechend  verschiebt  sich  auch  die  Mit- 
telaxe etwas  nach  rechts.  Dies  lässt  wieder  darauf  schliessen, 
dass  über  dem  Inschriftblock  kein  Giebel  gestanden  haben 
kann  —  man  würde  sonst  Wert  darauf  gelegt  haben,  Giebel- 
und  Friesmitte  in  die  gleiche  senkrechte  Axe  zu  legen.  Nach 
dieser  Zusammenfügung  der  Inschriftblöcke  berechnet  sich 
das  äussere  Mass  der  Hauptansichtsseite  auf  ca.  3,  1 65  m.  Es 
kann  hier  nur  ein  angenähertes  Mass  angegeben  werden,  da 
die  Buchstabenentfernungen,  auf  welche  diese  Berechnung 
gegründet  ist,  nicht  genau  gleichmässig  gross  sind.  Doch 
könnte  es  sich  höchstens  um  einen  Spielraum  von  1  bis  2  cm 
in  der  Länge  handeln. 


DIE    PANDE:M0S -WEIHUNG    AUF    DER    AKROI'OLIS 


301 


Eine  völlige  Sicherheit  ergab  die  Zusaiiiiiienlegung  der 
Blöcke  in  Bezug  auf  den  Anschluss  der  seitlichen  Teile  an 
die  Inschriftblöcke;  die  beiden  Seitenblöcke  passen  genau  an 
die  auf  Anschluss  gearbeiteten  Ecken  der  Inschriftblöcke  an. 
(vgl.  Abb.  2).  Die  Taubendarstellung  ist  auch  an  den  beiden 
seitlichen  Blöcken  noch  herumgeführt,  bemerkenswert  ist 
hierbei,  dass  an  der  linken  vSeite  die  Tauben  von  der  Vorder- 
front ab,  an  der  rechten  Seite  dieser  Front  zugewendet  sind. 

Wird  es  also  nach  diesen  Versuchen  höchst  wahrschein- 
lich,  dass   die  vorgeschlagene   Ergänzung   in  Bezug  auf  die 


ÖcioniU      ß 


cn  2,535 


T 


Abb.  2. 


Anzahl  der  einzufügenden  Buchstaben  das  Richtige  trifft,  so 
ergibt  sich  weiter,  dass  der  mit  Inschrift  versehene  Architrav 
der  Hauptseite  ein  durchgehender  Block  war.  Wir  haben 
also  ein  Epistyl  der  Vorderseite  und  2  anschliessende  Blöcke 
der  beiden  Seitenfronten.  Beide  setzten  sich,  wie  die  am  Ende 
des  Blocks  erhaltene  halbe  T- Klammer  lehrt,  noch  weiter 
fort.  Wie  das  Auflager  dieser  Epistylien  beschaffen  war,  lässt 
sich  nach  dem  Zustand  der  Unterflächen  der  Steine  kaum 
entscheiden.  Ich  war  früher  der  Meinung,  dass  die  Epistylien 
nicht  frei  auf  Säulen,  sondern  auf  einer  vollen  Wand  aufge- 
legen haben.  Ich  würde  das  heute  nicht  mehr  für  völlig  be- 
wiesen halten.  Freilich  zeigt  die  Unterfläche  einen  deutlichen 

19* 


302  G.    KAWERAU 

Unterschied  in  der  Bearbeitung  gegen  die  Ansichtsflächen, 
sowohl  gegen  die  äussere  wie  die  innere.  Letztere  sind  glat- 
ter gearbeitet  als  die  Unterfläche.  Immerhin  aber  ist  es  mög- 
lich, dass  auch  die  Unterfläche  trotz  ihrer  rauheren  Bearbei- 
tung sichtbar  gewesen  ist.  Eine  irgendwie  abgegrenzte,  noch 
etwas  rauher  sich  abhebende  Fläche  für  den  Abakus  eines 
Säulen-  oder  Pfeilerkapitells  ist  an  der  Unterseite  nirgend  zu 
erkennen.  Andererseits  wäre  es  auffallend,  wenn  man  den 
Inschriftblock  so  lang  und  ungeteilt  gemacht  hätte,  wenn  er 
auf  einer  Wand  aufliegen  sollte.  Für  die  seitlichen  Blöcke 
halte  ich  es  für  wahrscheinlich,  dass  sie  auf  einer  Wand  auf- 
lagen. Hierfür  spricht  die  Art  des  Fugenschnittes  an  den 
Ecken.  Wäre  eine  Eckstütze  vorhanden  gewesen,  so  hätten 
diese  Blöcke  auf  ihr  nur  ein  sehr  mangelhaftes  Auflager,  mit 
der  Hälfte  ihrer  Steinstärke,  gehabt.  Der  vordere  Block  war 
besser  aufgelagert.  Ich  könnte  mir  daher  wohl  denken,  dass 
die  Seitenblöcke  auf  einer  vollen  Wand  auflagen,  der  Inschrift- 
block aber  frei  lag.  Dass  noch  Zwischenstützen  vorhanden 
waren,  dafür  sind  keine  Merkmale  erhalten.  Das  Gebäude 
könnte  also  im  Wesentlichen  die  Form  eines  teniphiiii  in 
anfis  gehabt  haben.  Eine  volle  Sicherheit  hierüber  lässt  sich 
aber  aus  der  Bearbeitung  der  Unterflächen  nicht  gewinnen. 
Auch  die  Oberflächen-Bearbeitung  erlaubt  keinen  ganz  siche- 
ren Schluss  auf  die  Gestaltung  der  oberen  Bekrönung  des 
Gebäudes.  Die  Arbeit  ist  viel  rauher  als  an  der  Unterfläche; 
man  sieht  deutlich  die  Spuren  der  einzelnen  Zähne  des 
Zahnmeissels,  mit  dem  die  Oberfläche  behandelt  ist.  i\ber  wie 
ein  Auflager  sieht  die  Fläche  nicht  aus.  Es  fehlt  der  etwas 
glattere  Rand  der  Kanten,  der  sonst  die  rauhere  Bearbeitung 
des  Inneren  zu  umsäumen  pflegt,  es  fehlen  Stemmlöcher, 
Dübellöcher  und  alles,  was  auf  ein  Auflager  weiterer  Stein- 
glieder deuten  könnte.  Auch  ist  der  Taubenfries  im  Verhält- 
nis zur  Höhe  des  eigentlichen  Architravs  sehr  niedrig,  ein 
über  den  Fries  vorgreifendes  Gesims  würde  dieses  Verhält- 
nis noch  ungünstiger  machen.  Es  scheint  aber,  dass  unsere 
Blöcke  die  oberste  Krönung  des  Gebäudes  darstellen,  dass 
wenigstens  nicht  mehr  ein  eigentliches  Hauptgesims  darüber 
folgte.   Aber   wie  wollen  wir  uns   den  oberen   Abschluss  vor- 


DIE    PANDEMOS -WEIHUNO    AUF    DER    AKKOPOLIS  303 

stellen  und  wie  sah  die  Decke  aus?  An  der  Innenseite  der 
Epistylblöcke  ist  ein  rin.ii^snni  laufender  Falz  anj^earbeitet, 
der  wohl  nur  die  Bestinnnuno-  haben  kann,  Deckenplatten,  und 
zwar  steinerne,  aufzunehmen.  Für  eine  Balken-  oder  Hretter- 
abdeckung  wäre  das  Auflager  sehr  knapp  bemessen.  Nun  fin- 
det sich  bei  A  und  an  dem  gegenüberliegenden  Block  an  ent- 
sprechender Stelle  im  Falz  ein  Klannnerloch.  Es  scheint  also 
hier  eine  Querwand  oder  ein  Querbalken  parallel  zur  X'order- 
front  gewesen  zu  sein,  trotzdem  an  der  vertikalen  Fläche  der 
Epistyle  unterhalb  der  Klannnerlöcher  nichts  von  Anschluss 
eines  Steines  sichtbar  ist.  Die  Entfernung  der  Klammer- 
löcher von  der  Vorderfront  ist  bei  beiden  Blöcken  verschie- 
den gross.  Man  muss  also  annehmen,  dass  diese  Querwand 
ziemlich  breit  war,  sodass  beide  Klammern,  trotzdem  sie  sich 
nicht  genau  gegenüber  liegen,  die  Querwand  fassten.  Alan 
müsste  sonst  vermuten,  dass  die  Wand  in  etwas  schiefer 
Richtung  lief.  Durch  diese  Querwand  nun  wäre  ein  weiteres 
Auflager  füf  Steinplatten  geschaffen,  diese  konnten  auf  der 
Wand  und  ringsum  in  den  Falzen  des  Epistyls  ruhen.  Diese 
Steinplatten  konnten  nun  sehr  wohl  auch  auf  die  Oberfläche 
des  Epistyls  übergreifen  und  dort  ein  Abschlussprofil  oder 
—  was  mir  wahrscheinlicher  ist  —  etwa  eine  Unterstufe  für 
eine  Basis  zur  Aufstellung  der  in  der  Inschrift  erwähnten 
8ix6v8c;  bilden.  In  diesem  Falle  ist  es  erklärlich,  dass  die  Ober- 
fläche keine  Merkmale  für  eine  weitere  darüber  liegende 
Steinschicht  zeigt.  War  diese  Schicht  an  die  Deckenplatten 
angearbeitet,  so  konnten  auf  dem  Epistyl  Stemmlöcher  und 
Dübellöcher  entbehrt  werden. 

Die  inneren  Ansichten  der  Steine  unterhalb  des  Falzes 
sind  ebenso  glatt  gearbeitet,  wie  die  äussere  Fassade,  sie  soll- 
ten also  sichtbar  sein.  Wie  auch  das  Auflager  der  Blöcke  be- 
schaffen war,  ob  sie  auf  Wänden  oder  einzelnen  Stützen  auf- 
ruhten, sie  umschlossen  jedenfalls  einen  betretbaren  Raum, 
der  leidlich  erhellt  sein  musste,  ob  er  nun  nach  der  \^order- 
seite  durch  eine  Tür  oder  eine  Stützenstellung  geöffnet  war. 
Wir  würden  uns  also  den  vorderen  Teil  des  Grundrisses 
als  eine  Vorhalle  von  ca.  1  m  Tiefe  vorstellen  können.  Was 
dahinter  folgte,  wissen   wir  nicht.  Vielleicht   war  damit  der 


304  G.     KAWERAU 

Bau  zu  Ende  und  nur  die  Seitenfassaden  waren  noch  weiter 
geführt  und  hinten  an  den  Felsen  angestossen.  Es  würde 
sich  so  ein  Monument  ergeben,  das  in  seiner  Anlage  dem 
Thrasyllos-Denkmal  ähnlich  ist,  nur  dass  bei  unserem  Bau 
auch  die  beiden  Seitenfronten  bis  zu  einer  gewissen  Tiefe 
sichtbar  waren.  Eine  derartige  Rekonstruktion  hätte  wenig- 
stens mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich  als  die  Deutung  auf 
einen  Altar.  Freilich  reichen  die  Anhaltspunkte  nicht  aus, 
um  eine  völlige  Sicherheit  zu  geben. 

Georsf   Kawerau. 


II  ■■  t  ■!  II 


Geschlossen   28.   September. 


ATIII'LN.    .Mll  TIULTNCICX    IDÜö. 


TAI'l'lL   XI. 


FRIESPLATTE    Ul     AKROPOLIS-:\[rSEr:M. 


ATHEN.    MITTRILUNCtEN   11)05. 


TAFEL  Xri. 


B. 


C. 


RESTE    VON    FRIESPLATTEX    IM    AKROI'OLIS-:\irSEU:.I. 


305 


DER    CRLLAFRIEvS    DES   ALTEN    ATHENATEMPELS 
AUF  DER   AKROPOLIS. 

(Hierzu  Taf.  XI,  XII). 


Das  schöne  Relief  des  Akropolis- Museums,  das  gewöhn- 
lich als  das-  der  wagenbesteigenden  Frau  bezeichnet  wird, 
durch  lange  Jahre  berühmt  und  immer  wieder  besprochen 
als  das  einzige  grössere  Denkmal  altattischer  Skulptur,  ist 
seit  den  reichen  Funden  der  abschliessenden  Ausgrabungen 
auf  der  Akropolis  in  der  Beachtung  und  Schätzung  ein  wenig 
zurückgetreten,  und  zumal  die  früher  viel  erörterte  Frage 
nach  dem  grösseren  Ganzen,  zu  dem  die  Platte  gehörte,  ist 
kaum  wieder  berührt  worden.  Und  doch  scheint  es  mir  sicher, 
dass  die  neueren  Funde  die  Bedeutung  des  Reliefs  für  unsere 
Vorstellung  von  der  archaischen  attischen  Plastik  nicht  wirk- 
lich herabgesetzt  haben,  und  dass  andererseits  die  vermehrte 
Kenntnis  des  vorpersischen  Zustandes  der  Burg  uns  ein  Ur- 
teil über  den  baulichen  Zusammenhang,  in  den  das  Relief 
einzuordnen  ist,  ermöglicht.  Man  muss  nur  das  Relief  selbst 
und  die  zugehörigen  Bruchstücke  recht  befragen. 

Ich  stelle  zunächst  diese  sämtlich  im  Akropolis -Museum 
aufbewahrten  Stücke  zusammen. 

A.  Das  Relief  «der  wagenbesteigenden  Frau».  Nr.  1342 
(vgl,  Taf.  XI).  Die  Platte,  senkrecht  durchgebrochen,  ist  voll- 
ständig bis  auf  die  rechte  obere  Ecke.  Höhe  1,21m,  Breite 
1,08  m.  Die  Litteratur  bei  Le  Bas-Reinach  Momiments  ßgu- 
res  S.  50f. ;  dazu  Lechat  La  sciilptiire  attique  avant  Phidias 
S.  408  ^  Das  grössere,  die  Figur  und  den  Wagen  enthaltende 
Bruchstück  ist  nach  einer  Notiz  bei  Prokesch  von  Osten 
Deiiknmrdigkeiteji  und  Eriiineriingcn  mis  dem  Orioit  II  S.  395 
«bei  Gelegenheit,  da  Odysseus  das  neue  Bollwerk  bauen  Hess» 
gefunden  —  also  doch  wohl  unweit  der  Klepsydra,  zu  deren 
Schutz  die  Schanze  dienen  sollte.   Damit  vereinioft  sich  sehr 

ATHEN.      MITTEILUNGEN      XXX.  20 


306  H.    SCHRADER 

wohl  die  Angabe  Pervanoglus  {Bullctfi)w  dclV  Iiistitufo  1  860 
S.  53),  wonach  die  Platte  o-efunden  ist  'iin  quel  sito  dirupato 
trn  il  prribolo  deW  Ereftco  r  la  grotfn  d' Ägranlos».  Man  wird 
damals  (1822)  in  der  ganzen  Gegend  nach  Steinen  für  den 
Schanzenbau  gesucht  und  gegraben  haben.  Das  kleinere  Stück 
mit  den  Hinterbeinen  und  Schwänzen  der  Pferde  ist  an  weit 
abliegender  Stelle,  i'rrso  il  luiiro  orirutale  delV  yicropoli»  bei 
den  offenbar  nicht  sehr  tiefgehenden  Aufräumungsarbeiten 
des  Jahres  1860  zu  Tage  getreten  (Pervanoglu  a.a.  O.). 

B.  Linke  obere  Ecke  einer  Platte  mit  dem  Oberkörper 
einer  gewöhnlich  Hermes  genannten  Figur.  Nr.  1343  (vgl. 
Taf.  XH).  Der  Reliefgrund  ist  nach  unten  hin  zu  etwa  recht- 
eckiger Porm  mit  Gips  ergänzt.  Grösste  Höhe  noch  rund  0,43, 
grösste  Breite  rund  0,66m.  Litteratur  bei  Lechat  a.a.O.  S.  41  2"^. 
Fundort  nach  Pervanoglu  (i5;/7/^///>/fl  dr/I'  Iiistituto  1859  S.197) 
<i.accanto  al  vmro  ))ieridionale  dclV  Acropoli». 

C.  Rechte  obere  Ecke  einer  Platte  mit  dem  Kopf  eines 
einzelnen  Pferdes.  Nr.  1340  (Vgl.  Taf.  XH).  Nach  unten  hin  wie 
B  in  Gips  ergänzt.  Oben  ist  der  Plattenrand  nicht  erhalten, 
aber  die  auf  der  höchsten  Stelle  des  Bruches  sichtbaren  Spu- 
ren eines  Klammerloches  zeigen,  dass  nur  wenig  fehlt.  Grösste 
Höhe  noch  rund  0,56,  grösste  Breite  rund  0,47  m.  Litteratur 
bei  Lechat  a.a.O.  S.  412'1  Gefunden  bei  der  von  L.  Ross1835 
südlich  vom  Parthenon  veranstalteten  Ausgrabung,  zwischen 
türkischen  Fundamenten  (Ross  Archäol.  Aufsätze  I  S.  93). 

D.  Fragment  vom  unteren  Rande  einer  Platte  mit  dem 
zurückgesetzten  rechten  F'uss  einer  nach  rechts  schreitenden 
Figur  in  langem  Chiton.  Inv.  Nr.  356  (Abb.  1).  Grösste  Höhe 
noch  0,245,  grösste  Breite  0,36  m.  Zuerst  erwähnt  von  Benn- 
dorf,  der  das  Stück  unter  den  Propyläen  in  eine  Mauer  \&[- 
h?i\xt  ?,2\\  {Gütti)igischc  gelehrte  Anzeige )i  1870  S.  1563).  Benn- 
dorf  hielt  es  für  möglich,  dass  der  Fuss  der  fehlende  rechte 
des  Wagenlenkers  auf  A  sei;  wenn  man  das  Stück  anfügt, 
erkennt  man,  dass  das  nicht  angeht  —  der  Fu.ss  gehört  einer 
ruhig  schreitenden  Figur. 

E.  Bruchstück  vom  rechten  Rande  einer  Platte  mit  dem 
Rest  eines  P'altstuhls  und  einigen  Falten  vom  Gewände  einer 
darauf  nach    links   hin    sitzenden    Figur.    Nr.   1 344   (Abb.   2). 


DER    CELLAFRIKS    DES    ALT1':N    ATIIENATEMPELS  307 

Grösste  Höhe  noch  0,40,  grösste  Breite  noch  0,.U  iii.  Littera- 
tur:  V.  S^'bel  Katalog  der  Sculphtren  zu  Athen  5042;  Milch- 
höfer  ^ircliäol.  Zritniig  1883  S.  181.  Fundort  unbekannt. 


Abb.   1.    Frasiinent  D. 


Lechat  a.  a.  O.  nennt  von  diesen  Stücken  nur  ABC  und 
füg-t  irrtümlich  die  auf  Photogr.  des  Instituts  Akropolis  Nr.  165 
vereinigten  Bruchstücke  hinzu,  welche  von  zwei  kleinen  Vo- 
tivreliefs  stammen. 


Abb.   2.    Fragment  E. 


Dass  die  aufgezählten  Fragmente  demselben  Friese  zu- 
gehören, wird  wohl  für  alle  bis  auf  C  allgemein  zugestanden. 
Für  B  hatte  es  schon  Brunn  auf  Grund  einer  Zeichnung  ver- 
mutet; Benndorf  fügte  D  hinzu;   in  Sybels  Katalog  sind  an 


308  H.    SCHRADER 

A  (5039)  und  B  (5040)  die  Bruchstücke  D  (5041)  und  E  (5042) 
angeschlossen  und  Milchhöfer  hat  deren  Zugehörigkeit  aus- 
drücklich ausgesprochen.  In  der  Tat  ist  die  Übereinstimmung 
des  Materials,  der  Grössenverhaltnisse,  der  technischen  Her- 
richtung, der  Reliefbehandlung,  endlich  der  Formensprache 
so  augenfällig,  dass  bei  den  vStücken  A  B  D  E  ein  Zweifel 
nicht  bestehen  kann.  Der  Pferdekopf  C  steht  mehr  für  sich; 
bei  völliger  Gleichheit  der  Reliefbehandlung  spürt  man  an 
ihm  eine  leichtere  und  freiere  Hand,  z.  B.  in  der  natürlicheren 
Durchbildung  des  in  die  Stirn  fallenden  Schopfes,  die  sich 
merklich  abhebt  von  der  ornamentalen  Haarbehandlung  am 
Wagenlenker,  den  Pferdeschwänzen,  dem  «Hermes».  Aber 
gewiss  übertreibt  Friederichs  {^Bausteine  Nr.  14)  diesen  Ein- 
druck, wenn  er  an  C  den  Charakter  der  Formen  dem  des 
Parthenonfrieses  gleichsetzt  und  auch  die  Einzelheit,  die  er 
anführt,  um  das  Stück  dem  V.  Jahrhundert  zuzuteilen,  die 
plastische  Angabe  der  Adern,  hat  nicht  diese  Beweiskraft, 
wenn  sie  auch  an  den  vielen  Pferdebildern,  welche  die  Akro- 
polis-Ausgrabungen  ergeben  haben,  nicht  vorkommt.  Dass 
dem  reifen  Archaismus  das  Interesse  an  diesem  Detail  nicht 
fernlag,  lehrt  ein  Blick  auf  die  Pferde  im  Friese  des  Knidier- 
schatzhauses,  an  denen,  zwar  nicht  am  Kopfe,  soweit  ich  nach 
den  Abbildungen  urteilen  kann,  wohl  aber  an  den  Beinen  die 
Adern  angegeben  sind  [Fouillcs  de  Delphes  IV  Taf.  VII,  VIII 
(Westfries);  Taf.  IX,  X  (Südfries).  Ross  hat  richtig  gesehen, 
wenn  er  in  seiner  kurzen  Fundnotiz  den  alten  strengen  Stil» 
des  Reliefs  hervorhebt,  und  an  einem  umfangreichen  Werk, 
wie  der  Fries  ohne  Zweifel  es  war,  verschiedene  Entwicke- 
lungsstufen  des  gleichen  Stils  zu  finden,  müssen  wir  nach 
allen  Analogien  voraussetzen.  Alle  übrigen  Anzeichen  der 
Zugehörigkeit:  gleiches  Material,  gleiche  Grössenverhaltnisse, 
gleiche  technische  Herrichtung,  teilt  C  mit  A  B  D  E. 

Das  Material  bezeichnet  Lepsius  Grircliische  Marmor- 
studicv  S.  75,  Nr.  78  und  81  (A  und  C)  als  unteren  weissen  pen- 
telischen  Marmor  Nr.  I  ,  die  übrigen  Stücke  erwähnt  er  nicht; 
Milchhöfer  a.a.  O.  hatte  den  Marmor  als  unzweifelhaft  parisch 
angegeben,  wenn  er  auch  bei  A  etwas  quarzig  erscheine  und 
in  Streifen  breche.  Mir  scheint  das  Material  aller  P'ragmente 


DER    CELLAFRIES    1)I':S    ALTEX    ATIIEXATI-::\ri'EI>S  309 

genau  übereinzustimmen  mit  dem  des  Gigantengiebels  vom 
alten  Athenatempel,  das  Lepsius  als  Inselmannor  bezeichnet 
(S.  70  Nr.  22:  Oberkörper  der  Athena):  ein  grobkörniger,  viel- 
fach grau  getönter  Marmor,  an  dessen  HruchfLächen  man  Kry- 
stalle  von  2-3  mm  Durchmesser  dicht  neben  einander  orelasfert 
sieht, in  geradem  Gegensatz  zu  Lepsius'  Beschreibung  des  pen- 
telischen  Marmors  (vS.  IS),  wonach  für  diesen  besonders  cliarak- 
teristisch  ist,  dass  die  mit  blossem  Auge  sichtbaren  Kr}-- 
stalle  durchschnittlich  0,5-1  mm,  selten  bis  zu  2  mm  Durchmes- 
ser, aber  nicht  über  2  mm  gross  werden,  und  dass  diese  glän- 
zenden Kr)stallkörner  von  einander  getrennt  bleiben  durch 
eine  sehr  feinkörnige  bis  dichte,  matt  durchscheinende,  milch- 
weisse  Grundmasse  .  Jedenfalls  kann  über  die  Gleichheit  des 
Materials  aller  Bruchstücke  kein  Zweifel  bestehen. 

Die  Gleichheit  der  (j  rossen  verhäl  tni  sse  hat  eine  be- 
sondere Beweiskraft,  weil  die  Maasse  ungewöhnlich  stattliche 
sind.  Die  Höhe  des  Frieses  —  an  A  messbar  —  übersteigt  die 
des  Parthenonfrieses  um  20  cm  (1,  31  gegen  1,  015  m).  Auf 
die  gleiche  Plattenhöhe  führt  nun  ein  Versuch,  den  Pferde- 
kopf zu  vervollständigen.  Der  Hals  ist  gerade  da  abgebrochen, 
wo  er  in  den  Rücken  übergeht;  diese  Stelle  liegt  0,43  m  unter 
der  Oberkante  des  Reliefs,  ein  wenig  tiefer,  0,47  ni,  auf  Platte 
A  der  höchste  Punkt  des  Schwanzes  am  vordersten  Pferde. 
Daraus  ergiebt  sich  gleiche  Grösse  der  Pferde  auf  A  und  C, 
also  auch  gleiche  Plattenhöhe. 

Die  äussere  Herrichtung  der  Platten  lässt  sich  an  A 
vollständig  überblicken.  Die  Figuren  stehen  auf  einer  Fuss- 
leiste  von  0,035-0,04  m  Höhe,  0,03-0,035  m  Ausladung  (bei  D 
Höhe  0,04,  Ausladung  0,025-0,03);  den  oberen  Abschluss  muss 
ein  besonderes  Werkstück  gebildet  haben.  Die  Reliefhöhe 
beträgt  bei  A  0,04,  bei  B  und  E  0,03,  bei  D  0,05  m;  die  Plat- 
tendicke ohne  die  Relieferhebung  bei  A  und  B  0,28,  bei  E 
0,25,  bei  D  (hinten  gebrochen)  mehr  als  0,17  m.  Die  Rück- 
seite ist  bei  allen  Stücken  grob  gepickt;  die  Oberseite,  bei  A 
und  B  erhalten,  ist  als  Auflagerfläche  gut  geebnet,  doch  ohne 
Randbeschlag ;  die  Seitenflächen  haben  einen  vertieften 
vSpiegel  und  längs  der  Vorderkante  einen  rund  0,04  m  breiten 
Randbeschlao^.   Dieser  ist  an  beiden  Seitenflächen  von  A  mit 


310  H.    SCH  RADER 

schräg  geführten  Meisselhieben  hergestellt;  nur  am  äusser- 
sten  Rande  ist  ein  schmaler  Saum,  etwa  0,01  m  breit,  glatt 
geschliffen:  er  allein  stellte  den  genauen  Fugenschluss  her. 
Wo  das  Relief  stärker  vortritt,  z.  B.  an  den  Glutäen  des  Wa- 
genlenkers und  am  Hinterteil  der  Pferde,  ist  dieser  vor  Aus- 
arbeitung des  Reliefs  hergestellte  Saum  entsprechend  breiter. 
Bei  E  ist  der  ganze  0,025-0,03  m  breite  Randbeschlag  ge- 
glättet. Zur  Verbindung  der  Platten  unter  einander  dienten 
zierliche  schwalbenschwanzförmige  Klammern  (A  und  B). 

Bei  aller  Verstümmelung  der  Platte  C  ist  doch  gerade 
genug  erhalten,  um  die  völlige  Übereinstimmung  im  Äusser- 
lichen  der  Herrichtung  erkennen  zu  lassen:  auch  hier  fehlt 
ein  oberer  Abschluss,  die  Nachbarplatte  war  durch  eine 
schwalbenschwanzförmige  Klammer  festgehalten;  die  Relief- 
höhe ist  nur  ein  wenig  grösser:  0,06  gegen  0,03-0,05.  Beson- 
ders wichtig  ist,  dass  an  der  rechten  Seitenfläche,  am  Rand- 
beschlage,  genau  die  gleiche  schräge  Meisselführung  zu  er- 
kennen ist  wie  an  beiden  Anschlussflächen  von  A.  Daneben 
bedeutet  wenig  die  geringere  Plattenstärke  (0,13);  diese 
brauchte  ein  festes  Maass  nicht  einzuhalten,  da  die  Platten, 
alle  im  Verhältnis  zu  ihrer  Höhe  viel  zu  schwach,  um  für 
sich  allein  als  tragende  Glieder  dienen  zu  können,  offenbar 
nur  die  Verkleidung  eines  wohl  aus  weniger  kostbarem  Mate- 
rial hergestellten  Mauerkerns  gebildet  haben.  Nach  alle  dem 
halte  ich  die  Zugehörigkeit  des  Pferdekopfes  zu  den  übrigen 
Resten  des  Frieses  für  gesichert. 

Ehe  ich  daran  gehe,  die  Schicksale  des  Frieses,  soweit 
sie  sich  aus  dem  Erhaltungszustande  und  dem  Fundorte  der 
Bruchstücke  erschliessen  lassen,  für  die  Frage  seiner  ur- 
sprünglichen Verwendung  zu  verwerten,  muss  ich  mit  einem 
Worte  auf  die  Datierung  eingehen.  Es  ist  klar,  dass  der  Fries 
derselben  Epoche  und  Stilrichtung  angehört  wie  die  Frauen- 
figuren der  chiotischen  Art  von  der  Akropolis.  Die  ornamen- 
tale Behandlung  des  Gewandes  und  der  Frisuren,  das  Raffi- 
nement in  der  Modellierung  des  Nackten,  z.  B.  an  Armen  und 
Beinen,  bei  mangelnder  Beherrschung  des  Gesamtorganismus, 
ja  bis  ins  Einzelne  hinein  die  zur  Manier  gewordenen  Aus- 
drucksformen  für  anliegendes,  für  durchscheinendes  und  frei- 


DER    CELLAFRIES    DIvS    ALTl-A'    ATHENATE?iIPEL.S  311 

hänji^endes  Gewand,  all  das  ist  so  übereinstimmend,  dass  z.  B. 
der  Wagenlenker  fast  in  jedem  Zuge  eine  ins  Flachrelief 
übersetzte  Köre  ist,  dass  sogar,  wie  Benndorf  fein  ])emerkt 
hat,  die  bei  stehenden  und  schreitenden  Rundfiguren  übliche 
breite  Mittelfalte  des  Rockes  mit  den  sich  fächerförmig  aus- 
breitenden Nebenfalten  und  damit  auch  das  t\pische  Durch- 
scheinen des  Unterschenkels  durch  das  (iewaud  für  die  ganz 
anders  bewegte  Relieffigur  einfach  übernonnnen  ist.  Kleine 
Fortschritte  über  das  in  den  chiotischen  Koren  Erreichte,  wie 
sie  Lechat  kürzlich  hervorgehoben  hat  {(i.a.O  S.  41  Off.)  geben 
uns  nicht  das  Recht,  den  Fries  für  jünger  zu  erklären,  sie  wei- 
sen nur  darauf  hin,  dass  dies  grosse  monumentale  Werk  als 
künstlerische  Leistung  höher  steht  als  die  lauge  Reihe  der  z.T- 
handwerksmässigen  Weihgeschenke,  etwa  im  selben  Alaasse 
wie  sich  der  Gigantengiebel  über  sie  erhebt.  Wie  man  aber 
auch  darüber  urteilen  mag,  ein  völlig  sicherer  fcrminiis  a>itc 
quem  ist  für  den  Fries  der  Persereinfall  von  480.  Denn  die 
Funde  aus  dem  Perserschutt  lassen  keinen  Zweifel  darüber, 
dass  zur  Zeit  des  Persereinfalls  die  Stufe  jener  Frauenfiguren 
und  des  F'rieses  längst  überwunden  war.  Es  ist  wichtig,  sich 
hierüber  ganz  klar  zu  werden.  Denn  es  ist  eine  für  die  Ge- 
schichte des  Frieses  grundlegende  Tatsache,  dass  kein  Stück 
davon,  auch  nicht  das  kleinste  Fragment,  bei  den  abschlies- 
senden Ausgrabungen  auf  der  Akropolis  in  den  von  der  Perser- 
zerstörung herrührenden,  gut  beobachteten  Schuttmassen  ge- 
funden worden  ist.  Alle  Bruchstücke  sind  Gelegenheitsfunde 
früherer  Zeit.  Eine  genaue  Angabe  besitzen  wir  nur  für  den 
Pferdekopf  C:  er  ist  südlich  vom  Parthenon  zwischen  türki- 
schen Fundamenten  zu  Tage  getreten.  Das  grössere  Stück  von 
A  ist  am  Nordabhang  gefunden,  das  kleinere  Stück  von  A 
und  B  bei  oberflächlichen  Aufräumungsarbeiten  auf  der  Burg, 
also  wahrscheinlich  in  mittelalterlichen  oder  türkischen  Schich- 
ten, so  wie  D  in  einer  Mauer  unter  den  Propyläen  verbaut 
war.  W^ir  können  also  mit  Zuversicht  behaupten:  die  Bruch- 
stücke des  Frieses  stammen  aus  der  obersten, 
jüngsten  Fundschicht  der  Akropolis.  Ein  Blick 
auf  den  Erhaltungszustand  der  Fragmente  wird  das  bestäti- 
gen und  uns  weiter  führen. 


312  H.    SCHRADER 

Jedem  Besucher  des  Akropolis-Museums  ist  die  wunder- 
volle Erhaltung  der  archaischen  Skulpturen  aufgefallen.  Nur 
in  verschwindend  seltenen  Fällen  ist  die  Oberfläche  angegriffen; 
meist  spürt  man  wie  frisch  die  schöne  Politur  der  Flächen, 
fast  immer  haften  Farbreste  am  Marmor.  Man  sieht,  dass  die 
Skulpturen  nur  kurze  Zeit  im  Freien  gestanden  haben,  um 
dann  im  sicheren  Grabe  der  Anschüttungen  gegen  alle  Wit- 
terungseinflüsse geschützt  ihrer  Auferstehung  zu  harren. 
Ganz  anders  die  Fragmente  des  Frieses.  Alle  zeigen  in  ver- 
schiedenen Abstufungen  eine  Korrosion,  wie  sie  nur  bei  Mar- 
morwerken gefunden  wird,  welche  Jahrhunderte  lang  der 
Witterung  ausgesetzt  waren.  Die  beiden  Bestandteile  der 
Platte  A  sind  von  verschiedener  Erhaltung,  wie  sie  auch  an 
verschiedenen  Stellen  gefunden  sind.  Das  kleinere  Stück  hat 
die  von  der  Nordseite  des  Parthenon  wohlbekannte  schwärz- 
liche Patina,  welche  Marmor  sehr  rasch  annimmt,  wenn  man 
ihn  auf  feuchtem,  pflanzenreichem  Grunde  liegen  lässt.  Diese 
Patina  überzieht  hier  auch  die  Brüche  und  die  rechte  Seiten- 
fläche. Das  grössere  Stück  hat  nur  Spuren  davon;  aber  die 
ganze  Vorderfläche  ist  korrodiert,  bald  mit  zarter  Körnelung 
der  Haut,  bald  mit  tief  eingefressenen  Löchern,  die  oft  reihen- 
weis auftreten,  ähnlich,  aber  infolge  der  Verschiedenheit  des 
Marmors  doch  wieder  anders  als  an  manchen  Platten  des 
Parthenonfrieses,  wo  sie  mehr  wie  Risse  mit  löcherig  einge- 
fressenen Rändern  aussehen.  Beiden  Stücken  gemeinsam  ist 
eine  Eigentümlichkeit  der  Verwitterung,  welche  bisher  nicht 
beachtet  worden  ist:  die  Korrosion  hat  am  stärksten  gewirkt, 
wo  in  den  Marmor  mit  schmalen  Rinnen,  aus  denen  die  Feuch- 
tigkeit schwer  abzog,  hineingearbeitet  war,  besonders  aber 
da,  wo  bei  senkrechter  Stellung  der  Platte  das  Ablaufen 
des  Regenwassers  durch  wagrechte  Vorsprünge  verhindert 
wurde.  Dies  ist  ganz  besonders  auffällig  und  auch  auf  Taf.  XI 
zu  erkennen  am  oberen  Umriss  des  vorgestreckten  Armes,  am 
obersten  Rande  des  Wagens,  endlich  über  der  Fussleiste.  Die 
feine  Körnelung  der  Haut  findet  sich  an  allen  übrigen  Bruch- 
stücken wieder,  am  schwächsten  an  dem  besterhaltenen  Stück, 
dem  Pferdekopf  C,  aber  auch  hier,  wenn  auch  nur  zart,  über 
die  ganze  Oberfläche  verbreitet,  am  stärksten  wohl  an  B,  wo 


DER    CELT.AFRIES    DES    ALTEN    ATHEKATEMI'KI,S 


,^1.^ 


der  Marmor  z.  T.  tief  angegriffen,  die  Formen  des  Auges 
kaum  noch  kenntlich  sind.  Die  besprochene  Verwitterungs- 
marke sieht  man  hier  sehr  deutlich  über  der  rechten  vSchulter 
und  dem  rechten  Oberarm,  am  oberen  Umriss  des  Petasos, 
am  Gesichtskontur  entlang.  Mehr  dem  Pferdekopf  cähneln  in 
der  feinkörnigen  Korrosion  die  kleinen  Stücke  D  und  E;  bei 
E  ist  die  Verwitterungsmarke  über  der  Fussleiste  und  über 
dem  Spann  des  Fusses  unverkennbar. 

Halten  wir  diesen  Erhaltungszustand  der  Bruchstücke 
mit  den  Fundumständen  zusammen,  so  ergibt  sich  als  zwin- 
gender Schluss,  dass  der  Fries,  im  letzten  Viertel  des  VI.  Jahr- 
hunderts geschaffen,  die  Persernot  überstanden  hat,  bei  den 
grossen  Neubauten  des  V.  Jahrhunderts  geschont  und  erhalten 


Abb.   3.    Oberseite  der  Platte  A. 


wurde  und  als  Ganzes  lange  Jahrhunderte  bestanden  hat. 
Wann  er  zerstört  worden  ist,  lässt  sich  nicht  mit  vSicherheit 
angeben.  Einen  Anhaltspunkt  gewährt  vielleicht  die  zuerst 
von  Benndorf  {a.  a.  O.  S.  1564)  beobachtete  Inschrift  auf  der 
Oberseite  von  A,  welche  hier  nach  einer  Zeichnung,  die  ich 
Kaweraus  Freundlichkeit  verdanke,  abgebildet  wird  (Abb.  3). 
Quer  über  die  Fläche  hin  ist  hier  mit  dünnen,  unsicheren 
Zügen  der  Name  TP0(l)[i]MOY  eingeritzt.  Genauere  Datie- 
rung der  Schrift  ist  nicht  wohl  möglich,  dass  sie  nicht  älter 
sein  wird  als  der  Ausgang  des  Altertums,  kann  als  sicher  gel- 
ten. Also  damals  war  der  Fries  aus  seinem  baulichen  Zusam- 
menhang gelöst  und  müssigen  Kritzeleien  zugänglich.  Aber 
die  Hauptfrage  ist:  wie  ist  es  zu  erklären,  dass  ein  so  umfang- 


314  H.    SCH  RADER 

reiches  Bildwerk  durch  die  persischen  Eroberer  nicht  zer- 
stört, der  Bautätigkeit  des  grossen  Jahrhunderts  nicht  zum 
Opfer  gefallen  ist?  Um  eine  x^ntwort  zu  finden,  müssen  wir 
zunächst  versuchen,  uns  von  der  x'\usdehnung  und  der  Art 
der  Anbringung  des  Frieses  ein  Bild  zu  machen,  soweit  der 
traurige  Zustand  der  Reste  es  ermöglicht.  Für  die  Abschät- 
zung der  ehemaligen  Länge  des  Frieses  sind  die  Anhalts- 
punkte sehr  gering.  Um  nur  ungefähr  eine  Vorstellung  zu 
gewinnen,  kann  man  annehmen,  dass  die  Plattenbreite  von 
A  (1,08  m)  die  gewöhnliche  war.  Rechts  neben  A  ist  eine 
ganze  Platte  zur  Vervollständigung  des  Viergespanns  zu  er- 
gänzen; links  griff  über  die  Nachbarplatte  nur  ein  Stückchen 
des  rechten  Oberschenkels  und  der  rechte  Fuss  des  Wagen- 
lenkers über.  Lassen  wir  die  Möglichkeit  gelten,  dass  dies  die 
Platte  war,  von  der  das  Bruchstück  B  oder  die,  von  der  D 
stammt,  so  bleiben  noch  drei  Fragmente,  die  je  eine  Platte 
bedingen:  D  oder  B,  C  und  E.  Im  ganzen  also  wären  Reste 
von  mindestens  6  Platten  vorhanden,  die  eine  Länge  von 
mindestens  6X  1,08  =  6,48  m  ergeben  würden.  In  Wirklich- 
keit werden  wir  auf  eine  viel  grössere  Länge  schliessen  müs- 
sen, weil  wir  wissen,  dass  wir  es  mit  versprengten  Überresten 
eines  Denkmals  zu  tun  haben,  das  das  ganze  xA.ltertum  über- 
dauernd allen  zerstörenden  Mächten  der  byzantinischen  und 
türkischen  Zeit  preisgegeben  war. 

Für  die  Art  der  Anbringung  des  Frieses  ist  eine  bisher 
nicht  beachtete  Tatsache  wesentlich:  die  Hermesplatte  B  ist 
ein  linkes  Eckstück.  Die  linke  Seitenfläche  ist  nicht  auf 
iVnschluss  gearbeitet,  sondern  zeigt  dieselbe  sorgfältige  Glät- 
tung wie  der  Reliefgrund;  dafür  ist  die  Rückseite  zum  An- 
schluss  der  rechtwinklig  anstossenden  Platte  ein  wenig  ein- 
geklinkt und  auf  der  Oberfläche  ist  die  Bettung  einer  recht- 
winklig zu  dieser  Anschlussfläche  gestellten  Klammer  erkenn- 
bar (vgl.  Abb.  4  nach  einer  Zeichnung  von  G.  Kawerau).  Der 
Fries  war  also  vmzweifelhaft  aussen  an  einem  rechteckigen 
Bau  angebracht.  Auf  der  Seitenfläche  von  B  ist  keine  Spur 
von  Relief  erhalten,  aber  da  das  Erhaltene  an  der  breitesten 
vStelle  nur  0,20  m  mi.sst,  auch  der  Fries  locker,  mit  weiten 
Zwischenräumen  zwischen  den  Figuren  komponiert  ist,  so  ist 


DER    CELLAFKIKS    DES    ALTEN    ATHENATE^M  I'IvLS 


.^15 


fast  mit  vSicherheit  anzimclnncn,  dass  das  Relief  um  den  rccht- 
eckig-en  P)aiikörper  umlief.  Dies  wäre  an  und  für  sich  eben- 
soo^ut  an  einer  grossen  Basis  wie  an  einem  Tempel  möglich, 
und  in  der  Tat  hat  man  den  (xcdanken  an  eine  Basis  mehr- 
fach ausgesprochen  (Benndorf  r/-.  c/.  ^A  »S.  1565,  Michaelis  Pftr- 
thenon  S.  123)  und  bestimmter  hat  vStudniczka  die  Vennutung 
geäussert,  es  handle  sich  um  die  Basis  des  nach  dem  Siege 
über  Chalkidier  und  Boioter  errichteten  Viergespanns  {Jalir- 
buch  1891  S.  243-0,  1395  s.  265).  Allein  abgesehen  davon,  dass 
wir  einen  so  ausserordentlich  reichen  Basisschmuck  für  die 
archaische  Epoche  sonst  nicht  nachweisen  können,  —  ist  es 
denkbar,  dass  die  Perser  ein  so  bequem  zugängliches  Kunst- 
werk, wie  der  Reliefschmuck  einer  Basis  ist,  geschont  hätten, 
während  sie  sogar  die  Mühe  und  Anstrengung  nicht  gescheut 


Abb.  4.     Oberseite  der  Platte  B. 


haben,  die  Giebelgruppen  des  alten  Athenatempels  aus  ihrem 
Rahmen  herabzustürzen  ?  Denn  diese  Figuren  sind  nicht 
etwa  durch  die  Glut  des  brennenden  Daches,  gegen  die  sie 
die  dicke  Hinterwand  des  Giebels  schützte,  zerstört  worden. 
Es  fehlen  durchaus  die  charakteristischen  zahllosen  Sprünge, 
die  verbrannter  Marmor  zeigt.  Sie  müssen  gewaltsam  herab- 
geworfen worden  sein.  Nur  einzelne  Splitter,  die  im  Sturz 
zufällig  etwa  auf  einen  am  Boden  verkohlenden  Balken  fielen, 
zeigen  Brandspuren  (vgl.  Athen.  Mi f teil.  1897  vS.  75). 

So  scheint  mir  die  einzig  annehmbare  Lösung  die  An- 
nahme, die  seit  dem  ersten  Bekanntwerden  des  Frieses  mehr- 
fach empfohlen  worden  ist — dass  der  Fries  die  Cella  des  vor- 
persischen AthenatemjDcls  geschmückt  habe,  wie  der  Pana- 
thenäenfries  die  des  Parthenon  (Gerhard  Ainiali  dell'  Inst. 
IX  1837  S.  115;  Milchhöfer  Archäol.   Zeitung  a.a.  0).   In  der 


316  H.    SCHRADER 

Tat,  dies  ist  der  einzige  Platz,  der  die  Erhaltung  des  Frieses 
verständlich  macht:  er  war  dort  durch  eine  Deckplatte,  die 
wir  uns,  entsprechend  der  grösseren  Höhe  des  Frieses,  wuch- 
tiger denken  müssen  als  die  des  Parthenonfrieses  (0,36  m) 
gegen  die  unmittelbare  Einwirkung  des  Feuers,  das  Dach 
und  Holzdecke  verzehrt  hat,  geschützt  und  —  etwa  9  m  hoch 
teils  an  glatter  Wand  teils  über  den  vSäulen  der  Schmalseiten 
angebracht  —  auch  gegen  Zerschlagen  gesichert.  Er  hat  als 
integrierender  und  vermutlich  wenig  auffälliger  Bestandteil 
des  Gebäudes  die  Zerstörung  überstanden,  so  gut  wie  das 
Gebälk  der  Peristasis,  das  dann,  fast  unversehrt,  wie  wir  noch 
heute  sehen,  abgetragen  und  zum  ewigen  Gedächtnis  der 
überstandenen  Not  in  die  Nordmauer  verbaut  wurde.  Die 
Abmessungen  des  Frieses  passen  sichtlich  zu  den  Maassen 
des  Tempels;  wenn  der  Fries  beträchtlich  höher  ist  als  der 
Panathenäenfries,  so  stimmt  das  dazu,  dass  der  Parthenon,  ob- 
wohl in  Länge,  Breite  und  Höhe  über  den  alten  Athenatem- 
pel  hinausgehend,  ein  nur  etwa  gleich  hohes  äusseres  Gebälk 
hat  (Höhe  ohne  das  Geison  am  Parthenon  2,70,  am  alten 
Tempel  2,613  m).  Übrigens  lässt  sich  ein  festes  Verhältnis  der 
Höhe  des  Cellafrieses  zu  den  Maassen  des  äusseren  Gebälkes, 
etwa  der  Höhe  des  Triglyphenfrieses,  an  den  attischen  Bau- 
ten des  V.  Jahrhunderts  nicht  erkennen.  Am  Parthenon  sind 
diese  Maasse  (Höhe  des  Zophoros  und  des  Triglyphenfrieses) 
1,015  und  1,35,  am  Theseion  0,785  und  0,82,  am  Poseidontem- 
pel  von  Sunion  0,825  und  0,825.  Also  nur  im  letzten  Falle  ist 
eine  Beziehung  der  beiden  Maasse  hergestellt,  indem  sie  gleich 
gemacht  sind.  Das  Verhältnis  dieser  Maasse  am  alten  Athena- 
tempel  (1,21  zu  1,338)  würde  etwa  in  der  Mitte  stehen  zwi- 
schen dem  am  Parthenon  und  dem  am  Theseion  befolgten. 

In  die  Baugeschichte  des  alten  Tempels,  über  die  Dörp- 
felds  und  Wiegands  Forschungen  helles  Licht  verbreitet 
haben,  fügt  sich  der  Fries  ohne  Schwierigkeit  ein.  Wiegand 
hat  durch  eine  Zeichnung  {^Dic  archaischf  Porös  -  Architektur 
der  Akropolis  S.  108  Abb.  112)  deutlich  gemacht,  wie  das  alte 
Hekatompedon  durch  die  Hinzufügung  der  Ringhalle  eigent- 
lich zu  einem  völlig  neuen  Bau  werden  musste,  in  welchem 
nur  die  Umfassungswände  des  alten  Heiligtums  stehen  blie- 


DER   CELLAFREIS    DES   ALTEN    ATHEN  ATEMPELS  317 

ben.  Das  ganze  Gebälk  und  die  Giebel  mussten  abgenommen, 
die  Wände  beträchtlich  höher  «-eführt,  die  Säulen  an  den 
Schmalseiten  durch  höhere  ersetzt  werden.  Dass  das  wirklich 
noch  vor  dem  Persereinfall  geschehen  ist,  beweist  Wiegand 
durch  einen  Überblick  über  die  Fundstellen  und  den  Erhal- 
tungszustand der  alten  Schmuckteile,  am  schlagendsten  durch 
den  Hinweis  darauf,  dass  die  alten  Metopenplatten,  ein  wenig 
umgearbeitet,  zum  Schmuck  der  vorpersischen  Propyläen  und 
zur  Aufzeichnung  der  bekannten,  höchst  wahrscheinlich  in 
das  Archontat  des  Philokrates  (485/4)  zu  datierenden  Heka- 
tompedon-Inschrift  gedient  haben  {a.  a.  ().  S.  1 1 0).  Zw^eifellos 
hat  also  damals  die  Cellawaiid,  beträchtlich  erhöht,  einen 
neuen  Abschluss  erhalten  —  wenn  nicht  alles  täuscht,  eben 
den  Fries  aus  dem  gleichen  Marmor,  aus  dem  die  Giebel fi- 
guren  und  der  Dachkranz  mit  seinen  prächtigen  Löwenköp- 
fen hergestellt  sind.  Dass  der  Fries  der  gleichen  Epoche  an- 
gehört wie  die  Giebelskulpturen,  scheint  mir  sicher,  ebenso 
sicher  freilich,  dass  nicht  beides  demselben  Künstler  oder 
derselben  Schule  zugewiesen  werden  darf.  Wie  ein  Flachre- 
lief aus  der  Schule  des  Meisters  der  Giganten  aussah,  lehren 
zwei  ein  wenig  ältere  Werke,  die  x\ristionstele  und  das  neu- 
gefundene Relief  des  Läufers  (''E(pim8Qi(;  'Ap/aioA.  1  903  Taf.  I 
S.  43  (D.  Philios)),  noch  einleuchtender  das  etwa  gleichzeitige 
Weihrelief  des  Akropolis-Museums,  das  Atliena  im  Giganten- 
kampf darstellt  {Athen.  Mitteil.  1897  S.  106  Abb.  12).  Sie  zei- 
gen dasselbe  Trachten  nach  einer  grossen,  klaren  Gesamtwir- 
kung, die  gleiche  weise  Beschränkung  in  den  Einzelheiten, 
zumal  des  Gewandes,  kurz  dieselbe  aus  der  Tradition  der 
Porosskulpturen  erwachsene,  wir  dürfen  sagen  echt -attische 
Weise,  die  die  Giganten  auszeichnet.  In  fühlbarem  Gegensatz 
dazu  sind  es  die  ornamentalen  Künste  der  Chioten,  ihre  raf- 
finiert-zierliche Behandlung  der  Stoffe  und  der  reichen  Fri- 
suren, ihr  feines  Gefühl  für  weiche  Anmut  der  Formen  und 
Bewegungen,  die  im  PMese  zum  Ausdruck  kommen  —  aller- 
dings mit  vollendetem  Geschmack,  ohne  die  Übertreibung, 
der  dieser  Stil  so  leicht  anheimfiel,  wie  etwa  das  Opfer-Relief 
des  Akropolismuseums  (Brunn-Bruckmann  Taf.  1  7  oben)  lehren 
kann.  Diese  augenfällige  stilistische  Verschiedenheit  des  Frie- 


318  H.    SCHRADER 

ses  und  des  Giebels  wird  man  nicht  ernstlich  g'Cgen  ihre  Zu- 
gehörigkeit zu  demselben  Bau  anführen  wollen :  jedes  grosse 
Monument  in  Griechenland  zeigt  ähnliche  Unterschiede  und 
in  diesem  Falle  ist  die  Arbeitsteilung  ganz  besonders  ver- 
ständlich. Die  Giebelskulpturen,  für  die  in  Athen  die  lange 
Tradition  der  Porosskulptur  bestand,  fielen  billig  einem  Atti- 
ker  zu;  für  den  Fries,  einen  im  festländischen  Griechenland 
ganz  unbekannten,  im  ionischen  Kunstkreise  seit  langer  Zeit 
ausgebildeten  Schmuck  des  Tempels,  wählte  man  einen  Mei- 
ster, der  seine  Kunst  bei  den  Chioten  gelernt  hatte. 

Bewährt  sich  meine  Vermutung,  so  wird  es  als  ein 
Gewinn  gelten  dürfen,  zu  wissen,  dass  die  Einführung  des 
ionischen  Frieses  in  den  attisch-dorisclien  Tempel  nicht  dem 
V.  Jahrhundert  gehört,  sondern  dem  Ende  des  VI.  —  der 
Zeit  des  gewaltigsten  Einströmens  ionischer  Kunst  in  Athen. 
Wenn,  wie  bekannt,  am  Parthenon  der  Fries  erst  durch  eine 
nachträgliche  Änderung  des  Planes  an  den  Bau  gekommen 
ist,  so  ist  damit  nicht  erwiesen,  dass  nicht  ein  ausgeführtes 
Vorbild  auf  der  Akropolis  vor  aller  Augen  stand.  Der  ausser- 
ordentlich ungünstige  Platz,  den  der  Fries  am  Parthenon 
erhielt  — der  Abstand  der  Stylobatkante  von  der  Cellawand 
(4,58  m)  ist  nur  wenig  grösser  als  am  alten  Athenatempel 
(rund  4  m),  bei  einer  um  etwa  1 .50  m  grösseren  Wandhöhe — 
war  Grund  genug  gegen  diesen  kostbaren  und  so  bescheiden 
wirkenden  Schmuck.  Wenn  er  trotzdem  durchgesetzt  wurde, 
so  mochte  der  Wunsch,  in  keiner  Beziehung  hinter  dem  alten 
Tempel  zurückzubleiben,  den  Ausschlag  gegeben  haben. 

Für  die  Athener  des  V.  Jahrhunderts  war  der  alte  Athe- 
natempel, dessen  Fortbestehen  bis  zu  dem  von  Xenophon 
erwähnten  Brande  gesichert  ist  (406/5),  nicht  so  schmucklos, 
w4e  man  bisher  annehmen  musste :  der  Fries,  den  g-anzen 
Bau  umziehend,  wirkte,  nachdem  die  Ringhalle  gefallen  war, 
stärker  als  vordem.  Ein  neues  Dach  muss  die  Cella  über- 
deckt haben  und  ohne  Zweifel  standen  auch  noch  die  Säulen 
der  Schmalseiten  oder  waren  durch  neue  ersetzt  worden. 
Welcher  Ordnung  diese  Säulen  waren,  wissen  wir  leider 
nicht.  Es  liegt  nahe  anzunehmen,  dass  man  beim  Umbau 
des    ältesten    Tempels,    als    es    galt,    auf    dem    vorhandenen 


DER    CELLAFRIES   DES   ALTEN    ATHENATEMPELS  319 

Stylobat  der  Vor-  und  Hinterhalle  an  Stelle  der  alten,  kur- 
zen, gedrungenen  viel  höhere  Säulen  zu  errichten,  dafür 
die  schlankere  ionische  Norm  wählte,  und  so  hat  Dörpfeld 
auf  seinem  letzten  rekonstruierten  Plan  statt  der  zwei  do- 
rischen Säulen  ///  ajitis  vier  ionische,  prostyl  angeordnete 
gezeichnet  {AtJini.  Miffril.  1904  Taf.  VI).  Ich  habe  lange 
geglaubt,  einen  Rest  von  diesen  Säulen  nachweisen  zu 
können  in  zwei  Bruchstücken  von  kolossalen  ionischen  Ka- 
pitellen aus  Porös,  welche  durch  die  abschliessenden  Aus- 
grabungen bekannt  geworden  sind  (Wiegand  a.a.O.  S.  173 
Abb.  172).  Die  Tiefe  des  Kapitells,  ohne  die  jetzt  fortge- 
brochene Ausladung  des  Abakus  1,15  m  (nicht  1,005,  wie  jene 
Abbildung  angibt),  würde  dazu  passen,  denn  wir  werden  das 
Gebälk  der  Vorhalle,  wie  am  Parthenon,  etwas  schwächer  zu 
denken  haben  als  das  der  Ringhalle  (Epistylbreite  nach  Dörp- 
feld bei  Wiegand  a.a.  O.  S.1  22:  1,275  m).  Allein  eine  mir  von 
Kawerau  freundlichst  zur  Verfügung  gestellte  Aufnahme  des 
einen  in  die  Nordmauer  der  Burg  verbauten,  jetzt  wieder 
tief  unter  dem  Boden  befindlichen  Bruchstücks  belehrt  mich, 
dass  sich  hier  auf  der  Oberseite  der  Rest  einer  schiefwinkli- 
gen Einarbeitung  (Tiefe  0,085  m)  feststellen  Hess  —  vermut- 
lich von  der  Bettung  einer  Statue,  so  dass  also  die  Säule,  wie 
Wiegand  vermutete,  einen  der  bekannten  Weihgeschenkträ- 
ger darstellt.  Es  würde  der  Mühe  lohnen,  das  Stück  wieder 
freizulegen  und  womöglich  aus  dem  Mauerverband  zu  lösen, 
um  darüber  ganz  zur  Klarheit  zu  kommen  und  zu  ermitteln, 
ob  beide  Bruchstücke  zusammengehören  oder  von  zwei 
gleichen  Kapitellen  stammen. 

Aber  gleichviel  wie  die  Säulen  beschaffen  waren,  die 
Ähnlichkeit  des  alten  Tempels  in  seiner  letzten  Gestalt  mit 
dem  Erechtheion,  zumal  in  der  jüngst  von  Dörpfeld  nachge- 
wiesenen ursprünglich  geplanten  Form  [^lf//ni.  Mitteil.  1904 
S.  101  ff.),  springt  in  die  Augen:  beides  langgestreckte  Cellen 
mit  schmalen  V^orhallen  an  den  Schmalseiten  und  mit  umlau- 
fendem Fries.  So  fällt  ein  helles  Licht  auf  den  sonderbaren 
Plan  des  Erechtheions  und  es  wird  verständlich,  dass  man 
dem  Bau,  der  den  alten  Tempel  ersetzen  und  das  hochheilige 
Bild  der  Göttin  aufnehmon  sollte,  die  fremden  ionischen  For- 


320  H.    SCHRADER 

men  gab.  Zwei  Menschenalter  hatte  man  die  Göttin  in  einem 
ionisch  dekorierten  Tempel  gesehen ;  die  Erinnerung  an  die 
dorische  Ringhalle  war  verblasst:  man  hielt  sich  an  den 
letzten  Zustand,  an  den  man  gewöhnt  war. 

Noch  eine  vielumstrittene  Frage  kann  der  Nachweis  des 
Frieses,  wenn  er  sich  bewähren  sollte,  der  Entscheidung 
näher  bringen.  Dörpfelds  vielfach  angegriffene  Behauptung, 
dass  der  alte  Tempel  nach  dem  Brande  von  406/5  und  der 
Vollendung  des  Erechtheions  weiterbestanden  habe  und  noch 
von  Tansanias  als  der  Poliastempel  beschrieben  werde,  erhält 
nunmehr  eine  neue  beachtenswerte  Stütze.  Es  ist  undenkbar, 
dass  soviel  Reste  des  Frieses  erhalten  wären  und  dass  sie 
alle  die  gleiche,  durch  die  Einwirkung  vieler  Jahrhunderte 
entstandene  Verwitterung  zeigten,  wenn  der  Tempel  im  Jahre 
406/5  V.  Chr.  abgerissen  worden  wäre.  Dass  Tansanias  bei  der 
Beschreibung  des  Poliastempels  den  Fries  nicht  erwähnt, 
darf  nicht  wundernehmen;  übergeht  er  doch  mit  Stillschwei- 
gen auch  Metopen  und  Fries  des  Parthenon. 

Wie  wenig  uns  von  dem  Friese  gerettet  ist,  können  wir 
erst  jetzt  ermessen,  wo  wir  seinen  Platz  kennen.  Dass  er  um 
den  ganzen  Tempel  herumgeführt  war,  ist  so  gut  wie  sicher, 
da  sich  an  der  Eckplatte  B  kein  seitlicher  Abschluss  zeigt. 
Hätte  der  Fries  sich  auf  die  Schmalseiten  beschränkt,  so  wäre 
vermutlich  eine  der  beiden  Lösungen  gewählt  worden,  die  wir 
am  Theseion  finden :  über  dem  Pronaos  ist  der  Figurenfries 
in  gerader  Richtung  durchgeführt  bis  an  das  Gebälk  der 
Aussensäulen  und  läuft  sich  hier  gegen  den  glatten  Fries 
tot;  über  dem  Opisthodom  beschränkt  er  sich  auf  die  Cella- 
breite  und  wird  an  der  Ecke  durch  einen  schmalen  Pfeiler 
abgeschlossen  (vgl.  die  anschaulichen  Skizzen  von  P.  Graf 
in  Baumeisters  Denkmälern  III  Taf.  73  Abb.  1  und  3).  Wie- 
gand  hat  die  Länge  der  Cella  in  ihrem  ältesten  Zustand,  der 
durch  den  Umbau  nicht  wesentlich  verändert  sein  kann,  auf 
33,525,  die  Breite  auf  12,22  m  mit  Sicherheit  berechnet  {a.n.  O. 
S.  54).  Die  Platten,  von  denen  wir  Reste  besitzen,  würden 
somit  nur  wenig  mehr  als  die  halbe  Frontbreite  und  von 
der  Gesamtlänge  des  Frieses  (rund  90  m,  gegen  159  m  Länge 
des  Parthenonfrieses)  nur  etwa  den  fünfzehnten  Teil  füllen. 


t)ER    CELLAFRIES    DES    ALTEN    ATHEN  ATEMPELS  321 

Jeder  Versuch,  die  wenio^en  und  an  und  für  sich  mannigfacher 
Deutung  fähigen  Fragmente  anzuordnen  und  aus  sich  heraus 
zu  erklären,  muss  danach  erfolglos  bleiben.  Aber  man  darf  viel- 
leicht den  Hinweis  darauf  wagen,  dass  alle  erhaltenen  Figuren 
ihr  Gegenstück  im  Parthenonfriese  finden.  Wir  besitzen  Reste 
von  vier  nach  rechts  bewegten    Figuren,   den   aufsteigenden 
Wagenlenker   (A),    die  schreitende    Figur    eines    Mannes    in 
Petasos   und    offenbar   kurzem   Chiton    (B),    eine   schreitende 
Gestalt  in  langem  Gewände   (D)  —  eher   ein    Mann   als   eine 
Frau,   da   der    Chiton    nicht   am    Boden    nachschleppt,    auch 
nicht  in   der  für   Frauen   ül)lichen    Haltung  gelüpft  wird — 
endlich  ein  ruhig  stehendes  oder  schreitendes  Pferd  (C).  Nach 
links  bewegt  ist  nur  eine  auf  einem  Faltstuhl  sitzende  Figur 
(E).  Dass  die  früher  gewöhnlich  auf  Athena  oder  eine  andere 
Göttin  gedeutete  Platte  A  ebensogut  einen  männlichen  Wa- 
genlenker darstellen  kann,  hat  Hauser  erwiesen;  nicht  frei- 
lich, wie  er  selbst  glauben  möchte,  dass  sie  einen  Mann  dar- 
stellen muss.  Die  Figur  B  hat  man  sich  gewöhnt  Hermes  zu 
nennen  und  nicht  bedacht,  dass  der  Petasos  auch  der  Reiter- 
hut sein  kann,  wie  er  auf  jüngeren  attisch-schwarzfigurigen 
Vasen  nicht  selten  vorkommt  (vgl.  die  Zusammenstellung  von 
Heibig  Les  L-rjcelg  afJicniens  S.  48-).    Kurz,  nichts  hindert,  in 
dem  Wagenlenker,  dem  Reiter,  dem  Schreitenden  im  langen 
Festgewande,  dem  einzelnen  Pferde,  mag  es  nun  geführt  oder 
geritten  worden  sein,  Teilnehmer  am  grossen   Panathenäen- 
zuge  zu  erkennen,  den  Peisistratos  mit  neuem  Glänze  umge- 
ben hatte  (566/5  v.  Chr.).  Die  Ausführlichkeit  der  Darstellung 
im  Parthenonfriese  würde  im  alten  Friese  vorgebildet  gewe- 
sen sein,  indem  schon  hier  die  Entwickelung  des  Zuges  und 
seine  Vorbereitung  in  reizvollen  Motiven  geschildert  worden 
wären.  Dem  aufsteigenden  Wagenlenker  entsprächen  im  Par- 
thenonfriese  etwa  die  aufsteigenden  Apobaten  des  Nordfrie- 
ses  (Michaelis  XXH  65,   XXHI  68).   Auch   die   zuschauende 
Götterversammlung,   für  etwa  gleiche  Kunststufe  durch  den 
Fries  des  Knidierschatzhauses  bezeugt,  wäre  im  alten  Friese 
vorgekommen,    wenn   wir  den    Rest    des   Sitzenden   (E)   auf 
einen  zuschauenden  Gott  deuten  dürften.  i\ls  natürliche  Fol- 
gerung würde  sich  ergeben,  dass  am  alten  Tempel  der  Fest- 

ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX  21 


322  schraber:  der  cellafrirs  des  alten  athenatempels 

zug^  um  den  oanzen  Bau  herumgeführt  war,  wie  wir  es  am 
Parthenon  bewundern.  Bei  unserer  dürftigen  Kenntnis  altio- 
nischer Frieskompositionen  darf  dagegen  schwerlich  einge- 
wandt werden,  dass  dies  das  früheste  Beispiel  eines  um  einen 
ganzen  Tempel  einheitlich  herumgeführten  Reliefschmucks 
sein  würde.  Von  weiterem  Standpunkt  betrachtet  wäre  ein 
solches  Vorbild  des  Panathenäenfrieses  sehr  willkommen  als 
ein  Bindeglied  zwischen  den  orientalischen  Urbildern  solcher 
feierlichen  Prozession.sdarstellungen  und  dem  Parthenonfriese, 
in  dem  alles  zu  freier  ^Menschlichkeit  erhoben  ist,  das  Cere- 
moniell  kaum  in  leisen  vSpuren  durchblickt.  Vielleicht  nach 
modernem,  sicherlich  nicht  nach  antikem  Maasstabe  würde 
durch  ein  solches  Vorbild  das  Verdienst  des  jüngeren  Künst- 
lers verringert  werden. 

Noch  ist  nicht  jede  Hoffnung  verloren,  dass  uns  von 
dem  alten  Friese  mehr  Reste  aufbehalten  sind  als  wir  jetzt 
wissen.  Da  alle  Bruchstücke  in  der  jüngsten,  mittelalterlich- 
türkischen Fuudschicht  der  Akropolis  zu  Tage  getreten  sind, 
ist  es  nicht  ausgeschlossen,  da.ss  manches  vStück  als  Bauma- 
terial gedient  hat  für  die  in  türkischer  Zeit  namentlich  an  die 
vSüdmauer  der  Burg  zum  Zweck  grösserer  Kugelsicherheit 
aussen  angeklebten  Verstärkungen,  in  denen  viele  Marmor- 
stücke zu  erkennen  sind.  Vielleicht  übernimmt  es  die  griechi- 
sche archäologi.sche  Gesellschaft,  die  so  viel  für  die  Durch- 
forschung und  Erhaltung  der  Akropolis  getan  hat,  dies 
unschöne  Flickwerk  zu  beseitigen  und  die  alten  Porosmauern 
wieder  sichtbar  zu  machen.  Möchte  dann  die  Hoffnung  auf 
neue  Fragmente  des  Frieses  nicht  getäuscht  werden!  Jedes 
kleine  Stück  wäre  wertvoll,  als  neue  Probe  des  quellenden 
Reichtums,  der  vollendeten  Formbestimmtheit,  der  anmutig- 
preziösen  Feierlichkeit,  die  uns  aus  dem  wenigen  bisher 
Geretteten  entgegenleuchten. 

Athen,  September  1 905. 

Hans  Schrader. 


323 


INSCHRIFTEN   AUS   KLEINASIEN. 

Nach  einer  freundlichen  Mitteiluno^  des  Kaiserlich  Deut- 
schen Viceconsuls  zu  Brussa,  Herrn  H.  vScholer,  Hess  der  jet- 
zige Generalgouverneur  Reschid  Pascha  im  November  19Ü4 
das  Osttor  der  Akropolis,  türkisch  Hissar-Kirkmerdiven-Ka- 
pussi  genannt,  abbrechen.  Dabei  kamen  zwei  Marmorbasen 
mit  Ehreninschriften  zvi  Tage,  von  welchen  Herr  Scholer, 
unterstützt  durch  Herrn  Wassilaki  Effendi  Kleogenis,  Ab- 
klatsche herstellen  Hess. 

1.  Quadratische  Basis,  H.  1,20,  B.  55  cm.  Buchstaben- 
liöhe  3,5  cm,  Schriftcharakter  IL  Jahrb.  n.  Chr.,  Ligaturen. 

n  •  "Avviov   K?iau8ia- 
vov    Mt]tqö8coqov 
lEQea    Albe,    ^OXv^ini- 

OV     X«l     JtQCOTOV      UQ- 

5       5(0VTa   xai    dycovo- 
v^ETTjv    xal    jtav»]Yii- 
QidQx^l^    ^]   AayoD- 
TT]Vü)v    i^ga   Tov 

Dies  ist  die  erste  inschriftliche  Erwähnung  der  Dagute- 
ner,  und  der  Fundort  Brussa  ist  dabei  besonders  wichtig, 
weil  er  zu  der  einzigen  ausführlicheren  Nachricht  über  die 
AttycT-O-rivoL  bei  Constant.  Porph.  c^r  fJieiii.  S.  25  passt,  der 
dies  Volk  mit  Brussa  und  dem  mysischen  Olymp  verbindet: 
den  Südabhang  schliesst  er  dabei  aus,  so  dass  also  nur  die 
reiche  Ebene  zwischen  Hellespont  und  Olymp  in  Betracht 
kommt  (vgl.  Ramsay,  Hist.  Geogr.  S.190).  Die  Erwähnung  bei 
Ptolemaios  V  2,14  ermöglicht  in  ihrer  Allgemeinheit  keine 
weiteren  Schlüsse,  indessen  ist  bemerkenswert,  dass  die  gleich 
hinter  Daguta  aufgezählte  Stadt  das  Prusa  benachbarte  Apol- 
lonia  am  Rhyndakos  ist. 


324  tu.    WIEGAND 

2.  Quadratische  Basis,  H.  1,4U,  Br.  60  cm,  Buchstaben- 
höhe 3  cm,  Schriftcharakter  des  II  Jahrh.  n.  Chr.,  zahlreiche 
Ligaturen. 

'Ayai'^fi    xvyr\. 
Kara  t6   ööy^a  ifjg 
xQfjtTioTi]?    ßov?tf)c: 
xal    Tov   ÄafXJTpotd- 
5       roi'   fi)'][xoi)    Ko'iv- 
Tov    KotvTOD    oe- 
ßaoTOcpavTTjaav- 
Ttt   (pikoxi[nog  xal 
äQE,avxa  xal   uDmc  v- 
10        jrr|Q80ia<;   ujtiiQsti]- 

oavxa  Tfi(i)  jTaTQifti.  Ov- 
akegioQ   Evr\\iEQOQ 

dv80Tl]08V     8Jtl[X8ÄT]- 
d^elc,    8X     TWV     ftllllOOLW^' 

15        xf\c,  jtöAecoc;  iQr]\xQixoiv 

28ßaoToq)avTi)5  (vgl.  Dittenberger  Or.  Gr.Inscr.  Sei.  II  479, 
544  u.  a.)  entspricht  dem  flamen  Angitsti  (vgl.  Marquardt, 
Rom.  Sfaafs'i'rrivalfung  I  p.  174.  259). 

Dem  warmen  Interesse  des  K.  Deutschen  Viceconsuls  in 
Konia,  Herrn  Dr.  Loytved,  verdanke  ich  ferner  Nachricht 
von  mehreren  innerhalb  der  heutigen  Stadt  bei  einem  Neu- 
bau zu  Tage  gekommenen  Inschriften.  Bruchstücke  spätrömi- 
scher Statuen  (2  beschädigte  Porträtköpfe,  der  eine  bekränzt, 
ein  Oberarm  mit  dem  anliegenden  Gewandteil,  ein  Fuss  u.  a.) 
wurden  an  derselben  Stelle  gefunden.  Das  Material  der  In- 
schriften ist  Kalkstein,  der  vSchriftcharakter  weist  ins  II.  Jahr- 
hundert n.  Chr. 

1.    H.  27,  Br.  61  cm.  Buchstabenhöhe  4,5  cm. 

C]laudiae  Eupatrae 
H]eroidi,   uxori   C.  Arrun- 
ti]    Valentis  tribus   Ha- 
djriana   Herculana 


INSCHRIFTEX    AUS     KLEINASIEX  32.S 

Diese  Tribiis  der  liadrianischcn  Colonic  (colonia  Aelia 
Hadriana  Auj^iista  Iconiensiniii,  CIL  III  . S"/ //>//.  1  21 .37)  ist  ])is- 
hcr  unbekannt  gewesen.  Claudia  Eupatra  jedoch  ist  schon  in 
der  Ehrung-  einer  anderen  Tribus  Iconiums  erwähnt.  Das  von 
Ramsay  publicierte  Fragment  CIL  III  Suppl.  143Q9  1)  ist  nun 
nämlich  leicht  zu  ergänzen  : 

Claufdiae   Eupatrae 
Hcro[idi,  uxori  C.  Ar- 
runt[i    Valentis   tri- 
bus A[ugusta? 

Auf  einen  »Sohn  (oder  möglicherweise  vStiefsohn)  dieser  Clau- 
dia scheint  sich  zu  beziehen  die  von  Ramsay  in  Iconium  ab- 
geschriebene Inschrift  JffSt  XXII  1902  p.  122  n.  31:  [fi  "Ixjo- 
vecov  xo[X(OA']ia  A.  'A()QoÜv[tio]\'  Aovyov  Oijdl^ievTjoc:  iuö\'  f]9coa . . . , 
auf  die  mich  Herr  Profes.sor  Des.sau  hinwies:  «Dass  einer 
einzelnen  Person  von  mehreren  oder  gar  sämtlichen  Abteilun- 
gen der  Einwohnerschaft  Inschriften  gesetzt  werden,  kommt 
öfters  vor,  z.  B.  setzen  die  drei  viel  von  Antiochia  Pisidiae 
einem  Mann  die  Inschriften  CIL  III  Suppl.  6810 — 6812,  einem 
anderen  CIL  III  6835 — 6837,  vier  vici  von  Alexandria  Troas 
die  vier  Inschriften  CII^  III  386». 

Die  Ergänzung  A  [ugitsta  durfte  im  Hinblick  auf  die 
folgende  Inschrift  gegeben  werden,  die  ebenfalls  eine  Ehrung 
zweier  Tribus  für  eine  Person  enthält : 

2.  H.  45,  Br.  68,5.  Buchstabenh.  3,5  cm ;  unten  schräger 
Bruch,  sodass  der  Name  des  Geehrten — vielleicht  des  Kai- 
sers—  fehlt: 

<I>i'?iri    'A{)i)vä5    n[o?ad8oi;? 
8:fii    irgooTOCTOi'    OvaXsQioi) 
KAsiTOfidxoi)   Toi)  'A^ioAo- 
ycoTotTOD  xai   (puÄr]   Auyoiiö- 
5        ta   8JII   JtQOöTaTOv    nojr?a- 
avoij   'Eqi^ieiov   Toi3  'A|io- 

ÄcyCDTaTOV    TOV    TTJC    Jt[a- 

TQiöos  jr[faeQa 


326  TH.    WIEGAND 

Diese  beiden  Phylen  werden  hier  zum  ersten  Mal  bekannt, 
und  da  die  (puW)  der  griechischen  Inschrift  der  tribiis  der 
lateinischen  entspricht,  so  ergeben  sich  drei  neue  Tribusna- 
men  als  Gesamtgewinn.  Von  den  alten  Phylen  her  wird  sich 
noch  der  Name  der  fpii?.T]  'AOi)väg,  vielleicht  auch  der  Her- 
culana  erhalten  haben,  namentlich  aber  der  jtQooTdTvig,  für 
welchen  es,  wie  mir  Herr  Professor  Dessau  schreibt,  einen 
entsprechenden  lateinischen  Terminus  nicht  gibt. 

3.  H.  72,  Br.  58  cm,  unten  ein  schräger  Bruch.  Buchsta- 
benhöhe 5,5  cm: 

M.    Ulpio    Pom- 
ponio  Superst[i]- 
ti  principi  col(oniae) 
n(ostrae),  M.  Ulpi  Pomp(oni) 
5       Valentis   sac(erdotis)   Au- 

g(usti)  fac(ti)  f(ilio),  sac(erdoti)  Aug(usti)  fa- 
ct(o),   (duo)vir(o)   primo 
col(oniae),  irenarch(ae), 
sebastophant(ae), 
10       [munific]entissimo 

Die  Inschrift  gilt  dem  priiiccps  coloniac  Marcus  Ulpius 
Pomponius  Superstes,  der  in  der  neuen  Colonie  Hadrians  zu- 
erst das  Amt  eines  diiovir  bekleidete.  Herr  Professor  Dessau 
schreibt:  «Der  Abklatsch,  den  Sie  mir  einsandten,  bestätigt 
durchaus  Ihre  Lesung.  Merkwürdig  ist,  dass  sowohl  Marcus 
selbst  als  sein  Vater  M.  Ulpius  Pomponius  Valens  als  saccr- 
dos  Augusti  factiis  bezeichnet  wird;  eine  andre  Lesung  scheint 
mir  nicht  möglich,  ich  finde  aber  kein  anderes  Beispiel  dieser 
Bezeichnung  und  weiss  nicht,  im  Gegensatz  zu  welcher  ande- 
ren Ernennungsart  diese  Priester  des  Augustus  (oder  der  Au- 
gusti) als  facti  bezeichnet  werden». 

Durch  die  Güte  des  K.  Niederländischen  Viceconsuls  in 
Smyrna,  Herrn  A.  O.  van  Lennep  erhielt  ich  Kenntnis  von 
folgender,  in  Temenothyrai,  dem  heutigen  üschak  (vgl.  Bu- 
resch,  Zjvö'/Vv^  S.  1  6 1 )  gefundener  Grabinschrift:  Marmorstele, 
H.  53,  Br.  oben  28,  unten  30  cm.  Buchstabenh.  ca  1,5  cm.  Die 


ixsciiKii'Ti<:x   Ars   klhixasif.x  327 

beiden  ersten  Zeilen  stehen  in  einem  Giebel,  der  oben  mit 
einem  Kreis,  seitlieh  mit  je  einem  Zwickelbatt  ^reschmückt 
ist.  Die  dritte  und  vierte  Zeile  <>-ehen  über  die  unteren  Pro- 
filierungen des  (riebeis  weg.  In  diese  hinein  ragt  die  flaehe 
Reliefdarstellung  des  verstorbenen  Kindes  (U\konis;  es  steht 
in  der  Vorderansicht  (H.  14em)  in  langem  Kittel  und  hcält 
in  beiden  Händchen  vSpielsachen,  die  nicht  genauer  erkenn- 
bar sind.  Die  Schrift  tritt  beiderseits  dicht  an  die  Figur  heran 
Z.  3—11). 

"Etous   TN^ 
A{;ti,aioi'    H 
AvQ.   Aioygviuvos    AioyeroiK; 
xe    AvQ.    2i-xüv5uc 
5       i'8l6i;    8HÖi][.u]f)a5 
"PaipiA'   xal   Si'q[i- 
ac,  xal  AvQ.   Tqo- 
cpi\i)]    r?;ijx(ovoq 

1  0        xe    ai'TOic;   t6  tiqwov 

x(XTeox8uaoav.    'Et81(.iii- 

aav   xal   oi  dÖgkpol   ti^v    Divxdi- 

vi5a'  AvQ.  'loD^aaA'i]  xal  Avq.  T(ata- 

vög   xal    6   JtdrQwv    'AyaOojroi'i; 
1  5       X8  v)  Kurga  'loidiavi]  xe  6  döekpi- 

b)]c,   Asioyeviis  >if  ^    d88?t(pi8i- 

ou  f)  Eiiyvwi^iovli;   xe   oi  XoiJtol 

auvyeveli;    |ivi][uig   /dpiv. 

2H.  £T.  ^,    j^Y  <^8)ti5  Öe  Jta()a|.(a()- 
20       njoi  (so)  rf)  axr\h]  \\  reo  fiQ(6-o).  eV 

•'C-ei  (so)   Tr)\'  oi'Qaveiav   "Exaniv 

X8xco}i0[.i8vi)\'.    Taijia.  XeQers 
[,101,   jtaQoöeltai. 

In  Z.  2  steht  die  .Monats-  und  Tagesbezeichnung  zwi- 
schen zwei  senkrechten  Strichen.  Der  Name  Aurelius  ist  Z.  3, 
4,  7,  1 3  durch  einen  schrägen  vStrich  am  oberen  Ende  des 
Rho  abgekürzt:  P^  .  Z.  6  ist  xal  wohl  für  ex  verschrieben, 
falls  nicht  durch   Plural  verschiedene  Teile  Syriens  bezeich- 


328  TH.    WIEGAN n 

net  werden  sollten.  Z.19  folgt  nach  '^i](0aaav)  ex{\])  b  ein  Schreib- 
fehler für  8L  8e  Ti<;. 

Die  kleine  Glykonis  ist  vierjährig  am  8.  Daisios  des 
Jahres  300  nach  Chr.  gestorben-  die  sullanische  Ära  voraus- 
gesetzt. Die  Stele  krönte  ihr  Grabmal,  in  dem  auch  die  Eltern 
zu  ruhen  gedachten.  Interessant  sind  die  Verwandtschafts- 
bezeichnungen. IldTpcov  (Z.14)  ist  der  Onkel,  danach  ist  jidxQu 
für  seine  Frau,  die  angeheiratete  Tante  gebildet.  Oder  es 
verhält  sich  umgekehrt,  dass  der  ndxQcov  angeheiratet  war. 
Das  Wort  steht  für  patrims,  wie  die  lydischen  Inschriften  bei 
Radet,  BCHlsÄ.  450  (töv  jtctTQCov,  tov  [ii]tqcov),  451  (rov  jtdtQOJva), 
471  Nr.  38  (töv  |.n]TQOJva),  Nr.  39  (o!  jtocTQfo)  zeigen,  auf  die  mich 
Herr  Professor  W.  Schulze  hinwies.  Diese  Missformen  sind 
jedenfalls  unter  dem  Einfluss  des  Lateinischen  entstanden. 
Nach  einer  mir  brieflich  mitgeteilten  Ansicht  U.  von  Wila- 
mowitz-Möllendorffs  handelt  es  sich  dabei  um  eine  Entwicke- 
lung  aus  den  alten  griechischen  Worten  ndxQOic,  väterlicher 
Verwandter,  [.ii^tq«?  mütterlicher  Verwandter;  letzteres  wird 
ja  schon  direct  für  « Mutterbruder  >  verwendet. 

Zu  den  Inschriften,  welche  ich  in  meinem  Mysischen 
Reisebericht  in  diesen  Mitteilungen  1904  S.  254  ff.  besprochen 
habe,  ist  mehreres  nachzutragen.  Die  Aphasios-Inschrift  von 
Pericharaxis  {a.  a.  O.  S.  268)  ist  in  ausgezeichneter  Weise  von 
E.  Kaiinka  behandelt  worden  (Arch.  Epigr.  Mitt.  XVIII  S.228), 
was  ich  übersehen  habe.  Das  Horoszeichen  von  Kyzikos 
schlägt  U.  von  Wilamowitz-Möllendorff  vor  so  abzuteilen: 

"Op(o(;)    Kd(^ixi]vüjv)   Ao  Ai]   119(65)    lo   IIi 

Bei  Abb.  28  belehrt  mich  Herr  Professor  Wünsch,  dass  das 
auf  \zax  folgende  Zeichen  die  handschriftliche  Abkürzung  für 
ai  ist;  zu  lesen  ist  somit  ^eorai,  \iox^q  aber  ist  jüngeres  grie- 
chisches Wort  für  sextariiis.  Die  Inschrift  von  Poimanenon 
S.  299  ergänzt  A.  Körte  folgendermaassen : 

....  0?  (pdoo6[cpov  .  . 
duyaTEQa   [8id  xv^ 
ei$  Tr|]v   jtatQiö«   e()'[voiav 


Beilage    zu    S.  32g. 


Abb.    1.     Votivrelief  aus  Mvsien. 


inschriftp:n  aus  kleinasien  329 

X((i.    (pil]oTei|,iiav,    f:rr[i6oimii5 
5        alq   i)|]v    Tou    uv(S^)i«[vTt)c;   dvdn- 
xaaiv   TJfi?  [^ii]T(_)65    cjcufTTig   öijvd^x- 
a   fiiaxjooia,    e:ni[t,8?ii|9[evro5   öe 
xr\q   äv]aoxdoE(OQ    xo[v    dvhQidv- 
xog] 

In  dem  Grabgedicht  von  Demirkapu  S.  302  schlägt  V.  \-on 
Wilamowitz  Z.  7  statt  kqoX  vor:  ""H  {)' oi. — Zu  den  Reliefs  mit 
der  Darstellung-  des  Apollon  Kitharoedos  S.  307  f.  ist  folgen- 
des nachzutragen:  ArcJiäolog.  Zeitung  1874  vS.  162  hat  A.  I). 
Mordtmann  sechs  Votivreliefs  des  Apollo  Krateanos  (ohne 
Abbildung)  aus  Mysien  bekannt  gemacht.  Sie  befanden  sich 
alle  in  seinem  Besitz  und  sind  dann  zerstreut  worden ;  eines 
(Mordtmann  Nr.  4)  fand  nachträgliche  Veröffentlichung  durch 
Benndorf  {^Reisen  im  südivcstl.  Kleinasien  I  S.  154  Fig.  89). 
Ein  zweites  (Mordtmann  N.  6)  fand  ich  soeben  im  Bazar  zu 
Stambul  wieder  und  überwies  es  dem  Kaiserlich  Ottomani- 
schen Museum  (Abb.  1).  Es  ist  von  Marmor,  39  cm  hoch,  oben 
21,5  cm,  unten  23,5  cm  breit,  6  cm  dick.  Ein  Adorant,  beglei- 
tet von  einem  nackten  Knaben,  der  einen  Widder  heranführt, 
tritt  von  1.  an  den  Altar  des  im  Kitharödengewand  daste- 
henden Gottes.  Unter  der  Inschrift  TAauxia?  'AjtoPikovi  Kpa- 
teavw  8uyf]v  führt  ein  kurzgekleideter  Mann  ein  Pferd.  An- 
dere Exemplare  dieser  Apolloreliefs  aus  Mysien,  welche  die 
ausserordentliche  Verbreitung  des  Cultes  von  Krateia  weit 
über  die  Grenzen  Bithyniens  hinaus  beweisen,  hat  neuer- 
dings  Hasluck   {JHSL  1903    S.  87)   bekannt   gemacht 

Im  Dorf  Sagilar  auf  dem  Alatzam-Dagh  fand  sich  eine 
MarmorplattC;  Br.  38, 5,  H.  25  cm.  Die  sehr  schlecht  erhal- 
tene Inschrift  lasen  nach  Abklatsch  U.  von  Wilamowitz  und 
F.  von  Hiller: 

.  .  ?  8Tog  lO '  Kiooo(pd- 
v\\q    [x]al    MaQicov 
Mi]tqo8c6q(p  to) 

[jia]TQl    |,lVT]p]5    X"- 
QIV 


330  TH.    WIEGAND  :     INSCHRIFTEN    AUS    KLELNASIEN 

Zu  dem  Grabgedicht  der  Doxa  aus  Madytos  a.a.O.  S.  313 
teilt  uiir  Herr  (yeh.  Reg.  Rat  Dr.  Weissbrodt  mit,  dass  er 
\or  dem  Original  Z.  1   d|.ii?axov,  Z.  5  sjcojtteijaaaa  liest  ^. 

Herr  Kleogenis  gibt  mir  ferner  Nachricht  \-on  einem  in 
diesem  Jahr  in  das  Museum  zu  Brussa  verbrachten  Grab- 
stein, der  oben  mit  einem  Kranz  geziert  ist: 

Tüvßov  xul  oTfi/J.av  Öijo  jraQrtevixaioiv  gtEuI^ev 

Actcpvog  xal  i^iaTeiQ  2av8a?iii  'lou^tia. 
'ß,  (tt)),  8ai[iov  o^isOqe,  xaXwv  sjnßdöxavE  l)A'i]T(üg, 
"Og  8\J0  JtaQ^evLxdi;  i]Qjraaa5  et?  'Ai8m', 
'Pi]YiA,?tav  jtQfoniv,  eti  jraQflgvov,  elte  MeyioTiiv. 

Td?  Öi^o  Molq'  ö^wöii  xal  tdtpos  laeAoßEv, 

Tds  6e  (f|)j.i£i5  yafiSTdi;  —   — 

Constantinopel. 

Th.  Wiegand. 


'  Im  Anschluss  an  diese  Nachträge  möchte  ich  folgende  Druckfehler 
desselben  Aufsatzes  berichtigen:  S.  112  Z.  S  v.  u.  lies  <  westlich  -  statt  köst- 
lich .  .S.  274  Z.  8  v.u.  lies  nordöstlichen  statt  nordwestlichen-.  S.  279  in 
Abb.  14  lies  .Tarsios-  statt  Tarisos  .  S.  303  Z.  4  v.  u.  lies:  nordwestlich 
statt  südwestlich;.  vS.  310  lies  -'AvOtu-  statt  "AvOki»-.  S.  32(i  lies:  Müoxov 
und  raioi;.  S.  328  Z.  1  v.  u.  lies:  .südöstlich  statt  südlich  .  vS.  339,  letzte 
Zeile,  lies:     39"  40'  und   50'  . 


331 


ZUR   (iHvSCHICHTI':    DlvS    KURVlsXUAUvS. 


Bei  der  P)es])recluin,^'  der  theräisclieii  ( jrrd)kriiniiieni 
konnte  ich  nur  in  so  weit  über  Dragendorffs  Ausführungen 
hinausgehen,  als  ich  die  inzwischen  erforschten  kretischen 
Gräber  zum  Vergleich  heranzog  l  Zur  Darlegung  des  grös- 
seren architekturgeschichtlichen  Zusammenhanges  fehlten  in 
Athen  die  litterarischen  Hilfsmittel  durchaus.  Das  Versäumte 
nachzuholen  liegt  um  so  näher,  als  jetzt  in  (riovanni  Pinzas 
äusserst  sorgfältiger  Arbeit  über  den  Ursprung  einiger  Ty- 
pen der  t}rrhenischen  Sepulkralarchitektur  der  Eisenzeit  ein 
grosser  Teil  des  Vergleichsstoffes  kritisch  gesichtet  und  ge- 
ordnet ist  ■-'.  Pinza  sucht  nachzuweisen,  dass  die  der  ersten 
Eisenzeit  angehörigen  Grabtypen  in  Etrurien  und  Latium  im 
Wesentlichen  einheimischen  Ursprungs,  nicht  etwa  fertig  von 
ausserhalb  dorthin  übertragen  sind.  Er  zeigt  die  Zugehörig- 
keit dieser  Grabtypen  zu  der  ältesten,  aus  der  Kupfer-  und 
Bronzezeit  stammenden  Architektur,  die  allen  Ländern  und 
Inseln  des  nördlichen  Mittelmeerbeckens  ursprünglich  ge- 
meinsam ist.  Durch  den  Einfluss  des  Orients  tritt  alsbald 
eine  Differenzierung  ein :  der  ägäische  Kulturkreis  entwickelt 
sich  rascher  und  beginnt  seinerseits  den  Westen  zu  beein- 
flussen. Trotzdem  hat  man  auch  da,  wo  entsprechende  Denk- 
mäler der  Bronzezeit  zu  fehlen  scheinen,  wie  in  Etrurien  und 
Latium,  anzunehmen,  dass  eine  einheimische  Entwickelung 
auf  der  gemeinsamen  alteuropäischen  Grundlage,  wenn  auch 
unter  wachsendem  östlichem  Einfluss,  stattgefunden  hat. 

Gegen  dieses  Ergebnis  der  Pinzaschen  Untersuchung 
Bedenken  zu  erheben,  ist  hier  nicht  der  Ort.  Für  uns  ist 
wesentlich,   dass   die   älteste   südeuropäische   Architektur  ur- 


'  Athen.  Mitteil.  1903  vS.  241  ff.   Dragendorff,    Tluni  II    S.  OS  ff. 
-   Atti  del  congresso   inti'rna'.^ionale  di  scicnzc   storiciir,    Roma,     Aprile    1903, 
vol.  V.  Archeologia,  p.  377  ff. 


332  E.    PFUHL 

sprünglich  eine  Einheit  war.  tlber  das  ganze  weite  Gebiet 
vermögen  wir  die  alhnähliche  Entwickelung,  die  teils  in  Dif- 
ferenzierung, teils  in  ernenteni  Ausgleich  besteht,  mehr  oder 
minder  genau  zu  ^'erfolgen,  und  zurückgebliebene  Länder 
gestatten  wertvolle  Rückschlüsse  auf  die  Urzeit.  Eine  Aus- 
dehnung der  Betrachtung  auf  Mittel-  und  Nordeuropa,  wie 
sie  durch  die  Arbeiten  von  Sophus  Müller  und  Montelius 
jetzt  sehr  erleichtert  ist,  lässt  auch  dort  die  gleichen  Grund' 
züge  erkennen  ^  Im  Lichte  dieses  grossen  Zusammenhanges 
gewinnen  die  theräischen  Grabkammern  von  rundem,  ovalem 
imd  gemischtem  Grundriss  eine  besondere  Bedeutung:  sie 
stehen  vermittelnd  zwischen  dem  vorgeschichtlichen  europäi- 
schen Kurvenbau,  zu  dessen  letzten  unmittelbaren  Ausläu- 
fern auf  griechischem  Boden  sie  gehören,  und  seinem  Aufle- 
ben in  hellenistischer  und  römischer  Zeit.  Nur  am  Herdhei- 
ligtum hat  man  bisher  die  Continuität  erkannt,  ohne  die  Fol- 
gerungen für  das  Ganze  zu  ziehen"-.  Es  lässt  sich  nun 
aber  für  die  gesamte  alteuropäische  Kurven- 
architektur, Rundbau,  Ovalbau  und  Apsiden- 
bau —  letzterer  ein  Mischling  des  runden  und 
des  x'iereckigen  Planes  —  nachweisen,  dass  sie 
teilweise  selbst  an  den  Centren  der  klassischen 
Kunst,  vorwiegend  jedoch  in  der  Provinz  und 
an  der  Peripherie,  die  klassische  Zeit  hindurch 
in  Heiligtümern,  Gräbern,  Wirtschaftsgebäu- 
den ein  wenig  beachtetes  Dasein  geführt  hat, 
bis  bei  der  Entfaltung  aller  gebundenen  Kräfte 
im  Hellenismus  auch  diese  ältesten  Formen 
neu  hervortraten  und  zu  reicher  Ausbildun»- 
gelangten. 

Wir  gehen  aus  von  dem  gegenseitigen  Verhältnis  des 
runden  und  des  viereckigen  Grundrisses.  Ganz  so  einfach, 
wie  Dragendorff  bei  seiner  Besprechung  der  theräischen  Grä- 
ber meinte,  liegen  die  Dinge  nicht.  Dragendorff  schreibt,  wenn 


*   Sophus  Müller,    Urgeschichte  Europas  ;  Xordischc  Altertumshindc.   Oskar 
Montelius,  Der  Orient  und  Europa  ;  Archiv  für  Anthropologie  23  (1895)  S. 451  ff. 
'^  Heibig,  Italiker  in  der  Poebene  S  52  ff.  Dragendorff  a.  a.  O. 


ZUR    CrKSCHICHTK    DES    KlTRVENHAl'S  333 

ich  den  vSinn  seiner  Ansfülirnnf^cn  richti^i^  präcisicre,  den 
Orientalen  das  \iereckioe,  den  (xricclien,  Italikern,  Phr)oern 
das  runde  Haus  als  ursprünoiiche  Bauforni  zu.  und  nimmt 
an,  dass  der  viereckig^e  Plan  den  Griechen  durch  die  "  kari- 
sche' Bevölkeruno-  der  Inseln  (und  des  Festlandes)  vermittelt 
worden  sei.  Das  ist  richtio-  und  falsch  zuj^leich  :  es  ist  falsch, 
insofern  auch  bei  Äji\ptern  und  Chaldcäern  Spuren  des  über 
die  ganze  Erde  verbreiteten  primitiven  Rundbaus  vorliegen 
und  insofern  die  älteste  Architektur  der  Inseln  mit  der  primi- 
tiven griechischen,  nicht  mit  der  entwickelten  orientalischen 
zusammengehört;  es  ist  aber  im  letzten  (jrunde  dennoch  rich- 
tig, denn  die  Orientalen  haben  den  primitiven  Rimdbau  nicht 
entwickelt,  geschweige  denn  zur  Kunstform  ausgebildet;  sie 
erfanden  den  vollkommeneren  viereckigen  Plan  und  schufen 
auf  dieser  Grundlage  eine  grosse  Architektur  zu  einer  Zeit, 
als  auch  die  fortgeschrittensten  Europäer  noch  immer  in  pri- 
mitiven Rundhütten  wohnten.  Als  dann  die  hohe  orientalische 
Kultur  auf  Europa  zu  wirken  begann,  wurden  die  Inseln  durch 
ihre  Lage  naturgemäss  zu  Vermittlern. 

Das  Ergebnis  der  ersten  nachhaltigen  Berührung  Euro- 
pas mit  dem  Orient  ist  die  mykenische  Kultur,  deren  Wiege 
in  Kreta  stand.  Sie  bringt  das  viereckige  Haus  in  Europa 
zur  dauernden  Herrschaft;  nur  im  Grabkultus  bildet  sie  die 
alteuropäische  Form  des  Rundbaus  mit  orientalischer  Tech- 
nik aus,  ohne  doch  das  rasche  Eindringen  des  viereckigen 
Planes  auch  in  die  Sej)ulkralarchitektur  zu  hemmen.  Der 
Mischcharakter  der  mykenischen  Kultur  prägt  sich  in  den 
Bauformen  besonders  klar  aus.  Diese  früh  entwickelte  ägäi- 
sche  Kultur  ist  an  der  Ausbreitung  des  orientalischen  Ein- 
flusses nach  dem  Westen  sehr  stark  beteiligt.  In  Sicilien  z.  B. 
erscheint  sie  geradezu  als  alleiniger  Träger  des  Neuen.  An 
der  Architektur  lässt  sich  nun  überall  zeigen,  dass  die  An- 
wohner des  westlichen  Mittelmeeres  ursprünglich  nur  den 
Kurvenbau  kannten  und  erst  unter  östlichem  Einfluss  den 
rechteckigen  Grundriss  annahmen. 

Über  Westeuropa,  an  den  Küsten  des  atlantischen  Oce- 
ans  und  der  Nordsee  entlang,  ist  der  Hauptstrom  des  orienta- 
lischen  Einflusses   nach   dem   Norden   gelangt.   Von  dorther 


334  E.    PFUHL 

hat  Mitteleuropa  wohl  nicht  weniger  empfangen  als  auf  dem 
direkten  Wege  über  die  Alpen  und  die  Donau  aufwärts.  Wer- 
fen wir  zAmächst  einen  Blick  auf  dieses  grosse  Gebiet;  denn 
von  den  südeuropäischen  Ländern  zeigt  sich  nur  Norditalien 
in  ältester  Zeit  ganz  frei  von  der  Kenntnis  des  viereckigen 
Grundrisses.  Ein  solcher  Überblick  kann  sich  freilich  nicht 
auf  eigene  vollständige  Kenntnis  der  Denkmäler  stützen ; 
aber  wenn  die  grosse  ^lonumentenkenntnis  von  ^Nlontelius 
und  die  eindringende,  von  wahrem  historischem  Sinn  getra- 
gene Kritik  von  Sophus  Müller  zu  gleichem  Ergebnis  führen, 
so  darf  man  sich  darauf  verlassen.  Das  Ergebnis  lautet:  die 
Rundhütte,  die  als  primitivste  Hau.sform  in  allen  Erdteilen 
auftritt,  ist  die  älteste  Form  des  europäischen  Hauses;  sie  hält 
sich  in  peripherischen  Ländern  und  niederen  Volksschichten 
zunächst  noch  als  Wohnhaus,  dann  als  Wirtschaftsgebäude 
sehr  zäh,  z.  T.  bis  heut,  neben  dem  später  entwickelten  vier- 
eckigen Hause. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  der  viereckige  Plan,  wie  Montelius 
sich  das  früher  gedacht  zu  haben  scheint  \  in  Europa  spontan 
entstanden,  oder  ob  er  aus  dem  Orient  eingeführt  worden  ist. 
Letzteres  nimmt  Montelius  in  einer  neueren  Schrift  selbst  an  - 
und  verficht  Sophus  Müller  entsprechend  dem  in  grossartiger 
Weise  durchgeführten  Grundgedanken  seines  Buches.  Er  fasst 
die  ganze  Kulturentwickelung  Europas  auf  als  ein  fortwäh- 
rendes Zuströmen  orientalischer  Kulturelemente  und  erklärt 
alle  Differenzierung  aus  der  rascheren  oder  langsameren,  voll- 
ständigeren oder  mehr  auszugsweisen  Aufnahme  und  der 
mehr  oder  minder  selbständigen  Weiterbildvmg  des  Empfan- 
genen von  Seiten  der  Europäer.  Der  Beweis  für  diesen  Her- 
gang kann  naturgemäss  nie  vollständig  erbracht  werden  und 
die  Erfahrung  auf  anderen  Gebieten  menschlicher  Kultur 
spricht   dagegen,   däss  der  Verlauf  wirklich    ganz  so  einfach 


'   Archiv   a.  a.  O. 

-  Orient  ii.  Eitropd  S.  186.  Montelius  stellt  den  Satz  auf,  dass  Viehzucht 
und  Ackerbau,  Grabkanimern  und  Wohngebäude  entwickelter  Form  bei 
den  Europäern  durchweg  orientalischen  T'rsprungs  seien,  und  gibt  ein  rei- 
ches \'ergleichsmaterial.  Eine  eingehende  Beweisführung  enthält  der  vor- 
liegende  I.  Teil  seines  Buches  nicht. 


ZTR    cicscHicnTi-:   DES    KrK\'i-:xp,Ars  33,5 

gewesen  sei.  Es  1)leibt  allziuveni.t^-  vS])ielranin  für  die  lictfiti- 
gung  eigener  älinlicher  Veranlagung  bei  den  Empfangenden. 
Wie  vieles  allgemein  menschlich  ist,  ;ceigt  ein  Hlick  auf  die 
alte  amerikanische  Kultur,  und  (irieclien  und  Römer  haben 
doch  unendlich  \iel  mehr  getan,  als  fremde  Anregungen,  wie 
selbstfindig  auch  immer,  auszubilden.  Der  wahre  Fortschritt 
koumit. stets  von  innen;  sonst  h.ätten  die  nordischen  Barbaren 
es  nicht  weiter  gebracht  als  (iriechen   und   Kchuer. 

Man  wird  also  doch  die  Frage  nach  der  selbständigen 
Entstehung  des  \iereckigen  (Grundrisses  in  Europa  auf  werfen 
müssen.  Zwei  bis  in  die  Steinzeit  zurückreichende  Denkmä- 
lergruppen kommen  dafür  in  IJetraclit:  die  nordischen  Rie- 
senstuben, deren  \-iele  \iereckig,  manche  annähernd  recht- 
eckig sind,  und  die  mitteleuropäischen  Pfahlbauten.  Die  Rie- 
senstuben fasst  vSophus  Müller  gewiss  mit  Recht  als  Parallel- 
erscheinungen zu  den  grossen  Grabkannnern  der  ägäischen 
Bronzezeit;  '  da.ss  sie  jedoch  unter  deren  architektonischem 
Einfluss  stehen,  ist  nicht  zu  erweisen.  Es  sind  verwandte 
Entwickelungsstufen;  der  Gedanke  ist  gleich  und  mag  in 
letzter  Linie  wirklich  aus  dem  Südosten  stammen;  aber  die 
Form  ist  verschieden :  grade  die  grössten  Kammergräber 
ganz  vSüdeuropas  sind  nicht  eckig,  sondern  rund,  in  religiöser 
Nachahmung  des  ältesten  Hauses.  vSo  mü.sste  man  die  Mehr- 
zahl der  Riesenstuben  denn  für  moderner  als  die  Kuppelgrä- 
ber halten,  indem  sie  l)ereits  den  gradlinigen  Plan  des  orien- 
talisch-ägäischen  Hauses  angenommen  hätten.  Das  ist  an 
sich  bedenklich  und  wird  noch  unwahrscheinlicher  dadurch, 
dass  die  Riesenstuben  ebenso  wie  die  allecs  coin'rrfes  offen- 
bar Vergrösserungen  der  kleinen  Dolmenkammer  sind,  bei 
welcher  die  megalithe  Bauweise  einen  viereckigen  Orundriss 
von  selbst  an  die  Hand  gab.  Die  Dolmen  sind  eben  keine 
Nachahmung  des  Hauses,  wie  es  die  Tliolos  ist,  sondern  sie 
sind  unabhäno-ig:e  Grabformen.  Hier  erhebt  sich  nun  eine 
weitere  Frage:  konnte  nicht  der  in  der  megalithen  Sepul- 
kralarchitektur  von  selbst  entstandene  viereckige  Plan  auf 
den  versfänelichen  Hüttenbau  seiner  Zeit  übertrao-en  werden? 


^  .Urgeschichte  S.  72  ff. 


336  E.    PFUHL 

Die  Funde  geben  keine  Antwort;  die  Möglichkeit  spontaner 
Entstellung  des  viereckigen  Hauses  im  Norden  scheint  mir 
aber  erwogen  werden  zu  müssen. 

Wir  wenden  uns  den  mitteleuropäischen  Pfahlbauten  zu. 
Auf  mehreren  von  ihnen  sind  viereckige  Häuser  nachgewie- 
sen worden;  die  betreffenden  Ansiedlungen  gehören  der  Stein- 
zeit und  der  frühen  Bronzezeit  an  K  Bei  der  Hütte  von  Gross- 
gartach  im  Neckartal  waren  die  Wände  mit  Kalk  verputzt 
und  bemalt.  Sophus  Müller  sieht  hierin  wie  in  der  Grundriss- 
bildung ägäischen  Einfluss ;  das  ist  sehr  wohl  möglich,  aber 
wir  dürfen  nicht  wie  auf  etwas  Bewiesenem  darauf  fussen. 
Es  könnte  hier  eine  zweite  Spur  des  selbständigen  europäi- 
schen viereckigen  Hauses  vorliegen.  Ein  besonderes  Interesse 
gewinnt  die  Frage  durch  die  Beziehung  der  mitteleuropäi- 
schen Pfahlbauten  zu  den  trrrniiarc.  Der  Plan  des  norditali- 
schen Terramarehauses  ist  freilich  noch  immer  unbekannt;  es 
spricht  jedoch  viel  dafür,  dass  er  rund  gewesen  ist.  Zunächst 
ist  zu  bedenken,  dass  vor,  neben  und  nach  den  Terremare,  in 
der  grossen  Stadt  Felsina  z.  B.  noch  tief  in  die  klassische 
Zeit  hinein,  die  Rundhütte  herrscht.  Die  ersten  viereckigen 
Häuser  von  Bologna  gehören  der  Eisenzeit  an  '-.  Aber  man 
könnte  hierfür  den  Bevölkerungswechsel  verantwortlich  ma- 
chen und  sagen,  das  rechtwinklige  Strassennetz  der  Terremare 
bedinge  auch  ein  viereckiges  Haus.  Dass  dies  unberechtigt 
wäre,  lehrt  die  Hausurne  von  Melos  (Abb.  1),  mag  man  sie 
nun  als  Pfahlbau  auffassen  oder  nicht:  sieben  Rundhütten 
sind  in  drei  rechtwinklig  an  einander  stossenden  Reihen  um 
einen  quadratischen  Hof  gelagert;  ein  Zaun  mit  einem  Tore 
schliesst  die  vierte  Seite  des  Hofes  ab  •'.  Wichtig  ist  nun, 
dass  eines  der  beiden  viereckigen  Terramarehäuser  bei  Tarent 
die  gleiche  Segmentapsis  zeigt  wie  später  zu  besprechende 
Bauten  vorofeschichtlicher  bis  hellenistischer  Zeit  in  Griechen- 


*  Heierli,  Urf;eschichte  d.  Schweiz  S.  9fa.  Sophus  Müller,  Urgeschichte  S.  68  f! 
Abb.  50,  S.  99. 

-  Heibig,  a.  a.  0.  S.  47,  49.  Zannoni,  Arcaiche  abitazioni  T.  4,53  S.  33. 
Montelius,    La  civi/isatioj-i  primitive  en  Italic  I   T.  87,  21.   S.  415. 

■'  T.suntas-Manatt,  Mycenaean  agc,  S.  259  Abb.  133.  Archiv  a.a.  O.  vS.  4b4 
Ab)).  44. 


ZUR    (lESCIIICHTR    DES    KURVENBAUS 


337 


land:   es  ist   ein   Anklan«;'   an   die  runde   Form,   welchen  die 
Terraniaricoli    hier   im   äussersten  Süden,   so   nah   dem  ä^äi- 


Abb.    1. 

sehen    Kulturkreise,  natürlich  nicht  etwa  von  einem  roheren 


Abb.   2. 


Volke    annahmen ;    es   ist  vielmehr   sicherlich    ein    Überrest 
ihres  eigenen  Rundhüttenbaus  (Abb.  2)  ^ 


»   Not.  degli  scavi  1900    S.  435. 

ATHEN.      MITTEILUNGEN      XXX. 


22 


338  E.     PFUHL 

Der  Tatbestand  «restattet  wohl  nur  zwei  Erklärungen. 
Entweder  ninmit  man  an :  die  Terramaricoli  kamen  von  Nor- 
den ;  sie  bauten  ursprünglich  Rundhütten,  gingen  dann  aber 
zum  viereckigen  Hausplan  über  in  folgerichtiger  Durchbil- 
dung ihres  Strassensystems,  schwerlicli  ohne  ägäischen  Ein- 
fluss.  Dann  muss  man  die  scliweizer  Bauten  später  ansetzen 
als  den  Alpenübergang  der  Terramaricoli.  Oder  man  folgt 
Sophus  Müller  und  lässt  die  Terremare  als  ägäisches  Kultur- 
element von  Süden  nach  Norden  wandern  '.  Diese  Alternative 
enthält  den  ganzen  (rcgensatz  zweier  Prinzipien,  deren  rich- 
tiger Ausgleich  im  Einzelfalle  eine  der  schwersten  Aufgaben 
der  vorgeschichtlichen  Forschung  ist:  das  kulturelle  und  das 
ethnologische  Prinzip.  Wohin  die  bedingungslose  Erschlies- 
sung von  Volkszugehörigkeit  aus  Kulturformen  führt,  zeigt 
das  Beispiel  des  allgegenwärtigen  Dolmenvolkes.  Vestigia 
terrent ;  aber  man  darf  deshalb  nicht  ohne  weiteres  ins  an- 
dere Extrem  fallen.  Die  Terremare  sind  Anlagen  von  einer 
Gesetzmässigkeit,  wie  sie  sich  bei  den  nnkenischen  Burgen, 
ja  selbst  bei  de^n  kretischen  Palästen  nirgends  findet;  hier  tritt 
etwas  Neues  und  Eigenes  auf,  das  mit  der  Anlage  der  Itali- 
ker  zu  verbinden  um  so  näher  liegt,  als  Nissens  alte  Vermu- 
tung, dass  der  römische  Lagerbau  auf  die  altitalischen  An- 
siedlungen  in  der  Poebene  zurückgehe,  sich  glänzend  bestä- 
tigt hat "-.  Trotz  der  Erweiterung  unseres  Gesichtskreises  wer- 
den wir  also  an  den  Ergebnissen  von  Helbigs  schöner  l^nter- 
suchung  festhalten  dürfen. 

■  Hier  häuft  sich  Frage  auf  Frage;  aber  die  Abschweifung 
hat  doch  ein  Kriterium  ergeben.  Wir  haben  gesehen,  dass 
nur  sehr  wenige  Spuren  des  viereckigen  Planes  aus  der  spä- 
ten Stein-  und  frühen  Bronzezeit  Mittel-  und  Nordeuropas 
vorliegen.  Ob  es  sich  hier  um  spontane  Entstehung,  zu  wel- 
cher der  Pfahlbau  ebenso  wie  die  Dolmenarchitektur  führen 
konnte,  oder  um  orientalischen  Einfluss  handelt,  ist  nicht  aus- 
zumachen;  die  Möglichkeit  solchen   Einflusses  auch  auf  die 


'    Ursreschichtc  vS.  1 1  2  ff. 

-   Nissen,     Templum  S.  "»7  ff.    \'gl.  aucli   Hnll.   ,ii  palftnol.   Hui.   1  cS9S    S.  7'». 
Helhi}^  a.  a.  ().   S.  41  ff. 


ZUR    GESCHICHTE    DES     KUR  VENBAUS  339 

ältesten  mitteleuropäischen  Pfahlbauten  niuss  jedenfalls  zuge- 
geben werden.  Diesem  Wenigen  steht  nun  eine  so  grosse  und 
geschlossene  Denkmälermasse  gegenüber,  dass  man  berech- 
tigt ist,  die  primitive  Rundhütte  als  das  lange  allein  herr- 
schende  Urhaus  von  Mittel-  und  Nordeuropa  zu  betrachten. 

Ehe  wir  die  Funde  der  südeuropäischen  Länder  und  In- 
seln genauer  prüfen,  bedarf  es  eines  Blickes  auf  den  Orient 
In  Mesopotamien  sind  nur  ganz  schwache  Spuren  des  Rund- 
baus nachzuweisen.  Die  altchaldäischen  Gräber  von  Mugeir 
erinnern  zwar  an  runde  und  ovale  Hüttenurnen,  aber  diese 
Ähnlichkeit  kann  zufällig  sein;  es  kann  sich  um  reine  Grab- 
formen handeln,  die  dem  runden  Hause  eben  so  wenig  nach- 
gebildet sind,  wie  die  Dolmen  dem  viereckigen  ^  Auch  die 
hohen  Kuppeln  einiger  Gebäude  auf  einem  assyrischen  Relief 
sind  an  sich  keine  zuverläs.sigen  Zeugen ;  -  doch  scheint  es 
nach  den  Abbildungen,  dass  die  Kurve  bei  dem  einen  Bau 
vom  Boden  ansteigt.  Wir  hätten  dann  also  wirklich  einen 
primitiven  Rundbau  vor  uns. 

Das  assyrische  Zeugnis  ist  vereinzelt  und  unsicher;  mehr 
bietet  Ägypten.  Auf  ägyptischen  Bildern  begegnen  öfters  bie- 
nenkorbförmige  Speicher,  teils  wenige  neben  dem  Hause, 
teils  in  Reihen  neben  einander;  •'  das  Weiterleben  alter  Haus- 
formen in  den  Wirtschaftsgebäuden  wird  unten  durch  zahl- 
reiche Beispiele  belegt.  Aber  auch  in  der  Sepulkralarchitek- 
tur  des  mittleren  Reiches  und  der  Folgezeit  sind  vielleicht 
Spuren  des  Rundbaus  erhalten.  Die  kleinsten  von  den  Ziegel- 
pyramiden bei  Abydos  enthalten  Kuppelräume,  die  genau  wie 
die  mykenischen  Tholoi  durch  Vorkragung  horizontaler  Ring- 
schichten gebildet  werden;  ^  in  diesem  Räume  steht  der  Sarg. 
Bei  den  grösseren  Pyramiden  dient  der  Kuppelraum  nur  zur 


'  Perrot-Chipiez  II  S.  272  f.  Abb.  163—165. 

2  Ebenda  8.1 4b  Abb.  43. 

='  Ebenda  I  S.487  Abb.  279.  Vgl.  Maspero-Steindorff,  Äg.  Ku7istgesch.^.l2 
Abb.  41.  Beides  bei  Erman,  Ägypten  S.  576.  Ferner  Perrot-Chipiez  I  S.  489 
Abb.  282.  Bei  anderen  Speichern  ist  der  Grundriss  nicht  sicher  kenntlich. 

*  Ebenda  S.  250  f.  Abb.  161,  163;  besser  Mariette  Abydos  II  T.  66  f.  Mas- 
pero-Steindorff S.136  ff.  Abb.140  ff.  Michaelis-Springer  7.  Aufl.  S.  26  Abb.  58. 
Vgl.  Choisy,   L'art  de  biUir  chez  /es  ^gyptiens  S.  49  f. 


340  E.    PFUHL 

Entlastung  für  die  Decke  der  darunter  liegenden  viereckigen 
Grabkammer.  Dass  man  hier  bewusst  die  Rundhütte  nachbil- 
dete, ist  sehr  unwahrscheinlich,  zumal  das  Grab  ja  nach  aus- 
sen viereckig  war,  wie  einige  kretische  und  theräische  Grä- 
ber; aber  angesichts  der  runden  Speicher  ist  hier  doch  wohl 
eher  ein  Rest  alter  Bauweise  als  eine  Erfindung  ad  Jioc  tm 
erkennen.  Runde  Zufluchtstürme  aus  vStein  bauten  die  Bedui- 
nen der  arabischen  Grenzwüste,  und  in  runden  Pfahlhütten 
hausten  die  Somali,  welche  den  Ägyptern  Weihrauchbäume 
lieferten  ^  Die  Ägypter  haben  also  einen  primitiven  Rundbau 
gekannt,  ihn  aber  nicht  in  die  Entwickelung  der  grossen 
Architektur  hineingezogen  und  so  wenig  eine  altgeheiligte 
Bauweise  darin  gesehen,  dass  sie  ihn  bei  Tempeln  garnicht, 
bei  Gräbern  wahrscheinlich  nur  ohne  religiöse  x\bsicht  ge- 
legentlich anwendeten  -.  Die  massgebende  Architektur  Meso- 
potamiens und  Ägyptens,  welche  den  jungen  europäischen 
Völkern  zum  Vorbild  diente,  kannte  nur  den  viereckigen 
Grundriss. 

Eine  besondere  Stellung  nimmt  Kleinasien  ein;  dort  sind 
drei  Gebiete  zu  berücksichtigen :  Karlen,  Phrjgien  und  Pa- 
phlagonien,  Armenien.  In  Karlen  finden  sich  eigenartige 
grosse  Rundbauten,  über  welche  die  Veröffentlichung  ein  Ur- 
teil nicht  gestattet;  sie  sind  völlig  undatiert;  aus  unserer 
Betrachtung  müssen  wir  sie  daher  ausscheiden  ■'.  Phrygien  ist 
europäisches  Einwanderungsgebiet.  Die  von  Vitruv  und  Xe- 
nophon  beschriebenen  Wohnungen  der  dortigen  und  der  ar- 
menischen Bevölkerung  entsprechen  im  Prinzip  durchaus  der 
altitalischen  Rundhütte;  sie  sehen  besonders  altertümlich  aus, 


'   Maspero,  Hist.  mu-.  I   vS.  352,  II   S.  249. 

-  Nicht  hierher  gehören  die  runden  und  unregehnässig  rundlichen  Grab- 
gruben der  ältesten  Zeit,  wie  El  Ämrah  and  Abydox,  T.  IV  !,  V  5,  de  Mor- 
gan, RecJn'rchcs  s7ir  Irs  or/ffüies  de  rEgyptc  I  S.  S5,  II  S.132  ff.,  und  Garstang, 
Toiiibs  of  the  j.  Egyptian  dynasty  T.  XIX,  ebenso  wenig  die  gerade  so  pri- 
mitiven Grabhöhlen  der  Mastabas,  Garstang,  T.  XXI.  Nicht  anders  sind 
die  unregelmässigen  Höhlen  zu  l^eurteilen,  in  deren  Boden  der  Grabschacht 
thebanischer  Gräber  des  neuen  Reiches  liegt :  Rhind,  Thebes.  its  tomhx  etc. 
S.  5b  (ungenau  bei  Perrot- Chipiez  I  S.  305  Abb.  1  '»2). 

■'■  Jourri.  of  Hell.  Stiid.  1896  S.  248  ff.,  270  f. 


ZUR    GESCHICHTE    DES    KURVENRAUS  341 

da  sie  fast  o^aiiz  unterirdisch  sind  '.  Wenn  sich  also  in  diesen 
abcrclegenen  Ber^hhidern  die  ältesten  Formen  so  lang'e  hiel- 
ten, niuss  man  auf  eine  Datierung^  der  neuerdings  in  Paphla- 
gonien  gefundenen  Anlagen  von  der  Form  des  Atreusgrabes 
natürlich  verzichten,  am  allerwenigsten  aber  darf  man  darin 
asiatische  Vorbilder  der  nnkenischen  Architektur  sehen  '-. 

Wir  kommen  zu  den  südeuropäischen  Ländern  und  In- 
seln und  wenden  uns  zunächst  den  Inseln  des  ägäischen  Mee- 
res zu.  Dragendorffs  Angabe,  dass  das  runde  Haus  dort  nicht 
mit  Sicherheit  nachgewiesen  sei,  ist  unverständlich  gegen- 
über dem  Zeugnis  der  aus  siphnischem  Stein  gefertigten  Hüt- 
tenurnen von  Melos  und  Amorgos,  zu  denen  jetzt  noch  die 
tönerne  'Hüttenurne'  aus  Phaistos  kommt  ^  Wir  haben  hier 
eine  sichere  Grundlage  für  die  Beurteilung  der  erhaltenen 
Gräber  und  Hausmauern.  Die  Gräber  zeiofen  von  der  vormv- 


Abb.   3. 

kenischen  Nekropole  von  vS)Tos  an,  über  die  melischen  und 
kretischen  Gräber  mykenischer  und  nächstfolgender  Zeit  her- 
ab bis  zu  dem  archaischen  Friedhof  von  Thera,  eine  Gleich- 
artigkeit, die  recht  deutlich  macht,  wie  wenig  alteingeses- 
sene Kultur  durch  Völkerverscliiebungen  beeinträchtigt  wird  \ 
Schon  in  vS}ros  steht  neben  dem  runden  und  ovalen  Grund- 
riss  der  viereckige,  und  beide  kreuzen  sich  zu  mannigfachen 
Zwischenfoniien  (Abb.  3);   so  finden  sich  vielfach  Gräber  mit 


'   Xenophon  J/iab.  IV,  5,  25,   Vitruv  II,   I,  5. 

-  R.  Leonhard,  80.  Jahresbericht  d.  schles.  Gesellschaft  f.  vaterl.  Kultur  IV, 
vS.  35,  vgl.  Arch.  Am.   1905    S.  31. 

■'  Vgl.  S.  337  ■',  sowie  Tsunta.s-INIanatt  S.  2bO  Abb.  134  und  Afoiiuin.  d. 
Lütcei  XII  S.128  Abb.  55. 

*  Syros:  'Ecf-ii^i.  äex-  1  S9')  S.  80,  T.  7,  vgl.  Kypros :  Ohnefalsch-Richter, 
Aypros,  die  Bibel  n.  Homer  T.  173  Abb.  20,  22.  Melos:  Excavations  at  Phylakopi 
S.  234  ff.  Kreta  :  Aimr.  Journal  of  Arch.  1901  S.131  ff.,  144,  271  f.,  284  f.,  290  ff.. 
296  ff.,    441  f.    Annual  of  the  ßrit.  School  Wl    S.  81  ff.,    VIII    S.  240  ff.,    303  ff., 


342  E.    PFUHL 

einer  bis  drei  geraden  Wänden  und  einer  Bogenwand,  und 
in  Kreta  und  Thera  begegnen  solche,  die  innen  oval,  aussen 
viereckig  sind  ^;  dort  wie  in  Etrurien  tritt  noch  eine  weitere 
Übergangsform  auf:  die  viereckige  Kammer  mit  rundlicher 
Kuppel '-.  Die  Hüttenurnen  zeigen,  dass  der  runde  Plan  nicht 
zufällig  ist,  die  vormykenische  x\nsiedlung  von  Phylakopi 
zeigt  dasselbe  für  den  viereckigen  Plan  ^,  und  in  Syros  selbst 
haben  wir  zahlreiche  Reste  von  Häusern,  die  den  Mischfor- 
men der  Gräber  genau  entsprechen.  Darunter  begegnet  wie- 
der dieselbe  Segmentapsis,  die  wir  schon  bei  einem  tarenti- 
ner  Terramarehause  fanden  ^.  Die  rechteckigen  Häuser  von 
Alt-Thera  endlich  haben  gerundete  Innenecken''.  Dragendorff 
verwirft  also  nicht  mit  Recht  das  Zeugnis  der  Gräber  von 
Syros.  Man  hat  eben  alle  primitiven  Grabkammern,  so  weit 
ihre  Form  nicht  durch  äussere  Umstände  bedingt  ist,  wie  die 
der  Dolmen  durch  die  Megalithie,  für  Nachahmungen  des 
Hauses  zu  halten  ''.  Einen  bemerkenswerten  Beleg  bietet  die 
Nekropole  von  Satricum  in  Latium :  ^  man  baute  dort  den 
Toten  wirkliche  kleine  Hütten,  stattete  sie  mit  dem  nötigen 
Hausrate  aus  und  schüttete  einen  Hügel  darüber  auf.  Es  ist 
die  Kulturstufe,  die  der  Beerdigung  der  Toten  im  Hause, 
wie  wir  sie  in  Orchomenos,  Thorikos  und  Aegina  finden  und 
aus  der  antiken  Litteratur  kennen,  unmittelbar  folgt  **.   Trotz 


Rcndkonti  dei  Line.  1902  S.  319  ff.  Mon.  Line.  1  S.  204,  208.  vgl.  IX  S.  403. 
Thera  :  Athen.  Mitteil.  1 903  S.  241  ff. 

'■  Amer.  Journ.  1 901  S.  296,  Athen.  Mitteil.  \  903  S.  1 6,  248. 

-  Kreta  :  Annual  Br.  School  VIII  S.  246.  Thera :  Athen.  Mittal.  \  903 
vS.  29  f.  242  ;  vgl.  auch  Thera  II  S.  95.  Etrurien  (nur  in  Vetulonia) :  Pinza 
vS.  447;  Rom.  Mitt.  1891    S.  230  ;  Not.  sc.  1893    S.  144. 

■'  Excavatioiis   T.  1 . 

*  'EcprijA.  dex-  1899  vS.  1I8(i).  1898  vS.170f.   (Paros).   Vgl.    vS.  338. 

'"  Fouque,  Santorin  et  ses  e'ruptions  S.  98,  Tsixntas-Manatt  S.  247.  Vgl. 
Paros,  Anm.  4. 

"  Vgl.  die  zu  wenig  beachteten  Ausführungen  von  Tsuntas  'Eifn]j.i.  d()X' 
1899  S.  83. 

'  Not.  sc.  1 898  S.  1 70.  Mengarellis  Angaben  über  den  Befund  lassen 
seine  Folgerung  zwingend  erscheinen. 

^  Sehr  häufig  beobachtet  Ijei  den  bajrischen  Ausgrabungen  in  Orcho- 
menos.   Genau  Entsprechendes  in  Spanien,  Siret,  Les  premiers  dges  du  metal 


ZUR     GHSCHICHTI':     DKS     KTUVlCMlArS  34.^1 

dieses  \^erhältnisses  n'oii  (rrab  und  Haus  frä<^t  es  sich,  ol) 
man  Recht  täte,  viele  der  erhaltenen  vSej^mentniauern  \  on 
Häusern  /ai  vollen  Kreisen  /ax  ergänzen;  denn  im  Totenkul- 
tus halten  sich  alte  Formen  bekanntlich  länger.  Die  altägäi- 
sche  Rundhütte  wird  man  vielmehr  in  den  zerstörten  Ansied- 
lungen  aus  Holz  und  Lehm  zu  suchen  haben,  welche  die  älte- 
sten Kulturschichten  in  Knosos  und  Phylakopi  abgelagert 
haben  und  die  den  Kistengräbern  zeitlich  entsprechen  '.  Dass 
der  in  der  ersten  erhaltenen  Ansiedlung  von  Phylakopi  bereits 
allein  herrschende  viereckige  Plan  aus  dem  Orient  stannnt, 
ist  angesichts  der  (ieschichte  von  Kreta  selbstverständlich. 

Ganz  ähnlich  liegen  die  Dinge  in  vor -und  frühmykeni- 
scher  Zeit  in  Hellas.  Die  Ansiedlungen  in  Argos,  x^egina, 
Eleusis,  Thorikos,  Orchomenos,  Dimini,  vSesklo  zeigen  den 
viereckigen  (rrundriss  bereits  zur  Herrschaft  gelangt,  aber  es 
begegnen  doch  noch  runde  Häuser.  Reste  eines  solchen  schei- 
nen  in  Eleusis  erhalten  zu  sein  -  und  in  Orchomenos  sind 
einzelne  grosse  und  schöne  Rundbauten  zwischen  zahlreichen 
kleineren  viereckigen  Häusern  gefunden  worden.  Dieses  Ver- 
hältnis deutet  darauf,  dass  die  Rundbauten  eine  durch  die 
Überlieferung  ausgezeichnete  Sonderstellung  einnahmen,  wie 
später  die  Tholos  der  Hestia  und  der  Tempel  des  höchsten 
Götterpaares  am  .spartanischen  Markte;  •"-  gerade  so  heben  sich 
die  glänzenden  Kuppelgräber  in  Mykenae  hervor  gegenüber 
der  grossen  Zahl  viereckiger  Kammern.  Auch  die  Mischfor- 
men mit  geraden  und  geschwungenen  Wänden  finden  sich  in 


lians  Ir  Siuiest  de  V Espagnc  T.  Ol.  Stais,  'E(p)|}(.  dy^.  1895  vS.  232.  247  ff.  [Pia- 
ton] Miiios  p.  315  (1.  V<j;l.  Poiil.sen,  Dipylongräber  und  Dipylonvascn  S.  14  f. 
Servius  ad  Acn.  V  ()4,  VI   152  ist  nur  eine  Entstellung  varronischer  Theorie. 

'  AnimalVY  S.  b  f.  (Evan.s).  Joun,.  of  Hell.  Stud.  1903  S.  157  (Macken- 
zie).  Excavatiom  at  Phylakopi  8.85  (Edgar).  Vgl.  'E(pilti.  ttQX-  1 '^^98  8.166. 
1899  8.  76  (Tsuntas).  Die  von  Miss  Boyd  entdeckten  Mauerkreise  bei  Kavusi 
scheinen  modern  zu  .sein  (J^/cr.  Joiini.  1901    8.  151,  vgl.  153  f.). 

-  'Ecprin-  dex-  18'^8,  Beilage  /.u  8. 29  ff.,  vgl.  Poulsen  a.a.O.  Die  8chich- 
tungsverhältnisse  machen  es  fast  unmöglich,  die  mittleren  Mauern  zu  datie- 
ren. Dass  das  runde  Gebäude  in  geometrische  Zeit  gehört,  ist  nicht  au.sge- 
schlossen,  aber  angesichts  der  8chichtentabelle  auf  8.  61  keineswegs  sicher. 

•'  Durch  diesen  Vergleich  sollen  die  Rundbauten  in  Orchomenos  natür- 
lich nicht  ohne  weiteres  für  Tempel  erklärt  werden. 


344  E.    PFUHL 

mykenischer  Zeit  auf  dem  Festlaiide;  eine  argivische  Grab- 
kammer hat  sogar  eine  richtige  Segmentapsis  ^.  In  wie  weit 
die  häufige  Abrundung  der  Ecken  viereckiger  Grabkammern 
auf  Bequemlichkeit  des  Arbeiters,  in  wie  weit  sie  auf  Erinne- 
rung an  den  alten  Kurvenbau  zurückzuführen  ist,  lässt  sich 
schwer  sagen ;  vermutlich  greift  beides  ineinander  -'.  Ganz  ab- 
weisen darf  man  den  Gedanken  an  ein  Nachwirken  des  Kur- 
venbaus nicht,  angesichts  der  Häuser  von  Syros  und  Thera 
sowie  vieler  iVnalogien  aus  ganz  Europa,  von  welchen  nur 
ein  italisches  Hüttenmodell  und  eine  deutsche  Hausurne  her- 
vorgehoben seien  ^ 

Neben  die  kreisrunden  Kuppelgräber  tritt  in  Attika,  d.  h. 
für  diese  Zeit  in  der  Provinz,  auch  eins  von  ovalem  Grund- 
riss  ^.  Wir  werden  unten  sehen,  dass  dieser  bei  grösseren  Hüt- 
ten aus  praktischen  Gründen  häufiger  war  als  der  kreisrunde; 
er  herrscht  daher  auch  bei  den  Hüttenurnen  durchaus  vor. 
Diese  Streckung  der  Rundhütte  bietet  den  Schlüssel  zum 
Verständnis  der  Entstehung  des  Sattel-  bzw.  Walmdachs.  Die 
kreisrunde  Hütte  mit  cylindrischer  Wandung,  wie  sie  die 
Urnen  von  Amorgos  und  Kreta  darstellen,  verhält  sich  zu  der 
ovalen  genau  so  wie  das  mit  Walmdach  versehene  quadrati- 
sche Haus  zu  dem  oblongen,  d.h.  es  entsteht  bei  ovalem  Grund- 
riss  ein  Schildkrötendach  mit  Hauptbalken,  das  Dach  der  ita- 
lischen Hüttenurnen  (Abb.  4).  Bei  der  Übernahme  des  vierecki- 
gen Planes  mussten  also  die  Europäer  bald  ganz  von  selbst 
darauf  kommen,  regelrechte  Walmdächer  und  dann  natürlich 


1  BCJI  1904  Taf.  XIII.  Nr.  5;  weiteres  röenda  und  in  Mykenae,  Nau- 
plia,  Epidauros. 

-  'Ecpiui-  ttQX-  1888  vS.  128,  157,  Abb.  1 1  =  Perrot-Chipiez  VI,  vS.  373  f. 
Vgl.  Athen.  Mitten.  1  880  vS.  1 44. 

3  Not.  sc.  1896  S.  100.  Archiv  a.  a.  O.  vS.  454  Abb.  5.   Dort  Weiteres. 

*  Stais,  'Ecpriji.  dQX-  1895  S.  222,  n^axtixa  1893  vS.  12  f.  Vgl.  AeA,ti:ov 
1  890  S.  1  60.  Die  dort  beschriebene  Anlage  scheint'  der  Rest  eines  weiteren 
ovalen  Kuppelgrabes  zu  sein,  das  schon  im  Altertum  einstürzte  und  .späte- 
stens in  archaischer  Zeit  ausgeräumt  wurde,  um  als  Depot  für  die  über- 
schüssigen Vasen  und  Terracotten  eines  Heiligtums  zu  dienen.  Spuren  die- 
ses Heiligtums  könnte  man  in  einem  archaischen  vStatuenarm  und  schwarz- 
figurigen  Scherben  auf  dem  Burghügel  finden  ('Eq)iif(.  dgx.  1895  S.  234). 
Eine  kleine  Felstholos  mykenischer  Zeit  auch  in  Kreta:  Anniial  VIII  S.252. 


ZUR    GESCHICHTE    DES    KURVEXHAUS  345 

auch  vSattcldäclicr  herzustellen.  Dass  nun  solche  wirklich  im 
ägcäischen  Kreise  bekannt  waren,  ist  durch  die  vereinig'ten 
Zeugnisse  der  Hüttenurne  von  Melos  mit  ihrem  Tordach,  der 
kretischen  Urnen  und  der  viereckigen  Kammergräber  von 
Mykenae,  vSpata,  Melos  erwiesen  '.  Lehrreich  ist  der  Vergleich 
italischer  und  kretischer  viereckiger  Hausurnen:  jene  haben 
noch  das  alte  vSchildkrötendach,  diese  bereits  ein  richtiges 
Walmdach  "-.  In  der  angegebenen  Weise  ist  das  Walm-  und 
Satteldach  gewiss  vielerorts  selbständig  entstanden.  Man  hat 
also  keine  nordische  Urform  darin  zu  sehen. 


Abb.  4. 

Wenn  wir  uns  jetzt  dem  Westen  zuwenden,  so  wird  es 
am  zweckmässigsten  sein,  mit  dem  italischen  Festland  zu  be- 
ginnen, denn  dort  hat  sich  der  primitive  Rundbau  am  zähe- 
sten  gehalten.  Wie  oben  erwähnt,  standen  z.  B.  in  Felsina 
noch  im  5.  Jahrhundert  vorwiegend  Rundhütten.  Je  nach 
den  Verhältnissen  des  Bodens  und  des  Lebens  sind  drei  For- 
men der  Anlage  zu  scheiden :  die  mehr  oder  minder  unterir- 
dische, später  zu  ebener  Erde  angelegte  Hütte,  die  auf  einem 
Steinpflaster  errichtete   Hütte  (in  felsiger  Gegend)   und  die 


•  Tsuntas-Manatt  S.  70  f  ;  Mon.  Line.  I  T.  I.  Jouni.  of  Hell.  Stiid.  1899 
S.174  Abb.  50;  'Ecpiii.i.  dg/.  1888  S.  152.  1904,  T.  2.  Anniial  VIII  T.18  u.a.m. 
Phylakopi  vS.  235.  Schon  das  Tordach  der  Urne  von  Melos  macht  Dörpfelds 
Einwände  bei  Tsuntas-Manatt  S.  XXVII  ff.  hinfällig.  Wenn  Xanthudidis 
('Eq^rifi.  UQX.  1904  S.  1 4  f.)  betont,  dass  die  kretischen  Larnakes  keine  Hüt- 
tenurnen, sondern  Möbel  seien,  .so  berührt  das  nur  ihre  sepiilcrale,  nicht 
ihre  architektonische  Bedeutung ;  hausförmige  Truhen  hat  man  zu  allen 
Zeiten   gehabt. 

-'  Die  italische  Urne  Not.  sc.  1881,  T.  V  12  f.  =  Montelius.  La  civil,  prim. 
T.  275,  10.  Die  kretischen  Urnen  Anm.  I. 


346  E.     PFUHL 

Pfahlhütte  (ursprünglich  in  Seen  und  Sümpfen).  Erstere  be- 
steht zunächst  nur  aus  einer  concaven  Grube  und  einem  Zelt- 
dach aus  Zweigen.  Wände  entstehen  erst,  wenn  man  die 
Crrube  rings  herum  annähernd  .senkrecht  absticht.  Sobald 
man  es  darin  zu  einer  gewissen  Fertigkeit  gebracht  hatte, 
konnte  man  die  Hütte  zum  grossen  Teil  unterirdisch  anle- 
gen, wie  wir  das  bei  Phr)  gern,  x\rmeniern  und  Germanen 
finden ;  dies  empfiehlt  sich  in  Gegenden  von  kontinentalem 
Klima  bei  geringen  Ansprüchen  an  Wohnlichkeit.  Legt  man 
dagegen  das  Haus  ganz  oberirdisch  an,  so  entsteht  eine  Hütte 
mit  cylindrischer  Wandung  und  konischem  Dach.  Bei  der 
zweiten  und  dritten  Abart  wird  man  oft,  wie  sich  das  gele- 
gentlich nachweisen  lässt,  eine  Zeltstange  in  der  Mitte  auf- 
gerichtet haben,  weil  es  scliwerer  war,  das  Dach  rings  herum 
im  Boden  zu  befestigen  ^ 

Die  Bedingungen  für  den  Grundriss  sind  bei  allen  drei 
Abarten  gleich  und  ändern  sich  auch  nicht  bei  Übertragung 
der  Form  in  teilweisen  oder  vollständigen  Bruchsteinbau. 
Der  Hergang  ist  folgender :  Die  flache  Grube  mit  dem  Zelt- 
dach, die  der  primitive  Mensch  als  Herdstelle  und  Obdach 
anlegt,  ist  naturgemäss  rundlich.  Übung  und  Verbesserung 
der  Instrumente  wecken  den  Sinn  für  Regelmässigkeit,  gleich- 
zeitig steigen  die  Ansprüche  an  Wohnlichkeit;  so  entstehen 
kreisrunde  und  bei  Vergrösserung  der  Crrundfläche  notwen- 
dig auch  ovale  Hütten :  nur  durch  die  ovale  Form  war  mehr 
Boden  zu  gewinnen,  ohne  dass  man  das  Zeltdach  übermäs- 
sig zu  neigen  oder  zu  erhöhen  brauchte.  In  der  Tat  zeigen 
denn  auch  die  meisten  Hüttenböden  und  Hüttenurnen  ein 
mehr  oder  minder  gestrecktes  Oval  (Abb.  5)  -.  Da  es  nun  prak- 
tisch war,  die  Tür  möglichst  weit  von  der  Mitte  des  Raumes 
entfernt  zu  halten,  legte  man  sie  meist  in  den  Scheitel  der 
Ellipse.  Dieser  einfache  \'organg  war  in  seinen  Folgen  von 
grosser  Bedeutung:  er  führte  einerseits  zu  axialer  Anordnung 
und  symmetrischer  Durchbildung  zweier  Räume,  andererseits 
zur  Frontbildung. 

'   So   bei    den    Pflasterhütten    von   Matera    in    Ai)ulien,    JA»//.    Llnr.  \'III 
S.  42b,  Abb.  4. 

-'  Monteliu.s  La  r/r.  />r.  T.  1  1   Nr.  0. 


Zl'R     OESCinCHTF,    DES    KURVEXÜArS 


347 


Die  einfachste  Form  des  Zugaiij^s  zu  der  in  den  liodcn 
versenkten  Hütte  ist  ein  geneigter  (rang,  der  dem  offenen 
Dromos  des  Kuppelgrabes  entspricht  (Abb.  6)  '.  INIehr  Be\ve- 
gnngsfreiheit  und  bei  massiger  Tiefe  der  Hütte  keinerlei  I^n- 
bequemlichkeit  bietet  ein  etwa  auf  halber  Höhe  zwischen  dem 
Hüttenboden  und  der  l^mgebung  liegender  Vorplatz  von  run- 
der oder  ovaler  Form  (Abb.  7,  8)  -.  Die  Anlage  erhält  dadurch 


Abb.  5. 


Abb.  b. 


die  Gestalt  einer  8.  Dieser  Vorraum  war  im  Allgemeinen  un- 
bedeckt, denn  in  seinem  Schutt  pflegen  die  in  dem  Haupt- 
raum so  häufigen  Reste  des  Oberbaus  (Lehmbrocken  mit 
Zweigabdrücken)  zu  fehlen ;  gelegentlich  scheint  er  aber  doch 
zu  einer  kleinen  Vorhütte  ausgebildet  worden  zu  sein,  wie 
wir  solche   noch  heute  bei  den  lappländischen   Gammen  fin- 


Abb. 


Abb.  8. 


den  l  Ob  offen  oder  bedeckt,  jedenfalls  lag  der  Vorraum  ent- 
sprechend der  Lage  der  Tür  in  der  einen,  und  zwar  fast  im- 
mer in  der  Längsachse  der  ovalen  Hütte;  auch  die  kreis- 
runde Hütte  erhielt  durch  Anlage  des  Vorraumes  eine  Haupt- 


1  Bvll.  dl  paletnol.  it.  1882    T.  I  c  —  Montelius,    La  civ.  pr.   T.  1  1   Nr.  13 
Archiv  a.  a.  O.  S.  463  Abb.  39  ;    Orient  u.  Europa  vS.  4 !   Abb.  39. 

2  Bull.  a.  a.  O.  a,  b,  d.  Montelius,  La  civ.  pr.  T.  1  I  Nr.  12,  14. 

3  Archiv  a.  a.  0.  S.  459,  Abb.  30  f. 


348  E.     PFUHL 

achse.  Damit  war  der  Grund  zu  symmetrischer  Weitergestal- 
tung- gelegt.  Eine  solche  war  innerhalb  der  baulichen  Einheit 
nur  durch  Anlage  von  Wandnischen  zu  erreichen;  denn  der 
iMangel  an  Luft  und  Licht  verbot,  noch  einen  weiteren  selb- 
ständigen Raum  anzuschliessen.  Die  Nischen  dienten  als  Ko- 
jen und  als  Wandschränke,  in  welcher  Eigenschaft  sie  noch 
heut  in  dem  apulischen  truddJni.  auftreten ;  sie  finden  sich 
auch  bei  den  vormykenischen  Kykladenhäusern  und  bei  den 


Abb.  9. 

Gräbern  von  Syros  bis  Thera  '.  Mit  Vorliebe  legte  man  sie 
symmetrisch  an ;  eine  Hütte  bei  Reggio  zeigte  ihrer  vier 
von  beträchtlicher  Grösse;  die  Form  dieser  nicht  vollstän- 
dig ausgegrabenen  Hütte  können  sicilische  Felsgräber  ver- 
anschaulichen "-'. 

Weiter  ausbauen  Hess  sich  die  Rundhütte  nicht;  der 
nächste  Schritt  führte  zu  einer  x\neinanderreihung  mehrerer 
selbständiger  Hütten.  In  der  Tat  finden  sich  gelegentlich 
ihrer    zwei   zu   einer    Doppelhütte    verbunden  •''    und   bei   der 


^  Fouque,  Santorin  S.  1  10.  Syros:  Tsuntas  'Ecpi^^i.  dg-/.  1^99  vS.  80  Abb.  8. 
Kreta:  Bosanquet,  Brit.  Scli.  Ann.  VIII  S.  252  Abb.  23.  Thera:  Athen.  Mit- 
/<"/•/.  1903  vS.lO  (Grab  2),  vgl.  S.  91  (Grab  115);  vgl.  Tsuntas  vS.  84  :  im  archai- 
schen Thera  wie  im  vorm3-kenischen  vSyros  mauerte  man  bisweilen  Beiga- 
ben in  die  Wände  des  Grabes  ein.  Vgl.  'E(pii|.i.  o-qi-  1888  S.  1  54  ff. ;  BCH. 
1904  T.  13;  Excav.  at  Phylakopi  vS.  235.  Journ.  Hell.  Stud.  189/   S.  1  84  (Kypros). 

-  Die  Hütte  beschrieben  lUilI.  pul.  1877  vS.  4.  Ein  besonders  regelmässi- 
ges sicilisches  Nischengrab  Bull.  finl.  189]  T.  X  3  =  Montelius,  Orient  u.  Eu- 
ropa S.lbb  Abb.  223  (Abb.  9). 

'  Bull.  pal.  1892  T.  IX  =  Montelius,  La  civ.  pr.  T.  11  Nr.  10.  Vgl.  die 
Verbindungsgräben  zwischen  benachbarten  Hütten,  Heibig  vS.  49,  und  spa- 
nische Silos,  Rev.  arch.   Bd.  35,  1899  S.  235  Abb.  37. 


ZUR    CxESCHICnTE    DES    KT^RVENBAUS  349 

Urne  von  Alelos  stehen  ihrer  sieben  an  drei  Seiten  eines  qua- 
dratischen Hofes,  der  nach  vorn  durch  einen  Zaun  mit  Tor  ab- 
j^eschlossen  ist:  das  erste  Beispiel  der  später  typischen  Form 
des  griechischen  Wohnhauses.  Ein  umzäuntes  Gehöft  ist  üb- 
rigens auch  bei  Reggio  gefunden  worden  (Abb.  10)  i.  Die 
Urne  von  Melos  stellt  nun  anscheinend  einen  Pfahlbau  dar. 
Man  wird  also  erwägen  müssen,  ob  die  regelmä.ssige  Anlage 
der  Terremare  etwa  ein  natürliches  Ergebnis  der  Entwicke- 
luno- des  Rundhüttenbaus  ist. 


Ahl).    lU. 

Auf  die  Bildung  einer  Front  am  Rundbau  wirkt  die  An- 
lage der  Tür  im  Scheitel  der  Ellipse  in.sofern  hin,  als  dadurch 
von  selbst  eine  Abflachung  der  Spitze  eintritt.  Bei  einzelnen 
Hüttenurnen  finden  sich  vor  der  Tür  vier  Pfosten  als  Andeu- 
tung einer  kleinen  Vorhalle,  wie  sie  bei  altportugiesischen 
Häusern  in  der  Tat  begegnet  -'.  Man  schreitet  alsbald  dazu 
fort,  die  eine  Spitze  ganz  abzuschneiden,  und  kommt  schliess- 
lich zu  dem  halbelliptischen  Hause,  wie  solches  z.  B.  in  dem 
Gehöft  von  Reggio  vorliegt;  weitere  Belege  dafür  werden 
wir  in  Malta,  Pantellaria,  Spanien  finden.  Das  Fehlen  der 
einen  Spitze  zu  Gunsten  einer  geraden  oder  concaven  Front 
ist  für  den  vorgeschichtlichen  und  archaischen  Ovalbau  des 
ganzen  Mittelmeergebietes  bezeichnend.  Die  auf  Malta,  Sar- 
dinien, den  Balearen  begegnende  concave  Frontbildung  zeigt, 
dass  man  die  Anfänge  nicht  auf  Einfluss  der  geradlinigen 
Architektur  des  Ostens  zurückzuführen  braucht. 


1   Bjill.  pal.  1S82  T.  I  b,  S.14  ff.    Montelius,  La  nv.  pr.  T.  1  I   Nr.  15,  S.  80. 

-  ^ww«//1871,    T.  U  9;   Montelius,   La  civ.  pr.  T.  140,  10;  Archiv  a.a.  O. 

S.  4b2  ;   Cartailhac.  Les  äges  prt'historiqnes  de  /'Espai^nc  et  du  Portugal  S.  274  f. 


350  E.    PFUHL 

Mit  der  Zeit  musste  der  vollkommenere  viereckig^e  Plan, 
der  allein  gestattete,  grössere  Complexe  von  Räumen  prak- 
tisch und  organisch  zu  vereinen,  auch  in  die  conservativsten 
Gegenden  Italiens  eindringen.  Für  den  Süden  bezeugt  das 
eine  Terramarehaus  von  Tarent  mit  seiner  Segmentapsis  den 
Übergang,  für  Mittelitalien  eine  Anzahl  von  Hüttenurnen  und 
für  den  Norden  endlich  das  vereinzelte  Auftreten  von  vier- 
eckigen Häusern  zwischen  den  Rundhütten  '.  Dieselbe  organi- 
sche Vereinigung  des  Alten  und  des  Neuen,  wie  sie  das  taren- 
tiner  Haus  zeigt,  fanden  wir  bereits  im  vorgeschichtlichen 
Syros  und  im  mykenischen  Argos  zwischen  allerhand  unregel- 
mässigen Mischformen,  und  wir  werden  ihr  in  (Griechenland  so- 
wohl in  archaischer  wie  in  hellenistischer  Zeit  begegnen.  Doch 
greifen  wir  nicht  vor. 


Den  Häusern  entsprechen  die  seit  dem  Beginn  der  Bron- 
zezeit in  Mittel-  und  Süditalien  auftretenden  Grabkammern 
bis  ins  Einzelne.  Bereits  erwähnt  wurde  ein  lehrreiches  Binde- 
glied: die  Grabhütte,  d.  h.  eine  wirkliche  kleine  Hütte,  die 
nach  der  Beisetzung  verschüttet  wurde  '-.  Die  Felsgräber  vom 
ältesten  Typus  sind  bienenkorbförmig  mit  concavem  Boden, 
genau  wie  die  primitivsten  Hütten ;  vereinzelt  begegnen  auch 
Wandnischen.  Sie  sind,  wo  ihre  Lage  an  steilen  Abhängen 
dies  gestattet,  unmittelbar  durch  kleine  Türen  zugänglich, 
sonst  durch  senkrechte  runde  Einsteigeschachte,  die  dem 
Vorraum   der   Hütten   entsprechen  (Abb.  1 1)  •^.   Andere  haben 


'  S.  338,  345  Anm.  3,  vgl.  Montelius,  La  civ,  pr.  T.  275,  10—13  ;  Heibig 
vS.  47  f.  Montelius,    T.  87,  21. 

■  S.  343,  mit  Anm.  7. 

■'  Not.  sc.  1')01  vS.  2 Uff.  (Altamura);  vgl.  Mon.  IJuc.WW  S.  51  Iff.  (S.  Mar- 
tine bei  Matera).  Bull.   pul.   I  S'»8   S.  208  ff.    (.Sgurgola,  Latium).  Xot.  sc.  1900 


ZUR     CESCinCHTE    DES     KTUVICNHArS  351 

einen  vollkomnien  ebenen  I>(Klen,  nnd  anf  der  Insel  IManosa, 
die  trleicli  liier  an.i^esclilossen  sei,  erscheint  daneben  ein  drit- 
ter Typns:  zn  der  Tholos  führt  eine  schmale  Treppe  hinab;  ' 
es  ist  das  eine  Vervollkommnung  des  erwähnten  Hüttentv- 
pus  mit  geneio^tem  Dromos. 


Abb.    12.  Abb.  1.1. 

Ehe  wir  weitergehen,  bedarf  es  eines  Blickes  auf  das 
Fortleben  des  Rundbaus  in  Italien.  Dass  er  sich  in  der  nie- 
deren Profanarchitektur,  in  den  Hütten,  Speichern,  Ställen 
der  Bauern  und  Hirten  dauernd  hielt,  versteht  sich.  Durch 
den  Kultus  aber  fand  der  Rundbau  seinen  Weg-  in  die  grosse 
Architektur,  wie  schon  Heibig  sah,  als  er  den  Tempel  der 
Herdgöttin  sowie  durch  \^ermittelung  des  Larenkultus  auch 
die  Rundtempel  des  Augustus  auf  die  Urhütte  zurückführte. 
In  Übereinstimmung  mit  Ovid  setzte  er  für  die  Dörfer  der 
Urzeit  ein  Hüttenheiligtum  mit  dem  Gemeindeherde  voraus. 
Neuere  Funde  sind  dieser  Annahme  günstig.  In  mehreren 
Dörfern  der  letzten  vSteinzeit  hat  sich  je  eine  Hütte  gefunden, 
unter  deren  Herdgrube  ein  Schacht  einige  Aleter  tief  hinab- 
führt;  nur  einmal  liegt  der  vSchacht  unmittelbar  neben  einer 

vS.  56h  f.  Abi),  b,  r  —  INIontelius,  I.n  a'v.  pr.  T.  2S4  Nr.  7,  S  (Conieto).  Jhtll.  pal. 
1S82  T.  I  A,  B  =r  Montelius,  Or,  ii.  Eni:  vS.  167  Abb.  22b  (Pianosa)  (Abb.  12). 
'  Jhill.  pal.  1S85  T.  T  D  =  Montelius,  0>:  u.  Kur.  vS.l(i7  Abb.  227,  La  cn: 
pr.  T.  128,  17  (AV)]i.  1.?).  Ahnliches  in  Mykenae,  Attika,  lalysos  :  'Ecpiifi.  olq'/. 
1895  S.  205,  vgl.  auch  .l///ni.  .Milieu.  1903  S.  79  (Thera).  Über  die  Entwicke- 
lung  der  Grabtreppe  in  Ägypten  s.  Garstang,  l'ombs  of  ihr  j.  Et^ypi.  Dyii. 
Cap.  VII.  Übrigens  ist  die  Lage  der  Treppe  bezw.  der  Thür  an  einer  Ecke 
der  Grabkammer  nicht  Thera  eigentümlich,  wie  ich  {a.a.  O.  S.  248)  annahm, 
sondern  findet  sich  schon  bei  ägyptischen  Gräbern  der  ersten  beiden  Dyna- 
stien [El  Ainrali  a.  A/iydos  T.  4  ;    7o,iil>s  of  fJic  Firsi  Egypi.  J)yri.  I  T.  68  f.). 


352  E.    PFUHL 

Doppelhütte.  Die  Anlage  des  Schachtes  erforderte  in  mehre- 
ren Fällen  der  Härte  des  Bodens  wegen  einen  viel  grösseren 
Arbeitsaufwand  als  die  Errichtung  der  Hütte,  (ranz  unten  im 
Schachte  fanden  sich  Gefässe,  meist  sorgfältig  zugedeckt.  Da 
in  keinem  Falle  Reste  von  Menschenknochen  darin  nachzu- 
weisen waren,  wird  man  nicht  an  eine  Beisetzung  denken  dür- 
fen. Darüber  war  der  Schacht  gleichmässig  oder  in  drei 
Schichten  gefüllt  mit  x\sche,  Scherben,  Feuersteinwerkzeug 
(meist  Messern),  sowie  Resten  von  Tierknochen,  deren  manche 
aufgespalten  waren,  um  das  Mark  zu  gewinnen  K  Es  liegt 
nun  sehr  nahe,  anzunehmen,  dass  dieser  Schacht  der  iimndus 
ist,  in  welchen  man  bei  der  Gründung  des  Dorfes  die  Erst- 
linge der  Feldfrucht  in  Gefässen  versenkte,  sowie  die  Reste 
eines  oder  mehrerer  Opfermahle  und  gelegentlich  noch  an- 
dere Opfergaben  schüttete;  darüber  wurde  dann  der  Gemein- 
deherd angelegt  und  die  Hütte  gebaut.  In  einem  Dorfe  stan- 
den drei  solcher  Hütten  dicht  nebeneinander,  wie  sich  im 
temphini  der  Terremare  einmal  drei,  ein  andermal  fünf  Gru- 
ben finden;  es  wäre  nicht  undenkbar,  dass  man  dort  eine 
Götterdreiheit  verehrt  hätte,  wie  später  auf  den  capitolia,  oder 
dass  ein  Synoikismos  dreier  Gemeinden  zu  einer  solchen 
Übergangsform  geführt  hätte  2. 

Wir  wenden  uns  Sicilien  zu,  dessen  älteste  Architektur 
dank  Orsis  vorbildlichem  Wirken  besonders  gut  bekannt  ist. 
Die  Hausüberreste  sind  geringfügig  gegenüber  den  zahllosen 
Felsgräbern,  deren  Inhalt  eine  vergleichsweise  genaue  Datie- 


1  Bull.  pal.  1894  vS.146  ff.  T.  VI  ;  1892  vS.137  ff.  T.  IX.  2,  7;  1879  S.  97  ff. 
T.  V.   Zusammenfassend  1 894  S.  1 60  ff.  (Castelfranco). 

■^  Diese  Vermutungen  werden  hier  ausgesprochen,  um  die  Frage  allge- 
meiner Beachtung  zu  empfehlen.  Spruchreif  ist  sie  noch  nicht.  Vgl.  die 
Vermutung  von  Tsuntas  ('Ecpi)n.  agy..  1885  S.  34,1),  dass  der  älteste  ApoUon- 
tempel  in  Delphi  eine  Rundhütte  gewesen  sei.  Über  den  niitnchts  s.  Wis- 
sowa,  Religion  71.  Kultus  d.  Römer,  S.  1 88  f.  Milani,  Retidic.  iL  Lincei  1901, 
S.  146.  Nach  dem  Wortlaut  bei  Plutarch,  Romnhis  10,  bieten  die  vereinzelt 
in  den  Schächten  begegnenden  Gegenstände,  die  nicht  von  Opfermahlen 
herrühren  können,  der  Erklärung  keine  Schwierigkeit ;  zumal  Waffen  sind 
als  der  wertvollste  Besitz  des  vorzeitlichen  Menschen  eine  naheliegende 
(iabe.  Bemerkenswert  ist  die  Dreizahl  der  Opferschichten  in  dem  einen 
Schachte,  vgl.  das  dreimalige  Opfer  im  palatinischen  7nundiis. 


ZUR    (GESCHICHTE    l)i:s     KrRVRNHAUS  353 

rung  ermöglicht '.  Darnach  sind  drei  Epochen  zu  scheiden  : 
die  erste  deckt  sich  mit  den  Anfängen  der  m\kenischen  Zeit ; 
es  finden  sich  vereinzelt  ägäische  Einfnhrstücke,  die  den 
Funden  des  vornnkenischen  Troja  entsi^rechen.  Die  zweite 
Epoche  umfasst  die  Zeit  der  Ausbreitung  und  des  Nieder- 
ganges der  nnkenischen  Kultur,  die  dritte  die  Zeit  der  geo- 
metrischen Stile;  diese  letztere  reicht  somit  bis  zum  Beginn 
der  griechischen  Kolonisation  herab.  Reste  von  Häusern  der 
ersten  beiden  Epochen  sind  mehrfach  gefunden  worden.  Das 
Haus  von  Monteracello  gehört  anscheinend  dem  Übergänge 
von  der  ersten  zur  zweiten  Epoche  an  -.  Erhalten  ist  die 
Hälfte  einer  Rundhütte,  deren  vertiefte  Wände  mit  Steinplat- 
ten verkleidet  waren.  An  der  Wand  entlang  läuft  eine  nie- 
drige Bank  aus  Erde  und  Steinen,  wie  solche  auch  in  den 
italischen  Hütten,  und  in  den  griechischen  Kuppel-  und 
Kammergräbern  m}kenisclier  und  geometrischer  Zeit  vor- 
kommen ■■'.  Neu  ist  hier  das  Auftreten  des  Bruchsteinbaus. 
Hüttenböden  der  gewöhnlichen  Art,  der  ersten  und  der  zwei- 
ten Epoche  angehörig,  haben  sich  in  dem  Dorfe  von  Cana- 
tella  bei  Girgenti  sowie  bei  Catania  gefunden  ^.  Ganz  unver- 
mittelt neben  diesen  Rundhütten  steht  nun  das  gleichzeitige 
Herrenhaus  von  Pantalica,  der  monumentalste  Beleg  für  das 
Eindrinofen  der  äeäischen  Bauweise''.  Zum  erstenmal  auf  ita- 


'  Übersichten:  Rom.  MM.  1898  vS.  1  50  ff.,  1899  vS.  163ff.,  280  ff.  (Peter- 
sen) ;  J/ö«.  Lüu:  IX  S.  1 45  (Orsi). 

-  ßiill.  pal.  1898   S.  204  Abb.  15.  Vgl.  Mon.  Line.  IX  S.  145. 

■'  Tsuntas-Manatt  vS.  136.  Athen.  Mitteil.  1903  S.  243  (Thera).  Hier  sind 
freilich  nur  flache  Schwellen  gemauert,  auf  denen  die  Urnen  stehen.  Schon 
in  den  Kykladengräbern  legt  man  die  Toten  gern  auf  Steinplatten  an  der 
Wand  ;  niir  selten  ist  das  ganze  Grab  gepflastert.  Auch  in  den  mykenischen 
Tholoi  uud  Kammern  finden  sich  Bruchstein-  und  Kiesellager  für  die  Toten, 
z.  B.  Athen.  Mitteil.  1S8b  S.  438  ;  'Ecfn][i.  u.{>x.  1904  S.  39.  Beisetzung  auf  den 
Wandbänken  ist  nicht  nachgewiesen,  aber  möglich  ;  sie  findet  sich  zuerst 
bei  einem  kretischen  Schachtgrabe  etwa  des  7.  Jahrhunderts  {Annual  VIII 
8.  248  f.).  Immerhin  wird  man  die  Vorläufer  der  späteren  Totenbetten  hier 
erkennen  dürfen  (VoWmöWer,  Juzmmer^-räber  mit  Totenbetten,  Bonner  Diss.  1901). 

'  Bull.  pal.  1897   S.  10b  ff.  Kot.  sc.  1898  S.  222  ;   1904  S.  373. 

"  Mon.  Line.  IX  vS.  75  ff.  T.  5  f.  Zweifel  an  dem  Alter  des  Baus  sind  ge- 
genüber Orsis  Angaben  und  Abbildungen  unzulässig. 

ATHEN.      MITTEILUNGEN     XXX  23 


354  R.     PF.UHL 

lischeni  Roden  erscheint  hier  ein  aus  mehreren  organisch  zu- 
saniniengefassten  Räumen  bestellendes  Bauwerk,  ein  augen- 
fälliger Beweis  für  die  unbedingte  Überlegenheit  des  geradli- 
nigen Grundrisses  über  den  Kurvenbau,  dessen  vergebliche 
\>rsuche  zur  vSchaffung  mehrfach  gegliederter  Complexe  wir 
oben  kennen  lernten.  Mit  seinem  rohen  Ouaderbau  und  dem 
Corridor  ist  das  Anaktoron  \'on  Pantalica  ein  rein  mykeni- 
sches  Bauwerk,  ganz  unberührt  von  einheimischer  Art. 


Abb.    14. 

An  den  Gräbern  kann  man  den  allmählichen  Übergang 
von  alteuropäischer  zu  orientalisch-ägäischer  Bauweise  genau 
verfolgen;  hier  muss  eine  Hervorhebung  der  Hauptzüge  ge- 
nügen ^  Unter  den  (rräbern  der  ersten  Epoche  erscheinen 
ganz  selten,  wie  die  Einfuhr  ägäischer  Ware,  so  auch  vier- 
eckige Kammern  mit  schwach  gekrümmten  Wänden;-'  die 
herrschende  Form  ist  die  runde  oder  ovale ;  •'  bei  letzterer 
fehlt  bisweilen  die  eine  Spitze,  sodass  eine  annähernd  gerade 
Front  entsteht,  genau  wie  bei  den  oben  besprochenen  Hütten 
und  Gräbern  ^.  Der  Boden  ist  zunächst  concav  wie  bei  den 
primitivsten  Hütten,  dann  eben;  er  liegt  stets  beträchtlich  tie- 
fer als  die  Türschwelle  ■'.  Die  Wölbung  beginnt  bei  den  ein- 
fachsten (Trabern  vom  Boden  an ;  wo  senkrechte  Wände  er- 
scheinen, sind  sie  doch  von  den  flachen  Kuppeln  nicht  scharf 


'  Die  umfangreiche  Litteratur  kann  hier  nicht  anfjjeführt  werden.  Es 
werden  deshalb  nur  ]ielege  für  die  Haupttypen  sowie  für  Ausnahmen  ge- 
geben. 

-  /!////.  pal.   l.S')2  T.  I  9,   S.  15  ff. 

■'  Jhill.  pal.  IS'tl  T.  IV,  vS.  53  ff.;  l.SS«)  T.  VI  ;  1<S<)2  T.  I  (Castelluccio). 
Not.  sc.  1880  T.  10  vS.  35()  ff.  Einiges  auch  bei  :M()ntehus,  Orlnü  n.  Europa 
S.  1  05  f.   Abb.  222,  224. 

'   Bull.  pal.  1891    T.  IV  ')  (Ab1).  14). 

•■'  Im  ägäischen  Krei.se  selten:  .////;//,// \'I  II  .S.  252  ;  ThnaW  S.  '»5  ; 
AI  heu.  Milien.  \  903  vS.  244. 


ZI'R     CrKSCHICHTI-:     DKS     KURVEXHArS  355 

abgesetzt.  Bisweilen  begegnen  Nischen,  selten  Wandbcänkc. 
Der  Zugang  liegt  teilweise  ganz  frei,  teils  ist  ein  runder  oder 
ovaler  Vorplatz  hergestellt,  öfters  erscheint  nur  das  Segment 
eines  solchen,  ganz  wie  bei  den  sardinischen  (jigantengräbern 
und  bei  spanischen  Kup])elgräbern  '.  (iclegentlich  findet  sich 
eine  kleine  runde  oder  oxale  Vorkammer,  deren  I)oden  höher 
liegt  als  der  des  Hauptraumes.  Die  Cxräber  der  ersten  Epoche 
sind  also  bis  ins  Kleinste  getreue  Abbilder  von  Rundhütten, 
wie  die  fdtesten  italischen. 


Abb.   15. 

Für  die  zweite  Epoche  bezeichnend  ist  das  Nebeneinan- 
der von  altitalischer  und  ägäischer  Bauw^eise.  Beide  erschei- 
nen in  ganz  reinen  Beispielen,  daneben  finden  sich  jedoch 
naturgemäss  die  mannigfachsten  Mischformen.  Ehe  sie  das 
Feld  räumt,  hebt  sich  die  alteuropäische  Architektur  durch 
Vervollkomnmung  der  Technik  und  des  ästhetischen  Empfin- 
dens noch  zu  beträchtlicher  Höhe  empor,  wenn  sie  auch  den 
Vergleich  mit  der  Parallelerscheinung  im  Osten,  den  Kuppel- 
gräbern von  Mykenae  und  Orchomenos,  freilich  nicht  verträgt. 

Die  Gräber  von  rein  ägäischem  Typus  sind  annähernd 
rechteckige  Kammern  mit  vollkommen  ebenen  Wänden,  fla- 
cher Decke  und  wenig  oder  garnicht  vertieftem  Boden  -.  Eine 
Vorkammer  findet  sich  nie,  eben.sowenig  Wandnischen ;  da- 
gegen erscheint  ein  viereckiger  Vorplatz,  ein  Türgang  ■'  und 


1  Z.  B.Abb.  15  {Bull.  pal.  1892  T.  I  b);  vgl.  Monteliu.s.  Or.«.^7/r.  vS.  49,154. 
Mykenische   Gräber  wie  Perrot-Chipiez  VI   .S.  399  ähneln  wohl  nur  zufällig. 

-  Mo7i.  Lilie.  IX  S.42  Abb.  3,  vS.46  Abb.  5  (mit  Beigaben  zweiter  Epoche). 

'^  Lange  Türgänge  sind  häufig  bei  den  mykenischen  Felsgräbern,  z.  B. 
in  Spata,  Perrot-Chipiez  VI  S.  413.  Aufs  Äusserste  getrieben  ist  die  Nei- 
gung, jede  Tür  mit  einem  langen  Gange  auszustatten,  bei  den  ägyptischen 
Königsgräbern  des  neuen  Reichs,  den  vSyringen  von  Biban  el  Moluk ;  dort 
scheint  freilich  religiöse  Absicht  vorzuliegen. 


356  E.    PFUHL 

eine  Türnisclie,  die  sich  bis  zu  einem  geschlossenen  Vorbau 
mit  Pfeilern  auswächst.  Zwei  solche  Pfeiler  sind  frühdorisch 
profiliert,  obwohl  das  Grab  sicher  vor  der  Zeit  der  griechi- 
schen Kolonisation  entstanden  ist '.  In  vollstem  Gegensatze 
hierzu  steht  der  rein  europäische  T}pus  :  kreisrunde  oder 
ovale  Kammern,  teils  bienenkorbförmig,  teils  mit  cylindri- 
schen  Wänden  und  flacher  Decke,  sowie  stark  vertieftem 
Boden  —  alles  ganz  wie  in  der  ersten  Epoche,  nur  technisch 
und  ästhetisch  vollkommener  -.  Eine  rundliche  Vorkammer 
ist  sehr  häufig,  ebenso  Wandnischen,  deren  Zahl  bis  zu  neun 
steigt  •',  sowie  Wandbänke.  Türgang  und  Türnische  fehlen. 
Zwischen  .diesen  beiden  Haupttypen  hat  eine  rege  Mischung 
stattgefunden,  und  zwar  dringen  die  Bestandteile  des  ägäischen 
Typus  in  den  europäischen  ein :  vor  runden  Kammern  erschei- 
nen rechteckige Vorplät;ie  und  Türnischen'*,  und  die  Kammern 
haben  oft  einzelne  gerade  Wände  oder  sind  viereckig  mit  leicht 
geschwungenen  Wänden  und  abgerundeten  Ecken  •'. 

Auf  Einzelheiten  wie  die  Abtreppung  der  Türwandung, 
die  ähnlich  in  Sardinien  begegnet  '\  die  Verzierung  der  Tür- 
platte, das  Eindringen  des  Ouaderbaus,  die  Bildung  des  Kup- 
pelscheitels, soll  hier  nicht  eingegangen  werden.  Es  sei  nur 
bemerkt,  dass  auch  das  Auftreten  einer  Kuppelspitze  offenbar 
auf  ägäischem  Einfluss  beruht  '. 

Die  dritte  Epoche  zeigt  den  vollständigen  Sieg  der  ägäi- 
schen Architektur:  die  Kammer  ist  fast  immer  annähernd 
rechteckig  mit  geraden  Wänden  und  flacher  Decke,  selten  sind 
die  Wände  noch  leicht  geschwungen  oder  ist  der  ganze  Raum 
ovaloid  mit  Kuppel.    Der  Boden  ist  nie  vertieft,  die  Vorkam- 


'  Mou.  Line.  VI  S.  1  14  f.  Abb.  20  ff.  Dieser  Vorbau  ist  mit  einer  ovalen 
Kammer  verbunden.  In  dem  ausgeraul)ten  Grabe  fanden  .sich  eine  kleine 
mykenisclie  Amphora,  Scherl)en  sicilischer  Gefässe  zweiter  Epoche  und  ein 
kleines  Steinbeil. 

-  Bull.  pal.  1891    T.  X. 

•'  Archivio  stör,  sfcil.  1880   .S.  135   Abb.  1.  Tafel. 

■*  Mon.  Line.  II  S.  22,  VI  S.  1 1 4  f. 

"  Mon.  Line.  IX  S.  47—63  Abb.  0  —  17. 

"  Mon.  Line.  XI   S.  48,   .\bb.  25. 

'  Orsi,  Not.  sc.  1904,   vS.  95. 


Zl'R     (IHSCHICHTE     DES     I<  T  K\-I-:X  l'.AUS  3v57 

liier  felilt,  ebenso  die  Xiselieii.  Wandbänke  sind  h.'infi.i^-  '.  Mit 
dem  \'ordriii}^en  der  ^riechiselien  Kolonisation  erliselit  die 
alte  Knltnr  der  vSiknler  völlig-. 

Durch  die  Hetraclituii«^  dc-r  italischen  und  sicilischen 
Funde  ist  der  vSchlnssstein  für  den  I>e\veis  des  ersten  Teils 
unserer  Tliese  ^'ewonnen :  wir  iiabeii  die  alteuropäische  Kur- 
venarchitektur vSchritt  für  vSchritt  vor  der  orientalisch-ägäi- 
scheii  Bauweise  /urückweichen  sehen;  nur  in  der  religiösen 
und  in  der  niederen  Profanarcliitektur  sind  in  Italien  Spuren 
des  Altheimischen  bewahrt  worden.  Es  fragt  sich  jetzt,  in 
welchem  Verhältnis  Sicilien  und  Italien  zu  den  anderen  Län- 
dern und  Inseln  des  Westens  stehen.  Dass  Sardinien,  die  Bale- 
aren,  Spanien  und  vSüdfrankreich,  Malta  und  Pantellaria  eine 
kulturelle  Einheit  bilden,  zu  welcher  auch  Nordafrika  Bezie- 
hungen zeigt,  hat  man  vornehmlich  wieder  an  der  Hand  der 
Architektur  erkannt,  und  neuerdings  hat  Mayr  den  Nachweis 
im  Einzelnen  geführt  -'.  Er  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass 
mehr  Unterschiede  als  Beziehungen  zwischen  dieser  Archi- 
tektur und  der  \on  Italien  und  vSicilien  beständen.  W^ir  kön- 
nen dem  nicht  beipflichten,  schliessen  uns  vielmehr  im  gros- 
sen Ganzen  der  Kritik  von  Colini  an,  welcher  die  gesamte 
vorgeschichtliche  (irabarchitektur  Südeuropas  als  eine  Ein- 
heit betrachtet  '.  Auch  Colini  zieht  die  Grenzen  noch  zu  eng, 
indem  er  sich  nur  auf  die  Kamniergräber  stützt  und  diese 
vom  Süden  nach  dem  Norden  sich  verbreiten  lässt.  Die  Grab- 
architektur ist  aber  von  der  des  Lebens  nicht  zu  trennen. 

W^enii  Mayr  ferner  nicht  nur  die  Bexölkerung,  sondern 
auch  die  Architektur  von  Alalta  und  Pantellaria  aus  Afrika 
herleitet,  so  ist  dazu  Folgendes  zu  sagen :  das  Auftreten  von 
Grabanlagen  in  Nordafrika,  welche  den  -S'cs/  von  Pantellaria 
ähneln,  aber  primitiver  sind,  berechtigt  nicht,  die  SVsi  und 
damit  alles  Verw'andte  von  diesen,  übrigens  durchaus  unda- 
tierten, Anlagen  herzuleiten;  der  Tatbestand:  die  entwickelte 
Architektur    der    .SV'.sv'.    y/irag/ir,    Talayof  auf   der   einen,   die 

1  Bull.  pul.   1894  T.  II,   1892  T.  I   (Tremenzano).   Mon.  Line.  IX    S.  1  34  f. 
'^  Abhdl.  d.  bayr.  Akad.   1901    S.  705  ff. 
^  Bull.  pal.  1  902  S.  204  ff. 


358  E.     PFUHL 

kümmerliche,  lokaler  Weiterbilclun,^'  entbehrende  Paralleler- 
scheinung" in  Afrika  auf  der  anderen  vSeite,  machen  einen 
umgekehrten  Hergang  sogar  wahrscheinlicher.  Dass  Dolmen 
und  Steinkreise,  die  sich  ebenfalls  in  Nordafrika  finden,  pri- 
mitive Formen  sind,  aus  deren  Auftreten  auf  ethnische  Zu- 
sammenhänge nicht  geschlossen  werden  darf,  hat  AIa}r  selbst 
mit  Recht  gegen  Perrot  ausgeführt;  er  legt  denn  auch  auf 
diese  Übereinstimmung  Nordafrikas  und  Südwesteuropas  kein 
besonderes  Gewicht '. 

Wir  behaupten :  die  von  INIa^r  zusammengefasste  süd- 
westeuropäische Architektur  zeigt  zwar  gewisse  lokale  Eigen- 
heiten, gehört  jedoch  als  ein  (xlied  zu  der  grösseren  Einheit 
der  alteuropäischen  Kurvenarchitektur;  wie  auch  hier  schon 
früh  orientalisch-ägäische  Elemente  eindringen,  ist  von  den 
Erforschern  der  einzelnen  Inseln  und  Landschaften  hervor- 
gehoben und  auch  von  Mayr  nicht  verkannt  worden.  ]\Iayr, 
der  auf  seinem  engeren  Gebiet  die  Zusanmienhänge  sehr  rich- 
tig sieht,  verwechselt  bei  dem  Vergleiche  mit  Sicilien  und 
Italien  das  Wesentliche  mit  dem  Zufälligen.  Selbst  wenn  man 
in  den  INIalteser  Anlagen  vom  Typus  der  Gigantcia  offene 
Tempel  sieht  -,  so  ist  die  bis  ins  Kleinste  gehende  Ähnlich- 
keit des  Grundrisses  mit  sicilischen  Felsgräbern  doch  gewiss 
schwerwiegender  als  der  Unterschied  von  Bruchsteinbau  und 
Felshöhlung ; '^  die  sicilische  Hütte  von  Monteracello  mit  ih- 
ren  Orthostatenplatten    entspricht    überdies    auch   technisch 


*  Mayr  beschränkt  seine  Afrikanerliypothese  vorsichtig  auf  Malta 
lind  Pantellaria  ;  aber  da  er  sich  auf  die  Architektur  stützt,  müsste  er  sie 
folgerichtig  auf  den  ganzen  Bereich  der  südwestlichen  Architektur  ausdeh- 
nen. Diesen  weiteren  Schritt  tut  ürsi,  Mon.  Line.  IX  S.  495  ff.,  indem  er  alle 
iberisch-ligurischen  Stämme  aus  Afrika  kommen  lässt.  Wir  müssen  uns  zu- 
nächst begnügen,  an  den  Denkmälern  die  Kulturzusammenhänge  aufzuwei- 
sen; die  ethnologische  Frage  kann  auf  diesem  Wege  allein  nicht  entschie- 
den werden. 

*  Was  Colini  sehr  mit  Recht  bezweifelt,  angesichts  der  erhaltenen  An- 
sätze der  Kragwölbung  und  der  Spuren  des  Totenkultes;  dazu  kommt  die 
weitgehende  Analogie  sicherer  Grabanlagen  von  Spanien  bis  Irland. 

■'  Man  vergleiche  nur  un.sre  Abb.  16  {Bull.  pal.  1902  T.  II  7  ;  vgl.  1  889 
T.  VI,  III,  1892  T.  I  17)  mit  Perrot-Chipiez  III  vS.  298  Abb.  221.  Undatierte 
malteser  Felstholos  mit  senkrechtem  Schacht:  ebenda  S.  22b  Abb.  1  b2  f. 


ZUR     f.lCSCIIICIlT]':     Dies     KCRVEXr.AUS  359 

den  ^Malteser  Tciiii)elii.  Wenn  ferner  die  I)e\v()hner  \on  Pan- 
tellaria  mit  ihren  nnvollkonnnenen  Werkzeu^^en  —  sie  liaben 
das  Metall  sehr  spcät  erhalten  —  ihre  ovalen  Grabkammern 
nicht  in  den  sehr  harten  Fels  einarbeiteten,  sondern  in  o-rosse 
Bruchsteinmassixe  einbauten,  so  ist  dies  doch  auch  nur  eine 
lokale  Besonderheit  '.  Werfen  wir  einen  vergleichenden  Blick 
auf  das  vormykenische  vSyros :  die  dortigen  (rrabkammern 
stehen  zwischen  den  sicilischen  und  denen  \on  Pantellaria; 
sie  liegen  am  Abhang,  sind  aber  aus  Bruchsteinen  erbaut; 
ausserdem  sind  viele  der  Kammern  von  vSyros  bereits  ganz 
oder  teilweise  geradlinig  wie  die  sicilischen,  ein  Fortschritt, 
den  man  in  Pantellaria  auf  den  Hausbau  beschränkte,  wäh- 
rend man  im  Totenkultus  konservativer  war.    Ziehen  wir  die 


ji'-^^*^.. 


A1)b.    16. 

Vergleichslinien  noch  weiter:  die  Burg  von  Altsyros  hatte 
steinerne  INIauern  mit  halbrunden  Türmen;  ganz  ähnlich,  nur 
weniger  regelmässig  gebaut,  ist  die  altsicilische  Festung  auf 
dem  ]\Ionte  Finocchito,  die  man  für  vorgeschichtlich  halten 
muss  -,  und  mit  einer  durchaus  gleichartigen,  nur  noch  etwas 
roheren  Mauer  w^ar  das  Dorf  ^lursia  auf  Pantellaria  befestigt. 
Die  kleine  Festung  von  Campos  in  Spanien  endlich  steht  den 


1  Vgl.  Orsi,   J/on.  Line.  IX  S.  497. 

-'  Bull.  pal.  1S97  S.  17')  T.  \'III.  Orsis  Aniialime  oriechisch-arcliaischen 
Einflusses  ist  unter  dem  Kindruck  der  viereckigen  troischen  und  niykeni- 
schen  Türme  entstanden  ;  die  Burg  von  Syros  war  ihm  noch  unbekannt ; 
lange  vor  1000  wird  man  sich  die  Festung  auf  dem  Monte  Finocchito  frei- 
lich nicht  angelegt  denken.  il:\  ihre  Friedhöfe  durchaus  der  dritten  .sikeli- 
schen  Epoche  angehören. 


360  E.    PFUHL 

Kykladenburgen  besonders  nahe  '.  Wo  bleiben  da  die  wesent- 
lichen Unterschiede?  Wenn  ferner  die  Nuraghni  und  Talayot 
Gräber  sind  — was  sie  doch  vielleicht  ursprünglich  waren,  als 
die  Lebenden  in  vergänglichen  Hütten  wohnten—,  so  sind  sie 
ähnlich  zu  beurteilen  wie  die  Sesen;  es  ist  ja  doch  kein  We- 
sensunterschied, ob  man  über  der  Bruchsteinkammer  einen 
Erdtumulus  aufschüttet  oder  einen  Steinmantel  baut;  man 
erinnere  sich  nur  der  Gräber  von  Assarlik  in  Karien  auf  der 
einen,  der  Steintumuli  von  Altsnnrna  auf  der  anderen  vSeite -. 
Bei  befestigten  Wohnhäusern  hinwieder  ergibt  sich  eine  sol- 
che Bauweise  in  steinigen  Gegenden  von  selbst,  wie  wir  der- 
artige Zufluchtstürme  denn  auch  bei  den  altarabischen  Bedui- 
nen gefunden  haben  •'.  Machte  man  grosse  Nuraghenbauten 
später  zu  Festungen  mit  Rundtürmen  \  so  springt  die  Ähn- 
lichkeit mit  den  Kykladenburgen,  mit  dem  Monte  Finoc- 
chito  und  Mursia  in  die  Augen.  Kleine  Xuragheii  schliess- 
lich scheiden  sich  in  nichts  von  apulischen  Truddhn  alter 
wie  neuer  Zeit;  ■'  sie  teilen  mit  diesen  wie  mit  den  itali- 
schen Hütten  und  den  sicilischen  Felsgräbern  die  Vorliebe 
für  Wandnischen. 

Wenden  wir  uns  dem  Ovalbau  mit  gerader  oder  konkaver 
Front  zu,  der  für  die  westliche  Architektur  so  bezeichnend 
ist:  auch  diesen  Grundriss  haben  wir  bereits  an  der  Hand 
italischer  Hütten  und  sicilischer  (iräber  besprochen;  neu  ist 
nur  die  gelegentliche  konkave  Bildung  der  Front,  die  Mayr 
ansprechend  als  Rudiment  eines  runden  Vorplatzes  auffasst; 
dieses  Rudiment  haben  wir  aber  auch  schon  bei  den  sicilischen 
Felsgräbern  gefunden.  Endlich  ein  Blick  voraus:  griechisch- 
archaische Bauten  wie  das  «Heroon  von  Thermos  und  der 
vSüdbau  des  Buleuterions  von  Olympia  zeigen  denselben  Oval- 
bau mit  gerader  Front  wie  die  Gigantengräber,  Xavcta  u.s.w.: 
auch  die  mittlere  Säulenstellung  des  Buleuterions  finden  wir 
schon  bei  einem  Naveta  und  sogar  bereits  bei  einem  Grabe  der 

^  Siret  a.  a.  0.  T.  9. 

*  Perrot-Chipiez  V  S.  317   Abb.  215,   S.  4.S  f.  Abb.  14—17. 
^  Oben  S.  340. 

*  Mon.  Line.  XI  vS.  129  (Pinza). 

°  Perrot-Chipiez  IV  S.  52  f.  Abb.  34  f. 


ATIIEX      MITTKILUNGKN   1905. 


TAKKI.  XIV. 


INSCHRIFT  VOM  MAUERBAU  KONONS. 


J.  B.   OBEENETTER,    MÜNCHEN. 


ZUR     (nCSCIIICIITI':     Dies     KrRVFA'I'.AUS 


361 


Kn|)fcrzeit  in  S])aiiicii  '.  lis  bedrirf  wohl  keines  Kinj^cliens  auf 
Hin/elliciten  mehr,  um  die  Zuj^eliöriokeit  der  von  Alayr  behan- 
delten südwesteuropäischen  C.ruppe  zu  unserer  i|;-rossen  Ein- 
heit zu  erweisen.  Nur  das  Einch'ino-en  des  vierecki_^en  Planes 
wollen  ^^•ir  an  der  Hand  einer  kurzen  Übersicht  xerl'ols/en. 


Al;l).    17, 


Ausschliesslich  oval  bis  rund  sind  die  Kammern  der  AV- 
srii,  Niiraglioi,  Talayot,  der  spanischen,  portugiesischen  und 
südfranzösischen  Kuppelgräber  -.  Die  Tempel  von  Malta 
sind  oval  mit  halbcylindrischen  Nischen  bezw.  Apsiden  an 
der  Langseite  ■\  Ihre  äussere  Umfassungsmauer  —  unserer 
Ansicht  nach  die  Stützmauer  der  Erdanschüttung  —  ist  oval 
mit  konkaver  P>ont;  ganz  ebenso  sind  einzelne  sardinische 
Gigantengräber  gestaltet,  und  Spuren  konkaver  Frontbildung 
finden  sich  auch  bei  den  Xaveta  und  bei  den  -  Hauptgebäu- 
den:-  der  Balearen,  obwohl  bei  diesen  eine  gerade  Front  Regel 
ist^.  Bei  den  Gigantengräbern  nähern  sich  die  Langseiten 
schon  stark  der  Geraden  und  der  Innenraum  ist  bisweilen 
rechteckig;-^  seine  Schmalheit  legt  es  aber  nahe,  diese  Form 
wie  bei   den   allces   couvrrfcs   aus  dem  Dolmenbau,   nicht  aus 


'  Abb.  17,  aus  Montelius,   Or.  ic.  Eitr.   S.  57   Abb.  bb  ;   v.i^l.  vS.  53   Abb.  bO. 

-  Monteliu.s  a.a.  O.  vS.  47  ff.  Abb.  48  ff.  ;  vS.  bO,  Abb.  71a;  .s.  a.  A/oa.  IJiu. 
XI  vS.  135  Abb.  79.  Noch  in  der  Normandie  finden  sich  Grabanlafien,  die 
den  Sesen  nah  verwandt  sind,  Montelius,  vS.  bl  f.  Abb.  72. 

■'  Mayr,  Plan  I  —  III.  Perrot-Chipiez  III  vS.  208,  Abb.  221,  v^l.  S.  301, 
Abb.  225. 

■*  Mayr,  S.  713,  Abb.  14  —  18  ;  MonteUus,  Or.  u.  Eiir.  8.  5b  f.  Abi).  b4  — 
bb  ;  Cartailhac,  Monuments  primitifs  des  iles  Balc'arcs  Abb.  10,  13,  14,  vj^l.  27 

^  Moii.  Line.  XI  S.  255  ff;  Mayr  S.  713,  Abb.  17. 


362  E.     PFUHL 

dem  Hausbau  lierzuleiten.  Rechteckige  (iräber  ne1:)en  gerun- 
deten und  ^lischfornien  beider  finden  wir  nur  unter  den  sar- 
dinischen Felsgräbern,  die  den  sicilischen  nahe  verwandt 
sind  1.  vSie  allein  bezeugen  die  Kenntnis  des  viereckig-en  Pla- 
nes auf  Sardinien;  denn  geradlinige  Hausüberreste  vorphöni- 
kischer  Zeit  oder  doch  Typik  scheinen  dort  bisher  nicht  nach- 
gewiesen zu  sein  -.  Unter  den  Häusern  und  Kelleranlagen 
von  Malta  fehlt  der  viereckige  Grundriss ;  es  herrschen  durch- 
aus Ellipse,  Kreis  und  Halbkreis  ^.  Auf  Pantellaria,  den  Bale- 
aren  und  in  Südostspanien  finden  sich  neben  den  genannten 
Kurvenbauten  viereckige  Häuser  ungefähr  der  gleichen  Zeit, 
in  welcher  die  ägäische  Bauweise  in  Sicilien  eindringt  '.  In 
Portugal  endlich  begegnen  Rundhütten  mit  mehrsäuliger, 
abgerundeter  \"orhalle,  eine  Form,  die  wir  bereits  bei  einzel- 
nen italischen  Hüttenurnen  kennen  lernten,  und  sj^äter  dane- 
ben viereckige  Häuser,  z.  T.  mit  abgerundeten  Ecken  •''.  Wir 
schliessen  hiermit  den  Nachweis  der  ursprünglichen  Einhiet 
der  vorgeschichtlichen  Kur\-enarclntektur  Euro23as  und  ihres 
allmählichen  Zurückweichens  vor  der  orientalischen  o-eradli- 
nigen  Bauweise.  Wenden  wir  uns  jetzt  dem  Weiterleben  der 
Kurvenarchitektur  in  geschichtlicher  Zeit  zu. 

vSelbstverständlich  ist  zunächst,  dass  sich  die  primitive 
Rundhütte  bei  den  niedrigsten  Volksschichten  der  klassischen 
Länder  ebenso  erhalten  hat,  wie  sie  dort  und  anderwärts  noch 
heute  erscheint.  Gerade  in  Ländern  von  hoher  Kultur  pflegen 
solche  Überreste  des  Alten  besonders  i^rimitiv  zu  sein  und 
sogar   zurückzubleiben  hinter  den  Leistungen  peripherischer 


'    Mon.  Line.  XI  vS.  38  ff.  (Pinza).   Not.  sc.   I ')U4  passim  (Taranielli). 

^  Ein  als  Erzgiesserei  benutztes  Rundhaus  s.  Not.  sc.  1  8S2  S.  308,  T.  17. 

■'  Mayr,  .S.  715. 

^  Pantellaria  :  Mon.  Uiic.  IX  S.  458  ff.  Abb.  b  —  8.  Balearen  :  Cartail- 
liac  a.a.  O.  S.  10  ff.  Abb.  5  ff.  Spanien:  Siret  a.a.  0.  S.  173,  T.  57;  vgl.  T.  6, 
13,  17,  ()1  ;  ovale  Hüttenböden:  Cartailliac,  Les  dgcs  prc'liist.  de  I'Esp.  et  du 
Port.   S.  ()7f. 

•'  Cartailliac  rln-uda  vS.  274,  282  f.  Es  handelt  sich  hier  freilich  um  pro- 
vinziellen Archaismus,  denn  auch  die  ältesten  dieser  Häuser  reichen  nur 
bis  in  die  erste  Eisenzeit  zurück. 


ZUR    C.ESCHICHTl';     DlCS     K  T  R  VI':XI?AUS  ^f^^ 

\'()]ker,  die  sich  in  Ijrcitcn  .Scliichlcn  nie  iil)er  den  xort^e- 
schiclitlichen  Znstand  erlicl)en.  Die  fast  j^anz  unterirdischen 
Hänser  der  IMn-\  t^er,  Armenier,  Oernianen,  die  Xenophon, 
Vitrnv  nnd  Tacitns  l)eschreiben,  erforderten  eine  viel  sor«^- 
fälti<?ere  Anlage  nnd  waren  wolmliclier  als  die  Hütten  ans 
Zwei<^en  und  vStroh,  welche  sich  ^griechische  und  italische 
Bauern  und  Hirten  bauten  nnd  bauen  '.  Eine  andere,  schon 
\-on  ^lontelius  hervorgehobene  Erscheinung-  ist  das  Weiter- 
leben alter  Hausfornien  in  den  Wirtschaftsgebcäuden.  Eür 
Griechenland  bietet  die  Odyssee  das  älteste  Beispiel:  im  Hofe 
von  Odysseus'  Palast  steht  die  Tholos,  ein  Nebengebäude, 
dessen  besondere  Bestiunnung  man  nicht  erfährt "-'.  Wir  erin- 
nern uns  hier  der  bienenkorbförmigen  Speicher,  die  auf  ägyp- 
tischen und  wohl  auch  auf  assyrischen  Darstellungen  neben 
viereckigen  Häusern  erscheinen.  Das  gleiche  Nebeneinander 
finden  wir  noch  heute  vielerorts,  so  in  Einnland,  wo  neben 
dem  Wohnhause  mehrere  runde  Wirtschaftsgebäude  stehen: 
Scheune,  Stall  und  Küche.  Zumal  letztere  ist  im  Norden  häu- 
fig in  einer  kleinen  Rundhütte  untergebracht,  ein  merkwür- 
diges Beispiel  für  das  zähe  Festhalten  am  Ge\vohnten  und 
die  beste  Bestätigung  dafür,  dass  man  den  Rundtempel  der 
Hestia-Vesta  mit  Recht  auf  die  Rundhütte  mit  dem  Herde 
zurückführt  •'.  Fast  ganz  imterirdische,  den  Häusern  der  Phr)-- 
ger  und  Germanen  im  Princip  genau  entsprechende  Anlagen 
dienen  heut  in  Russland  als  Getreidedarre^  und  in  Griechen- 
land pflegte  man  in  klassischer  Zeit  tholosförmige  Keller- 
räume als  Getreidespeicher  zu  benutzen :  der  Vorratsraum, 
der  sonst  neben  dem  Hause  steht,  ist  hier  darunter  ange- 
legt, Man  könnte  darin  städtische  Platzersparnis  sehen,  wenn 
nicht  schon  in  vorgeschichtlicher  Zeit  auf  Malta  und  in  Spa- 


1  Oben  S.  340— 1.  Tacitus,    Ger  man.   I  b,  Vi>l.  Plinius  Xat.  h/st.  XIX  9. 

-  X  442,  46b.  Vgl.  Tsuntas,  'Ecpi]j(,.  d(>y..  I8S5  vS.  31  ff.  Dörpfelds  Vermu- 
tung (.J/Z/fv/.  Mit  teil.  1005  vS.I52)  ist  unhaltbar,  in.sofern  der  Rumlliau  aus  dem 
runden  Altare  hergeleitet  wird  —  die  alte,  durch  Helbig.s  l'ntcrsuchung  erle- 
digte Erklärung  (Pyl,  Die  griechischen  Rundhaiitm    S.  88). 

"  Archiv  a.a.  O.   S.  458  f. 

*  Montelius,    Or/etit  u.  Europa  S.  41   Abb.  38. 


364  E.    PFI'HL 

nien  ganz  ähnliche  Kellerräunie  \orzukoninien  schienen  '. 
X'erfolgen  wir  jetzt  das  Weiterleben  der  alten  Formen 
im  Knltus  der  Götter  und  der  Toten.  Bei  den  (rräbern  führt 
nur  ein  schwacher  Faden  \on  der  archaischen  in  die  helleni- 
stische Zeit;  und  selbst  angesichts  der  im  F'olgenden  aufge- 
zeigten Kontinuität  im  Kultus  der  grossen  Heroen  und  der 
Götter  könnte  man  schwanken,  ob  hier  eine  unmittelbare 
Überlieferung  oder  nur  eine  Folgeerscheinung  der  allgemei- 
nen \'erbreitung  des  Rundbaus  im  Hellenismus  \orliegt.  Der 
( Trabbau  als  Spiegelbild  des  Hausbaus  hat  eben  die  ältesten 
Formen  doch  nicht  so  zäh  festgehalten,  wie  die  mit  dem 
Hause  verbundenen  Kulte.  Schon  im  vornnkenischen  Syros 
war  ja  der  rechteckige  Crrundriss  eingedrungen,  in  Mykenae 
herrscht  er  bei  den  Grabkammern  des  \'olkes  durchaus  vor 
und  in  Sicilien  hatte  er  zur  Zeit  des  geometrischen  Stiles  den 
runden  Plan  fast  völlig  verdrängt.  Länger  hielten  sich  das 
runde  und  das  ovale  Grab  in  Kreta  -,  und  in  Thera  ist  das 
Verhältnis  noch  um  600  genau  so  wie  bei  den  FelsgTä1)ern 
von  Mykenae:  zwischen  vielen  viereckigen  Cxräbern  wenige 
runde.  In  Thera  finden  sich  die  letzten  griechischen  Ellipsen- 
gräber und  die  letzten  Mischformen  mit  zwei  oder  drei  gera- 
den Wänden  und  einer  Bogenwand;  später  begegnen  nur  noch 
kreisrunde  Gräber.  In  klassischer  Zeit  sind  im  Osten  nur  Spu- 
ren des  Rundgrabes  nachzuweisen,  so  der  Kuppelraum  im 
Löwengrabe  \ou  Knidos  ■'.  In  Etrurien  steht  in  archaischer 
Zeit  die  Bruchsteintholos  ebenso  wie  in  Kreta  und  in  Thera 
neben  der  viereckigen,  durch  Überkragung  bedeckten  Kam- 
mer^; auch  die  ovale  Form  begegnet  in  dem  Grabe  Regulini- 


'  Mayr,  S.  b98  f..  724.  Soviel  für  die  Erklärung  der  Silos  als  Kellerräunie 
spricht,  bleibt  doch  die  Art  des  Auftretens  menschlicher  Gebeine  bedenklich. 
Sekundäre  Beisetzungen  im  Hause  würden  anders  aussehen.  !\Ian  winl  wei- 
tere Funtlberichte  abwarten  müssen. 

-  Das  erste  grosse  Kuppelgrab  vormykenischer  Zeit  in  Kreta  veröffent- 
licht soeben  Halbherr  in  den  Mfinoiir  ,i,/l'  Istitiito  Lombanfo  1905  S.  24S  ff. 
Unzugänglich  geblieben  sind  mir  Savignonis  und  Paribenis  Arbeiten  über 
die  Nekropolen  des  phaistischen  Gebiets,  J/c;/.  Lim.  XIV  S.  501  —  75(1. 

'  Newton,  D/siorrr/es    T.  t)2,   S.  50.i. 

^  Milani.  S/in//  c  materiali  1002  S.  S2  .\bb.  2bS.  Monteliu.s,  Z(?  c/r.  /r. 
T.  Ibb,  172.  Rom.  Mitt.  1904  S.  244  ff.  (Petersen). 


ZUR    GESCHICHTE    DES    KURVENBAUS  365 

Galassi'.  Runde  Felskaiimiern,  teils  selbständige  Gräber,  teils 
Nebenräume  grösserer  rechteckiger  Anlagen,  finden  sich  wei- 
terhin mehrfach,  aber  es  sind  seltene  Ausnahmen  von  der 
Regel.  Ob  und  in  wie  weit  sie  in  die  klassische  Zeit  hinein- 
reichen, vermag  ich  nicht  zu  sagen-'. 

Erst  in  hellenistischer  Zeit  treten  überall  wieder  Rund- 
gräber auf,  unterirdische  Kammern  sowohl  wie  monumentale 
Bauten  und  dekorative  Nachbildungen  von  solchen.  Bei  den 
ersteren  springt  der  Zusammenhang  mit  der  vorgeschicht- 
lichen Architektur  in  die  Augen.  Betrachten  wir  zwei  kampa- 
nische (yräber''.  Die  Tholos  von  Kyme  zeigt  an  der  Wand 
eine  Anzahl  kleiner  Nischen;  man  vergleiche  damit  ein  altsi- 
cilisches  Grab,  wie  das  oben  S.  356  Anm.  3  herangezogene. 
In  Neapel  fand  sich  eine  Anlage,  die  aus  rundem  Hauptraum 
und  rechteckigen  Gräbkammern  besteht :  das  Prinzip  des 
Atreu.s-  und  Minyasgrabes.  Angesichts  der  erwähnten  etruski- 
schen  Gräber  wird  man  hierin  Überlieferung  sehen  dürfen^. 
Was  die  runden  Grabbauten  des  Ostens  betrifft,  so  hat  man 
zu  bedenken,  dass  die  Heroisierung  aller  möglicher  Toten  in 
hellenistischer  Zeit  immer  mehr  um  sich  griff;  man  könnte 
also  die  sepulkralen  Rundbauten  von  den  im  Folgenden  be- 
sprochenen grossen  Heroa  herleiten,  falls  man  keine  direkte 
Überlieferung  der  Form  annehmen  will.  Es  werden  nur  ein- 
zelne Beispiele  genannt.  Eine  besonders  stattliche  Ruine 
eines  runden  Cirabbaus  steht  am  Hafen  von  Lindos''.  Dekora- 
tive Nachbildungen  peripteraler  Rundbauten  dienten   in  Ta- 


'  Montelius,  La  civ.  pr.  T.  iii.  Jedoch  scheinen  die  beiden  elliptischen 
Kammern  dieses  Grabes  spätere,  in  die  Erde  des  Tumulus  getriebene  Zu- 
sätze zu  sein,  immerhin  noch  des  VII.  Jahrhunderts.  Vgl.  die  grottc  des  fces 
und  ein  ähnliches  Grab  auf  Mallorca,    Montelius,    Or.  u.  Eur.    S.  54  und  5''. 

•  Canina,  Etniria  »uirittima  I  T.  40,  8,  T.  71,  4  (^  Moniniiniti  II  1 '))  II 
T.  101,  1-2  (=  Montelius,  La  nv.  pr.  T.  30b,  b),  3,  T.  ^7,  5;  bei  letzterem 
Grabe  ist  die  Verbindung  von  rundem  Hauptraiim  und  viereckigem  Neben- 
raum mit  Segmentapsis  bemerkenswert.  Endlich  Montelius  Z(/ c/?./)/-.  T.  21  2, 
1,  2.   S.  a.  S.  368  Anm.  3. 

•'  Kyme:  Mon.  Lim:  XIII  S.  210  ff.  Neapel:  cbnu/a  VIII  S.  220. 

■*  Vgl.  Pinza,  Atti  d.  Congresso  sforico  S.  4b5,   1. 

^  Arch.  Anz.  1 904  S.  209. 


366  E.    PFUHL 

na^ra  wie  in  Corneto  als  Grabmäler';  eine  kleine  Terracot- 
tatholos  dieser  Form  ist  in  Eretria,  höchst  wahrscheinlich  als 
Grabbeig-abe,  g-efunden  worden  -. 

Ganz  offenbar  ist  die  religiöse  Absicht  bei  den  dem  gros- 
sen Heroenkultus  dienenden  Rundbauten.  vSicher  bezeugt 
durch  die  Altarinschriften  ist  nur  ein  älterer,  wohl  dem  fünf- 
ten Jahrhundert  angehöriger  Bau,  das  Heroon  von  Olympia''. 
Der  runde  Kultraum  ist  eingebaut  in  den  einen  von  zwei 
viereckigen  Räumen  mit  gemeinsamer  Vorhalle,  ein  gewalt- 
samer Ausgleich  der  alten  und  der  neuen  Grundrissform,  wie 
er  sich  ähnlich  schon  bei  kretischen  und  theräischen  Gräbern 
findet.  Die  gleichen  Grundzüge  zeigt  der  Rundbau  im  Gym- 
nasium von  Thera  ^,  in  welchem  ein  archaischer  Altar,  Tier- 
knochen, Scherben  und  Vorratsgefässe  gefunden  worden  sind. 
Der  Schluss  liegt  sehr  nahe,  dass  dort  ein  palästrischer  Heros 
verehrt  wurde.  Ein  derartiger  ovaler  (fast  runder)  Raum  be- 
findet sich  auch  im  Gymnasium  von  Eretria,  doch  fehlt  jeder 
Anhalt  für  die  Ermittelung  seines  Zweckest  Schliesslich  wer- 
den wir  im  Folgenden  sehen,  dass  wahrscheinlich  auch  einer 
der  alten  Ellipsenbauten  in  Thermos  ein  Heroon  war. — Wenn 
man  bedenkt,  dass  die  Kuppelgräber,  deren  Form  schon  ihrer- 
seits eine  auf  religiöser  Überlieferung  beruhende  Ausnahme 
war,  zu  vStätten  langdauernden  Kultes  wurden'',  so  erscheint  es 
natürlich,  dass  die  Form  im  eigentlichen  Heroenkultus  fester 
gehalten  wurde,  als  in  der  allgemeinen  Sepulkralarchitektur. — 

1  Arch.  Jnhrhiich  1905  vS.  142  Anm.  .lüb.  Helbi^',  Ffihrn-  II  S.  271  N»  1  17b 
(Reisch). 

-  Brif.  Mus.  Cat.  of  terrae.  C  210.  Man  vergleiche  die  kleinen  Stelen,  Pfei- 
ler, vSäulen  und  Naiskoi,  die  in  den  Gräbern  von  M^-rina  gefunden  worden 
sind,  Pottier-Reinach,   Xecropole  de  Myrina  vS.  242  ff.,   Cutal.  Xo  3^0  ff. 

•'  Olympia  II  T.  71   f.   S.  105  ff. 

■*  Hiller  v.  Gärtringen,  Thera  I   S.  200,  294  f. 

•"'  Aiiier.  Journ.  1896  vS.  153.  Die  Erklärung  als  Schwimm-  oder  Dampfbad 
ist  angesichts  der  Grö.sse  des  Raumes  und  .seiner  Lage  innerhalb  des  Gebäu- 
des unwahrscheinlich. 

•^  Arcli.  Jahrb.  1899  vS.  127  ff.  (Wolters),  vgl.  Furtwängler  und  Löschcke, 
.Vlykenische  l'asen  S.  XI,  aber  auch  Tsuntas-Manatt  S.  131;  ferner  Bosanquet, 
Anniial  VIII  vS.  242.  Auch  der  spätere  Kultus  im  Ku])pelgrabe  von  Orcho- 
menos  ist  zu  erwähnen,  Frazer,   Pausanias  \'  S.  189. 


ZT'R     GESCIIICnTE    DES     K  T  k  X' IC X  l!A  TS  367 

Helbigs  Nachweis,  dass  die  Hei]i,i^tümer  der  .^griechischen 
wie  der  italischen  Herd<^öttin  auf  die  Rundliütte  /urückg-eheu, 
ist  im  V^orstehenden  durch  verschiedene  Beobachtuno-en  wei- 
ter trestützt  worden ;  so  findet  sich  bei  nordeuropäischen 
Bauernhäusern  nocli  lieute  vielfach  eine  besondere  Rundhütte 
für  den  Herd  und  scheinen  sich  in  altitalischen  Dcirfern 
Hüttenhcili.L^tünicr  mit  einem  iintiidiis  unter  dem  Herde  nach- 
weisen zu  lassen.  Auch  der  Kultus  der  Penaten  und  der 
Laren  scheint  lange  an  der  Rundhütte  orehangen  und  letzte- 
rer endlich  die  Veranlassung-  gegeben  zu  haben,  dass  der 
erste  und  daher  auch  viele  spätere  Kaisertempel  rund  waren  ^. 
Ferner  ist  hier  der  runde,  wahrscheinlich  als  Herdheiligtum 
dienende  Raum  in  dem  Palaste  von  Palatitza  in  Makedonien 
zu  nennen  -. 

N-eben  der  Herdgöttin  und  den  Hausgeistern  •'  scheinen 
auch  andere  Gottheiten  ursprünglich  in  Rundhütten  verehrt 
worden  zu  sein.  Zuverlässige  Spuren  weist  in  Griechenland 
nur  das  konservative  vSparta  auf.  Zwar  die  Skias,  in  welcher, 
d.  h.  in  deren  Bezirk  die  Ekklesia  stattfand,  dürfte  wieder  ein 
Herdheiligtum  oder  doch  von  ähnlicher  Bedeutung  sein.  Aber 
auch  das  höchste  (rötterpaar,  benannt  Zeus  Ohnipios  und 
Aphrodite  Urania,  besass  einen  Rundtempel  am  spartanischen 
Markte^.   Endlich  mag  man  sich  der  axiaöts  erinnern,  in  wel- 


'   Heibig,  Italiker    S.  S  1  f.,  54. 

-  Heuzey-Daumet,  Mission  en  Mace'doinc  vS.  202  ff.  ]\Iontelius,  Archiv  a.a.O. 
S.  4b5,  nennt  diesen  dem  vierten  Jahrhundert  angehörigen  Bau  uralt,  unter 
Berufung  auf  Dareniberg-Saglio. 

'  Zunächst  nur  die  Penaten,  später  auch  die  Laren  neben  Vesta,  vgl. 
Wissowa,  Archiv  f.  Religionswiss.  1904  S.  45.  Wissowa  hebt  bei  seiner  Polemik 
gegen  Samter  mit  grossem  Recht  einen  auch  im  Vorstehenden  mehrfach 
betonten  Gesichtspunkt  hervor,  dessen  Bedeutung  gerade  auf  römischem 
Gebiete  besonders  klar  ist:  die  Eigenart  der  Völker  nicht  zu  vergessen  über 
dem,  was  sie  mit  anderen  Völkern  teilen.  Handelte  es  sich  bei  der  Laren- 
frage um  Griechen,  so  hätte  Samter  wahrscheinlich  Recht.  Die  Rundhütte 
der  Compitallaren  ist  vom  Herdkulte  unabhängig.  Wenn  die  Rundbauten  des 
Augustuskultus,  wie  Heibig  annahm,  aus  dem  Larenkulte  stammen,  so  mag 
auch  die  damalige  Gleichsetzung  von  Lar  mit  Heros  dies  begünstigt  haben. 

''  Pausan.  HI  12  ;  10,  11.  Reste  dieses  Heiligtums  glaubt  man  gefunden 
zu  haben,   Amrr.  Joitrii.  1  893   .S.  4 1 0  ff. 


368  E.    PFUHL 

chen  das  Festmahl  der  Karneen  gefeiert  wurde  K  Dass  auch 
der  älteste  Apollontempel  in  Delphi  eine  runde  Laubhütte  ge- 
wesen sei,  vermutet  Tsuntas  -.  Auf  die  zahlreichen  italischen 
Rundtempel,  welche,  weil  nicht  limitiert,  nie  tfiiipla,  sondern 
nur  acdrs  genannt  werden,  hat  schon  Heibig  hingewiesen  •'. 

\'on  den  übrigen  Rundbauten  klassischer  bis  frühhelle- 
nistischer Zeit  fällt  nur  das  Odeion  des  Perikles  ganz  aus 
dem  Rahmen  unserer  Betrachtung  heraus.  Es  scheint  eine 
aus  dem  praktischen  Bedürfnis  entsprungene,  durchaus  selb- 
ständige Schöpfung  der  klassischen  Zeit  zu  sein :  es  ist  ein 
bedecktes  xA.mphitheater,  die  erste  architektonisch  geschlos- 
sene Anlage  dieser  x^rt,  in  der  äusseren  Form  angelehnt  an 
die  sakralen  Rundbauten  ^.  Die  perikleische  Zeit  zeigt  sich 
auch  in  dieser  freien  Verwendung  altgeheiligter  Formen  als 
Vorläuferin  des  Hellenismus.  —  Die  Bestimmung  aller  weite- 
ren Rundbauten  ist  strittig  oder  ganz  unklar;  die  daran  an- 
knüpfenden Fragen  ausführlich  zu  erörtern,  ist  hier  nicht 
der  Ort.   Wir  beschränken  uns  auf  die  wichtigsten  Bauten. 

Die  Tholos  von  Delphi  hat  man  mit  dem  Heroon  des 
Phylakos  gleichsetzen  wollen.  Das  ist  lockend,  aber  den  vor- 
liegenden Zeugnissen  gegenüber  kaum  aufrecht  zu  erhaltend 
In  späterer  Zeit  diente  sie  offenbar  ihrer  Form  wegen  als 
Kaisertempel. 

Das  Philippeion  in  Ohinpia  könnte  man  als  Heroon  von 
Philipps  Vater  x\myntas  auffassen;  wenn  der  Eingang  nicht 
nach  Westen  gegen  die  Altismauer,  sondern  nach  Süden  in 
den  heiligen  Bezirk  hinein  gerichtet  sein  sollte,  so  wäre  dies 
kein  entscheidender  Geg-ensfrund  ''. 


'   Schöniann-Lipsius,  Griecli.  Altert.  II  S.  475. 

-  'Eq)T]n.  (XQx-  '^85  S.  34,  1. 

■'  Hierher  zu  gehören  scheint  auch  der  leider  nicht  wissenschaftlich  aus- 
gegrabene Rundbau  von  Populonia,  der  auf  einem  runden  Podium  stand 
{Xot.  sc.  1 903  S.  1 0).  Er  scheint  für  einen  Grabbau  zu  stattlich,  war  also  viel- 
leicht Heiligtum  einer  Unterweltsgottheit. 

'   Pienndorf-Tocilescu,  Aiiamk/isst  S.  144  Anm. 

■"'  Diels,  Anh.  Anz.  1 ')03  S.  203.  Homolle,  I^rviir  de  /'Art  ,nu\  et  iiiod.  UJül 
S.  3b4  ff.   Pausanias  X  8,  b  f.   Herodot  VIII  39. 

"  ülyvipia  II  S.133.  Die  Reste  erlauben  keine  sichere  Entscheidung. 


ZUR    CRSCIIICIITI^     DlvS     KTUVENHATS  369 

Zur  Bestiiiiinnii,^'  der  Tholos  xon  l'^]:»i(l;uir<)s  sei  nur  .ge- 
sagt, dass  der  alte,  neuerdings  wieder  verfochtene  (Tedankc, 
die  heiligen  vSclilangen  hätten  in  den  lab)'rinthartigen  Kel- 
lerräunien  gehaust,  doeh  viel  für  sich  hat  '.  Auch  die  runde 
(irube  im  Asklepieion  in  Athen,  über  welcher  später  ein  Te- 
trakionion  stand,  könnte  dem  gleichen  Zweck  gedient  haben; 
denn  Opfergruben  pflegen  anders  auszusehen-.  Wenn  dem  so 
wäre,  könnte  man  weitergehen  und  sagen,  die  Schlange  sei 
die  Erscheinungsform  des  Asklepios  als  Heros;  als  solchen, 
nicht  als  Gott  betrachtete  ja  das  delphische  Orakel  ursprüng- 
lich den  Asklepios  wie  andere  Heilheroen,  deren  Kultus  \or- 
züglich  auf  der  Incubation  am  (^rabe  beruhte.  Damit  wären 
wir  wieder  beim  Heroenkultus  angelangt.  Aber  das  sind  vor- 
läufig reine  Vermutungen. 

Ganz  im  Unklaren  bleiben  wir  über  die  Bestimmung  des 
Rundbaus  der  Arsinoe  auf  Samothrake.  Wenn  der  grosse 
Kabirentempel  dort  eine  Segmentapsis  hat  und  auch  von 
dem  ältesten  Kabirion  bei  Theben  eine  Bogenmauer  erhalten 
ist,  so  sieht  man  Avenigstens  soviel,  dass  auch  hier  eine  alte 
Überlieferung  zu  Grunde  liegt  'l 

Wir  wenden  uns  den  Ovalbauten  zu.  An  Gräbern  haben 
wir  die  Form  bereits  bis  etwa  600  verfolgt.  Von  grossen  Oval- 
bauten archaischer  Zeit  war  bis  vor  kurzem  nur  einer  bekannt: 
der  Südbau  des  Buleuterions  von  Olympia;  er  stellt  eine  ge- 
streckte Ellipse  dar,  deren  eine  Spitze  in  der  Nähe  des  Brenn- 
punktes abgeschnitten  ist.  Vier  weitere  Ovalbauten  sind  in 
den  letzten  Jahren  hinzugekommen,  ihrer  zwei  sind  höchst 
wahrscheinlich  Tempel.  Von  dem  einen  haben  sich  die  Grund- 
mauern unter  dem  alten  Apollontempel  in  Eretria  erhalten  ■*, 
von  dem  anderen  liegen  die  Basen  eines  Peristyls  von  höl- 
zernen Säulen  unter  dem  Tempel  von  Thermos  in  Atolien  •'_ 
Zu   diesem   ovalen  Peristyl    scheint  merkwürdigerweise  ^  ob 


'  Zuletzt  Holwerda,  Rhein.  Jlhis.  1904    S.  352  ff. 
'-  Judeich,   Topographie  v.  Athen,   Plan   II,    S.  286. 

*  Untersjcchtingen  a.   Samothrake  I    T.  XI,    T.  LIV  ff.   Michaelis  -  Sprinj^er 
Aufl.  S.  299  f.  Abb.  531  f.  Athen.  Mitt.   1888  T.  II,  S.  89  (Dörpfeld). 

*  IlQaxTixä  1900  S.  53. 

"  'Ecpri^i.  dQX-  1900  S.  175   Beilage,  S.  179. 

ATHEN.      MITTEILUNGEN      XXX.  24 


370  E.    PFUHL 

ursprünglich,  fragt  sich  allerdings  —  eine  rechteckige  Cella 
mit  geböschten  Wänden  zu  gehören.  Neben  dem  Tempel  von 
Thermos  liegen  noch  zwei  weitere  Ovalbauten  ;  der  eine  ist 
noch  nicht  ausgegraben,  der  andere  zeigt  den  Grundriss  des 
Buleuterions  von  Olympia.  Im  Innern  haben  sich  einige 
Gräber  gefunden;  der  Bau  ist  also  vermutlich  ein  Heroon  l 

Etwas  genauer  müssen  wir  den  Südbau  des  Buleuterions 
von  Olympia  betrachten-.  Die  Anlage  ist  bekanntlich  in  ihrer 
jetzigen  Gestalt  das  Ergebnis  von  mindestens  drei  Bauperio- 
den; man  hat  zuerst  einen  der  beiden  Seitenbauten  errichtet, 
später  den  zweiten,  dann  hat  man  den  Mittelbau  dazwäschen- 
geschoben  —  falls  dieser  nicht  ein  älteres  Bauwerk  ersetzte — 
und  das  Ganze  durch  eine  gemeinsame  Vorhalle  verbunden. 
Die  Frage,  welcher  von  den  beiden  Seitenbauten  älter  sei,  hat 
Dörpfeld  auf  Grund  der  erhaltenen  Werkstücke  der  Oberbau- 
ten dahin  entschieden,  dass  der  Nordbau  dem  sechsten,  der 
Südbau,  unsere  Ellipse,  der  ersten  Hälfte  des  fünften  Jahr- 
hunderts angehöre.  Diese  Datierung  der  Zierformen  ist  un- 
zweifelhaft richtig,  aber  die  erhaltenen  Oberbauten  brauchen 
nicht  die  ältesten  zu  sein ;  es  wäre  denkbar,  dass  die  Unter- 
bauten in  umgekehrtem  Verhältnis  zu  einander  ständen.  Die- 
ser Verdacht  wird  bestärkt,  wenn  wirklich  der  Nordbau  zwei 
Stufen,  der  Südbau  deren  nur  eine  über  der  Euthynteria  auf- 
weist. Vielleicht  ergibt  eine  Nachprüfung  der  Ruinen  weitere 
Anhaltspunkte  dafür,  dass  der  Südbau  älter  ist.  Die  zu  ver- 
mutende Erneuerung  seines  Oberbaus  könnte  bei  Errichtung 
des'  viereckigen  Mittelbaus  stattgefunden  haben.  W^ie  dem 
auch  sei,  jedenfalls  ist  die  elliptische  Form  des  Südbaus  nicht 
zurückzuführen  auf  das  Bestreben  des  Architekten,  den  Über- 
gang von  der  geraden  zur  Bogenwand  zu  harmonisieren,  son- 
dern wir  haben  wirklich  einen  jener  altertümlichen  Ellipsen- 
bauten vor  uns.  Wie  eng  der  Zusammenhang  mit  der  Archi- 
tektur der  Bronzezeit  ist,  wurde  oben  bereits  durch  den  Ver- 
gleich mit  einem  der  (xrabbauten  von  den  Balearen  gezeigt: 
schon  hier  findet  sich    die   mittlere  vStützenstellungf  aussfebil- 


'  Ebemla  lind  .S.  1 80. 

-  O/ymp/a  II  T.  55  ff,  vS.  7b  ff. 


ZITR    GESCHICHTl':    DES     KrRVEXBAUS  371 

det.  Ähnliches  begegnet  bereits  in  der  Kupferzeit  in  Spanien  ^ 
Die  klassische  Baukunst  hat  den  Ovalbau  nicht  über- 
nommen ;  nur  die  einfachere  Form  des  kreisrunden  Gebäudes 
blieb  bestehen.  Wenn  später  elliptische  »Stadien  und  Amphi- 
theater auftreten,  so  sind  dies  keine  Nachfahren  der  vorge- 
schichtlichen Architektur,  sondern  Ergebnisse  der  optisch - 
akustischen  P>erechnung  mathematisch  gebildeter  Architek- 
ten. Ebenso  wenig  gehören  Räume  wie  das  N)mphäum  des 
palatinischen  Flavierpalastes  hierher:  sie  sind  erdacht,  um 
das  an  gewohnten  Formen  ermüdete  Auge  neu  zu  reizen. 
Höchstens  bei  dem  ovalen  Räume  im  Gymnasium  von  Ere- 
tria  könnte  man  Überlieferung  vermuten,  falls  es  sich  einmal 
nachweisen  Hesse,  dass  er  dem  Kultus  gedient  hat;  aber  das 
Zeugnis  dieses  fast  kreisrunden  Raumes  ist  unsicher  und 
vereinzelt. 

Wir  kommen  zu  den  gemischten  Plänen,  die  sich  in  hi- 
storischer Zeit  stets  als  Verbindung  des  Halbkreises  oder 
des  Segmentbogens  mit  dem  Rechteck  darstellen.  Viereckige 
Bauten  mit  Segmentapsis  fanden  wir  bereits  unter  den  vor- 
mykenischen  Häusern  von  Sjros  und  in  der  Terramare  von 
Tarent,  sowie  bei  mykenischen  und  etruskischen  Gräbern  2. 
Werkstücke  eines  peisistratischen  Gebäudes  dieser  Form  sind 
in  den  Fundamenten  der  Propyläen  verbaut  -l  Der  gleiche 
Grundriss  begegnet  bei  der  Cella  des  hellenistischen  Kabiren- 
tempels  von  Samothrake;  *  dieser  Raum  ist  aussen  geradlinig, 
eine  Lösung,  welche  wir  bereits  bei  kretischen  und  theräi- 
schen  Ovalgräbern  und  bei  dem  Heroon  von  Olympia  kennen 
lernten.  Auch  dass  die  F'orm  in  Samothrake  offenbar  auf  reli- 
giöser Überlieferung  beruht,  wurde  schon  gesagt  ^. 

Häufiger  ist  die  Halbkreisapsis.  Sie  erscheint  in  der  spä- 
ter vorwiegenden  Weise  abgesetzt  nur  bei  einem  wohl  archai- 
schen Bauwerk,   das   in  tiefen  Schichten   neben   dem   delphi- 


'  Oben    S.  361    Anm.  1. 

-  S.  365  Anm.  2. 

■'  Wiegand,  Porosarchücktjir  S.  155  ff. 

■*  S.  369. 

°  S.  365  ff. 


372  E.    PFFHL 

sehen  Apollontempel  liegt.  ^  Als  Fortsetzung  der  Seitenwände 
finden  wir  sie  bei  dem  Nordbau  des  olympischen  Buleuterions, 
der  in  seinem  (Gegensatz  zum  Südbau  recht  deutlicli  die  Ab- 
kehr von  der  reinen  Kurvenarchitektur  zeigt,  sowie  bei  einem 
ähnlichen  Bau  in  Heraklea  am  Latmos-.  Auch  die  Halbkreis- 
ajDsis  wird  bisweilen  nach  aussen  durch  gerade  Wände  mas- 
kiert, so  bei  dem  Tempel  des  Resef-Apollon  auf  Kypros  ■'•  und 
bei  dem  in  der  Bauinschrift  von  Lebadeia  beschriebenen  Zeus- 
tempel ^.  Noch  von  zwei  anderen  Apsidenbauten  in  Böotien 
haben  wir  Kenntnis,  aber  leider  keine  Aufnahmen"';  auch  die 
erhaltene  vSegmentmauer  von  dem  alten  Kabirentempel  bei 
Theben  hat  nach  Analogie  des  Tempels  von  Samothrake 
vielleicht  zu  einer  xA.psis,  nicht  zu  einem  Rundbau,  gehört ". 
Dies  häufige  Auftreten  einer  der  klassischen  Architektur 
fremden  Form  in  Böotien  ist  wichtig;  es  zeigt,  wie  die  alten 
Formen  sich  in  der  Provinz  erhalten,  bis  sie  im  Hellenismus 
neu  hervortreten. 

Wie  häufig  vom  dritten  Jahrhundert  ab  grosse  und  kleine 
Rundbauten  werden,  ist  bekannt.  Die  Tholos  des  Polyklet  in 
Epidauros  und  die  Tholos  in  Delphi,  über  welche  der  Archi- 
tekt Theodoros  von  Phokäa  geschrieben  hat ',  erschienen  der 
Nachwelt  als  kanonische  Bauten.  Zu  den  ältesten  hellenisti- 
schen Rundbauten  gehört  das  Arsinoeion  auf  vSamothrake. 
Ein  runder  Aphroditetempel  befand  sich  auf  dem  grossen 
Nilschiffe  des  Ptolemaios  Philopator  \  Reste  runder  Grabbau- 
ten sind  vielerorts  erhalten,  ebenso  andere  Denkmäler  von 
der'  Art  des    Lysikratesmonumentes   und   des  Tropaion   von 


'  Fouilles  de  Delphes  V.    BCH.  189b  JS.  721,   1900  S.  142—4. 

-  Wiegand  S.1b2.  Vgl.  auch  die  archaischen  Felskalnmern  in  Kurion 
(Perrot-Chipiez  III  S.  284  Abb.  216),  die  Kammern  in  der  Mauer  von  Byrsa 
{ebenda  S.  352),  das  undatierte,  aber  doch  wohl  alte  Brunnenhaus  von  Lar- 
naka  {ebenda  S.  278)  die  Cisterne  (?)  von  Alt.sniyrna  [ebenda  V  S.  54  Ab1).  24. 

•'  Ohnefalsch- Richter,  kyprr.s,  d.  Hihrl  u.  Ifonier  T.  \\. 

*  BCH.  1  896  T.  IX. 

"  Wiegand  vS.162. 

'■  Athen.  Amteil.  1888  T.  II   S.  8')  (I)örpfeld). 

'  Vitruv  VII,  1  59. 

**  Athenaeus  V  p.  205  d. 


zru    (•■i'SCHiciiT]-:    i)i';s    KrmT.xüAUS  373 

Epliesos '.  Audi  die  praktisclien  Bedürfnissen  dienenden  Bau- 
ten wurden  immer  mehr  in  den  Kreis  der  arcliitektonischen 
Kunst  gezogen.  Die  cahiaria  der  griechischen  Bäder  hatten 
bereits  die  in  römischer  Zeit  ständige  runde  Form  -,  ebenso 
höclist  wahrscheinlicli  die  Centralbauten  der  Viktualien- 
märkte,  deren  Name  —  iiiacclla — ja  aus  dem  (rriechischen 
entlehnt  ist.  Hinzu  kommen  die  baldachinartigen  runden 
Brunnenhäuser.  Endlich  wurden  kleine  Rundbauten  eine  be- 
liebte Form  der  Zierpavillons  in  den  Gärten  und  Parks.  Ein 
anschauliches  Bild  dieser  allgemeinen  Verbreitung  des  Rund- 
baus geben  die  Reliefs  und  Wandgemälde  hellenistischer  und 
römischer  Zeit. 

Wir  halten  hier  inne,  um  uns  nochmals  den  sakralen 
Rundbauten  zuzuwenden,  und  zwar  zunächst  dem  grossartig- 
sten von  allen,  dem  Pantheon''.  Der  erhaltene  Bau  ist  bekannt- 
lich ein  Werk  hadrianischer  Zeit;  das  alte  Pantheon  des 
Agrippa  bestand  aus  einer  runden  Area,  auf  welche  sich  ein 
breiter  rechteckiger  Temj^el  öffnete,  die  jetzige  Vorhalle.  Von 
dem  Kuppelraume  war  also  ursprünglich  nur  der  Grundriss 
vorhanden.  Es  fragt  sich,  ob  diese  Form  mit  besonderer  re- 
ligiöser Ab.sicht  gewählt  ist.  Vielleicht  lässt  sich  der  Weg 
andeuten,  auf  welchem  eine  Antwort  gefunden  werden  könnte. 
Runde  Einfriedigungen  sind  eine  uralte,  sehr  weit  verbreitete 
P'orm  des  Heiligtumes  der  Toten  und  der  Götter.  Das  Pan- 
theon war  nun  dem  Divus  Julius  und  den  Göttern  des  juli- 
schen  Geschlechts  geweiht;  es  wäre  also  denkbar,  dass  schon 
bei  der  Anlage  des  x\grippa  eine  alte  Überlieferung  massge- 
bend war;  dem  Geiste  der  augusteischen  Zeit  entspräche  das 
durchaus.  Für  den  hadrianischen  Rundbau  kommt  ausserdem 
noch  in  Betracht,  dass  der  Augustuskultus,  wie  wir  sahen, 
wohl  in  Anlehnung  an  den  alten  Hüttenkultus  der  Laren, 
den  Rundbau  bevorzugte.  Das  ursprüngliche  wie  das  spätere 
Pantheon  scheinen  sich  also  in  den  betrachteten  Zusammen- 
hang einzufügen.   \'on   späteren  Rundtempeln   sei   nur  noch 


i    Österr.  Jahnsh.  VI   S.  25().  vgl.  I,  Beiblatt   S.  T'). 

2  Aincr.  Joiirn.   1004,  S.  2 1  h  ff .  (Oiniadai).  vgl.  .\tlienaeus  XI  p.  501  d. 

^  Lanciani,  Ruins  and  excavations   S.  476  ff. 


374         E.    PFUHL:     ZUR    GESCHICHTE    DES    KURVENBAUS 

der  des  Roniulus,  Sohnes  des  Maxentiiis,  am  römischen  Fo- 
rum erwähnt  ^  Die  Gesamtanlage  zeigt  eine  zufällige  Ähn- 
lichkeit mit  dem  Buleuterion  von  Olympia;  der  eigentliche 
Kultraum  des  vergötterten  Toten  ist  wieder  ein  Rundbau. 
Dass  auch  die  altchristlichen  Grabkirchen  diesen  Typus  fest- 
halten, hat  schon  der  erste  Bearbeiter  der  griechischen  Rund- 
bauten, Theodor  P)'l,  hervorgehoben  -. 

So  hat  sich  die  Form  der  primitiven  europäischen  Rund- 
hütte, die  durch  die  Berührung  mit  der  entwickelten  Bau- 
kunst der  Orientalen  für  die  x^rchitektur  verloren  zu  o-ehen 
drohte,  im  Kultus  erhalten,  obwohl  die  strenge  Formbe- 
schränkung der  klassischen  Zeit  sie  fast  ausgeschieden  hätte. 
Als  sich  dann  im  Hellenismus  alle  gebundenen  Kräfte  ent- 
falteten, trat  auch  diese  älteste  Form  wieder  hervor  und  er- 
fuhr eine  Entwickelung,  deren  Höhepunkt  das  Pantheon 
darstellt.  Damit  ist  der  Rundbau  zu  einem  unverlierbaren 
Gut  der  Weltarchitektur  geworden. 

Göttingen. 

Ernst   Pfuhl. 


'-  Lanciani  vS.  21  I  ff.  Abb.  85.  In  der  dem  Zeitstile  gemässen  concaven 
Frontbildung  hat  man  schwerlich  einen  religiö.sen  Archaismus  zu  sehen, 
vgl.  oben  S.  355. 

^  Pyl,  Die  griechischen  Rimdbatiten    S.  1  22. 


375 


relikffra(;ment  in  theben. 

(Hierzu  Taf.  XIII). 

Die  Veröffeiitlicliuiig  des  auf  Taf.  XIII  abt^ebildeten 
Monuments  bedarf  kaum  der  Rechtfertigung-.  Der  Reiz,  den 
es  als  Kunstwerk,  die  Bedeutung,  die  es  als  kunsthistorisclies 
Dokument  besitzt,  werden  wohl  manchem  Besucher  des  Mu. 
seums  von  Theben  das  Fragment  lieb  gemacht  haben.  Ich 
selbst  verdanke  die  Bekanntschaft  mit  ihm  meinem  lieben.s- 
würdigen  und  tätigen  Freunde,  Herrn  Ephoros  Keramopou- 
los,  der  eben  im  Begriffe  ist,  die  Schätze  des  Museums  von 
Theben  im  neuen  Hause  aufzustellen  und  zu  ordnen.  Erst 
während  des  Druckes  habe  ich  dann  erfahren,  dass  Herr 
Gustave  Mendel  dieses  Relief  schon  1 893,  eingemauert  in 
einer  Kirche  von  Kopae-Topolia  ^  gefunden  und  nach  The- 
ben hatte  bringen  lassen.  Ich  bin  ihm  für  die  aufs  gütigste 
erteilte  Erlaubnis,  seinen  Fund  vor  ihm  zu  publiciren,  um  so 
mehr  zu  herzlichem  Danke  verpflichtet,  als  sein  Gliche  schon 
bereit  Hegt. 

Die  linke  Ecke  eines  Marmorgiebels  mit  einer  liegen- 
den Figur.  Parischer  Marmor  von  mittelgrobem  Korn  mit 
bläulichen  Einlagerungen,  darauf  feiner  warmer,  leicht  röt- 
licher Sinter. 

Die  Platte  ist,  an  ihrer  stärksten  Stelle  gemessen,  1  1  U  mm 
dick.  Die  obere,  geglättete  Fläche,  die  ehemals  das  (xiebel- 
geison  trug,  heute  noch  \on  der  späteren  Verwendung  bunt 
verputzt,  hat  am  linken  Bruchrand  eine  Breite  von  60,  am 
rechten  oberen  eine  von  75  mm.  Die  untere  Fläche,  auf  der 
die  Tafel  steht,  ist  in  schräg  laufenden  feinen  Raspelstrichen 
geglättet   und   gleichmässig    llümm   schmal,   die   Rückseite 


'  Pausan.  IX  24,1;  dazu  die  bei  Frazer.  Pnitsanias'  Descn'plion  of  Cjreece  V 
S.  1  3 1  ff.  zusammentfestellten  und  ergänzten  Nachrichten  Reisender. 


376  L.    CURTIUvS 

ganz  grob  gelassen,  nur  in  derben  vSchlägcn  geebnet  Nir- 
gends ein  Rest  von  Einarbeitungen. 

Wichtige  Folgerungen  erlauben  folgende  Maasse  :  die 
Senkrechte  vom  linken  Ende  der  Platte  unten  bis  zum  obe- 
ren Rande  ergibt  1  95  nun,  die  \om  oberen  Rande  rechts  zu 
den  Zehen  der  ausschreitenden  Figur  315  mm.  Die  Länge 
von  diesem  angenommenen  Punkt  zum  linken  Ende  der 
Basisleiste  ist  420  mm,  die  der  schrägen  Fläche  für  das  Gei- 
son  460  mm.  Daraus  ergibt  sich  ein  linker  Giebelwinkel  von 
1  7  Grad.  Nun  misst  die  liegende  Figur  ohne  die  hohe  Kopf- 
bedeckung bis  zum  Ansatz  des  Knies  am  Bruch  40  cm.  Ge- 
mäss den  von  Kollmann  {Plastische  A)iafoiiiic,  2.  Aufl.  S.  520) 
aufgestellten  Proportionen  ergibt  sich  daraus  eine  Gesamt- 
höhe der  stehenden  Figur  von  59  cm;  rechnen  wir  die  oben 
weggelassenen  4  cm  der  Kopfbedeckung,  —  deren  Höhe  für 
Haube  oder  Helm  auch  für  andere  Giebelfiguren  vorauszu- 
setzen ist  —  wieder  hinzu,  so  erhalten  wir  als  mögliche  Ge- 
samthöhe einer  aufrecht  stehenden  Figur  des  Giebels  63  cm, 
ein  Resultat,  das  dadurch  kaum  an  Wahrscheinlichkeit  ver- 
liert, dass  0,656  m  =  zwei  attisch -aeginaeischen  Fuss  sind  ^ 
Dieses  zweite  ]\Iaass,  des  Spielraums  wegen  als  höchste  Gie- 
belhöhe angenommen,  ergibt  eine  Giebellänge  von  4,88  m, 
ein  Maass,  das  bis  auf  einen  verschwindend  kleinen  Rest  fünf- 
zehn attisch-aeginaeischen  Fuss  gleichkonnnt  -'. 

Das  so  in  seiner  Grösse  rekonstruierte  Giebelfeld  (Abb.  1) 
gehört  zu  den  kleinsten,  von  denen  uns  Reste  erhalten  sind. 
Nahe  steht  ihm  an  Grösse  und  X^erhältnissen  das  rekonstru- 
ierte Giebelfeld  vom  Schatzhause  der  Kyrenaeer  in  Oh'uipia 
{Olyinpia  Textb.  HI  S.  21,  Studniczka,  Kyrcitc  S.  32).  Dieses 
hat  Dörpfeld   für  einen   Bau  von  4,85  m   oberer  Stufenbreite 


'   S.   Dörpfeld,  Athen.  Mitteil.  XV  1890,  vS.  1  7  1 ,  Olympia  Textbaml  II  ,S.  1  9. 

-  Für  solche,  denen  dies  rechnerische  Resultat  zu  glatt  erscheint,  um 
Glauben  zu  verdienen,  sei  bemerkt,  dass  ein  um  ein  paar  Centimeter  —  nur 
über  so  viel  kann  Meinungsverschiedenheit  bestehen  —  geringer  angenom- 
menes Höhenmaass  der  ideellen  Mittelfigur  zwar  die  Auflösung  der  Maasse 
in  aeginaeische  Fuss  aufhebt,  die  Hauptmaasse  aber  nur  wenig  ändert,  und 
dass  alle  weiteren  Folgerungen  von  der  Zustimmung  zu  ihrer  so  oder  so 
präcisierten  Grösse  unabhängig  sind. 


RELIlCFl'-RACniKXT     IX     TIIKHEX  ,^77 

bercclinet.  Wir  lioffen  daher  iiiclit  weit  vom  Riclitij^en  abzu- 
irren, wenn  wir  für  nnserii  (riebel  einen  Ban  x'on  ^  '  .,  (">  m 
Breite  anneluiien.  Es  lie«-t  nahe,  in  diesem  Hau  das  vun  Pau- 
sanias  genannte  Heiligtum  der  Demeter  /u  sehen  (Paus.  IX 
24,2,  r/6\SV//.  r  (=-/^;VII)  279.3),  oder  sieh  der  Rolle /.u  erin- 
nern, welehe  die  Amazonomachie  auf  Grabnicälern  spielt.  Al- 
lein zu  einem  Beweis  fehlt  uns  jedes  Datum.  So  habe  einst- 
weilen alle  weitere  Speculation   ein  Ende. 


Abb.   1. 


Über  den  Erhaltungszustand  gibt  die  Al)bildung  hin- 
reichende Auskunft.  Dargestellt  ist  auf  dem  Fragment  eine 
im  Kampf  gefallene  Amazone.  Zwischen  Leben  und  Tod,  zwi- 
schen eben  Niedersinken  und  letztem  Zusammenbrechen,  mit 
jener  vorstellungsreichen  Unentschiedenheit  des  ^Moments, 
jener  Lautlosigkeit  der  Geste,  wie  sie  jeder  Kunst  nur  ein- 
mal gelingt.  Die  Linke,  in  der  noch  so  viel  Kraft  ist,  dass 
der  Körper  nicht  ganz  auf  die  Erde  sinkt,  hielt  wohl  nach 
Ausweis  der  ähnlichen  Fig-ur  auf  einer  altattischen  Amphora 
in  Cambridge  (Abb.  2  nach  (iardner,  Catal.  Fifzwill.  J/us. 
Fl.  VII  44  A)  den  Bogen.  Die  Rechte  aber  mit  dem  fächri- 
gen  Fingerspiel  einer  archaischen  Hand  g-reift  nach  dem 
Köcher,  um  ihm  in  letzter  Anstrengung  einen  Pfeil  zu  ent- 
nehmen.  Gewiss  war  der  linke  Fuss  lang  gestreckt,  da  ja  die 
Giebelecke  Raum  bot;  und  wo  unter  dem  Knie  der  knapp  an- 
setzende Unterschenkel  für  die  Überschneidung  Platz  Hess, 
war  vielleicht  noch  der  Fnss  des  im  Knie  aufgestützten  rech- 
ten Beines  sichtbar.  Der  Kopi  ist  zur  vSeite  gedreht,  im  letz- 
ten  Augenblick,   ehe   er   herabsinkt.    Gewiss,    später  sterben 


378 


L.    CURTIUS 


Amazonen     in   Schönheit:.    In   dieser  ist   ein   letzter  Rest 
von  zäher  Kraft,  die  sich  dem  Tode  nicht  ergeben  will. 

Es  ist  kein  Fluss  in  den  Linien.  Der  doppelte  Winkel, 
den  Arm  und  Knie  bilden,  ist  ungemildert  gelassen;  der  rechte 
Arm  stösst  im  rechten  Winkel  an  die  Linie  der  Haube,  und 
der  Kopf  fällt  beinahe  auf  das  Bein  der  nächsten  Figur.  Das 
heissen  wir  keine  Fehler,  denn  in  diesen  Zügen  hat  die  Ge- 
stalt doch  auch  ihre  herbe  Energie,  der  nun  so  zart  durch  ein 
gerade   entgegengesetzt  scheinendes   Streben  begegnet  wird. 


Abi).   2.     \'aseiil)il(l  in   Cain1)n(l,i^e. 


Lst  die  Amazone  mit  deshalb  so  sehr  Lieblingsmotiv 
griechischer  Künstler  gewesen,  weil  sie  halb  Ephebe  war? 
Aber  ist  sie  nicht  andererseits  auch  zum  Problem  geworden, 
in  dessen  Lösung  Maler  und  Bildhauer  allmählich  eine  neue 
Art' der  Erscheinung  und  des  Gefühls  darzustellen  lernten? 
In  der  Alünchener  Penthesilea-Schale  (Furtwängler-Reichhold 
Griccli.  l'aseiiiiialcn'i  (^  FRV)  Taf.  6)  gelangt  diese  neue 
Empfindung  zum  ersten  Mal  zu  monumentalem  Ausdruck. 
Davon  ist  unser  Relief  noch  weit  entfernt.  Aber  nicht  so  weit, 
dass  nicht  der  Versuch  gemacht  wäre,  die  Figur  von  einer 
männlichen  deutlich  zu  differenzieren.  Ein  schlanker,  biegsam 
weicher  Oberkörper  auf  Hüften  mit  breiten  Schenkeln,  jenen 
der  Iris  auf  der  Franyoisvase  {FRV  Taf.  1-2)  ähnlich.  Und 
wie  in  dem  liegenden  Arm  das  Streben  nach  knapper,  klar 
umschreibender   Herausarbeitung  der   muskulösen  Teile  zu- 


R]<:LII'FI-kA(;Ml';NT     IN     THEBEN  379 

rücktritt  liintcr  der  Darstellun*;  nnullicli  weicher,  schwellend 
gleitender  Formen,  so  ist  gewiss  mit  Absicht  der  schlanken, 
zähen  Form  des  Unterschenkels  der  ausschreitenden  männ- 
lichen Figur  eine  breite,  fleischige  gegenübergesetzt  in  der 
durch  den  l'mriss  noch  eben  gesicherten  Wade  der  Amazone. 
Um  so  stärker  muss  sich  dann  am  Original  ursprünglich  ne- 
ben diesen  breiten  l'^ormeu  die  Zierlichkeit  der  Crclenke  aus- 
gedrückt haben,  wie  es  noch  jetzt  an  der  Rechten  weniger 
zu  sehen  als  zu  erraten  ist. 

Man  könnte  denken,  dass  die  heute  als  nackt  erscheinen- 
den Teile,  Arme  und  Beine,  ursprünglich  durch  Bemalung 
mit  dem  häufig  erscheinenden  gestreiften  sk)thischen  Ge- 
wände bekleidet  dargestellt  waren.  Aber  für  den  eigentlichen 
Torso  ist  statt  jenes  dickstoffigen  Bekleidungsstücks  ein  blos- 
ser feiner  Linnenchitou  gewählt.  Die  Kleidung,  so  wie  sie 
uns  an  dem  Fragment  erscheint,  lässt  drei  Erklärungen  zu : 
jetzt  verschwundene  Bemalung  der  Arme  und  Beine  vor- 
ausgesetzt, ergibt  sich  eine  Tracht  wie  Hartwig  Meistersclia- 
len  Taf.  XX  2;  Anax^riden  allein  mit  Linnengewand  darüber 
haben  als  Parallele  Hartwig  Taf.  H  2;  Bekleidung  mit  dem 
kurzen  Linnenchiton  allein  bevorzugt  der  spätere  Stil,  W'Ozu 
etwa  FRV  ^"6  zu  vergleichen  ist.  Gleichgiltig  nun,  ob  Arme 
u  n  d  Beine  bekleidet  waren  —  wichtig  ist  nur,  dass  hier  für 
den  Leib  das  dicke  Koller  entgegen  der  Tradition  aufgegeben 
ist.  Der  Grund  kann  nur  ein  künstlerischer  sein.  Die  Dar- 
stellung jenes  Gewandstücks  hätte  den  brettartigen  Charakter 
der  Figur  verstärkt.  Der  Bildhauer  vermag  bei  seinem  Kön- 
nen den  Zw^ang  der  frontalen  Anlage  innerhalb  der  Wände 
seines  Flachreliefs  nicht  zu  durchbrechen.  L^nd  nun  soll  das 
Fehlen  des  Hauptrhythmus  gleichsam  verschleiert  werden 
durch  jene  goldschmiedhaft  zierliche  Belebung  der  grossen 
ungegliederten  Fläche  des  Körpers  in  den  Wellen  des  ge- 
kräuselten Stoffes  und  durch  Falten,  jenen  Verzierungen  pri- 
mitiver ]\Iusik  ähnlich,  an  die  neulich  in  glücklichem  Gleich- 
nis erinnert  wurde  ^  Der  Linnenchiton  der  Figur  lässt  die 
Körperformen  weich   durchkommen,   wodurch   sich  der  feine 


'   Puchstein-Koldewey,    Griech.   Tempel  vS.  1  1  9. 


380  L.   cuKTirs 

Contour  der  ITnterseite  und  eine  leise  Scliwelliinof  an  der 
Stelle  der  jetzt  teilweise  zerstörten  linken  Brust  ergibt.  Von 
der  linken  Schulter  aus  laufen  die  Wellenlinien  des  Stoffs  in 
der  Richtung  des  Arms.  Ein  Übergang  zu  den  abwärts  füh- 
renden vStoffwellen  ist  hier  so  wenig  gefunden  wie  an  den 
Hüften,  wo  statt  dieser  wirkliche  Falten  gegeben  sind. 

Wie  diese  über  den  rechten  Oberschenkel  in  einem  halb 
durchgeführten  Versuch  natürlich  fallender  Züo;e  oreleg^t  sind, 
dann  aber  ganz  gegen  die  Natur  am  linken,  von  unten  her- 
aufgestrichen, wie  an  einer  stehenden  Figur  beharren,  und 
in  einer  Art  gerundeten,  von  etruskischen  Goldgeschmeiden 
oft  verwerteten  Mäanders  ^  zurechtgelegt  sind,  das  ist  von 
einer  \'ollendung  archaischer  Zierlichkeit,  für  die  ich  sonst 
kein  Beispiel  weiss.  Die  gleiche  Miniaturarbeit  offenbart  sich 
am  Haar.  Vier  auf  die  Stirne  herabhängende  Löckchen  sind 
auch  auf  der  Tafel  sichtbar,  ein  kleiner  Rest  tiefer,  für  das 
Instrument  des  Bildhauers  wegen  des  Fusses  davor  nicht 
mehr  erreichbar,  ist  flach  geblieben ;  drei  längere,  ebenso 
subtil  gearbeitete  vSträhnen  aber  auf  der  rechten  Schulter 
kann  man  wohl  nur  am  Original  sehen.  Darüber  nun  türmt 
sich  jene  hohe  Mütze  auf,  von  der  in  letzter  Zeit  öfter  die 
Rede  gewesen  ist  -.  Es  ist  aber  auf  dem  Relief  nicht  die 
gleiche,  wie  sie  der  Bogenschütze  des  aeginetischen  Westgie- 
bels 3  trägt,  mit  nach  vorne  übergebogenem,  rundlichspitzem 
Ende,  sondern  eine  plumpere,  rundere  Form,  die  der  so  übel 
beleumundeten  modernen  Ballonmütze  nicht  unähnlich  ist. 
Vielleicht  ist  es  eine  um  weniges  ältere  P'orm,  die  unmittel- 
bar  neben  der  ältesten   mit  der  fröhlich   aufrecht  stehenden 


'   Z.  B.  Karo  in  Milanis  Studi  ,■  Matcnali  II  IUO/7. 

■  Furtwänjrler,  Bexchreil).  </.  G/yptothck  8.  104;  S/tz/nio-sdcr.  d.  Mi'DicIicnrr 
Akad.  1001  S.  3f)b.  Ihr  antiker  Name  ist  xi'yßaoia.  Pollux  \'II  5S;  Diony.s. 
Ant.  Rom.  11  70  ;  Herodot  V  49.  VII  b4.  Das  Kleidungsstück  war  natürlich 
der  Mode  unterworfen.  Der  Vergleich  mit  dem  Hahnenkamm  bei  Aristopha- 
nes  {Vögel  483-5)  trifft  am  besten  auf  jene  zackige  Form  zu,  wie  sie  der  Da- 
rius  der  Perservase  {Moii.  d.  Inst.  IX  50  1)  und  der  Phineus  /-'RV  bO  tragen. 

•'  Brunn-Bruckmann,  Dnikinälrr  ( —  lilU)}  24 ;  vSeemann-Winter  Kunst- 
gesch.  in  Bildern  f=Sn')  I  37,  1  ;  .hisgral>nngrn  a.  Aeg/na  I  .S.  210  Abb.  152, 
hier  nach  den  Druckbogen  citiert. 


RELIEFFRAfniENT     IN    TIITvHKX  3S1 

Spitze  aufkam.  vSie  fioiiricrt  in  folg;enden  Beispielen :  Gerhard, 

Aiisrrirs.  J^asci/b.  f=-^l  rj  2 11.  261';  Pottier,  /  7/.sv.v  t///  Loihtc 
II  73,  F  120;  Hartwio-  Mrisfrrscliahii  Taf.  10;  Mnrray,  Drsii^iis 
fr.  ljr,rk\'nscs  PI.  I  3  {^^Cntal.,>f  ]'ascs  in  flir  lir.Mns.  III  E  0); 
und  am  wicht! <;-sten  Perc)'  Oardner,  Catal.  of  .  \sliiiiol.  Mus. 
nr.  310,  pl.  13  (Miltiades -Teller).  Von  die.ser  Alüt/c  hihioen 
deutlich  zwei  La.schen  herab,  die  eine  kleinere  weiter  vorne 
beim  Kinn,  die  andere  läno-ere  auf  die  rechte  I'>rust.  Unter  den 
Laschen  wird  mit  deutlich  runder  Pe,^-renzun<4  und  sich  scharf 
von  den  vStoffwcllen  abhelfenden  Faltenlinicn  \'or  der  linken 
Schulter  noch  ein  Gewandteil  sichtbar,  der  kaum  etwas  an- 
deres sein  kann  als  ein  Halskragen.  Dafür  kann  ich  freilich 
aus  andern  Amazonenbildern  kein  Beispiel  beibrin^gen. 

An  dem  (yorNt  ist  durch  einen  schmalen  Streifen  der 
eigentliche  Köcher  für  die  Pfeile  von  dem  P'utteral  für  den 
Bogen  deutlich  abgesetzt.  Dieser  zweite  Teil  endet  unten  in 
einer  kleinen  am  Köcherteil  hinlaufenden  feinen  Rundung, 
eine  Einzelheit,  die  klarer  bei  dem  Dreifussraub  der  Schale 
des  Phintias  {FRV  32)  wiedergegeben  ist.  Auffällig  ist  das 
Fehlen  des  KöcherdeckeLs,  der  nach  dem  Ausw^eis  gleichzei- 
tiger Monumente,  wie  dem  Krater  von  Arezzo  (/'7?r"61/2) 
oder  Hartwdg  Mci.sfn-sclialrn  Taf.  10,  Archäol.  Anzrigrr  1894 
S.  1  80,  sehr  langgeschweift  und  nicht  knapp  wie  .später  (z.  B. 
FRV  Ibjl .  58)  sein  niü.sste.  Obwohl  diese  Partie  des  Reliefs 
stark  verletzt  ist,  erscheint  der  obere  Rand  des  (roryts  doch 
deutlich.  Die  Wellenlinie  aber,  die  neben  dem  geraden  Köcher- 
rand an  der  Seite  .sichtbar  wird,  ist  eine  Stoffwelle.  Doch  ist 
die  Wiedergabe  des  Köchers  ohne  Deckel  zwar  selten,  aber 
nicht  unerhört,  wozu  folgende  Beispiele  zu  Rate  zu  ziehen 
sind:  FR]^A\  Jahrb.  d.  ///j-/.  1 894  Taf.  4 ;  Gerhard  Trinksch. 
u.   Gefässe  21  ;    Furtwängler,    Antike    Geiinncii  I    Taf.  VI  58. 


'  Trotz  des  Widerspruchs  von  Hoppin  Eiitliymides  p.  12,  und  Furtwäng- 
ler FRV  ^.2bl),  möchte  ich  an  dem  Urteil  Hartwigs  festhalten,  der  diese 
Vase  dem  Meister  der  grossen  Amphora  in  München,  Jahn  nr.  411,  J-'K'l'  S2 
zuweist  (J/i'/s^ersc/ra/e//  S.  413).  vSollte  diesem  aber  nach  dem  übereinstimmen- 
den Charakter  der  Köpfe  und  der  Ähnlichkeit  vieler  Einzelheiten  nicht 
auch  die  herrliche  Spitzan:phora  in  München,  Jahn  nr.  408,  /'7\'/''44/5,  zuzu- 
weisen sein? 


382  L.    CURTIÜS 

VIII  48;  und  wohl  auch  FRV  12.  Auch  dass  der  Köcher  am 
schmalen  Rand  um  die  Hüfte,  statt  am  schräg  von  der  vSchul- 
ter  herlaufenden,  cretragen  wird,  ist  in  der  Zeit  unseres  Reliefs 
selten  und  hat  nur  an  dem  aeginetischen  Bogenschützen 
seine  Parallele. 

Alle  die  besprochenen  Züge  des  functionellen  Motivs  und 
der  Tracht  können  für  sich  bestehend  das  Fragment  in  man- 
nigfacher Hinsicht  bedeutend  erscheinen  lassen:  zum  Kunst- 
werk wird  es  durch  seine  Reliefanordnung.  Diese  zu  empfin- 
den ist  allein  Sache  des  Auges,  Worte  können  nur  andeuten. 

An  dem  Relief,  so  wie  es  uns  vorliegt,  gibt  die  Aussen- 
seite  der  schmalen,  20-24  mm  hohen  Basis  zugleich  die  eigent- 
liche äusserste  Relieffläche,  von  der  aus  sich  alles  weitere 
abstuft.  Die  Hinterwand,  von  der  sich  die  Figur  abhebt,  bil- 
det nicht  als  Fläche,  sondern  nur  als  Hintergrund  eine  Ein- 
heit ^  So  ist  sie  von  der  Reliefaussenfläche  unter  dem  rechten 
Arm  der  Amazone  25,  beim  Köchergürtel  30,  unter  der  linken 
Achsel  33  mm  entfernt,  und  schwankt  überall  in  einer  leisen 
Concavität.  Weiter  liegt  in  der  gegebenen  Reliefgrundfläche 
die  Fläche  des  Köchers  und  die  Profilseite  des  ausschreitenden 
Fusses.  Die  eigentlich  künstlerische  Leistung  des  Bildhauers 
liegt  nun  in  der  Flächenführung  von  dieser  so  zu  nennenden 
Reliefbasis  aus.  Eine  zweite  ideale  Fläche  bildet  die  breite 
Körperfläche  des  Wellenchitons,  hinter  und  vor  der  durch 
ihre  relative  Stärke  die  Körperformen  vorgetragen  werden. 
Dabei  wo  es  sich  bei  der  geringen  Tiefe  des  Gesamtreliefs 
nur  um  ganz  minimale  Abstufungen  handeln  kann,  eine  sehr 
weise  Benützung  zeichnerischer  Linienführung.  Denn  wir  ge- 
wahren nun,  dass  die  Chitonfalten  am  rechten  Schenkel  und 
die  heraufführenden  vor  der  linken  Hüfte  nur  so  gelegt  sind, 
um  die  Rundung  dieser  Formen  augenfällig  zu  machen,  und 
der  Halskragen  mit  seiner  feinen  Zeichnung  liegt  auf  dem 
Chiton,  um  dem  Kopf  erhöhtes  Relief  zu  geben. 

Man  kann  die  Beobachtung  machen,  dass  an  archaischen 
Reliefs,  bei  absolut  geringer  Relieferhebung  der  Flächen  des 


'  Vercjl.   A.  Hildebrand,  Prahh-m  ,1.  Form  2.  Aufl.  S.  71  ff;  Jahrh.  d.  Inst. 
XIX  1904    S.  57  Anm.  4. 


RIvLIEFFRA<mEXT     IN     THICHKX  ^^^ 

Körpers  im  y^an/cn,  die  (lelenke,  Hände,  Inisse  u.  ü.  äusserst 
kräftig-,  beinahe  derb  im  Relief  orehalten  sind.  Die  Natur 
gibt  an  ihnen  flächig  sehr  bewegliche  Gebilde  (wie  am  Kopf 
z.  B.  die  Ohren)  v(in  sehr  prägnanter  Form.  Diese  erleichtert 
dem  archaischen  Künstler,  der  wie  jeder  Anfänger  heute, 
der  zeichnen  lernt,  eine  gewisse  Formen -Kurzsichtigkeit 
besitzt — ,  nicht  nur  das  Vermögen  jene  (icbilde  aufzufa.s- 
sen ;  er  concentriert  au  ihnen,  als  an  den  auch  für  die  Auf- 
fassung der  Bewegung  wichtigsten  Stellen,  die  Reliefkraft 
und  hebt  dadurch  die  anderen  Teile  seiner  Darstellung,  die 
nach  ihrer  Anlage  arm  daran  sind.  Daher  z.  B.  im  Archai- 
schen die  geradezu  grandiose  Erscheinungskraft  der  Hände, 
die  im  Vergleich  im  V.  Jahrhundert  schon  anfangen  matt 
zu  werden,  und  weiterhin  eine  ganz  anders  geartete  all- 
gemeine Flächigkeit  erhalten.  Von  diesen  Merkmalen  hat 
uns  der  an  .so  vielen  Stellen  zerstörte  Zustand  des  Reliefs 
wenig  mehr  bewahrt.  Aber  es  ist  doch  noch  deutlich,  wie 
eigentümlich  breit,  und  in  der  Knochenhaftigkeit  seines  Baus 
charakteristisch,  der  Fuss,  etwas  nach  aussen  gedreht,  ange- 
legt war;  und  die  fächerhafte  (xeste  der  rechten  Hand,  die 
auf  dem  Relief  des  athenischen  Nationalmuseums  Nr.  3ö  ^ 
eine  so  nahe  Parallele  findet,  wird  uns  nach  dem  Gesagten 
nicht  mehr  bloss  als  gesuchte  Nuance  vorkommen ;  sie  ist 
um  der  stufenhaften  Flächenentwnckelung  willen  so  gebildet. 
Reicher  (Tebrauch  ist  von  dem  alten  Kunstmittel  guter 
und  schlechter  Künstler,  von  der  Überschneidung  gemacht. 
Denn  der  vor  den  ausgestreckten  Arm  gestellte  Fuss,  der 
stärker  im  Relief  gehalten  ist,  als  das  ähnlich  die  vSchulter 
überschneidende  Gesicht,  wieder  die  Hand  und  das  hinter 
dem  einen  Bein  aufgestellte  Knie  verstärken  eine  räumli- 
che Wirkung,  die  um  so  zufälliger  und  ruhiger  zu  Stande 
kommt,  als  gleichfalls  in  Erfüllung  alter  Meisterregel  gro.sse 
Flächen  der  Figur  möglichst  zusammengehalten  und  un- 
durchbrochen erscheinen.  Und  es  wird,  bewaisst  oder  unbe- 
w^usst,  nicht  weniger  beabsichtigt  sein,  dass  bei  einem  dnrch- 

^  Kavvadias    rXvrtxd    S.   78/Q.    Svorono.s,    Das   Athener   Nationahmiseiim 
Tai  XXI   3b. 


384  L.    CUR-Tirs 

aus  nicht  einfachen  Motiv  die  Gestalt  sich  in  einem  so  schar- 
fen und  klaren  Contour  vorträot,  der  nicht  verleugnet,  class 
ein  tektonisches  Princip  ihn  gebunden  hält.  Denn  wie  die  bei- 
den Punkte  |des  erhobenen  Knies  und  des  Ellenbooens  der 
Erweiterung  der  (xiebelfläche  folgen,  so  ist  es  gewiss  für  die 
Höhe  der  ausschreitenden  Figur  und  für  folgende  zu  vermu- 
ten; es  liegt  im  Knie  und  im  rechten  Arm  ein  gewisser  zum 
Centrum  strebender  Parallelismus,  der  in  gleicher  Weise  auch 
von  dem  linken  Arm  und  dem  ausschreitenden  Bein  aufge- 
nonnnen  wird. 

Sich  über  die  Theorie  des  griechischen  Reliefs  zu  ver- 
ständigen, scheint  heute  schwieriger  als  zuvor,  weil  zwei  im 
übrigen  so  fein  durchdachte  und  anregende  Bücher  wie  Riegls 
S/^äfröiiiiscJie  Kiiiisfiiidustrir  und  Löwys  Xafuriviedcrgahr  in 
der  älfrrrii  griechiscJirii  Kiuisf  die  Probleme  vollkommen  auf 
den  Kopf  gestellt  haben.  Ohne  lange  Auseinandersetzungen 
ist  da  nichts  klar  zu  machen. 

Nur  eine  Frage  sei  hier  gestreift.  Die  Scheidung  zwi- 
schen P'lachrelief  und  Hochrelief,  einansichtiger  und  Rund- 
figur, in  dem  Sinne  einer  allmälig  historisch  sich  vollziehen- 
den Entwickelung  zu  grösserer  Plastik,  hat  für  die  griechische 
Kunst  schlechtweg  keinen  Sinn.  Dass  die  archaische  Kunst 
neben  dem  Flachrelief  eine  ganz  andere  Art  körperlicher  Dar- 
stellung frei  gehandhabt  hat,  zeigt  kein  geringeres  Beispiel 
als  das  der  Porosgiebel  des  Hekatompedon  '.  Was  aber  war 
der  Bestimmungsgrund,  der  im  einen  Fall  in  alter  wie  in  spä- 
terer Zeit  ein  bis  zur  Rundheit  ausgebildetes  Hochrelief  im 
Giebel,  im  andern  ein  ganz  flaches  von  nur  ein  paar  Centi- 
meter  absolutem  Relief  forderte?  Dies  war  die  architektoni- 
sche Situation.  Jede  Reliefdarstellung  —  auch  die  Rundfigur 
ist  nichts  anderes — rechnet  mit  einem  \'om  Bildhauer  w^ährend 
des  Werdens  seines  Werks  immer  wieder  prüfend  eingenom- 
menen Standpunkt  des  Beschauers.  Die  Aufgabe  ist,  in  Be- 
ziehung auf  diesen  die  grösstmögliche  plastische  Anschau- 
unorskraft  des  Reliefs  hervorzurufen.   Diese  ist  freilicli  etwas 


'   Wieo^anrl,   Porostirchitcktiir  Taf.   1.4  —  ü.    Fiirtwänj^ler.  Miinrh.  Sitziings- 
0er.  1905   vS.  433  ff. 


ki':Lii-:i-i'RA(;:Mi^,NT    ix    tiiehrx  385 

absolut  verschiedenes  von  der  l)lossen  Dreidiniensionalität  des 
natürlichen  ül)jects.  Sie  hat  mit  dieser  gar  nichts  zu  tun, 
und  ein  von  Löwy  für  so  fehlerhaft  erklärtes  Relief  wie  der 
Diskophor  {Xa f/i nvirdergabr  S.  20,  Abb.  5)  besitzt  eine  plasti- 
sche Kraft,  wie  sie  die  Natur  nie  darbietet.  Es  ist  aber  klar, 
dass  in  grosser  Höhe  angebrachte  Metopen  und  (licbcl  an 
einem  grossen  Tempel  von  sehr  kr.'iftiger,  durch  Bemalung 
noch  gesteigerter  Profilierung,  ein  viel  stärkeres  Relief  l)rau- 
chen  um  bestehen  zu  können,  als  die  (xlieder  eines  kleinen, 
leicht  aus  der  Nähe  zu  übersehenden  Raus.  So  sehr  sich  auch 
im  Verhältnis  beider  Reliefarten  zu  einander  das  absolute 
Tiefenmaass  unterscheidet,  ebenso  sehr  bleibt,  gelungeneWerke 
vorausgesetzt,  das  relative  Wirkungsverhältnis  innerhalb  des 
Reliefs  und  nach  aussen  zu  dem  Beschauer  das  gleiche.  Ge- 
wiss vollzieht  sich  auch  in  der  so  bestimmten  Schaffensweise 
eine  historische  Wandlung.  Aber  es  ist  nur  eine  Wandlung 
innerhalb  der  Art;  nicht  diese  selbst  w^rd  abgelöst. 

Im  Sinne  des  Dargelegten  haben  wir  nun  zu  unserer  Ama- 
zone eine  sehr  deutliche  Parallele.  Denn  es  kann  kaum  ein 
Zweifel  darüber  bestehen,  dass  nach  Motiv  und  Kunstart  der 
Gefallene  aus  der  linken  Ecke  des  Westgiebels  von  Aegina  ' 
ihr  überaus  nahe  steht.  Hier  wie  dort  ein  auf  der  linken 
Hüfte  liegender,  durch  den  linken  ausgestreckten  Arm  .sich 
stützender  Körper,  aufgestütztes  rechtes  Knie,  gebogener  rech- 
ter Arm,  der  dort  den  Pfeil  aus  der  Wunde,  hier  aus  dem 
Köcher  zieht,  ein  sterbend  geneigtes  Haupt.  Die  Unterschiede 
aber,  abgesehen  von  der  Nacktheit  dort,  der  Bekleidung  hier, 
lassen  sich  wohl  alle  darauf  zurückführen,  dass  dort  das 
grosse  Giebelfeld,  die  Höhe,  eine  stark  durchgebildete,  ener- 
gisch bewegte  Erscheinung  forderten,  die  hier  im  Flachrelief 
gebunden  blieb,  in  einer  Befangenheit,  die  gewiss  auch  durch 
einen  um  ein  paar  Jahre  älteren  Stil  veranlasst  ist.  Aber  die 
Eigentümlichkeiten  der  aeginetischen  Art,  die  Schärfe  der 
Silhouette,  die  Klarheit  der  Bewegung,  die  Unterordnung  des 
Details    und    eine    beinahe   modellhafte    Selbstbeschränkung 


'    Furtwängler,   Beschreib.  </.  G/ypf.    S.  100,     Nr.  79;    Aiixgrab.  n.  Aeghui  I 
S.  224,  Abb.  171,  N,  Taf.  95  ;  BBD  25  ;  SVV  I  37,  1. 

ATHEN.     MITTEILUNGEN     XXX  25 


386  L.    CURTIUS 

der  Composition  werden  in  dem  Relief  nnr  um  so  deutlicher, 
wenn  wir  diese  Züge,  gewissermaassen  ins  grössere  übersetzt, 
an  einem  Hauptwerk  der  Schule  wiedererkennen.  Wie  scharf 
hebt  sich  dao:eg:en  ab  das  überströmende,  sich  in  Beweer- 
lichkeit,  Reichtum  im  einzelnen  nie  genug  tuende,  schwel- 
lende Leben  am  Siphnierfries  ^  in  Delphi,  das  leidenschaft- 
lich übermächtige,  mit  einer  gewissen  Plumpheit  der  Formen 
so  merkwürdig  contrastierende  Ungestüm  am  Giebel  des 
Megarer-Schatzhauses  in  Olympia  {Olympia  III  Taf.  2/3),  und 
die  ihrer  Erfindung  noch  nicht  recht  Herr  werdende  Gross- 
artigkeit des  athenischen  Gigantengiebels  (Wiegand  a.  a.  O. 
Taf.  1  6/7). 

Wie  gerne  wüssten  wir  mehr  von  dem  verlorenen  Werke! 
Ein  Fingerzeig  hilft  uns  weiter.  Der  Fuss  der  ausschreiten- 
den Figur  des  Giebels  kann  nicht  zu  einer  vorstürmenden 
Gestalt  gehört  haben,  wie  es  z.  B.  die  Vorkämpfer  der  aegi- 
netischen  Giebel  sind.  Denn  dazu  ist  einmal  der  Unterschen- 
kel zu  tief,  zu  nahe  an  der  Basis,  zu  wenig  steil  geführt ;  und 
weiter  ist  die  blosse  Schrittstellung  des  Fusses  verlassen,  der 
nur  mit  Ballen  und  Zehen,  aber  in  weit  grösserer  Kraftan- 
strengung auftritt,  als  es  die  Darstellung  eines  entlasteten 
Beines  erfordern  würde.  Der  Rest  kann  nur  zu  einer  weit 
ausschreitenden  Figur  gehört  haben,  wie  sie,  seien  es  die  so- 
genannten Zugreifenden  des  aeginetischen  Ostgiebels  (Furt- 
wängler  Besc/n:  d.  Glypt.  S.n2.  Nr.  86,  BBD  26,  S  W  \  37,8), 
sei  es  der  durch  die  Reste  gesicherte  Herakles  des  Megarer- 
giebels  {Olympia  III  Taf.  2\l,  Fig.  H)  darstellen.  Es  ist  nicht 
schwer,  zwischen  beiden  Möglichkeiten  zu  wählen.  Denn  die 
Zugreifenden  des  Ostgiebels  sind  nur  Füllfiguren,  die  ihrer 
Hauptgruppe  zur  Bereicherung  beigegeben  sind.  Solche  sind 
in  unserem  kleinen  knappen  Cxiebel  nicht  vorauszusetzen.  Es 
kann  sich  nur  um  das  zweite  Motiv  handeln.  Vielleicht  führt 
ein  neues  Hilfsmittel  weiter. 

Übersieht  man  nämlich  die  Darstellungen  Gefallener  in 
der  archaischen  Kunst,   so   ergibt   sich  das  merkwürdige  Re- 

'  An  dieser  Bezeichnlang  wird  hier  mit  Absicht  festgehalten.  Perrot- 
Chipiez  Uist.  d.  FArtWW  Fig.  1o2~l77;  Fouilles  de  DrlphrsW  PI.  7  —  10. 
13  —  15. 


00 
CO 


CO 


QQ 


RKLIEFFRACiMRNT    IX     TIIEUKX  387 

siiltat,  (lass  Motive  in  der  klaren,  übersichtlichen,  flächigen 
Einfachheit  der  x\mazone  erst  als  Ergebnis  einer  längeren 
Entwickelung  sich  darstellen.  Denn  statt  die  zeichnerisch 
scheinbar  nächstliegende  Lösung  aufzusuchen,  stellt  sich  die 
ältere  archaische  Kunst  in  ihrem  Streben  nach  unmittelbarer, 
kraftvoller  Lebendigkeit  Aufgaben  in  der  Darstellung  des  be- 
wegten Körpers,  die  sie  nicht  zu  erfüllen  vermag.  Ein  Blick 
auf  die  Gefallenen  am  Siphnierfries  (z.  B.  Fouillrs  de  Delphes 
IV  PI.  1  34),  die  in  der  ionisch  beeinflussten  älteren  attischen 
Vasenmalerei  eng  verwandte  Parallelen  finden,  zeigt,  wie  in 
vielmehr  rund,  in  ihrer  Bewegung  höchst  differenzierten  und 
äusserst  lebendig  componierten  Figuren  jene  weise  Oekonomie 
noch  nicht  die  Herrschaft  gewonnen  hat,  die  den  Bedingungen 
des  Raumes  tektonisch  sich  fügt  und  mit  der  Wirkung  auf  die 
Ferne  rechnet  Der  Umschwung  zu  andrer  Art  hat  sich  ge- 
wiss in  lonien  selbst  vollzogen,  und  ein  uns  nahe  berühren- 
des Beispiel  ist  im  Vergleich  mit  der  Amazone  der  oben  an- 
geführten Vase  (Abb.  2,  nach  Fitz7vül.  Mus.  PI.  7)  die  Figur 
des  gefallenen  Bogenschützen  auf  dem  Bronzerelief  von  Pe- 
rugia (Abb.  3  nach  Ant.  Denkni.  II  Taf.  14).  Es  bedarf  keiner 
näheren  x'Vusführung,  dass  diese  Figur  die  Anordnung  der 
Amazone  unseres  Reliefs  in  ihren  Hauptzügen  schon  besitzt. 
Und  vergleicht  man  mit  dem  Gefallenen  auf  der  Oinochoe 
des  Xenokles  und  Kleisophos  ^  oder  jenen  der  Schale  des 
Exekias  (/T?  V  42),  die  Darstellungen  des  gleichen  Motivs  — 
etwa  bei  Laborde,  Vases  La)>iherg  II  p.  24,  -  oder  A  /"'lOS.  192, 
Wiener  Vor  lege  bl.  1888  Taf.  5 — so  kann  die  Tendenz  der 
Entwickelung  kaum  unklar  sein.  Und  es  wird  ebenso  wenig 
Zweifel  darüber  bestehen,  dass  diese  Entwickelung  nicht  aus 
sich  selbst,  innerhalb  der  schwarzfigurigen  Vasenmalerei  sich 
vollzog,  sondern  sei  es  mittelbar  durch  den  Einfluss  der  To- 
reutik  und  der  rotfigurigen  Malerei,  sei  es  unmittelbar  unter 
dem  Eindruck  der  grossen  Kun^t.  Denn  w^as  sie  selbst,  wenn 
auch  in  ihrem  atavistischen  Archaismus  für  uns  so  reizvoll, 
immer  nur  unvollkommen  zu  leisten  vermochte,  das  löste  die 


1  Athen.  MüMI.  XIV  1889,  Taf.  13/4;    Wietier  Vorlegebl.  1889  Taf. 
-  Hier  citiert  nach  Sal.  Reinach,  Report,  des  Vases  II  213. 


388  L.    CURTIUS 

grosse  Kunst,  rapide  sich  entwickelnd,  beinahe  spielend  und 
mit  jünglingshafter  Naivetät. 

Dafür  scheint  der  Amazonenkrater  von  Arezzo  (Abb.  4 
nach  F7^Vb}:2)  ein  glänzendes  Zeugnis.  Und  hier  finden 
wir  von  allen  Analogien  für  die  Figur  unseres  Reliefs  die 
nächste.  Zwar  vertritt,  bei  der  gefallenen  Amazone  der  Haupt- 
seite links,  den  Gestus  des  nach  dem  Pfeil  (rreifens  das  Motiv 
der  flehend  erhobenen  Hand,  und  das  rechte  liegende  Bein 
ist  bei  dem  Raummangel  im  Knie  gebogen;  aber  in  allem 
übrigen  ist  sie  wie  das  (Tegenbild  der  Relieffigur,  am  mei- 
sten in  jener  eigentümlich  befangenen,  lieblichen  Stimmung, 
die  ganz  dem  Stil  der  Epoche  angehört. 

Mit  Recht  ist  für  die  Hauptseite  des  Kraters  aufmerk- 
sam gemacht  worden  (Furtwängler  im  Text  S.  5),  wie  sehr 
der  Herakles  an  statuarische  Vorbilder  erinnert  ^  Doch  das 
gilt  nicht  für  ihn  allein.  Fasst  man  nämlich  ihn  mit  den  vor- 
kämpfenden Amazonen  als  Mittelgruppe  eines  Giebels  auf 
—  und  der  Vergleich  mit  Bildern  wie  Abb.  2  und  AV  ]()-\ 
zeigt,  worin  der  Fortschritt,  die  eigentliche  Composition  be- 
ruhen —  so  ist  leicht  einzusehen,  wie  gut  sich  die  beiden  Fi- 
guren Telamon  und  Teisipyle,  als  die  dieser  zunächst  stehen- 
den Glieder,  in  der  Giebelabdachung  verstehen  lassen.  Ob  die 
beiden  Gefallenen  dann  ursprünglich  als  äusserste  Eckfigu- 
ren oder  als  Teile  von  Gruppen  des  Kampfes  um  Gefallene 
anzusehen  sind,  ist  nicht  auszumachen.  Wahrscheinlicher  ist 
die  erste  Möglichkeit. 

Kehren  wir  mit  dem  Gewonnenen  zu  dem  Versuch  unse- 
rer Reconstruction  zurück,  so  mochte  nach  der  Amazone  zu 
der  weit  ausholenden  Figur  nach  rechts  eine  nach  links 
blickende,  fallende  folgen,  im  letzten  Versuch  der  Gegen- 
wehr, ähnlich  den  Figuren  O  und  I  des  Megarergiebels ;  ein 
Vorkämpfer  im  Motiv  des  Amazonenkraters,  nach  links, 
schlösse  die  aus  drei  (rliedern  bestehende  Gruppe.  Es  folgte 
dann   zur   Cjiebelmittc   nach   rechts  Herakles,   mit  erhobener 


'  Besonders  deutlich  wird  dies  an  einer  dem  Atelier  des  aretiner  Kra- 
ters entstammenden  Amphora,  deren  eine  Seite  Herakle.s,  auf  einer  vStatuen- 
basis  mit  Inschrift  stehend,  darstellt :  .\bb.  5  nach  Ciaspar,  Mon.  Piot  IX  S.  35. 


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k^:I.lI•;I•^-KA(;^r^:^■'^    i.\   •i'iii'iU'X 


389 


Keule  auf  die  (Te.^nerinnen  eindriuoend,  naeli  deuen  eiuc 
neue  (mippe  von  drei  Crliedeni  uud  eine  gefallene  iMour 
nn  Eck  correspondierend  xu  denken  wären.  Wir  erhielten 
so  eine  sehr  einfache,  klare  Oesanitconiposition,  die,  wie  ein 
Versuch  eroibt,  den  xerfüohareu  berechneten  Raum  des  Gie- 
bels  ausgezeichnet   füllt. 


Ah 


Vaseiil)il(l  im    Louvre. 


Damit  soll  nun  nicht  etwa  gesagt  sein,  dass  vielleicht 
gar  das  Hauptbild  des  Aretiner  Kraters  auf  unsere  vermutete 
Composition  zurückgehe.  Diese  wie  jene  werden  ^■ielmehr 
nur  gewissermaassen  Widerstrahl  grosser  Giebelsculpturen  ge- 
wesen sein,  die  vorauszusetzen  ja  auch  der  ganz  in  den  Kreis 
der  aeginetischen  Kunst  gehörende  Torso  einer  bogenspan- 
nenden  Amazone  des  Conservatorenpalasts  '    und  die  Giebel- 


•   Heibig,  Führer  -' I  S.  413,   Xr.  b\b.  Köm.  Mitt.  IV  1889  S.  8b  ff. 


390  L.    CURTIUS:     RELIEFFRAGMENT    IN    THEBEN 

sculpturen  vom  Aphrodite-Tempel  auf  Aegina  einladen.  Un- 
sere Composition  zu  jederseits  vier  oder  fünf  Figuren  lässt 
sich  nicht  nur  sehr  gut  durch  die  ähnliche  des  Alegarergiebels 
verstehen ;  ^  sie  ist  ganz  verwandt  in  den  Motiven  und  ganz 
im  Geiste  der  beiden  aeginetischen  Giebel,  die  uns  durch 
Furtwänglers  glänzende  Untersuchungen  gewissermaassen 
neu  wieder  geschenkt  sind. 


Athen. 

Ludwig   Curtius. 


1  Dieser  stellt,  wie  der  aeginetische  Ostgiebel,  /u  den  mit  dem  Kopf 
im  Giebeleck  angeordneten  Gefallenen  je  einen  Knieenden.  Dies  ergibt  sich 
aus  den  grösseren  Raumverhältnissen. 


391 


ZTM    K()X()XIvSCHl-:X    MArilRI'.AU. 

(Hierzu  Taf.  XIV). 
I. 

Die  Inschrift,  die  ich  naclisteheiid  veröffentliche,  hat 
Walter  Kolbe  vor  zwei  Jahren  im  Piräus  gesehen;  er  hat 
davon  einen  Abklatsch  o-enomnien,  doch  erlaubte  ihm  der 
Besitzer  nicht,  sie  abzuschreiben.  Ich  habe  später  den  Stein 
gesucht,  leider  ohne  Erfolg.  Meine  A^eröffentlichung  stützt 
sich  mithin  ausschliesslich  auf  den  Abklatsch,  der  glück- 
licherweise sehr  gut  ist,  und  einige  Notizen  Kolbes.  Es  sei 
mir  gestattet,  dem  genannten  Gelehrten,  der  mir  die  Heraus- 
gabe freundlichst  überlassen  hat,  auch  an  dieser  Stelle  mei- 
nen Dank  auszusprechen. 

Unterer  Teil  einer  vStele  aus  weissem  pentelischem  Mar- 
mor. Oben  abgebrochen.  Links  Rand;  rechts  ebenfalls  voll- 
ständig bis  auf  die  obere  Ecke  (Z.  1  —  5).  Unten  scheint  der 
vStein  vollständig  zu  sein.  Höhe  links  22^  Breite  23  cm.  Buch- 
staben-Höhe S  — 11  mm,  OQO  6  mm;  Zeilen-Abstand  ca.  4  mm. 
Photographie  des  Abklatsches  Tafel  XIV. 

kX  IV  [{)oiv   äg  II*)  [^lüi; 
dvE(3«A?io[vTO   fxi  '/ihui   AI-hl-(?)' 
!J,ia(9o)Tfic)  Aiovi'GÖ6co(3[oc;  M8Y(t(t)ei'c). 
5  TCüv  8Jti|.uo9o,)98.ocöv   nlviv- 

i%3v  äQif^noq   IxiHHHP- 

äveßdlXovxo   cd  -/lAiai   Ahhh' 

|.uo(OcoTT]i;)  Nix66o)Qüg  Xi'jra?j]T(Tioc). 

xataÄupfi?  8Jtl   Äii[.iooTQ«TO  393/2  v.  Chr. 

1  n  AAA    ^uö(v)ojTiis)   <I>d8vvo?   'AxctQve(t'$)- 

PI-        EmoKev^c.  rtv«ßaa|.ia)\' 
1 1 1 1 1     [.uo(§(OTT]g)  AioA'uooöcopo^  M8Ya((j8U$). 


392  E.    NACmiANSON 

naxahcpY\c,  ejti   <I)iAoxX{:'og  392/1    v.  Chr. 

AAlP    [,iio(i>(OTrii;)   Odevvoq   ''Ax«Qv(8;Ul;). 
15  HH     ox^l-^c,.  P 

KEfpalMiov   äQyvQio    rf^HHHAA. 
xeqpdXaiov   nXivdoyv 
FMHHHHPAAA. 

Z.  1.  Aus  der  ganzen  Anlage  der  Inschrift  geht  hervor, 
dass  der  Posten,  von  dem  hier  ein  Rest  erhalten  ist,  nicht 
vom  Versatz  der  Ziegel  handelte,  sondern  von  einer  Arbeit, 
die  sich  mit  der  Z.  9  ff.  genannten  vergleichen  lässt;  denn  wie 
bei  diesen  ist  der  Arbeitspreis  am  linken  Rande  vermerkt. 

Z.  1 4  zu  Anfang,  wo  der  Stein  beschädigt  zu  sein  scheint, 
mögen  wohl,  nach  Z.  1 0  zu  urteilen,  einige  Ziffern  verloren 
gegangen  sein ;  Raum  ist  für  AA  da. 

Über  Konons  Mauerbau  besitzen  wir  bekanntlich  eine 
Anzahl  von  inschriftlichen  Zeugnissen  {/G  II  830  —  833,  II  v 
830  b-d)  ^  Sie  sind  zuletzt  zusammengestellt  und  behandelt 
von  August  Frickenhaus  in  seiner  soeben  erschienenen  Disser- 
tation AtJiens  Mauern  im  IV.  JaJirhiDidcrt  v.  CJir.  Zum  grös- 
seren Teile  sind  es  Steleninschriften,  die  Abrechnungen  über 
den  Ziegelbau  enthalten.  Zu  diesen  gesellt  sich  die  neue  In- 
schrift; da  sie  im  Piräus  gefunden  ist,  war  sie  wohl  wie  830, 
830  d,  wahrscheinlich  auch  830  e,  bei  der  Piräusmauer  aufge- 
stellt. Die  Arbeit  war  von  den  teixojtoioi  der  betreffenden 
Phyle,  die  wohl  zu  Anfang  genannt  waren,  an  verschiedene 
Unternehmer  in  x'\kkord  gegeben;  auch  die  Hauptarbeit,  das 
Versetzen  der  Ziegel,  scheint  in  mehrere  Teile  aufgeteilt  wor- 
den zu  sein,  was  ja  auch  mit  dem  in  Einklang  steht,  was  wir 
sonst  über  die  Ausführung  von  öffentlichen  Arbeiten  wissen. 
Ist  das  richtig,  so  ist  die  ganze  Stele  ziemlich  gross  gewe- 
sen; denn  die  Zahlungen,  die  wir  kontrollieren  können  (Z.  5  — 
1 5),  betragen  zusammen  (mit  Annahme  meiner  Ergänzung 
Z.  14)  nur  133  Dr.  2  Ob.,  die  ganze  Z.  1 6  genannte  Summe 
aber  ist  825  Dr.  Dass  der  verlorene  Teil  der  Inschrift  haupt- 


'   Im  folgenden  nur  mit  der  Nummer  (ohne  Angalje  des  Corpu.sbandes) 
bezeichnet. 


Zr-M     KOXONISCHEX    MArKRHAT  393 

sächlich  vom  \'ersatz  der  7,\q^v\  «^eliandclt  und  dass  man  fer- 
ner nicht  durchstehend  1  ,i  Dr.  fürs  Taasend  1)ezahlt  habe, 
wird  auch  durch  eine  einfache  Rechnuno;  klar.  Der  \'er.satz 
von  60480  Ziegeln  zu  1  .i  Dr.  für  1000  macht  780  Dr.,  eine 
Summe,  die  für  diesen  Teil  der  Arbeit  nicht  zur  Verfügung 
stellen  konnte,  weil  sie  mit  den  Z.  11 — 15  vermerkten  Ausga- 
ben, 63  Dr.  5  Ob.,  die  Gesamtsumme  von  825  Dr.  überschreitet. 

Wenn  auch  die  neue  Inschrift  grösser  ist  als  irgend  eine 
von  den  früher  bekannten  und  die  einzige,  die  sowohl  Versatz 
wie  \^erputz  der  Ziegel  berührt,  so  bereichert  sie  doch  unsere 
innuer  sehr  lückenhafte  Kenntnis  von  Konons  Mauerbau 
nicht  wesentlich.  In  einigen  Punkten  bestätigt  sich,  was  wir 
früher  wussten,  z.  B.  dass  diese  Steleninschriften  mehrere 
Jahre  umfassten  (\gl.  Frickenhaus  S.  9).  Näherer  Erläuterung 
bedürfen  von  den  \'erschiedenen  Einzelposten  nur  zwei. 

Für  Reparatur  der  ävaf)nn\{oi  werden  6  Dr.  5  Ob.  bezahlt 
(Z.  11 — 12).  Dass  u.va{\(iLO[i6q  hier  wie  sonst  immer  <'Stufev  be- 
deutet, unterlag  für  mich  von  Anfang  an  keinem  Zweifel, 
aber  Frickenhaus'  x\usführungen  S.11  f.  nötigen  mich  zu  eini- 
gen Bemerkungen.  Durch  Kombination  der  verschiedenen 
Fragmente  gewinnt  er  in  830, 830  e,  832  die  Lesung  g;  töv  [lexu- 
jii'tQyiov  dvaßaoiiüA',  wobei  ihm  vor  allem  das  Wort  dvaßaa^-iog 
ernste  Schwierigkeiten  macht.  Unter  dvaßaofuK  inuss  die 
massive,  im  Durchschnitt  wie  eine  Stufe  aussehende  Mauer, 
wie  sie  zwischen  den  über-  und  vorragenden  Türmen  ein- 
herlief, gemeint  sein  .  Ich  sehe  davon  ab,  dass  das  W^ort  in 
dieser  Bedeutung  sonst  nicht  nachweisbar  ist.  In  unserer  In- 
schrift ist  sie  schon  deshalb  unmöglich,  weil  das  Wort  hier 
im  Plural  erscheint;  denn  wir  dürfen  wohl  annehmen,  dass 
die  neue  Rechnungsablage,  wie  die  früher  bekannten,  nur 
einer  Mauercurtine  gelte.  Dazu  kommt  ein  zweites :  6  Dr. 
5  Ob.  ist  ein  immerhin  so  niedriger  Preis,  dass  man  höchst  un- 
gern an  eine  Reparatur  des  ganzen  Mauerstücks  (geschweige 
denn  mehrerer  Mauerstücke)  denken  möchte;  für  die  Repa- 
ratur der  Stufen  dagegen  passt  der  geringe  Preis  besser. 
Dass  ein  und  dasselbe  Wort,  zumal  ein  aus  einem  fremden 
Dialekt  entliehenes,  in  einer  zusammenhängenden  Grup])e 
von  Inschriften  als  terminus  tcchniciis  in  zwei  verschiedenen 


394  E.    NACHMANSON 

Bedeutungen  Norkoninie,  halte  ich  für  ausgeschlossen,  und 
somit  scheint  mir  Frickenhaus'  auch  sonst  keineswegs  über- 
zeugende Ergänzung  das  Richtige  nicht  zu  treffen. 

Die  zweite  Bemerkung  gilt  Z.  15:  l-h  oti'i^iic;.  Ohne  wei- 
teres ist  klar,  dass  dies  den  ganzen  Preis  der  Stele  nicht  be- 
zeichnen kann ;  war  doch  der  gewöhnliche  Preis  in  Athen 
20  Dr.  oder  mehr  (s.  Drerup  Jahrhüchfr  f.  class.  Phil.  1 896 
S.  227  ff.,  1897,  vS.  871  ff.).  Wie  nun  die  Abrechnungen  sonst  nur 
den  Versatz  und  den  Verputz  der  Ziegel,  nicht  das  Anschaffen 
oder  den  Transport  des  Materials  buchen,  so  ist  dementspre- 
chend hier  wohl  nur  die  Aufstellung  der  Stele  gemeint; 
ich  erinnere  auch  an  die  delische  Rechnungsurkunde  BGH 
XIV  S.  389  ff.,  wo  die  verschiedenen  Ausgaben  für  die  Stele  ein- 
zeln angegeben  werden,  und  es  zum  Schlüsse  (Z.  1 1 9)  heisst : 

TOlg    OTl'lOaOI    TT)\'    (TT>l?illA'    h  h  I  I  I  . 

Von  den  in  der  Inschrift  genannten  Personen  sind  die 
beiden  Archonten  bekannt,  von  den  Unternehmern  Nixööwqo«; 
2v:n:a?i'iiT(Tioc),  wenn  es  nämlich  erlaubt  ist  831  Z.  2  —  3  [Nijxö]- 
ÖcoQQi;  1].  zu  ergänzen.  Die  übrigen  treten  hier  zum  ersten 
Male  auf;  auch  ein  Ausländer  ist  dabei:  AiovuoüÖcoqos  Meya- 
(qsvs)  Z.  1 2  und,  nach  ziemlich  sicherer  Ergänzung,  Z.  4  i. 
Nach  Xenophon  Hell.  IV,  8,  1 Ü  beteiligten  sich  an  dem 
Maaerbau  ausser  Konon  mit  seinen  Leuten  und  den  Athe- 
nern selbst  die  Boicütoi  xal  d'^iÄai  jto^ieic  fi^e^.ouoiai.  Für  die  aus- 
drückliche und  an  .sich  ganz  glaubwürdige  Nachricht  über 
die  Teilnahme  der  Böoter  sieht  Foucart  BCII  XI  S.  1  35  eine 
Bestätigung  in  der  Nennung  eines  Böoters  als  |^ua9(0Ti]<;  in 
N.  830  c.  Es  sei  hier  auch  daran  erinnert,  dass  schon  Köhler 
{Hermes  V  S.  6 ;  vgl.  auch  Athen.  Mitte  iL  III  S.  50)  in  dem 
Ehrendekret  für  Aristomachos  aus  x\rgos  {IG  II  161),  in  dem 
hervorgehoben  wird,  dass  der  Vater  des  Geehrten  an  der  Be- 


*  Gegen  diese  Ergänzung  könnte  höchstens  eingewendet  werden,  dass 
die  Unternehmer  gewöhnlich,  doch  nicht  immer,  ihre  vSpezialität  haben,  wie 
z.  B.  hier  der  $fxevvo^  'AxagveiJ«;  (im  allgemeinen  vgl.  Francotte  L' huhtstric 
dans  la  Grece  aiir/t'iuir  II  S.  82  f.).  Aber  die  beiden  Arbeiten,  die  AiovuooÖWQOc 
pachtet,  sind  nicht  so  verschieden  oder  speziell,  dass  nicht  derselbe  Mann 
sie  hätte  ausführen  können.  Mit  mehr  Recht  könnte  dieser  Einwand  gegen 
meine  Ergänzung  von  831   Z.  2 — 3  erhoben  werden. 


ZUM     KONONISCHEN     MAUERRAU  395 

festigiing  Athens  teilgenommen  hat,  ein  urkundliches  Zeug- 
nis dafür  sah,  dass  Argos  zu  den  äXhu  roIeic,  gehörte,  da  es 
auch  sonst  als  Hvindesglied  bekannt  war  und  nach  Köhlers 
Vermutung  der  Wiederaufbau  der  athenischen  Festungs- 
werke von  den  gegen  vSj^arta  \ercinigten  »Staaten  als  Bundes- 
sache aufgefasst  worden  ist,  wenn  auch  ein  förmlicher  Be- 
schluss  darüber  nicht  gefasst  worden  zu  sein  scheint.  Allein 
die  genannte  Inschrift  kommt  für  diese  Frage  gar  nicht 
mehr  in  Betracht;  denn  sie  stammt  mit  zwei  anderen  zuge- 
hörigen Bruchstücken  erst  aus  der  Mitte  des  III.  Jhdts.,  s. 
A.  Wilhelm  Af/ie//.  Mitfnl.  XVI  vS.  150  und  IG  II  v  371  C. 
Nach  der  von  Köhler  und  Foucart  vertretenen  Auffassung 
wäre  nun  unsere  Inschrift  ein  Zeugnis  dafür,  dass  auch  ]\Ie- 
gara  zu  den  von  dem  Historiker  nicht  namentlich  aufge- 
führten Städten  und  mithin  zum  Bunde  gehört  habe;  es 
würde  folglich  Beloch  GriecJi.  Gesch.  II  S.195  Recht  behalten 
gegen  Ed.  Meyer  Gesch.  d.  Alt.  V  S.  2}^}).,  der  behauptet,  Me- 
gara  habe  sich  dauernd  neutral  gehalten.  So  verlockend  eine 
derartige  Schlussfolgerung  auch  wäre,  für  völlig  zwingend 
kann  ich  sie  nicht  halten.  Da  nämlich  auch  sonst  oft  in  den 
griechischen  Städten  ohne  irgend  welche  besonderen  Gründe 
Ausländer  an  den  öffentlichen  Arbeiten  teilnahmen,  nur  weil 
man  nicht  immer  selbst  genügend  Unternehmer  und  Arbei- 
ter stellen  konnte,  so  braucht  die  Mitarbeit  eines  Ausländers, 
sei  es  aus  Megara  oder  Böotien,  nicht  unbedingt  eine  Folge 
des  Bundes  zu  sein.  Allerdings  ist  hinwiederum  daran  zu 
erinnern,  dass  gerade  Athen  in  den  meisten  Fällen,  wenn 
auch  lange  nicht  immer,  dank  seinen  Sklaven  und  zahlreichen 
Metöken,  ohne  auswärtige  Hilfe  sich  durchhelfen  konnte 
(vgl.  Francotte  L' Industrie  I  S.  210),  und  dadurch  würde  auch, 
was  sich  oben  als  mögliche  Folgerung  für  Megara  ergab,  an 
Glaubwürdigkeit  gewinnen. 

Über  die  Bedingungen,  unter  denen  die  [^uattcorai  die  Ar- 
beiten übernahmen,  geben  uns  die  Inschriften  keinen  Auf- 
schluss ;  auch  Frickenhaus  hat  diesen  Punkt  nicht  berührt. 
Ob  es  verboten  war,  dass  derselbe  Unternehmer  zwei  zu  glei- 


'   Diesen  Hinweis  verdanke  ich  Herrn  Prof.  Wilhelm. 


396  E.    XACHMAXSOX 

eher  Zeit  auszuführende  Ar])eiteu  übernahui,  wie  wir  es  für 
Tegea  und  Epidauros  wissen  (Keil  Athen.  Miftcil.  XX  S.  40), 
ist  mit  Bestimmtheit  nicht  zu  sagen.  Es  hängt  unter  ande- 
rem an  der  Richtigkeit  meiner  Ergänzungen  und  an  der 
Datierung  von  Z.  1  — 8  der  neuen  Inschrift,  die  nicht  feststeht 
(ich  möchte  sie  392/1   ansetzen). 

Ich  schliesse  mit  einigen  sprachHchen  Bemerkungen. 
Zum  ersten  Male  in  Athen  begegnet  das  Verbum  ejcif^uoDoo) ; 
ich  habe  das  Wort  in  Inschriften  sonst  nur  einmal  angetrof- 
fen:  der  leyoq  \'(5!.ioq  der  Eretrier  'Etpijfi.  dg/.  1902,  97  ff.,  zuletzt 
abgedruckt  von  Bechtel  6^0/5315,  hat  Z.  31  ejT:i|Uö6oi3v.  Da- 
nach wird  man  das  an  sich  untadelige  Wort  anstandslos  wie- 
der bei  Aelian  VH  III  14  einsetzen.  Für  Athen  neu,  aber  kei- 
neswegs befremdend  ist  auch  xara/aq)i],  wofür  ich  ebenfalls 
nur  einen  Beleg  habe:  xata^upi^v  Dittenberger  Inscr.  Or.  12)1 
Z.  1 0  (ägyptisches  Ehrendekret  aus  dem  2.  Jhdt.  v.  Chr.).  Es 
zeigt  uns  wieder,  wie  unnötig  die  Änderung  von  dA[i](pi|v  IG 
II  167  Z.  85  und  jteQicdupiiv  ib.  834  b  Col.  I  61  in  d}i[o(](pi]r 
bzw.  jTeQi«A(o)icpi)A'  war  (vgl.  auch  Frickenhaus  S.  42  Anm.  3). 
Beachtenswert  endlich  ist  beim  Namen  <I>d8vvoc;,  der  sonst  in 
vorchristlicher  Zeit  zweimal  vorkonnnt  (Kirchner  Prosopogr. 
Att.  s.  7'.),  die  Bewahrung  der  äolischen  Form. 

II. 

Wenn  ich  auch  die  Textherstellung  der  früher  bekann- 
ten Fragmente  positiv  wenig  fördern  kann,  so  werden  doch, 
da  die  bisherigen  Lesungen  in  Kleinigkeiten  der  Vervoll- 
ständigung und  Berichtigung  bedürfen,  folgende  Mitteilun- 
gen hoffentlich  nicht  ganz  ohne  Nutzen  sein.  830  ist,  wie 
Köhler  bereits  ^ifJicii.  Miftcil.  III  50  mitteilte,  im  Piräus  ge- 
funden, befindet  sich  aber  nicht,  wie  Frickenhaus  S.  6  an- 
gibt, im  dortigen  Museum,  sondern  wird  zusammen  mit  831, 
832,  833  in  der  Inschriftensammlung  des  hiesigen  National- 
museums aufbewahrt.  Die  Ziffern  zeigen  noch  Spuren  von 
roter  Farbe,  ebenso,  wie  schon  Lechat  bemerkt  hat,  830  e. 

Z.  2  —  3.  Dass  ich  Frickenhaus'  Ergänzung  nicht  billigen 
kann,  ist  oben  gesagt;  eine  befriedigende  Ergänzung  vermag 


ZUM    KONOXISCIIEX    MAl'EKHAr  397 

ich  allerding's  aiicli  niclit  /u  L^t^ben.  M(")<4iicli  wäre  ein  Infiniti\' 
zu  (ao[}--i)8VTK; ;  '  aber  (/.voixo^oiiriaai,  das  .sclbst\'er.ständlicli  am 
näclisteii  lie*^!  und  das  auch  den  ocfdrdertcn  Raum  in  Z.  3 
ausfüllen  würde,  lässt  sicli  iiichl  einset/en,  weil  das  letxte 
A  von  Z.  3,  wenn  aucli  nicht  vollstäncHj^'  erhalten,  dennoch 
durchaus   siclier  ist.    Man  kr)nnte  an  uvaiei/ia«!  denken  ;   v^\. 

Xenophon    /////.  I\'   4,l<s    oi  c^''  (tu   ''A{)i)v«Toi \\y)]a(i.vTO  xoct- 

TiOTOv  fivca  ävax^v/iani  tu  (Si)](.)i)[(£va  rjro  lI^aHiK/  T81711. 

Z.  7.  Dass  Frickenhaus  [/.^(pul.  setzt,  nicht  y.^^pdh^^o\'  aus- 
schreibt, wodurch  der  geforderte  Raum  o;efüllt  wird,  ist  wohl 
nur  ein  Versehen.  Statt  topt]  (o\'  wäre  wohl  ^>oa/[i]  t~)v  \-or- 
zuziehen. 

Z.  8  zu  Ende  ist  E"  sicher.  Der  letzte  Ouerstricli  gehört 
keinem  P  an  -'. 

831.  Köhlers  Angabe  im  Corpus  <i.Hndii]uc  fracfiiiii  ist 
nicht  ganz  genau.  Oben  ist  der  Stein  gebrochen,  aber  rechts 
ist  Rand,  wenn  auch  nicht  ordentlich  geglättet;  desgleiclien 
an  der  oberen  Hälfte  der  linken  Seite.  Auch  unten  scheint 
die  Inschrift  vollständig  zu  sein. 

Z.  3  am  Anfang  'S!.  Z.  3 — 4  ergänze  ich  [Ni'xJc'xVooo;  \gl. 
oben  S.  394.  Übrigens  steht  auch  nacli  diesem  Namen  ; ,  was 
Köhler  niclit  vermerkt  hat. 

Z.  7    Oi^.ol  Afeoi's. 

832.  Frickenhaus  sagt  Der  ursprüngliche  Rand  ist  nir- 
gends erhalten  ;  das  ist  irreführend.  vSchon  Köhler  hat  be- 
merkt, dass  der  vStein  oben  Rand  zu  haben  scheine,  dass  aber 
möglicherweise  eine  Zeile  verloren  gegangen  sei.  Alir  sclieint 
auch  die  obere  Ecke  der  linken  Seite  (Z.  1  —  3)  vollständig. 
Die  Lesung  wird  in  der  linken  Hälfte  durch  die  schlechte 
Erhaltung  der  Oberfläche  sehr  erschwert.  Bei  meinen  wie- 
derholten Nachprüfungen  des  Steines  glaube  ich  folgende 
neue  Lesuno-en  ermittelt  zu  haben  : 


^  aiQEiöOai  mit  Inf.  ist  zwar  nicht  so  gewöhnlich  wie  mit  I^räp.  und 
Subst.  Belege  fehlen  jedoch  nicht:  aiQeütvtai;  jtoVioaoilai  Ki  11  114A  Z.  S, 
fiioFftqöav  djtoSööOai  /ä.  1055  Z.  4b,  alJQeflefvJTeq !  JT:ou]oaov1ai  ib.  120s  Z.  1-2. 

-  In  TS)(on:[oioi  '/..  1  ist  zu  beachten  die  vSchreibung  des  echten  fi  ilurch 
blosses  e.  Der  Beleg  fehlt  bei  Meisterhans- vSchwvzer  (irantnt.  </.  a//.  hisrlir. 
S.  3b  N.  1 93   (zweites  Stück). 


398     E.   nachmanson:    zum   kononischen   mauerbau 

Z.  1.  Den  ersten  Buchstaben  lesen  Köhler  und  Washburn 
(bei  Frickenhaus)  I:  die  Hasta  scheint  mir  jedoch  kleiner, 
reicht  auch  nicht  bis  zur  Zeile;  ich  sehe  übrio-ens  ziemlich 
sicher  '"'.  Der  zweitfolgende  Buchstabe  dageoen  ist  kein  P: 
der  Querstrich,  den  Köhler  und  Washburn  gesehen  haben, 
scheint  mir  eine  Verletzung  des  vSteines  zu  sein  und  setzt 
ausserdem  etwas  niedriger  als  das  obere  Ende  der  senkrech- 
ten Hasta  an ;  für  ein  I  wird  der  Raum  allerdings  etwas  breit, 
vgl.  aber  Z.  3.  Zum  Anfang  von  Z.  2  lese  ich  T  ^ATO  ;  der 
zweite  Bogen  scheint  freilich  kein  Rest  eines  P  zu  sein ; 
dazu  ist  er  nicht  breit  genug.  Immerhin  glaube  ich  Z.  1  —  2 
tsi7o]jroi[oi]  Ol  £jti  [Äii|.io]  GTpdTO  ägi.   lesen  zu  können. 

Z.  3  /^  .  .  <^INHI  .  Das  erste  ist  Rest  von  M;  E,  wie 
Washburn  liest,  sehe  ich  nicht;  ebensowenig  ist  Washburn 
im  Recht,  wenn  er  gegen  Köhler  ^  liest. 

Z.  6.   Vor  dem  ersten  der  drei  M  glaube  ich  D  zu  sehen; 
auch   hiermit   ist  Frickenhaus'    Ergänzung,   die   ich   S.  393  f. 
aus  anderen  Gründen  bekämpft  habe,  nicht  zu  vereinigen. 
833.   Ich  bemerke  nur,  dass  links  und  oben  Rand  ist. 
830  e  befindet  sich  in  der  hiesigen  Acr>/r  fraiicaise.  Nicht 
nur  rechts,  auch  oben  ist  der  Rand  erhalten. 

Z.  6    zu   Anfang  ist  oben  ein  kleiner  Buchstabenrest:  '. 

H 
Das  vierte  H  steht  über  der  Zeile:    HHH;    vgl.  dazu    Z.  1  6  der 
neuen  Inschrift,  gewissermaassen  auch  830  Z.  6. 

Z.  7.  Frickenhaus'  Vermutung  S.10,  es  sei  vielleicht  eine 
Drachme  zu  ergänzen,  trifft  nicht  zu.  Der  Raum  zwischen 
dem  zweiten  h  und  dem  Rand  —  wo  keine  Buchstaben.spur 
zu  entdecken  ist  —  war  allerdings  für  h  nicht  ausreichend, 
aber  nichts  hinderte  den  Steinmetzen,  hier,  wie  in  der  vorher- 
gehenden Zeile,  das  Zahlzeichen  über  die  Zeile  zu  setzen. 
Dass  ein  geringerer  Preis  als  13  Dr.  per  1 ÜÜO  Ziegel  auch 
sonst  bei  diesem  Bau  vorgekommen  sein  muss,  glaube  ich 
oben  (S.  393)  wahrscheinlich  gemacht  zu  haben. 

Z.  1  2  zu  Anfang  ist  in  der  Bruchlinie  Rest  von  I  zu  er- 
kennen. 

Athen,  vSeptember  19U5.  Ernst  Nachmanson. 


399 


SAXDALOKRATIlv 

(Hierzu  Taf.  XV). 

Die  hier  wieder.efegebene  Zeichnung  schmückt  die  Schul- 
ter einer  in  Wilci  gefundenen  Hydria  (Form  41  bei  Furt- 
wängler,  \'asen.sammlung  Taf.  4)  der  ehemaligen  Sammlung 
Feoli,  die  .sich  jetzt  im  kunstgeschichtlichen  ]\Iuseum  der 
Universität  Würzburg  befindet.  Die  Höhe  des  Gefäs.ses  be- 
trägt fast  32  cm;  es  ist,  abgesehen  von  dem  Bilde,  ganz  mit 
schwarzem  Firnis  überzogen  und  nur  ein  schmaler  Streifen 
am  imtersten  Rande  des  Flusses  ebenso  wie  der  obere  Mün- 
dungsrand sind  ungefärbt  geblieben,  auch  ist  der  schmale 
Wulst  zwischen  Fuss  und  Gefässbauch  durch  je  eine,  in  der 
Tiefe  liegende,  ganz  schmale  tonfarbige  Linie  \-on  diesen  ab- 
getrennt. In  der  Höhe  der  seitlichen  Henkel  zieht  sich  unter 
dem  Bilde  das  übliche,  aus  dem  Streifen  mit  Rosenkno.spen 
entstandene  Ornament  hin.  Die  Hydria  war  zerbrochen;  einige 
etwas  übermalte  Brüche  laufen  auch  durch  das  Bild,  haben 
jedoch  nur  geringe  Beschädigungen  verursacht.  Die  Wieder- 
gabe des  Bildes  erfolgt  nach  einer  Photographie,  die  aber 
der  grösseren  Deutlichkeit  zu  Liebe  mit  Feder  und  Tusche 
übergangen  und  an  wenigen,  ganz  zweifellosen  Stellen  auch 
ergänzt  worden  ist.  Besprochen  ist  die  Vase  bisher,  soviel  ich 
weiss,  nur  in  den  beiden  Katalogen  von  Campanari,  Antichi 
vasi  dipinti  dclla  collezioiie  Froli  Nr.  1  43  und  von  L^rlichs,  Ver- 
zeichnis der  Antikejisamiiiluug  der  Universität  ]Vürzbiirg  HI 
Nr.  139.  Dieser  letztere  hat  die  Darstellung  kurz  beschrieben, 
ohne  eine  Erklärung  zu  versuchen,  Campanari  hat  sich  dage- 
gen redlich  geplagt,  die  dargestellte  Scene  verständlich  zu 
machen,  obwohl  wir  offenbar  kein  Bild  aus  der  \ornehmen 
Welt  der  Götter  und  Heroen  vor  uns  haben,  sondern  eines, 
das  aus  dem  niedrigen  Treiben  des  Alltags  geschöpft  ist. 
Ehe  wir  uns  aber  der  in  Wirklichkeit  nicht  allzu  anstrengen- 


400  P.    WOLTERS 

den  Aufgabe  zuwenden,  dies  Bildchen  im  Ganzen  zu  erklä- 
ren, müssen   wir  einige  Einzelheiten  pflichtgemäss  erläutern. 

Der  Korb  über  dem  Jüngling,  die  o.tpj^k';,  die  so  oft  auf 
\'asen  erscheint  und  ausserdem  jedem  Archäologen  aus  dem 
heutigen  Leben  (rriechenlands  bekannt  ist  —  denn  sie  muss 
dem  jetzt  für  die  verschiedensten  Zwecke  verwendeten,  ^ffuri/a 
genannten  weichen  Korbe  höchst  ähnlich  gewesen  sein  — , 
lässt  erkennen,  dass  hier  ein  Piknik,  ein  fteljrvov  djto  ojivQlboc. 
(Athen.  VI  11  365  A)  gefeiert  wird.  Alan  könnte  deshalb  ge- 
neigt sein,  das  niedrige  Lager  des  Jünglings  für  improvisiert 
zu  halten.  r3as  ist  nicht  nötig,  denn  in  andern  Fällen  erschei- 
nen bei  solchen  Gelagen,  zu  denen  jeder  seinen  Anteil  im 
eigenen  Korbe  mitbrachte,  die  gewöhnlichen  hochfüssigen 
Klinen  und  Speisetische  \  finden  diese  Feste  also  in  den  da- 
für bestimmten  und  eingerichteten  Räumen  statt.  Ob  nun 
aber  die  Matraze  in  unserem  Fall  ohne  weiteres  auf  den  Bo- 
den gelegt  ist,  oder  auf  ein  fussloses  niedriges  Bettgestell, 
eine  /aj.iaieiivi|  -,  ist  nicht  klar,  aber  auch  für  unseren  Zweck 
bedeutungslos. 

Die  Inschrift  KAU05,  dem  Mädchen  auf  den  rechten 
Schenkel  geschrieben,  ist  nur  durch  die  Stelle,  wo  sie  ange- 
bracht wurde,  auffällig  ',  hat  aber  selbst  darin  Analogien,  von 
denen  ich  anführe,  was  mir  gerade  zur  Hand  ist.  Auf  einer 
in  Berlin  befindlichen  vSchale  (Furtwängler  Nr.  2314)  trägt 
der  Oberschenkel  eines  Palästriten  ganz  entsprechend  die 
Inschrift  Adxi]c;  -Kulog.  Die  \"ase  bei  Hartwig,  MrisfrrscJialoi 
Taf.  16  S.  133,  zeigt  bei  zwei  Athleten  den  Namen  auf  den 
Körper  geschrieben,  das  Wort  -naXoc,  mit  und  ohne  Lieblings- 
namen   ausserdem    auf  den    dargestellten   vSchilden.    Ebenda 


'  Vgl.  z.  B.  die  dem  Brygos  zugeschriebene  Schale  im  British  Museum 
E  bS  (C.  Smith,    Cataloguc  III  S.  91).   Hartwig,  Meisterscha/efi  Taf.  34. 

-  Oder  -y^ajieöva,  x"M^'''^'^ov.  Vgl.  A.  Wilhelm  in  den  Jahrt's/ieftrn  drs  öster- 
reifhisrhen  Instituts  1 903  vS.  217.  239.  —  Zecher  nur  auf  Ki.s.sen,  nicht  auf 
Klinen  gelagert  z.  B.  Hartwig,  Meisterschalen  S.  12'-'^.  Athen.  Mittei/.  18«^» 
Taf.  1 3.  Ein  deutliches  Beispiel  der  niedrigen  Bettstatt  z.  B.  auf  der  Vase 
Jatta  bei  Heydemann,  .Satyr-  und  Bnkche7-iname)i. 

•'  Nur  dieses  Umstandes  wegen  erwähnt  sie  Jahn,  l'asrnsaiuiiitnni^-  Könii^ 
Ludimgs  S.  cxxv,  922. 


SANDALOKRATir:  401 

Taf.  35,  4  b  S.  325  ist  das  vom  Munde  eines  Zechers  ausste- 
hende, weil  von  ihm  gesprochene  OPOUOM  /.um  Teil  noch 
auf  seinem  Oberarm  angebracht.  Auf  der  chalkidischen  Hy- 
dria  mit  dem  Ringkampf  der  Atalante  und  des  Peleus  (Furt- 
wängler- Reichhold,  Griccli.  Vasrniiialerei  Taf.  31)  steht  der 
Name  des  letzteren  auf  dem  Gewände  des  zuschauenden 
Mopsos.  In  sehr  vielen  Fällen  sind  Inschriften,  Namen  mit 
und  ohne  x«?i(k,  auch  xaAoi;  allein  und  dergleichen  auf  darge- 
stellten ( jcräten  angebracht.  Jahn  (  VascitsaiiiDiluiig König Liid- 
7ings  S.  cxxiii)  hat  eine  Zusammenstellung  gegeben,  scheint 
allerdings  anzunehmen,  wir  müssten  uns  im  Sinne  der  Vasen- 
maler alle  diese  Inschriften  an  den  Originalen  der  abgebilde- 
ten Gegenstände  vorstellen.  Das  trifft  zu,  stets  oder  wenig- 
stens oft,  für  vSchriftrollen,  Grabstelen,  Gebäudeteile,  Wasser- 
becken, für  den  Dreifuss  mit  'Axa|.iaA'Tig  evixa  rpiShi,  das  Weih- 
geschenk bei  Benndorf,  Vasrnbildrr  Taf.  31,1  und  derartiges, 
auch  wohl  für  Trinkgefässe,  auf  denen  man  in  Wirklichkeit 
ja  eben  so  häufig  Lieblingsnamen  las.  Aber  es  fällt  schwer, 
sich  auf  Schilden  \  Weinschläuchen  2,  Flötenfutteralen  ^  und 
dergleichen  Gegenständen  ^  solche  Inschriften  auch  in  der 
Wirklichkeit  tatsächlich  angebracht  zu  denken  ;  da  sind  sie 
doch  wohl  nur  vom  Maler  hingesetzt  aus  Raummangel  oder 
um  den  freien  Raum  angemessen  zu  füllen.  Sicher  ist  dies  ja 
auch  in  den  Fällen,  wo  erklärende  Beischriften  so  unterge- 
bracht sind,   wie   der  Name   des   Achilles  auf  seinem   Schild 


'  Beispielsweise:  Catalogue  of  vases  in  the  British  Museum  II  Taf.  3  (Schild 
der  Athena  mit  Y.vifih-yioc,  xaA,6i;).  Klein,  LieUingsinschriften'-  vS.  121  (ebenso 
mit  Nix6|evog).  Ch.  Lenormant  und  J.  de  Witte,  £.hte  I  Taf.  5  (Schild  des 
Giganten  Ephialtes).  Hartwig,  Meisterschalen  Taf.  24.  ö2.  Gerhard  A.  V.  IV 
Taf.  293. 

-  Hartwig,  Meisterschalen  Taf.  7.  32.  43.  44.  45.  FurtWcängler  -  Reichhold, 
Vasenmalerei  Taf.  49.  Klein,  Liehlingsinschriften  -  S.  62,  S.  Gerhard  A.  V.  I 
Taf.  77.  Mo7iumenti  VI  Taf.  67. 

•^   Catalogue  of  vases  in  the  British  Museum  III   S.  115,    E  90. 

*  Auf  einer  Tänie  :  Hartwig,  Meisterschalen  Taf.  69,  2,  a.  Comptc-rendu 
de  la  comm.  imp.  archcologique  1874  Taf.  7,  4.  Journal  of  Hellenic  studies  1894 
Taf,  3,  2.  Auf  Schöpfgefäss  und  Brunnenrand  verteilt :  Benndorf,  Neroon  von 
Gjölbaschi-Trysa  S.  11 3.  Auf  einem  Sack  xa?.6c,  das  zugehörige  vai/.i  im 
freien  Feld:  Arch.   Zeitung  \Zl'i  Taf.  11. 

ATHEN.     MITTEILUNGEN     .XXX  26 


402  P.    WOLTERS 

{Monumenti  X  Taf.  9),  der  des  Eurystheus  auf  dem  Rande 
des  Pithos,  in  den  er  sich  verkrochen  hat  (Furtwängler-Reich- 
hold,  VasoiDinlcrci  Taf.  li),  der  an  den  Türflügel  geschriebene 
Name  "Icpp/eveia  [dort  Taf.  5  7,  1)  oder  die  auf  Ante,  Gebälk 
und  Stufe  gesetzten  Namen  beim  x\uszug  des  Amphiaraos 
{Momiutenti  X  Taf.  4),  dem  Racheakt  der  Medeia  {Are/?.  Zri- 
htug  1847  Taf.  3)  und  der  Leichenfeier  des  Patroklos  {Monu- 
menti IX  Taf.  32).  vSo  ist  also  dies  y.cdoq  auf  dem  Schenkel 
des  Mädchens  keine  allein  stehende  Erscheinung,  zu  der  sich 
schliesslich  als  monumentalere  x^nalogie  die  Weihinschriften 
anführen  lassen,  welche  wir  nicht  nur  bei  kleinen  Statuetten, 
sondern  auch  bei  vStatuen  grade  so,  bald  am  Schenkel,  bald 
sonst  irgendwo  eingeschrieben  finden  ^  Ein  besonders  be- 
zeichnender Fall  für  die  nachträgliche  Anbringung  von  In- 
schriften an  einem  Kunstwerk,  zu  dem  sie  keine  engere  Be- 
ziehung haben,  ist  die  bronzene  Figur  eines  Wolfes  beim 
grossen  x\ltar  in  Delphi ;  auf  seiner  Stirn  hatten  die  Lakedä- 
monier  ihr  Privileg  der  jtQO[iaA'Tfi'fx  eingraben  lassen,  auf  sei- 
ner rechten  Seite  die  Athener  das  Dekret,  welches  ihnen  ein 
gleiches  Vorrecht  gab  (Pausanias  10,  14,  7,  Frazer  V  S.  311; 
Plutarch,  Pcrikks  21). 

Hervorzuheben  ist  noch  der  Schmuck  des  Mädchens,  des- 
sen völlige  Nacktheit  im  übrigen  ja  keiner  Erklärung  bedarf. 
Ihr  Armband  hat  die  Gestalt  einer  Schlange,  ihr  Ohrschmuck 
ist  aus  drei  von  einem  Punkte  ausgehenden,  nach  aussen  sich 
verdickenden  Blättchen  gebildet,  stellt  also  nicht  mehr  die 
ältere  Art,  den  Ring  mit  drei  traubenförmigen,  nach  unten 
verjüngten  Ansätzen  dar-,  sondern  muss  als  einfacheres  Exem- 
plar der  selteneren  palmettenartigen  Bildung  betrachtet  wer- 


'  Vgl.  R.  von  Schneider,  Die  Erzstatue  v.  Helencnberge  S.  20.  Kavvarlias, 
r^LVJixd  Toö  'Ei)v.  Mouöeiüii  I  Nr.  1 .  2.  20.  Holleaux,  BCH  1 886  vS.  78.  1 90.  1 9b. 
Auch  die  Weihung  de.s  Cheramyes,  der  Apoll  von  Pionibino  im  Louvre  sind 
hier  7,u  nennen,  sowie  die  Statue  des  Chares  im  British  Museum,  der  .'\pollo 
des  Leukios  in  Samos  {Atlicn.  Mittril.  1900  S.  1  50),  zu  dem  Wiegand  au.sser 
anderen  Parallelen  namentlich  den  von  Cicero  ( /V/v.  4,  43,  93)  erwähnten 
Apollo  anführt,  ciihis  in  feniore  tittens  miniilis  iianien  Mvronis  trat  inscriptiun. 
Vgl.  auch  das  von  Frazer,  Pausanias  III   S.  41   notierte  Beispiel  aus  Phigalia. 

'   Hadaczek,   Ohrschmiick  der  Griechen  und  Etriisker  S.  1  7  ff. 


SANDALOKRATIE  403 

den,  die  in  etwas  reicherer,  fünfblätteriger  Form  bei  der  He- 
lena des  Bologneser  Kraters  mit  Iliupersis  ',  noch  reicher  bei 
dem  schönen  Athenakopf  in  Erbach  '  vorkommt. 

Endlich  ist  das  Rand  zn  erwähnen,  welches  der  Jüngling 
um  das  rechte  Handgelenk,  der  Knabe  um  den  linken  Knö- 
chel trägt;  ich  glaube,  dass  wir  auch  hier  wie  in  den  ander- 
wärts "^  /Aisammengestellten  Fällen  bunte  Fäden  zu  erkennen 
haben,  die  man  im  alten  Griechenland  ebenso  zu  abergläubi- 
schem, apotropäischem  Zwecke  trug,  wie  man  sie  im  heuti- 
gen Griechenland  und  weit  über  seine  Grenzen  hinaus,  auch 
in  Deutschland,  noch  trägt. 

Doch  das  ist  alles  Beiwerk,  dem  der  Maler  selbst  keine 
besondere  Wichtigkeit  beigelegt  hat.  Er  wollte  nur  ein  Bild 
aus  dem  Treiben  des  Alltags  bieten,  wenn  auch  kein  alltäg- 
liches, und  uns  in  dies  Treiben  einen  indiskreten  Blick  tun 
lassen ;  und  da  wir  nun  einmal  gegenüber  den  vergangenen 
Geschlechtern  Recht  und  Pflicht  der  zudringlichen  Neugier 
haben,  möchte  auch  ich  versuchen  zu  begreifen,  welcher 
Sturm  hier  getobt  und  welche  Schicksalsschläge  so  deutliche 
Spuren  auf  dem  Rücken  des  links  stehenden  Buben  zurückge- 
lassen haben.  Von  der  Tatsache,  dass  dieser  elend  verprügelt 
worden  ist,  geht  Campanari  bei  seiner  Deutung  mit  Recht 
aus,  verbindet  damit  die  demütige  Gebärde  des  nackten  Mäd- 
chens, das  dem  herrisch  daliegenden  Jüngling  die  Hand  küs- 


'  Momimenti  X  Taf.  54  ;  vgl.  dort  auch  IX  Taf.  17,1.  Stackeiberg,  Grä- 
ber d.  Hellenen  Taf.  1  8  ;  dasselbe  Motiv  als  hängendes  Ornament  auf  einem 
Gewand,  Arch.  Zeitung  1883  Taf.  17. 

-  Hadaczek  S.  21.  Der  Athenakopf  allein  ist  zuerst  von  Tischbein,  Homer 
nach  Antiken  (mir  nicht  zur  Hand)  und  darnach  mehrfach,  dann  nach  neuer 
Zeichnung  von  Anthes  in  den  Bonner  JaJirbüchern  96  S.  342  abgebildet.  Eine 
andere  Abbildung  des  Fragmentes  nach  Tischbeins  unvollendet  gebliebe- 
nem V.  Bande  der  Engravings  from  oncient  vases  ist  in  S.  Reinachs  Re'pertoire 
des  vases  peints  II  S.  364  wiedergegeben.  Reinach  bezeichnet  die  dort  abge- 
bildeten Köpfe  eines  Poseidon  und  einer  Aphrodite  (mit  ähnlichem  Ohr- 
schmuck?) als  Fragmente  derselben  Vase;  ich  weiss  nicht,  woher  diese 
Notiz  stammt.  In  Erbach  sind,  wie  mir  Anthes  versichert,  diese  anderen 
Bruchstücke  nicht. 

•'  ArcJvv  für  Religionsitu'ssenschaft  \TII,  Beiheft  gewidmet  Hermann  Usc- 
ner,  S.  1  ff. 


404  P.    WOLTERS 

sen  will,  und  erschliesst  daraus  den  kleinen  Roman  :  der  Jüng- 
ling habe  die  Untreue  seines  Liebchens  entdeckt,  dieses  flehe 
seine  Verzeihung  an,  während  der  Ephebe,  die  Ursache  der 
ausgebrochenen  Eifersucht  und  darum  auch  ihr  erstes  Opfer, 
den  schmerzenden  Buckel  reibend  sich  still  bei  Seite  drücke. 
Ehrlich  fügt  Campanari  hinzu,  dass  manches  nicht  zu  dieser 
Erklärung  passe,  namentlich  nicht  die  ruhige  Lage  des  Jüng- 
lings, und  er  hofft  eine  befriedigende  Erklärung  dieser  <'Osai- 
ra  e  iufralciafissiiiia  scDia  von  einem  Späteren.  Mich  gelüstet 
nach  diesem  Lorbeer,  denn  mir  schcints  nicht  gar  so  schlimm 
mit  der  vSchwierigkeit  zu  stehen. 

Der  Bube  ganz  links  —  wenn  wir  ihn  Ephebe  nennen, 
tun  wir  ihm  zu  viel  Ehre  an,  und  wenn  wir  ihn  auf  galante 
Abenteuer  ausgehen  lassen,  vielleicht  auch  —  hat  Hiebe  be- 
kommen, das  zeigen  die  dunkeln  Flecken  auf  Rücken  und 
Beinen,  und  er  hat  sie  mit  dem  Pantoffel  bekommen,  das  zeigt 
ihre  Form,  der  deutliche  Abdruck  einer  vSohle.  Auch  in  mo- 
dernen Zeiten  soll  ja  der  Pantoffel  mitunter  als  Züchtigungs- 
mittel dienen  ;  ein  ergötzlicher  bildlicher  Beleg  ist  mir  gerade 
in  die  Hand  gefallen,  ein  Blatt  der  Caprichos  von  Goya  (vgl. 
Loga,  Francisco  de  Goya  Tai  26),  das  einen  Buben  von  einer 
Frau  so  abgestraft  zeigt,  aber  auch  ohne  solchen  würde  der 
ominöse  Name  des  Pantoffelhelden  '  den  (xedanken  nahe  le- 
gen, dass  es  vornehmlich  zarte  Hände  sein  werden,  die  diese 
Waffe  schwingen.  Auch  im  Altertum  erfreut  sich  das  schwa- 
che Geschlecht  dieses  Vorrechts,  wenn  auch  nicht  ausschliess- 
lich; .Hesych  695  überliefert  uns  sogar  den  Kunstausdruck 
dafür:  ß^avTOiiv.  Auch  noch  andere  litterarische  und  bildliche 
Belege   sind   dafür   zur   Hand-;  vor  allem    wird   man   an  die 


'  L.  (jünther,  Deutsche  Reelitsnltertihner  in  itnsrer  lieutigen  deiitschoi  Spra- 
che S.  31,  leitet  den  Ursprung  dieser  und  ähnlicher  Redensarten  aus  juristi- 
scher Symbolik  ab,  was  nicht  ausschliesst,  dass  man  heute  dabei  meist  an 
den  Pantoffel  als  schlagendes  Argument  denkt. 

-  Vgl.  vStephani  im  Compte-reiidji  de  la  coiiim.  hup.  archeologiq-iie  1870 
vS.  193.  1872  S.  21b.  1880  S.  78.  Jahn  zu  Persius  5,  1()4  und  in  den  Berichten 
der  k.  sächsischen  Ges.  der  JVissensc/iaffeii  1855  vS.  224.  Müller- Wieseler  Denk- 
mäler ■'  II  zu  Nr.  285,  b. 


SANDALOKRATIE  405 

sclierzhaft-elci^aiitcn  vStatiictten  der  nacklcn  Aphrodite  '  erin- 
nern dürfen,  welche  mit  erhobener  vSandale  droht,  wahr  zu 
machen,  was  Lnkian  sie  von  Eros  erzählen  lüsst  {(iöltcrgc- 
sprächc  11,1):  ticSi)  (>f  x(ti  n-Äip/uc  (u'to)  evexi-iva  k^  tai;  miy«?  tw 
aavft(Uq).  Dass  diese  Art  der  vStrafe  mehrmals  oerade  von  Om- 
phale  an  Herakles  xoHstreekt  worden  sein  soll,  berechtigt  uns 
nicht,  diese  Figürchen  mitvStephani  Omphale  zu  nennen;  nicht 
für  sie  ist  der  drohend  ^geschwungene  Pantoffel  bezeichnend, 
sondern  nur  für  die  schmachvolle  Lage  des  Helden,  und  so 
müsste  entweder  sie  l)esser  charakterisiert  sein,  etwa  durch 
das  Löwenfell,  oder  er  mit  ihr  dargestellt  oder  erhalten.  Noch 
weniger  dürfen  tiefsinnige  nnthische  Beziehungen  und  Ge- 
danken hier  gesucht  werden  -  an  Nemesis  hatte  Mercklin 
gedacht!  Crlücklicherweise  ist  der  heitere  Humor  dieser  Bild- 
werke gegen  solche  X'ersuche  jetzt  durch  die  Terrakotta- 
gruppe aus  IMyrina  gesichert,  welche  S.  Reinach  kürzlich  ver- 
öffentlicht hat-;  da  ist  der  kleine  Sünder,  der  seiner  Bestra- 
fung gewärtig  reumütig  am  Boden  kniet,  deutlich  Eros  und 
die  nackte  Sandalenschwingerin  also  Aphrodite. 

Nach  solchen  Analogien  sind  wir  geneigt,  auch  auf  un- 
serem Vasenbild  als  Urheberin  der  nur  zu  klaren  Sandalen- 
abdrücke auf  dem  Rücken  des  Knaben  die  irdische  Aphro- 
dite zu  vermuten,  die  in  der  Mitte  des  Bildes  kniet.  Aber  ehe 
wir  dies  als  sicher  behaupten,  müssen  wir  uns  den  schwer- 
wiegenden Einwand  machen,  dass  ja  vielleicht  auch  im  Alter- 
tum mitunter  männliche  Wesen,  das  A'orrecht  der  Weiber 
missachtend,  zum  Pantoffel  gegriffen  haben  könnten.  Und 
siehe  da,  unser  \'erdacht  ist  begründet:  nicht  nur  in  dem 
von  Plutarch  ''  berichteten  ätiologischen  Mythos  vom  P^ste 
der  delphischen  \ä^\lst.  schlägt  der  König  das  Mädchen  mit 
dem  Schuh,  sondern  \or  allem  verraten  uns  Vasenbilder 
mehrere  solcher  frechen  Übergriffe.  Zunächst  zwei  schwarz- 
figurige;   das  eine  im  Miisfo  civico  von  Bologna  hat  Heyde- 


'   S.   Reinach,   Repertoire  de  In  slahiaire  II    S.  .UO. 

■^  Re%me  arch.  1903,  I  Tat".  3   S.  205  :    v<jl.   auch  Winter,    Typen    der  Jigiir- 
liehen  Terrakotten  II   S.  208,  1 . 

■'  Quaest.  Grciec.   12  (vS.  293  D)  :   ty(.)t/..-tiatv  uun'iv  u.-tuöiuiaTi. 


406  P.    WOLTERS 

mann!  abgebildet,  das  andere  in  Berlin-  ist  noch  unveröffent- 
licht, auf  beiden  wird  ein  Knabe  von  einem  Manne  mit  der 
Sandale  gezüchtigt.  Etwas  gedankenlos  scheint  es,  wenn  auf 
der  rotfigurigen  Oidipusschale  im  Vatikan'^  ein  Silen  die  San- 
dale zur  Züchtigung  eines  Buben  benutzt,  wenigstens  erträg- 
licher, wenn  auf  einem  rotfigurigen  Gefäss  der  Universitäts- 
sammlung in  Leipzig  ^  Dionysos  mit  der  Sohle  in  der  Hand 
einen  Silen  zurechtweist.  Das  alles  können  wir  leicht  als  Usur- 
pationen des  von  den  Weibern  in  der  Kinderstube  und  im 
häuslichen  Kreise  geübten  Pantoffelrechtes  verstehen,  oder 
auch  andrerseits  aus  Notwehr  und  als  Ausnahme  entschuldi- 
gen, wenn  bei  der  grossen  Rauferei  trunkener  Männer  auf 
einer  petensburger  Schale  ■-  neben  Steinen  und  Stöcken  auch 
die  Sandale  in  Tätigkeit  tritt.  Anders  steht  es  aber  um  die 
von  Hartwig,  Meisterschalcii  S.  263,1  (vgl.  Arch.  Anzeiger  \'6'^l 
S.  89)  erwähnten  obscönen  Darstellungen,  in  denen  Männer 
und  Weiber  einander  mit  Pantoffelschlägen  anreizen.  Wir 
brauchen  solche  sadistische  Excesse  für  unseren  Zweck  wohl 
nicht  weiter  heranzuziehen,  ja  ich  bin  nicht  einmal  ganz 
sicher,  ob  Hartwig  sie  mit  Recht  zur  Erklärung  der  berliner 
Schale  verglichen  hat,  auf  der  Eros  die  Sandale  gegen  einen 
verfolgten  Knaben  schwingt.  Da  genügen  am  Ende  doch 
auch  die  Vorstellungen  harmloserer  Art,  wie  sie  sich  aus  den 
angeführten  Züchtigungen  ergeben. 

Jedenfalls,  wer  vorsichtig  sein  will,  darf  nicht  behaupten, 
auf  unserer  Vase  müsse  die  Art  der  Züchtigung  als  Beweis 
dafür  gelten,  dass  sie  von  dem  Mädchen  ausgegangen  sei; 
aber  wahrscheinlich  bleibt  die  Annahme.  Und  da  die  Vorstel- 
lung, der  Jüngling  habe  den  Knaben  mit  dem  Pantoffel  der- 
artig verprügelt  und  sich  dann  wieder  behaglich  hingelegt, 
um  nun  die  demütige  x\bbitte  der  nicht  körperlich  bestraften 
zweiten  Schuldigen  hinzunehmen,  doch  gar  zu  unwahrschein- 
lich  ist,   so   dürfen    wir  nunmehr   nach   pflichtmässiger  und 

'  Anttkensammlungen  in  Ober-  und  Mittelitalien  Taf.  1,5  S.  58,  1471. 

*  Arch.  Anzeiger  1893  S.  85,  19. 

•^  Hartwig,  Meisterschalen  Taf.  73  S.  bbb.  Heibig,  Führer-  \l  Nr.  1274. 

*  Jahrbtich  des  arch.  Instituts  1896  S.  191,  35  (F.  Hauser). 
'■  Hartwig,  Meisterschalen  Taf.  49   S.  474  f. 


SANUALOKKATIK  407 

ernsthafter  Erj^ründun.^  aller  all<^eineineii  und  besonderen 
Umstände  dieser  osiiini  c  iNtralciatissiiiia  scciin  unser  Ver- 
dikt also  fällen  und  sie  also  verstehen:  Der  Jüni^lino-  feiert 
in  lockerer  (lesellschaft  ein  (rela^-e,  das  Mädchen  hat  sich 
hinreissen  lassen,  den  kleinen  Mundschenken  mit  dem  Pan- 
toffel zu  malträtieren;  dem  aber  ersteht  im  Jün<>'lin^-  ein  Be- 
schützer, und  demütig-  knieend  muss  die  Übeltäterin  Abbitte 
tun.  Dass  ist  Alles.  Nichts  (rrosses,  nichts  Überraschendes, 
aber  ein  anschauliches  und  spasshaftes  Bildchen  aus  dem 
Leben  der  lockeren  athenischen  Herren  des  ausgehenden 
sechsten  Jahrhunderts  '. 

Würzburg. 

Paul  Wolters. 


Berichtigung:  Auf  S.  400,    Z.  1 S  ist  zu  lesen :   yafiEÜvii    für   xa^iaieuvi]. 


408 


Abb.    I.    l'feiler  in  Zürich. 


NACHTRAG 


zu    ATHEN.    MITTEIL.    1904    S.  21   ff. 


Auf  das  oben  abgebildete  Bildwerk  hat  mich  Herr  Profes- 
sor Loeschcke  hingewiesen.  Es  befindet  sich  im  Schweizeri- 
schen Landesmuseum  zu  Zürich,  dessen  Direction  mir  gütig 
die  Photographie  und  Erlaubnis  zu  ihrer  Publication  überliess. 
Das   Denkmal   ist  bei   den   Ausgrabungen   zu   Baden  in  der 


NACHTRAO  -KV) 

Schweiz  gefunden  und  im  jii/zrii^rr  ßir  Schweizerische  Alter- 
fumskioidr  1893  S.  268  wie  folgt  aufgeführt  worden:  «Prell- 
stein (?).  Konischer  Stein,  oben  in  einen  lebensgrossen  Wid- 
derkopf auslaufend ;  unten  \iereckig  gelassen  (0,22  ni)  und 
YAWw  Eingraben  in  die  Erde  bestinnut.  Die  Rückseite  ist  an- 
gebrannt, scheint  demnach  dem  Hause  /.ugekehrt  gewesen 
zu  sein.   H.  0,71)  m  >. 

Die  Ähnlichkeit  mit  dem  Athni.  Mitini.  1904  S.  22  ver- 
öffentlichten und  als  Apollo  Karneios  gedeuteten  Denkmal 
springt  in  die  Augen,  zugleich  aber  auch  der  Unterschied, 
dass  dieses  durch  Verstünmielung  in  seinen  jetzigen  Zustand 
gekommen  ist,  während  der  schweizer  vStein  hingegen  nie 
einen  höheren  (xrad  von  Vollendung  erreicht  haben  wird. 
So  fest  ich  an  meiner  Deutung  auf  Apollon  Karneios  halte, 
so  wenig  weiss  ich  mit  diesem  neuen  Denkmal  anzufangen. 
Der  Fundort  ist  eine  römische  Wohnstätte,  deshalb  kann 
man  nicht  wohl  an  ein  Grabmal  denken  ^  Am  wahrschein- 
lichsten ist  die  Annahme  von  E.  A.  Stückelberg,  der  in  dem 
Ausgrabungsbericht  das  Ganze  vermutungsweise  als  Prell- 
stein bezeichnet  und  dem  Widderkopf  nur  decorative  Bedeu- 
tuns:  zumisst. 


Herr  Professor  V.  Studniczka  macht  mich  freundlich  auf 
einen  Irrtum  in  meiner  Erklärung  des  Heraklesreliefs  aus 
Sklavochori  {Athen.  JMitteil.  1904  Taf.  H,  S.  32)  aufmerksam. 
Ich  habe  geglaubt,  das  von  dem  Manne  verfolgte  Tier  nach 
der  allein  erhaltenen  hinteren  Hälfte  als  Hirschkuh  deuten 
zu  müssen.  Studniczka  jedoch  nimmt  Anstoss  an  der  Bildung 
des  Hinterfusses,  die  ihm  mehr  einer  Klaue  als  dem  schlan- 
ken Lauf  eines  Hirschen  zu  ähneln  scheint.  Aus  der  Klaue 
auf  einen  Hund  zu  schliessen  geht  wegen  der  Form  des 
Schwanzes  nicht  an.  <  Dagegen  passt  alles  sehr  gut  zu  einem 
Hasen  in  archaischer  Stilisierung,  etwa  wie  auf  der  sicher 
ionischen  Vase  Lau,  Griechische  Vasen  Taf.  XI,  4  ^.  Dem  Ein- 


'   Rohe  Tit'rl)il(ler  als  Grabniäler  in  vSiKinicn,  Hühner   .h\/i.  Jalirb.   1 S9S 
S.  125. 


410  B.    SCHRÖDER 

wand,  der  Jäg-er  wäre  dann  im  Verhältnisse  arg  klein,  be- 
gegnet Stndniczka  mit  dem  Hinweis  auf  die  protokorinthi- 
sche  Vase  fHSt.  ISMO  Taf.  2  u.a.  In  der  Tat,  vergleicht  man 
Darstellungen  von  Hirschen  oder  Rehen  auf  älteren  s.  f.  Va- 
sen wie  Aii/iali  1863  tav.  F.  (Caeretaner  Hydria),  Rö/n.  Mitt. 
H  Taf.  8,1  (Dümmlersche  (Gattung),/]«/.  DcHkui.  I  45  (Kla- 
zomenischer  Sarkophag  in  Wien),  oder  auf  der  hier  zuerst 
veröffentlichten   italischen   Vase    aus   Corneto    (Abb.  2)  '    und 


Abb.   2.    Deckel  in   Bonn. 

solche  von  archaisch  stilisierten  Hasen  (s.  JHSt.  1  890  Taf.  2 ; 
Lau,"  6^r/>t7/.  I^asoi  Taf.  XI  u.s.f.)  mit  meinem  Hirsch  ,  so 
muss  man  diesen  als  Hasen  anerkennen  und  meinen  Irrtum 
unentschuldbar  finden.  Indes  stehen  der  Hase»  des  Hera- 
klesreliefs und  seine  archaischen  Brüder  mit  den  gekrümm- 
ten Hinterbeinen  ihrem  natürlichen  Vorbild  genau  so  fern 
wie  einem  wirklichen  Hirsch  und  wie  auch  ein  ionischer 
Künstler  es  mit  der  Wahrheit   nicht   genau  nehmen  konnte, 


'  Im  Bonner  Kunstmuseum.  Deckel  eines  Gefässes,  Höhe  mit  dem 
Knopf  9  cm.  Durchm.  1  8  cm ;  man  beachte  die  Ähnlichkeit  der  Darstellung 
mit  dem  Relief  aus  Amyklai;  die  Pu1)lication  geschieht  mit  gütiger  Erlaub- 
nis von  Prof.  Loeschcke. 


NACHTRAG  411 

zeigt  die  Caeretaner  H\dria  HCl  f.  1802  vS.  2.^'):  auch  dort  ent- 
sprechen die  Beine  der  Daniliirsche  nicht  der  Natur.  Kur/., 
icli  opfere  meinen  armen  Hirsch  :  ;  Xit/ic  (jiiocjiir  pro  imlla 
i'irginr  cfrva  cadit  . 

Die  Frage  wäre  ohne  tiefere  Bedeutung,  wenn  nicht  das 
Relief  durch  die  neue  Erklärung  seinen  mythischen  Charak- 
ter verlöre  und  damit  aus  dem  Rahmen  der  Darstellungen 
am  amykläischen  Thron  herausfiele.  Wie  mir  H.  Thiersch 
mitteilt,  haben  die  /\usgrabungen  im  Amyklaion  ergeben, 
dass  das  Material  meines  Bruchstückes  nicht  zu  den  angeb- 
lich gesicherten  Resten  des  Thrones  passt.  So  wird  mein 
Vorschlag,  das  Relief  auf  den  Thron  zu  beziehen,  von  zwei 
Seiten  angegriffen  und  es  erscheint  ratsam,  das  genrehafte 
Motiv  der  Hasenjagd  als  gesonderten  Schmuck  auf  einem 
freistehenden  Pfeiler,  etwa  dem  Träger  eines  Weihgeschen- 
kes, zu  denken  (vgl.  Magnesia  am  Mncandcr  S.  159  Abb.  171). 
Wie  dem  auch  sei,  aus  dem  Kreise  der  am  Thronbau  betei- 
ligten Künstler  wird  das  Werk  doch  stammen  und  auch  wei- 
terhin eine  Vorstellung  von  der  Kunst  des  Bathykles  vermit- 
teln können. 

Berlin. 

Bruno  Schröder. 


41 


ZWEI    INSCHRIFTEN   AUS    BITHYNIEN. 


1.  Brussa,  Privatbesitz.  Walirsclieiiilich  aus  der  Gegend 
von  Apollonia  am  Rhyndakos.  Weisser  Marmor.  H.  32  cm; 
Durchmesser  unten  22,  oben  16  cm.  Auf  einer  runden,  7  cm 
hohen  Basis  ringelt  sich  in  fünf  W^indungen  von  zunehmen- 
der Dicke  eine  vSchlange  mit  schuppiger  Haut  empor;  der 
Kopf  ist  abgebrochen.  Auf  der  Basis  die  Inschrift  (Buchsta- 
ben-Höhe 0,8-  1,5  cm.    Zeilen-Ab.stand  0,5  cm.    6  0  TT  UU  HS  )  : 

'AyaHf)   tu/i] 
TW    Deco   xatu   ejcita- 
yi]v    'Ajt6?i(?L0)voc;) 

Weihgeschenk  an  Asklepios,  wie  das  ganz  ähnliche,  in  Bor- 
deaux gefundene  (Jullian,  Histoirc  de  Bordeaux  1895  S.  23  =: 
Reinach,  Repertoire  de  la  Seulpfure  III  S.  IIb').  Zu  xaid  gjti- 
taytiv  vgl.  Dittenberger  Sxlloge'-  II  786.  805.  Die  Buchstaben 
kovog  hatten  unten  keinen  Platz  mehr,  da  die  Inschrift  den 
Windungen  der  vSchlange  entsprechend  schräg  geschrie- 
ben   war. 


2.  Nikaia,  Privatbesitz.  Gefunden  etwa  eine  Stunde 
östlich  von  der  vStadt,  bei  der  Anlage  der  neuen  Chaussee 
von  Nikaia  nach  Mekedsche.  Oberes  Stück  'eines  Grabreliefs 
aus  weissem  Marmor.  H.  37,  Br.  50,  T.  4  cm.  Auf  der  recht- 
eckigen, unten  gebrochenen  Tafel  sind  erhalten  der  Ansatz 
einer  oben  rund  abgeschlossenen  Nische  und  eines  Pfeilers, 
der  die  Nische  links  begleitete.  Im  Zwickel  eine  Rosette. 
Darüber  Architrav  und  Giebel  mit  First-  und  vSeitenakrote- 
rien.  Die  Inschrift  steht  auf  diesen  Teilen,  sowie  auf  dem 
Grunde   dazwischen  und  darüber,  und  ist  den  Umrandungen 


ZWEI    INSCHRIFTEN    AUS    I'.ITUVXIICN  413 

der  Architcktiirolicdcr  anocpasst.  lUichstabcn-I  I(")lio  etwa  2  cm. 
A  B  e  M  C  UU  : 

Ai'o.    ^jT(nMS(mi((i))\'i    x^-    Kv  .  .  . 
oix(ov   8v    Monogramm    f(  i'/.rj    \'\i'oi|- 
I^ojv  £[.i(xii-        Christi  ha\'[\ 

T(p    xa  xi]jtnuQoc         reoxeu- 

x«l    Tii    oBfivo-  aa(x 

x('i.T\\    Hov    m'(ji)ßio)    AvQ.    0e,oft[o')Qa?] 

Grabinschrift  des  I\'.  Jahrhnnderts  n.  Chr.  In  der  Xische 
stand  das  Ehepaar.  Die  ((PAi]  AuQJiXifxvi)  geht  jedenfalls  auf 
das  Jahr  272  n.  Chr.  zurück,  in  dem  Aurelian  auf  dem  Zuge 
gegen  Zenobia  in  Bithynien  weilte  (Pauly-Wissowa  V  1383). 
Im  Jahre  270  hatte  sich  die  Landschaft  \-on  der  Herrschaft 
der  Palm\'rener  befreit  {(i.a.O.  1364),  aber  Nikaia  war  wie 
Chalkedon  offenbar  nicht  in  ihre  Hände  gefallen.'  Die  Mauern 
von  Nikaia  waren  nach  der  Zerstörung  durch  die  Goten  unter 
Valerian  gegen  Goten  wie  Palmyrener  neu  in  Stand  gesetzt, 
das  Süd-  und  Westtor  269  dem  Claudius  (Tothicus  geweiht 
worden  {CIG.  II  Nr.  3747/8.   Baedeker,  Klrinasini  S.151). 

Posen. 

C.    Fredrich. 


414 


FUNDE. 

Die  Ausgrabungen  des  Deutschen  Instituts  in  Pergamon 
sind  im  Herbste  1 905  in  gewöhnlicher  Weise  fortgesetzt  wor- 
den. Da  in  einem  der  nächsten  Hefte  dieser  Zeitschrift  ein 
ausführlicher  Bericht  über  die  Resultate  der  beiden  Cam- 
pagnen  von  1904  und  1905  erscheinen  wird,  mag  hier  nur 
mit  einigen  Worten  auf  die  Ergebnisse  hingewiesen  werden. 
Im  oberen  Gymnasion  wurde  ein  Teil  des  Hofes,  der  Säle 
an  seiner  Nordseite  und  des  unterirdischen  Dromos  an  seiner 
Südseite  aufgedeckt.  Am  Abhänge  zwischen  dem  Gymnasion 
und  der  II.  Agora  legten  wir  das  Haus  des  Consuls  Attalos 
frei,  dessen  Hof  schon  1904  gefunden  war  (vgl.  Athni.  Mitteil. 
1904  S.  386).  An  dem  Theater  der  Akropolis  wurden  weitere 
Grabungen  und  Untersuchungen  vorgenommen,  die  unter 
Anderem  ergaben,  dass  in  dem  einst  aus  Holz  bestehenden 
ältesten  Skenengebäude  das  Proskenion,  ähnlich  wie  in  Delos, 
auch  an  den  kurzen  Seiten  der  Skene  entlang  lief.  Endlich  er- 
gaben Untersuchungen  der  Tumuli  in  der  Kai'kos- Ebene,  die 
aber  noch  nicht  abgeschlossen  sind,  dass  der  grosse  Mal-Tepeh 
aus  römischer  Zeit  stammt,  während  der  noch  etwas  grössere 
Jigma-Tepeh,  dessen  Grabkammer  noch  nicht  gefunden  ist, 
der  Zeit  der  pergamenischen  Könige  angehört.         (W.  D.). 

Bei  Kapakly,  in  der  Nähe  von  Volo,  hat  Herr  Ephoros 
Kuroniotis  mit  bestem  Erfolge  seine  Ausgrabung  des 
'  mykenischen  Kuppelgrabes  fortgesetzt,  über  deren  Beginn 
er  in  unseren  Mittriluiigni  (1905  vS.153  ff.)  berichtet  hat.  Eine 
Notiz  darüber  gibt  er  selbst  in  der  athenischen  Zeitschrift 
navaBijvaia,  die  seit  diesem  Herbst  in  sehr  dankenswerter 
Weise  alle  griechischen  Funde  sofort  verzeichnet  und  durch 
berufene  Fachleute  kurz  besprechen  lässt.  Man  darf  sonach 
hoffen,  dass  dieses  Blatt  den  lange  gehegten  Wunsch  nach 
einer  regelmässigen    Fundstatistik   von  Hellas  erfüllen  wird. 

Das  Grab  von  Kapakly  (llava^/ivai«  1905,  October  S.  60) 
maass  ungefähr  10  m  im  Durchmesser  und  war  über  7  m  hoch. 
Die  Wände,  aus  rohen  Steinplatten  aufgebaut,  stehen  noch 
bis  zu  einer  Höhe  von  4  m.    Eine  starke    Alauer   schloss  die 


FUNDE  415 

Tür  zum  Dronios  ab.  Im  Innern  fanden  sich  Reste  von  etwri 
zwanzio-  Skeletten:  die  (irnft  ist  rdso  längere  Zeit  hindnrch 
benützt  worden. 

Die  schönen  o^oldenen  vSchniucksaclien,  welche  den  Hanpt- 
bestand  der  Beigaben  bilden,  gleichen  durchaus  den  mvkeni- 
schen,  wenn  sie  auch  deren  Zahl  und  Reichtum  nicht  er- 
reichen. Es  sind  darunter  viele  Glieder  von  Halsketten,  zum 
Teil  mit  Tintenfischen  verziert,  eine  grosse  Rosette,  ein  Ciold- 
plättchen  in  Gestalt  eines  Altars  oder  einer  Capelle;  dann 
eine  Reihe  von  Schmetterlingen  aus  Goldblech,  wie  sie  in 
den  m)kenischen  Schachtgräbern  erscheinen.  Die  zahlreichen 
Beigaben  aus  Elfenbein  .sind  zu  (irunde  gegangen  in  der 
Feuchtigkeit  des  (rrabes,  das  unterirdisch  in  der  Ebene  an- 
gelegt war.  An  mykenischen  Vasen  war  die  Ausbeute  gering. 

Südlich   von   T  h  eben   hat  der  Director  des  Museums, 
Herr   K  e  r  a  m  o  p  o  u  11  o  s,   ebenfalls  ein  paar      mykenische 
Gräber    geöffnet,    aus    deren    Inhalt   er   mir    einige   hübsche 
Goldsachen  freundlich  gezeigt  hat. 

Beim  Heiligtum  der  Artemis  Hemera  von  Lusoi 
sind  bei  einer  privaten  Grabung  die  Büste  einer  archaischen 
Statuette  der  Göttin,  sowie  silberne  und  eherne  Schmuck- 
sachen gefunden  worden  :  darunter  ein  silberner  Ring  mit 
der  Aufschrift  x«Ad  in  Buchstaben  des  V.  Jahrhunderts. — 
Derselben  Zeit  gehört  ein  grösserer  Fund  thönerner  Artemis- 
Statuetten  an,  der  aus  Langadia  auf  Kerkyra  ins  Museum 
von  Corfu  gelangt  ist.  Vor  der  stehenden  Göttin  sielit  man 
auf  einigen  Exemplaren  ein  Reh,  genau  wie  an  den  von  Kara- 
panos  bei  Kanon  auf  Kerkyra  entdeckten  Artemis-Statuetten 
im  Nationalmuseum  (vgl.  Winter,  Typenkat.  I  S.IOO,  vgl.  L\'I). 

Von  Einzelfunden  sind  zu  erwähnen  :  eine  archaische 
Bronzestatuette  eines  sitzenden,  seinen  Phallos  mit  der  Rech- 
ten packenden  Silens,  aus  A  c  h  1  a  d  o  k  a  m  j)  o  s  ( A  r  g  o  1  i  s), 
jetzt  auf  der  Polizei  in  Nauplia  confisciert ;  eine  Inschrift 
von  A  n  d  a  n  i  a,  die  in  drei  Columnen  eine  Namenliste  mit 
Angabe  gezahlter  Gelder  gibt  (s.  vorläufig  A(rvanitopoulos), 
HaraOip-aia,  November  1 905  S.94).  Endlich  hat  Herr  R  o  m  a  i  o  s 
im  Auftrao;e  des  griechischen  Unterrichts -Ministeriums  im 
Juli  1905  bei  Kynuria  (H.  Petros)  einen  antiken  Töpfer- 


416  FUNDE 

ofen  aufgedeckt,  über  den  er  freundlichst  fol,i>-endes  berichtet: 
«Die  Wände  des  einst  kuppeiförmigen  Ofens  stehen  nocli  bis 
zu  0,90  m,  zum  grössten  Teil  unterirdisch.  Der  Durchmesser 
der  genau  kreisrunden  Anlage  beträgt  1,.S(),  die  Tür,  deren 
Seiten  sich  nach  aussen  abstufen,  ist  0,65  m  breit.  In  der 
Mitte  des  Ofens  erhebt  sich  ein  kreisrunder  Pfeiler  aus  Lehm- 
ziegeln (H.  0,45,  Dm.  0,65  m),  die  r^Iittelstütze  des  (gleich- 
falls aus  Lehmziegeln  bestehenden)  Fussbodens,  auf  den  die 
Gefässe  zum  Brand  gestellt  wurden.  Darunter  brannte  das 
Feuer;  die  Hitze  wurde  durch  Löcher  im  Fussboden,  die  sich 
nach  unten  trichterförmig  erweiterten,  den  (befassen  zuge- 
führt». So  konnten  sich  durch  Stichflammen  leicht  die  Brand- 
flecken ergeben,  die  wir  an  so  vielen  griechischen  Vasen 
walirnehmen  (Furtwängler- Reichhold,  Grirch.  Vasrmnalcrri 
S.  154).  Die  von  Herrn  Romaios  gesammelten  Scherben  sol- 
len dem  4.  Jahrhundert  v.  Chr.  angehören.  Hoffentlich  wird 
er  bald  diesen  so  wichtigen  Fund  publiciercn.  [(t.   K.] 


ERNENNUNGEN. 

Zu  Ordentlichen  Mitgliedern  wurden  ernannt  die  Herren: 
f  T.  W.  Heermance  in  Athen,  G.  Karo  in  Athen,  E.  v.  Stern 
in  Odessa, 

zu  correspondierenden  Mitgliedern  die  Herren : 
L.  Correra  in  Neapel,  W.  Kolbe  in  Rostock,  B.  Nogara  in  Rom, 
A.   D.    Keramopoullos  in  Athen,   A.  L.  Kjellberg  in   L^psala, 
H.  Thiersch  in  Freiburg  i.  Br.,  j\I.  Tsakyroglu  in  Snnrna. 


SITZUNGS-PROTOKOLLE. 

6.  December  1 905.  Winckelmanns-Sitzung.  W.  Dörpfeld; 
Jahresbericht  über  die  Tätigkeit  des  Instituts.  —  G.  Karo: 
Die  Entwicklung  des  delphischen  Heiligtums. 


Geschlossen  am  Winckelmanns-Tage  1905. 


ERRATA. 


S.  375,  Z.  13:   zu  lesen    1903    statt   1893. 

S.  412-3:  Die  beiden  Inschriften  aus  Bithvnien  sollen  lauten: 


1 .  'AYa{)fi   xvyr\ 

TCO   \}8ü)   xata   ijtiTu- 
yi]\'    'AjtoA(Aü)A'i05?) 


AvQ.  2jtou8aai(m)vi,  xe  Ev  .  .  .  v  .  . 
oixwA'  £v  Monogramm  cpuArj  Avqi)- 
t,ü)v  e|,iav-         Christi  A.ifxvfi 

Tcö  xa  x)i:rtODQÖ(;      |  xeoxei)- 

xal   TT]    oe^ivo-  aaa 

TfUT]      JlOll      Gl'([^l)ßur)      Al'Q.     08o8  [(0(^)a  ?] 


Das  Erscheinen  dieses  Heftes  ist  durch  die  Notwendig- 
keit verzögert  worden,  ihm  das  Mitgliederverzeichnis  bei- 
zufüofen. 


VERZEICHNIS 

DER   MITCx  LIEDER 

DES 

KAISERLICH  DEUTSCHEN 
ARCHÄOLOCISCHEN   INSTITUTS 

DEZEMBER   1905 


ZENTRALDIRHKTION 


Herr  O.  Puchstein,  Gencral-Sekretar 

„  A.  Conze 

„  A.  Erman 

„  O.  Hirschfeld 

„  R.  Kekule  von  Stradonit/ 

„  C.  Klügmann 

„  R.  Schöne 

„  U.  von  Wilamowitz-Moellendorff 

„  G.  Loeschcke  in  Botin. 

„  A.  Michaelis  in  Straßburg  i.  E. 

„  F.  Studniczka  in  Leipzig. 

„  P.  Wolters  in    Würzbnrs'. 


in  Berlin. 


SEKRETARIATE 

IN  ROM 

Herr  G.  Körte,  Erster  Sekretär. 
„     Ch.  Hülsen,  Zweiter  Sekretär. 


IN  ATHEN 

Herr  W.  Dörpfeld,  Erster  Sekretär. 

„      G.  Karo,  kommissarischer  Zweiter  Sekretai 


RÖMISCH-GERMANISCHE  KOMMISSION 

IN  FRANKFURT  A.  M. 
Herr  H.  Dragendorff,  Frankfurt  a.  J/.,  Direktor. 


Puchstein,  Berlin,  als  General-Sekretär. 
.  Hirschfeld,  Berlin,   \   von  der  Zentraldirektion 
Loeschcke,  Bonn,     j   aus   ihrer  Mitte  gewählt. 
Adickes,  Frankfurt  a.  J/.,    1 

Meyer,  Berlin,  ,   vom  Reichskanzler  berufen. 

Schumacher,  Mainz,  ] 

Jacobi,   Homburg  v.  d.  Fl.,   berufen  von   Preußen. 


Ranke,  München, 
von  Herzog,    Tübingen, 
Fabricius,  Freiburz  ?.  />/'., 

vacat 
Henning,  Straßburg  i.  Fls., 
von  Domaszewsky,  Heidelberg, 
Ohlenschlager,  MüncJie)i, 
Ri  1 1  e  r  1  i  n  g ,  Wiesbaden, 
Schuchhardt,  Hannover, 
Wolff,  Frankfurt  a.  M., 


„  Bayern. 

„  Württemberg. 

„  Baden. 

„  Hessen. 

„  Elsaß-Lothringen. 

berufen    vom    Reichskanzler 

auf  Antrag 

der  Zentraldirektion. 


MITGLIEDER   DES   INSTITUTS 


EHREN-MITGLIEDER 

Seine  Kaiserliche  und  K()niL;liche  Hoheit  Erzherzotj;-  Kainer, 
Seine  Königliche  Hoheit  Pi'inz  Rupprecht  von  Bayern. 
Seine  Hoheit  Erbprinz  Bernliard  von  Sachsen-Meiningen. 
Seine  Hoheit  Prinz  Friedrich  Karl  von  Hessen. 
Seine  Durchlaucht  Fürst  Johann  von  und  zu  Liechtenstein. 
Seine  Durchlaucht  Fürst  von  Radolin,  Paris. 
Herr  F.  Adickes,  Frankfurt  a.  M. 

„      C.  Freiherr  von   Bildt,  Rom. 

„      C.  Klügmann,  Berlin. 

„      H.  Lehmann,  Halle  a.  S. 

„      H.   Graf  von  und  zu  Lerchenfeld,  Berlin. 
Donna  Ersilia  Caetani  contessa  Lovatelli,  Rom. 
Herr  A.  von  Nelidow,  Paris. 

„      Graf  von  Plessen-Cronstern,  Sluitgart. 

„      J.  von  Radowitz,  Madrid. 


II 

ORDENTLICHE   MITGLIEDER 

Herr  F.  Adler,  Berlin.  Herr  O.  Benndorf,    Wien. 

,,     W.  Amelung,  Rom.  „     M.  R.  de  Berlanga,    Malaga. 

„      Conte  A.  Antonelli,  Rom.  „      J.  J.  liernouUi,  Basel. 


B.  von  Arnold,  MüncJien. 

E.  Babelon,  Paris. 

F.  Barnabei,  Rom. 


H.  Bindernagcl,    I-'rankfnrf 

a.  M. 
H.  Blümner,  Zürich. 


Barone  G.  Barracco,  Rom.  „     J.  Bochlau,  Kassel. 


—     6     — . 


Herr  G.  Boni,  Rom. 

„  L.  Borchardt,  Kairo. 

„  E.  Bormann,    Wien. 

„  R.  Borrmann,  Berlin. 

„  R.  C.  Bosanquet,  Athen. 

„  M.  Botkin,  St.  Petersburg. 

„  E.  Brizio,  Bologna. 

„  A.  Brueckner,  Berlin. 

„  F.  Bücheier,  Bonn. 

„  F.  Bulic,  Spalato. 

„  R.  Cagnat,  Paris. 

„  G.  Calderini,  Rom. 

„  F.  Calvert,  Dardanellen. 

„  A.  Castellani,  /^öw. 

„  Marchese  B.  Chigi,  Siena. 

„  W.  von  Christ,  München. 

„  M.  Collignon,  Paris. 

„  S.  Colvin,  London. 

„  A.  Conzc,  Berlin. 

„  F.  Cumont,  Brüssel. 

„  A.  L.  Delattre,    Tunis. 

„  G.  De  Petra,  Neapel. 

„  E.  De  Ruggiero,  i^fw. 

„  H.  Dessau,  Berlin. 

„  H.  Diels,   Berlin. 

„  K.  Dilthey,    Gottingen. 

„  W.  Dittenberger,  Halle  a.  S. 

„  A.  von  Domaszewski,  Heidel- 
berg. 

„  O.Donner- von  Richter,  Frank- 
furt  a.  AI. 

„  W.  Dörpfeld,  Athen. 

„  J.  Dragatsis,  Piräns. 

„  H.  Dragendorff,  Frankfurt 
a.M. 

„  St.  Dragumis,  Athen. 

„  H.  Dressel,  Berlin. 

„  L.  Duchesne,  AW^. 

„  F.  von  Duhn,  Heidelberg. 


Herr  J.  Durm,  Karlsruhe. 

„  F.  Ehrle,  At?;;/. 

„  R.  Engehnann,  Rom. 

„  A.  Erman,  Berlin. 

„  A.  J.  Evans,   Oxford. 

„  E.  Fabricius,  Freiburg  i.  Br. 

„  J.  Ficker,  Straßburg  i.  E. 

„  F.  Fita,  ]\Iadrid. 

„  R.  Foerster,  Breshui. 

„  P.  Foucart,  Paris. 

„  J.  G.  Frazer,   Cambridge. 

„  L.  Friedländer,  Straßburg  i.  E. 

„  W.  Fröhner,  Paris. 

„  A.  Furtwängler,  München. 

„  G.  F.  Gamurrini,  Aresao. 

„  E.  A.  Gardner,  Londo7i. 

„  P.  Gardner,   Oxford. 

„  G.  Gatti,  Af?;//. 

„  P.  F.  Gauckler,    Tunis. 

„  G.  Ghirardini,  Padua. 

„  W.  W.  Goodwin,   Cambridge, 

Mass. 

„  F.  Graeber,  Bielefeld. 

„  B.  Graef,  Jena. 

„  Fr.  LI  Griffith,   ai/^/v/. 

„  F.  Halbherr,  Rom. 

„  Halil  - Edhem  -  Bey,    Konstan- 
tinopel. 

„  O.  Hamdy-Bey,  Konstantinopel. 

„  J.  Hampel,  Budapest. 

„  A.  Harnack,  Berlin. 

„  W.  von  Hartel,    Wien. 

„  P.  Hartwig,  Rom. 

,,  B.  Haussoullier,  Paris. 

„  P'.  Haverfield,   Oxford. 

„  B.  V.  Head,  London. 

„  R.  Heberdey,  Athen. 

„  J.  L.  Heiberg,  Kopenhagen. 

„  W.  Heibig,  Aö;/^ 


7     — 


Herr  E.  von  HcrzoL;',    Tiibiiigcn. 

„  L.  Heuzey,  Paris. 

„  F.  Freiherr  Hillcr  von  Gaert- 

ringen,  Berlin. 

„  O.  Hirschfeld,    Berlin. 

„  M.  Holleaux,  Athen. 

„  A.  E.  J.  Holwerda,  Leiden. 

„  Th.  Homolle,  Paris. 

„  Ch.  Hülsen,  Rom. 

„  F.   Imhoof- Blumer,     Wiuier- 

tJuir. 

„  L.  Jacobi,  Homburg  v.  d.  H. 

„  H.  St.  Jones,   Oxford. 

„  C.  Justi,  Bonn. 

„  E.  Kaiinka,  Innsbruck. 

„  G.  Karo,  Athen. 

„  P.  Kavvadias,  Athen. 

„  13.  Keil,  StraJJburg  i.  E. 

„  R.    Kekule    von    Stradonitz, 

BerltJi. 

„  F.  Kenner,  Wien. 

„  A.  Kirchhoff,  Berlin. 

„  W.  Klein,  Prag. 

„  F.  Koepp,  Münster  i.  IV. 

„  R.  Koldewey,  Babylon. 

„  A.  Kondostavlos,  Athen. 

„  A.  Körte,  Basel. 

„  G.  Körte,  Rom. 

„  W.  Kubitschek,   Wieti. 

„  Sp.  Lambros,  Athen. 

„  R.  A.  Lanciani,  Rom. 

„  C.  Graf  Lanckoroi'jski-Brzezie, 

J]^en. 

„  B.  Latyschew,  5/.  Petersburg. 

„  H.  Lechat,  Lyon. 

„  H.  Lehn  er,  Bonn. 

„  F.  Leo,   Göttingen. 

„  V.  Leonardos,   Athen. 

„  G.  Loeschcke,  Bonn. 


Herr  E.  L(")\v\',  /w;///. 

H.  Luckenbach,  Karlsruhe. 

„  O.  I^üders,  Athen. 

„  G.  Lumbroso,  AV///. 

„  L.  Mariani,  /'/.sv?'. 

„  O.  Marucchi,  Rom. 

„  G.  Maspero,  Paris. 

„  A.  Mau,  Rom. 

,,  A.  Meletopulos,  Piräiis. 

„  E.  Meyer,  Berli)i. 

„  A.  Michaelis,  Straßburg  i.  Ji. 

„  L.  A.  Milani,   Floren::. 

„  A.  Mommsen,  Hamburg. 

„  O.  Montelius,  Stockholm. 

„  J.  H.  Mordtmann,  Smyrna. 

„  R.  Mowat,  Paris. 

„  N.  Müller,  />>/'//«. 

„  K.  Mylonas,  Athen. 

„  G.  Niemann,  /[»«. 

„  B.  Niese,  Marburg  i.  H. 

„  H.  Nissen,  Bonn. 

„  Ch.    E.    Norton,    Cambridge, 

Mass. 

„  R.  Norton,  Rom. 

„  F.  Ohlenschlager,  München. 

„  P.  Orsi,  Syrakus. 

„  E.  Pais,  Neapel. 

„  A.  Pasqui,  Rom. 

„  C.  Patsch,  Serajeivo. 

„  E.  Pernice,   Greifsivald. 

„  G.  Perrot,  Paris. 

„  E.  Petersen,  Berlin. 

„  W.  M.  FlindersPetrie,  London. 

„  D.  Philios,  AtJien. 

„  L.  Pigorini,  /\^ö;//. 

„  E.  Pottier,  Paris. 

„  A.  Prachow,  vS7.  Petersburg. 

„  E.  Pridik,  5'/'.  Petersburg. 

„  O.  Puchstein,  Berlin. 


—     8     — 


Herr  W.  M.  Ramsay,  Abcrdcoi. 

„  E.  Reisch,   Wien. 

„  R.  B.  Richardson,  Nczv  York. 

„  O.  Richter,    Berlin. 

„  E.  Ritterling,   Wiesbaden. 

„  C.  Robert,  Halle  a.  S. 

„  H.  von  Rohden,  Hagenau. 

„  M.  Rostowzew,  St.  Petersburg. 

„  G.  McN.  Rushforth,  Grasniere, 

Mähern. 

„  A.  Salinas,  Palermo. 

„  B.  Sauer,    Gießen. 

„  L.  Savignoni,  Messina. 

„  R.  von  Schneider,   Wien. 

„  R.  Schöne,  Berlin. 

„  H.  Schrader,  Innsbruck. 

„  Th.  Schreiber,  Leipzig. 

„  J.  Schubring,  Lübeck. 

„  K.  Schuchhardt,  Hannover. 

„  W.  Schulze,  Berlin. 

„  C.  Schumacher,  Main,':. 

„  L.  von  Schwabe,    Tübingen. 

„  Jonkheer  J.  Six  vanHillegom, 

Amsterdam. 

„  A.  H.  Smith,  L^ondon. 

„  Cecil  H.  Smith,  London. 

„  A.  Sogliano,  Neapel. 

„  G.  Sotiriadis,  Athen. 

„  V.  Stais,  Athen. 

„  E.  von  Stern,   Odessa. 

„  J.  Strzygowski,    6";??^. 

„  F.  Studniczka,  Leipzig. 


Herr  J.  N.  Svoronos,  Athen. 

„  L.  von  Sybel,  Marbnrg  i.  H. 

„  G.  Tocilescu,  Bukarest. 

„  A.  Trendelenburg,  Berlin. 

„  G.  Treu,  Dresden. 

„  Ch.  Tsuntas,  Athen. 

„  D.  Vagiieri,  /^t^w. 

„  J.  Vahlen,  Berlin. 

„  A.  Heron  deVillefosse,  Paris. 

„  G.  Vitelli,  Florenz. 

„  M.  Graf  de  Vogüe,  Paris. 

„  E.  Wagner,  Karlsruhe. 

„  H.  Graf  von  Walderdorff, 

Regensburg. 

„  Ch.  Waldstein,   Cambridge. 

„  G.  Weber,  Smyrna. 

„  R.  Weil,  Äv-////. 

„  J.  W.  White,  Cambridge,  JLass. 

„  F.  Wickhoff,  FfYr//. 

„  Th.  Wiegan d,  Honstantinopel. 

„  U.  von  Wilamowitz-Moellen- 

dorff,  Berlin. 

„  U.  Wilcken,  Halle  a.  S. 

„  A.  Wilhelm,    Wien. 

„  A.  Wilmanns,  Berlin. 

„  J.  Wilpert,  Rom. 

„  H.  Winnefeld,  Berlin. 

„  F.  Winter,    6";'c75. 

„  G.  Wissowa,  Halle  a.  S. 

„  G.  Wolff,  Frankfurt  a.  M 

„  P.  Wolters,    Würzburg. 
R.  Zahn,  Berlin. 


III 
KORRESPONDIERENDE  MITGLIEDER 


Herr  G.  Alacevic,  Zara. 

Marchese  C.  Antaldi,  Pesaro. 
E.  Anthes,  Darmstadt. 


Herr  Marchese    G.    Antimi- Clari, 

Macerata  Feltria. 

Conte  Aria,  Marzabotto. 


—     9 


llerrP.  .Vrndt,  MiiiicJicn. 

Th.  Ashby,  Rom. 
„     O.  N.  Askitis,   Chalki. 
,,     E.  Assmann,  In-rlin. 

F.  Baraibar,  Vittoria. 
..      C.  Bardt,  Berlin. 

F.  Bau  mgarten ,  Freiburg  i.  Br. 

G.  Bcllucci,  Perugia. 
O.  Beriet,   Glosrait. 

L.  Berthoniieu,  Narhoiuie. 
A.  Bertrand,  Moiiliiis. 

E.  Bethe,    Gießen. 

F.  Freiherr  von  Bissing, 
München. 

R.  Blair,  Soii/Ii-Shields. 
„      Ch.  Blinkenberg,  A'(^/(r7//'ir?'^''r;/. 

E.  Bodensteiner,  3Iiincken. 
,.     R.  Bodewig,   Oberla/insfein. 

O.  Bohn,  Berlin. 
„     U.  Ph.  Boissevain,  Groningen. 
,,      C.  G.  Brandis,  Jena. 

A.  van  Branteghcm,  Paris. 

F.  Brun,  Nizza. 

,.     H.  Bulle,  Erlangen. 
„     A.  Calabrese,    Treviso. 
„      G.  Caminiti,  Reggio. 
„     G.  Canna,  Pavia. 
„     L.  Cantarelli,  7?(?;//. 

G.  Caraba,  Bisaccia. 
„     W.  Cart,  Lausanne. 

A.  Casilli,  Rhodos. 

F.  B.  Castiglioni,  Spongano. 

F.  Catone,   Gesualdo. 

R.  Cavarocchi,   Chieti. 

J.  Centerwall,  SöderJuinin. 

A.  van  Ceuleneer,    6^r«/. 

J.  Chatzidakis,   Candia. 

C.  Chiavarini,  Ancona. 

V.  Cicerchia,  Palestrina. 


Herr  A.  Coelho,  Lissabon. 

G.  A.  Colini,  AV///. 

Conte  F.  de  j^rincii^i  (.'olonna- 
Stigliano,  Neapel. 

Ci.  1<\  Com  fort,  Mcadvillc. 

I).  Comparetti,  Florenz. 
,.     A.  Conrads,  Haltern. 
,.     F.  Corazzini,  Florenz. 
„     F.  Cordenons,  Padua. 
„     L.  Correra,  Neapel. 
„     Conte  A.  Cozza,  A'^?;//. 
,,     C.  de  la  Croix,  Poiticrs. 
„     C.  Curtius,  Lübeck. 
„     P.  Da  Ponte,  Brescia. 
„     H.  Daumet,  Paris. 
,.     P.  Decharme,  Paris. 
„     M.  Deffner,  y^//^r«. 
,,     R.  Delbrueck,  Berlin. 
„     J.  Dell,   Czernoxvitz. 
„     .V.  De  Nino,  Sidniona. 
„     De  Persiis,  Assisi. 
„     D.  Detlefsen,   Glückstadt. 
„     M.  Dimitsas,  Athen. 
,,     P.  Dissard,  Lyon. 
„     P.  Di  Tucci,  A(;///. 
„     W.  Dobrusky,  Sofia. 
„     A.  Dohrn,  Neapel. 
„      F.  Donati,  Siena. 
„     F.  Dürrbach,    Toulouse. 
„      O.  Egger,    Jl»//. 
„     E.  Esperandieu,  Paris. 
„     Conte  E.  Faina,   Orvieto. 
„     I.  Falchi,   Montopoli  di  Val- 

darno. 
„     D.  Farabulini,  At^w. 
„     G.  Faraone,   Caiazzo. 
,,     L.  R.  Farneil,   Oxford. 
„     E.  Ferrero,    Turin. 

A.  Fontrier,  Sn/yrna. 


—       lO      — ■. 


Herr  H.  N.  Fowler,  Clcvcland,  Ohio. 
„     S.  Frankfurter,    Wien. 

C.  Fredrich,  Posen. 
,,     H.  von  Fritze,  Berli)i. 

\.    L.    Frothini;ham    jun., 
Princeion,  N.  J. 

G.  Gabrielli,  Ascoli  Piceno. 

A.  Galli,  Rom. 

P.  Gaudin,  Suiyrna. 
„      G.  Gelcich,  Ragusa. 
,.     H.  Geizer,  Jena. 
„     N.  Georgiadis,    J^olo. 

A.  Gcrcke,  Greifsivald. 
„  Giannopulos,  Habnyros. 
„  H.  Gies,  Konstanfinopel. 
„     E.  Gillieron,  AtJicn. 

G.  B.  Giovenale,  Rom. 
„     P.  des  Granges,  Rom. 
„     B.  Graser,  Hclsingfors. 
„     F.  Grossi,  Arce. 
„     St.  Gsell,  Algier. 
„     H.  Guhrauer,    ]\'ittenberg. 
..     D.  Hadjidimu,  Aidin. 
„     W.  G.  Haie,   Chicago. 
„     A.Hammeran,  ^7vr«/^//r/(7.  J/. 
Miß  J.  Harrison,    Cambridge. 
Herr  F.  Haug,  Mannheim. 
„     P.  Herrmann,  Dresden. 
„     R.  Herzog,    Tübingen. 
„     E.  L.  Hicks,  Ulanchesfer. 
„     G.  F.  Hill,  London. 

T.  Hodgkin,  Neivcastle-npon- 
Tyne. 
„     M.  Hoernes,    fP/W/. 
„     F.  Hultsch,  Dresden. 
„     P.  Ibarra  y  Ruiz,  Elche. 
„      G.  loannidis,  Pergamon. 
„     C.  Jacobsen,  Kopenhagen. 
„     A.  Jatta,  Rnvo. 


Herr  R.  C.  Jebb,   Cambridge. 

„  L.  Jelic,  Zara. 

„  W.  Judeich,  Erlangen. 

C.  Jullian,  Bordeaux. 

„  A.  Kandakidis,  Larissa. 

,,  K.  Karapanos,  AtJien. 

„  P.  Kastriotis,  Athen. 

.,  G.  Kavverau,  JMilet. 

„  A.  D.  Keramopullos,  Athen. 

„  O.  Kern,  Rostock. 

„  B.  Keune,  J/r/£r. 

„  J.  Kirchner,  /Berlin. 

„  L.  Kjellberg,    Upsala. 

„  H.  Knackfuß,  J/?7r/. 

„  C.  L.  Koehl,    Worms. 

„  C.  Koenen,  Boim. 

„  J.  Kokidis,  Athen. 

„  W.  Kolbe,  Rostock. 

„  N.  Kondakow,  .SV.  Petersburg. 

,,  A.  Kondoleon,  Delphi. 

„  P.  Kretschmer,    Jl'ien. 

„  M.  Krispis,  Kalavryta. 

„  E.  Kroker,  Leipzig. 

„  J.  Kromayer,    Czernoivitz. 

..  E.  Krüger,    Irier. 

„  K.  Kuruniotis,  Athen. 

„  V.  Kuzsinsky,  Budapest. 

„  K.  von  Lange,   Tübiiigen. 

„  N.  Limnios,  Artake. 

„  S.  D.  G.  Llabres,  Mahon. 

„  F.  Lombardini,  J>^.s^5(^. 

,.  L  xA..  Londos,  Athen. 

„  R.  Löper,  Konstantinopel. 

„  G.  Loring,  Malaga. 

„  G.  Lucciola,  Sangiorgio  a  Liri. 

„  H.  Lugon,    Cr.  .SV.  Bernhard. 

„  A.  Lupatelli,  Perugia. 

„  F.  von  Luschan,  Berlin. 

„  E.  Maass,  JMarburg  i.  H. 


1 1 


Herr  L.  Ma,L;L;iulli,   Miiro. 
H.  Maionica,  Aquilcja. 
W.  Malmberjj,  Dorpat. 
C.  Mancini,  Neapel. 
R.  Mancini,    Orvieto. 
G.  Mantovani,  Bergamo. 
G.  Mariütti,  Parma. 
L.  Härtens,  Elberfcld. 
van  Marter,    ]Vashins:ton. 

E.  Martinelli,  Amigni. 

F.  Marx,  Leipzig. 
C.  Masner,  Breslau. 
A.  Matsas,   Chalkis. 
L.  Mauceri,  Messina. 
M.  Mayer,  ÄvV///. 

G.  Mazzatinti,  Forli. 
P.  J.  Meier,  BraunscJnveig. 
J.  R.  Melida,  Madrid. 
A.  Meomartini,  Beneven/o. 
J.  Merz,  Stuttgart. 
W.  Meyer,   G'öttingeii. 

E.  Michon,  Paris. 
G.  Milella,  ä?;7. 
A.  Elias  de  Mo  lins,  Barcelona. 
Marques    de    Monsalud, 

Madrid. 

A.  Mordtmann,  Konstantino- 
pel. 

M.  G.  Moreno,   Granada. 

F.  Morlicchio,   Scafati. 
S.  Müller,  KopenJiagen. 
J.  L.  Myres,    Oxford. 
J.  Navpliotis,  Av?.rc'jj-. 

G.  Nervegna,  Brindisi. 
F.  M.  Nichols,  Lazvford  (bei 

Ma7mingto7i,  Es  sex). 
A.  Nikitsky,  Moskau. 
F.  Nissardi,   Cagliari. 
F.  Noack,  A7r/. 


I  icrr  1).  Xogara,  /v(V//. 

N.  Novosadsky,    Uarsc/iau. 
„     G.  Oberziner,  Mailand. 
„     R.  Oehler,  Berlin. 

L.  Otto,  Dresden. 
„      G.  Paci,  Ascoli  Piceno. 
„     F.  S.  Palazzetti,    Urbisaglia. 
..     L.  Pallat,  /)V;-///A 

A.  Papadopulos  -  Keramevs, 
^V.  Petersburg. 

M.  Papa-Konstandinu,  Aidin. 
M.  Pardo  de  Figiieroa,  Medina 

Sidonia. 
P.  Paris,  Bordeaux. 
W.  R.  Paton,    /  Iroflay. 
G.  Patron i,  Pavia. 
E.  Paulus,  Metz. 
G.  Pellegrini,  Bologna. 
P.  Perdrizet,  Nancy. 
L.  Pernier,  Florenz. 
W.  C.  Perry,  London. 
N.  Persichetti,  Aquila. 

B.  Pharmakowsky,  5/.  Peters- 
burg. 

A.  Philadelphevs,  Athen. 

A.  Philippson,  Bern. 

E.  Piccolomini,  Siena. 

F.  Pichler,   6^r<75. 

B.  Pick,   Gotha. 

G.  Pinto,    J'enosa. 
G.  Pinza,  /vc»;//. 
V.  Poggi,  Savona. 
N.  G.  Politis,  ^///r//. 
L.  PoUak,  7?c'7//. 
J.  Pomialowsky,    5/.   Peters- 
burg. 

G.  Porri,  ^r^'.s'^. 

A.  von  Premerstein,    [/>?//. 

A.  Preuner,   Greifsivald. 


—       12      — . 


Herr  E.  Preuner,   Straßbiirg  i.  E. 

„  A.  Prosdocimi,  Este. 

,,  K.  Purgold,   Gotha. 

„  A.  Puschi,  Tricst. 

„  Q-  Quagliati,    Tarcnt. 

„  G.  Rallis,  Pcrgainon. 

„  F.  von  Reber,  Münchoi. 

„  S.  Rein  ach,  Paris. 

„  L.  Reinisch,    Wioi. 

„  von  Rekowski,    Wiesbaden. 

,.  S.  Ricci,  Mailand. 

„  E.  Ridolfi,  Florenz 

„  P.  Rizzini,  Brescia. 

„  G.  E.  Rizzo,  /vc;w. 

„  H.  Röhl,  Halber  Stadt. 

„  J.  Roman,  Enibrun. 

„  O.  Rossbach,  Königsberg i.  Fr. 

„  Conte    G.    B.    Rossi  -  Scotti, 

Perugia. 

„  O.  Rubensohn,  Kairo. 

„  A.  Rubini,  Forniia. 

„  C.  Ruga,  Mailand. 

„  E.  Saavedra,  Madrid. 

„  N.  Sakkelion,   Tinos. 

„  F.  Salvatore-Dino,  Portici. 

„  A.  SantareUi,  Forli. 

„  D.  Santoro,    5.   Giovanni 

Incarico. 

„  F.  Sarre,  Berlin. 

„  H.  Schäfer,  Berlin. 

„  A.  Schiff,  y?r;V/«. 

,,  R.  Schillbach,  Potsdam. 

„  A.  Schindler,    [?»;/. 

„  J.   von   Schlumberger,     Geb- 

weiler. 

„  H.  Schmidt,  l^erlin. 

„  A.  Schöne,  Kiel. 

„  H.  Schöne,  Königsberg  i.  Pr. 

..  P.  Schröder,  Beirut. 


Herr  A.  Schulten,    Göttingen. 

„  E.  Schwartz,    Göttingen. 

,,  P.  Serlendis,  5)7'^:. 

„  M.  Siebourg,  Bonn. 

„  Conte    A.    Silveri-Gentiloni, 

Tolentino. 

„  A.  Skias,  AtJien. 

„  H.  Skorpil,  RustscJiuk. 

„  K.  SkorjDil,    Warna. 

„  E.  Solaini,    J^olterra. 

„  G.  J.  Solotas,   CJiios. 

„  Th.  Sophulis,   Savios. 

„  G.  Sordini,   Spoleto. 

„  G.  Sotiriu,   Sniyrna. 

„  A.  Spagnolo,    l^erona. 

,,  A.  G.  Spinelli,  Modena. 

„  Barone    M.    V.    Spinelli    de 

principi  di  Scalea,  Neapel. 

„  A.  Stamatiadis,  Samos. 

„  D.  Stavropulos,  Myko?ios. 

„  H.  Stein,   Oldenburg. 

„  N.  Stephanopulos,    Tripolis. 

„  L.  Stern,  Berlin. 

„  I.  R.  S.  Sterrett,  ////.rr^r,  A^.  i: 

„  P.  Stettiner,  Rom. 

„  C.  Stornaiolo,  A^tw/. 

„  M.  L.  Strack,    Gießen. 

„  H.  Swoboda,  Prag. 

„  Conte  E.Tambroni-Armaroli, 

Appignano  (bei  Macerata). 

„  A.  Taramelli,   Cagliari. 

„  A.    Tardieu ,     Clermont  -  Fer- 

rand. 

„  J.  Thacher-Clarke,  Harroiu. 

„  F.  von  Thiersch,  Münche?i. 

„  H.  Thiersch,   Ereiburg  i.  Br. 

„  E.  Thraemer,   Straßburg  i.  E. 

„  G.  Tomassetti,  Rom. 
G.  Tria,  Polatli. 


Herr  G.  Tropea,  Padiia. 
„     M.  Tsakyroglu,  Sniyrna. 
„     D.  Tscholakidis,  Pcvi^aiuon. 
,,     D.  Tsopotos,    W^lo. 
„      H.  L.  Urlichs,  München. 

].  L.  de  Vasconcellos,  Lissa- 
bon. 
„     J.  de  Vasconcellos,    Opoiio. 
..     E.  Vassiliu,    Thei'a. 
..     F.  A.  Vera,   Cadix. 
„     A.  Vernarecci,    Fossonibronc. 
„     D.  Vikelas,  Athen. 
„     L.  Viola,    Tarcnl. 
„     S.  Vitali,    ]^cnafro. 
„     J.  C.  Vollgraft;    UhrcJit. 

G.  Vyzantinos,  AlJicn. 
„     J.  Wackernagel,   Cöttingen. 
„     V.  WaiUe,  .-J/^/rr. 
„     M.  Waltrowitz,  Belgrad. 

K.  Watzinger,  Rostock. 


Herr  A.  Weckerling,    W'onns. 

W.  Weißbrodt,  Pu-annsberg. 

P.  Weizsäcker,   Cahv. 

C.  Wichmann,  J/^/,g'. 

S.  Wide,   Upsala. 

\.  Wiedemann,  Bonn. 

W.  Wilberg,    /[?>;/. 

P.  Wilski,  Frcibcrg  i.  S. 

B.  I.  Wheeler,  Berkeley,  Cal. 

K.  Woermann,  Dresden. 

G.  Wolfram,  J/^/.:r. 

J.  Wordsworth,   Salisbury. 

F.  Zamboni,    [f/V;^. 

A.  Zannoni,  Bologna. 

L.  Zdekauer,  Macerata 

(Mar che). 
J.  Ziehen,  P>erlin. 
Th.  Zielinski,   .SV.  Petersburg. 
E.  Ziller,  y?//^r//. 


IV 

ÜBERSICHT    SÄMTLICHER    MITGLIEDER 
NACH   ÖRTLICHKEITEN   GEORDNET 


1.  Ägypten. 

Kairo:  O.  M:  L.  Borchardt,  C.  M.. 
O.  Rubensohn. 


2.  Belgien. 

Brüssel:    0.  M.:  F.  Cumont. 
Genf:   C.  AI.:  A.  van  Ceuleneer. 

3.  Bosnien. 

Serajczuo:   0.  M.:  C.  Patsch. 


4.  Bulgarien. 

Sofia:    C.  M.:  W.  Dobrusky. 
RnstscJiuk:   C.  M.:  H.  Skorpil. 
Warna:   C.  M.:  K.  Skorpil. 

5.  Dänemark. 
KopenJiagen:   O.  M.:  J.  L.  Heiberg, 

r.  J/.;    Ch.  Blinkenberg,  C.  Ja- 
cobseh, S.  Müller. 

6.  Deutschland. 

Berlin  und  ]^ororte:  F..M.:  C.  Klüg- 
mann, H.  Graf  von  und  zu  Ler- 


—       T4 


chcnfeld,  O.M.:  F.  Adler,R.Borr- 
mann,  A.  Brueckner,  A.  Conze, 
H.  Dessau,  H.  Diels,  H.  Dressel, 
A.  Erman,  A.  Harnack,  F.  Frei- 
herr Hiller  von  Gaertringen, 
O.  Hirschfeld,  R.  Kekule  von 
Stradonitz,  A.  Kirchhoff,  E. 
Meyer,  N.  Müller,  E.  Petersen, 
O.  Puchstein,  O.  Richter,  R. 
Schöne,  W.  Schulze,  A.  Tren- 
delenburg, J.  Vahlen,  R.  Weil, 
U.  von  Wilamowitz  -  Moellen- 
dorff,  A.  Wilmanns,  H.  Winne- 
feld,  R.  Zahn,  C.  M.:  E.  Ass- 
mann, C.  Bardt,  O.  Bohn,  R.  Del- 
brueck,  H.  v.  Fritze,  J.  Kirchner, 
F.  V.  Luschan,  M.  Mayer,  R. 
Dehler,  L.  Pallat,  F.  Sarre,  H. 
Schäfer,  A.  Schiff,  H.  Schmidt, 
L.  Stern,  J.  Ziehen. 

Bielefeld:    0.  M.:  F.  Graeber. 

Bonn:  0.  M.:  F.  Bücheier,  C.  Justi, 
H.  Lehner,  G.  Loeschcke,  H. 
Nissen,  C.  M.:  C.  Koenen,  M. 
Siebourg,   A.  Wiedemann. 

Braiinsberg:  C.  AI.:  W.Weißbrodt. 

Braunsclizveig:   C.  M.:  P.  J.  Meier. 

Breslau:  O.AL:  R.  Foerster,  C.  M.: 
C.  Masner. 

Cahv  i.  Willi t.:  C.  M.:  P.  Weiz- 
säcker. 

Darmstadt:   C.  M.:  E.  Anthes. 

Dresden:  0.  M.:  G.  Treu,  CM.: 
P. Herrmann,  F.Hultsch,  L.  Otto, 
K.  Woermann. 

Elberfeld:   T.  J/.;  L.  Martens.  | 

Erlangen:  C.  M.:  H.  Bulle,  W.  Ju-   j 
deich. 

Frankfurt  a. M.:  E.  M. :  F.  Adickes,  { 


CXiI/.;H.  Bindernagel,  O.Donner-, 
von  Richter,  H.  Dragendorff,  G. 
Wolff,   C.  M.:  A.  Hammeran. 

Freiberg  i.  S.:   C.  M.:  P.  Wilski. 

Freibiirg  i.  Br.:  O.  M.:  E.  Fabri- 
cius,  C.  AI.:  F.  Baumgarten,  H. 
Thiersch. 

Gebzveiler  i.  Eis.:  C.  AI:  J.  von 
Schlumberger. 

GiefJen:  O.  M,:  B.  Sauer,  C.  AI: 
E.  Bethe,  M.  L.  Strack. 

Glogau:   C.  AI:  O.  Beriet. 

Glückstadt:   C.  AI:  D.  Detlefsen. 

Gotha:  C.  AI:  B.  Pick,  K.  Pur- 
gold. 

Göttingen :  0.  AI. :  K.  Dilthey,  F.  Leo, 
C.  M:  W.  Meyer,  A.  Schulten, 
E.  Schwartz,  J.  Wackernagel. 

Greifstvald:  0.  AI.:  E.  Pernice, 
C.  AI:  A.  Gercke,  A.  Preuner. 

Ilagenan  i.  F.:  0.  AI:  H.  von 
Rohden. 

Halb  er  Stadt:   C.  M.:  H.  Röhl. 

Halle  a.  S.:  F.  AI:  H.  Lehmann, 
0.  Jll:  W.  Dittenberger,  C.  Ro- 
bert, U.  Wilcken,  G.  Wissowa. 

Haltern  i.  JVestf:  C.  AI:  A.  Con- 
rads. 

Hamburg:   0.  AI:  A.  Mommsen. 

Hannover:  O.AI:  K.  Schuchhardt. 

Heidelberg:  O.  AI:  A.  von  Doma- 
szewski,  F.  von  Duhn. 

Blomburg  v.  d.  H.:  0.  HL:  L.  Jacobi. 

Jena:  0.  AI:  B.  Graef,  C.  AI:  C. 
G.  Brandis,  H.  Geizer. 

Karlsruhe:  O.  AI:  J.  r3urm,  H. 
Luckenbach,  E.  Wagner. 

Kassel:    0.  AI:  J.  Boehlau. 

Kiel:  C.  AI:  F.  Noack,  A.  Schöne. 


—      I 


K'önis'sbcrs'  i.  Pr.:  C.  M.:  O.  Ross- 
bach,  H.  Schöne. 

Leipzig:  0.  M.:  Tb.  Schreiber,  F. 
Studniczka,  C.  M.:  E.  Kroker, 
F.  Marx. 

Lübeck:  0.  JIL:  J.  Schubring,  C  M.: 
C.  Curtius. 

Mainz:   0.  JL:  C.  Schumacher. 

Ma7inheiin:  C.  J/..-  F.  Haug. 

Marburg  i.  H.:  0.  M:  B.  Niese,  L. 
von  Sybel,   C.  J/..-  E.  Maass. 

Meiiiingen:  E.  M.:  Erbprinz  Bern- 
hard von  Sachsen  Meiningen. 

Metz:  C.  M.:  B.  Keune,  E.  Paulus, 
C.  Wichmann,  G.  Wolfram. 

MüncJicn:  E.M.:  Prinz  Rupprecht 
von  Bayern,  O.  J/.:  B.  von  .Vr- 
nold,  W.  von  Christ,  A.  Furt- 
wängler,  F.  Ohlenschlager,  C. 
J/..-  P.  Arndt,  F.  Freiherr  von 
Bissing,  E.  Bodensteiner,  F.  von 
Reber,  F.  von  Thiersch,  H.  L. 
Urlichs. 

Münster  i.  liest/.:  O.M.:  F.  Koepp. 

Oberlahnstein:  C.  J/..-  R.  Bodewig. 

Oldenburg:  C.  M.:  H.  Stein. 

Posen:  C.  M.:  C.  Fredrich. 

Potsdam:  C.  M.:  R.  Schillbach. 

Regensburg:  0.  J/.:  H.  Graf  von 
Walderdorff. ' 

Rostock  LAL:  CM:  O.Kern,  W. 
Kolbe,  K.  Watzinger. 

Rumpenheim  (Schloß)  i.  H.:  E. 
J/.:  Prinz  Friedrich  Karl  von 
Hessen. 

Straßburg  i.  E.:  O.  J/.:  J.  Ficker, 
L.  Friedländer,  B.  Keil,  A.  Mi- 
chaelis, C.  JL:  E.  Preuner,  E. 
Thraemer. 


Stuttgart:  /i.M.:  Graf  von  Plcssen- 

Cronstern,   C.  M.:  J.  Merz. 
Trier:  C.  M.:  E.  Krüger. 
Tübingen:   O.M.:  E.  von  Herzog, 

F.  von  Schwabe,  C.  M.:  R.  Her- 
zog, K.  von  Lange. 

Wiesbaden:    0.  J/..-   E.   Ritterling, 

C.  M.:  von  Rekovvski. 
Wittenberg:  C.  M.:  H.  Guhrauer. 
Worms:   C.  M.:   C.  F.  Koehl,   A. 

Weckerling. 
Würzburg:   0.  M:  P.Wolters. 

7.  Frankreich. 
Paris:  E.  J/..-  Fürst  von  Radolin, 
A.  von  Xelidow,  C^.  M.:  E.  Iia- 
belon,  R.  Cagnat,  ^L  Collignon, 
P.Foucart,  W.  Fröhner,  B.  Haus- 
soullier,  L.  Heuzey,  Th.  Homolle, 

G.  Maspero,  R.  IMowat,  G.  Perrot, 
E.  Pottier,  A.  Heron  de  Ville- 
fosse,  M.  Graf  de  Vogüe,  C.  M.: 
A.  van  Branteghem,  H.  Daumet, 
P.  Decharme,  E.  Esperandieu, 
E.  Michon,  S.  Reinach. 

Algier  (Afrika):  C.  M.:  St.  Gsell, 

V.  Waille. 
Bordeaux:     C.  2L:    C.   Jullian,    P. 

Paris. 
Clennont-Ecrrand:   C.  M.:  A.  Tar- 

dieu. 
Evibrun    (Haut es   Alpes):    C.   M.: 

J.  Roman. 
Lyon:    0.  M.:    H.  Lechat,    C.  M.: 

P.  Dissard. 
Moulins:   C.  M.:  A.  Bertrand. 
Nancy:   C.  M.:  P.  Perdrizet. 
Narbonne:   C.  M.:  L.  Berthomieu. 
Nizza:  C.  M.:  F.  Brun. 


i6 


Pciticrs:   C.  HL:  C.  de  la  Croix. 
Toulouse:   C.  J/.:  F.  Dürrbach. 
V^h'oflay  (Seine  et   OiseJ:    C.   M.: 
W.  R.  Paton. 

8.  Griechenland. 

Athen:  0.  M.:  R.  Bosanquet,  W. 
Dörpfeld,  St.  Dragumis,  R.  He- 
berdey,  M.  Holleaux,  G.  Karo, 
P.  Kavv^adias,  A.  Kondostavlos, 
Sp.  Lambros,  V.  Leonardos,  O. 
Lüders,  K.  Mylonas,  D.  PhiUos, 
G.  Sotiriadis,  V.  Stais,  J.  N.  Svo- 
ronos,  Ch.  Tsuntas,  C.  M.:  M. 
Deffner,  M.Dimitsas,E.Gillieron, 
K.  Karapanos,  P.  Kastriotis,  A. 
D.  Keramopullos,  J.  Kokidis,  K. 
Kuruniotis,  J.  A.  Londos,  A.  Phi- 
ladelphevs,  N.  G.  Politis,  A.  Skias, 
D.Vikelas,  G.Vy  zantinos,  E.Ziller. 

Chalkis:   C.  M.:  A.  Matsas. 

Delphi:   C.  M.:  A.  Kondoleon. 

Hahnyros:   C.  J\I.:  Giannopulos. 

Kalavryta:  C.  M.:  M.  Krispis. 

Larissa:  C.  M.:  Kandakidis. 

Mykonos:  C.  AI.:  D.  Stavropulos. 

Naxos:   C.  AI.:  J.  NavpHotis. 

Piräus:  0.  AI:  J.  Dragatsis,  A.  Me- 
letopulos. 

Syni:   C.  M:  P.  Serlendis. 

Thera:   C.  Jll:  E.  Vassiliu. 

Tinos:   C.  AI:  N.  Sakkelion. 

Tripolis:  C.AI:  N.  Stephanopulos. 

]"olo:  C.  M:  N.  Georgiadis,  D.  Tso- 
potos. 

9.  Großbritannien. 

Lo7idon:  0.  Jll:  S.  Coivin,  E.  A. 
Gardner,    B.   V.  Head,    W.   M. 


Flinders   Petrie,    A.   LI.   Smith, 

Cecil  H.  Smith,  C  M:  (;.  F.  Hill, 

W.  C.  Perry. 
Aberdeen:    0.  AI:   W.  M.  Ramsay. 
Cambridge:    0.  M:    J.  G.  Frazer, 

Ch.  Waldstein,   C.  M:   ].  Harri- 

son,  R.  C.  Jebb. 
Grasmere,  Alalverii:  0.  J\I:   G.  Mc 

N.  Rushforth. 
Harrow:  C.  AI:  J.  Thacher-Clarke. 
Lazvford  (bei  Alannington,  Es  sex): 

C.  M.:  F.  M.  Nichols. 
Alane hest er:   C.  M:  E.  L.  Hicks. 
Neivcastle-upon-Tyne:    C.  AI:    T. 

Hodgkin. 
Oxford:    0.  M.:    A.  J.  Evans,    P. 

Gardner,  Fr.  LI.  Griffith^  F.  Ha- 

verfield,    H.   St.  Jones,    C.   Jll: 

L.  R.  Farn  eil,  J.  L.  Myres. 
Salisbiiry:    C.  AI:  J.  Wordsworth. 
South-Shields:   C.  M:  R.  Blair. 

10.  Italien. 
Rom:  E.  J\I:  C.  Freiherr  von  Bildt, 
Contessa  E.  Caetani-Lovatelli, 
0.  Jll:  W.  Amelung,  Conte  A. 
Antonelli,  F.  Barnabei,  Barone 
G.  Barracco,  G.  Boni,  G.  Calderini, 
A.  Castellani,  E.  De  Ruggiero, 
L.  Duchesne,  F.  Ehrle,  R.  Engel- 
mann, G.  Gatti,  F.  Halbherr,  P. 
Hartwig,  W.  Heibig,  Ch.  Hül- 
sen, G.  Körte,  R.  A.  Lanciani, 
E.  Löwy,  G.  Lumbroso,  O.  Ma- 
rucchi,  A.  Mau,  R.  Norton,  A. 
Pasqui,  L.  Pigorini,  D.  Vaglieri, 
J.  Wilpert,  C  AI:  Th.  Ashby, 
L.  Cantarelli,  G.  A.  Colini,  Conte 
A.  Cozza,  P.  Di  Tucci,  D.  Fara- 


17     - 


bulini,  A.  (ialli,  G.  B.  Giovcnalc, 
r.  des  Granites,  H.  No^ara,  Ci. 
Pinza,  L.  PoUak,  C.  E.  Ri/.zo, 
P.  Stettincr,  C.  vStornaiolo,  G. 
Tomassetti. 
Anaorm:  C.  M.:  E.  Martinclli. 

o 

Ancona:  C.  JM.:  C.  Chiavarini. 
Appignano  (bei  Maccrala):  C.  J/.: 

Contc  E.  Tambroni-Armaroli. 
Aquila:  C.  M.:  N.  Persichetti. 
Arcz::o:   0.  M.:  G.  V.  Gamurrini. 
.'lirc:  C.  j\[.:  F.  Grossi. 
Ascoli  Piccno:   C.  M.:  G.  Gabrielli, 

G.  Paci. 
Assisi:   C.  M.:  De  Persiis. 
Bart:    C.  M.:  G.  Milella. 
Benevcnto:    C.  M.:  A.  JMeomartini. 
Bergamo:  C.  M.:  G.  Mantovani. 
Bologna:  0.  M.:  E.  Brizio,   C.  M.: 

G.  Pellegrini,  A.  Zannoni. 
Brescia:    C.  M.:  P.  Da  Ponte,    P. 

Rizzini. 
Brindisi:   C.  M.:  G.  Nervegna. 
Cagliari:  C.  M.:  F.  Nissardi,  A.  Ta- 

ramelli. 
Caiazzo:   C.  AI.:  G.  Faraone. 
Chief i:   C.  M.:  R.  Cavarocchi. 
Este:   C.  M.:  A.  Prosdocimi. 
Florenz:    0.  M.:  L.  A.  Milani,    G. 

Vitelli,    C.  M.:    D.   Comparetti, 

F.  Corazzini,   L.  Pernier,    E.  Ri- 
.     dolfi. 
Forli:  C.  J/..-  G.  Mazzatinti,  A.  San- 

tarelli. 
Formia:   C.  M.:  A.  Rubini. 
Fossombrone:  C.  M.:  A.Vcrnarecci. 
Gesualdo:   C.  M.:  F.  Catone. 
S.Giovanni Incarico :  C.  M.:  D.  San- 

toro. 


Macerata  l-clliia:  CM.:  Marchesc 

G.  Antimi-Glari. 
Macerata- Marche:   C  M.:    \ ..  Zdc- 

kauer. 
Mailand:  CM.:  (i.  Oberziner,  S. 

Ricci,  C.  Ruga. 
Marzabotto:  C  M.:  C'oiitc  .Vria. 
Messina :  Ü.M.:  L. Savigiioni,  CM.: 

L.  Mauceri. 
Modcna:  C  M.:  A.  G.  SpincUi. 
Mojitopoli  di  Valdarno:   C  M.:  I. 

Falchi. 
Montenero  di  l>is<rcria:    C  M.:    G. 

Caraba. 
Mnro:  C  M.:  L.  Maggiulli. 
Neapel:    O.  M.:    G.  De  Petra,    E. 

Pais,  A.  Sogliano,  C  M.:  Conte 

F.  Colonna-Stigliano,  L.  Correra, 

A.  Dohrn,    C.  Manciiii,    Barone 

]\I.  V.  Spinelli  di  Scalea. 
Orvieto:    C  M.:    Conte  E.  Faina, 

R.  Mancini. 
Padua:  O.M.:  G.  Ghirardini,  CM.: 

F.  Cordenons,  G.  Tropea. 
Palermo:   0.  J/.:  A.  Salinas. 
Palestrina:  C  M:  V.  Gicerchia. 
Parma:  C  M.:  G.  Mariotti. 
Pavia:    C  M.:    G.  Canna,    G.  Pa- 
tron i. 
Perugia:   C  M.:    G.  Bellucci,    A. 

Lupatelli ,     Conte    G.   B.   Rossi- 

Scotti. 
Pesaro:    C  M.:    Marcliese  C.  An- 

taldi. 
Pisa:   0.  M.:  L.  Mariani. 
Portici :  C  M.:  F.  Salvatore  Dino. 
Reggio  (Calabria):  CM.:  G.  Cami- 

niti. 
Ruvo:  C  M.:  A.  Jatta. 

2 


—     i8 


Sangi'orgio  a  Liri:  C.  J/.:  G.  Luc- 

ciola. 
Savona:  C.  AI.:  V.  Poggi. 
Scafati:  C.  M.:  F.  Morlicchio. 
Sezze:   C.  M.:   F.  Lombardini,   G. 

Porri. 
Sieiia:   0.  M.:  Marchese  B.  Chigi, 

CM.:  F.  Donati,  E.  Piccolomini. 
Spoleio:  C.  M.\  G.  Sordini. 
Spongano:  C.  III.:  F.  B.  Castiglioni. 
Suliiwna:  C.  AI:  A.  De  Nino. 
Syrakus:  0.  AI:  P.  Orsi. 
Tareiit:    C.  AI:   O.   Quagliati,    L. 

Viola. 
Tolentino:  C.  AI:  Conte  IK.  Silveri- 

Gentiloni. 
Tw'in:  C.  AI:  E!.  Ferrero. 
Treviso:  C.  AI:  A.  Calabrese. 
Urbisaglia:  C.  AI:  F.  S.  Palazzetti. 
Venafro:  C.  AI:  S  Vitali. 
Venosa:  C.  AI:  G.  Pinto. 
Verona:  C.  AI:  A.  Spagnolo. 
Vol terra:  C.  AI:  E.  Solaini. 

11.  Niederlande. 

Amsierdani:  0.  M:  Jonkheer  J.  Six 

van  Hillegom. 
Groningen:   C.  AI:  U.  Ph.  Boisse- 

vain. 
Leiden:  0.  AI:  A.  E.  J.  Holwerda. 
[/trec/iL-  C.  AI:  J.  C.  Vollgraff. 

12.  Österreich-Ungarn. 

Wien:  E.  AI:  Erzherzog  Rainer, 
Fürst  Johann  von  und  zu  Liech- 
tenstein, 0.  AI.:  O.  Benndorf, 
E.    Bormann,    W.    von    Hartel, 


F.  Kenner,  W.  Kubitschei^,  C. 
Graf  Lanckoroi'iski-Brzezie,  G. 
Niemann,  E.  Reisch,  R.  von 
Schneider,  F.  Wickhoff,  A.  Wil- 
helm, C.  AI:  O.  Egger,  S.  Frank- 
furter, M.  Hoernes,  P.  Kretsch- 
mer,  A.  von  Premerstein ,  L. 
Reinisch,  A.  Schindler,  W.  Wil- 
berg,  F.  Zamboni. 

Budapest:  0.  AI:  J.  Hampel,  C.AI: 
V.  Kuzsinsky. 

Aquileja:   C.  AI:  H.  Maionica. 

Czernowitz:  C.  AI:  J.  Dell,  J.  Kro- 
mayer. 

Graz:  0.  AI:  J.  Strzygowski,  F. 
Winter,   C.  Jll:  F.  Pichler. 

Innsbrnck:  0.  AI:  E.  Kaiinka,  H. 
Schrader. 

Prag:  0.  AI:  W.  Klein,  C.  AI: 
H.  Svvoboda. 

Rao-iisa:   C.  AI:  G.  Gelcich. 

Spalato:   0.  Jll:  F.  Bulic. 

Triest:   C.  AI:  A.  Puschi. 

Zara:  C.  AI:  G.  Alacevic,  L.  Jelii'-. 

13.  Portugal. 

Lissabon:   C.  HI:  A.  Coelho,  J.  L. 

de  Vasconcellos. 
Oporto:  C.  M:  J.  de  Vasconcellos. 

14.  Rumänien. 

Bjikarest:   0.  AI:  G.  Tocilescu. 

15.  Rußland. 

St.  Petersburg:  0.  M.:  M.  Botkin, 
B.  Latyschew,   A.  Prachow,   E. 


ly     — 


Pridik,  M.  Rostowzew,  C.  M.: 
N.  Kondakow,  A.  Papadoj^ulos- 
Keramevs,  B.  Pharmakowsky, 
J.  Pomialowsky,  Th.  Zielinski. 

Dorpat:   C.  M.:  W.  Malmbero-. 

Hclsingfors:   C.  Jl/.:  B.  (jraser. 

Moskau:    C.  M.:  A.  Nikitsky. 

Odessa:   O.  M.:  E.  ^von  Steni. 

WarscJiaii:   C.  M.:  N.  Novosadsky. 

IG.  Schweden. 

Stockholm:   0.  M.:  O.  Montclius. 
SdderJiavni:   C.  Jl/.:   J.  Centcrwall. 
Upsala:    C.  Jl/.:    L.  Kjcllbert;-,    S. 
Wide. 

17.  Schweiz. 

Base/:    0.  J\I.:    J.  J.  Bernoulli,    A. 

Körte. 
Bern:   C.  M.:  \,  Philippson. 
Gr.  St.  Bernhard:  CM :  H.  Lugon. 
Lausanne:   C.  M.:  W.  Cart. 
Winter thur:     0.   M.:    F.    Imhoof- 

Blumer. 
ZüricJi:   0.  M.:  H.  Blümner. 

18.  Serbien. 
Belgrad:   C.  M.:  M.  Waltrowitz. 

19.  Spanien. 

Madrid:  E.  M.:  J.  von  Radowitz, 
0.  M.:  F.  Fita,  C.  M.:  J.  R.  Me- 
lida,  Marques  de  Monsalud,  E. 
Saavedra. 

Barcelona:  C.  M.:  A.Elias  de  Mö- 
llns. 

Cadix:  C.  M.:  F.  A.  Vera. 

ElcJie:  C.  M.:  P.  Ibarra  y  Ruiz. 


(Jranada:  C.  Jll.:  M.  G.  Moreno. 
Mahon:  C.  M.:  S.  D.  G.  Llabres. 
Malaga:   O.  M.:  M.  R.  de  Berlanga, 

C.  M.:  G.  Loring. 
Medina  Sidonia:   C.  Jll.:  M.  Pardo 

de  Figueroa. 
Vitloria:   C.  M.:  V .  Baraibar. 

20.  Tunis. 

Tunis:   O.  M.:   A.  L.  Dclattre,  P. 

F.  Gauckler. 

21.  Türkei. 

Konstantinopel:  CAJ/..-I{alil-Edhem- 

Bey,   O.  Hamdy-Bey,   Th.  Wie- 

gand,  C.  M.:  H.  Gies,  R.  Löper, 

A.  Mordtmann. 
Aidin:    C.  M.:   D.  Hadjidimu,    M. 

Papa  -  Konstandinu. 
Artafie:  C.  M.:  N.  Limnios. 
Babylon:   0.  M:  R.  Koldewey. 
Beirut:   C.  Jll.:  P.  Schröder. 
Candia:   C.  M.:  J.  Chatzidakis. 
C/talki:   C.  M.:  O.  N.  Askitis. 
Chios:   C.  M.:  G.  J.  Solotas. 
Dardanellen:    0.  Jl/.:  F.  Calvert. 
Jl/llet:    C.    J\/.:     G.    Kawerau,    H. 

Knackfuß. 
Perganion:  C.  A/.:  G.  loannidis,  G. 

Rallis,  D.  Tscholakidis. 
/'olatli:   C.  J/..-  G.  Tria. 
Rhodos:   C.  M.:  A.  Casilli. 
Sanios:  CA/.:  Th.  Sophulis,  A. Sta- 

matiadis. 
Sniyrna:   0.  A/.:  J.  H.  Mordtmann, 

G.  Weber,  C.  J\/.:  A.  Fontrier, 
P.  Gaudin,  G.  Sotiriu,  M.  Tsa- 
kyrogiu. 


—      20      — 


22.  Vereinigte  Staaten  von 
Amerika. 

Berkeley,  Cal.:  CM.:  B.J.Wheeler. 
Cavibrido-e,  Mass.:   0.  M.:  W.W. 


n/uica,  N.  y.:   CM.:  T.  R.  S.  Ster- 

rett. 
Meadville,    Penns.:    C  M:   G.  F. 

Comfort. 


Goodwin,   Ch.  E.  Norton,  J.  W.   '  New-York:   0.  M.:  R.  B.  Richard- 


White. 
Chicago,  III. :    C.  M.:  W.  G.  Haie. 
Cleveland,     Ohio:    C    M.:    H.    N. 

Fowler. 


son. 


Princeton,  N.  J.:  C  M.:  A.  L.  Fro- 

thingham  jun. 
WasJiiiiztou:   C  M.:  van  Marter. 


—      21       — 


Publikationen 

des  Kaiserlich  Deutschen  Archäologischen  Instituts. 

li.  P.  =  licrabofesetztcr  Preis  (nur  bis  auf  wc-itcres  gülti:^). 

A.    Periodische   Publikationen. 

1.  *Monumenti   incditi.     12  Hiiiule.    Rom  1829  —  1SS5.    Siii)[)Icniento.    Berlin  1S91. 

Gr.  Folio.  Berlin,  Georg  Reimer.  —  Jeder  Jahrgang  bis  1860  M.  12,  h.  P.  M.  6, 
von  1 861  — 1885  M.  20,  h.  P.  M.  10.  Das  Supplementheft  M.  40,  h.  P.  M.  20. 
Die   ganze   Serie  M.   444. 

2.  *Annali.      54  l'antle.      Rom    1820  —  1885.      8°.      Berlin,    (Jeorg    Reimer.    —    Jeder 

Jahrgang  bis  1S60  M.  8,  h.  P.M.  4,  von  1S61  ab  M  15,  h.  P.  M.  7,50.  Die  ganze 
Serie  M.   303,50. 

3.  *Bullettino.     55  Bände.     Rom    1S29 — 1885.     8".     Berlin,   Georg  Reimer.  —  Jeder 

Jahrgang   bis    1860  M.   4,    h.   P.  M.   2,    von    18G1    ab   M.    5,    h.   P.   M.   2,50.      Die 

ganze  Serie  M.    122,50. 
Annali,   Bulletino  und  Monumenti    1854  und  1S55.   —  Je  M.  24,   h.  P.  M.  12. 
Annali   und  Monumenti    1856.   —  M.    24,   h.  P.   M.    12. 

4.  *Repertorio   universale   (Inhaltsverzeichnis   zu    i,   2,   3).     Berlin,   Georg   Reimer. 

—  Band  i,  Rom  1834— 1S43.  8°.  M.  8,  h.  P.  M.  4.  Band  II,  Rom  1844^1853. 
8°.  M.  8,  h.  P.  M.  4.  Band  III,  Rom  1854— 1856.  Folio.  M.  2,40,  h.  P. 
M.  1,20.  Band  IV,  Rom  1857—1863.  8°.  M.  4,80,  h.  P.  M.  2.40.  Band  V, 
Rom  1864— 1873.  8°.  M.  5,60,  h.  P.  M.  2,80.  Band  \'I,  Rom  1874— 1SS5 
und  Supplement,  Berlin   1891.     8°.     M.  4.60,  h.  P.  M.   2,30. 

5.  *Memorie.     Rom   1832.     8°.     Berlin,   Georg  Reimer.  —  M.    12,  h.  P.  M.  6. 

6.  *Nuove  Memorie.    Leipzig  1865.    8°.    Berlin,  Georg  Reimer.  — M.  18,  h.  P.  M.  9. 

7.  Archäologische    Zeitung.      Berlin,    Georg   Reimer.      1843 — 1885.     43    Bände. 

4°.  —  Jeder  Jahrgang  M.  12,  soweit  noch  vorhanden.  IMe  ganze  Serie  M.  600. 
Register  dazu   1886.     M.   12. 

8.  Antike    Denkmäler.      Berlin,     Georg    Reimer.       i8S6iT.      Imp. -Folio.    —    Jedes 

Heft  M.  40.      Bisher  erschienen  Band   I,   Heft    i  —  5.      Band   II,   Heft    i — 4. 

9.  Jahrbuch    und  Anzeiger.      Berlin,    Georg  Reimer.     1886fr.     8°.    —  Jeder  Jahr- 

gang M.    16,   Der  Anzeiger  von    1896   an   allein  M.   3;   ab    1901    Jahrbuch  M.   20, 
Anzeiger  M.  4. 
IG.     Jahrbuch,  Ergänzungshefte.     Berlin,   Georg  Reimer. 

I.    J.    Strzygowski,    Die    Kalenderbilder    des    Chronograplien    vom    Jahre    354. 
1888.     8°.     M.  30. 

II.  R.  Bohn,  Altertümer  von  Aegae.      1889.     8°.     M.   24. 

III.  H.   Winnefeld,  Die  Villa  des  Hadrian.      1895.     8°.     M.  20. 


*  Einzelne   Bände   und   Einzelserien  nur  nach   Maßgal)e  des   \'orrats. 


IV.    C.  Humann,  C.  Cichoiius,  W.  Judeich,   F".  Winter,  Altertümer  von  Hierapolis. 

1898.     8°.     M.  24. 
V.    G.  Körte  und  A.  Körte.     Gordion.    Ergebnisse  der  Ausgrabung  im  Jahre  1900. 
Mit   einem   Anhang    von   R.  Kobert.     Mit  235  Abbildungen  im  Text,  3  Bei- 
lagen und   10  Tafeln.    1904.     8°.     M.   28. 

VI.    R.   Wünsch,  Antikes  Zaubergerät  aus  Pergamon.      1905.     8°.     M.   7,50. 

11.  Mitteilungen.       Römische     Abteilung     (Bullettino,      Sezione     Romana).       Rom, 

Loescher  &  Comp.    i886ff.     8°.  —  Jeder  Jahrgang  M.    12. 

12.  Mitteilungen.     Athenische    Abteilung.     Athen,    Beck  &  Barth.      iSyöff.     8°.    — 

Jahrgang  I — X  M.    15.     Jahrgang  XI  ff.   M.    12. 

Nachdem    die    ganze    Serie    durch    (anastatischen)  Neudruck    wieder    vervoll- 
ständigt ist,  bei  einmaliger  Abnahme  ganzer  Reihen : 

(Die  Transportkosten  sind  zu  Lasten  der  Abnehmer.) 
Band     I — XX  (nebst  Registern),  statt  für  270  M.,   für  220  M. 
I— X  „  „  „       „     150     ..       „     125    „ 

„     XI— XX        „  „  „       „     120     „       „     100    „ 

Bei  der  Abnahme  von  einzelnen  Bänden  bleiben  die  bisherigen  Ladenpreise 
bestehen.     Band  IX  und  X  werden  einzeln  nifcht  geliefert. 

13.  Ephemeris    epigraphica.    Corporis    Inscriptionum    Latinarum    Supplementum,    edita 

iussu  Instituti  Archaeologici  Romani.  8  Bände.  Berlin,  Georg  Reimer.  iS72ff. 
—  Band  I,  M.  6.  Band  II,  M.  8.  Bd.  III,  M.  10.  Band  IV,  M.  16.  Band  V, 
M.  20,20.  Band  VI,  M.  8.  Bd.  VII,  M.  18.  Bd.  VIII,  M.  25.  Bd.  IX, 
Fase.   I — 2  M.    17. 

14.  Römisch-Germanische   Kommission.      Bericht    über    die    Fortschritte    der   Römisch- 

Germanischen  Forschung  im  Jahre  1904.  Frankfurt  a.  M.,  Jos.  Baer  &  Co. 
1905.    8°.    M.  3. 

B.   Serien-Publikationen. 

15.  I  Rilievi    delle    Urne    Etruschc.      Band    I    von    H.    Brunn.     Rom    1870.     4°. 

Berlin,  Georg  Reimer.  —  M.  60,  h.  P.  M.  40.  —  Band  II,  i  von  G.  Körte. 
Berlin  1890,  Georg  Reimer.  4°.  —  M.  40,  h.  P.  M.  30.  —  Band  II,  2  von 
G.  Körte.     Berlin   1896.     M.  40. 

16.  E.  Gerhard,    Etruskische  Spiegel.     Band   V,    bearbeitet    von  G.  Körte    und 

A.  Klügmann.     Berlin,  Georg  Reimer.      1884 — 1897.     4°.     M.    144. 

17.  C.  Robert,  Die  antiken  Sarkophagreliefs.     Band  II,  Mythologische  Cyklen. 

Berlin,  Grote.  1890.  Fol.  M.  225.  —  Band  III,  erste  Abteilung.  1897.  Fol. 
M.   160;  zweite  Abteilung.      1904.     Fol.  M.   200. 

18.  R.  Kekule    von  Stradonitz,    Die    antiken    Terrakotten.     Berlin  und  Stutt- 

gart, W.  Spemann,  Fol.  Band  I,  Die  Terrakotten  von  Pompeji,  bearbeitet  von 
H.  von  Rohden.  1880.  M.  60.  —  Bd.  II,  Die  Terrakotten  von  Sicilien,  be- 
arbeitet von  R.  Kekule  von  Stradonitz.  1884.  M.  75.  —  Band  IV,  Die 
Typen  der  figürlichen  Terrakotten,  Vjearbeitet  von  Fr.  Winter.      1903.     M.  80. 

19.  A.   Furtwängler  und  G.  Loesc  hcke,   My  kenische  Tongefäß  e.     Berlin  1879. 

Georg  Reimer.     Fol.     M.  40,  h.  P.   M.  30. 

20.  A.    Furtwängler    und    G..  I>oeschcke,    Mykcnische    Vasen,     vorhellenische 

Tongefäße  aus  dem  Gebiete  des  Mittelmeeres.  Berlin  1886.  Georg  Reimer, 
Fol.     M.   115,  h.  P.  M.   75. 


—      23      — 

2r.  E.  Curtius  und  J.  A.  Kaupcit,  Karten  von  Attika.  Hurlin,  Dietrich  Reimer. 
Gr.  Fol.  iSSi  — 1895.  —  Hi-'ft  U  mit  Text  von  K.  Curtius,  G.  von  Alten  und 
A.  Milchhcifer,  M.  12.  Heft  II,  mit  Text  von  A.  M  ilehhii  fer,  M.  16.  Heft  Hl, 
M.  12.  Heft  IV,  M.  10.  Heft  V,  M.  8.  Heft  VI,  mit  Text  zu  Heft  III— VI 
von  A.  Milchhöfer,  M.  7.  Heft  VII,  M.  6.  Heft  VIII,  M.  13.  Text  zu  Heft 
VH— ATIl  von  A.  Milchhöfer,  M.  2.  Heft  IX  (Über.sichts-  und  Gesamtkarte 
von  Attika)  im  Maßstab  i  :  looooo.  Mit  Text  und  Register.  M.  17.  Heft  X 
(Schlußheft)  mit  antiken  Ortsbezeichnungen.     M.  4. 

22.  F.  Ohlenschlager,     Riimische    Überreste    in    Bayern.      München,     J.  Lindauer. 

Heft   I.      1902.     Heft  II.      1903.     8°.     Je  M.  4. 

C.   Einzelwerke. 

23.  Steffen,    Karlen    von   Mykenai.     Berlin,    Dietrich    Reimer.      1S84.     40.     Text    von 

Steffen   und   Lolling.  —  M.    12. 

24.  R.  Koldewey,    Antike   Baureste    der   Insel    Lesbos.     Mit    29  Tafeln   und   Textab- 

bildungen, 2  Karten  von  H.  Kiepert.  Berlin,  Georg  Reimer.  1890.  I"ol. 
M.  80,  h.  F.  M.  40. 

25.  Das    Kuppelgrab    von    Menidi.      Athen,    Beck   &  Barth.      18S0.     4°.   —    M.   8. 

26.  Dressel  &  Milchhoefer,    Die    antiken  Kunstwerke    aus  Sparta   und    Umgebung. 

(Aus  den  Mitt.  des  K.  D.  Arch.  Instituts  Ath.  Abt.  II.)    Mit  6  Tafeln.     1877.    M.  8. 

27.  Die  Arbeiten  zu  Pergamon   1886 — 1898.     (Aus  den  Mitt.  des  K.  D.  Arch.  Instituts 

Ath.  Abt.  XXIV).  1899.  M.  3.  1900 — 1901  (Aus  den  Mitt.  des  K.  D.  Arch. 
Instituts  Ath.  Abt.  XXVII).  M.  3.  1902  — 1903  (Aus  den  Mitt.  des  K.  D.  Arch. 
Instituts  Atli.  Abt.   XXIX).     M.  3. 

28.  G.  Koerte,  Die  antiken  Skulpturen  aus  Boeotien.     (Aus  den  Mitt.  des  K.  D.  Arch. 

Instituts  Ath.  Abt.  III).     Mit  2  Tafeln.     1878.    M.  4. 

29.  Th.  Wiegand,    Antike    Skulpturen    in    Samos.     (Aus    den    Mitt.    d.    K.    D.    Arch. 

Instituts  Ath.  Abt.  XXV).  Mit  2  Tafeln  und  zahlreichen  Abbildungen  im  Text. 
1900.    M.  2,50. 

30.  E.    Pfuhl,    Der    archaische    Friedhof  am    Stadtberge  von   Thera.     (.\us    den   Mitt. 

des  K.  D.  Arch.  Instituts  Ath.  Abt.  XVIII).  290  S.  mit  5  Tafeln,  40  Beilagen 
und  83  Abb.  im  Text.     M.  6. 

31.  Chr.  Hülsen,  Die  Ausgrabungen  auf  dem  Forum  Romanum.     (Aus  den  Mitt.  des 

K.  D.  Arch.   Instituts  Rom.  Abt.) 

a)  1898 — 1902.      Rom    190O 

,  s  ■      je  M.  4. 

b)  1902  — 1904.         „       1905  )  ■'  ^ 

32.  G.    B.    de    Rossi,     Piante    icnograflche     e    prospettiche     di    Roma    anteriori    al 

secolo  XVI.     Roma   1879.     4°.     Berlin,   Georg  Reimer.     M.  32,  h.  P.  M.    18. 

33.  R.   Schöne,   Le  Antichita  del  Musco  Bocchi  di  Adria.     Roma  1878.     Berlin,   Georg 

Reimer.      4°.      M.   24,   h.  P.   M.    12. 

34.  Kellermann,   \'igi]um    Romanorum   latercula  duo  Caelimontana.     Roma  1835.     4°. 

Berlin,  Georg  Reimer.     M.  6,40,  h.  P.  M.  3,20. 

35.  W.  Henzen,  Scavi  nel  bosco  sacro  dei  Fratelli  Arvali.     Roma  1868.     Fol.    Berlin, 

Georg  Reimer.     M.    16,  h.  P.  M.  8. 

36.  H.  Jordan,   De  formae   Urbis  Romae  fragmento  novo.     Roma   1883.     4°.     Berlin. 

Georg  Reimer.     M.    1,60,   h.  P.  M.    i. 


—      24      — 

37-  A.  Michaelis,  Geschichte  des  Deutschen  Archüologisclien  Instituts  1S29— 1879. 
Berlin  1879,  Georg  Reimer.  8°.  M.  6,  h.  P.  M.  3.  —  Italienische  Ausgabe 
M.  4,80,  li.   P.   M.   2,40. 

38.  J.  Lessing-   und    A.  Mau,    Wand-    und    Deckenschmuck    eines    römischen    Hauses 

aus  der  Zeit  des  Augustus.     Berlin  1891,  Georg  Reimer.     Fol.     M.  40,  h.  P.  M.  25. 

39.  Alexander  Iwanoff,   Darstellungen  aus  der  heiligen  Geschichte.     14  Lieferungen 

zu  je  15  Blatt.  Berlin,  Georg  Reimer.  Fol.  —  Jede  Lieferung  M.  80,  h.  P. 
M.  20.     (Lieferung  2  ist  vergriffen.) 

40.  Sergius    Iwanoff,    Architektonische    Studien.     Heft    I.     Aus    Griechenland.     Mit 

Text  von  R.  Bohn.  Folio  und  Quart.  1892.  M.  96.  —  Heft  IL  Aus  Pompeji. 
Mit  Text  von  A.  Mau.  Folio  und  Quart.  1895.  Dazu  Nachtrag.  Folio  und 
(,)uart.  1S98.  M.  40.  —  Heft  III.  Aus  den  Thermen  des  Caracalla.  Mit  Text 
von  Chr.   Hülsen.      Folio   und   (Juart.      1898.      M.    120. 

41.  M.   Botkin,   Biographie   A.    Iwanoffs.      Berlin,    Georg  Reimer.      18S0.      4°.     M.    10, 

h.   P.   M.    5. 

42.  A.  Mau,  Katalog  der  Bibliothek  des  Kaiserlich  Deutschen  Archäologischen  Instituts 

in  Rom.  Band  I.  Rom,  1900.  Band  II.  Rom,  1902.  Loescher  &  Co.  8°. 
je   M.   4. 

43.  F.   von   Platner,   Katalog  der  Bibliotheca  Platneriana,    enthaltend  Munizipalstatuten 

und  Siädtegeschichten  Italiens  (i 886.  Supplement  1S94).  Rom,  E.  Loescher  &  Co. 
Fr.  1 2,   Suppl.    Fr.  3. 

44.  \V.   Amelung,   Die   Skulpturen  des  Vatikanischen  Museums.      Band    I.     Text  in   8°. 

121    Tafeln  in  4='.     Berlin,   Georg  Reimer.      1903.     M.  40. 

D.   Schul-Wandtafeln. 

45.  Grabstele   der  Hege  so. 

46.  Sog.   Alexander-Sarkophag  aus   Sidon. 

47.  Augustus-Statue   von  Prima  Porta. 

Deutsche  und  österreichische  Unterichtsanstalten,  welche  ihre  Bestellungen  an 
den  Generalsekretär  des  Instituts  (Berlin  VV.  10,  Corneliusstr.  i)  richten,  erhalten  jede 
dieser  Tafeln  zum  Preise  von  5  Mark  80  Pfennigen  (einschließlich  der  Verpackung,  aus- 
schließlich, des  Porto)  direkt  von  der  Verlags-Anstalt  Fr.  Bruckmann  AG. -München 
zugesandt,  an  welche  dann  auch  der  Preis  direkt  einzuzahlen  ist.  Bei  Bestellung 
mehrerer  Exemplare  für  dic-^ellie  Adresse  ermaßigt  sich  der  für  Verpackung  berech- 
nete Betrag-. 


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